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' ae bs uni A » ans Vier Pee en BOCH TAN N IRRE vert ie : td bie oF te 9 55 6 ee ho peut | ies areas aes eb fiat cad : re ende Senn : ”. ra mia acer PER LER FIPS er FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR, SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. — tn - EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNESGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, PROFESSOR IN HEIDELBERG. ZWEITER BAND. MIT 41 TAFELN UND 10 HOLZSCHNITTEN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1876. , Shake NPA AP Yee RN x =" 4 re rae he Pom | j | N TR CLE In 5= = = CARLY DUNLIZERR, a. a es ix ur vk ~~ Sed (> - Oe a ay Ya A ‘ R ioe | F . “ ' : - 5. pp +! I f ‘ t . were wht "art ae as Seo P eee Asien RN 0% m | ARNDT ON fe. YES ' ath Se 8 : Fey arinpepan dasd 2 > de m Fi Rae aN ; 2 te : 7 4 » Y 28 i ae Maer PATAWS. OOS oe FETTE OR ALTER LEERE Inhalt des zweiten Bandes. Erstes Heft. Seite Zum Carpus und Tarsus der Saurier. Von Dr. G. Born. (Mit Taf. I.) .. 1 Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. Von Dr. Hermann Se OTT. = (MIE Das, Ea 3 iron sos, weh wur CN send 27, Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kemformen. Von-Bıchard Hortwig. . (Mit-Tat, TEE a. were ar athe A re 63 Mittheilungen über Coelenteraten. Von G. von Koch. (Mit Taf. IV.). . 83 Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. Von Dr. W. Bolph: . (Mit Taf, V—VII und 9 Holzsehnitten.), . |. 254, Alle u 87 Zweites Heft, Ueber den Bau der Zehen bei Batrachiern und die Bedeutung des Fersen- hockers: Von Dr. F: Ley.dig: (Mit Taf: VIU—-XE) u # eu 2.20% 165 Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. Von Dr. med. Phil. Stöhr. (Mit Taf. XILund XIII.) ....... 197 Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hüftgelenkes. won \Gerumoaur. (Mit Tat. XIV. - . . sec. us 2. aoe Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. Von Wiehard Lance. (Mit Taf. XV—RVIL) Sy Pe 241 Drittes Heft. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. Von Dr. Fr. Leydig. OMT ake VLR Es) Ooge . sl RY wo) ee ee RT Ueber die Metamorphose,des Echiurus. Von Prof. Dr. W. Salensky. iu; B's) Se: | ON Oe mec One ol rk ae ee 319 Ueber das Hautskelet der Fische. Von Oscar Hertwig. (Mit Taf. XXIII EN Re SS ss ao), te RE oot co ALL on a rama ates 328 Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. Von C. Gegenbaur, 396 IV Seite Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der Meee a Von Dr. KR. Wilershejn... (Mt. Taf MIET. | Bemerkungen über den Canalis Fallopii. Von C. eu . tee ee Ein neues Compressorium. Von Herrmann Eol. (Mit 1 Holzschnitt.) . . 440 Eine Einbettungsmasse. Von Dr. E. Calberla...-: .-. 9... 22. 1 eee Viertes Heft. Die fossilen Wirbel. Morphologische Studie. Von C. Hasse. (Mit Tafel EDEN EDEL ET a ais 3 aan 449 Entwickelungsgeschichte der Atriov tetra Von Dr. A C. Ber- mays?” (Mart Tat. CROCE ard OKT aos. nn seo Be Ueber die Schliifenlinien und den Scheitelkamm an den Schiideln ¢ der Affen. Von Dr. Gustav Joseph) (ME Rafe XO chi, oe 519 Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. “Von ABE Stecker; (Mit; Pat XXKV und XKAXVIN Fon na "ee ee Primitivrinne und Urmund. Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Hühn- chens. Von Prof. A. Rauber. ‘Mit Taf. XXXVII und XXXVIII.) . 550 Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. Von Dr. .G: Born. “(Mit Tat RRXRIX XD). seen. Eee Berichtigung S. 450 Zeile 13 hinter Individuen fehlt: »verschieden ist«. Zum Carpus und Tarsus der Saurier, Von Dr. G. Born. Aus dem anatomischen Institut zu Breslau. Mit Tafel TI. Die Anregung zu den Untersuchungen, deren Resultate in die- sem Aufsatze niedergelegt sind, hat das umfassende Werk GEGEN- BAUR’S über den »Carpus und Tarsus« der Wirbelthiere gege- ben. Mein Bemühen ging im Anfange nur dahin, durch genaue Durchforschung der embryonalen Anlagen der Extremitäten mittelst Zerlegung derselben in zusammenhängende Serien mikroskopischer Schnitte sicherere Anhaltspuncte für die Beurtheilung der phylogeneti- schen Entwicklung des Baues der fraglichen Theile zu gewinnen, erst allmählich stellte es sich heraus, dass auch eine erneute Bearbeitung des Tarsus- und Carpusskelets erwachsener Saurier bemerkenswerthe Resultate gewähre. Die Methode der Untersuchung war je nach Grösse und Beschaffenheit der Objeete verschieden : einmal Präpara- tion mit oder ohne Loupe, mit oder ohne nachträgliche mikroskopi- sche Bearbeitung der einzelnen Theile; dann Zerlegung des ganzen Stückes in eine Reihe auf einander folgender, mikroskopischer Schnitte in der Weise, wie ich es näher in meiner Arbeit über die sechste Zehe der Anuren (dieses Jahrbuch B. I. H. 3.) angegeben habe. Statt dey dort ausschliesslich benutzten Einbettung in Transparentseife, verfahre ich jetzt nach dem Vorschlage meines Collegen WEIGERT mitunter einfacher so, dass ich die entkalkte, und durch Einbinden Morpholog. Jahrbuch. 2, 1 9 G. Born zwischen gehärtete Leberstiicke in Plattenform gebrachte Extremität init Gummi auf einem zweekmässig zugeschnittenen Kork festklebe und dann auf einem Leyser'schen Mikrotome Schnitt für Schnitt von der- selben abhebe. Der Carpus der fünfzehigen Saurier besteht, wie GEGENBAUR |. €. ausführt, allgemein aus acht Stücken, von denen zwei (vergl. Fig. I), als Ulmare (x) und Radiale (7) bezeichnete, den Vorderarmknochen und dem Zwischenknochenraum gegenüberliegen, während ein Drit- tes, das Centrale (c) von der distalen Seite her keilförmig zwischen diese beiden eingeschoben ist. Fingerwärts umgeben das ¢ vier Träger von Metacarpalien (C;—4), während C, nicht mehr das « er- reicht. Ausserdem existirt noch ein ulnares Accessorium (s). Ein Stück, das dem Intermedium der Urodelen entspräche, konnte GEGEN- BAUR auch bei Embryonen von Lacerta nicht auffinden. In Bezug auf diesen letzten Punet waren meine Forschungen von glücklicheren Resultaten gekrönt. Schon bei vier Cm. langen, also dem Aus- schlüpfen nahen Embryonen von Lacerta agilis, die ich in der hiesi- gen Sammlung vorfand, stiess ich auf eine knorplige Anlage, die ich nur als ein echtes Intermedium deuten konnte; Controll-Unter- suchungen an ausgewachsenen Thieren überzeugten mich aber bald, dass das fragliche Stück keineswegs, wie ich anfänglich glaubte, zu den vergänglichen Bildungen gehöre, die schon während der Onto- senese als individuelle Theile untergehen, wie z. B. nach ROSENBERG die Carpalien der zweiten Reihe bei den Vögeln, sondern dass das- selbe ganz constant auch im höheren Alter angetroffen würde. Bei Lacerta agilis (Fig. I.) findet man in der Ecke, mit welcher die zusammenstossenden Kanten des x, e, r den Zwischenknochenraum abschliessen, in einem Bande, das von 7 zur Ulna geht, in schiefer Richtung einen linglich ovalen, hyalinen Knorpel gelagert (Fig. I ¢) der mit seinem distalen Ende in der erwähnten Ecke den drei Knochen gegenüberliegt , in seiner Länge aber in einiger Entfernung, schief proximal- und ulnarwärts aufsteigend, neben der etwas ausgehöhlten Fläche hinzieht , die das « dem Zwischenknochenraum zuwendet; vom « wird der Knorpel ganz constant durch ein zwischen beiden hindurehgehendes Gefäss getrennt (Fig. Ig). Während bei Lacerta agilis dies Stück knorplig bleibt und so in Bandmasse eingehüllt ist, dass es nicht direct am Gelenk zwischen den Carpalien der er-* sten Reihe Theil nimmt, verknöchert es bei Lacerta muralis (Merr.) in der Weise, wie Fig. II zeigt, besitzt eine dem « zugewandte Ge- lenkfläche und ist auch etwas grösser, als bei der ersten Art. Die Deu- Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 3 tung dieses Stückes als ein freilich verkleinertes und wohl auch für die Mechanik des Carpus ziemlich bedeutungslos gewordenes Intermedium ist leicht durehzuführen. Seine Lage ist eine ganz characteristische : zwischen ulnare und radiale von der proximalen Seite her eingeschoben steht es noch dem centrale gegenüber und reicht tief in den Zwischen- knochenraum hinein. Weiterhin geht bei allen Urodelen, selbst bei Sala- mandra maculata und bei einzelnen Tritonen, wo das 7 mit dem x ver- schmilzt, ein Gefäss zwischen beiden hindurch — ein Verhältniss, auf welches GEGENBAUR nicht aufmerksam macht: — demselben Gefässe begegnen wir constant zwischen x und 7 der Saurier. — Ein, wie bei diesen beiden Arten von Lacerta gelegenes ¢ fand ich ausserdem noch durch Präparation ‚bei Lacerta ocellata (Daud.); Tejus Tejuexin (Z.), Ameiva vulgaris (Licht.) und in der Schnittserie des Carpus eines Embryos, der in hiesiger Sammlung als Lacerta monitor aufgeführt war; dagegen vermisste ich es bei allen daraufhin untersuchten Ascalaboten (Platydactylus muralis (Dum.) Hemidactylus verruca- tus (Cuv.) und marginatus), ebenso bei Scincus officinalis Laur.), Varanus niloticus (D. B.) und Iguana tubereulata (Laur.) und end- lich auch bei Chamaeleo vulgaris (Daud.). Wenn man in Ueber- legung zieht, welche Umstände wohl bei den Sauriern gegenüber den Urodelen und Cheloniern theils zu einer erheblichen Reduetion, theils zum vollständigen Verschwinden des 7 geführt haben mögen, so fällt bei Vergleichung der im GEGENBAUR'schen Werke gegebenen Abbil- dungen der vorderen Extremitäten von Repräsentanten dieser Fami- lien sogleich ein Umstand ins Auge, der die Urodelen und Chelonier, welche ein grosses und den beiden Vorderarmknochen angelagertes 7 besitzen. von den Sauriern leicht unterscheidet. Bei jenen sind näm- lieh die distalen Enden der Ulna und des Radius beinahe bis zur Berührung genähert, bei den Sauriern haben sie sich sehr weit von einander entfernt: dadurch hat sich wahrscheinlich die Berührung zwischen dem 7 und den Vorderarmknochen gelöst, den Schluss des Gewölbes, das die erste Reihe der Handwurzelknochen bildet, hat allmählich statt des durch Verlust seiner Unterlagen dazu untauglich gewordenen ? das sich so characteristisch für die Saurier zwischen u und 7 keilförmig vorschiebende ¢ übernommen, und das so ausser Funetion gesetzte 7 ist theils rückgebildet, theils ganz geschwunden. Natürlich kann man sich den Process auch mit Vergrösserung und Verbreiterung des « und + beginnend denken, wo dann das Aus- einandeiriicken der distalen Enden der Vorderarmknochen erst als ein seeundärer Vorgang erschiene, jedenfalls wird aber der Zusam- 1* 4 G. Born menhang dieser Thatsachen mit der Riickbildung des 7 einleuehtend sein. Während ich abgesehen von dem Funde des 7 mit der GEGEN- paur’schen Darstellung und Deutung des Carpus der Saurier ganz iibereinstimme, kann ich nicht das Gleiche von der von ihm wohl blos nach den Angaben der Autoren reproducirten Schilderung des Carpus der Chamaeleonten sagen. Dieselbe ist so abweichend von meinem Befunde, den ich sowohl aus mehreren Sehnittserien wie durch wiederholte Präparation übereinstimmend gewonnen habe, dass ich zu der Annahme gedrängt werde, alle bisherigen Darstellungen seien nur von der Betrachtung trockener Skelete ausgegangen mit gänz- licher Vernachlässigung der Reetifieirung durch eigene Präparation. Die setrachtung der Abbildung, welche Owen (On the Anatomy of Vertebr. I. p. 175)') von den Knochen der vorderen Extremität eines Chamae- leon, gibt, bestärkt mich in dieser Vermuthung. Der Carpus der Cha- maeleonten soll eine ganz andere Beschaffenheit haben, als der der übrigen Saurier. GEGENBAUR beschreibt ein « und 7, die dicht an- einander gerückt gegen das unter ihnen liegende c eine, die ge- lenkkopfartige Wölbung desselben aufnehmende Vertiefung bilden: an das ¢ stossen dann fünf sehr gleichartige, nach Form und Struc- tur Metacarpalien ähnliche Carpalia, die aber vielleicht Carpalia plus Metacarpalia repräsentiren. Verwirft man diese Unterstellung, so muss man zugeben, dass die Chamaeleonten eine Ausnahme von der unter den Sauriern sonst bewährten Gleichmässigkeit der Pha- langenzahl machen. So die von GEGENBAUR wiedergegebene Dar- stellung. — Ich finde (Fig. Ill) ein «, das durchaus dem der übri- gen Saurier ähnelt; es sitzt mit einer ziemlich tiefen Pfanne dem Kopfe der Ulna auf, seine distale Fläche ist ebenfalls ausgehöhlt, radialwärts zeigt es zwei unter einem Winkel zusammenstossende Flächen, mit der einen stösst es breit an das 7 — bei Lacerta stehen sich ebendaselbst nur zwei Kanten gegenüber — mit der andern grenzt es an ein deutliches, characteristisch keilförmiges, freilich nur knorpliges c, das man nicht nur auf den Sehnitten constatiren kann, sondern dessen viereckige Endfläche auch leicht als Grund der Pfanne, die es mit dem w und + zusammen bildet, gesehen wird, wenn man das Gelenk vom dorsum her öffnet und unter Wasser genauer be- trachtet. Das + wendet, wie bei den übrigen Sauriern dem Radius einen Gelenkkopf zu, dem »processus styloideus« desselben eine ent- spreehende Aushöblung; dasselbe betheiligt sich nur zum kleinern ') Das Originaldavon findet sich Cuvier, Rech. s. 1. Oss. foss. pl. 245 Fig. 51. ~ Zum Carpus und ‘Tarsus der Saurier. 5 Theile an der Bildung der Grube für den convexen Gelenkkörper, den die Carpalien der zweiten Reihe darstellen. Von diesen, die wohl zusammen das Centrale der Autoren ausmachen, sind drei nachweisbar. Nur das Mittelste, vielmal grösste, ist im Innern von Markräumen und Knochenbiilkchen durchsetzt, die andern beiden sind knorplig (aber verkalkt). Sein mächtiger proximaler Kopf füllt zum grössten Theile die Pfanne, die zusammen «, r und ce bil- den, aus, es ist seinem radialen Nachbar grösstentheils durch Gelenk, dem ulnaren durch Bindegewebe verbunden und trägt auf seiner winklig gebogenen, facettirten distalen Gelenkfläche die Basen des I. und IV. und Theile der Basen des I. und V. Metacarpale. Das radialwärts an dasselbe angelegte Carpale ist ein platter Knor- pel, der mit den breiten Flächen dem vorigen und dem Metacar- pale; anliegt, und mit schmalen an das 7 und Metacarpale ı grenzt. Es liegt wie das nächste etwas volarwärts neben dem grossen. Das ulnare Carpale zeigt auf den Schnitten dreieckige Form und trägt den grösseren Theil der Basis von Metacarpalev. Die fünf Carpalia der Autoren sind eben die wahren Metacarpalia; sie stehen ausser mit den Carpalien auch unter sich mit der Seitenfläche der Basen in Gelenkverbindung. Ein 7¢ konnte ich nie finden. Zu bestimmen bleibt nur noeh, auf welche Metacarpalien die Carpalien der zwei- ten Reihe zu beziehen sind. Das ulnarste wird leicht als C, erkannt, da es nur Metacarpaley berührt. Das am meisten radialwärts ge- legene C stösst sowohl an Metacarpale; als an 1, Könnte darnach ebenso gut als Carpale, wie als Carpale, gedeutet werden. Ich ziehe letztere Annahme vor, weil das fragliche Stück doch mit einer Flä- che an Metacarpale; stösst, was C, bei den übrigen Sauriern nie thut; während umgekehrt, ebenso wie hier, auch bei den übrigen Sauriern vergl. Fig. I) das einspringende Metacarpale; einer über- knorpelten Seitenfläche des Carpale, anliegt. Darnach wäre bei den Chamaeleonten das auch sonst schon sehr unbedeutende Carpale , weg- gefallen. Das mittelste grosse Stück’ kann entweder dem bei den meisten Sauriern an Grösse bevorzugten Carpale, allein entsprechen, wo dann Carpale, verloren gegangen, während die Vergrösserung von Carpale , soweit fortgeschritten wäre, dass es das benachbarte Me- tacarpale jj; mit zu tragen bekommen, oder es entstand, was mir wahrscheinlicher erscheint , da wir sonst gar keine Andeutung für einen Ausfall des Carpale, besitzen, dureh Verschmelzung des Car- pale, mit dem Carpale ,. Jedenfalls bilden alle drei bei den Cha- maeleonten vorhandenen Carpalia der zweiten Reihe zusammen 6 : . G. Bom mechanisch einen Gelenkkérper, der an seiner distalen über den Rand winklig gebogenen Gelenkfläche die zu zwei (aussen) und drei innen) eomponirten Metacarpalien ebenso trägt, wie ein Ähnlicher, nur — morphologisch anders entstandener Gelenkkörper die Metatarsalien (drei aussen zwei innen) am Fusse. Ich komme darauf bei der Behandlung des Tarsus-Skelets noch einmal zurück. Aus dem Angeführten erhellt, glaube ich, deutlich genug, dass die bisherigen Angaben, welche das Chamaeleon in Bezug auf den Bau seines Carpus weit von den übrigen Sauriern entfernen, im Unrechte sind und dass vielmehr der Carpus der Chamaeleonten nach Form, Zahl und Lagerung der Theile nur in einigen unwesentlichen Puncten, gewissen Reductionen und Versehmelzungen, von dem der übrigen Saurier abweicht. Der Tarsus der Saurier zeigt nach GEGENBAUR vier, mehr oder weniger von einander verschiedene Formen, von denen drei näher zusammengehören, während die vierte, welche den Chamaeleons eigen ist, den übrigen ganz fremd gegenüber stehen soll. Die An- gaben über letztere werde ich erst später, wenn ich selbst an diese Gattung herantrete, recapituliren, hier folgt nur ein kurzes Resumé der am angegebenen Orte niedergelegten Darstellung des Tarsus- Baues bei den drei ersten Gruppen. Allen gemeinsam ist nach GEGENBAUR einmal ein grosser, in der ersten Reihe des Tarsus ge- legener Knochen, ein Calcaneo - Astragalo- Scaphoideum; der allein wie sein Name schon erweist, vier Stücken entsprechen soll; dem mit dem Tibiale verschmolzenen Intermedium (Astragalus), dem Fi- bulare und dem Centrale der Urodelen und Chelonier. Die Tren- nung in ein grösseres mit der Tibia, und ein kleines mit der Fibula articulirendes Stück wird noch bei Lacerta, Iguana und Platydacty- lus durch Auftreten getrennter Knochenkerne in den entsprechenden Theilen der gemeinsamen Knorpelanlage angedeutet, auch bei wei- terer Entwicklung bleibt zwischen beiden eine scheidende Schicht hyalinen Knorpels, die erst spät durch die Markraumbildung dureh- brochen wird, bestehen. Das auch in der Entwicklung nunmehr spurlose Aufgehen des c in diesem grossen Stücke der ersten Reihe, erschliesst GEGENBAUR einmal aus dem Fehlen eines andern Vertre- ters dieses Theiles, dann aber auch positiver aus der eigenthümlichen Form des grossen Knochens der ersten Reihe, der genau an der Stelle, welche noch bei den Schildkröten das schon theilweise seiner Selbständigkeit beraubte Centrale einnimmt, einen ansehnlichen Vorsprung besitzt (Vergleiche GEGENBAUR Carp. u. Tars. Taf. V. Fig. 4 mit Fig. 1--3), dem bei Schildkröten dureh das Centrale ge- \ Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 7 bildetem Vorprunge ähnlich'). Weiter besitzen alle drei Formen ein grosses mit einem nach oben gerichteten Vorsprunge in die vom grossen ersten Tarsusknochen gebildete Vertiefung eingreifendes Cu- boid, welches das eigenthümlich gestaltete Metatarsaley. und das Met. ıy trägt; feiner ein dem Cuboid tibialwärts angelagertes mehr oder weniger keilförmiges Tarsale,, auf dessen distaler Fläche, der Basis des Keils, das Metatarsale ıır aufsitzt. Soweit reicht die Ueber- einstimmung, im Uebrigen gehen nach GEGENBAUR folgende drei Gruppen: Lacerten, Leguane, Ascalaboten scharf auseinander. Bei den ersten springen »die Basen der zwei ersten Metatarsalien plötz- lich weit in das durch die beiden vorerwähnten Stücke abgegrenzte Tarsusgebiet ein, so dass die ganze (tibiale) Aussenseite des Tarsale , von dem Metatarsale ı eingenommen wird«. Bei Lacerta und Lygosoma stossen diese Metatarsalien unmittelbar an den As an ohne dass Band- masse oder Knorpelreste Andeutungen über den Verbleib des bezüglichen Tarsus-Abschnittes (T, und T,) gewährten. Dagegen findet sich an dem Basalstiicke des Met. bei jüngeren Eidechsen ein besonderer Kno- chenkern »der sich genau so verhält, wie ein am Tarsale, befind- \ licher. Das knorplige Basalende des Metatarsaleır?) zeigt zugleich in der Stellung seiner Knorpelzellen in einer mit der metatarsalen End- fläche des Tarsale, zusammenfallenden Ebene, dass es ein nicht ur- sprünglich dem übrigen Theile des bezüglichen Metatarsale zugehö- riges Gebilde ist. Jener Knochenkern bleibt lange Zeit selbstän- dig. Von ihm geht auch die Bildung eigener Markräume aus und erst bei alten Individuen fliessen diese mit dem grossen Raume des Mittelstückes zusammen. Am Metatarsale; ist der Vorgang zwar ein ähnlicher, aber es findet schon sehr früh eine Vereinigung beider Theile statt.« Aus diesem Befunde zugleich mit Rücksicht auf das eigenthümliehe Einspringen der ersten beiden Metatarsalien in den Tarsus schliesst GEGENBAUR, dass bei den Lacerten die beiden ersten Tarsalien schon sehr frühe (phylogenetisch) mit den entsprechenden Metatarsalien vereinigt seien und dass sich als einzige Andeutung dieses Vorganges in der Ontogenese die ungewöhnliehe Ausbildung und lange erhaltene selbständige Verknöcherung der proximalen Epiphyse namentlich des Metatarsale; erhalten habe. Bei den Leguanen dagegen sollen die Basalflächen des ersten ') Ich werde künftig der Kürze wegen den fibularen Antheil des grossen Knochens der ersten Reihe blos mit F /Fibulare) und den tibialen mit As, Astragalus, den ganzen Knochen aber mit AsF bezeichnen. 2) Bei GEGENBAUR steht hier durch einen Druckfehler Mr statt Mir. 8 G. Born bis vierten Metatarsale in einer Ebene liegen, Metatarsale; und |, aber lassen von dieser Fläche aus je eine mächtige Bandmasse ausgehen, die mit einer gleichen, von der Spitze des Tarsale, entspringenden zusammen am As inseriren. »Es füllt dieser Apparat den Raum aus, der zwischen den Basen der ersten Metatarsalien und dem As gege- ben ist, welchen wir bei Lacerta durch die einspringenden Metatar- salien eingenommen sahen«. Auf Durehsehnitten untersucht ergibt sich, dass das vom Metatarsale,ı entspringende konische Ligament im In- nern ein Knorpelstück enthält, welches mit dem Tarsale, in gleicher Reihe gelagert ist. Bei Draco findet sich eine ähnliche Anordnung, nur vermisste GEGENBAUR den Knorpelstreif. Darnach wären bei Iguana und Draco die ersten beiden Tarsalien nieht mit den Meta- tarsalien verschmolzen, sondern in Bänder umgewandelt, von denen eines bei Iguana noch einen Knorpelrest enthielt. Bei den Asca- laboten endlich findet GEGENBAUR ein Tarsalstück, dem die Basis von Metatarsale; und ein Theil der keilförmig zugespitzten Basis von Metatarsale ıı angefügt ist, GEGENBAUR erachtet es für höchst wahrscheinlich, dass dieses Stück einem Tarsale, entspricht, während Tarsale, mit seinem Metatarsale, das weiter wie Metatarsaleı in den Tarsus einspringt, verschmolzen zu sein scheint. Die Deutung jenes Stückes als ein den übrigen Sauriern fehlendes Centrale erachtet .er für weniger begründet. Meine Befunde weichen von denen GEGENBAUR’S in vielen Be- ziehungen ab, namentlich bin ich genöthigt einen einheitlichen, für alle Saurier gültigen Typus des Tarsusbaues aufzustellen, von dem bei den einzelnen Gattungen nur geringe und unerhebliche Variatio- nen vorkommen und durch welchen mir die Unterschiede, die GE- GENBAUR macht, ausgeglichen erscheinen. Ich schliesse hier zu- nächst die Ascalaboten und Chamaeleon von der Schilderung aus und füge sie erst nachträglich an, aber nur aus dem Grunde, weil mir, wie später verständlich sein wird, die Darstellung so an Fass- lichkeit zu gewinnen scheint und betone nochmals, dass der Bau des Tarsus bei diesen Gruppen durchaus derselbe ist, wie bei den übrigen Sauriern. Aus dem reichen Material, .das die Vorräthe des hiesigen Institutes enthalten, habe ich mit freundlicher Erlaubniss des Directors, Herrn Pro- fessor Hass£, folgende Saurier-Arten auf den Bau des Tarsus untersuchen können: — Varanus niloticus D. B. — Hydrosaurus marmoratus Wieg. — Lacerta agilis L. — Lacerta muralis Merr. — Lacerta ocel- lata Daud. — Tejus Tejuexin B. — Ameiva vulgaris Lieht. — Sein- Zum Carpus und ‘Tarsus der Saurier. 9 cus officinalis Laur.'!) — Lygosoma smaragelinum — Cyclodus gigas Gray — Uromastix spinipes Merr. — Iguana tuberculata Laur. (ein ates und ein junges Exemplar) — Tropidurus torquatus Wied. — Aus der Untersuchung des Tarsus dieser Saurier habe ich mir etwa folgende allgemeine Anschauung vom Bau desselben construirt : Das Asi’ ist ein abgeplatteter, an den Seitenrändern abge- rundeter Knochen (Fig. IV und V Ast’, etwa doppelt so breit wie hoch und doppelt so hoch wie dick. Stärker auf der dorsalen, schwächer auf der volaren Seite ist durch eine der Längsriehtung der Extremität ziemlich parallel laufende Furche die Entstehung des Knochens aus einem tibialen (As und fibularen Theile angedeutet. Jeder dieser beiden Theile trägt eine besondere, dem entsprechenden Vorderarmknochen zugewandte Gelenkfläche, die aber nicht trans- versal liegt, sondern gegen die Mittellinie der vordern Extremität zu proximalwärts aufsteigt. Die distalen Enden derVorderarmknochen fassen demnach das As mehr oder weniger zwischen sich. Zwischen den Ge- lenkflächen sieht ein Rand des Knochens frei in den Zwischen- knochenraum. Diese - Anordnung gibt mit einen Beweis dafür ab, dass in dem grossen Knochen der ersten Reihe auch das Interme- dium enthalten ist. Die distale Fläche des As/ ist von einem meist zusammenhängenden Gelenkknorpel überzogen und zeigt durchgehends ein ganz characteristisches Relief. Der As besitzt nämlich einen ver- schieden hohen Gelenkkopf, dessen Ueberknorpelung am weitesten auf die volare, weniger weit auf die dorsale Seite des Knochens übergreift und welcher an seinem fibularen Abhange eine rundliche rauhe Stelle zum Ansatz später zu erwähnender Bänder zeigt, etwa vom Ansehen der Fossa für das Lig. teres am Kopfe des menschlichen Femur. Neben dem Gelenkkopfe zieht sich, schon zum 7 gehörig, schief von der dorsalen zur volaren Seite eine iiberknorpelte Walze hin, der übrige Theil der distalen Fläche des Fibulare ist vom Fusse der Walze an eine nach dem Dorsum etwas abschüssige, bei eini- gen etwas gebogene Knorpelfläche, die durch einen Vorsprung. der sich von der dorsalen Seite des AsF erhebt. etwa in der Weise er- weitert wird, wie die Gelenkfläche an der obern Seite des menschlichen Caleaneus durch das sustentaculum tali. Das Cuboid, das auf dem ') Dieses Thier, sowie den Uromastix und Platydactylus muralis entnahm ich einer werthvollen Collection, die unser Institut der Freundlichkeit des Herrn Dr. Sacus in Cairo verdankt, gern ergreife ich die Gelegenheit diesem eifrigen Förderer der Wissenschaft meinen besondern Dank auszusprechen. 10 G. Born F articulirt, ist an seiner distalen Fläche dem entsprechend geformt; es besitzt eine die Walze umfassende Aushöhlung und greift mit einer vorspringenden Kante in die Vertiefung zwischen Walze und Fläche ein. Die überknorpelte Zehenseite des Cuboid trägt die Ba- sis des Metatarsale ıy , an seine fibulare, zugleich volarwärts gewandte Gelenkfläche legt sich das winklig gebogene Metatarsaley an, an die schräge tibiale Fläche grenzt im Gelenk das keilförmige Tarsale;. Die dorsale Seite ist meist nur ein schmaler Knochenstreif, die vo- lare ist klein und ganz von Band und Sehnenansätzen eingenommen; man bekommt sie schwer zu Gesicht, weil sie von einem haken- förmigen Vorsprung des Metatarsaley verdeckt wird. So wenig sich die Form des Kochens nach dem üblichen Verfahren mit irgend einem mathematischen Körper vergleichen lässt, so ist sie doch bei allen untersuchten Arten sehr ähnlich und sehr characteristisch. Das erwähnte keilförmige Tarsale, trägt das Metatarsale von gleicher Zahl. Von seiner Spitze geht ein Band zu der Fovea am Kopfe des As, an seine tibiale Seite legt sich die ebensoweit, wie Tarsale, proximalwärts in den Tarsus reichende, keilförmige Basis des Meta- tarsale ıı, neben dieser aber liegt, wieder bis zu gleicher Höhe, die mehr abgerundet würfelförmige Basis von Metatarsale;, Die ein- ander zugewandten Seitenflächen der Basen dieser Metatarsalia sind ebenfalls überknorpelt. Zwischen Metatarsale; und ıı und Tarsale; einerseits und dem Kopfe des As andrerseits ist nun ein eigenthüm- lieher Bandapparat eingeschaltet, welchen GEGENBAUR nur für Iguana und Draco und auch da nicht ganz vollständig beschreibt. Oeff- net man ein Gelenk vom Dorsum her und beugt es über die Vola, so dass es klafft, so übersieht man zunächst drei Bänder; eines geht von der Spitze des Tarsale, (B, Fig. IV und V) eines von der Basis von Metatarsale ıı (B,) und das letzte von der fibularen Ecke der Basis von M; (B,) aus; sie steigen Rand an Rand convergirend zu der er- wähnten rauhen Stelle am Kopte des As herab und zwar häufig so, dass B, und B, By am Ansatze verdecken. Wie leicht verständlich, sind diese Bänder bei der normalen, stark dorsalwärts gebeugten Stellung des Fusses nicht so senkrecht gespannt, wie es die Zeich- nungen wiedergeben, welche nach Trennung der dorsalen Kapsel und volarer Hyperflexion abgenommen wurden, sondern sind in Wirklich- keit dorsalwärts umgelegt und liegen in einer zur Längsriehtung des Vorderarms beinahe transversalen Ebene. Bei einer erwachsenen Iguana tubereulata waren diese drei Ligamente an den Rändern un- tereinander verwachsen, bei einer jüngeren (vergl. Fig. V) aber ge- Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 11 trennt: bei Varanus niloticus erschienen sie ebenfalls verbunden und der Antheil vom Tarsale, sehr unbedeutend. Bei weiterer Präpara- ‘tion stellt es sich heraus, dass diese drei Bänder volarwärts noch einen eomplieirten Bandapparat hinter sich haben, am einfachsten fand ich ihn bei Uromastix, wo nur noch ein Band vom Metatar- sale; entspringend schief hinter den übrigen herablief und neben dem B, inserirte, zu ihm trat dann noch ein Verbindungsstrang vom Tar- sale,; äusserst verwickelt war die Bandmasse bei Ameiva und Te- jus; es hätte keinen Nutzen, dieselbe detaillirt zu beschreiben. Wei- terhin fehlt nie ein beinahe kreisförmiger Meniscus, welcher gewöhn- lich in der Furche, die am Dorsum den As vom F' scheidet, ent- steht und um den Gelenkkopf des As, frei auf ihm aufruhend, her- umgelegt ist (Fig. IV und V m). Auf einem Querschnitt erscheint derselbe von keilförmiger Gestalt, also im Ganzen wie ein Cartilago semilunaris des Kniegelenks ; die den kleinern Kreis bildende Schneide des Keils umgibt den Ansatz der oben erwähnten Bänder am 4s, ohne mit ihnen verwachsen zu sein; an dem diekeren Rande des Meniseus inserirt meist ein dreieckiges, von der Tibia absteigendes Band (Fig. IV). Das volare Ende des Meniscus verwächst mit der volaren Kapsel, dem Rande des Tarsale, und der angrenzenden Theile der Bänder hinter B, und B, untrennbar zu einer Art Knoten von Bandmasse; ja einzelne seiner Stränge ziehen am Tarsale, vorbei bis zum Cuboid. Am dicksten war der Meniscus bei Ameiva, am dünnsten, fast nur wie ein starker Rand des oben erwähnten Bandes von der Tibia, bei Varanus, immer war seine volare Hälfte besser ausgebildet, wie die dorsale; bei einzelnen fehlte der dorsale Ansatz am Ask. Auf dem Meniscus ruht in der Normalstellung der nicht vom Ansatze des Bandes: B, angenommene Theil der Grundfläche des Metatarsale; (Fig. IV ist in dieser Beziehung nicht ganz genau, der Ansatz von B, am Metatarsale ist zu breit und das Metatarsale selbst ungünstig gedreht). Erwähnen will ieh noch den sehr starken Theil der Kapsel, der auf der volaren Seite diese Bänder verdeckt, derselbe entspringt vom As, schleift bei den Bewegungen des Fus- ses auf der volaren überknorpelten Seite dieses Knochens (siehe oben), zieht am Rande des Meniscus vorüber, ohne mit ihm zu verwach- sen, und inserirt an den Basen der ersten beiden Metatarsalien und am Tarsale,, fibularwärts geht derselbe direct in die Sehne eines Muskels über, der von der Fibula entsteht und dessen Sehne am Fibulare und Cuboid angeheftet ist. Die histologische Beschatfen- heit dieses Theils der Kapsel wird unten zur Sprache kommen. 1? G. Born Die voranstehende Darstellung vom Bau des Tarsus der Saurier weicht von der GeGENBAUR’schen namentlich in folgenden Puncten — ab: 1) Bei allen Sauriern springen Metatarsale; und 1 ebensoweit in den Tarsus ein, wie Tarsale, Metatarsale ı liegt mit seiner Basis neben demselben; GEGENBAUR hat dies für die Leguane geleugnet. 2) Bei allen Sauriern ziehen in gleicher Weise von den Basen des Metatar- sale; und ; und der Spitze des Tarsale, Bänder zum Kopfe des As; bei Lacerta und Lygosoma sollten dieselben fehlen; auch sind nicht blos die zuerst nach Oeffnung des Gelenks vom Dorsum her sicht- baren drei Ligamente vorhanden, sondern hinter diesen volarwärts befindet sich noch ein eomplieirter Bandapparat. 3) Ist immer ein kreisformiger Meniscus vorhanden, der auf dem Kopfe des As um den Ansatz obiger Bänder herumgelegt ist. Ehe ich weiter gehe, muss ich vorher die Ergebnisse der histo- logischen Untersuchung der bisher kurzweg als Bänder bezeichneten Theile einschalten, da dieselbe für die Beurtheilung ihres morpho- logischen Werthes von Wichtigkeit ist. Selbstverständlich war es nicht möglich alle Bänder zu untersuchen, sondern ieh hielt mich mit Vorliebe an die der grösseren Thiere. Die Basis des Keils, den der Meniscus bei Ameiva vulgaris auf dem Querschnitte darstellt, zeigt ein Gewebe, das durchaus dem be- kannten und vielbesprochenen »Knorpel« in der Achillessehne des Frosches gleicht. Man sieht an Schnitten. die mit Carmin und Hä- matoxylin gefärbt sind, rothe Züge eines kernlosen, fasrigen Binde- gewebes, zwischen ihnen dicht bei einander längliche Nester von plat- tenförmigen Zellen, die in einem homogenen leicht bläulich gefärbtem Zellenleibe einen körnigen, dunkler blauen, ovalen Kern mit Kern- körperchen erkennen lassen. Die Längsrichtung der Nester, in denen auf den ersten Blick Zelle an Zelle — meist hintereinander, weni- ger nebeneinander — zu liegen scheint, geht von der Basis zur Spitze des keilförmigen Querschnittes, ist also dem Radius des Kreises, den der Meniscus beschreibt, parallel. Die Zellen sind, von der Fläche gesehen, polygonale Platten von 15 — 17 u Durchmesser, also nicht viel kleiner als die in dem erwähnten Knorpel der Achillessehne des Frosches, enthalten häufig zwei Kerne, oder liegen paarweise grup- pirt, wie die des hyalinen Knorpels, und zeigen sich dann als mehr längliche Gebilde. Pinselt man einen feinen Schnitt aus, so erkennt man leicht, dass in der That nicht Zelle an Zelle liegt, sondern dass dieselben durch ein Netzwerk einer structurlosen ganz hellblau sefärbten Zwischensubstanz von einander geschieden sind. Diese Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 13 bildet aber keine allseitig geschlossenen Kapseln um die einzelnen Zellen, sondern stellt ein mannigfach durchbrochenes Maschenwerk dar, das sich peripherisch an die Bindegewebsbalken inserirt, übri- gens aber von diesen durch die fehlende Structur und ganz andere Färbung leicht unterschieden wird. Ob dieselbe Substanz auch die Bindegewebsbalken »umspinnt«, weiss ich nicht. Die gleich im voraus aufgestellte Uebereinstimmung dieses Gewebes mit dem »Fa- serknorpel in der Achillesschne des Frosches« wird jedem der diesen selbst untersucht hat und die Bilder und Beschreibungen der Auto- ren kennt einleuchten, ich glaube ich kann mir auch eine Zeichnung dieser so vielfach abgebildeten Structur ersparen (Vergleiche die Arbeiten von BotL, v. TOROK u. s. w.). Diese Beschaffenheit be- sitzt aber nur die Basis des keilfürmigen Querschnittes, zur Spitze zu ändert sich das Bild dadurch, dass allmählich an Stelle der läng- lichen kürzere, spindelförmige Räume treten, deren Längsaxen in wech- selnden Richtungen liegen und welehe durch sternförmige Ausläufer mit- einander in Verbindung zu stehen scheinen. Gefüllt sind dieselben mit den gleichen Zellen, wie die längeren Räume der Basis, sie liegen zu 2—6 dicht an einander gepresst, — nur fällt bald auf, dass die Leiber der Zellen zur Spitze des keilfürmigen Querschnittes zu immer kleiner werden, namentlich verschmälern sie sich stark und liegen dann mit den langen Seiten an einander; am nächsten der Spitze sind die Leiber der Zellen kaum noch erkennbar, man sieht nur ein sehniges Gewebe, in dessen engen unregelmässigen und anasto- mosirenden Spalten Gruppen dunkler Kerne eingesprengt sind. — Die vom Dorsum her oberflächlichen Bänder, welche von der Basis von Metatarsale; und ıı und vom Tarsale, zum As ziehen , zeigen sich bei der mikroskopischen Untersuchung aus Zügen parallelfasrigen Bindegewebes zusammengesetzt, zwischen denen in langen Reihen dicht hintereinander schmale, liinglich vierseitige kernhaltige Plättehen liegen, ein Bild, das gleich an die Schilderung Ranvirer’s vom Baue der Sehnen erinnert. Uebrigens bemerkt man bald, dass stellenweise, namentlich an den Rändern der Bänder, die Züge des Bindegewebes weniger parallel und regelmässig, und die Spalten zwischen ihnen breiter, zugleich aber auch die Zellen in ihnen grösser und ansehn- licher werden; solche Partien stimmen ganz mit dem Gewebe am Rande des Meniseus überein. Der Uebergang von der straffen Sehnen- structur zu dieser ist ein ganz allmählicher. Die volarwärts tiefer ge- legenen Bänder wurden zusammen mit dem volaren Ende des Me- niseus untersucht, es fand sich darin ein »Faserknorpelkern« mit 14 - ‘G. Born noch grösseren Zellen und schmäleren Bindegewebsbalken als an der Basis des Querschnittes des Meniscus. Bei Teju bestanden die ganz ähnlich angeordneten Theile aus mehr sehnigem, als faserknorpligem Gewebe. . Bei Iguana tubereulata war nur die volare Hälfte des Meniscus » fa- serknorplig«, zum Dorsum zu gewann ein sehniges Gewebe die Oberhand. Die Bänder B,, B, und B, verhielten sich wie bei Ameiva. Ausserdem wurde noch der Theil der Kapsel, der auf der volaren Fläche des As schleift, untersucht, er enthielt ebenfalls einen grossen, schönen »Faserknorpelkern«. Von Uromastix wurden die verschiedenen Bänder am genauesten bearbeitet. Der Meniscus zeigte auf dem Querschnitte an der Peripherie Bindegewebe mit Nestern der bekannten grossen Zellen, im Centrum einen zellenarmen, derbfasrigen Kern. Die drei getrennten, oberfläch- lichen Bänder von der Basis des Metatarsaleı und ıı und des Tar- sale, zum As bestanden nur aus parallelfasrigem Bindegewebe, mit denselben Reihen viereckiger Plättehen, wie bei Ameiva, nur hier und da ein Ansatz zur Vergrösserung der Zellen; dagegen die beiden vo- larwärts hinter ihnen gelegenen Bänder siehe oben) enthielten fast nur prachtvollen »Faserknorpel«. Schon bei der Präparation bemerkte ich in dem yolaren Theil der Kapsel der auf dem As schleift, eine besonders harte Platte; frisch untersucht, so gut sich das eben thun liess, fand ich Knorpel mit hyaliner, zum grössten Theile verkalkter Grundsubstanz und kleinen stark körnigen, meist characteristisch zu zweit angeordneten Zellen, die ganze Platte in eine theils faserknorp- lige, theils sehnige Umgebung eingebettet. Nach der Entkalkung constatirte ich auf Querschnitten direct unter der Oberfläche Knorpel mit rein hyaliner Grundsubstanz, in dieser abgeplattete, mit der breiten Seite zur Gelenkfläche parallel gestellte Zellen. Darauf folgt eine Schicht mit grossen , meist in Gruppen zusammenliegen- den Knorpelzellen und einer Grundsubstanz, in der man auch mit starken Vergrösserungen kaum eine Schichtung oder Streifung wahr- nimmt, an diese grenzen Markräume mit echter Knochenbildung und noch weiter volarwärts reiht sich wieder hyaliner Knorpel an allen Uebergängen zu dem oft geschilderten Faserknorpel an, der am Ende (las Bild abschliesst. Sehr schön ist der allmähliche Uebergang der Gewebsarten nach der Doppelfärbung daran zu sehen, dass die Faserzüge des Bindegewebes roth und die Grundsubstanz des Knorpels blau erscheinen: man kann hier alle möglichen Nuancen nebenein- ander beobachten. Uebrigens besitzen die Hiiufchen der Knorpel- Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 15 zellen, die als verschieden grosse, körnige Gebilde mit rundem Kern gesehen werden, meist noch eine besondere Kapsel, — Kapsel der Mutterzelle — die sich dadurch, «dass sie reiner blau und vollkom- men homogen ist, von der Umgebung unterscheidet. Endlich ergab sich bei weiterer Untersuchung, dass auch die Sehne der Zehen- beuger, die gar nichts mit der Gelenkkapsel zu thun hat, da, wo sie über den Tarsus hinweg gleitet, einen starken »faser- knorpligen« Kern im Innern enthält. Bei Lacerta ocellata besteht der Meniscus aus Faserknorpel, ebenso die tiefen volaren Bänder von den Basen der Metatarsalien. Die Platte im volaren Theile der Kapsel war wieder verkalkt und zeigte ein Gewebe, das in der Mitte zwischen »Faserknorpel« und hyalinem steht; indem die Zellen weniger in grossen Nestern, sondern meist zu zwei und drei in besser abgegrenzten Kapseln zusammenliegen, auch nicht die characteristische Plattenform haben, während die Grundsubstanz ein körnig-streifiges Wesen aufweist, aber nirgends deutlich erkennbare, bindegewebige Faserzüge. — Auf günstigen Sehnitten zeigten sich in dem Meniscus von Lacerta agilis Stellen, die sich durch nichts von dem angrenzenden Gelenkknorpel des Me- tatarsaleı und des As unterschieden, also rein hyalin waren, an den Riindern des keilförmigen Quersehnittes ging der hyaline Knorpel in »Faserknorpel« über. Faserknorplig ist auch der Meniscus bei Seincus offieinalis. Bei Lygosoma smaragelinum ist wie bei Uromastix ein fester Kern in die Sehne der Zehenbeuger, da wo sie über den Tarsus hinwegzieht, eingelagert. Bei den übrigen wurde darauf, da ich auf diesen Punet erst spät aufmerksam wurde, leider nicht geach- tet. Bei Lygosoma besteht dieser Kern aber an der Peripherie aus hyali- nem Knorpel, im Innern enthält er Knochenbälkehen und Markräume. Die Discussion über die gewebliche Stellung des hier so häufig ge- fundenen »Faserknorpels«, ist in den letzten Jahren sehr lebhaft geführt worden (vergleiche über die einschlägige Literatur die Berichte von SCHWALBE und HOFFMANN 72, 73, 74 im. Capitel Bindegewebe). Einige erklären ihn ganz bestimmt für wirkliehen Knorpel und stützen sich da- bei namentlich auf das unleugbare Vorhandensein einer vom faserigen Bindegewebe verschiedenen Intercellularsubstanz und auf den Um- stand, dass derselbe theils in hyalinen Knorpel übergeht, theils durch denselben vertreten wird, wie es z. B. v. TOROK am Knorpel der Achillessehne bei Pipa und stellenweise bei Rana temporara nach- gewiesen hat, einige erklärten ihn ebenso entschieden für eine Binde- gewebsform, weil zum gewöhnlichen Sehnengewebe alle möglichen 16 ; G. Born Uebergiinge gefunden wurden, die Form der Zellen, homogene Platten, vielmehr denen der Sehne, als des Knorpels sich näherte, und der häufigste Fundort auch wieder Sehnen wären, z. B. die Sehnen des Vogelfusses. Nach dem oben weitläufig angeführten Untersuchungsresultaten haben beide Parteien insofern Recht, als der fragliche »Faserknorpel« unzweifelhaft ebensowohl aus Sehnen- eewebe, wie aus hyalinem Knorpel hervorgeht, in beide Gewebs- arten übergeht und beide vertreten kann; z. B. kommt derselbe an der Sehne der Zehenbeuger bei Uromastix vor, wo man gewiss annehmen muss, dass er sich aus Bindegewebe entwickelt hat, bei Lygosoma findet sich sogar an derselben Stelle hyaliner Knorpel mit Knochenbalken und Markräumen; einen ebensolchen Kern echten Knorpels mit Knochen hat Uromastix in dem volaren Theile der Ge- lenkkapsel, wo andere nur »Faserknorpel« oder sehniges Gewebe zeigen, als Beispiel aber dafür, dass mitunter die Annahme der Ent- stehung des Faserknorpels aus hyalinem näher liegt, werde ich weiter unten die Umbildnng des »» aus dem hyalin knorpligen Zustande der Ascalaboten näher ausführen. Darnach ist der »Faserknorpel« weder dem Sehnengewebe, noch dem Knorpel ohne Weiteres zuzusprechen, son- dern bildet zwischen beiden eine vermittelnde Stufe, die in Beide überge- hen und sich aus beiden entwiekeln kann, über deren Vorhandensein man sich auch bei der Verwandtschaft der Bindegewebsformen untereinander nicht wundern darf. Zu demselben Resultate ist übrigens neuerdings auch RANVIER gekommen (vergl. Jahresbericht 1874, p. 58). Ueber die Bedeutung des »Faserknorpels« am Tarsus der Eidechsen lässt sich Folgendes sagen. Alle volaren Bänder und Sehnen sind bei der ge- wohnlichen, stark dorsal gebeugten Stellung des Fusses der Saurier einer ausserordentlich starken Spannung ausgesetzt, haben den volar- wärts auseinander klaffenden Knochenreihen einen grossen Wider- stand entgegen zu setzen und erleiden bei der Bewegung eine starke Reibung, auf der knöchernen Unterlage, über die sie hinweg- gezogen sind; ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diesen Um- ständen es zuschreibe, dass sich überall an den volaren Sehnen und Bändern der festere Faserknorpel und sogar hyaliner Knorpel mit Knochen ausgebildet hat. Für den Meniseus, der, wie ich unten zeigen werde, bei einer ganzen grossen Klasse der Saurier hyalin gefunden wird, glaube ich eher den umgekehrten Weg der Umwand- lung annehmen zu müssen, betone aber auch für diesen, dass sich fast immer gerade seine volare Hälfte hyalin knorplig resp. faser- knorplig erhalten hat. Aus dem eben Gesagten erhellt nun, dass Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 17 aus dem blossen Vorkommen von faserknorpligen una selbst von hyalin knorpligen Theilen nur mit grosser Vorsicht darauf zu schliessen ist, dass dieselben Reste integrirender, typischer Skeletstücke dar-- stellen; es muss zuvor der Verdacht einer Entstehung durch Anpassung an secundäre mechanische Verhältnisse durchaus ausgeschlossen sein. Ich weiss nicht, ob GEGENBAUR den »knorpligen« Kern im Ligamente von der Basis des Metatarsaleır, den er bei Iguana angetroffen, hyalin oder nur faserknorplig befunden hat (den »Faserknorpel« in der Achillessehne des Frosches erklärt er, Jenaische Zeitschrift III 1867 p. 307 u. f., für eine Abart des Knorpels), in letzterem Falle könnte ich seine Angabe bestätigen, da auch ich im Innern (mehr zur vola zu) dieses Bandes Faserknorpel fand, müsste aber dieser Thatsache jede morphologische Bedeutung absprechen; — auch bei meinem jungen Exemplare fand ich beim Zerzupfen der Bänder keinen hyalinen Knorpel — jedenfalls bedingt schon der Unterschied, dass GEGENBAUR die Metatarsalia; und ı bei Iguana in der Höhe des Metatarsaleın endigen lässt, während ich finde, dass sie, wie bei allen übrigen Sauriern, bis zur Höhe der Spitze des Tarsale, in den Tarsus einspringen, dass ich über den oben erwähnten Fund eines Knorpelrestes im Bande von der Basis von Metatarsale ı nicht weiter urtheilen kann. Ich will aber wenigstens die Möglichkeit aufwerfen, dass bei GEGENBAUR’s jüngerem Thiere noch eine Trennung zwi- schen der Anlage des Tarsale, und dem Metatarsale bestanden hätte, die auch bei dem kleinern meiner beiden Exemplare, bei dem frei- lich noch die Epiphysen knorplig waren (vgl. Fig. V) schon nicht mehr zu sehen war. Da ich in den Bändern, welche von den Basen des Metatarsale; und Metatarsale;; (und vom Tarsale,) zum As ziehen, keine wirklichen Knorpelreste finde, sondern nur in ihren volaren Theilen, die mit dem volaren Ende des Meniseus zusammenhängen, Faserknorpel, der sich überall in der vola, — in der Kapsel, in den Muskelsehnen — in Folge mechanischer Verhältnisse bildet, so muss ich die Aufstellung als ob bei irgend einem Saurier diese Bänder die fehlenden Tarsalia, und, repräsentirten als die unbegründetere ablehnen, und dagegen die Hypothese, die GEGENBAUR allein für die Lacerten auf Grund des Einspringens der ersten beiden Meta- tarsalien in den Tarsus und der eigenthiimlichen Verknöcherungs- verhältnisse in ihren Basen annahm, eben weil ich bei allen Sauriern durchaus dieselben Verhältnisse, wie bei diesen, finde, auch auf alle Saurier ausdehnen, nämlich die Hypothese, dass bei den Sauriern schon sehr frühe die Tarsalia, und, mit denbezüglichen Morpholog. Jahrbuch 2. 2 18 G. Born Metatarsalien verschmolzen sind. Wir werden sehen, dass die Befunde bei den gleich zu schildernden Ascalaboten mit die- ser Annahme gut harmoniren, werden aus bestimmten Ergebnissen bei diesen über den Verbleib des Centrale sprechen und dann zeigen, dass auch die entwicklungsgeschichtlichen Resultate, soweit sie vor- liegen, jener Meinung günstig sind. Ich habe theils auf Schnittserien, theils durch Präparation folgende Ascalaboten auf den Bau ihres Tarsus untersucht: Hemidactylus marginatus, Platydactylus murorum, gut- tatus und bivittatus. Letzteren wie Lygosoma überliess mir freund- lichst College SOLGER zur Präparation (beide stammen aus dem Mu- seum Godefroy). Die Unterschiede vom Tarsus der übrigen Saurier sind unerheblich; ich führe nur die stärkere Flächenkrümmung des ganzen Fusses, die grössere Höhe und unverhältnissmässige Grösse des Cuboids, den von GEGENBAUR erwähnten ealeaneusähnlichen Fortsatz einiger an; im übrigen finde ich ein ganz characteristisches AsF mit den oben beschriebenen Reliefverhältnissen, das Cuboid und Tarsale , in den bekannten Formen und mit denselben Beziehungen, dann ein neben dem Tarsale, bis zur Spitze desselben einspringendes, ganz iden- tisch mit dem der übrigen Saurier gestaltetes Metatarsaleı und ein Metatarsaleıı mit den bekannten Bändern von ihren Enden zum Askopfe,, endlich den kreisförmigen Meniscus. Bei dem ersten Blicke ergab es sich weiter, dass eben dieser Meniscus das Tarsale, GEGENBAUR'S enthalte, und zwar als einen halbmondförmigen, bei allen untersuchten Ascalaboten hyalinen Knorpel, der auf dem Quer- schnitte keilförmig, um den Ansatz jener Basenbänder herumgelegt ist, so dass er den nicht vom Ursprung des Bandes eingenommenen Theil der Basis des Metatarsale; vom Astragaluskopfe trennt. Er liegt mit seiner Hauptmasse in der Vola, seine dorsale Fortsetzung ist bindegewebiger Natur. Abgesehen von der beinahe absoluten Identität in Form, Lagerung. und Beziehung, die dieser Knorpel mit seinen sehnigen Verlängerungen mit dem als Meniscus be- schriebenen Gebilde der übrigen Saurier aufweist, gibt es auch histologische Uebergänge, bei Lacerta agilis wurde, wie erwähnt, der Meniscus wenigstens theilweise hyalin knorplig gefunden. Es fragt sich nun, wie ist dieses Stück zu deuten. Da ich aus der Gleich- heit aller Verhältnisse entnehmen muss, dass bei den Ascalaboten dieselbe Verschmelzung der Tarsalia, und 5 mit den bezüglichen Metatarsalien wie bei den übrigen Sauriern stattgefunden hat, kann jener Knorpel nicht, wie GEGENBAUR will, Tarsale, sein. Es schei- nen dann noch zwei Möglichkeiten vorzuliegen; einmal könnte man den Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 19 Meniscus und den homologen hyalinen Knorpel der Ascalaboten als etwas ebenso Accidentelles betrachten, wie z. B. den hyalinen Knorpel in der volaren Kapsel bei Uromastix und in den Beugeseh- nen von Lygosoma; oder zweitens ihn für ein an den tibialen Rand des Tarsus gerücktes Centrale ansehen, ein Erklärungsversuch, der ebenfalls von GEGENBAUR stammt, den er aber als den unwahrscheinlicheren be- handelt. Gegen die erste Deutung ist geltend zu machen, 1) die grosse Constanz des Gebildes, 2) dass es bei einer ganzen Familie, den Ascalaboten, als ein sehr selbständiger hyaliner Knorpel vor- kommt (auch bei Lacerta agilis theilweise hyalin), 3) dass es auch den früheren Autoren als wesentlicher Tarsustheil erschienen ist. Ich möchte daher der zweiten Annahme, die durch Analogien bei anderen Wirbelthierklassen, bei denen ebenfalls das Centrale an den innern Faserrand rückt, unterstützt wird, mit dem Vorbehalt den Vorzug geben, dass die endgültige Lösung dieser Frage von dem Stu- dium der Entwicklungsgeschichte zu erwarten ist. GEGENBAUR selbst sucht das Centrale in einem gewissen kopfförmigen Vorsprunge des gros- sen Tarsalknochens der ersten Reihe, und zwar mit Rücksicht darauf, dass die Schildkröten etwa an derselben Stelle ein theils noch ziemlich abgesetztes, theils schon vollständig in den grossen Knochen erster Reihe hineingezogenes, unverkennbares Centrale besitzen; mir abeı scheint die Verschiedenheit zwischen dem Tarsusbau der Chelonier und der Saurier allzugross, als dass eine derartige Uebertragung der Deutung, nur aufähnliche Reliefverhältnisse von Gelenkflächen gestützt, statthaft wäre. Das Centrale GEGENBAUR’S ist, soviel ich sehe, mein »Kopf des As«. Nach dieser Anschauung, die ich eben entwickelt habe, rechtfertigt sich auch die Benennung des grossen Knochens der ersten Reihe als AsF. Leider reichte das entwicklungsgeschichtliche Material, das mir zu Gebote stand, nicht aus, die noch übrigen zweifelhaften Fragen zum sichern Entscheid zu bringen. Trotz grossem Aufwand an Zeit, Mühe und Mitteln gelang es mir nicht hier um Breslau frische Eidechsen- Embryonen aufzutreiben, ich musste mich mit denen begnügen, die ich aus den in schlechtem Spiritus conservirten Eiern der hiesigen Sammlung: entnahm und verlor noch, da diese Untersuchungen in den Anfang meiner Arbeiten fielen, einen Theil dieses Materials durch die unvollkommene Methode der Untersuchung. Die brauch- baren Embryonen besassen alle eine Länge von etwa 14 Mm. Eidechsen-Embryonen dieser Grösse haben stummelförmige Extremi- täten mit einer Endplatte, an der die zukünftigen Finger durch )%* 2) G. Born seichte Einkerbungen angedeutet sind. Die Platten stehen ebenso wie es Henke und REYHER') für menschliche Embryonen schildern parallel der Medianebene. An dickeren Schnitten durch die Extre- mitätenanlage parallel der Fläche der Platte erkennt man die ein- zelnen Skelettheile (an gefärbten Präparaten) durch grössere Helligkeit im Innern und eine dunklere Randschicht, die sie von der Umge- bung abhebt, ausserdem auch durch die für die Tarsalia und Carpalia | characteristische concentrische Anordnung der Zellen (in der Anlage der Metacarpalia und Metatarsalia stehen die Zellen senkrecht zu deren Längsaxe). An nur eine Zellenlage dieken Schnitten zeichnen sich die Anlagen der Skelettheile folgendermassen aus: Ihre mit einer mi- nimalen Protoplasma-Umhüllung umgebenen Kerne sind grösser, als die der umgebenden Embryonalzellen, sie liegen in einer stärker licht- brechenden und namentlich bei den grösseren Theilen, — Tibia, Fibula — schon merklich reichlicheren hellen Substanz , die aber kein Continuum bildet, sondern von einem sich in Hämatoxylin lichtblau färbenden Maschenwerk durchzogen ist, das um jede einzelne Zelle, seltner um zwei zusammen, einen polygonalen »Hof« abgrenzt (Kapsel der Zelle). Natürlich sieht man das Maschenwerk nur an dem flächenhaften Schnitte, die bläuliche Substanz ist als ein zusammenhängendes , wabenartiges Gerüst, das die Zellen in seinen Räumen birgt, zu denken. Die dunklere Färbung der Pe- ripherie der Knorpelanlagen, des künftigen Perichondriums, rührt, wie man mit starken Vergrösserungen an dünnen Schnitten sieht, theils von der dichteren Lagerung der Kerne in dieser Zone, theils aber auch davon her, dass zwischen diese eigenthümliche (nach Hämatoxylin) dunkelblaue, spindel- bis sternförmige Körper- chen eingelagert sind, an denen durchaus kein Kern zu sehen war. Es schien mir, als ob dies der erste Anfang des oben für das Centrum der Knorpelanlagen geschilderten Maschenwerks sei und dadurch gewissermassen der Anfang zur Abgrenzung der Embryo- nalzellen zu Knorpelzellen mit »Kapseln« gemacht würde; übri- eens überschritten jene Körperchen mitunter auch die nächsten Grenzen der Knorpelanlagen. Meine Beobachtungen sind zu wenig umfangreich, als dass ich damit mehr als eine Anregung zu weiteren Studien über die erste Bildung des hyalinen Knorpels gegeben ha- ben wollte. Es gelingt leicht zwei getrennt angelegte Kerne zu 1) Sitzungsberichte der k. Academie d. Wissenschaften Bax ie Ath theilung Octoberheft 1874. Zum Carpus und ‘Tarsus der Saurier. 21 sehen, der eine ein rundliches Stück, das vor der Fibula lagert, der andere, an dieses anstossend aber doch durch die beiden Perichon- drium-Sehichten deutlich abgesetzt, breiter, mehr queroval und vor der Tibia und dem Zwischenknochenraum sich hinziehend. In der ersten Anlage des grossen Knochens der ersten Reihe ist demnach ein kleinerer fibularer Antheil von dem grösseren tibialen getrennt, es entstehen aus gesonderten Kernen das Fibulare und der Astragalus. Leicht nach- weisbar war auch das rundlich-viereckige Cuboid, an dem das schon hakenförmige Metatarsaley und das grosse Metatarsale;y angelegt gefunden wurden. Die Basis des Metatarsaley erschien oft als ein besonderer Kern mit eigenem Centrum, doch möchte ich bei der eigen- thümlich gebogenen Gestalt dieses Stückes darauf keinen besonderen Werth legen. Neben dem Cuboid zeigte sich ein rundliches Tarsale , mit dem bezüglichen Metatarsale und neben diesem, in fast allen Präparaten deutlich nachweisbar, ein besonderer kleiner Kern, der nur in einzelnen Schnitten, mit seiner Peripherie die Basis des Me- tatarsaleır berührte, — die Anlage eines Tarsale,. Diese drei Tar- salia lagen in einem proximalwärts offenen Bogen, der Raum zwi- schen ihnen und den grösseren Knorpeln der ersten Reihe war von unentschiedenem Embryonalgewebe ausgefüllt, indem ich einmal Spuren einer besonderen Anlage, etwa eines Centrale, zu sehen glaubte, doch muss ich gestehen, dass ich über die Anlage dieses und eines Tarsale, aus meinen Präparaten nichts gewisses auszu- sagen vermag. Als sichern Erwerb kann ich nur die ursprüngliche Trennung eines Fibulare und As und die besondere Anlage des Tarsale, hinstellen. Der Umstand, dass in diesen Präparaten Me- tatarsaleıı, wo es ganz von dem Tarsale, getrennt ist, in gleicher Höhe mit Metatarsaleın endigt und die Annäherung, die das um ein besonderes Centrum ‘angelegte Tarsale, an sein Metatarsale in an- dern Fällen zeigt, sprechen stark für die Annahme einer Ver- schmelzung der Tarsalia, und , mit den betreffenden Metatarsalien in dem Tarsus der erwachsenen Saurier. Weitere Beobachtungen an reichlicherem Material müssen diese fragmentarischen Befunde späterhin abrunden und ergänzen, aus ihnen wird sich erst mit Ge- wissheit ergeben, ob in der That der Meniscus dem Centrale der Urodelen gleich zu: setzen sei. Ich habe den Tarsus von Chamaeleon mir hier für eine geson- derte Besprechung vorbehalten, nicht weil ich denselben, wie die Autoren, dem Tarsus der übrigen Saurier als etwas Fremdes gegen- überstelle, sondern weil ich mich erst mit den Angaben der Au- 39 G. Born toren, die von GEGENBAUR zusammengefasst sind, auseinandersetzen muss, da dieselben von den meinigen fundamental verschieden sind. GEGENBAUR gibt zwei Knochen der ersten Reihe an, ein Tibiale und ein Fibulare; diese sollen ein drittes Stück unter und etwas zwischen sich haben, ein Intermedium, endlich soll noch ein viertes folgen, das theils von den vorigen, theils von den Metatarsalien begrenzt ist, ein Centrale. In den Metatarsalien sollten auch die Tarsalien der zweiten Reihe enthalten sein. Lange war ich im Zweifel, wie ich den Widerspruch zwischen diesen Angaben und meinen unten fol- genden, an sechs Exemplaren als constant approbirten Befunden lösen könnte, bis mir endlich die Betrachtung der von OwEn (Anatomy of vertebrates I p. 193 f. 123) 1) gegebenen Abbildung des Tarsus von Chamaeleon die, glaube ich, richtige Erklärung an die Hand gab. Es scheinen nämlich die Autoren, die am trocknen Skelete eines wahrscheinlich jüngeren Thieres sich scharf absetzenden Epiphysen- kerne für besondere Knochen gehalten zu haben; diese wurden dann als Fibulare und Tibiale, das wirkliche AsF als Intermedium, und das Cuboid als Centrale gedeutet, das nur knorplige Tarsale, wurde ganz übersehen. In der That existirt nur ein Tarsalknochen erster Reihe, der noch schärfer, als es bei den meisten übrigen Sauriern der Fall ist, zwischen die winklig zueinander gestellten Endflächen der Tibia und Fibula einspringt (Fig. VI AsF). Eine Abweichung von der gewöhnlichen Form des AsZ/' besteht nur darin, ‘dass hier der tibiale Theil weniger hoch ist, als der fibulare, während sonst zu- meist das umgekehrte Verhältniss herrscht; das hängt wohl damit zusammen, dass hier die Endfläche der Tibia einen griffelförmigen Fortsatz vorspringen lässt, dem sich das As eonformiren muss; ähn- liches fand ich schon bei manchen Ascalaboten. Das dorsale »susten- taculum«, das die distale Gelenkfläche erweitert, ist vorhanden, da- gegen sind die Reliefs der Gelenkfläche des Fibulare gegen das Cuboid nur sehr schwach ausgeprägt; im Ganzen bildet hier das f eine tiefe Pfanne, in welcher das mächtige, annähernd kugelförmige Cuboid artieulirt. Der Kopf des Astragalus ist klein aber deutlich ausgebildet und in gewöhnlicher Weise von dem Meniscus umkreist, der in seinem volaren Ende einen schief absteigenden, verkalkten Hyalinknorpel (Fig. VI»r) enthält, den ich wohl ohne Weiteres dem halbmondförmigen Knorpel bei den Ascalaboten homologisiren darf. Das Cuboid ist ein rundlicher Knochen, der an seinem distalen Ge- ') Das Original davon findet sich Cuv. Oss. foss. pl. 245 f. 52. Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 93 lenkkopfe, das Metatarsale V, IV und die Hälfte der Basis von III trägt, an seiner tibialen Seite wird es durch Anlagerung eines linsen- förmigen, verkalkten, hyalinknorpligen Stückes (Fig. VI 7',) gewisser- massen zur Kugel ergänzt. An dieses legen sich der übrige Theil der Basis von Metatarsale m, Metatarsale;; und die dorsale Hälfte von der Basis des Metatarsale; an, während die volare Hälfte des- selben auf dem Knorpel aufruht, der das volare Ende des Meniscus ausmacht und den ich, wie bei den Ascalaboten u. s. f., als Centrale zu - deuten geneigt bin. Das linsenförmige Stück fand ich vollständig nur bei Chamaeleo vulgaris, bei mehreren Chamaeleo dilepis (Leach), die wir aus dem Museum Godefroy bezogen hatten, traf ich an Stelle desselben nur eine Bandmasse, die einmal auf dem Querschnitte einen Knorpelkern enthielt. Das linsenförmige Stück deute ich im Hin- blick auf die ähnliche Lagerungsweise bei andern Sauriern als Tar- sale;, zu welchem nur noch durch die veränderte Anordnung der Metatarsalien, Metatarsale; in Beziehung getreten ist. Die Bänder von den Basen der beiden ersten Metatarsalien zum Kopfe des As habe ich hier nicht so, wie bei den übrigen Sauriern nach- weisen können, wohl aber derartige, die vom Tarsale, und vom an- liegenden Rande des Cuboid ausgingen. Ich glaube, dass das eben- falls mit der neuen Stellung der Metatarsalia, auf die ich gleich zu- rückkomme, zusammenhängt. Cuboid und Tarsale, bilden zusammen einen überknorpelten Gelenkkopf, dem die vereinigten Basen der Metatarsalien mit einer entsprechenden Pfanne, von welcher aus noch Gelenkspalten zwischen die einander zugewandten Seitenflächen der Ba- sen der Metatarsalien eingehen, gegenüberstehen. Genauer gesagt, stel- len die Basalflächen der Metatarsalien einen stark von rechts nach links, schwächer vom dorsum zur vola gekrümmten Reif dar, der zudem noch über den Randy mit der Concavität nach der vola hin, gebogen ist. Der Scheitel dieser letzten Biegung fällt etwa in das Metatar- sale nr, nahe an dessen Verbindung mit dem Metatarsaley. Durch diese Anordnung der Basen der Metatarsalien in einem an der Grenze des Metatarsale;; und i beinahe geknickten, zur Längs- axe des Fusses queren Bogen, kommt die Oppositionsstellung der zwei innern Zehen, gegen die drei äusseren zu Stande. Der bekannte Greiffuss des Chamaeleo wird dann noch dadurch vollendet, dass die beiden innern und die drei äussern Zehen zu je einer Platte ver- bunden sind, so dass in dem Spalt zwischen den beiden schräg anein- ander gelehnten, dabei gegliederten und in den Gliedern beweglichen . Platten ein Zweig beim Greifen gewissermassen eingeklemmt wird. Die 24 G. Born Hauptbewegung am Fusse des Chamaeleon ist die Dorsal- und Volarfle- xion, die im Gelenk zwischen As/ und Cuboid, und im Gelenk zwischen Cuboid und den Metatarsalia ausgeführt wird, doch schien mir auch Vergrösserung und Verkleinerung des Oppositionswinkels in geringem Maasse möglich zu sein. Offenbar ist an der hintern Extremität dieselbe Einrichtung, wie an der vorderen, der Greiffuss, dadurch hergestellt, dass alle Metatarsalien in einem volarwärts geknickten Bogen auf einem Gelenkkopf angeordnet, zu ungleichen Theilen zu zwei Platten vereinigt sind und auf und mit diesem Gelenkkopfe gebeugt und ge- — streckt werden können. Zu Erreichung dieser Anordnung ist offen- bar am Fusse des Chamaeleon Metatarsaleı, das schon bei den übrigen Sauriern dem Tarsale, anlag, noch stärker auf dieses be- zogen und sogar Metatarsale; bis an dieses herangetreten, so er- klärt sich der Wegfall der Basenbänder; der rechts über die vola gekrümmte Bogen, in dem die Basen der Metatarsalien schon bei den andern Sauriern und namentlich bei den Ascalaboten stehen, ist be- deutend verschärft und zusammengezogen; die Krümmung von rechts nach links, die die proximalen Enden der Metatarsalia auch sonst schon zeigten, ist ausgeprägter, die Metatarsalia sind stärker an- einandergepresst; die unverhältnissmässige Grösse des Cuboid, die schon bei den Ascalaboten gefunden wurde, ist noch übertrieben. Es scheint mir interessant, wie sich dieselbe mechanische Einrichtung, der Greiffuss, an der vordern und hintern Extremität der Chamae- leonten aus verschiedenem morphologischen Materiale aufbaut; hier bilden den Kopf, auf dem die in beiden Fällen in gleicher Weise angeordneten Metatarsalia aufruhen, Tarsale, und (4, ;), dort Tar- sales (3,4) und;. Am nächsten schliessen sich, wie ich überall bei den Einzelheiten hervorgehoben habe, die Chamaeleonten den Ascalaboten an und es scheint mir auch die Stellung, welche die Basen der Metatarsalien in dem an der Wand mit den Enden der Zehen klebenden Fusse eines Gecko’s einnehmen müssen, hoch eher einen Uebergang zu der im Greiffusse eines Chamaeleon zu bieten, als die in dem mit der ganzen Platte aufruhenden Fusse der übrigen Saurier. Die Resultate dieser Arbeit lassen sich etwa folgendermassen zusammenfassen : 1) Ein Theil der Saurier besitzt im Carpus ein dem der Urode- len und Chelonier homologes Intermedium, einem anderen Theile ist dasselbe im erwachsenen Zustande spurlos verloren gegangen. Für die Reduction, die auch im ersten Falle merklich ist, sowie für Zum Carpus und Tarsus der Saurier. 25 das gänzliche Verschwinden lässt sich ein Zusammenhang mit an- deren Veränderungen im Extremitätenskelet nachweisen. 2) Der Carpus von Chamaeleo besitzt ein z,r, keilförmiges ¢, von derselben Beschaffenheit, wie bei allen übrigen Sauriern, in zweiter Reihe ein Tarsale,, Tarsale, und ein Tarsale,,,, Tarsale, ist verloren gegangen. Im Ganzen also steht der Carpus des Chamaeleo nicht, wie nach den bisherigen Darstellungen anzunehmen, dem der übrigen Saurier fremd gegenüber, sondern ist demselben bis auf einige Re- ductionen und Verschiebungen, die mit der Ausbildung des Greif- fusses zusammenhängen, gleichgebildet. 3) Der Bau des Tarsus ist bei allen Sauriern im wesentlichen derselbe. Alle besitzen ein Asi’, ein Cub und ein Tarsale,, während die Tarsalia, und ,, die überall bis zum proxi- malen Ende von Tarsale, in der Basis einspringen, höchst wahr- scheinlich mit den gleichnamigen Metatarsalien verschmolzen sind. Das Centrale ist wahrscheinlich durch den Meniscus, der bei den Ascala- boten hyalinen Knorpel enthält (Tarsale, GEGENBAUR’sS), vertreten, also an den tibialen Rand gerückt. Die Bänder von den Basen der Metatarsalia; und ır zum As besitzen keine morphologische Bedeutung. Der »Faserknorpel« der in ihren volaren Theilen gefunden wird, ist nicht anders aufzufassen, als die faserknorpligen, hyalinknorpligen und verknöcherten Kerne, die häufig in den Bändern und Sehnen der vola gefunden werden, d. h. sie sind durch Anpassung an secundäre mechanische Verhältnisse (Spannung und Reibung) im Bindegewebe entstanden. Embryologisch war die ursprüngliche Trennung des As und des F in der knorpligen Anlage, so wie ein besonderer Kern für ein Tarsale,, der oft schon dem Metatarsale ı genähert erschien, nachweisbar. 4) Der Tarsus von Chamaeleo gleicht in allen Bestandtheilen dem der übrigen Saurier, nur dass zur Ausbildung des Greiffusses, wie an der vorderen Extremität, eine Verschiebung der Metatarsalia stattgefunden hat. Breslau, Ende August 1875. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Carpus. Fig. I, II, III. In allen drei Figuren ist der Knorpel blau ge- halten in Fig. I und II Bänder grau, und das Gefäss g roth, in Fig. II ausser- dem der Knochen hellbraun und die Markräume grau. U = Ulna: R = Radius: v= ulnare; r= radiale; ‘= intermedium; e= centrale. Mit den deutschen Zahlen von 1—5 sind die Tarsalia der zweiten Reihe, mit den lateinischen die Metatarsaliar—y, vom inneren Rande gezählt, bezeichnet. Alle drei Bilder sind mit einem OBERHÄUSER’schen Zeichenprisma und stark (aber ungleich) vergrössert gezeichnet. In Figur I und III sind, um das Bild nicht unnöthig zu complieiren nur die Knorpelflächen farbig ausgeführt. Fig. I: Flächenschnitt aus einer vollständigen Serie durch den Carpus von Lacerta agilis. Fig. II. Theil eines Flächenschnittes aus einer vollständigen Serie durch den Carpus von Lacerta muralis. Nur geringe Einzelnheiten sind aus dem benachbarten Schnitte ergänzt. Fig. III. Flächenschnitt aus einer vollständigen Serie durch den Carpus von Chamaeleon vulgaris. Das ce, welches auf diesem Schnitte nicht mehr in voller Grösse zu sehen war, ist aus den vorhergehenden mit seiner Umgebung eingezeichnet. Tarsus. Fig. IV, V, VI. Alle drei Figuren sind von Präparaten gewon- nen, an denen die dorsalen Kapseln geöffnet und weggenommen und alle Gelenke über die Vola auseinander geklafft waren. Es ist klar, dass in Folge dessen die »normale Lagerung« nicht vollständig wiedergegeben ist, aber es wäre ohne diese Massregel unmöglich gewesen alle wesentlichen Theile zugleich und neben einander zu zeigen oder es hätten noch schwer verständliche Schnitte zugefügt werden miissen. Der Knochen ist hellbraun, Epiphysen- und Gelenkknorpel hellblau gefärbt, die Bänder und bänderartigen Theile sind ungefärbt. AsF= Astra- galo-Fibulare; — Cu = Cuboid; — 3. = Tarsales; — I—V = die Metatarsalia ; — B,, Ba, Bg, die Bänder von den Basen des Metatarsale ı und 1 und vom Tar- sale; zum As; — M = Meniscus. Alle drei Figuren sind unter einer ZEISS- schen Loupe, aber verschieden stark vergrössert, gezeichnet. Fig. IV. Tarsus von Lacerta ocellata. Fig. V. Tarsus von Iguana tuberculata juv. Das Exemplar maass von der Schnauzen- bis zur Schwanzspitze 27 Cm. Fig VI. Tarsus von Chamaeleon vulgaris. Br = Lith. Anstv, J6.Bach, Leipzig. Lith Anstu JG Bach, Leipzig = = Ee = Ss 0 3 Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. Von Dr. Hermann von Ihering in Göttingen. Mit Tafel II. Im Winter 1874/75 bot sich mir in der zoologischen Station in Neapel die Gelegenheit, Tethys leporina L. häufig und in zum Theil ausserordentlich grossen, bis über 20 Ctm. langen Exemplaren zu untersuchen. Da sich bald ergab, dass die über die Anatomie des hochinteressanten Thieres vorliegenden Angaben vielfach der Ergän- zung und Berichtigung bedürfen, so entschloss ich mich zu einer monographischen Bearbeitung desselben. Ich musste diesen Plan je- doch fallen lassen, als ich späterhin in Kopenhagen bei Herrn Dr. Rup. BERGH eine von ihm verfasste und schon gedruckte monogra- phische Bearbeitung unserer Nudibranchie vorfand, und mich durch die mir gütigst gestattete Durchsicht der Correcturbogen davon über- zeugen musste, dass das was ich gewollt, schon in ausgezeichneter Vollendung existirte. Ist es BERGH doch u. a. auch gelungen, end- lich die Bedeutung der merkwürdigen als Foenicuri bekannten Inter- branchialanhänge klar zu stellen! !) h Da sich indessen doch auch manche Differenzen in der Deutung 1) Rup. BERGH. Malacologische Untersuchungen. In SEMPER, Reisen im Archipel der Philippinen. II. Theil. 2. Band. Heft IX. Wiesbaden 1875. Nachschrift. Da das Heft eben nach Abschluss dieser Abhandlung erschie- nen, ist es noch möglich gewesen, es eingehend zu berücksichtigen. 28 : Hermann von Ihering der Theile ergaben, und meine an frischem Material angestellten Untersuchungen diejenigen BerGu’s in mehreren Puncten ergänzen, so entschloss ich mich zu einer Besprechung derselben um so lieber als es mir dadurch möglich wird in einem grösseren demnächst er- scheinenden Werke über die vergleichende Anatomie des Nerven- systems der Mollusken mich auf das hier über die systematische Stellung von Tethys Bemerkte zu beziehen. Damit ist aber nicht wenig gewonnen, denn die Stellung, welche Tethys unter den Gastropoden einnimmt, darf wohl derjenigen, welehe die Cyclostomen unter den Vertebraten einnehmen zur Seite gesetzt werden. Selbständige Untersuchungen über die Anatomie von Tethys haben nach BoHADSCH nur. J. F. MEckeL!) (1808), Cuvier?2) (1808) und ST. DELLE CHIAJE®) (1828) veröffentlicht. Wir werden darauf bei Behandlung der einzelnen Organsysteme näher eingehen. Hinsichtlich der Reihenfolge in der wir dieselben behandeln wollen, sei bemerkt, dass sie folgendermassen lautet: 1) Das Nervensystem. 2) Der Darmtractus. 3) Der Geschlechtsapparat, mit Bemerkungen über die Physiologie derZeugung bei den Zwitterschnecken. 4) Die Niere. 5) Die Ontogenie. 6 Die Phylogenie der Gastropoden. Die merkwürdigen Pseudoparasiten (Phoenicuri) werden im zweiten Abschnitte ihre Erledigung finden. In systematischer Hin- sicht sei hier bemerkt, dass ich mit BERGH nur eine Species von Tethys, die T. leporina L. anerkennen kann. An dem reichen Ma- teriale von Tethys, das mir in Neapel zu Gebot stand, habe ich mieh namentlich davon überzeugen können, dass der Mangel oder die geringere oder stärkere Ausbildung der schwarzblauen Flecken des Segels durchaus nicht als ein die Aufstellung verschiedener Arten gestattendes Merkmal betrachtet werden darf. — '| J. F. MeckeL Beiträge zur vergleichenden Anatomie. Bd. I. Heft 1. Leipzig 1808, p. 9—25, Taf. II und II. ?) Cuvier. Memoires pour servir 4 lhistoire et l'anatomie des Mollusques. Paris 1817. No. 7 über Tethys (erschien zuerst in den Ann. d. Mus. 1808). 3) ST. DELLE CHIAJE. Memorie etc. Vol, III. 1828. p. 137—148. Taf. 39. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 29 1. Das Nervensystem. Die tiefe Organisationsstufe , auf welcher Tethys steht, prägt sich in keinem Organsysteme in so unverkennbarer und instructiver Weise aus, wie im Nervensysteme. Dieses wird an Einfachheit nur noch von der merkwürdigen Rhodope überboten und bildet den Aus- gangspunct für die Erklärung aller der zahlreichen Modificationen, welche das Nervensystem der »Opistbobranchen« und Pulmonaten bie- tet. Da ich an jener Stelle die ausführlichere Darstellung gebe so beschränke ich mich hier auf eine kurze Mittheilung. Das Nerven- system von Tethys hat die Gestalt eines Siegelringes, indem es aus einer einzigen dem Schlunde aufliegenden Ganglienmasse und einer denselben umgreifenden einfachen Schlundeommissur besteht. Der oberen oder dorsalen Fläche dieser Ganglienmasse liegen etwa in der Mitte die Augen, und hinter diesen die Otocysten auf. Ein zwei- ter Schlundring wird gebildet durch die Commissuren, welche von jener Ganglienmasse zu den beiden Buecalganglien gehen, und von der diese beiden untereinander verbindenden an der Unterseite der Mundmasse gelegenen Commissur. Jene Ganglienmasse , welche durehaus keine weiteren Abtheilungen erkennen lässt, darf man sich aus symmetrisch zur Mittellinie gelegenen Hälften zusammenge- setzt vorstellen, und diese werde ich im Folgenden als »Proto- ganglien« bezeichnen. Aus dieser Protoganglienmasse und ihrer einfachen Schlundeommis- sur, die ich als Protocommis- sur bezeichne, entstehen durch immer weiter schreitende Diffe- renzirung alle die Ganglien und Commissuren, welche das Cen- tralnervensystem der oben ge- nannten Zwitterschnecken zusam- mensetzen. Diese Vorgänge im Einzelnen zu verfolgen und dadurch die Homologien der Ganglien, Commissuren und Nerven festzu- stellen, wird die Aufgabe des angezogenen Werkes sein. Hier will ich auf jene Vorgänge nur soweit eingehen, als es erforderlich ist 30 Hermann von Ihering um eine Vergleichung des Nervensystemes von Tethys und den ihr verwandten Formen vornehmen zu kénnen. Irgend welche Abtheilungen oder Regionen lassen sich wie schon bemerkt an der Protoganglienmasse von Tethys nicht unterscheiden, wie ich nach hiufig wiederholter Untersuchung sowohl frischer als auch in Alkohol aufbewahrter Thiere gegenüber der von BERGH mitgetheilter Zeichnung!) behaupten muss. Ich kenne zu gut die bekannte Treue und Genauigkeit BerGu’scher Zeichnungen, um zu bezweifeln, dass BERGH ein dem abgebildeten ähnliches Präparat gesehen, allein es wäre ein Irrthum wollte man in den daselbst ge- zeichneten Einschnürungen den Ausdruck der drei Ganglien erkennen, die man im Protoganglion der Aeolidien unterscheiden kann, und ich muss es daher dahingestellt sein lassen ob jenes Bild die Spuren der Conservirung oder die einer Compression zur Schau trägt. Uebrigens ist die Differenz zwischen BERGH’s und meiner Darstellung im Grunde nur eine untergeordnete, da auch BERGH die schon von den früheren Autoren hervorgehobene Thatsache bestätigt, dass die Verschmelzung aller der bei den übrigen Nudibranchien er- kennbaren Ganglien bei Tethys den höchsten Grad erreicht. Eine deutliche Ausbildung der Pedalganglien geschweige denn der Visce- ralganglien behauptet auch BERGH nicht. Die Differenz besteht lediglich in der Deutung der seichten Furchen, welche Breren für die äussere Grenze zwischen den im übrigen mit einander verschmol- zenen Pedalganglien und Cerebrovisceralganglien hält. Deutlich spricht sich schon bei Tethys die späterhin auftretende Regionen- oder Gangliensonderung im Ursprunge der Nerven aus?). Von diesen entspringen die zum Kopfe mit Einschluss des Velum tretenden aus der vorderen, die zur Körperwandung, den Kiemen und dem Geschlechtsapparate sich begebenden dus der hinteren, und die in den Fuss gehenden aus der äusseren und seitlichen Partie des Protoganglion. Aus diesen, hier nur im Ursprunge der Nerven, resp. auch der Lage der entsprechenden Ganglienzellengruppen sich zu erkennen gebenden Regionen werden nun bei den höherstehenden Nudibranchien zunächst besondere noch innig unter einander zusammen- hängende Lappen oder Portionen der Protoganglien, in denen schon die wichtigsten der späteren selbständigen Ganglien erkanntwerden können. 1) 1. c. Taf. 45 Pig. 19. 2) ef. Fig. I. Bezüglich der Erklärung der Buchstaben ‘in Fig. I—III ver- gleiche man das unten bei der Tafelerklärung Bemerkte. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. $1 Es entsprechen nämlich die vorderen Portionen der Protoganglien den spä- teren Cerebralganglien, die hinteren den Visceralganglien (meinen Pro- tovisceralganglien), und dieäus- seren oder lateralen den Pedal- ganglien. Von ihnen bleiben (bei der überwiegenden Mehr- zahl) die beiden ersteren am längsten noch mit einander verschmolzen , während die Pedalganglien am ersten sich als selbständige Ganglien von der ,„ Protoganglienmasse ab- lösen. Der Umstand, dass die Ganglienzellen der ge- nannten lateralen Portion so- wohl mit der vorderen, wie mit der hinteren Portion durch Ausläufer in Verbindung ste- hen, erklärt es, weshalb bei der Ablösung des Pedalgan- glion die breite Commissur, die dasselbe mit dem Rest des Protoganglion verbindet, sehr bald in zwei vom Pedalganglion aus divergente Commissuren sich spaltet'). Von diesen beiden Commissuren geht die eine zur vorde- ren Portion des Protoganglion, die andere zur hinteren. Erstere ist die spätere Commissura cerebropedalis, letztere die spätere Com- missura visceropedalis. Nur die eine von ihnen, nämlich die erst- genannte, entspricht einer der beiden s. g. Schlundcommissuren, welche bei den Pulmonaten die über dem Schlunde gelegenen Gan- glien mit den unter ihm liegenden verbinden. Die hintere der bei- den Schlundeommissuren der Pulmonaten ist die Commissura cerebro- visceralis, entstanden durch die Trennung der hinteren Portion des Protoganglion von der vorderen. Damit ist der Process der Zerle- gung des Protoganglion in seine drei Constituenten vollendet. Von den drei auf diese Weise aus jedem Protoganglion hervorgehenden Ganglien bleiben zwei in unveränderter Form bestehen durch die ganze Reihe derjenigen Mollusken, die hervorgegangen sind aus Fig. U. 1) ef. Fig. III. Co. ce. pe. + Co. vi. pe. 32 Hermann von Ihering Nudibranchien von der Beschaffenheit unserer Tethys, resp. wenn wir noch einen Sehritt weiter gehen, aus den Plattwürmern. Es sind das die cerebralen und die pedalen Ganglien. Alle weiterhin noch auftretenden Modificationen betreffen nur die Protovisceralganglien, indem durch Abschnürungen aus ihnen ein grosser Theil der Gang- lien hervorgeht, welche zu der von mir!) als Bauchganglienkette bezeichneten Gruppe von Visceralganglien (Deutovisceralganglien, wie ich sie nenne) gehören. Der Rest des Protovisceralganglion, pases Co.pe. Co.subce. von welchem die Commissuren zum Cerebral- und zum Pedalganglion ausgehen, stellt das Commissuralganglion?) dar. Ein anderer Theil ') H. v. Inerıng. Ueber die Entwicklungsgeschichte von Helix. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. IX. Bd. N. F. II. Bd. Jena 1875. p. 299 bis 339. > ?) nach Inerıng ], c. p. 322. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 33 von Deutovisceralganglien entsteht neu durch Einlagerung von Gan- glienzellen in die Visceraleommissur an der Stelle, wo aus ihr die Nerven abtreten, deren Ursprungsstelle bei vielen von dem Protovis- ceralganglion auf jene Commissur übertritt. Von besonderem Interesse ist bei diesem Processe der Zerlegung des Protoganglion in die genannten Ganglien das Verhalten der Com- missuren. Bei Tethys haben wir, wie oben bemerkt, die ganz ein- fache, den Schlund umgreifende Protocommissur. Die Fasern der- selben enden nun nicht in einer einzelnen der drei von mir unter- schiedenen Regionen, sondern in allen dreien. So kommt es denn, dass, sobald sich aus jenen Regionen wirkliche, auch äusserlich durch seichte Furchen sich markirende Portionen oder Lappen des Proto- ganglion entwickelt haben, auch die Protocommissur in drei distincte Commissuren zerfällt. Diese liegen anfangs wie z. B. bei vielen Doriden noch dieht zusammen in einer einzigen gemeinsamen Hülle oder Scheide, so dass erst das Mikroskop ihre Existenz lehrt. Von ihnen endet die eine in der cerebralen, die zweite in der visceralen und die letzte in der pedalen Portion des Protoganglion. Ich nenne die erstgenannte die Subcerebraleommissur, die zweite die Visceral- commissur und die letzte die Pedaleommissur. Der Name der Sub- cerebralcommissur soll darauf hinweisen, dass die cerebralen Gang- lien auch oberhalb des Darmtractus durch eine Commissur, die ich als Cerebraleommissur bezeichne, unter einander verbunden sind. Die nächste Veränderung besteht nun in der Lostrennung der Visceral- commissur von den beiden anderen. So ist es schon bei den Aeoli- dien. Die Subcerebraleommissur') verschmilzt späterhin mit der Pedaleommissur. Sehr früh schon geschieht dies bei dem zu den Aplysien und Bullen hinführenden Stamme, wogegen sich die Sub- cerebralcommissur als selbständiges Gebilde sehr lange erhält bei der von den Aeolidien und Doriden gegen die Pulmonaten oder rich- tiger die Heliciden hinführenden Reihe. Auch hier verschmilzt sie schliesslich mit der Pedaleommissur, zu der sie von Anfang an da- durch in besonders naher Beziehung steht, dass sie durch das Pedal- ganglion und bei den höherstehenden Formen zuletzt in der Com- missura cerebropedalis gegen das Cerebralganglion hin verläuft. Beide zwischen den Pedalganglien ausgespannten Commissuren, die pedale 1) Die in so ungemein weiter Verbreitung bei den Nudibranchien von mir nachgewiesene Subcerebraleommissur ist bisher in genügender Weise nur bei Umbrella und Glaueus beschrieben worden. Morpholog. Jahrbuch. 2. 3 34 Hermann von Ihering wie die subeerebrale nehmen an Länge in dem Maasse ab, wie mit der höheren Organisationsstufe der betr. Schnecken die Pedalgan- glien immer mehr und mehr gegen die Fusssohle hinabsteigen, bis sie schliesslich in der Medianlinie sich berühren, so dass die genannten Commissuren äusserlich nicht mehr wahrnehmbar sind. Werfen wir nun noch einen flüchtigen Blick auf das sympathische Nervensystem! In der oben eitirten Abhandlung habe ich den Ver- such gemacht den Begriff des sympathischen Nervensystemes der Mol- lusken anders zu fassen‘, als das bisher geschieht, indem ich ihn aus einem mehr oder weniger physiologischen zu einem morphologi- schen gemacht. Durch alle meine recht ausgedehnten Untersuchungen über das Nervensystem der Mollusken habe ich mich nun von der Richtigkeit jener Auffassung mit derselben Bestimmtheit überzeugen können, mit der ich jetzt erklären muss, dass die Ansichten, die ich dort hinsichtlich der Phylogenie der Mollusken vertreten habe, durchaus verfehlte waren. Indem ich auf letzteren Punct erst weiter unten näher eingehen werde, muss ich hier noch bemerken, dass dieselben beiden Bucealganglien, die bei allen übrigen Opisthobran- chien und Pulmonaten sich finden, auch schon bei Tethys existiren. Dadurch ergibt sich in morphologischer Hinsicht aufs entschiedenste ein Gegensatz zwischen den Buccalganglien und der Protoganglien- masse, oder den von ihr abzuleitenden Ganglien. Erstere bilden mitsammt den von ihnen ausgehenden zum Darmtractus und seinen Annexen tretenden Nerven und den in deren Verlauf eingelagerten Ganglien: das sympathische Nervensystem. Dagegen wird man die Protoganglienmasse und die Protocommissur, sowie alle aus ihnen hervorgegangenen Ganglien und Commissuren in ihrer Gesammtheit als Centralnervensystem bezeichnen dürfen. Alle Ganglien, welche eingelagert sind in den Verlauf von Nerven die dem Céntralnerven- system entstammen, gehören zum peripherischen Nervensysteme. Vergleichen wir nunmehr das Nervensystem von Tethys mit demjenigen der übrigen Nudibranchien und speciell denjenigen Gat- tungen, welche man bisher zumeist mit Tethys in einer Familie ver- einigte, also namentlich den Seyllaeen, Tritonien und Dendronotiden, so ergibt sich die völlige Unhaltbarkeit einer solchen Vereinigung. Bei allen den genannten Gattungen ist nämlich das Protoganglion schon in die drei Portionen gegliedert, und die Protocommissur in die eben bezeichneten drei Commissuren zerfallen. Indem wir erst weiter unten auch auf die übrigen durchgreifenden anatomischen Unterschiede zwischen den genannten Gattungen und Tethys eingehen können, Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 35 müssen wir hier nur noch erörtern, welche Gattungen denn wohl hinsichtlich des Nervensystemes sich mit Tethys vergleichen lassen. Bis jetzt ist es nur eine einzige Form, welche hierbei in Betracht kommen kann: die merkwürdige von KOLLIKER beschriebene Rho- dope. Das Nervensystem derselben besteht wie bei Tethys aus den beiden zu einer einzigen dem Schlunde aufliegenden Ganglienmasse verschmolzenen Protoganglien und den in eine Masse verschmol- zenen Buccalganglien, die jederseits durch eine Commissur mit dem Protoganglion verbunden sind, wodurch ein Schlundring — der sym- pathische — gebildet wird. Dem Protoganglion liegt wie bei Tethys das Auge und hinter diesem die Otocyste auf. Der einzige wesent- liche Unterschied zwischen Tethys und Rhodope beruht in dem Mangel der Protocommissur bei letzterer Gattung. Ist die Beschreibung KörL- LIKER’s !) in dieser Beziehung richtig, so bildet Rhodope hierin in der That einen Uebergang von den Nudibranchien zu den der Proto- commissur entbehrenden Plattwürmern. Hat dagegen KÖLLIKER die Protocommissur übersehen, so schliesst sich Rhodope nur um so enger an Tethys an, der sie auch darin nahe steht, dass die bei den Platt- würmern durch eine leicht, auch äusserlich, nachweisbare Cerebral- commissur verbundenen Protoganglien, hier emander bis zur Berüh- rung und Verschmelzung genähert sind. Im einen wie im anderen Falle aber bleibt Rhodope ein wichtiges Bindeglied zwischen Nudi- branchien und Turbellarien, worauf wir unten noch näher eingehen werden. : Das Nervensystem von Melibe, das wir durch BerGu’s?) Unter- suchungen kennen gelernt, ist dem von Tethys sehr ähnlich, nur scheint die äussere Portion des Protoganglion durch eine deutliche Furche vom Rest des Protoganglion abgegrenzt zu sein. Die Proto- commissur ist nach Beren’s Zeichnung und Darstellung zu schliessen, noch ganz einfach. 2. Der Darmtraetus. Der Darmtractus von Tethys besteht aus einem der Mundmasse der Aeolidien homologen Mundrohre, in welches die beiden sehr kleinen und daher bisher übersehenen Speicheldrüsen einmünden, 1) A. KöÖLLiker. Rhodope. Giornale dell’ J. R. Istituto Lombardo di scienze, lettere ed arti. T. VIII. Milano 1847 p. 551—561 und Tab. I. 2) cr P.1362. fi. u. Taf.” 48 Fig. 1. 3* 36 Hermann von Ihering aus dem sehr weiten kurzen Oesophagus, der ohne Grenze in den weiten Magen übergeht, in welchen sich die Gallengänge öffnen, und aus dem Mittel- und Enddarme. Die Mundmasse ist ein weites, eylindrisches Rohr, das nach vorn hin einen kurzen weiten, contractilen Rüssel bildet, der auf der Vorderfläche des Velum steht, etwas unterhalb des Mittelpunetes des- selben, innen aber nach hinten sich durch eine Ringfalte scharf gegen die mit Längsfalten versehene Speiseröhre absetzt. Ihre Wand be- steht aus dem, allen die sich mit Molluskenhistologie befasst haben, wohl bekannten Netzwerk von Fasern, das grosse blasse Zellen um- schliesst, deren Durchmesser hier 0,035 bis 0,058Mm. für die Zelle, und 0,021Mm. für den Kern beträgt. Innen trägt dieses Gewebe ein Epithel niedriger 0,014Mm. hoher und 0,028Mm. breiter Zellen, welche auf ihrer freien Fläche einen feinen, blassen 0,0015 Mm. dicken Cutieularsaum tragen. Die Schleimhaut bildet aber keine ebene Fläche, wie diejenige der Speiseröhre, sondern erhebt sich ringsum in eine grosse Anzahl isolirter kleiner und niedriger, stumpfer Pa- pillen. An der Unterseite der Mundmasse liegen hinten die Buccal- ganglien und nach aussen von diesen die, wie bemerkt, bisher über- sehenen Speicheldriisen (Taf. II, Fig. 1 sp). Diese sind sehr kleine, rudimentäre, nur wenige Mm. lange Drüsen von gelblicher Farbe die in die untere Wandung des Mundrohres einmünden. Ihr Nutzen für die Verdauung kann in Anbetracht ihrer relativ so geringen Grösse nur ein sehr untergeordneter sein, und so mag denn der Physiologe weniger Interesse an ihnen nehmen als der Morphologe. Denn ab- gesehen von dem Interesse, das wir an jedem »werdenden« Organe nehmen, ist dasselbe hier dadurch ein besonderes, dass mit ihrem Nachweise die Nothwendigkeit sich ergibt für die bisher als Speichel- drüsen !) gedeuteten Organe eine andere Erklärung zu geben. Dass die bisherige Auffassung falsch sei, ergab sich mir schon bei der ersten Untersuchung, bevor ich die eigentlichen Speicheldrüsen auf- fand, und würde auch, wenn diese ganz fehlten, nicht minder sicher sein. Denn die bisher für Speicheldrüsen gehaltenen Drüsen, die accessorischen oder Neben-Lebern2) (Glandulae suprahepa- ticae, wie ich sie forthin nennen werde, münden in denselben Theil des Magens wie die Hauptleber, ja die eine von ihnen öffnet sich ') So von ÜCUVIER und DELLE ÜHIAJE, wogegen MECKEL sie über- sehen hat. 2) SCH, Cat. IL. Wags 1 IM. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 57 sogar direct in den Gallengang der eigentlichen Leber. Nun sind aber gerade die Einmiindungsstellen der Driisen des Darmtractus die einzigen zuverlässigen Kriterien, welche wir für die Feststellung der Homologieen der einzelnen Abschnitte des Darmeanales besitzen, und wir nennen den Theil des Darmtractus »Magen«, in welchen sich die Gallengänge öffnen, und denjenigen Theil, in welchen die Speicheldrüsen münden, die »Mundmasse«. Aus diesem Grunde leuchtet es schon von vornherein ein, dass Drüsen, die sich in den Magen öffnen, niemals Speicheldrüsen sein können. Werfen wir nunmehr, bevor wir die wahre Bedeutung dieser Drüsen zu ermitteln suchen, einen Blick auf ihren Bau, sowie auf den des Magens und der Leber. Der Magen beginnt eigentlich un- mittelbar hinter der Mundmasse, so dass man kaum von einer be- sonderen Speiseröhre sprechen kann. Er trägt nach innen von der Faser- und Muskelschicht ein einfaches Epithel 0,02 bis 0,03 Mm. grosser Zellen und darauf folgt nach innen eine oft mehr als 0,3 Mm. dieke Schicht, welehe aus einfachen schlauchförmigen 0,014 Mm. dieken Drüsenschläuchen besteht, deren histologischer Bau leider von mir nicht näher untersucht worden, so dass sich vor erneuter Unter- suchung nicht sagen lässt, ob es gestattet ist, sie der bekannten Cuticularschicht im Muskelmagen der Vögel zu vergleichen. Diese Schieht erinnert sowohl in ihrem Aussehen als in ihrer Consistenz an Knorpel, indem sie zwar weich und sehr elastisch ist, aber doch durch diese an Gummi erinnernde Elastieität dem Magen denselben Schutz gewährt, wie eine harte Kalk- oder Chitinauskleidung. Dass der Magen eines so gefrässigen, jeder Bewaffnung des Mundes baaren Raubthieres wie Tethys eines solchen Schutzes ganz besonders be- darf, wird sofort verständlich, wenn man den Mageninhalt desselben kennen lernt. Ich fand denselben ausser aus Tangstücken bestehen in zahlreichen Crustaceen, kleinen Echinodermen und mehrmals auch kleinen Fischen, von denen einer 4Cm. lang war. Dasselbe Thier enthielt noch die Otolithen eines andren Fisches, welche diejenigen des ebenbezeichneten um das Doppelte übertrafen. Diese Beschaffen- heit der Nahrung macht ebensowohl die Kürze der Speiseröhre ver- ständlich, durch welche jedenfalls die grösseren unverdaulichen Ske- lettheile wieder ausgeworfen werden, wie auch einige andere Ein- richtungen. Es finden sich nämlich um die Einmündungsstelle der Gallengänge und in dem erweiterten Endabschnitte derselben je eine Anzahl von Wülsten und Höckern, welche denselben histologischen Bau wie die ganze Innenschicht des Magens zeigen. Sie bilden 38 Hermann von Ihering einen Schutzapparat, durch welchen das Eindringen gréberer Nah- rungstheile verhütet wird. Ein ähnlicher sehr dieker breiter und langer bandförmiger Wulst, der aber auch zahlreiche Bindegewebs- und Muskelfasern enthält, findet sich im Mitteldarm , ven wo er sich auch in dem Enddarm noch eine Strecke weit fortsetzt. Durch ihn wird dem Eindringen jener groben unverdaulichen Theile der Nahrung eine Schranke gesetzt. Die Leber ist eine grosse solide den ganzen hinteren Abschnitt der Leibeshöhle füllende Drüse, welche äusserlieh von der Zwitter- drüse umgeben ist, welche letztere wiederum von den Zweigen der baumförmig verästelten Niere überzogen ist. Die Axe der Leber nimmt ein weiter, an Umfang von vorn nach hinten hin abnehmen- der Hohlraum ein, die Fortsetzung des Gallenganges in die Leber. Von ihm treten nach beiden Seiten hin die Ausführgänge der ein- zelnen Leberlappen ab. Dieser seitliche Ursprung der Gallengänge zweiter Ordnung von einem grossen in der Axe der Drüse gelege- . nen Stamme, der schon früheren Untersuchern aufgefallen, findet auch in dem Ursprunge der von der äusseren Oberfläche der Leber abtretenden und in die fleischigen Interbranchialanhänge sich ver- zweigenden Leberschläuche seinen Ausdruck. Diese Schläuche, die ich nach ihrem Entdecker R. BERGH die »BERGH’schen Leber- schläuche« zu nennen vorschlage!), begeben sich nach aussen um nach kurzem Verlaufe in der Körperwandung in die Interbran- chialanhänge einzutreten. Ihre Anzahl konnte von mir aus Mangel an hinreichendem Material nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden , doch scheinen es nicht mehr wie 2 jederseits zu sein, von denen der vordere linke aus dem Hauptgallengange entspringt. Jedenfalls ist ihre Anzahl eine sehr erheblich geringere, als die der Interbranchialanhänge, zu welchen sie treten, indem jeder. Schlauch mehrere derselben versieht. Es geschieht das in der Weise, dass die Verlängerung des Stammes zu dem vordersten der von demselben versorgten Anhänge tritt, von diesem ein Ast zu dem nächst hinteren geht, und von diesem Aste sich wieder ein anderer nach hinten zum nächstfolgenden Interbranchialanhang begibt. Auch an Alkoholexemplaren von Tethys lässt sich jeder dieser Schläuche nach aussen hin bis an die Insertionsstelle des Interbranchialanhanges verfolgen, wo er in der Mitte derselben frei endet, jedoch nicht mit blindgeschlossenem, sondern mit offenem Ende. Die Fortsetzung cet. Tafel, Pig#12. or Ten Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 39 desselben hatte sich in den Interbranchialanhang hineinerstreckt. An einem jungen Thiere, an welchem die vorderen Interb/anchialan- hänge noch festsassen, konnte. ich den Eintritt des Schlauches in den Anhang direct beobachten. Diese Insertionsstelle. nun, das Stigma, wie wir sie mit Cuvier nennen wollen, ist auch an Thie- ren, welche alle Anhänge verloren haben, leicht nachweisbar. Sie liegt zwischen je zwei grossen Kiemen, nach aussen und unten von der zwischen den grossen stehenden kleinen Kieme, und gibt sich dem Auge leicht durch den in Folge des an dieser Stelle man- gelnden Epithelüberzuges fehlenden Glanz als eine etwas rauhe un- regelmässige Fläche zu erkennen, in deren Mittelpunct die Oeffl- nung des BerGu’schen Schlauches sichtbar ist. Die Bedeutung der Interbranchialanhänge ist hiermit nun in un- erwarteter Weise aufgeklärt. Es sind Papillen oder Riickenanhinge, welche den gleichnamigen Gebilden der Acolidien in ihrer Lage und ihrer Beziehung zur Leber gleichen, ohne indessen wohl als direete Homologa derselben bezeichnet werden zu können. Es hat freilich Zeit und Mühe genug gekostet, bis die Bedeutung dieser lange räthselhaften Anhänge aufgeklärt worden. Finden wir doch noch in unseren Tagen die ältere Ansicht vertheidigt, welche in ihnen Parasiten erblickt. Und fürwahr, der Irrthum ist verzeihlich genug, wenn man bedenkt, dass die abgelösten Anhänge nicht nur selbst- ständige Bewegungen vollführen, sondern auch mit der vorderen als Mund gedeuteten Oeffnung sich fest an Holzstiickchen u. s. w. anzu- hängen vermögen, wie in glaubwürdiger Weise Orro berichtet, der auch bemerkt, dass die Thiere Flüssigkeiten, die durch den Mund in den Magen injieirt wurden, wieder von sich geben konnten. Die Ge- schichte dieser vermeintlichen Parasiten ist wohl eine der merkwür- digsten Komödien der Irrungen, welche die Zoologie kennt. Haben doch gerade die späteren Untersuchungen die allerersten Ansichten wieder bestätigt, welche dieselben als Körperanhänge betrachteten. Während nämlich. (nach BErGH) CAavoLısı sie für Kiemen hielt, be- schrieb sie Macri als Rückenanhänge. Aber schon vorher hat Cu- VIER sie richtig als Tentakel bezeichnet. Letzteres muss ich wenig- stens (gegen BERGH |. ce. p. 352 Anm. 1.) annehmen, da mir die Beschreibung von Cuvier (l. c. p. 10) nur auf die Interbranchial- anhänge zu passen scheint. Denn Cuvier bemerkt, dass diese kleinen weichen, gelben und oft zweispitzigen Tentakel nur während des Le- bens des Thieres ansitzen. Es ist daher wohl anzunehmen, dass Cuvier die abgelösten Interbranchialanhänge selbst gesehen, oder 40 Hermann von Ihering dass er sie aus der Beschreibung des Herrn DE LAROCHE kannte, der die von Cuvier untersuchten Exemplare auf einer Reise nach den Balearen gefangen. In dem 1819 erschienenen ersten Bande seiner Entozoensynopsis p. 573) beschrieb RupoLpur unter dem Namen Phoenicurus varius von ihm häufig gefundene Ectoparasiten von Tethys, von denen er be- merkt, dass sie schon von RExıER (1807) als Hydatula varia be- schrieben seien. Hinsichtlich des anatomischen Baues erwähnt er nur der beiden, von allen späteren Autoren bestätigten Ganglien. Im Jahre 1823 erschien eine ausführlichere Beschreibung derselben von Orro !, der in ihnen Uebergangsformen zwischen Planarien und Trematoden sieht und für sie den Namen Vertumnus tethidicola vor- schlägt, den er jedoch sogleich in einem Nachworte wieder einzieht als synonym mit der Ruporrur’schen ihm zu spät bekannt geworde- nen Bezeichnung. Orro beschreibt die vordere Oeffnung als Mund und gibt an, dass er in einen Magensack führe, dessen Inhalt durch Oeffnungen ins Parenchym gelangen könne. Eine zutreffendere Beschreibung der Gefässe, die von diesem 8. g. Magen aus sich in das Parenchym des Thieres vertheilen, gab im selben Jahre DELLE CHIAJE, welcher im ersten Bande seiner Memo- rie (Vol. I. 1823 p. 59, Taf. I Fig. 9— 15) die Phoenicuri als »Planaria ocellata« beschrieb, den Namen jedoch später (im III. Bande) fallen liess, nachdem er die Ruporrnursche Benennung kennen gelernt. Die Oeffnungen der BErGH’schen Schläuch ein den Stigmaten hielt DELLE Curaye (Ibid. Vol. II. p. 265) für Oeffnungen des Wassergefässsy- stemes. DELLE ÜHIAJE hält die Unterschiede, welche die vordersten und die hinteren Phoenicuri in der Form bieten, für den Ausdruck verschiedener Varietäten, die er sehr geneigt ist als selbständige Species zu trennen. Mehrere neue Arten von Tethys gründete 1825 ~Macri?) auf die Phoenieuri, indem er solehe Formen von Tethys, welche alle Phoenieuri verloren haben als eine Art (Th. eornigera), solche, die noch die zwei vordersten Phoenicuri besassen, als eine zweite Art (T. parthenopeia), und Thiere, die sich noch im Besitze sämmtlicher Phoenieuri befinden, als eine dritte Species (Th. poly- phylla) beschrieb und abbildete. ') A. W. Orro. Nov. Act. Nat. eur. vol. XI, P. 2, Bonn 1823 p. 294 bis 300. Taf. 41 Fig. 1. *) SAv. MAcrı in Atti della reale Acad. d. Scienze. Vol. LL, P. 2 Na poli 1825 p. 157—219 u. Tab. IV. Tethys. Kin Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 41 Der erste, welcher die Phoenicuri wiederum für Körperanhänge der Tethys erklärte, war VERANI, der 1840 auf der Naturforscher- Versammlung in Turin darüber eine Mittheilung machte, welche 1842 in Oxen’s Isis (p. 252) aufgenommen wurde. Gleichzeitig erschien eine ausführlichere Abhandlung von A. Kronn'), worin der Nachweis geführt wurde, dass die Phoenicuri nicht Schmarotzer, sondern äussere Organe der Tethys seien. Einen Fehler beging Kroun nur darin, dass er den s. g. Magen der Phoenicuri für ein Blutgefäss erklärte. Die wahre Natur dieses Gefässes, der Fort- setzung des Beren’schen Schlauches, ist erst durch die oben be- sprochene und bestätigte Entdeckung Ber@n’s erschlossen worden, wogegen der Nachweis, dass die s. g. Phoenieuri oder die Inter- branchialanhänge nicht Parasiten sind, wenigstens in der deutschen Literatur, längst in die Lehrbücher übergegangen ist, so dass es einigermassen befremden muss, dass der hervorragendste unter den jetzt lebenden französischen Zoologen, H. DE LAcAzE - DUTHIERS?), keine Kenntniss davon hat und den Irrthum von der parasitären Natur der Phoenieuri noch aufrecht erhält. Es ist das um so auf- fallender als schon J. F. Mecker?) den Bergn’schen Schlauch ge- sehen und von dem Centrum des Stigma gegen die Leber hin ver- folgt hat. Unverständlich bleibt freilich noch immer der Nutzen dieser Anhänge. Welche Bedeutung hat die ausserordentliche Leichtigkeit mit der sie sich vom lebenden Thiere ablösen? Dürfte es vielleicht in Anbetracht dieses Umstandes und ihrer so auffälligen Färbung gestattet sein, sie für Lockorgane zu halten, durch welche Fische u.a. Tethys zur Beute fallende Thiere angezogen würden. Es scheint mir schwer vom Standpuncte der natürlichen Zuchtwahl aus eine andere Erklärung zu finden, und an geschlechtliche Zuchtwahl ist natürlich bei Zwitterschnecken nicht zu denken. Hinsichtlich der - Lebens- weise von Tethys scheint mir die Beobachtung hier angeführt wer- den zu dürfen, dass ich Tethys im Golfe von Neapel nahe bei der Station aus einer Tiefe von 4—5 Faden in zahlreichen Exemplaren auf steinigem Boden gedredgt habe, aber nicht auf schlammigem. 1) A. Kronn. Archiv f. Anat. u. Phys. J. 1842 p. 418—423. 2) H. DE LacAzE-DurHiers. Archives de Zool. e. et. g. T. III. 1874. p. 30. aye tee Im el Te AD Hermann von Ihering Es wird also Tethys wie so viele andere pelagische Thiere des Ta- ges iiber sich am Boden des Meeres aufhalten. Die nahe Verwandtschaft der Meliben mit Tethys spricht sich auch darin aus, dass die Meliben dieselben leicht abfallenden Pa- pillen besitzen , wie Tethys, in welche gleichfalls Leberschläuche eintreten. Kehren wir nach diesem Exeurse zurück zu der weiteren Beschrei- bung der Leber, in deren Drüsenzellen, wie beiläufig bemerkt sein mag, ganz ähnliche Concremente wie in der Niere gebildet werden Das Endstück des Gallenganges erweitert sich vor seiner Mündung in den Magen in unregelmässiger durch die oben beschriebenen Schutzpapil- len bedingter Weise, und nimmt hier den Gallengang der linken Nebenleber auf. Der Ausführgang der rechten Nebenleber mündet an entsprechender Stelle selbständig in die Magenhöhle. Die Neben- leber ist eine vielfach verzweigte Drüse, von gelblichbrauner Farbe, deren Schläuche merkwürdiger Weise nicht in der Leibeshöhle lie- gen, sondern in die Körperwandung vorn und seitlich eingebettet sind. Dieses Verhalten ist darum von besonderem Interesse, weil es zeigt, dass bei diesen tiefstehenden Nudibranchien das Cölom noch nicht vollständig ausgebildet ist. Tethys ist ein halbparen- chymatöses, halb cölomatöses Thier, und die Mittelstellung, die Te- thys in dieser Hinsicht einnimmt, darf als eine der vielen Bestäti- gungen meiner weiter unten noch näher zu besprechenden Ansicht betrachtet werden, nach welcher die Phylogenie der »Opisthobran- chien« an Plattwürmer und speciell an Turbellarien ankniipft. Auf den Magen folgt ein blindsackförmig erweiterter Abschnitt, der Mitteldarm wie ich ihn aus morphologischen Gründen lieber denn als einen »zweiten Magen« bezeichnen will. An diesen kurzen, durch Einschnürungen nach beiden Seiten hin abgesetzten. Abschnitt schliesst sich der ebenfalls nur kurze, ziemlich weite Enddarm an. Der After liegt auf dem Rücken rechts, nach innen von der durch die Kiemen gebildeten Längslinie, neben und über der .dritten Kieme auf einer besonderen kleinen Papille. Nachdem wir somit die anatomische Beschreibung des Darm- tractus gegeben wird es nunmehr gestattet sein, eine Deutung der einzelnen Abschnitte zu versuchen und zu sehen wie weit sich die Homologieen mit den entsprechenden Organen der übrigen Nudi- branchien feststellen lassen. Es ergibt sich nun dabei, dass sich der Darmtractus von Tethys sehr leicht auf das von den Aeolidien her allgemein bekannte Schema zurückführen lässt. Dieses ist bekannt- Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 143 lich folgendermassen characterisirt. Aus der Mundmasse führt eine kurze weite Speiseröhre unmittelbar in den Magen, der sich nach hinten in einen spitz zulaufenden Blindsack auszieht, den man als den Hauptgallengang ansehen muss und aus welchem nach beiden Seiten hin die Gallengänge der einzelnen Leberlappen abtreten. Hinter dem vordersten Paare derselben entspringt von der oberen Wand des Magens oder wenn man will des erweiterten Anfangsstückes des Gallenganges, der kurze Darm. Jene beiden vor der Abgangs- stelle des Darmes gelegenen Gallengänge und die zu ihnen gehöri- gen Leberlappen, von denen also einer rechts und einer links vom Darme liegt, sind die Homologa der Nebenlebern von Tethys. Aus der Aeolidienleber leitet sich diejenige der übrigen Nudibranchien und der Heliceen in verschiedener Weise ab, wie ich an der Hand eines reichen vergleichend anatomischen Materials demnächst zeigen werde. Hier möge nur die Bemerkung noch Platz finden, dass die Hauptmasse der Leber immer aus dem hinteren Stamme hervorgeht, mit welchem bald nur die eine, bald beide Nebenlebern verschmol- zen sind, falls diese nicht, wie in vielen Fällen, sich als selbstän- dige Organe erhalten. Die Beziehung der Abgangsstelle des Dar- mes zu den Gallengängen ist eine so constante, dass sie einen wichtigen phylogenetischen Rückschluss nahe legt, der angesichts der zahlreichen anderen für die Abstammung der Nudibranchien von Plattwürmern sprechenden Gründe als kein zu gewagter erschei- nen kann. Es ist der, dass die wurmartigen Vorfahren der Nudi- branchien keinen After und keinen Enddarm besessen haben, dass dieser eine Neubildung der Mollusken ist, dessen Entstehung von der eben bezeichneten Stelle zwischen erstem und zweitem Paare der seitlichen Gallengänge ausging. Der After lag vermuthlich an- fangs dorsal, und ist erst im Laufe der Zeit an die rechte Körper- seite herabgetreten. Alle diese Stadien finden sich noch in der Anatomie der bis jetzt bekannten Nudibranchien vertreten. Ich be- merke dies ausdrücklich, weil alle jene Ableitungen nicht etwa von mir erdachte und angenommene sind, sondern die Ergebnisse ver- gleichend anatomischer Studien, welche eingehend darzulegen hier zu weit abführen würde. Mollusken ohne After kennt man bis jetzt noch nicht, es ist auch sehr viel weniger wahrscheinlich, dass man sie noch kennen lernen wird wie umgekehrt Dendrocoelen mit After. Denn auf Dendrocoelen weisen uns alle anatomischen Verhältnisse der nieder- sten Nudibranchien hin. Dass der Darmtractus dem nicht wider- spricht, bedarf kaum der Erwähnung, denn alle einzelnen Theile 41 Hermann von Ihering lassen sich in ungezwungenster Weise auf einander beziehen. Der Rüssel oder Pharynx wird zur Mundmasse, das Anfangsstück des Darmes zu Oesophagus und Magen, die Verzweigungen des Darmes zur Leber. Dass überhaupt gerade bei den Nudibranchien zwischen Darmanhang und Leber weder morphologisch noch functionell eine scharfe Grenze gezogen werden kann, hat der Streit über den Phle- benterismus sattsam gezeigt. Dieselbe Beschaffenheit der Leber wie bei Tethys findet sich bei den schon seit Cuvier in nahe Beziehung zu Tethys gebrachten Tritonien und Seyllaeen , sowie besonders auch den Dendronotiden. Bei ihnen allen ist die Leber nieht verästelt wie bei den Aeolidien, sondern eine compacte Masse, aus welcher nur einzelne sich viel- fach theilende Bergm'sche Schläuche entspringen. Ob letztere auch bei den Tritonien sich finden, ist noch näher zu untersuchen, sicher sind sie aber nachgewiesen bei Seyllaea, Lomanotus und Dentronotus. Namentlich letztere Gattung gleicht auch hinsichtlich der Leber Tethys sehr, indem in den Magen hinten der Hauptgallengang, vorn jederseits der Ausführgang der ganz selbständigen, verästelten Ne- benleber einmündet. 3. Der Geschlechtsapparat. Die grosse Zwitterdrüse bildet einen dieken Ueberzug über die rings von ihr umschlossene Leber. Ihre äussere, in mehr oder min- der quadratische Lappen getheilte Oberfläche wird von der baum- förmig verästelten Niere überzogen. Aus ihr entspringt ein gewun- dener Zwittergang, der sich dieht bei der Prostata in die beiden Leitungswege theilt. Der weibliche oder Uterus nimmt eine grosse Eiweissdrüse auf, die in ihn ihr Secret entleert, sowie weiter unten, nahe dem äusseren Orificium das kurzgestielte Receptaculum seminis. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt zusammen mit der männlichen in einer geräumigen Tasche, einer Grube der Haut, welche an der rechten Körperseite weit vorne, vor der ersten Kieme liegt und von einem Hautlappen überdeckt wird. Das Vas deferens beginnt unmittelbar vor der Prostata als ein sehr enger Canal. Die Prostata ist eine kugelige Drüse von tubu- lösem Baue. Sie besteht aus zahlreichen, grossentheils gabelig ge- spaltenen Drüsenschläuchen, welche sich alle jederseits in einen grossen Stamm sammeln, der in den hier etwas erweiterten männ- lichen Gang einmiindet. Das feinkörnige, hier dem Samen beige- Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 45 mengte Seeret der Prostata verleiht demselben eine gelbliche Farbe, so dass auch das Vas deferens nach dem Austritt aus der Prostata eine andere Farbe zeigt, wie vorher'). Das Vas deferens endet in dem steifen nach der Spitze hin sich bedeutend verjüngenden Penis, welcher aus dem Geschlechtsatrium oft weit hervorragt. Neben ihm befindet sich noch ein anderes, zum Penis in naher Beziehung stehen- des Organ, welches ich als »Penistasche« bezeichnen möchte, Bei der ersten grossen von mir darauf untersuchten Tethys zeigte dieselbe das in unserer Fig. 2 ps dargestellte Verhalten. Dieselbe bildete eine hohle Ausstülpung der Körperwandung, einen neben dem Penis aus dem Geschlechtsatrium frei hervorhängenden blindsack- artigen Schlauch, der an seinem äussersten freien Ende wie ein an der Spitze in sein Lumen eingestülpter Handschuhfinger eingezogen war. Die kurze, nach aussen offene, durch diese Einstülpung gebildete Tasche war mit Sperma gefüllt. Eines der später von mir unter- suchten Exemplare zeigte indessen ein ganz anderes Bild (Fig. 3). Hier war die in Fig. 2 nur auf die Spitze sich erstreckende Ein- stülpung eine völlige, so dass die Penisscheide einen nach aussen offenen und frei in der Leibeshöhle liegenden Sack bildete, eine Ein- stülpung der Haut nach innen. Dieselbe war ganz mit frischem Sperma erfüllt, welches aus dem Penis stammte, der, wie Fig. 3 es zeigt, gleichfalls in der Tasche lag. Wir haben es also in dieser Penisscheide zu thun mit einem Sack, in welchen der Penis sein Sperma entleeren kann, und diese Thatsache verdient um so mehr Beachtung als gerade bei Tethys die von mir als männliche Samen- blase in Anspruch genommene Vesieula seminalis, die wir sonst bei den Zwitterschnecken so verbreitet finden, fehlt. Ihre Stelle vertritt in functioneller Hinsicht die Penistasche. Die Wandung der Penis- tasche ist nicht driisig, sondern besteht aus einer Bindegewebsgrund- lage und einem nicht flimmernden Epithel. An demselben grossen geschlechtsreifen Thiere, an welchem das eben beschriebene Ver- halten der Penistasche beobachtet wurde, zeigte sich das Receptacu- lum seminis mit Sperma gefüllt. In dem Uterus fanden sich nur wenige Eier, dagegen, namentlich im oberen dem Zwitterdrüsengang genäherten Theil viel Sperma. Dasselbe ging nach oben hin eontinuir- lieh in die den Zwitterdrüsengang und das Vas deferens erfüllenden Samenmassen über. Es geht daraus hervor, dass wenigstens für Tethys 1) ef..Fig. 4. 46 Hermann von Ihering das bekannte Schema nicht richtig ist, nach welchem an der Stelle, wo der Zwifterdriisengang der Zwitterschnecken sich in die männ- lichen und weiblichen Leitungswege spaltet, auch eine Scheidung der beiden Geschlechtsproduete in der Weise eintreten solle, dass die Eier sich in den Uterus, die Spermatozoen aber in’s Vas deferens sich begeben. Da ich auch an Helix pomatia die gleiche Beobach- tung gemacht, so glaube ich, dass man um so eher diesen Modus für einen allen Zwitterschnecken gemeinsamen wird halten dürfen, als durch denselben wieder eine jener zahlreichen Schwierigkeiten beseitigt wird, welche noch immer einer klaren Erkenntniss der physiologischen Vorgänge des Geschlechtslebens der Zwitterschnecken entgegen stehen. Denn wenn es auch nicht allzuschwer verständ- lich ist, weshalb die Eier eher in den weiten Uterus als in das enge Vas deferens eintreten, so ist doch durchaus unklar, wie es kommen solle, dass die in enormer Masse den Zwitterdrüsengang verlassenden Spermatozoen nur in den Samenleiter, nicht auch in den Eileiter eintreten sollten. Diese allgemein verbreitete, aber nur erschlossene, nicht erwiesene und wie meine Beobachtungen zeigen auch nicht .erweisbare, Annahme ist eben eine falsche. An dem peripheren Ende des Zwitterdrüsenganges treten die grossen Eier- stockseier in den weiten Eileiter, die Spermatozoen theils ins Vas deferens theils auch in den Eileiter. Die in letzteren gelangten Samenfäden gehen zu Grunde, die in jenen eingetretenen werden durch die Beifügung des Prostatasecretes zu befruchtungsfähigem Sperma. Welcher Art die in dem einen wie im andren Falle mit dem Sperma vorgehenden Veränderungen sind, ist noch dureh ge- nauere, namentlich chemische Untersuchungen zu ermitteln. Man könnte daran denken, dass die von der Eiweissdrüse und den Wan- dungen des Uterus gelieferten Seerete zerstörend auf das frisch ge- bildete Sperma einwirken, und dieses erst durch Zufügung des Prostatasecretes dagegen resistent gemacht werde. Es wäre aber auch möglich, dass die im Zwitterdrüsengange noch total mangelnde, oder in kaum nachweisbaren Spuren vorhandene Beweglichkeit der Samenfäden erst durch das Prostatasecret, direct oder indirect (durch nachträgliche Einwirkung der Uterussäfte) hervorgerufen -wiirde. Damit löst sich in ungezwungener Weise das grosse Räthsel, durch welche Vorrichtungen bei den Zwitterschnecken die Selbstbefruch- tung verhindert werde. Bisher konnte eine Lösung nur durch die, wie wir gleich sehen werden, wenig plausibele Annahme erklärt werden, dass der Same eines Thieres auf die von ihm selbst er- Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 47 zeugten Eier nicht befruchtend einwirken könne. Dem widersprechen aber die in der Literatur verzeichneten Fälle!) von Fortpflanzung bei isolirt erzogenen Schnecken, die a priori um so weniger als unmög- lich bezeichnet werden dürfen, als bekanntlich auch Selbstbegattung beobachtet ist, und zwar in zuverlässigster Weise, nämlich von K. E. v. Baer?) an Limnaeus auricularis. Letztere Thatsache könnte von der anderen Seite nur als Onanie aufgefasst werden, wogegen meine Theorie nicht nur die Selbstbegattung sondern auch die Selbst- befruchtung in ungezwungenster Weise zu erklären vermag. Wird nämlich nach derselben der Samen der Zwitterschnecken erst durch die Zufügung des Prostatasecretes reif oder be- fruchtungsfähig, so kann auch die Möglichkeit der Selbstbe- fruchtung nach vorausgegangener Selbstbegattung nicht mehr ge- läugnet werden. Für meine Theorie spricht ausser diesen nur mit ihrer Hülfe erklärbaren Facten zur Genüge schon die blosse Existenz der Prostata und ihre allgemeine Verbreitung bei den Zwitter- schnecken, welche nicht gestattet diese Drüse als ein unnützes Organ anzusehen, vielmehr deutlich dafür spricht, dass erst durch den Zu- - satz ihres Secretes alle jene Bedingungen gegeben sind, ohne deren Erfüllung im natürlichen Verlauf der Dinge die Möglichkeit einer wirksamen Befruchtung nicht vorhanden ist. Ist meine Hypothese richtig, so darf eine Fortpflanzung von iso- lirt erzogenen und nicht von anderen Individuen begatteten Schnecken, vorausgesetzt natürlich, dass nicht etwa Parthenogenese im Spiele sei, nur bei solehen Gattungen sich nachweisen lassen, bei welchen 1) Von Oken an Limnaeus auricularis (Isis 1817 p. 320) und Rosin in Compt. rend. Soc. Biol. 1549 p. 89 und Compt. rend. 1851 p. 333. Die Beob- achtung OKEN’S ist wohl als ganz zuverlässig anzusehen, nicht so diejenige von Rosın. Dieser isolirte einen Jungen Limnaeus stagnalis »a coquille ineomplöte«, und erhielt drei Jahre hindurch je 6—10 Laiche mit befruchteten Eiern. An und für sich beweist dieser Versuch gar nichts, da wir wissen, dass die Begat- tung meist schon lange vor Beendigung des Schalenwachsthumes eintritt. Noch weniger ist natürlich mit dem zweiten Versuch bewiesen, wo ein Limax flavus Eier ablegte, der längere Zeit isolirt in Gefangenschaft gehalten wurde, und sich folglich nicht habe begatten können, denn es steht fest, dass zwischen Be- gattung und Eierablage bei den Heliceen in der Regel Wochen, jedoch auch mehrere Jahre liegen können. Der Versuch mit Lymnaeus würde jedoch in dem Falle entscheidend sein, wenn bei genauer Untersuchung sich erweisen würde, dass wie bei Helix der Same nur für ein Jahr oder riehtiger eine Saison des Geschlechtslebens verwendet wird. 2) MÜLLER’s Archiv 1835 p. 224. 48 Hermann von Ihering der Bau des Genitalapparates die anatomische Möglichkeit einer Selbst- begattung zulässt. Das ist nun in der That der Fall bei den Lym- naeen, den einzigen Zwitterschnecken, von welchen bisher Selbst- begattung und Selbstbefruchtung bekannt geworden, indem bei diesen nicht wie bei den Heliceen ein gemeinsames Geschlechtsatrium exi- stirt, sondern der Penis weit genug von der weiblichen Genitalöff- nung entfernt liegt, um eine Einführung desselben in die eigene Vagina zu gestatten. ; MECKEL sowohl wie Cuvier und DELLE ÜHIAJE betrachten die Zwitterdriise (die Bouapscu für den Hoden hielt) als das Ovarium, die Prostata aber als den Hoden. Den Zusammenhang der letzteren mit dem Zwitterdrüsengang — ihrem Oviduct — erkannten sie nicht. Cuvier und MEckeEL beschrieben die Penistasche, die sie auch ab- bilden. Eine recht gute Abbildung des Penis und der Penistasche (seines »Nebensackes«) hat Berean (l. e. Taf. 46 Fig. 15) gegeben. Die einzige Differenz, die hinsichtlich des Genitalapparates zwischen Tethys und der Mehrzahl der übrigen Nudibranchien besteht, ‚liegt in dem Mangel der Vesicula seminalis und der Existenz der Penistasche. 4. Die Niere. Die Niere von Tethys ist eine baumförmig verästelte Drüse, deren verzweigte Schläuche die Leber und die sie grossentheils um- gebende Zwitterdrüse umspinnen. Die äussere Oeffnung ihres Aus- führganges liegt etwas hinter dem After, auf der Papille, welche auf ihrer Spitze die Analöffnung trägt. Der Endabschnitt des Ausführ- ganges der Niere oder der Ureter ') ist ein ziemlich weites Rohr, dessen Wandungen zum Theil noch drüsiger Natur sind. Er spaltet sich nach kurzem Verlaufe in seine zwei Hauptäste, von denen der eine in die Tiefe hinabsteigt, der andere sich oberflächlich d. h. auf der dorsalen Partie der Eingeweidemasse verzweigt. Die Drüsen- schläuche?) , welche die Niere bilden, bestehen aus einer äusseren Structurlosen Membrana propria und einem Epithel von Drüsenzellen, deren Durchmesser 0,015 Mm. für die Zelle und 0,007 Mm. für den Kern beträgt. Die Mehrzahl der Zellen zeigt indessen nicht diese 1) ef. Fig. 1 x. » amet. Pig. 6. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 49 Proportionen, sondern durch die Bildung der Exeretionsbläschen er- heblich grössere. Diese Zellen!) messen dann 0,0286 Mm. und mehr. Die Vergrösserung, an welcher der Kern nicht Theil nimmt, kommt ausschliesslich auf Rechnung des Excretionsbläschens, das schliesslich fast die ganze Zelle erfüllt. Es enthält eine verschie- den grosse Anzahl von Harnconcrementen , deren Grösse meist 0,007 bis 0,009 Mm. beträgt. Flimmerung vermochte ich in der Niere nicht nachzuweisen. An den grösseren Aesten und Stämm- chen enthält die Wandung nach aussen vom Epithel noch zahlreiche Bindegewebs- und Muskelfasern. Auf dem Ureter sitzt etwa in der Mitte zwischen seiner Mün- dung und der Gabelung ein rundliches kleines drüsiges Organ an, das mit seinem anderen Ende am Pericardium festsitzt, der Pericar- dialtrichter?2) (Nierenspritze BeH.). wie ich ihn nennen werde. Bei genauerer Untersuchung ergibt sich, dass es hohl ist und einerseits mit dem Lumen des Ureter in weiter Communieation steht, anderer- seits durch eine kleinere runde Oeffnung mit der Pericardialhöhle zusammenhängt. Die letztgenannte Oeffnung liegt in einer Mem- bran, welche quer zur Axe des Pericardialtrichters steht, und sein Lumen von dem des Pericardium trennt. In dieser Membran liegen um die Oeffnung herum zahlreiche ringförmig angeordnete Muskel- fasern, die also einen Sphineter bilden, durch welchen die Commu- nication zwischen Niere und Pericardium nach Belieben aufgehoben werden kann. So erklärt es sich, dass es mir bei noch lebenden oder erst vor sehr kurzer Zeit gestorbenen Thieren nie gelang far- bige Flüssigkeit vom Ureter durch den- Pericardialtrichter ins Peri- cardium zu injieiren, was sofort an Thieren gerieth, die schon einige Zeit todt waren, und bei denen daher die Muskeln ganz erschlafft waren. Der die Oeffnung umgebende freie Rand trägt Flimmerepi- thel, was an das ähnliche, z. B. bei Phylliro@ bestehende Verhalten erinnert. Die Wandung des Trichters ist ziemlich diek und besteht grossen Theils aus denselben Drüsenschläuchen die auch die Niere zusammensetzen. Sie liegen an der innern dem Lumen zugekehrten Seite, und zwar so, dass die blinden Enden der Drüsenschläuche ge- gen die Sphinetermembran gerichtet sind. Nach unten gegen den Ureter hin treten je 10—12 Schläuche zu einem kurzen breiten Aus- fuhrgange zusammen, der an der Basis des Trichters in den Ureter 1) ef. Fig. 7. 2) ef. Fig. 1tr. Morpholog. Jahrbuch. 2. 2 50 Hermann von Ihering mündet. Ganz ähnlich habe ich auch bei vielen anderen Nudibran- chien den Bau des Pericardialtrichters gefunden. Durch den Ureter wird mithin nieht nur das Wasser eingeführt, durch welehes die festen Coneremente der Niere ausgespült werden, wobei wohl auch die Muskeizellen in den Wandungen der Nieren- gänge eine Rolle spielen mögen, sondern auch das Wasser, welches dem Blute zugeführt wird. Dies lehrt nieht blos der anatomische Befund, sondern auch die direete Beobachtung des lebenden Thieres. Besonders lehrreich ist in dieser Hinsicht eine von TRINCHESE!) ge- machte Beobachtung. Dieselbe bezieht sich auf sein gen. Ercolania, das er zu den Aeolidien stellt, das aber sicher nicht dahin, sondern zu den Hermaeen. also in die Nähe der Elysien, Cyercen, Lima- pontien u. s. w. zu stellen ist. Bei diesem jederseits mit 2 Reihen keulenförmiger Kiemen versehenen Thiere liegt neben dem in der Medianlinie gelegenen After eine Oeffnung, die in das von TRINCHESE als Hydrocardium bezeichnete Endstück der Niere führt. Diese Oeffnung, so berichtet TRINCHESE (l. e. p. 105), öffnet und schliesst sich von Zeit zu Zeit. Sobald sie sich öffnet, erweitert sich das Hydrocardium, sobald sie sich schliesst contrahirt sich dasselbe, und zur selben Zeit schwellen die Kiemen an. Dieses Factum weist auf eine directe (von TRINCHESE nicht gesehene) Communication zwi- schen dem Hydrocardium und dem Innern der Kiemen hin. Ich glaubte hier diese interessante Beobachtung anführen zu dürfen, weil sie geeignet ist Licht zu werfen auf die Bedeutung der Pericardialöff- nung der Niere, deren verbreitetes Vorkommen auch bei Pteropoden und Heteropoden namentlich.durch GEGENBAUR’s klassische Untersu- chungen bekannt geworden. Das eingeführte Wasser dient natürlich nicht nur zur Verdünnung des Blutes oder der Volumveränderung des Körpers, sondern wesentlich auch zur Respiration, die mithin nicht sowohl eine äussere, wie namentlich auch eine innere ist. Dieser Gesichtspunet dürfte wohl auch mit in Betracht zu ziehen sein, wenn es sich darum handelt die bei den übrigen Mollusken bestehenden Einrichtungen zur Wasseraufnahme in den Körper in ihrer physiolo- gischen Bedeutung richtig zu würdigen. Die Niere von Tethys ist lange übersehen worden. MECKEL sah nur den Pericardialtrichter, Cuvier beschrieb die äussere Oeff- nung und den Ureter. Auch DELLE CHıAJE kam in der ersten Auf- ') S. TRıncHEse. Annali del Museo eivico di storia nat. di Genova. pub. pP. Gs Dorr. Vol. 1872 p. 86-132. ‚PA 13. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastiopoden. 51 lage der Memorie nieht weiter. In der zweiten Auflage dagegen gibt er eine im Ganzen zutreffende Beschreibung derselben. Leider ist mir dieselbe in Göttingen nicht zugängig, doch glaube ich mich von Neapel her, wo sie in der Bibliothek der zool. Station sich fin- det, zu erinnern, dass DELLE CutAse dort den Pericardialtrichter beschreibt, ohne jedoch seine Bedeutung und seinen Zusammenhang mit Ureter und Pericardium richtig erkannt zu haben. Auch Ley- pig (Lehrbuch d. Histologie 1857 p. 475) hat das Verhältniss der Niere zur Leber nicht riehtig erkannt, indem er die Niere nicht als selbständiges Organ erkannte, sondern sie für die modifieirte Aussen- schicht der Leber hielt. Die verästelte Niere von Tethys steht der Niere der Plattwür- mer, dem sog. Wassergefässsysteme derselben noch sehr nahe. Sie unterscheidet sich nur durch den Besitz des Pericardialtrichters. Ob dieser allen Nudibranchien (auch Rhodope?) zukomme, und sich auf irgend welche Einriehtungen bei Turbellarien zurückführen lasse, oder ob er eine Neubildung der Mollusken darstelle, ist noch näher zu untersuchen. Es ist dies der einzige wichtige noch unklare Punct, den man meiner Ableitung der Nudibranchien von Turbellarien ent- gegen halten kann. 5. Ontogenie von Tethys. Bei dem Interesse das gerade Tethys hinsichtlich seiner syste- matischen Stellung darbietet, war es mir sehr angenehm in Neapel (im December) ihre Ontogenie kennen zu lernen. Ich fand dieselbe bis zur Ausbildung der Larve in genau derselben Weise vor sich gehen, wie bei den andern von mir daraufhin untersuchten Opistho- branchien. Die Furchung ist von Anfang an eine ungleichmässige, indem durch dieselbe das Ei zunächst in zwei ungleich grosse Fur- chungskugeln zerfällt, von denen die grössere dunklere sich sehr viel langsamer weiterhin theilt, die kleinere hellere aber durch fortgesetzte Theilungen bald eine grössere Anzahl kleiner blas- ser Zellen liefert, welche die grossen Kugeln umwachsen. Dieser Umwachsungsprocess ist meist schon beendet wenn die Zahl der innern aus der grossen dunklen ersten Furchungskugel hervorgegan- genen Zellen noch nicht mehr als 2—3 beträgt. Die weiteren Ver- änderungen betreffen zumeist die lebhaft sich vermehrenden Ectoderm- zellen, welche am vorderen Pole eine zum Velum werdende Anhäu- fung bilden , am hinteren die Entodermzellen einschliessenden Pole nach aussen eine sehr feine zuerst mehr häutige Larvenschale ab- 4* 52 Hermann von Ihering sondern. Unter und hinter dem Velum bilden sie an der ventralen Seite einen kleinen stumpfen Hicker, der zum Fusse wird, und dessen Zellen sehr kurze Wimpern tragen, indessen der Rand des Segels von langen Cilien eingesäumt wird. Die Gestalt des Velum erscheint von oben gesehen bisquitförmig indem der Mitteltheil schmäler als die Aussenpartien ist. Der eilienbesetzte Rand ist voll- kommen continuirlich. Es ist wohl zu beachten, dass der Mund auf der Fläche des Velum gelegen ist, was wenn ich recht gesehen auch schon bei der Larye der Fall ist. Die weiteren Entwicklungsstadien habe ich nieht ver- folgt; doch scheint mir durchaus kein Grund vorhanden, die schon von LovEN ausgesprochene Vermuthung für unwahrscheinlich zu hal- ten, wonach das Velum der Larve in das des erwachsenen Thieres übergehe. In diesem Falle wie in so vielen anderen muss ich ent- schieden für Loven eintreten gegen HuxLey, der in dem Velum der Larve den vorderen Theil des Epipodium sieht. Ein genaues Eingehen auf die Ansichten HuxtLey's würde hier viel zu weit führen. Ich kann aber an dieser Stelle nicht unterlassen, meine Verwunderung (darüber auszudrücken, dass die in jener Abhandlung!) entwickelten Ansichten über die morphologischen Verhältnisse des Molluskenkör- pers noch immer Geltung in der Wissenschaft haben. Ein strenges Examen derselben würde sie der Reihe nach sämmtlich als ganz unhaltbar erweisen, ebenso wie gegenwärtig wohl sogar der Verfas- ser selbst nicht mehr an die Existenz eines »Archetype of the cepha- lous Mollusca« glauben dürfte. Wird man nun auch zahlreiche der Irrthümer jener Abhandlung mit der damals noch viel zu geringen Unterlage embryologischer Beobachtungen als vorschnelle Verall- gemeinerungen entschuldigen können, so wird Huxtey doch den Vorwurf nicht zurückweisen können, sich an eine Arbeit gemacht: zu haben, zu der seine Kräfte um so weniger ausreichten, als er das damals vorhandene Material von Untersuchungen über die Körper- beschaffenheit und den inneren anatomischen Bau der Gastropoden durchaus nicht beherrschte, und daher selbst von denjenigen That- sachen, die sich in seinem Sinne verwerthen liessen, vielfach keine Kenntniss hatte (z. B. Epipodium bei Prosobranchien). Selbst jetzt ist noch kein einziges Organsystem bei den Mollusken derartig unter- sucht, dass man versuchen könnte die Homologieen festzustellen, sei ') Te. H. Huxtey. On the Morphology of the Cephalous Mollusca. Philos. Trans. Vol. 143. P. I. London 1853. p. 29—65 u. Pl. U—V. Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 53 es nun Fuss oder Mantel, Schale, Nervensystem oder was man sonst auch nehmen mag! Gewiss wäre es Unrecht, die genannte Abhandlung Hvuxtey’s mit demselben Massstabe zu messen, den wir heutigen Tages an vergleichend anatomische Arbeiten anlegen müssen. Allein durch meine Bemerkungen sollte auch nicht die historische Bedeutung jener Arbeit in Frage gezogen, sondern nur Verwahrung eingelegt werden, gegen die fernere Beibehaltung der Huxrey'schen Deutungen. Die kurze Darstellung der Ontogenie von Tethys, die wir hier gegeben, mag genügen, um zu zeigen, dass dieselbe sich ganz der, durch zahlreiche Untersuchungen bekannten Entwicklungsgeschichte der übrigen Opisthobranchien anschliesst. Der Umstand, dass schon bei so niedrig stehenden Opisthobranchien wie Tethys und Limapontia (wo sie von FR. MÜLLER untersucht ist) die Ontogenie bis zur Lar- venbildung genau in derselben typischen Weise abläuft wie bei den höchststehenden, macht es in hohem Grade wahrscheinlich, das ge- nau dieselbe Larvenform sich auch noch bei manchen marinen Tur- bellarien werde nachweisen lassen. 6. Die Phylogenie der Gastropoden. Schon oben wurde, anlässlich der Behandlung des Nerven- systemes darauf hingedeutet, dass die Stellung, welche man Tethys bisher im Systeme angewiesen, den anatomischen Differenzen nicht genügend Rechnung trage. Um die Bedeutung, welche ihr meinen Untersuchungen zufolge zukommt, richtig darstellen zu können, muss ich hier einiges von den allgemeinen Resultaten mittheilen, zu denen ich gelangt bin, wogegen ich hinsichtlich der Details auf mein Buch verweisen muss, durch welches überhaupt die bisherige, grossentheils auf Schale und Radula gebaute Systematik der Gastropoden sehr erhebliche Umänderungen erleidet. Eines der weitgreifendsten Er- gebnisse meiner keineswegs auf das Nervensystem beschränkten Untersuchungen über Molluskenanatomie ist die Auflösung des »Typus« der Mollusken dureh den Nachweis seiner po- Iyphyletischen Abstammung. Es ist in der That angesichts des Materiales, das ich vorlegen werde, durchaus unstatthaft noch ferner von einem »Typus« der Mollusken zu reden, selbst wenn man denselben, wie das gegenwärtig wohl keiner Begründung mehr be- darf, beschränkt auf die Lamellibranchien, Gastropoden und Cepha- lopoden , oder wie ich lieber sagen möchte die Acephala und die 54 Hermann von Ihering Cephalata. Letzteren Namen möchte ich, bis zur Aufstellung eines: auf die Verwandtschaftsverhältnisse begründeten natürlichen Systemes, vorschlagen als interimistische Bezeichnung für die durch die Verbin- dung der Cephalopoden mit den Gastropoden entstandene Klasse der »Mollusken«. Eine solche Verbindung erweist sich angesichts der nahen Verwandtschaft der Cephalopoden mit den gymnosomen Pteropoden als- eine Nothwendigkeit.- Indem ich nun hier auf die Acephalen nicht einge- hen und von den Ordnungen der Cephalaten die Scaphopoden, Hetero- poden, Pteropoden und Cephalopoden gleichfalls nicht mit in die Betrach— tung ziehe, werde ich hier mich auf die eigentlichen Gastropoden s. str. oder Platypoden (R. Lyuckart) beschränken, d. h. auf die von den Pro- sobranchien, Opisthobranchien und Pulmonaten gebildete Unterklasse. Ich will an dieser Stelle nieht darauf eingehen, zu zeigen wie diese, namentlich aber die beiden letzten Ordnungen durchaus unnatürliche und unhaltbare Gruppen sind, sondern hier nur das hervorheben, dass auf diese Weise ganz heterogene Elemente mit einander ver- bunden werden, nämlich die Prosobranchien einerseits, die Opistho- branchien und Pulmonaten andrerseits. Von diesen gehören die letz- teren beiden Ordnungen so eng zusammen, dass die Grenze zwischen beiden nur in ganz künstlicher Weise gezogen werden kann. Der Nachweis der durch die opisthobranchen Peronien und Veronicellen gehenden Abstammung der stylommatophoren Pulmonaten von den »Opisthobranchien«, wobei das Endstück des Ureter zur Lunge wird, bildet von den vielen phylogenetischen Reihen, die ich durch meine: Untersuchungen gefunden habe, eine der vollständigsten. Andrer- seits nun bilden die Prosobranchien eine durchaus nicht mit jenen verwandte Gruppe. Die Aehnlichkeiten, welche zwischen ihnen und. den übrigen Gastropoden bestehen, sind nur durch die Anpassung an gleiche Lebensverhältnisse bedingt, aber nicht durch verwandtschaft- liche Beziehungen. Die Verwandtschaft zwischen einer Helix und einer Helieina ist, wenn meine Untersuchungen und Folgerungen richtig sind, keine nähere als etwa die zwischen einer Fliege und einem Blutegel. Ich habe nämlich gefunden, dass der Ursprung der Prosobranchien auf Gliederwürmer, derjenige der Opisthobranchien auf Plattwürmer zurückgeht. Am we- nigsten dürfte wohl die letztere Behauptung auf Widerstand stossen, da die Aehnlichkeit der niedrigsten Nudibranchien mit Turbellarien schon viele Zoologen frappirt hat, und zwar Zootomen sowohl wie Systematiker. Lebhaften Widerspruch dagegen mag wohl meine: Darlegung der Phylogenie der Prosobranchien finden. Meine Unter- Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 55 suchungen über diese arg vernachlissigte Abtheilung der Mollusken haben mich dahin geführt, als die tiefststehenden Prosobranchien die Rhipidoglossen oder Seutibranchien und speciell Fissobranchiaten (Haliotis, Fissurella) zu erkennen, sowie endlich die mit diesen eng zusammenhängenden Chitoniden. Das Nervensystem der letzteren nun, das bisher sehr ungenau bekannt war, hat zu sehr unerwarte- ten Ergebnissen geführt. Ich habe nämlich zwischen den beiden langen innern Fussnervenstämmen von Chiton cinereus Quercommis- suren gefunden, und dieselben wiedergefunden bei Fissurella und Haliotis, bei welch letzterer sie schon LACAZE -DUTHIERS gesehen hat. Darauf allein ist jedoch nicht im Mindesten die Aehnlichkeit. des Nervensystemes von Chiton mit dem der Gliederwürmer, nament- lich der Oligochaeten, beschränkt, sie spricht sich namentlich auch unverkennbar aus im Verhalten der Schlundeommissur, doch würde es zu weit abführen hier näher darauf einzugehen. Gerade bei Chiton wird ein solches Verhalten nicht so sehr überraschen, wenn schon es sehr die Frage sein muss, wie weit den Ideen, die sich schon so manche Zoologen über die systematische Stellung von Chiton ge- macht, eine gewisse Berechtigung zuerkannt werden darf, da ich nämlich die Zahl der Quercommissuren der Bauchkette grösser finde, ‘wie die der äusseren Segmente, und überhaupt wohl die Rücken platten nur als eine späterworbene und nicht characteristische Neu- bildung der Chitoniden betrachtet werden dürfen. Unter diesen Umständen gewinnt die merkwürdige und bisher nicht verwerthbare Thatsache, dass die Ontogenie von Chiton sich derjenigen der Anneliden anschliesst, ein ganz besonderes Interesse. Ich bin gern bereit diese Thatsache als eine wichtige Stütze meiner phylogenetischen Ableitungen anzuerkennen, so gering ich im Allgemeinen auch die Be- deutung der Ontogenie für die Auffindung der Phylogenie anschlagen muss, denn die einzige sichere Grundlage für die Ermittlung der Phylo- genie bildet die vergleichende Anatomie, wogegen der Ontogenie nur die Rolle eines zwar werthvollen aber doch untergeordneten Hiilfs- mittels zukommt. Die wichtigste Aufgabe der modernen auf dem Boden der Descendenzlehre stehenden Zoologie, soweit überall die Ermittelung der Verwandtschaftsverhältnisse der Thiere ihr Ziel ist, scheint mir die Feststellung der Homologieen zu sein. Diese erge- ben sich aber mit Sicherheit nur auf dem Wege der vergleichenden Anatomie, nicht oder nur selten aber auf dem der Ontogenie. Wir hören nicht auf, Organe, welche die vergleichende Anatomie als homologe erweist auch fernerhin als solche zu betrachten, wenn 56 Hermann von Ihering wir erfahren, dass sie auf verschiedene Weise entstehen, wenn mit andren Worten die Ontogenie sie als heterogenetische Organe erweist. Es würde zu den grössten Absurditäten führen, auch die bestbegriin- deten Lehren der vergleichenden Anatomie auf den Kopf stellen heissen, wollte man die Abstammung aus dem gleichen Keimblatte zum bedingenden Kriterium der Homologie machen, resp. Organe nicht mehr für homologe erklären, sobald sich zeigt, dass sie ver- schiedenen Keimblättern entstammen. Ein und dasselbe Organ kann bei verwandten Thieren auf verschiedene Weise ontogenetisch ent- stehen; daher sind die entscheidenden Kriterien der Homologieen der Anatomie, im weiteren Sinne des Wortes, zu entlehnen, aber nicht der Ontogenie und nicht der Physiologie. Durch diese Anschauungen stehe ich in lebhaftestem Wider- spruch mit der herrschenden wissenschaftlichen Strömung, nament- lich aber mit der Partei, welehe im Allgemeinen den Fortschritt ver- tritt. Glaubt doch diese Partei, HAECKEL an ihrer Spitze, die Phy- logenie vor Allem durch die Ontogenie erschliessen zu können, ent- sprechend dem s. g. biogenetischen Grundgesetze, dessen Bedeutung, wie mir däucht, bedeutend überschätzt wird. Denn der grossen Zahl der Bestätigungen steht die nicht minder umfangreiche derjeni- gen Beobachtungen gegenüber, die sich dem Schema nicht fügen. Sieht man näher zu, wie die Verwerthung dieses »Gesetzes« für die Ermittelung der Phylogenie praktisch sich gestaltet, so findet man, dass überhaupt nur diejenigen Beobachtungen berücksichtigt werden, die als Stütze für irgend welche vorgefasste Meinung sich benutzen lassen. Die vielen Beobachtungen aber, welche sich nicht für die Phylogenie verwenden lassen, werden entweder nicht weiter berück- sichtigt, oder durch die Annahme einer »Fälschung der Ontogenie« zu erklären versucht. Gewiss kann man schon a priori den so ge- wonnenen Resultaten nur einen relativ geringen Werth beimessen, zumal es auch durchaus unwahrscheinlich ist, dass von jenen für phylogenetische Constructionen verwertheten Thatsachen auch wirklich alle ihre wahre Erklärung durch das biogenetische Grundgesetz finden. Ausdrücklichst lege ich gegen den Vorwurf Verwahrung ein, dass ich die Bedeutung der Ontogenie für die Construction der Stammbäume nicht zu würdigen wisse, wenn schon ich gestehen muss, dass ich dieselbe weniger in der Keimblätterabstammung, als in den über dieser leider neuerdings gar zu sehr vernachlässigten speciellen Organogenieen sehen kann. Gewiss ist es kein bedeutungs- loser Zufall, wenn gerade bei denjenigen Gastropoden, welche ana- —1 Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. 5 tomisch den Gliederwürmern am nächsten stehen, auch die Ontogenie auf dieselben hinweist, oder wenn sich bei den Heliceen noch ein offenbar von den marinen Vorfahren her vererbtes rudimentäres Ve- lum findet. Allein ohne die Basis der durch die vergleichende Anato- mie gewonnenen Anschauungen würde ich eine solche Verwendung nicht wagen. Gerade die Ontogenie zeigt besonders deutlich, wie leicht die gleichen äusseren Lebensbedingungen auch dieselben Organisations- verhältnisse erzielen. Zahlreiche Larven von Prosobranchien') glei- chen denen von Opisthobranchien so auffallend, dass auch der erfah- renste Embryologe dem anatomischen Baue derselben keine Gründe würde entnehmen können, welche zur Zutheilung der betr. Larven zu der einen oder der andren von den beiden doch so vollkommen verschiedenen Abtheilungen zwängen. Welch ein grober Irrthum würde hier die Anwendung des biogenetischen Grundgesetzes sein! Dieselbe Uebereinstimmung der Ontogenie bis zum Ausschlüpfen der mit Velum, Nautilusschale und Operculum versehenen Larven ver- hindert andrerseits bei den Opisthobranchien selbst jede Verwendung der Ontogenie für die Auffindung phylogenetischer Reihen. Habe ich mich doch selbst in Neapel davon überzeugen können, dass die Entwicklungsgeschichten und speciell die Larven von Tethys, Aply- sia und den Aeolidien und Doriden einander so ähnlich sind, dass die Unterscheidung nur durch die Gestalt des Laiches ermöglicht wird, und diese Beobachtungsreihe kann leicht durch die Literatur- benutzung ausserordentlich erweitert werden. Und doch wie weit von einander entfernt sind die genannten Gattungen! Wären wir in diesem Gebiete der Zoologie auf die Ontogenie angewiesen, wir dürften getrost darauf verzichten je zuverlässige Angaben über die Phylogenie der betreffenden Schnecken zu erlangen. Der weitere Begriff, der zuverlässigere und sicher führende Weg für die Auffin- dung der phylogenetischen Reihen ist eben die vergleichende Anato- mie, während die Ontogenie nur eines der mancherlei Hülfsgebiete ist, das aber mit grosser Vorsicht benutzt werden muss, indem es häufig irre führt, oft aber auch ganz im Stiche lässt. Ich glaubte diese allgemeinen Betrachtungen schon hier kurz darlegen zu müssen, weil sie die Grundlage bilden für meine phylogenetischen Construc- tionen. Der Gegensatz, in den ich damit zu den herrschenden An- schauungen trete, mag wohl seinen Grund vor Allem in der ver- !) Unter den von mir selbst untersuchten z. B. diejenigen von Janthina. 53 Hermann von Ihering schiedenen Art der Behandlung des Stoffes haben. Sind doch meine phylogenetischen Reihen die Frucht anhaltender mühsamer Detail- untersuchungen, deren auf inductivem Wege gewonnene Ergebnisse sich nur langsam Stück um Stück zu dem Mosaikbilde zusammen- fügten, das jetzt vor mir steht, und wenn auch noch nicht ohne grosse Lücken, doch sehr viel mehr ist als ein blosser Anfang. Meine Angaben über die Abstammung der Prosobranchien stützen sich vor Allem auf den Nachweis der Zugehörigkeit von Chiton zu Fissurella, Haliotis u. s. w., wodurch also die bisherigen nur nicht hinreichend begründeten Annahmen bestätigt werden. Das so zu- sammengesetzte Phylum hat mit den übrigen Gruppen der Mollusken durchaus keine direeten Beziehungen, soweit ich wenigstens bis jetzt er- messen kann. Es ergibt sich dadurch die Nothwendigkeit, dasselbe von den übrigen Mollusca cephalata abzutrennen und mit einem besondern Namen zu versehen. Der Name »Prosobranchia«, der vollkommen unser Phylum decken würde, passt deshalb durchaus nicht, weil nicht nur die Mehrzahl der Pulmonaten, sondern auch zahlreiche »Opisthobranchien«, wie ich gefunden, in Wahrheit prosobranch sind. Die Begriffe der Proso- und Opisthobranchie sind auf viel zu schwacher Unterlage von Beobachtungen errichtet. Sie bestätigen die Erfahrung, die ich selbst so häufig machen muss, dass nämlich ein natürliches System nur in wenigen Fällen aufeinzelne anatomische Charactere hin begründet werden kann. Das Characteristische für die einzelnen Abtheilungen ist der gemeinsame phylogenetische Ursprung. Nur selten finden sich ana- tomische Merkmale, welche so unverändert durch die ganze Reihe hindurch erhalten sind, dass sie ebensowohl noch für das Endglied derselben wie für das erste characteristisch erscheinen. Will man daher nicht einen Namen wählen, der nur für einen Theil der be- treffenden Abtheilung zutreffend ist, so wird man wohl am besten thun die Namen, soweit es geht, der Phylogenie zu entlehnen. Letzteres thue ich, indem ich vorschlage, das von den Chitoniden ausge- hende, diebisherigen»Prosobranchien«enthaltendePhy- lum zurErinnerungandenUrsprungdesselben von Glie- derwürmern mit dem Namen der Arthrocochliden (Arthro- cochlides) zu belegen, dagegen für jenes andere von den bisherigen »Opisthobranchien« und speciell den Nudibranchien ausge- hende Phylum aus Rücksicht auf seinen Ursprung von Plattwürmern den Namen der Platycochliden (Platycochli- des) in Anwendung zu bringen. Nach dem eben Bemerkten bedarf es kaum noch der besonderen ov ie) Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. Versicherung, dass ich alle die iiber die Phylogenie der Pulmonaten anlässlich des Nervensystemes von Helix früher von mir ausgespro- chenen Vermuthungen, jetzt für verfehlt erklären muss. Natürlich vermag ich daher auch den früher von mir getheilten Ansichten GEGENBAUR’s über die Phylogenie der Mollusken nicht mehr beizu- pflichten, da gerade diejenigen Gastropoden, für welche er nament- lich aus der Pericardialöffnung der Niere ein Argument für ihren Ursprung von Gliederwürmern entnehmen zu dürfen glaubte, von Plattwürmern abstammen. Kehren wir nunmehr zu unserer Tethys zurück! Schon oben wurde bemerkt, dass eine Vereinigung von Tethys mit den Tritonien, Seyllaeen und Dendronotiden schon wegen der Verschiedenheiten im Baue des. Centralnervensystemes nicht angehe. Diese Differenzen sind so entscheidende, dass ich darauf hin Tethys und die übrigen Platyeochliden mit einfacher Protoganglienmasse und einfacher Pro- tocommissur als eine erste grosse Unterabtheilung allen übrigen dahin gehörigen Schnecken entgegen stellen werde. Selbstverstiind- lich ist dabei nicht gemeint, dass die beiden Abtheilungen durchaus den natürlichen Verwandtschaftsverhältnissen entsprechen, denn die Tethys noch nahestehenden Formen der Nudibranchien sind natürlich dieser viel näher verwandt, wie etwa den Bulliden oder den Heli- ceen. Allein eine solche mehr oder minder künstliche Trennung kann kein System vermeiden. Nur der Stammbaum als Ausdruck der phylogenetischen Reihen ist davor gesichert. Uebrigens sind doch die im Nervensysteme sich aussprechenden Unterschiede nicht die einzigen, welche eine Scheidung der Tethydiden von den Tritonien und Dendronotiden erheischen. Ein weiterer durchgreifender Unter- schied liegt nämlich in dem Mangel von Radula und Kiefern bei Tethys, bei der es überhaupt noch nicht zur Ausbildung einer ech- ten Mundmasse gekommen ist. Mit Tethys wird man die Meliben in eine Familie vereinen müssen, obwohl sich die etwas höhere Stellung der letzteren auch im Besitz der Kiefer ausspricht, welche im Wesentlichen denen der Aeolidien gleichen. Nicht zu den Me- liben gehörig ist indessen Doto, für welche Gattung BrerGu die frü- her übersehenen Radula-Seitenplatten und Kiefer nachgewiesen. Eine zweite Familie der niederststehenden Platyeochliden werden die Rhodopidae bilden müssen. Schon oben wurde die Aehnlichkeit hervorgehoben, die hinsichtlich des Nervensystemes zwischen Tethys und Rhodope besteht. Von dieser Seite wird man daher wohl schwerlich gegen die Molluskennatur von Rhodope opponiren können, 60 Hermann von Ihering, Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. zumal auch Lage und Bau der Sinnesorgane ganz damit überein- stimmen. Auch der Darmtractus, der noch der Mundmasse und deren Bewaffnung entbehrt, spricht fiir die Molluskennatur des Thie- res, und speciell für die Annäherung an Tethys, während der Bau der Leber eher auf Doris hinweist. Auch der Geschlechtsapparat gleicht durchaus dem der Nudibranchien. So blieben von den gegen die Molluskennatur des Thieres sprechenden Momenten nur der an- gebliche Mangel von Niere und Gefässsystem übrig. Von beiden ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass sie nur übersehen sind. Am leichtesten wird man sich das von der Niere vorstellen können, die vermuthlich wohl ebenso wie diejenige von Tethys baumförmig verästelt sein wird. Ist doch auch die Niere des letzteren über einen halben Fuss langen Thieres so lange Zeit und von den hervorragend- sten Zootomen übersehen worden. Und auch die Vermuthung, dass das Gefässsystem wohl übersehen sein möchte, verliert sehr an Un- wahrscheinlichkeit, wenn man die Zeit berücksichtigt, in der jene Arbeit KOLLIKER’s entstand. Es war das die Zeit, wo die Angaben von QUATREFAGES über den Mangel des Gefässsystems bei den Aeo- lidien oder den Phlebenteraten noch nicht widerlegt waren, so dass KöLuıker das Fehlen des Herzens bei Rhodope durchaus nicht überraschte. Dass aber bei Rhodope sich dasselbe bei erneuter Untersuchung ebenso noch finden werde, wie es sich bei den Aeolidien gefunden hat, scheint mir nicht eben unwahrscheinlich, zumal KöL- LIKER auch den von ihm untersuchten Aeolidien das Gefässsystem abgesprochen hat. Damit wäre meine Aufgabe, soweit sie sich auf die Stellung bezieht, die Tethys im Systeme einnimmt, beendet. Ihre Beziehung zu den Turbellarien werde ich erst in meinem Buche anlässlich der Phylogenie der Platycochliden eingehend behandeln. Göttingen, Ende October 1857. Erklirung der Abbildungen. Tafel II, Fig. 1. Der Darmtractus, von unten gesehen. M = Mundmasse. V = Magen. V’ = Mitteldarm. V" = Enddarm. an = After. sp = Speicheldrüse. L = Leber. B = Bergu'scher Schlauch. N! = linke Nebenleber. Nv’ = rechte Nebenleber. u = Ureter. u’ = dessen äussere Oeffnung. tr = Pericardialtrichter. pe = Pericardium. Fig. 2. Der Geschlechtsapparat. zw = Zwitterdrüse, die Leber Z umgebend. zwg = Zwitterdrüsengang. pr = Prostata. vd = Vas deferens. p = Penis. ps = Penissack. ov = Eileiter. E = Eiweissdrüse. RS = Receptaculum seminis. Dieselben Bezeichnungen gelten für die beiden folgenden Figuren. Fig. 3. Der Penis, welcher in dem Penissacke liegt. Fig. 4. Querschnitt durch die Prostata. Fig. 5. Die Otoeyste mit zahlreichen Otoconien und zutretendem Hörnerv. 150fache Vergrösserung. Fig. 6. Ein Stück der baumförmig verästelten Niere, schwach vergrössert. Fig. 7. Exeretionszellen der Niere, bei 250maliger Vergrösserung. a, Zelle mit Kern und, Concremente enthaltendem, Excretionsbliischen. b, Epithelzelle, noch ohne Exeretionsbläschen. 62 Hermann von Ihering, Tethys. Ein Beitrag zur Phylogenie der Gastropoden. Erklärung der in den Text gedruckten (p. 29, 31, 32) Holz- schnitte Fig. I—III. In allen drei Figuren ist bu = Bucealganglien. ce = cerebrale Portion, vi = viseerale Portion, pe = pedale Portion des Pr = Protoganglion. P co = Protocommissur. (Fig. I.) Sie ist in Fig II u. III zerfallen in folgende 3 Commissuren: Co. pe = Comm. pedalis. Co. subce. = Comm. subcerebralis. Co. vi = Comm. visceralis. n g = Genitalnerv, der erste aus dem rechten Protovisceralganglion (vi) entspringt (Fig. IL) späterhin von der Visceralcommissur (Fig. III), wobei an der Stelle seines Abganges von der Commissur eine Ganglienzelle liegt. In Fig. III ist: Co. ce. pe + Co. vi. pe die dicke kurze Commissur, welche das Pedal- ganglion mit dem Rest des Protoganglion (ce + vi) verbindet. Es ist ihre Spaltung schon sichtbar, .durch die sie in 2 Commissuren zerfällt, nämlich: . Co. ce. pe = Commissura cerebro-pedalis und Co. vi. pe = Commissura viscero-pedalis. Fig. I stellt die einfache noch ungegliederte Protoganglienmasse mit der Protocommissur dar. (Verhalten bei Tethys.) Fig. II stellt die schon gegliederte Protoganglienmasse dar. Jedes Pro- toganglion besteht aus den drei durch seichte Furchen von einander getrennten Portionen ce, vi und pe. Die 3 Schlundeommissuren liegen noch in einer ge- meinsamen Hülle. (Verhalten bei vielen Doriden.) Fig. Ill. Das Pedalganglion ist schon deutlich gegen das Cerebrovisceral- ganglion abgesetzt, und mit ihm durch eine kurze breite Commissur verbunden. Letztere ist bei den Aeolidien meist nicht so deutlich wie bei den Tritonien, von denen diese Zeichnung entnommen ist. Die Comm. ®. ist von den andern beiden abgetrennt. Auch die Trennung zwischen cerebraler und visceraler Portion des Cerebrovisceralganglion ist schon angedeutet. (Verhalten der Aeolidien u. a.) Lith Aust Bach, isipaig Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen, Von Richard Hertwig. Mit Tafel II. Die Mannigfaltigkeit der Bildungen, welche bei den niederen Orga- nismen mit dem gemeinsamen Namen »Nucleus« bezeichnet werden, hat es schon manchem Forscher zweifelhaft erscheinen lassen, ob hier in der That äquivalente Formelemente vorlägen, oder nicht vielmehr Zelltheile von ganz verschiedenem morphologischen Werth. Hin und wieder ist es sogar versucht worden, den Nuclei einzelner Protisten- klassen (z. B. der Infusorien und Heliozoen) eine specifische, für die jedesmalige Klasse eigenthümliche funetionelle und morphologi- sche Bedeutung beizumessen und hierdurch ihre Vergleichbarkeit mit den gleichnamigen Bestandtheilen der thierischen und pflanzlichen Zellen in Abrede zu stellen. Dies veranlasste mich, bei der Unter- suchung der verschiedensten Protistenklassen, welche mich während der letzten Jahre beschäftigte, auf die gemeinsamen Eigenschaften der verschiedenen Nucleusformen zu achten, um durch Combination derselben zur Construction einer primitiven Kernform zu gelangen, aus welcher sich die übrigen durch secundiire Veränderungen ablei- ten liessen. Auf dem Wege der Vergleichung gelangte ich so zu einer einheitlichen Auffassung vom Baue des Kerns, welcher sich, wie es mir scheint, alle Kernformen des Protisten- Thier- und Pflanzenreichs zwanglos unterordnen lassen. Die zahlreichen in der Neuzeit erschienenen Untersuchungen 64 Richard Hertwig über den Zellkern, welche uns wichtige Einblicke in seine Function gewinnen lassen, haben nur dazu beigetragen, mich in meinen An- schauungen zu bestärken. Vor Allem waren mir hierbei die Beob- achtungen meines Bruders über die Bildung, Befruchtung und Thei- lung des Seeigelei’s!) von Bedeutung, um so mehr als mir durch dieselben Gelegenheit wurde, aus eigener Anschauung mit wichtigen Lebensvorgängen und Veränderungen bekannt zu werden, welche die Ungunst der Beobachtungsverhältnisse bei niederen Organismen unmöglich macht oder doch sehr erschwert. Ich hatte daher auch in Absicht, eine Darstellung meiner Ansicht in einem kurzen Nach- trag der inzwischen zum Druck gelangten Arbeit meines Bruders anzuschliessen; da indessen äussere Verhältnisse den Druck dersel- ben beschleunigten, musste ich die beabsichtigte Mittheilung auf später verschieben. — Wohl in wenigen Fragen der Histologie gehen die Urtheile so weit aus einander als bei der Besprechung der Zellkerne: ihres Baus, ihrer functionellen Bedeutung, der Wichtigkeit ihrer einzelnen Bestandtheile; nirgends sind wir wohl von einer einheitlichen Auf- fassung weiter entfernt als gerade hier. Wenn wir zunächst auf die Ansichten näher eingehen, welche die verschiedenen Histologen be- züglich des Baus des Zellkerns geäussert haben, so werden wir mit den widersprechendsten Anschauungsweisen bekannt. KÖLLIKER?) und AUERBACH?) nehmen an, dass alle Kerne ausnahmslos — wenn wir zunächst einmal von etwa vorhandenen Kernkörperchen ab- sehen, — einen flüssigen Inhalt besitzen, den » Kernsaft«, wobei sie jedoch zugeben, dass derselbe öfters eine mehr zähflüssige Beschaf- fenheit annehme. KÖLLIKER lässt diesen flüssigen Inhalt stets von 1) Morph. Jahrb. Bd. I pag. 347. 2) Nach KÖLLIKER »sind alle Kerne Bläschen« und »besteht der Kernsaft wahrscheinlich aus einem eiweissreichen ziiherfliissigen Stoff, welcher in gewis- sen Fallen wie in den Kernen reifer Eier in eine mehr wiissrige Fliissigkeit sich umbildet«. Handbuch der Gewebelehre. 5te Aufl. pag. 18. 3) AUERBACH (Organologische Studien Heft II pag. 238) hält es für erwie- sen »dass der Kern nicht blos auf der Höhe seiner Entwicklung ein wirklich wohl characterisirtes Bläschen, sondern dass der flüssige Bestandtheil dieses Bläschens sogar das Primäre an ihm ist, dass der Zellkern ursprünglich nichts Anderes ist als eine Art Vacuole, d. h. eine mit Flüssigkeit erfüllte Höhle im Protoplasma, genauer ein Tropfen eines vom Protoplasma verschiedenen klaren Fluidums, welches ohne besondere Umhiillung eine entsprechende Höhle im Pro- toplasma ausfüllt«. Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 65 einer besonderen Membran umgeben sein und bezeichnet daher alle Kerne als Bläschen ; dagegen hält Ausrpacn die Membran nicht für nothwendig zur Bildung eines Kerns, ohne jedoch die Anwesenheit derselben bei zahlreichen Kernformen in Abrede zu stellen. Die Kerne der Furchungszellen des Nematodeneies und zahlreicher anderer Zellen sind für ihn nichts als wandungslose, von einer eiweisshal- tigen Flüssigkeit erfüllte Hohlräume d. h. Vacuolen, welche vom Protoplasma der Zelle unmittelbar umschlossen werden. . Dem gegenüber unterscheidet die Mehrzahl der Forscher zweier- lei verschiedene Kernformen: 1) solide oder »massive« Kerne, welche »aus einer gleichmässigen Substanz von grösserer oder doch minde- stens gleicher Dichtigkeit wie das umgebende Protoplasma bestehen« (Levis), 2) bläschenförmige Kerne, bei denen eine festere Rinde einen flüssigen Inhalt umschliesst. Im flüssigen Inhalt können sich dann noch weiterhin festere Bestandtheile, die Nucleoli, finden, doch gehören dieselben nicht zu den constanten Kernbestandtheilen. Die Kerne der Furchungszellen, welche AUERBACH für Vacuolen hält, würden nach dieser Ansicht als »massive Kerne« angesehen werden müssen. In welehem genetischen Verhältniss die beiden Kernformen zu einander stehen , lassen die meisten Beobachter unentschieden ; sie begnügen sich, beide als thatsächlich vorhandene Befunde nebenein- ander zu stellen: so LEYDIG, GEGENBAUR, HAECKEL u. A. Unter den übrigen wählt Frey das bläschenförmige Stadium, STRICKER die solide Kernform zum Ausgangspunct der Betrachtung. Nach Frey!) kann der urspünglich bläschenförmige Nucleus, welcher typischer Weise eine deutliche Membran und einen Nucleolus besitzt » seine ursprüngliche bläschenförmige Beschaffenheit gegen einen festeren In- halt vertauschen« während STRICKER es für erwiesen hält, dass »der Kern im jugendlichen Zustand aus einem Kliimpchen (solider) Sub- stanz besteht, dass dieser Kern im Alter in ein Bläschen umgewan- delt werden kann« (als Beispiel das unbefruchtete Ei)2). Die letztere Auffassung vertritt unter den Botanikern Sachs?) / in seinem Lehrbuch der Botanik und in ganz besonders prägnanter 1) Frey: Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen, 4. Aufl. Leipzig 1874. pag. 72. 2) STRICKER: Handbuch der Lehre von den Geweben I. pag. 24. 3) Sacus: Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. 1874 pag. 45. Morpholog. Jahrbuch. 2. 5 66 Richard Hertwig Weise STRASBURGER!) in seiner Arbeit über Zelltheilung. Nach STRASBURGER ist oder Zellkern zur Zeit seiner vollständigen Wirk- samkeit eine homogene glashelle Protoplasmamasse, die in ihrer Con- sistenz mit der Hautschicht (dem »Ektosark« der Zoologen) überein- stimmt, und in der weder Vacuolen noch Kernkörperchen zu beob- achten sind. Kernkörperchen pflegen sich erst zu zeigen, wenn der Zellkern seine Aufgabe grösstentheils vollbracht und nun zur Ruhe kommen soll. Um in eine neue Thätigkeit zu treten wird der Kern jedesmal erst homogen gemacht«. Auf Structurverhältnisse, welche es ihm wahrscheinlich erschei- nen lassen, dass der Kern eine complicirtere Structur besitzt als man für gewöhnlich annimmt, hat neuerdings Eimer?) bei Reptilieneiern aufmerksam gemacht. Zwischen Kernmembran und Kernkörperchen unterscheidet er hier noch mehrere Schichten, bezüglich deren Be- schreibung ich auf die citirten Arbeiten selbst verweise. Gehen dem Gesagten zu Folge die Ansichten der Forscher schon bei der Beurtheilung des Baus des Kerns weit aus einander, so erhalten wir, wie nicht anders zu erwarten steht, noch tiefer grei- fende Differenzen, wenn wir die Frage nach der Dignität der einzelnen Kerntheile in Anregung bringen. HarckeL’) hält den Nucleolus und Nucleolinus für Gebilde von untergeordneter Bedeutung; von fundamentaler Bedeutung sind nach ihm in der Eizelle nur Dotter und Keimbläschen. Im Hinblick auf die weite Verbreitung, in welcher der Nucleolus auftritt, lässt SrrickER 4) es unentschieden, ob dem Kernkörper Wichtigkeit beizumessen sei oder nicht. Ebenso wenig gibt GEGENBAUR>) ein bestimmtes Urtheil ab, wenn er auch geneigt ist dem Nucleolus eine wichtige Rolle im Leben der Zelle einzuräumen. Am bestimmtesten äussert sich in dieser Hinsicht KÖLLIKER®), welcher ähnliche Beziehungen des Nucleus zum Nucleo- lus annimmt, wie es früher SCHwAnN?) gethan hatte. Wie SCHWANN !) STRASBURGER: Ueber Zellbildung und Zelltheilung. Jena 1875. pag. 234. * Ermer: Zur Kenntniss vom Bau des Zellkerns. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. VII. pag. 141; ferner: Untersuchungen über die Eier der Reptilien ; ibidem pag. 216. ») HAECKEL: Anthropogenie pag. 104. 4) STRICKER : Gewebelehre. Bd. I. pag. 24. ®) GEGENBAUR: Grundzüge der vergl. Anatomie pag. 27. %, KÖLLIKER : Gewebelehre pag. 27. “ Scuwann: Mikroskopische Untersuchungen tiber die Uebereinstimmung Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 67 lehrte, dass die Zelle sich um den Kern anlege, gleich wie dieser sich um den Kernkörper bilde, so lässt KÖLLIKER bei der Zellthei- lung die Kerne als Anziehungspuncte auf die Masse der Zellen und den Nueleolus auf die der Kerne wirken. Kern und Kernkörper würden somit in einem ähnlichen Verhältniss zu einander stehen wie Zelle und Kern. üine eigenthümliche Auffassung über die Bedeutung der Kern- körperehen ist in der Neuzeit von AUERBACH aufgestellt worden. Wie schon erwähnt, sind nach der Ansicht AurRBAcH’s die Kerne ursprünglich Vacuolen im Protoplasma. Um diese Vacuolen soll sich das Protoplasma differenziren und eine Kernmembran bilden. Wei- terhin soll in ihrem Inneren der Nucleolus entstehen, welcher eben- falls dem Protoplasma entstammt und zwar indem er sich entweder von der Kernmembran ablöst oder von Protoplasmapartikelchen gebildet wird, welche bei der Sammlung des Kernsafts (bei der Bil- dung des Kerns) aus dem umgebenden Protoplasma mit in das In- nere der Vacuole hineingerissen wurden, um sich hier zu vereinigen. Da somit der Nucleolus weiter Nichts ist als ein Stück individuali- sirtes Protoplasma, so kann man ihm die Bedeutung eines Elemen- tarorganismus beimessen, und zwar zunächst, so lange er noch ho- mogen und gleichmässig ist, die Bedeutung einer Cytode. Wenn sich nun weiterhin im Nucleolus eine Vacuole bildet, was ja nicht selten geschieht, so soll dieselbe zum Nucleolus in denselben Bezie- hungen stehen, wie der Nucleus zum Protoplasma der Zelle; sie kann daher als Kern des Nucleolus angesehen werden. Hierdurch würde der Nucleolus aus dem Zustand der kernlosen Cytode in den Zustand der echten kernhaltigen Zelle übergeführt werden. Wie andere, freilebende Zellen so kann sich auch die im Hohl- raum des Nucleus lebende Zelle oder der Nucleolus durch Theilung vermehren und hierdurch den multinucleoliren Zustand des Zellkerns bedingen. AUERBACH vermuthet nun weiter, dass die zahlreichen Nucleoli durch den Zerfall der umhüllenden Nucleuswand frei wer- den und zu ebenso viel selbständig lebenden Zellen sich umbilden. Der Zellkern würde demnach die Bedeutung eines Brutraumes zur Ausbildung einer Generation von Tochterzellen besitzen. — Wir se- in d. Structur u. d. Wachsthum d. Thiere u. Pflanzen. Berlin 1839. pag. 259. »Die Bildung der Zelle ist wahrscheinlich nichts anderes, als eine Wiederholung desselben Processes um den Kern, durch den sich der Kern ursprünglich um das Kernkörperchen bildet.« 5* 68 Richard Hertwig hen, auf dem AvERBACH’schen Wege wiirden wir, was das That- sächliche anlangt, zu denselben Ergebnissen gelangen, zu welchen GREEFF, CARTER u. A. betreffs des multinucleoliiren Zustands der Amoeben gelangt sind, jedoch würden wir hierbei nicht den wichti- gen Unterschied übersehen dürfen, dass durch die Auffassung AUERBACH’S ein histologisches Verständniss für den Vorgang gewon- nen sein würde, welches bisher fehlte '). Nach diesem kurzen Ueberblick über die Kernliteratur, in wel- chem, wenn auch nicht alle, so doch die wichtigsten Auffassungen des Kerns ihre Erwähnung gefunden haben, wende ich mich zur Darstellung der Art und Weise, in welcher ich mir die verschiede- nen Kernformen entstanden und von einer gemeinsamen Grundform abgeleitet denke; vielleicht dass die hier im Zusammenhang vorge- tragene Auffassung geeignet ist, einiges Licht über die Bedeutung der einzelnen Kerntheile und der verschiedenen Kernformen zu ver- breiten. Als den wichtigsten Punet für eine einheitliche Beurtheilung der verschiedenen Kernbildungen muss ich hier gleich am Anfang meiner Betrachtungen hervorheben, dass sich bei allen Kernen eine gewisse stoffliche Uebereinstimmung erkennen lässt. Ob wir nun Zellkerne von Thieren, Pflanzen oder Protisten untersuchen mögen, stets fin- den wir, dass sie mehr oder minder von einer Substanz gebildet werden, welche ich im Folgenden im Anschluss an frühere Autoren als »Kernsubstanz« bezeichnen werde. Von der Characteristik dieser Substanz müssen wir ausgehen ebenso wie derjenige, welcher das Wesentliche der Zelle schildern will, zunächst mit der Zellsubstanz oder dem Protoplasma beginnen muss. ; Unter dem Namen Kernsubstanz verstehe ich einen Eiweiss- körper, welcher bald im ganzen Kern gleichmässig vertheilt ist, bald auf gewisse Theile desselben, die Kernkörperchen, beschränkt bleibt. Im frischen Zustand besitzt derselbe einen mattgrauen, häufig etwas fettähnlichen Glanz ; sein Lichtbrechungsvermégen kann jedoch so gering werden, dass es sich kaum noch von dem des farblosen Protoplasma unterscheidet. Es kann dann der Fall eintreten, dass Kerne, welche aus reiner Kernsubstanz bestehen und in einem ho-: ') Um nicht zu irrigen Auffassungen Veranlassung zu geben, hebe ich aus- driicklich hervor, dass AUERBACH die hier kurz geschilderte Ansicht nur als »eine vorläufige, noclr mit Vorbehalt aufzustellende und weiter zu prüfende«, nicht als eine feststehende und sicher bewiesene ansieht. Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen, 69 mogenen Protoplasma eingebettet sind, sich nur mit grosser Mühe im frischen Zustande erkennen lassen, dass es dann fast zur Un- möglichkeit werden kann bei grossen, wenn auch noch so durchsich- tigen Körpern ohne Anwendung von Reagentien den Kernnachweis zu führen. Fälle, welche das Gesagte veranschaulichen, lassen sich ausserordentlich zahlreich aus der Literatur namhaft machen: sie lassen uns erkennen wie wenig stichhaltig.es ist, wenn Forscher, gestützt auf die Durchsichtigkeit des Untersuchungsobjeets die Mög- lichkeit bestreiten, dass etwa vorhandene Kerne sich dem Auge des Beobachters hätten entziehen können. Wie das Protoplasma so ist auch die Kernsubstanz automatischer Bewegungen fähig. Dieselben erfolgen bald in unregelmässiger Weise und können wir sie dann als amoeboide bezeichnen ; bald vollziehen sie sich in bestimmten Richtungen und mit so ausserordentlicher Regelmissigkeit, dass wir die einzelnen Veränderungen genau voraus- bestimmen können. Als Beweise für die Befähigung der Kernsubstanz zu amoeboiden Bewegungen hebe ich hier hervor : die Formveränderun- gen des Nucleolus, welche LA VALETTE vom Ei einer Libellenlarve, BRANDT?) von Eiern der Blatta orientalis, AUERBACH) von den Ge- webszellen der Muscidenlarven, Ermer‘) von den Eiern des Silurus glanis, mein Bruder und ich sowie auch BALBIANI in ganz vortrefflicher Weise an Arachnideneiern u. A. haben beobachten können. Ferner gehören hierher die eigenthümlichen Ausbuchtungen, welche mein Bruder’) vom Furchungskerne des Eies von Toxopneustes lividus schildert. — Auf regelmässig sich vollziehende Bewegungen der Kernsubstanz müssen wir die verwickelten Vorgänge zurückführen, welche in thierischen und pflanzlichen Zellen zur Kerntheilung führen und deren Kenntniss wir den Untersuchungen BÜrscHLis®), STRAS- BURGER’S?) und meines Bruders verdanken. ') vy. LA VALETTE: Ueber den Keimfleck und die Deutung der Eitheile. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. II. pag. 56. ?) BRAnDT: Ueber active Formveränderungen des Kernkörperehens. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. X. pag. 505. 3) AUERBACH: Organologische Studien. Heft I u. IL pag. 167. 4) Ermer: Ueber amoeboide Bewegungen des Kernkörperchens. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XI pag. 325. >) O. HERTWIG: Ueber Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Dieses Jahrb. Bd. I pag. 347. 6) BürschLı: Vorläufige Mittheilungen in Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XXV. pag. 201. 7) STRASBURGER: Ueber Zellbildung und Zelltheilung. Jena 1875, 70 Richard Hertwig Für die Characteristik der Kernsubstanz sind noch weiterhin die Veränderungen wichtig, welche dieselbe bei der Anwendung mi- krochemischer Reagentien erkennen lässt und die sich bei allen Ker- nen in typischer Weise wiederholen. Bei allen Kernen gerinnt die Kernsubstanz in dünner Essigsäure stärker als das umgebende Pro- toplasma , quillt dagegen in starken Lösungen zu einer homogenen Masse, welche bei Anwendung von essigsaurem Kali wiederum schrumpft und ein körniges Ansehen gewinnt. — Bei der Anwen- dung der Chromsäure tritt, so fern man sie nicht in gar zu starker Verdünnung benutzt, bei allen Concentrationen Gerinnung ein, doch nicht in allen Fällen in gleicher Weise. Bald ist die Gerinnung körnig wie bei der Einwirkung der Essigsäure, bald wiederum vollkommen homogen, so dass die Masse des Kerns nur schärfer eontourirt erscheint, ohne sich im Uebrigen viel vom frischen Zustand zu unterscheiden. Eine homogene Gerinnung ist auch bei der Anwendung der Hyperosmium- säure fast in allen Fällen erkennbar, gleichzeitig verleiht die Osmium- säure der Kernsubstanz ein dunkleres schwärzliches Colorit, vermöge dessen die Kerneontouren im umgebenden Protoplasma scharf hervor- treten. — Endlich wären noch unter den sogenannten Kernreagentien die Tinctionsmittel hervorzuheben, unter denen die gebräuchlichsten, das Carmin und das Hämatoxylin bei riehtiger Anwendung die Kern- substanz ausserordentlich viel rascher und intensiver imbibiren als das umgebende Protoplasma. Aus allen diesen Eigenschaften der Kernsubstanz geht hervor, dass wir sie als etwas vom Protoplasma der Zelle Verschiedenes ansehen müssen, eine Auffassung, mit der ieh mich wohl in Ueber- einstimmung mit der Mehrzahl der Histologen befinde. Wenn ich auch nicht gewillt bin in Abrede zu stellen, dass beide Substanzen, wie schon AUERBACH nachgewiesen hat, vielerlei Verwandtschaft- liches besitzen, so scheinen mir doch die thatsächlieh vorhandenen Differenzen die Wahl eines besondern Namens »Kernsubstanz« zu rechtfertigen. Ich muss hier gleich einem Missverständniss entgegentreten, welches leicht Platz greifen könnte. — Wenn ich für die Grundsub- stanz, aus welcher die Kerne bestehen, einen gemeinschaftlichen Namen anwende, so soll hiermit keineswegs gesagt sein, dass ich sie als einen Körper von überall gleicher chemischer Zusammen- setzung characterisiren will. Vielmehr ist es mir darum zu thun eine Summe von Eigenschaften zu finden, welche uns einen aequi- valenten Zelltheil überall wieder zu erkennen helfen. Hierbei ist Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 71 es ebensowenig nöthig, dass der Körper stets eine vollkommen gleiche chemische Constitution besitzt, als dies beim Protoplasma der Fall ist, welches ja auch kein Histologe wohl für einen ein- fachen Körper hält. Die Begriffe »Kernsubstanz« und »Zellsubstanz« haben zunächst nur ein biologisches Interesse, in so fern sie be- stimmte morphologisch und physiologisch wichtige Substanzen be- zeichnen, über deren chemische Constitution wir so gut wie Nichts wissen, deren übereinstimmende mikrochemische Reactionen aber auf eine Aehnlichkeit der Zusammensetzung schliessen lassen. Wie das Protoplasma so kann auch die Kernsubstanz in ver- schiedenem Grade von Flüssigkeit durehtränkt sein, woraus sich verschiedene Dichtigkeitszustände der Kernsubstanz ergeben. Ich werde im Folgenden diese Flüssigkeit als »Kernsaft« bezeichnen, wenn es auch zur Zeit nicht gelungen ist, specifische Eigenschaften an ihr nachzuweisen, welche sie als etwas Eigenartiges erkennen liessen. Betrachten wir nun näher die Bildung der einzelnen Kernformen, ausgehend von der auf zahlreiche Beobachtungen fussenden Ansicht, dass für das Wesentliche in allen Kernen die im Obigen näher characterisirte Nucleussubstanz angesehen werden muss. Selbstver- ständlich werde ich hierbei nur diejenigen Modificationen berück- sichtigen können, welche mir die wichtigsten und am meisten von ein- ander abweichenden zu sein scheinen. Als die einfachsten und primitivsten Formen sehe ich Kerne an, welche aus einer in allen Theilen gleiehmässig von Kernsaft durehtränkten Kernsubstanz bestehen (Taf. II Fig. 1 u. 2). Diesel- ben bilden homogene mattgraue Körper, welche im frischen Zustand nur mühsam, häufig sogar gar nicht im Protoplasma erkennbar sind. Sie gerinnen und färben sich nahezu gleichmässig in Reagentien, höchstens dass die Peripherie die verschiedenen Reactionen in etwas ausgesprochenerem Maasse erkennen lässt, ein Verhalten, welches ähnlich wie die Bildung der Rindenschicht des Protoplasma aus einer Verdichtung der oberflächlichsten Substanzlagen erklärt wer- den muss. Derartige homogene Kerne sind namentlich in embryo- nalen thierischen Geweben weit verbreitet. Von hervorragendem Interesse ist es, dass, wenigstens soweit wir jetzt schon die Verhält- nisse überblicken können, bei allen Thieren der Eikern (0. Herr- wıG) und die Kerne der Furchungszellen diese homogene Beschaffen- heit erkennen lassen (Fig. 1). — Unter den Protisten finde ich homogene Kerne allgemein bei den Radiolarien vor. Hier sind es 72 Richard Hertwig die sogenannten wasserhellen Bläschen , welche, wie ich in einer demnächst erscheinenden ausfiihrlicheren Arbeit über die Organisation und die Entwieklung der polyzoen Radiolarien zeigen werde, als Kerne zu deuten sind. Auch die gelben Zellen der Radiolarien besitzen homogene Kerne, so dass wir diese Kernform als typisch für die Radiolarien ansehen können '). Einen gleichen Bau besitzen weiterhin die Kerne bei def über- wiegenden Mehrzahl der Infusorien (Taf. III Fig. 3a) und zwar ge- hört hierher ebensowohl der Nucleus derselben als auch der sogenannte Nucleolus, der wohl besser als Nebenkern (0. Herrwıs) bezeichnet wird, da der Name »Nueleolus« als unvereinbar mit unseren histologi- schen Auffassungen in Zukunft wohl wird in Wegfall kommen müs- sen. (Auf die Bedeutung, welche die den Bau des Infusorien- nucleus complicirende Kernmembran besitzt, werde ich noch später im Laufe dieser Abhandlung zurückkommen.) — Schliesslich er- wähne ich noch, dass homogene Kerne, wenn auch seltener bei Mo- nothalamien 2), Foraminiferen 3?) und Noctilucen !} beobachtet worden sind. | Die geschilderten homogenen Kerne sind es, welche nicht gerade selten die typische kreisrunde oder ovale Gestalt des Zellkerns ver- lassen und sich stibchenférmig strecken oder durch Bildung seitlicher Sprossen complicirtere verästelte Formen annehmen. Verästelte ho- mogene Kerne finden sich bei den Infusorien namentlich den Acine- ten, ferner in den verschiedensten Organen bei Insecten. Unter den letzteren sind sie namentlich schon seit lange von den Serieterien und MarricHrschen Röhren der Raupen (MECKEL v. HEMSBACH, Leyvie) bekannt. Die beiden letztgenannten Stellen sind gleichzei- tig die geeignetsten um die Uebergänge der runden Kernform in die verästelte zu studiren, so dass man in einem Bild vereint gleichsam die ganze Entstehungsgeschichte derselben vor sich hat’). ') Eine Ausnahme von dieser Regel wird durch das Binnenbläschen der grossen monozoen Radiolarien, der Thalassicolliden, gebildet. 2) Der sogenannte »effete nucleus« CARTER’s ist wohl hierher zu rechnen. Vergl. hierüber CARTER in den Annals and Magazin II Vol. 18, III Vol. 12, ferner meine Bemerkungen über Euglypha alveolata. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. IX Suppl. pag. 126. %) Jenaische Zeitschrift Bd. IX pag. 41. *) Cienkowski: Ueber Schwärmerbildung bei Noctiluca miliaris. Archiv f. mikr. Anat. Bd. VII pag. 131 u. Ueber Noctiluca miliaris. ibidem Bd. IX pag. 47. ’) Besonders schön liessen sich diese Uebergiinge an den MaLpicui’schen Beitriige zu einer cinheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 73 Das verschieden dunkle Aussehen der genannten Kerne und die Verschiedenheiten, welche sich bei der Anwendung von Reagentien in der Intensitiit der Gerinnung und Fiirbung ergeben, miissen wohl aus der verschiedenen Dichtigkeit ihrer Substanz erklärt werden, resp. aus dem wechselnden Gehalt an Kernsaft. Zu den an Kernsaft reichsten Kernen gehören die wasserhellen Bläschen der Radiolarien, die dichtesten Kerne dagegen finden sich bei den Infusorien, deren Nuclei sich durch ein ganz ausserordentliches Imbibitionsvermögen aus- zeichnen. Als weitere Eigenthümlichkeiten sind schliesslich noch die feinen Körnchen zu erwähnen, welche nicht selten in homogenen Nucleis auf- treten und sich durch ein bald grösseres bald geringeres Licht- brechungsvermögen auszeichnen (Taf. II Fig. 2). Zum Theil sind dieselben ohne Zweifel locale Verdiehtungen der Kernsubstanz, zum andern Theil scheinen sie mir aber auch durch Fettkérnchen gebil- det zu werden. Jedenfalls halte ich es für ungerechtfertigt für diese meist nur accidentellen und vorübergehenden Bildungen den Namen Kernkörperchen zu verwenden, um so mehr als dergleichen Körn- chen auch im Innern von unzweifelhaften Kernkérperchen auftreten können (Taf. III Fig. 7a). Aus der geschilderten primitiven Kernform lassen sich alle übrigen Kerne ableitert und zwar führe ich die Verschiedenheiten, welche sich bei der Beobachtung ergeben, in erster Linie auf eine Sonderung der beiden Kernbestandtheile, der Kernsubstanz und des Kernsafts, zurück. Diese Sonderung kann nun in verschiedener Weise erfolgen. Im einfachsten Falle bilden sich in Folge der Dif- ferenzirung in der Kernsubstanz Vacuolen von Kernsaft. Beispiels- Gefässen der Raupe des Kohlweisslings (Pieris brassicae) erkennen (Taf. III Fig. 2a—d). Hier besitzen die grossen Drüsenzellen an der Stelle, wo sich die 3 Gefässe einer Seite zu einem gemeinsamen Ausführungsgang vereinen rundliche oder ovale Kerne. Verfolgt man den Schlauch nach seinem blinden Ende zu, so sieht man, wie sich die Kerne entweder der Quere oder der Länge nach strecken. Dann ‚bilden sich seitliche buckelförmige Hervorragungen und kolbige Anschwel- lungen der Enden. Die seitlichen Hervorragungen bilden sich zu Aesten aus, welche nur noch mittelst dünner Fäden von Kernsubstanz mit dem Haupttheil des Kerns sich verbinden, dahingegen selbst wiederum von ihrem verbreiterten Ende Seitenäste abgeben. So bilden sich schliesslich in verschiedenen Theilen der Zelle Anhäufungen von Kernsubstanz, welche nur noch durch feine Anasto- mosen mit einander zusammenhängen. 74 Richard Hertwig weise scheinen derartige Vacuolen ein häufiges Vorkommniss bei den Infusorienkernen zu bilden, wo sie zum Theil jedenfalls den Angaben über Kernkérperchen im Inneren der Nuclei zu Grunde lie- gen. — Von demselben Gesichtspunct aus muss ferner die Vacuolen- bildung, welche im Nucleolus auftritt, beurtheilt werden. Denn der Nucleolus besteht, wie wir sogleich sehen werden, aus Kernsubstanz und bildet in den Fällen, wo er vorhanden ist, ausschliesslich oder doch» vorwiegend die festen Bestandtheile des Kerns. Hier liegen nun ausserordentlich zahlreiche Beobachtungen vor. Vacuolen im Nucleolus der thierischen Eizelle wurden lange Zeit für integrirende Bestandtheile des Keimbläschens gehalten und unter dem Namen »ScuHrön’sches Korn« besprochen, bis v. LAVALETTE (l. ce.) die wahre Natur des Gebildes erkannte. Vacuolen im Nucleolus wurden von AUERBACH!) in seinen organologischen Studien als Kerne des Nu- cleolus gedeutet. Ich selbst habe mich von der Anwesenheit von Vacuolen in den homogenen Körpern, welche sich im Binnenbläschen von Thalassolampe bilden und von mir als Nucleoli dieses kernar- tigen Gebildes gedeutet werden, zu wiederholten Malen überzeugen können (Taf. III Fig 74). Die Sonderung der Kernmasse in festere und flüssigere Be- standtheile, in Kernsubstanz und Kernsaft, kann sich weiterhin in der Weise vollziehen, dass die Kernsubstanz sich im Centrum des kugeligen Kerns ansammelt, während der Kernsaft nach der Peripherie verdrängt wird. Aufdiese Weise bildet sich eine Vacuole (wenn eine besondere Kernmembran vorhanden war, eine Blase) im Protoplasma und im Centrum derselben befindet sich ein fester Körper suspendirt. Wir kommen so zu dem typischen Bilde eines mit einem Nucleolus ausgestatteten Nucleus, welches wir als Paradigma für den Zellkern hinzustellen gewohnt sind. Und in der That ist auch diese Form des Zellkerns ausserordentlich verbreitet, ebensowohl bei Thieren als bei Pflanzen und Protisten. Innerhalb des Thierreichs ist sie am meisten bekannt als Kern des unreifen Eies und der Ganglienzelle. Unter den Protisten besitzen bläschenförmige Kerne mit Kernkörper aus- nahmslos die Heliozoen (Taf. III Fig. 5 u. 6) und Diatomeen, fer- ner die meisten Amoeben , Monothalamien , Flagellaten u. s. w. Nicht gar selten bleibt ein Rest der Kernsubstanz in der Peripherie zurück und bildet auf dem Durchschnittsbild einen Ring, körper- lieh gedacht einen Kugelmantel homogener Substanz, welche gleiche ') AUERBACH : Organologische Studien pag. 168. Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 75 Reactionen erkennen lässt, wie der ebenfalls aus Kernsubstanz be- stehende Nucleolus. Man bezeichnet die geschilderte Lage Kern- substanz häufig als Kernmembran und stellt dieselbe hierdurch, wie ich später zeigen werde, mit einem ganz andern Gebilde auf gleiche Stufe. Ich halte es daher für zweckmässig sie mit einem neuen Namen als »Kernrindenschicht« zu benennen. Am entwickelt- sten ist die Kernrindenschieht bei den Actinosphaeriden unter den Heliozoen (Fig. 5 u. 6), wo sie eine Umhüllung von beträchtlicher wenn auch unregelmässiger Dicke bildet!). An diese bläschenförmigen uninucleoliren Kerne schliessen sich un- mittelbar die pauci- und multinucleolären Kernformen an. Erstere sind häufig bei Organismen anzutreffen, welche für gewöhnlich uninucleo- läre Kerne besitzen (Monothalamien, Heliozoen, Flagellaten u. s. w.) und treten auch vielfach in den Geweben höherer Thiere auf; letz- tere sind weniger häufig, aber immerhin häufiger als man im Allge- meinen annimmt (Taf. III Fig. 7, 8 u. 10—12). Wiederholt sind sie bei Amoeben beschrieben worden, leider habe ich sie selbst hier nur wenige Male beobachtet und daher nicht näher untersuchen können (Taf. III Fig. 11 u. 12). Ueber ihre Entstehungsweise sind wir noch im Unklaren. Nach meiner Meinung sind zwei Fälle möglich. Entweder leiten sich die vielen Kernkörper direet aus dem homogenen Zustand des Kerns ab, indem die Aussonderung der Kernsubstanz an verschiedenen Puneten gleichzeitig begonnen hat; oder — die zahlreichen Nucleoli sind, wie AUERBACH annimmt, durch Theilung aus einem ursprünglich einfachen Nucleolus ent- standen. Was mir nun bei der Beurtheilung der uni- und multinucleolä- ren Kerne das Wichtigste zu sein scheint, ist die Frage, in welchen Kerntheilen wir den Sitz der functionellen Bedeutung zu suchen haben, welche Kerntheile wir für die wichtigsten halten müssen. Nach meiner Meinung ist hier nur eine Ansicht möglich, dass näm- lich die Nucleoli die Träger der Kernfunetion sind. Ich werde zu dieser Auffassung durch die Ueberlegung bestimmt, dass die functio- x 1) Sollten sich die Angaben GRENACHERS bestätigen, so würde bei Acti- nophrys sol nach aussen von der Kernrindenschicht noch eine besondere Kern- membran existiren. Als solche deute ich die scharfe Contour, welche GRENACHER nach aussen von der Kernrindenschicht schildert und abbildet. (Verh. der physik. mediein. Gesellschaft zu Würzburg. N. F. I pag. 170 Taf. III.) In Figur 5 habe ich sie nicht eingezeichnet, da ich sie selbst nie habe beobachten können. 76 Richard Hertwig nelle Bedeutung des Kerns durch die Kernsubstanz bedingt ist, dass die Kernkérperchen aber vorwiegend die Kernsubstanz, welche im Kern vorhanden ist, enthalten. Es gibt sogar zahlreiche Fälle, in denen der Nucleolus allein die gerinnungsfähigen Bestandtheile des Kerns ausmacht, während der sogenannte Kerninhalt eine wasser- helle indifferente Flüssigkeit bildet (so fast bei allen Süsswasser- rhizopoden). Somit müssen wir in allen.den Fällen, in denen sich ein oder mehrere Nucleoli im Kerne differenziren , in diesen die Thätigkeitscentren des Kerns erblicken. Bisher habe ich mich bei der Besprechung der Kernformen auf die Unterschiede beschränkt, welche sich aus den Differenzirungen der Kernsubstanz ergaben; indessen müssen noch anderweitige Strueturverhältnisse in Betracht gezogen werden, welche sich nicht in der geschilderten Weise verstehen lassen. Zunächst haben wir hier die Kernmembran zu berücksichtigen , ein Gebilde, wel- ches, wenn auch nicht bei allen, so doch bei einem grossen Theil der Zellkerne entwickelt ist, bald nur als eine zarte äusserste Umran- dung erkennbar, bald scharf und deutlich doppelt contourirt. In den Fällen, in denen die Kernmembran deutlich doppelt contourirt erscheint, kann man meistens eine feinere Structur an ihr erkennen. Dieselbe wird durch eine zarte Punctirung der Oberfläche gebildet und muss wohl als Ausdruck feinster Canälehen angesehen werden, welche die Dieke der Kernmembran durchsetzen und eine Commu- nication von Kerninhalt und umgebendem Protoplasma gestatten. Sieher nachgewiesen ist die Kernmembran bei den Keimbläschen der Eier vieler Thiere (Fig. 8 u. 9). Hier ist es ihrer Resistenz zuzu- schreiben, dass man beim Zerzupfen der Eier das Keimbläschen un- verletzt isoliren kann. Ferner ist eine doppelteontourirte Kernmem- bran auf das leichteste zu erkennen bei dem Binnenbläschen der grossen monozoen Radiolarien, über dessen Auffassung als Kern des Radiolarienkörpers ich demnächst Genaueres mittheilen werde (Taf. III Fig. 7). Auch homogene Kerne wie die Kerne der Infusorien be- sitzen eine Kernmembran , welche sichtbar wird so wie bei der An- wendung von Reagentien die Kernsubstanz schrumpft und sich von der Peripherie zurückzieht (Taf. III Fig. 3). Die geschilderte Kernmembran muss nach meinem Dafürhalten scharf von der Kernrindenschieht unterschieden werden, welche wir beim Nucleus der Rhizopoden kennen gelernt haben, und die ebenfalls vielfach als Kernmembran bezeichnet wird. Die letztere bildet einen Theil der eigentlichen Kernsubstanz , erstere dagegen ist nur eine Beiträge zu einer cinheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 77 membranöse Auflagerung derselben. Um durch einen Vergleich das ge- genseitige Verhältniss beider Theile zu veranschaulichen so verhält sich die Kernrindenschieht zur Kernmembran wie die Rindenschicht des Pro- toplasma zur Zellmembran. — .In Bezug auf die sich nunmehr weiter aufdrängende Frage, woher die Kernmembran stammt, ob sie vom umgebenden Protoplasma aus gebildet wird oder ein Ausscheidungs- product des Kernes selbst vorstellt, kann man getheilter Meinung sein, da eine definitive Entscheidung der Frage noch nicht möglich ist. Da es ausserdem für die Auffassung, welche ich hier darstellen will, von untergeordneter Bedeutung sein würde, vermeide ich es auf das »Für« und »Wider« näher einzugehen. Eine weitere Eigenthümlichkeit mancher Kernformen, auf welche man erst in der Neuzeit aufmerksam geworden ist, wird durch feine Fadennetze gebildet, welche sich in bläschenförmigen Kernen zwischen Nucleolus und Kernmembran ausspannen. Dieselben schei- nen namentlich in den Keimbläschen unreifer Eier vorzukommen; aus eigener Anschauung kenne ich sie von dem Keimbläschen des Seeigel- und Froscheies (Taf. III Fig. S u. 9). Im ersteren Falle bilden die Fäden ähnlich den anastomosirenden Pseudopodien der Foraminiferen ein zartes körnchenreiches Netzwerk, welches an einer Stelle den homogenen Nucleolus in sich aufnimmt. Das Bild, welches so zu Stande kömmt, erinnert täuschend an eine Pflanzen- zelle, deren Inhalt stark von Flüssigkeitsräumen durchsetzt wird. Im Froschei, in welchem zahlreiche Nucleoli vorhanden sind, bilden sich maschenartig angeordnete, namentlich bei grösseren Eiern be- trächtlich breite Körnehenbänder, deren Substanz sich in Nichts vom feinkörnigen Protoplasma der umgebenden Dottermasse unterscheidet. — Was die Deutung der Erscheinung anlangt, so müssen wir wohl annehmen, dass das Netzwerk protoplasmatisch ist. Wahrscheinlich communieirt dasselbe mittelst der feinen Poren der Nucleusmembran mit dem umgebenden Protoplasma der Eizelle, von welchem es wie es scheint, auch seiner Entstehung nach, abgeleitet werden muss. In der Ausbildung der Kernmembran und des Fadennetzes er- blicke ich Anpassungserscheinungen, welche zu den Lebensverrich- tungen des Zellkerns in Beziehung stehen, für eine einheitliche Beurtheilung desselben jedoch von untergeordnetem Werthe sind. Wie die Zellmembran so ist auch die Membran des Kernes wohl als ein Schutzorgan anzusehen , in sofern sie den Zellkern zur Zeit, wo seine Funetion pausirt, gegen den Stoffwechsel und die mannig- fachen Umbildungsprocesse der Zelle abschliesst. Dagegen wird das 78 Richard Hertwig protoplasmatische Netzwerk, welches die Kernvacuole durchsetzt, fiir die Erniihrung des Zellkerns von Bedeutung sein und den Zu- tritt von Nährstoffen vermitteln, welcher durch die Umbildung des Kerns zu einem Bläschen und die Entwicklung einer diehten Kern- membran erschwert ist. Hiermit stimmt überein, dass das proto- plasmatische Netzwerk, nach dem was wir bis jetzt wissen, in seinem Vorkommen auf weitgehend differenzirte Kerne beschränkt ist. — Auf weitere Beobachtungen , welche die hier vertretene Auffassung von der Bedeutung der Kernmembran und des Fadennetzes stützen, werde ich noch später zurückkommen. In der bisherigen Besprechung glaube ich die wichtigsten Mo- dificationen , welche der Nucleus der verschiedenen Zellen erleiden kann, soweit es für die vorliegenden Zwecke nöthig war, erörtert zu haben und fasse ich zum Schlusse noch einmal die Hauptpunete der Darstellung zusammen. 1) Das Wichtigste am Kern und das für ihn Characteristischste ist die »Kernsubstanz«, ein Eiweisskörper, welcher, wenn er auch viel Aehnliches mit dem Protoplasma besitzt, sich doch durch zahlreiche Eigenthümlichkeiten von ihm unterscheidet. 2) Die Kernsubstanz ist, bei den einzelnen Kernen in verschie- denem Maasse, von einer Flüssigkeit, dem »Kernsaft«, durch- tränkt. 3) Die primitiven Kerne sind nichts als nackte Klümpchen dieser Kernsubstanz (Kerne des reifen und befruchteten Eies, der Furchungszellen u. s. w.). 4) Aus diesen primitiven Kernformen leiten sich die Uebrigen durch folgende Differenzirungen ab: a) indem sich eine Kernmembran entwickelt (Kerne der In- fusorien) , 7 b) indem sich der Kernsaft und die eigentliche Kernsubstanz sondern, wobei dann der Kernsaft a) unregelmässig im Kerne vertheilt wird und zahlreiche Vacuolen bildet oder 3) sich zwischen Kernmembran und Kernsubstanz ausbrei- tet und so die Bildung von einem oder mehreren Kern- körperchen veranlasst (bei den meisten thierischen und pflanzlichen Zellen) , ec) indem ein ernährendes Protoplasmanetz durch die Poren Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 79 der Membran in die Kernhöhle eindringt und den von Kernsaft erfüllten Hohlraum durchsetzt.’ Wie leicht ersichtlich ist die im Obigen angebahnte einheitliche Auffassung der verschiedenen Kernarten und ihre Reduction auf eine gemeinsame Grundform nichts Anderes als eine Zusammenfassung bekannter Thatsachen unter einem allgemeinen Gesichtspunet. Wir sind zu einem bestimmten Kernbegriff in derselben Weise gelangt, wie der Systematiker zu den einzelnen Art- und Gattungsbegriffen : durch Ausscheiden des Verschiedenartigen und Zusammenfassen des Gemeinsamen. Dafür dass der hierbei eingeschlagene Weg der rich- tige sei, dafür scheint mir nicht zum Wenigsten der Umstand zu sprechen, dass das Endresultat, zu dem wir gelangt sind, zur Klä- rung einer Summe von sonst unverständlichen Erscheinungen beizu- tragen vermag, weshalb ich eine kurze Besprechnng derselben hier anreihe. 1) Als das überzeugendste Beispiel führe ich hier in erster Linie die Umwandlung des unreifen Eierstockseies in das reife befruch- tungsfähige Ei an. Nach den Angaben meines Bruders erfolgt dieselbe in der Weise, dass von dem Keimbliischen nur der Nucleolus fort- besteht, die übrigen Kernbestandtheile dagegen (Kernmembran und Kerninhalt) einer regressiven Metamorphose verfallen und schliess- lich resorbirt werden. Dieser sonst unverständliche Process wird durch die oben dargelegte Auffassung verständlich. Denn nach der- selben ist der Nucleolus der funetionell allein wichtige Theil, die übrigen Kernbestandtheile dagegen Gebilde, welche zur Ernährung des Nucleolus (des eigentlichen »Kernkörpers«) in Beziehung stehen, die Function desselben dagegen eher behindern als befördern. Ist es unter dieser Voraussetzung nicht verständlich, dass von dem Augenblick an, wo der Kern in Thätigkeit treten soll, der func- jionirende Theil von seinen hinderlichen Hüllen befreit werden muss). 2) Die Function des Kerns beruht auf einer Summe von Ein- wirkungen auf das Protoplasma der Zelle, welche einen Contact bei- der Substanzen nöthig machen. Dieses Ziel, die Berührung des Protoplasma mit der im Nucleolus enthaltenen Kernsubstanz, scheint in emer Reihe von Fällen noch in einer einfacheren Weise erreicht !) In dieser Weise deutet mein Bruder die höchst auffallende Erscheinung. In seiner Arbeit hat er unterlassen diese Deutung zu geben in Hinblick auf einen der Arbeit anzuschliessenden allgemeinen Theil, dessen Ausarbeitung, wie erwähnt, später unterblieb. SO Richard Hertwig zu werden, als es bei den Eizellen geschieht. Wie STRASBURGER !) bei den Pflanzen genauer hat verfolgen können, löst sich hier der Nucleolus im Kernsaft auf, oder richtiger er imbibirt sich mit Kernsaft, um so eine primitive Nucleusform herzustellen. Wahr- scheinlich sind hier die Differenzirungen des Zellkerns noch nicht so weit gediehen, als bei den Eizellen. Das Endresultat ist in beiden Fällen dasselbe , insofern beidesmal die im Nucleolus ent- haltene Kernsubstanz mit der Zellsubstanz in unmittelbare Berüh- rung gebracht und die primitive Kernform wieder hergestellt wird. 3) Endlich erklärt es sich, weshalb gerade embryonale d.h. in Fort- entwicklung begriffene Zellen sich durch stark gerinnende homogene Nuclei auszeichnen; ferner weshalb eine gleiche Kernform bei den indifferenten Zellelementen der Lymphkörperchen , welche man ja vielfach für das eigentliche Material zur Anbildung und Ergänzung der Gewebsbestandtheile hält, vorgefunden wird. Eine nach dieser Richtung hin unternommene Untersuchung, welche es sich zur Auf- gabe stellt, die Veränderungen der Kerne während der Gewebsbildung zu verfolgen, würde uns sicherlich mit manchen neuen und interes- santen Thatsachen bekannt machen. ne Zum Schluss noch einige Worte iiber die bestehende Nomencla- tur. Offenbar passt dieselbe wenig zu der in dieser Arbeit vertre- tenen Auffassung des Kerns und seiner Theile. Indem wir vom Nucleolus sprechen sind wir gewohnt, an ein Gebilde zu denken, welches vom Kerne verschieden -ist oder doch wenigstens nur einen Theil desselben ausmacht, während es doch thatsächlich das We- sentlichste am Kerne bildet. Gleichwohl trage ich Bedenken, eine durchgreifende Namensveränderung vorzunehmen und beschränke mich auf die Unterscheidung von Kernmembran und Kernrinden- schicht, eine Unterscheidung, welche der Histologie bisher fremd war, welche aber nothwendig ist, da verschiedenartige Bildungen hier unter demselben Namen zusammengefasst werden. Dagegen scheinen mir die Bezeichnungen Kern und Kernkörperchen zu sehr in unsere histologische Sprechweise eingebürgert zu sein, als dass es möglich sein würde, sie durch neue Worte zu ersetzen. Sollte die einheit- liche Auffassung, welche ich hier durchzuführen versucht habe, Zu- stimmung finden, so werden sich die Begriffe, welche wir mit dem I) STRASBURGER |. ec. pag. 234 u.a. a. O, Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. 81 Nucleus und Nucleolus verbinden, von selbst umgestalten wie es ja in der That seiner Zeit mit dem Worte »Zelle« geschehen ist. Die vorstehenden Mittheilungen waren schon niedergeschrie- ben als mir ScHwALgE’s »Bemerkungen über die Kerne der Gang- lienzellen« noch vor ihrem Erscheinen in der Jenaischen Zeit- schrift (Bd. IX pag. 25) durch die Freundlichkeit des Herrn Ver- fassers im Separatabdruck zugängig wurden. In denselben beschreibt SCHWALBE die Kerne junger Ganglienzellen der Retina im frischen Zustand als gleichmässig feinkörnig, die Kerne entwickelter Gang- lienzellen dagegen als Bläschen, deren Wandungen (»>Kernmembran« nach SCHWALBE) aus Nucleolarsubstanz bestehen und die in ihrem Inneren ein oder mehrere ebenfalls aus Nucleolarsubstanz bestehende Kernkörperchen bergen. Die Kerne letzterer Art leitet SCHWALBE aus ersteren ab und zwar durch eine Sonderung des ursprünglich gleichmässigen Kerns in Nucleolarsubstanz und Kernsaft, wie er es selbst ausdrückt, durch »eine Vacuolisirung ähnlicher Art, wie sie innerhalb der Pflanzenzellen zur Scheidung von Protoplasma und Zellsaft führt«. Diese Darstellung stimmt, wie aus dem kurzen Re- ferat ersichtlich, vollkommen mit den allgemeinen Auffassungen überein, welche ich im Obigen mitgetheilt habe; nur in der Bezeichnungsweise ergeben sich geringfügige Differenzen. Das was ich im Anschluss an die Terminologie meines Bruders »Kernsubstanz« nenne, bezeich- net SCHWALBE mit AUERBACH als »Nucleolarsubstanz«; ferner ent- spricht SCHWALBE’s »Kernmembran« meiner »Kernrindenschicht«; für die flüssigeren Kernbestandtheile haben wir beide den von KÖLLIKER stammenden Namen »Kernsaft« beibehalten. Jena, den 2. December 1875. Morpholog. Jahrbuch. 2, 6 Fie ig. Erklirung der Abbildungen. Tafel IIT. 1. Homogener Furchungskern mit umgebendem Protoplasma. . 2 a—d. Verschiedene Entwicklungsformen des verästelten Zellkerns aus den Maupicurschen Gefässen der Raupe von Pieris brassicae (homo- gene Kerne mit eingestreuten Fettkörnchen). 3. Zellkerne von einer Vorticelline (Carchesium polypinum); in 2 ist die Kernmembran durch Schrumpfung der Kersubstanz deutlich geworden, ein Vorgang, welcher eben so wohl am lebenden Kern im natürlichen Zustand eintreten, als auch künstlich durch die Einwirkung von Rea- gentien hervorgerufen werden kann. 4. Vacuolisirte Nucleoli aus dem Froschei. 5 u. 6. Heliozoenkerne mit Nucleolus und Kernrindenschicht. Fig. 5 Acti- nophrys sol, Fig. 6 von einem jungen Actinosphaerium Eichhorni (nach F. E. ScnurzE Rhizopodenstudien Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. IX. Binnenbläschen von Thalassolampe margarodes. a Nucleoli mit nucleo- linusartigen Anhäufungen von Fettkörnchen, 6 Nucleoli mit Vacuolen (das Bild ist aus zweien combinirt, in einem Falle waren Fettkörn- chen, im anderen Vacuolen vorhanden) ce Kernmembran. g. S— 10. Keimbläschen mit deutlich doppelt contourirten Kernmembranen (nach Zeichnungen von O0. HERTwIG). Fig. 8 von einer wenig entwickel- ten Eizelle des Frosches; Fig. 9 vom Seeigelei; Fig. 10 von einem Spinnenei. Fig. S und 9 lassen ein reiches protoplasmatisches Faden- netz erkennen, Fig. 10 eine Kernmembran mit deutlichen Poren. I1 u. 12. Multinucleoliire Amoebenkerne (nach GREEFF: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. II u. IX). Fig. 11 von Amphizonella vestita, Fig. 12 von Pelomyxa palustris. Um den Vergleich mit den äquivalenten Theilen der übrigen Kerne zu erleichtern habe ich die Nucleoli dunkel ge- zeichnet. day ‘ a, ie \ 328 AgıB, Mittheilungen über Coelenteraten. Von G. v. Koch. Mit Tafel IV. I. Zur Anatomie yon Halisarea Dujardini. Johnst. Dureh F. E. Schurze’s Arbeit über Sycandra raphanus') ver- anlasst, gebe ich hier eine Skizze des Baues von Halisarea Dujar- dini, soweit mir derselbe an Spiritusexemplaren klar wurde. Das Material erhielt ich von Helgoland, wo dieser Schwamm auf Tangen nicht selten vorkommt. Er bildet dort kleine Knollen von verschie- dener Form oder erscheint auch oft nur als ein dünner Ueberzug seiner Unterlage. Ich unterscheide bei Halisarea Entoderm, Mesoderm und Ekto- derm. — Das Entoderm bildet nahezu cylindrische Röhren, welche gewöhnlich sehr unregelmässig verlaufen und nur in einzelnen Fällen ziemlich parallel zu einander liegen. — Das Mesoderm bildet die Hauptmasse des Schwamms und wird von den Entodermröhren und ausserdem noch von unregelmässigen Höhlungen (Intereanälen) durchzogen. Es besteht aus einer sehr elastischen , structurlosen und durchsichtigen Zwischensubstanz und aus in derselben zerstreuten unregelmässigen Zellen, welche meist kurze Fortsätze besitzen. Ausserdem finden sich in der Zwischensubstanz noch einzelne grös- sere Zellen, welche kuglig sind, einen sehr deutlichen Kern besitzen und wahrscheinlich als junge Eier angesehen werden müssen. — Das Ektoderm überzieht die ganze Oberfläche des Schwamms. Es I) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 25, Suppl. 6* 84 G. v. Koch besteht aus einer einfachen Zellschicht, deren Elemente den Zellen des Mesoderms bis auf die fehlenden Fortsiitze gleichen, und einer von den Zellen ausgeschiedenen Cuticula. Die letztere gleicht ganz der Zwischensubstanz des Mesoderms, ist überall nahezu gleich dick und zeigt an einzelnen Stellen eine zarte Streifung. — Ob die Inter- canäle eine Ektodermzellschicht besitzen, konnte ich nicht ganz genau nachweisen. Eine Cuticula scheint hier immer zu fehlen. II. Zur Frage über die Herkunft der Eier und Samenfäden bei den Hydroiden. Im vorigen Jahre veröffentlichte E. van BENEDEN') eine Ab- handlung über Hydractinia echinata, in welcher er nachwies, dass bei diesem Hydroiden die Eier sich aus Entodermzellen, die Samen- fäden sich aus Ektodermzellen entwickeln. Ich gebe hier einige Beobachtungen, zum Theil an anderen Arten, welche diese wichtige Thatsache bestätigen. a. Weibliche Geschlechtsknospen. Coryne fruticosa?). Die Entwicklung stimmt mit der von H. echi- nata fast vollkommen überein. Die Anlage von Eiern vor der Ausstülpung der Knospe konnte ich nicht nachweisen. S. Fig. bime TE Tubularia larynx?). Die Entwicklung erfolgt im Anfang ganz ähn- lich wie bei H. echinata, die Geschlechtsknospe erreicht aber eine viel höhere Entwicklungsstufe, die Zahl der Eier ist viel grösser und dieselben schlüpfen erst als Larven aus. S. Fig. 3 r DO): b. Männliche Geschlechtsknospen. Hydractinia echinata. Meine Beobachtungen, welche sich bis auf die jüngsten Entwicklungsstadien erstrecken, stimmen vollkom- men mit denen van BENEDEN’s überein. S. Fig. 8—10. Tubularia larynx. Auch hier ist am Anfang die Entwicklung der ') Bull. d. !’ Acad. 2. Serie, tome XXXVII.: »De la distinction originelle du testicule et de lovaire; caractére sexuel de deux feuillets primordiaux de l’embryon; hermaphroditisme morphologique de toute individualité animale ; essai d'une theorie de la fécondation; par M. Ep. vAN BENEDEN, membre de l’Academie.« 2) Kurz beschrieben in d. Jenaer Zeitschrift für Naturwissenschaft 1873. Mittheilungen iiber Coelenteraten. 5 Gemmen ganz ähnlich wie bei H. echinata, und erst später tre- ten Differenzirungen, welche aber für die vorliegende Frage unwesentlich sind, auf. S. Fig. 11. Tubularia Couthbuyi. Eine Abbildung der männlichen Gemmen bei Acassız !) stimmt mit der meinigen von T. larynx fast vollstän- dig überein. S. Fig. 15. Parypha crocea. Auch von dieser Art gibt AGassiz') Abbildungen, welche ohne Zweifel denselben Hergang darstellen, wie er von v. BEnEDEN bei H. echinata beschrieben wurde. S. Fig. 12—14. Ill. Ueber die männlichen Geschlechtsknospen von Eudendrium ramosum. Diese Geschlechtsknospen weichen in sehr eigenthümlicher Weise von den bei verwandten Hydroiden vorkommenden Zuständen ab, und halte ich es deshalb für nützlich, aufdieselben aufmerksam zu machen. Sie stehen in einem Kreis am aboralen Ende eines Polypen und entwickeln sich wie bei anderen Hydroiden zuerst in der Form einer Ausstülpung. Diese bekommt dann nahe an ihrem Ende eine ringförmige Verdickung der Wandung, der bald noch eine zweite folgt. Während die erste Verdickung sich immer mehr vergrössert und zuletzt zu einer Kugel wird, deren Inhalt in Samenzellen zer- fällt, wächst auch die zweite, und eine dritte beginnt sich anzulegen. Sind die Samenfäden der ersten Kugel vollständig reif geworden, so platzt dieselbe, die Samenfäden werden frei und es bleibt von ihr nur das zusammengeschrumpfte Ektoderm übrig, da sich das Ento- derm schon vorher zurückgezogen hatte. In ähnlicher Weise ent- wickelt sie auch die zweite und dritte und wahrscheinlich noch meh- rere Kugeln hintereinander, indem immer die vorderste reif wird, während die nachkommenden sich erst bilden. — Sollte sich eine ähnliche Art von Knospung auch bei anderen Hydroiden und beson- ders bei solchen, welche Medusen produeiren, nachweisen lassen, so würde man diese Thatsache mit dem Auftreten der Seyphostoma- und Strobila-Form der höheren Medusen in Zusammenhang bringen können. Darmstadt, Januar 1876. ') Louis AGAssiz: Contributions to the Natural history of United States. Acalephae. 1862. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. — me wh or NB. Erklärung der Abbildungen. Tafel IV. Halisarca Dujardini von Helgoland. Theil eines Durchschnittes bei schwacher Vergrösserung. Ein Stück davon stärker vergrössert. Tubularia larynx. Ganz junge weibliche Geschlechtsknospe. Aeltere Knospe mit fast reifen Eiern. Noch ältere Knospe, aus der die Embryonen schon ausgeschlüpft sind. Das die Wand auskleidende und den Nahrungscanal darstellende Ento- derm ist deutlich zu sehen. Coryne fruticosa. Junge Knospe. Reife Knospe davon. Hydractinia echinata. Ganz junge männliche Knospe. Dasselbe Exemplar, etwas später angesehen. Eine ältere Knospe. Tubularia larynx. Zwei Knospen. Parypha crocea. Junge männliche Knospe. Eine etwas ältere. Eine noch ältere. Tubularia Couthbuyi. Männliche Knospe. Eudendrium ramosum. Männl. Knospe. ditto. ditto. Fig. 1—4 u. 6—7 sind nach Durchschnitten in Alkohol erhärteter Exemplare gezeichnet. Fig. 5, 8—11, 16—18 sind nach dem Leben gezeichnet. Fig. 12—15 sind schematisirte Copien nach AGASSIZ. In allen Figuren bedeutet » Entoderm, e Ektoderm, ¢ Hoden, o Ovarium. TAY . “Morphol. Jahrbuch. Bd. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus, Von Dr. W. Rolph. Mit Tafel V—VII. Schon von jeher hat der Lanzettfisch durch seine merkwiirdige Organisation, welche ihm den niedersten Platz im System der Wir- belthiere anwies, die Aufmerksamkeit der Zoologen auf sich gezogen. Aber erst durch die glänzenden Untersuchungen KowALEwsky’s, in Verbindung mit den an sie gekniipften phylogenetischen Theorien, wurde seiner Bedeutung der Werth gegeben, welchen man ihm jetzt allgemein zuspricht. Die Verwandtschaftsbeziehungen, welche Ko- WALEWSKY zwischen Amphioxus und den Mantelthieren entdeckte, liessen in ihm den Angelpunct zwischen Wirbellosen und Wirbelthie- ren erkennen, und wiesen auf ihn als das Thier hin, welches dem gemeinsamen Stammvater aller Wirbelthiere am ähnlichsten sei. So wurde unser Fischchen mit einem Schlage zu dem »nächst dem Menschen wichtigsten Wirbelthier«. Wie der Anatom jedes Organ durch die ganze Stufenleiter der Vertebraten bis zum Lanzettfisch verfolgte, gerade von diesem die wichtigsten Aufschlüsse erwartend, so suchte nun auch der Embryo- loge ebendort den Schlüssel zum Verständniss der complicirteren Entwicklungsvorgänge der höheren Thiere. So kann es denn nicht Staunen erregen, dass eine nicht unbe- deutende Zahl von Forschern den Lanzettfisch zum Gegenstand ihres Studiums gemacht hat, dass namentlich in den letzten Jahren von allen Seiten Beiträge zur Kenntniss seines Baues einliefen. 88 W. Rolph Man sollte danach erwarten, dass wir nun im Stande wären uns ein klares Bild von der Organisation des Lanzettfisches zu ma- chen, aber wir werden mit Erstaunen gewahr, dass dieses nicht der Fall ist. Nicht blos über die feineren Fragen des histologischen Baues, deren Lösung nicht nur beträchtlichere Anforderungen an die technische Fertigkeit des Beobachters stellt, sondern auch oft ohne frisches Material gar nicht zu erlangen ist, herrschen beträcht- liche Meinungsdifferenzen, nein, auch gröbere anatomische Verhält- nisse sind noch Gegenstand des Streites. Je grössere Bedeutung aber dem Lanzettfische zugeschrieben wird, sei es nun mit Recht oder Unrecht, um so wichtiger scheint mir je- der Versuch die Widersprüche zu lösen und somit zur Kenntniss des einfachsten aber am wenigsten verstandenen Wirbelthieres bei- zutragen. Fragen wir nach der Ursache, weshalb die Organisation des Amphioxus uns noch immer ein ungelöstes Räthsel ist, so werden wir antworten müssen: Weil es bis jetzt nicht gelungen ist, den Bau des erwachsenen Thieres auf den der Larve zurückzuführen. Als Grund hierfür wiederum pflegt man gewöhnlich unsere mangel- hafte Kenntniss vom Bau der Larven anzugeben, welche allerdings trotz der eitirten Arbeit KowALEwsky’s noch sehr im Argen liegt. Seit 1870 ist keine Arbeit über diesen Gegenstand erschienen. Aber jede nur mit einiger Aufmerksamkeit und Sorgfalt ange- stellte Untersuchung des erwachsenen Thieres zeigt auch hier eine ganze Reihe von Lücken unseres Wissens. Eine dieser Lücken aus- zufüllen war meine Absicht, als ich im Januar eine Untersuchung der Chorda des Lanzettfisches unternahm. Doch bald lenkte sich meine Untersuchung auf andere Organe, besonders die Leibeshöhle, und führte zu Resultaten, welche ich in einer vorläufigen Mittheilung niedergelegt habe !. Die den Sommer hindurch fortgesetzten Untersuchungen setzten mich in Stand zwei fernere Mittheilungen 2) zu veröffentlichen ; doch schob ich eine ausführliche Publication hinaus, in der Hoffnung, dass mir im Herbst auf Helgoland Gelegenheit geboten werden würde Larven zu untersuchen. Leider ist diese Hoffnung nicht erfüllt worden, und ich glaube Jetzt nicht länger zögern zu sollen, um so weniger als mich Herr Prof. MEIssNER in Göttingen in der liberalsten Weise durch Demon- !) Sitzungsberichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig. Januar 1875. 2) Ebenda Mai und Juli. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 89 stration seiner ebenso schénen als zahlreichen Zeichnungen mit den Ergebnissen mehrjähriger Untersuchungen bekannt gemacht hat. Es ist mir eine angenehme Pflicht ihm hierfür an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank zu sagen. Zu meinem Bedauern ist auch der Versuch lebende Lanzett- fische zur Untersuchung zu erhalten ungünstig abgelaufen. Die Exemplare, welche mir mein Freund Dr. von IHERING so liebens- würdig war aus Neapel mitzubringen, gelangten in völlig unbrauch- barem Zustand in meine Hände. Dagegen standen mir vorzüglich erhaltene und gut in Alkohol erhärtete erwachsene Exemplare in solcher Menge zu Gebote, dass die Sparsamkeit im Verbrauche der Gründlichkeit der Untersuchung nicht hindernd in den Weg trat. Die Thiere sind von Herrn Dr. Dieck in Messina gesammelt und dem hiesigen zoologischen Insti- tut in bekannter Freigebigkeit zum Geschenk gemacht worden. Da ich nicht beabsichtige auf diesen Seiten eine Monographie des Amphioxus zu geben, sondern nur die Ergebnisse einer zwar auf alle Organe ausgedehnten aber ungleich fruchtbaren Untersuchung, so werde ich im Stande sein einzelne Abschnitte sehr kurz zu behandeln. Diese Abschnitte betreffen theils Organe, zu deren Kenntniss meine Studien nichts Wesentliches neu beizutragen vermochten, z. B. das Centralnervensystem, theils solche, zu deren feinerer Untersuchung mir die Beobachtung des frischen Gewebes unerlässlich schien. Letz- teres trifft besonders zu für die peripherischen Nerven und die En- digung derselben, für die Sinnesorgane und die Muskulatur. Um eine ermüdende Wiederholung allbekannter Thatsachen zu vermeiden, verweise ich auf die Darstellungen, welche unter den älteren Autoren RATHKE'), JOH. MÜLLER?) und QUATREFAGES), unter den neueren STIEDA !) über die Lebensweise und allgemeine Körper- form unseres Thieres geben’). ') Bemerkungen über den Bau d. Amph. lane. Königsberg 1841. 2) Ueber Bau etc. des Amph. lanc. Abhdl. Berl. Akad. 1842 pag. 85. 3) Mémoire ete. du Branchiostome ou Amph. Ann. se. nat. Ile ser. Zool. tom. IV pag. 235. 4) Mémoires Acad. Imp. St. Pet. VII ser. tom. XIX No. 7. 5) Man vergleiche ferner auch noch: Linpsay. Annals and mag. of nat. hist. 24 ser. XX pag. 339. 1857. Bert. Ebenda 3 ser. XX pag. 302. 1867 und Cpts. rendus LXV. pag. 364. 1867. 90 W. Rolph Ich gehe daher sofort zur Behandlung der einzelnen Organe über, wobei die einschlägige Literatur eingehende Berücksichtigung finden wird. Das Skeletsystem. Man ist gewohnt hierher nur die Chorda dorsalis zu rechnen, was auch STIEDA in seiner Monographie gut heisst. Ich schliesse mich aus verschiedenen Gründen dieser Ansicht nicht an, sondern ziehe den sogen. Mundknorpel und das Stützorgan des Kiemen- korbes, die Kiemenstäbe, mit hinzu. Die Chorda, ein an beiden Enden zugespitzter elastischer Stab, durchzieht das Thier in ganzer Länge. Während alle übrigen Auto- ren dieselbe für unsegmentirt erklären, behauptet GooDsIR '), dass sie deutlich in etwa sechzig aufeinanderfolgende Wirbel getheilt sei. Ich werde auf diese Angabe, der ich ebenfalls entgegentreten muss, noch später zurückkommen. Die Rückensaite besteht aus Scheide und Inhalt; letzterer bildet die Masse der eigentlichen Chorda. Erstere lässt zwei concentrische Hüllen erkennen: Die äussere und innere Chordascheide. Die eine bildet ein glattes Rohr von elliptischem oder kreisförmigem Querschnitt, die andere sendet Fortsätze aus, welche nach dem Rücken zu die Riickenhéhle, nach dem Bauche zu die Leibeshöhle umfassen. Der histologische Bau der Chorda des Amphioxus unterscheidet sich sehr auffallend von den Verhältnissen, die wir in der Chorda aller übrigen Wirbelthiere finden. Wir vermissen gänzlich jene characteristischen grossblasigen Zellen, und finden statt dessen eine grosse Zahl von senkrecht zur Längsachse des Thieres gestellten dünnen Scheiben, die gar keine Aehnlichkeit mit jenem Gewebe haben. Dieser Umstand hat seit der Entdeckung des Organes die Aufmerksamkeit der Anatomen auf sich gezogen; kein anderes Or- gan des Lanzettfischehens ist mit gleicher Sorgfalt und Vorliebe untersucht worden. Goopsır’s Angaben werden von Jou. MÜLLER 2) bestätigt, welcher, ohne tiefer in die histologischen Verhältnisse ein- zudringen, die Querscheiben als faserige Blättehen beschreibt. Qua- I) Trans. roy. soc. Edinbg. XV pag. 1. 1841. ?) Abhandl. Berl. Akad. 1842. pag. 85. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 91 TREFAGES !) spricht mit Bestimmtheit die Behauptung aus, dass die Chordascheiben aus einer grossen Zahl polygonaler Zellen bestünden. Seine Figuren lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig; aber niemand ist im Stande diese Beobachtung zu bestätigen. Max SCHULTZE?) lässt die gesammte Chorda aus Cuticularmasse bestehen. MARCUSEN *) findet zwischen den Querscheiben eine protoplasmatische Zwischensubstanz und, was besonders hervorgehoben zu werden ver- dient, auf denselben eine Anzahl hell lichtbrechender Kerne. °BErT’s sehr oberflächliche Beschreibung ist mir gänzlich unverständlich. Viel gründlicher sind die sehr detaillirten Beobachtungen WırH. MüÜr- LER’s‘). Er macht die Entdeckung, dass der von der inneren Chorda- scheide eingeschlossene Raum von den bekannten Scheiben nicht gänzlich ausgefüllt wird. Auf der Dorsalseite lassen die concav aus- geschnittenen Scheibenränder einen flachen Hohlraum frei. Dieser wird von verzweigten Zellen, deren Ausläufer vielfach mit einander anastomosiren, eingenommen. Ein ähnlicher, aber weniger constant auftretender Raum findet sich auch an der Bauchseite der Chorda. Dieses Gewebe stelle die ursprünglichen Chordazellen dar. In dem Gebiete der Querscheiben sollen sie durch Verschmelzung in der Querrichtung und durch Ausscheidung von Intercellularsubstanz in der zur Längsachse des Thieres senkrechten Richtung zu Grunde gegan- gen sein. Kerne hat W. MÜLLER hier nicht gefunden, während er solehe für das ventrale Gewebe beschreibt. StıEpDA°) weicht wesent- lich von MÜLLER ab. Er findet dass die Scheiben der Chorda aus einer grossen Zahl von Faserzellen bestehen, die mit verbreiterter Basis, in der ihr Kern liegt, der Scheide anliegen und in der Quer- richtung des Organes mit einander anastomosiren. Mitten in der Chorda selbst findet er keine Kerne. Nur eine Angabe sagt das Gegen- theil aus: Bei jungen Exemplaren bemerkte Sriepa_ sternförmige Zellen mit grossem Kern und ein bis zwei Kernkörperchen. Der Durchmesser der Zelle sei 0,014 bis 0,017, des Kerns 0,01, des Kernkörperchens 0,0014. Die Zellen seien unregelmässig vertheilt, doch vornehmlich im Mittelstück zu finden. Was das dorsale MÜL- LER’sche Gewebe betrifft, so ist es zwar erwähnt, aber die Abbil- 4 1) Ann. se. nat. IIe ser. Zool. tom. IV. pag. 235. 2) Zeitschr. f. wiss. Zool. III 1852. pag. 416. 3) Comptes rend. LVIII. 1864. pag. 479. und LIX. pag. 89. 4) Jenaische Zeitschr. VI pag. 327. 1871. 5) Mém. de l’Acad. St. Pet. VIle ser. XIX. No. 7. Np) W. Rolph dungen scheinen im Gegentheil zu beweisen, dass Srrepa dasselbe gar nicht gesehen hat. Das Auffallendste gerade an diesem Gewebe, der lockere Zusammenhang und der Verlauf seiner Fasern in zu- meist senkrechter Richtung, ist nicht berührt. Ich kann mir einer- seits nicht denken , dass einem geübten Beobachter dieses Gewebe entgangen ist, andrerseits aber bin ich nieht im Stande die aus- drücklich dafür gegebene Abbildung!) auf das MÜLLER'sche Gewebe zu beziehen. SriepA muss MÜLLER’s leider nicht durch Figuren illustrirte Angaben missverstanden haben. Sein Resultat ist fol- gendes: Die Chorda des Amphioxus besteht aus quergestellten fase- rigen Zellen, die in der Hauptmasse derart mit einander verschmel- zen, dass sie nicht mehr isolirt zu erkennen sind. Nur im oberen und unteren Abschnitt seien sie noch deutlich zu unterscheiden. KossMANN ?) schliesst sich nur in wenigen Puncten den Vorgän- gern an. Nach ihm, der die ersten, wenn auch , wie wir später sehen werden, nicht ganz zutreffenden Abbildungen des MÜLLER’schen Gewebes gibt, findet sich in den Querscheiben keine Spur von Zellen. Dieses mächtig entwickelte Organ, die Hauptmasse der sogen. Chorda, sei nichts als Cuticularsubstanz, abgesondert von dem zar- ten dorsalen Gewebe, der echten Chorda. Diese Absonderung sei einseitig nur nach der Bauchseite hin erfolgt, so dass sich hier ge- waltige Massen anhäuften, während auf der Rückenseite nur schmale Streifen der Substanz, wie Querbriicken, die Chorda überzögen. Einen Vergleich mit den Verhältnissen zwischen Chorda und Chorda- scheiden anderer niederer Wirbelthiere (Selachier und Störe) zie- hend kommt Kossmann zu dem Schluss, dass das bis jetzt für eigentliche Chorda gehaltene querscheibige Organ innere eutieulare Chordascheide sei, die er mit dem Namen Pseudochorda bezeichnet. Kossmann erfuhr erst während des Druckes seiner Arbeit von den früher erschienenen Abhandlungen Wıru. MÜLLER’s und STIEDA’s. In einem Nachtrag hält er seine Angaben in ihrem ganzen Umfange aufrecht, und sucht besonders nachzuweisen, dass die von ersterem entdeckten, von letzterem bestätigten Querschlitze der Chordascheide in der That keine Schlitze wären, sondern eben jene von ihm be- schriebenen Querbriicken der Pseudochorda. Die Existenz eines 1,1. 7e: Tat. dene Ib de | Verh. d. med. phys. Ges. zu Würzburg N. F. VE pag. 82. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 93 dem dorsalen ähnlichen Gewebes an der Bauchseite bestreitet er, indem er solche Bilder als Artefakte bezeichnet. MıHALKOwICS !) schliesst sich ohne etwas Neues zu bringen, so eng den Resultaten von W. MÜLLER und STIEDA an, dass ich von besonderer Aufführung seiner Ergebnisse Abstand nehmen kann. Er sieht bekanntlich in der Chorda ein aus dem äusseren Blatte ab- stammendes Epithelgebilde. Gleichzeitig mit mir bearbeitete Moreau die Chorda des Am- phioxus und gelangte zu Resultaten (Bull. acad. roy. Belg. 2me Ser. XXXIX No. 3), die sich mit den meinen vollkommen decken. Seine schöne Abhandlung ging mir an demselben Tage zu, für wel- chen ich in der Leipziger Naturf. Gesellschaft einen Vortrag über dieses Thema angekündigt hatte (vergl. die bezügl. Sitzungsberichte. Mai 1875). Diese Uebereinstimmung dürfte die Richtigkeit unserer Angaben gegenüber jenen unserer Vorgänger verbürgen. Kann ich nun auch die erste Entdeckung mancher eigenthümlicher und wich- tiger Verhältnisse der Chorda nicht mehr für mich in Anspruch neh- men, so bin ich doch im Stande manches genauer darzustellen und einiges Neue hinzuzufügen. Indem ich nun zu meinen eigenen Untersuchungen übergehe schicke ich einige Worte über die Behandlung der Präparate voraus. In Alkohol erhärtete Exemplare lieferten mir die zweifellos besten und natürlichsten Bilder, viel bessere als in Chromsäure eingelegte Thiere. Zur Einbettung wurde nur Hollundermark benutzt. Als Färbemittel für die Schnitte, die einzeln behandelt wurden, empfehle ich besonders BEALE’s Carmin. Nachdem der Schnitt hin- reichend gefärbt ist, wäscht man ihn aus und behandelt ihn mit Gly- cerin, dem ein Theil auf hundert Salzsäure?) zugesetzt ist. Die Wirkung dieses Reagens beobachtet man unter dem Mikroskop. Macht sich die Kernfärbung hinreichend deutlich, so bringt man den Schnitt in reines Glycerin, oder behandelt ihn weiter zum Einschluss in Dammarlack. Beide Methoden geben schöne Bilder, doch gebe ich der ersteren den Vorzug, besonders für die Chorda. Auch die Behandlung der in BEaLe’s Carmin gefärbten Schnitte mit Kali ace- tieum liefert recht gute Bilder, die aber leider nur kurze Zeit ihre ') Wirbelsaite und Hirnanhang. Arch. f. mikr. Anat. XI 1875. pag. 389. ?2) In meiner vorläufigen Mittheilung 1. e. Mai 1875 steht Essigsäure statt Salzsäure. Ich habe nur in einer geringen Anzahl der versendeten Exemplare dies Verseheu eorrigiren können. 94 W. Rolph Sehönheit bewahren. Als definitives Einschlussmittel kann ich dieses Reagens nicht empfehlen. In dem Inhalt der Chordascheide unterscheiden wir zwei ver- schiedene Bestandtheile: Erstens die bekannten Querscheiben, zwei- tens das von MÜLLER entdeckte zarte Gewebe, welches ich als Mürner'sches oder retieuläres Gewebe bezeichnen will. Die Chordascheiben folgen in ihrer Gestalt dem Querschnitte der Chorda, haben also im Allgemeinen eine elliptische Figur. Wäh- rend sie sich jedoch mit ihren seitlichen Rändern eng an die Wand der Chordascheide anlegen, zeigt ihr oberer, dorsaler Rand einen flachen Ausschnitt. So entsteht hier ein niedriger quer-elliptischer Raum. Da dieses Verhalten sich an allen, wie Geldstücke anein- ander gelegten Querscheiben wiederholt, so erhalten wir das Bild einer flachen (queren) Röhre, welche dorsalwärts von der Chorda- scheidenwand, ventralwärts von den Rändern der Platten gebildet wird. Ein ganz ähnlicher Hohlraum, der aber bei weitem nicht so constant auftritt, keineswegs jedoch als Artefakt gedeutet werden kann, findet sich auch an der Ventralseite der Chorda. Beide sind durch das gleiche, das MÜLLEr’sche, Gewebe ausgefüllt und stehen mit einander durch die Lücken zwischen den Chordaplatten in Zu- sammenhang. Diese Lücken, welche im Allgemeinen nur eng sind, erweitern sich manchmal beträchtlich, und in solehen Fällen durch- zieht das reticuliire Gewebe den ganzen Querschnitt der Chorda. Dies Verhalten fand sich zuweilen in mehreren, einmal in 5 auf ein- anderfolgenden Segmenten, die durch die abwechselnde Abzweigung der Muskellamellen bezeichnet werden, wiederholt. Die Chordascheiben färben sich nur sehr schwach; man muss sehr intensiv färben, um etwas zu erreichen. Schon eine schwache Vergrösserung zeigt an ihnen eine feine Querstreifung, deren alle Beobachter von J. MÜLLER an Erwähnung thun, und welche sie theils als Zellgrenzen theils als Fasern deuten. Der Verlauf dieser Streifen ist ein horizontaler im Mittelstück, ein einwärts gebogener an der Rücken- und Bauchseite. Sie sind der Ausdruck einer Fal- tung, welche sich auf Längsschnitten der Chorda zeigt. Fig. 1 Taf. V. Sie verschwinden wenn man eine isolirte Platte dehnt. Zerreisst man durch zu starken Zug eine Platte, so zeigt der Bruch einen glatten Rand, parallel der Streifung. Ich kann daher Wırn. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 95 MÜLLER nicht beistimmen, welcher die Streifen als die ursprünglichen Grenzen der verschmolzenen Chordazellen betrachtet, noch viel we- niger aber Stiepa, der in ihnen selbst die Faserzellen der Chorda zu sehen meint. Ausser dieser Streifung erkennt man jedoch schon bei schwacher Vergrösserung (2—300) eine Anzahl sehr hell lichtbrechender Körper- chen; es sind, wie man bei Anwendung stärkerer Vergrösserungen leicht erkennt, Kernkörperchen, die in ovalen grossen Kernen liegen. Sie sind es ohne Zweifel, welche schon MARCUSEN gesehen hat und als »noyeaus tout a fait transparents« beschreibt!). Um die Kerne gruppirt sich ein feinkörniges Protoplasma, welches sich strahlen- förmig auszieht und mit seinen zarten Ausläufern oft grössere Strecken durchläuft. Ich habe in Fig. 2 eine treue Abbildung ge- geben. Die Grösse der Kerne beträgt 0,009 bis 0,012, des Kern- kérperchens 0,002 bis 0,003. Bei jungen Exemplaren sind diese Kerne sehr leicht nachzuweisen. Man findet sie besonders um die Mitte der Platten gruppirt in grösserer oder geringerer Zahl. Mo- REAU gibt 2 bis 4 für den Querschnitt an, ich zählte zuweilen ein Dutzend und mehr. Aber auch erwachsenen Thieren fehlen sie nicht, wenngleich sie nicht in gleicher Häufigkeit auftreten. Kennt man sie erst, so findet man sie auch ohne Schwierigkeit auf ungefärbten Schnitten. Das durch sein äusserst starkes Lichtbrechungsvermögen auffallende Kernkörperehen zeigt, wo man zu suchen hat. S’TIEDA ist ausser MOREAU der einzige, welcher diese Kerne gesehen hat und beschreibt (l. ec. p. 11), freilich wie jener auch nur bei jungen Thieren. Aber er geht zu leicht über diesen Fund fort. Auf der von ihm eitirten Abbildung 24 finde ich nichts, was der Beschreibung entspräche, ebensowenig auf irgend einer anderen. Auf senkrechten Längsschnitten sah ich oft in den Chordaplatten lingliche Unterbrechungen, Löcher, die scharf eontourirt waren und zuweilen in grösserer Zahl über einander lagen. Ich habe solche in Fig. 4x gezeichnet. Sollten es vielleicht diese Bilder sein, welche QuATRE- FAGES die regelmässige Zusammensetzung der Scheiben aus poly- gonalen Zellen vortäuschten? Mit den beschriebenen Kernen sind sie nicht zu verwechseln. Mit obigen Bildern gar nicht zu verwechseln ist das Aussehen des Mürrer’schen Gewebes, welches, wie oben gesagt. in der dorsa- ') Cpt. rend. LVIII 1864. pag. 480. 96 W. Rolph len Ausbuchtung der Chordascheiben regelmässig, in der ventralen viel weniger constant auftritt, und zuweilen den ganzen Querschnitt erfüllt. Ich habe in Fig. I Taf. V den oberen Theil eines Querschnittes durch die Chorda eines noch nicht geschlechtsreifen Exemplares abge- bildet. Wir sehen den dorsalen Hohlraum durch ein zartes netzförmig verzweigtes Gewebe durchzogen , dessen Fasern im Wesentlichen in dorsoventraler Richtung, also senkrecht gegen die Streifen der Chordaplatten verlaufen. Diese Fasern sind die Ausläufer von Zel- len, welche je nach ihrer Lage eine verschiedene Gestalt zeigen. Liegen sie in dem Hohleanal selbst, frei in das Gewebe eingefloch- ten, so ist ihre Form sternförmig verästelt, wie bei a zu erkennen ist, oder einseitig verzweigt, wie ich es bei 5 dargestellt habe. Letztere Form zeigte sich meist zwischen die Chordascheiben einge- senkt. Nahe der innern Wand der Chordascheide platten die Zel- len sich merklich ab, und während jene, namentlich die zuletzt be- schriebenen, pralle, blasige Form zeigen, haben diese ihr Protoplasma grösstentheils verloren, so dass die Membran fast nur den dunkel gefärbten Kern, der ein oder mehrere Kernkörperchen zeigt, ein- schliesst. Noch vielmehr zur Plattenform redueirt sind endlich jene Zel- len, welche die Chordascheide innen auskleiden (ec). Protoplasma ist hier nicht mehr wahrzunehmen, man sieht nur noch die Kerne. Die Chordascheide erhält dadurch hier eine Auskleidung, die genau so aussieht wie der Endothelbelag, welcher dieses Organ nach aus- sen hin überzieht (d). Fig. 3 zeigt dasselbe Gewebe auf einem senkrechten Längsschnitt durch die Chorda. Fig. 4 endlich zeigt es an einer Stelle, wo es den ganzen Querschnitt einnimmt, auf einem horizontalen Längsschnitt. Seine Zellen zeigen denselben Character, wie die in Fig. 1 mit a bezeichneten. Die blasigen Zel- len des MÜLLER’schen Gewebes hatten eine Grösse von etwa 0,008 Mm. Der Kern betrug 0,0035, das Kernkörperchen 0,001 höchstens. Beim erwachsenen Thiere konnte der endothelartige Zellbelag ge- wöhnlich nur in dem Raum zwischen den gleich zu erwähnenden Schlitzen der Scheide nachgewiesen werden; nur selten zeigte er sich auch tiefer, nie im ganzen Umkreis, höchstens noch ventral- seits. Die blasigen in Fig. | mit « und 5 bezeichneten Zellen fehlten erwachsenen Thieren stets. Endlich muss noch eine. sehr auffallende Eigenschaft des reticulären Gewebes erwähnt werden, welche in Beziehung steht zu einer Eigenthümlichkeit der Chorda- scheide. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 97 Die Chordascheide wird in ziemlich regelmässiger Folge!) von paarweise gestellten quergerichteten Schlitzen durchbohrt. Diese Oeffnungen (vergl. Fig. 1 und 5) haben trichterförmige Gestalt und richten ihre breite Basis nach dem Centrum der Chorda. Der Durch- messer beträgt hier etwa 0,016 Mm., an der Spitze 0,006. Auf Längsschnitten erscheinen sie (Fig. 5) als Canäle mit erweiterten Mündungen. Diese Schlitze werden von Ausläufern der Zellen des Mürer’schen Gewebes durchzogen, welche, wie ich mehrfach deut- lich gesehen zu haben glaube, mit den das Nervensystem radial durchziehenden Bindegewebsfasern in Zusammenhang stehen. Andrer- seits erstrecken sich auch die oberen hier zahnförmig ausgezogenen Ecken der Chordaplatten (cf. Fig. 6) in die Schlitze hinein. Auch diese merkwürdigen Organe hat W. MÜLLER entdeckt. Er erklärt sie für hohle Spalten, welche zur Ernährung der Chorda dienen. STIEDA bestreitet dies und hält sie für »Stellen, an welchen das Gewebe anders beschaffen sei, als der übrige Theil der Scheide«. Damit steht seine eigene Beschreibung kaum in Einklang. Er er- klärt selbst, dass Faserzellen die Scheide durchsetzen, welche sich als kernhaltig erweisen und denen des dorsalen Abschnittes der Chorda gleichen. Alles das kann ich bestätigen, aber aus ebendem Grunde schon allein würde ich sie für Oeffnungen erklä- ren. Dass sie das in der That sind kann man leicht beweisen. Man präparire den Theil der Chordascheide, welcher diese Schlitze enthält heraus, was sehr leicht geht, und betrachte den Streifen von der Fläche aus. Man sieht scharf contourirte Ränder, und wenn die Fasern des Mürter’schen Gewebes sich erhalten ha- ben, was nicht selten geschieht, die Durchschnitte derselben als feine Puncte in der Oeffnung liegen. Auch Längsschnitte, wie der auf Fig: 5 dargestellte, beweisen dies. Man sieht hier, dass vom Nervensystem aus ein der Oeffnung entsprechender Kegel (Trichter) herabragt. Durch die nothwendig eintretende Zerrung bei der Schnittführung ist der Zusammenhang gelöst, aber der scharfe Bruch und die Erhaltung einiger Bindegewebsfasern lassen keinen Zweifel über das wirkliche Verhältniss. Man wird hiernach einsehen, dass ich Kossmann’s Behauptung, wonach diese Organe keine Oeffnungen, sondern Fortsätze der Chorda- platten seien, welche brückenartig das MGLLER’sche Gewebe umfassen, entgegentreten muss. Seine Fig. 4 beweist, wie ich schon früher !) Auf jedes Segment kommen S—9 Paare. Morpholog. Jahrbuch. 2. fi 98 W. Rolph hervorgehoben habe, nichts. Wären solehe Brücken wirklich vor- handen, so müsste jeder Längsschnitt dieselben in grosser Zahl zei- een. Das ist aber nicht der Fall. Verläuft der Schnitt ziemlich genau in der Mediane, so sieht man gar nichts von den Schlitzen. Das wird nur unter sehr günstigen Verhältnissen einmal geschehen, da die Sehnitte wohl stets etwas schräg fallen. Aber auch diese können über das wirkliche Verhältniss Aufschluss geben. Die Schnittebene trifft vielleicht nur ein Paar Schlitze der einen Seite, verläuft dann eine ganze Strecke in dem mittleren Theil der Chorda- scheide, um früher oder später wiederum eine Anzahl Schlitze auf der andern Seite zu treffen. Heben und Senken des Tubus gibt nun leicht darüber Aufschluss, dass wir es nur zum Theil mit wirklich durchschnittenen Oeffnungen zu thun haben, während in der Mehr- zahl der Fälle nur die Basis der Schlitze getroffen ist. Es ist dies um so häufiger der Fall, als die Schlitze nicht senkrecht stehen, sondern schräg, dem Radius der Chordascheide entsprechend. Ein solehes Bild ist das von KossMANN gegebene, und ich habe in Fig. 7 das Resultat einer allerdings sehr schrägen Schnittführung dargestellt. Nur ein Triehter ist voll getroffen, die übrigen sind nur angeschnitten. Was endlich Kossmann’s Fig. 3 betrifft, einen hori- zontalen Längsschnitt, so sind seine hier mit ch bezeichneten Chorda- zellen eben jene Faserzellen des Mürner’schen Gewebes. KossMANN selbst zeichnet den Kern derselben, wenn ich anders das Bild recht verstehe, nicht in dem Maschenraum, noch an die Wand der Masche gedrängt, wie es bei typischen Chordazellen zu sein pflegt, sondern in den Ecken des Maschenwerks selbst gelegen. Kurz, was er für grossblasige Zellen erklärt, sind die Lückenräume zwi- schen den Fasern eines reticulären Gewebes. Die Chordascheide besteht aus zwei Schichten , einer inneren und einer äusseren. Die innere umzieht die Chorda in gleichbleiben- der Dieke, die äussere variirt in ihrer Stärke. Letztere trägt in der Medianlinie auf der Dorsalseite, wie auf der Bauchseite einen Längs- wulst, der also in die Rückenhöhle resp. in die Bauchhöhle einspringt. Die innere zeigt concentrische Streifung, die äussere parallele Längs- streifung. Die Behandlung mit Kali aceticum lässt auf Längs- schnitten die innere Scheide senkrecht gestreift, die äussere längs- streifig erscheinen. Ich halte die erstere Erscheinung für den Ausdruck von Porencaniilen.. Nach aussen hin ist: die äussere Chordascheide von einem Endothel bekleidet, welches ihr überall folgt. Nur sie geht durch Aussendung dorsaler und ventraler Fort- Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 99 sätze in die Bildung der Neurapophysen und Haemapophysen ein. Kerne habe ich weder in der einen, noch in der anderen entdecken können. _ Vielleicht ist die innere Scheide als cuticuliire aufzufassen, und in Be- niehung zu setzen mit dem inneren endothelartigen Belag, der wahr- ~ scheinlicherweise als Chordaepithel zu deuten ist. Was nun die Bedeutung dieser so verschiedenen in der Chorda des Amphioxus auftretenden Gewebe angeht, so muss die Entscheidung darüber aufgespart werden, bis wir die Entwicklung dieses Organes, das sich sonach complieirter erweist, als die Chorda aller übrigen Wirbelthiere, genauer kennen. KowALEwsKY’s Angaben sind zu ober- flächlich, um in dieser Frage etwas zu entscheiden. Er sagt (l. e. pag. 8): Die Chorda dorsalis besteht aus deutlicher Chordascheide und aus einer centralen Partie, aus homogener Substanz und in der- selben sich bildenden stark lichtbreehenden unregelmässigen Körpern. Diese Körperchen bestanden anfänglich aus sehr kleinen stark licht- brechenden Körnchen, welche allmählich zu jener Form auswachsen. Zugleich aber erscheinen in der homogenen Substanz neue ähnliche Körper, welche sich anfangs ganz in der Nähe der Scheide bilden. dann allmälig auswachsen und sich zwisehen die schon vorhandenen einschieben. Auf der entgegengesetzten Seite der Chorda geht der- selbe Process vor sich, und die entgegenwachsenden Substanzen verschmelzen. So entstehe die Reihe von Plättehen , welche die Chorda bilden. Diese seien demnach keine Zellen, und die Chorda bestehe somit aus einer Scheide und aus der letzten ausgeschiedenen Substanz. Ich gestehe, dass diese Beschreibung nicht im Stande ist, mir ein deutliches Bild der Entwicklung der Chordaplatten, namentlich in ihrer Beziehung zu den ursprünglichen Chordazellen, zu ge- ben. Auch glaube ich nicht, dass die angefügte Vergleichung det Chordaentwicklung bei Amphioxus und den Ascidien zum Verständ- niss wesentlich beiträgt. KowALkwsky fährt fort: In ähnlicher Weise wie beim Amphioxus, bildet sich die erste Anlage der Chorda der Ascidien als eine einfache Reihe von Zellen. Zwischen denselben lagert sich eine festere Substanz ab, welche die eentralen Partien aller Zellen verdrängt und endlich zusammenschmilzt, eine feste Achse bildend, welehe nur darin von der Chorda dorsalis des Amphioxus abweicht, dass sie bei dem letzteren aus einer Reihe von mit ein- ander nicht zusammengeschmolzenen Plittchen, bei Ascidien aber aus zusammengeschmolzenen besteht. Die Ansicht, die ich mir aus diesen Angaben, sowie den bei- i* 100 W. Rolph Die ursprünglichen in einer einzigen Reihe perlschnurförmig anein- anderliegenden Chordazellen scheiden auf ihrer Oberfläche eine In- tercellularmasse ab. Diese Ausscheidung beginnt unregelmässig (ring- förmig?) in der Nähe der Chordascheide. Schliesslich stossen aber die gegebenen Abbildungen!) ableiten zu müssen glaube, ist folgende: / ausgeschiedenen Massen in der Mitte zusammen. Das Resultat dieses Processes ist also die Herstellung platter diskusförmiger Zellen, auf deren beiden Wänden eine jetzt gleichmässig dicke Masse von stark lichtbrechender Substanz abgelagert ist. Da nun die abgeschiede- nen Massen aufeinanderfolgender Zellen nicht mit einander ver- schmelzen sollen, so erhielten wir in der Chorda des Amphioxus eine grosse Zahl von aufeinanderfolgenden, senkrechten, durch einen Zwischenraum getrennten Scheiben. Diese Zwischenräume würden eine ganz verschiedene Bedeutung haben und alternirend aufein- _ ander folgen. Die einen (der 1ste, 3te, 5te, 7te) würden den Rest des Proto- plasma der Chordazelle nebst Kern enthalten, die anderen (der 2te, Ate, 6te ete.) würden einen secundär entstandenen in letzter Instanz der Leibeshöhle zuzurechnenden Hohlraum darstellen. Letz- terer Raum würde sich nun durch das Wachsthum des Thieres mehr und mehr vergrössern, ersterer durch fortdauernde Ausscheidung fester Masse auf Kosten des Protoplasma mehr und mehr verklei- nern, ja vielleicht ganz oder zum grössten Theil schwinden, indem sich die Zellwände zugleich aneinanderlegen. Die beschriebenen Kerne nebst Protoplasmahof dürften nun vielleicht als solche Reste des ursprünglichen Zellinhaltes zu deuten und mit den auf pag. 95 beschriebenen, in den Chordascheiben liegenden Spalten in Beziehung zu setzen sein2). Ich bemerke ausdrücklich, dass diese Deutung nur ein Versuch ist, faute de mieux, den ich mich freuen würde corrigirt zu sehen. Ich gestehe zu, dass sich manches dagegen sagen lässt, doch scheint er mir wenigstens den Vorzug zu haben, dass er in nicht allzugezwungener Weise die definitive Bildung der Chorda aus der Entwicklungsgeschichte erklärt. KOwALEwsKY gibt zwar, wie oben gesagt, an, dass die lichtbrechende Substanz von der Chorda- ') An der Richtigkeit der von KowALkwsKY gegebenen Figuren zweifle ich um so weniger, als Prof. Mrrssner’s Originalzeichnungen dieselben Bilder zeigen. 2) Die mehrfach fälschlich Goopstr untergeschobene Ansicht, dass die Chordascheiben riesige Zellen seien, würde hierdurch wieder aufgenommen sein. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 101 scheide abgesondert werde, doch stimmen hiermit weder seine eige- nen Figuren, noch die Thatsache, dass dieselbe nie an der Chorda- scheide selbst auftritt, sondern in einiger Entfernung von ihr. Und wie sollte denn dieser Vorgang mit der Bildung der Chorda bei den Ascidien vereinigt werden können, wo die Ausscheidung sicher nicht von der Chordascheide aus, sondern zwischen den Chorda- zellen erfolgt ? Lässt man diese Erklärung gelten, so würde man natürlich das Mürter’sche Gewebe als secundäre Bildung aufzufassen haben. Stammt es vielleicht von der endothelartigen Auskleidung der innern Wand der Chordascheide ab, welche auch KowALEwsKy (Il. e. Taf. II Fig. 29%) zeichnet? oder ist es durch die Schlitze der Chorda- scheide eingewandert? Wie dem auch sei, es ist jedenfalls ein reti- culiires Gewebe, in dessen Maschenräumen Lymphe fliesst. W. MÜLLer’s Ansicht von der Bedeutung der Schlitze der Chordascheide als Ernährungsorgan der Chorda würde dadurch an Wahrscheinlich- keit gewinnen. Der sog. Mundknorpel hat in seinem histologischen Bau soviel Aehnlichkeit mit der Chorda, dass man ihn jenem Organe nothwen- dig anschliessen muss. QUATREFAGES war es, der zuerst hierauf hin- wies, und SriepA hat es bestätigt. Der Mundring ist vollkommen symmetrisch gebaut. Er besteht jederseits aus etwa ein Dutzend (die Zahl ist variabel) kurzen Glie- dern, welche von hinten nach vorn allmälig an Stärke abnehmen, An ihrem vorderen Ende tragen sie einen Seitenzweig, den Cirrus- stab. Man kann die Form des Organes am besten mit den antennae pectinatae vieler Coleopteren vergleichen. Auf Querschnitten durch die Mundhöhle findet man, dass der Mundring in dem stark verdiekten Saum der Lippen liegt (ef. STIEDA. Taf. I Fig. 2, sowie meine Fig. 8 u. 10 auf Taf. V). Man erkennt hier den kreisrunden Querschnitt desselben in einer Höhle liegen, mit deren Wand er durch einen Strang glashellen Gewebes verbun- den ist (Fig. 8 sch). In diesem Hohlraum liegt die sowohl die Lippen als die Cirren bewegende Muskulatur, und zwar erstere in dem grossen äusseren, letztere in dem kleinen inneren Raum. Der von mir gegebene Querschnitt hat den Ring nahe der Basis eines Gliedes getroffen, so dass der Cirrus des vorhergehenden (ce) und der des zweitvorhergehenden (c,) mit auf demselben erscheinen. Wie bei der Chorda der Fall ist, so können wir auch hier zwischen Hülle und Inhalt unterscheiden. Wie dort ist auch hier die 102 W. Rolph Hiille zweischichtig. Wie dort finden wir den Inhalt aus Querplat- ten (P) zusammengesetzt, und auf dem Querschnitte bemerken wir gleichfalls eine zarte Querstreifung. Aber die Uebereinstimmung geht noch weiter. Auf feinen Schnitten erkennt man unter Anwen- dung starker Vergrösserungen in den Platten deutliche Kerne, und an der Innenwand der Scheide tritt, allerdings minder deutlich ein endothelartiger Beleg auf. Die innere Scheide zeigt concentrische Streifung , die äussere ist an ihrer Aussenwand mit Endothel be- kleidet. Auf dem Querschnitt der Cirren wiederholen sich im kleineren Massstabe dieselben Verhältnisse (Fig. 9). Der stützende Stab zer- fällt in die zweischichtige Scheide und den Inhalt, der gleichfalls aus Scheiben besteht. Doch habe ich hier keine Kerne finden kön- nen, ebensowenig eine endothelartige Auskleidung der inneren Scheidenwand. Die äussere Scheide zeigt hier ein besonderes Ver- halten. Sie umschliesst durch zwei dachförmig convergirende Fort- sätze eine Höhle (y), deren Innenwand mit spindelförmigen Kernen bekleidet ist, und deren Lumen einen gekörnten Inhalt, vermuthlich die Querschnitte zarter kernhaltiger Fasern birgt. Die äussere Um- gebung der Scheide bildet das theils ein-, theils mehrschichtige (?) Cylinderepithel. Nach dieser Auseinandersetzung ist es klar, dass Inhalt, innere und äussere Scheide des Mundringes und der Chorda einander ent- sprechen; ja, zwischen den äusseren Scheiden beider Organe besteht sogar ein direeter Zusammenhang. Die Platte Fig. 8 sch,, welche, wie oben erwähnt, den Mundring mit der Wand der die Lippenmus- kulatur einschliessenden Höhle verbindet, ist nur ein Fortsatz der äusseren Scheide. Diese stösst hier auf das sog. Unterhautgewebe (U) und verläuft nun, sich zwischen dieses und die das Mundhöhlen- epithel tragende Bindegewebsplatte einschiebend, die ganze Mund- wand hinauf (vergl. Taf. V Fig. 10). Wo die Rumpfmuskeln be- ginnen, geht sie continuirlich in die ventralen Fortsätze (Haemapo- physen) der äusseren Chordascheide über. Auf den Bau der Kiemenstiibchen werde ich bei der Beschrei- bung des Kiemenkorbes näher eingehen. Die Muskulatur des Amphioxus zerfällt in Längsmuskeln des Stammes und Quermuskeln des Bauches, ferner in die Muskulatur des Mundringes und der Cirri, sowie des sog. gefransten Ringes und des Afters. Die Ligamenta intermuscularia machen sich schon äusserlich Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 103 leicht bemerkbar. Sie sind Fortsetzungen der äusseren Chorda- scheide, von der sie sich in nichts unterscheiden. Ihre Lagerung ist jedoch bei Amphioxus anders, als bei den übrigen Fischen. Wäh- rend sie dort dütenförmig in einander eingeschoben sind, stehen sie hier, unter einem spitzen nach hinten offenen Winkel gegen einander geneigt, senkrecht auf der Längsachse des Thieres, ein Verhältniss, welches zuerst GRENACHER !) betonte. Die so gebildeten Myocommata werden demnach nach innen durch die Chordascheide resp. die von die- ser ausstrahlenden apophysenartigen dorsalen oder ventralen Platten begrenzt (vergl. Fig. 22 Taf. VI), nach aussen durch eine direete Fortsetzung?) der Ligamenta intermuseularia. Die Wand der Myo- commata wird also allseitig durch dasselbe Gewebe gebildet, ein Gewebe, das stark lichtbrechend ist, bei der Behandlung mit Kali aceticum eine sehr zarte Streifung zeigt, und nirgends mehr geformte Elemente in Gestalt von Zellen oder Kernen erkennen lässt. Die Innenwand der Räume ist überall mit Endothel ‚bekleidet. Der gesammte muskulöse Inhalt zerfällt in eine grosse Zahl platter, bandartiger Streifen, die ihrerseits wiederum aus vielen ein- zelnen deutlich quergestreiften Fibrillen bestehen. Kerne, welche unter allen Autoren einzig von Srıepa beschrieben werden, habe ich nur im Sphincter ani gefunden). Auf feinere Details glaube ich nicht eingehen zu sollen, da mir die Vergleichung der Bilder mit dem frischen Gewebe nicht möglich ist. Die Bauchmuskulatur (Bm) erstreckt sich vom Beginn des Kie- menkorbes an bis an den Porus, nicht aber, wie SrıspA sagt, bis an den After. Sriepa hat sich vermuthlich durch den Sphincter ani tiuschen lassen. Sie besteht, wie ich mit diesem Autor gegen Goopstr, RATHKE, J. MULLER und QUATREFAGES hervorheben muss, nur aus Querfasern. Eine in der Mitte der Bauchwand entlanglaufende Nath, die Raphe (Taf. VI Fig. 22 R), trennt die Muskulatur in zwei platte Bänder, die sich mit ihrem seitlichen Rand an der Körperwand befestigen, und zwar in einer Linie, die durch die untere Grenze der Stammmuskulatur markirt wird. Nur am Porus steigt die letztere unter die Ansatzlinie der Bauchmuskulatur (Taf. VI Fig. 17) herab. Die Querausdehnung des Bauchmuskels ist hiernach eine ver- !; Muskulatur der Cyclostomen und Leptocardier. Zeitschr. f. wiss. Zool. XVII. 1867. pag. 577. 2) STIEDA (l. e. p. 16) bezeichnet diese als Fascia muscularis externa. 8) Die Existenz derselben wird durch LANGERHANS ausser Frage gestellt. 104 W. Rolph schiedene. Sie ist verhältnissmässig am grössten im vorderen Ab- schnitt des Körpers, wo sie zugleich einen stark nach aussen con- vexen Bogen bildet, am geringsten in der Nähe des Porus. Aber auch die Dichtigkeit des Muskels ist eine verschiedene , indem die Fibrillen nicht überall gleich eng aneinander liegen. Am straffsten und dichtesten ist derselbe im Bereich des mittleren Körperabschnit- tes, weiter nach vorn, noch viel entschiedener aber in der Nähe des Porus, heben sich die Fibrillen von einander ab, und stellen dann, ebenso wie in der Poruspapille selbst, ein lockeres Geflecht dar. In gleicher Weise macht sich auch eine Differenzirung in der Querrich- tung des Körpers, der Längsrichtung der Fasern geltend, am deut- lichsten ebenfalls in der Gegend des Porus. Die seitlichen Köpfe sind straff gespannt, am inneren Rande der durch diese überbrück- ten sog. Seiteneanäle aber lösen sich die Fibrillen auf und verthei- len sich mehr oder weniger deutlich in zwei aufeinanderliegende lockere Bündel, welche zuweilen übers Kreuz mit Durchbrechung der Raphe in einander übergehen. GooDSIR, J. MÜLLER, RATHKE, QUATREFAGES und REICHERT!) geben an, dass die Bauchmuskulatur nicht quergestreift sei; sie werden hierin durch MARCUSEN, GRE- NACHER und SrrepA berichtigt. In der That sind die Fibrillen die- ser Muskeln viel zarter, als die der Stammmuskeln, und namentlich dort, wo sie locker liegen, selbst bei Anwendung starker Vergrösse- rungen nieht immer sofort als quergestreift nachzuweisen. Wo die Fibrillen gespannt sind, gelingt dies auf den ersten Blick. Die Muskeln des Mundringes und der Cirri liegen in den diese Organe umgebenden Höhlen, die schon oben erwähnt sind (ef. Fig.‘ 8 und 10 Taf. V). StrepA hat sie nicht finden können, da sie auf Querschnitten leicht herausfallen. Erstere, in dem grösseren äusseren Hohlraum gelegen, begleiten den Mundring in ganzer Länge, während letztere an die einzelnen Glieder des Mundringes geheftet, divergirend an die Basis des entsprechenden Cirrus treten. Sie sind quergestreift, ebenso wie der Muskel des gefransten Ringes, dessen Form bei Be- trachtung der Mundhöhle näher beschrieben werden wird. WırH. MÜLLER?) erwähnt zarte Muskeln, welche die ventralen Enden der Kiemenstäbehen verbinden sollen; ich habe dort keine ') Archiv f. Anat. u. Physiol. 1870 pag. 755. 2) Die Hypobranchialrinne ete. des Amphioxus und der Cyclostomen. Jenai- sche Zeitschrift f. Med. und Naturw. VII. 1873. pag. 329. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 105 gefunden, wie ich auch am ganzen Darmtractus nicht einer einzigen Muskelfaser begegnet bin. Ebensowenig habe ich an den Kiemen- leisten Muskeln finden können, welche im Stande wären den Kie- menapparat zu bewegen. Weder J. MÜLLER, welcher solche Bewe- sungen am lebenden Thiere gesehen hat, noch QuATREFAGES, der hierauf recurrirt, sprechen mehr als eine Vermuthung über die Exi- stenz solcher Muskeln aus, doch lässt sich an ihrem Vorhandensein nicht zweifeln. Sie müssen eben äusserst zart sein. Nur am vor- dersten Ende des Kiemenkorbes , dort wo die Kiemenhöhle paarig ist, fand ich unter der Bauchrinne, ef. Fig. 14, eine dünne Schicht zarter Muskeln !). — Es scheint mir hier der richtige Ort die Be- schreibung des Porus und der Poruspapille einzufügen, welche noch nirgends eingehendere Berücksichtigung erfahren haben. Der ein- zige J. MÜLLER gibt an, dass die Papille zweilippig sei, und musku- löse Wandungen zu haben scheine. Der Porus liegt etwa zwei Fünftel der Gesammtlänge des Thie- res von der Schwanzspitze entfernt, an der Spitze einer Papille, die in Form einer Halbkugel oder eines Kegels zwischen den ver- streichenden Seitenfalten hervorragt. Die Wandungen der Papille sind muskulös und sehr veränderlich, wodurch die Formverschieden- heiten, die man bei den einzelnen Individuen bemerkt, welche aller- dings niemals sehr erheblich sind, erklärt werden. Ich beginne mit der Beschreibung eines Längsschnittes, welcher mir am geeignetsten scheint die Form des Organes zu erklären (Taf. VI Fig. 19); er ist genau durch die Oeffnung der Papille, den Po- rus (P) geführt. Man erkennt an diesem Bilde, dass die Papille durch eine kegelförmige, an der Spitze durchbohrte Aufwulstung der Bauchmusku- latur (Bm) gebildet wird. Diese letztere zeigt überall die schon oben beschriebene Auflockerung ihrer Fasern, welehe natürlich querdurch- schnitten sind. Während die vordere Wand der Papille keine besonderen Eigenthümlichkeiten zur Schau trägt, zeigt die hintere muskulöse lappenförmige Verdickungen (Zp), welehe in das Lumen der Papille einspringen. Das Kiemenhöhlenepithel (Z,), das nach innen und oben die Mus- kulatur bedeckt und die Innenwand der Papille auskleidet, geht in « 1) LANGERHANS gelang es sowohl hier, als an vielen anderen Stellen des Kiemendarmes Muskeln zu finden. 106 W. Rolph der Oeffnung (P) direct in das Epithel der Haut über, von welchem es sich weder durch Höhe, denn letzteres ist hier auffallend niedrig, noch sonst irgendwie unterscheidet. Nur vor der Papille und auch noch theilweise an deren vorderer Wand zeigt es eine bemerkenswerthe Modification. Es ist hier in hocheylindrische Form umgewandelt (N) und zu Organen umgebildet, die als Nieren gedeutet und später ihre genaue Beschreibung finden werden. Die Querschnitte Fig. 17 u. 15 werden etwaige Lücken in der Vorstellung leicht ausfüllen. Ersterer zeigt einen in der Linie a—a geführten Schnitt, der also noch die Vorderwand der Papille getrof- fen hat. Die sog. Nieren haben eine auffallend mächtige Aus- dehnung , wie man es einzig bei völlig geschlechtsreifen Thieren, deren Inneres von Geschlechtsproducten vollgepfropft ist, findet. Sie ragen noch in das Lumen der Papille herab. In der Medianlinie erkennt man die Raphe- (A). Fig. 18 ist ein in der Richtung 8 —B geführter Querschnitt. An der hier wieder in Form einer Brücke erscheinenden Quermuskulatur hängt ein muskulöser Ring, in den von oben her zwei Lappen hineinragen. Der Ring ist der Quer- schnitt der Papillenwand; die Lappen (Lp) füllen fast das Lumen aus. Es geht aus diesem Bilde hervor, dass das in Fig. 19 mit Lp bezeichnete lippenförmig herabhängende Organ nur die gemeinschaft- liche Basis jener paarigen Lappen repräsentirt. Es muss noch be- sonders hervorgehoben werden, dass die Raphe verschwunden ist. Die Bauchmuskulatur des Amphioxus darf nicht in Homologie gestellt werden mit der Bauchmuskulatur der übrigen Wirbelthiere. Wir werden später sehen, dass sie ein specifisch entwickeltes, nur diesem einen Thiere zukommendes Organ ist. Ueber die Funetion des Bauehmuskels und des Porus haben uns die Beobachtungen derjenigen Autoren aufgeklärt, welehe das Glück gehabt haben, die Thierchen lebendig untersuchen zu können.. Durch die Contractionen desselben werden das Athmungswasser und die Geschlechtsproducte , sowohl Samen als Kier, durch den Porus, dessen Wandungen sich an den rhythmischen Bewegungen be- theiligen, entleert. Der Sphincter ani wird bei Behandlung des Darmes beschrieben werden. Was das Nervensystem ') betrifft, so haben meine Untersuchungen 1) LANGERHANS Untersuchungen liefern uns gerade hierüber sehr dankens- werthe Details. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 107 dem schon Bekannten nichts wesentlich Neues hinzuzufügen ver- mocht. Ich kann mich im Allgemeinen darauf beschränken die An- gaben STIEDA’s zu bestätigen. Leider ist es mir nicht gelungen in der von OWSJANNIKOW!) angegebenen Weise das Nervensystem zu isoliren. Ich war daher genöthigt mich auf das Studiren von Schnit- ten zu beschränken. Wenn diese nun auch für die Untersuchung der feineren Details ausreichen, so vermögen sie doch über manche sröbere Fragen keinen hinreichenden Aufschluss zu geben. Endlich dürfte auch zur Erforschung der zartesten histiologischen Verhältnisse die Zuziehung frischen Materials erforderlich sein. So muss ich die Frage offen lassen, ob die bekanntlich abwechselnd an der Dorsal- und Ventralseite vom Riickenmark entspringenden Spinalnerven durch eine Commissur nahe ihrer Basis verbunden sind. Man kann sich, wie auch STIEDA angibt, leicht davon überzeugen, dass der obere einen starken nach unten ziehenden Zweig abgibt, aber niemals ist es mir gelungen die Identität dieses mit jenem nachzuweisen, welcher von dem ventralen Spinalnerv nach oben abgeht. Ich habe über- haupt dem ventralen Stamme niemals weit folgen können. Er ver- schwand spurlos in der Muskulatur. Anders der dorsale Spinalnerv. Nachdem derselbe nahe seiner Basis den nach unten ziehenden Ast abgegeben hat, setzt er sich unverzweigt bis in die Haut fort. Hier (Taf. VI Fig. 22) theilt er sich in einen dorsalen und einen ventra- len Ast. Ersterer (») erstreckt sich bis an die Rückenflosse, letzterer (2,) verläuft in derselben Weise herab bis in die Seitenfalten. Beim Eintritt in dieselben theilt er sich in zwei Aeste, deren einer (»,) an der Aussenwand der Seitenfalte hinzieht; der andere durchläuft die Seitenfalte in querer Richtung, um in die Bauchmuskulatur überzutreten, in der er sich nicht weiter verfolgen liess. Zuvor jedoch gibt er noch einen Zweig ab (n;), welcher, x, parallel, an der innern Wand der Seitenfalte verläuft. Was die feinere Ver- zweigung betrifft, so kann man dieselbe oft bis direct an das Epi- thel verfolgen. Der Hauptast (Taf. VI Fig. 25 »,) gibt unter ziemlich rechtem Winkel kurze Seitenzweige ab, die selbst wieder in Thei- lung übergehen , oder sich mit ihren Nachbarn verbinden können. Beim Eintritt in die Cutis c verliert der Nerv seine deutliche Con- tour, und ist von nun an nur noch als stark lichtbrechender Streif zu erkennen. Als solcher lässt er sich bis an die Basis der Epithel- 1) OWSJANNIKOW. Ueber das Centralnervensystem des Amph. Melanges Biologiques. VI. pag. 427. 108 W. Rolph zellen verfolgen. Die Cutis zeigt an jenen Stellen, wo ein Nerv sie durchbohrt, eine feine rissartige Streifung. Die von LEUCKART und PAGENSTECHER!) entdeckten, in den Win- kel, den die auseinanderweichenden Endzweige bilden, eingeschobe- nen Ganglienzellen, habe ich am Kopftheil des Thieres mehrfach gesehen, mir jedoch kein sicheres Urtheil über diese Organe bilden können. Die Hohlräume, in welchen die Nerven verlaufen, werden von einer zarten Hülle ausgekleidet, welche spindelförmige mit Carmin sich leicht färbende Kerne zeigt. Die Sinnesorgane, das sog. Auge und die Geruchsgrube, habe ich keiner näheren Untersuchung unterworfen, da ich glaube, dass sich entscheidende und sichere Resultate nur durch die Beobachtung des lebenden Thieres und die Behandlung der frischen Organe erreichen lassen. Die Haut des Amphioxus scheint besonders eingehender Unter- suchung werth, da sie einen gänzlich anderen Bau zeigt, als die aller übrigen Wirbelthiere. Ich nehme mit Sriepa drei Lagen an: Die Epidermis, die Cutis und das Unterhautgewebe. Ueber das einschichtige Cylinderepithel, welches die Epidermis zusammensetzt, ist nur wenig zu bemerken. Es besteht aus prisma- tischen Cylinderzellen mit porösem breitem Cuticularsaum und deut- lichem an der Basis liegendem Kern. Ihre Höhe ist nicht überall dieselbe. Sie ist viel bedeutender auf dem Rücken und an den Flanken des Thieres, als auf dem Bauche zwischen den Seitenfal- ten. Hier haben sie oft nur eine Höhe von 0,008, ja, auf der Porus- papille erhalten sie kubische Gestalt, d. h. eine Höhe von etwa 0,005 und weniger. Die unter dem Epithel folgende Hautschicht, die Cutis, ist überall von ziemlich gleicher Dicke. Sie ist sehr stark lichtbrechend ') Archiv für Anat., Physiol. u. wiss. Med. 1858 pag. 558. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 109 und zeigt zarte concentrische Streifung. Sie setzt sich stets scharf von dem unter ihr liegenden Gewebe ab, und zeigt nie Kerne. Dieses, das Unterhautgewebe Sriepa’s, zeigt viele sehr bemer- kenswerthe Eigenthümlichkeiten. Es erlangt an manchen Stellen des Körpers eine bedeutende Mächtigkeit, besonders in der äusseren Wand der sog. Seitenfalten. Das Gewebe weist überall den gleichen mikroskopischen Bau auf. Es besteht aus einer sehr stark das Licht brechenden homogenen Substanz (Taf. VI. Fig. 25 U), welche in der Querrichtung durch äusserst feine geschlängelte Fasern durchzogen ist. Vermuthlich ist diese Schlängelung eine durch die Contraction des elastischen Ge- webes bei der Erhärtung hervorgerufene Erscheinung; F. E. SCHULZE stellt dieselbe Vermuthung auf bei Betrachtung der elastischen Fa- sern, welche die Gallertschicht der Glocke der Sarsia tubulosa ') durchziehen. Die Aehnlichkeit dieses Gewebes mit jenem, sowie besonders mit dem Fasergewebe der Lucernarien, ist übrigens sehr frappant. Ich habe schon oben beschrieben, dass das Unterhautgewebe von den an das Epithel tretenden Nerven reichlich durchsetzt wird. Es wird jedoch noch von einem anderen System von Hohlräumen durchzogen, welches mit jenen nicht verwechselt werden darf. Weder J. MüLLER, welcher es zuerst gesehen zu haben scheint. noch Marcusen, der es dem Blutgefässsystem zurechnet, noch Qua- TREFAGES und REICHERT geben eine zutreffende Beschreibung davon. STIEDA glaubt, dass die besagten Canäle mit den Hohlräumen der Flossen in Zusammenhang ständen, während er ihre Commu- nication mit dem Gefässsystem leugnet. In letzterer Annahme stimme ich ihm vollkommen bei2), während ich die erstere in Frage stellen muss. Es ist mir niemals gelungen eine solche Verbindung nachzu- weisen. Die Untersuchung lebender Thiere muss auch in dieser Be- ziehung abgewartet werden. Das System der Unterhautcaniile findet sich besonders reich entwickelt in der Seitenwand des Mundes, in der Aussenwand der Seitencanäle und in der Kopf- und Schwanzflosse. Sie verlaufen, sich allmälig verengernd, schräg von vorn nach hinten, bilden mannigfache Anastomosen und zeigen an solchen Stellen nicht unbedeutende Er- weiterungen ihres Lumens. Taf. VI Fig. 25 zeigt einen Querschnitt una ) Syncoryne Sarsii und Sarsia tubulosa. Leipzig 1873. 1 2) ebenso auch LANGERHANS. 110 W. Rolph durch die Seitenwand des Seitencanales. Neben dem Nerv (#2) ver- läuft ein geschlängelter Hohlraum, der oben durchschnitten ist (Aa). In der Mitte findet sich ein kleineres durch die Sehnittführung ge- öffnetes Lumen, der Querschnitt eines Seitenzweiges des Canals. Die Wandung desselben zeigt sich ausgekleidet durch eine feine Hülle, welcher spindelförmige in das Lumen einspringende Kerne eingelagert sind. Ich habe niemals wie SriepA im Inneren des Ca- nals Gerinnsel gefunden. Hohlräume von bedeutenderem Querschnitt, aber in ihrem son- stigen Aussehn mit den eben beschriebenen völlig übereinstimmend fand ich in einem Gewebe, welches mit dem Unterhautgewebe grosse Aehnliehkeit hat. Sehr oft, ja meistens findet man, dass die Seiten- platten der äusseren Chordascheide, welche das Nervensystem um- fassen, sich nach kurzem Verlaufe in zwei Blätter theilen, von denen das innere Paar bogenförmig in einander übergehend das Nerven- rohr umfasst, das äussere jedoch dachförmig gegeneinander sich neigt (Taf. VI Fig. 22 und Taf. VI Fig. 26 sch,), und so ein Gewebe umschliesst, welches zum grössten Theil aus structurloser, gallertiger Masse besteht, sich jedoch durch die Anwesenheit elastischer Fasern (Fig. 26) gleichfalls als ein elastisches Gewebe documentirt. Der Hohlraum (4) ähnelt vollkommen jenem Canalsystem. Ob er blind- geschlossen ist, oder mit anderen Höhlen eommunieirt, weiss ich nicht zu sagen. Sein plötzliches Auftreten, sowie sein ebenso schnel- les Verschwinden, lässt mich letzteres nicht vermuthen. Auch seine Bedeutung ist mir räthselhaft. Die Seitencaniile haben von jeher die Aufmerksamkeit der Be- obachter gefesselt, und man hat ihnen eine Wichtigkeit und Bedeu- tung zugeschrieben, die ihnen meiner Ueberzeugung nach gar nicht zukommt. Der Entdecker derselben, RATHKE, beschreibt, dass sie durch eine schlitzförmige Oeffnung jederseits der Mundhöhle mit letz- terer communiciren. J. MÜLLER bestätigt diese Angabe, die bis in die neueste Zeit allgemein für richtig gehalten wurde. HAECKEL !) suchte in ihnen das Rudiment einer verloren gegangenen Urniere, ein Homologon des Schleifencanales der Würmer, und vermuthet, dass sie die Geschlechtsproducte nach aussen leiten. SrrepA2) leugnet die Mündungen in der Mundhöhle und beschreibt die Canäle als !) Gastraea-Theorie und Anthropogenie pag. 305 u. 321. 2) 176.4 A024 Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 111 blindgeschlossen. Huxtry') endlich hält sie für Artefakte, Brrr leugnet ihre Existenz. Die Seitencaniile des Amphioxus liegen in den sogen. Seitenfalten, welche die flache Bauchwand gegen die Flanken des Thieres absetzen. Diese Seitenfalten erheben sich direet hinter dem Mund, und erlangen etwa in der Mitte des Körpers ihre grösste Ausbildung; weiter nach hinten werden sie niedriger und schwinden hinter dem Porus bei gleichzeitigem Auftreten der Afterflosse, die sich eontinuirlich in die Schwanzflosse fortsetzt. Der Seitencanal (Sc), dessen Querschnitt im Allgemeinen dreieckig ist, be- gleitet die Seitenfalten nur genau bis zum Porus. (Die Figuren 17, 18 und 22 Taf. VI werden das Verhältniss am besten illustri- ren.) Er wird nach aussen begrenzt durch die in Folge der Aus- bildung des elastischen Unterhautgewebes stark verdickte seitliche Wand der Falte, nach innen durch die-dünne mediale Wand der- selben, nach oben dureh einen schnell verschmälerten platten Strei- fen des Unterhautgewebes (ef. Fig. 16 a, 6 u. 22), weleher der que- ren Bauchmuskulatur eng anliegt. bei der Schnittführung meistens abreisst, und wohl um so leichter bisher übersehen werden konnte, als er sich in dem den Canal ausfüllenden Gerinnsel verbirgt. Seine Innenwand ist überall mit einem zarten Endothel bekleidet. Die Ausdehnung des Lumen ist nicht immer gleich gross. Sie hängt einerseits ab von der Zerrung durch die Schnittführung, andrerseits und zwar vornehmlich von dem Alter des Individuums. Sind die Geschlechts- produete voll entwickelt, so gleichen sich nieht nur die Bauchfalten fast aus, sondern es verengt sich auch der Seitencanal. Bis zum Porus hat derselbe die in Fig. 22 dargestellte Gestalt. Hier aber beginnt die Innenwand der Seitenfalte von der Spitze an sich der Aussenwand anzulegen und den Hohlraum dadurch von unten her zu verkleinern. An den ersten durch die Poruspapille gelegten Sehnitten (Fig. 17), wo die Seitenmuskulatur ausnahmsweise bis un- ter die Ansatzlinie der queren Bauchmuskulatur herabreicht, ist diese Verkleinerung schon so weit fortgeschritten, dass die Seitenfalte massiv erscheint. Wenige Schnitte später ist der Canal auf einen kleinen Spaltraum unter der Bauchmuskulatur redueirt. Der auf Fig. 18 dargestellte Schnitt trifft schon die Hinterwand der Poruspa- pille und mit ihr die letzten Ausläufer der Canäle, die auf den fol- genden ganz verschwunden sind. Die massiven Seitenfalten werden immer niedriger (Fig. 27 bis 29 4 Taf. VII), endlich verschwinden sie 1) Nature Vol. IV. No. 267. 112 W. Rolph = völlig, kurz vor dem die Analflosse erscheint (Fig. 30). Die Canäle sind, wie Srıepa richtig behauptet, beiderseits blind geschlossen. RarukE und J. MÜLLER haben sich dadurch täuschen lassen, dass sie eine von der Mundhöhle aus jederseits nach hinten sich ausstül- pende Tasche falsch gedeutet haben. Dieselbe ist mit Epithel bekleidet, wie es sich auch in der Mundhöhle findet, und an ihrem Ende nur durch eine dünne Wand von dem Seitencanal getrennt. Bei der Sondirung wird diese leicht. durchbrochen , wodurch der Weg in den Canal geöffnet und eine künstliche Communieation her- gestellt wird. Bei Injeetionen tritt eine solche Zerreissung weniger leicht ein, und durch diese Methode kann man sich leicht die Ueber- zeugung verschaffen, dass eine Communication nicht besteht. Treibt man von hinten Quecksilber in den Seitencanal, so tritt dasselbe wohl in den Mundsaum ein, aber nie in die Mundhöhle. Ich halte es nicht für unmöglich, dass auch diese Verbindung (des Seitencanals mit der Höhle des Mundsaums, in welcher die Lippenmuskulatur liegt) ein Kunstproduet ist, muss aber jede andere entschieden in Abrede stellen. Man würde die Canäle mit HuxLey als Artefakte ansehen kön- nen, wenn dem nicht ihr constantes Auftreten und ihre Ausfüllung durch ein Gerinnsel, welches durchaus jenem gleicht, das man ge- wöhnlich in der Leibeshöhle findet, widerspräche. Dass dieselber nicht als Leitungsapparate der Geschlechtsorgane sedeutet werden können, geht aus der gegebenen Beschreibung her- vor, und wird auch durch die Beobachtungen (@QUATREFAGES’ und BErT’s bezeugt, welche die Geschlechtsproducte, ersterer die Eier, letzterer auch das Sperma, aus dem Porus austreten sahen!). Die Bauchfalten resp. Bauchcanäle (Bc) sind Bildungen, welche den Seitenfalten und Caniilen an die Seite gestellt werden müssen. Sie zeigen individuelle Verschiedenheiten , welche nicht nur dureh das Alter des Thieres bestimmt werden. Gewöhnlich erheben sich die Bauchfalten (vergl. Taf. VI Fig. 22) in Gestalt mehrerer Längs- wülste zwischen den Seitenfalten. Sie schliessen nicht selten emen !, In meiner ersten vorläufigen Mittheilung (l. e. pag. 22) erwähnte ich das Auffinden eines Eies in zwei aufeinanderfolgenden, in nächster Nähe des Porus geführten Querschnitten. Ich bin immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass hier ein Kunstproduet vorlag. Vermuthlich ist bei der Führung eines der vorhergehenden Schnitte ein oder ein Paar Eier in den offenen Canal hinein- gefallen und in der Folge mit geschnitten worden. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 113 kleinen Hohlraum ein, einen Baucheanal, welcher sich nur durch seine geringe Grösse von dem Seitencanal unterscheidet. Die Wan- dung zeigt dieselbe Endothel-Bekleidung, das Lumen ist durch das gleiche Gerinnsel ausgefüllt. Ich fasse die einen wie die anderen als subeutane Lymphräume auf. Welche Vergleichspuncte es sind, die W. MÜLLER dazu gebracht haben, in den Wandungen des von den Seitenfalten gebildeten Halb- canales mehrfache Aehnlichkeiten mit den Schwellkörpern zu erken- nen !), ist mir unerfindlich. Es bleibt mir in diesem Abschnitte nun noch übrig das Gewebe oder das Hohlraumsystem zu beschreiben , welches in den Flossen des Amphioxus liegt, und in verschiedener sehr widersprechender Weise gedeutet worden ist. Ich muss zuerst hervorheben, dass man als Flosse zwei ganz verschiedene Organe bezeichnet, die nicht mit einander zusammengeworfen werden sollten. Erstens den medianen Kamm, welcher sich die ganze Rückenseite des Thieres entlang erhebt und eine ähnliche, zwar umfangreichere, aber doch weniger bemerkbare Verdiekung, die hinter dem Porus beginnt und bis zum After-reicht, — zweitens die lappenförmigen Anhänge, welche Kopf und Sehwanz ausstatten. Nur letztere verdienen ihrer Gestalt nach die Bezeichnung. Erstere würde man besser Stützapparate der Flosse nennen; ich halte sie für specifische elastische Organe, und bezeichne sie demnach als elastisches Kammersystem des Rückens und Bauches. Schon bei oberflächlicher Betrachtung des Thieres fällt es auf, dass die Rückenerista durch senkrecht verlaufende dunklere Striche in eine grosse Zahl hinter einander liegender, . etwa quadratischer Abschnitte getheilt ist. Die Abschnitte nehmen nach vorn und hinten ab, also gerade da, wo die Flossen beginnen, verkleinern sich die von GOODSIR und J. MÜLLER als Flossenstützen in Anspruch genom- menen Organe. QUATREFAGES? hält sie für die Processus spinosi, MARCUSEN scheint der einzige gewesen zu sein, der ihre Natur als elastische Apparate erkannt hat, wenn ich anders seine sehr kurze Bemerkung richtig verstehe). Ich differire hierin mit Berr‘), wel- cher meint, Marcuszn habe den Inhalt der besagten Abschnitte als !) Winn. MÜLLER. Das Urogenitalsystem des Amphioxus u. d. Cyelosto- men. Jenaische Zeitschrift f. Mediein u. Naturw. 1575. pag. 106. 2) QUATREFAGES |. c. pag. 233. 3) Comptes rendus LIX. pag. 90. 4) Ebenda LXV pag. 365. Merkwiirdiger Weise ist diese Arbeit fast un- bekannt geblieben. Morpholog. Jahrbuch. 2. i? 0) 114 W. Rolph flüssig beschrieben. Brrr trittdem entgegen und bezeichnet denselben als eine feste homogene Substanz ähnlich den Chordascheiben. STIEDA l. e. pag. 22 ff.) lässt die Räume von einem Gerinnsel erfüllt sein. Auf Fig. 24 ist ein horizontaler Längsschnitt durch das elastische Kammersystem der Rückenerista dargestellt. Wir bemerken, dass das Unterhautgewebe, bekleidet von Cutis und Epithel, durch Absendung querer Scheidewiinde eine Zahl von queren Räumen abtheilt. SrızpA zeiehnet dieselben (Taf. V Fig. 11) rhombisch, diese Gestalt ist je- doch nur durch die Zerrung des sehr resistenten Gewebes bei der Sehnittführung entstanden. Die Innenwand des Raumes ist durch ein Endothel ausgekleidet. Den Inhalt bildet eine homogen erschei- nende Masse von unregelmässiger Form. Bald schliesst sie sich ganz eng der Wand an, bald zeigt sie Einbuchtungen oder Ein- schnitte (A,). Letztere zeigen, wie die Wand des Raumes, einen En- dothelbelag. Auf dem Querschnitte erhalten wir das Bild der Fig. 26. Die Crista wird von einer Ausstülpung der Leibeswand gebil- det, an der sich Epithel, Cutis und Unterhautgewebe betheiligen. Letzteres aber sendet nach unten zwei Platten, welche sich X förmig mit den das Nervensystem (und eventuell noch, wie in diesem Falle, das oben beschriebene Gewebe Z) umfassenden, von der äusseren Chordascheide ausgehenden, Lamellen verbinden. So wird ein birn- formiger Raum abgegrenzt, welcher das fragliche Gewebe enthält. Dass wir es hier in der That mit einem Gewebe und zwar einem elastischen zu thun haben, erweist sich nach der Behandlung mit Kali aceticum. Wir sehen dann die deutlichsten geschlängelten und verschlungenen elasti- schen Fasern auftreten, wie die Abbildung zeigt. Der Spalt, welcher das keulenförmig in die Crista hineinragende Organ umgibt und von dem Unterhautgewebe trennt, ist bald mehr, bald weniger regelmässig gestaltet (2,) und allseitig mit Endothel bekleidet. Er zeigt auch auf dem Querschnitt oftmals solche Erweiterungen, wie ich deren schon oben erwähnt habe. An der verschmälerten Basis, und nur hier, hängt die elastische Substanz mit dem Unterhautbindegewebe und dem Gewebe der von der äusseren Chordascheide abgesendeten Plat- ten zusammen, welche gerade hier in der Xförmigen Kreuzung so innig mit einander verschmelzen, dass man sie durch keine Behand- lungsweise optisch von einander trennen kann. Die Fig. 27 bis 31 auf Taf. VII werden ein deutliches Bild von dem Verhältniss des elastischen Kammersystems der Bauchseite geben. SrrepA macht darauf aufmerksam, dass es zweitheilig sei, eine Behauptung, die ich nieht bestätigen kam. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 115 Kurz hinter dem Porus sehen wir in der Bauchwand, welche hier die Form eines flachen Daches hat, beiderseits die unregelmiis- sigen Knollen des Gewebes auftreten, aber diese Zweitheilung kommt nur dem vordersten Ende zu. Gleich darauf zeigt sich das Gewebe in Form einer Platte, die an der Dorsalseite mit dem Unterhaut- .gewebe verschmilzt und an der Bauchseite eine Reihe unregelmässiger Buchtungen und Einschnitte zeigt, welche wie oben dem Spaltraum h, angehören und mit Endothel bekleidet sind. Fig. 29 zeigt das Gewebe beim Verstreichen der Seitenfalten, Fig. 30 beim Auftreten der Afterflosse. Es hat hier die Gestalt eines Fünfecks angenommen, die es bis zum After, wo es verschwindet, beibehält. Auf einem Längsschnitt präsentirt sich das Organ unter der in Fig. 19 Taf. VI dargestellten Form. Hier markiren sich am deut- lichsten die unregelmässigen knollenförmigen Auswüchse, welche die _ einzelnen Kammern bald mehr, bald weniger ausfüllen. Sehen wir von der Chorda ab, so finden wir, dass das Binde- gewebe des Amphioxus überall in sehr auffallender Form uns ent- gegentritt. Nirgends mehr enthält es geformte Elemente in Gestalt von deutlichen Zellen oder Kernen, und nur in dem elastischen Gewebe der Unterhaut und des elastischen Kammersystems sind deutliche Fasern nachzuweisen , eingebettet in eine mächtig ent- wickelte, gallertartige, homogene Zwischensubstanz. Weder in der äusseren Chordascheide, noch in ihren Ausstrahlun- gen (der häutigen Umhüllung des Rückencanals und der Leibeshöhle, den Ligamenta intermuseularia, der- sog. Fascia superficialis externa) ist mehr, als eine äusserst zarte faserige Streifung zu erkennen. Ebenso in der Cutis und in der Bindegewebshülle des gesammten Darmapparates mit ihren localen Verdickungen, den Kiemenstiibchen. Alle diese Gewebe zeigen eine so frappante Uebereinstimmung, dass sie nur dureh ihre Lage von einander zu unterscheiden sind. Wo sie aneinander liegen sind sie meist gar nicht von einander zu unterscheiden. Nur selten markirt eine feine dunklere Linie die Grenze. Der Darmtractus verläuft dieht unter der Chorda hinziehend in gerader Richtung durch das ganze Thier. Er beginnt mit einer weiten Mundöffnung und endigt mit der asymmetrisch links liegen- den Afteröffnung. Der ganze Apparat zerfällt in zwei Abschnitte, einen respirato- rischen, den Kiemenkorb, welcher sich an die Mundhöhle anschliesst, und einen verdauenden, den eigentlichen Darm. Im Gegensatz zu allen anderen Kiemenathmern sehen wir den S* 116 W. Rolph respiratorischen Abschnitt des Darmes beim Amphioxus zu gewaltiger Länge entwickelt. Er nimmt fast die Hälfte der Totallänge des Thieres ein. Die Mundöffnung wird gebildet durch einen nahe dem vorderen Körperende des Thieres an der Bauchseite liegenden Längsspalt. Sie wird umfasst von dem oben beschriebenen die Cirri tragenden Mundring. Die Mundhöhle hat die Form einer Tasche, welche an ihrem Grunde durch eine enge Oeffnung mit dem Lumen des Kiemenkor- bes eommunieirt. Beiderseits dieser Oeffnung stülpt sie sich sack- artig nach hinten und unten aus; hier ist es, wo RATHKE und J. Mütter die Mündungen der Seitencanäle gefunden zu haben glaubten. Das Epithel der äusseren Haut geht direet auf die innere Wand der Mundhöhle über, und lässt sich noch eine kurze Strecke weit verfolgen. Nur dorsal, direet unter der Chorda wandelt sich dasselbe sehr bald in ein einschichtiges Epithel aus schmalen und hohen Zellen, das sich im Gegensatz zu jenem lebhaft mit Carmin färbt, um. Ich komme hiermit auf das von J. MÜLLER und QUATREFAGES beschriebene sog. Räderorgan zu sprechen, über welches noch voll- kommene Unklarheit herrscht. Srtıepa hat es gänzlich übersehen und gesteht ein nieht zu wissen, was es damit für eine Bewandtniss habe. Trotzdem ist die Beschreibung J. MüLter’s kenntlich genug. Betrachtet man die Wand der Mundhöhle von innen her, so er- kennt man leicht einen Unterschied in dem Aussehen des sie aus- kleidenden Epithels. Während dasselbe an dem Rande hell und stark lichtbrechend erscheint, ist es dunkel und trübe im Grunde der Mundhöhle (vergl. Taf. V Fig. 13). Diese beiden Epithelformen gehen jedoch nicht unmerklich und allmälig in einander über, sondern es lässt sich eine deutlich markirte Grenze erkennen. Diese Grenze nun verläuft in Form einer hoch geschwungenen Wellenlinie. Das Epithel der Mundränder, der Lippen, und das des Mundgrundes grei- fen daher mit fingerförmigen Fortsätzen ineinander. Man vergleiche hierüber die sehr schönen Figuren von J. MÜLLER und QUATREFAGES (l. e. Taf. I Fig. 2 u. Taf. I Fig. 1 u. 5, resp. Taf. X). Wie ersterer richtig und deutlich genug sagt, sind diese fingerförmigen Figuren der Anfang des wimpernden Theils der Schleimhaut. Das Räderorgan ist demnach nur eine von diesem ausgezeichneten Beobachter dem wim- + Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 117 pernden Schleimhautepithel des Mundhöhlengrundes gegebene Spe- cialbenennung'). Querschnitte bestätigen dies vollkommen. Fig. 10 Taf. V stellt einen solehen durch die Mundöffnung nahe ihrem Hinterrande ge- führten Schnitt dar. Das Epithel der Mundhöhle tritt uns abwech- selnd in verschiedener Form entgegen: Einmal deutlich vorgewölbt, hocheylindrisch, trübe und stark sieh färbend, das andre mal nie- driger, stark lichtbrechend, schwach gefärbt. Das erstere (De) unter- scheidet sich in nichts von dem Schleimhautepithel des Kiemendarms, das letztere (Ae) ebensowenig, ausser durch seine etwas niedere Ge- stalt, von dem Körperepithel. Das erstere flimmert, das letztere nicht; freilich habe ich bei meinen Spiritusexemplaren niemals die Wimpern zu sehen bekommen. Je näher der Schnitt dem Ende der Mundhöhle liegt, desto mehr schwindet Ae und umgekehrt. Am weitesten nach vorn ragt das Schleimhautepithel direet unter der Chorda, wo es auch die stärkste Höhenentwicklung hat. Die Wimperbewegung des Räderorganes treibt den Strom des einfliessenden Wassers, wie wir durch J. MÜLLER wissen (l. e. pag. 96 f.), direet nach rückwärts, also aus der Mundhöhle in den Kiemenkorb. Das Mundhöhlenepithel sitzt einer zarten Bindegewebslamelle ‚auf, an deren Beschreibung ich noch einige Worte wenden muss. Dieselbe, in meiner Figur La benannt, legt sich in der Mediane der Chordaseheide (sch) eng an, doch lässt sich noch eine deutliche Grenze, zuweilen sogar dureh spindelförmige mit Carmin sich fär- bende Kerne hervorgehoben , erkennen. An der Stelle, wo die Haemapophysen ausstrahlen, hebt sie sich ab und lässt jederseits einen spaltförmigen Raum frei, der von einem Blutgefäss ausgefüllt wird. Im weiteren Verlaufe legt sie sich der haemapophysenartigen Lamelle wieder an und vereinigt sich mit ihr so innig, dass die Grenze nur selten zu bemerken ist. Sie geht direct in die Cutis über. Auf unserer Figur zeigt sich jedoch noch ein anderer in gleicher Weise begrenzter, dieht neben und unter dem Blutgefäss liegender unpaarer Spaltraum (Dr). Derselbe enthält die canalförmig gewunde- nen Schläuche eines Organes, das ich als eine Drüse gedeutet 1) LANGERHANS’ Beschreibung stimmt mit der meinen völlig überein, nur trägt nach ihm auch das niedrige Epithel der Mundhöhle Geisseln. 118 W. Rolph j und auf Organe bezogen habe, welche M. Scnuutze '), LEUCKART und PAGENSTECHER und KowALewsky bei den Larven unseres Thieres beschrieben haben. Dieselben stülpen sich, allerdings paarig, neben dem Munde ein. Die Schläuche füllten den Hohlraum, in dem sie lagen und wel- cher sich nach hinten zu noch erheblich ventralwärts ausdehnt nie- mals ganz aus. Nach LANGERHANS erweist sich dieses Organ als ein unpaarer rechts liegender Aortenbogen, welcher dann allerdings in einer höchst auffallenden Form entwickelt wäre. Die Mundhöhle wird gegen den Kiemenkorb zu durch einen kräftigen ringförmigen Muskel abgeschlossen. Derselbe ist von J. MÜLLER und QUATREFAGES als der »gefranste Ring« beschrieben wor- den2). Srrepa gibt an, ihn nicht gefunden zu haben; er würde glücklicher gewesen sein, wenn er die kleine cirrentragende Haut- falte, die er (l. e. pag. 27) selbst erwähnt, genauer untersucht hätte. tag Der Muskel des gefransten Ringes besteht, wie alle anderen Muskeln des Amphioxus?), aus quergestreiften Fasern. Seine Form ist sehr veränderlich. Der halbschematische Längsschnitt auf Fig. 13 Taf. V dürfte am besten im Stande sein, Lage und Form darzu- stellen. Er ragt wie ein Trichter mit seiner Spitze in den Kiemen- korb hinein, während seine breite Basis dem Munde zugekehrt ist. Erstere trägt eine Zahl von etwa zehn zarten Cirri. Es ist mir nicht gelungen über die Structur dieser letzteren völlig ins Klare zu kom- men. Sie besitzen nur spärliche Muskulatur und scheinen durch einen helllichtbrechenden äusserst feinen Stab gestützt zu sein. Die äussere Bekleidung des Muskels wird durch gewöhnliches, nicht durch Wimperepithel gebildet ®). Der Kiemenkorb unseres Thieres, auffallend durch seine bedeu- tende Längsausdehnung, ist schon durch Goopsır und RATHKE ziem- lich ausführlich beschrieben worden, doch verdanken wir auch die- ses Organes genauere Kenntniss erst J. MÜLLER und Rerzıus. Sie !) Zeitschr. f. wiss. Zool. 1851 pag. 416. 2) HuxLey bezeichnet ihn als Velum und sucht ihn dem Velum des Ammo- coetes gleichzusetzen. Proceed. Royal Soc. XXIII. 1874. No. 157. 3) Ausser den von W. MÜLLER und LANGERHANS beschriebenen Muskeln des Kiemenkorbes, Darmes und der Hülle der Geschlechtsorgane. 4) Nach LANGERHANS’ Untersuchungen ist auch dieses Epithel, ebenso wie das ihm gleiche niedrige Epithel der Mundhöhle, Wimperepithel. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 119 stellten durch das Experiment am lebenden Thiere fest, dass der Kiemenkorb von einer grossen Zahl Spalten durchsetzt sei, welche dem in den Mund eintretenden Athmungswasser den Austritt in einen den Kiemenkorb umgebenden Hohlraum gestatteten. Dieser Raum entspreche zugleich Athem- und Bauchhöhle der übrigen Fische. Der vorzüglichen Beschreibung des Kiemenkorbes, wie sie uns J. MÜLLER gegeben hat, bleibt nur wenig hinzuzusetzen.. Die späteren Beob- achter QUATREFAGES und MARCUSEN, sowie BERT empfinden dies, und während der erstere und letztere kaum im Stande sind jener Beschreibung irgend etwas hinzuzufügen unterlässt MARCUSEN eine solche ganz. Bert aber sowohl als QUATREFAGES bestätigen die Angaben J. MÜLLER’s betreffs der Durchgiingigkeit des Kiemenkorbes. Ersterer hat, wie sein berühmter Vorgänger, diese Thatsache expe- rimentell festgestellt. Er sah das Wasser durch den Mund in den Kiemenkorb eintreten, aus diesem in die umgebende Höhle strömen und endlich durch den Porus abfliessen. Er schliesst sich vollkom- men der Deutung J. MüLrLer’s an. Dem gegenüber muss es Er- staunen erregen, wenn ein neuester Autor, auf Grund von Unter- suchungen , die am todten Thiere gemacht sind, eine entgegen- gesetzte Behauptung ausspricht. Srrepa erklärt die Kiemenspalten für nicht existirend! Jeder, der den längeren Excurs über diese Frage in Sriepa’s Studien (pag. 29) durchliest, oder die gegebenen Figuren betrachtet, muss in der That über diese Kühnheit erstaunen, mit welcher wiederholte, von den geschicktesten Beobachtern ange- stellte Experimente bei Seite geschoben werden! Srrepa hat (1. e. pag. 31) nach ein oder zwei Oeffnungen gesucht, vergebens gesucht an einem Apparate, der deren mehrere Hunderte besitzt! Bei Niemand, der J. MÜLLErR’'s und QUATREFAGES Arbeiten kennt, durfte Stiepa’s Urtheil auf Anerkennung rechnen. Um die überzeugende Darstellung dieser Forscher zu widerlegen, bedurfte es anderer Argumente, als die von Stiepa ins Feld geführten. Ich glaube daher auf diese Frage gar nicht näher eingehen zu brauchen, auch wird meine nun folgende Beschreibung hinreichend die Irrigkeit der Ansicht Srrepa’s darthun. Ich will nur erwähnen, dass man dureh vorsichtige Injeetion einer erstarrenden Masse, ohne Anwen- dung eines irgendwie erheblichen Druckes, und ohne Verletzungen zu erhalten, die Kiemenhöhle, deren Existenz jener Beobachter ganz leugnet, vom Mund aus füllen kann. Es ist dies ein Verfahren, welches sich schon deshalb empfiehlt, weil dadurch das ganze Thier, 120 W. Kolph dessen Organe sonst leicht zerreissen und auseinander fallen, schnitt- fähiger wird. Der Kiemenkorb des Lanzettfisches ist ein schlauchförmiger, vorn und hinten schnell verjüngter Apparat, welcher, dorsalseits an der Chordascheide befestigt, frei in den umgebenden Hohlraum hin- einragt. Mit letzterem steht sein Lumen in Communication durch zahlreiche die Wand durchsetzende von vorn und oben schräg nach hin- ten und unten verlaufende Spalten, die Kiemenspalten. Die Wand des Kiemenkorbes wird dadurch in Streifen zerlegt, deren Zahl mit dem Alter des Thieres zunimmt, und bei erwachsenen Exemplaren die Zahl 100 überschreitet. Wir erhalten also ein Bild, wie es uns der beigegebene Holz- schnitt Fig 1 darstellt: Einen Cylinder, der von parallelen Spalten seitlich durchsetzt ist, oder, um es anders Fig. 1. auszudrücken, ein System paralleler Leisten, welche oben und unten durch ein Längsband mit einander vereinigt sind. Bis hierher passt das Gesagte sowohl auf die innere Schicht, die Schleimhaut, als auf die äussere, die Bindegewebslamelle, welche das stützende Gerüst des Apparates bildet. In Folgendem lasse ich erstere ganz bei Seite und beschäftige mich nur mit Be- Ba aaa Dede eg trachtung der letzteren. spallen Ft] Kietdenktae. Die oberen und seitlichen Ränder der Spalten sind wulstig verdickt, und wir haben es daher nieht mit parallelen Leisten, sondern mit dreikantigen Stä- ben zu thun, welche mit ihren oberen Enden bogenförmig in einan- der übergehen. Anders liegen die Sachen am ventralen Ende der Kiemenstiibchen, im Bereiche des ventralen Längsbandes. Hier ver- dicken sich nicht die unteren Ränder der Spalte, sondern sie blei- ben dünnhäutig. Statt dessen aber setzt sich die Verdiekung der Kiemenstäbehen in das ventrale Längsband fort, und zwar abwech- selnd geradlinig und gabelförmig getheilt. Dabei ist noch zu bemer- ken, dass insofern eine Asymmetrie besteht, als dem gabelig getheil- ten Stab auf der andern Seite des Kiemenkorbes ein geradlinig en- dender entspricht. Das so entstandene Bild (Holzschnitt Fig. 2) gibt uns, nachdem wir noch die dünnen Querstäbehen hinzugefügt ha- ben, welche die gabelig getheilten Kiemenleisten unter einander ver- binden eine treue Darstellung der beschriebenen Verhältnisse. Dieses Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 121 Gerüst wird innerlich überall von dem Schleimhautepithel überzogen. Wir haben es demnach auch hier zu thun mit einem seitlichen Git- terwerk und mit einem dorsalen und ventralen Streifen. Alle diese Thatsachen sind seit der mustergilti- gen Beschreibung J. MüL- LER'S bekannt. Die spä- teren Autoren haben sich begnügen müssen auf ihn zu verweisen, oder seine Worte zu reprodueiren !. Auchich würde das ge- thanhaben, wenn ich nicht geglaubt hätte, im Inter- esse der Klarheit der Darstellung die Beschrei- bung von einem anderen Puncte anfangen zu müssen. Ich habe nicht mit den Kiemenstab- chen hegonnen, sondern mit der Bindegewebshiille. Diese ist das Wichtige, nicht jene, welehe nur Verdickungen derselben sind. Und an sie muss ich wieder ankniipfen, wenn ich nun daran gehe, den vordersten, schnell verjiingten Theil des Kiemenkorbes zu beschreiben. Verfolgen wir das dorsale Längsband nach vorn, so sehen wir, dass es sich hier anders verhält, als ich es oben beschrieben habe. Statt seitlieh in der verdiekten bogenförmigen Commissur der Kie- menstäbehen seine Grenze zu finden. dehnt es sich schnell, die Kie- menspalten verdrängend, über die Flanken des Kiemenkorbes aus. Die bogenförmigen Verbindungsstücke der Stäbe werden zugleich undeutlich oder schwinden ganz. Fig. 13 Taf. V2 stellt dies dar. Die oberen Enden der dunkel gehaltenen Kiemenspalten fallen in einer Bogenlinie rasch ab. Diese Curve trennt also den Kiemenkorb in zwei Abschnitte, einen oberen resp. vorderen und einen unteren, einen undurchbohrten und einen durchbohrten. Die Wand des Kie- ) Nur durch Hinzufügung histologischen Details haben Spätere unsere Kenntniss gefördert. 2) Die Figur ist halbschematisch. Sie zeigt das Thier nach Abtragung der einen Kérperhilfte. Die dadurch mit entfernte Wand des Kiemenkorbes ist je- doch in integrum restituirt, so dass in diesem Bereiche nur die Seitenwand des Körpers abgetragen erscheint. 122 W. Rolph menkorbes zeigt nun in diesen beiden Abschnitten einen verschiedenen Bau. In dem undurchbohrten besteht sie aus zwei Schichten. Der äusseren Bindegewebslamelle und der inneren Schleimhautepithel- schicht. In dem durchbohrten aber finden wir drei Schichten, in- dem sich nach aussen eine äussere Epithelschicht auflegt. Zugleich aber hat sich die, nun mittlere, Bindegewebsschicht zu den Kiemen- stäbehen umgewandelt. Zur Verdeutlichung dieses Verhältnisses sollen die Figuren 11 und 12 dienen, doch muss ich zuerst wieder an Fig. 10 anknüpfen, welche bestimmt war, den Bau der Mundwandungen zu erläutern. Es wurde dort die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Lamelle (La) ge- lenkt, welehe, das Epithel der Mundhöhle tragend, sich grössten- theils der von der Chorda ventralwärts ausstrahlenden Lamelle (sch, ) anlegte. Diese, welche beiderseits die Blutgefässe (B) abgrenzte und in wesentlich gleicher Lage auf den folgenden, den Ringmuskel tref- fenden Schnitten erschien, finden wir nun auch auf dem ersten durch den Kiemenkorb gelegten. Fig. 16 a@ stellt einen solchen in der Richtung 8—8 (Fig. 13) geführten dar. Man erkennt, dass hier in sofern eine Aenderung eingetreten ist, als die Lamelle (Ze) sofort nach Abgrenzung der Gefässe (B) sich abhebt und also zwischen sich und sch, einen Raum freilässt, die Leibeshöhle (ZA), einen Raum von gleieher Abgrenzung, wie jener, welcher in Fig 10 die vermeintliche Drüse (Dr) aufnahm. Doch nach ganz kurzem Verlaufe biegt sich die Lamelle wieder nach oben und aussen, um dann abermals den Weg bauchwärts einzuschlagen. Durch diese drei- malige Knickung bildet sich der erste Anfang einer Rinne, welche, mehr oder weniger scharf ausgeprägt, sich durch den ganzen Kiemen- korb hinzieht, und gegenüber der später zu beschreibenden Bauch- rinne als Rückenrinne bezeichnet werden kann. Dieselbe gewinnt auf den zunächst folgenden Schnitten (Fig. 12) ein noch bizarreres Aussehen, welches jedoch zum Theil auf die Einwirkung der Er- härtungsflüssigkeit und der Sehnittführung zu schieben sein wird. Doch dies nebenbei. Es kommt uns jetzt vor Allem darauf an die Lamelle (Za), auf deren Wichtigkeit nicht genug hingewiesen werden kann, auf ihrem weiteren Wege bauchwärts zu verfolgen. Zu diesem Ende kehren wir zur Fig. 16 @ zurück. Dieser Schnitt, in der Richtung 8—8 geführt, trifft demnach zuerst den undurchbohr- ten Theil des Kiemenkorbes, und erst nahe der Bauchseite den durehbohrten. Die Lamelle nun zeigt in ihrem Verlaufe nach unten eine ganze Reihe von Faltungen, die von oben und vorn schräg nach Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 123 5 unten und hinten verlaufen. Der oberste Querschnitt ist mit Ast bezeiehnet. Das Schleimhautepithel, welches innen die Lamelle aus- kleidet, zeigt nun seinerseits, je nachdem es auf einer solchen ver- dickten Falte, oder auf der dünneren Zwischenlamelle sitzt, ebenfalls eine Differenzirung. An ersterer Stelle zeigt es sich hochgeschich- tet, wie in der Riickenrinne, und sehr tinetionsfähig, an letzterer wird es bedeutend niedriger und bleibt gegen Färbemittel ziem- lich unempfindlich'). Die Erklärung dieser Verhältnisse bietet keine Sehwierigkeiten. In diesen deutlich verdiekten Faltungen ha- ben wir es zu thun mit den obersten noch im undurchbohrten Theil des Kiemenkorbes liegenden Enden der Kiemenstiibchen , und zwar in dem ausspringenden, Bg benannten , verdiekten Winkel mit der bogenförmigen Verbindung der aufeinanderfolgenden Stäbe, in dem er- höhten Schleimhautepithel mit den Erhebungen der Kiemenblättehen. Je weiter wir nun die Wand des Kiemenkorbes bauchwärts verfol- gen, desto deutlicher werden die beschriebenen Veränderungen. Die Fältehen der Lamelle (Za) legen sich aneinander und bilden einen soliden Stab, der nur noch durch eine dunkle Linie an den früheren Spalt erinnert, das Schleimhautepithel erhöht sich immer beträcht- licher. Plötzlich gelangen wir an einen Kiemenstab (Kst), über den hinaus die Lamelle sich nicht mehr fortsetzt. Wir sind somit an den durehbohrten Theil des Kiemenkorbes gekommen. Von eben diesem Kiemenstäbehen geht eine Lamelle quer nach der Leibes- wand hinüber (Z), und trennt somit die Leibeshöhle (7,4) von einem Raume, der mit dem Lumen des Kiemenkorbes in Verbindung steht, der Kiemen- oder Athemhöhle (A). Diese Lamelle kehrt noch ein oder zweimal an den Kiemenkorb zurück, wobei sie stets ein Stäbehen überspringt , legt sich aber dann an die Leibeswand an. Sie besteht aus stark lichtbrechenden , pigmentirten, niedrigen Cy- linderzellen. Der erste und dritte auf Kst, folgende Kiemenstab liegen demnach vollkommen frei, und sie fallen daher leicht aus. Aber auch durch eine andere Eigenthümlichkeit, die oben schon beiläufig erwähnt worden ist, unterscheiden sich diese freiliegenden Stäbehen. Sie sind nach aussen von Cylinderepithel bedeckt, dem nämlichen, welches die im Ziekzack verlaufende Lamelle (Z) bildet. Die Wand des Kiemenkorbes besteht also hier aus den erwähnten drei Schichten : Der stützenden Bindegewebeschicht und den beiden Epithelschichten. 1) vergl. auch Fig. 11. 124 W. Rolph Auf einem folgenden Schnitte, Fig. 16 4, finden wir genau die- selben Verhältnisse, nur hat die Kiemenhöhle und mit ihr der durehbohrte Theil des Kiemenkorbes an Ausdehnung bedeutend ge- wonnen. Fig. 32 Taf. VI endlich stellt das gewöhnliche Verhalten dar, wie es sich auf einem in der Höhe «—a geführten Schnitte zeigt, und von nun an bis zum Ende des Apparates bestehen bleibt. Da der Verlauf des äusseren Epithels, sowie der mit demselben zusammenhängenden Lamelle (Z) in einem folgenden, das Verhält- niss der Kiemenhöhle (A) zur Leibeshöhle (ZA) behandelnden Ab- schnitt beschrieben werden wird, so können wir hier ganz davon absehen. Entsprechend der Rückenrinne findet sich an der Ventralseite unseres Thieres eine faltige Bauchrinne. Wie jene nur gebildet wurde durch die Faltungen eines Längsbandes (La) und die epithe- liale Auskleidung desselben, so auch diese. Die das ventrale Längs- band bildende Bindegewebelamelle La (Fig. 10—12 u. 16a, b) buchtet sich zu einer tiefen Rinne aus, so dass ihr Quersehnitt huf- eisenförmig erscheint. Nur selten scheint dieses Hufeisen aus einem Stücke zu bestehen; meistens sehen wir, wie in der Figur 14 u. 15, jeden Schenkel durch ein Stück gebildet und diese beiden in der Mediane über einander geschoben. Zuweilen berühren sieh die Schenkel gerade noch, zuweilen ist einer kürzer als der andere, und es bleibt daher scheinbar ein Zwischenraum. Genauere Untersuchung aber zeigt in diesem Falle stets eine nur wenig schmalere Brücke, welche die Enden der Verdiekungen verbindet. In meiner ersten Mit- theilung habe ich diese beiden seitliehen Spangen als Querschnitte der Längsleisten gedeutet, welehe W. Mütter!) als Stützorgane der Hypobranchialrinne des Lanzettfischehens bezeichnet. Später habe ich mich davon überzeugen müssen, dass es nur die unteren Enden der: Kiemenstiibchen sind, welche in der Medianlinie zusammentreten. Wir haben es also’ nicht mit zwei stützenden Längsstreifen zu thun, sondern mit einer einfachen Rinne, deren Wand nach Massgabe der ventralen Enden der Kiemenstäbe querverlaufende, leistenförmige Ver- diekungen besitzt. Die Innenwand der Rinne ist mit dem Schleimhaut epithel bekleidet, welches jederseits in drei gesonderten Längsstreifen angeordnet ist. Verfolgen wir die Bauchrinne nach vorn hin, so fin- den wir, dass sie sich allmälig abflacht und endlich im vordersten Abschnitt (ef. Fig. 16a u. 5) die umgekehrte Form erhält, die Form ') Die Hypobranchialrinne etc. Jen. Zeitschr. VII pag. 327, Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 125 einer nach unten offenen Rinne oder eines Daches. Dadurch erhält zugleich der Querschnitt des Kiemenkorbes die Gestalt eines verkehr- ten Kartenherzens. Das ganze Organ zeigt keinen wesentlichen Unterschied, ausser in seiner Form, von der Riickenrinne. Es wird als Flimmerrinne oder Endostyl in Homologie zu dem gleichgenannten Organe der Tuni- eaten gesetzt. Es bleiben mir nun, ehe ich zu der Darstellung des eigentlichen Darmes übergehe, nur noch einige histologische Details zu erwähnen. Die Bindegewebshülle des Kiemenkorbes ist eine zarte, fast homogen erscheinende Membran. Sie ist nach aussen, nämlich nach der Leibeshöhle zu, von Endothel bekleidet. Wie schon hervorge- hoben, ist sie dort, wo sie sich an die Chordascheide anlegt, schwer und nur selten von jener zu unterscheiden. Am leichtesten gelingt dies noch ganz vorn im Kiemenkorb, und dort schieben sich auch nicht gar selten Endothelkerne zwischen beide Lamellen ein, die Trennung markirend. Aus derselben feingestreiften Substanz bestehen natürlich auch die Verdiekungen resp. Faltungen der Hülle, die Kiemenstäbe. Dass letztere in der That als locale Verdickungen und Faltun- gen der Bindegewebelamelle anzusehen sind, geht aufs deutlichste aus meiner obigen Beschreibung hervor, sowie aus der Abbildung Fig. 11. In Fig. 20 habe ich einen Durchschnitt durch einen im undurehbohrten Theil des Kiemenkorbes liegenden Stab bei etwas stärkerer Vergrösserung dargestellt. Fig. 21 a dagegen zeigt einen Schnitt durch einen der ersten im durchbohrten Abschnitt liegenden Stäbe, Fig. 21 4 endlich einen solchen durch zwei aufeinander fol- gende Stäbe im Haupttheil des Korbes. Letztere Form ist es, die gewöhnlich beschrieben und auch von Srtiepa (l. e. Taf. I Fig. 6) abgebildet worden ist. Betrachtet man den Kiemenkorb von der Fläche, so gewahrt man. dass jeder Stab von einer dunklen Mittellinie durchzogen wird, wie der Holzschnitt 2 pag. 121 es wiedergibt, eine Eigenthümlich- keit, die nur J. MÜLLER zeichnet, die aber weder von ihm selbst noch von einem anderen hervorgehoben worden ist. Diese dunkle Linie geht weder oben in die dorsalen Bogenstücke, noch unten in die Aeste der gegabelten Stäbe über, sondern endigt in dem Thei- lungswinkel. In den geradlinig endenden Stäben erlischt sie allmälig kurz vor der Spitze. Die Kiemenstäbe erhalten dadurch das Aus- sehen, als ob sie aus zwei Leisten beständen, einer vorderen und 126 W. Rolph einer hinteren. Erstere setzt sich durch Vermittelung des dorsalen Bogenstiickes in die hintere Leiste des vorhergehenden Kiemen- stabes, und letztere in die vordere Leiste des folgenden fort. Ven- tralseits geht erstere in den vorderen, letztere in den hinteren Gabelast über. Es hat dies für alle Stäbe, auch die vordersten, Geltung. Die Betrachtung der Schnitte belehrtuns, dass dieser dunkle Streifen der optische Ausdruck eines dunkleren Centraltheils (Ctr) des Stabes ist, dessen Gestalt eine verschiedene. Im vorderen undurehbohrten Abschnitt des Kiemenkorbes erscheint er uns als eine Rinne. Die- selbe Form zeigt er auch noch mehr oder weniger deutlich an den ersten freien Stäben. Zumeist aber erscheint er im durehbohrten Abschnitt, wie der Stab selbst, in Gestalt eines dreiseitigen Prisma; indessen ist auch hier in der Mehrzahl der Fälle die Vereinigungs- stelle der beiden Schenkel durch eine feine Linie markirt. STIEDA hat zuerst auf die histologische Verschiedenheit beider Theile auf- merksam gemacht. Die Achse beschreibt er als faserig, die Hülle als homogen. Mit Recht vergleicht er diese mit der Cutis. Wir werden das nach der vorigen Auseinandersetzung sehr natürlich fin- den. Haben wir doch gesehen, dass die Hülle der Stäbe nur Ver- diekung der Bindegewebelamelle (Za) ist, und dass diese mit der Cutis in directem Zusammenhange steht. Die Achse der Stäbchen zeigt auf dem Querschnitt deutliche Punetirung, zuweilen liessen sich sogar mit Hülfe von BEALE’s Car- min kleine spindelförmige Kerne nachweisen. Ich glaube dass das ganze Achsengebilde dem Stab nicht eigentlich zugehört, sondern nur Bindegewebsfasern darstellt, welche bei Schluss der Rinne mit eingeschlossen wurden, eigentlich aber zwischen dem Gerüst und dem Schleimhautepithel liegen. | Letzteres, zu dessen Beschreibung ich jetzt komme, ist überall einschichtig, und überall trägt die Oberfläche der Schicht Wimpern, die sich freilich bei Spiritusexemplaren nur selten erhalten. Ausser durch seine Faltung, welche natürlich durch die des Gerüstes be- stimmt wird, unterscheidet sich das Schleimhautepithel im Wesent- lichen nur durch die Höhe der Schiehtung. Erstere ruft die Bildung der Rücken- und Bauchrinne hervor, letztere die der Kiemenblätt- chen und der Epithelstreifen der Bauchrinne. Einer Differenzirung ist oben schon Erwähnung geschehen, dass nämlich im undurehbohr- ten Abschnitt des Korbes die die Stäbehen bildenden Falten der Bindegewebslamelle mit einer höheren und sich dunkler färbenden Kpithelschicht ausgekleidet sind (Fig. 11 u. 16). Diese allmälig Untersuchungen iiber den Ban des Amphioxus lanceolatus. 127 an Höhe zunehmenden Wiilste bilden einen continuirlichen Uebergang zu den eigentlichen Kiemenblittchen Fig. 21. An letzteren unter- scheidet man eine oberflächliche und eine innere Schieht. Erstere färbt sich mässig und erweist sich als aus langen prismatischen Zellen zusammengesetzt. Die innere Schicht, welche in Form eines Dreiecks in erstere hineinragt, besteht aus verflochtenen kernhaltigen leicht färbbaren Bindegewebsfasern '. Wahrscheinlich wird überall die Epithelschicht von der Stützlamelle durch eine Schicht solcher Fasern getrennt sein, doch gelang es mir, wie STIEDA, nur hier und in der Bauchrinne sie nachzuweisen. Die Form der Bauchrinne (Endostyl, Hypobranchialrinne, Flim- - merrinne ) ist schon oben beschrieben worden. Wir wissen daher, dass das Organ diese Bezeichnung in seinem vordersten Theil nicht verdient, da es dort dachförmig in das Lumen des Kiemenkorbes hineinragt. W. MÜLLER, dem wir die erste genauere Beschreibung verdanken , unterscheidet das bindegewebige Gerüst als Endostyl von dem in Längswülsten erhobenen Schleimhautepithel, der Hypo- branchialrinne. Ganz abgesehen von der Streitfrage. wie die Be- schreibung Huxrey’s?) zu deuten sei, möchte ich es für überflüssig halten, dem ventralen Längsband des Kiemenkorbgerüstes hier einen besonderen Namen beizulegen. Ich vermeide daher diese Bezeich- nung ganz. Die die Rinne auskleidenden vier, im vorderen Ab- schnitte sechs, Schleimhautwülste zeigen gar keinen wesentlichen Unterschied in ihrem Bau von jenen, welche auch sonst am undurch- bohrten Abschnitte des Kiemenkorbes auftreten, z. B. denjenigen, welche im undurehbohrten Theil die Kiemenstäbe begleiten. Nur das lässt sich bemerken, dass sich hier zwischen Gerüst und Schleimhaut eine deut- lich erkennbare Partie Bindegewebe einschiebt, dessen zahlreiche spindelförmige Kerne sich leicht tärben, und dass die Schleimhautzellen etwas dichter gedrängt und stärker lichtbrechend sind. Das Organ zeigt, wie bekannt, eine sehr auffällige Uebereinstimmung mit der Flimmer- rinne der Tunicaten; am deutlichsten tritt dieselbe hervor, wenn man die von LEUCKART®) gegebene Abbildung vergleicht (nach Entfer- !) Da ich dieselben habe isoliren können, so möchte ich in diesem Falle LANGERHANS widersprechen, der von solchen Bindegewebefasern nichts findet. 2) Huxtey. Observations upon Anat. and Physiol. of Salpa & Pyrosoma. Philos. Transact. 1851. pag. 567. Fou. Ueber die Schleimdriise und den Endostyl der Tunicaten. Dieses Jahrb. Bd. I. 1875. pag. 222. 3) Zoolog. Untersuchungen Heft 2. ] 128 W. Rolph nung der den Canal |Endostyl] von der Rinne trennenden dünnen Wand). Weniger übereinstimmend sind die von Hrrrwie') und jüngst von Fou gegebenen Figuren, besonders letztere. Vornehmlich im mittleren und vorderen Abschnitt des Kiemen- korbes sah ich die Schleimhautfalten der Bauchrinne unterbrochen durch kugelige, oder, weiter hinten, kegelförmige Organe, welche durch hellere halbmondförmige Zellen gebildet wurden. Die ganze Zellgruppe erinnerte sehr an die bekannten Lrypre’schen Sinnes- becher, welche noch kürzlich durch BuGnron?) und MALBRANC*) eine so eingehende Beschreibung gefunden haben. Die einzelnen Zellen zeigen ganz das Aussehen der von For in Fig. 3 Taf. VII abgebildeten. Der stark lichtbrechende scharfe Saum, welchen die zusammengebogenen Spitzen der Zellen bilden (Fig. 14 u. 17 Taf. V), lässt mich eine Bekleidung durch äusserst feine Härchen vermuthen, doch gelang es mir nicht, dieselben mit Sicherheit zu sehen. Leider ist es mir niemals geglückt, diese merkwürdigen Zellengruppen auf Zerzupfungspräparaten wiederzufinden. Ich muss es daher einem späteren Beobachter überlassen, den genaueren Bau derselben und ihre Bedeutung zu erforschen. Sie für Sinnesorgane zu halten, daran bin ich durch For’s Untersuchungen wieder zweifelhaft geworden ; wohl möglich, dass sie auch hier als Schleimdrüsen anzusehen sind, wie es dieser Beobachter bei den Tunicaten thut, und wie schon LEUCKART vor langer Zeit gethan hat‘). Der eigentliche Darm beginnt mit einer plötzlichen Einschnü- rung des Kiemenkorbes und entsendet kurz nach seinem Anfang den !) Zur Kenntniss des Baus der Ascidien. Jenaische Zeitschr. VII pag. 74. 2) Rech. sur les. org. sensit. du Protée et de l’Axolotl. Bullet. 70. de la soc. vaud. des sc. nat. Lausanne 1873. 3) Seitenlinie und Sinnesorgane d. Amphibien. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1875. pag. 24. 4) LANGERHANS leugnet das Vorhandensein der becherförmigen Organe. Ich glaube, dass meine Abbildungen hier für mich sprechen werden. Im Uebri- sen sehe ich nicht ein, weshalb LANGERHANS seine an den Fransen des Velum beschriebenen Organe (Fig. 17) für Becherorgane erklärt, und die in seiner Ab- bildung jenen ganz gleichen hellen Zellgruppen (25 a u. 6) nicht als solche gel- ten lassen will. Die Differenz in den Zellen (Fig. 16 e u. 256; erstere sind nicht in ganzer Ausdehnung gezeichnet) scheint mir nicht hinreichend ausge- sprochen, um für die einen zu leugnen, was man für die anderen behauptet. Der Mangel willkürlicher Muskeln scheint mir prineipiell nicht dagegen zu sprechen. Im Uebrigen will ich, wie oben hervorgehoben, auf ihrer Natur als Geschmacksbecher nicht bestehen. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 129 rechts liegenden, weit nach vorn reichenden Blinddarm, der als Le- ber gedeutet wird. Er endigt nach geradlinigem Verlauf in dem linksseitigen After. Die Darmwand besteht nur aus zwei Schiehten, der äusseren Bindegewebeschicht, und der inneren tiberall flimmernden Schleim- hautsehicht. Es sind dieselben Schichten, die wir schon vom Kiemenkorb her kennen. Freilich macht sich hier ein auffallendes Verhalten geltend, indem beide Schichten nieht aneinander liegen, sondern durch einen Zwischenraum von einander getrennt sind. Ich glaube aber mit Sicherheit annehmen zu können, dass dieser nur ein Artefakt und beim lebenden Thiere nicht vorhanden ist. Ich schliesse dies daraus, dass erstens eine solche freie Lage des Schleimhautrohres kaum denkbar ist, dass ferner die Lamelle (Za) sehr häufig dieselben Faltungen zeigt, wie das Schleimhautrohr, endlich daraus, dass die Gefässe (G) stets nach aussen prominiren, die innere Contour der Hülle niemals einbuchten. Der Deutlichkeit halber beginne ich die Schilderung mit der Beschreibung der einfacheren Verhältnisse, die sich im Hinterdarm vorfinden, und schreite von hinten nach vorn weiter. Fig. 30 gibt uns einen Schnitt durch den Darm hinter dem Po- rus. Das Darmrohr D wird umhüllt von der Bindegewebslamelle (La), welche ventral vier, dorsal zwei Gefässe (G) einschliesst. Es ist nicht direet an die Chordascheide angeheftet, sondern durch Vermitt- lung der dorsalen Gefässe. Fig. 23 zeigt einen Querschnitt dicht hinter dem Ansatz des Blinddarmes. Die dorsalen Gefässe sind ver- schwunden, statt dessen heftet sieh der Darm jetzt mit seiner Rücken- wand direet an die Chordascheide an. Die Lamelle (Za) ist in die- sem Bereiche nicht mehr erkennbar, doch umhüllt sie den übrigen Theil des hohen seitlich eomprimirten Darmes in gewohnter Weise. Die ventral verlaufenden Gefässe haben sich getrennt, und liegen in halber Höhe des Darmes, dort, wo sich die zur Abtrennung des Blind- sackes führende Einschnürung zeigt, die einen rechts, die anderen links. Sobald die Abschnürung stattgefunden hat, rückt der Blind- darm nach rechts hinauf, während zugleich der Querschnitt des eigentlichen Darmes sich bedeutend erhöht, und die ersten Querschnitte der Kiemenstäbehen nebst der Bauchrinne an seiner ventralen Kante auftreten. Beide (?) Blutgefässpaare gehen auf den Blind- sack über. Morpholog. Jahrbuch. 2. 1 9g 130 W. Rolph renau an der Trennungsstelle von Darm und Blinddarm fand ich ein Organ, dessen Bedeutung mir räthselhaft geblieben ist. Es zeigte sich in Form eines Bläschens, dessen Wandungen von einer einfachen Schicht sehr hoher Cylinderzellen gebildet wurden (Fig. 235 Dr,). Die Zellen sind regelmässig radiär gestellt, und las- sen in dem Organ eine Drüse vermuthen. Vergleichung des vorher- gehenden und folgenden Schnittes lässt mich annehmen, dass wir es hier mit einer kleinen in den Darm miindenden Drüse zu thun haben. Fig. 31 @ Taf. VII zeigt einen Querschnitt, welcher schon den Ringmuskel des Afters getroffen hat. Der Darm ist in die Länge gezogen und wird von der Binde- gewebshülle umschlossen, welcher statt weniger starker eine grosse Zahl sehr zarter Blutgefässe (2) angelagert ist. Der Ringmuskel be- steht aus zwei. undeutlich von einander getrennten Schichten , einer inneren Ringfaserschicht und einer äusseren Schicht von Radial- fasern , welche durch einspringende Bindegewebslamellen in radial- stehende Muskelbiindel getrennt sind. Besondere Erwähnung verdient, dass von der inneren Schicht der Ringmuskulatur zarte Muskelbündel mit Durchsetzung der Lei- beshöhle an die Hülle des Darmes treten. Einzig und allein im Sphineter ani ist es mir, wie oben hervorgehoben, gelungen, Kerne nachzuweisen. Der After liegt, wie bekannt, asymmetrisch an der linken Seite. Ich kann jedoch Srrepa nicht beipflichten, welcher die Afteröffnung als bauchständig beschreibt und zeichnet. Sie liegt vielmehr, wie meine Fig. 315 zeigt, in der medialen Seitenwand des Darmes, öff- net sich daher in den Spalt, welcher linksseitig von der Flosse her- aufsteigt. Im Verhalten der Muskulatur ist kein Unterschied gegen vorher zu entdecken, wenn man nicht erwähnen will, dass die Ra- diärbündel an Ausdehnung gewonnen haben. In Hinsicht des histologischen Baues des Darmes kann ich mich kurz fassen. Die Bindegewebshülle, viel zarter, als im Bereich des Kiemenkorbes, zeigt wie dort feine Streifung. Ihre Aussenwand ist mit Endothel bekleidet. Die Darmschleimhaut ist durch Srrepa’s Beschreibung hinreichend bekannt; sie zeigt keine bemerkenswerthe Eigenschaft, ausser ihrer Bekleidung mit Wimpern. Als Kiemenhöhle des Amphioxus muss der grosse im Querschnitt hufeisenförmige Hohlraum aufgefasst werden, welcher nicht nur den Kiemenkorb, sondern auch den grössten Theil des Darmes umfasst. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 131 Man kann daher eine innere und eine äussere Wand der Kiemen- höhle unterscheiden. Erstere umgibt den Darm, letztere legt sich an die Leibeswand an. Kiemenkorb und den Die Kiemenhöhle A, Kiemenhöhle; Ch, Chorda; E, äusseres Epithel; Zı, innere Kiemenhöh- lenwand; 22, äussere Kiemenhöhlenwand; @, Sexualtaschen ; L, obere Kiemenhöhlenwand; Zh u. Lhi, Leibeshöhle: M, quere Bauchmuskulatur; Mı, Muskulatur des Stammes; N, Nervenhöhle; R, Raphe; canal; S,, Bauchcanäle; U, Unterhautgewebe; Kst, Kiemenstäbe; X, Schlitze der Chordascheide. eommunieirt durch den Porus branchialis nach aussen. S, Seiten- Hinter die- sem letzteren jedoch reicht sie noch eine Strecke weit in das Schwanzende des Thieres hinein. 9% 132 ; W. Rolph Der Holzschnitt Fig. 3, eine halbschematische Darstellung eines dureh den Kiemenkorb geführten Querschnittes, zeigt uns die Kie- menhöhle (A) rings von Epithel umgeben. Die innere Wand der Höhle wird von dem durehbrochenen inneren Kiemenhöhlenepithel Z, gebildet, die äussere Wand von dem äusseren Kiemenhöhlenepithel £y. Beide setzen sich durch eine freie Epithellamelle Z in Verbindung, welehe man als dorsale Wand der Kiemenhöhle bezeichnen könnte, im Gegensatz zur ventralen Wand, welche die Bauchmuskulatur M1 bedeckt. Ausser diesem Raum A finden wir jedoch in dem ganzen, rückwärts von den ventralen Ausstrahlungen der äusseren Chorda- scheide, bauehwärts von der Quermuskulatur begrenzten, früher als Visceralhöhle gedeuteten Rohre, noch einige andere kleinere Räume, welche die Leibeshöhle repräsentiren. Erstens ein paariger beider- seits der Rückenrinne gelegener Raum ZA, zweitens ein unpaarer unter der Bauchrinne gelegener ZA,, drittens wiederum ein paariger umfangreicher Cylinder G. Dieses an sich so einfache Verhalten der Kiemenhöhle und Leibeshöhle eomplieirt sich jedoch im Bereich des Kiemenkorbes in höchst merkwürdiger, durch zwei Factoren be- dingter Weise. Erstens durch die Anheftungslinie der Lamelle Z am Kiemenkorb, oder besser durch die Uebergangslinie des oberen Kiemenhöhlenepithels / in das innere £,, zweitens durch die schräge Lage der Kiemenstiibchen. Die obere Kiemenhöhlenwand Z befestigt sich nicht in einer geraden Längslinie an dem oberen Theil des Kiemenkorbes, sondern in einer ge- zähnten Bogenlinie, wie es der Holzschnitt Fig. 2 pag. 121 darstellt, auf welchem dieselbe punetirt eingezeichnet ist. Die Uebergangslinie verläuft theils nahe dem oberen Rande des Kiemenkorbes, theils, eine tiefe Duplicatur bildend, auf einem Kiemenstäbchen, und zwar letz- teres stets nur auf den alternirend liegenden, gabelig endenden. So bildet denn natürlich die obere Kiemenhöhlenwand eine Reihe in die Kiemenhöhle einschneidender Arkaden, deren Zahl halb so gross ist, als die der Kiemenstiibchen, und welche stets zwei aufeinanderfol- gende Kiemenspalten überwölben. Jon. MÜLLER hat dieses Arka- densystem schon gesehen, und das dasselbe bildende »zipflige Band« als Ligamentum denticulatum bezeichnet. Da nun die Kiemenstäb- chen sehr schräg liegen, erhalten wir das Bild von dachziegelförmig untereinander geschobenen Aussackungen oder Taschen der Kie- menhöhle, ein Bild, wie es die Fig. 33 Taf VII!) wiedergibt, und ') Wie die Figg. 34 u. 35, welche zur Illustration dieses merkwürdigen Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 133 wie man es erhält, wenn man durch einen Medianschnitt die Kie- menhöhle öffnet, die Geschlechtsorgane fortpräparirt, und die Lei- beswand ausspannt oder abschneidet. Noch deutlicher wird die mit Hülfe mehrerer Präparate construirte Fig. 35 sein. Sie stellt den freigelegten, oberen Theil des Kiemenkorbes dar; die obere Wand der Kiemenhöhle Z, welche dachlukenartig je zwei Kiemenspalten überwölbt, musste, um den Apparat freilegen zu können, durch- schnitten werden. Die Schnittlinie ist wellig gebogen. Hier erken- nen wir deutlich das Wechselverhältniss zwischen Leibeshöhle (über dem Dach) und Kiemenhöhle. Die schmalen, mehr spaltförmigen Taschen der ersteren greifen in die breiteren, gewölbten der letzte- ren ein. Fig. 34 endlich zeigt uns, in einer gleichfalls construirten Abbildung den weiteren Verlauf der oberen Kiemenhöhlenwand, und ihren Uebergang auf die Leibeswand. Die wellenförmige Schnitt- linie entspricht der gleichen auf Fig. 35. Diese Abbildungen wer- den besser, als viele Worte die Verhältnisse veranschaulichen ; ich kann demnach jetzt zur Betrachtung eines Querschnittes übergehen. Bei einem solchen fällt es nun (ef. Fig. 16 u. 32) auf, dass die Lamelle Z, d. h. die obere Kiemenhöhlenwand nicht von dem un- tersten der zusammenhängenden Kiemenstiibchen (Zst,) direct an die Leibeswand iibertritt, sondern nach ihrer Anheftung dort, mit Ueber- springung eines Kiemenstäbehens, wieder zurückkehrt, oder ohne die Anheftung zu erreichen denselben Rückweg macht. Erst von dem zweiten freien Stäbchen aus tritt sie nun definitiv an die Leibeswand, oder sie macht, was häufiger ist, dieselbe Bewegung noch einmal, ja selbst zum drittenmale. Wir erhalten so das auf Fig. 32 darge- stellte Bild, ein Bild, welches auch Sriepa gesehen und in seinen Figuren 3 und 4 gezeichnet hat; freilich hat er nicht einmal den Versuch gemacht es zu erklären!). Nach meiner obigen Auseinan- dersetzung ist das leicht. Ein in der Riehtung y—y durch den Kiemenkorb gelegter Quer- schnitt?) (ef. Fig. 35) trifft suecessive eine Reihe von Taschen; die »Arkadensystems« bestimmt sind, so ist auch diese in der Weise unnatürlich, als die Kiemenstäbehen viel zu weit auseinander liegen. !) Auch hat er die Zwischenstiibchen übersehen. *) Die Linie —y ist absichtlich nicht senkrecht, sondern schräg von hin- ten nach vorn gezogen, um für den Querschnitt den Fehler auszugleichen, wel- cher durch den unnatürlich weiten Abstand der Stäbchen von einander bedingt wird. Fig. 32 ist in der That genau das Bild, welches der Schnitt y—y in Fig. 35 liefern würde. i 134 W. Rolph obersten sind kleiner, die unteren grösser (Fig. 32 A, u. Ag); sie stehen nicht mit einander direct in Verbindung, sondern nur durch Vermittelung der Kiemenhöhle ; sie sind durch die Taschen der Lei- beshöhle (ZA) getrennt. Vom Lumen des Kiemenkorbes her ist jede durch zwei Kiemenspalten zugänglich. Durch Injeetion vom Kie- menkorb aus werden die mit der Kiemenhöhle A in Verbindung stehenden Taschen A, u. As gefüllt, niemals die Leibeshéhle. Wem dies nicht ein hinreichender Beweis sein sollte, dem kann ich noch fol- genden bieten: Bei vollkommen geschlechtsreifen, kurz vor der Ent- leerung der Eier stehenden, Weibehen findet man oft die Kiemen- höhle vollgestopft mit Eiern. Nicht nur im ventralen Theil derselben findet man sie, sondern auch weit oben, ja sogar im Lumen des Kiemenkorbes selbst. Natürlich könnten sie sich dann auch in den beschriebenen taschenförmigen Ausstülpungen finden, und in der That habe ich sie auch hier auf Querschnitten mehrfach getroffen, das spalt-_ förmige Lumen des Sackes auftreibend. Ein merkwürdiges Ver- halten zeigt der Kiemenstab Ast, Fig. 32; von seinem oberen Rande geht eine Epithellamelle ab, welche schleifenförmig in die Kiemenhöhle hineinragt, und sich dann am unteren Rande befestigt. Er unterschei- det sich dadurch wesentlich von dem vorausgehenden und den nach- folgenden Stäben,, deren Aussenfläche das innere Kiemenhöhlen- epithel eng anliegt. Dieses Bild zeigt sich sehr häufig, aber stets nur an dem Stab, welcher als zweiter auf jenen folgt, von welchem die obere Kiemenhöhlenwand Z definitiv auf die Leibeswand über- gegangen ist. Dieser Stab ist also stets ein unten gegabelter. Fig. 35 Taf. VII wird uns auch hierüber Aufschluss geben. Der letzte von y—y getroffene, mit Kst, bezeichnete Kiemenstab wird von der Linie tiefer geschnitten, als die vorhergehenden, und hierin eben liegt die Erklärung. Der Schnitt hat die Duplicatur der La- melle Z in einer Höhe getroffen, wo sie sich gerade erst von dem Kiemenstäbehen abgehoben hat. Der von der Lamellenschleife abgegrenzte Hohlraum ist demnach ein Durchschnitt durch einen herabragenden Zipfel der Leibeshöhle. Horizontale Längsschnitte durch die Kiemenhöhle gelingen nur selten in befriedigender Weise. Sie bestätigen aber meine obige Auseinandersetzung vollkommen. In der Richtung 6—6 geführt, also unterhalb des Arkadensystems zeigen sie sämmtliche Kiemenstäbe in gleicher Weise durch das innere Kiemenhöhlenepithel bekleidet; in <—s geführt geben sie das Bild Fig. 4 (Holzschnitt). Jeder Gabelstab trägt eine Epitheldupli- catur, wie der Stab Zst, in Fig. 32; in €—€ endlich gelegt (ef. - Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 135 Holzschnitt Fig. 5) weisen sie denselben Verlauf der Lamelle Z auf, wie im oberen Abschnitt der Fig. 32. Die Erklärung hierfür gibt letztere Figur selbst in so einfacher Weise, dass}ich wohl nichts mehr hinzuzufügen brauche '). Verfolgen wir die Kiemenhöhle nach vorn hin, so sehen wir, dass sie sich dicht hinter dem Muskel des gefransten Ringes herabsenkt, ganz in Uebereinstimmung mit der oben pag. 121 ge- schilderten Erniedrigung der Kiemenspalten (vergl. die Figg. 16a und db). Ganz vorn, nahe ihrem Erlöschen, ist die Kiemenhöhle sogar paarig Fig. 16 a), indem die Epithellamelle von der queren Bauchmusku- latur abbiegend an den seitlichen Rand der dachförmig erhobenen Bauchrinne tritt, und continuirlich in das Schleimhautepithel dersel- ben übergeht. Es wäre indess auch nicht unmöglich, dass dieses Bild nur das Resultat eines schief, von hinten nach vorn, geführten Querschnittes ist. Einfacher als hier gestaltet sich die Ausdehnung der Kiemen- höhle, d. h. der Verlauf der Epithellamelle Z, im hinteren Körper- abschnitt. Vom letzten Gabelstäbehen aus schlägt sich die Lamelle, wie J. Mürter beobachtet und auf Taf. V Fig. 2 ganz richtig gezeich- net hat, mit ihrer oberen Wand nach oben hinauf, und legt sich, die paarige Leibeshöhle völlig verdrängend, an die Chordascheide resp. die von ihr ventral ausstrahlende Lamelle sch, an, zugleich hebt sich das innere Kiemenhöhlenepithel Z, von der Bindegewebshülle des Darmes ab, und bildet so eine den letzteren umfassende Schlinge, die fälschlich von Srrepa als Peritoneum aufgefasst worden ist. Wir erhalten somit das in Fig. 22 Taf. VI wiedergegebene Bild. An der Form der Kiemenhöhle ist keine wesentliche Veränderung eingetre- ten, aber die Leibeshöhle LA hat ihre Gestalt und Lage geändert. Der paarige Theil ist verschwunden, und dagegen hat der kleine, und TREE A. Kiemenhöhle; Lh. Leibeshöhle; D. Darmlumen. 1) Denn da die Stäbe nahezu in einem Winkel von 450 geneigt sind, muss Längs- und Querschnitt ziemlich gleiche Bilder geben. 136 W. Rolph unpaare, früher unter der Bauchrinne gelegene Abschnitt (ZA, Fig. 14) sich zu einem den Darm eylinderförmig umfassenden Hohlraum (Lh) ausgedehnt, in welchem die Gefässe verlaufen. Bis zum Porus branchialis tritt keine weitere Veränderung ein. Die Kiemenhöhle mündet hier nach aussen, aber sie endigt nicht, wie man vermuthen würde. QUATREFAGES gibt an, dass sich hinter dem Porus die Lei- beswand so eng um den Darm lege, dass die Leibeshöhle verschwinde. Dem gegenüber bestätigt sowohl Berr als Srrepa die ältere Angabe J. MÜLLER’s, nach welcher die Leibeshöhle bis an den After reichen soll. Ich kann versichern, dass nicht nur die Leibeshöhle weiter nach hinten reicht, sondern dass auch die Kiemenhöhle sich merk wür- digerweise noch fast bis zum After nach hinten ausdehnt. Nach den Figuren 17 u. 18, welche Querschnitte durch den Porus darstellen, folgt Fig. 27. Wir sehen, dass das untere Kiemen- höhlenepithel (Es), welches bis dahin der Bauchmuskulatur eng auf- lag (über ‚die histologische Veränderung desselben werde ich später sprechen), sich jetzt, nach Verschwinden der Muskulatur, von der Leibeswand abhebt. Diese Abhebung geschieht in einer Ausdehnung, welche durch den Abstand zweier Blutgefässe (5) bestimmt wird. Es entsteht dadurch ein ventraler Raum (7,4) der, wie wir weiter sehen werden, der Leibeshöhle zugehört. Fig. 19 zeigt uns diese Abhe- bung der Lamelle im Längsschnitt. Fig. 28 ist ein kurz nach 27 folgender Querschnitt, der uns zur Fig. 30 hinüberleitet, auf wel- cher die Kiemenhöhle in ihrer ganzen Ausdehnung gegeben ist. Während sonst keine wesentliche Veränderung zu bemerken ist, fällt es auf, dass die Kiemenhöhle angefangen hat asymmetrisch zu wer- den. Sie hat sich auf der linken Seite herabgezogen, während sie rechts unverändert blieb. Diese Herabziehung schreitet schnell weiter vor, bis sie das linksseitige Blutgefäss erreicht. Da plötzlich löst sich die zu einer Doppellamelle zusammengeschrumpfte Kiemenhöhlenwand ganz ab, und hängt nun (Fig. 31) als Falte in die nunmehr zu einem grossen Raum zusammengeflossene Leibeshöhle (Z%) hinein. Nun be- ginnen auch rechterseits die beiden Wände der Kiemenhöhle sich anein- anderzulegen, die Reduction geht immer weiter, und endlich, kurz vor dem After, ist der Raum A überhaupt verschwunden. Das Verhältniss der Leibeshöhle zur Kiemenhöhle ist daher, wie wir gesehen haben, ein sehr wechselndes. Die Leibeshöhle ist weit ausgedehnt im vordersten Abschnitt des Kiemenkorbes, im mittleren wird sie durch die Kiemenhöhle auf einige getrennte Räume beschränkt, deren grösste die Geschlechts- Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 137 organe aufnehmen. Kurz vor dem Porus verschwinden diese, nach- dem schon vorher, am Ende des Kiemenkorbes, die Leibeshöhle durch Umfassung des Darmes an Ausdehnung gewonnen hat. Hinter dem Porus vergrössert sich nun ihrerseits die Leibeshöhle auf Kosten der Kiemenhöhle. Ich habe den Blinddarm oben ganz aus dem Spiel gelassen, und sehe mich daher genöthigt, jetzt noch einige Worte über densel- ben zu sagen. Er zeigt ganz das Verhalten des Darmes selbst. Er wird von einem eylindrischen Hohlraum, der Leibeshöhle, umgeben, welche ihrerseits nach aussen von einer gleichfalls eylindrischen La- melle, der Kiemenhöhlenwand umfasst wird. Der ganze Apparat ist nichts als eine Ausstülpung aus dem Darm, an welcher sich jedoch nicht nur dieser, sondern auch die ihn eng umschliessende innere Kie- menhöhlenwand betheiligt. Es geht das zur Evidenz aus der Entwick- lungsgeschichte hervor; denn bis zum Schluss der Bauchfalten, dem Vorgang, durch welchen die Kiemenhöhle gebildet wird, existirt nach übereinstimmenden Angaben aller Beobachter der Blinddarm noch nicht. Ein ebenso seeundärer Vorgang ist die Bildung des hinter dem Porus sich fortsetzenden Abschnittes der Kiemenhöhle. Auch dies geschieht erst nach Schluss der Bauchfalten, also nach Ueberführung der Larve in die entwickelte Form. Die Wand der Kiemenhöhle wird überall gebildet von einem einschichtigen Cylinderepithel und der dieses tragenden Bindegewebs- haut. Letztere ist überall sehr dünn, und zeigt sich völlig homogen ; wo sie sich an andere bindegewebige Organe anlegt, verwächst sie mit diesen so innig, dass man keine Grenze mehr erkennen kann; an der inneren Wand der Bauchmuskulatur bleibt sie unterscheidbar. Wie das Epithel eontinuirlich in das Epithel der Oberhaut übergeht, so auch die Bindegewebshaut in die Cutis. | Das Kiemenhöhlenepithel besitzt grosse Aehnlichkeit mit dem Epithel der Oberhaut. Wie dieses, ja noch mehr als dieses, ist es oft pigmentirt, besonders im Bereich der Kiemenstiibchen. Die Grösse der einzelnen Zellen schwankt zwischen Grenzen, die nicht viel weiter auseinander liegen, als bei dem Oberhautepithel. Am Kiemenkorb sind die Epithelzellen hocheylindrisch, stark lichtbrechend; ihr Kern liegt nahe der Basis. In der Mittellinie des Stiibchens sind die Zellen, ef. Fig. 21 6 Taf. VI, am höchsten, nach dem vorderen und hinteren Rande zu flachen sie sich ab und gehen in das Schleimhautepithel über. Von gleicher Gestalt sind die Zellen im Bereiche des Arkadensystems. Die Höhe derselben ist 0,015— 0,02. 138 W. Rolph Viel niedriger sind die Zellen der inneren Kiemenhöhlenwand im Bereich des Darmes. Hier erreichen sie höchstens die Höhe von 0,005, zeigen also im Querschnitt kubische oder gar platte Gestalt. In derselben Form begegnen wir dem Epithel an der ganzen äusse- ren Kiemenhöhlenwand, mit Ausnahme einiger Stellen, an welchen es eine eigenthümliche Umwandlung erlitten hat. Schon J. MÜLLER beschreibt, dass er am respiratorischen Theil der Bauchhöhle mehrere von einander getrennte, drüsige Körperchen gesehen habe, in denen er die Nieren vermuthet. Aber er hat diese Organe bei der Zergliederung nicht wieder auffinden können. Er gibt auch auf Taf. I Fig. 3 eine gute Abbildung derselben. QUATREFAGES (Il. ec. pag. 207) bestätigt die Existenz dieser Ge- bilde, ohne sie näher zu untersuchen. W. MÜLLER!) erst gibt eine detaillirtere Beschreibung: Er be- merkt an der Ventralseite des Bauchfelles jederseits drei leistenför- mige Längserhebungen des Epithels, welche um so höher sind, je älter das Thier ist. Gegen den Porus hin seien sie am höchsten, nach vorn hin flachen sie sich ab, im Niveau des Leberabganges seien sie verstrichen. Auch Sriepa sind diese Organe nicht entgangen. Er gibt eine kurze Beschreibung derselben auf pag. 57, ohne in ihnen die von J. und W. MÜLLER geschilderten Körper zu erkennen. Er hält sie für die ersten Anlagen der Geschlechtsorgane, die schon von J. MÜLLER il. e. pag. 103) bemerkt seien. Aber diese Identifieirung ist falsch, indem J. MÜLLER an jenem Orte in der That die ersten Anlagen der Geschlechtsorgane beschrieben hat, welche aber an einer ganz an- deren Stelle zur Entwieklung kommen. Beide zuletzt genannten Autoren haben deshalb J. Mürner’s Angaben nicht verstanden, weil sie, wie es scheint, das fragliche Or- gan nur an Querschnitten studirt haben. Sie beschreiben daher Epithel- streifen, während J. MÜLLER ganz richtig getrennte Körperehen schildert. W. MÜLLER geht sogar soweit, die von J. MULLER auf das deutlichste ab- gebildeten Organe für Parasiten zu erklären! Dem gegenüber muss ich auf das bestimmteste versichern, dass die von W. MÜLLER be- schriebenen Organe identisch mit den von J. MÜLLER entdeckten sind. Nur ist es dem ersteren Forscher nicht gelungen, sich eine richtige Vorstellung von der Form und Lage der betr. Organe zu erwerben. 1) W. MÜLLER. Das Urogenitalsystem des Amph. u. d. Cyclost. Jenai- sche Zeitschr. IX. pag. 9. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 139 Wenn man bei einem geschlechtsreifen Thier die quere Bauch- muskulatur herauspräparirt, so bemerkt man, dass dieselbe auf der Strecke vom Porus bis in die Höhe des Leberansatzes innen mit einer grösseren Zahl bohnen- oder nierenförmiger Kérperchen besetzt ist, deren grösster Durchmesser der Längsachse des Thieres parallel läuft Sie sind in der Mitte ganz unregelmässig vertheilt, nur an den Seiten sind sie in einer Längslinie angeordnet und bilden hier, namentlich bei solchen Thieren, die kurz vor der Ausleerung ihrer Geschlechtsproducte stehen, fransenartig nach innen vorspringende Wiilste. Je näher dem Porus, um so dichter stehen auch die Kör- perchen, und genau vor demselben drängen sie sich oft ganz dicht aneinander. Auf dem Querschnitt erhalten wir daher Figuren, wie sie meine Abbildungen 17 u. 22 zeigen. Das äussere Kiemenhöhlenepithel hat sich aus der gleichmässi- gen Lage, welche es auf Fig. 22 an der Raphe zeigt, in mehre- ren Wülsten erhoben, indem sich zugleich seine Zellen beträchtlich erhöht haben. Die einzelnen Zellen stehen schräg nach innen ge- richtet, sie erniedrigen sich nach der Seite zu. An der Ansatzstelle der Muskulatur des Bauches an der Körperwand biegt das Epithel in einer Duplicatur ab, um die mächtigen Geschlechtsorgane zu um- kleiden. Sind letztere, wie hier, stark entwickelt, so werden beide Epithelwände eng an einander gedrängt, ohne jedoch zu verschmel- zen, und beide, sowohl N, als N, zeigen, allerdings letztere viel auffallender, eine Erhöhung des Epithels. Auf einem Schnitt durch den vorderen Rand des Porus zeigen sich diese Epithelwülste (ef. Fig. 17) noch viel deutlicher: sie ragen sogar noch etwas über den Rand in den Porus hinein. Präparirt man nun einen Theil des unteren Kiemenhöhlenepi- thels mit den bohnenförmigen Körperehen von der Bauchmuskulatur ab, was ziemlich leicht geht, und betrachtet das Flächenbild von der Kiemenhöhle aus, so erhält man, je nach der Einstellung des Tubus, verschiedene Ansichten. Bei hoher Einstellung erblickt man das Bild Fig. 37a. Es zeigt sich eine Platte, bestehend aus hellen, blasigen, polygonalen Zellen, mit scharfgezeichneten Rändern und Ecken. In letzteren erkennt man an Tinctionspriiparaten intensiv gefärbte Kerne. Bei tiefer Einstellung zeigt sich Fig. 37 6. Das Bild ist vollkommen verändert. Die poiygonalen Zellen drängen sich bienenwabenähnlich an einander. Ihr Inhalt scheint dunkler und kérniger. Etwas ex- centrisch liegt ein grosser, dunkler, aber doch nur wenig gefärbter 140 W. Rolph x Kern. Fig. 37 e endlich gibt einen Querschnitt durch den Epithelwulst. Man erkennt auf der homogenen schmalen Bindegewebslamelle hohe kegelförmige Zellen mit grossem, rundem oder elliptischem, schwach sefärbtem Kern nahe der Basis, zwischen den Köpfen dieser Zellen aber andere, spindelförmige, intensiv gefärbte Kerne. Ein Zerzupfungspräparat belehrt uns darüber, dass wir -es hier mit zwei verschiedenen Formen von Zellen zu thun haben, mit gros- sen, polygonalen, kegelförmigen, und mit zarten fadenförmigen. Die ersteren (Fig. 37 d) sind hell, von feinkörnigem, sich nicht merklich färbendem Protoplasma erfüllt. Ihre Höhe ist 0,028 bis 0,036, ihre grösste Breite 0,006 bis 0,008, ihr Kern 0,003 bis 0,004 Mm. Nahe ihrem Kopfe zeigen sie eine Einbuchtung, in welche die sich intensiv färbenden,, spindelförmigen Kerne der fadenförmigen Zwi- schenzellen eingepasst sind. Letztere sind eben so lang als jene, ihr Kern aber nur halb so breit, als dort. Hiernach erklären sich sowohl die Flächenbilder, als die Quer- schnitte, auf welehen sich die Kerne der schmalen Zellen am deut- lichsten markiren. Da Uebergangsformen nicht fehlen, so ist man wohl berech- tigt anzunehmen, dass die schmalen Zellen dureh Verlust ihres Protoplasma aus den ersteren hervorgegangen sind. Ich möchte sie für nicht mehr funetionirende Zellen halten, welche vermuthlich später ganz zu Grunde gehen, um anderen Platz zu machen; aller- dings dürfte die Regelmässigkeit in ihrer Anordnung gegen diese Deutung sprechen. Hasse!) bemerkt am Schlusse seiner Unter- suchung über das Auge des Amphioxus, er habe an den fraglichen von W. MÜLLER als Nieren gedeuteten Epithelien, eine Deutung, der er sich vollkommen anschliesse , Spuren einer Streifung und somit einer Zusammensetzung gesehen, wie HEIDENHAIN sie an den Nieren- epithelien beobachtet habe. Obgleich mir diese Beobachtung nicht gelungen ist, so möchte ich trotzdem nicht dagegen sprechen. Es ist wohl möglich, dass besondere Behandlungsweise dieses Verhalten kenntlich macht. Was die Deutung des Organes angeht, so lässt sich glaube ich nicht verkennen, dass man es mit Drüsen zu thun hat, und ich möchte mit MÜLLER in ihnen Nieren sehen, harnabsondernde Drü- senzellen, welche sich aus Zellen des Oberhautepithels entwickeln. Wir würden es demnach in den Nieren des Amphioxus mit Hautdrü- !) Dieses Jahrbuch Band I pag. 282. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 141 sen zu thun haben. An eine Homologie mit den Nieren der an- deren Wirbelthiere ist nicht wohl zu denken. Eine genauere Kenntniss der Geschlechtsorgane verdanken wir erst StrepA und W. MÜrLER, doch bezieht sich das nur auf die histologischen Details; was den makroskopischen Bau betrifft, so müssen auch hier die Darstellungen RArHuke’s und J. Mürner’s her- vorgehoben werden. Letzterer beschreibt zuerst die Eier, Köunı- KER!) zuerst die Samenfäden des Amphioxus. W. MüÜLLERr's Unter- suchungen verdienen besondere Berücksichtigung, da sie, an ver- schieden alten Exemplaren angestellt, uns einen Einblick in die = wicklung der Geschlechtsorgane gewiihren. Er beschreibt die erste Anlage der Genitalorgane »in Form einer Anzahl getrennter Zellhaufen, welche auf beiden Seiten alterni- rend gerade vor der erähigahh xsstelle der Rumpf- und Bauchmus- kulatur unter dem Peritonacum liegen. Die Zellenhaufen hatten einen annähernd eiförmigen Querschnitt mit dorsalwärts gerichtetem schmäleren Ende«. Das Bauchfell ging continuirlich über diese von einem dünnen bindegewebigen Ueberzug umkleideten Körper fort. Die reifen Organe unterschieden sich von jenen hauptsächlich durch die Volumvergrösserung. Die jüngste Form der Geschlechtsorgane, die ich überhaupt zu sehen bekommen habe, ist auf einem Niierkehzhitt in Fig. 36 Taf. VII abgebildet. Das Organ ist etwas weniger entwickelt, als das, wel- ches W. MÜLLER auf Taf. V Fig. 5 wiedergibt. Das äussere Kiemenhöhlenepithel Z£,, welches die von der Chordascheide abgehende Lamelle sch, bekleidet, sowie die quere Bauchmuskulatur M bedeckt, hat sich in einer kurzen bis zur An- satzstelle der letzteren an sch, reichenden Strecke abgelöst, und ragt in die Kiemenhöhle hinein. Es spaltet so einen Hohlraum ab, welcher überall mit Endothel ausgekleidet ist. Etwas über der Mitte der freihängenden Wand verläuft ein Blutgefäss 3. Diesem nahe angepresst liegt ein bläschenförmiger Körper; seine Wand wird ge- bildet durch eine äussere Bindegewebslamelle und ein inneres Epithel. Letzteres ist im Allgemeinen einschichtig, nur an einer Stelle liegen kleinere runde Zellen demselben auf. Das Aussehen der Zellen dieses Organes zeigt grosse Aehnlichkeit mit den Epithelzellen der Kiemenhöhle. Nur die grössere Höhe und mehr blasenförmige Ge- 1) MÜLLER’S Arch. f. Anat., Phys. ete. 1843 pag. 32 142 W. Rolph = stalt unterscheiden es von jenem, das in dieser Gegend überhaupt höher und blasiger ist als sonst. Das Siickchen ist mit einem kur- zen Stiel an die Kiemenhöhlenwand geheftet, und hier an seiner oberen etwas zugeschärften Wand war die Uebereinstimmung beider Epithelien geradezu auffallend. SrieDA hat (l. e. pag. 55) ein junges Ovarium von demselben einfachen Bau beschrieben. Woher stammt dasselbe? Aus welchen Zellen entwickelt sich das Epithel des jungen Eierstockes? Es lie- gen nur zwei Möglichkeiten vor. Entweder stammt es aus einer be- sonderen, an der Leibeshöhlenwand gelegenen, primitiven Anlage, die vielleicht aus einer Umwandlung des Endothels hervorgegangen ist, oder aus dem Epithel der Kiemenhöhle. Was erstere Annahme be- trifft, so muss ich hervorheben, dass ich nie ein Bild erhalten habe, welches diese Zurückführung erlaubte. Freilich habe ich auch nur ein Exemplar, welches noch kleiner war als jenes, dem der Sehnitt Fig. 36 entnommen ist, zu untersuchen Gelegenheit gehabt. Dieses eine aber zeigte keine Spur von Geschlechtsorganen. Die Wand des entsprechenden Kiemenhöhlenabschnittes zeigte dagegen die eharaete- ristische Erhöhung des Epithels, und zuweilen in die Leibeshöhle hin- einragende Falten, theils über, theils unter dem Blutgefäss, aber stets in dessen nächster Nähe. Alles dies spricht eher für die Ableitung der Organe aus dem Epithel der Kiemenhöhle. Ich muss diese Frage offen lassen, denn ich halte meine Beob- achtungen für zu lückenhaft und ungewiss, um mich zu einem be- stimmten Urtheil in einer gerade jetzt so äusserst wichtigen Frage zu berechtigen. Doch habe ich es für meine Schuldigkeit gehalten, die Aufmerksamkeit anderer auf diesen Punct hinzulenken !). Was die entwickelten Organe, Hoden und Eierstock, betrifft, so bin ich nicht im Stande den ausführlichen Beschreibungen von STIEDA und W. MÜLLER etwas Wesentliches hinzuzusetzen. Nur muss ich letzterem gegenüber die Existenz eines Vas deferens leugnen. Am entwickelten Ovarium lässt sich (ef. Fig. 22) noch recht gut die ursprüngliche Form eines Sackes mit einschichtiger Wandung erkennen. Wenn man den immer noch reihenweis angeordneten Kiern folgt, so ist man im Stande das ganze Organ auf die Form eines mehrfach und regelmässig gefalteten Sackes zurückzuführen. !) Man vergleiche hier die genaue Detailschilderung LANGERHANS’, die lei- der auch keine Entscheidung bringt, aber sonst unsere Kenntniss vom Bau der Geschlechtsorgane des Amphioxus sehr wesentlich fördert. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 143 Die Zahl der Säcke ist verschieden, je nach dem Alter des Thieres, sie haben auch in der Mitte des Körpers einen grösseren Durchmes- ser, als vorn und hinten. Haben die Organe die höchste Stufe ihrer Entwicklung er- reicht, so drängen sie sich eng aneinander (Fig. 22), oder, im vor- deren Körperabschnitt, an den Kiemenkorb. Dadurch wird ein ventraler Abschnitt (Ur) von dem Hauptraum der Kiemenhöhle abge- schlossen, weleher einen Canal bildet und zur Aufnahme und Fort- leitung sowohl der Geschlechtsproduete, wie auch eventuell — falls die Zellgruppen wirklich Nieren sind — des Harms, wohl geeignet scheint, auch oftmals mit Geschlechtsproducten gefüllt gefunden wird. Es ist bekanntlieh immer noch eine offene Frage, wie letztere nach aussen, gelangen. Denn der Beobachtung QUATREFAGES’ nach, welcher dieselben in die Leibeshöhle {also Kiemenhöhle) hineinfallen und aus dem Porus. austreten sah, steht die Angabe KowALEWSKY'S entgegen, welcher dieselben aus dem Munde ausgeworfen werden sah. W. MÜLLER sucht beide Angaben in geschickter Weise zu vereini- gen, indem er vermuthet, dass zur Laichzeit sich die Seitenfalten zu einem Canale abschliessen, in welchem die Geschlechtsproducte zugleich mit dem abströmenden Athmungswasser bis nahe unter den Mund gelangen würden. Dem lässt sich jedoch entgegnen, dass die Seitenfalten zu keiner Zeit weniger, als während der Laich- periode, im Stande sind unter der angeschwollenen und stark ver- breiterten Bauchwand einen Canal abzuschliessen. Die Vermuthung HAccker’s!), dass die merkwürdigen Seitencanäle. als Leitungsapparate fungiren, ist sicher zurückzuweisen. Ich schliesse mich der Ansicht QUATREFAGES’ an, um so mehr, als dieselbe durch BERT, dessen Arbeit leider wenig bekannt zu sein scheint, vollkommen bestätigt wird. Berr sah, dass die Eier durch Platzen der Säcke in die Kiemenhöhle traten. dass die Wan- dung sich darauf wieder schloss, nachdem sich pigmentirte Granula- tionen gebildet hatten?). Er beschreibt endlich das Auswerfen des Sperma aus dem Porus. Zur Entscheidung der Frage können meine Beobachtungen we- nig beitragen. Ich fand die Eier in grosser Menge im ganzen Be- !) Antropogenie pag. 306. 2) Noch in jüngster Zeit habe ich häufig Gelegenheit gehabt, diese dunkel pigmentirten Narben auf Querschnitten zu sehen. Stets war in diesem Falle die Geschlechtstasche ganz oder grösstentheils entleert. 144 W. Rolph reich der Kiemenhöhle; ich fand aber auch einzelne, sowohl zwischen den Kiemenstiiben, als im Lumen des Kiemenkorbes selbst. Bestätigt sich QUATREFAGES’ Angabe, wie zu vermuthen ist, so würde die Kiemenhöhle ferner noch die Rolle eines Samen-Ei- und Harnleiters übernehmen. Das Gefässsystem des Lanzettfisches ist mit Erfolg nur an fri- schen Thieren zu untersuchen ; ich glaube daher um so eher von der Beschreibung einiger Einzelheiten absehen zu können, als gerade hierüber uns sorgfältige Darstellungen J. MÜLLER's und QUATRE- FAGES’ zu Gebote stehen. Das wichtigste Resultat der vorliegenden Untersuchungen ist ohne Zweifel die Klarlegung des Verhältnisses von Leibeshöhle zu Kiemenhöhle. Nach Feststellung des ganzen Verlaufs der Kiemen- höhlenwand ist es möglich, diese beiden Räume, welche bis jetzt immer zusammengeworfen wurden, zu trennen. Denn wenn auch mehrfach, namentlich durch LEUCKART und PAGENSTECHER und Ko- WALEWSKY darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass die durch Schluss der so auffälligen Seitenfalten der Larve entstan- dene Höhle Kiemenhöhle sei. so fand doch diese Ansicht keine Anerkennung, weil man in eben dieser Höhle auch die Ge- schlechtsorgane liegen sah, und weil niemand im Stande war, an der Hand der Entwieklungsgeschiehte den in dieser Thatsache lie- senden Gegenbeweis zu entkräften. Man wählte von zwei Uebeln das kleinste, und zog es vor, lieber das Athmungswasser durch die Leibeshöhle strömen zu lassen, als den Geschlechtsorganen, der Le- ber, ja dem Darm selbst eine Lage in der Kiemenhöhle anzu- weisen. Diese Ansicht, welehe demnach dem Amphioxus eine im Thier- reiche einzig dastehende Eigenthümlichkeit zuspricht, wurde zuerst durch J. MÜLLER zur Geltung gebracht und von QUATREFAGES an- genommen. Somit stellten sich diese Beobachter in Widerspruch zu Goopsir und RATHKE, welche unter gleichzeitiger Behauptung, dass der Kiemenkorb der Spalten entbehre, die betreffende Höhle nur als Leibeshéhle betrachtet hatten. Letzterer Ansicht schliesst sich unter allen neueren Autoren -nur STIEDA an. Die übrigen ziehen insofern Vortheil aus den erwähnten entwicklungsgeschichtlichen Untersuchun- sen LEUCKART’S und PAGENSTECHER’S sowie KOWALEWSKY’S, dass sie die Existenz einer Kiemenhöhle angeben, über deren Gestalt und Lage sie jedoch im Unklaren sind. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 145 GEGENBAUR') sieht den das Athmungswasser führenden Hohl- raum als eine Athemhöhle, den Porus als einen Porus branchialis an, bemerkt jedoch bei Schilderung der Geschlechtsorgane, dass diese sich an der Wand der Leibeshöhle entwickeln, in dieselbe frei hin- einfallen und durch den Porus nach aussen gelangen. Letzterer müsste demnach auch mit der Leibeshöhle in Verbindung stehen, würde also zugleich noch P. abdominalis und genitalis sein. Ebenso gibt CLaus?) die Verhältnisse an. Auch HAEcKEL?) trägt nichts zur Klärung der Sachlage bei. Er lässt das Wasser durch die Kiemen- spalten in einen Raum gelangen, den er als Kiemenhöhle bezeichnet, in welchem er jedoch (ef. die Abbildung Taf. VII. 13) auch die Geschlechtsorgane einzeichnet. Auch die Darstellung der Entwick- lung des Amphioxus (l. e. pag. 330) ist nicht im Stande uns auf- zuklären. W. MÜLLER nimmt, ohne genauer auf die Sache einzugehen, uralte Beziehungen der Leibeshöhle zu dem Kiemenapparat an, wel- che nur im Amphioxus erhalten sein sollen. STIEDA, der die Nichtexistenz der Kiemenspalten behauptet, kann daher auch keine Kiemenhöhle kennen; ja er leugnet sogar überhaupt die Existenz des Raumes, den ich für die Kiemenhöhle ansehe. Huxtey hat einen Versuch gemacht die Frage zu lösen und ist dabei zu folgenden Resultaten gelangt*). Er führt als das Bemer- kenswertheste an, dass die Kiemenspalten sich in die Pleuroperito- nealhöhle öffnen, was sonst bei keinem Wirbelthiere der Fall sei, und dass in dieser nun auch die Geschlechtsorgane zur Entwicklung kommen. Bei allen höheren Thieren, sagt Huxtry, entstehe die Pleuroperitonealhöhle (Periviseeral cavity) durch Spaltung des Meso- blast, die sich jedoch nicht weiter nach vorn erstrecke, als bis an den letzten Kiemenbogen. Nun bilde sich bei den meisten Fischen ein Fortsatz des Integumentes, der nach hinten die Kiemenhöhle umfasse, und beim Frosch werde diese Opereularmembran so gross, !) Grundzüge der vergl. Anatomie 2. Aufl. 1870. pag. 805 u. 862. 2) Grundzüge der Zoologie 1872 pag. 829. 3) Anthropogenie pag. 302 u. 305. 4) Dieselbe, in einem Vortrage vor der Linnaean society am 4. Decbr. 1874 niedergelegt und im Journal of Linn. Soc. Zool. XII. No. 59 pag. 199. 1875 abgedruckt, ist in der Nature Vol. IV No. 267 im Auszug reprodueirt. Eine Uebersetzung dieses Artikels findet sich in einer der ersten Nummern dieses Jahrganges (1875) im Ausland. Ich kenne nur den Artikel in der Nature. Morpholog. Jahrbuch. 2. . 10 146 W. Rolph dass sie die ganzen Kiemen umschliesse und nur noch linkerseits eine Oeffnung, den Porus branchialis freilasse. Diesen so abgeschlos- senen Raum stellt er dem Athemraum des Amphioxus mit vollem Rechte an die Seite, lässt sich jedoch durch die Verhältnisse bei letzterem Thier dazu verleiten ihn als Leibeshöhle anzusprechen, während er doch in der That nur ein durch eine Hautfalte umwach- sener Aussenraum ist. Er kommt daher zu dem auffallenden Resul- tat, dass die Leibeshöhle bei den Froschlarven vorn durch Ueber- wachsen einer Falte des Hautblattes gebildet wird, hinten aber durch Spaltung des Mesoblast. Ersterer Vorgang sei es nun, der bei Am- phioxus die ganze Leibeshöhle bilde. HuxLkyY wirft sogar die Frage auf, ob nicht Perieardium und Peritoneum aus dem Epiblast (Eeto- derm) hervorgehen möchten, entsprechend dem Perithoracalsack der Ascidien; zuletzt gelangt er consequenterweise zu der Annahme, dass die Leibeshöhle der Vertebraten eine virtuelle Einstülpung des Epiblast sei, dass also eine wirkliche Homologie bestehe zwischen dem Porus branchialis des Amphioxus und den Pori abdominales der Selachier einerseits, andrerseits aber auch dem Porus branchialis der Froschlarven. In ganz anderer Weise greift in allerjüngster Zeit Ray Lan- KESTER!) die Frage an. Im Juliheft des Quarterly Journal of mi- eroscopical Science pag. 257 publieirt derselbe die hauptsächlichsten Resultate, welche einer seiner Schüler durch Untersuchung des Am- phioxus gewonnen hat, und knüpft daran einige Bemerkungen über deren Bedeutung. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen meine im Januarheft der Sitzungsberichte niedergelegten Resultate, welche LANKESTER unbekannt geblieben zu sein scheinen, vollkommen. In der ganzen Arbeit findet sich nur eine Angabe die ich nicht gemacht habe, dagegen mehrere unrichtige Darstellungen. Erstere betrifft die Auffindung von pigmentirten Canälen in der Nähe der Blindsack- basis, welche Ray LANKESTER als Nieren deutet. Letztere betreffen die genauere Schilderung des sog. Arkadensystems, das Verhältniss der Mundhöhlenwandung, die sog. hyoidean apertures, endlich die Chorda. Was die pigmentirten Caniile angeht, so muss ich gestehen, dass ich niemals etwas dem ähnliches gesehen habe, weder unter meinen Schnitten, noch unter den zahlreichen Präparaten, welche ich ', Die betreffende Arbeit habe ich mir erst im September verschaffen kön- nen, nachdem ich von meiner erfolglosen Reise nach Helgoland zurückge- kehrt war. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 147 fast täglich zu durehmustern Gelegenheit habe. Auf das von mir gefundene räthselhafte Organ (cf. pag. 130) an der Blinddarmbasis kann ich die Beschreibung nicht beziehen, und ich neige am ehesten zu der Ansicht, dass hier eine Verwechselung mit den Blutgefässen vorliegt, welche an der betreffenden Stelle ihre Lage in einer mir unbekannten Weise verändern und leicht zu Täuschungen Anlass geben können. Diese Canäle aber scheinen es vornehmlich gewesen zu sein, welche Ray LANKESTER zu der folgenden Betrachtung Anlass gaben, in- dem er sich auf die eben dargestellte Auffassung Huxrey’s stützt. Ausgehend von der Annahme, dass das Coelom der Vertebraten aus einer Einstülpung, die sich nur im Amphioxus nachweisbar er- halten habe, entstanden sei, demnach nicht in Homologie zu dem Coelom der Wirbellosen gestellt werden könne, bezeichnet er das- selbe als Epicoel. Er sucht nun nach einem Homologon des Coe- loms der Wirbellosen, der Vorfahren der Wirbelthiere, und fragt ob ein solches nicht vielleicht bei Amphioxus erhalten wäre? Diese Frage beantwortet er bejahend, gestützt auf die Verglei- chung eines Querschnittes des Amphioxus mit solchen, welche Bar.- FOUR ') in seiner neuesten Arbeit über die Entwicklung der Elasmo- branchia abbildet. Als Ergebniss dieser Vergleichung stellt Ray LANKESTER folgende Behauptungen auf: »Die Peritonealhöhle der Vertebraten ist homolog dem Coelom des Amphioxus und der Würmer.« »Die ältesten Vertebraten, nur noch im Amphioxus erhalten, ent- wickelten (als neue Erwerbung) Epipleura, welche in der Mediane verwachsend ein Atrium bildeten.« (Kiemenhöhle des Amphioxus). »Bei Amphioxus bleibt dieses Atrium bestehen, während es bei den übrigen Vertebraten durch Verwachsung seiner Wände verschwindet.« »Die Selachier aber zeigen uns in ihrer Entwicklungsgeschichte eine Phase, in welcher dieses Atrium noch besteht, in dem Zwischen- raum besteht, welcher Somatopleura und Epipleura trennt.« Vergleichen wir die von Ray LANKESTER selbst gegebenen schematischen Abbildungen, welche diese Verhältnisse klarlegen sol- len und modifieirte Copieen nach BALFOUR sind, so stellt sich fol- gendes heraus: Beim Amphioxus haben wir es von innen, dem Lumen des Dar- !) Preliminary account of the Development of Elasmobranch Fishes. Quar- terly Journal of microscopical science. October 1874. ; 10* 14s W. Rolph mes nach aussen zählend mit folgenden Schichten zu thun: 1) Darm- schleimhaut, 2) Splanchnopleura (Bindegewebshülle des Darms), 3) So- matopleura (Innere Kiemenhöhlenwand — Atriumwand), 4) Epipleura (Aeussere Kiemenhöhlen- oder Atriumwand), 5) die von der Chorda- scheide bauchwärts ausstrahlende, die Leibeshöhle umfassende Binde- sewebslamelle, auf deren Wichtigkeit ich um so mehr aufmerksam machen muss, als Ray LANKESTER dieselbe in seiner Fig. 2 (I. e. pag. 266) zwar zeichnet, aber bei seiner Betrachtung ganz aus dem Spiele lässt. Zwischen diesen Sehichten liegen Hohlräume, und zwar: Zwi- schen 2 und 3 das Coelom (die Leibeshöhle), zwischen 3 und 4 das Atrium (Kiemenhöhle), zwischen 4 und 5 wiederum Leibeshöhle. Bei dem von Ray LANKESTER in Fig. 3 gezeichneten Haifisch aber sehen wir folgende Schichten : 1) Darmschleimhaut, 2) Splanchno- pleura, 3) Somatopleura, 4) Epipleura. Diese letztere aber ist die äusserste Schicht und entspricht in ihrem Verlaufe der fünften des Amphioxus. Es fehlt uns daher auch das äussere Coelom, welches bei Amphioxus zwischen 4 und 5 liegt. — Kurz, schon in den als Beleg gegebenen Zeichnungen fehlt eine Schicht und man könnte nur darum streiten, welche eigentlich fehlt? Doch weiter. Durch Verwachsung von Somatopleura und Epi- pleura, also durch Verwachsung der Kiemenhöhle, des Atrium, soll sich das Schema der höheren Vertebraten ergeben. Bei dem Hai- fisch Fig. 3 in der That, aber bei Amphioxus nicht. Lassen wir hier die dritte und vierte Schicht, also die beiden Wände der Kie- menhöhle verwachsen, so erhalten wir erst das Schema Fig. 3, das des Haifischembryo. Diese verschmolzenen Wände müssten erst wie- der mit der übersehenen fünften Schicht verwachsen, um das Bild der höheren Wirbelthiere zu geben, d. h. der äussere Leibeshöhlen- abschnitt des Amphioxus, derselbe, welcher die Geschlechtsorgane, enthält, müsste erst verschwinden. Wir sehen also, dass Zahl und Anordnung der Schichten die Aufstellungen Ray LANKESTER's nicht unterstützen, und wir werden es daher natürlich finden, dass auch die von jenen begrenzten Hohlräume nicht stimmen. Dem Haifischembryo fehlt ein bei Amphioxus vorhandener Hohlraum und zwar nach R. L’s. Auffassung der äussere Leibeshöhlenabschnitt. Aus welchem Grunde gerade dieser, das wird uns nicht gesagt. Warum lässt man nicht lieber die Kiemenhöhle des Amphioxus ausfallen; es würde dadurch das Schema des Haifisches in, wie mir scheint, plau- siblerer Weise abgeleitet. Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 149 In Wirklichkeit aber leidet der Versuch Ray LAnkEsTER's an einem fundamentaleren Irrthum , zu dessen Erörterung wir sein Schema des Haifisches mit BaLrour’s Figuren vergleichen müssen. Augenscheinlich sind es die Zeichnungen Fig. 10 auf Taf. XIV, und Fig. 11a, 6, e, auf Taf. XV, aus welchen Ray LANKESTER sein Schema eonstruirt hat. Diese alle aber stammen aus einer sehr frühen Entwickelungsperiode, in welcher das gesammte Bindege- webegerüst des Körpers nur in sehr wenigen, epithelartigen, nur zwischen Chorda und Muskelplatten (mp und mp,) gelegenen Zellen vorhanden ist. Ueberall wohin später das Bindegewebe einwandert finden wir hier noch Spalträume, und zwar zählen wir deren drei: Den ersten zwischen Entoderm und Splanchnopleura, den zweiten zwischen Splanchnopleura und Somatopleura, den dritten zwischen Somatopleura und Eetoderm (Epipleura). Aber ein so frühes Stadium hat Ray LANKESTER nicht gegeben. Auf seinem Schema Fig. 3 ist das Bindegewebe schon mächtig entwickelt, auch die Muskelplatte er- streckt sich schon weit herab. Merkwürdigerweise aber ist das nur auf der Dorsalseite der Fall. Auf der Ventralseite scheint die Ent- wieklung des Bindegewebes zurückgeblieben zu sein. Kurz der obere Abschnitt von LANkKESTER’s Schema entsprieht einem viel älte- ven Embryo, wie der untere. Der erstere entspricht dem Embryo den BAaLrour in Fig. 12«, 6 und 13 zeichnet, der letztere gehört dagegen dem viel jüngeren der Fig. 11a, db und ¢ an. Oder wel- ehen anderen Grund hat es, dass der Spaltraum zwischen Somato- pleura und Epipleura nieht durch Einwucherung des Bindegewebes verschwunden ist, wie BaLrour’s Fig. 12 verlangt! Ich glaube damit zur Genüge gezeigt zu haben, dass einerseits das Schema Fig. 3, mehr als in diesem Falle erlaubt, modifieirt ist, dass es aber andrerseits selbst in dieser Form dem Schema des Amphioxus Fig. 2 nicht entspricht. Die Schuld an allen diesen verunglückten Schematisirungsver- suchen, namentlich an den zwei letzterwähnten, trägt vor allem die falsche Ansicht, dass der erwachsene Amphioxus das Urwirbelthier sei, dass man nur einen Querschnitt durch ihn zu legen brauche, um das Schema des Urvertebraten zu erhalten. Ich würde nicht so genau auf diese Versuche eingegangen sein, wenn ich letzterer Ansicht beistimmte. Wie der specielle Theil dieser Arbeit wohl ge- zeigt hat, ist es mit der Einfachheit des Lanzettfischchens nicht weit her, sie ist wenigstens, sit venia verbo, eine sehr compli- eirte. 150 W. Rolph Meine eigene Auffassung stiitze ich durch dieselben anatomischen Befunde wie Ray LANKESTER, lege jedoch zur Erklärung derselben das Hauptgewicht auf die Entwicklungsgeschichte. Und gerade diese beweist auf das Deutlichste die Richtigkeit meiner Ansicht in dem Punete, in welchem ich von den beiden letztgenannten Autoren auf das entschiedenste abweiche: In keinem einzigen der Leibeshöhle oder einem Abschnitte derselben zu irgend einer Zeit zugehörigen Hohlraum der übrigen Wirbelthiere ist ein Homologon der Kiemen- höhle des Amphioxus zu sehen. Die einzigen uns vorliegenden Untersuchungen über die Ent- wicklung des Amphioxus verdanken wir Max SCHULTZE !), LEUCKART und PAGENSTECHER? und KOWALEWSKY °). Die erstere ist, wie jeder unbefangene Leser zugeben muss, so oberflächlich und ungenau, dass sie sich für diese Frage gar nicht verwerthen lässt. LEUCKART und PAGENSTECHER’s Untersuchungen differiren nur in einem wesentlichen Puncte von denen KowALEwsky’s. Sie be- schreiben , dass bei den Larven die Darmwand in dem auf der Bauchseite gleichsam gespaltenen Körper frei nach aussen liege, und dass die in Ringwülsten hervorragenden median liegenden Kiemen nicht durch Spalten, die das Lumen des Kiemenkorbes mit der Aussenwelt verbinden, von einander getrennt seien 4). KOWALEWSKY schliesst sich in dieser Beziehung jenen nicht an, und gibt noch einen positiven Beweis für seine Darstellung durch das Experiment. Nach Zusatz von Karmin zu dem Wasser, in dem sich das Thier befand, sah er die Karminkörnehen durch die Mundspalte in den Kiemenkorb ein- und durch die Kiemenspalten wieder aus- treten. ') Beobachtung junger Exemplare von Amph. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1851. pag, 416. 2) Untersuchungen über niedere Seethiere. Arch. f. Anat., Phys. und wiss. Medic. 1858. pag. 558, und Amtlicher Ber. üb. d. Vers. d. Naturf. u. Aerzte. 1859. Karlsruhe pag. 131. 3) Ausser der schon oben eitirten Arbeit (Mém. Acad. Imp. St. Pet. VII ser. X] 1867) ist noch eine spätere Arbeit (Kiew 1870) zu erwähnen. Da die- selbe in russischer Sprache erschienen ist, so konnte ich nur die Abbildungen benutzen, musste mich im Uebrigen aber auf die kurze Notiz Arch. f. micr. Anat. VII pag. 114 stützen. 4) Wie ich aus mündlicher Mittheilung weiss, ist Prof. LEUCKART selbst geneigt, hier (für die vorderen d. h. älteren Kiemenspalten) die Möglichkeit eines Irrthums anzunehmen. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 151 Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind folgende : Kurz nachdem der Embryo in der Gastrulaform die Eihaut ver- lassen hat beginnt die Bildung des Nervensystems, welches sich in der bekannten Weise aus dem Hautsinnenblatte entwickelt. Schon während dieses Vorganges treten die ersten Muskelzellen auf, und noch bevor der Embryo 20 Stunden alt ist zeigen sich die grossen Chorda- zellen. Die unmittelbar folgenden Entwicklungsvorgänge beziehen sich vornehmlich auf die Weiterentwicklung der Organe des mittle- ren Blattes, welches sich aus dem Darmblatt bilden soll, besonders der Muskeln und der Chorda, aber auch des Nervensystems. Der allseitig flimmernde Embryo spitzt sich nun merklich zu, und es zeigt sich auf der rechten Seite desselben nahe seiner Kopfspitze ein dunkler Fleck, der Ausdruck einer Verwachsung des Darmblattes mit dem Hautblatt. In der Mitte dieses Fleckes bildet sich eine Spalte, die somit das vordere bis jetzt blinde Ende des Darmtractus nach aussen öffnet, die Mundspalte. Ein ganz gleicher Vorgang bewirkt bald darauf die Bildung der ersten in der Mittellinie des Bauches liegenden Kiemenspalte. Darm- wand und Leibeswand verwachsen mit einander in einer ringförmi- gen Wucherung, in deren Mitte eine Spalte, die erste Kiemenspalte durehbricht. Jetzt folgt in raschem Fortschritt der Durchbruch zahl- reicher Kiemenspalten hinter der ersten, und nach KowALEwsKY’s Angabe, auch asymmetrisch linksseitig. LEUCKART und PAGENSTECHER jedoch beobachteten dies nicht und Meissner!) gibt an, dass sich der gesammte Kiemenkorb einseitig anlege. Im ferneren Verlaufe der Entwicklung rücken nach KowALEwsKY die median angelegten Kiemenspalten nach rechts hinüber. Fig. 6 zeigt uns einen nach KowALEwsKY’s Angaben construir- ten schematischen Schnitt durch eine Larve, welche auf diesem Sta- dium angelangt ist. Die Kiemenspalten A durchbohren sowohl Darmwand « als Leibeswand 4, sind also den Kiemenspalten der Fische, den Visceralspalten der höheren Wirbelthiere morphologisch gleichwerthig. Ziemlich gleichzeitig mit der raschen Vermehrung der Kiemen- spalten, die nun durch Theilung erfolgt, sehen wir über der ober- sten Reihe derselben zwei Längsfalten an der Seite des Körpers sich erheben und die Kiemenspalten erst verhüllen, dann durch vollstän- dige Umwachsung der Bauchseite und Verschmelzung in der Mediane, ') Amtl. Ber. d. Vers. d. Naturf. ete. 1559 Karlsruhe pag. 130. 152 W. Rolph der Raphe , dieselben gänzlich nach aussen abschliessen. Nur an einer Stelle findet die Verwachsung nicht statt, im Porus branchia- lis, der Oeffnung, durch welche die so gebildete Höhle mit der Aussenwelt communicirt !). Der so entstandene Raum ist die Kiemenhöhle, und es geht aus dem geschilderten Entwicklungspro- cess zur Evidenz hervor, dass derselbe keinesfalls als Leibeshöhle angesehen wer- den kann. KowALewsky hebt dies aus- drücklich hervor und sagt (I. e. pag. 11): »Die Lage der Geschlechtsorgane spricht für die Deutung des Kiemenraumes als ii Leibeshöhle; aber die Entwicklungsge- schichte gibt doch so positive Griinde, dass sie hier kaum unterschätzt werden können«. Was den ersten Punet betrifft, so ist ee hinlänglich erwiesen, dass sich Kowa- lumen; Ih, Leibeshöhle; X, Kies LEWSKY hier im Irrthum befindet, und RN oe ih auch der zweite Punct findet eine befrie- digende Erledigung, wenn wir versuchen uns dureh eine schematische Construction das Bild vorzuführen, wel- ches uns der Querschnitt durch eine mit solehen Seitenfalten aus- gestattete Larve zeigen würde. Wie man sich die Falten auch denken mag, sie werden stets als eine Duplicatur zum mindesten der äusseren Haut aufgefasst werden müssen. Ich bin jedoch nach Analogie der zahlreichen Fal- ten bildenden Entwicklungsvorgänge, die wir überall zu beobachten Gelegenheit haben, überzeugt, dass nicht nur die äussere Haut sich daran betheiligt, sondern auch das Unterhautgewebe und die Mus- kulatur, ja die Leibeshöhle selbst. Betreffs der erstgenannten bei- den Organe geben uns die vorliegenden Abbildungen sogar sichere Anhaltepuncte, denn sowohl LEUCKART und PAGENSTECHER in ihrer Fig. 1 als KowaLewsky in Fig. 40 geben Abbildungen, aus denen dies hervorgeht, besonders Erstere. '; Dass diese Falten mit der Bildung der sog. Seitencanäle, die jedenfalls erst später als Spaltbildungen auftreten, nicht zu verwechseln sind, braucht wohl kaum erst erwähnt zu werden. Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 153 Im Beginne der Faltenbildung erhielten wir demnach das Bild Fig. 7, auf der die Zahl der Kiemenspalten verdoppelt erscheint. Da- dureh ist der in voriger Figur noch ziemlich grosse ventrale Ab- schnitt der Leibeshöhle bedeutend reducirt worden. Die einen Di- > SU =) ES Gr Beginn derFaltenbildung. Vermehrung der Zahl der Kiemenspalten um zwei mehr an der Bauchseite gelegene. E, äusseres Epithel; #ı, inneres Vereinigung der Bauchfalten. A, Kiemenhöhle; M, Ort der Epithel der (späteren) Kiemenhohle ; Entstehung der queren Bauchmuskulatur; 4, Seitenmusku- Es, äusseres Epithel derselben; U, latur; @, Theil der Leibeshöhle, in welchem die Geschlechts- Unterhautgewebe. Die übrigen Be- organe zur Entwicklung gelangen; A, Raphe. Die übrigen zeichnungen wie in Fig. 6. Bezeichnungen wie in Fig. 7. vertikel des dorsal gelegenen Leibeshöhlen-Absehnittes aufnehmen- den ‘Liingsfalten hängen an den Flanken des Thieres herab. Das Darmlumen D steht aber noch in direeter Verbindung mit der Aus- senwelt. Stossen endlich die Seitenfalten in der Mittellinie aufeinander und verwachsen, so ergibt sich das Bild der Fig. 8. In Folge der fortdauernden Vermehrung der Kiemenspalten ist der Rest der ven- tralen Leibeshöhle mehr und mehr verdrängt worden, und geht ganz verloren durch Entwieklung der Kiemenstäbe aus der Bindegewebs- hülle des Darmes. Die seitlichen Divertikel der Leibeshöhle Lh umfassen hufeisenförmig den Kiemenkorb, der nun in der bis auf den Porus branchialis gänzlich abgesehlossenen Kiemenhöhle aufgehängt erscheint. Die Seitenmuskulatur M, rückt weiter in die Seitenfalten herab. Durch diese Vorgänge ist das äussere Kiemenepithel A, zum inneren Kiemenhöhlenepithel, resp. zur inneren Kiemenhöhlenwand, 154 W. Rolph das innere Epithel der Seitenfalten EZ, zum äusseren Kiemenhöhlen- epithel — zur. äusseren Kiemenhöhlenwand geworden. Die Pleuro- peritonealhöhle (Perivisceralhöhle, Huxrey) ist demnach nicht der Raum A, sondern der Raum ZA, welcher nun hufeisenförmig die ebenfalls hufeisenförmig gebogene, aber mit ihren Schenkeln dem Riicken des Thieres zugewendete Kiemenhöhle A umfasst. Dass ein solches Bild, wie wir es in Fig. 8 construirt haben, in der individuellen Entwicklungsgeschichte des Amphioxus wirk- lich auftritt, darf bezweifelt werden. Man kann vermuthen, dass schon von vorn herein, oder doch schon vor diesem Stadium die dor- sale Wand des Darmes sich an die Chordascheide anlegt und mit ihr fest verwächst. Aus diesem Schema lässt sich die uns schon bekannte Fig. 9 leicht ableiten. In die Seitenfalten, die ein zum Theil sehr mächtig entwickeltes Unterhautgewebe zeigen, ist die Seitenmuskulatur M, mehr und mehr herabgerückt, bis sie mit der in der bei Fig. 8 punctirten Linie) nun gleichfalls zur Ausbildung gelangten Bauchmuskulatur sich begegnet. Unterhalb der letzteren entstehen durch Spaltbildung im Unterhautgewebe resp. Abhebung desselben die Seitencanile S und die Bauchcanäle S,. Die Aussen- wand der Kiemenhöhle legt sich seitlich und ventral an die Aussen- wand der Seitenfalten an und verwächst mit derselben; es wird dadurch der seitliche Divertikel der Leibeshöhle vernichtet bis auf einen Raum (G‘) am seitlichen Rande der Bauchmuskeln, in welchem später die Geschlechtsorgane zur Entwicklung kommen. Im Be- reiche des Kiemenkorbes sehen wir ausser beträchtlicher Vermeh- rung der Kiemenspalten keine Veränderung. Es wäre wohl nur die Verdrängung der Leibeshöhlenreste durch die Kiemenstiibchen Xsz, die bis auf den Gefässraum L/, eine vollständige ist, zu er- wähnen. So auffallend die Lage der Geschlechtsorgane auf den ersten Blick auch scheinen mag, sie dürfte doch nicht schwer zu erklären sein. Mir scheint diese Anordnung auf Grundlage meiner Auffassung nicht nur erklirlich, sondern sogar geboten. Die Geschlechtsorgane der Vertebraten kommen an der dorsalen Wand der Leibeshöhle zur Entwicklung, also in einem Raum, der beim Amphioxus durch Bil- dung der ausgedehnten, den Körper durchziehenden Kiemenhöhle auf ein Minimum redueirt ist. Die umfangreichen Organe würden dort entweder keinen Platz zu ihrer Entwiekelung haben, oder den Kie- menkorb unverhältnissmässig einschränken und in seinen normalen Funetionen verhängnissvolle Störungen hervorrufen. Bei der phylo- Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 155 genetischen Erwerbung der Seitenfalten, so darf man voraussetzen, werden daher die Geschlechtsorgane durch wechselseitige Anpassung in diese aufgenommen sein. Ss qr TIEITEREIISTEEESTENIT | 4664sé : dg Lom lo , aire MMMM 7 AT AD BONS AG i UR \S & A Ay a: RG Re | A ony «SS 8 ): NY 7 Q E A B —/E 5 E Ei Q J z S x © Q = Va Css E, äusseres Epithel; Zı, innere Kiemenhöh- L, obere A, Kiemenhöhle; Ch, Chorda; @, Sexualtaschen ; lenwand; i», äussere Kiemenhöhlenwand; Kiemenhohlenwand; Lh u. Lh, Leibeshéhle: M, quere Bauchmuskulatur; M4, Muskulatur des Stammes; N, Nervenhéhle; R, Raphe; S, Seiten- canal; $ı, Bauchcanale; U, Unterhautgewebe; Ast, Kiemenstäbe; X, Sehlitze der Chordascheide. Die Resultate, zu denen uns die Betrachtung der Entwieklungs- geschichte geführt hat, sind in der That dieselben, welehe wir auch aus der Function des Perithoracalraumes ableiten können. Der bis 156 W. Rolph jetzt fast allgemein als Leibeshöhle angesehene Raum ist die Athem- oder Kiemenhöhle des Amphioxus. Er ist ein durch Wucherung seitlicher Längsfalten abgeschlossener Aussenraum, und daher gleich- zusetzen der in ganz derselben Weise entstandenen Kiemenhöhle der Froschlarven, der Kiemenhöhle der Symbranchii, der durch den Kiemendeckel abgeschlossenen Kiemenhöhle der meisten Fische, dem Perithoracalraum der Ascidien. Der Porus aber entspricht der Miindung dieses Raumes, die nun paarig oder unpaar, median oder asymmetrisch sein kann; bei den Ascidien liegt sie in der sog. Cloake, bei den meisten Fischen in der Halsgegend, wo sie durch den vom Operculum oder der Membrana branchiostega freigelasse- nen, bald kleineren, bald grösseren spaltförmigen Schlitz repräsen- tirt wird. Der Porus des Amphioxus ist ein echter Porus branchia- lis, und darf nieht mit den Pori abdominales der Fische zusammen- seworfen werden. Meine Auffassung befindet sich daher im strietesten Gegensatz zu der von Huxtey dargelegten Ansicht. Huxtey, die Aehnlichkeit der Athemhöhle des Amphioxus und der Froschlarven wohl erken- nend, kann sich von dem Gedanken, dass dieselbe bei ersterem Thiere zugleich Leibeshöhle sei, so wenig lossagen, dass er lieber auch die Athemhöhle der letzteren Thiere als Leibeshöhlenabsehnitt ansieht; und in Würdigung der grossen Bedeutung, welche die Ent- wicklung der Organe des Amphioxus für die Erkenntniss des Baues der Wirbelthiere überhaupt hat, kommt er zu den oben wiedergegebe- nen Schlüssen, die so sehr im Widerspruch zu unseren gegenwärti- gen Erfahrungen stehen. Zu richtigerem Resultate würde er gelangt sein, wenn er umgekehrt verfahren wäre und den fraglichen Hohl- raum des Lanzettfisches eben wegen seiner Aehnlichkeit mit der Kiemenhöhle der Froschlarven als Kiemenhöhle angesprochen hätte. Sie unterscheidet sich in der That von der der Frösche nur durch ihre srosse Ausdehnung, die schon durch die excessive Länge des Kiemen- korbes bedingt wird. Derselbe Unterschied trennt sie auch von der der Fische, und es lässt sich hier ein Wechselverhältniss statuiren zwischen dem Umfang der Leibeshöhle und der Kiemenhöhle. Bei den meisten Fischen ist der Kiemenabschnitt des Darmes sehr kurz und somit auch die Kiemenhöhle wenig umfänglich, wäh- rend die Leibeshöhle einen gewaltigen Raum repräsentirt. Bei den Froschlarven ist der Kiemenabschnitt im Verhältniss linger, die Kiemenhöhle gross; sie dehnt sich vom Occiput bis hinter den Schultergiirtel aus, und in ihr selbst entwickeln sich hier die Vor- Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 157 derbeine. Die Leibeshöhle ist zwar immer noch weit umfangreicher als die Kiemenhöhle, aber doch nicht in dem Maasse, wie bei den meisten Fischen. Amphioxus endlich zeigt uns das Extrem nach dieser Richtung hin. Die Länge des Kiemenabschnittes, der hier die Hälfte der Totallänge des Thieres erreicht, bedingt eine entspre- chend umfängliche Kiemenhöhle, die nun in der Strecke bis zu ihrer Mündung, dem Porus, die Leibeshöhle auf ganz unbedeutende Räume besehränkt. Ja selbst hinter dem Porus stülpt sie sich, wie be- schrieben, nach hinten, um auch dort, zuerst in demselben Verhält- niss wie vorher, dann in der Nähe des Anus wenigstens rechterseits, die Leibeshöhle zu verdrängen. Ich glaube hiermit nachgewiesen zu haben, dass Amphioxus seiner Gesammt-Organisation nach vollkommen in den Typus der ‚ Wirbelthiere hineinpasst, dass er mehr als bisher vermuthet ein Mit- telglied zwischen Aseidien und Vertebraten bildet. Durch den Nach- weis, dass der als Leibeshöhle aufgefasste, in so auffallender Weise vom Athemwasser durchströmte Raum eine umfangreiche Kiemen- höhle ist, wird eine Kluft überbrückt, die bisher mehr als alle an- deren Eigenthümlichkeiten des Amphioxus zusammengenommen, unser Thier sowohl von den Vertebraten als den Aseidien trennte, Durch Nachweis dieses Bindegliedes werden die Tunicaten auch anatomisch den Vertebraten näher gerückt und namentlich mit Amphioxus in so nahe Verwandtschaft gebracht, dass ich mich der neuerdings aufge- stellten Zusammenfassung der letzteren Thiere als Protochordonier gegenüber den Craniota als Chordonier anschliessen zu müssen glaube. Ich halte es für verfrüht, über den stammesgeschichtlichen Zusammenhang der Protochordonier unter einander, und mit den niedersten Formen der Craniota, den Cyclostomen und Sela- ehiern, Hypothesen aufzustellen. Es fehlt uns dazu so lange die Berechtigung, als nicht nur die Entwicklungsgeschichte der be- züglichen Thiere, sondern auch die Anatomie derselben so im Dun- keln liegt. Ersteres trifft für den Lanzettfisch selbst, sowie seine nächsten Wirbelthierverwandten zu, letzteres besonders bezüglich der Ascidien. 158 W. Rolph Ueber diese Puncte diirfen wir namentlich von der Unter- suchung der Larven des Amphioxus Aufschluss erwarten, die auch iiber eine ganze Reihe anderer Fragen Aufklirung bringen muss. Ich habe es vermieden auf solche einzugehen, wenn mir nicht schon jetzt die Möglichkeit gegeben schien eine Ansicht zu ent- wiekeln, die annähernd den Grad der Sicherheit für sich hat, wel- chen wir überhaupt erreichen können. Neben der Untersuchung der Chordaentwicklung, welche uns über die Bedeutung der verschiede- nen Gewebstheile der Chorda selbst und ihrer Scheide aufklären muss, ist es vor allem eine Frage, welche Berücksichtigung ver- dient. Da man geneigt sein dürfte in der ventralwärts von der Chordascheide ausstrahlenden Bindegewebslamelle den Ort für die Entwicklung der Fischrippen zu suchen, so würde, falls sich die Homologie der Kiemenbögen der Fische mit jenen des Amphioxus streng beweisen liesse, zugleich die zwischen Kiemenbögen und Rippen zurückzuweisen sein. Nicht minder wichtig ist die Untersuchung der ersten Anlagen der Geschlechtsorgane, die, wie ich schon früher vermuthungsweise ausgesprochen habe, vielleicht vom äusseren Epithel der Kiemenhöhle, also vom Eetoderm abstammen. Nachtrag. Nach völliger Beendigung meiner Untersuchungen, und im Begriff dieselben der Facultät einzureichen , erhalte ich heute die den gleichen Gegenstand behandelnde Arbeit von Prof. P. Lan- GERHANS in Freiburg i. B., erschienen in dem am 20. Novem- ber 1875 ausgegebenen zweiten Heft des Archiv für mikroskopische Anatomie. Da es mir nicht mehr thunlich scheint andere Aenderungen als durch Zusatz einiger Anmerkungen anzubringen, sei es mir gestattet hier nachträglich mit einigen Worten auf dieselbe zurückzukommen und einige Hauptpuncte hervorzuheben. LANGERHANS, der glücklich genug war lebende Thiere unter- suchen zu können, ergänzt in erfreulicher Weise bedeutende Lücken meiner Untersuchung, die durch die Unmöglichkeit frisches Material Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 159 m erhalten veranlasst sind. Er behandelt eingehend gerade die Organe, welche ich vernachliissigt habe, da ich mir gestand, dass sichere Resultate an Exemplaren, die jahrelang in Alkohol gelegen hatten, hier nicht zu erreichen seien. Es betrifft das vor allem das peripherische Nervensystem mit seinen Endigungen, die Sinnesorgane, die Muskulatur, das Cireula- tionssystem. Leider hat aber LANGERHANS eines der wichtigsten Organe, dessen Untersuchung besonders wünschenswerth war, gar nicht berücksichtigt, nämlich die Chorda. Ebensowenig hat er das Ge- webe der sog. Flossenstützen in den Bereich seiner Beobachtungen gezogen. Wir eollidiren daher nur in einzelnen Puncten, um so weniger, als wir schon in der Auffassung der uns gestellten Aufgabe dif- feriren. LANGERHANS geht überall möglichst in das Detail, indem er seine Aufmerksamkeit überwiegend und wohl etwas einseitig dem histolo- gischen Theil zuwendet; ich dagegen habe versucht die Auffassung des ganzen Organismus zu fördern, indem ich gerade die Entwick- lungsgeschichte betonte. Ich habe ferner versucht die Organe als Ganzes zu betrachten und ihnen in ihrem vollen Verlaufe, in ihren Modificationen zu fol- gen, endlich ihre Beziehungen zu einander. zu studiren. Dass ich meinerseits hierbei nicht einseitig verfahren bin, dafür zeugen, glaube ich, die histologischen Ergebnisse, die sich allerdings in ihrer Zahl mit jenen von LANGERHANS erreichten aus den angegebenen Gründen nicht vergleichen lassen. Im Uebrigen wird ihre Richtigkeit fast durchweg von LANGER- HANS bestätigt, was ich ausser für die Nieren noch für die Muskula- tur der Cirri, für die Fransen des Velum (Schlundmuskel), für das Räderorgan und die Darmschleimhaut hervorhebe. In einigen Fällen sehe ich mich genöthigt, in Rücksicht auf die Vortheile, die das frische Material LANGERHANS gewährte, ihm an- standslos nachzugeben. Diese betreffen jedoch fast stets histologi- sche Details. Ausser unbedeutenderen Puncten, die an den betreffen- den Stellen in Anmerkungen nach LAnGERHANs Angabe rectificirt sind, nehme ich gern die Berichtigung betreffs der von mir beschrie- benen Drüse an. Das Gebilde ist ein rechtsseitiger Aortenbogen. 160 W. Rolph Ich habe an der betreffenden Stelle von dieser Berichtigung Notiz genommen. In anderen Puncten muss ich jedoch LANGERHANS entgegentre- ten, und dies betrifft solche Fragen, zu deren Lösung eine blosse Isolation von, Zellen nicht ausreichte. So ist die Darstellung des sog. Ligamentum dentieulatum (er findet deren zwei jederseits) völlig verfehlt, besonders aber die Po- lemik gegen meine Deutung des den Kiemenkorb umgebenden Hohl- raumes als Kiemenhöhle. Er weist meine Erklärung, von der er zugesteht, dass dieselbe in schöner Weise die Befunde beim erwach- senen Thier mit jenen bei der Larve beschriebenen vereinige, augen- scheinlich einzig wegen der Nieren und Geschlechtsorgane zurück. Er kann sich nicht denken, dass diese, sowohl wie jene, aus dem äusseren Epithel hervorgehen könnten. Ich muss erstens gestehen, dass mir diese Möglichkeit durchaus nicht undenkbar ist. Zweitens aber muss ich hervorheben, dass ja weder er noch ich bewiesen ‚haben, dass dies für die Geschlechtsorgane der Fall ist. Was jedoch die Nieren betrifft, so steht es auch noch nicht annähernd fest, dass diese Organe wirklich Nieren sind. Sind sie es aber in der That, d. h. secerniren sie Harn, so müsste ferner noch der Beweis ge- führt werden, dass sie nicht blos Hautdrüsen sind, die ja auch Harn secerniren, sondern Homologa der Urnieren, dass sie also nicht nur physiologisch sondern auch morphologisch Nieren sind. Dann erst, und selbst hierüber dürften die Meinungen sehr ge- theilt sein, würde der angeführte Umstand mit mehr Berechtigung gegen mich geltend gemacht werden können. Mit Ausnahme der unrichtigen Angaben über die Ligamenta dentieulata können alle sonstigen die Kiemenhöhle und ihre Wan- dungen betreffenden Bemerkungen L’s. nur dazu dienen meine Auf- fassung zu bestätigen, so z. B. das Verschwinden des »Peritoneum« auf der linken Seite des Darmes im hinteren Körperabschnitt. Im Gegensatz zu LANGERHANS glaube ich, dass man so lange meine zugestandenermassen völlig sachgemässe Auffassung wird acceptiren müssen, bis die Entwicklungsgeschichte beweist, dass LEUCKART, PAGENSTECHER und KOWALEWSKY sich geirrt, dass sie falsch beob- achtet haben. Jedenfalls ist LANGERHANS nicht berechtigt Resultate, die un- serer jetzigen Kenntniss völlig Rechnung tragen, die nur Ableitungen Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. 161 positiver Beobachtungen sind, als Speculationen zu bezeichnen, und an Stelle derselben eine Ansicht aufzustellen resp. zu vertheidi- gen, die mit eben diesen Beobachtungen in positivem Widerspruch steht. Beiläufig sei noch erwähnt, dass ich die Wahl der Bezeich- nung Kiemenhöhle für das Lumen des Kiemenkorbes für völlig verfehlt halte, um so mehr als LANGERHANS bei seiner Opposition gegen mich niemals hervorhebt, dass er unter Kiemenhöhle etwas ganz anderes versteht, einen Raum nämlich, welcher morphologisch mit der Kiemenhöhle anderer Thiere absolut nichts zu thun hat. Leipzig, 5. December 1875. Morpholog. Jahrbuch. 2. 11 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Seow ww 16a. 16d. ie 18. 19. 20. Erklärung der Abbildungen. Tafel V. Querschnitt durch die Chorda eines jungen Amphioxus. Vergrösserung eirca 450. a. Sternförmige Zellen des MULLER’schen Gewebes. b. Blasige Zellen desselben. c. Endothelartiger Beleg an der Innenwand der Scheide. d. Endothelbekleidung der Aussenwand derselben. Kerne in den Chordascheiben desselben Exemplares. 500. Sagittaler Längsschnitt durch die Chorda desselben Exemplares. 400. Horizontaler Längsschnitt durch die Chorda eines erwachsenen Exem- plares. circa 200. Sagittaler Längsschnitt durch dasselbe Organ. 200. Querschnitt durch die Chordascheide 200. Längsschnitt wie Fig. 5, schematisch. Querschnitt durch den Mundring. 200. 7. Kernhaltige Platten des- selben. Querschnitt durch einen Cirrus. 400. y. Canal in der äusseren Scheide sch. Querschnitt durch den Mund. 50. Querschnitt durch den oberen Theil des vordersten Kiemenkorb- abschnittes. 50. Ein auf den vorigen unmittelbar folgender Schnitt. Medianschnitt durch den Kopf. Schematisch. Querschnitt durch den vordersten Theil des Kiemenkorbes. Die Bauchrinne mit den becherförmigen Organen. 200. Dasselbe weiter hinten. Tafel VI. Quersehnitt wie Fig. 11. Querschnitt wie Fig. 12}. Querschnitt durch die Poruspapille nahe ihrer vorderen Wand. 50. Querschnitt durch die hintere Wand der Poruspapille. circa 50. Sagittaler Längsschnitt durch den Porus. Schnitt durch einen Kiemenstab im undurchbohrten Theil des Kiemen- korbes (cf. Fig. 11). 1) In dieser Figur ist statt Rin Bin zu lesen. Fig. Fig. Fig. Fig. W. 21a. Rolph, Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 163 Schnitt durch einen freiliegenden Kiemenstab im vorderen Theil des Kiemenkorbes. circa 150. 216. Schnitt durch einen Kiemenstab im Haupttheil des Kiemenkorbes. cirea 150. Querschnitt durch das ganze Thier nicht weit vor dem Porus. circa 40; halbschematisch. . Querschnitt durch den Darm dicht hinter der Basis des Blind- darmes. 236. Querschnitt durch den Darm bei Abgang des Blinddarmes. 24. Horizontaler Längsschnitt durch das elastische Kammersystem der Rückenfirste. 100. 25. Querschnitt durch die äussere Wand der Seitenfalten. 250. 26. Querschnitt durch das elastische Organ der Rückenfirste. 100. Tafel VII. 27. Querschnitt dicht hinter dem Porus. circa 40. 28. desgl. weiter hinten. . 29a. desgl. . 295. Erlöschen der Seitenfalten. 30. Späterer Querschnitt beim Auftreten der Analflosse. « 3l. desgl beim Schwunde der Kiemenhöhle auf der einen Seite. . 3la. desgl. kurz vor dem After. Nach Präparaten des Herrn EMER- . 315. desgl. durch die Afteröffnung. TON. 32. Querschnitt durch den oberen Theil des Kiemenkorbes, etwa in der Mitte desselben. 33. Das Arkadensystem (die obere Wand) der Kiemenhöhle nach Eröff- nung derselben vom Bauch her. Schematisch. 34. Das Arkadensystem in seinem Uebergang auf die Leibeswand. Sche- matisch. 35. Das Arkadensystem an den Kiemenstäbchen. Schematisch. 36. Querschnitt durch das Geschlechtsorgan eines jungen Thieres. 150. 37. Die sog. Nieren. a. bei hoher Einstellung von der Kiemenhöhle aus gesehen. b. bei tiefer Einstellung. ec. Querschnitt. Vergrösserung wie a u. 4, circa 500. d. Eine isolirte blasige Zelle. e. Isolirte fadenförmige Zwischenzellen. In allen Figuren bedeutet: A, A; u. Asa. Kiemenhöhle. B. Blutgefiisse. Be. Baucheanile. By. Dorsale Verbindungsbögen der Kiemenstäbchen. m. Quere Bauchmuskulatur. . €. Cirren des Mundringes. Ch. Chorda. Cm. Cireulärmuskeln des Sphincter ani. ie 164 W. Rolph, Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. ct. D. Cutis. Darmschleimhaut. Räderorgan der Mundhöhle. Drüse in der Mundwand. (Rechter Aortenbogen. LANGERHANS.) Driise an der Basis des Blinddarmes. Epithel der Oberhaut. Innere Kiemenhöhlenwand; inneres Epithel der Kiemenhdhle. Aeussere Kiemenhöhlenwand; äusseres Epithel de: Kiemenhöhle. Elastischer Apparat. Lymphraum im elastischen Gewebe über dem Nervensystem. Lymphräume zwischen dem Gewebe des elastischen Apparates und dem Unterhautgewebe. Lymphräume im Unterhautgewebe. Niedriges Epithel der Mundhöhle Kiemenstiibchen. Obere Wand der Kiemenhöhle. Bindegewebshülle des Kiemendarmes. Leibeshöhle. Ligamenta intermuscularia. Lappenförmige Muskelwiilste der Poruspapille. Stammmuskulatur. Erhöhtes Epithel, sog. Nieren auf der Bauchmuskulatur. Dieselben an der Unterseite der Geschlechtsorgane. Hautnerven. Raphe. Radialfasern des Sphincter ani. Seitencanal. Innere Chordascheide. Aeussere Chordascheide resp. von dieser ausstrahlende Lamellen (Neurapophysen u. Hämapophysen). Unterhautgewebe. Elastisches Gewebe über dem Nervensystem. Berichtigung. Seite 60 letzte Zeile statt October 1857 lies October 1875. © Tak V. “= Fig. 5. = | ter 5 E73 AD eee EN I ZT SEHE ad A N ’ \ 7 Ir Kluge N Ed Lith Anst.vJ.6 Bach, Leipzig. a a lw e : = Taf VI. © Mor, phol. Jahrbuch. IL Bd. Lith. Anst v.J.6 Bact, Leipzig > Jahrbuch. Bd. Ml. Taf MM. Lith Anstud.C Bach, Leipzig Ueber den Bau der Zehen bei Batrachiern und die Bedeutung des Fersenhöckers. Von Dr. F. Leydig in Bonn. Mit Tafel VIII— XI. Man hat früher von Seite der Anatomen hauptsächlich nur den Zehenballen der Hyla arborea Aufmerksamkeit zugewendet, beson- ders, um sich klarer zu machen, worin das auffallende Anheftungs- vermögen dieser Thiere begründet sei. Es bietet aber auch der Bau der Zehen anderer Batrachier Manches dar, was unser Interesse er- weckt, weshalb ich einige Beobachtungen vorzulegen mir gestatte. Ein Theil des Gesehenen hat zwar schon in der vor Kurzem!) über die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien veröffentlichten Abhand- lung eine Stelle gefunden, soll aber hier nochmals berührt werden, da die dazumal fehlenden Abbildungen jetzt nachgetragen werden. können. I. Bau der Zehen. 1. Skelet. Das Endglied der Finger und Zehen ist nach den Gattungen recht verschieden geformt: bei Hy/a gebogen und spitz auslaufend, erscheint es bei Bufo und Rana einfach gerundet, bei Salamandra I) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XII, auch für sich erschienen, Bonn bei Max COHEN. Morpholog. Jahrbuch, 2. 12 166 F. Leydig etwas verdickt nach unten, und bei Z77fon nach beiden Seiten knopf- artig verbreitert, was an die Form des Endgliedes bei verschiedenen Säugern erinnern kann. Die Substanz der Phalangen ist Knorpel mit Knochenrinde, welch letztere ihre Entstehung aus Bindegewebe herleitet; die verdickte Spitze des Endgliedes ist lediglich aus verknöcherndem Bindegewebe hervorgegangen (Salamandra atra). Die Oberfläche des Endgliedes zeigt eine grubig eckige und dadurch rauhe Beschaffenheit, was vielleicht mit den von dort abgehenden Zügen strahlig geordneter Stützfasern, die beinahe an die »Hornstrahlen« in der Flosse der Fische gemahnen, zusammenhängt, so bei Bufo variabilis'). Von Andern und mir wurde bei Ayla arborea ein sich zwischen die letzte und vorletzte Phalanx einschiebender Knorpel erwähnt. Meine späteren Untersuchungen haben ergeben, dass dieser Zwi- schengelenkknorpel?) wohl als ein allgemeineres Vorkommniss bei Amphibien zu betrachten ist, indem er z. B. auch bei den Sa- lamandrinen zugegen sich zeigt. Er fehlt selbst bei Reptilien nicht, wo ich denselben früher übersehen hatte: gegenwärtig kenne ich ihn bei Lacerta (L. muralis) und Platydactylus mauritanicus. Endlich sei an dieser Stelle bemerkt, dass auch bei Salamandra in der bin- degewebigen Substanz der Sehnen des Zehenbeugers langgestreckte Nester von Knorpelzellen vorhanden sind, wie solches von unge- schwänzten Batrachiern seit langem bekannt ist. 2. Schwimmhaut. Man weiss, dass bei Tritonen, z. B. Triton taeniatus und Triton helveticus eine stärkere Entwiekelung der Schwimmhaut zu den Geschlechtseigenthümlichkeiten des Männchen gehört. Es möchte jetzt aufmerksam zu machen sein, dass auch an den mit Schwimmhaut versehenen Anuren derselbe Charaeter sich wahrneh- men lässt. Bei Rana platyrrhinus ist die Schwimmhaut des Männ- chen entschieden vollkommener, sowohl was die Ausdehnung in die Breite und Länge, als auch den Diekendurchmesser betrifft; beim Weibehen geht gedachte Haut in beiden Richtungen zurück. Für Rana oxyrrhinus hat auch schon STEENSTRUP dieses Verhalten ange- zeigt und unter die Merkmale der Art aufgenommen. 1) Vergl. Bier 1, a, 5. 2) Fig. 26, 2. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 167 Bei allen unseren einheimischen Arten der Gattung Bufo, also B. vulgaris, B. calamita, B. variabilis finde ich als characteristisch, dass der freie Rand der Schwimmhaut der Hinterbeine gekerbt ist, selbst bei der nur in Spuren vorhandenen Schwimmhaut von Bufo calamita. Im Innern der Vorsprünge zwischen den Buchten liegen immer einige jener rundlichen Drüsen gehäuft, welche in der übrigen Schwimmhaut zerstreut stehen. Gleichwie die Schwimmhaut bei unsern drei Arten Verschiedenheiten in der Weise zeigt, dass sie bei Bufo vulgaris am stärksten entwickelt ist, schwächer bei Bufo variabilis und am wenigsten bei Bufo calamita, weshalb dort die Zehen der Hinterbeine fast nur geheftet sind, so ist auch bei den Einzelthieren der drei genannten Arten die erwähnte Kerbung des freien Randes im Grade der Ausbildung etwas verschieden, ohne aber je ganz zu fehlen. Erwähnung verdienen ferner die Reste oder Anfänge einer Schwimmhaut, welche sich entweder individuell oder in typisch blei- bender Weise an den Vorderbeinen erkennen lassen. So sehe ich z. B. hin und wieder an jungen Thieren von Bufo vulgaris zwi- schen den Fingern die Spur einer Schwimmhaut in Form eines Randsaumes. Eine ähnliche Umsäumung der Finger als Andeutungen einer Schwimmhaut finde ich bei erwachsenen Thieren von B. calamita, doch nur hin und wieder; die meisten Thiere sind allerdings ohne Spur einer schwimmhautähnlichen Bildung. Die Bombinatoren anbelangend, so sind bei Bombinator igneus die Vorderbeine ohne Spur von Schwimmhaut. Die Hinterbeine ha- ben eine vollständige, am Rande ungekerbte Schwimmhaut. Bei Alytes obstetricans besteht zwischen den Zehen der Hinter- beine eine Schwimmhaut, obschon von geringster Entwicklung, so dass sie an den Phalangen her nur als feiner Saum erscheint. Sie fehlt aber auch an den Fingern der Vorderbeine nicht ganz, sondern ist in Spuren zugegen. Die spitzausgehenden Finger bei Pelobates fuscus sind dagegen ohne Spur einer Schwimmhaut; die Zehen werden bekanntlich von einer vollständigen umfasst. Beim Laubfrosch, Hyla arborea, entsteht die Furche, welche an den Polstern der Finger wie der Zehen herumzieht, durch einen 12* 168 j F. Leydig Hautsaum , welcher selbst an den Fingern als der Rest einer Schwimmhaut aufzufassen ist, wie dies deutlich wird durch das, was man an den Hinterbeinen sieht, allwo der Saum in die dort noch bestehende Schwimmhaut abbiegt. Es ist daher nicht ganz richtig, wenn es in den herkömmlichen Diagnosen heisst: »digiti palmae toto liberi«. Auch FArıo !) hat zwar den Hautsaum bemerkt, aber nicht, dass er an dem ganzen Finger herzieht (les accompagne un peu sur le eöte«). Auf den Abbildungen, welche Dr. MULDER zu der v. SIE- BOLD’schen Fauna japonica geliefert hat, und die zu den genauesten gehéren , welche wir über Amphibien besitzen, ist an Ayla arborea (a.a. O. Taf. X, Fig. 5) dieser Saum nicht übersehen worden, und selbst bei Hyla Burgeri (a. a. O. Fig. 8) hat der Zeichner an den zwei äusseren Fingern der linken Hand den Theil durch eine be- sondere Linie angedeutet. Im Text, von SCHLEGEL bearbeitet, steht hingegen: »les doigts des extrémités anterieures sont totalement libres«. Auch ein jüngst erschienenes Werk über die in Europa einheimischen Reptilien, obschon sich dessen Verfasser auf die Pla- stik des Körpers umständlich genug einlässt, schweigt über den Saum und wiederholt nur die gewöhnliche Angabe, die Zehen seien am Grunde mit einer kurzen Schwimmhaut versehen. Bei Rana esculenta, welche an den Hinterfüssen bekanntlich eine volle Schwimmhaut besitzt, fehlt auch an den Vorderbeinen dieselbe nicht ganz. Man betrachte den zweiten und dritten Finger genau, und es lässt sich schon mit freiem Auge, besser mit der Loupe, ein Hautsaum als Spur einer Schwimmhaut kaum verken- nen. Er ist am Innenrande der Finger breiter, als am Aussen- rande. 3. Wiilste, Höcker und Ballen. Schon an einem andern Ort habe ich vorgebracht, dass diese Bildungen nach den einzelnen Gattungen und selbst Arten eine characteristische Form und Vertheilung einhalten. Dies zeigt sich, worüber ich jetzt berichten möchte, ganz besonders an den drei ein- heimischen Species des Genus Bufo. In übersichtlicher Zusammen- stellung erscheinen die Unterschiede folgendermassen : 1) Faune des Vertebres de la Suisse 1872. Ueber d. Bau d. Zehen b. Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhickers. 169 Bufo vulgaris Laur. | = Bufo calamita Laur. Bufo variabilis Pall. Die Hocker an den) Die Höcker an den An den Gelenkstellen Gelenkstellen der Zehen Gelenkstellen der Zehen der Zehenglieder steht ein stehen je paarig undsind| stehen je paarig undsind| einziger unpaarer, von rundlicher Form. Die| von rundlicher Form; die) grösserer und stärker Hicker des eigentlichen, beiden nicht immer gleich| hervortretender Hicker. Handtellers und der Fuss-| gross. Die Höcker des) Die Hicker des eigent- sohle sind zahlreich und! eigentlichen Handtellers lichen Handtellers und härtlich. und der Fusssohle sind) der Fusssohle sind här- sehr zahlreich und wei-| ter, höher , weniger ak zahlreich und in fast re- gelmässigen Reihen ange- ' ordnet. | Diese typischen Verschiedenheiten in Form und Zahl, welche die Calli, Verrueae , Tubereula oder wie sonst die Höcker an den Beugestellen der Zehen heissen, hat bisher Niemand bemerkt und sie sind doch in systematischer Beziehung von einiger Bedeutung, um so mehr, als noch immer manche Zoologen die beiden letzt- genannten Arten nicht von einander zu unterscheiden vermögen, son- dern sie zusammenwerfen. Bufo variabilis nähert sich, indem an gedachter Stelle ein grosser, ungetheilter, fast kuglig vorspringender Höcker zu sehen ist, den Frö- schen; Bufo calamita hingegen, durch die zwei oft ziemlich weit ausein- ander stehenden rundlichen Höcker, der Species Bufo vulgaris, allwo dieser Höcker ganz in zwei zerlegt ist: Verwandtschaftsbeziehungen, die auch in anderen Dingen sich kundgeben. Die erwähnte »fast regelmässige« Stellung der in der Fusssohle befindlichen Höcker bei Bufo variabilis fällt besonders an jungen, einjährigen Thieren auf, später verliert sich die nahezu längsreihige Anordnung dadurch, dass zwischen und um die zuerst erschienenen Höcker noch andere und feinere sich hinzugesellen. Auch bei unseren Arten der Gattung Rana ergeben sich bezüg- lich der Zehenhöcker specifische Verschiedenheiten. So sind sie bei Rana esculenta nur mässig stark ausgebildet, bei Rana agilis sprin- gen sie hingegen sehr stark knopfartig vor, bei Rana oxyrrhinus sind sie gering entwickelt und niedrig, und die gleiche Beschaffen- heit bieten sie bei Rana platyrrhinus dar. Bei Pelobates fuscus mangelt die Höckerbildung an der Unter- seite der Finger, an der Handfläche steht rechts und links ein läng- licher Ballen; an der Fusssohle, gegenüber der »sechsten Zehe«, ein schwaches Höckerchen. 170 F. Leydig Die männliehen Frösche und Kröten können noch den zum Theil so eigenartigen Daumenballen besitzen. Bei Hyla arborea ist genannter Wulst wenig entwickelt, und es fehlt ganz die Warzen- und Schwielenbildung auf seiner Oberfläche. Die Haut ist glatt und hat die gewöhnliche Epidermis. An Bufo vulgaris besitzt die Daumenwarze eine schwarzbraune Epidermiskruste, und diese umgreift den Ballen des Daumens nicht ganz, sondern lässt den nach innen gewandten Theil davon frei. Der Daumen selber erscheint seitlich und nach der Rückenfläche von der Kruste bedeckt , ebenso der zweite Finger; am dritten ist noch ein schmaler Streifen an dessen Innenrand zugegen; erst der vierte Finger ist völlig frei von dem dunklen rauh höckerigem Be- satz. Bei Laurentr!) wird unrichtig gesagt, die Daumenschwiele sei auf den »pollex und primus digitus« beschränkt. Zu verwundern ist, dass auch Andere, welche selbständig beobachteten, z. B. BECH- sTEIN?), den Fehler wiederholen. Bei Bufo calamita erstreckt sich die Daumenschwiele wie bei vorhergehender Art, ausser dem eigentlichen Ballen, auf den Rand der drei nächsten Zehen. Nach Laurenti’) wäre wieder nur der »pollex« mit der »dura, aspera et nigra cutis« bedeckt. Auch Bufo variabilis hat eine sehr ausgebreitete » Daumen- schwiele«, die sich nieht auf den Ballen und den Seitenrand des Daumens beschränkt, sondern auch wieder den Innenrand der zwei nächsten Zehen , in abnehmender Breite, besetzt. Zur Laichzeit, Anfangs April, ist die Daumenschwiele auch hier von schwärzlicher Farbe. So lange man nur wenige Thiere der zwei letztgenannten Krötenarten mit einander verglichen hat, kann es scheinen, als ob die Daumenschwiele bei Bufo calamita weniger entwickelt sei, als bei Bufo variabilis. Allein bei reicherem Material wird man inne, dass auch hier sich Grösse und Farbe — ob heller oder dunkler — nach dem Alter und der Jahreszeit richten. An dem Männchen von Pelobates fuscus habe ich vergeblich nach Bildungen, die der Daumenschwiele entsprechen, gesucht, wo- bei ich jedoch zu bemerken nicht unterlassen will, dass sich bis jetzt keine Gelegenheit bot, brünstige Thiere zu besehen. Uebrigens 1) Synopsis reptilium, Viennae 1768. 2) Uebersetzung von LA CErpEpe’s Naturgeschichte der Amphibien 1800. 3) a. ia. O- pag. 121: Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 171 sagt auch Brucu', der unsern Batrachier in Menge und mit Sorg- falt beobachtete, dass derartige Schwielen dem Männchen mangeln. Unter allen einheimischen Batrachiern steht Bombinator igneus beziiglich der Daumenschwielen ganz eigenthiimlich da, worauf ich schon vor Kurzem hingewiesen habe”). An den Vordergliedmassen zeigt nämlich das Männchen ausser der dornspitzigen, braunen Schwiele des Daumenballens, des Daumens selber und der zwei nächstliegenden Finger noch einen langgezogenen Fleck oder Insel an der Beugeseite des Vorderarms, welcher die gleiche Natur besitzt, wie die Schwiele der Finger. Bei manchen Thieren erstreckt sich der Streifen ununterbrochen bis fast zum Ellenbug. Ich kenne diese Stelle am Vorderarm seit langer Zeit und meine darüber angefertigten Zeichnungen gehören dem Jahre 1864 an. Aus den Worten Brucn’s*) geht deutlich hervor, dass er von dieser Schwiele nichts weiss, später jedoch hat dieser und jener Zoologe darauf geachtet, so z. B. Farıo in Genf, welcher sagt: »Des callosites ou plaques rugueuses d’un brun foneé chez le male au moment du rut, sous l’avant bras«*). Wenn er aber weiter bemerkt: »sur le tubercule palmaire principal et sur les deux pre- mieres doigts«, so habe ich die Ausdehnung der Daumenschwiele, ebenso wie das bei der Gattung Bufo der Fall ist, über den dritten Finger wahrgenommen. Aber auch die hintere Extremität besitzt, wie ich be- reits angezeigt, eine von Niemandem bisher wahrgenommene »Dau- menschwiele«. An der unteren Seite des Fusses, an der zweiten und dritten Zehe stellt sich ein schwärzlicher dorniger Inselfleck dar, von durchaus gleicher Natur, auch was die histologischen Einzel- heiten anbelangt, wie die Schwiele der Hand. Es kann die Insel in mehrere Stücke zerfallen und bei sehr starker Entwicklung habe ich auch an der vierten Zehe noch einen solchen schwarzbraunen, stacheligen, scharf umgrenzten Fleck beobachtet. Es ist interessant, in BoNAPARTE’s Fauna italica die Abbildung des Pelodytes punctatus, eines Verwandten des Bombinator , zu ver- !) Beiträge zur Naturgeschichte und Classifikation der nackten Amphibien. Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift. Bd. III. 2) Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien; Archiv für mi- kroskopische Anatomie. Bd. XI. (Separatausgabe, pag. 8. 3) 3. a. 0. pag. 213. 4) Faune des Vertébres de la Suisse. Geneve et Bale. 1872. 172 F. Leydig gleichen, allwo ebenfalls ausser den zwei Fingern noch am Vorder- arm ein derartiger schwarzbrauner Fleck vorkommt, ja selbst noch ein weiterer am Oberarm! Es verlohnte sich wohl, dieses Thier, welches ich niemals gesehen habe, zu untersuchen, ob es nicht auch an den Hinterbeinen mit einer ähnlichen Bildung gleich dem Bom- binator ausgestattet ist!). Wieder ist für die Gattung Rana die Form der Daumenschwiele ein bedeutsames Merkmal für die Bestimmung der einheimischen Arten. Bei allen beschränkt sie sich auf den Daumen und der Ballen desselben ist weit herum mit der Höckermembran besetzt; vom Ballen erstreckt sich der Besatz am Fingerrand her bis nahe zur Spitze; zweiter, dritter und vierter Finger sind ganz frei. Dann aber gliedern sich die Unterschiede folgendermassen: Rana oxyrrhinus Steenstr. Rana platyrrhinus Steenstr. Rana esculenta L. | Daumenschwiele mis- | Daumenschwiele Daumenschwiele mas- ge-| sig stark und ohne Ab- theilungen; gleichmäs- sige Ausbreitung vom Ballen bis zur letzten Phalanx. Papillen mässig hoch und dick. Abtheilungen; gleich- mässige Ausbreitung vom Ballen bis zur letzten Phalanx. Papillen sehr niedrig und fein. ring entwickelt und ohne) siger entwickelt und in vier Theilstücke zer- legt für den Ballen, er- ste, zweite und dritte Pha- lanx. Papillen höher, dicker. 4. Lederhaut der Zehen. Es wurde schon anderwärts von mir darauf hingewiesen, dass sich die Oberfläche der Lederhaut in feine Leistchen erhebt, welche dicht nebeneinander herziehen, auch von Stelle zu Stelle zusammentfliessen, weshalb sich z. B. eine Papille der Daumenschwiele von Bufo eı- nereus oder B. calamita entblösst von der Epidermis, wie pelzig aus- nimmt2). Auf dem optischen Querschnitt gewinnen dadurch eben dieselben Papillen ein wie cannelirtes Aussehen. Dann berichtete ich auch über das Vorkommen eines zierlichen !) An aussereuropäischen Fröschen und Kröten mögen noch mancherlei merkwürdige Abänderungen oder Anpassungen in der Sprache der Descendenz- theorie vorkommen , die bis jetzt wenig beachtet wurden. Man besche sich z. B. die Abbildungen, welche MAveEr in seinen Analecten der vergleichenden Anatomie, Bonn 1835, von Runa pachypus gegeben hat, wo sich auf der Brust eine dreizinkige »Borbel«, an der Hand ein Tuberkel des Daumens und ein Dorn des Zeigefingers findet. 2) Vergl. Figur 15 b. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 173 Blätter- und Leistenwerkes, welches den netzförmigen Leisten der Schleimhaut des Darmes, allwo sie anstatt der Zotten stehen, zu vergleichen und gerade an den Zehenspitzen und Zehenballen be- sonders entwickelt sei. Nach Entfernung der Epidermis könne die Haut zunächst den Eindruck hervorrufen, als ob die Zehenspitzen dieht mit langen Papillen') besetzt wären. Dass aber wirklich die Blätter hin und wieder eben so gut als zusammengedrückte Papillen aufgefasst werden können, wurde ebenfalls berührt und auch noch auf eine besondere Form an den Enden der Gliedmassen von Rana aufmerksam gemacht. Ich lege zur näheren Verdeutlichung dieser Verhältnisse eine Ab- bildung von der Zehenspitze des Bufo variabilis vor?. Man sieht, wie sich die Lederhaut in hohe blätterartige Leisten auszieht; auf diesen stehen dann die Leistchen zweiter Ordnung, welche in der Profilansicht wie Härchen oder Wimpern sich ausnehmen und es be- darf in der That genaueren Zusehens, um sich zu überzeugen, dass jedes »Haar« sich über die Fläche weg als Leiste verlängert. Eine andere Form von Leisten erscheint in Figur 4 aus Bom- binator igneus versinnlieht. Auch über die früher’, aus demselben Thier angezeigten und dazumal näher erörterten Papillen, welche als haarfeine Fortsätze sich auf der Lederhaut erheben, habe ich eine Abbildung beigelegt). Die Papillen mit Tastkérperchen sind besonders an der Daumen- schwiele männlicher Kröten und Frösche entwickelt, stehen dort gehäuft und übertreffen, wie ich an einem andern Ort gemeldet habe, z. B. bei Bombinator die der übrigen Hautfläche um das Doppelte der Länge. 5. Unterhautbindegewebe. Die Zehenballen der beiden Erdmolche Salamandra maculosa und S. atra, bei den Embryonen spitz zulaufend, sind später von rundlich dickem Wesen. Ausser anderen Eigenthümlichkeiten, die noch un- ten zur Sprache kommen werden, sei jetzt erwähnt, dass die Leder- 1) z. B. Figur 26, Figur 28. 2) Figur 1. 3) a. a. O. pag. 37 der Separatausgabe. 4) Figur 30. 174 F. Leydig haut hier fast ganz in ein Bindegewebe von sehr weicher Art umgewandelt erscheint und ohne regelmässige Schichtung; vielmehr durehflechten sich die Balkenzüge in verschiedener Richtung, bis sie schliesslich zu einem zarten Faserwerk sich umgestalten. Auf Rech- nung dieses Bindegewebes') kommt es zum Theil, dass die Hand- und Fussfläche der Salamander etwas Geschwollenes an sich hat — plantae pedum tumidae —, sagt schon LAURENTI. Sehr characteristisch für Salamandra maculosa ist ein gewisser Blutreichthum 2) in der Spitze der Zehenballen. Schon am lebenden Thier schimmert eine rothe Partie durch die Haut hindureh und das Mikroskop weist eine Anhäufung von Blutcapillaren nach, wobei letztere von bedeutendem Durchmesser und stark geknäuelt sind. 6. Epidermis und Cuticula. Indem die Lederhaut sich in Blätter erhebt, welche netzförmig zusammentreten, und in die dadurch entstehenden Hohlräume die Epidermis mit ihren unteren Lagen sich einfügt, gruppiren sich die Zellen derart, dass den Drüsen täuschend ähnliche Bilder entste- hen’). Die Betrachtung der von der Lederhaut abgehobenen Epi- dermis von der unteren Seite könnte ferner auch recht deutlich ma- chen, wie für die unteren Schichten der Epidermis die Bezeichnung »Schleimnetz« aufkommen konnte. Zur Veranschaulichung dessen, was ich!) über Verwandlung der Epidermiszellen, insofern sie durch cuticulare Abscheidungen in geschichtete Plittchen verändert werden, mitgetheilt habe, dient Figur 7. Bedeutsam bleibt es immer, dass die Sculptur der Cuticula selbst nach den Arten sich in typischer Abänderung erhält und zum Verständniss der Abbildungen) sei hierzu bezüglich der einheimi- schen Species der Gattung Triton folgende Uebersicht gegeben. 1) vergl. Fig. 27c. 2) Fig. 27d. 3) vergl. Figur 28e; Figur 29. 4) a. a. O. Separatausgabe pag. 19. 5) Figur 17, Figur 18, Figur 19, Figur 20. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 175 Triton cristatus Tr. alpestris Tr. taeniatus ı Tr. helvetieus Laur. Laur. Schneid. | Raz. Cuticula an der| Cuticula an der; Cuticula an der, Cuticula an der Zehenspitze zwar/Unterfläche der Ze-Unterfläche der Ze- Unterfläche der Ze- verdickt, aber ohnelhenspitze verdickt'henspitzen und der henspitzen und der Seulptur. und mit grob-| Schwimmhautlap- | Schwimmhautlap- schrundiger |pen mit feinge-|pen mit grobkör- Seulptur. körnelter Sculp- niger Sculptur. tur. In einer neueren Schrift über europäische Reptilien steht, dass bei Tr. taentatus, Tr. alpestris, Tr. helveticus an der Spitze der Zehen »höchst eigenthümliche Bildungen vorkommen, welche aus Büscheln feiner blasiger Borsten bestehen«.. Was mag wohl der Verfasser damit gemeint haben? Doch kaum etwas anderes, als parasitische, pflanzliche oder thierische Wesen. Anmerkung 1. In der mehrfach angezogenen Arbeit über die Haut- decke der Amphibien bespreche ich Höckerformen, von denen die eine Art zu den Cuticularbildungen gehört. Als Grundlage dienen hierzu eigenartige grös- sere Zellen ; es entstehen auf diese Weise Wärzchen, welche sich bei all unsern einheimischen Species von der Gattung Triton vorfinden. Eine andere und grössere Art Wärzchenbildung der Epider- mis, die nicht erst für die Loupe und das Mikroskop deutlich wird, findet sich bei den südlichen Arten: Triton (Euproctus) Rusconi Gene und Triton (Pleurodeles) Waltli Michah. Es sind Horn- höcker von einer Entwicklung, dass sie schon dem freien Auge auffallen und deshalb bereits auf der Abbildung des Euproctus Rus- cont in der Schrift GENE’s') klar sich abheben, sowie ihrer auch im Text als »verrueulae albae punctiformes, elevatae« gedacht wird. An einem von mir untersuchten Exemplar, das etwa halb so lang war als jenes bei GENE abgebildete), setzten sich für's freie Auge diese Höcker durch Grösse und weissliche Farbe gut von der grauschwärzlichen, sonst glatten Haut ab, welche auf solche Weise, wenn auch nicht gerade dicht, wie beperlt erschien. Die Höcker gehörten der Rückenseite des Thieres an. Unter dem Mikroskop erwiesen sie sich als Wucherungen der Epidermis, die Zellen am Gipfel erscheinen etwas stärker verhornt. Bei Pleurodeles Walth wurden diese grösseren Dornen an den !) Synopsis Reptilium Sardiniae indigenorum, 1839, Tab. I, Fg. 3. 2) Ich verdanke es der Güte des Herrn Marchese GiAcomMo DorIA in Genua. 176 F. Leydig Seiten des Leibes friiher sehr verkannt, indem man sie fiir frei vor- stehende Rippenenden erklärte. Ich hatte gegenüber dieser seltsa- men Angabe die Vermuthung !) ausgesprochen, dass die vermeintlichen Knochenstacheln oder Rippenenden von gleicher Art sein mögen, wie die übrigen Hornhöcker der Haut. Bisher vermochte ich trotz mancher Bemühung immer noch nicht in den Besitz des Pleurodeles und also auch nicht zu eigener Untersuchung zu gelangen; um so erfreulicher ist es aber für mich zu sehen, dass STRAUCH, welcher das Thier in Händen hatte, unterdessen die Richtigkeit meiner Ver- muthung bestätigt hat). Anmerkung 2. Bei Geotriton fuscus Bonap. konnte ich eine besondere Uebereinstimmung mit der Hautbildung unserer Tritonen feststellen. An den mit Schwimmhaut ausgestatteten Zehen kommt nämlich wieder eine eigenartige Seulptur vor?). Die Epidermiszellen des Thieres sind ‚sehr gross und da, wo sie die Zehenspitzen und Höcker der Fussfläche überziehen, erhebt sich auf den grossen hellen Platten ein Buckel, welcher stärker erhärtet als die übrige Cuticularschicht, abermals mit grösseren und kleineren Buckelchen besetzt sich zeigt. Dort wo die Sculptur an Ausdehnung zunimmt und eine ganze Anzahl zusammenstossender Zellen damit ausgestattet erscheint, entstehen grössere in- selartige Flecken auf der Epidermis, welche in sehr ausgesprochener Weise durch schrundig höckeriges Wesen sich von der sonst glatt bleibenden Haut- fläche abheben. Ausserdem findet sich da und dort jene feinste Punetirung der Oberfläche der Epidermiszellen, von welcher ich wiederholt Meldung gethan. Anlangend die Gattung Salamandra, so habe ich, da bei S. atra eine Art Umarmung im Zeugungsgeschäft von SCHREIBERS vor Jah- ren beobachtet wurde, nachgesehen, ob nicht doch trotz der sonst so glatten Haut Rauhigkeiten, wie sie oben bezüglich der Gattung Triton aufgeführt wurden und wie ich sie so eben auch von Geotriton er- wähnt, an den Extremitäten vorkommen. Ich habe indessen nichts dem Aehnliches auffinden können. Die Zehenballen erscheinen bei Salamandra atra und S. maculosa lichter gefärbt, als der übrige Theil der Zehe; die äussersten Zellen der Epidermis sind zu dicken, geschichteten polygonalen Platten geworden, so dass es nicht ganz un- richtig ist, wenn schon HEusınGeEr !) dem Landsalamander schwielenar- ') Molche der Württemb. Fauna. pag. 69. Anmerk. ?) Revision der Salamandridengattungen. Mém. d. lacad. imp. d. St. Peters- bourg. 1870. p. 32. 3) Vergl. Figur 10. 4) Histologie, Theil 2, pag. 228. LınNnE sagt ganz richtig von Salamandra Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 177 tige Verdickungen an den Zehen zuschreibt. Da auch hier die Oberfläche der Leberhaut in ein zartes hohes Blätterwerk sich er- hebt!), so nimmt die Epidermis, indem sie durch die netzförmige Verbindung der Blätter oder Leisten in ihren tieferen Schichten wie in Haufen zerlegt wird, im abgezogenen Zustande und von unten betrachtet, ein drüsenähnliches Aussehen an?). Die Gattung Bufo zeigt Verdickungen der Epidermis an der Daumenschwiele , den Zehenspitzen und dem freien Rand der ge- kerbten Schwimmhaut, sowie Reliefbildungen auf den Zellen. Indem ich jetzt die bezüglichen Zeichnungen vorlege, bemerke ich hierzu, dass bei Bufo vulgaris die oberen Lagen der Epidermis der Daumenschwiele sehr stark verhornt und braun sind, wes- halb wohl WAGLER von »Knorpelstacheln« spricht. Die unteren La- gen sind wie immer hell und farblos. Die Seulpturen der Zellen sind Buckel, welche sich gegen die Spitze der Papille hin in förmliche Stäbe oder Stümpfe verlängern. Nach den Seiten der Papille flachen sie sich zu schuppigen Hervorragungen ab*). Bei Bufo calamita, wo die Oberhaut der Zehenspitzen wieder sehr stark verhornt, daher braun und manchmal fast schwarz ist, was schon die älteren Schrift- steller wie LAURENTI und SCHNEIDER für die Art richtig hervor- heben, sind die Vorsprünge der Zellen auf den Warzen der Daumen- schwiele niedriger und breiter) ; während bei Bufo variabilis sie sich wieder mehr der Form von Bufo vulgaris nähern. Des Vergleiches wegen habe ich zu den Abbildungen über die Epidermis und ihre Sculptur an den Zehenspitzen von Bufo ca- lamita und Bombinator igneus?) auch einige Zellen aus der Fuss- sohle und dem Rücken des Bufo vulgaris mit ihren Reliefbildungen zur Anschauung gebracht ®), endlich auch die ebenfalls von mir nach Form und Vorkommen beschriebenen kammartigen Erhebungen auf den Epidermiszellen von Bombinator igneus?). Zur Erklärung der über die Gattung Rana mitfolgenden Abbil- dungen °) sei auszugsweise wiederholt, dass die Mitte der Zellen eine höckerige Seulptur zeigt, in der Weise, dass bei Rana platyrrhinus jedes Höckerchen auf den Zellen, welche der Spitze der Papillen zu- maculosa »ungues neque in palmis, neque in plantis adsunt«. Gegenwärtig be- gegnet man der Angabe, dass bei Salamandra Andeutungen von Nägeln sich finden; ich vermag hiervon auch nicht eine Spur wahrzunehmen. 1) Figur 28. 2; Figur 29. 3) vergl. Figur 15. 4) Figur 16. 5) Man sehe Figur 8 (Bufo calamıta) ; Figur 9 (Bombinator igneus). 6) Fig. 5, Fig. 6. 7) Fig. 24. 8) Fig 21, Fig. 22, Fig. 23. 178 F. Leydig nichst liegen, sich in einen kleinen Kegel auszieht. Bei Rana es- culenta sind die Einzelbuckelehen merklich grösser als bei vorgenann- ter Art. Ueber Rana oxyrrhinus werde ich ein ander Mal berichten. 7. Drüsen. Die sonst so allgemein über die Hautfläche sich weg erstrecken- den kleinen Drüsen von rundlicher Gestalt!) vermisste ich bei eini- gen Arten an der Rückenfläche der Finger- und Zehenglieder. Eine andere Eigenthümlichkeit der Zehen im Hinblick auf die gedachten Organe äussert sich darin, dass sich die Retortenform der Drüsen in die Schlauehform hinüberbildet. Derartige schlauch- förmige Drüsen erstrecken sich in den Zehenspitzen des Triton von der Haut bis nahe an die Knochen. Bei Salamandra maculosa stehen zwar in der Haut der Zehen oben und unten die kleinen rundlichen Drüsen, aber im Zehenballen selbst fehlen nicht blos die rundlichen, sondern auch die hier zu er- wartenden schlauchförmigen Driisen?). Kime nicht bei Salamandra atra und bei den Kröten (z. B. Bufo variabılıs) das oben erwähnte Leistenwerk zugleich mit den Schlauchdrüsen vor, so könnte man annehmen, dass bei Salamandra maculosa die Schlauchdrüsen in ge- wissem Sinne ersetzt wären durch die zelligen Ausfüllungen der Zwischenräume des Leistenwerkes 3). Bei Salamandra atra, allwo sich die Zehenballen noch mehr polsterartig verdieken , liegt in der Wölbung eine Anhäufung der Schlauchdriisen*). Das Ganze bietet nicht geringe Aehnlichkeit mit dem, was man bei Ayla arborea in der Zehenscheibe sieht, dar, ja ich meine sogar auch bei Salamandra eine feine Ringfurche am Ballen wahrzunehmen. Die Schlauchdrüsen in den Endballen oder Tellern (Pulvilli, Disei der Autoren) wurden von mir schon früher an Hyla arborea er- örtert. Auch in den andern Ballen, welche hier so stark an der Beugeseite der Finger und Zehen vorspringen (Tubereula) haben die Drüsen dieselbe Schlauchform. wie denn überhaupt sämmtliche Fin- ger- und Zehenhöcker, was das Epithel, die Lederhaut und Drüsen anbetrifft, zu ein und derselben Bildung gehören. Am Endballen ') a. a. O. wurden die verschiedenen Arten der Hautdrüsen näher abge- handelt. 2) vergl. Fig. 27. 3) Fig. 28 e. 4) Fig. 26 ¢. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 179 treten nur durch die Stellung der letzten Phalanx und die sich an- setzenden Muskeln besondere Verhältnisse ein, wodurch , wie die älteren Zoologen') sich ausdrücken, die »Tellerform nach Willkür wandelbar ist«. Der Vorsprung auf der Rückenfläche des letzten Fingergliedes rührt von der Spitze der aufwärts gerichteten letzten Phalanx her. Bei Bufo variabilis?) gleichen die Drüsen der Zehenspitzen langhalsigen Retorten , weshalb man dieselben, so lange nur das runde beutelige Ende zur Ansicht vorliegt, den sackartigen Formen anreihen wird. Durch den lang ausgezogenen vorderen Abschnitt nähern sie sich aber immerhin den schlauchförmigen Drüsen. An den Ballen der Vorderbeine des Alytes obstetricans, welche durch Zurücktreten des Pigmentes hell aussehen, erhebt sich die Lederhaut in Leisten, wodurch die Epidermis in die mehrmals be- sagten scheinbaren Drüsen zerlegt wird. Es besitzen aber die Ballen in ihrer bindegewebigen Grundlage wirkliche Schlauchdrüsen. Die Schwimmhaut bei Bombinator igneus hat, gleichwie die Hintergliedmassen überhaupt, vom Knie abwärts, eine gewisse dick- liche Beschaffenheit, was nicht etwa von stärkerer Muskulatur her- rührt, sondern von der besonderen Entwicklung der Hautdrüsen. Ihre Grössenzunahme an der Rückenfläche des Unterschenkels ent- spricht der Unterschenkeldrüse bei der Gattung Bufo*). Hingegen zeigt sich auch noch in der Fusssohle selber eine solche Drüsenportion und diese ist dem Bombinator eigenthümlich ; bei Bufo vulgaris sind an gleicher Stelle nur einzelne der Hautdrüsen etwas grösser ge- worden. Immerhin kann auch bei letztgenannter Art die Planta pedis ein ähnliches gequollenes und verdicktes Aussehen haben, wie bei Bombinator, welche Auftreibung aber hier ihren Grund nicht in der Entwicklung der Drüsen hat, sondern durch angesammelte Lymphe bedingt wird. Eine Abänderung der Schlauchdrüsen ins Grosse stellen die Schläuche des Daumenwulstes dar‘). Die einzelnen Drüsen- säcke münden niemals auf den Papillen, sondern immer zwischen 1) Z. B. SCHRANK in der Fauna boica. 2) Figur 1, d. 3) Bei Bufo vulgaris und Bufo calamita ist die Unterschenkeldriise wohl entwickelt, bei Bufo variabilis nur in Andeutung vorhanden. Auch eine Vor- derarmdriise bemerkt man deutlich bei Bufo calamita, wiihrend bei Bufo varia- bilis kaum eine Spur wahrzunehmen ist. 4) vergl. Figur 25. 180 F. Leydig den Papillen aus. Die Epithelzellen der Schliiuche sind lange, bald körnig gefüllte, und alsdann dunkle, bald mehr helle Cylinderzellen; im Halstheil der Drüse sind sie um vieles niedriger geworden. Auf eine eigenthümliche Sonderung des Zelleninhaltes in eine Art Rinde und Mark, und sodann wieder der ersteren in Querstücke habe ich schon früher hingewiesen und erscheint gegenwärtig in d bei Figur 25 versinnlicht. II. Der Fersenhöcker. Am Innenrand der Hinterfüsse der Batrachier findet sich ziem- lich allgemein eine Bildung, welehe unter dem Namen des Fersen- höckers am bekanntesten ist und in Grösse und Form nach den einzelnen Gattungen und Arten abändert. Ueber die morphologische Bedeutung dieses Theiles gehen die Ansichten auseinander und auch den folgenden Zeilen wird es kaum gelingen, dieselbe ganz fest zu stellen, wohl aber mögen sie zeigen, wie schwierig es überhaupt ist, eine bestimmte Ansicht aussprechen zu wollen. 1. Aeussere Gestalt. In der Gattung Triton erscheint der Fersenhöcker unter den Arten der deutschen Fauna am ausgeprägtesten bei Tr. helveticus Raz., worüber ich das Nähere bereits an einem anderen Ort berichtet ° habe'). Noch stärker zeigt er sich bei dem südeuropäischen 7r. Rus- con Gene entwickelt. Bei Hyla arborea L. ist der Höcker wenig auskebäkllet: In der Gattung Bufo springt gedachter Theil unter den einhei- mischen drei Arten am meisten bei B. vulgaris Laur. vor; er ist hier länglich, hat ein abgerundetes Ende, die Farbe geht nach vorn und einwärts öfters ins Dunkelbraune, fast Schwarze über?). Bei B. calamita Laur. erscheint er mehr rundlich, kürzer und stumpfer als bei B. vulgaris. Endlich bei B. variabilis Pall., allwo er sich, was die Ausbildung im Allgemeinen anbetrifft, dem von B. calamita ') Molche der Württemb. Fauna, pag. 10, pag. 69. 2) Bei dem von ScHinz aufgestellten Bufo alpinus, doch wohl nur Varie- tät von B. vulgaris, scheint der Fersenhöcker besonders gross zu sein: es liege eine grosse, lange, glänzend schwarze Warze, gleichsam der Anfang einer sechs- ten Zehe, an der äusseren Zehe der Hinterfüsse und unterscheide deutlich den Bufo alpinus von B. vulgaris. SCHINZ, Europäische Fauna 1840. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 18] nähert, zeigt er doch eine mehr längliche Form und ist dabei etwas höher. In der Gruppe der Bombinatoren stellt der Theil bei Bombina- tor igneus Ros. einen nur winzigen Höcker dar und man kann sa- gen, dass gedachte Bildung hier unter den sämmtlichen einheimi- schen Fröschen und Kröten am kleinsten ausgefallen ist. Und so begegnen wir auch bei Alytes obstetricans Laur. nur einem rund- liehen niedrigen Ballen. Hingegen ist der Knorren bei Pelobates fuscus Rés. gross, schaufelförmig und mit einem Hornkamm versehen und wegen dieser characteristischen Gestalt auch von jeher bemerkt und als »Sporn, homartige Klaue, Schaufel« und dergleichen bezeichnet worden. Und auch für die Arten der Gattung Rana wird der Fersen- höcker durch typisches Festhalten in der Form für die Systematik von Werth. Die vergleichende Untersuchung ergibt, dass er bei AR. esculenta L. bedeutend vorspringt und dabei seitlich zusammen- gedrückt oder schaufelförmig ist. An Z. agilis Thom. ist er eben- falls sehr stark, hart und zeigt die Form eines länglichen Wulstes. An R. oxyrrhinus Steenstr. !) ist er abermals sehr kräftig entwickelt, aber ähnlich wie bei &. esculenta zusammengedrückt und daher schaufelförmig. Endlich bei Z. platyrrhinus Steenstr. erscheint er schwach, weich und von Gestalt eines linglichen Wulstes. 2. Innerer Bau. Was ich mir über den Bau des Fersenhöckers der genannten Arten angemerkt habe, ist Folgendes. Bei Hyla arborea vermisst man ein Knorpelstück im Innern. Der Höcker besitzt nur, gleich dem ihm gegenüberstehenden kleinen Höckerehen, Hautdrüsen, welche aus einem länglichen Beutel und einem davon sich abschnürenden langen Hals bestehen. Der Knorren bei Bufo vulgaris, senkrecht durchschnitten, lässt zu innerst einen knöchernen Skelettheil erkennen, dessen abgerundete Spitze knorpelig ausgeht?). Das anschliessende Bindegewebe‘, hat !) Ich werde in Bälde an einem anderen Orte den Nachweis führen, dass Rana oxyrrhinus als eine ebenso gute und scharf begrenzte Art anzusehen ist, wie die von Niemandem angezweifelte Zana esculenta. ?) Man vergleiche Fig. 3 f. 3) Fig. 3 e. Morpholog. Jahrbuch. 2. I 182 F. Leydig in der Gruppirung der Bündel Aehnlichkeit mit Sehnen, was noch weiter sich darin zeigt, dass zahlreiche Nester von Knorpelzellen zwischen die Streifen eingebettet sind. Darauf folgt ein mehr locke- res Bindegewebe mit den gewöhnlichen rundlichen Drüsen !) und der Gefässausbreitung?). Diese Schicht erhebt sich in ziemlich hohe, aber schmale Leisten, die auf dem senkrechten Schnitt sich wie fadenförmige Papillen ausnehmen. Die Epidermis ist verdiekt und zerfällt deutlich in eine weiche untere und in eine härtere obere Lage. — Der Höcker, welcher dem Fersenknorren gegenübersteht, entbehrt des Skelettheiles. Er besteht, wie ebenfalls Durehschnitte am besten lehren, aus einer dieken Lage von Epidermis, deren oberste Zellen braun, platt und ohne Seulptur sind. Die darauf folgende Lederhaut ist wenig pigmentirt und ohne Leistenbildung; ihr derbes festes Bindegewebe ist nicht mehr regelmässig aufgeschichtet, son- dern zeigt sich mannigfach durchflochten. Die Drüsen sind klem und von rundlicher Form; dass noch Blutgefässe und Nerven zuge- gen sind, ist selbstverständlich. Mit diesem Höcker stimmen alle übrigen Tuberkeln, welche an der Hand- und Fussfläche vorkommen, im Bau überein. Der Fersenknorren von Bufo calamita besitzt eine dicke Epi- dermis; die Zellen der Hornschicht sind platt, mit ebenfalls sehr platten Kernen; die äussersten Lagen haben eine braune Farbe und sind zu Cuticularplittchen umgewandelt. Die Lederhaut erhebt sich in Leisten, in welche hier auch die Blutgefässe aufsteigen. Rund- liche Drüsen gehen über den ganzen Ballen weg; ins Innere erhebt sich ein knorpeliges Skeletstück. Bei Bufo variabilis sind die histologischen Verhältnisse im We- sentlichen wie bei der vorgenannten Art. Ueber den Bau des in Rede stehenden Theiles von Pelobates fuscus habe ich schon vor Jahren einige Mittheilungen gegeben *), die ich jetzt zu vervollständigen im Stande bin‘). Man unterschei- det an Durchschnitten : 1) Die Epidermis, welche seitlich zusammengedrückt einen hohen Kamm erzeugt, der sich schon für's freie Auge als durchscheinen- der Hornsaum ankiindigt 5). Die Elemente der hellen Hornschicht sind durchaus glatt. Von einer Cutieularlage lässt sich kaum spre- Yo Rig oe: 2) Fig. 3d. 3) Histologie pag. 163. 4) Man vergleiche Fig. 11, Fig 5. 5) Fig. 11a, Fig. 5a. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 183 chen, will man nicht die äussersten Zellen selber, welche sehr platt sind und wie zusammengewachsen, Cuticula nennen. Die Schleim- schicht ') darunter hebt sich als eine bestimmte Zone ab, da ihre Zellen, sowohl die unteren länglichen als auch die oberen rundli- chen, trübkörnig erfüllt sind. 2) Die Fortsetzung der Lederhaut, mit etwas Pigment versehen, ist sehr dünn, erhebt sich aber in Leisten 2). Die Drüsen fehlen unterhalb des eigentlichen Kammes; sie beginnen erst wieder da, wo die Epidermis ihre Dicke verloren und die gewöhnliche dünne Be- schaffenheit angenommen hat >). 3) Der schaufelförmige Knochen !) im Innern. eigentlich ver- kalkter Knorpel, entwickelt mit dem rein knorpelig bleibenden Saum einen hohen Kamm, entsprechend der gleichen Bildung der Epider- mis. Am Rande verändert sich der Hyalinknorpel in einen Faser- knorpel, zwischen dessen Streifen sich die Zellen, genauer Kerne und umgebendes Protoplasma hineinziehen 5). 4; Ein Muskel setzt sich mit langer Sehne an den schaufelför- migen Knochen an$). Bei Alytes obstetricans ist der Epidermisüberzug des Höckers „war dieker als sonst an der Haut, aber verglichen mit Bufo (und Rana) doch dünn. Die Zellen der Hornschicht sind alle glatt. Im Innern des Vorsprunges selber befindet sich niehts von einem Knor- pel oder Knochen. Das rundliche Grundstück des Höckers aber, wel- ches dem Tarsalrand des Fusses angehört, wird wohl kaum fehlen. Im eigentlichen Ballen vertritt ein derbes, sehniges Gewebe die Stelle des Knorpels. Nach aussen von diesem folgt lockeres Bindegewebe mit zahlreichen Blutgefässen und Drüsen. Die Lederhaut erhebt sich wie an den Ballen des Vorderfusses in Leisten. Der Fersenhöcker des Bombinator igneus zeigt, trotz der gerin- gen Grösse im Innern einen verkalkten Knorpel. Die Lederhaut erhebt sich in Papillen, welche platt sind, zum Theil mehr leisten- förmig und am freien Ende unregelmässig mehrspitzig 7). Die äusser- sten Epidermiszellen besitzen eine Sceulptur. in Form einer Höcker- platte. Bei der Gattung Rana begegnen uns an dem Fersenhöcker Eigen- !) Fig. 118. 2) Fig. 120. 3) Fig. 11 f. 4) RÖsEL, der Entdecker des Thieres, hat ‘Hist. ranarum nostr. Tab. XIX Fig. 9) den Knochen bereits abgebildet. 5) Figur 12 c, d, e. 6, Fig. 12.9. 7) vergl. Fig. 4. 1a 184 F. Leydig thümlichkeiten des feineren Baues, durch welche sie sich von der Gattung Bufo unterscheidet. Dahin gehört: Die äussersten Zellen der Epidermis sind nicht platt, sondern von prismatischer Form mit Wölbung der freien Fläche und letztere trägt ein deutliches, hervor- gewölbtes Cutieularkäppchen. Mehr gemeinsam den beiden Gattun- gen ist, dass unterhalb der Lederhaut, in welche sich nicht nur die Blutgefässe, sondern auch die Drüsen verbreiten, eine Art Bindege- webe folgt, welches der histologischen Beschaffenheit nach einerseits zwischen eigentlichem Bindegewebe und Knorpel steht und an jene Form erinnert, welche ich zuerst aus dem Gehörorgan verschiedener Wirbelthiere angezeigt habe, andererseits auch mehr dem gallertigen Bindegewebe sich nähert. Zu innerst befindet sich der Kalkknorpel. Und was die einzelnen Arten anbelangt, so sehen wir bei Rana agilis') die Hicker in der Hand- und Fussfläche durchaus von so bedeutender Entwickelung, dass die genannte Species hierin die nächst verwandte Rana oxyrrhinus übertrifft. Die histologische Untersu- chung deckt auf, dass die Eigenthümlichkeiten der gewöhnlichen Tubereula sowie des besonders umfänglichen und stark vorspringen- den Fersenhöckers namentlich auf der Umbildung der Epidermis be- ruht. Ueber den beiden Arten von Höckern erscheint die Oberhaut verdiekt und ihre Endzellen, von kurz eylindrischer Form, entwickeln eine entsprechend hohe Cuticularschicht 2); die tieferen Zellen zeigen zackig-strahlige Ränder; die Hornschieht zerfällt in mehrere Lagen, wodurch wohl die Einleitung zur nächsten Häutung gegeben ist: die untersten Zellen der Schleimschicht sind eylindrisch. In der Leder- haut stehen die Drüsen gehäuft, und ihr Hals erscheint lang ausge- zogen und abgesetzt ®). Das Epithel des beutelförmigen Endes be- steht aus langen Cylinderzellen; im halsartig abgeschniirten Ausfüh- rangsgang aus niedrigen Zellen. Unterhalb der Lederhaut verbreitet sich eine dicke Lage festeren Bindegewebes. Dann folgt zu innerst der Kalkknorpel, der sich bei dieser Art durchaus nicht so umfäng- !) Die zuerst von Tuomas (Ann. d. se. nat. Ser. 4, Tom. IV, 1855) als Rana agilis, dann von FArıo (Rev. et mag. d. Zoologie 2 Ser. Tom. XIV, 1561) als Rana gracilis aufgestellte Art scheint nur südlicheren Gegenden anzugehö- ren, wenigstens habe ich in den von mir durchsuchten deutschen Landstrichen diesseits der Alpen das Thier noch nicht angetroffen. Es steht mir bisher über- haupt nur ein einziges Exemplar, Weibchen, zu Gebote, welches aus den Euga- neen stammt; doch habe ich aus der Untersuchung desselben die Ueberzeugung geschöpft, dass es sich um eine wirkliche Species handelt. 2) Fig. 13 a. 8) Fig. 13 d. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 185 lich zeigt, als man nach der Grösse des Fersenhöckers erwarten sollte. Der Knorpel steht in Höhe und Breite stark hinter dem von R. esculenta und PR. oxyrrhinus zurück und nähert sich vielmehr dem von R. platyrrhinus. Die bedeutende Schwellung des Fersenhöckers bei R. agilis beruht auf der Stärke des häutigen Ueberzuges, welcher im Einklang mit der Beschaffenheit der übrigen Zehenhöcker beson- ders dick ist. Der Fersenhöcker von Rana oxyrriinus unterscheidet sich wie oben angegeben durch Grösse und Form bedeutend von jenem der R. platyrrhinus und der R. agilis, ohne im eigentlichen histologi- schen Bau einen specifischen Character anzunehmen. Im Innern liegt der kalkig-knorpelige Skelettheil, welcher breit, hoch und schaufelförmig von Gestalt ist. Er sitzt auf einem zweiten oder Ba- salstiick, das zugleich einen gelenkflächigen Ausschnitt für das Meta- tarsale der fünften Zehe besitzt. Der äussere oder eigentliche Kno- chen des Fersenhöckers wird zunächst von einem festeren, streifigen, weiterhin von einem gallertigen Bindegewebe umzogen, das nach oben und einwärts vom Knochen sich zu einer wulstartigen Lage ansammelt, welche zahlreiche Blutgefässe einschliesst. Der Reich- thum an Blutgefässen bildet am lebenden Thier schon für's freie Auge ein deutliches röthliches Netz, welches durch das Grau der darüber liegenden Schichten hindurchschimmert. Die Fortsetzung der Lederhaut, welche weiter nach aussen anschliesst, entwickelt auf der freien Fläche Papillen. Die Drüsen gehen fast über den ganzen Fersenhöcker weg und scheinen nur an der eigentlichen Kante zu fehlen. Und so sei auch noch bezüglich der Rana platyrrhinus mitge- theilt, dass am Fersenhöcker die äussersten Zellen der mässig dicken Epidermis mit halbkugligem Ende vorquellen und einen ausgesproche- nen Cuticulariiberzug haben. Und wie bei den anderen Arten be- ginnt diese Form der Zellen deutlich erst am Fersenhöcker (und den übrigen Tuberkeln), um jenseits derselben wieder aufzuhören und den gewöhnlichen flachen Zellen Platz zu machen. Unter der, wie immer, in Horn- und Schleimschicht zerfallenden Epidermis folgt das Corium und ein lockeres Bindegewebe mit zahlreichen Blutgefässen und Drü- sen. Das Corium erhebt sich kaum in Leisten, sondern nur in ver- einzelt stehende Papillen. Der Kalkknorpel ist klein und es findet sich zwischen ihm und der erwähnten, die Drüsen und Blutgefässe tragenden Schicht, eine dieke Lage festeren Bindegewebes, das wie aus einer Umbildung des Knorpels — Umwandlung der Hyalinsub- 186 F. Leydig stanz in Streifenziige — hervorgegangen zu sein scheint. Jedenfalls liegen anfänglich zwischen den Balken des Bindegewebes noch Knor- pelzellen. Zur Veranschaulichung des grossen Unterschiedes, welcher in der Beschaffenheit der Epidermis zwischen den Höckern und der ge- wöhnlichen dazwischen liegenden Hautoberfläche besteht, habe ich zu Figur 13 (Zehenhöcker von R. agilis) noch Figur 14 (Schnitt durch die gewöhnliehe Fussfläche) gestellt. 3. Entwickelung. Mit Rücksicht auf frühere Zustände des Fersenhöckers wurden von mir blos die Larven von Pelobates fuscus untersucht. Bei den bereits vierbeinigen Larven hat der Knorren schon ganz die typische Ausprägung, wie sie der Gattung zukommt; auch die Hornschwiele ist schon da, nur dass selbstverständlich alles kleiner und weicher ist. Greifen wir nach jüngeren Stadien, so findet man auch bei zweibeinigen Larven, deren Hinterfüsse schon einige Länge und Aus- bildung haben, bereits das spätere Verhalten deutlich ausgedrückt. Wählen wir aber solche zweibeinige Larven aus, welche in ihrem Alter zwischen dem bei RöseL in den Figuren 8 und 9 vorgestell- ten Stadien sich befinden und allwo die Gliedmassen erst vor Kurzem hervorgesprosst sind, so bietet der Knorren für’s freie Auge und besser für die Loupe in seinem Grössenverhältniss und sonstiger Be- schaffenheit das Aussehen einer letzten kurzen Zehe dar; selbst das Pigment vertheilt sich in gleicher Anordnung über den Knorren hin wie über die Zehen. Wir werden gewahr, dass, je kürzer, stumpfer und dicklicher noch die ersten Zehen sind, um so ähnlicher ist der Knorren einer wirklichen Zehe. Erst mit dem Auswachsen und Dünnerwerden der Zehen und andererseits der Fortentwickelung des Knorrens zu seiner schaufligen typischen Form vermehrt sich die Unähnlichkeit. Für die Deutung des zweiten Skeletstückes des Knorrens ist es von Werth an dem durch Reagentien aufgehellten Fuss zu sehen, dass der Knochen jetzt noch rein knorpelig ist und darin mit der Endphalanx des fünften Fingers übereinstimmt. Die erste und zweite Phalanx, sowie die Metatarsalknochen, dann Fersen- und Sprung- bein, sowie selbstverständlich Schien- und Wadenbein, endlich der Oberschenkel selbst haben im Mittelstück bereits eine Knochenrinde angenommen. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 187 4. Die Ansichten anderer Beobachter. Vielleicht ist es Rösel!) gewesen, welcher zuerst des uns hier beschäftigenden Theiles Erwähnung thut. Indem er das Skelet des Bufo vulgaris bei ihm »blatterichte Landkröte«, anfertigt und be- schreibt. gedenkt er von dem Hinterfuss »einer besondern Afterzehe, welche aus zwei Gelenken besteht«. Bekannter ist, dass Linné 2) mehreren Arten seines Genus Rana den Character beilegt, die Hinterfüsse seien sechszehig: »plantis hexa- dactylis «. Schon SCHNEIDER *) erklärt sich gegen die von LINNE gegebene Deutung und will nur gewöhnliche »verrucae seu tubereula«, in diesem Vorsprung erblicken. Cuvier *) hingegen nennt die Bildung ausdrücklich wieder den Rest einer sechsten Zehe: ».... ont quelquefois le rudiment d’un sixiéme doigt«. Auch MEcKEL *) stimmt dieser Auffassung bei. MENKE ®) in einer Erörterung über Rana rubeta erklärt in be- stimmter Weise: »an jedem Hinterfusse sind zwar offenbar sechs Ze- hen, aber nur fünf derselben sind vollständig ausgebildet«. Am ausfiihrlichsten geht MicHaneLLes’) in die obschwebende Frage ein und nimmt entschieden Partei für die Ansicht, dass man es mit dem Rudiment einer sechsten Zehe zu thun habe. Es sei somit die gewöhnliche Annahme, der zufolge höchstens fünf Zehen vorhanden seien, einfach falsch. Und so wird auch noch von diesem und jenem Forscher z. B. von Branpr der Theil als sechste Zehe aufgefasst, während wieder andere Zoologen fortfahren, fraglicher Bildung nur den Rang einer Warze, Schwiele oder Sporn zuzugestehen. Manche scheinen auch schwankend in ihrer Ansicht geblieben zu sein: PALLAs z. B. spricht von »eallus seu spurius digitus«. ! Hist. ranarum nostratium, 1758, pag. 96. 2) In der sechsten Ausgabe des Systema naturae und bis zur zwölften, von ihm noch besorgten Auflage, in letzterer anmerkungsweise mit einem Zusatz: »obscure hexadactylae«. 3) Hist. amphib. nat. et liter. 1799. pag. 93. 4) Le regne animal distribué d’apres son organisation, Paris 1817. 5) System der vergleich. Anatomie 1824. 6) Zeitschrift Isis 1827 pag. 172. 1) Zeitschrift Isis 1830 pag. 807. 188 F. Leydig Ganz abweichend ist die Ansicht DuGis’: »me paraissent étre Je deuxiéme et le premier euneiformes« ‘). Zuletzt und fast gleichzeitig haben zwei Anatomen,. beide durch eifigehende Studien über das Skelet der Batrachier zur Abgabe eines Urtheils besonders berechtigt, über unseren Gegenstand sich ausge- sprochen. Und abermals ist dasselbe ebenso verschieden wie bei den Vorgängern- ausgefallen. ECKER 2) nämlich erklärt, dass er in den Knochen des Fersenhöckers die Rudimente einer grossen Zehe er- blicke. Nach GEGENBAUR ®) hingegen handelt es sich um Bildun- gen, welche in die Kategorie von Sesambeinen oder accessorischen Verknöcherungen gehören und durchaus nicht zu typischen Skelet- theilen. Das Nachfolgende mag den Standpunet bezeichnen, von dem aus ich den in Rede stehenden Theil betrachte. 5. Die Deutung des Fersenhickers. Die blosse Berücksichtigung des äusseren Verhaltens kann uns zur Ansicht leiten, dass der Fersenhöcker mit den sonst in der Hand- und Fussfläche auftretenden Höckerbildungen ein und dasselbe sei. Auch die histologische Untersuchung des Hautantheils würde eine solehe Deutung rechtfertigen. Denn es kehrt hier wie dort die Ver- dickung der Epidermis wieder und gewisse feinere Abänderungen ihrer Elemente, wie das oben nach den Arten erörtert wurde; ebenso bietet die Lederhaut mit ihren Drüsen und Gefässen und was sonst in Betracht zu kommen hat, keine wesentlichen Verschiedenheiten zwischen den Tubereula und dem Fersenhöcker dar. Von dieser Seite könnte man sonach den Fersenhöcker unbedenklich als den ersten unter den Tubereula — primus inter pares — ansehen. Die Beantwortung der Frage wird aber schwieriger, wenn wir auch die dem Fersenhöcker zu Grunde liegenden Skelettheile in Rechnung bringen. Im Innern steckt bei den Anuren verkalkter Knorpel, im Allgemeinen von länglicher Gestalt, der einem kleineren rundlichen dem Rande des Tarsus anliegenden Stück aufsitzt. Der '! Rech. sur l'ost6ologie et la myologie des Batraciens, Paris 1831. 2) Anatomie des Frosches, Braunschweig 1864. 3) Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Erstes Heft. Carpus und Tarsus. Leipzig 1564. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 189° letztere scheint durchweg vorhanden zu sein, ‘während der erstere da und dort mangelt. Sind die Knorpel- oder Knochenstücke Sesambeine oder typische Skelettheile? GEGENBAUR spricht sich wie erwähnt dahin aus, dass die Knorpelstücke nicht zu den eigentlichen Theilen des Fuss- skeletes gerechnet werden können. In Erwägung dessen, was der Fuss der Larven bietet, ferner im Hinblick auf den Umstand, dass der Fersenhöker individuell zu einer wirklichen überzähligen Zehe auswachsen kann, möchte man sich Ecker und Andern anschliessen, welche in dem Fersenhöcker ein Zehenrudiment oder umgebildete sechste Zehe erblicken und man hätte sodann die Knochenstücke als typische Theile des Skelets zu betrachten. An den zweibeinigen Larven nämlich von Pelobates fuscus aus frühester Zeit hat nach dem oben Vorgebrachten der Knorren die grösste Aehnlichkeit mit der nächsten, noch ebenfalls kurzen und dieken Zehe. Und dass der Höcker in eine echte überzählige Zehe auswachsen kann, geht aus der Beobachtung hervor, welche in der Schrift van DEEn’s !) über einen monströsen Wasserfrosch niederge- legt ist. Dort wird der Hinterfuss einer sonst normalen Rana esculenta abgebildet, bei welcher eine »überzählige Zehe« vorhanden ist. Es hat sich demnach bei diesem Individuum der Fersenhöcker zu einer wirklichen Zehe entwickelt, und der Hinterfuss ist in der That sechs- zehig geworden. VAN DEEN fand diesen Frosch unter einer Zahl von ungefähr 600 Exemplaren, welche auf äussere Abnormitiiten durch- gangen wurden. Auch will ich zur weiteren Stütze der Ansicht, es sei der Fersen- höcker gleich einer sechsten Zehe nieht unerwähnt lassen, dass auch der Fuss von Reptilien in seltenen Fällen nicht fünf-, sondern sechs- zehig befunden wurde. Als Beispiel mag das Exemplar von Gongylus ocellatus angeführt werden, welches v. HEYDEN in Spanien sammelte und durch B6rrGER 2) jüngst beschrieben und abgebildet wurde. Dort haben in ganz auffallender und deutlichster Weise alle vier Füsse sechs, mit Nägeln versehene Zehen, wobei der Verfasser auch auf ') Anatomische Beschreibung eines monstrisen sechsfüssigen Wasserfro- sches (Rana esculenta). Leiden 1838. Taf. II F. 12 2, 11. 2) Zehnter Bericht d. Offenbacher Vereins für Naturkunde. 1869. (B6rr- GER, Beitrag z. Kenntniss d. Reptilien Spaniens u. Portugals.) 190 F. Leydig die Möglichkeit hinweist, diesen Fall für die Descendenztheorie ver- werthen zu kénnen!). Und wenn ich jetzt noch im Näheren die zwei Knochen - oder Knorpelstücke deuten sollte, welche der »sechsten Zehe« zu Grunde liegen, so würde ich das untere oder hintere Stück ein Tarsale nen- nen und das anschliessende oder den eigentlichen festeren Kern des Höckers als eine umgebildete Endphalanx ansehen, daher nicht als cin Metatarsale. Hierfür spricht, dass der Knochen zum Träger des aus Lederhaut und verdickter Oberhaut bestehenden Höckers wird und an den Larven gleich den Endphalangen der anderen Zehen noch wie knorpelig zu einer Zeit bleibt, in der die Metatarsalia be- reits eine Knochenrinde angenommen haben. Die Weise der Betrachtung wie sie eben dargelegt erscheint, entbehrt gewiss nicht der Begründung und doch darf man. miss- trauisch gegen die Schlussfolgerungen werden, sobald wir auch die bei den Urodelen bestehenden Verhältnisse mit berücksichtigen. Bei genannter Gruppe kommt ebenfalls eine Art sechster Zehe vor, entweder nur unter der Form eines geringen Höckers, der bei den einheimischen Arten an Triton helveticus noch am meisten her- vorspringt, oder bei dem südeuropäischen Triton (Kuproctus) Rusconi von solcher Entwickelung ist, dass er schon von GENE, dem ersten Beschreiber des Thieres, als Sporn bezeichnet wird. Der fragliche Höcker bei den einheimischen Arten ist ohne knorpelige Grundlage, der von Triton Rusconi hat im Innern einen entwickelten Knorpel, welcher bis hart an die Grenze der Lederhaut geht, so dass die Epi- dermis fast unmittelbar darauf liegt. Wer bei dieser Untersuchung stehen bleibt könnte sogar eine Stütze für die obige Deutung in letzt genanntem Umstande finden wollen, weil sich so die- Anwesenheit eines Skelettheiles in der »sechsten Zehe« als etwas noch allgemeine- res darzustellen scheint. Allein die weitere Prüfung lehrt, dass der Skelettheil bei 7rriton Rusconi nichts mit dem Tarsus zu thun hat, sondern wie schon aus der zurückstehenden Lage zu entnehmen ist, dem Unterschenkel angehört. Bereits Gen& hat den Theil als Sporn der Tibia bezeichnet: »tibiis calcaratis«. Es ist in der That blos ein kammartiger Vorsprung des Unterschenkels. Man sieht somit, dass wir nach zwei verschiedenen Seiten hin eine Vorstellung über die sechste Zehe ausbilden können. Entweder 1) Nur nebenbei sei daran erinnert, dass auch beim Menschen, durch ganze Familien hindurch, ein sechster Finger beobachtet wurde. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 191 wir denken uns eine, jenseits des fiinffingerigen Zustandes zuriick- liegende, noch mehr vielfingerige Anordnung der Gliedmassen der Amphibien, und die sechste Zehe wiire dann eine Art Riickschlag auf die ältere Form; oder wir sehen uns zweitens auf physiologi- schem Boden nach einer Erklärung um. Die Weise eines Thieres zu leben wirkt auf die Organisation zurück und so könnte zum Zwecke des Grabens oder zu geschlechtlicher Leistung, ein andermal als Waffe ein solcher Vorsprung sich entwickeln, bald vom Unterschen- kel, bald von der Fusswurzel her. Die Bildungen, welche als »sechste Zehe« gelten, wären somit nur physiologisch mit einander zu ver- gleichen, während es morphologisch untereinander verschiedene Theile sind. Auch noch andere Thatsachen als die mitgetheilten sprechen dafür, dass die Entstehung fingerartiger Gebilde im Bereich der Gliedmassen der individuell erworbenen Organisation angehören mag. So hat v. SIEBOLD !) bereits vor langen Jahren in seiner Doetor- dissertation Füsse von Wassermolchen mit gegabelter Zehe beschrie- ben, ja einen Fall, wo sogar aus dem Knie zwei Zehen hervorge- sprosst waren. Ich könnte hierzu aus eigener Erfahruug anführen, dass bei einem von mir im Freien gesammelten Bombinator igneus vom Ellenbogen ein über 2 Linien langer, dünner Fortsatz abstand, gebildet aus einem Knorpelstreifen, der bei näherer Untersuchung aus drei den Phalangen ähnlichen Stücken zusammengesetzt war. Ferner besass ich auch eine Sulamandra maculosa, deren linker Vor- derfuss durch Zertheilungen von zwei Zehen sechszehig geworden war. (Die in Tübingen dazumal angefertigten Zeichnungen, den Fuss von oben, vorn und hinten darstellend, liegen mir jetzt noch vor.) — VAN DEEN 2) beschreibt ebenfalls eine Rana esculenta mit einer »überzähligen Zehe am Vorderfuss«. GERVAIS ®) beobachtete einen Pelobates cultripes, dessen linkes Vorderbein doppelt vorhanden war. Diesen Fall wäre ich geneigt wiederum dem van Deen’schen sechsfüssigen Frosch anzureihen, indem ich mir denke, dass hierbei mehr eine Störung und Ablen- kung in der Embryonalentwiekelung im Spiele gewesen sein möge. - Dass mancherlei accessorische Bildungen an den Gliedmassen der !) Observationes quaedam de Salamandris et Tritonibus. Diss. inaug. Berolini. 1828. arn oat eel Dj. 3) Revue et magazin de Zoologie XVI. 192 I. Leydig Batrachier vorhanden sind, bezeugen ferner die Mittheilungen GEGEN- Baur’s über Knöchelehen am Fusse von Pipa. Diesen Skelettheilen kann wohl nur der Werth von Sesambeinen beigelegt werden. Auch der von MAYER !) beschriebene lange Knochen, welcher von dorn- förmiger Gestalt, fast als fingerförmiger Fortsatz am Zeigefinger der siidamerikanischen Rana pachypus sitzt, ist wohl aus der Reihe typi- scher Skelettheile auszuschliessen. Wenn wir über die Classen der Amphibien und Reptilien hinausblicken, so dürfen wir uns auch den bekannten sichelförmigen Knochen an der Hand des Maulwurfes in’s Gedächtniss zurückrufen, vielleicht auch den Sporn am Lauf der hühnerartigen Vögel. Und so wird das Endergebniss unserer Beobachtungen und des Hin- und Wiederdenkens lauten können: Die sechste Zehe der Ba- trachier gehört wohl nicht zu den typischen Theilen des Knochen- geriistes. Wie aber, wenn Diejenigen Recht haben sollten, welche meinen, die Gliedmassen überhaupt seien nicht wesentliche Bestand- theile des Skelets der Wirbelthiere ? Nachschrift. Im Begriffe Voranstehendes zu veröffentlichen, erhalte ich Kennt- niss von zwei eben erschienenen Arbeiten, welche auf unseren Ge- genstand näheren und entfernteren Bezug haben. Die erste Schrift, aus dem anatomischen Institut zu Breslau her- vorgegangen, ist von Dr. G. Born und führt den Titel: Die sechste Zehe der Anuren 2. Sie gibt eine gründlichere Darlegung der in Betracht kommenden Skeletstücke, als wir sie bis jetzt gehabt haben; in der Deutung stellt sich der Verfasser auf die Seite Derer, welche eine sechste Zehe in dem Vorsprung des Tarsus erblicken. Die andere Abhandlung: Bemerkungen zur Anatomie des Euproc- tus Rusconii von Dr. R. WIEDERSHEIM *) enthält eine eingehende ! Analekten zur vergleichenden Anatomie. Bonn, 1835, Taf. VI, Fig. |, Kom tv 2) Morphol. Jahrbuch, 1875. Bd. I pag. 435. 3) Annali di Museo civico di Genova vol. VII. 1875. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 193 Beschreibung der spornartigen Hervorragung des Unterschenkels, welche »als rudimentärer sechster Finger imponirt «. Derselbe habe aber nichts mit der Anlage des Fusses gemein, sondern sei »die ganz excessive Entwickelung des Processus styloideus fibulae« nicht der tibia, wie GENE gesagt hatte. Der Theil diene wahrscheinlich beim Copulationsacte. Bios 1s Pie. 2 Hier 3. Fig. 4. Bigs Bs Erklärung der Abbildungen. Tafel VIII. Zehenspitze von Bufo variabilis, Pall. Die Epidermis ist abgehoben : a. grubige Spitze der letzten Phalanx ; b. strahlige Züge festen Bindegewebes ; c. Lederhaut mit den hohen Leisten und dem feinzackigen Rande; d. Drüsen, welche sich der Schlauchform nähern. Stück abgehobener Epidermis der Zehenspitze von Bufo variabilis Pall. (Fig. 1), von unten dargestellt. Man sieht den Abdruck der Relief- bildung der Lederhaut (Rete Malpighii). Schnitt durch eine sechste Zehe von Bufo vulgaris Laur. a. Epidermis mit glatter Oberfläche, und geschieden in Horn- und Schleimschicht; b. die scheinbaren Papillen (Blätter) der Lederhaut ; c. Drüsen; d. Bluteapillaren ; e. derbstreifiges Bindegewebe, welches Knorpelzellen in sich schliesst; J. Skelettheil. Papillen der Lederhaut des Fersenhöckers von Bombinator igneus Rös. Zellen der Epidermis vom Rücken eines einjährigen Bufo rulgaris Laur. a. Gefurchte Hicker, in welche sich die Zellen erheben. 194 Fig. 6. Fig. 10. Fig. 12. Fig. 13. F. Leydig Zellen der Epidermis der Fusssohle von einem einjiihrigen Bufo vul- garıs Laur. a. Leisten, in welche sich die Cuticula rings um die Zellen er- hebt; b. Höcker, welcher aus der Mitte der Zellen aufsteigt. Zwei Epidermiszellen von Triton eristatus Laur. a. Die Cutieularschichten. Epidermis der Zehenspitzen von Bufo calamita Laur. a. Sculpturen der obersten Zellen von der Seite; b. dieselben von der Fläche. Epidermis der Zehenspitzen von Bombinator igneus Rös. a. dieke Cuticularschicht ; b. körnige Sculptur der Cuticula. Epidermis einer Zehenspitze von Geotriton fuscus Bonap. a. Zelle mit Seulptur, b. Oeftnung zwischen den andern zusammenstossenden Zellen. Tafel IX. Schnitt durch die sechste Zehe von Pelobates fuscus Rös. a. Hornschicht. b. Schleimschicht, beide haben sich etwas von einander abgehoben, sowie letztere auch von der c. Lederhaut; d. Kamm des Skelettheiles ; e. derbes Bindegewebe zwischen letzterem und der Lederhaut; f. Drüsen und wie weit ihre Vertheilung geht; g. an den Knochen sich setzende Sehne. Ein Theil des Schnittes von vorhin (Fig. 4) von oben herein bis zum »Knochen« a. glatte Epidermis ; b. Leisten, in die Schleimhaut aufsteigend ; c. aus dem Knorpel hervorgehendes Bindegewebe ; d. eingesprengte Knorpelzellen ; e. reiner Knorpel und verkalkte Partie. Schnitt durch einen Zehenhöcker der Fusssohle von Rana _ agilis Thom. a. Aeusserste Zellen der Epidermis mit dieker Cuticula; b. die tieferen Zellen mit zackig ineinandergreifendem Rande ; e. Leisten oder anscheinende Papillen, welche sich in die Schleim- schicht erheben; d. Drüsen in der Lederhaut, retortenförmig ausgezogen. Schnitt durch die gewöhnliche Haut der Fussfliche, um das Eigen- artige im Bau der Höcker (vorige Fig. 13) hervortreten zu lassen. Von der Daumenschwiele des Bufo vulgaris Laur. ; a. Zwei Papillen mit dem Epidermisüberzug und der Höckerbil- dung der Zelle; b. eine Papille, entblösst von der Epidermis, zeigt im Innern ein Tastkörperchen. Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung d. Fersenhöckers. 195 Fig. 16. Von der Daumenschwiele des Bufo calamita Laur. a. Papille mit ihrer Epidermis ; b. vereinzelte Zelle und ihre Höcker. Tafel X. Fig. 17. Epidermis der Zehenballen von Triton alpestris Laur. a. Seulptur der Zellen. Fig. 18. Epidermis der Zehenballen von Viton helveticus Raz. a. Seulptur der Zellen. Fig. 19. Epidermis der Zehenballen von Triton taeniatus Schneid. a..Seulptur der Zellen. Fig. 20. Epidermis der Zehenballen von Triton cristatus Laur. Zellen glatt und ohne Seulptur. Fig. 21. Von der Daumenschwiele der Rana esculenta L. Man blickt auf die Gipfel von sechs Papillen und deren sculpturirte äussere Zellen. Fig. 22. Zwei Papillen der Daumenschwiele von Rana esculenta L., Seitenan- sicht. a. Die äusseren Zellen für sich, um deren Höckerbildung bei stärkerer Vergrösserung zu zeigen. Fig. 23. Papille der Daumenschwiele von Rana platyrrhinus Steenstr., Seiten- ansicht. a. Zwei Zellen für sich bei starker Vergrösserung, um deren höckerige Oberfläche hervortreten zu lassen. Fig. 23!. Form der Höcker der Daumenschwiele bei Bombinator igneus. Fig. 21. Stückchen Epidermis, äussere Fläche, von Bombinator igneus Ris. ; a. Kammartige Erhebungen auf den einzelnen Zellen; b. eine dieser Zellen gesondert und im optischen Querschnitt. Senkrechter Schnitt durch einen Theil der Daumendrüse | Daumen- schwiele) von Bufo variabilis Pall. a. Papillen mit ihrer Epidermis; b. Drüsenschläuche ; ce. Lederhaut ; d. einige Epithelzellen für sich bei stärkerer Vergrösserung, um die Sonderung der Zellsubstanz zu veranschaulichen. Ww ur Fig. Tafel XI. Fig. 26. Längsschnitt des Endgliedes einer Zehe von Salamandra atra Laur. a. letzte Phalanx ; b. Zwischengelenkknorpel ; e. schlauchförmige Drüsen in Ballen: d. gewöhnliche Drüsensäckchen der Haut; e. Sehne mit Knorpelzellen. Fig. 27. Längsschnitt des Endgliedes einer Zehe von Salamandra maculosa Laur. ; «a. letzte Phalanx ; b. Bluteapillaren ; ce. gallertiges Bindegewebe (Schlauchdrüsen fehlen). 196 F. Leydig, Ueber d. Bau d. Zehen bei Batrachiern u. d. Bedeutung ete. Fig 28. Schnitt durch die Haut eines Fussballens der Salamındra maculosa Laur. a. Lederhaut ; b. Leisten der Lederhaut unter sich zusammenfliessend ; e. Pigment, nur streekenweise in die Leisten eindringend; d. Bluteapillaren, ganz zuriickbleibend ; e Epidermis, in die Höhe gezogen, wodurch sich die driisenarti- gen Partien zeigen, entstanden durch Ausfüllen der Gruben zwischen den Leisten mit Epidermiszellen (Rete Malpighii). Fig. 29. Stück der Epidermis der Fingerspitze von Salamandra maculosa Laur- Stellt die untere Seite dar und veranschaulicht das anscheinend drüsige Wesen (Rete Malpighii). Fig. 30. Papillen der Lederhaut von der Bauchseite des Schenkels des Bombina- tor igneus Ros, ae y ys vas rae | 6 Hese se: nm Rs, 4 NN 3 ee) par 0m Fe 6 Bese sc. never den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. Von Dr. med. Phil. Stohr, Assistent am anatomischen Institut zu Breslau. Mit Tafel XII u. XII. Unter dem Conus arteriosus der Selachier, Chimären und Ganoiden versteht man den in den Arterienstiel übergehenden Herz- Kammerabschnitt, der bei den genannten Fischen beträchtlich ver- längert ist und eine Differenzirung der Kammer darstellt. Er be- sitzt einen aus quergestreiften Muskelfasern bestehenden äusserlichen Beleg und ist in seinem Innern mit mehreren Reihen verschieden geformter, klappenartiger Gebilde versehen. Bei den Teleostiern ist dieser Kammerabschnitt in der Regel so kurz, dass man ihn gar nicht als getrenntes Gebilde beschrieben, sondern einfach zur Kam- mer selbst gerechnet hat. Der mehrfache Klappenbesatz geht den . Teleostiern ab, nur eine einzige, gewöhnlich aus zwei Taschen- klappen bestehende Querreihe ist an der Grenze gegen den Arterien- stiel angebracht. Dagegen ist der Arterienstiel bei den Teleostiern in seinem Anfangstheil verdiekt und stellt hier eine bulbusartige Er- weiterung dar, ein Zustand, welcher den Selachiern und Ganoiden nur selten zukommt. Diesen erweiterten, in seinen Wänden ver- diekten Anfangstheil des Arterienstiels der Teleostier bezeichnet man als Bulbus arteriosus. Früher hielt man den Conus der Knorpelfische und den Bulbus der Knochenfische für identische Theile, noch MECKEL! ist gegen ') MEcKEL, System der vergl. Anatomie. Halle 1831. 5. Th. pag. 138. Morpholog. Jahrbuch. -2. 14 198 Phil. Stöhr TIEDEMANN !), welcher auf die verschiedene Structur der beiden Ge- bilde aufmerksam gemacht hatte, zu Gunsten der alten Ansicht Cuvier’s, dass beide Gebilde eins seien, mit fünf Puncten zu Felde. gezogen. Doch sollte sich jene Ansicht nicht mehr lange halten. Nachdem Jon. MÜLLER?) die functionelle Verschiedenheit der bei- den Gebilde nachgewiesen hatte, ging GEGENBAUR?) noch einen Sehritt weiter, zeigte, dass die Klappen der vordersten Querreihe in Form und Verrichtung von denen der folgenden Querreihen ver- schieden seien und verglich schliesslich die Klappen der vordersten Querreihe der Selachier, Chimären und Ganoiden mit der einzigen Klappreihe am Ostium arteriosum der Herzkammer der Teleostier. Damit war die Trennung zwischen dem muskulösen Rohr der Se- lachier und Ganoiden und dem erweiterten Arterienstiel der Teleostier vollendet. Die verschiedenen Gebilde führten von nun an verschie- dene- Namen. Jenes wurde Conus, dieses Bulbus genannt. Die Abhandlung GEGENBAUR’s hatte mir den ersten Anstoss zu vorliegender Untersuchung gegeben. Zum ersten Male war die Ver- schiedenheit der Querreihen, der Klappen, betont worden. In den zahlreichen über einzelne Selachier und Ganoiden vorliegenden Un- tersuchungen‘) findet man über Formverhältnisse meist nur ganz !) TIEDEMANN, Fischherz. Landshut 1809. pag. 22. 2) Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abhandlungen d. Ber- liner Academie der Wissenschaften für 1844. Berlin 1846. 3) Zur vergleichenden Anatomie des Herzens. Jenaische Zeitschrift. 2. Band 1866. 4) Ausser den schon genannten Werken finden sich theilweise mit Abbil- dungen versehene Beschreibungen des Klappenapparates bei: PERRAULT, Essais de physique. Paris 1680 tom III. pag. 255. KOELREUTER, Observat. splanchnol. ad Aceip. Ruthen. Anatom. spect. Nov. Comment. Ac. Se. Petrop. t. 16 pag. 250 tab. 14. Home, Anatom. Account of the Squalus maximus. Philos. Transactions 1808. pag. 209. BLAINVILLE, Memoire sur le squale pélerin. Annal. du Muséum. T. 18 1811. pag. 117. Home, Philosoph. Transactions 1813 tab. 18. Carus, C. G., Zootomie. Leipzig. Taf. X.. Fig. IV. v. BAER, Königsberger Bericht. 1819. Voar, C., Observations sur les caracteres, qui servent 4 la classificat. des Poissons Ganoides. Annal. d. science. natur. Paris t. IV. 1845 pag. 60. pl. 9 Fig. 2. FRANQUE, Anatomie d. Amia calva Berlin 1847. pag. 7. Pavesi, Contribuzione alla storia naturale del Genere Selache. Genova 1874. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 199 kurze Notizen, über die Zahl der Querreihen, über Lage und Anord- nung der Klappen aber trifft man bei den verschiedenen Autoren auf die verschiedensten oft sich geradezu widersprechenden Angaben. Eine nochmalige von einem neuen Standpuncte aus unternommene Untersuchung dieses in systematischer Beziehung wichtigen Objectes schien deshalb nicht unlohnend zu sein. Herr Prof. Hasse, dem ieh hiermit bestens danke, hat mir mit der grössten Freigebigkeit das nöthige Material zur Verfügung ge- stellt, das theils den Vorräthen der hiesigen Sammlung, theils einer ganz frischen aus Triest erhaltenen Sendung entnommen war. So bekannt das Vorhandensein mehrerer Klappenreihen im Conus arteriosus der Selachier, Chimären und Ganoiden war, so we- nig wurde Rücksicht genommen auf die genaueren Formverhältnisse der einzelnen Klappen. Dieselben wurden einfach als »halbmond- förmig« bezeichnet, obwohl nur den wenigsten Klappen diese Bezeich- nung mit Recht zukommt. Folgen wir der Beschreibung GEGEN- BAUR’S, der zuerst eine genaue Schilderung des Klappenapparates im Conus einiger Selachier gegeben und die verschieden geformten Klappen mit verschiedenen Namen belegt hat!). »Die vorderste Quer- reihe, welche am Ende des Bulbus (i. e. Conus) angebracht ist, zeigt die grössten Klappen, halbmondförmige Taschenventile, welche dieht aneinander sitzen. An der Mitte des freien Randes jeder Klappe ist eine kleine Verdiekung bemerkbar, von wo aus eine sich verbreiternde Verdiekung in der Substanz der Klappe bis gegen deren Ursprung hinzieht. Die Seitentheile werden so aus einer dünneren ferner bei: Cuvier, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Uebersetzt von MECKEL. Leipzig 1810 4. B. pag. 72. STANNIUS, Lehrbuch d. vergl. Anat. d. Wirbelthiere. II. Th. Berlin 1846 pag. 100. Mitnr Epwarps, Lecons sur la Physiol. et l’anatomie comp. t. III. Paris 1858. Owen, Anatomy of vertebrates 1866 1. B. pag. 474. Huxtey, Handb. d. Anat. d. Wirbelth. übersetzt v. Rarzen. Breslau 1873. pag. 114. F. 36. GEGENBAUR, Grundriss d vergl. Anatomie 1874. I) Jen. Zeitschrift. 2. B. 1866. pag. 366. 14 * 200 Phil. Stöhr Membran gebildet, als der mittlere Theil«. Diese für Acanthias gege- bene Form ist typisch für die Klappen der ersten Reihe !), welche in den meisten Fällen sogar nur aus solchen Taschenklappen besteht. Die eben angeführte Verdiekung hat demnach die Form eines mit der Spitze peripheriewärts gewendeten Dreiecks, welches bald den gröss- ten, bald nur einen kleineren Theil der Taschenklappe bildet; das vordere Ende ist bald zugespitzt, bald abgerundet und ragt bisweilen zipfelförmig über die beiden seitlichen Theile nach vorm; fast immer zieht in der Richtung von vorn nach hinten ein First, welcher die Verdiekung in zwei nach den beiden Seiten mehr oder weniger stark abfallende Hälften theilt. TIEDEMANN ?) deutete den verdickten Mitteltheil, wahrscheinlich durch die an frischen Exemplaren oft vorhandene stark réthliche Färbung desselben getäuscht, als einen Muskel, dem er actives Ein- greifen zuschrieb ?). Die mikroskopische Untersuchung lehrt jedoch, dass die Klappen nur aus Bindegewebe und elastischen Fasern be- stehen. LeypiG !) war zu den gleichen Befunden gekommen bei der Un- tersuchung der Klappen von Polypterus bichir, ebenso FRANQUE bei Amia calva °). Zwischen den Taschenklappen der ersten Querreihe und den in den folgenden Querreihen vorkommenden Taschenklappen herrscht fast stets eine mehr oder minder grosse Verschiedenheit; sie ist bei den Haien und Ganoiden am auffallendsten und mag hierin für diese Folgendes gelten: Hauptmerkmal für die Klappen der ersten Reihe ist der stets freie vordere Rand, nie gehen Sehnenfäden von diesem zur Gefäss- wand"), was bei denen der Hinterreihen fast regelmässig der Fall ist. 1) Nach dem Vorgange GEGENBAUR’s zähle ich Querreihen und zwar von der Peripherie beginnend gegen das Herz. bezeichne also mit »erster oder vorderster Querreihe« die am Ende des Conus und Anfang des Arterienstiels liegende Klappreihe. Alle Querreihen von der zweiten bis letzten, werden im Gegensatz zur ersten, »hintere Querreihen« benannt. 2) 1. e. pag. 20. 3) Auch PERRAULT (I. e.) spricht von activem Eingreifen d. Klappen. 4) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie B. V. 1854. pag. 69. Eine wei- tere Notiz ist auch in dessen Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857 pag. 411 enthalten. 9)M]47C. DAL or 6) BLAINVILLE erwähnt ganz richtig diese Verhältnisse: »le dernier rang se trouvait au bord anterieur du bulbe: les valvules, qui les composaient, étaient plus grand, plus larges, contigués et avaient leur bord anterieur tout a fait libre sans aucune bride ligamenteuse«. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 201 Auch sind die Klappen der vorderen Reihe ausnahmslos die grössten, — der Unterschied ist sogar meistens ein sehr bedeutender — sowohl an Länge wie an Breite, welch’ letztere eine mehr oder we- niger ausgedehnte Berührung der seitlichen Nachbarklappen zur Folge hat. Bei den Rochen dagegen, speciell bei der Gattung Raja ist die Verschiedenheit der Taschenklappen eine äusserst geringe, wir finden auch in den hinteren Querreihen Taschenklappen, die keine Sehnen- fäden zur Conuswand schicken, Taschenklappen, die nur sehr wenig kleiner sind, als die der vordersten Reihe, so dass zuweilen selbst seitliche Berührung stattfindet. Eine Vergleichung einer Taschen- klappe hinterer Reihe von Raja mit einer solelien von irgend einem Squalus zeigt erst deutlich, wie sehr die der letzteren schon zurück- gebildet sind. Auch ist das Vorkommen von Taschenklappen in den hinteren Reihen bei den Rochen viel häufiger, bei der Gattung Raja ist sogar die Zahl der Taschenklappen die bei weitem überwiegende. — Die zweite Form von Klappen sind »unansehnliche Querleisten, von denen einige Längsfasern nach aufwärts zur Bulbuswand treten, einige andere nach abwärts. Zuweilen springt eine der Leisten weiter vor, als die andere und ist von oben her etwas vertieft und damit etwas mehr taschenförmig als die andern. In andern Fällen sind es leistenartige an der Basis zuweilen sogar sehr verdickte Vor- sprünge«. Mit einer ganz neuen, dritten Form macht uns GEGENBAUR bekannt bei der Schilderung des Klappenapparates von Hexanchus. Es sind dies »mit breiter Basis an der Bulbuswand sitzende, mit ab- gerundetem Rande ins Lumen des Bulbus vorspringende Läppchen. Das abgerundete schmälere oder breitere Ende ist schräg nach auf- wärts gerichtet. Die untere oder Innenfläche dieser Läppchen ist glatt ohne Sculptur, die obere gegen die Bulbuswand sehende Fläche wird an letztere mittels vieler feiner Fädchen befestigt«. G. scheidet diese neue Form als »„Zungenklappen« von den Taschenklappen und bemerkt ausdrücklich, dass diese nicht eine blosse Modification der Taschenklappen darstellen '). Dieser Beschreibung entsprechende Gebilde finden sich auch bei Galeus, Mustelus, Seyllium, Accipenser und vielen andern sehr häufig und sind dieselben meiner Ansicht nach in Rückbildung begriffene Taschenklappen. ') |. e. pag. 370 Anmerkung. 202 Phil. Stöhr Die Taschenklappen bestehen wie oben erwähnt aus einem ver- diekten mittleren und zwei dünneren seitlichen Theilen. Die von der Mitte des vorderen freien Klappenrandes ausgehende Verdickung ver- breitert sich nach hinten. Die Aehnlichkeit dieser Verdiekung allein mit einer Zungenklappe !) springt sofort in die Augen. Die dünnen Seitentheile der Taschenklappe werden bei der Zungenklappe durch mehr oder weniger zahlreiche, nach den Seiten abgehende Sehnen- fäden vertreten. Betrachtet man den dünnen Seitentheil einer Taschen- klappe bei etwa sechsfacher Vergrösserung, so kann man deutlich wahrnehmen, dass diese theils aus parallel laufenden, theils unter spitzem Winkel sich kreuzenden Sehnenfäden bestehen, die durch dünneres Gewebe unter einander zu einer Membran verbunden sind; häufig zeigen diese dünnen Seitentheile kleine Lücken. Man denke sich nur die Seitentheile allmälig durchfenstert, die Sehnenfäden bis auf einzelne Reste geschwunden und man hat das Bild einer Zungen- klappe mit seitlich abziehenden Sehnenfäden. Figur 1. Bei dieser Gelegenheit sei hier die Erklärung des oder der Sehnenfäden, welche von der Spitze der Zungenklappe oder vom obern Rande der Querleisten nach oben ziehen, beigefügt. Vor Allem muss erwähnt werden, dass diese oft stärkeren Sehnenfäden nicht direet von der Spitze, — dieses Verhalten findet sich nur bei sehr zurückgebildeten Klappen — sondern von der der Conuswand zugekehrten Fläche der Klappe nahe der Spitze ausgehen. Bei der Beschreibung des Conus von Acanthias sagt GEGENBAUR, nachdem er die mittlere Verdickung der Taschenklappen erwähnt - hat weiter, dass von den vordern Klappen aus nach hinten drei Längswülste ziehen, »dicht an den vordern Klappen sind diese Wülste am stärksten, so dass sie sich unmittelbar in die Klappen selbst fortzusetzen scheinen und sich als von den Klappen ausgehende '\ Reine Zungenklappen bestehen nie aus verschiedenen ‘Theilen, sondern zeigen sich stets nur aus derberem, diekerem Gewebe zusammengesetzt. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 203 Verdickungen der Innenwand des Bulbus arteriosus darstellen«. Diese Wiilste enden nicht an der zweiten Querreihe, sondern ziehen meist deutlich zu sehen bis zum hintern Ende des Conus; die Klappen der hinteren Reihen sitzen diesen Wülsten auf. Besonders schön zeigt sich dieser Zustand bei Rochen (siehe unten Rhinobatus). Hier sitzt der Mitteltheil der (hinteren) Klappen dem Wulste nicht nur auf, sondern ist auch theilweise mit demselben verwachsen, so dass diese Klappen in der Mitte weniger tief sind als seitlich. Wie nun Figur 2. der mittlere Sehnenfaden ent- steht, lehrt am deutlichsten =| / = (iy beigegebenes Schema, welches S| / S | einen Sagittalschnitt mitten ay E S durch die Klappen und durch =i = die Conuswand vorstellt. = ey E N Dureh den beständigen Zug =; EL / nach abwiirts wird die mit dem | =| | mittleren Klappentheil verwach- sene Partie des Längswulstes immer mehr zu einer Kante ausgezogen, die schliesslich an einer Stelle gänzlich von dem Längswulste sich löst; mit allmäliger Rückbildung der Klappe nähert sich dieser jetzt zum starken Sehnenfaden ge- wordene Theil des Längswulstes der Spitze der Klappe !). Der Seh- nenfaden kann schliesslich durch Längsspaltung in mehrere dünnere Fäden zerfallen. ~ un Se Die Zungenklappen sind demnach zurückgebildete Taschenklappen, die seitlichen Sehnenfäden der Zun- genklappen sind die Reste der dünnen Seitentheile der Taschenklappen; der mittlere an die Innenfläche der Spitze sich ansetzende Sehnenfaden ist ein von der Co- nuswand gelöster Theil des Längswulstes. ', Die von der wandwärts schauenden Fläche der Taschenklappen zuwei- len zur Gefässwand ziehenden kurzen Sehnenfäden lassen sich auf ähnliche Weise erklären. MECKEL (l. e. pag. 173) spricht von Sehnenfiiden die »von der vor- deren Reihe« abgehen. Der vordere Rand ist auch hier völlig frei von Sehnen- fäden, nur tief im Grunde der Klappe sieht man vereinzelte dünne Fäden zur Conuswand ziehen. Die von den Klappen »nach abwärts« tretenden Sehnenfäden gehören wohl der nächstunteren Klappe an. 204 Phil. Stöhr Wir haben bis jetzt folgende Formen von Klappen kennen ge- lernt: 1. Halbmondförmige Taschenventile (Taschenklappen), 2. Zungenklappen, 3. Querleisten, die bald von oben her vertieft sind oder an der Basis verdiekte Vorsprünge darstellen und dadurch stellen sie die Uebergänge zu kurzen Zungenklappen dar — bald unan- sehnlicher sind; sind diese Leisten in der Quere sehr kurz, so können sie die Gestalt von 4. Knötchen darbieten. Die unter 2, 3 und 4 angeführten Gebilde sind Rückbildungs- stufen von Taschenklappen. Zahlreiche Uebergangsstufen von der einen Form zur andern liegen vor. Es soll jedoch nieht damit gesagt sein, dass eine sich zurück- bildende Taschenklappe alle diese Stufen stets der Reihe nach zu durchlaufen habe; es finden sich manchmal sehr kleine Taschen- klappen, die durch mehr gleichmässige Reduction ihrer einzelnen Theile eine der früheren Form ähnliche bewahrt haben. Es gibt auch noch Rudimente, welehe die Form der Länge nach gefalte- ter Taschenklappen haben, wir werden diesen nochmals bei der Be- schreibung der sogenannten Zwischenklappen begegnen. Was die Grössenverhältnisse betrifft, so stellen sich die Befunde folgendermassen : Die Klappen der vordersten Querreihe sind stets die grössten !). Am auffälligsten ist diese Differenz zwischen den Klappen der vor- deren Reihe und denen der hinteren Reihen bei den Haien und den Ganoiden, am geringsten bei den Rochen. Der grösste Unterschied herrscht bei Amia calva, hier verhält sich eine Taschenklappe der ersten Reihe zu einer der grössten der Hinterreihen an Länge etwa wie 4:1, an Breite wie 5:3. Die Klappen der Hinterreihen neh- men von vorn, d. h. von der zweiten Querreihe, nach hinten an Grösse zu, so dass die kleinsten Klappen in der zweiten, die gröss- ten in der letzten Querreihe stehen. Mit Ausnahme der Störe, deren vorderste Klappen gar nicht in den Arterienstiel übergreifen und der Amia, deren vorderste Klappen fast völlig jenseits des Conus liegen, sind die Klappen 1) TIEDEMANN I. ec. will bei Accipenser sturio gerade das Umgekehrte ge- funden haben. Näheres bei Aceipenser sturio. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 205 der vordersten Reihe meist so angeordnet, dass sie zur Hälfte im Conus stehen, zur Hälfte über die Grenze des Muskelbelegs hinaus in den Arterienstiel sich erstrecken. Die hinterste Querreihe steht nicht direet an der Grenze zwischen Conus und Ventrikel, sondern immer bleibt noch ein mehr oder minder grosser freier Raum zwi- schen letzter Querreihe und hinterer Conusgrenze. Die Klappen sind regelmässig der Länge wie der Quere nach in geraden Reihen angeordnet '. Um die Lagerungsverhältnisse verständlicher zu machen, sei die Lage und Anordnung der Klappen im Conus eines Selachiers beschrieben und dies als Typus für alle anderen aufgestellt. Betrachten wir den Apparat von Hexanchus: Drei grosse Klappen stehen am vordern Ende des Conus in einer Querreihe, hinter welcher noch vier weitere, aus je drei kleineren Klappen bestehende Querreihen liegen. In Summa also fünf Quer- reihen. Man könnte, da jede Klappe der hinteren Querreihen in gerader Linie hinter der entsprechenden Klappe der vordersten Quer- reihe steht, gerade so gut Längsreihen zählen 2). Dann wären es drei Längsreihen, deren jede aus einer grossen und vier kleineren, zusammen aus fünf Klappen bestände. Wir werden indessen wie schon oben erwähnt gewöhnlich Querreihen zählen. Die Klappen der vordersten Querreihe berühren sich, da sie die grössten sind, seit- lich *), manchmal mit dem grössten Theil (Ganoiden), manch- mal nur mit der vorderen Spitze (Selachier) der einander zu- gewandten seitlichen Ränder. Die Klappen der folgenden Querreihen berühren sich, da sie ja kleiner sind, seitlich nicht), sondern » es lassen die Klappen einer Querreihe einen Zwischenraum zwischen sich, der bald so breit, wie die Klappe selbst, bald wenig schmä- ler ist« (GEGENBAUR, Beschreib. von Acanthias). Jede Klappe der !) Bei Squatiua finden sich entsprechend der leichten Krümmung des Co- nus auch die Klappenlängsreihen derselben Krümmung folgend. Eine scheinbare bei Chimaera und Accipenser stattfindende Ausnahme wird - bei der speciellen Beschreibung des letzteren Berücksichtigung finden. >) Jon. MÜLLER zählt Längsreihen im Archiv für Anatomie u. Physiol. 1842. pag. 484 bei Seymnus etc., ferner in »Bau u. Grenzen d. Gan.« bei Polypte- rus und Lepidosteus. 3) Ein ähnliches Verhalten wie es Jou. MÜLLER von Polypterus bichir (l. e. T. IL Fig. 3) abbildet, habe ich nirgends finden können. 4) MECKEL |. c. pag. 170 führt gerade umgekehrt an: »Die Klappen selbst stehen immer dicht neben einander und sehr gewöhnlich gilt dies auch für alle oder wenigstens für die meisten, namentlich die hinteren Reihen«. Das ist doch äusserst selten der Fall. 206 Phil. Stöhr hinteren Querreihen wird von ihren seitlichen Nachbarn durch einen solehen Zwischenraum getrennt!), welche sehr häufig Sitze noch kleine- rer Klappen sind, dieZwischenklappen?) heissen sollen. Dieselben stehen in den Querreihen in gleicher Höhe mit den anderen Klap- pen, welche, wenn sie im Gegensatz zu den Zwischenklappen ange- führt werden, Reihenklappen genannt werden sollen. In den hin- teren Querreihen kommen die Zwischenklappen sehr häufig vor, während sie in den Zwischenräumen der vordersten Querreihe selte- ner sind. Die Zwischenklappen füllen jedoch den Zwischenraum nicht vollkommen aus, es bleibt immer eine mehr oder minder grosse Strecke der Conuswand frei zwischen den Zwischenklappen und den Reihenklappen derselben Querreihe. Die Zwischenklappen berühren demnach ihre seitlichen Nachbarn nicht. Ausnahmen hiervon finden sich zuweilen in der hintersten Querreihe. Die Form der Zwischen- klappen ist sehr verschieden, meist sind es länglich runde Knötchen, die mit Sehnenfäden nach oben und unten in Verbindung stehen oder kleine Zungenklappen, selbst Taschenklappen, manchmal sind es der Länge nach gefaltete Taschenklappen die sich als lange Wiilste darstellen; diese letztere Form kommt vorzugsweise in den Zwischenräumen der vordersten Querreihe vor (siehe Raja oxyrrhyn- chus, Lepidosteus, Amia). Die Zwischenklappen sind meist bedeu- tend kleiner, als die derselben Querreihe angehörenden Reihenklap- pen, stehen jedoch zuweilen an Grösse den Reihenklappen nicht nach. Ebenso wie die Reihenklappen, nehmen auch die Zwischenklappen von vorn (von der zweiten Querreihe an) nach hinten an Grösse zu. In manchen Fällen ist es gar nicht leicht, zu entscheiden, ob man eine Zwischenklappe vor sich hat oder ein vom Haupttheil der Reihenklappe getrenntes Stück; die Zwischenklappen überhaupt aber als solche abgerissene Stücke deuten zu wollen ist schon deswegen unstatthaft, weil man in fast fortlaufender Reihe die Entstehung von ') Eine Trennung von seitlichen Nachbarklappen findet auch in der vor- dersten Querreihe statt, nur ist sie keine vollständige, so bei den Selachiern, bei denen sich die vordersten Klappen nur mit der vorderen Spitze ihrer seitlichen Ränder berühren. Hier hat der Zwischenraum die Form eines mit der Spitze peripheriewärts gerichteten Dreiecks. Wenn künftig von Zwischenräumen der ersten Querreihe die Rede ist, sind natürlich nur solche unvollkommene gemeint. 2) GEGENBAUR |]. c. hat solche Klappen bei Hexanchus gesehen; der Name stammt von MECKEL, der sich desselben bei der Beschreibung des Herzens von Zygaena zum ersten Male bedient. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 207 Zwischenklappen durch Rückbildung vollkommener Formen verfolgen kann. Ein sehr deutliches Bild liefert in dieser Beziehung Lepido- steus. Die Zwischenklappen sind rudimentäre Glieder ausfallender Längsreihen. GEGENBAUR!) hat zwei Fälle beschrieben, in denen die erste Querreihe von der zweiten durch einen relativ grossen Raum ge- schieden war, ein noch grösserer derartiger Raum findet sich be- kanntlich bei Aceipenser. Dieser freie Raum ist dureh vollständige kückbildung, durch Ausfallen von ganzen Querreihen — wie viel lässt sich nicht immer entscheiden — zu Stande gekommen. Es hat sich in der That in mehreren Fällen?, hauptsächlich bei jungen Exemplaren’), an dieser Stelle noch eine, freilich in den einzelnen Gliedern sehr rudimentäre Querreihe gefunden. Die oft von einan- der abweichenden Beobachtungen, welche verschiedene Autoren bei Untersuchung derselben Species gemacht, haben gewiss theilweise darin ihren Grund, dass Thiere verschiedenen Alters Objecte ihrer Untersuchung waren, theilweise aber wohl darin, dass sie nur wirk- liche Taschenklappen oder deutlich wahrnehmbare Zungenklappen als Klappen überhaupt angeführt, dagegen die kleineren Formen meist unbeachtet gelassen haben. Da der mit quergestreifter Muskulatur versehene Conus und die darin enthaltene Vielzahl der Klappenquerreihen fast aus- schliesslich *) Eigenthum der Selachier, Chimären und Ganoiden sind, so ist es wohl keine Frage, dass dieses Verhältniss den phylogene- tisch älteren Zustand darstellt. Man kann noch weiter gehen und sagen, dass je mehr Querreihen vorhanden seien, ein um so älterer, 1) 1. e. pag. 367 und 369. 2) Genaueres findet sich in den speciellen Beschreibungen von Acanthias, Hexanchus, Accipenser sturio. 3) Aus diesem Grunde und weil jugendliche Exemplare vollkommnere For- men der einzelnen Klappen aufweisen, habe ich die Länge jedes Thieres ange- geben. Die Länge des Conus dagegen, weil man nicht immer aus der Zahl der Klappenquerreihen auf die Länge des Conus schliessen kann. 4) Vereinzelte Fälle finden sich unter den Dipnoérn und bei den Perenni- branchiaten und Derotremen. So besitzt Ceratodus (GÜNTHER) mehrere Klapp- reihen im Innern des Conus, während bei Lepidosiren (PETERS, HyrTL, OwEN) nur zwei Sförmig gekrümmte longitudinale Falten vorkommen sollen, welche auch den Fröschen eigen sind (Craus). Von den Perennibranchiaten haben Siren (Owen), Proteus (HyrtL) und Menobranchus, von den Derotremen Cryptobranchus (Hyrri) und Menopoma (STANNIUS) mehrere Klappreihen. Ueber das Verhalten von Butirinus soll spiiter die Rede sein (siehe Amia), 208 Phil. Stöhr der Stammform näherer Zustand vorliege. Einige Stütze mag hierin das Verhalten von Hexanchus bieten, der unter den Haien mit die grösste Querreihenzahl aufweist. Dass Lepidosteus noch viel mehr Querreihen besitzt, ist kein Gegenbeweis, man erwäge nur, dass die Ganoiden sich schon sehr früh von der beiden gemeinsamen Stamm- form abgezweigt haben. Es macht der Befund bei Lepidosteus nur wahrscheinlich, dass jene Stammform einen mit vielen, mindestens neun Querreihen ausgestatteten Conus arteriosus besessen. Die Zahl der eine Querreihe zusammensetzenden vollkommenen Klappen ist für alle (bis jetzt darauf untersuchte) Selachier drei, doch zeigen Rudimente (Zwischenklappen |, dass früher mehr Klap- pen sich an der Zusammensetzung einer Querreihe betheiligten, welche Annahme durch den Befund bei dem auch hierin den älteren Zustand präsentirenden Lepidosteus an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Für die Ganoiden lässt sich keine solche allgemein gültige Zahl auf- stellen, Lepidosteus hat vier, Accipenser schwankt zwischen vier und drei und Amia hat zwei vollkommene Klappen !. Diese Verschie- denheit hat indessen bei der bekannten Divergenz der einzelnen Ga- noidenabtheilungen gar nichts Auffallendes. Es erübrigt noch Einiges zu bemerken über die gänzliche Re- duction, über den Ausfall. In der vordersten Querreihe scheint der Vorgang so zu sein, dass die dem Untergang geweihte Klappe all- mälig an Breite verliert, während ihre beiderseitigen Nachbarn sich in der Richtung gegen die sich rückbildende Klappe ausdehnen, so dass die Querreihe immer geschlossen bleibt: schliesslich berüh- ren die beiden Nachbarklappen, da die früher sie scheidende Klappe bis auf eine schmale Längsfalte geschwunden ist, sich oben mit der Spitze ihrer seitlichen Ränder. Die Klappe resp. Längsfalte nimmt nun an Länge von vorn nach hinten ab bis zum völligen Verschwinden und hinterlässt nun entweder einen grösstentheils freien Raum oder die einander zugekehrten Ränder der beiden Nachbar- klappen sind bis zu ausgedehnterer gegenseitiger Berührung anein- ander gerückt. Sehr gut lässt sich dieser Process bei Lepidosteus verfolgen , der in seiner vordersten Querreihe die verschiedensten kückbildungsstadien aufweist. Meist folgt dem Ausfall einer der vordersten @Querreihe angehörigen Klappe die entsprechende Längs- !) Polypterus bichir hätte nach Mürrner’s Abbildung drei vollkommene Klappen (l. c. Tafel II, 3). Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 209 reihe, doch sind häufig, besonders am hintern Ende des Conus, noch lange einzelne Glieder dieser Liingsreihe vorhanden, wenn auch die zugehörige Klappe der vordersten Querreihe schon spurlos verschwun- den ist. Wir haben bisher die Reduction von Längsreihen kennen ge- lernt, diese ist bei den Selachiern schon ziemlich, bis auf drei, voll- endet (mit andern Worten der Unterschied zwischen Reihenklappen und Zwischenklappen ist hier ein bedeutender), während sie bei den Ganoi- den sich noch mitten auf dem Wege befindet, denn die Zwischenklappen erscheinen bei den Ganoiden noch in viel grösserer Vollkommenheit. Es gibt auch einen Ausfall von Querreihen und dieses Schicksal scheint am häufigsten die hinter der ersten Querreihe liegende zweite Querreihe zu treffen. In den meisten Fällen sind die Klappen der zweiten Querreihe die kleinsten, was von sehr vielen Beobachtern wohl be- merkt worden war; diese Querreihe steht also dem Ausfall am nächsten. Die Riickbildung der einzelnen Glieder der betreffenden Längs- oder Querreihen geht natürlich nicht gleiehmässig vor sich, so be- steht z. B. nicht selten eine Querreihe aus einer Zungenklappe und zwei verschieden grossen Querleisten. Es braucht wohl kaum be- merkt zu werden, dass die hier gegebene Schilderung vom Ausfall nicht als ausnahmslose Regel gelten soll, Abweichungen mannigfacher Art kommen vor. Das hier Angeführte beschreibt nur die Art des häufigsten Vorkommens. Da fast bei allen Objecten der Untersuchung die Klappen der Hinterreihen sich als verschieden von denen der vordersten Quer- reihe. herausstellten, da man aus den noch wenig mehr vorhandenen Fällen entnehmen kann, dass sämmtliche Klappen früher gleich voll- kommen waren, so ist der Schluss gestattet, dass sämmtliche Klappenquerreihen mit Ausnahme der vordersten in Riickbildung begriffen sind. Die Function der Klappen der vordersten Querreihe ist, wie GEGENBAUR!) auseinandergesetzt hat, verschieden von derjenigen der folgenden Klappenreihen. Jene treten nach der Systole des Conus, diese bei der Systole desselben in Action. Die Intensität der Wir- kung der letzteren macht G. von der Vollständigkeit der Conus- eontraetion abhängig; sei diese keine so vollständige, dass die (hin- *1) |. e. pag. 370. 210 Phil. Stöhr teren) Klappen einen Verschluss bewirken könnten, dann komme ihnen eine ganz untergeordnete Bedeutung zu. Erkennt man den oben ausgesprochenen Satz an, dass die Klappen siimmtlicher hinterer Quer- reihen in Rückbildung begriffen sind, so wird man sich für den letzteren Fall, für ganz untergeordnete functionelle Bedeutung ent- scheiden müssen. Huxvey’s') Ansicht, dass die Klappen die von den Muskelwiin- den des Conus ausgeführte Stosskraft zu voller Geltung bringen und so von bedeutender Wirkung seien, hatte wohl die meisten Anhänger gefunden. Eigenthümlich ist die Deutung Home’s, der den Apparat nur in der Tiefe des Meeres spielen lässt). Als Vertreter der Gruppe der Haifische (Squalides) wurden Hexan- chus, Acanthias, Carcharias und Sphyrna, von denen mir je ein Exemplar, dann Galeus, Mustelus, Scyllium und Squatina, von denen mir je zwei oder drei Exemplare zu Gebote standen, in die Untersuchung gezogen. Eine kurze Uebersicht der im Conus arteriosus enthaltenen Klappenzahl bei verschiedenen Gattungen hat schon Jon. MÜLLER) gegeben, doch beschränkt er sich bei einfacher Anführung der Gat- tungsnamen nur auf die Zahl der Querreihen, ohne die Zahl der jede (Wuerreihe constituirenden Klappen genauer zu berücksichtigen. Die 1) ]. c. pag. 114. 2) Philosoph. Transactions 1813 pag. 235. »These different structures, so very unlike one another, and bearing no resemblance to the mechanism of the same parts in quadrupeds make it probable, thas the circulation through the gills is impedad by the external pressure of the water in different degrees ac- cording to the depth of the fish from the surface: therefore in those fishes, which frequent great depths as the Squalus maximus and all the shark tribe, there is a muscular structure in the coats of the branchial artery, which when the fish is deep in the water by its contraction diminishes the area of the ves- sel and makes the valves perform their office, but when the fish is near the surface this muscular structure, by its relaxation renders the area of the vessel so wide, that regurgitation of the blood takes places into the ventricle and pre- vents the small vessels of the gills from being too much loaded.« Gegen die Deutung spricht schon die Beobachtung TIEDEMANNS (I. ce. pag. 29), der zuerst den Venensack, dann die Herzkammer und dann den Bul- bus (i. e. Conus) sich contrahiren, also gerade das Umgekehrte sah, was nach llomn’s Theorie hätte eintreten müssen. i 3) Archiv für Anatomie und Physiologie 1842. pag. 483. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden, 211 Mürner’sche Zusammenstellung enthält neben andern sämmtliche oben genannte Namen. Um bei der speciellen Beschreibung überflüssige Wie- derholungen zu vermeiden, führe ich das Nothwendige aus der MÜLLER- schen Tabelle hier an. »In ihm (dem muskulösen Bulbus) liegen bei den Plagiostomen, Sturionen, Chimären (uerreihen von drei, seltener (in den hinteren Querreihen) vier Klappen. Die Zahl der Querreihen ist zwei bis fünf je nach den Gattungen«. Hexanchus habe vier, Acanthias, Mustelus und Sphyrna drei, Carcharias, Galeus und Seyllium zwei und Squatina fünf Querreihen. Etwaige Abweichungen von diesen Angaben werden bei der speciellen Beschreibung verzeichnet werden. Eine ähnliche für die Haie vollständig mit der eben angeführten Tabelle übereinstimmende Uebersicht gibt Owrn'). Einzelne von verschiedenen Autoren gemachte Beschreibungen werden im speciel- len Theil ihre Berücksichtigung finden. Hexanchus griseus Raf. Der Conus hatte eine Länge von 5 Cm. GEGENBAUR?) findet übereinstimmend mit MÜLLER und Owen vier Querreihen. Er er- wähnt in seiner Beschreibung eines grösseren zwischen der ersten und zweiten Querreihe gelegenen freien Raumes: »der zwischen der ersten und zweiten Klappreihe liegende Abstand ist grösser, als der von allen drei hinteren Klappreihen eingenommene Raum«. Dieser ist bei dem mir zu Gebote stehenden Herzen — es ist ein einzelnes mit dem Titel Squalus griseus versehenes Spirituspräparat aus der hiesigen Sammlung — nicht vorhanden, sondern wird durch eine Klappenreihe eingenommen , deren einzelne Glieder in Form und Grösse nur wenig von den Klappen der folgenden Querreihen ver- schieden sind. Diese (neue) Reihe ist gleiehweit von der vorher- gehenden (ersten) und nachfolgenden (dritten) Querreihe entfernt, doch ist diese Entfernung immer noch etwas grösser, als die Ent- fernung der dritten von der vierten, oder vierten von der fünften Querreihe. Diese Reihe war vermuthlich bei dem G. vorgelege- nen Exemplare vollständig zurückgebildet und dadurch eben jener oben beschriebene freie Raum zu Stande gekommen, denn ieh zähle fünf Querreihen, also eine Reihe mehr. Die erste Querreihe setzt sich aus drei Taschenklappen zusammen; die Klappen der zweiten 210 Phil. Stöhr bis fünften Querreihe inel. sind sämmtlich Zungenklappen. Die „weite Querreihe zählt drei grössere (Reihenklappen) und drei kleinere (Zwischenklappen), die dritte, vierte und fünfte Querreihe enthalten nur je zwei Zwischenklappen, je ein Zwischenraum ist leer, die Zwischenklappen sind hier völlig geschwunden. Jede der drei hinte- ren Querreihen enthält also fünf Klappen. Acanthias vulgaris Risso. Die Länge des sehr gut erhaltenen Thieres beträgt 79 Cm., die Länge des Conus 1,4 Cm. Widersprechend den Befunden MÜLLERS und Owen’s findet GEGENBAUR vier Querreihen. Die Beschreibung G’s. der vordersten Querreihe stimmt vollkommen mit dem mir vorliegenden Präparate überein, drei Taschenklappen. Aehnlich wie bei Hexanchus sei die vordere Querreihe durch einen weiten Abstand, der doppelt so gross sei, als die von den drei hinteren Querreihen eingenommene Fläche, von den drei hinteren Querreihen geschieden. Es ist, sagt G., dieser Raum ausgezeichnet durch drei von den vorderen Klappen aus nach hinten ziehende Längswülste.“ Auch ich finde diesen Raum, er ist indessen nicht leer, sondern auf den Längswülsten sitzt je eine schwache Querleiste; es ist also eine vollkommene Querreihe vorhanden, die etwa gleichweit von der ersten wie von der dritten Querreihe entfernt ist. Von der dritten (G’s. zweiten) Querreihe ist nur eine Querleiste entwickelt, wie auch G. in einem Falle beob- achtet hat. Die Reihenklappen der vierten und fünften Querreihe sind theils Taschen- theils Zungenklappen mit verschiedenen Ueber- gängen. Ausserdem finde ich in der vierten Querreihe eine, in der fünften zwei Zwischenklappen. Die Taschenklappen der vordersten Reihe sind fast dreimal grösser, als die hinterer Querreihen. Carcharias (Prionodon) glaucus Cuvier. Das Innere des Conus, dessen Länge 1 Cm. beträgt, wird von zwei Querreihen eingenommen. Die erste Querreihe zählt drei grosse Taschenklappen, die zweite Querreihe ebenfalls drei Taschenklappen die indessen nicht halb so lang und auch schmäler sind, als die der ersten Reihe. Ausserdem stehen in der zweiten Querreihe drei Zwischenklappen, so dass in dieser sechs Klappen, eine kleinere mit einer grösseren alternirend zu stehen kommen. BG ‘ ‘ ‘ ‘ “Or; Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 213 Sphyrna Zygaena Raf. Länge des Thieres 67 Cm., des Conus 0,5 Cm. Drei Querrei- hen bilden hier die innere Ausriistung. Die erste Querreihe zeigt drei sehr wohl ausgebildete Taschenklappen, die drei Reihenklappen der zweiten Querreihe sind Leisten, die drei der dritten Reihe flache Zungenklappen. Zahlreiche Sehnenfäden entspringen von den Klap- pen der zwei hinteren Querreihen. In jeder der drei Querreihen stehen Zwischenklappen und zwar in jeder Querreihe drei, so dass wir, wenn wir Längsreihen zählten, sechs Reihen von Klappen, je eine aus grösseren mit je einer aus kleineren Klappen bestehenden Längsreihe alternirend hätten. Doch sind alle die Zwischenklappen etwas verschieden von anderswo vorkommenden Gebilden gleichen Namens. Jede derselben besteht bei genauerer Betrachtung aus zwei oder drei nahe aneinander stehenden jedoch sich nicht berüh- renden Knötchen, welche nach oben durch Sehnenfäden der Conus- wand angeheftet sind. Es macht gerade den Eindruck als sei jedes dieser Knötchen eine Zwischenklappe für sich und enthielte demnach Jeder zwischen zwei Reihenklappen derselben Querreihe befind- liche Raum drei Zwischenklappen. Würde man dies annehmen, so könnte man sich das Zustandegekommensein so erklären, dass meh- rere neben einander liegende Längsreihen sich zu gleicher Zeit zu- rückgebildet haben. Ein ähnlicher Fall von Vorkommen von mehr als einer Zwischenklappe in einem Zwischenraum findet sich bei Myliobatis (siehe das.). MEcKEL!) hat bei Zygaena in der vordern Querreihe drei weit grössere, in den beiden Hinterreihen fünf Klappen, von denen die zwei weit kleineren Zwischenklappen keine oder wenigstens viel schwächere Fädchen abschicken, gefunden. Galeus eanis Rondol. Die Länge der beiden untersuchten Thiere betrug 28 Cm. in dem einen und 30 Cm. in dem anderen Falle, die Länge des Conus in beiden Fällen nahezu 0,4 Cm. Bezüglich der Zahl der Quer- reihen und der Klappen, sowie der Anordnung derselben herrscht grosse Aehnlichkeit mit Carcharias. Drei Taschenklappen in der ersten, sechs Klappen in der zweiten Querreihe. Die drei Reihen- uk ex pag. 111. Morpholog. Jahrbuch. 2. 15 914 Phil. Stöhr klappen der zweiten Q.-R. sind Zungenklappen, die an Grösse den Taschenklappen ziemlich nahestehen. Mustelus vulgaris M. u. H. Länge des Thieres 38 Cm., die des Conus 0,4 Cm. M. besitzt drei Querreihen von denen die erste aus drei Taschenklappen, die zweite aus drei Querleisten, die dritte aus drei kurzen Zungenklap- pen besteht; je drei Zwischenklappen stehen in der zweiten und dritten Querreihe, so dass die Zahl der diese Reihen constituirenden Klappen auf je sechs erhöht wird. Ein zweites etwas grösseres Exemplar zeigte dieselben Verhältnisse. Seyllium catulus') Cuvier. Von den zwei Exemplaren besass das eine 57 Cm. Körper- länge das andere 38 Cm., die Conuslänge betrug 0,4 Cm. in erste- rem fast 0,3 Cm. in letzterem Falle. Ausser den bekannten Angaben liegt noch eine Beschreibung von TIEDEMANN?) vor, welcher auch eine Abbildung beigefügt ist. TIEDEMANN zählt drei Querreihen mit je drei Klappen. Obwohl ich mehrere Exemplare untersuchte, fand ich doch nur übereinstimmend mit MÜLLER und Owen zwei Klappreihen. Die erste Querreihe bestand aus drei Taschenklappen , die zweite aus sechs, drei grosse Zungenklappen und drei zwischen diesen stehenden Zwi- schenklappen. Dagegen fand ich bei Scyllium eanicula Cuvier, dessen Länge 47 Cm. betrug und dessen Conus 0,3 Cm. lang war, drei Querreihen, die zweite aus Querleisten bestehende Reihe sass dieht hinter den Taschenklappen der ersten Reihe. In der hinter- sten Querreihe fanden sich drei Zwischenklappen. MEcKEL *) fand bei Squalus catulus (Bloch od. Linné = Seyllium canicula Cuvier nach M. u. H.) nur zwei Querreihen. ') Seyllium catulus Cuv. ist nach MÜLLER und Hrxnue (Systemat. Be- Schreibung der Plagiostomen. Berlin 18385) = Squalus canicula Bloch, welche Benennung TIEDEMANN gebraucht. 21212 6.932 22. ‘Tafeli2 Pig: 10, oD Sil 9¢. pas. 17. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 215 Squatina vulgaris Risso. Die Länge des Thieres betrug 85 Cm. die des Conus nahezu 3 Cm. Die Zahl der Querreihen stellt sich auf sechs, während bei MÜLLER!) und Owen nur fünf Querreihen angegeben sind. Zwischen erster und zweiter Querreihe ist ein freier Raum, der etwa so gross ist, wie die von zwei hinteren Querreihen eingenommene Fläche. In dem Raume liegen die bekannten hier sehr breiten und deutlich vorspringenden Längswülste. Die erste Querreihe wird durch drei Taschenklappen gebildet, von denen die eine etwas kleiner ist; der von dieser Klappe nach hinten ziehende Längswulst ist bedeutend schmäler und verflacht sehr bald. Es ist dies in sofern bemerkens- werth, als die hinter dieser kleineren Taschenklappe stehende Längsreihe stark redueirt ist. In den Zwischenräumen der ersten Querreihe liegen drei flache Längsleisten, die sich bei dem fast ganz frischen Exemplare auch durch ihre Färbung von der Conuswand abheben (die eine der- selben ist etwas stärker, hinter ihr liegen die sogleich zu erwähnen- den Zwischenklappen); es sind dies ohne Zweifel fast völlig reducirte Zwischenklappen. Während sonst in den Hinterreihen fast gar keine Zwischenklappen vorhanden sind, hat sich gewissermassen compensirend für die oben erwähnte stark reducirte Längsreihe eine aus drei noch verhältnissmässig gut erhaltenen Zwischenklappen be- stehende Längsreihe erhalten, deren einzelne Glieder der vierten fünften und sechsten Querreihe angehören. Das Weitere erhellt aus der beigefügten Abbildung. Bei einem kleineren Exemplar, dessen Länge 31 Cm. betrug und dessen Conus 1,0 Cm. lang war, fan- den sich ganz entsprechende Verhältnisse. Auch hier war eine Längsreihe stärker redueirt, wenngleich nicht in so hohem Grade. Nur eine der flachen Längsleisten erscheint deutlich, aber gerade diejenige, hinter welcher die auch hier wieder erhaltene Zwischen- klappen-Längsreihe steht. Aus der Gruppe der Rochen wurden untersucht: Pristis, Rhino- batus Raja (von dieser Gattung fünf Speeies), Myliobatis und meh- rere Exemplare von Torpedo. 1!) MÜLLER (Archiv 1842) erwähnt, dass MECKeEL der Squatina nur 2 Quer- reihen zuschreibe, ich finde jedoch nur eine Notiz MECKELS (l. e. pag. 165) über die Klappen von Squatina am Ostium venos. der Herzkammer. 15* 216 Phil. Stöhr Einzelne diesbezügliche Bemerkungen finden sich in den schon oben genannten Notizen von MÜLLER. Demnach haben Rhinobatus und Torpedo drei Querreihen, die Rajae haben vier bis fünf und Myliobatis hat fünf Querreihen. Nach Owen besitzen Rhinobatus und Torpedo drei, Myliobatis und Raja batis fünf Querreihen, bei der letzteren findet MEcKEtL dieselbe Anzahl. Nicht unmerkliche Abweichungen von diesen Angaben werden sich in den folgenden Zeilen ergeben. Pristis antiquorum Latham. Die Liinge des noch sehr wohl erhaltenen Thieres betrug 76 Cm. wovon 19 Cm. auf die Säge kommen, der Conus war 1,4 Cm. lang. Von den sechs Querreihen besteht die erste Querreihe aus drei Taschenklappen, die mehr wie doppelt so gross sind, als Klappen hinterer Reihen. Zwischen der ersten und zweiten Querreihe ist ein nur von den bekannten Längswülsten eingenommener freier Raum, der so gross ist, als die von zwei hinteren Querreihen eingenommene Fläche. Dann folgen die fünf hinteren Querreihen, von denen die zweite und dritte Querreihe je drei, die vierte, fünfte und sechste je vier Klappen zählen, welche Ueberzahl durch sehr kleine Zwischen- klappen bewirkt wird. Die Längswülste lassen sich hier bis zum hinteren Ende des Conus verfolgen und zeigen sich die Reihenklap- pen — es sind meist Zungenklappen — der hinteren Querreihen denselben deutlich aufsitzend. Der von Klappen freie Theil der in- neren Conuswand ist mit sehr feinen untereinander verflochtenen Sehnenfäden ausgekleidet, welche vorzugsweise in Längsrichtung ver- laufen. Die Wand des Arterienstiels zeigt in ihrem Anfangstheil eine feine Querstreifen darstellende Seulptur. Rhinobatus Horkelii M. u. H. Länge des Thieres 72 Cm., des Conus 1,3 Cm. Während Pristis in Bezug auf Form und Anordnung der Klappen mehr den Haien ähnelt, erinnert Rhinobatus in dieser Beziehung mehr an das Verhalten der Kochen. Abweichend von den oben genannten Beobachtungen finde ich fünf Querreihen. Die erste besteht aus drei wohl ausgebildeten Taschenklappen, deren Mitteltheil besonders breit und dick ist; dem entsprechend zeigen auch die Längswülste eine bedeutende Stärke; diese ziehen deutlich erkennbar bis zum hinte- ren Ende des Conus. Die Klappen der zweiten bis inel. fünften oe oe 0 Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 217 Querreihe sitzen mit ihrem Mitteltheil auf jenen Wülsten auf, wäh- rend ihre dünneren Seitentheile sich an die Conuswand seitlich von den Wülsten inseriren. Da die Mitteltheile den Längswülsten gröss- tentheils angewachsen erscheinen, so zeigen sie eine viel geringere Tiefe als die taschenförmig ausgebuchteten Seitentheile. Jede der hinteren Querreihen enthält ausser den drei Reihenklappen, welche bedeutend kleiner sind als die Klappen der vordersten Querreihe, je zwei Zwischenklappen , welche sich durch die Verschiedenheit ihrer Grösse auch durch unregelmässige Stellung auszeichnen. Die Conuswand ist auch hier mit vielen der Länge nach verlaufenden Sehnenfäden ausgekleidet. Raja oxyrrhynchus Lin. Länge des Thieres 83 Cm., des Conus 1,7 Cm. Beim Oeffnen des Conus fällt sofort ein eigenthümliches Gebilde in die Augen, das zuerst Gegenstand der Beschreibung sein soll. Jenseits der Grenze des Muskelbelegs, gleich im Anfangstheil des Arterienstiels findet sich ein vorspringender, dünner Saum, an dessen freien Rand die spitz ausgezogenen seitlichen Ränder der Taschenklappen sich inseriren. Dieser Saum zeigt zwei Flächen, die eine sieht nach vorn, ist peripheriewärts gewendet und ziemlich glatt, die andre sieht nach hinten gegen die Herzkammer zu und zeigt einzelne verästelte, leistenförmige , Erhabenheiten und Seh- nenfäden, die zur Gefässwand ziehen. Der eine Rand ist der Wand des Arterienstiels angeheftet, der andere ragt frei in das Lumen des Gefässes und dient den Taschenklappen der ersten Reihe als Anhef- tungsstelle. Die Anheftung geschieht so, dass die oben seitlich sich berührenden Ränder je zweier benachbarten Taschenklappen sich zu einem manchmal durchbrochenen, nieht mit der Gefässwand verwach- senen Strang vereinen, der continuirlich in jenen Saum übergeht. Erwähnt müssen noch werden zwei Längsleisten, welche mit einem dreiseitigen Felde von der oberen Fläche des Saumes entspringend, allmälig flacher werdend an der Wand des Arterienstiels in die Höhe ziehen. Denkt man sich Conus und Arterienstiel geschlossen, so liegt die eine dieser Längsleisten gerade nach vorne, die andere nach hin- ten, zwischen beiden gehen nach beiden Seiten hin die ersten Kie- menarterienäste ab. Der Saum wird bei geschlossenem Conus und Arterienstiel als vorspringender Ring das Lumen des Gefässes bedeutend verengen. 218 Phil. Stöhr Dieses Gebilde habe ich bei allen der Gattung Raja angehören- den Rochen gefunden, jedoch nur bei diesen; selbst bei verwandten Familien liess sich nicht die geringste Andeutung eines derartigen Saumes finden. Eine Beschreibung desselben ist meines Wissens noch nirgends gegeben. Für die Circulation scheint dieser Saum geradezu ein Hinderniss zu sein. Wenn auch die Klappen der vor- dersten Reihe mit ihrem vorderen Rande bei peripheriewärts gerich- teter Blutwelle sich an den freien Rand des Saumes anlegen und so die Blutwelle ungehindert darüber hinweggleiten lassen, so erscheint doch der Saum für die Entleerung der gefüllten Taschenklappen der ersten Querreihe selbst hinderlich. Gegen die Annahme, dass dieses Gebilde eine Art Rudiment vorstelle, spricht abgesehen davon, dass bis jetzt nie eine in allen ihren Gliedern sich zurückbildende erste Querreihe beobachtet worden ist, der völlige Mangel anderer Stadien; wir finden immer wieder genau denselben Saum. Ebenso wenig sind wir berechtigt eine sich neubildende Querreihe anzunehmen. Es schien allerdings auf den ersten Blick, als ob hier die Bildung einer neuen nur aus zwei Klappen bestehenden Querreihe beginne, man denke sich nur jenen Saum durch die rückstossende Blutwelle allmälig vertieft. Allein derselbe Grund, der gegen eine Riickbil- dung spricht, erhebt sich auch gegen die Annahme einer Neubildung, nämlich der Mangel weiterer Stadien. Eine nach dieser Richtung © ziehende Deutung würde schon aus diesem Grunde gewiss auf falsche Wege führen. Drei Querreihen stehen im Innern des Conus, jede derselben besteht aus drei Taschenklappen und drei längsgefalteten AZwischenklappen. Die Klappen der zweiten Querreihe sind die kleinsten und stehen der dritten Querreihe näher wie die ersten. Die seitlichen Ränder der Klappen der letzten Querreihe berühren sich mit der oberen Spitze. Die Längswülste sind bei allen Rajen deutlich zu sehen. Raja radiata Donov. Länge des Thieres 72 Cm., des Conus 1,3 Cm. Es finden sich vier Querreihen, von denen nur die zweite Querreihe weniger gut entwickelte Klappen zeigt, die übrigen besitzen Taschenklappen, die an Grösse nur wenig verschieden sind; doch findet seitliche Berüh- rung nur in der vordersten Querreihe statt. Jede Querreihe setzt sich aus drei Klappen zusammen, in den Zwischenräumen der zweiten Querreihe stehen kleine Knötchen. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 219 Raja Schultzii M. u. H. a Liinge des Thieres 53 Cm., des Conus 1,0 Cm. Vier Querreihen stehen im Innern des Conus. Die drei Taschenklappen der vorder- sten Querreihe sind die gréssten. In der zweiten und vierten Quer- reihe stehen ebenfalls je drei Taschenklappen, während die drei Klappen der dritten Querreihe mehr zurückgebildet und unregel- mässig geformt sind. Raja elavata Rondolet. Liinge des Thieres in dem einen Falle 58 Cm. im andern 40 Cm., Länge des Conus 1,2 und 0,7. Cm. TIEDEMANN findet bei Raja rubus!) fünf Querreihen. Die bei- den von mir untersuchten Exemplare von R. el. zeigten jedesmal nur vier Querreihen. Jede derselben besteht aus drei sehr wohl erhaltenen Taschenklappen. Die erste Reihe ist nur wenig grösser und durch einen freien Raum, der so gross als die von der zweiten Querreihe eingenommene Fläche, von der zweiten Querreihe ge- schieden. Auch bei Raja batis Montagu fand ich abweichend von Mrcket’s?) und Owen’s Angaben nur vier Querreihen statt fünf. Jede Querreihe setzte sich aus drei Taschen- klappen zusammen; die der vordersten Querreihe waren etwas grös- ser. Das hier vorliegende Präparat ist ein einzelnes in Spiritus aufbewahrtes Herz aus der hiesigen Sammlung. Die Conuslänge beträgt 2,7 Cm. Torpedo marmorata Rudolphi. Bei den drei Exemplaren, deren Conuslängen circa 0,6 Cm. bei 36 — 42 Cm. Leibeslängen betrugen, habe ich jedes Mal vier Quer- reihen gefunden, also eine Querreihe mehr. Die drei Klappen der vordersten Querreihe sind grösser, als die der folgenden Querreihen, welche mit ihrem Mitteltheil den Längswülsten theilweise angewach- sen sind und in Folge dessen eine geringere Tiefe als die Seiten- 1) Raja rubus Bloch und Raja clavata Bloch sind von MÜLLER und HENLE unter den Synonymen von Raja clavata Rondolet angefiihrt. 2) 1. €. pag. 172. 220 Phil. Stöhr theile aufweisen Die Klappen haben meist die Form von Taschen- klappen. Die Querreihen stehen dieht hinter einander. Zwischen- klappen haben sich in allen drei Fällen gefunden und war besonders die zweite Querreihe die bevorzugte. | Myliobatis aquila Risso. Länge des Thieres 67 Cm., des Conus fast 1,0 Cm. Hier fin- den sich abweichend von den bisherigen Angaben sechs Querreihen ; die erste derselben besteht aus drei Taschenklappen , welche an Grösse den Klappen der hintern Reihen bedeutend überlegen und von der zweiten Querreihe durch einen freien Raum getrennt sind, der grösser ist als die von der zweiten Querreihe eingenommene Fläche. Die hinteren Querreihen bestehen aus je drei Zungenklap- pen und einer wechselnden Anzahl von Zwischenklappen. Es findet sich hier wieder der seltene Fall, dass mehrere Zwischenklappen in einem Zwischenraum einer Querreihe auftreten (siehe oben Sphyrna). Jede der vier hintersten Querreihen zeigt in einem Zwischenraum zwei Zwischenklappen, von denen immer die eine die Form einer kleinen Zungenklappe hat, welche durch von ihrem freien Rande nach oben ziehende Sehnenfäden der Conuswand an- geheftet ist, während die andre ein etwas grösseres länglich rundes Knötehen darstellt, welches nach oben und unten mit Sehnenfäden in Verbindung steht. Die zweite Querreihe besitzt zwei, die dritte und vierte Reihe je vier, die fünfte drei und die sechste zwei Zwi- schenklappen. Chimaera monstrosa. Die mehrfache Angabe, dass Chimiira zwei Querreihen besitze, findet sich auch an den beiden Exemplaren, von denen das eine 53 Cm. das andre 60 Cm. lang war (die Conuslänge betrug in beiden Fällen 0,5 Cm.), bestätigt. Beide Exemplare befinden sich jedoch nicht im besten Zustande, so dass ein genaues Erkennen der Form- verhältnisse der Klappen sehr erschwert wird. Die vorderste Quer- reihe bestand in beiden Fällen aus vier Taschenklappen, von denen die eine von geringerer Grösse schien. Die zweite Querreihe war in dem einen Falle durch einen freien Raum, der grösser war, als die von der vordersten Querreihe eingenommene Fläche, von dieser Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 221 geschieden und bestand aus fiinf oder sechs Klappen verschiedener Form und Grösse, doch waren sämmtliche Klappen dieser Reihe in sehr schlechtem Zustande. Die zweite Querreihe des andern etwas besser erhaltenen Exemplars war ebenfalls durch einen freien Raum, der indessen nicht so breit war, von der vordersten Querreihe ge- trennt. Die zweite Reihe bestand aus 4 Taschenklappen verschie- dener Grösse. In beiden Fällen war der Grössenunterschied zwi- schen den Klappen der ersten und denen der zweiten Reihe kein bedeutender. Auch standen die Klappen nicht gerade hinter einan- der, sondern waren unregelmässig gestellt. Aus der Ordnung der Ganoiden wurden Accipenser huso, Acei- penser sturio (hiervon mehrere Exemplare), Lepidosteus osseus und Amia calva untersucht. Obwohl von vielen Forschern die Mehrzahl der Querreihen festgestellt und theilweise durch oft vortreffliche Abbildungen dargestellt waren, so war dennoch eine nochmalige ein- gehendere Beschreibung nothwendig, weil wir sowohl hier am besten die Herkunft der Zwischenklappen verfolgen können, als auch im Stande sind einen fast directen Uebergang aus dem complieirten Klappenapparat der Selachier und Ganoiden zu dem einfacheren der Teleostier zu verfolgen. Accipenser sturio. Der Klappenapparat im Conus von Aceipenser ist häufig Gegen- stand der Untersuchung gewesen. KOELREUTER |), TIEDEMANN?), CuvIER3), Carus‘), v. BAER®), MECKEL®) und andre haben sehr senaue theilweise mit Abbildungen versehene Beschreibungen gegeben. Bei vier von mir untersuchten Exemplaren verschiedener Grösse haben sich verschiedene Resultate ergeben. Der sehr lange Conus, dessen Länge eine beträchtliche Anzahl von Querreihen zu verspre- chen scheint, zeigt geöffnet nur wenig Querreihen. Die erste Quer- reihe ist von der zweiten durch einen sehr grossen freien Raum geschieden, der manchmal doppelt so gross ist als die von den hin- teren Querreihen eingenommene Fläche. Das erste Exemplar, dessen Conus eine Länge von 3,3 Cm. hatte, zählte in der vordersten Quer- fe} . Accip. ruthen. hat demnach vier Querreihen. , pag. 22. . 72. Hier werden nur zwei Reihen angegeben. 5).l. c. . pag. 173. fe) “> ad Fed SS Find u; DE : Oo © Oo 222 Phil. Stöhr reihe drei Taschenklappen und ein kleines Knötchen, das leicht zu übersehen war, die zweite und dritte Querreihe waren aus je fünf verschieden geformten, bald grösseren bald kleineren Klappen zu- sammengesetzt; die Klappen der dritten Reihe standen nicht gerade hinter denen der zweiten Querreihe'). — Die vorderste Querreihe von zwei weiteren Exemplaren, deren Körperlänge 36 und 40 Cm. und deren Conuslängen nahezu 1 Cm. betrugen, zeigte vier Klappen, doch war in beiden Fällen eine der Klappen etwas zarter. Die zweite Querreihe zählte bei ersteren fünf bei letzteren sechs Klap- pen ungleicher Grösse, die dritte Querreihe fünf und vier Klappen. Bei einem von den beiden Herzen zeigten sich in dem grossen sonst freien Raum zwischen erster und zweiter Querreihe, nahe der ersten Reihe zwei Leisten, die möglicher Weise als Klappenrudimente ge- deutet werden konnten. Die Bestätigung dieser Annahme brachte die Untersuchung eines weiteren (vierten) Exemplars von etwa glei- cher Grösse, welches an dieser Stelle eine aus vier kleineren Klap- pen bestehende Querreihe aufwies. Die vorderste Querreihe be- stand hier aus drei Taschenklappen und einem Rudiment, die dritte und vierte Querreihe aus je fünf Klappen, die Klappen der vierten Querreihe standen in gerader Linie hinter denen der dritten. Der grosse freie Raum im Conus zeigt bei der Betrachtung mit der Loupe sich mit sehr feinen Sehnenfäden, die jedoch der Conuswand überall dieht anliegen und angewachsen sind, ausgekleidet. Längswülste sind nicht zu sehen Aceipenser huso. Einzelpräparat aus der Sammlung. Die Länge des Conus be- trägt 5,5 Cm. Die vorderste Querreihe zählt fünf Taschenklappen, von denen die eine etwas schmäler, jedoch von gleicher Länge ist, wie die übrigen. Der zwischen erster und zweiter Querreihe gele- gene Raum ist mehr wie dreimal so gross, als die von den beiden !) MECKEL, der gegen TIEDEMANN bemerkt, er habe immer vier Klappen in einer Reihe, und die Klappen gerade, nicht schief unter (hinter) einander liegend gefunden, scheint nur kleine Exemplare untersucht zu haben, bei denen allerdings meist vier Klappen in der ersten Reihe stehen und die Klappen der hinteren Querreihen noch nicht durch Stehenbleiben von Zwischenklappen und Rückbildung von Reihenklappen in unregelmässige Stellung gerathen sind, wie das bei grösseren Störherzen häufig zu sehen ist. Dagegen ist die Beobachtung TIEDEMANN’s, dass die Klappen der beiden vorderen Reihen die kleinsten sind, von keinem der Autoren bestätigt worden. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 223 hinteren Qutrreihen eingenommene Fläche. In der zweiten Quer- reihe liegen fünf, in der dritten sechs Klappen, die hinsichtlich ihrer Form und Grösse sehr verschieden von einander sind, auch ist die Stellung eine unregelmässige !). Lepidosteus osseus Ag. Jou. MÜLLER hat zwei Arten von Lepidosteus (L. semiradia- tus Ag. u. L. osseus Ag.) auf den Klappenapparat untersucht und war bei beiden zu anscheinend ganz verschiedenen Resultaten gelangt. »L. semirad. hat im Arterienstiel fünf gleich ausgebildete Klappen- reihen, in jeder Längsreihe acht vollkommene Taschenventile, die durch Fäden zusammenhängen. Die der obersten Querreihe sind grösser«2). »Die Zahl und Anordnung der Klappen (von L. osseus) weicht von L. semiradiatus Ag. ab, es sind acht Längsreihen von Klappen vorhanden , darunter vier Reihen grösserer Klappen aus neun in jeder Reihe bestehend, dazwischen die zum Theil unvoll- ständigen Reihen kleinerer Klappen. Wären alle Klappen ausgebil- det, so wären 72 vorhanden, es sind aber nur gegen 54—60«3). Die- sen beiden Beschreibungen hat er schematisch gehaltene Abbildungen beigegeben !. Die Befunde MÜLLER’S in die uns mehr geläufige Beschreibung von Querreihen übertragen, besitzt L. semiradiatus acht Querreihen, jede zu fünf Taschenklappen, L. osseus neun Querreihen, von denen eine im besten Falle aus acht Klappen zusammengesetzt ist. Das mir zu Gebote stehende Exemplar von Lep. osseus, dessen Länge 63 Cm. betrug, zeigte in seinem 1,8 Cm. langen Conus nur acht Querreihen. Zwischen erster und zweiter Querreihe war eine grössere Entfernung als zwischen zweiter und dritter oder dritter und vierter Querreihe. Möglich also, dass das MÜLLEr’sche Exemplar hier noch eine Querreihe erhalten zeigte und dadurch die Zahl der Querreihen auf neun brachte. Die vorderste Querreihe zeigte die grössten Klappen und zwar vier vollkommene Taschenventile, die jedoch nicht die gleiche Breite !) Die übliche Trennung in Zwischenklappen und Reihenklappen ist bei den beiden Accipenser weggelassen, weil durch ungleichmässige Rückbildung die Cha- ractere verwischt worden sind. ?) Bau u. Grenzen d. Ganoiden |. ce. pag. 126. 3) Ebendaselbst pag. 215. Erklärung der Kupfertafeln. 4) Tafel II Fig. 2 u. Tafel V 2. 224 Phil. Stohr besassen und vier Zwischenklappen, welche theilweise noch so wenig zurückgebildet waren, dass die grösste von ihnen nur wenig hinter dem kleinsten der vollkommenen Taschenventile zurückstand. Die Uebergangsformen berechtigen gewiss zu der Ansicht, dass diese Zwischenklappen früher phylogenetisch) eben solche Taschenventile waren, dass also die vorderste Querreihe früher aus acht vollkom- menen Taschenklappen bestand. Von dem verdiekten Mitteltheile der vier Taschenventile, sowie von dem der zwei vollkommensten Zwischenklappen ziehen starke Sehnenfäden, die sich durch kleine Brücken in Verbindung mit der Conuswand halten, nach hinten, um an der Spitze der Klappen der zweiten Querreihe sich anzusetzen ; von der Basis der Klappen der zweiten Querreihe springen Sehnen- fäden zur Spitze der Klappen der dritten Querreihe, von diesen zu denen der vierten Reihe und so fort, so dass es den Eindruck macht, als hingen sämmtliche Klappen einer Längsreihe wie an einer Schnur aufgereiht an einem langen Sehnenfaden, der von der betreffenden Klappe der vordersten Querreihe ausgeht. Diese starken Sehnenfäden sind nichts anderes, als die bekann- ten Längswülste, die sehr schmal und durch die starke Reduetion der Klappen in ihrer Form ebenfalls stark verändert worden sind. Bei den unvollkommensten Klappen (in der zweiten, dritten und vierten Querreihe) gehen die Sehnenfäden direct an die Spitze der Klappen, bei den vollkommeneren (der sechsten, siebenten, achten Querreihe) an die der Conuswand zugekehrte Klappenfläche nahe der Spitze. Die zweite Querreihe setzt sich aus den Nachfolgern der vier vollkommenen Taschenventile, also aus vier Reihenklappen, fer- ner aus vier Zwischenklappen, den Nachfolgern der vier Zwischen- klappen der ersten Querreihe und aus noch kleineren Gebilden zu- sammen, welche in den freien Zwischenräumen zwischen je einer Reihenklappe und einer Zwischenklappe stehen, also Zwischen- klappen zweiter Ordnung. Nicht jeder Raum zwischen Reihenklappe und Zwischenklappe erster Ordnung ist von solchen Zwischenklap- pen zweiter Ordnung eingenommen, sondern es stehen diese kleine- ren Rudimente vereinzelt, besonders da, wo die Zwischenklappen erster Ordnung noch am grössten sind. Die Zwischenklappen zwei- ter Ordnung sind am häufigsten in der zweiten, dritten und vierten (Juerreihe, werden weiter nach hinten immer seltener und verschwin- den vollkommen in der siebenten und achten Querreihe. Das Nähere über die Zahlenverhältnisse findet sich in der Figurenerklärung. Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ganoiden. 225 Die Klappen der vordersten Querreihe sind um das Dreifache grös- ser als die der Hinterreihen, welche meist seitlich comprimirt sind und die Form von gefalteten Taschen haben. Der Klappenapparat weicht von den bisher geschilderten nicht so sehr ab, als es auf den ersten Anblick wohl scheint, das Fremd- artige des Aussehens wird nur durch die noch weniger reducirten Zwischenklappen bewirkt. Was den so merklich verschiedenen Be- fund bei L. semiradiatus betrifft, so ist vielleicht erlaubt, anzuneh- men, dass die meisten Zwischenklappen so stark reducirt waren, dass MÜLLER sie nicht als Klappen gelten liess, dass also in Wirk- lichkeit der Unterschied kein so bedeutender war. Amia calva. Genaue mit guten Abbildungen versehene Beschreibungen liegen von Voer!) und von FrANQUE?), welche, geringe Abweichungen in der Zahl der die hinteren Querreihen zusammensetzenden Klappen abgerechnet, mit den vorliegenden Befunden übereinstimmen. Ich fand in dem nahezu 1 Cm. langen Conus des 60 Cm. langen Thie- res drei Querreihen ?) vor; die vorderste bestand aus vier Klappen, von denen jedoch zwei zurückgebildet und dem Ausfalle nahe wa- ren. Amia besitzt also in der vordersten Querreihe nur zwei aus- gebildete Taschenklappen, welche in ganz überwiegendem Grade an Grösse und Vollkommenheit der Form den Klappen der hinteren Querreihen (es stehen vier in jeder der beiden Hinterreihen) überlegen sind. Letztere sind flache Taschenklappen von verschiedener Grösse, sie heben sich nur wenig von der Conuswand ab und zeigen sich der völligen Reduction, dem Ausfall, sehr nahe stehend. ') l. e. pag. 60. Vocr bildet Pl. 9 Fig. 2 das Verschmelzen von zwei benachbarten Klappen der hintersten Querreihe ab und sagt dazu »les deux val- vules médianes du cöte dorsal étant confondues en un seule poche«; einen der- artigen Vorgang habe ich nie beobachten können; es kann vorkommen, dass eine Klappe allmälig sich nach der Seite einer rückgebildeten Klappe ausdehnt und dadurch schliesslich auch den Platz der zu Grunde gegangenen Klappe ein- nimmt, aber ein Verschmelzen von zwei Klappen zu einer habe ich nie gesehen und zweifle auch an einem solchen Vorkommen. a A 3) MÜLLER (Bau u. Grenzen d. Ganoid. Nachtrag. pag. 204) gibt irrthüm- licher Weise an, Voar habe zwei Querreihen gefunden; Voar beschreibt näm- lich die Klappen der vordersten Querreihe gesondert als »forts rideaux museu- aires«; auch OwEN gibt nur zwei Reihen an. 224; Phil. Stöhr, Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus etc. Aus diesem zeigt sich, dass die Klappeneinrichtung sich gewis- sermassen vorbereitet auf die einfachere Form und stellt Amia ge- wiss die besten Beweise für die Richtigkeit von GEGENBAUR’s Ver- gleichung der vordersten Querreihe der Selachier und Ganoiden mit der einzigen Klappreihe der Teleostier. Zwischenklappen in der vordersten Querreihe, wie sie Amia aufweist, finden sich auch bei ein- zelnen Teleostiern z. B. bei Xiphias') und bei Orthagoriseus mola?2). Der Uebergang von den drei Querreihen von Amia zu der ein- zigen der Teleostier scheint durch Butirinus vermittelt zu werden, welcher nach Srannius in dem kurzen vom Bulbus arteriosus um- fassten Conus zwei Querreihen, jede zu zwei Klappen birgt?). Die gewonnenen Resultate noch einmal kurz zusammengefasst lauten: 1) Die als besondere Klappenformen beschriebenen Gebilde der hinteren Querreihen im Conus der Se- lachier und Ganoiden sind in verschiedenen Sta- dien der Rückbildung begriffene Taschenklappen. 2, Da die meisten der hinteren Querreihen in Rück- bildung bis zum vollständigen Ausfall begriffen sind, kann nur die vorderste Querreihe, welche stets vollkommene Formen aufweist, mit der ein- zigen der Teleostier verglichen werden. 3) Die Zwischenklappen sind rudimentäre Glieder ausfallender Längsreihen. 4) Der Uebergang yon dem mit vielen Querreikon besetzten langen Conus der Selachier und Ganoi- den, zu der zwischen Ventrikel und Bulbus ste- henden einzigen Querreihe der Teleostier wird durch Amia vermittelt. Breslau, Mitte Januar 1876. !) Berliner Abhandl. pro 1844 Tafel V. 5. 2) WELLENBERGH. Observationes anatom. de Orthagorisco mola pl. 25 Fig. 4. 3) Bemerkungen über das Verhältniss der Ganoiden zu den Clupeiden ins- besondere zu Butirinus von H. Srannius. Rostock 1846. pag. 7. Fig. Tig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel XII u. XIII. Die Querreihen sind stets mit römischen Ziffern bezeichnet. ie Conus (geöffnet) von Mustelus vulg. 3 mal vergrössert. Die vorder- sten Klappen zeigen sehr deutlich den verdickten Mitteltheil m und die dünnen Seitentheile s. Die Klappen der zweiten Reihe sind Querleisten, die in der Mitte eine zipfelförmige Hervorragung besitzen. In der dritten Querreihe stehen Zungenklappen. z. Zwischenklappen. @. obere Grenze des Muskelbelegs. Klappenapparat von Acanthias vulg. 3mal vergrössert. II. zweite aus sehr dünnen unansehnlichen Querleisten bestehende Querreihe. Von der dritten (III) Querreihe ist nur eine kleine Klappe erhalten. z. Zwischenklappen. JZ. Längswülste. Klappenapparat von Squatina. 2mal vergrössert. Die mittelste Klappe der vordersten (I) Querreihe ist schwächer, die ihr folgende Längs- reihe stark redueirt. 21, 23, 23. Aus drei Zwischenklappen bestehende Längsreihe. Z. stark redueirte Zwischenklappen der vordersten Querreihe. >< An der Basis mit einer Reihenklappe zusammenhängendes Gebilde, das als eigenthiimlich geformte Zwischenklappe angesehen werden kann. L. Längswulst. Klappenapparat von Rhinobatus Horkelii. Z. Die Längswülste, welche von der mittleren Verdickung der vordersten Klappen nach rückwärts bis zum hinteren Ende des Conus ziehen. Z,. In der Mitte durch- schnittener Längswulst, man sieht die geringe mittlere Tiefe der Klappen. Klappen von Raja oxyrrhynchus dreimal vergrössert. Der Conus ist etwas in die Länge gezogen um den Saum S deutlich zur Anschauung zu bringen. L. hintere Längsleiste. L,. durchschnittene vordere Längsleiste. Z, Z, Z. Zwischenklappen. Klappen von Aceipenser sturio dreimal vergrössert. R. Rudiment einer vordersten Klappe (Zwischenklappe). + + + + aus vier kleinen Klappen bestehende Querreihe in dem gewöhnlich freien Raume zwi- schen erster (I) und zweiter (II) dadureh zur dritten werdenden Quer- reihe. Klappenapparat von Lepidosteus osseus dreimal vergrössert. 228 Fig. Tb. Phil. Stöhr, Ueber den Klappenapparat im Conus arteriosus ete. Derselbe. Die Querreihen sind mit römischen, die Längsreihen der Reihenklappen mit arabischen Ziffern bezeichnet. Die Reihenklappen sind weiss, die Zwischenklappen erster Ordnung schraffirt, die Zwi- schenklappen zweiter Ordnung schwarz gezeichnet. Die erste (I) Querreihe enthält vier Reihenklappen und vier Zwischenklappen erster Ordnung , in Summa 8. Die zweite (II) Querreihe 4 Reihenklappen, 4 Zwischenklappen erster und 4 Zwischenklappen zweiter Ordnung, zu- sammen 12; wären die letzteren in allen Zwischenräumen noch vor- handen, so würden es 8 sein. Die dritte (III), vierte (IV) und fünfte (V) Querreihe sind aus 4 Reihenklappen, 4 Zwischenklappen erster und 3 Zwischenklappen zweiter Ordnung zusammengesetzt. Die sechste (VI) Querreihe zählt 4 Reihenklappen, 3 Zwischenklappen erster und 1 zweiter Ordnung. Die siebente (VII) Querreihe 4 Reihen- klappen und 3 Zwischenklappen erster Ordnung, die achte (VIII) Querreihe 4 Reihenklappen und 2 Zwischenklappen erster Ordnung. Nach MüÜrrer’s Ausdrucksweise hätte Lepidosteus 12 Längsreihen, von denen vier vollkommen entwickelt aus je 8 Gliedern, vier weniger vollkommene aus 5—S8 Gliedern und vier ganz rudimentäre aus 2—5 Gliedern bestehen. Die Entfernungen der 2ten, 3ten und 4ten Querreihe von einander sind etwas zu gross angegeben. - Morphal. Jahrbuch Ball. 3 LH ie, oe IS fo e Se OS ; PS . (X RG Taf XlIl. Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hüftgelenkes. Von C. Gegenbaur. Mit Tafel XIV. Es gilt als eine feststehende Thatsache, dass der Beckengürtel der Säugethiere jederseits durch einen ursprünglich einheitlichen Skelettheil repräsentirt werde, der aus dem knorpeligen Zustand in den knöchernen übergehend, in drei als besondere Knochen unterschie- dene Theile, das Darmbein, Sitzbein und Schambein sich gliedere, die im Acetabulum zusammenstossen, an der Bildung desselben sich mehr oder minder gleichmässig betheiligend. Mit der allmäligen Ossification der am Acetabulum bestehenden , die einzelnen Stücke trennenden Knorpelreste stellt dann der Knochen wieder ein ein- heitliches Ganzes dar, und tritt damit als Skelettheil auf dieselbe Stufe zurück, die ihm vor der beginnenden Ossification zukam. Die Pfanne, als die Vereinigungsstelle der drei noch am einheitlichen, knöchernen Hüftbein unterschiedenen Theile, dient zugleich zur Ab- grenzung zweier Hauptabschnitte des Knochen, die man als einen dorsalen und einen ventralen auffasst. Der dorsale wird vom Darm- bein gebildet und geht die Verbindung mit der Wirbelsäule ein, der ventrale Abschnitt wird durch zwei mehr oder minder divergirende Schenkel vorgestellt, davon das Schambein den vorderen, das Sitz- bein den hinteren bildet. Beide stehen distal in Zusammenhang und umschliessen das Foramen obturatum. Im dieser Einrichtung wiederholen sich im Wesentlichen die im Brustgürtel bestehendeu Verhältnisse, und man hatte Grund sowohl die dorsalen als die ven- tralen Elemente beider. Extremitätengürtel als homodyname Gebilde Morpholog. Jahrbuch. 2. 16 930) C. Gegenbaur anzusehen, das Darmbein der Scapula, das Scham-Sitzbein dem Coracoid zu vergleichen. Auf die bei Amphibien und Reptilien ge- wonnenen Untersuchungsergebnisse gestiitzt, vermochte ich dieser Vergleichung eine breitere Unterlage zu geben, indem ich mit dem Nachweis eines von mir als »Procoracoid« bezeichneten Theiles im Schultergiirtel jener Thiere eine wenigstens in ihren Lagebeziehun- gen mit dem Schambein übereinkommende Bildung hervorhob. Da die Clavieula, bei genauerer Berücksichtigung ihrer ontogenetischen wie phylogenetischen Beziehungen, fiir irgend welche Theile des Beckengiirtels kein Vergleichungsobject mehr sein konnte, war fiir den ventralen Theil des Beckengiirtels nur mit Coracoid sammt dem Procoracoid eine Vergleichung möglich. Meine Deutung der Theile des Schultergiirtels wurde im Wesentlichen von PARKER angenommen, und in der Vergleichung der Theile des Schultergiirtels mit jenen des Beckengiirtels fand meine Auffassung bei HuxLey Aufnahme. Bei die- sen Vergleichungen bildet das Zusammentreffen der einzelnen Elemente des Schulter- und des Beckengiirtels je in der die Pfanne für Hume- rus oder für Femur formenden Grube eine sehr wichtige Grundlage. Nur dadurch ist sowohl eine präeisere Unterscheidung dorsaler und ven- traler Theile möglich, als auch wieder die ventralen Theile unter sich bestimmter vergleichbar sind. Der Antheil der drei Stücke an der Pfannenbildung ist aber keineswegs ein gleichmässiger. Bei Reptilien, Vögeln, wie bei den Säugethieren wird davon weit mehr als zwei Drittel durch das Ilium und Ischium gebildet, so dass die Hauptverbindung des Femur mit dem Beckengiirtel den Darm - Sitzbeinen zukommt. Es entspringt daraus eine Ungleichwerthigkeit der Schambeine den Darm- und Sitzbeinen gegenüber, für welches Verhältniss auch die Verschiedenartigkeit der Bedeutung dieser drei Theile für die Muskulatur der hinteren Gliedmasse keineswegs gleichgültig ist. Von dem Gesichtspuncte ausgehend, dass dem Os innominatum ein einheitlicher Knorpel zu Grunde liegt, dass also die an diesem auftretenden Ossificationen keine selbstständigen Skelettheile repräsen- tiren, könnte man die Frage nach dem Antheil dieser Stücke an der Pfannenbildung für eine wenig bedeutsame halten. Sie bewegt sich, von jenem Gesichtspuncte aus, nur um ein Mehr oder Minder der Ausbreitung einer an einem bestimmten Theile des continuirlichen Knorpels auftretenden Ossification, und ist anscheinend von jedem tie- feren Eingreifen in die Auffassung des Wirbelthierskeletes ausge- schlossen. Dass eine derartige Beurtheilung der Ossificationen in der Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hiiftgelenkes. 231 That die richtige sei, diirfte vor einer schiirferen Kritik kaum Stand halten. Vor Allem ist der Begriff eines »selbstständigen Skelet- theils« ein relativer, und es wäre vielleicht nicht einmal sehr gewagt wenn Jemand behaupten wollte, dass kein einziger Skelettheil als vollkommen selbstständig, d. h. in allen seinen Zuständen von an- deren Skeletgebilden unabhängig und ausser Continuität von ihnen existire. Denn der Nachweis der selbstständigen Existenz irgend eines Skelettheiles in diesem oder jenem Falle hat jene Frage noch lange nicht für's Allgemeine zur Erledigung. gebracht. Aber ganz abgesehen von dieser Frage, so bleibt doch die Bestimmung des Antheils, den eine Ossification an der Bildung eines Knochens nimmt, in allen jenen Fällen von Bedeutung, in denen die Ossification nicht allgemein mit anderen Verknöcherungen desselben knorpeligen Ske- letgebildes verschmilzt, sondern innerhalb grösserer Abtheilungen discret bleibende Knochen hervorgehen lässt. Dieses trifft sich beim Schultergürtel, wo wir Scapula und Cgracoid bis zu den Säugethie- ren herauf fast allgemein als gesonderte Knochen antreffen, und sie trotz der bei den Säugethieren erscheinenden Conerescenz als solche bezeichnen. In gleichem Falle findet sich aber auch der Becken- gürtel, dessen Unterscheidung in einzelne Stücke in dem Discretblei- ben derselben bei niederen Wirbelthieren gleichfalls seine tiefere Begründung hat. Endlich dürfte noch auf die Thatsache hingewie- sen sein, dass in der Art der Ossification, vornehmlich im Auftreten selbstständiger Ossificationskerne, in nicht wenig Fällen die Andeu- tung einer primären Selbststiindigkeit des beziiglichen Knorpeltheiles sich ausspricht, in welcher Beziehung ich nur auf meine Beobach- tungen am Carpus und Tarsus von Reptilien, und am Tarsus der Vögel verweisen will. Hier liegen uns in einem Falle continuirliche Knorpel vor, die von mehrfachen Centren aus verknöchern, während im anderen Falle getrennte Knorpel bestehen, die durch ihre Lagerung den selbstständig ossifieirenden Theilen des ersten Falls völlig ho- molog sich ergeben, so dass für diesen eine stattgefundene Concres- cenz ursprünglich getrennt existirender Knorpelstücke angenommen werden darf. Indem ich mich zur Vorführung der einzelnen Wahrnehmungen wende, will ich der weniger bedeutsamen Verhältnisse nur in der Kürze gedenken, gebe daher, die Abtheilungen der Säugethiere durch- gehend, nur den mir in Bezug auf die angeregten Fragen wichtige- ren Thatsachen einigen Nachdruck. Den Umfang der Beobachtungen beschränkte das Material, das zum grössten Theile die hiesige ana- 16* 939 ©. Gegenbaur tomische Sammlung lieferte. Da nur die Skelete nicht völlig aus- gewachsener Thiere zur Prüfung der vorliegenden Frage brauchbar sind, so wird dadurch eine weitere Beschränkung des Untersuchungs- materials begreiflich. Für die Monotremen ist das Eingehen des Schambeins in die Bildung der Pfanne bekannt. Es bildet von derselben jedoch etwa nur ein Viertel des Randes, und noch weniger trägt es zum Grunde bei. Bemerkenswerth ist der gleichmässige Pfannenrand in bei- den Gattungen |s. Fig. 1 und 2), indem eine Incisura acetabuli fehlt. Dadurch kommt ein Gegensatz zu den übrigen Säugethieren zu Stande, die meines Wissens sämmtlich durch eine solche ausge- zeichnet sind. Ob dieses Verhalten mit dem Fehlen eines Lig. teres in Zusammenhang steht, muss ich um so mehr als offene Frage an- sehen, als bei andern Säugethieren mit einem Pfannenausschnitt doch auch das Fehlen des Lig. teres bekannt ist, wie z. B. von Erinaceus. Als ferner hervorzuheben ist bei Ornithorhynchus die völlig glatte Beschaffenheit des Vorderrandes der Darm-Schambeinverbindung, die bei vielen Säugethieren durch ein regelmässig vorkommendes Tubereulum ilio-pubicum ausgezeichnet ist. Dabei greift das Darm- bein über das Schambein, und letzterem kommt ausschliesslich eine ansehnliche vorwärts gerichtete Fortsatzbildung (¢p) zu, welche dem Tubere. ilio-pubicum entspricht. Das lehrt die Vergleichung mit Echidna, wo dieser Fortsatz durch einen niederen Vorsprung reprä- sentirt wird, der dem Darmbein bedeutend genähert liegt, so dass ınan ihn schon als ein Tubere. ilio-pubicum bezeichnen kann !!). Für die übrigen Säugethiere ist eine die Incisura acetabuli bildende Modification des Sitzbeins characteristisch. Dasselbe bildet gegen die Pfanne zu zwei Schenkel, einen hinteren oberen, und einen vorderen un- teren. Der erstere ist immer stärker, verbindet sich mit dem Ilium und !, Durch sein Verhalten bei den Monotremen tritt das Tubereulum iliopubicum (oder ilio-pubia) aus der Beziehung zu beiden ihm den Namen gebenden Knochen heraus in ein neues Verhalten, und man wird bei Ornithorhynchus versucht diesen Vorsprung als eine ursprünglich vom Schambein ausgehende Bildung anzusehen. Jedenfalls wird dieser Höcker nicht einfach von der Verbindung des Darmbeins und des Schambeins abgeleitet werden dürfen, ebensowenig als die Verbin- dungsstelle dieser beiden Stücke für alle Fälle aus der Lage des Höckers zu erschliessen ist. Wenn MECKEL (Ornithorh. parad. descript. anat. Lips. 1826. p. IS) angab: »Loco unionis ossis ilium cum osse pubis emminentia ilio-pecti- nea ponitur longa et crassa...« so war das eine derartige irrige Folgerung. Uebrigens findet sich das 'Tub. ilio-pect. auch sonst bei den Säugethieren dem Schambein ausschliesslich zugetheilt, z B. bei den Schweinen. Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hiiftgelenkes. 233 stellt den hinteren Theil der überknorpelten Pfannenfläche dar. (Vergl. Fig. 3—6y). Der vordere Schenkel (x) ist dünner, schlanker, zuweilen, wie bei den Wiederkäuern platt, und dient zur Verbindung mit dem Schambein. Gegen die Pfanne zu läufterin die Fossa acetabuli aus. Beide Schenkel begrenzen den Ausschnitt des Pfannenrandes. Diese beiden Schenkel entsprechen den von mir bei den Crocodilen her- vorgehobenen Fortsätzen (7, y) des Sitzbeines, welche die gleichen Beziehungen aufweisen, und sind in ähnlichem Verhalten auch am Ischium der Vögel nachweisbar). Unter den Monotremen sind sie bei Ornithorhynehus nur durch ihr Umfassen des hinteren Pfannen- randes wahrnehmbar, dagegen deutlicher unterscheidbar bei Echidna (Fig. 1) wegen des durchbrochenen Pfannengrundes, der ähnlich wie bei Crocodilen und Vögeln von diesen Schenkeln des: Sitzbeins seine hintere Begrenzung empfängt. Die Betheiligung des Schambeines an der Pfanne ist unter den Marsupialien bei Phascolomys und Halmaturus von mir untersucht. In beiden ist sie sehr gering, bei ersterer Gattung bildet das Pubis ein Sechstel, bei Halmaturus nur ein Siebentel an der Cireumferenz der Pfanne. Eigenthümlich schien mir ausserdem noch die Einfü- gung des Schambeins zwischen Darm- und Sitzbein bei Halmaturus, wodurch in auffallender Weise an ein Verhalten, das ich am Vogel- becken dargestellt habe, erinnert wird (Vergl. Fig. 3 der beigege- benen Tafel und Fig. 5 in Jen. Zeitschrift. Bd. VI. pag. 216.) An der Verbindungstelle von Darm- und Schambein ist ein Tubere. ilio- pubicum (7p) deutlich ausgeprägt. Bei Halmaturus wird es zum grösseren Theile vom Ilium gebildet. Unter den Insectivoren konnte ich nur bei Erinaceus jüngere Zu- stände des Beckens untersuchen und habe da nur die gewöhnliche Betheiligung des Schambeins an der Pfanne erkannt. Der bei weitem auffallendste Befund ergibt sich unter den Na- gern bei der Gattung Lepus (Fig. 4). Das Sitzbein ist acetabular in die oben erwähnten zwei Schenkel (x, y) gesondert, davon der obere (y) einen breiten Gelenkflächentheil der Pfanne bildet, indess der untere (=), den Boden des Pfannenausschnittes formirend, bis weit über die Ineisur nach vorn reicht, und sich ventral von der Pfanne mit dem Schambein verbindet. Vom Ilium geht gleichfalls ein ansehnlicher Fortsatz vor und unterhalb der Pfanne ab um theils (7) mit dem Schambein, theils mit dem vorderen Schenkel (x) des !) Jenaische Zeitschrift. Bd. VI. pag. 215. 234 C. Gegenbaur Sitzbeins zusammenzutreten. So wird also das Schambein von jeder Theilnahme an der Pfanne ausgeschlossen. Ich habe dieses Verhalten gemeinsam sowohl beim Hasen wie beim Kaninchen beobachtet, so dass es wohl als eine generische Eigen- thiimlichkeit betrachtet werden darf. An der Darm - Schambein- verbindung erstreckt sich das Tubereulum ilio-pubicum, welches grösstentheils dem Schambein angehört, auf dessen Kamm es aus- läuft. Die Trennung des Schambeins vom Darm-Sitzbein ist noch deutlich wahrnehmbar wenn die Scham-Sitzbeinsynchondrose bereits spurlos verschwunden ist. — Von anderen Nagern habe ich nur die Verbindung der drei Stücke in der Pfanne zu constatiren vermocht, doch standen mir nur wenige jugendliche Skelete zu Gebote. Die Edentaten zeigten in Manis und Bradypus bezüglich der Theilnahme des Schambeins an der Pfanne nichts abweichendes. Nur für Manis muss ich die frühere distale Verschmelzung des Sitzbeines mit dem Schambein hervorheben. Dasselbe gilt auch für Choloepus. Bei einem jugendlichen Exemplare fand sich zugleich in der Pfannen- region noch ein ansehnliches aus verkalktem Knorpel bestehendes Stück, das die drei knöchernen Theile des Hüftbeins trennte, und zwar derart, dass noch der ganze ventrale Pfannenrand von ihm ge- bildet wurde. Während sowohl das Darmbein als das Sitzbein nicht blos ein Randsegment der Pfanne bildeten, sondern auch noch in einen Theil des Bodens der letzteren einsprangen, war das Scham- bein durch eine breite Knorpelpartie vom Rande der Pfanne ge- trennt. Wie nun auch im Fortgange des Ossificationsprocesses die Beziehungen der drei Stücke zu einander und damit, zur Pfanne sich. gestalten mögen, so scheint in diesem Falle doch jedenfalls eine Verzögerung des Fortganges der Ossification des Schambeins gegen den Pfannenrand ausgesprochen zu sein. Unter den Carnivoren dürfte dagegen die Verbindung des Scham- beins in der Pfanne allgemeine Regel sein, wenn auch die Ausdeh- nung des bezüglichen Schambeinabschnittes eine gegen die beiden anderen Stücke nur geringe ist. Viel ‚bedeutender ist das in die Pfanne aufgenommene Stück des Schambeins bei den Wiederkäuern. Unter den Primaten war mir eine etwas grössere Zahl jüngerer Exemplare zu untersuchen möglich und hier fand ich folgende Ver- hältnisse. Sehr bedeutend ist die Betheiligung des Schambeins am Acetabulum bei den Arctopitheken, ähnlich auch bei den Anthropo- morphen mit Ausnahme von Hylobates, bei dem das Schambein nur einen kleinen Theil des vorderen Pfannenrandes bildet. * Bei Cerco- Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hiiftgelenkes. 235 pitheeus ist unter bedeutender Vergrösserung des vorderen Sitzbein- schenkels nur ein ganz geringer Theil des bezüglichen Schambein- endes zur Pfannenbildung verwendet (C. fuliginosus u. C. spee.?), wogegen bei Inuus das Schambein von der Pfanne völlig ausgeschlossen ist. Bei einer nicht näher bestimmbaren Species war das Schambein vom vorderen Sitzbeinschenkel durch ein drei- eckiges verkalktes Knorpelstück getrennt (Fig. 57). Aber auch dieser Knorpelrest fand sich schon fast ausserhalb der Pfanne, die zum grösseren Theile vom Sitzbein, zum kleineren vom Darmbein gebildet ward. Bei einem Exemplar von Inuus erythraeus ist kein soleher Knorpelrest mehr vorhanden, und das Sitzbein tritt weit vor die Pfanne (Fig. 6), die gleichfalls zum grössten Theile vom Darm- bein gebildet wird. Immer ist es der vordere (untere) Schenkel des Ischium, welcher auf Kosten des von der Pfanne verdrängten Schambeins eine Vergrösserung erfahren hat, und indem dieser Theil zugleich bedeutend abgeplattet erscheint, bedingt er eine Erweite- rung und Verflachung der Incisura acetabuli. Die Verschmelzung des Scham- und Sitzbeines vor dem Foramen obturatum war übri- gens auch bei den aufgeführten Aifen schon vollständig erfolgt, und die bezügliche Stelle zeigte keine Trennungsspur. Aus den geschilderten, sehr verschiedene Abtheilungen der Säugethiere betreffenden Fällen geht das Eine mit Bestimmtheit her- vor: dass nämlich in dem Verhalten der drei das Hüftbein zusam- mensetzenden Stücke zur Bildung der Pfanne eine bedeutende, stu- fenweise ausgeprägte Verschiedenheit sich geltend macht, die am prägnantesten im Verhalten des Schambeins sich ausspricht. Von Fällen, wo dieser Knochen einen grossen Theil der Pfanne, wenn auch nicht ein Drittel derselben mit bilden hilft. bis zu solchen, in denen der Ausschluss von der Pfanne vollständig erfolgt ist, finden sich vielfache Zwischenstufen. Bei aller Verschiedenheit in dem Grade der Betheiligung des Sitz- und Darmbeines an der Pfannenbildung kommt es jedoch in keinem bis jetzt beobachteten Falle zu einem völligen Ausschlusse eines dieser beiden Knochen. Es ist also das Schambein in dieser Hinsicht das variabelste Stück des Hüftknochens, und seine Betheiligung an der Pfanne wird nicht mehr als allgemeines Verhalten anzusehen sein. Was nun die Beurtheilung dieses Verhaltens angeht, so wird vor Allem die Meinung zu prüfen sein, dass es sich hier etwa um individuelle Schwankungen des Verknöcherungsganges handle. In dieser Beziehung ist von Wichtigkeit zu constatiren, dass solche 236 ©. Gegenbaur oder selbst mindere Schwankungen in der Ossification des Hüftbeins bis jetzt nicht beobachtet sind, dass vielmehr überall da wo eine grössere Anzahl von jüngeren Beckenformationen untersucht wurde, eine ausserordentliche Beständigkeit in dem Betheiligungsgrade der Stücke an der Pfannenbildung festzustellen war. Hier ist vor Allem auf das Verhalten des Hüftbeins des Menschen zu verweisen, wo in zahlreichen Fällen die grösste Uebereinstimmung zu finden ist. Auch an in grösserer Zahl untersuchten jüngeren Becken von Wie- derkäuern und Carnivoren (Hunden) ward die Gleichmässigkeit des Verhaltens nicht gestört gefunden. Ebenso bot eine grössere Indi- viduenzahl von Lepus timidus stets den gleichen Befund. Durch keine Thatsache empfängt aber die Annahme eine Stütze, dass die bald mehr bald minder weit in die Pfanne eingreifende Ossification des Schambeins oder der. gänzliche Ausschluss desselben von der Pfanne nur eine individuelle Abänderung sei. Vielmehr erscheint jene Verschiedenheit als ein für die Gattung oder Familie typisch gestaltetes Verhalten, mit dem man als solchem zu rechnen haben wird. Man kann nun den Grund dieser typischen Verschiedenheit in geänderten funetionellen Beziehungen suchen, die jedoch für jetzt kaum zu bestimmen sein dürften, wie sicher sie auch bestehen, denn aus jenen Differenzen geht für den vollendeten Zustand des Hüftbei- nes kaum eine wichtig erscheinende Einrichtung hervor, nicht ein- mal für die Lage des Tub. ilio-pubicum. Sucht man dagegen nach Beziehungen des bei einzelnen Säugethieren bestehenden Ausschlus- ses des Schambeins von der Pfanne zu den Verhältnissen bei an- deren Wirbelthierclassen, so findet sich nur bei den Crocodilen ein entfernt vergleichbares Verhalten, indem bei diesen das Schambein einen mit dem Darm-Sitzbein beweglich verbundenen Knochen vor- stellt. Die Pfanne des Hüftgelenkes wird hier ausschliesslich vom Darm-Sitzbein gebildet. Früher war ich geneigt diesen hochgradi- sen Ausschluss des Schambeins von der Pfanne als den Endpunet eines Vorganges aufzufassen, für den bei den Vögeln durch die ge- ringe Betheiligung des Schambeins an der Pfanne vermittelnde Zwi- schenstufen bestehen. Ich war dabei, ohne freilich die bezüglichen Fragen zu discutiren, von der Voraussetzung ausgegangen, dass in der bei Amphibien gegebenen einfachsten Form des Hüftbeins, der nur aus Einer Ossification hervorgehende, ventrale Theil desselben einem Scham-Sitzbeine entspräche, wie dies allgemeine Annahme ist. Bei einer Verbreiterung dieses in die Symphyse eingehenden Ske- Ueber den Ausschluss des.Schambeins von der Pfanne des Hiiftgelenkes. 937 lettheiles war das allmälige Auftreten einer Fensterbildung verständ- lich, die als »Foramen obturatum« das ursprünglich einheitliche Schamsitzbein in einen vorderen Schenkel, das Schambein, und einen hinteren, das Sitzbein, trennte. Eine ähnliche Erscheinung am ventralen Stücke des Schultergiirtels der Saurier konnte zu dieser Anschauung den Weg bahnen. Ich muss aber jetzt bekennen, dass ich eine solche Vergleichung mit dem Schultergiirtel für nieht rich- tig halte. Das Coracoid nimmt seine Ossification von einer einzigen Stelle aus, wie sehr auch eine Fensterung in ihm entfaltet sein mag. Dureh die letztere wird keine besondere Ossification hervorgerufen. Da auch das Procoracoid keine selbstständige Ossification besitzt, son- dern, wie ich zuerst nachgewiesen habe, von der Scapula aus ver- knöchert, so gibt es am Schultergiirtel nichts auf die selbstständige Ossification des Schambeins Beziehbares. Wenn die Scapula dem Ilium homodynam ist, so ist es das Coracoid nur dem Ischium, nicht diesem und dem Schambein zusammen. Dem zufolge ist aber auch die Phylogenie des Sehambeines nicht einfach durch einen Sonderungsvorgang aus einem indifferenten Scham-Sitzbein nachweis- bar und es gestaltet sich die Frage nach der Bedeutung des Scham- beins zu einer offenen. Einen Fingerzeig für die Richtung in welcher eine Lösung dieser Fragen sich ergeben wird, erhält man dureh die Erwägung folgender anatomischer Thatsachen : 1) Im Beckengiirtel der Amphibien wird die Pfanne des Hüft- gelenkes nur vom Darm-Sitzbein gebildet. Ein als Schambein zu deutender knöcherner Skelettheil ist nieht nachgewiesen. 2) Bei den Eideehsen und Schildkröten bietet sich zwar das Bestehen eines mit der Pfanne verbundenen Schambeins, aber der Antheil an jener Pfanne ist geringer als der einer der beiden andern Bestandtheile des Hüftbeins. 3) Die Crocodile besitzen das als Schambein zu deutende völlig ausser Beziehung zur Pfanne, es ist dem Darmsitzbein nur angefügt. 4) Sehr gering ist die Betheiligung des Schambeins an der Pfanne bei den Vögeln. 5) Endlich sind auch bei den Säugethieren das Darm - und das Sitzbein die an der Pfanne weitaus am meisten betheiligten Stücke, und das Schambein erreicht bei einigen nicht einmal den Rand der Pfanne. In allen grossen Abtheilungen der mit ausgebildetem Becken versehenen Wirbelthiere besteht somit ein den Minderwerth des Schambeins für die Pfanne in verschiedenem Maasse ausdrückendes 238 ©. Gegenbaur Moment; welches auf die Bedeutung des Darm-Sitzbeines als Stütze und Verbindungsstück der gesammten Hintergliedmasse einen er- höhenden Einfluss hat, und die Hypothese begründen kann, dass der eigentliche Beckengürtel ursprünglich nur durch das Darm- und Sitzbein, oder vielmehr durch ein später mit der Verknöcherung in diese beiden Stücke sich sonderndes Knorpelstück gebildet werde. Das Schambein wäre dann ein erst mit dem primären Hüftbein sich se- cundär verbindendes Stück, welches bei den Amphibien noch gar nicht nachgewiesen ist, unter den Reptilien bei Crocodilen die pri- märste Beziehung zum Beekengürtel besitzt. Diese Anschauungs- weise verliert den Character des Hypothetischen durch eine von E. ROSENBERG gemachte Entdeckung von der selbstständigen, ausser Continuitiit mit der Darm-Sitzbeinanlage erfolgenden Entstehung des Schambeins beim Menschen. Ich hatte Gelegenheit an mir vorgele- gen habenden Präparaten mich von dieser wichtigen Thatsache zu über- zeugen, und thue derselben im Einverständniss mit dem Entdecker hier nur in der Kürze Erwähnung, da die ausführlichen Mittheilun- sen wohl bald erfolgen werden. In der Zusammenfassung des Vorgeführten hätten wir also vor dem eigentlichen Beckengiirtel noch ein besonderes selbstständiges Skeletelement, das Schambein, für dessen Herkunft noch keine si- chere. Vorstellung möglich ist, so dass wir hier noch nicht auf das typische Wirbelthierskelet beziehbaren, noch nicht von einfacheren primitiven Zuständen ableitbaren Verhältnissen begegnen. Diese er- scheinen durch das Bestehen der Ossa marsupialia bei niederen Säugethieren noch mehr complicirt, denn man wird diese Knochen nicht für blosse Ossificationen von Sehnen halten dürfen. In dieser Beziehung glaube ich, dass HuxLey ), der sie als Verknöcherungen der Aponeurose des Muse. obliq. externus erklärt hat, nicht im Rechte ist. Mag auch das Verhalten dieser Skelettheile am ausge- bildeten Thiere diese Deutung stützen, so widerspricht ihr doch der Befund bei Embryonen. Solche habe ich von Didelphys auf diese Theile untersucht und eine knorpelige Grundlage gefundene Die mit dem Schambein artieulirende Partie der Beutelknochen war voll- ständig knorplig, und dieser Knorpel setzte sich vorwärts unter be- deutender Verjüngung in einen aus Knochenlamellen bestehenden, ihn scheidenartig umfassenden Beleg fort, an welchen die Sehne des genannten Bauchmuskels sich befestigte. Die Verknöcherung war somit !) Manual of the Anatomy of vertebrated Animals. London i571. p. 38. Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hiiftgelenkes. 239 eine oberflächliche, perichondrale, sie war es, welche die Beziehung des Skelettheils zur Sehne vermittelte, woran der darunter befindliche Knor- pel unbetheiligt war. Dader Knorpel nicht etwa blos an der Artieulations- stelle des Knochens mit dem Schambein vorhanden war, wo er sich im ausgebildeten Zustande des Skelettheiles noch findet, sondern sich unter einer knöchernen Scheide weiter empor erstreckte, kann das Verhältniss nicht mit jenen Befunden identifieirt werden, wo an einer primären Ossification, an einem Skeletgebilde, das durchaus keine knorpelige Anlage besitzt, allmälig Knorpelgewebe da hinzutritt, wo der Knochen mit andern Skelettheilen Articulationen eingeht. In diesen Fällen ist die Ossification das zuerst auftretende, Knorpel das hinzukommende. Dagegen muss in unserem Falle der Knorpel wegen seiner Ausdehnung als das primäre, die oberflächliche Ossifi- cationsschicht als das secundiire beurtheilt werden. Geht nun auch von dieser letzten das Wachsthum des Skeletstückes in die Länge aus, so dass in späteren Stadien es den Anschein gewinnt als ob der ganze Knochen oder doch sein grösster Theil auf diese Art ent- standen sei, so ist bei Beurtheilung dieses Verhaltens eben «doch jenes frühe Stadium mit in Betracht zu ziehen, und daraus ergibt sich, dass den Beutelknochen eine selbstständige knorpelige Grundlage zukommt. Diese repräsentirt einen besondern Skelettheil, der vor dem Schambein gelegen, durch Beziehungen zum äussern schrägen Bauchmuskel sich nach vorn zu vermittelst hinzutretender Knochen- lamellen bedeutender in die Länge erstreckt. Das Verhältniss dieses durch Knochengewebe besorgten Liingenwachsthums ist vollkommen ähnlich dem Wachsthum des vorderen Darmbeinfortsatzes bei den Vögeln, wie das von mir früher!) ausführlich beschrieben ward. Diese sich aus der Anlage ergebende Auffassung des Os mar- supiale complicirt offenbar die Deutung des Beckens in derselben Richtung wie es durch das Verhalten der Schambeine geschah. Wir werden nunmehr mit zwei vor dem eigentlichen Beckengürtel liegenden Skelettheilen zu rechnen haben, und damit stellen sich neue, bisher ungeahnte Aufgaben. Für deren Lösung kann nur die sorgfältigste embryologische Untersuchung die Bahn brechen. Bis dies geschehen, wird jedes vergleichende Urtheil, jede weiter ausgreifende Deutung der bis jetzt bekannten Thatsachen zurückzu- halten sein. 1) Jenaische Zeitschrift. Bd. VI. p. 212 u. figde. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklirung der Abbildungen. Tafel XIV. Rechtes Hiiftbein von Echidna. m. Beutelknochen. Dasselbe von Ornithorhynchus. m. wie in Fig. 1. Pfannentheil des rechten Hüftbeins von Halmaturus. Rechtes Hüftbein von Lepus timidus. Pfannentheil des rechten Hüftbeins voh Inuus spec. Desgleichen von Inuus erythraeus. Fiir alle Figg. giiltige Bezeichnung. Ti. Darmbein. Is. Sitzbein. “ P. Schambein. r. Schambeintheil ) 5 s. Sitzbeintheil 4 des Darmbeins. x. Schambeintheil } y. Darmbeintheil | tp, ip. Eminentia ilio - pectinea s. tuberculum ilio-pectineum. (Tub. ilio-pubicum. des Sitzbeins 2 bad. if { Mies: BR: on “ng, N Ba hin an Buc lst ale ir) See Aah ETF ’ a Biv bah » N ers? EN HR Sr Morphol. Jahrbuch Bd. I. Z Tot XW. Gegenbaur, gez Lith, Anstv. J G Bach, Leipzi genbaur, 9 Hi, 9 Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. Von Wichard Lange. Mit Tafel XV—XVII. Die ersten histiologischen Untersuchungen des Seesterns, welche von mir im Frühjahr 1875 im zoologischen Institute zu Kiel begon- nen wurden, bezweckten, den feineren Bau der Sehorgane von Aste- racanthion rubens (Retz.) genauer zu studiren. Die Eigenart der histiologischen Elemente und ihrer Anordnung fiihrten bald zur wei- teren mikroskopisch - anatomischen und histiologischen Untersuchung der ganzen radialen Nervenbahn sowie zur Vergleichung mit ande- ren Arten und Gruppen der Echinodermen. In letzterer Beziehung fesselten mich besonders die Ophiuren, speciell die Ophiura tentu- rata (Forbes), deren Vergleichung mit dem Seesterne sich als sehr lehrreich herausstellte. Was die Anordnung des Materials anbetrifft, so bin ich theils der allmäligen Entstehung meiner Arbeit gerecht geworden, theils practischen Rücksichten gefolgt. So habe ich z. B. das, was ich zur Anatomie und Histiologie der Ophiuren beitragen kann, der Hauptsache nach in die Darlegung der Verhältnisse beim Seestern eingeschoben, weil jene Data bedeutend klarer und geeig- net sind, auf einen Theil der letzteren willkommenes Licht zu werfen. Dergestalt habe ich den Versuch zur Beantwortung der schwierigsten Fragen erst gemacht, nachdem ich mir vorher einen sicheren Boden zur Vergleichung geschaffen. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Cart Mö- BIUS, sage ich hier für den mannigfachen wissenschaftlichen Rath, 242 W. Lange mit welchem er mich während meiner Untersuchungen unterstützte, meinen aufrichtigen Dank. Kiel, Marz 1876. I. Zur radialen Nervenbahn der Asterien. (Anatomie. ) Ventralwärts zwischen den Reihen der Ambulacralfüsschen ist die Ambulacralfurche eines jeden Armes geschlossen durch ein Band (Fig. I u. 2, d), dessen Querschnitt die Form eines stumpfen Winkels zeigt. Die Oeffnung dieses Winkels ist dorsalwärts, die Spitze ventral- wärts gerichtet. Das peripherische Ende des Bandes bildet die bekannte kolbige Anschwellung, in welche die Einzelaugen des Seesterns einge- bettet sind (Fig.3, «4). Dieses Band ist das vielgenannte orangefarbene Gefäss TIEDEMANN’S!) oder der platte bandartige Nervenzweig Jon. MÜrLer’s, welcher Letztere das orangefarbene Ringgefäss TIEDEMANN’S für den Nervenring erklirte?). Die radiale Nervenbahn ist von Eini- gen als solide, von Anderen als hohl hingestellt worden. Statt je- doch im Voraus auf die widersprechenden Ansichten verschiedener For- scher einzugehen, ziehe ich es vor, in die Darstellung meiner eige- nen Untersuchungen die Ansichten Anderer einzuflechten. Im anderen Falle würde ich immerhin gezwungen sein, mich häufig zu wiederholen. Ich beginne mit der Beschreibung eines Querschnittes durch den Arm von Asteracanthion rubens der Ostsee, welche am besten ge- eignet ist, eine richtige Vorstellung von einigen wichtigen topographi- schen Verhältnissen zu geben. Am meisten dorsalwärts in der Ambulacralfurche liegt das Am- bulacralgefäss (Fig. 1 u. 2, «), eingebettet in ein lockeres Binde- gewebe (Fig. 2, dd). Darunter spannt sich zwischen den gelenk- artig verbundenen Ambulacralplatten (w) ein starker Quermuskel (m) und ein horizontales bindegewebiges Septum (Fig. 2, 4). Durch letzteres wird die Oeffnung des stumpfen Winkels, welchen das oben erwähnte Band auf dem Querschnitte darstellt, annähernd zu einem !) T. TinpEMANN. Anatomie der Röhrenholothurie des pomeranzfarbigen Seesterns und des Steinseeigels. Heidelberg. 1820. 2) Jon. MÜLLER, Ueber den Bau der Echinodermen. Abh. der Königl. Akad. der Wissenschaft. zu Berlin aus dem Jahre 1853. Dessen Archiv 1853. Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 243 eleichschenkligen Dreiecke geschlossen. Den ganzen Bezirk, welcher somit dorsalwärts vom bindegewebigen Horizontalseptum , ventral- wärts von der äusseren Grenze des Bandes umschrieben wird, be- zeichne ich vorläufig mit dem von meimen Vorgängern adoptirten unbestimmten Namen »Nervenbahnc«. , Das Dreieck nun, welches die Nervenbahn auf dem Querschnitte zeigt, umgrenzt, wie die Figuren 1 und 2 andeuten, einen Hohlraum, welcher dureh ein verticales Septum (s), angeheftet an die Spitze des Dreiecks einerseits und an die Mitte der Basis andererseits, in zwei gleiche Theile (c, c) getheilt wird. Schon Jon. MULLER sah diese senk- rechte Leiste und erklärte sie für den Nerven TIEDEMANN’s. Was uns hier zunächst interessirt, ist die Thatsache, (dass das in Frage stehende Band (4) an der Bildung eines Canales betheiligt ist, weleher in der Längsrichtung des Armes die Nervenbahn durchzieht. In der That er- klärten noch verschiedene Forscher die Nervenbahn für hohl, so Ows- JANNIKOW !) und besonders GREEFF ?) und HOFFMANN *). Nach den obi- gen Auseinandersetzungen würden wir aber nicht von einem, sondern von zwei neben einander liegenden, durch das verticale Septum getrenn- ten Canälen zu reden haben. Wenn dagegen Horrmann deren drei be- schreibt und GREEFF sogar von vieren zu reden geneigt ist, so kann ich den Ansichten Beider nicht beipflichten. Nachdem auch Greerr den (uerschnitt in gleicher Weise wie ich geschildert hat — ohne jedoch des Quermuskels Erwähnung zu thun — fährt er fort (II p. 97): »Prüft man aber genauer, so erkennt man, dass die senkrechte Scheidewand, die den Nervencanal zunächst in zwei grössere seitliche Hälften scheidet, kurz vor ihrer Basis in drei Blätter auseinanderfährt, ein mittleres senkrechtes, die Fortsetzung der Hauptscheidewand, und zwei in einem spitzen Winkel davon abgehende seitliche. Hierdurch ent- stehen abermals zwei kleinere Hohlräume, die ebenfalls die Lumina !) Tu. OwsJANNIKOW. Ueber das Nervensystem des Seesterns. Mélanges biologiques tirés du Bulletin de Académie de St. Pétersbourg. März 1871. 2) R. GREEFF. Ueber den Bau der Echinodermen. Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. | Mit diesen röm. 1. Mittheilung : Sitz.-Ber. No. 8. Nov. 1871 (I) Ziffern werde ich D\ = = = eu Wore (ih) fortan die entspr. 3. = - - = 11. Nov. u. Dec. 1872 (II) | Mittheilungen eiti- ren. 3) Zur Anatomie der Asteriden; von Dr. ©. K. HOFFMANN, Conservator am Reichsmuseum zu Leiden (aus dem Niederländischen Archiv für Zoologie. Band II. Erstes Heft. 1873). 244 W. Lange zweier Canäle zu sein scheinen. Die radiale Nervenbahn würde somit von vier Canälen durchzogen sein.« Ein ganz ähnliches Bild, wie es hier GREEFF schildert, erhielt auch ich auf manchen Querschnitten, aber nicht auf allen. Erhielt ich dasselbe, so fehlte im Gegensatz zu der oben von mir gegebenen Beschreibung eines Querschnittes der Quer- muskel (a), und der Durchschnitt des Ambulacraleanals stellte sich nicht als geschlossener Kreis dar, wie in den Figuren 1 und 2a, sondern als Oval (Fig. 24, a), welches nach beiden Seiten sich in die kurzen Zweige (Fig. 25, z) für Ampulle und Saugfüsschen auszieht. Ferner war auf einem solehen Querschnitte das Lumen der hohlen Nervenbahn nicht in zwei sondern in vier kleinere Lumina getheilt (Fig. 26, e, c; x, x.). Dieses Bild wird dadurch hervor- serufen, dass vom oberen Dritttheil des Septums nach beiden Seiten Querzweige ausgehen, das Septum mithin als Kreuz erscheint (wie Figur 26 zeigt). Löste ich ein Stück eines Armes vollständig in Querschnitte auf, so kehrten beide Bilder in regelmässigen Inter- vallen wieder, und es galt daher, um die Verhältnisse des Septums richtig aufzufassen, beide zu combiniren. Aus dieser Combination folgt, dass das verticale Septum in regelmässigen Abständen zwei Querstränge nach rechts und links entsendet, welche die beiden Längscanäle (e, c) der Nervenbahn durchkreuzen. Ein glücklich seführter horizontaler Längsschnitt aber kann allein geeignet sein, einen solehen Sachverhalt klar und übersichtlich aufzudecken. Die beigefügte Skizze (Fig. 4) ist nach einem solchen Horizontalschnitte gezeichnet. Der zu Grunde liegende Schnitt zeigt bei der tiefsten Einstellung des Mikroskops scharf den Ambulacraleanal mit seinen Zweigen, bei höherer die Quermuskeln (m), bei noch höherer die Querzweige (z) und den Theil des Septums, von welchem dieselben ausgehen. (Die Zeichnung eibt nur das eine Ende des etwas schräg gefallenen Schnittes, wo der Ambulaeralcanal weggeschnitten und nur bei « durch die punctirte Linie angedeutet ist. Das Septum mit sei- nen Zweigen (z) und die darunter sich ausspannende Quermuskula- tur (m) sind deutlich erkennbar. Vergl. dazu auch Fig. 5.) Wenn somit bewiesen ist, dass es nur zwei durch das verticale Septum getrennte Längscanäle in der radialen Nervenbahn gibt, ob- wohl die an bestimmten correspondirenden Stellen durch den Arm geführten Querschnitte vier Lumina zeigen, so ist damit zugleich begreiflich, wie GREEFF vier Canäle vermuthen konnte, wo er an- fangs nur zwei entdeckte. Ein Blick auf Fig. 4 lehrt übrigens, dass man noch ein drittes Bild erhalten kann auf Querschnitten, welche Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 245 weder den Quermuskel') noch die Zweige des Septums treffen. In keinem Falle aber habe ich bei scharfen Präparaten Bilder bekom- men, welche drei Lumina in der Weise zeigten, wie HOFFMANN sie abbildet. — Zur weiteren Illustration des Mitgetheilten verweise ich noch auf die verticalen Längsschnitte (Fig. 3 u. 17 a), welche bei m die Quermuskel, bei s das Septum zeigen. Meine Untersuchungen hinsichtlich dieser Verhältnisse bezie- hen sich auf Asteracanthion rubens (Retz.) der Ost- und Nordsee, Solaster papposus (Retz.) und Astropeeten aurantiacus (Phil.) der Nord- see. Bei Cribrella sanguinolenta (0. T. Müll.) ist, beiläufig bemerkt, der Querschnitt der Nervenbahn nicht dreieckig. Das Band, welches die Ambulacralfurche deckt, zeigt auf dem Querschnitte nicht jenen für die besprochenen Species characteristischen Winkel. Die Zweige des Septums lassen sich bis zu den von mir auf- gefundenen und unten näher zu beschreibenden Ventilen des Ambu- lacralgefässsystems verfolgen. Die Figur 4, in welcher bei vo ein solches Ventil durch den Schnitt eben getroffen ist, illustrirt diesen Befund. Ihr weiteres Verhalten ist mir dunkel geblieben. Auch am frischen Bande von Asteracanthion r., welches ich mit einer Pincette aus der Ambulacralfurche gerissen, konnte ich des Septums als eines Stranges ansichtig werden, welcher in regelmässigen Abständen nach beiden Seiten Zweige entsendet. Das Septum endigt nach HorrMann in dem dorsalwärts vom Augenkolben gelegenen Fühler. Dieser zeigt nach ihm »innerlich eine ') Diese Quermuskeln sind merkwürdiger Weise von GREEFF und Horr- MANN bei ihren Betrachtungen nicht berücksichtigt worden. »Bei den Asterien«, sagt Jon. MÜLLER, »sind die rechten und linken Ambulacralplatten in der Mitte der Armfurchen zusammen beweglich verbunden, so zwar, dass sie durch inein- ander greifende Zähne eine Art Gelenk bilden; unterhalb und oberhalb der ge- zähnten Verbindung liegen Quermuskeln, welche das Ambulacrum erweiteru und verengern. Durch die mit einander verbundenen Apophysen der Ambulacral- platten hat der mittlere Theil des Ambulacrums, von der Bauchhöhle aus be- trachtet, die Gestalt einer Wirbelreihe mit Seitenfortsätzen. Der Ambulacral- canal des Arms, entspringend aus dem Ringeanal des Wassergefässsystems, liegt auf der Knochencolumne des Strahls am tiefsten in der Rinne dieser Co- lumne. Darüber liegen die äusseren Quermuskeln, welche die Hälften der wir- belartigen Stücke gegen einander zu bewegen, die Ambulacra zu verengen ver- mögen. Erweiterungen des Gefässes drängen sich zwischen je zwei Quermuskeln ; hier entspringt der Ast zum Saugfuss, quer hin verlaufend. Der Saugfuss ist auf das Loch zwischen den Seitenfortsätzen der wirbelartigen Stücke aufgesetzt und verlängert sich durch dieses Loch hindurch in die inwendig unter dem Am- bulaeralskelet liegende Ampulle«. Jou. MÜLLER |. ec. pag. 167. 168) Morpholog. Jahrbuch. 2. 17 246 W. Lange Höhlung, welche mit der der radialen Nervenstämme in Zusammen- hang steht. In diese Höhlung setzt sich die senkrechte Leiste fort, welche sich an die Spitze des Fühlers inserirt. Durch die in dieser Leiste vorkommenden Muskelfasern kann der Fühler, wenn er her- vorgestreckt war, zurückgezogen werden«'). Von diesen Angaben kann ich nur die eine bestätigen, welche den Fühler innerlich mit einer Höhlung ausgestattet sein lässt. GREEFF spricht von Höhlun- gen des Auges und des Fühlers, »welche zusammen einen Canal bilden, der weiter hin nach hinten d. h. nach der zum Munde ver- laufenden Ambulaeralrinne sich fortzusetzen scheint«?). Nun ist in der That die Höhlung des Fühlers nichts anderes als das Ende des Ambulacraleanals (Fig. 3, e), wie ich sowohl an verticalen Längs- schnitten als auch an Querschnitten, in welche ich die Spitze eines Armes vollständig auflöste, zu demonstriren vermag, und enden so- mit die radialen Wassergefässcanäle allerdings blind, wie HOFFMANN anzunehmen geneigt ist®). Dass aber die Höhlung des Fühlers die Fortsetzung derjenigen der radialen Nervenbahn sei, muss ich be- streiten und eo ipso die von HOFFMANN angegebene Endigungsweise des Septums. Die Bewegungen des Fühlers werden mit Hülfe einer ihm eigenen Längsmuskulatur in ähnlicher Weise wie die der Saug- füsschen bewerkstelligt. Was ich über die Endigungsweise des Sep- tums zu bemerken habe, werde ich bei einer anderen Gelegenheit einflechten. Dass man übrigens von einer besonderen Höhlung des Auges spricht, welche sich in die Höhlung des Fühlers fortsetze (GREEFF |. e. I pag. 3), scheint mir nicht ganz am Platze. In Wahrheit existirt nur eine Höhlung als terminale Erweiterung des Ambulacraleanals (Fig. 3, e), welche wir eher als Höhlung der Füh- lers, denn als Höhlung des Auges ansprechen können. Um den Sachverhalt noch einmal kurz zusammen zu fassen: Die radiale Nervenbahn ist hohl und von einem senkrechten Längs- septum durchzogen, welches die Höhlung der ersteren in zwei neben einander laufende Längscanäle scheidet. In regelmässigen Inter- vallen, immer zwischen je zwei aufeinander folgenden Wirbelstücken, entsendet das Septum, zugleich mit dem Ambulacraleanal und ven- tralwärts von demselben, nach beiden Seiten Zweige, welche die Lumina jener Canäle durchkreuzen. bal 2) 1. e. I. pag. 4. Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 247 Hinzufügen will ich noch, dass GEORGE OsstAN Sars, in seinen 1575 erschienenen höchst interessanten Researches on the structure and affinity of the genus Brisinga, auch für die Brisinga nur zwei Liingseaniile der radialen Nervenbahn constatiren komnte'). Bei genauerer Prüfung aber ergibt sich weiter, dass das verti- cale Septum nicht einfach, sondern aus zwei Blättern gebildet ist, die sich an der Spitze des Dreiecks je nach rechts und links um- schlagen (Fig. 2a, s, s,). Ebenso ist die Natur desselben von GREEFF beschrieben worden (l. e. II pag. 97). Diese Blätter er- scheinen auf Sehnitten meist dieht an einander gelagert. Nicht sel- ten aber begrenzen sie ein Lumen, welches an den Knotenpuncten, wo die Zweige abgehen, das Bild eines Kreuzes liefert. So kann sich auf Querschnitten ein drittes Lumen zeigen, welches aber durch- aus nicht dem dorsalen der drei Lumina in der Figur 11 u. 12 (Taf. I) von Horrmann entsprieht (Fig. 2a, 2). Das ganze Septum scheint ein in der hohlen Nervenbahn aufgehängtes schlauchartiges Gebilde zu sein, dessen Wände sich meistens, wahrscheinlich dureh den Einfluss des Alkohols, contrahiren und zusammen klappen. Ehe ich nach dieser Schilderung der allgemeinen topographischen Verhältnisse der r. Nervenbahn zur Histiologie derselben übergehe, gebe ich eine Beschreibung des schon erwähnten Ventilsystems des Ambulaeralgefässes, welche sich hier am zwanglosesten anreiht. II. Ueber ein Ventilsystem im Bereiche der Wassergefiiss- bahnen. (Asteracanthion r. ; Astropecten aur.) Jeder kurze Seitenzweig eines radialen Ambulacralgefässstam- mes mündet in einen Hohlraum, der sich nach unten in das Saug- füsschen (Fig. 2 6, sf), nach oben in die contractile sehr muskulöse Ampulle (Fig. 25, amp) öffnet. Die Ampulle ist schon lange als eine Art Pumpe zum Behufe der Schwellung des Füsschens betrach- tet worden. Den Pumpen fehlten nur die Ventile. Die Schwellung der Füsschen bei Asteracanthion rubens ist ziemlich bedeutend, das !) On some remarkable forms of animal life from the great deeps off the Norwegian coast. Il. Researches on the structure and affinity of the genus Brisinga, based on the study of a new species: Brisinga coronata, by GEORGE OssIAN Sars, Professor of Zoology at the University of Christiania. Christia- nia. 1875. pag. 26. ies 248 W. Lange erigirte Fiisschen von ziemlich prallem Ansehn. Deshalb wird der Druck innerhalb der Gefiissbahn, wenngleich er durch die Contraction der Ampullen’ erhöht wird, schwerlich genügen, diese Erscheinungen zu erklären, besonders, wenn wir die Communication des Ambula- cralgefässsystems mit dem umgebenden Medium bedenken. Ein ein- ziges Füsschen kann geschwellt und in prallem Zustande erhalten werden. Die Füsschen einer abgeschnittenen Armspitze sind noch längere Zeit fähig, ein lebhaftes Spiel zu unterhalten. Durch Pres- sen einer bestimmten Gruppe von Ampullen kann man ausserhalb des Wassers die entsprechende Gruppe von Füsschen zur Erection bringen. Auf Grund dieser Ueberlegungen und Erscheinungen kann man geradezu folgern, dass ein ventilartiger Verschluss gegen den Gefässstamm vorhanden sein muss, wie er denn auch wirklich in Gestalt von Taschenventilen vorhanden ist (hierzu Fig. 5 u. 6). Am besten bekommt man die Ventile auf einem horizontalen Längsschnitte zu Gesicht (Fig. 5, v). In jeden von dem Stamme abgehenden Zweig sieht man den Längsdurchschnitt eines Trichters hineinragen, dessen enge Oeffnung nach dem Saugfüsschen und des- sen weite Oeffnung nach dem Ambulacralgefiiss sieht (Fig. 5, 2). Das Ventil hat dadurch auf einem solchen Schnitte das Ansehen zweier gegen einander geneigter Klappen. Davon aber, dass es keine eigentlichen Klappen sind, überzeugen uns Querschnitte durch das Ventil (in Fig. 5 durch die punctirte Linie angedeutet), welche wir auf verticalen Längsschnitten durch den Arm des Seestern er- halten müssen (Fig. 6). Wir ersehen aus denselben, dass das Ven- til gebildet wird durch zwei seitliche Taschen (¢sch), welche einen verticalen von dem Gefässstamme nach dem Füsschen hin sich ver- engenden Spalt (¢) zwischen sich lassen. Man blickt (Fig. 6) vom Saugfüsschen her in die Taschen und den Spalt hinein (im der Rich- tung des Pfeiles in Fig. 2 4). Die Ampulle und deren Communica- tion mit dem Saugfüsschen, dessen Wandung (sf) durch den Schnitt gestreift ist, hat man sich über der Papierfläche zu denken. Con- trahirt sich die Ampulle und wird in den beiden Taschen das Wasser angestaut, da der Spalt keinen schnellen Abfluss gewährt, so müs- sen sich die nichts weniger als straff angezogenen Wände des Spal- tes aneinander legen und dadurch den Rückfluss des Wassers in das Hauptgefäss verhindern. Ob der Verschluss des Ventils noch durch die Action zweckentsprechender Muskelfasern befördert wird, muss ich dahin gestellt sein lassen. Doch scheinen sich Muskel- fasern aus der Liingsmuskelschicht des Saugfüsschens direct auf Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 249 die Ränder des Spaltes fortzusetzen. Es ist die verticale Stellung des Spaltes , welche bedingt, dass man durch Querschnitte kaum zu einer Einsicht in diese Verhältnisse gelangen wird. Diesem Umstande schreibe ich es zu, dass bisher dieser Apparat des Wassergefässsystems, durch welchen allererst dasselbe zu einem wahren Pumpsystem wird, übersehen worden ist. Nunmehr erhellt, »dass bei einer Einziehung der Saugfüsschen immer deren Ampullen sich füllen, sowie bei einer Ausstreckung derselben zunächst der Inhalt der Ampullen sie schwellt« '). Das Spiel der Ambulacralfiisse beruht auf einem Wechselspiel ihrer eigenen kräftigen Muskulatur und derjenigen der Ampullen. Contrahirt sich die Ampulle, so wird gleichzeitig die Längsmuskulatur des Füsschens weniger angespannt sein und umgekehrt. Ist weder die Muskulatur des Saugfüsschens noch die der Ampulle besonders angespannt, so wird dem gelegent- lichen Wasseraustausch zwischen Ambulacralgefäss und Saugfüsschen nichts im Wege stehen. Was den Fühler anbetrifft, welcher für gewöhnlich in ausge- strecktem Zustande zu verharren pflegt, so habe ich weder Ampullen, welehe ihn speisen, noch einen ventilartigen Abschluss gegen den Ambulacralgefässstamm entdecken können und bin daher geneigt, seine weniger energische Schwellung lediglich dem Drucke innerhalb der Gefässbahn zuzuschreiben. Das schnelle Einziehen des Fühlers wird bewerkstelligt durch seine schon oben erwähnte Längsmusku- latur. Die beschriebenen Ventile habe ich beobachtet bei Asteracan- thion rubens und Astropeeten aurantiacus. Auffallend ist, dass nach Sars die Ampullen des Brisinga sehr dünnhäutig und nicht im Stande sind, zur Schwellung der Füsschen activ beizutragen. »As regards the proper movement of the water-feets, it is effected apparently only by help of the muscles imbedded in their walls; not as is usually supposed by any independent contraction of the ampollae belonging to the water-feet. These ampollae are in any case in the Brisinga so extraordinarily thinskinned, that they scarcely could have any other destination than to take up the superfluous water as simple reservoirs when the water-feet are contracted, and again to deliver out the wa- ter required when the water-feet are extended«?). Den Ophiuren fehlen contractile zur Schwellung der Füsschen I) GEGENBAUR, Grundriss der Vergl. Anatomie 1574. pag. 237. 2) ]. ec. pag. 41, 42. 250) W. Lange dienende Ampullen. Die Seitenzweige des Ambulacralcanals treten seitlich in besonderen Caniilen durch den compacten Wirbelkörper hindurch, um die in einer Pfanne des letzteren sitzenden Saugfüss- chen zu erreichen (vergl. Jou. MÜLLER |. e. und mein Schema, Fig. 11). Der Mangel einer Ampulle ist durch Bau und Loealisirung des Saugfüsschens ersetzt. Das Saugfüsschen ist zu einem weiten muskulösen Sacke ausgedehnt, welcher sein dünneres unteres Ende durch eine enge bindegewebige Scheide nach aussen vordrängen kann. Der oben einmündende Zweig des Ambulacraleanals ist (im Gegensatz zu den Asterien) eng, und eine Ringmuskulatur an der Einmündungsstelle wird genügen, sein Lumen zu schliessen. Nach einigen Präparaten von Ophiura texturata scheint mir die Oeffnung nur in einem schmalen Schlitz zu bestehen. III. Histiologie der radialen Nervenbahn des Seesterns. IA Die meisten histiologischen Elemente des Seesterns lassen sich im frischen Zustande höchst ungenügend oder gar nicht untersuchen und man ist gezwungen, seine Zuflucht zu Härtungen zu nehmen. Ich schicke hier einige Worte über die angewandten Methoden vor- aus. Zum Behufe der Herstellung von Zerzupfungspräparaten hilft man sich angesichts der erwähnten Calamität am besten mit sehr verdünnter Osmiumsäure, ein Ausweg, welchen auch HorrMAnn be- sonders eingeschlagen hat. Ueber Concentration der Lösung und Dauer der Behandlung Genaueres anzugeben, ist fast müssig, da man bald auf diese, bald auf jene Weise besser zum Ziele gelangt. Um sich vor Irrthümern zu hüten, denen man bei Zerzupfungspräpa- raten in Folge der gewaltsamen Dislocation der Elemente gar leicht anheimfällt, ist ein Rückhalt an klare nach allen Richtungen durch ganze Körpertheile geführte Schnitte von grosser Bedeutung. Hier begegnet man jedoch bei den sehr skeletreichen Thieren nicht un- erheblichen Schwierigkeiten. Die Echinodermen der Ostsee zeich- nen sich aber durch geringere Härte der Skelettheile vortheilhaft vor denen der Nordsee aus. In Alkohol gehärtete und in reines Stearin eingeschmolzene Theile von Asteracanthion rubens liessen sich sehr gut schneiden, ohne dass eine Entkalkung nöthig gewesen wäre. Die meisten von mir beigebrachten histiologischen Details beziehen sich daher auf Asteracanthion rubens der Ostsee, und wenn Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien une Ophiuren. 251 ich im Allgemeinen »Seestern« sage, so denke ich an diesen. Zum Färben bediente ich mich des Picrocarmins und Carmins. Auch mit Osmiumsiiure leicht behandelte. und darauf in absolutem Alkohol ge- härtete (unter Umständen noch mit Picrocarmin gefärbte) Theile lie- ferten sehr gute Bilder. Ausgezeichnet stellt diese Methode auf Schnitten das Stäbehenepithel dar. Auch von Thieren mit sehr har- tem Skelet, z. B. der Ophiura texturata habe ich mich bemüht Schnitte durch nicht entkalkte Theile zu machen und die Chrom- säurebehandlung , welche weniger scharfe Bilder lieferte, nur als Aushülfe in Anwendung gebracht. Ich stelle jetzt noch kurz die Angaben von GREEFF und Horr- MANN über die radiale Nervenbahn , welehe ich nicht gut meiner eigenen Darstellung vollständig einflechten kann, ohne die Sache zu bunt zu machen, im Auszug zusammen. GREEFF findet »die Oberfläche des ganzen Nervensystems, so- wohl des Ringes wie der Radialstämme mit einem lebhaft schwin- genden Wimperüberzuge bekleidete. »Auf die Cuticula folgt ein kleinzelliges Plattenepithel und auf dieses eine breite nach innen scharf abgegrenzte und ebenfalls mit einem, dem äusseren ähnlichen, inneren Epithel bekleidete Schicht, die, mit Ausnahme der zu den eigentlichen Sehwerkzeugen gehörenden Gebilde, ganz dieselbe Zu- sammensetzung aus Fasern und Zellen zeigt« wie sie der Parenchym- schicht des Auges angehörig ist. »Diese Schicht, die das eigentliche aus der Bauchfurche leistenartig sich erhebende breite Band oder Blatt bildet, ist das orangefarbene Gefäss TIEDEMAnN’s und das Nervensystem Jou. MÜLLER’s. Anscheinend endigt dieses Band, bei- derseits von der Ambulacralrinne , am Grunde der Saugfüsschen. Prüft man aber genauer an guten Querschnitten, so sieht man, dass das Band, allmälig schmaler werdend, umbiegt und direct in die Haut der Saugfüsschen übergeht und sie bildet. Die fragliche am- bulacrale Leiste des Nervensystems ist mit kurzen Worten nur eine Fortsetzung oder Ausstülpung der äussern Haut, in die sie sowohl dureh Vermittlung der Saugfüsschen, als auch an anderen Stellen direet übergeht. Sie kann somit wohl nieht als das Nervensystem betrachtet werden, wenn auch in sie Nervenelemente von innen eintreten, sondern als das Integument, das die im Innern liegende Nervensubstanz um- schliesst. Diese letztere, die innere Wandung des Integuments aus- kleidend, ist ihrerseits durchbrochen von dem durchziehenden oben- erwähnten Canale. Auch an das »Septum scheint sich beiderseits 2,52 W. Lange die Nervensubstanz hinauf zu ziehen, so dass hierdurch das Nerven- system in zwei Theile geschieden sich darstellt. Bezüglich der Zu- sammensetzung dieser Nervensubstanz konnte ein Unterschied zwi- schen Ring- und Radialstämmen bisher nieht aufgefunden werden. In beiden Theilen finden sich Zellen und Fasern« (l. e. I pag. 6,08 ud. L. c. II pag. 95: »Das, was TIEDEMAnN als Nerven angibt, sind keinesfalls solche, sondern das, was er als das orangefarbene Gefäss beschreibt mit seinen in die Arme tretenden Aesten, sind un- zweifelhaft zunächst die Nerven. Aber diese Nerven, breite, Fasern- und Zellen-haltige Bänder, umschliessen unmittelbar ein Canalsystem, und dieses ist das Tıspemann’sche orangefarbene Gefäss mit seinen Arm-Aesten. Beides, Nervensubstanz und Blut, sind in unmittelbar- ster Berührung, Gefäss und Nerv untrennbar mit einander verbunden, der Letztere ist gewissermassen die Scheide des Ersteren.« Daselbst pag. 101: »Das ganze Augenparenchym scheint über- haupt ungemein reich an Nervenelementen zu sein, ja zum grössten Theil daraus zu bestehen. Dasselbe gilt von den Hauptstämmen des eigentlichen Nervensystems, sowohl den Ring- als den Radialnerven. Auch hier scheinen die Nervenelemente nicht blos auf die inneren Schichten beschränkt, sondern das ganze Nervenband aus Nervenfasern (radiären und longitudinalen) und Ganglienzellen zusammengesetzt zu sein.« L. c. HI pag. 156: »Das Nervenband nämlich, aus der Am- bulaeralrinne sieh erhebend und schmaler werdend, geht direet auf die Haut der Bauchfurchen und Saugfüsschen über, die äussere Hautschicht derselben bildend. (Nervenschicht.)« So weit GREEFF. Nach HorrMann stimmt die histiologische Structur der radialen Nervenstiimme mit der des Nervenringes vollkommen überein (I. e. pag. 8).: »Aeusserlich sind die Nervenstiimme mit Wimperhaaren be- kleidet; darauf folgt eine Cuticulac, »und darauf ein sehr kleines Pfla- sterepithelium. Auf das Pflasterepithelium folgt die eigentliche Nervensubstanz.« -— »Die in den Nervenblättern enthaltene Nerven- substanz setzt: sieh andererseits auch auf der senkrechten Leiste theilweise fort.« — »Die mikroskopische Untersuchung lehrt nun, dass in den Nervenblättern eine sehr grosse Anzahl von Ganglien- zellen vorkommt. In jeder Zelle, deren Diameter von 0,005 bis 0,008 Mm. wechselt (Fig. 14), bemerkt man einen sehr grossen Kern, weleher den Zellkörper fast vollkommen ausfüllt. Im Innern der Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 255 Kerne kommt ein Kernkérperchen vor. Das Protoplasma der Zel- len ist äusserst ‘feinkérnig. Von jeder Zelle entspringen gewöhn- lich zwei Fortsätze oder Fasern \Nervenfasern), eine centrale und eine pheripherische. Die erstere ist gewöhnlich kürzer als die letz- tere, welche sich zuweilen diehotomisch theilt. Die Fasern sind unmessbar dünn, entbehren sowohl der Markscheide als der Hülle und bestehen nur aus Cylinderaxen. Die peripherischen sowohl als die eentralen Nervenfortsätze können sehr schöne Varicositiiten zeigen. Die Fasern kreuzen einander in allerlei Richtungen. Zellen und Fasern liegen in einer feinkörnigen Grundsubstanz eingebettet, welche der grauen Hirnsubstanz höherer Thiere ähnelt. Ausserdem verlaufen in den Nervenbliittern auch noch stäbchenförmige Fasern, sewöhnlich in radiärer Richtung. Ihre Bedeutung ist mir aber un- bekannt geblieben. Mit den Nervenzellen hängen sie nicht zu- sammen.« Die sowohl von GREEFF als auch von HOFFMANN angegebene äus- sere Bewimperung der radialen Nervenbahn habe auch ich hin und wie- der zu beobachten Gelegenheit gehabt, ohne allerdings im Stande zu sein, die Grenzen derselben genau zu fixiren. Die Wimpern sitzen auf der ziemlich derben glashellen Cuticula (Fig. 2a, ct). Nach einem nun folgenden Plattenepithel, wie es GrREEFF und HOFFMANN ange- geben, habe ich oft, aber immer vergebens gesucht. Ich finde vielmehr unter der Cuticula eine dichte Lage langer Zellen von _be- merkenswerther Gestalt (Fig. 2a, ep; Fig. 8, ep; Fig. 7, ep). An einem relativ langen, die ganze sogenannte Parenchymschicht GREEFF’S durehsetzenden Stabe sitzt als Köpfehen der eigentliche Zellenleib mit Kern und Kernkörperchen (Fig. 7, ep, f). Der Stab dringt oft in den letzteren ein und ist «dann nicht selten bis zur Oberfläche desselben nach Behandlung mit Osmiumsäure zu verfolgen. Häufig ist der Stab auch seitlich mit dem Leibe der Zelle verbunden. Am entgegengesetzten Ende hat er eine leichte Gabelung. Diese gega- belten Stibchenzellen sind radiär angeordnet, so dass sie auf jedem Querschnitte und Längsschnitte in die Augen fallen. Die Stäbchen lassen Zwischenräume zwischen sich, während die Köpfehen der Zellen eine zusammenhängende Decke bilden, welche die Cuticula trägt. Diese Decke ist oft dicker als das Köpfchen der Zelle lang. Dadureh aber, dass die eigentlichen Zellleiber in nicht ganz gleicher Höhe am Stabe angebracht sind, sich prosenchymatisch zwischen einander schieben und auch manchmal eine Liickenzelle ohne Stab zwischen sich haben, wird die eigenthümliche Structur der Decke 254 W. Lange hervorgebracht, welche auf dickeren Schnitten als eine compacte mit Kernen erfüllte Schicht erscheint. Vergebens habe ich nach einem Zwischengliede zwischen dieser Decke und der Cuticula gesucht. An Zerzupfungspräparaten sieht man häufig noch einzelne Zellen oder Gruppen von Zellen an der Cuticula kleben und kann sie künstlich unter dem Mikroskop von derselben trennen: soweit ich sehen konnte, stossen sie direct an dieselbe. Da sich bei Anwendung von Fär- bungsmethoden nur jene Decke hervorstechend färbt und auf Quer- und Längsschnitten als rother Streifen unter der Cuticula erscheint, so könnte dadurch vielleicht der Schein eines kürzeren Epithels her- vorgerufen werden, welches allerdings immer noch eher als Cylin- der- denn als Plattenepithel zu bezeichnen wäre. Die zwischen den Stäben gelassenen Räume erscheinen auf Querschnitten fein punetirt (Fig. 2a). Längsschnitte (Fig. 8) und Zerzupfungspriiparate lehren, dass dies die Folge ist von äus- serst feinen, dicht gelagerten Fibrillen, welche parallel mit der Cu- tieula in longitudinaler Richtung zwischen den Stäben durch die ganze Länge des Armes hinziehen (Fig. 8, fd). Diese äusserst fei- nen Fibrillen erscheinen nach Behandlung mit Osmiumsäure leicht punctirt. Sie hängen dicht zusammen, sind bei schwächerer Ver- srösserung von flockigem Ansehn und erst bei stärkerer Vergrösse- rung als Fibrillen erkennbar. Zellen, welche man für Ganglienzellen erklären könnte, habe ich nicht zwischen ihnen eingelagert gefun- den. Nur hin und wieder sah ich auf Schnitten einige mässig grosse Kerne. Die gabelförmigen Enden der Stäbchenzellen sitzen auf einer bindegewebigen Lamelle (Fig. 2a, 7), wo sie die innere Fläche jener »breiten nach innen scharf abgegrenzten Schicht« GRrEEFFsS bilden. Eine Folge dieser Zusammensetzung aus Stabzellen und longi- tudinalen Fasern ist die leichte Spaltbarkeit des Bandes in der Längsrichtung, so dass Jon. MULLER mit Recht von einem »weichen grösstentheils (?) aus Längsfasern bestehenden Blatte« reden konnte, »welches sich ganz so wie die Nerven der Seeigel leicht der Länge nach reissen und spalten lässt«!). Mit den Angaben HorrMann’s stimmt meine Darstellung nicht sehr überein. Die auf Querschnit- ten erscheinende Punctirung als Ausdruck der Längsfaserung könnte die Annahme seiner »feinkörnigen Grundsubstanz« veranlasst haben. 1) 1. ce. pag. 169, Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 255 Dann bliebe aber nichts, was ich als seine reichhaltigen Nerven- fasern, welche gleich unter dem Plattenepithel zu finden sein sollen, deuten könnte. Umgekehrt bleibt keine Grundsubstanz, wenn ich die Längsfibrillen für Horemanw’s Nervenfasern nehme, welche letzteren ausserdem, im Widerspruch mit meinen Resultaten, »einander in allerlei Riehtungen kreuzen sollen«. Die Bilder, welche Horrmann auf Taf. I, 13, 15 und 16 von Nervenzellen gibt, zeigen die auffallende Thatsache, dass sich diese Zellen mit dem einen Ende oder Ausläufer sämmtlich an eine Art Cuticula, oder was es sein soll, ansetzen (?). Dasselbe gilt von den (Fig. 27 u. 28, Ta- fel II) gegebenen Zeichnungen der Nervenschicht der Saugfüsschen. Die »stäbchenförmigen Fasern«, welche sich »gewöhnlich in radiärer Richtung« finden und deren Bedeutung ihm unbekannt geblieben, möchten meinen Stäbchenzellen entsprechen. Während HorrmMann also diese breite Schicht, welche nach mir wesentlich aus Stäb- chenzellen und Längsfasern besteht, als Nerven hingestellt, be- schränkt Greerr die Substanz des letzteren Anfangs auf die Aus- kleidung des Nervencanales und das Septum. Später kommt er von dieser Ansicht in so weit zurück, als er nicht nur die innern Schich- ten sondern auch den ganzen, bisher als Band bezeichneten Theil der Nervenbahn (es scheint ihm wenigstens wahrscheinlich) aus Ner- venfasern und Ganglienzellen bestehen lässt und die äussere Schicht des Saugfüsschens Nervenschicht nennt (vergl. den oben gegebenen Auszug). GREEFF machte zuerst darauf aufmerksam, dass dieses Band nicht nur in die Haut der Saugfüsschen , sondern auch an anderen Theilen in die Körperhaut unmittelbar übergeht. Nach Einsicht in die Richtigkeit dieser Beobachtung konnte es mich nicht Wunder nehmen, jene Stäbehenzellenschicht unmittelbar in das übrige Körperepithel übergehen zu sehen. Ich habe dieses Verhalten sowohl an anderen Körperstellen, als auch namentlich an den Zacken beobachten kön- nen, welche Auge und Fühler umgeben. Hierbei muss ich voraus- schicken, dass. auch der Fühler dieselbe characteristische Stiibchen- zellschicht unter der Cutieula zeigt, wie das radiale Band, und diese sieht man sehr schön in die gewöhnliche Epithelschicht der Haut übergehen, wie sie sich auf den genannten Zacken findet. AI- mälig, je mehr man sich von den deutlichen Stabzellen des Fühlers entfernt, werden die Stäbe kürzer, der eigentliche Zellleib relativ länger, bis wir das gewöhnliche Epithel vor uns haben. Dabei ist hervorzuheben, dass auch die Faserschicht noch vorhanden ist, 256 W. Lange so lange man etwas von den Stäbehen sieht, um erst mit diesen zu verschwinden. Diese Wahrnehmung bewog mich zu wiederholten Malen ein Stück der Rückenhaut von Asteracanthion rubens mit Os- miumsäure zu behandeln und dureh Zerzupfung die Epithelzellen zu isoliren. Ich fand ganz ähnliche Elemente, wie Horrmann abbildet, (Taf. I. 2) mit der Einschränkung jedoch, dass ich ein Auslaufen der Zellen in mehrere Fäden niemals beobachten konnte. Dagegen zeigten sämmtliche Zellen einen gegabelten Fuss, der sehr häufig erst durch einen kurzen Stab mit dem länglichen Hauptkörper der Zellen in Verbindung stand (Fig. 7, rep). Möglich, dass auch meine Objecte ausserdem Elemente enthielten wie die von HorrMann abgebildeten. Uns interessirt hier aber vor Allem, dass in reich- licher Menge epitheliale Gebilde vorkommen, welche die so charac- teristische Gabelung zeigen und sich durch ihren ganzen Habitus nicht sonderlich von den allerdings viel mächtigeren Stäbehenzellen unterscheiden. Auch das characteristische »sich zwischen einander schieben« der Zellleiber fand ich nicht selten. Nach allem kann es daher nicht ungerechtfertigt erscheinen, wenn ich die Stäbchenzellen für eine blosse Modifieation jenes gewöhnlichen Epithels erkläre, welches nächst der Cuticula die äusserste Hülle des Seesternkörpers bildet, und ich werde sie hinfort mit dem Namen Stäbehenepi- thel bezeichnen. (Hiermit soll übrigens mehr die Form als die Consistenz der Zellen, welche im frischen Zustande eher weich als spröde sind, angedeutet werden.) Angesichts dieser Thatsachen kann ich das Band, welches hauptsächlich aus jenen Zellen zusammengesetzt wird, nicht ohne Weiteres für den Nerven nehmen wie Horrmann. Aber auch GREEFF kann ieh nicht beipflichten, wenn er in seinen späteren Angaben, im Gegensatz zu früheren, dasselbe hauptsächlich aus Nervenfasern und Ganglienzellen zusammengesetzt sein lässt. Von Ganglienzellen kann ich nichts entdecken. Die fibrilläre Zwischensubstanz zwi- schen dem Stäbehenepithel könnte man vielleicht für Nervenfasern erklären, obgleich ich ohne Weiteres kaum ein Kriterium nennen könnte. welches zu der Annahme zwänge, dass so ziemlich die ganze Bauchseite des Armes zur Hälfte aus Nervenelementen bestände. Die Zeichnung (Fig. 2 a) zeigt aber, dass das Band (4) ausser den schon erwähnten Theilen noch aus zwei Zellplatten (p, p) gebildet wird, welche sich durch die Länge des Armes erstrecken und mei- ner Ansicht nach nervöse Elemente enthalten. Diese Platten sind von dem Epithel mit der fibrillären Zwischensubstanz dureh die schon Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren 357 erwähnte bindegewebige Lamelle (/, getrennt. Ich werde fortan die dorsalwärts von der Lamelle gelegenen Platten als Zellplatten von dem Integumente, bestehend aus der bindegewebigen Lamelle, dem Stiibchenepithel, der fibrillären Zwischensubstanz und der Cuti- cula, in meiner Nomenclatur trennen. Ehe wir jedoch die schwie- rige Frage nach dem Nerven etwas weiter zu ventiliren versuchen, wollen wir das Integument bis zum Augenkolben verfolgen, um einige weitere Verhältnisse in den Bereich unserer Beurtheilung zu ziehen. Darauf halte ich es für zweckmässig, noch einige Beobach- tungen mitzutheilen, welche ich über das viel deutlicher ausgeprägte Nervensystem der Ophiura texturata gemacht habe; dann wieder zum Seestern zurückzukehren, die noch übrigen histiologischen Details der radialen Nervenbahn zur Sprache zu bringen und mit dem schon Besprochenen zu vergleichen. IV. Das Auge des Seesterns. Das Integument der radialen Nervenbahn verdickt sich, wie schon früher erwähnt, an der Spitze des Armes, um den Kolben zu bilden, in welchen die Einzelaugen eingebettet sind (vergl. Fig. 3, ak, Auge = au). Diese Einzelaugen, von EHRENBERG entdeckt, wurden von HAECcKEL!) für Pigmenttrichter mit kugeligen Linsen erklärt. JOURDAIN kam zu derselben Ansicht, während METTENHEIMER?) licht- brechende Körper leugnete. Genauer sind diese Organe von GREEFF und HorrMANN untersucht, deren bezügliche Angaben ich abermals im Auszuge aus den angeführten Schriften zusammenstelle. Greerr (l. e. I pag. 2 ff.). »Die Oberfläche des Auges ist zu- nächst mit einer glashellen Cutieula überzogen, auf welche ein zar- tes Plattenepithel folgt. Beide, Cuticula und Epithel, sind indessen dem Auge des Seesterns nicht eigenthümlich, sondern überziehen auch den Fühler, das Integument der Ambulacralnerven ete. Unter dem Epithel liegt eine verhältnissmässig breite Parenchymschicht, die in scharfer Abgrenzung nach innen zu sich abschliesst, und in welche die eigentlichen Sehorgane eingebettet liegen, nämlich eine nach Alter und Grösse des betreffenden Seesterns wechselnde Anzahl 1) Ueber die Augen und Nerven der Seesterne. Von Dr. ERNST HAECKEL. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. X. 2) Beobachtungen über niedre Seethiere, angestellt in Norderney im Herbst 1559. Von Dr. med. C. METTENHEIMER. 258 W. Lange von lebhaft roth gefärbten Pigmentkegeln, die mit ihrer Basis nach aussen, mit ihrer Spitze convergirend gegen die mediane Längslinie des Auges gerichtet sind. Die Pigmentkegel oder Trichter sind ausgefüllt mit entsprechenden Krystallkegeln. Dieselben bestehen aus einer glashellen Substanz von scheinbar weicher Consistenz und sind häufig nach aussen hervorgewölbt.« »Die diese Pigmentkegel auf- nehmende Parenchymschicht ist nach innen ebenfalls, wie nach aus- sen, von einem Plattenepithel bekleidet. Nach aussen von diesem innern Epithel liegt zunächst eine Zone kräftiger radiärer Fasern, mit denen sich weiterhin eireuläre Fasern kreuzen, auf welche dann wiederum eine Zone von vorwiegend radiären, stäbehenförmigen Fa- sern folgt, die von Zellen und Körnern von verschiedener Grösse und Färbung durchsetzt sind. Nach innen von dieser Parenchym- schicht und dem innern Epithel liegt eine Zone von hyaliner, an- scheinend weicher Substanz mit Zellen und eireulärer und radiärer Faserung (Nervenschicht) .« Nun folgt Greerr’s Augenhöhle. (Siehe früher) I. e. I. pag. 101: »Die Pigmenttrichter sind von einer weichen, glashellen Sub- stanz erfüllt, die bei Druck nach aussen hervorquillt. Im frischen Zustande und bei schwacher Vergrösserung nehmen sich diese Kör- per, die übrigens mit den sie umhüllenden Pigmenttrichtern innig verwachsen sind, so dass man sie schwer und nur unvollständig zu isoliren vermag. durchaus wie die Krystallkegel der Arthropoden aus. An feinen durch das ganze Auge geführten Schnitten aber von erhärteten Präparaten erscheint die Substanz nicht homogen, sondern aus vielen kleinen kernartigen Körperchen, die sehichten- weise übereinanderliegen, zusammengesetzt. Mitten durch den gan- zen Kegel aber geht eine Längsaxe (Canal oder Faden). Hiernach würden die fraglichen Gebilde vielleicht eher den von M. SCHULTZE beschriebenen Sehstäbehen als den Krystallkegeln der Arthropoden entsprechen. « »Die diese Stäbe einfassenden Pigmenttrichter sind nun nicht gegen das gemeinschaftliche Parenchym des Auges, in dem sie ein- gebettet liegen, abgegrenzt, sondern senden von ihrem äusseren Um- © fange zahlreiche einfache und sich verästelnde, zuweilen varicöse Anschwellungen bildende Ausläufer, in denen die feinen rothen Kör- perchen perlschnurartig aufgereiht sind. Verfolgt man diese Fäden weiter, so sieht man oft, wie das Pigment sich allmälig in ihnen verliert und durchaus farblose Fäden daraus hervorgehen, die in ihrem ganzen Verhalten Nervenfasern entspreehen. Auch bemerkt Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 259 Db man eben solche durchweg pigmentlose Fiiden direct an und schein- bar in die Pigmenttrichter treten. Es scheint somit in der beschrie- benen Weise eine Verbindung der Nervenelemente des Augenparen- chyms mit den Pigmenttrichtern hergestellt zu werden. Das ganze Augenparenchym scheint überhaupt ungemein reich an Nervenelementen zu sein, ja zum grössten Theil daraus zu bestehen.« Die Oberfläche des Augenkolbens ist nach Horrmann (I. e. pag. 10) omit einer glashellen strueturlosen Cuticula überzogen, auf wel- che wie bei den Nervenstämmen ein zartes Plattenepithel folgt, des- sen 0,005 Mm. grossen polygonalen Zellen einen 0,002 Mm. grossen Kern enthalten. Unter dem Epithel liegt eine nach innen scharf begrenzte, ziemlich breite Parenchymschicht, in welcher die eigent- lichen Sehorgane eingebettet liegen. Diese bestehen aus einer nach Alter und Grösse wechselnden Zahl von hellroth gefärbten Pigment- kegeln, in Abständen, die ihrem eigenen Durchmesser gleich sind, und mit ihrer Basis nach aussen, mit ihrer Spitze gegen die me- diane Längslinie des Auges gerichtet.« »Die Pigmentkegel oder Pig- menttrichter sind von einer weichen glashellen Substanz erfüllt, welche beim Druck gewöhnlich nach aussen hervorquillt und welche durch HAECKEL als eine kuglige Linse beschrieben worden ist.« »Das Pigment ist in Zellen abgelagert, deren Grösse und Form sehr wech- selt, je nachdem dieselben mehr dem Centrum oder der Seiten- fläche des Kegels zugekehrt sind. Die centralwärts gelegenen haben eine unregelmässige polygonale oder rundliche Form, die lateral- wärts gelegenen eine mehr eylindrische Gestalt. In den meisten ist ein Kern sehr deutlich zu sehen. Von dem äussern Ende sendet Jede Zelle einen langen einfachen oder sich verästelnden Fortsatz ab, der zuweilen wie die Nervenfasern sehr schöne Varicositiiten zeigt und in denen die feinen rothen Pigmentkörnchen perlschnur- artig aufgereiht sind. Andere dagegen senden nur pigmentlose Fä- den ab. Die Structur der scheinbar homogenen, weichen glashellen, im Centrum der Pigmentkegel gelegenen Substanz ist im frischen Zustande äusserst schwierig zu untersuchen und hat mich zu keinem befriedigenden Resultate geführt. Nach Behandlung in Osmium- säure erscheint aber diese Substanz nicht homogen , sondern aus kleinen kernhaltigen Körperehen zusammengesetzt, die schichten- weis iibereinanderliegen.« »Die in der nächsten Umgebung der weichen Innenmasse gelegenen Pigmentzellen zeigen nur eine Spur des rothen Pigments, so dass der Uebergang zwischen den Pigment- zellen und den im Innern des Pigmentkegels gelegenen äusserst r 260 W. Lange zarten, pigmentlosen Zellen ein allmäliger zu sein scheint.« »Es sieht also gerade so aus, als ob die pigmentirten Zellen des Kegels allmälig in weniger pigmentirte und endlich in vollkommen pigment- lose übergehen. Die letzteren bilden dann die innere weiche Masse des Auges.« »Der Raum, welcher zwischen den Pigmentkegeln übrig bleibt, besteht aus Nervensubstanz, welche dieselbe histiologische Structur zeigt als die der Nervenblätter, mit dem Unterschiede je- doch, dass wie in dem Fühler die stäbchenförmigen Fasern feh- len.« — Zuvörderst muss ich auch beim Augenkolben wie bei der radia- len Nervenbahn und beim Fühler ein auf die Cutieula folgendes Plattenepithel in Abrede stellen. GREEFF spricht von Zonen radiärer Fasern, welehe das Augenparenchym durchziehen. Eine radiäre Streifung ist vorhanden und man mag, besonders an gefärbten Schnit- ten, auch zwei Zonen derselben unterscheiden, nämlich eine lebhaf- ter gefärbte äussere und eine minder gefärbte innere. In Wahrheit existirt aber nur eine das ganze sogenannte Parenchym umfassende Zone von ausserordentlich langgestreckten nach innen wieder in Stäbe endenden Zellen, deren protoplasmatischer äusserer Theil sich ganz besonders färbt (vergl. Fig. 8 die Fortsetzung von ep). Im innern Abschnitt bemerkt man auf verticalen Längsschnitten (Fig. $8) jene von GREEFF angegebenen circuliiren Fasern (Fig. 8, fb), auf Quer- schnitten eine feine Punctirung, genau wie früher beim Integument der radialen Nervenbahn geschildert worden. In der That geht ja auch dieser Theil des Augenkolbens, das Integument desselben, un- mittelbar in das Integument der radialen Nervenbahn über (Fig. 3 u. Fig. S). Jenes ist nur eine Anschwellung des letzteren und ich behaupte, dass im Grossen und Ganzen die Verhältnisse dort eben so sind wie hier. Der Hauptsache nach nämlich besteht das Inte- sument des Augenkolbens nicht aus Nervensubstanz (GReEFF, HOFF- MANN), sondern aus langgestreckten Zellen, ganz ähnlich denen im Integument der radialen Nervenbahn, welche nach innen in ein gegabeltes Stäbehen oder wenigstens eine Gabel endigen, nach aus- sen mit ihren Köpfen an die Cuticula stossen (Fig. 8). Dabei ist hier ebenso wenig als bei der radialen Nervenbahn ausgeschlossen, dass Nervenelemente zwischen und an diese Zellen hinantreten, son- dern vielmehr wahrscheinlich, da das Integument des Augenkolbens auf einer Ganglienmasse (Fig. 8, g/) ruht und Sinnesorganen zum Bette dient. Im Besonderen unterscheiden sich diese grossen Epithelzellen Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 261 mannigfach von den früher geschilderten. Die Gabelung des innern Endes ist häufig nicht so ausgebildet sondern durch eine kleine aus- gehöhlte oder krallenförmige Anschwellung vertreten. Die bedeutende Länge der Zellen fällt auf, welche dem Durchmesser des Integumentes entspricht. Die eigentlichen Zellleiber sind umfangreicher und gilt das, was früher über das »sich zwischen einander schieben« der Köpfe gesagt worden, in hervorragendem Maasse. Aus dem Anfange des Augen- kolbens isolirte ich einige vollkommen keulige Pigmentzellen mit ge- gabeltem Ende. Hin und wieder sind sackartige Gebilde mit Pigment- körnern eingelagert. Die Zellen des Fühlers stehen dem Typus derer aus dem Integument der radialen Nervenbahn durch ihre grössere Ein- förmigkeit bedeutend näher; denn wenn in der radialen Nerven- bahn eine grosse Einförmigkeit derselben vorherrscht, so ist für den Augenkolben eine bedeutendere Mannigfaltigkeit der Stäbchenzellen characteristisch. Zwischen dem Integumente des Augenkolbens und demjenigen des Fühlers findet ebenfalls ein unmittelbarer Uebergang statt. Zu allem kommen im Augenkolben dann noch die in das In- tegument eingebetteten Pigmenttrichter, auf deren Structur ich jetzt näher eingehe. Es ist wohl unmöglich durch Zerzupfen eines mit Osmiumsäure behandelten Augenkolbens (geschweige eines frischen) ein vollstän- dig unversehrtes Einzelauge mit Allem, was daran hängt, zu isoli- ren. Besonders die Fortsätze der Pigmenttrichter, welche von GREEFF und HOFFMANN geschildert werden, leiden am meisten bei der Zerzupfung und sind am schwersten zu verfolgen. Nach langem Suchen brachte mich die Isolation einiger unversehrter Zellen aus dem Pigmenttrichter, wie ich glaube, auf die richtige Spur. Die Zellen (Fig. 9, 4) bestehen aus einem langgestreckten Körper’ mit Kern, welcher nach innen in einen stäbchenförmigen Theil mit Gabel, nach aussen in einen rothes Pigment enthaltenden Kopf endigen. Auf diesem Kopfe sitzt ein (bisweilen zwei) heller stark lichtbrechender Körper in Gestalt eines kleinen Stabes. Figur 10 stellt in «a ein isolirtes Einzelauge dar, welches durch Zerzupfung und Druck an einer Seite aufgerissen ist und einen Einblick in’s Innere gewährt. Dieses Innere ist, wie sich durch Längsschnitte zeigen lässt (Fig. 8, au,) ein regelmässiger Hohlkegel, dessen Wandung von Pigment gebildet wird. Auf der Wandung sitzen die oben erwähnten lichten Stäbehen auf und ragen gegen die Axe des Hohlkegels vor (Fig. 10, a u. 6, Fig. 8, au,, aw, im Querschnitt). Die Pigmentwandung wird durch die Köpfe der oben dargestellten Zellen gebildet; nach Morpholog. Jahrbuch. 2. 18 262 W. Lange aussen sieht man die nicht oder nur zum Theil pigmentirten zuge- hörigen Zellleiber mit Kernen. Das Pigment geht sehr häufig bei der Präparation zum Theil verloren, ist aber in manchen Zellen ziem- lich weit hinunter zu verfolgen (GREEFFs und HorrMaAnn’s Ausläufer mit perlschnurartig aufgereihten Pigmentkörnern). Der unterste Theil der Zellen ist meistens abgerissen, und nur in wenigen Fällen ge- lang es mir, Zellen von der oben beschriebenen Vollständigkeit zu finden. In grosser Zahl aber habe ich die oberen diekeren Theile der Zellen mit Pigmentkopf und Stäbchen isolirt (Fig. 9, ec)... Dass der Hohlkegel wirklich aus zusammentretenden langen Zellen gebil- det wird, die sich seitlich und nach unten biegen, ist auch auf Schnitten sehr gut ersichtlich (vergl. Fig. 8, aw,). Durch den Al- kohol wird das Pigment ausgezogen und der früher pigmenthal- tige Theil der Zellen nimmt keine Färbung an. In Folge dessen sieht man eine Reihe oben lichter und wohlbegrenzter Zellen auf den Hohikegel zustreben. Wenn ich somit nicht beweisen kann, dass alle das Auge bildenden Zellen in der angegebenen Weise nach un- ten endigen (auf Schnitten kann man nicht genau erkennen, ob die seitlich vom Auge und unter demselben befindlichen Stäbchen zu diesen Zellen gehören), so möchte es zum Mindesten wahr- scheinlich erscheinen. Auf jeden Fall besteht das Auge aus lang- gestreckten Zellen, deren Köpfe so zusammentreten, dass sie einen Hohlkegel begrenzen. Die von mir isolirten vollständigen Zellen weisen darauf hin, dieselben als eine fernere Modification des Stäb- chenepithels und in letzter Instanz des gewöhnlichen Epithels auf- zufassen, Das Auge des Seesterns erscheint somit, abgesehen von etwa hinzutretenden Nervenelementen, als rein epitheliales Gebilde, als eine kegelförmige Einstülpung der Haut. Die Sehstäbcehen , welche sich leicht in der Längsrichtung spalten, kann man vielleicht zu den Cuticularbildungen rechnen. Ein solches Verhalten darf uns nicht überraschen. »Bei den Wirbellosen ist die Entwickelung des Auges weit einfacher; sie folgt dem Typus des Gehör- und Ge- ruchsorganes der Wirbelthiere. Dies Verhalten konnte schon aus der Analyse des Sepienauges geschlossen werden, trat aber beim Nautilus mit grosser Evidenz hervor, da hier das Auge nicht viel mehr ist, wie ein isolirter ausgehöhlter Hautwulst, welcher mit Epithel, theils Pigment- theils Retinazellen ausgekleidet ist. Für die Arthropoden hat WrisMANN nachgewiesen, dass die Augenelemente sich aus der Hypodermis entwickeln. Bei den Schnecken liess sich Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 263 die Einstiilpung noch nicht nachweisen, aber es tritt gerade hei den Heteropoden sehr deutlich hervor, wie die typischen Elemente des Auges Epithelien sind, natürlich neben Nerven. Bei den Echino- derinem endlich liegen ja die Augen an der Oberfläche selbst«'). Ich habe noch hinzuzufügen, dass die auf den Pigmentzel- len sitzenden Stäbchen den kegelförmigen Binnenraum des Auges nicht vollkommen ausfüllen, also nicht vollständig bis an die Axe des Kegels reichen. Dies wird besonders klar an Schnitten durch Augen, welche leicht mit Osmiumsäure und Alkohol behandelt wor- den. Bei ‚längerer Härtung in Alkohol tritt Schrumpfung ein, und man glaubt, einen die Axe bildenden Faden wahrzunehmen (GREEFF’s »Canal oder Faden«). Ob die in der angegebenen Weise übrig blei- bende Höhlung des Auges mit einem besonders gearteten Liquidum erfüllt ist oder nicht, konnte ich nieht ausmachen. Dieselbe wird nicht durch die Cuticula geschlossen, sondern dureh ein unter dieser befindliches Gebilde, bestehend aus langen Stabzellen, welche an ihrem Kopfe durehsichtige plattenartige Fortsätze tragen (Fig. 10, e). Die Fortsätze schieben sich wahrscheinlich von allen Seiten zwischen Cuticula und Basis des Hohlkegels, welchen sie solchergestalt schlies- sen. Ich glaube, dass dieses Gebilde, welches mir öfter plancon- vex erschien, als Linse von HAECKEL und Anderen in Anspruch ge- nommen worden ist. Blickt man auf ein unverletztes Auge, so sieht man meistens nur einen hellen Punet im Pigment der Kegel, und nach einem Präparate schien es mir, als ob sich das Pigment auch auf die Unterseite des eben beschriebenen Gebildes fortsetze. Viel- leicht ist dem Lichte nur durch eine kleine Oeffnung der Eingang in den Trichter gestattet. Im Anschlusse an diese Darstellung habe ich hier noch eine beiläufige Beobachtung mitzutheilen. Da wo das Integument an der Spitze des Armes anschwillt, um alsbald das Bett für die Em- zelaugen zu bilden, oder schon mehr oder weniger in den Augen- kolben hineingerückt, habe ich auf Schnitten zwischen den Epithelzel- len auffallend häufig eine Blase gefunden, welche von einer lichten, scharf begrenzten Membran gebildet wird. Figur 8, o zeigt dieselbe, wie sie sich auf einem Präparate besonders klar dar- stellte. Dieselbe ist theils leer, theils von runden (zelligen ?) 1, V. Hensen. Ueber das Auge einiger Cephalopoden. (Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie XV. Bd.) pag. 73. 18* 264 W. Lange Körpern erfüllt, die einen körnigen Inhalt zeigen. Besonders zu beachten ist, wie die Stäbehenzellen sich rings an die Blase mit ihren Köpfen ansetzen und hier an der einen Seite sich schräg nach unten biegen. Wäre mir die Blase regelmässig in dieser Aus- bildung und an derselben Stelle erschienen, so würde ich nicht anstehen, eine Beziehung derselben zu Sinnesfunctionen (Gehör?) für höchst wahrscheinlich zu halten. Ich habe die Blase aber wenn auch oft, so doch nicht immer gefunden. Weiter muss ich hinzu- fügen, dass manche der Schnitte die Blase vollkommen erfüllt mit jenen körnigen Körpern zeigten, und einmal anstatt der gedrungenen Blase sich ein Canal fand, welcher sich eine längere Strecke in das Integument der radialen Nervenbahn hinein verfolgen liess. Nie vermisste ich dagegen die scharfe Begrenzung durch eine lichte Membran. Meine Data beziehen sich nur auf Schnitte durch in Al- kohol gehärtete Theile. Durch Zerzupfen ist es mir nicht gelungen, die Blase zu finden. So muss es denn ferneren Untersuchungen vor- behalten bleiben , festzustellen, ob das in Frage stehende Gebilde vielleicht nur ein fathöleriedheh ist, oder mit bestimmten normalen Functionen in Beziehung gebracht erent muss. Die Stäbchenzellen des Fühlers sind, wie angegeben, ganz ähn- lich wie die der radialen Nervenbahn gebildet. Es ist wahrschein- lich, dass durch diese besonders ausgebildeten Epithelzellen die beson- dere Empfindlichkeit vermittelt wird, welche jenem Organe eigen ist. Darauf möchten auch Zellen wie die in Fig. 7, « dargestellte hinweisen. Experimentell kann man sich überzeugen, dass die ganze Bauchseite des Thieres, insonderheit das Integument der Nervenbahn, mit einer hervorragenden Empfindlichkeit begabt ist. Vielleicht fungiren auch hier die Stabzellen als Organe, welche, mit Nerven in Verbindung stehend, diese Sensibilität vermitteln. Wir hätten dann vom Epithele der Nervenbahn durch Fühler und Auge den vollkommensten Ueber- gang von den einfachsten zu complicirteren Apparaten. V. Der radiale Nerv und das radiale Bauchgefäss der Ophiura texturata (Forbes). Als ich zur weiteren Vergleichung die Ophiuren in den Bereich meiner Untersuchung zog, bot sich mir als besonders günstiges Ob- ject die Ophiura texturata (Forbes) der Nordsee, welche, in gutem Spiritus aufbewahrt, wenn auch nicht frische Exemplare ersetzte, - Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 265 so doch eine leidlich klare Einsicht in die histiologischen Verhältnisse erlaubte. Bei den Ophiuren sind die halben Wirbelstücke, welche im Arme der Asterien beweglich mit einander verbunden sind, zu soliden Wirbeln verschmolzen, welche in der Längsrichtung des Armes durch Gelenke mit einander in Verbindung stehen. In einer Rinne an der Ventralseite dieser Wirbelcolumne liegt der Ambulacraleanal (Fig. I1,«). Gedeckt nach unten und aussen wird diese Rinne erstens durch ein breites Längsband (5) und ferner durch die den Ophiuren eigenen Bauchschilder (ds). Das Längsband sendet in einer queren Rinne an der Unterseite der Wirbel Seitenzweige zu den Saugfüsschen. Es wird als breiter bandartiger mit Anschwellungen versehener ra- dialer Nerv der Ophiuren beschrieben. Genaue histiologische Anga- ben über dasselbe sind mir nicht bekannt. Um die Natur dieses Bandes zu prüfen, entfernte ich von einem Armstücke Bauch- und Seitenschilder, präparirte grössere Stücke des Bandes heraus und untersuchte dorsale und ventrale Seite desselben unter dem Mikroskope. Die ventrale Seite zeigte nichts Auffallendes. Das Band schien wesentlich aus Längsfasern mit Epithelbelag zu bestehen. Anders die dorsale dem Ambu- lacralcanal zugekehrte Seite. Auf dem Bande in der Mittellinie verläuft hier ein circumscriptes Gefäss, welches da, wo es in regel- mässigen Intervallen nach rechts und links Seitenzweige abgibt, An- schwellungen zeigt. Neben diesem Gefässe (vergl. Fig. 12, gf) liegt ebenfalls in bestimmten Intervallen rechts und links ein wohlabge- grenzter Complex von auffallend grossen, durch ihren ganzen Ha- bitus sich sofort als Ganglienkugeln documentirenden Zellen. Kör- niger Inhalt mit grossem excentrischen Kern und Kernkörperchen, runde oder birnförmige Gestalt und Fortsätze, in welche sich der Leib auszieht, zeichnen dieselben aus (Fig. 13, a). Die Ganglien- knoten sind oval oder spindelförmig und stehen unterhalb des Ge- fässes durch eine dünne (bindegewebige oder nervöse?) Schicht mit einander in Verbindung. Nach vorn und hinten ziehen sie sich in einen wohlbegrenzten Nervenstrang aus, durch welchen sie mit den nächsten Knotenpaaren in Verbindung treten (Fig. 12, Ze). Dabei ist zu beachten, dass die Ganglienknoten nicht mit den Knotenpuncten des Gefässes — zugleich den Knotenpuncten des ganzen Bandes — zusammenfallen, sondern dieselben nur mit ihrem einen Ende be- rühren , so dass die Zweige des Gefässes bereits den Anfang der Nerven kreuzen, und zwar in den meisten Fällen durchsetzen (Fig. 12). 266 W. Lange Immerhin gehen von den Ganglienknoten kleinere Faserbündel mit den Gefässzweigen und auf den Zweigen des Bandes zu den Saugfüsschen: Die stärksten Zweige des Nervensystems aber streben von den äusseren und oberen Seiten der Ganglien nach oben zu den starken Längsmus- keln, welche sich zwischen den Wirbeln ausspannen (Fig. 12, mx und Fig. 15, m»). Da wo diese Muskelnerven aus den Ganglien’ aus- treten, zieht sich eine bogenförmige Quercommissur über das Gefäss hinüber von einem Knoten zum andern. Nicht selten habe ich eine zweite Commissur zu Gesicht bekommen, wie die Figur 12, y zeigt. Wie viel von diesen Commissuren Nervenfaser , wie viel Bindege- webe sei, vermag ich nicht zu entscheiden. Der weitere Verlauf der Muskelnerven wird dadurch sehr merkwürdig, dass dieselben, um zu ihrem Bestimmungsorte zu gelangen, den Körper des Wirbels, in ähnlicher Weise wie die Zweige des Ambulacralgefässes , dureh- setzen. Wie diese treten sie in eigene Canäle ein, welche ihren Anfang seitlich in der Ambulacralfurche nehmen. Auf Schnitten eröffnete ich wiederholt solehe Canäle und könnte darin den Nerven liegen sehen. Die Anfänge dieser Canäle finden sich nieht weit von den Oeffnungen der zu den Saugfüsschen führenden Candle und zwar dem Discus näher, was schon von Jon. MULLER angegeben worden. Er sagt (Ophiolepis ciliata): »Die Seite der Rinne ent- hält noch eine kleinere Oeffnung für ein Knoeheneanälchen, welches auf dem adoralen Muskelfelde des Wirbels ausmündet und wahr- scheinlieh für einen Nervenzweig zu den Zwischenwirbelmuskeln be- stimmt ist«'). Hinsiehtlich der histiologischen Beschaffenheit des Nerven konnte ich an den Muskelnerven ein deutliches Neurilemm unterscheiden. Dasselbe umschliesst ein Bündel scharf contourirter starker an der Seite hin und wieder mit Kernen besetzter Fasern, zwisehen denen sich eine körnige Masse eingelagert findet (Fig. 15, 4). Die Nerven, sowohl Commissuren als Muskel- und’ Füsschen- nerven, sind ganz platte Bänder, viel breiter als dick. Das genannte Gefäss,, welches auf dem Bande in der Mittel- linie ruht, ist diekwandig und an den Knotenpuncten fast viereckig ausgezogen. Auffallend bauchige Anschwellungen desselben, welche ich in der Nähe des Diseus zu beobachten Gelegenheit hatte (Fig. 14 4, bh), lassen auf muskulöse Beschaffenheit und Pulsationsfähigkeit schliessen. NL ei Spagy 217. Fig.'9. Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 267 Am meisten Schwierigkeiten haben mir die Nerven-Liingscom- missuren zwischen den Ganglienpaaren gemacht. Eine Flächen- ansicht der Nerven konnte ich nur auf die oben angegebene Weise oder vermittelst dicker mit dem Scalpell geführten Horizontalschnitte erhalten. Bei der dazu erforderlichen Manipulation rissen fast im- mer die Liingsconimissuren, so dass ich dieselben von den Ganglien- knoten aus nur eine Strecke weit, nicht ganz bis zum nächsten Paare verfolgen konnte. Weiterhin war der Nerv dislocirt, entwe- der abgerissen, oder durchgerissen und zur Seite gebogen, so dass das Bild eines seitwärts sich abzweigenden Nerven entstehen konnte. Dass diesem Bilde ein entsprechendes Verhalten der Nerven wirklich zu Grunde liege, ist mir aber nicht wahrscheinlich, erstens, weil immer einige Fasern die Verbindung zwischen den Knotenpaaren herstellten. Zweitens liess sich die Commissur von beiden Seiten bald mehr bald weniger weit verfolgen. Die Dislocation ist keine immer gleiche, derart, dass es keine Stelle zwischen den Knoten gibt, bis zu welcher ich seiner Zeit nicht irgend einmal die Commissur intact hätte verfolgen können. In einem Falle war der zerstörte Theil auf ein Minimum beschränkt und fand sich in geringer Entfernung von einem der in Frage ste- henden Knoten; in einem andern sah man mitten zwischen zwei Knoten ein Stück der Commissur erhalten. Ebenso musste ich auf Grund von Quer- und Längsschnitten durch mit Chromsäure ent- kalkte Armstücke zu Gunsten der Commissuren urtheilen. Nach allem schliesse ich daher, dass die Längscommissuren wirklich als solehe vorhanden sind. Die Frage nach der Natur des Bandes, auf welchem alle diese Theile lagern, und seinem Verhältniss zu den eben geschil- derten Elementen des Nervensystems musste mich natürlich dem- nächst beschäftigen. Die Zerzupfung ergab nur das Wenige, dass besagtes Band hauptsächlich aus Längsfasern mit kleinen zelli- gen Elementen besteht. Die Längsfasern unterscheiden sich dem ganzen Ansehen nach deutlich von den characteristischen Nerven- fasern. Ich nahm darauf zu Querschnitten meine Zuflucht. Da die Chromsäurebehandlung der schon in Alkohol gefärbten Theile keine scharfen Bilder lieferte, hielt das Schneiden der nicht entkalkten Stücke ziemlich schwer. Dennoch erhielt ich eine Reihe gefärbter und scharfer Schnitte, auf Grund welcher ich Folgen- des mittheile. Zwischen den oben geschilderten Elementen des Nervensystems und dem Bande ist immer eine scharf abgesetzte ‘Grenze vorhanden, welche sich mir öfter als eine hyaline Lamelle 268 W. Lange darstellte (vergl. Fig. 14a und Fig. 15). Die Fasern des Bandes nehmen weder beim Abgange des Muskelnerven noch der Längs- commissuren an der Bildung dieser Nerven Theil. Ein durch einen Zweig des Bandes geführter Schnitt zeigt auch hier eine scharfe Grenze zwischen Band und der darauf liegenden Fasermasse. Die Zweige des Bandes selbst gehen unmittelbar in das Integument der Saugfüsschen über. Ueber die feinere Structur des Bandes lässt sich auf Grund meiner Schnitte nur Folgendes aussagen. Man kann drei Theile unterscheiden: zunächst unter der Nervenmasse eine breite sich an- ders als diese färbende hauptsächlich aus Längsfasern bestehende Schicht (Fig. 14 a, 1); darunter eine sich ziemlich deutlich von dieser scheidende und wieder anders färbende schmälere (2), die Zellen enthält und sich an Chromsäureschnitten epithelartig von je- ner abhebt; endlich eine ganz schmale oft wie eine Cutieula sich ausnehmende (3) (vergl. Fig. 14a, 1, 2, 3). Das alles sieht nicht besonders nach Nerv aus. Kommt hinzu, dass, wie oben geschildert, die ovalen Ganglienknoten in die erwähnten Längseommissuren aus- laufen und sammt diesen, den Quercommissuren und Zweigen ein ge- schlossenes Nervensystem zu bilden scheinen, das auffallend an das- jenige der Anneliden unter den Würmern erinnert, und dessen Haupt- knotenpuncte nicht mit den Knotenpuncten des Bandes zusammen- fallen, so wird man versucht, dem ganzen Bande geradezu die bisher zugeschriebene nervöse Natur abzusprechen. Im anderen Falle müsste sich doch ein mehr oder weniger unmittelbarer Zusammen- hang der Fasermasse des Bandes mit den Ganglienzellen auffinden lassen; aber gerade hier ist die Grenze sehr scharf. Das Band ist (besonders in der Nähe des Discus) hin und wieder fast frei suspen- dirt, und dann greifen die Ganglienmassen mehr oder weniger seit- lich um dasselbe herum; aber auch hier lässt sich eine scharfe Grenze zwischen jenem und diesen auf Schnitten demonstriren. Zwischen je zwei Ganglienpaaren findet sich auf jeder Seite des Gefässes — wie sehr auch die Längscommissur disloeirt sei — regelmässig ein schmales Bündel starker mit Kernen besetzter Längs- fasern, welche sich (in Alkohol gehärtet) durch besondere Elastici- tät auszeichnen und so von den feineren, als Nervenfasern be- schriebenen Fasern abstechen. An denselben bleiben bei Zerreissung der Commissur häufig Stücke der letzteren sowie manchmal fast die ganze Ganglienmasse hängen, wenn diese durch Zerreissung des Bandes sich von demselben abgehoben hat. Die Ganglienknoten Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 269 werden nämlich von den Fasern durchsetzt. Man kann hier, wo zur Seite des Gefässes auch Längsbündel der feineren unzweifelhaft nervösen Fasern die Ganglienknoten umsäumen, jene stärkeren Fa- sern deutlich von den feineren unterscheiden. Leider ist es mir nicht gelungen, alle diese Verhältnisse bis zur ringförmigen Commissur im Discus zu verfolgen, wenngleich ich bis ganz in die Nähe derselben mit meinen Schnitten vorgedrungen bin. Im entscheidenden Momente fielen die Schnitte auseinander. Soweit ich aber gekommen, immer fand ich dieselben geschilderten Ver- hältnisse. Von anderen Ophiuren untersuchte ich Ophiura albida (Forbes) der Ostsee und Ophioscolex glacialis (Müll. Trosch.) der Nordsee, aber mit geringem Erfolg. Erwähnen will ich jedoch, dass bei Ophioscolex der auf dem Band liegende Gefässstrang- zwischen je zwei Knotenpuncten durch eine Mittellinie in zwei Theile getheilt er- scheint, ohne dass ich constatiren konnte, ob wirklich das Gefäss in zwei neben einander verlaufende Zweige getrennt ist. Die auf dem Bande liegende Faser- und Zellenschicht, für die ich eine ähn- liche Anordnung wie bei der Ophiura texturata beobachten konnte, ist hier im Verhältniss zur Dicke des Bandes sehr gering, so dass die erhaltenen Bilder meine oben dargelegte Abgrenzung des Ner- vensystems weniger stützen als die Präparate von Ophiura texturata. Kleinheit und mangelhafte Erhaltung der Exemplare machten einen klareren Einblick in die fraglichen Verhältnisse unmöglich. VI. Histiologie der radialen Nervenbahn des Seesterns. B. Wir kehren jetzt noch einmal zur Betrachtung der radialen Nervenbahn des Seesterns zurück. Von aussen nach innen gehend habe ich bisher an dem Bande unterschieden: Wimpern, Cuticula, Stäbchenepithel mit fibrillärer Zwischensubstanz und eine bindege- webige Lamelle. Alle genannten Theile des Bandes wurden als Integument zusammengefasst. Die Lamelle (Fig. 2a, 7) fehlt nirgends. Auf ihr sitzt das Epithel (Fig. 2a, ep). Es glückten mir Zerzupfungs- präparate von mit Osmiumsäure behandelten Theilen, welche Stücke dieser Lamelle isolirt enthielten. An solchen Objeeten sieht man nicht selten die Stäbehen gleich einem Walde von Nadeln aus dem Bindegewebe hervorragen. Auf die Lücken zwischen dieser binde- gewebigen Lamelle und den Köpfehen des Epithels sind die feinen 270 W. Lange Fibrillen beschränkt. Die Lamelle besteht aus welligem, zum Theil aus verfilzten Fasern gebildetem Bindegewebe. Auf der dorsalen Seite finden sich in reichlicher Zahl starke breite Fasern eingebettet, welche hier und da einen seitlich befestigten Kern tragen (Fig. 16, c, 1). Zum Theil sind diese Fasern Fortsätze grösserer Zellen und verzwei- gen sich in diesem Falle nicht selten dendritisch (Fig. 16, c, 2), Dieselben sind in der Längsriehtung des Armes angeordnet, kreu- zen sich aber häufig unregelmässig unter spitzen Winkeln. Auf der Lamelle endlich sieht man auf Querschnitten rechts und links in das Lumen (ce) der beiden Nervenlängscanäle hinein- gewölbt je eine planconvexe Platte (p Figur 2 a), welche von Zellen sehildet wird. Es sind dies die schon genannten Zellplatten. Die zunächst an das Lumen der Canäle angrenzende Lage der sie zu- sammensetzenden Elemente besteht meistens aus länglichen an beiden Enden zugespitzten, häufig in zwei derbe stielartige Fortsätze aus- gezogenen Zellen, die sich prosenchymatich zwischen einander schie- ben (Fig. 16, @) und so eine zusammenhängende Schicht bilden. Ihr längster Durchmesser fällt gewöhnlich nicht in die Längsrichtung des Armes. Aus dem Innern der Platten aber, besonders der dieken Mitte derselben, isolirte ich in reichlieher Menge Zellen von der fol- senden characteristischen Beschaffenheit. Die Zellen sind kuglig oder birnférmig von nicht sehr hervorstehender Grösse, enthalten einen deutlichen Kern mit Kernkérperchen und haben einen oder mehrere Fortsätze in Gestalt von längeren feinen Fasern, welche eine Menge kleiner Anschwellungen zeigen (Fig. 16, 4). Auch diese Zellen liegen dicht gedrängt. Die Ausläufer bilden unter ihnen, eine besondere Faserlage, welche also auf der bindegewebigen Lamelle ruht. Diese Fasern unterscheiden sich von den Fibrillen zwischen dem Epithel hauptsächlieh durch bedeutendere Stärke. Es sind dies, von aussen nach innen gerechnet, die ersten Zellen, welche in ihrem besonderen Verhalten an Ganglienzellen erinnern. Der Querdurch- messer der Platten und somit das in der Zeichnung angegebene Verhältniss derselben zur Dicke des Bandes ist übrigens nicht immer derselbe. In den mittleren Theilen des Armes, aus welchen der gezeichnete Schnitt stammt, ist die Dieke der Platten am bedeutendsten ; sie scheint aber auch sonst in regelmässigen Abständen zu variiren. Die Blätter des Septums bestehen aus Längsfasern und einem Balkenwerke sich kreuzender platter Faserbündel, zwischen welche Zellen eingelagert sind. Ein dem Lumen der Canäle zugekehrter Zellbelag ist mit Wimpern versehen. Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 271 Verfolgen wir jetzt die radiale Nervenbahn bis zum Augenkol- ben: Das Integument des Augenkolbens ist, wie früher gezeigt worden; die directe Fortsetzung des Integuments der radialen Ner- venbahn und enthält im Grossen und Ganzen ähnliehe Gebilde wie dieses. Die Basis der langen Zellen (Fig. 5) sitzt auch hier einer Membran auf, welche sich jedoch durch grosse Feinheit auszeichnet. Diese Membran ist ohne Zweifel die Fortsetzung der oben besproche- nen bindegewebigen Lamelle. Dorsalwärts von dieser Lamelle fin- det sich, den ganzen Raum bis zur angrenzenden Höhlung des Am- bulaeralgefässendes (Fig. 8, e, Fig. 3, e) ausfüllend, eine Zellenmasse. weleher ich sehon früher den Character eines terminalen Ganglien- knotens vindicirte (Fig. 8, gl, Fig. 3, gl). Es ist diejenige Masse, welche GREEFF in seiner ersten Mittheilung »als Zone hyaliner, anscheinend weicher Substanz mit Zellen und eireulärer und radiärer Faserung« characterisirt und in Parenthese als Nervenschicht bezeich- net. Dabei muss ich allerdings sein »inneres Epithel«, welches sich zwischen der äusseren Parenchymschicht und der inneren Nervenschicht finden soll, streiehen. Besonders vertieale mit Pierocarmin gefärbte Längsschnitte geben im günstigen Falle näheren Aufschluss. Die Zellen liegen dieht 'gedrängt, enthalten Kern und Kernkörperchen in verschie- (ener Zahl und zeichnen sieh vor Bindegewebszellen dureh ihre relative Grösse, und die Richtung ihrer Fortsätze aus. Die ganze Zellenmasse strebt»gleichsam, wie Figur 5 zeigt, dem Integument zu, in welchem die Sinnesorgane eingebettet liegen. Ein direeter Beweis für ihre ner- vöse Natur lässt sich natürlich nicht führen. Da es aber überhaupt für die ganzen: Verhältnisse der Anordnung der nervösen Elemente unseres Thieres bisher fast vollständig an Analogien zu fehlen scheint, so kann auch von jener apodietischen Gewissheit keine Rede sein, mit welcher ich die Ganglienknoten der Ophiura texturata auf Grund ihres ganzen Habitus sofort für solche erklären konnte. Sind die in Frage stehenden Zellen keine Ganglienzellen, so müsste man sie entweder für Bindegewebs- oder eingeschwemmte Blutkörperchen erklären. Aber von diesen wie von jenen lassen sie sich unschwer unterscheiden, und sowohl der ganze Habitus der Zellenmasse, als der Umstand, dass ein den reichlichen Sinnesorganen zu Grunde lie- gender Ganglienknoten allerdings zu erwarten ist, spricht für die nervöse Natur derselben. Die Masse dieses terminalen Ganglienkno- tens also lässt sich weiter als dünnere Schicht unter das Integument des Fühlers verfolgen (vergl. Fig. 3). In der Zeichnung eines ver- ticalen. Liingsschnittes (Fig. 8) habe ich mich bemüht, möglichst 372 W. Lange genau den Eindruck der Zellenmasse wiederzugeben, wie ihn meine Präparate hervorrufen. Auf Querschnitten wird man der Zellen minder gut ansichtig. Dieselben scheinen flach zu sein und die Flächen hauptsächlich mit verticalen Längsschnittebenen zusammen zu fallen. Bei einem besonders grossen Asteracanthion r. der Ost- see war dieser Knoten von ganz hervorragender Grösse, die Integu- mentschicht, in welcher die Augen eingebettet sind, dagegen kaum dicker als in der radialen Nervenbahn. Gehen wir nun von diesem Ganglienknoten aus, um die weitere Anordnung der nervösen Elemente in der radialen Nervenbahn zu verfolgen! Drei Fälle sind möglich. Entweder der terminale Kno- ten entspricht den beiden früher geschilderten Zellplatten, welche sich vereinigen und eine Anschwellung bilden würden; oder die Zellenmasse setzt sich auf die Blätter des Septum fort; oder end- lich beide Fälle haben neben einander Geltung. Ich neige zur letz- teren Ansicht; denn auf Schnitten, welche den Ganglienknoten klar zeigen, finde ich immer auch eine Fortsetzung der Zellenschicht auf die Blätter des Septums. Immerhin halte ich einen Zusammenhang der ersteren mit den Platten für höchst wahrscheinlich. Um die Endigungsweise des Septums im Augenkolben zu prüfen löste ich die Spitze eines Armes mehrere Male vollständig in Querschnitte auf. Obgleich ich dabei keinen Schnitt verloren, kann ich doch nicht be- haupten, dass ich vollständig ins Klare gekommen wäre. Jedenfalls ist so viel sicher, dass in dem Maasse, als man sich dem Augen- kolben nähert, die beiden Blätter des Septums auseinander weichen und das so entstehende Lumen sich mit Zellen und Fasern füllt, welche den Anfang des Augenknotens vorstellen. Dann verlor ich plötzlich die Spur des Septums. Ein directer Zusammenhang des Augenknotens mit den beiden Zellplatten würde eine treffliche Uebereinstimmung mit den That- sachen herstellen, welche ich bei der Ophiura text. klar gefunden und deshalb zum Vergleiche vorausgeschickt habe. Nun schlagen sich, wie ich früher bei Skizzirung eines Querschnittes der Nerven- bahn durch den Seesternarm gezeigt, die beiden Blätter des Septums an der Spitze des Dreieckes jederseits um. Ein Blick auf Fig. 2« zeigt, wie die Zellenplatten p, p rechts und links eine directe Fortsetzung jener sich umschlagenden Blätter bilden. Ob aber die Blätter über oder unter den Platten weggehen, sich in dieselben auflösen, oder (wie mir nach einem Schnitte durch den Arm von Solaster papposus wahrscheinlich) die Platten zwischen zwei Lamel- Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 273 len nehmen, in welche sie sich spalten, kann ich nicht angeben. Es lässt sich natürlich in Uebereinstimmung mit dem geschilderten Verlaufe des Septums auf die eine oder andere Weise sehr gut den- ken, dass sowohl die Zellenplatten an der Bildung des Ganglien- knotens theilnehmen, als auch andererseits die nervösen Elemente auf der Innenseite der Septumblätter sich hinaufziehen. Das Septum bis in den Discus zu verfolgen fiel noch schwerer, da ich in diesem Falle Schnitte nur durch sehr kleine Thiere ge- winnen konnte. Querschnitte zwingen mich anzunehmen, dass das- selbe in der Nähe der ringförmigen Commissuren immer mehr zu- sammenschrumpft, so dass ich zuletzt die Spur desselben ganz verlie- ren konnte. Die Zellplatten verbreitern sich, verschmelzen mit einander und lassen sich als zelliger Belag auf der ventralen Seite des ringförmigen Canales nachweisen, welcher eine directe Fortsetzung der beiden Canäle der radialen Nervenbahn ist und den Mund um- gibt (Fig. 17 6, ec). Nach Horrmann setzt sich die senkrechte Leiste »auch auf den Munddiseus fort und bildet da ebenfalls einen pen- tagonalen Ring, welcher die Scheidewand zwischen dem oralen Blutgefäss und dem Wassergefässring darstellt«'). Wenn ich auch, wie eben bemerkt, die Spur des Septums im Discus verloren habe, so will ich dieser Angabe gegenüber doch kurz auf den verticalen Schnitt durch Discus und Arm eines kleineren Thieres hinweisen, welchen Fig. 17 a im Bilde gibt (vergl. dazu 17 4). Die aus Cuti- eula, Stäbchenepithel und Fasern gebildete Integumentschicht (7), welche die directe Fortsetzung des Integumentes der Ambulacralrinne @,) ist, umfasst 1) den Hohlraum ec, die Fortsetzung der Canäle der radialen Nervenbahn; 2) das Lumen g, welches für das Lumen eines Gefässes in Anspruch genommen wird, zunächst der Mund- öffnung (0)2); @ ist das Lumen des quer durchschnittenen Ambu- lacralgefässringes, wovon man sich auf der linken Seite durch die Einmündung des der Länge nach aufgeschnittenen radialen Ambu- - lacralgefässes überzeugen kann. Zwischen demselben und den bei- den anderen Lumina finden sich 1. eine dicke Bindegewebslage, 1) 1. e. pag. 7. 2) »Um den Mund an der Innenwand der Scheibe verläuft ein zweiter Ring- canal, der orale oder ventrale Gefiissring. Er liegt nach unten und innen vom Wassergefässring zwischen der Mundhaut und dem Nervenringe, aber so dicht dem letzteren an, dass er in das Lumen des viel weiteren Nervencanales hin- einragt und innerhalb desselben zu liegen scheint«. (GREEFF, |. ce. II. pag. 94.) 274 W., Lange 2. ein quer durchschnittenes Muskelbiindel (m) und 3. ein Fortsatz der Skelettheile. Wie auf diese Verhältnisse Horrmann’s Aussage Anwendung finden könnte, vermag ich nicht einzusehen. Nach meiner Ansicht also müssen wir die nervösen Elemente des Seesterns nach innen von den Theilen suchen, welche ich als Inte- gument zusammengefasst habe. Dieselbe Ansicht äusserte GREEFF in seiner ersten Mittheilung. Dafür spricht erstens das Fehlen der Ganglienzellen im Integumente. Die Stäbchenzellen wird Niemand als solche in Anspruch nehmen wollen. Ich glaube nachgewiesen zu haben, dass sie nichts anderes als das Epithel: sind. Ein von solehen Stabzellen durchsetzter Nerv wäre auf jeden Fall etwas höchst Auffallendes, wie sehr man auch geneigt sein möchte eine unvollkommene Trennung der Nervenelemente vom Hautsinnesblatte anzunehmen. Zweitens finden wir gedeekt vom Integument und ge- trennt von ihm durch die bindegewebige Lamelle Zellenaggregate mit Ausläufern und Fasern, welche man nicht anstehen kann für Ganglienzellen zu halten. Dahin gehören der terminale Knoten, die beiden Zellplatten , vielleicht in Verbindung mit den Blättern des Septums. Zur weiteren Erliiuterung dieser meiner Ansicht gehe ich jetat auf eine etwas nähere Vergleichung der Ophiura texturata und. des Asteracanthion rubens ein. VII. Vergleichung der Ophiura texturata und des Asteracanthion rubens. Wie bereits früher angegeben, findet sich bei den Ophiuren zu oberst in der Ambulacralfurche, dem Axenskelette anliegend, das Wassergefäss (Fig. 11, a), dessen Seitenzweige den Wirbel (rb) durchsetzen, um zu den Saugfüsschen (sf) zu gelangen. Unter ihm dehnt sich ein geräumiger Hohlraum (c) durch die ganze Länge des Arms. Durch das Längsband (6), auf welchem Nerv und Gefäss liegen, wird dieser Längscanal (e) von einem zweiten unter dem Bande liegenden Canale (r) geschieden, welcher durch die Bauchschilder (bs) gedeckt wird. In seiner dritten Mittheilung über den Bau der ;chinodermen (1872) stellt GrEEFF die gewichtige Ansicht auf, dass man in diesem zweiten Canale (r) der Ophiuren ein Homolögon für die offene äussere Ambulacralrinne der Asterien (Fig. 1, 7) zu suchen habe, ebenso wie in entsprechenden Längscanälen von Holothurien Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 275 (Fig. 19, r) und Eehiniden. » Weitere Untersuchungen haben mir nun gezeigt, dass diese Uebereinstimmung zwischen Asterien und Holothurien sich auch auf die Echinen und Ophiuren erstreckt. Auch hier treffen wir nach aussen vom radialen Wassergefäss die- selben Lagerungs- und Formverhältnisse des Nervenbandes, das nach innen einen Canal umschliesst, nach aussen von einem solehen umschlossen ist. Diese Homologie scheint somit eime für die ganze Kehinodermengruppe nicht unwichtige zu sein, da sie einen wesent- lichen neuen Gesichtspunet für die vergleichende Morphologie der- selben eröffnet })«. Wir hätten also bei den Ophiuren in dem zweiten Canale (r, Fig. 11) nichts anderes -als die überdachte Ambulacralrinne der Asterien (7, Fig. 1) vor uns. In der That könnten nur wider- sprechende Data einer detaillirten Entwickelungsgeschichte , auf Grund welcher allerdings eine ganz sichere morphologische Begriffs- bestimmung allein möglich ist, mich bewegen, diese von GREEFF aufgestellte Ansicht wieder aus den Augen zu verlieren. Die Ueber- einstimmung ist zu frappant. Für die Ophiuren kommt noch der folgende beachtenswerthe Umstand hinzu. Die dem Munde am näch- sten liegenden Ambulacralplatten des Armes im Discus sind paarig und nicht zu einem soliden Wirbel verschmolzen 'vergl. Jon. MÜLLER, l. e. pag. 196), sondern artieuliren mit einander durch ein gezahn- tes Gelenk wie bei den Asterien. Wie bei den Asterien spannt sich hier zwischen Wassergefäss (¢) und Band (b) ein Quermuskel (7) von einer Wirbelhälfte (vr) zur andern, so dass noch grössere Ueber- einstimmung hergestellt ist (Fig. 15). Vergleichen wir die Verhältnisse im Bau der Ophiura t. des Nä- heren mit denjenigen des Asteracanthion r., so erhellt, dass, wenn die angegebene Homologie richtig ist, das Längsband (4) der Ophiura dem Integumente der radialen Nervenbahn des Seesterns entsprechen muss. Wie dieses geht jenes Band direct in die Haut der Saugfüsschen über. Bei Ophioscolex konnte ich beobachten, dass es hier eine umhüllende Schicht derselben wird, in der sich ausser den Längs- fasern auch Gebilde unterscheiden lassen, welche an die Stäbehen- zellen des Seesterns erinnern. Stellen wir uns vor, dass die Ophiura sich aus einer asterienartigen Stammform entwickelt hat, so haben 1 lie, IIL pag.. 11. 276 W. Lange wir in jenem Bande einen Rest des friiheren Integumentes zu sehen, welches dem Nerven und Bauchgefässe des Ophiuren-Armes (viel- leicht als elastisches Gebilde) zur Basis dient. Von der früheren seitlichen Ausbreitung des Bandes, als einer blossen Verdickung und besonderen Ausbildung des Körper-Integumentes, sind nur noch die Verbindungen mit dem Integumente der Saugfüsschen vorhanden. In der That geht nämlich, wie früher gezeigt, das s. g. Nervenband der Asterien nicht nur in die Haut der Saugfüsschen unmittelbar über, sondern auch zwischen denselben in das gewöhnliche Integu- ment (vergl. Fig. 1). Makroskopische Präparate der Seestern-Nerven, wie man sie in anatomischen Sammlungen findet, sind Kunstpro- ducte. Eine bestimmte Region des Integumentes, in oder unter wel- cher man allerdings mit gutem Grunde den Nerven erwartet, wird auf gut Glück von dem übrigen Integumente getrennt, mit welchem es innig zusammenhängt. Sondert man damit zugleich der Haupt- sache nach die nervösen Elemente, so kann man doch nicht behaup- ten, den Nerven präparirt zu haben. Ich kann nicht umhin, auch hinter den Abbildungen, welche GEORGE Ossian Sars in der schon eitirten Abhandlung von dem bandartigen Nerven der Brisinga gibt, solehe Kunstproduete zu vermuthen'). Leider waren die Bruchstücke einer Brisinga endecaenemos, welche mir zur Verfügung standen, für histiologische Untersuchungen nicht mehr brauchbar. Indem ich das Band der Ophiura für homolog dem Nerveninte- gumente der Asterien erkläre, will ich noch auf die besondere Dif- ferenzirung desselben in Cutieula, Zellen- und Faserschieht auf- merksam machen, welche ich früher anführte und noch hinzufügen, dass ich bei Ophiura albida (Forb.) der Ostsee häufig auch Fasern fand, welche das Band in derselben Richtung durchsetzen, wie die Stäbchen das Integument des Seesterns. Zu beachten ist hier auch nochmals, dass bei Cribrella sanguinolenta die dachförmige Heraus- wölbung des Integumentes fehlt, dasselbe vielmehr als flaches Band, das nicht viel dicker als das Integument der Saugfüsschen ist, die Ambulacralrinne deckt. Führen wir unseren Vergleich weiter, so entsprechen die beiden Zellenplatten (p, p) des Seesterns in auffallender Weise dem paa- rigen Nerven der Ophiura text. Wie die Ganglienknoten der Ophiura durch eine Lamelle von dem darunter liegenden Bande, so sind dort ) 1. c.. Taf. VI Fig. 2, 3, 4, 5. Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. INT die Zellenplatten durch die bindegewebige Lamelle von dem Stäb- chenepithel geschieden. Die Schwierigkeiten, welche dabei das Verhältniss der Zellenplatten zum terminalen Ganglienknoten des Seesterns unserem Vergleiche entgegenstellen möchte, sind bereits erwähnt. Sowohl an Längsschnitten als Querschnitten durch den Arm der Ophiura t. konnte ich wiederholt beobachten , dass die Ganglienknoten auch dorsalwärts von einer Lamelle gedeckt sind, welche sich zugleich über das Gefäss hinüberschlägt. Das Gefäss, dessen Anheftungslinie der Stelle beim Seestern entspricht, wo sich die Blätter des Septums an der Spitze des Dreiecks nach rechts und links umschlagen, wird, wenn eine Homologie wirklich vorhanden, mit dem Septum in irgend eine Beziehung gebracht werden müssen. Vielleieht gibt eine schärfere Prüfung der einschlagenden Verhält- nisse der Cribrella, welche mir unmöglich war, näheren Aufschluss. Ich will hier nicht unterlassen, die complicirten Verhältnisse zu berücksichtigen, welche uns auch von den Holothurien bekannt sind). »Es bestehen die Radialnerven aus drei platten Bändern, welche durch ein bindegewebiges Septum von einander geschieden sind« (Fig. 19, 21, 2, #3). »Die Zellen (von »,) bilden eine äus- sere geschichtete Lage, die zwei oder höchstens drei kernhaltige Zellen enthält; nach innen, also gegen die Schicht », zu, laufen die Ganglienzellen deutlich in feine Fasern aus, die parallel zu strei- chen und sich an die bindegewebige Membran zu setzen scheinen, welche 2, und ”, von einander trennt.« Dieser Passus erinnert unwillkürlich an das über die Stäbehenschicht und bindegewebige La- melle des Seesterns von mir Beigebrachte (vergl. dazu SempPEr’s Fig. 1 Tafel XXXVIII. »An guten Schnitten sieht man, dass diese trennende Bindegewebslage eine von jeder Seite her direct aus der Cutis zwi- schen die beiden äusseren Blätter der Radialnerven tretende Leiste ist«. Ausser den zu den Füssen gehenden Nerven, welche aus einer Verschmelzung von 7, und x» sowie einer Leiste von x, gebildet scheinen, »entspringen vom Rande der Radialnerven zahlreichere aber _ seur viel kleinere Nerven, die direct in die Haut übergehen und sich hier rasch in ein dichtes Geflecht feinerer Nervenfaserr auflösen«. »Die Art und Weise, wie sie von den Radialnerven entspringen, habe ') Die folgenden Citate sind entnommen aus: »Reisen im Archipel der Philippinen von Dr. C. SEMPER in Würzburg.« Zweiter Theil. Wissenschaft- liche Resultate. Erster Band. Holothurien. pag. 146. VI. Das Nerven- system. Morpholog. Jahrbuch. 2. 19 978 W. Lange ich nieht ganz genügend ermitteln können: nur soviel steht fest, dass sie zum grössten Theile aus der Schicht 7» (vielleicht ausschliess- lich !) entspringen und gleich von Anfang an in Form von Fasern, die zuerst in grösseren Stämmen vereinigt sich bald in feinere Fasern auflösen«e. Die nervöse Natur von ~., welches noch mit einem Ca- nalsystem (2,) in Verbindung stehen kann, ist SEMPER zweifelhaft. »Vorläufig wird man sich wohl, so lange nicht mit Sicherheit über die nervöse Natur der Röhre nz —n , abgeurtheilt werden kann, jedes Suchens nach Analogien enthalten müssen. Sollte diese Röhre wirk- lich nervös sein, d. h. nervöse Theile, Ganglienzellen und Nerven- fasern enthalten, so wäre meines Erachtens damit ein so eigenthüm- lich gebautes Nervensystem erkannt worden, dass eine morphologi- sche Vergleichung mit demjenigen anderer Thierkreise absolut un- möglich gemacht wäre. Es würde sich dann vor Allem darum handeln, auch das Nervensystem der übrigen mit einem Wasser- gefiisssystem versehenen Echinodermen-Klassen auf eine Ueberein- stimmung mit den Holothurien zu untersuchenc. Diese gesuchte Uebereinstimmung scheint mir nun, wenn anders wir uns auf einer richtigen Fährte befinden, allerdings vorhanden. Die äussere Platte x, wird dem Bande, die mittlere », dem Nerven, die innere x. dem Gefässe der Ophiura t. entsprechen. Indem ich bei der Ophiura texturata (Fig. 14 und 15) die dritte Platte »; sicher als Gefäss von Nerven sondern, die zweite sicher als nervös bezeichnen kann, büssen die Verhältnisse schon viel von ihrer Ab- sonderlichkeit ein. Es handelt sich nur noch um die schon ventilirte Frage, ob der Nerv von dem darunter liegenden Bande zu trennen sei. Wir haben uns für diese Trennung entschieden. Der Umstand, dass auch bei Holothurien die mittlere Platte », vollständig von der äusseren », durch eine Bindegewebslamelle getrennt ist und sicher einen grossen Theil der Nerven abgibt, kann nur für meine Ansicht sprechen. An dem Strange zu den Saugfüsschen nehmen alle 3 Platten Theil, ebenfalls wie bei der Ophiura t. Ganz unvereinbar mit meiner Ansicht ist aber das, was Semper über die Ringeommissur — der Nerven angibt, welche so wie die von ihr abgehenden Nerven lediglich aus der Schicht », besteht, während z, schon im Radius ein Ende nimmt. Wie wir übrigens auch beim Seestern die Grenze der nervösen Elemente ziehen, auf alle Fälle stellt sich ein auffallender Unter- schied vom Nerven der Ophiura heraus. Die characteristische Cen- Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 279 tralisation und scharfe Gliederung des Nervensystems, wie wir sie bei der Ophiura t. geschildert, fehlt dem Seestern. Hier sind die ner- vösen Elemente, Fasern und Zellen, viel gleichmässiger in der ganzen Nervenbahn vertheilt, und steht somit das ganze Nervensystem auf einer indifferenteren Stufe. Diese Thatsache harmonirt vollständig mit der Art der Bewegung beider Thiere. Die Ophiura rudert kräftig und ruckweise mit zwei Armen. Der Arm des Seesterns, bewegt sich langsam und ist einer ruckweisen Bewegung überhaupt nicht fähig. Schneidet man plötzlich einem lebenskräftigen Seesterne, der sich in Ruhe befindet, eine Armspitze mit der Scheere ab, so ver- anlasst diese Amputation zuerst keine auffälligen Bewegungen des Thieres. Erst nachdem dasselbe sich mehrere Secunden lang gleich- sam besonnen hat, fängt es an, sich in Bewegung zu setzen, um mit Anfangs geringer, dann zunehmender Schnelligkeit nach entgegen- gesetzter Richtung von dem Puncte des Eingriffes weg zu flüchten. Hat man das Thier auf einem Teller, so kann man durch Amputation eines anderen Armes dasselbe wieder in eine andere Richtung jagen. Jede Bewegung aber geschieht mit derselben Bedächtigkeit. Alles spricht also dafür, dass wir im Nervensysteme des Seesterns eine tiefere Stufe vor uns haben, als in dem der Ophiura. Hier hat sich aus der indifferenteren Form ein gegliedertes System in einer Rich- tung entwickelt, welche unwillkürlich an die Anneliden unter den Würmern erinnert und geeignet ist, als Schlüssel zum Verständniss der indifferenteren Form des Seesterns zu dienen. Schluss. Zum Schlusse sei es mir erlaubt, noch einige Worte mit Rück- sieht auf die HAEcKEL'sche Hypothese von der Würmer-Natur der Eehinodermen hinzuzufügen. Die Thatsachen, welche herbeigezogen werden, diese Hypothese zu stützen oder zu widerlegen, sind That- sachen der Entwickelungsgeschichte und Thatsachen der vergleichen- den Anatomie. Die letzteren, mit welchen wir es hier zu thun haben, mehren sich in erstaunlichem Grade zu Gunsten jener geistreichen Hypothese, welche mit unserer wachsenden Kenntniss der Echinoder- men-Gruppe sich immer fruchtbarer erweist. Dafür hat jüngst wie- der die bereits erwähnte Arbeit von Sars über Brisinga ein glänzen- des Zeugniss abgelegt. Die Brisinga entpuppt sich als wahre Asterie von der geringsten Centralisation, die bis jetzt bekannt ist, und wird unter den Asteriden als ursprünglichste, den »Colony forming Ver- 193 280 W. Lange mes« am nächsten stehende Form aufgefasst. Die Arme, deren Selbständigkeit sich als ganz ausserordentlich herausstellt, enthal- ten sogar paarige Geschlechtsorgane in symmetrischer Anordnung. Der Diseus besteht eigentlich nur aus Commissuren. Selbst die Skelettheile desselben werden fast nur aus den zusammentretenden Skeletenden der Arme gebildet, welche durch wenige Schaltstiicke verbunden sind. Das was Sars über die Nerven der Brisinga bei- bringt, berechtigt uns zu der Annahme, dass auch hier sich das Nervensystem auf jener indifferenteren Stufe befindet, wie wir dieselbe für Asteracanthion characterisirten, ja auf einer noch indifferenteren. Für die letztere Annahme sprechen die noch trägeren Bewegungen (siehe Sars 1. ec. V pag. 41). Meine Untersuchungen lehren nun, dass mit der Anpassung an Verhältnisse, welche eine entschiedenere Bewegung des gegliederten Armes zur Lebensbedingung machten, sich in demselben eine Form des Nervensystems ausgebildet hat, wie wir sie bei gegliederten Würmern, und weiter den Arthropoden, finden. Wie bei den Ringelwürmern prägt sich im Arme der Ophiura die Metamerie schärfer aus und zugleich findet eine Diffe- renzirung des Nervensystems in ganz derselben Richtung wie bei jenen statt. Dieser Auffassung würde selbst dann nichts im Wege stehen, wenn wir trotz alledem gezwungen werden sollten, das Band gleichsam als continuirliche Längscommissur mit zum Ner- ven zu rechnen. Immer bleiben die paarigen Ganglienknoten, welche, symmetrisch zur Seite des unpaaren Gefässes liegend, sich in die Versorgung der rechten und linken Armhälfte mit Nerven thei- len und so eine auffallende bilaterale Symmetrie herstellen. Diese paarige Anordnung der Nervenelemente ist meiner Ansicht gemäss auch bei den Asterien bereits in Gestalt jener beiden Zellplatten an- gedeutet. Sars möchte nach seinen Erfahrungen für alle Echino- dermen eircumseripte Gefässe in Abrede stellen und nur ein Lacu- nensystem gelten lassen. Ich habe kein Blut in dem von mir als Gefäss gedeuteten Röhrensystem der Ophiura t. pulsiren sehen, bin aber überzeugt, dass Niemand eine andere Deutung desselben geben würde. Ich erkläre es für das unpaare Bauchgefäss des Ophiuren- Armes und vermuthe, dass es aus dem umgebenden Lacunen- und Canalsystem Blutflüssigkeit in bestimmtere Bahnen pumpt. Vielleicht stehen die Saugfüsschen, welche die Seitenzweige erhalten, einer re- spiratorischen Funetion vor. Leider ist es mir nicht gelungen, den Ver- bleib der Zweige des Näheren aufzudecken. Ueberblickt man diese Verhältnisse und versinnlicht sich dieselben an Schematen, wie Fig. 11 Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren. 281 u. |, so wird man zugeben, dass dieselben der vergleichenden Anatomie abermals schwer wiegende Thatsachen bieten, welche beim Für und Wider der Haszcker’schen Hypothese nur als Stütze dienen können. Zusammenfassung der Hauptresultate. I) Die Seitenzweige des radialen Wassergefässstammes beim See- stern, welehe die Saugfüsschen und Ampullen speisen, enthalten Ven- tile, welehe sich bei der Contraetion der Ampullen schliessen müssen. 2; Die Höhlung der radialen Nervenbahn des Seesterns ist durch ein verticales Septum nur in zwei Längscanäle geschieden. Das Septum sendet zugleich mit dem Ambulacralgefässe und ventralwärts nach rechts und links Zweige, welche die Lumina jener beiden Ca- näle durchkreuzen. 3) Das Septum endet im Augenkolben des Seesterns; das Ende des Ambulacralgefisses ist die Höhlung des Fühlers. 4) Die bandartige Leiste, welche zwischen den Saugfüsschen des Seesterns in der ganzen Länge des Armes vorspringt, besteht nächst Wimpern und Cuticula aus einem gegabelten Stäbehenepithel, welches eine Modification des gewöhnlichen Epithels ist, und feinen Längsfasern, welche sich zwischen den Stäben durch die Länge des Armes ziehen. Von diesem Epithel durch eine bindegewebige Lamelle getrennt, sprin- gen in das Lumen der beiden Nervencanäle Zellplatten vor, welche augenscheinlich nervöse Elemente enthalten. Im Augenkolben findet sich unter der Lamelle ein umfangreicher Ganglienknoten. 5) Die Augentrichter, in das Integument des Augenkolbens ein- gebettet, werden zusammengesetzt aus Pigmentzellen, welche mit ihren Köpfen zusammentreten. Auch diese Zellen sind höchstwahr- scheinlich als fernere Modification des Stiibchenepithels aufzufassen. Auf ihren Köpfen tragen dieselben lichte Stäbehen, welche gegen die Axe des Hohlkegels vorragen. 6) Das radiale Nervensystem der Ophiura texturata (Forbes) besteht aus paarigen Ganglienknoten , welche durch Längs- und Quercommissuren mit einander in Verbindung stehen. Diese Gang- lienkette liegt symmetrisch zu den Seiten eines unpaaren Längsgefäs- ses auf einem Bande, welches wir für homolog dem Integumente der radialen Nervenbahn des Seesterns erachten. Die Zahl der Ganglienknoten entspricht der Zahl der Metameren. Jeder Knoten eines Paares gibt einen stärkeren Nerven ab, welcher den Wirbel 982 W. Lange durchsetzt, um zu den Muskeln zu gelangen, — einen schwächeren, welcher mit einem Gefässzweige zum entsprechenden Saugfüss- chen geht. Anhang. „Beiträge zur Anatomie der Crinoideen von Dr. Husperr Lup- wia«. {Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität zu Göttingen. 23. Febr. 1876 No. 5,) enthalten eine Zusammenstellung der hauptsächlichsten Resultate des Verfassers, auf welche ich, da meine Arbeit bereits abgeschlossen war, anhangsweise eingehe. Das Epithel der Tentakelrinne, aus langen nach unten faden- formig ausgezogenen Zellen mit länglichen Kernen bestehend, zwi- schen welche in der tieferen Partie kürzere mit runden Kernen ver- sehene Zellen eingelagert sind, ist nach dem Verfasser im Vergleich zu dem Zellenüberzug der Tentakel und der übrigen Körperoberfläche sehr verdiekt. Unter dem Epithel in der Mittellinie der Tentakel- rinne findet sich das Homologon des GrEEFF’schen Nervengefässes der Asterien mit Septum. »Rechts und links von dem beschriebenen Gefäss erblickt man den Querschnitt zahlreicher, ungemein feiner, häufig mit winzigen Zellen untermischter Fasern, die in der Längsrichtung des Armes verlaufen und in ihrer Gesammtheit den Armnerven darstellen«. Ueber und unter dem Nerven ist eine sehr dünne bindegewebige Lamelle gelegen. »Die Nervenfasern liegen demnach nicht wie bei den Asterien unmittelbar in der tiefsten Schicht des Epithels, sondern sind von ihm getrennt durch eine dünne Bindegewebslage«. Indem bei Antedon Eschrichtii über dem Grrerr’schen Gefässe keine Nervenfasern an- getroffen werden, wird hier ein paariger Armnerv erkannt, während bei dem nahe verwandten Antedon rosaceus (Comatula mediterranea, der Armnerv durch Vereinigung der beiden Hälften in der Mittellinie zu einem unpaaren geworden ist. »Auch möge darauf hingewiesen sein, dass bei den Ophiuren und Echinen der Radialnerv in der Mittellinie eine Einsenkung erkennen lässt«. Wenn anders ich mit dem »Rechts und links von dem beschrie- benen Gefässe« ein richtiges Bild verbinde (das Gegentheil wäre mir bei einer vorläufigen Mittheilung ohne Abbildungen zu verzei- hen !), so können obige Data nur geeignet sein, eine willkommene Parallele zu den meinigen zu ziehen. Was über den paarigen Ner- ven und die bindegewebige Lamelle, welche denselben vom Epithel Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophinren. 283 trennt, gesagt wird, erinnert unwillkiirlich an die kritischen Puncte meiner Arbeit und kann meine Zweifel eher beseitigen helfen als verstärken. Für meine Auffassung scheint mir ausserdem von Be- deutung zu sein, dass Lupwıig auch bei Crinoideen jene characteristi- sche Mächtigkeit der Epithelschicht beobachten konnte, welche das Integument der r. Nervenbahn vor dem übrigen Integumente auszeichnet, obgleich er mit Sicherheit den paarigen Nerven unter dieselbe verlegt. Die besondere Ausbildung des Integuments der radialen Nervenbahn beim Seestern erlaubt daher nicht ohne Weite- res einen Schluss auf die nervöse Natur desselben, und auch die fibrilläre Zwischensubstanz des Stabepithels, welche nach Lupwia bei Crinoideen zu fehlen scheint, bietet keine direeten Anhaltspuncte für diese Auffassung. Im Gegentheil scheint mir Alles mehr und mehr darauf hinzuweisen, dass die Anordnung der verschiedenen Schich- ten im Ambulacrum der verschiedenen Echinodermen eine bis ins Einzelne gehende Uebereinstimmung bietet. Demgemäss kann ich auch der Polemik, welche Lupwia gegen die Hypothese GREEFF’S vom Homologon der äusseren Ambulacralrinne der Asterien bei Ophiuren ete. aufnimmt, nicht beipflichten. Die Angaben Lupwig's, der dieses vermeintliche Homologon als muthmassliches Spaltungs- product der Trennungslamelle zwischen Nerv und Epithel hinstellt. scheinen mir im Verein mit den meinigen Greerr’s Hypothese nur zu stützen. Dagegen müssen meine einschlagenden Data, sofern sie nicht vollständig irrthümlich sind, jener Hypothese Lupwia’s nothwendig den sicheren Boden entziehen. Holothurien und Ophiuren könnten nur dann von Lupwia als Stütze herangezogen werden, wenn das sogenannte radiale Nervenband das einfache Gebilde wäre, für welches man es lange gehalten. Fig. 1. Fig. 2a. Fig 20. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Erklärung der Abbildungen. Tafel XV — XVII. (HARTNACK, Syst. 4, Oc. 1.) Querschnitt durch den Arm von Aste- racanthion rubens (schematisch). Ih = Leibeshöhle. w = Ambulacralplatte. a = Ambulacral- canal. m = Quermuskel. 6 = Band der radialen Nervenbahn. s = verticales Längsseptum der r, Nervenbahn. c, c = Längs- canäle der radialen Nervenbahn. + = äussere Ambulaeralrinne. sf = Saugfiisschen. ap = Ampulle. 4% = Hautkiemen. (HArT., Immers. 10, Oc. 1.) Querschnitt durch die radiale Nerven- bahn und den Ambulacraleanal mit Umgebung von Asterac. r. ct = Cuticula. ep = Stiibchenepithel. 7 = bindegewebige La- melle. p, p = Zellplatten. z= Hohlraum des Septums. s,s= Blätter des Septums. dd = Bindegewebe. A = horizontales Liings- septum. (Uebrigens die Bezeichnung wie vorher.) (H., S. 4, O. 2.) Ein gleicher Querschnitt, die seitlichen Zweige des Ambulacraleanals und des verticalen Längsseptums zeigend e, ec; x, <= die vier Lumina der hohlen Nervenbahn. z, z= die kurzen Zweige des Ambulacralcanals (a) zu den Saugfüsschen (sf). amp = Ampulle. (Uebrigens wie vorher.) (H., 4, 3.) Verticaler Längsschnitt durch die Ambulaeralfurche, den Augenkolben und Fühler von Ast. rub. (schematisch). a, = Seitenzweig des Ambulacralcanals (a). sh = dorsale aus- geschweifte Anheftungslinie des vert. Septums (s). ak = Augenkol- ben. au = Einzelauge. gi = Ganglienknoten. fl= Fühler. e = terminale Erweiterung des Ambulacralcanals. (H., 7, 1.) Horizontaler Liingsschnitt durch die Nervenbahn von Aster. rub. (von der ventralen Seite aus gesehen). z = Zweige des Septums. m = Quermuskel. V = Andeutung eines eben getroffenen ‚Ventils. (Uebrigens wie vorher.) (H., 7, 1.) Horizontaler Längsschnitt durch den Ambulacraleanal (a) von Asterac. rub. V = Ventil. ¢=Spalt. tisch = Tasche. z = Zweig des Am- bulacraleanals zum Saugfüsschen. (Man beachte die scharfe Ab- grenzung der Wände des Spaltes (¢) von den Wänden der Taschen (tsch). (Uebrigens wie vorher.) (H., 7, 1.) Verticaler Längsschnitt durch den Arm von Aster. rub., W. Lange, Beitrag zur Anatomie u. Histiologie der Asterien u. Ophiuren. 285 Fig. 7. Fig. 8. Fig. 12. Fig. 13. seitlich von der Medianlinie. (Die Richtung des Schnittes ist in Fig. 5 durch die punctirte Linie angedeutet.) sf = Saugfüsschen. cz = Seitenzweige der Canäle der rad. Nervenbahn (vergl. dazu die bezügl. Angaben von GREEFF und HorrMaNN). ap = Ampulle. Uebrigens die Bezeichnung wie in Fig. 5. Näheres über den Schnitt im Text. (H., Imm. 10, 3.) ep = Stäbchenepithel aus dem Integumente der radialen Ner- venbahn. a = Stiibchenzelle aus dem Fühler. rey = Gewöhnl. Epithel vom Rücken. c = untere Hälften desselben. (Aster. rub.) (H., Immers. 10. 3.) Verticaler Längsschnitt durch den Augenkolben von Asterac. rub. (vergl. Fig. 3). gl = Ganglienknoten. ep = Stäbchenepithel. fd = fibrillire Zwischensubstanz. au, = Längsschnitt durch ein Einzelauge. au,, = Querschnitt durch ein solches. o = Problematische Blase. (H., Imm. 10, 3.) Zellen aus dem Einzelauge von Asterac. rub. und Fragmente von solchen. b = vollständige Zellen. ce = Fragmente. (H., I. 10, 3.) a = Einzelauge von Asterac. rub., durch Zerzupfen des Augen- kolbens isolirt und durch Druck aufgerissen. 4 = ein Bruchstück eines solchen. (H., 4, 1.) Querschnitt durch den Arm von Ophiura texturata (sche- matisch). wrb = Kalkwirbel. m = Zwischenwirbelmuskeln. a = Ambu- lacraleanal. (Seitenzweige zu den Saugfiisschen (sf) abgebend, welche in besonderen Caniilen den Wirbel durchsetzen.) 5 = Längs- band (die Zweige, welche nach den Saugfüsschen gehen, sind ge- troffen). Darauf in der Mitte das Gefäss; zu beiden Seiten dessel- ben der Nerv. 5s = Bauchschild. c und 7 = Längscanäle. (H., 7, 1.) Horizontaler mit dem Skalpell geführter Längsschnitt durch die Ambulacralfurche-der Ophiura text. Man sieht auf die dorsale Seite des Bandes (b), auf welcher das Gefiiss (gf) und die Ganglien- knoten (gl) liegen. wrb = der rechts und links durchschnittene Wirbel. /e = Ner- venliingscommissur. 2 = Muskelnerv (nach oben und in den Wirbel tretend). y = Quercommissur der Ganglienknoten. z, z = die unter dem Wirbel liegenden Seitenzweige des Gefiisses. m = Zwischenwirbelmuskel. Die Fasern dieses Muskels sind breite Bänder, welche, in Alkohol aufbewahrt, eine doppelte Schräg- streifung zeigen. Vergl. dazu G. SCHWALBE. »Ueber den feine- ren Bau der Muskelfasern wirbelloser Thiere«. (M. SCHULTZE’s Archiv. Bd. V. 1869. pag. 205.) (He nse Ore) 6 = Muskelnery. a = Zusammenhang-eines Nerven mit Gang- lienzellen des Ganglienknotens. Fig. 14a. (H., Im. 10, 2.) Querschnitt durch das Längsband und die darauf liegenden Theile von Ophiura text. b = Band (die drei im Texte angegebenen Regionen desselben 286 W. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 17a. 170. 19: Lange, Beitrag zur Anatomie u. Histiologie der Asterien u. Ophiuren. 1, 2, 3, sind angedeutet. gf = Gefäss. g! = Ganglienknoten (theil- weise abgehoben vom Bande). . (H., 7, 1.) Das auf dem Bande liegende Gefäss der Ophiura text. = gf. h = Anschwellung desselben. » = Nerv. gl = Ganglion. (H., I. 10, 2.) Querschnitt durch das Band und die darauf liegenden Theile der Oph. text. an der Stelle, wo die Muskelnerven (mn) ab- gehen. gf = Gefäss. gl = Ganglion. d= Band. c = Commissur. (H., 1. 10, 3.) Zellen aus den Zellplatten der radialen Nervenbahn von Asteracanth. rub. (Das Nähere im Text.) (H., 4, 1, verkleinert.) Verticaler Längsschnitt durch Arm uud Dis- cus eines jungen Aster. rub. d=Diseus. ar = Arm. o = Mundöffnung. sf = Saugftiss- chen. amp = Ampulle, a = Ambulaeraleanal. m = Quermuskeln. s = Septum. 7, = Integument der radialen Nervenbahn. g = Blut- gefiss. c= die den Mund umgebende Fortsetzung der Canäle der radialen Nervenbahn. m, = Muskeln. w = Ambulaeralplatten, ¢ = Integument. * (H., 7, 1.) Querschnitt durch die ringförmigen Canäle des Discus. (Die entsprechenden Theile von 17a stärker vergrössert.) a == Ambulacralcanal. g = oraler Blutgefissring. m = Mus- kel. ec = Fortsetzung der Längscanäle der radialen Nervenbahn. ‘ = Integument. p = Fortsetzung der Zellplatten. (H., 4, 1.) Der erste Wirbel des Ophiuren-Arms zunächst dem Munde und die darunter liegenden Theile. (Querschnitt.) wrb, wrb die beiden mit einander articulirenden Wirbelhälften. a =Ambulacraleanal. m = Quermuskel. sf = Saugfiisschen. c= Lingscanal. 6 = Band. r = Längscanal. ds = Bauchschild. (Oph. text.) Querschnitt durch den Radialnerv von Holothuria erinaceus S. (Vergy. 30/,.) [nach SEMPER |. ce. Tafel XXXVIII. 2). : mi, Mg, nz = die 3 problematischen Theile des Nerven. a= Ambulacraleanal. r = Längscanal. Morpholog. Jahrbuch Bd. 11. ay x Aili S SY ; — al 7 \ 13 | Lith Angtvy.G.Bach Leipzig. a Die Hautdecke und Hatitsinnesorgane der Urodelen. Von Dr. Fr. Leydig, in Bonn. Mit Tafel XVII bis XXI. 1. Der Bau des Integumentes. Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass die Haut- decke der Klasse: Batrachia, Brongniart, nach folgenden Grund- zügen gebaut ist. Eine Cuticula ist vorhanden, entweder in zusammenhängender Form, als für sich abhebbares homogenes Häutchen, oder auch nur als Decklage der einzelnen Zellen. Die Cuticularschicht kann man- cherlei Seulpturen entwickeln. Die Epidermis scheidet sich in Horn- und Schleimschicht. Die Zellen sondern sich in eigentliche Oberhautzellen, in Schleim- und Drüsenzellen, in Chromatophoren und Faserzellen. Eine Abän- derung der Drüsenzellen sind die sogenannten Sinneszellen. Die Epi- dermis kann durch örtliche Verdiekung und Erhärtung Hornhöcker erzeugen. Die Lederhaut besteht nach ihrem Grundstock aus wagerecht geschichtetem, derben Bindegewebe. Dasselbe ist oben und unten überzogen, sowie in senkrechten Zügen durchsetzt von einem locke- ren, auch die Wand der Drüsensäcke bildenden Bindegewebe; letz- feres ist ferner Träger der Blut- und Lymphgefässe, nicht minder der Nerven; auch enthält es das im Bindegewebe abgesetzte Pig- ment. Die Oberfläche der Lederhaut ist niemals ganz glatt, sondern Morpholog. Jahrbuch. 2, y 20 238 F. Leydig erhebt sich in ein äusserst feines Leistensystem und kann ausserdem noch in grössere Blätter und Papillen verschiedener Art ausgehen. Blutgefässe und Nerven bilden in der unteren lockeren Grenzschicht der Lederhaut ein Netz von weiten Maschen und ein zweites enge- res in der oberen meist stark pigmentirten Grenzlage; diejenigen Gefässe und Nerven, welche die Verbindung zwischen dem oberen und unteren Netze herstellen, liegen in den senkrecht aufsteigenden Zügen des gleichen lockeren Bindegewebes. Die Haut ist überaus drüsenreich. Ich erlaube mir, die histologische Beschaffenheit jener Gattungen und Arten der Ordnung: Batrachia caudata, Dumeril, welche ich selbst geprüft habe, im Einzelnen zu durchgehen, sowohl um wei- tere Mittheilungen vorlegen, als auch um gewisse Puncte, über welche ich mit anderen Beobachtern noch nicht gleicher Meinung bin, beleuchten zu können. 1. Gattung: Proteus, Laurenti. Species: Proteus anguimus, Laur. Die Cuticula ist dick, senkrecht streifig, wie jene der Larven anderer Batrachier; Sculpturen sind nicht vorhanden. Unter den Zellen der Epidermis gibt es keine »Stachelzellen«, dagegen viele Schleimzellen. Die Epidermis ist ohne Hornbildun- gen; die Hautsinnesorgane sind zeitlebens zugegen. Lederhaut dünn. ohne Pigment. Aus Beobachtungen, welche ich über die Haut des frischen Thie- res vor vielen Jahren anstellte, hatte sich ergeben, dass die von mir in der Oberhaut der Fische als Bildungen besonderer Art erkannten Schleimzellen!; sich auch bei diesem Batrachier finden. Aus !! Es wird von jüngeren Zoologen die Entdeckung und Deutung obiger Elemente bald Diesem bald Jenem zugeschrieben. Deshalb mag es gestattet sein, hier zu wiederholen, dass von mir zuerst, vor nunmehr 25 Jahren, diese Gebilde aufgefunden und als einzellige Drüsen angesprochen wurden. Vergl. meine Erörterung hierüber in Act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. pag. 18. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 289 der Haut lebender Thiere sah ich sie nur unter der Form grosser Zellen, eingestreut zwischen die tieferen Schichten der Epidermis und erfüllt mit körnig-krümlicher Masse, die wieder fiir sich in ein Bläschen (Sekretbläschen) eingeschlossen war. Später an Wein- geistexemplaren fanden sich ausser den runden auch Schleimzellen von Flaschenform ?. Hinsichtlich der Lederhaut machte ich aufmerksam, dass ihr Bindegewebe nach der freien Fläche hin mehr compact und homo- gen sei, nach unten zu aber in Stränge auseinander gehe; da die Haut pigmentlos sei, so lasse sich hier, nach Wegschaffung der Epidermis und von oben besehen, gewahren, dass die bündelförmigen Abtheilungen der Bindesubstanz in ähnlich regelmässiger Ordnung ringförmig um die Hautdrüsen ziehen, wie auf dem Querschnitt eines Knochens die Lamellen um die Markeanäle kreisen. — Auch die Hautdrüsen habe ich im Näheren beschrieben’). Wenn ich jetzt die Zeichnung des Hautschnittes, welche Buc- NION !) veröffentlicht hat, vergleiche, so stimmt sie gut mit meinen Anga- ben überein: als bemerkenswerth kommt hinzu, dass das Pigment, wel- ches sich bei gefangen gehaltenen Thieren entwickeln kann, genau in die lockeren Züge abgesetzt wird, welche von mir wiederholt als Träger des Pigments bezeichnet wurden; die Räume des lockeren Bindegewebes gelten unserem Beobachter ebenfalls als Lymphräume. Die Schleimzellen der Epidermis werden erwähnt und nach ihrem feineren Bau geschildert, ebenso die Cuticula, welche dick sei und von senkrechten Streifen durchsetzt. Durch MALBRANC*), welcher zuletzt die Vertheilung und den Bau der Hautsinnesorgane untersucht hat, erfahren wir, dass unser Thier dureh die Gruppirung der Hautsinnesorgane drei Seitenlinien besitzt. 1) Anat.-hist. Unters. über Fische und Reptilien, Berlin, 1853. pag. 107. 2) Histologie, 1857. pag. 97 Anmerk. 3) Anat.-hist. Unters. über Fische und Reptilien. pag. 110. 4) Recherches sur les organes sensitifs que se trouvent dans l’épiderme du Protée et de l’Axolotl. Lausanne, 1873. >, Von der Seitenlinie und ihren Sinnesorganen bei Amphibien, Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. XXVI 1875. 20* 390 F. Leydig 2. Gattung: Menopoma, Harlan. Species: M. giganteum, Bart. Die Cuticula stellt sich am umgeschlagenen Rand der obersten, platten Epidermiszellen als ein scharfer, doppelliniger, wenn auch dün- ner Saum dar. Die Sculptur ist eine feine Höckerbildung, welche sich als Punetirung der Zellenoberfliiche kund gibt. Die Elemente der Epidermis in den tieferen Lagen sind »Stachelzellen«. Die Zellen enthalten zum Theil schon einiges Pigment. Zwischen den gewöhnlichen Zellen der Epidermis verbreiten sich wie bei allen gefärbten Amphibien ‘und Reptilien) strahlige Chromatophoren. Die Lederhaut ist stark pigmentirt und erhebt sich in Lei- sten, welche eine einzige Gefässschlinge tragen. Die Hautsinnes- organe sitzen in Vertiefungen zwischen den rundlichen Höckern der Lederhaut. Die Lederhaut vorgenannten Thieres erscheint dick; dabei will es mir an Durchschnitten vorkommen, als ob es nicht jene derben wagerechten Schiehten seien, welche ich als Grundstock der Leder- haut der Amphien bezeichnete, sondern jene obere, lockere, gefäss- tragende Grenzlage sei es, welche hauptsächlich die Dicke der Haut bedinge. Es mag dies in Uebereinstimmung stehen mit den grossen, weiten Blutcapillaren, welche aus dieser Schicht aufsteigen und über die freie Fläche hinaus die Papillen erzeugen. Es haben die letztgenannten Papillen und Leisten, obschon sehr characteristisch für Menopoma und Oryptobranchus, bei den frü- heren Beobachtern gar keine und bei dem neuesten Autor nur ge- ringe Beachtung gefunden, weshalb sie jetzt nach Form und Bau durch Zeichnungen veranschaulicht werden sollen und zur Erklärung derselben erlaube ich mir aus meinen früheren Mittheilungen !) Eini- ges im Auszuge hier zu wiederholen. Die für's freie Auge fein grieselige Beschaffenheit der Haut- oberfläche beruht auf den dicht stehenden und auf’s mannigfaltigste ineinanderfliessenden Leistchen und Papillen, welche über den gan- zen Körper wegziehend, eigentlich nur an den Umschlagsstellen der ') Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XII. Separatausgabe pag. 40. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 291 Haut fehlen !). Je eine Leiste besteht aus einem einzigen sehr ge- räumigen Blutcapillargefäss, das von der Haut weg entweder nur einen einzigen kurzen Bogen erzeugt, oder mehrere ‘Schlangenkriim- mungen ausführt, ehe es wieder zurückgeht. Dabei hat es den An- schein, wie wenn das Capillargefäss völlig frei auf der Oberfläche der Lederhaut sich in die Epidermis hineinerhebe, indem die binde- gewebige Grundlage , welche als Begleiter oder Träger zu dienen hat, nur in äusserst geringer Menge zugegen ist. Wegen dieser Leisten und Papillen und weil sie nach oben und aussen nur ganz ~ dünn von der Oberhaut überdeckt sind, zeigt auch die abgehobene Epidermis an ihrer Unterfläche ein sehr ausgesprochenes netzartiges Wesen (Rete Malpighii). Die Hautsinnesorgane sind bisher von EILHARD SCHULZE, dann von mir und MALBRANG untersucht worden. Nach dem ersten Beobachter fände sich in der Aushöhlung der Hügel eine knopfartige, mit Cylinderepithel bedeckte Erhabenheit, in welche Nerven eintre- ten. Auch schienen Büschel verklebter Sinneshaare zugegen zu sein. Ich selber gab Nachricht bezüglich der Vertheilung der Sinnes- organe über den Körper hin, dann erörterte ich das Verhältniss der Drüsen zu diesen Hügeln, ferner dass die gefässtragenden Leisten sich, wenn schon in verjüngtem Maassstabe auf die Fläche des Hügels erstrecken?). Endlich die epitheliale Bekleidung des Hügels und der grubigen Aushöhlung anlangend, so sei das Epithel der Hügel nicht verschieden von dem gewöhnlichen der Haut: es bestehe aus Plattenzellen mit feinster Punetirung und Cutieularsaum ®). Dieses Epithel gehe von der Höhe des Hügels ins Thal bis genau dahin, wo die Oeffnung der Höhle liegt, allwo dann körnige, halbzerstörte Zellen begännen, welche die Höhlung auskleideten, ohne dass an ihnen etwas wahrzunehmen gewesen wäre, was sie von den Zellen echter Hautdrüsen unterschieden hätte!). Ich konnte somit weder die knopf- artige Erhabenheit, noch die Sinneszellen ScHuze's bestätigen. MALBRANC geht auf die Vertheilung der Organe über den Körper hin noch näher ein als ich und drückt dies auch in Zahlen !} Vergl. Figur 10, «; Figur 11, 6; Figur 9 und Figur 29. 2 2, Figur 13. 3) Figur 12. 4 Figur 10. 292 F. Leydig aus. Ueber den feineren Bau lässt er sich dahin vernehmen, dass die Gestalt der Mündung eine vollständig kreisrunde sei. Die zel- ligen Elemente schieden sich in platte Mantelzellen mit zusammen- gedriicktem Kern in einer spindelförmigen Auftreibung und in Birn- zellen, welche von Härchen nichts erkennen liessen. Es bleibt somit, da auch der letztgenannte Beobachter nichts von einer knopfartigen Erhabenheit weiss, und ferner die Härchen einstweilen fraglich sind, über den Bau so viel bestehen, dass die Zellen sich scheiden in die nach aussen liegenden und lang ausge- zogenen Stützzellen und in die den Innenkörper bildenden birnförmi- gen Zellen, welche ich den Schleimzellen für verwandt halte. Dass die Oeffhung des Organes bei MALBrRanc als völlig kreisrund bezeichnet wird und auf meinen Präparaten länglich sich darstellt, ist wohl von geringer Bedeutung. 3. Gattung: Cryptobranchus, van der Hoeven. 5 YI Species: C. japonicus, Thunberg. Die Schrift Borau’s: Beitrag zur Kenntniss der Amphibienhaut !) enthält einen besondern Abschnitt über die histologische Beschaffen- heit der Haut unseres Thieres, aus welcher ich aber weiter nichts zu entnehmen weiss, als dass unter Umständen die bindegewebigen Bündel der Lederhaut in Fibrillen auseinander gehen, ein Verhalten, das ich auch bei andern Batrachiern, namentlich an Exemplaren von Bufo vulgaris, welche lange in Weingeist gelegen hatten, wahrge- nommen habe. An einem jungen Thier von Cryptobranchus japonicus, das ich aber aus Rücksicht auf die Sammlung der es angehörte zu schonen hatte, untersuchte ich die Falten, Leisten und Papillen der Lederhaut und habe das Nähere bereits an einem anderen Orte vor- gebracht. MALBRANC gedenkt ebenfalls der »niedrigen, wallförmigen, lang- gestreckten Papillen, die unter der Epidermis sich bis dieht unter deren Oberfläche erheben«. Die von Genanntem gegebene Figur, welche die »eoncentrische Umschliessung des Sinnesorganes« durch die Papillen versinnlicht und bei durchgehendem Licht gehalten er- ') Inauguralabhandlung, Göttingen 1866. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 293 scheint, entspricht der von mir über Menopoma gelieferten und bei auffallendem Licht gezeichneten Abbildung'). Den feineren Bau der sehr grossen Seitenorgane legt der ge- nannte Autor dar. Die Mündung sei bald von Form eines lang gezerr- ten und fast geschlossenen Spaltes, bald klaffe sie beinahe in ovaler Gestalt. Den Boden der Thalsenkung für das Seitenorgan bilde »keine absondernde Gewebsschicht etwa nach Art der geschlossenen Balghaut der Drüsen, sondern einfach die oberste Cutislage«. Die Decke werde hergestellt von einem Gewölbe gestreckter farbstoff- freier Epidermiszellen (Deckzellen); die Stützzellen (Mantelzellen) seien langausgezogen mit spindelförmiger Auftreibung für den Kern; der Innenkörper bestehe aus birnförmigen Zellen, deren Härchen nicht sichtbar waren, sondern »wahrscheinlich mit Gerinnseln auf der Ober- fläche der Haut und in den Oeffnungskratern der Organe davonge- tragen worden waren«. 4. Gattung: Salamandra, Laur. Species: S. maculosa, Laur. und S. atra, Laur. Die hohe Cuticula der Larven ist senkrecht streifig und man deutet die Linien als das Bild von Porencanälen. Ich habe am ange- führten Orte erwähnt, dass mir diese Auffassung beinahe verdächtig geworden ist. Der freie Rand erscheint nämlich im optischen Schnitt fein gekerbt; die von den Kerbungen ausgehenden Linien enden aber keineswegs am unteren, gegen das Protoplasma gerichteten Saum, sondern die Linien ziehen leicht bogig gekrümmt über das Cutieularkäppchen der Zelle weg. Man darf daher an feinste Lei- stenbildung denken, die im Profil den gekerbten Rand und nach der Fläche die zarten Linien gibt. Doch muss ich immerhin beken- nen, dass mir die frühere Annahme doch auch wieder als die rich- tigere erschienen ist. Bei den erwachsenen Erdmolchen ist aber jedenfalls keine Art Sculptur der Cuticula zugegen. Denn gleichwie sich die Haut dieser Thiere für die gewöhnliche Besichtigung durch glattes glänzendes Wesen auszeichnet, so ist. auch die cuticulare Verdickung der äus- sersten Epidermiszellen spiegelglatt und ohne Reliefbildungen. 1) Figur 13. 294 E. Leydig Ueber die Schleimzellen in der Haut der Larven. welche in LANGERHANS den letzten genaueren Untersucher gefunden haben, wolle man auch meine jüngst veröffentlichten Mittheilungen verglei- chen. Zur Veransehaulichung dessen, was die Membran und der Kern Besonderes darbieten, mögen die jetzt beigegebenen Abbildungen dienen). Figur 20, ein Stückchen Epidermis von S. maculosa, lässt die grossen Oeffnungen sehen, welche als rundliche scharfrandige Lücken zwischen den Zellen der obersten Lagen der Epidermis aus- gewachsener Thiere sich abheben. Man sieht, wie ein solches Loch wie eine glatte ausgeschnittene Bucht in das anstossende Epithel- plättehen hineingreift; ein andermal können eine und mehrere Oeff- nungen dieser Art die Zellen mitten durchbrechen. Auf die Deutung der Lüeken werde ich unten im »Anhang« zurückkommen. Dann versinnlicht Figur 15 die Drüsenzellen der Epidermis, die sich bei den beiden oben genannten Arten der Erdmolche be- merken lassen und manches Eigenthümliche darbieten. Man unter- scheidet daran einen bauchartigen Theil, und einen halsartigen, zwischen die Epidermisplättehen tretenden Abschnitt, endlich einen kurzen Stiel. Eine eigentliche Oeffnung ist nicht zu erkennen, son- dern das obere Ende hat das Aussehen eines pfropfartigen Gebildes. Es kann auch der Halsabschnitt der Zelle über die Ebene der Haut als ein niedriger kugliger Körper hervorragen, wie wenn sich an die- sem oberen Ende ein dornähnlichesCutieularkäppchen entwickelt hätte. Die Epidermiszellen schliessen in reichlichem Maasse dunkelkör- niges Pigment in sich; frei davon sind aber bei S. maculosa jene Zellen, welche über den gelben Hautstrecken hergehen. Die unteren Lagen der Epidermis sind es immer, wo sich das dunkelkörnige Pigment am meisten verdichtet; nach aussen tritt wieder Schwund ein, so dass selbst bei S. afra die obersten, sehr abgeplatteten Zellen ohne Spur von Pigment sein können. Die untersten Zellen, welche mit Fortsätzen zwischen die Lei- sten der Lederhaut eingreifen, zeigen bei S. maculosa diese Fort- sätze in einer Entwicklung, dass sie wie lange Franzen sich aus- nehmen. Ueber das Leisten- und Blätterwerk, in welches sich die Oberfläche der Lederhaut erhebt, habe ich ausführlicher an einem 1) Figur 26, e; Figur 21. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 295 anderen Orte!) berichtet: auch erwähnt, dass ich bei den beiden Arten von Salamandra jene Form von Papillen auf der Lederhaut vermisst habe, welche bei Fröschen und Kröten die Tastkörperchen in sich bergen. Alle Beachtung verdient der Bau der Drüsen. Die grössten derselben, wie sie längs des Rückens und der Flanken herziehen und schon auf den ältesten, den Salamander darstellenden Abbildungen angebracht sind, wurden zuerst von Funk?) näher ins Auge gefasst, dann einige Jahre später von Jon. MÜLLER?) in zweimaliger Ver- grösserung vorgeführt. Selbstverständlich konnte es sich in beiden Fällen nur um Wiedergabe der äusseren Form handeln und um den Nachweis, dass die Drüsen nach aussen geöffnete Sickchen seien; über den feineren Bau musste man noch mit Stillschweigen hinweg- gehen. Nachdem ich selber, wenn auch zuerst nur mehr vorübergehend die histologische Zusammensetzung zu untersuchen angefangen hatte‘), nahm ich später den Gegenstand genauer auf und gab zum ersten Mal eine Uebersicht des Baues von den grössereneDrüsen des Erd- molches*), wobei es mir namentlich darum zu thun war, die Mus- keln und die Secretionszellen ins rechte Licht zu setzen. Um auch wieder zu zeigen, in welcher Reihenfolge die Beobachtungen über die Muskeln in der Wand der Hautdrüsen der Batrachier und der Säugethiere gemacht wurden, kam ich einige Jahre nachher wieder auf den Gegenstand zurück ®). Vor Kurzem, auf Grund meiner Stu- 1, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, Bonn, 1875; die obigen Gegenstand betreffenden Abbildungen habe ich dem Aufsatze: Ueber den Bau der Zehen und die Bedeutung des Fersenhöckers, angeschlossen. Jahrb. f. Morphologie 1876. 2, De Salamandrae terrestris vita, evolutione, formatione. Berolini, 1827. 3) De glandul. secern. struct. penitiori. Lipsiae, 1830. 4) Anat.-histol. Untersuchungen über Fische und Reptilien, Berlin 1852 und Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere, Frankfurt a. Main 1857. 5, Molche der Württemberg. Fauna #567. 6) Ueber die Kopfdriisen einheimischer Ophidier. Arch. f. mikrosk. Anat. 1873. Ich hatte die aus glatten Elementen bestehende Muskellage an den Schweissdrüsen verschiedener Säuger längst beschrieben und abgebildet. Nicht ohne Lächeln konnte ich daher lesen, als Prof. StIEpA durch den Mund eines 296 F. Leydig dien, verbreitete ich mich ausführlich über die Grenzhaut, die Mus- kellage, das Epithel, und das Secret, sowie endlich über die Oeff- nungsweise der Drüsen in der Lederhaut !). Bei dieser Gelegenheit wurde auch auf besonders bemerkenswerthe Verhältnisse hingewiesen, welche an den kleinen rundlichen Haut- drüsen sowohl bezüglich ihrer Oeffnung oben auf der Lederhaut zum Vorschein kamen, als auch bezüglich ihrer Muskellage. Da Beides im Hinblick auf andere Organe der Haut Bedeutung hat, so mögen zur Versinnlichung einige Abbildungen? dienen, wozu ich erläuternd Folgendes bemerke: Ist an Salamandra maculosa die Lederhaut von der Epidermis abge- fallen, so erscheint die Mündung der Drüse nicht als ein schlichtes Loch in der Ebene der Oberfläche, sondern zunächst in Form einer randlichen Einsenkung, aus der sich wieder eine kraterförmige, kreisrund geöffnete Papille erhebt. Mulde und Papille sind noch in der unteren Hälfte pigmentirt, der mittlere Theil und die Spitze haben kein Pigment mehr. Und was die Muskeln des Drüsenbalges anbelangt, so sind es langgezogene Spindelzellen, deren Substanz sich in homogene tinde und körnige Achse scheidet, mit hellem länglich runden Kern und Kernkérperchen. Die Zahl solcher Faserzellen mag für das einzelne Drüsensäckchen gegen zwanzig betragen, welche in Längs- reihen geordnet unterhalb der Secretionszellen liegen. Die freien Enden oder Spitzen der Muskelzellen ragen, nachdem die Epidermis abgefallen ist, aus der Oeffnung der Drüse heraus und geben von der Fläche, indem ihre Spitzen strahlig zusammenneigen, das Bild einer Fischreuse, oder noch mehr ähneln sie der bekannten Vorrich- tung in der Puppenhülle des Nachtpfauenauges (Saturnia carpini). Dass dieses Verhalten ein bei Urodelen verbreitetes sei, . geht aus meinen andern hierüber veröffentlichten Mittheilungen hervor. seiner Schüler (Inauguraldissertation 1871) aussprechen liess, dass die »Existenz der glatten Muskelfasern in den Wänden der Schweissdrüsen sowohl und in den Analdrüsen, als auch sonst in der übrigen Haut durchaus in Abrede zu stellen sei.« Vielleicht ermuntert durch das Lob, welches ich deshalb (a. a. O. pag. 632) dem Vertreter der Histologie in Dorpat gespendet, hat er es jetzt glück- lich dahin gebracht, die Muskeln zu sehen, denn eine jüngst unter seiner Lei- tung erschienene Dissertation (Dorpat 1875) verkündet: »Der secernirende Schlauch der Schweissdrüsen hat in seiner Wand eine Lage von glatten Muskelfasern « " Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, im Archiv für mi- krosk. Anat. 1876. ERIE Ao, ge Tr Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 297 Auch habe ich nicht unerwähnt gelassen, dass gewisse aus früherer Zeit vorliegende Beobachtungen, welche das Schliessen und Oeffnen der Mündung der Drüsensäckehen innerhalb der Epidermis betreffen, in diesem anatomischen Befunde ihre Erklärung finden können. Ueber die Hautsinnesorgane der Larven von Salamandra maculosa besteht noch bezüglich eines Punctes ein nicht gerin- ger Widerspruch in den Angaben der Beobachter. LANGERHANS erklärt, dass er die Existenz der von EILHARD SCHULZE an den gleichen Organen der Larven von Triton beschriebenen homogenen äusseren Röhre einfach bestätigen könne. MALBRANC, welcher wie- der die Vertheilung der Organe über den Leib hin näher ins Auge gefasst hat, als es bisher geschehen war, lässt sich ebenfalls dahin vernehmen, dass er sich bezüglich der mikroskopischen Natur der Seitenorgane »vollständig« an SCHULZE und LANGERHANS anzuschlies- sen habe. Demnach muss man meinen, dass auch er die helle, weit vorstehende Röhre wahrgenommen hat. Doch ist es seltsam, dass er den feineren Bau der Organe, wenn auch nicht von Sala- mandra, doch von Triton und anderen Urodelen zeichnet, dabei aber nirgends die Röhre anbringt. Ich habe, wie neuerdings gemeldet, die frisch geborenen Larven unseres Erdmolches abermals, um doch einmal dieser Röhre ansich- tig zu werden, mit aller Aufmerksamkeit betrachtet, bin aber wie- der ausser Stand gewesen, auch nur eine Spur des Gesuehten zu erblicken. Die jetzt beigegebenen Abbildungen!) stellen das Ver- halten der Organe, wie ich es sah, dar. Es muss sich gegenüber diesen widersprechenden Befunden um einen wechselnden Zustand des Organes und der Röhre handeln. Nach Buenton lässt sich am erwachsenen Proteus und Stredon keine »Gallertröhre« entdecken und MALBRANG bemerkt hierzu: »sie fehle hier auch in der That so gewiss, als sie bei ganz jungen, der Eihülle kaum entronnenen Larven vorhanden ist«. Ich möchte mir vorstellen, dass das vermisste »Gallertrohr«, in sofern es, den Angaben zufolge, keine zellige Zusammensetzung hat, sondern aus einer hellen homogenen Substanz besteht, ein Gebilde 298 F. Leydig sei, welches von den Zellen des Organs abgeschieden wurde und könne somit morphologisch die Bedeutung einer Cuticularbildung ha- ben. Nach allem ist anzunehmen, dass es unter Umständen wohl entwickelt auftritt, unter anderen Bedingungen aber oder in anderen Lebensabschnitten auch völlig zurückgeht. Von dieser Ansicht ge- leitet, meine ich, dass der Kranz von Spitzen, welchen die Deck- zellen besagter Organe da und dort aufzeigen als Rest, oder wenn man will Anfänge der Gallertröhren zu deuten wäre. Ich habe z. B. von den Bechern in der Mundhöhle der Eideehsen einen sol- chen »streifigen Saum, bedingt dureh feine Spitzen der Zellen« er- wähnt und abgebildet'). 5. Gattung: Triton, Laur. Species: T. cristatus, Laur.; T. alpestris, Laur.: T. taentatus, Sehneid.; T. helveticus, Raz. Die Epidermis der Wassermolche bietet, je nachdem die Thiere während des Frühjahrs im Wasser verweilen, oder dieses Ele- ment verlassen und ihren Aufenthalt auf dem Lande genommen, bemerkenswerthe und zum Theil auffallende Verhältnisse dar. So stiess ich — und dies gab den Anlass zu weiterer Untersuchung — auf einer Herbstwanderung durch das Rhöngebirge im September 1872 beim Umlegen der Steine auf der Höhe des Ebersberges oder »Eberszwackel«, weit weg vom Wasser, auf einen 7. alpestris und einen 7. taeniatus, die durch ihre Haut die Aufmerksamkeit in ho- hem Grade erregten. Der 7. alpestris, ein Männchen, war nicht blos schön blau bereift, sondern überdies durch ein sehr warziges Wesen ausgezeichnet. Der 7. taeniatus, ein weibliches Thier, hatte die ihm auch sonst eigene lederbraune Farbe und war ebenfalls, doch etwas weniger, rauhwaızig. An Ort und Stelle mit der Loupe angesehen, erschienen die Warzen bei 7. alpestris von glänzender Oberfläche und hoben sich auch noch durch schwarze Farbe lebhaft von der übrigen blauen und zwar mattflächigen Rückenhaut ab; bei 7. taeniatus?) besassen die !) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, pag. 101, Taf. XII, Fig. 15. 2) Vergl. Fig. 27. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 299 Warzen einen braunen Anflug, gewissermassen einen gesättigten Ton der gelblichen Hautfarbe. Indem ich mir alsdann durch die mikros- kopische Prüfung die Natur der merkwürdigen Hautoberfläche ver- ständlich zu machen suchte und nothwendig Verwandtes und An- schliessendes in den Kreis der Untersuchung zog, wurde mir jener Bau der Epidermis bekannt, über welchen ich vor Kurzem in Nähe- rem berichtet habe und jetzt durch Abbildungen verdeutlicht werden soll. Es verdienen folgende Puncte herausgehoben zu werden : 1. Die Ursache von dem matten Aussehen der Epidermis des im Landaufenthalt aufgegriffenen 7. alpestris und T. taeniatus ist ein Netzwerk von Kanten oder Leisten, welches über die freie Fläche hinzieht und dadurch entsteht, dass die Cutieularschicht der Ober- haut sich rings um die Zellen in Leisten erhebt!) , während der mittlere Theil der Zelle muldenartig einsinkt. Im optischen und wirklichen Querschnitt gibt sich dieses Leistenwesen als Zackenbil- dung zu erkennen. Die Haut des Triton cristatus bietet auch wäh- rend des Verweilens auf dem Lande eine durchaus glänzende Fläche zwischen den von den Drüsen frei bleibenden Höckern dar, und m Uebereinstimmung damit mangelt denn auch das Leisten- und Zacken- wesen. 2. Es kommt bei den genannten Molchen eine mir noch nicht völlig klar gewordene Höckerbildung?) vor, in Form von rund- lichen Verdickungen der Cuticula, etwa von der Grösse der Aus- mündungsstellen kleinster Hautdrüsen. In Kalilauge hellen sie sich etwas auf, quellen auch wohl ein bischen an. bleiben aber sonst im Wesentlichen unverändert. 3. Bei allen unseren einheimischen Species geht eine Wärz- chenbildung über die Fläche der Epidermis hin, welche auf der Anwesenheit grösserer, und auch sonst eigenartiger Zellen beruht, wovon jede ein Cuticularkiippchen über sich hat. Beim Wasser- aufenthalt, während der Laichzeit, sind die Cuticularkiippchen nie- drig, rundlich und glattflächig; hingegen während des Landaufent- haltes im Herbst und Winter bilden sie sich in interessanter Weise dahin um, dass sie an Höhe zunehmen und zu abgestumpften Ke- geln werden, deren früher glatte Flächen jetzt Kanten und Furchen zeigen*). Die Zelle, welche je einen solchen Cuticularkegel ab- scheidet, hebt sich auch jetzt noch durch Grösse und körniges Pro- 1) Fig. 14, Fig. 15, a. 2)" Fig. 15, d. 3) Fig. 14, b; Fig. 15, 6, e. 300 F. Leydig toplasma von den gewöhnlichen Epidermiszellen der Umgebung ab. Diese Umformung der Cuticularkiippchen vergesellschaftet sich dem- nach zeitlich mit der erwähnten Leistenbildung, welche von der gan- zen übrigen Cuticula der Epidermis entwickelt wird. 4. Jene grösseren Höcker, welche zerstreut über den Rücken weggehen und durch stark glänzende Oberfläche von der übrigen matten Haut sich scharf abheben, entsprechen nach ihrer Verbreitung und Lage von der Schnauze bis zur Schwanzspitze den Sinnes- hügeln der Larven!). Nach ihrem Bau sind es Drüsen von rund- licher Gestalt, welche über die Hautfläche sich hervorwölben, Pig- ment im epidermoidalen Ueberzug haben und daher schwärzlich (T. alpestris) oder lederbraun (7. faeniatus) aussehen. Ihr Epithel sind die von mir seiner Zeit schon mehrfach besprochenen Riesen- zellen, die ich für ein Zusammengesetztes halte, bestehend aus dem eigentlichen Zellenleib und zweitens dem abgeschiedenen Secret. Die Zellenmasse als Ganzes aus dem Drüsenraum herausgeschält., ähnelt einem gefurchten Ei. Die einzelne »Zelle« zeigt im erhärte- ten Zustande eine gewölbte Fläche, welche der Drüsenwand zuge- kehrt war, nach der anderen Seite hat sie kantig sich zuschärfende Flächen, mit denen sie sich den Nachbarzellen anlegt. Die eine Hälfte des Zellenkörpers ist hell und homogen, die andere körnig. In der Mündung des Drüsensackes hebt sich ein pfropfartiges Ge- bilde ab. Schon ein ander Mal habe ich bezüglich des 7. erestatus auf- merksam gemacht, dass wenn sich auch äusserlich Keine »Parotis« abzeichnet, doch an der entsprechenden Stelle die Entwicklung der Hautdrüsen eine bedeutende sei. Dies mag wohl Geltung für alle Arten haben, wenigstens sieht man das Gleiche auch bei 7. taenia- tus. Auch hier sind am Nacken, da wo die Ohrdriise zu suchen wäre, und obschon äusserlich kein Wulst zugegen ist, doch abermals unter der Haut die Drüsensäcke von grösserer Entwickelung und stehen dicht gehäuft. Ihr Inneres wird von den Riesenzellen einge- nommen. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 301 Die Lederhaut der in Rede stehenden Gattung ist in ihrer Gesammtheit dünner als bei Fröschen und Kréten. Auch erscheint sie wie jene der anderen Urodelen, da die subeutanen Lymphräume zu mikroskopisch kleinen Spalten herabgesunken sind, der Muskula- tur des Stammes unmittelbar angeheftet. Um an den Sinnesorganen der Haut die Gallertröhren und die langen Borsten mir zur Anschauung zu bringen, hatte ich die Larven von 7. helveticus im Zimmer gezüchtet, aber auch diesmal, an Jüngeren Larven so wenig wie an älteren, was schon anderwärts berichtet wurde, eine Spur der Röhren und der eingeschlossenen langen Borsten zu Gesicht bekommen !. »Die Oeffnung der Organe ist von etwas Pigment umfasst, welches in den Deck- oder obersten Epidermiszellen liegt: aus dem Innern hebt sich ein Ballen oder Ke- gel von Zellen ab, die von länglich birnförmiger Gestalt, schon im frischen Zustande sich durch körnigen an die Schleimzellen erin- nernden Inhalt von ihrer ebenfalls zelligen Umgebung abgrenzen. Blickt man auf die Oeffnung des Organs, also gewissermassen auf die Köpfe der erwähnten Zellen, so erscheint eine Reihe etwas glän- zender Ringe, die bei anderer Einstellung sich in feine Spitzen aus- ziehen«. Ueber die Entwicklung gedachter Sinnesorgane herrscht noch mancherlei Unklarheit. Das erste Auftreten sah ich an Larven von 3—4'" Länge, welche noch nicht aus der Eihülle geschliipft waren, und wobei alle Zellen des Körpers noch voll von Dotterkügelchen sich zeigten. Diese Spuren von Sinnesorganen ragen nicht über die Haut hervor, sondern liegen in der Substanz der Epidermis. Ein anderer Beobachter v. TÖRÖK? will hingegen die erste Anlage der Organe beim Axolotl als Hervorragungen der Epidermis erkannt ha- ben; nach ihm lassen sich an Durchschnitten der Haut an der freien Oberfläche der äusseren Zellenlage von Stelle zu Stelle knospen- artige Hervorragungen bemerken, die sich als einzelne auffallend vergrösserte Zellen erweisen; ihre spätere Entwicklungsgeschichte liefere den Beweis, dass die Zellen die ersten Anlagen der Organe des sechsten Sinnes seien. Ohne von dieser Mittheilung etwas zu !) Fig. 25. 2) Centralbiatt der medicinischen Wissensch. N. 17. 1874. pag. 259. 302 F. Leydig wissen, habe ich ebenfalls auf Höcker!) der Haut aufmerksam gemacht, welche bereits an den bezeichneten ganz jungen Larven deutlich sich abheben und je einen Büschel langer Wimperhaare tragen. Hierbei machte ich bemerklich, dass man auf den Gedanken kommen könne, ob nicht die Beulen die Vorläufer obiger Sinnesorgane seien, besonders auch deshalb, weil sie eine gewisse Abgrenzung gegen das übrige Epithel zeigten. Allein diese Ansicht ist zu verwerfen, weil die Höcker nicht blos am Kopf, an der Seite des Leibes und Schwan- zes stehen, sondern auch an den Kiemen und an allen diesen Stellen sind sie die Träger langer Cilien, während das übrige Hautepithel nur kurze und äusserst feine Wimperhärchen besitzt. Und dass wirklich kein genetischer Zusammenhang zwischen diesen durch Grösse und lange Wimperbüschel ausgezeichneten Zellen der Haut, in deren Innerem neben den Dotterkugeln , im Protoplasma, sich Secretblasen oder Vacuolen gebildet haben, besteht, thun etwas wei- ter entwickelte Larven dar, bei welchen die Sinnesorgane viel mehr entwickelt daher durchaus kenntlich sind und doch zugleich mit ihnen die besagten Höcker noch fortdauern. Einwenden liesse sich jedoch immerhin gegen Voranstehendes, dass, insofern der genannte Autor nichts von Cilienbüscheln auf den Hervorragungen meldet, noch nicht festgestellt werden könne, ob die beiderlei zur Sprache gebrachten Höckerbildungen in der That ein und dasselbe seien. 6. Gattung: Salamandrina, Fitz. Species: S. perspielllata, Savi. An diesem den Apennin bewohnenden Thiere bemerkt schon das freie Auge, dass hier die Haut keineswegs das glatte und glänzende Wesen wie bei Salamandra hat, sondern über den ganzen Körper weg grieselig oder körnig ist. Die weitere Untersuchung zeigt, dass die gröbere Kérnelung jener von Z’rito» entspricht, welche während des Landaufenthaltes durch die hervorstehenden Drüsen zu Wege kommt; jeder der kegelförmigen Hicker?) enthält eine Drüse, deren Mündung auf dem Gipfel des Hügels liegt. Die Cuticula der Epidermis erhebt sich an den Zellenrändern 1) Fig. 24, Fig. 23. 2) Fig. 28, a, b. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. ° 303 in Leisten!) ; nach unten entwickelt sie an vielen Stellen Verdickun- gen, welche als rundliche Körper von gelblicher Farbe und glänzen- dem Wesen sich scharf abheben ?. An der Lederhaut unterscheidet man als oberste Lage eine helle homogene Randzone, hinter welcher dann das Pigment beginnt. Der Saum wölbt sich von Stelle zu Stelle halbkuglig vor, wie zu einer Art besonderer Papillen®). Eine solche Wölbung birgt im In- nern einen rundlichen Körper, dessen hinteres Ende, weil ins Pig- ment eingesenkt, nicht bestimmt werden kann, aber vielleicht sich zuspitzt, so dass der Körper im Ganzen die Birnform haben mag. Bezüglich des Weiteren verweise ich auf die früheren Mitthei- lungen. Aus meinen Untersuchungen zog ich im Hinblick auf die Stellung welche man bisher der Gattung Salamandrina im System gegeben hatte, den Schluss, dass sich dieselbe nach der Beschaffenheit der Haut entschieden von der Gattung Salamandra, der man sie früher angereiht, entferne und sich der Gattung Triton nähere. In neuester Zeit hat WIEDERSHEIM®) eine schöne von zahlrei- chen Abbildungen begleitete Schrift über unser Thier herausgegeben und kommt auf Grund ausgedehnter anatomischer Studien, nament- lich des Skelets, ebenfalls zu dem Schluss, dass sich Salamandrina zunächst an T’r:ton anschliesst, und als höchst entwickelte Form der Amphibien überhaupt aufzufassen sei, ja im Schädelbau Beziehungen zu den Reptilien darbiete. Bezüglich des Baues der Haut werden die grossen Papillen erwähnt, welche je eine Drüse aufnehmen; dann die mächtige Entwicklung der Epidermisschicht hervorgehoben, welche der Grund sei, dass das kaum gestorbene Thierchen, statt zu ver- faulen, schnell austrocknet und mumifieirt. Das Pigment liege am Rumpf im Corium, am Nacken und Kopf jedoch in den Epidermiszellen. Die von mir angezeigten Leisten und Verdickungen der Cuticula, sowie die eigenartigen Körperchen in der Grenzschicht der Leder- haut hat WIEDERSHEIM nicht erwähnt. ay Big. 175-4; 2) ae. 16,20; Fig 27,6. 8) Fig. 4. 4) Salamandrina perspicillata und Geotriton fuscus. Versuch einer ver- gleichenden Anatomie der Salamandrinen. Annali del Museo civico di Genova, Vol. VII. 1875. Morpholog. Jahrbuch. 2. 31 304 F. Leydig Beilage. Ich habe bereits an anderen Orten') aufmerksam gemacht, dass das lockere Bindegewebe in der Haut gerade bei Wassermolchen durch zellige Structur sich den Epithelien nähere. Dies sehe man namentlich an der Schwanzflosse von Triton, nachdem die Epidermis abgehoben, sehr deutlich, indem unter der Oberhaut ein Bindegewebe folge, das durch zahlreiche Kerne und dazu gehö- riges Protoplasma »nahezu das Aussehen und die Beschaffenheit von Epithel annimmt«. Es deutet uns dieses Verhalten an, dass nicht immer eine scharfe Grenze zwischen epithelialem Gewebe und dem Bindegewebe zu ziehen sei, wie ja auch nach früheren Mittheilungen von mir eine solche Scheidungslinie bei Atrhropoden keineswegs sich überall erhält. Bei einem Reptil, dem Phyllodactylus europaeus, erscheint diese zellige Bindegewebslage der Haut in besonderer Weise umgebildet, worüber ich ebenfalls nach Untersuchungen an einem Weingeist- exemplar schon berichtet habe und jetzt durch eine Abbildung?) erläutere. Ein Stückchen der abgezogenen Haut dieses zarten Gecko- tiden zeigt dem ersten Blick blasige Abgrenzungen oder regelmässig gestellte Räume im Bindegewebe, zugleich aber rundliche Kerne, welche zu den Räumen Bezug zu haben scheinen. Bei Anwendung der gebräuchlichen Untersuchungsmethoden stellt sich fest, dass die blasigen Abgrenzungen grosse Zellen sind, wozu wieder je einer der rundlichen Kerne gehört: dem hellen eiweissartigen Inhalt der Zelle kann ein oder das andere Fettklümpchen beigemengt sein. Man könnte sagen: Dieses Bindegewebe hat den Character von Fettzell- gewebe, aber ohne Fettkugeln. Gegenüber von dem zelligen weichen Bindegewebe, welches sich in grosser Menge entwickelt hat, sind die wagerechten, derben Lagen der Lederhaut sehr zurückgewichen. Vielleicht gleichzeitig mit mir hat WIEDERSHEIM®) den Phyllo- dactylus europaeus untersucht und zwar im lebenden Zustande. Die Haut sei so dünn und durchscheinend, dass an dem gegen das Licht gehaltenen Thier eine ganze Anzahl von Eingeweiden durchschimmert. !) Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. XII. und: Ueber die Schwanzflosse, Tastkörperchen und neue End- organe der Nerven bei Batrachiern, ebendaselbst Bd. XII. 2) Fig. 30. 3) Zur Anatomie und Physiologie des Phyllodactylus europaeus mit beson- derer Beriicksichtigung des Aquaeductus vestibuli der Ascalaboten im Allge- meinen. Zugleich als zweiter Beitrag zur Inselfauna des Mittelmeeres. Mor- pholog. Jahrbuch. Bd. I. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 305 Bezüglich der Epidermis wird der auch von mir!, beschriebenen fei- nen Cuticularhiirchen gedacht, welche sich über alle Höcker der Hand und Fusssohle hinerstrecken und zuletzt zu feinen Körnchen herabsinken. WIEDERSHEIM findet sie namentlich an der Unterseite des Schwanzes vertreten »wo die einzelnen Schuppen geradezu damit besät sind«. Der Schwanz dient als ein »Greif- und Aufhängeorgan«. Interessant ist auch die Mittheilung, dass unser Thier einem bestän- digen Farbenwechsel unterworfen ist: derselbe könne so plötzlich eintreten, dass man oft, nachdem man das Thier einen Augenblick aus dem Gesicht gelassen habe, in Zweifel gerathe, ob man das früher beobachtete Exemplar immer noch vor Augen habe. Der Far- benwechsel lasse sich auch durch künstliche Mittel, z. B. Tabaks- rauch, hervorrufen und stehe also jedenfalls unter dem Einfluss des Nervensystems. , Bezüglich des so breiten Schwanzes mancher Geckotiden habe ich vor Kurzem?) berichtet, dass Fettgewebe es sei, welches die Schwanzwirbelsiiule umhüllend die merkwürdige, mitunter wie blatt- förmige Gestalt dem Organe ertheilt. Es war unter Anderen auch gegenwärtige Art, die ich auf diesen Punet untersuchte. Der Querschnitt des Schwanzes zeigt eine dieke Lage von Fettzellge- webe,, welches um den Skelettheil herumziehend die Schwanzmus- kulatur weit nach aussen drängt. Weiss man, dass Fettgewebe das Bedingende dieser auffälligen Form ist, so begreift man das indivi- duelle Schwanken, welches nach WIEDERSHEIM der Theil zeigt: denn einmal ist er kräftig walzenförmig entwickelt bei beiden Geschlech- tern und die Verdickung kann ganz plötzlich erfolgen, oder es kann auch wieder diese Auftreibung völlig fehlen, der Schwanz ist von einfach pfriemenförmiger Gestalt. 2, Die Verwandtschaft der Hautsinnesorgane mit Hautdrüsen. Gestützt auf meine Beobachtungen über den Bau der Organe eines sechsten Sinnes habe ich mehrfach die Ansicht geäussert, dass 1) a. a. O. pag. 103 (Separatausgabe . 2, Schwanzflosse , Tastkörperchen und Endorgane der Nerven bei Ba- trachiern. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XII. 306 F. Leydig die in Rede stehenden Bildungen in nahe Verwandtschaft zu Organen treten, welche als Hautdrüsen schlechthin aufgefasst werden. Ob- schon nun die Gründe, auf welche ich mich berufen, im Einzelnen von mir wiederholt dargelegt wurden, ist es doch vielleicht nicht unzweckmissig, einige Puncte noch einmal zur Sprache zu bringen. Indem wir uns hierbei die wesentlichen Züge des Baues ver- gegenwärtigen, so erscheinen gedachte Hautsinnesorgane als unzwei- felhafte Umbildung gewisser Partien der Epidermis und sind hierin ganz gleich den Hautdrüsen, insofern auch letztere diesen Ur- sprung haben. Die Elemente zerlegen sich in die obersten oder Deck- zellen, welche sich nicht von den gewöhnlichen Plattenzellen der Epidermis unterscheiden. Dass ich mir die von Andern wahrgenommene »Gallertröhre« als Cutieularbildung dieser Zellen denke und den Borsten- und Härchen- besatz am Rande der Organe bei Säugern und Eidechsen als stell- vertretend für das Gallertrohr, kam oben zur Sprache. Doch räume ich gern ein, dass, weil über die Entstehung der Röhre noch keine Beobachtungen vorliegen, auch die Annahme einstweilen zugelassen werden darf, dass die Gallertröhre eine Abscheidung der inneren Zellen des Organes sein möge. Schon mehr im engeren Sinne gehören den Organen jene Ele- mente an, welche man als Stützzellen, auch als Mantelzellen unterschieden hat. Sie bilden unterhalb der Deckzellen die Seiten- wand des Organes und sind dadurch entstanden, dass tiefer liegende Epithelzellen spindelförmig, ja nahezu faserähnlich auswachsen. Manche Beobachter wollen diese Mantelzellen zerlegen in die eigent- lichen Stützzellen und in die Nervenendzellen oder Stäbchenzellen. Mir gelingt es nicht eine solche Unterscheidung durchzuführen, man müsste denn einzelne durch Reagentien etwas stark veränderte Stütz- zellen, also künstlich veränderte Gewebstheile, für eigenartige und typische Elemente erklären wollen. Soweit meine Erfahrung geht, sind sämmtliche Mantelzellen von einerlei Art und gehören jedenfalls nicht zu den Zellenformen, welche man als »Neuroepithelien« aufgestellt hat. Unter den Begriff, den die letztere Bezeichnung ausdrücken soll, lässt sich aber jene von den Mantel- oder Stützzellen um- schlossene Zellengruppe, welche ich als inneren Ballen oder Kegel des Organs aufgeführt habe, bringen. Ebengedachte Elemente machen in gewissem Sinn den wesentlichen Theil der Sinnesbecher aus und stimmen darin überein, dass sie am freien Ende zugespitzte Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 307 Fortsätze, Borsten und Fäden aus sich hervorgehen lassen. Die Härchen, Stifte und Knöpfehen als eigentliche Fortsätze der Zell- substanz zu betrachten, wie Andere wollen, halte ich für unrichtig. weil sie abgesetzt sind vom Protoplasma der Zellen, eine andere Liehtbreehung darbieten und etwas Wechselndes in der Entwick- lung und in dem Vorkommen zeigen. Ausser den Gründen, welche dieser Auffassung das Wort reden und von mir anderwärts!) vorgebracht wurden, kommt hinzu, dass die »Sinneshaare« bei den Geckotiden?) zu wirklichen Cuticularhaa- ren werden. Die Hautsinnesorgane der eben genannten Familie sind durch ein homogenes Deckelchen geschlossen, und auf diesen erheben sich die Borsten, bald nur eine einzige, bald mehrere. Aber was die Borsten ebenso gut, wie das helle kreisrunde Deckel- chen, welches die Oeffnung des Organs zuschliesst, auszeichnet, ist die Widerstandskraft, welche sie gegen Kalilauge an den Tag le- gen und ihnen wohl nur deshalb zukommt, weil sie die Natur hart gewordener Abscheidungen angenommen haben. Es sei daran erin- nert, dass die glashelle Gallertmasse in den »Schleimröhren« der Selachier, und ebenso die Körperchen in den Schleimsäcken der Myxinoiden Zellenabscheidungen in grossem Massstab darstellen. Ueber die Elemente des zelligen Innenkörpers und in wiefern dieselben den Schieim- oder Drüsenzellen verwandt sind, sowie in welchen Puncten sie sich von jenen unterscheiden, habe ieh in der Abhandlung: Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen’, das Einzelne erörtert, und erlaube mir daher auf das, was dort über die Schleimzellen der Natter und der Blindschleiche gesagt wird, zu verweisen. !) z, B. in der Abhandlung: Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 8. 1872. 2) Ueber die von CARTIER und mir vor Kurzem erwähnten Sinnesorgane der Haut bei Geckotiden, welche ich an Hemidactylus, Gymnodactylus geckoi- des, Platydactylus mauritanicus und Phyllodactylus europaeus untersuchte, lege ich eine Zeichnung (Fig. 31), welche sich auf die letzgenannte Art bezieht, bei. Die Organe finden sich am Rücken bald sehr vereinzelt, dann aber auch wieder zu fünf und sieben beisammen, selbst auf den Höckern der Hand- und Fussfläche stehen sie zahlreich. Auch WIEDERSHEIM (a. a. O.) gedenkt ihrer, wenigstens der »grösseren Cuticularhaarec. 3) Archiv f. mikr. Anat. Bd. VII. 208 F. Leydig Und so mag weiter und besonders hervorgehoben sein, dass wenn wir auf die Zusammensetzung der Hautsinnesorgane blicken und zu- gleich jene Art von Hautdrüsen, wie ich sie bei Salamandra be- schrieben, daneben betrachten, uns in der Gliederung und Schichtung der die beiderlei Organe zusammensetzenden Theile Verwandtschafts- beziehungen zwischen den Sinnesorganen und der Drüse ganz unver- kennbar entgegen treten. In gedachten Drüsen erscheinen die von der bindegewebigen Grenzhaut umschlossenen Zellen von zweierlei Art: nach einwärts liegen die eigentlichen Secretionszellen, nach auswärts die Mus- kelzellen. Letztere sind nach Lage und Form den Stütz- oder Mantelzellen der Sinnesbecher zu vergleichen und ebenso unge- zwungen die Secretionszellen dem zelligen Innenkörper. Es steht ausser Zweifel, dass die Mantelzellen der Hautdrüsen das Ver- mögen besitzen sich zusammenzuziehen, und bezüglich der Haut- sinnesorgane habe ich längst auf physiologische Erscheinungen auf- merksam gemacht, welche nur dadurch verständlich werden, wenn vir eine Contractilität der Mantelzellen annehmen. Unterschiede zwischen diesen Hautsinnesorganen und den Haut- drüsen bestehen darin, dass die ersteren höher in der Haut und zwar in der Epidermis liegen, so dass sie nur mit dem unteren Ende der Lederhaut aufsitzen. Die letzteren hingegen sind tiefer gelagert, in einer Einsenkung der Lederhaut, und es zieht sich daher eine binde- gewebige Begrenzung ringsherum ; ferner die Abscheidung des in- neren Zellenballens nimmt die Form von Stiften oder Stäben oder auch haarähnlicher Bildungen an. Hinwiederum liefert für die Ansicht, dass eine Verwandtschaft zwischen den beiderlei Organen bestehe, in gewissen Fällen das Aus- sehen des Secretes einen Anhaltspunct. Ich hatte beobachtet, dass bei Triton in der Mündung jener Drüsen, welche während des Land- aufenthaltes als dunkle, stark glänzende Höcker hervorragen, sich ein glashelles pfropfartiges Gebilde abhebe, wie es an ähnliche Ver- hältnisse bei den Sinnesbechern der Schlangen erinnere. Und dass gerade in der Klasse der Reptilien die Hautsinnesorgane den echten Drüsen in unverkennbarer Weise sich nähern, zeigen meine Darle- gungen z. B. über Angwis fragilis !). Auch ein physiologisches Verhalten sei hier noch an dieser !) Archiv f. mikr. Anatomie Bd. VIII pag. 668. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 309 Stelle ins Gediichtniss zuriickgerufen. Die Haut der Eidechsen und Blindschleichen, bekanntlich mit Ausnahme der Schenkelporen drü- senlos, entwickelt unter gewissen Umstiinden einen besonderen Ge- ruch, der aus den Sinnesbechern herzustammen scheint '). Bezüglich mancher Gecko's wird angegeben, dass sie phosphoreseiren, und wenn wir den Bau der Haut uns vergegenwärtigen, so können nach Ana- logie mit phosphoreseirenden Batrachiern wieder nur die Abschei- dungen aus den Hautsinnesorganen in Betracht gezogen werden, da abermals eigentliche Hautdrüsen fehlen. Und so gelange ich in Erwägung von Allem, was die bisherigen Untersuchungen zu Tage gefördert, zu folgenden Schlussbetrach- tungen: Die Hautsinnesorgane und die Hautdrüsen entstehen als zellige Partien, welche sich von der Epidermis abgrenzen. Die Rinde oder der Mantel des Zellenkörpers gestaltet sich bei den Sinnes- organen zu den sogen. Stützzellen, bei den Hautdrüsen zu den muskulösen Faserzellen. Die Mitte oder der Kern der zelligen Anlage wandelt sich zu den wesentlichen, gewissermassen speeifi- schen Elementen der beiderlei Organe um: bei den Hautdrüsen zu den Secretions- oder Epithelzellen, bei den Hautsinnesorganen zu den »Sinneszellen«. Die letzteren kommen über das Ende von Ner- venfasern zu liegen und wahrscheinlich besteht ein ununterbrochener Zusammenhang zwischen Nerv und Zelle. Nachgewiesen oder wirk- lich gesehen ist freilich bis zur Stunde dieser Zusammenhang noch nicht; aber er ist, auch in Anbetracht dessen, was wirbellose Thiere erkennen lassen, in hohem Grade wahrscheinlich. Und insofern eine Zelle von den Eigenschaften einer Drüsenzelle sich mit dem Ende eines Nerven verbindet, bleibt immer noch Grund zu der Annahme, »dass in obigen Sinnesorganen neben der empfindenden Thätigkeit auch eine secretorische stattfindet«. Anhang Die Wahrnehmungen über den feineren Bau der Hautdecke, wie sie im Obigen niedergelegt sind, haben zum Theil auch einen ge- wissen Bezug zur Frage nach dem Verhalten des Lymphgefäss- ıı Vergl. die in Deutschland lebenden Arten der Saurier pag. 101. 310 F. Leydig systems an der äussersten Umgrenzung des Körpers, weshalb ich mir gestatte, hierüber anhangsweise noch einige Worte zu äussern. Ich habe zuerst und zwar schon vor langer Zeit die Ansicht ausge- sprochen und begründet, dass die Lücken und Spalträume im Binde- gewebe dem Lymphgefässsystem angehören). Fortgesetzte Beob- achtungen weisen darauf hin, dass in den feinen Hohlgängen oder Bindegewebskörpern nicht blos Gewebssaft und Lymphe zugegen ist, sondern daneben an gewissen Stellen zugleich auch contractile, hül- lenlose Zellen und selbst Züge lockeren Bindegewebes. Man darf sich hierbei vorstellen, dass, ähnlich wie in einem grossen Lymph- raume verschiedene darin eingebettete Organe und Gewebe von Lymphe umflossen oder umspült werden, dasselbe bereits in den Anfängen des Lymphgefässsystems geschehen mag. Das Thatsächliche, welches mich zu dieser Bemerkung veran- lasst, ist die Erfahrung, dass die beweglichen Farbzellen oder Chro- — matophoren der Lederhaut innerhalb der als » Bindegewebskörper « bezeichneten Lücken sich befinden. Der Grenzsaum der letzteren und die Begrenzungslinie der ersteren sind zwei von einander verschie- dene Dinge, wie ich das zuletzt noch von der Haut der Schlangen näher erörtert und abgebildet habe?). Und ich habe nach und nach die Ueberzeugung gewonnen, dass die fein granulären Zellen z. B. in den »Bindegewebskörpern« der Hornhaut gleich sind den Chroma- tophoren: auch sie sind hüllenlose und contractile Protoplasmaballen wie die letzteren, und unterscheiden sich von diesen nur durch den Mangel der Pigmentkörnehen. In Berücksichtigung solcher morpho- logischer Befunde dürfte wohl eines Tages das »contractile Binde- gewebe« wieder zu einigem Rechte gelangen. Und was den anderen Punet anbelangt, die Gegenwart von Zü- sen lockeren Bindegewebes in den Spalträumen, so sah ich zuerst bei der histologischen Untersuchung der Giftdrüsen einer Vipera berus, dass in den Lücken oder »Bindegewebskörpern« der derben Haut der Drüse das kernähnliche Gebilde nicht ein eigentlicher Kern ist, sondern den Durchschnitt eines, die Spalträume der derben La- gen durchziehenden Strängchens von lockerem Bindegewebe dar- stellt. 1) Vergl. Lehrbuch der Histologie 1857 Körpers, 1864 z. B. pag. 50. 2) Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien , Archiv für mikrosk. Anat. Bd. IX pag. 23. ‚ und: Vom Bau des thierischen Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 311 Das Gleiche kam an der Lederhaut der Batrachier zum Vor- schein. Dort werden die derben, wagerechten Lagen von einem weichen lockeren Bindegewebe in bestimmter, von mir näher bezeich- neten Weise durchsetzt. Hierbei treten in die feineren Spalträume die letzten Verbreitungen dieses lockeren Bindegewebes ein und täuschen auf den ersten Blick Nuclei vor, bis man bei scharfem Zu- sehen inne wird, dass der »Kern« der optische Schnitt eines Biindels feiner, auseinander strahlender Fasern (oder Falten?) ist‘). Da nun in der Lederhaut das lockere weiche Bindegewebe, wie auch sonst im Körper, mit den Blut- und Lymphgefässen in näherer Beziehung steht, so möchten wohl die Züge in den »Bindegewebskörpern« eben- falls gedachten Systemen zuzurechnen sein. Es bleibt durchaus beachtenswerth, dass wirkliche zellige Elemente hauptsächlich im lockeren Bindegewebe enthalten sind, so die erwähnten Chromatophoren und die ihnen entsprechenden pigmentlosen, aber ebenfalls contractilen Zellen in der Substanz der Hornhaut. Ferner die Fettzellen, sowohl solche, die wirklich fett- haltig sind, als auch die fettlosen zelligen Elemente können im lockeren Bindegewebe so zahlreich sein, dass sie nach ihrer Lage und der Form des Kernes selbst ein Epithel vorspiegeln, wie ich hierzu Fälle beschrieben habe. Eine besondere Art Zellen des lockeren Bindegewebes sind die Zellenhaufen zwischen den Samencanälchen des Hodens der Reptilien und der Säugethiere. Ich habe dieselben zuerst beschrie- ben und als einen constanten Bestandtheil im Säugethierhoden an- gezeigt, was ich mir in Erinnerung zu bringen erlaube, insofern man Anderen, die durch mich aufmerksam gemacht, Jahre nachher dieser Elemente gedenken, die erste Beobachtung gegenwärtig all- gemein zuschreibt. In der Abhandlung: Zur Anatomie der männ- lichen Geschlechtsorgane und Analdrüsen der Säugethiere, Zeitschrift für wissensch. Zoologie 1850, berichtete ich vom Hoden der Chirop- teren (pag. 9), dass sich zwischen den Samencanälchen besondere Elementartheile befänden. Es seien die zwischen den Sameneanäl- chen hinlaufenden Capillargefässe stellenweise mit zellenähnlichen, 1) Fig. 8. 312 F. Leydig rundlichen, zart contourirten, hin und wieder stielförmig ausgezoge- nen und mit einer feinkörnigen gelben Masse angefüllten Gebilden besetzt. Und ich fügte gleich die Bemerkung bei, dass ähnliche Körper in verschiedener Menge im Hoden aller von mir untersuch- ten Säugethiere sich fänden. Ich kam dann bei Besprechung des Hodens vom Maulwurf, des Katers, des Ebers darauf zurück, beim ‚letzteren Thier (pag. 39) ausdrücklich erwähnend, dass das choco- _ ladenfarbige Aussehen, welches der Durchschnitt für's freie Auge zeige, von dieser Zellenmasse herrühre; beim Pferd (pag. 38) ver- liehen diese Klumpen zelliger Elemente der Hodensubstanz eine kaffeebraune Farbe. Zuletzt (pag. 47) sprach ich mich in folgender Weise aus: »Aus der vergleichenden Histologie des Hodens hat sich ergeben, dass ausser den Samencanälchen, Gefässen und Nerven sich noch ein constanter Bestandtheil im Säugethierhoden findet, eine zellenähnliche Masse nämlich, welche, wenn sie nur in geringer Menge vorhanden ist, dem Laufe der Blutgefässe folgt, die Samen- . canälchen aber allenthalben einbettet, wenn sie an Masse sehr zu- genommen hat. Ihr Hauptbestandtheil sind Körperchen von fett- artigem Aussehen, in Essigsäure und Natrum causticum unveränder- lich, farblos oder gelblich gefärbt; sie umlagern helle, bläschenför- mige Kerne und ihre halbflüssige Grundmasse mag sich auch wohl zu einer Zellenmembran verdichten, wenigstens zieht bei manchen Säugethieren um den ganzen Körnchenhaufen eine scharfe Contour, auch ist bisweilen der ganze Habitus so, dass man von einer ferti- sen Zelle sprechen kann.« Lange Zeit nachher, als ich mich mit dem Bau der einheimi- schen Eidechsen beschäftigte und die einschlägigen Schriften durch- ging, stiess ich in R. Wagner's »Fragmenten zur Physiologie der Zeugung« auf eine noch frühere Erwähnung der gedachten Elemente. Der Verfasser sagt, es kämen im Hoden der Eidechsen einzelne, ganz goldgelbe, sehr dunkelkörnige Körper vor, auch zuweilen hau- fenförmig verbunden , die man am ersten den gelben Fett- und Oelbälgen in der Iris der Ohreule vergleichen möchte. Aber WaG- NER irrt darin stark, dass er die Lage dieser Zellen ins Innere der Hodencanälehen zwischen die Samen erzeugenden Zellen versetzt, während sie in Wirklichkeit zwischen den Hodencanälchen sich hin- ziehen !). 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872. pag. 139. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 313 Aus meinen auf den Bau des Lymphgefiisssystems hinzielenden Beobachtungen gestatte ich mir noch zwei Angaben zu wiederholen, welche sich jetzt an Mittheilungen anderer Forscher theilweise an- schliessen lassen. Ich hatte bei Amphibien und Reptilien gefunden, dass die Nerven in Lymphscheiden stecken, so z. B. die Nerven der Lippendriisen der Schlangen und die Nerven des Brusthautmus- kels des Frosches'). Die damals geäusserte Vermuthung, dass die- ser Bau ein dem peripherischen Nervensystem allgemein zukommen- der sein möge, hege ich gegenwärtig noch. Dann versuchte ich zweitens Poren oder Intercellularginge der Epidermis mit dem Lymphgefisssystem in Beziehung zu brin- sen. In dem Bestreben diese Lücken zu deuten, habe ich zwar nicht immer dieselbe Ansicht festgehalten, möchte aber jetzt nach ermeu- erter Prüfung glauben, dass in der That die »Poren« nicht von einerlei Art sind, obschon ich mich noch ausser Stande fühle, sie von einander im einzelnen Falle mit Sicherheit zu unterscheiden. Nach meiner einstweiligen Kenntniss dürfte anzunehmen sein, dass 1) ein Theil dieser Intercellularräume denn doch jenen von mir bei Weichthieren (Cyclas, Limax, Helix) und Würmern (Stylaria) be- schriebenen Oeffnungen im Epithel gleichwerthig sind, welche zwischen den Zellen hindurch in die Blut- und Lymphräume führen. Ich kehre so wieder zu meiner früheren Deutung zurück, dass auch für die Haut der Batrachier, welche Wasser in bedeutender Menge aufzusaugen im Stande ist, diese Lücken, ausser den unsern Instrumenten nicht er- reichbaren feinsten Gewebsporen, die Zugangscanäle zum Ein- und Auslassen von Flüssigkeit sind. Im Epithel des Bauchfelles wurden auch von Anderen Oeffnungen wahrgenommen, welche ins Innere der Lymphräume führen. Hierher gehören wohl auch die vor Kurzem von zwei schwedi- schen Beobachtern beschriebenen »eigenthümlichen Canäle« im Epi- thel der Schleimhaut der Nase der Säugethiere, welche die in die Lymphräume getriebene Injectionsmasse bis auf die Oberfläche des Epithels gelangen lassen. Und somit liegt jetzt schon eine Reihe von Wahrnehmungen vor, dass sowohl bei niederen als auch bei hö- heren Thieren für die Aufnahme von Stoffen zwischen den Zellen der äusseren Haut, der Schleim- und serösen Häute ausgebildete In- tercellularräume bestehen, welche in die Lymph-, bei niederen Thieren !) Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. pag. 108. 314 F. Leydig, Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. auch in die Bluträume führen. Auf solche Weise würde die An- nahme von »exhalirenden Gefässen«, welche die alten Anatomen und Physiologen auf verschiedenen Schleim - und serösen Häuten sich öffnen liessen, wieder zu Ehren gelangen. 2) Eine andere Gruppe der Löcher scheint den Halsabschnitt der Drüsenzellen aufzunehmen. Diese kleinen, flaschenförmigen Zel- len sind nicht gleichmässig über die ganze Haut verbreitet, sondern nur in bestimmter Vertheilung. 3) Endlich gibt es Lücken in den Zellen selber, welche ich den Lücken, wie sie in der Substanz der farbigen Blutkörperchen von Frosch und Salamander zur Winterszeit auftreten, an die Seite setze und ebenso unter Anderm die lufthaltig werdenden Hohlräume in Epidermiszellen der Reptilien. Sie entstehen durch Schwund der Substanz und scheinen einen rückgängigen Lebensact auszudrücken. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. Hautsinnesorgan einer Larve von Salamandra maculosa im frischen Zustande. a. die Spitzen der Innenzellen, welche zusammen eine Art von Kamm vorstellen. Hautsinnesorgan der Larve von Salamandra maculosa, ebenfalls frisch und ohne Zusatz untersucht. a. Die Spitzen der Innenzellen stehen in zwei Längsreihen. Hautsinnesorgan der Larve von Salamandra maculosa aus der Haut des Kopfes, mit Ueberosmiumsiure, dann Glycerin behandelt. a. die Innenzellen, b. die Stifte, welche in einfacher oder mehrfacher Zahl aus ihnen hervorgehen. Ein Stück der Lederhaut mit umgeschlagenem Rande von Salaman- drina perspieillata. Es erheben sich helle Warzen (Nervenenden?) aus der Pigmentzone. (Vergl. hierzu Fig. 28 auf Tafel XXI.) Oeffnung einer Hautdrüse nach Entfernung der Epidermis, von der Stirnhaut der Salamandra maculosa. a. Die contractilen Elemente, welche aus der Oeffnung hervor- ragen ; b. ein Kreis von Blutcapillaren, in einiger Entfernung die Drü- senmündung umziehend ; ce. Pigment in characteristischer Vertheilung. Lederhaut der Zehe, entblösst von der Epidermis, im Längsschnitt von Salamandra maculosa. a. zwei Drüsen; b. die contractilen Elemente aus der Oeffnung der Drüse her- vorstehend; an der Driise rechts sind die reifartig geordneten Muskeln auch in weiterem Umfang sichtbar ; c. die Secretionszellen, welche nach tiefer Einstellung klar werden. Die Mündungsstelle der Drüse der Figur 5 bei starker Vergrösse- rung: a. die strahlig angeordneten Muskeln, b. das Ende derselben aus der Oeffnung hervorragend. Fig. Fig. Fig. Fig. lO: el: 12. 13. . 14. > MiG: F. Leydig Stückchen Lederhaut von Bufo calamita : a. scheinbare Kerne in den »Bindegewebskörpern«, welche sich als optische Querschnitte von Faserzügen erweisen. Von Menopoma giganteum einer der Wülste oder Blutcapillaren, welche frei auf der Oberfläche der Haut hervorragen, in histologischer Dar- stellung. (Vergl. Fig. 10 und 11 auf Tafel XIX. Tafel XIX. Von MHenopoma giganteum senkrechter Schnitt durch zwei Sinneshügel der Haut und dem von ihnen eingeschlossenen Sinnesorgan. a. die frei auf den Hügeln sich erhebenden Blutcapillaren. Oberfläche der Haut von Menopoma giganteum, bei geringer Ver- grösserung. a. Oeffnungen von vier Drüsen; b. die Erhebungen der Bluteapillaren über die Oberfläche als geschlängelte Wülste. Theil des Sinneshügels von Menopoma giganteum, bei stärkerer Ver- grösserung. a. Epidermis; b. das umschlossene Organ. Sinneshügel von Menopoma giganteum, ohne Epidermis und bei gerin- ger Vergrösserung. a. die frei sich erhebenden Blutcapillaren, welche als Falten über die Oberfläche hinziehen. Tafel XX. Ein Abschnitt der Rückenhaut von Z’riton taentatus, Weibchen, wäh- rend des Landaufenthaltes. a. Leisten- und Zackenbildung auf der freien Fläche der Epi- dermis ; pyramidale Hicker; . pigmentirte Hügel; d. Driisen in der Lederhaut; e. Musculatur des Stammes. Oberfläche der Epidermis von 7Z'riton taeniatus, Weibchen, während des Landaufenthaltes. a. Zacken- und Leistenbildung der Cuticula ; b. pyramidale Höcker von oben; c. ebensolche im optischen Querschnitt: d. eigenartige Verdickungen der Cuticula. Epidermisüberzug einer Drüsenwarze von Salamandrina perspicillata. a. Verdickungen der Cuticula als dunkle, kernartige Flecken erscheinend. Von der Epidermis der Salamandrina perspieillata. Oberfläche, stär- ker vergrössert als die vorausgehende Figur. a. Leisten der Cuticula: Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. 317 b. cuticulare Verdickungen von kugliger Form. — Rechts zacki- ger Rand der Zellen. Fig. 18. Drüsenzellen aus der Epidermis von Salumandra maculosa. Fig. 19. Dornspitzen, wie sie sich bei Salamandra maculosa an manchen Haut- stellen zeigen. Fig. 20. Von der Epidermis der Salamandra maculosa. a. Lückengänge ; b. Löcher zwischen und in den Zellen. Fig. 21. Eine Schleimzelle von der Epidermis des Kopfes einer Salamander- larve (Salamandra maculosa) bei starker Vergrösserung, um die netz- förmige Beschaffenheit der Oberfläche hervortreten zu lassen. Fig. 22. Cuticula einer Fusswarze von Phyllodactylus europaeus; sie erhebt sich in dichten Härchenbesatz. Fig. 23. Kiemenstück einer sehr jungen Larve von Triton. a. Büschel langer Flimmerhaare auf Hügeln der Epidermis; b. Blutcapillarschlinge ; c. bindegewebige Achse. Fig. 24. Kopfrand einer Larve von Triton. a. hügelartige Erhebungen der Epidermis, auf welchen Büschel langer Fiimmerhaare stehen. Fig. 25. Hautsinnesorgan einer Larve von Triton helveticus, von der Seite ge- sehen: a. Deckzellen; b. Innenzellen; c. Spitzen der letzteren, welche sich als Ringelchen dar- stellen. Tafel XXI. Fig. 26. Epidermis vom Kopf der Larve von Salamandra maculosa um ein Hautsinnesorgan herum. Das Mikroskop in die Tiefe eingestellt. a. Zellen der unteren Lage der Oberhaut. b. die Innenzellen ; c. Schleimzellen von eigenthiimlich getüpfeltem Aussehen. (Vergl. Fig. 21.) Fig. 27. Stück Riickenhaut von der freien Fläche des Triton taeniatus, Weib- chen, während des Landaufenthaltes. (Vergl. Fig. 14.) Geringe Ver- grösserung. a. Feine Höckerbildung; b. grosse pigmentirte Hügel; c. durchscheinende Drüsen. Fig. 28. Freie und von der Epidermis entblösste Fläche der Rückenhaut von Salamandrina perspieillata. a. Drüsen von Blutcapillaren nmsponnen; b. zu Höckern sich erhebende Drüsen ; e. kleine, helle Warzen in den Zwischenstellen. (Vergl. Fig. 4.) 318 F. Leydig, Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Schnitt durch die Haut der Schwanzflosse von Menopoma giganteum, gering vergrössert. a. Die sich über die Hautfläche erhebenden blutcapillaren ; b. Drüsen. Längsschnitt durch die Haut des Rückens von Phyllodactylus euro- paeus. a. Die quergestreiften Biindel der Musculatur des Stammes ; b. derbe Lage der Lederhaut ; ce. grosszelliges Bindegewebe in starker Entwicklung; d. Epidermis. Haut der Ohrgegend von Phyllodactylus europaeus, Oberfläche. a. Sinnesorgane, welche auf den Warzen wahrzunehmen sind. ] f ' Ir ’ Als i ‘ed 0 a IMS A wri ' aM ¥ PR NY ‚HL 1 € Taf. XVII. Fig. 9. Leydig, del. Littl u; Bach, leiprig. Lith Anstv Te Bach Leipzig Lith Anal v1.6 Bach, Leipzig a in ar nn Pe Ueber die Metamorphose des Echiurus. Von Prof. Dr. W. Salensky, in Kasan. Mit Tafel XXII. Während meines Aufenthaltes in Neapel fand ich in den Mona- ten Februar und März zwischen anderen pelagischen Thieren einige Exemplare einer Larvenform, welche damals durch Organisation und Metamorphose mein Interesse erregte. Die Larven hielten sich sehr gut in Gefangenschaft und vollendeten in diesem Zustande ihre wei- tere Entwicklung, so dass, nach der Metamorphose, welche ich zu beobachten Gelegenheit hatte, ich im Stande war mich zu überzeu- gen, dass die Larve eine Gephyreenlarve, und zwar dem Genus Echiurus angehörig sei. Da die Umwandlung der Gephyreenlarven bis jetzt noch sehr wenig untersucht wurde, so glaube ich, dass meine kurzen Bemerkungen über die Metamorphose des Echiurus nicht ohne Interesse sein werden. Die Larve (Taf. XXII Fig. 1), deren Metamorphose wir verfol- gen werden, ist ziemlich gross (ungefähr */, Mm. lang) und gehört, ihrer Organisation nach zu den Larven des sogenannten Loven’schen Typus. Ihre äussere Form kann am besten durch die Vorstellung zweier mit ihrer Basis sich berührender Conus veranschaulicht wer- den. Die eine, obere Hälfte der Larve hat eine vollkommen conische Gestalt; die andere, untere, obgleich auch einem Conus sehr ähnliche Hälfte erscheint etwas mehr abgerundet. In der Mitte der Larve bemerkt man einen aus zwei Wimperreifen bestehenden Locomotions- apparat. Die Wimperreifen stellen leistenförmige, mit Cilien bedeckte Morpholog. Jahrbuch. 2. DB 390) W. Salensky Vorspriinge des Integumentes dar und stehen zu einander nicht ganz pa- rallel: an der Riickenseite namentlich sind sie einander näher, als auf der Bauchseite. Ausser den beiden Wimperreifen, welche hauptsäch- lich den Locomotionsapparat vorstellen, ist auch die übrige Ober- fläche der Haut mit Wimpern besetzt, die aber hier in viel geringe- rer Menge vorhanden und viel kleiner sind. Die Lage des Mundes unterscheidet sich gar nicht von dem was wir bei allen Larven des Loven’schen Typus antreffen. Die Mundöffnung liegt nämlich auf der Bauchseite zwischen den beiden Wimperreifen und stellt eine quergelegte ovale Einstülpung der äusseren Haut dar. Die After- öffnung hat ebenfalls die für die Lovev’schen Larven characteristi- sche Lage; sie liegt am hinteren Ende der Larve. Hinsichtlich der äusseren Merkmale der Larve muss ich noch hinzufügen, dass die Larve eine grünliche Färbung besitzt, welche durch die grüne Pig- mentirung der äusseren Körperbedeckung bedingt ist und für unsere Larve ein ziemlich gutes charaeteristisches Merkmal bildet. Wegen der grossen Durchsichtigkeit der Larve ist die innere Organisation derselben ziemlich leicht zu verfolgen. Was zunächst die Leibeswand betrifft, so besteht dieselbe aus zwei Schichten: aus dem Ectoderm, welches an verschiedenen Stellen des Körpers ver- schieden ist, und aus einer äusserst dünnen Cuticularschicht, welche das Ectoderm bedeckt. In der vorderen Hälfte des Körpers stellt das Ectoderm eine ziemlich dünne Zellenschicht dar, welche nur an der Spitze des oberen Conus etwas verdickt ist. So verhält sich auch das Ectoderm an der Bauchseite der hinteren Hälfte, ist aber an der Rückenseite viel mächtiger entwickelt. Die einzelnen Zellen des Ectoderms konnte ich mit Sicherheit unterscheiden. An den Wimperreifen wo das Ectoderm aus grossen eylindrischen Zellen be- steht sind letztere leicht zu erkennen. Zu den Ectodermbildungen muss man noch eine Zellenreihe auf der Bauchseite rechnen, welche in den späteren Stadien als die Anlage des Bauchstranges sich erweist. Derselbe liegt dem Ecto- derm sehr dicht an und besteht bei den jungen Larven aus einer Reihe ovaler Zellen. Da ich die embryonale Entwicklung der be- schriebenen Larve nicht verfolgt habe, kann ich nicht mit Sicher- heit behaupten, dass der Bauchstrang vom Eetoderm seinen Ursprung nimmt. Das letzte scheint doch nach der Analogie mit Phascolo- soma, wo die Entwicklung des Nervensystems von SELENKA!) er- !) Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XXV. Ueber die Metamorphose des Echiurus. 321 kannt und ausführlich beschrieben wurde, sehr wahrscheinlich zu sein. Die Bildung des Bauchstranges des Phascolosama muss nach SELENKA sehr frühzeitig beginnen; dasselbe muss auch bei Larven des Echiurus der Fall sein, da bei den ganzen Larven das Nervensystem schon angelegt ist. Unter der Haut und derselben dicht anliegend findet sich die Wand der Leibeshöhle,, welehe wir als Peritoneum bezeichnen kön- nen. Die fragliche Zellenschicht verhält sich topographisch ganz wie das Mesoderm einiger Embryonen. Sie bildet namentlich nicht nur die Umhüllung der Leibeshöhle, sondern geht auch auf die äus- sere Oberfläche des Darmeanals über und stellt dort dessen äussere Hülle vor. Wir können deswegen die beiden Blätter der Perito- nealhülle als Homologa der beiden Schichten des mittleren Keim- blattes ansehen. Das äussere der Haut anliegende Blatt wird somit der Hautfaserplatte, die äussere Umhüllung des Darmcanals der Darmfaserplatte entsprechen. Von ersterem sieht man einige Fort- sätze abgehen, welche in Form sehr feiner Fäden die obere Hälfte der Leibeshöhle der Larve durchsetzen. Jeder Fortsatz besitzt eine oder mehrere kleine protoplasmatische Verdickungen , welche dem- selben ein varieöses Ansehen verleihen. Ich bin geneigt die erwähnten Bildungen für eontractile Elemente des Larvenkörpers zu halten. In dem beschriebenen Stadium besitzt die Larve beinahe keine Mus- kelfasern; sie kann aber dennoch Contractionen in der Leibeswand auslösen und zwar hauptsächlich in der oberen Hälfte. Durch die- sen Umstand gewinnt die Ansicht, dass die fadenförmigen Fortsätze contractile Elemente seien, eine Stütze. Ich muss hier bemerken, dass ich analoge Bildungen auch bei anderen Larven des Loven’schen Typus, namentlich bei den Larven von Polygordius angetroffen habe, wo sie Contractionen des Larvenkörpers bedingten. Ausser den be- schriebenen fadenförmigen Fortsätzen unterscheidet man in der obe- ren Hälfte der Larve immer einen Strang, weleher etwas dicker, als der beschriebene ist und vom vorderen Pole nach hinten verläuft. Die Contractionen dieses Stranges rufen jedes Mal das Erscheinen einer kleinen Einstülpung am oberen Pole der Larve hervor. Der Darmeanal unserer Larve besteht aus drei Theilen: Oeso- phagus, Magendarm und Rectum. Der Oesophagus (Fig. 1, oe) stellt ein verhältnissmässig langes Rohr dar, welches vom Munde zuerst horizontal nach der Rückenseite verläuft und mit seinem hin- teren Ende nach unten umbiegt. In den Wänden dieses Theiles des Darmeanals konnte ich mit Sicherheit nur eine Zellenschicht nnter- 29 * 322 W. Salensky scheiden, die der inneren Schicht der übrigen Theile des Darmeanals entspricht und wahrscheinlich durch Einstülpung des Eetoderms ent- standen ist. Die an den übrigen Theilen des Larvendarmes leicht erkennbare äussere Hülle konnte ich im Oesophagus nicht entdecken; vielleicht ist dieselbe hier viel feiner als an dem hinteren Theile des Darmes. Die Oesophaguswand stellt eine ziemlich dicke Zellen- lage dar, welche durch ihre röthliche Färbung von der Magenwand sich unterscheidet. Sie ist wellenförmig längsgestreift. Die hintere Oeffnung des Oesophagus ragt mit einem kleinen röhrenförmigen Vor- sprung in die Magenhöhle ein. Der Magen (Fig. 1, M) bildet den ansehnlichsten Theil des Larvendarmes. Er besitzt eine birnförmige Gestalt und liegt in der hinteren Hälfte der Larve. Nach hinten zu geht derselbe in das kleine Reetum über, und bildet zu beiden Seiten des letzteren zwei unbedeutende Aussackungen. In den Magenwänden konnte ich sehr leicht zwei Schichten: eine innere und eine äussere unterscheiden. Die erste besteht aus dicht zusammengedrängten, runden ziemlich scharf begrenzten Zellen, von denen jede mit je einem Kern ver- sehen ist (Fig. 1, M). Die äussere Schicht, welche, wie erwähnt, nichts anderes als eine Fortsetzung der Peritonealhülle ist, stimmt ihrer Struetur nach mit letzterer vollkommen überein. Sie stellt eine sehr dünne, der Epithelialschicht dieht anliegende Lage abgeplatte- ter Zellen dar. Das Rectum ist ein sehr kurzes ebenfalls aus zwei Schiehten bestehendes Rohr. Endlich müssen wir ein Organ erwähnen, das zwar in keiner Beziehung zur Function des Darmeanals steht, doch topographisch der Darmwand angehört. Es ist nämlich eine im beschriebenen Sta- dium sehr constant auftretende Flimmerrinne der Darmwand, welche für unsere Larve ziemlich characteristisch ist. Das betreffende Organ befindet sich im unteren und mittleren Theile des Darmeanals und beginnt bereits an der Afteröffnung. Bei Betrachtung der Larve im Profil (Fig. 1, Fr) präsentirt sich das Organ in seiner ganzen Ausdehnung. Dasselbe besteht aus zwei symmetrischen flimmernden Furchen, welche auf beiden Seiten der Magenwand in Form einer vielfach umgebogenen Linie sich darstellen. In der Mitte der Ma- genwand hört die Flimmerrinne auf. In der Profilansicht der Larve lässt sich die histologische Structur des betreffenden Organes in ziemlich befriedigender Weise untersuchen. Aus der beigefügten Fig. 1 sieht man, dass in der Bildung der Flimmerrinne die beiden den Magen zusammensetzenden Schichten theilnehmen, indem beide Ueber die Metamorphose des Echiurus. 323 sich hier verdicken. Die Zellen der inneren (epithelialen) Schicht nehmen eine cylindrische Gestalt an; die Zellform der äusseren Schieht ist an den lebendigen Objeeten nicht gut zu unterscheiden. Die Innenfläche des durch Verdiekung beider Schichten gebildeten Flimmerwulstes ist rinnenförmig ausgehöhlt und mit Wimpern be- setzt, die auf der ganzen Ausdehnung in Form von sehr kleinen, sich lebhaft bewegenden Härchen erscheinen. Die Flimmerrinne stellt nur ‘ein provisorisches Organ dar. Sie kommt nur bei den jüngsten Larven zum Vorschein und verschwin- det allmälig sobald die Verwandlung der Larve beginnt. Obgleich es mir gelungen ist die Structur des in Rede stehenden Organs, so- wie seine Verwandlung ziemlich vollständig zu verfolgen, muss ich doch gestehen, dass die Natur desselben sehr räthselhaft erscheint. In keiner der mir bekannten Larvenformen niederer Thiere kann ich eine homologe Bildung auffinden. Was aber die physiologische Bedeutung des Organs betrifft, so wage ich aus anatomischen Grün- den die Vermuthung auszusprechen, dass dasselbe eine Art Ath- mungsorgan darstellt. Das Organ, seinen topographischen Verhält- nissen nach, ist nichts anderes als eine mit Wimpern besetzte Ver- grösserung der Darmoberfläche und bietet daher die günstigsten Be- dingungen für den Gasaustausch mit dem Wasser, welches durch den Darmeanal hindurchgeht. Die Metamorphose der eben beschriebenen Larve habe ich im Laufe von fast 1'/, Monaten Gelegenheit gehabt zu beobachten; spä- ter gingen alle meine Larven zu Grunde. Da sie so lange Zeit in Gefangenschaft lebten, so konnte ich ihre Entwicklung so weit ver- folgen, bis ihre Angehörigkeit zu dem Genus Echiurus sicher zu bestimmen war. Während der ersten Tage des Lebens halten sich die Larven auf der Oberfläche des Wassers; später sinken sie auf den Boden des Aquariums und obgleich sie noch das Schwimmver- mögen nicht sobald verlieren, halten sie sich immer mehr und mehr am Boden auf. Die Larve wächst und lässt schon in der zweiten Woche einige ziemlich bedeutende Veränderungen wahrnehmen. Was zunächt ihre äussere Form anbetrifft, so erscheint dieselbe im folgenden Stadium (Fig. 2) in sofern verändert, als das Grössenver- hältniss zwischen ihren beiden Hälften nun von dem früheren Zu- stande etwas verschieden ist. Die obere Hälfte ist jetzt kleiner geworden, als die untere. Die wichtigste von allen äusseren Ver- änderungen ist das Auftreten zweier leistenförmiger Verdiekungen des Ectoderms am vorderen Theile der Larve, welche vom Munde 394 W. Salensky nach der Spitze der Larve einander parallel verlaufen und die Rän- der des später etwas abgeplatteten Rüssels bezeichnen. Das allmälige Verschwinden des Schwimmvermögens in dem beschriebenen Stadium erklärt sich aus der eintretenden Atrophie des Wimperapparates. Man unterscheidet zwar (Fig. 2) noch sehr deutlich die beiden Wimperbögen, doch sind dieselben von ihrem früheren Zustande 1. durch die Kleinheit der Wimpern und 2. dadurch verschieden, dass die Verdiekungen des Ectoderms, auf welchen die Wimpern sitzen, beinahe vollkommen verschwunden sind. An der hinteren Hälfte der Larve treten auch sehr wichtige Neubildungen auf. Es sind namentlich die Haken, welche wir erst in diesem Stadium antreffen und die schon jetzt ihre für das Genus Echiurus characteristische Lage und Gestalt annehmen. Man kann in der Larve zweierlei dieser Haken unterscheiden. Die einen bil- den ein Paar grosse vordere, die anderen erscheinen in Form eines Hakenkranzes angeordnet, der die Analöffnung umgürtet. Die ersten stellen zwei sehr grosse bogenförmig gekrümmte stumpf endigende Chitinstäbe vor; sie sitzen zu beiden Seiten des Nervenstranges in besonderen Hauteinstülpungen. Der Hakenkranz besteht aus einer Anzahl kleiner zugespitzter Häkchen, welche ebenfalls in Hautein- stülpungen eingesenkt sind. Von den äusseren Veränderungen der Larve muss ich noch die Verminderung des grünen Pigments erwähnen, welche eine Aende- rung der allgemeinen Färbung bedingt. Das grüne Pigment ist nun beinahe auf der ganzen Oberfläche der Larve verschwunden und er- hält sich nur auf den Wimperreifen. Die inneren Veränderungen betreffen hauptsächlich den Darm- apparat und die Bildungen, welche mit diesem in Verbindung ste- hen. Der Darmeanal ist bedeutend verlängert, lässt jedoch noch dieselben drei Theile unterscheiden, welche in dem früheren Stadium schon vorhanden waren. Die Wimperrinne zeigt Veränderungen in ihrem Bau, welche auf die Atrophie dieses Organs hinweisen. Sie ist*viel schmächtiger geworden, erscheint zusammengezogen und nimmt kaum ein Drittel der Magenoberfläche ein. Anstatt der verschwindenden Wimperrinne treffen wir nun ein anderes Organ, das inzwischen neugebildet ward. Es sind die so- genannten Athemsäcke, die jetzt auftreten, mit ihren hinteren Enden in die Cloake ganz nahe der Analöffnung ausmündend. Diese, bekanntlich auch bei den ausgebildeten Echiuren recht bedeu- tend entwickelten Athemsäcke, erscheinen in Form von ovoiden Ueber die Metamorphose des Echiurus. 325 kleinen Schläuchen. Das vordere Ende des Siickchens ist etwas ausgezogen und zugespitzt; bei den beschriebenen Larven konnte ich an der Spitze des Säckchens eine Oeffnung unterscheiden. Das auf der Fig. 3 abgebildete Stadium stellt einen weiter entwickelten Wurm dar, welcher schon vollständig das Schwimm- vermögen verloren hatte und durch weitere Ausbildung seiner äus- seren und inneren Organe ausgezeichnet ist. Derselbe besitzt eine birnförmige Gestalt, wobei die vordere Hälfte in Form eines beinahe conischen Aufsatzes der hinteren angelegt ist. Ihrer Gestalt nach nähert sich die vordere Hälfte jetzt mehr ihrem definitiven Zustande resp. dem Rüssel, in welchen sie sich verwandelt. In der Mitte ist diese Anlage des hüssels rinnenförmig vertieft, welche Vertiefung durch zwei längliche Wülste des Eetoderms begrenzt wird (Fig. 3). Die Wimperorgane der Larve sind vollständig verschwunden; man erkennt noch lange die Stelle, wo dieselben bei den freischwimmen- den Larven sassen, indem hier die Anhäufungen des grünen Pigments noch lange bemerkbar sind. Nicht unbedeutender als die eben beschriebenen Veränderungen sind die, welche die inneren Organe und hauptsächlich die Entwick- lung des Darmeanals betreffen. Der Darmeanal ist bedeutend aus- gewachsen und erscheint nun in Form eines langen vielfach gewun- denen Schlauches, an dem sich die bereits beschriebenen Theile: Oesophagus, Magen und Darm viel schärfer als früher von einander unterscheiden. Form und Lage der Windungen sind aus der beige- fügten Abbildung (Fig. 3) ersichtlich. Der Oesophagus bildet einen im Vergleich mit den übrigen Theilen kurzen und dünnen Schlauch; ähnlich verhält sich der Hinterdarm. Der Magen zeichnet sich von den übrigen Theilen des Darmcanals durch seine Weite aus. Das Nervensystem erscheint nun in Form einer Bauchganglienkette, welche aus dicht gedrängten, aber sehr distineten Ganglien zusam- mengesetzt ist. Bekanntlich ist das Vorhandensein der Ganglien im Bauchstrange das Merkmal, welches das Nervensystem der Echiuren von dem der anderen Gephyreen auszeichnet. Während die eben beschriebene Larve ihrer Form nach an die ursprüngliche Larvenform erinnert, stellt das folgende in Fig. 4 ab- gebildete Stadium der Metamorphose unserer Larve eine bedeutend abweichende Gestalt dar. Die äussere Form der Larve, sowie die Ausbildung der inneren Organe ist schon characteristisch genug, um die systematische Stellung derselben zu bestimmen. Der Leib der- selben besteht aus zwei Theilen: dem länglich -eiförmigen Rumpf 326 W. Salensky und einem kurzen gefurchten Riissel. Der Riissel stellt einen langen convex-concaven Fortsatz dar und besteht histologisch aus zweierlei Bestandtheilen: aus einer Hautschicht und einer Muskellage. Die erste unterscheidet sich von der Haut des Rumpfes durch ihre etwas bedeutendere Dicke und durch die Abwesenheit der Hautpapillen, welche in sehr grosser Zahl in der Haut des Rumpftheiles zerstreut sind. Der obere Rand, sowie die Furche des Rüssels sind mit Wimpern besetzt, welche den Zweck haben die Nahrung dem an der Basis des Rüssels befindlichen Munde zuzuführen. Im Rüssel konnte ich nur longitudinale Muskelfasern unterscheiden, die in Form von feinen Längsstreifen unter der Haut auftreten. Die ganze Hautoberfläche des Rumpftheiles ist mit einer sehr srossen Zahl kleiner Papillen besetzt, welche schon bei schwacher Vergrösserung auffallen. Bei stärkerer Vergrösserung erscheint jede Papille in Form eines kleinen hohlen Höckerchens, welches im Inne- ren einen feinen durchsichtigen Strang enthält. Ihrer Form und Lage nach können die Hautpapillen als Tastorgane betrachtet werden. Die Muskelschicht, welche mit der Haut zusammen einen Haut- muskelschlauch bildet, besteht aus zwei Lagen von Muskelfasern: einer oberen transversalen und inneren longitudinalen. Ausser die- sen Theilen des Hautmuskelschlauches verdienen noch jene Muskel- fasern Erwähnung, welche speciell für die Bewegung der vorderen Haken bestimmt sind. Dieselben gehen in Form von Radien von der Basis des Hakens zu der Innenfläche der Leibeswand. Das Nervensystem (Fig. 4 N) zeichnet sich, wie oben erwähnt, durch einen gegliederten Bau aus. Ein jedes Glied besteht aus zwei Theilen: einem grösseren und einem kleineren Abschnitte. Der Darmeanal zeigt eine für die Gephyreen überhaupt eigen- thümliche Entwicklung in die Länge. Er stellt einen ausserordent- lich langen Schlauch dar, in welchem die oben erwähnten Theile noch weiter ausgebildet und schärfer differenzirt sind. Der in seinem oberen Theile etwas erweiterte Oesophagus bildet eine Schleife und ist an die Leibeswand mittelst eines Bandes befestigt, welches mit seinem spitzen oberen Ende in der Nähe des Mundes sich anhef- tet. Der Magen stellt einen erweiterten aber ziemlich kurzen Theil des Darmcanals vor; er liegt der longitudinalen Axe des Thieres pa- rallel und unterscheidet sich von den übrigen Theilen dadurch, dass in seinen Wänden sehr viel stark lichtbrechende Körperchen (Fett?) eingeschlossen sind. Aus dem Magen geht der Darm hervor, wel- cher zuerst nach oben verläuft, dort eine ansehnliche Schlinge bildet Ueber die Metamorphose des Echiurus. 327 und sich dann zum Hintertheile des Körpers krümmt, wo er durch die Analöffnung nach aussen mündet. Die beiden hinteren Athemsäcke erleiden, abgesehen davon, dass sie mehr auswachsen, keine wesentlichen Veränderungen. Mit diesem Stadium muss ich die Beschreibung meiner Beobach- tung schliessen, da ich in meinen Aquarien keine weiter ausgebil- deten Würmer ziehen kann, doch muss ich bemerken, dass das von mir hier beschriebene älteste Stadium (Fig. 4) schon alle characte- ristischen Merkmale des Genus Echiurus besass '). Kasan, 29. April 1876. 1) Es fehlt noch bei ihnen der zweite Hakenkranz am Hinterleibe, welcher vermuthlich sich später ausbildet. Erklärung der Abbildungen. ae Tafel XXII. Fig. 1, 2, 3 und 4. Verschiedene Stadien der Metamorphose der Echiurus- larve. O = Mund, Oe = Oesophagus, M = Magen, A = Anus, Wr = Wimper- reif, N = Nervenstrang, Fr — Flimmerrinne, Ms = Mesoderm, H% = vordere Haken, /7z = Hakenkranz, As = Athemsack, Rk = Rüssel. Ueber das Hautskelet der Fische. Von Oscar Hertwig. Mit Tafel XXITI—XXVIII. Indem ich die Integumentossificationen der Fische zum Gegenstand einer vergleichend - anatomischen Untersuchungsreihe mache, ‚knüpfe ich an eine vor zwei Jahren von mir veröffentlichte Arbeit!) über den Bau und die Entwicklung der Placoidschuppen und der Zähne der Selachier wieder an. Schon damals erblickte ich in dem Haut- und Mundschleimhautskelet der Selachier den Ausgangspunct für zwei Reihen von Untersuchungen. Die eine Reihe umfasst das Zahnsystem der höheren Thiere und die von Zähnen ableitbaren Bildungen, die andere Reihe umfasst die Integumentossificationen und ihre Umbildungsproducte. Den einen Weg der Forschung habe ich be- reits betreten und auf demselben in einer Abhandlung über das Zahnsystem der Amphibien?) den Nachweis zu führen gesucht, dass die in der Mundschleimhaut entstehenden Belegknochen des Schä- dels genetisch von dem basalen Knochengewebe der Zähne ableit- bar sind, indem durch Verschmelzung von Zahngruppen zunächst zahntragende Knochenplatten sich bilden, später aber die oberen Zahntheile, das Schmelz- und Dentingewebe, einem Rückbildungs- process verfallen können. Den zweiten Weg der Forschung will 1) Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. 1874. Bd. VII. N. F. L. 2) Ueber das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung für die Ge- nese des Skelets der Mundhöhle. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XI Sup- plementheft, TE = Fi ma = = 3 = = > = . os Ueber das Hautskelet der Fische. 329 ich jetzt einschlagen. Er führt uns auf ein Gebiet, für dessen ver- gleichend-anatomische Erkenntniss bis jetzt noch wenig geschehen ist. Trotz zahlreicher Einzelbeschreibungen, trotz der umfassenderen Ar- beiten von AGAssiz, WILLIAMSON und der erst neuerdings erschie- nenen umfangreichen Untersuchung von BAUDELOT sind die Haupt- fragen noch ungelöst. Noch lässt sich nieht bestimmen, in welchem Verhältniss die Placoidschuppen der Selachier, die Knochenschilder der Acipenseriden, der Panzerwelse, der Lophobranchier, der Ostracioniden ete., die mit Schmelz bekleideten Tafeln einzelner Ganoidenabthei- lungen, die mannigfachen Hautstacheln und Schuppenbildungen der Plectognathen und einiger kleinerer Fischordnungen , endlich die Ctenoid- und Cyeloidschuppen zu einander stehen. Lassen sich diese so verschiedenartigen Integumentossificationen von einer gemeinsa- men Ausgangsform durch Umbildung ableiten, ober besteht nur zwischen einem Theil ein genetischer Zusammenhang? Welches sind die Processe , durch deren Wirksamkeit die verschiedenen Formen entstanden sind? Wir stehen hier vor einer Reihe von unbeantworteten Fragen ! — Indem ich an die Lösung derselben gehe und die eben kurz be- rührten, schon von GEGENBAUR !) hervorgehobenen Lücken in unse- ren vergleichend - anatomischen Kenntnissen auszufüllen versuche, betrete ich ein ziemlich umfangreiches Forschungsgebiet, da die Classe der Fische eine sehr arten- und formenreiche ist, die Inte- gumentossificationen aber insbesondere nicht nur in den einzelnen Ordnungen, sondern auch nach den Gattungen durch ihre Verschie- denheiten in oft auffallender Weise sich auszeichnen. Aus diesem Grunde beabsichtige ich, die Ergebnisse meiner Untersuchungen in einer Reihe kleinerer Abhandlungen zu veröffentlichen. Wie bei jeder über eine grössere Formenreihe sich erstrecken- den vergleichend-anatomischen Untersuchung, trat an mich zunächst die Frage heran, an welchen Ordnungen und in welcher Reihenfolge ich an diesen die mir gestellte Aufgabe durchzuführen gedächte. Der einzuschlagende Weg wäre für die Untersuchung vorgezeichnet gewesen, wenn erstlich unser System uns in die Verwandtschaftsver- hältnisse der einzelnen Fischordnungen einen vollen Einblick ge- währte und wenn zweitens zwischen dem Ausbildungsgrad der Ge- sammtorganisation einer Art und des einzelnen Organsystems, im !) Grundzüge der vergl. Anatomie. 1870. pag. 594. 330 O. Hertwig vorliegenden Falle der Integumentossificationen, eine Parallele be- stände. Weder das eine noch das andere findet hier statt. In die Ver- wandtschaftsverhältnisse der Fischordnungen besitzen wir noch einen sehr geringen Einblick, da im Verhältniss zu dem Umfang des Gebietes die Zahl der auf die verschiedenen Organsysteme sich erstreckenden vergleichenden Untersuchungen noch eine geringe ist. Das System der Fische ist mehr oder minder ein künstliches, auf wenige und oft nur äusserliche Merkmale gegriindetes. Zudem sind auch wahrscheinlich die einzelnen Abtheilungen der Ganoiden !) und zum Theil auch die einzelnen Abtheilungen der Teleostier die Ausläufer schon früh und daher weit divergirender Formenreihen. Was ferner den zweiten Punet anbetrifft, so zeigen vergleichend anatomische Untersuchungen hinlänglich , wie unsicher es ist, aus der höheren oder geringeren Gesammtorganisation einer Art auf den Entwicklungsgrad eines einzelnen Organsystems schliessen zu wol- len. So zeigen, um mich eines Beispiels zu bedienen, die Anu- ren, welche wir ihrem gesammten Bau nach mit Recht eine höhere Stelle als den Sozuren im System anweisen, in der ausgedehnten Erhaltung des Primordialeranium , in dem Besitz einer sechsten Zehe?) ete. ursprünglichere Einrichtungen als die Salamandrinen. Diese Incongruenz zwischen dem Entwicklungsgrad der Gesammt- organisation und demjenigen eines einzelnen Organes wird um so eher eintreten und um so grösser sein, in je höherm Grade das letz- tere Anpassungen unterworfen und daher variabel ist. Ein solches Organsystem ist aber gerade das Hautskelet. So kommt es, dass dasselbe bald in dieser, bald in jener Gattung, bald in diesen bald in jenen Verhältnissen Beziehungen zu ursprünglicheren Zuständen erkennen lässt. Nach dem Gesagten wird man es verständlich finden, warum für die vorliegende Untersuchung ein scharf vorgezeichneter, gerader Weg von vornherein nicht gegeben ist. Trotzdem glaube ich in der Reihenfolge der Untersuchungs- objecte die Wahl nicht willkürlich getroffen zu haben. Bei dersel- ben habe ich mich von dem Grundsatz leiten lassen, aus den zahl- reichen Fischordnungen diejenigen zunächst herauszugreifen, welche !) GEGENBAUR. Grundriss der vergl. Anatomie 1874. pag. 408. Anmerk. 2) Born. Die sechste Zehe der Anuren. Morphol. Jahrbuch. Bd. I. pag. 435. Ueber das Hautskelet der Fische. 331 mir an die Einrichtungen der Selachier die meisten Ankniipfungs- puncte zu bieten schienen. Auf diesem Wege hoffte ich am sicher- sten von den niederen zu den complicirteren Bildungen in regelmäs- siger Weise vorschreiten zu können. Inwieweit mir dies geglückt ist, mag aus dem Gange und dem Ergebniss der Untersuchung selbst hervorgehen. Erste Abtheilung. Das Hautskelet der Siluroiden- und der Acipenseriden, Die Untersuchungsreihe über das Hautskelet der Fische eröffne ich mit den beiden Ordnungen der Siluroiden und der Acipense- riden. Beide sind für das Studium der Integumentossificationen von ganz besonderer Wichtigkeit. Denn wir sehen bei ihnen knö- cherne Skeletstücke , welche in anderen Fischordnungen und den übrigen Wirbelthierelassen zu Theilen des inneren Skelets gewor- den sind, noch in voller Uebereinstimmung mit den Schildern und Knochentafeln des gesammten Integumentes. Diese Theile sind erstens die Belegknochen des Primordialeranium und des Schultergürtels, zweitens die knöchernen Flossen- strahlen. Auf die hier hervorgehobene Uebereinstimmung und auf die Be- deutung dieser Thatsache hat namentlich GEGENBATR in seinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie die Aufmerksamkeit gelenkt. So leitet er einestheils die Belegknochen des inneren Skelets von Knochentafeln ab, wie sie sich bei niedrig organisirten Fischordnungen auch an anderen Stellen der Körperoberfläche vorfinden, anderntheils erblickt er auch in den gleichartig aneinander gereihten Knochen- stiickchen, welche das secundäre Flossenskelet der Fische zusam- mensetzen, »von den Schuppen verschiedene, aber doch vielleicht von ihnen ableitbare Bildungen«. In den folgenden Einzeluntersuchungen des Hautskelets der Siluroiden und der Acipenseriden werde ich, wenn anders sie voll- ständig sein sollen, drei Bildungen näher zu betrachten haben: 339 Ö. Hertwig 1) die Schuppen und Schilder des Integumentes, 2), die Belegknochen des Schultergtirtels und des Primordialera- nium, 3) das seeundäre Flossenskelet. A. Das Hautskelet der Siluroiden. Die Siluroiden bilden eine wohlumgrenzte, sehr arten- und formenreiche Abtheilung der Physostomen, welche vor allen übrigen Teleostiern durch mehrere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet ist. Namentlich durch die Beschaffenheit ihres Integumentes nehmen sie eine Ausnahmestellung ein. Bei keiner einzigen Art finden sich jene Bildungen, welche man gewöhnlich als Fischschuppen zu benennen pflegt. Während bei den meisten Siluroiden die Haut überhaupt vollkommen nackt ist, sind dagegen in einigen wenigen Ordnungen, die besonders in südamerikanischen Flüssen vorkommen, Integument- ossificationen in einem hohen Grade und in einer Weise entwickelt, wie sie in keiner anderen Fischordnung wieder angetroffen werden. Die so ausgezeichneten Arten werden gewöhnlich mit einem gemein- samen Namen als Panzerwelse bezeichnet. Sie zerfallen in mehrere Gattungen, welche sich nach der Art ihrer Bepanzerung, nach der An- zahl, Form und Zusammensetzung der Knochentafeln in recht cha- racteristischer Weise unterscheiden. Das Hautskelet der Panzerwelse hat schon einigen älteren und neueren Forschern, wie Acassız und WILLIAMSON, HEINCKE und BaupELor als Untersuchungsobjeet gedient und sind wir durch ihre Arbeiten bereits mit einigen histiologischen Verhältnissen bekannt ge- macht worden. Keiner der Genannten hat aber weder eine erschöpfende Darstellung gegeben, noch ist er auf die Genese des Panzers und seine Beziehungen zu den anders beschaffenen Hautossificationen der Fische eingegangen. Acassız!) hat Hypostoma und Callichthys untersucht, von wel- chen er in seinen Recherches sur les poissons fossiles Durchschnitte durch die Knochenplatten und Hautzähne abbildet. Die Ober- fläche der Knochenplatten lässt er von einer dünnen Schmelzlage überzogen werden und unter dieser ein Netzwerk von Haversischen !) Acassız. Recherches sur les poissons fossiles 1833—1843. Bd. I. pag. 68— 80. Ueber das Hautskelet der Fische. 333 Caniilen in einem echten Knochengewebe sich ausbreiten. Im hinte- ren Theile der Schuppe beschreibt er in der Oberfläche des Schmel- zes kleine Löcher, in welchen mit ihrer verschmälerten Basis kleine echte Ziihnchen beweglich eingefügt und am Rande des Loches durch Fasergewebe befestigt sind. Jedes Zähnchen enthält nach seiner Angabe im Inneren eine Pulpahöhle, von welcher Dentinröhrchen austrahlen. Von dieser Darstellung von Acassız weicht WILLIAMSON !), welchem Loricaria zur Untersuchung gedient hat, in zwei Puncten ab, indem er keine Schmelzlage hat beobachten können, und indem er die Zähnchen durch eine Membran , welche die Oberfläche der Schuppe bedeckt, in ihrer Lage erhalten werden lässt. Mit einer interessanten Thatsache sind wir neuerdings durch HeINcKE2) bekannt gemacht worden, welcher in seinen Untersuchun- gen über die Zähne niederer Wirbelthiere auch des Hautpanzers von Hypostoma und Loricaria kurz gedenkt. Er weist zum ersten Male nach, dass die Spitze der Zähnchen eine gelbbraune Bekleidung _ besitzt, » welche in ihren Reactionen gegen Säuren dem Schmelz der Fischzähne gleicht«. Dagegen konnte er wie WILLIAMSON auf der Oberfläche der Knochenschilder keine Spur von Schmelz nach- weisen. Der letzte Untersucher BaupELor?) endlich hat in der kurzen Beschreibung, welche er von Hypostoma gibt, die schmelzartige Beschaffenheit der Zahnspitzchen nicht erkannt, dagegen macht er darauf aufmerksam, dass die Knochenschilder von Hypostoma mit ihren echten Dentinziihnchen eine Art natürlichen Uebergang zwi- schen den Schuppen der Selachier und der Knochenfische zu bilden scheinen. Für die vorliegende Untersuchung haben mir als Objecte ein vortrefflich conservirtes Exemplar von Hypostoma, dessen Epider- mis noch vollkommen erhalten war und 2 Arten von Callichthys gedient, Objecte, welche ich der Freundlichkeit der Herren Profes- soren HAECKEL und SCHWALBE verdanke. Wie schon oben erwähnt, lassen sich die mitzutheilenden Beob- 1) WILLIAMSON. On the Structure and development of the scales and bones of fishes. Philosophical Transactions 1$51. 2) Fr. HEINCKE. Untersuchungen über die Zähne niederer Wirbelthiere. Zeitschr..f. wissensch. Zool. Bd. XXIII. pag. 587. 3) BAUDELOT. Recherches sur la structure et le développement des écailles des poissons osseux. Archives de zoologie expérimentale 1873 Bd. Il. pag, 235. 334 O. Hertwig achtungen in 3 Abschnitte gliedern, von welchen der erste die Schuppenbildungen des Integumentes, der zweite die Belegknochen des Schultergürtels und des Primordialeranium, der dritte das secun- däre Flossenskelet umfasst. Da Hypostoma und Callichthys ziem- lich beträchtliche Verschiedenheiten aufweisen, so ist eine getrennte Behandlung der beiden Gattungen am Platz und werde ich jeden Abschnitt mit dem Genus Hypostoma beginnen, welches die ursprüng- licheren Verhältnisse uns erhalten zeigt. Beschreibender Theil. 1. Die Schuppenbildungen des Integumentes. Hypostoma. Der Körper von Hypostoma wird bis auf wenige Stellen von einem aus grossen Knochenplatten bestehenden Panzer bedeckt. Derselbe unterscheidet sich von ‚ähnlichen Bildungen an- derer Fische in hohem Grade dadurch, dass die frei zu Tage tre- tende Oberfläche der Knochenplatten mit echten kleinen Zähnchen besetzt ist, eine Einrichtung, die schon früh die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gezogen hat. Die einzelnen Stücke des Panzers sind in sehr regelmässiger Weise in mehreren Längsreihen angeord- net (Taf. XXIII Fig. 4). Fünf Längsreihen finden sich auf jeder Seite des Körpers von der Schwanzflosse bis zur Insertion der Bauch- flosse, von hier bis zum Cranium verringert sich ihre Zahl auf vier. In der Mittellinie des Rückens stossen die oberen Reihen beider Sei- ten, soweit sie nicht durch die Basis der ersten und zweiten Rücken- flosse getrennt werden, dicht aneinander und verschmelzen vor und hinter den beiden Flossen zu grösseren unpaaren medianen Stücken, während sie auf der zwischen ihnen befindlichen Strecke getrennt bleiben. Ventralwärts berühren sich die unteren Reihen in der Mittellinie nur in der Schwanzregion des Körpers von der After- bis zur Schwanzflosse, ohne indessen eine Verschmelzung einzugehen, wie dies an einzelnen Stellen des Rückens der Fall ist. Der Schwanz- theil des Rumpfes wird daher vollständig von schräg verlaufenden knöchernen Ringen umgeben, die aus zweimal fünf Schildern ge- bildet werden und da sie sich übereinander verschieben lassen, den Bewegungen des Schwanzes keinen Abbruch thun. Von der After- flosse bis zur Mundöffnung dagegen bleibt der Panzer an der ge- sammten Bauch- und Brustgegend des Körpers unvollständig. Die unterste Reihe der Knochenschilder reicht hier auf jeder Seite nur Ueber das Hautskelet der Fische. 335 bis zu einer Linie herab, welche die Insertionen der Brust- und Bauchflosse untereinander verbindet. Die einzelnen Schilder besitzen eine mehr oder minder rhombi- sche und, je nachdem sie verschiedenen Längsreihen angehören, etwas abweichende Gestalt (Taf. XXIII Fig. 9). Mit ihren Rändern schieben sie sich dachziegelförmig über einander, indem der hintere und untere Rand eines Schildes die entsprechenden Theile des nächst- folgenden und des tieferliegenden zudeckt. Die sich übereinander- schiebenden Flächen sind durch eine Hautfalte verbunden. Hierdurch lassen sich die Sehilder in hohem Grade verschieben, so dass trotz des Panzers die freie Beweglichkeit des Körpers nicht behindert wird. In der Brust- und Bauchhaut, den vom Panzer unbedeckt ge- lassenen Theilen des Körpers, treten an die Stelle der grösseren Knochentafeln kleinere, unregelmässig polygonale, aber gleichfalls zahntragende Plättchen von verschiedenster Grösse. Dieselben sind mehr mosaikartig dieht aneinandergefügt. Bei ihrer Kleinheit gestatten sie eine allseitige, viel beträchtlichere Verschiebbarkeit und Dehnbarkeit der Bauchhaut, so dass dieselbe den verschiedenen Füllungszuständen des Darmeanals nachgeben kann. Den geringsten Grad der Entwieklung besitzen die Integumentossifikationen der Bauchgegend in der Umgebung von Mund und After, wo sie mit unbewaffnetem Auge noch eben wahrzunehmen sind und am weite- sten von einander abstehen. Auf einer dicht unterhalb des Mundes sich hinziehenden Falte ist sogar die Haut vollkommen nackt. Eine ähnliche Beschaffenheit wie in der Umgebung von Mund und After zeigen noch einige kleine Hautstrecken an den Ansatzstellen von Brust- und Bauch- , Rücken - und Afterflosse. Es sind dies alles Gegenden, an welchen die Haut eine allseitige und grössere Dehn- barkeit besitzen muss. Nach dieser vorläufigen Orientirung wende ich mich zur genaue- ren Untersuchung der einzelnen Theile und beginne mit der Be- sehreibung derjenigen Stellen, wo die Hautossificationen den gering- sten Grad ihrer Ausbildung erlangt haben. Von hier werde ich zur Schilderung der mächtiger entfalteten Knochenbildungen, wie sie den Panzer zusammensetzen, fortschreiten. Wenn man ein Stück Haut aus der Umgebung des Afters aus- schneidet und in dünner Kalilauge aufgehellt bei schwacher Ver- grösserung untersucht, so sieht man in einigen Abständen yon ein- ander sehr kleine Knochenplättchen in den oberflächlichen Schichten der Cutis liegen. Die kleinsten (Taf. XXIII Fig. 10) besitzen eine Morpholog. Jahrbuch. 2. 23 336 O. Hertwig ovale oder quadratische Form und tragen in ihrer Mitte einen regel- mässigen, glattumrandeten Knochenring (2) der eine Oeffnung um- schliesst. Bei seitlicher Betrachtung ragt der Knochenring als klei- ner Sockel über die Oberfläche des Plättchens frei hervor (Taf. XXIII Fig. 5, 4). Mit dem Sockel ist ein kleines Zähnchen beweglich verbunden. Dasselbe besitzt die Gestalt eines langen gekrümmten Kegels, dessen Spitze rückwärts nach dem Schwanzende des Thieres zu gerichtet ist. Die Lage dieser beiden Theile, des quadratischen Knochenplätt- chens und des Zähnchens im Integumente erkennt man am besten aus Durchsebnitten durch ein Stückchen entkalkte Haut (Taf. XXV Fig. 3). Das Integument, auf dessen Beschaffenheit ich hier in ein paar Sätzen eingehen will, setzt sich aus einer relativ dünnen Epi- dermis und einer mächtigeren Cutis zusammen. In den oberfläch- liehen Epidermisschichten erbliekt man zahlreiche, kleine, rein kug- lige Schleimzellen (0), wie solche in der Fischelasse sehr häufig beobachtet werden. Die der Cutis unmittelbar aufliegenden Epithel- zellen bilden eine einfache Lage von schmalen, hohen Cylinderzellen. An der Cutis selbst kann man zwei Schichten unterscheiden (Taf. XXV Fig. 3, Taf. XXVI Fig. 1). Die untere (r) besteht aus recht- winklig sich kreuzenden, horizontal verlaufenden Bindegewebslamel- len, welche von vertical aufsteigenden Faserbündeln durchsetzt werden. In kleineren Interstitien zwischen den Lamellen liegen Binde- sewebszellen eingeschlossen. Nach oben geht diese Schicht conti- nuirlich in die zweite darüberliegende lockere Gewebslage (p) über, in welcher sich die Bindegewebsfasern unregelmässig durchflechten. In ihr finden sich zahlreiche Blutgefässe, sowie grössere Hohlräume (s), welehe wohl zum Lymphgefässsystem gehören mögen. Ausser- dem bemerkt man, namentlich dicht unter der Epidermis, zahlreiche schwarze Pigmentzellen. In den so beschaffenen Cutis- und Epidermisschichten liegt nun das Knochenplättehen mit seinem Zähnchen der Art vergraben, dass nur die rückwärts gekrümmte Spitze des letzteren vollkommen unbedeckt über die Oberfläche des Integumentes hervorschaut. Mit seiner Basis haftet das Knochenplättehen in den obersten, horizontal geschichte- ten Bindegewebslamellen, mit seinem Sockel ragt es in die darüber liegende lockere blutgefässreiche Bindegewebsschicht. In dieser ruht auch noch das Zähnchen mit seinem unteren Dritttheil. Das Zahnbein stösst indessen nirgends direct an Bindegewebe an, son- Ueber das Hautskelet der Fische. 337 dern wird ringsum bis zur Artieulationsstelle auf dem Sockel von einer dünnen Epithellage umgeben. Dieselbe stammt von der Ober- haut ab, welche scheidenartig um den Zahn in die Tiefe gewuchert ist (Taf. XXV Fig. 3.2). Zahn und Knochenplittchen besitzen folgenden feineren Bau (Taf. XXV Fig. 3). Das Pliittchen (c) besteht aus einer homogenen Grundsubstanz mit zahlreich eingelagerten , sternförmigen kleinen Knochenkörper- chen. An seinen Rändern gehen Knochensubstanz und die Binde- gewebsbündel der Cutis continuirlich in einander über. Namentlich kann man die vertical aufsteigenden Fasern eine Strecke weit un- verändert in die homogene Grundsubstanz eindringen und mit dieser dann verschmelzen sehen. In der Mitte des Knochenplättehens nimmt man einen grösseren Hohlraum wahr, welcher nach oben und seit- lich Canäle ausschiekt (7). Nach oben hängt er mit der trichter- förmig beschaffenen Aushöhlung des Sockels und hierdurch mit der Pulpahöhle des Zahns zusammen. Seitlich steht er durch einen oder zwei horizontal verlaufende und am Fuss des Sockels ausmündende Canäle (7) mit der umgebenden oberen Bindegewebsschicht der Cu- tis in Verbindung. Das Zihnehen, dessen Bau nach vorausgegangener Isolation in verdünnter Kalilauge am besten untersucht wird, enthält in sei- nem Innern eine lange fast bis zur Spitze reichende Höhle; von dieser entspringen dieht gedrängt neben einander sehr feine Dentin- röhrehen und dringen durch die homogene Grundsubstanz des Zahns in geradem leicht geschlängeltem Verlaufe bis zur Peripherie vor, indem sie sich nur selten theilen, aber durch feine, seitliche Aus- läufer untereinander zusammenhängen und ein Netzwerk bilden. Nur in einem kleinen Abschnitt der Zahnbasis fehlen die Dentin- röhrchen. Die Spitze des Zahns (a) ist leicht bräunlich gefärbt und setzt sich durch eine zarte Linie von dem eben beschriebenen Ge- webe ab. Bei Zusatz von verdünnter Salzsäure löst sich die Sub- stanz dieser Spitze augenblieklich auf und gibt sich hierdurch, wie zuerst HEINCKE nachgewiesen hat, mit Sicherheit als Schmelz zu erkennen. Oberfliichlich ist derselbe von einer feinen Membran, dem sogenannten Schmelzoberhäutehen bedeckt, das bei langsamer Einwirkung stark verdünnter Säure erhalten bleibt und dann deut- lich hervortritt. Von der Spitze der Pulpahöhle entspringen einige stärkere Röhrehen, die sich theilend auch eine Strecke weit in den Schmelz als Sehmelzröhrehen eindringen. Nach vorsichtiger Auf- 23 * 338 O. Hertwig lösung der Substanz sieht man sie über die Dentinoberfläche als zarte Fäden flottirend hervorragen. Die Befestigung des Zahns auf dem Knochenring des Plättchens ist eine besonders characteristische (XXV Fig. 3). Die Zahnbasis wird nämlich plötzlich eingeschnürt und verlängert sich in einen kleinen Zapfen (g). Dieser passt vollkommen genau in die Aushöh- lung des Knochenringes. Beide Theile werden durch ein Ligament (f) innig verbunden. Betrachtet man diese Articulationsstelle auf einem Durchschnitt bei stärkerer Vergrösserung, so sieht man das Gewebe des Knochenringes plötzlich in Bindegewebsfasern übergehen, welche geschlingelt aufwärts steigen und am Rande des Zapfens angelangt in gleicher Weise sich wieder in die Grundsubstanz des Zahnes um- wandeln. Durch diese Vorrichtung lassen sich die Zahnspitzchen auf ihrer Unterlage allseitig etwas umbiegen. Der Umfang der Be- wegung hängt von der Elastieität des Ligamentes und dem Spiel- raum ab, welchen der Zapfen in seiner Gelenkpfanne besitzt. Die Hohlräume im Knochenplittchen enthalten ein zellen- und blutgefässreiches Bindegewebe. Die Blutgefässe dringen aus der oberflächlichen Schicht der Cutis durch die horizontal verlaufen- den Haversischen Canäle in den mittleren Hohlraum der Basalplatte, aus diesem in die Sockel- und Zahnhöhle. Auf ihrer Oberfläche wird die Zahnpulpa von einer Lage kleiner ziemlich platter Zellen bekleidet, welche epithelartig dem Dentin und dem Ringband anla- gern und wahrscheinlich mit Ausläufern in die Zahnbeinröhrchen eindringen. Nachdem wir im Vorhergehenden den Bau der kleinsten Integu- mentossificationen von Hypostoma kennen gelernt haben, wende ich mich wieder zu dem in Kalilauge aufgehellten Hautstiickchen aus der Umgebung des Afters, um es weiter zu durchmustern. Hier findet man in Abständen von einander auch grössere Knochenplätt- chen, welche je nach ihrer Grösse 2, 3 und mehr vorspringende Sockel mit Zähnchen auf ihrer oberen Fläche tragen (Taf. XXII Fig. 5). Je weiter man sich vom After entfernt, um so grösser werden die Knochenplättchen; man kann so leicht alle Uebergangs- stufen zu jenen grösseren Täfelchen auffinden, wie sie in mosaik- artiger Anordnung die Bauchhaut in einiger Entfernung von Mund und After bedecken. Ein durch verdünnte Kalilauge isolirtes, noch relativ kleines Täfelchen ist in Taf. XXIII Fig. 2 dargestellt. Auf seiner Oberfläche erheben sich dieht aneinander 17 Sockel (A) von etwas verschiedener Grösse. Die Oeffnungen in denselben führen Ueber das Hautskelet der Fische. 339 in ebenso viele Hohlräume, von denen Haversische Canäle ausgehen und mit kleineren Oeffnungen (4) zwischen den Sockeln ausmünden. Noch grössere Tafeln zeigen 40, 60 und mehr Knochenringe. Diesel- ben sind dann indessen nicht gleichmiissig über die Oberfläche ver- theilt, sondern lassen einen kleinen vorderen Theil der Schuppe frei, so dass man an ihr jetzt 2 Felder unterscheiden kann, ein vorderes kleineres und glattes Feld und ein hinteres grösseres, zahntragendes. Das glatte Feld wird von dem bezahnten Rand der vorhergehenden Schuppe überragt und zugedeckt. Einen Durchschnitt durch ein Stückehen Bauchhaut zeigt uns Taf. XXVI Fig. 1. Auf dem Schnitte sind 3 Plättehen getroffen, von denen das mittlere sich über die Ränder der beiden seitlichen schiebt. Diese letzteren haften in den oberflächlichen sich kreuzenden Bindegewebslamellen. Auf ihrer Oberfläche sieht man dieht aneinander gedrängt die einzelnen Sockel mit ihren Zähnchen sich erheben. Von der Schilderung der Ossificationen der Bauchhaut gehe ich zur Betrachtung der den Panzer zusammensetzenden Schil- der über. Wenn man ein solches isolirt für sich betrachtet, so un- terscheidet man leicht eine kleinere vordere zahnlose Partie (Z) von einem vielmals grösseren bezahnten Felde (Taf. XXIIL Fig 9). Der glatte vordere Rand liegt tiefer in‘ der Cutis versteckt und wird, wie schon früher hervorgehoben wurde, dachziegelartig von den angren- zenden Schildern überragt (Taf. XXV Fig. 1 F). Das zahntragende Feld wird durch eine in seiner Mitte vorspringende starke längsver- laufende Crista in eine obere und untere Hälfte zerlegt (Taf. XXIII Fig. 4 u. 9). Die Ziihnchen sind in Längsreihen auf dem Schilde angeordnet und besitzen je nach ihrer Lage eine verschiedene Grösse. Am kleinsten sind dieselben auf dem vorderen Theile und auf den Seiten des Schildes, nach seinem hinteren Rande zu werden sie grös- ser und sind am mächtigsten auf der Crista entwickelt, wo sie sta- chelartig über den Panzer hervorstehen. Wie Durchschnitte lehren, nehmen die Schilder die ganze Dicke der Cutis ein und grenzen mit ihrer unteren Fläche unmittelbar an die subeutanen Gewebslagen, welche nach oben durch eine Lage schwarzer Pigmentzellen abgegrenzt sind (Taf. XXV Fig. 1). Das Gewebe der Schilder besteht aus einer homogenen, im unteren Theil des Schildes etwas längsstreifigen Grundsubstanz mit sehr kleinen Knochenkörperchen. In ihr trifft man besonders in den oberen La- gen einzelne grössere blutgefässführende Hohlräume und Haversi- sche Canäle an. Die Oberfläche des Schildes wird von der locke- 340 O. Hertwig ren subepidermoidalen Gewebsschicht (p) bedeckt, in welche die Zahnsockel (A) hineinragen. Die Verhältnisse sind hier ganz die- selben wie sie von den Knochenplättehen der Bauchhaut beschrieben wurden. Jeder Sockel besitzt eine trichterförmig nach abwärts sich verlängernde Höhle. Diese führt in einen kleinen in der Oberfläche des Schildes gelegenen Hohlraum, von welchem seitliche Canäle (7) entspringen und Blutgefässe aus der subepidermoidalen Cutislage aufnehmen. Die Befestigung des Zahnes ist wieder durch ein Ringband vermittelt. Die Verbindungsweise der Schilder untereinander ver- dient jetzt noch eingehender betrachtet zu werden. Der Schilde- rung lege ich den in Taf. XXV Fig. 1 dargestellten Durchschnitt durch die Verbindungsstelle zweier Nachbarschilder zu Grunde. Man sieht hier wie die Randtheile sich allmälig verdünnen und in eine Kante auslaufen. Der vordere Randtheil (7) fällt abwärts ab, so dass seine Kante mit der unteren Seite des Schildes fast in glei- chem Niveau sich befindet. Der hintere Randtheil (G) dagegen ver- schmälert sich nach oben, wodurch seine Kante in die subepidermoi- dale obere Cutisschicht (p) zu liegen kömmt. Dicht an der Kante erheben sich noch Sockel, welche wie schon früher erwähnt, die grössten Zähnchen auf dem ganzen Schilde tragen. Somit gleicht die hintere verdünnte Partie durch ihre oberflächliche Lage, durch ihren Zahnbesatz etc. vollständig einem Knochenplättchen aus der Bauch- haut von Hypostoma. — Die abfallende Fläche des hinteren und die aufsteigende Fläche des vorderen Schildes legen sich nun der Art über einander, dass zwischen ihnen ein kleiner Zwischenraum übrig bleibt. Dieser ist von Bindegewebsbündeln (¢) ausgefüllt, welche schräg von einer Fläche zur anderen verlaufen und am Rande des Knochengewebes in dasselbe allmälig übergehen. Nach abwärts liegen diese Bündel unmittelbar der subeutanen Gewebs- schicht auf. Durch ihre Dehnbarkeit wird der Lage der Schilder zu einander ein Spielraum gestattet und dadurch die Beweglichkeit des Panzers ermöglicht. Die Bündel sind gespannt, wenn die Schilder sich weiter von einander entfernen, wellenförmig gebogen dagegen, wenn sich dieselben stärker übereinander schieben. Nach ihrer Function können wir die Bündel als Zwischenschuppenbänder bezeichnen. Durch ihre Verknöcherung verschmelzen benachbarte Schilder zu grösseren Platten, wie dies von verschiedenen Stellen des Panzers bereits beschrieben worden ist. Was die Entwicklungsweise der auf den vorhergehenden Ueber das Hautskelet der Fische. 341 Seiten beschriebenen Bildungen betrifft, so gelang es mir in die Entstehung der Hautzähne bei Hypostoma einen Einblick zu ge- winnen. Die einmal angelegten Zähnchen sind nämlich keine bleibenden Bildungen, sondern sind zeitweise einer Erneuerung un- terworfen, die sogar an einzelnen Stellen der Körperoberfläche, wie in der Bauchhaut zum Beispiel, eine ziemlich lebhafte zu sein scheint. Dass ein Wechsel der Hautzähne bei Hypostoma stattfindet, geht aus verschiedenen Thatsachen hervor. Als ich die Zähne von zwei verschieden grossen Exemplaren von Hypostoma untereinander ver- glich, so fand ich, dass die Zähne beim jüngeren Thiere bedeutend kleiner als beim älteren waren. Ferner traf ich auf den Knochen- plättehen der Bauchhaut öfters einzelne Sockel, die keinen Zalın mehr trugen und die selbst theilweise durch Resorption zerstört wa- ren. Drittens endlich nahm ich auf diesen Plättchen zwischen den ausgebildeten Zähnen auch häufig Zahnanlagen wahr, die auf ver- schiedenen Stufen der Ausbildung sich befanden. Die jüngsten von mir beobachteten Entwicklungsstadien zeigten bereits ein kleines Zahnspitzchen ausgeschieden (Taf. XXVI Fig. 3). Dasselbe liegt in der subepidermoidalen lockeren Gewebsschicht (py) und ist ringsum von einer zapfenartigen Verlängerung (z) der Oberhaut eingehüllt. Die dem Zahnspitzchen unmittelbar aufliegenden Epithelzellen haben an Grösse bedeutend zugenommen und bilden eine aus schmalen Cylinderzellen zusammengesetzte Schmelzmembran (»r). Nach dem Ende des Epithelzapfens nehmen die Cylinderzellen an Höhe ab und gehen hier in die unterste Zellenschicht der Oberhaut über. Das Zahnspitzchen liegt über einer zellenreichen Papille, dem Dentinkeim, der sich von der umgebenden Bindegewebsschicht mit einer bogen- förmigen Linie ziemlich scharf absetzt. Die obersten Zellen des Dentin- keims sind vergrössert und spindelförmig beschaffen und scheiden sich hierdurch als eine besondere Odontoblastenschicht (/) von den kleinen runden Zellen der Pulpaanlage. Das Zahnspitzchen besteht aus zwei Geweben, indem das abwärts in einen dünnen Rand auslaufende Den- tinkäppchen auf seiner Oberfläche noch von einer nicht unbeträcht- lichen Schmelzlage (a) überzogen wird. Je grösser durch weitere Anbildung von Dentin die Zähnchen werden, um so mehr dringen sie nach oben vor, indem sie die einhüllende Epidermis zuerst hügel- artig emporheben und endlich mit ihrer Spitze durchbrechen. Zu- letzt findet die Bildung des Sockels statt, über die ich keine Beob- achtungen bei Hypostoma habe sammeln können. Aus dem Mitgetheilten können wir uns schon ein ziemlich voll- 342 O. Hertwig ständiges Bild von der Genese der Hautzähnchen bilden. Es geht daraus hervor, dass die Dentinkeime nicht unmittelbar unter der Ober- haut auf der freien Fläche der Cutis, sondern an zapfenartigen') kleinen Wucherungen des Epithels in die subepidermoidale Gewebs- schicht entstehen , dass ferner die Bildung der Zahngewebe unter Betheiligung des oberen und des mittleren Keimblattes erfolgt, in- dem aus letzterem der Dentinkeim, aus ersterem die Schmelzmem- bran hervorgeht. Ueber die Neubildung von Zähnchen auf den Schildern des Pan- zers gelang es mir nicht Beobachtungen zu machen, ebenso wenig über die Art und Weise in welcher die Schilder sich vergrössern, doch glaube ich aus verschiedenen Umständen schliessen zu dürfen, dass das Hauptwachsthum am hinteren zahntragenden Rande statt- findet. Hauptsächlich schliesse ich dies daraus, dass die Zähne von vorn nach hinten an Grösse zunehmen, die grössten Zähne aber die zuletzt gebildeten sind. Callichthys. Von der Gattung Callichthys habe ich zwei Arten, Callichthys longifilis und eine zweite Art, deren Speeiesname sich nicht sicher feststellen liess, auf ihren Bau untersucht. Wie bei ') Die Entwicklung der Hautzähne von Hypostoma, wie ich sie oben ge- schildert habe, gleicht vollkommen der Entwicklung der Zähne in der Mund- höhle der Teleostier. Wie aus den Untersuchungen von OWEN, HEINCKE und Tomes hervorgeht und wie ich aus eigenen Beobachtungen weiter bestätigen kann, entstehen die jungen Anlagen einzeln an zapfenartig in die Tiefe ge- wucherten Verlängerungen der Oberhaut (Ersatzzapfen) zwischen den meist hechelartig angeordneten älteren Zähnen. Hierduch unterscheidet sich die Zahnentwicklung der Teleostier von derjenigen der Selachier, Amphibien, Rep- tilien und Säugethiere, wo hinter den Zahnreihen die Oberhaut in Form einer zusammenhängenden Lamelle, einer Ersatzleiste, in das Schleim- hautgewebe herabreicht. Die Zahnbildung ist hier auf eine bestimmte Stelle der Schleimhaut beschränkt, indem nur an der Aussenseite der Ersatzleiste Anlagen entstehen. Auf diesen wahrscheinlich durchgreifenden Unterschied zwischen Teleostiern und übrigen Wirbelthieren hat zuerst TomEs jüngst auf- merksam gemacht mit folgenden Worten: »Passing from the sharks and rays to the osseous fish, I believe that a broad distinction may be laid down. In all mammals, reptiles, batrachia and elasmobranch fishes , successional teeth are derived, through the medium of their enamel organs, from their predecessors. In all osseous fish which I have examined, successional teeth appear to be produced de novo, i. e. from new in- flections of the oral epithelium.« (Quarterly Journal of microscopical science. Januar 1876. New Series. No. LXI pag. 48.) Ueber das Hautskelet der Fische. 343 Hypostoma, unterscheiden sich auch bei dieser Gattung der Riicken und die Seiten des Körpers durch ihre Bepanzerung von der Bauch- gegend, welche bei einigen Arten ganz nackt, bei anderen nur mit kleineren Ossificationen bedeckt ist. Der Panzer von Callichthys weicht hauptsächlich in zwei Puncten, erstens in der Anzahl der ihn zusammensetzenden einzelnen Knochenstiicke und zweitens in der Art der Bezahnung von den bei Hypostoma beschriebenen Einrich- tungen ab. Während bei Hypostoma fünf Reihen von Schildern die Seite des Rumpfes bedecken, finden sich bei Calliehthys (Taf. XXIII Fig. 3) nur zwei Reihen, welche vom Kopf bis zur Schwanzflosse reichen. Zwischen den oberen Reihen liegen ausserdem noch in der Mittellinie des Rückens kleine unpaare Knochenschilder dachziegel- artig übereinander. Die Seitenschilder besitzen einen hinteren con- vexen Rand, mit welchem sie das nachfolgende Schild zum Theil bedecken. Sie haben eine ziemlich bedeutende Höhe, dagegen eine geringe Breite. Wie bei Hypostoma stossen hinter dem After die beiden unteren Schuppenreihen in der ventralen Mittellinie zu- sammen. Der zweite Unterschied besteht in der Bezahnung der Panzer- platten. Während bei Hypostoma die gesammte freie Oberfläche der Schilder Zähnchen trägt, sind dieselben bei Callichthys nur auf den hinteren convexen Schuppenrand beschränkt und sind von solcher Kleinheit, dass sie leicht ganz übersehen werden. Der grösste Theil der Schuppenoberfläche ist vollkommen glatt und besitzt einen schmelz- ähnlichen Glanz. Bei der Schilderung des Baues im Einzelnen werde ich die schon bei Hypostoma angewandte Reihenfolge einhalten und demnach mit der Bauchhaut beginnen. Bei Callichthys longifilis fehlen Verknöcherungen in der Bauch- haut. Die Oberfläche der Cutis ist nur mit kleinen zottenförmigen Papillen bedeckt. Bei der zweiten von mir untersuchten Art dage- gen liegen in der Bauchhaut kleine Knochenplittchen, die man eben noch mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen kann. Sie sind weit ‚geringer als bei Hypostoma entwickelt und werden, wie man an einem in Kalilauge aufgehellten Präparate am besten sieht, in grös- seren Abständen von einander in der Cutis angetroffen; sie sind dünn und klein und tragen nur unbedeutend hervorspringende Knochenringe , auf welchen die sehr kleinen Zähnchen aufsitzen. Auch bei Callichthys findet man, wie bei Hypostoma, alle Ueber- gänge-von Plättchen, die nur ein Zähnchen tragen, zu grösseren, 344 O. Hertwig mit einer entsprechend bedeutenderen Anzahl (Taf. XXIII Fig. 6 und 7). In Taf. XXVI Figur 2 ist ein Durchschnitt durch ein Plättchen mit einem Zahn dargestellt. Dasselbe ist mit seiner Basis in den obersten sich kreuzenden Bindegewebslamellen befestigt, und in seiner Grundsubstanz zeigt es einige wenige Knochenkörperchen ; in seiner Mitte liegt eine kleine Höhle, die durch den Sockel mit der Pulpahöhle communicirt. Die sehr kleinen Zähnchen weichen in mehreren Puneten von der bei Hypostoma gegebenen Schilderung ab. In ihrem Innern enthalten sie eine schmale, in eine feine Röhre auslaufende Pulpahöhle. Dieselbe ist von einem- sehr dünnen Dentinmantel umgeben, in welchem ich von Zahnbein- röhrechen auch keine Spur wahrnehmen konnte. Somit wird hier das Dentin von einer vollkommen homogenen Substanz gebildet. Die Zahnspitze ist von einer äusserst dünnen Schmelzlage bekleidet. An vielen Ziihnchen schien mir diese sogar vollständig zu fehlen, da ich auch bei starker Vergrösserung und bei Anwendung von Salz- säure keine vom Dentin abweichende Substanz nachweisen konnte. Abweichend von Hypostoma ist auch die Basis der Zähne bei Callichthys beschaffen (Taf. XXVI Fig. 2), indem dieselbe gerade abgestutzt ist und nicht die früher beschriebene zapfenartige dünnere Verlängerung aufweist. Die Basis sitzt daher auch nur dem wenig hervorspringenden Knochenring auf, mit welchem sie durch ein Ring- band zusammenhängt, ohne in die Höhlung selbst einzugreifen. In dem feineren Bau der Seitenschuppen zeigen die beiden von mir untersuchten Arten einige Verschiedenheiten von einander und zwar lässt die einfacheren Verhältnisse Callichthys ? erkennen, da- her ich mich zur Schilderung derselben zunächst wende. In der Art der Bezahnung weichen die grösseren Schuppen der Seite von den kleineren der Schwanzgegend ab. Wenn man eine grössere Seitenschuppe isolirt und bei schwacher Vergrösserung be- trachtet, so trifft man nur an dem hinteren Rand auf eine einfache Reihe von Zähnchen (Taf. XXII Fig. 3). Dieselben stehen dicht einer neben dem anderen. Ueber die Hautoberfläche ragen sie fast gar nicht hervor, da sie fast vollkommen horizontal in der Epider- mis liegen und eine gleiche Richtung einhalten, wie die nach rück- wärts etwas schräg aufsteigende Oberfläche der Schuppe (Taf. XXV Fig. 4). Wenn man daher die letztere gegen das Licht hält, so sieht ihr Rand sehr fein gezackt aus. Ueber die Verbindungsweise von Schuppe und Zähnchen geben Durchschnitte weiteren Aufschluss. Ueber das Hautskelet der Fische. 345 Wie Taf. XXV Figur 4 zeigt, verdiinnt sich allmiilig die Schuppe nach dem hinteren Rande (G) zu und läuft in eine Kante aus, welche die Breite der Zahnbasis besitzt. In der Kante befinden sich kleine seitlich nach Aussen mündende Hohlräume, über deren Oeff- nung je ein Zähnchen beweglich aufsitzt. Die Verbindung wird durch ein Ringband vermittelt. Von abweichender Beschaffenheit ist die Bezahnung an den kleinen Schuppen des Schwanzes, indem wir hier nicht nur an dem hinteren convexen Rand in einer einfachen Reihe dieht stehende Zähnechen antreffen, sondern auch auf der übrigen frei liegenden Ober- fläche theils Zähnchen theils leere Knochenringe in grösseren Abständen von einander wahrnehmen (Taf. XXV Fig. 6). Ausserdem liegen die Zähnchen nicht flach in der Haut, sondern stehen wie bei Hypo- stoma mehr senkrecht zur Oberfläche, indem ihre Spitze nach dem Schwanzende des Thieres zugeneigt ist. Die Schuppen bestehen aus einer homogenen Grundsubstanz, welche Knochenkörperchen und Haversische Canäle in geringerer Anzahl enthält. Ihre glatte Ober- fläche wird von einer dünnen subepidermoidalen Bindegewebsschicht bedeckt, über der an den von mir untersuchten Exemplaren die Ober- haut abgestreift war. Den grössten Durchmesser besitzen die Schup- pen in ihrer Mitte, wo sie die ganze Dicke der Cutis einnehmen und direet auf dem Unterhautbindegewebe aufliegen. Nach den Rändern zu verdünnen sie sich der Art, dass der hintere Rand (G) unmittelbar unter die Oberhaut, der vordere concave Rand (Z) in der Nähe der subeutanen Gewebsschicht lagert. Die Verbindungsweise der Schup- pen untereinander ist wie bei Hypostoma beschaffen, indem sich zwischen den übereinanderliegenden hinteren und vorderen Flächen Bindegewebsfasern als Ligament (Zwischenschuppenband) ausspan- nen (2). Die Schuppen von Callichthys longifilis gleichen in der Stellung der Zähnchen und in der Beschränkung derselben auf den hinteren Rand den grösseren Schuppen der eben beschriebenen Art, besitzen dagegen noch in ihrer geweblichen Zusammensetzung einige besondere histologische Eigenthümlichkeiten. Es lassen sich nämlich in der Grundsubstanz der Schuppen mit Deutlichkeit drei verschie- denartige Schichten, eine untere, mittlere, und obere erkennen (Taf. XXV Fig. 5). Die untere (0) und mittlere (N) Schicht bestehen aus Knochengewebe mit zahlreichen Knochenkérperchen, unterscheiden sich aber von einander durch den Verlauf und verschiedene Vertheilung 346 O. Hertwig der Haversischen Caniile. In der unteren Schicht findet man nur we- nige in verticaler Richtung aufsteigende Canäle, in der mittleren dagegen bilden dieselben ein dichtes Netzwerk. Von demselben dringen einzelne Caniile vertical in die dritte obere Schicht ein und stehen hier mit der dünnen subepidermoidalen Gewebslage in Verbindung. In ihrem Innern enthalten die netzförmig verzweigten Hohlräume Bindegewebe mit verästelten, schwarzen Pigmentzellen und Blutgefässe. Ihrer Wand liegt unmittelbar eine Schicht Osteoblasten an (Taf. XXV Fig. 2), von denen einzelne zur Hälfte in Lücken der Knochensubstanz selbst eingeschlossen sind. Ausserdem entspringen noch von der Oberfläche der Haversischen Canäle feine Röhrchen, die sich in der Grundsub- stanz der Schuppe baumförmig verästeln und mit Ausläufern der Knochenkérperchen zusammenhängen. Die oberste Schicht (M) ist die dünnste von Allen. Sie grenzt sich von der mittleren mit einer ziemlich geraden Linie, aber nicht scharf ab und unterscheidet sich von ihr durch den Mangel von Knochenkörperchen und ihre grössere Durehsichtigkeit. Sie fehlt auf dem tiefer in der Cutis versteckten vorderen Theil der Schuppe, ist am dicksten in deren Mitte und nimmt von da nach dem hinte- ren Rand allmälig ab. Acassız hat diese Lage als Schmelz be- zeichnet. Er lässt den Knochen nach der Oberfläche zu seine Kno- chenkörperchen nach und nach verlieren, durchsichtiger und brüchi- ger werden. So soll eine homogene, die Schuppe deckende Lage entstehen, welche zwar durch allmäligen Uebergang mit dem unter- liegenden echten Knochengewebe zusammenhängt, aber als Schmelz von ihm unterschieden werden muss. — Ein Stück der oberen Schicht habe ich in Taf. XXV Fig. 2 bei starker Vergrösserung gezeichnet. Man erkennt hier in der homogenen Grundsubstanz erstens eine feine horizontale Streifung, die auf eine schichtenweise Ablagerung hindeutet. Zweitens sieht man dicht bei einander zahl- reiche feine vertical von der Oberfläche zur mittleren Schicht herab- steigende Röhrchen, welche sich zum Theil dichotomisch verästeln und untereinander anastomosiren. Sie gleichen Zahnbein- oder Kno- chenröhrehen und hängen mit den Ausläufern der Knochenkérperchen der mittleren Schicht zusammen. Da die Oberfläche der Schuppe von einer dünnen zellenreichen Bindegewebsschicht bedeckt wird, so ist zu erwarten, dass von ihr Zellenausläufer in die Röhrehen eindrin- gen. Bei Anwendung von Salzsäure wird die Grundsubstanz dieser Gewebsform nicht aufgelöst. Aus der gegebenen Beschreibung, be- sonders aber aus dem zuletzt angeführten chemischen Verhalten der Ueber das Hautskelet der Fische. 347 Salzsäure gegenüber geht klar hervor, dass die obere Lage der Schuppe kein Schmelz ist. Wir müssen sie vielmehr für eine modi- fieirte Knochensubstanz mit Zahnbeinröhrehen erklären, wie sie von ähnlicher Beschaffenheit in den Knochen verschiedener Fischgattun- gen aufgefunden und beschrieben worden ist. Ihrer Entstehung nach wird dieselbe auf das zellenreiche subepidermoidale Gewebe zurück- zuführen sein, von welchem sie auf die mittlere das Haversische Gefässnetz enthaltende Schieht der Schuppe aufgelagert worden ist. 2. Die mit dem inneren Skelet in Verbindung tretenden Beleg- knochen des primären Schultergürtels und des Primordial- cranium, Mit den Schildern des Rumpfes, deren Bau wir im vorhergehen- den Abschnitt kennen gelernt haben, besitzen die Belegknochen des inneren Skeletes, des primären Schultergürtels und des Primordial- eranium, bei den Panzerwelsen so viel Gemeinsames, dass zwischen beiden keine Grenze gezogen werden kann. Es fällt daher in das Bereich der mir gestellten Aufgabe, auch diese Bildungen bei der Untersuchung des Hautskelets mit zu berücksichtigen. Hierbei unter- lasse ich es jedoch auf die Beschreibung, Vergleiehung und Deutung der verschiedenen Skeletstücke im Einzelnen einzugehen, weil dieses nicht mehr in den Plan der vorliegenden Untersuchung gehört, und beschränke ich mich darauf, nur in kurzen Zügen die übereinstim- menden Merkmale hervorzuheben, welche die Panzerplatten des Rum- pfes und die Belegknochen in Bau und Lage uns darbieten. Bei den untersuchten Panzerwelsen finden sich an der Insertion der Brustflosse einzelne grössere Knochenstücke vor. Dieselben bil- den die hintere Begrenzung der zu den Kiemen führenden Spalte, sie stützen den bei den Welsen so mächtig entwickelten ersten Strahl der Brustflosse und helfen mit für ihn eine Artieulationsfläche bilden, sie liegen endlich dem primären Schultergürtel auf. Die näheren Beziehungen zu demselben habe ich nicht weiter untersucht, um die nicht mir gehörenden Untersuchungsobjecte zu schonen. Die in Rede stehenden Skelettheile müssen nach der Deutung, welche schon einzelne frühere Forscher, namentlich aber Bruch und GEGENBAUR!) 1) GEGENBAUR. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. Zweites Heft. 1865. 348 O. Hertwig entsprechenden Knochen am Schultergiirtel der Ganoiden und Te- leostier gegeben haben, als Clavieularstücke bezeichnet werden. Bei Hypostoma tragen dieselben auf ihrer Oberfläche dicht neben einander stehende Zähnchen von der schon früher beschriebe- nen Form und Beschaffenheit. Bei Callichthys dagegen ist die Oberfläche der Clavieularstücke glatt und glänzend, wie an den Schuppen des Rumpfes. Auch verläuft ihr hinterer Rand parallel dem hinteren Schuppenrand und trägt gleich diesem eine bis mehrere Reihen kleiner flachliegender Zähne. Ferner lassen sich auf einem Durehsehnitt dureh ein Clavieularstück bei Callichthys longifilis die- selben drei Schichten im Knochengewebe erkennen, die ich bereits bei der Beschreibung der Schuppen erwähnt habe. Aehnliche Uebereinstimmungen wie die Belegknochen des primären Schultergiirtels zeigen diejenigen des Primordialeranium. Bei Hypo- stoma finden wir dasselbe theils mit grösseren Knochentafeln, theils mit ziemlich kleinen unregelmässig polygonalen Plittchen bedeckt. Die grossen Tafeln nehmen die Mitte des Schädels ein und schliessen unmit- telbar an die oberen Reihen der Rumpfschilder an, die kleinen Plättehen dagegen bedecken die gesammte Hautoberfläche zwischen dem oberen Mundrand und den Nasen- und Augenhöhlen, also die eigentliche Ge- sichtspartie des Kopfes. Die Oberfläche aller dieser Knochenstiicke ist von sehr dicht stehenden Knochenringen bedeckt, auf welchen Zähnchen durch ein Ringband befestigt sind. — In dem Vorkommen grösserer Tafeln und kleinerer Plättechen in der das Primordialeranium über- ziehenden Haut zeigt sich eine bemerkenswerthe Uebereinstimmung mit den Verhältnissen am übrigen Rumpfe, wo die Ossificationen der Bauchhaut von denen der Rückenhaut in gleicher Weise abweichen. Die Uebereinstimmung wird nur wenig dadurch verringert, dass die kleinen Knochenstücke des oberen Mundrandes, wie man auf einem Durchschnitte sieht, dicker sind, als die ihnen an Grösse entspre- chenden Pliittchen der Bauchhaut. Die ersteren bestehen aus einem sehr porösen Knochengewebe, welches grosse Haversische Hohlräume und Canäle enthält. Bei Callichthys besitzen die Belegknochen des Schädels eine regelmässigere Form und eine schärfere Abgrenzung von einander als bei Hypostoma; namentlich aber ist ihre Anzahl eine weit mehr beschränkte. An die Stelle der vielen kleinen Knochenplättchen am Gesichtstheil des Schädels von Hypostoma treten hier einige wenige grössere, nach Form und Lage schärfer bestimmtere Stücke. Bei Callichthys unterscheiden sich die Belegknochen des Schädels von Ueber das Hautskelet der Fische. 349 den Schuppen des Rumpfes erstens durch ihre mosaikartige Anord- nung, indem sie sich nicht dachziegelartig decken, zweitens durch ihre polygonale und wechselnde Form, welche den verschiedenen Gegen- den des Schädels angepasst ist, drittens endlich dadurch, dass ihnen die Zähne fehlen, welche am freien hinteren Rand der Rumpfschilder und der Clavieularstücke sich vorfinden. Dagegen gleichen sie den- selben vollkommen durch ihre oberflächliche Lage dicht unter der Epidermis, durch die glatte spiegelnde Beschaffenheit ihrer Ober- fläche und in ihrer histologischen Zusammensetzung. Untersucht man einen Knochen, am unteren Augenhöhlenrand zum Beispiel, auf einem Durchschnitt, so kann man wie an den Schuppen drei Schichten im Knochengewebe unterscheiden, eine untere Schicht mit einzelnen vertical aufsteigenden Gefässen , eine mittlere mit einem dichten Gefässnetz und eine obere homogene, feingeschiehtete mit Zahnbein- röhrehen versehene. Besonders hervorzuheben ist noch eine Eigen- thümlichkeit, welche der am unteren Augenhöhlenrand gelegene Knochen darbietet. Von seiner Innenfläche entspringt nämlich am oberen Rand unter rechtem Winkel eine Lamelle, die aus einfachem Knochengewebe besteht, nach einwärts und bildet einen knöcher- nen Boden für die Augenhöhle. Der im Uebrigen ganz an der Hautoberfläche gelegene Knochen gewinnt hierdurch Beziehungen zu tiefer gelegenen Theilen. Wenn wir jetzt auf die mitgetheilten Beobachtungen dieses Ab- schnittes zurückblicken und auf Grund derselben die Stellung der Belegknochen des inneren Skelets zu den übrigen Hautossificationen festzustellen suchen, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, dass beide in den wesentlichsten Beziehungen mit einander übereinstimmen und dass den übereinstimmenden Momenten gegenüber die Verschie- denheiten in Grösse, Form ete. ganz in den Hintergrund treten. 3. Das secundäre Flossenskelet. Die Ansicht, dass die Flossenstrahlen der Fische zu den Inte- gumentossificationen gerechnet werden müssen, ist ziemlich jungen Datums. Aeltere Anatomen erblickten in ihnen Theile, welche den Phalangen der höheren Thiere entsprechen sollten. Eine richtigere Auffassung bahnte Srannrus an, indem er die Flossenstrahlen als den Fischen durchaus eigenthümliche Elemente bezeichnet, welche 350 O. Hertwig die Stelle der Phalanges digitorum functionell vertreten, ohne ihnen morphologisch irgend zu entsprechen'). Den Unterschied zwischen beiden Bildungen, den Phalangen und den Flossenstrahlen, hob dar- auf Bruch?) in seinen vergleichend - osteologischen Mittheilungen 1862 sehärfer hervor, indem er sich auf die Genese beider Theile stützte. Er zeigte, dass die Phalangen der Extremität der höheren Thiere stets knorplig, die Flossenstrahlen dagegen gleich von An- fang an knöchern angelegt werden. Gestützt »auf das Gesetz, dass homologe Theile gleiche Entwicklung haben«, rechnet er die letzte- ren zu dem secundären Skelet, und bezeichnet sie an einer Stelle als Deckstücke. Hierdurch trennt er sie als eine der Classe der Fische eigene Bildung scharf von den wahren Phalangen, welche ihrer Genese nach zum primären Skelet gehören. Den von Bruch ein- geschlagenen Weg weiter verfolgend*) hat GEGENBAUR die Flossen- strahlen dem Hautskelet der Fische zugetheilt*) und hat endlich in ‘seinem Grundriss*) die Flossenplättchen mit den Schuppen des übri- gen Integumentes verglichen und die Vermuthung ausgesprochen, dass jene von diesen ableitbare Bildungen sein möchten. In glei- cher Richtung hat BaupELor®) in letzter Zeit eine Ansicht geäussert und dieselbe auch im Einzelnen genauer durchzuführen versucht. Indem er beim Barsch in dem Gewebe der Flossenplättehen ge- schichtete runde Coneretionen aufgefunden hat, die den sogenannten Sehuppenkörperchen (corpuscules des écoelles) vollkommen entsprechen, versucht er hierauf »die Verwandtschaft, die Gemeinsamkeit des Ur- sprungs« zwischen Flossenstrahlen und Schuppen zu begründen. Die Furchen, welche die aufeinander folgenden Gliedstücke eines Strah- les trennen, vergleicht er den radiär ausstrahlenden Furchen der Schuppen und betrachtet sie als Analoga derselben. Nach diesem historischen Exeurs gehe ich zur Beschreibung des 1) Srannius. Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl. Ber- lin 1854. pag. 93. ?) BrucH. Vergleichend-osteologische Mittheilungen. Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zoologie. Bd. XI pag. 165. 3) GEGENBAUR. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. 2. Heft. 1865. pag. 147. 4) GEGENBAUR. Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 1870. pag. 594, pag. 674— 76. 5) GEGENBAUR. Grundriss der vergleichenden Anatomie 1874. pag. 427. 6) BAUDELOT. Observations sur la structure et le développement des na- geoires des poissons osseux. Archives de zoologie expérimentale Tome I. 1873. pag. XVIII. Ueber das Hantskelet der Fische. 351 Flossenskelets von Hypostoma und Callichthys über, das ich erst als Ganzes, dann in seinen einzelnen Theilen genauer schildern werde. Die Panzerwelse besitzen ein Paar Brust- und ein Paar Bauch- flossen, ferner 4 unpaare Flossen, eine After-, eine Schwanz- und 2 Rückenflossen. Von den letzteren ist die erste Rückenflosse wohl entwickelt, die zweite dagegen sehr klein und verkümmert. Von den der Flosse zur Stütze dienenden knöchernen Strahlen unterscheidet sich der erste in seiner Beschaffenheit von allen folgenden. An den Brustflossen ist der erste Strahl ein besonders mächtig entfaltetes Skeletstück, das mit dem primären und secundären Schultergürtel durch ein Gelenk verbunden ist. Bei Hypostoma bildet dasselbe einen runden etwas nach rückwärts gekrümmten langen dieken Stab, dessen gesammte Oberfläche mit Zähnchen dicht bedeckt ist. Bei Callichthys ist derselbe Strahl zahnlos und läuft in eine scharfe Spitze aus. Die ersten Strahlen der übrigen Flossen bestehen nur an der Basis aus einem festen unbiegsamen Knochenstab , nach dem Ende zu werden sie weich und biegsam , indem sie sich aus einzelnen aneinandergereihten Knochenstückchen zusammen- setzen. Alle übrigen Flossenstrahlen sind gegliedert. An der Basis sind dieselben einfach, nach der Peripherie zu zerfallen sie dagegen in eine Anzahl feinerer, nach und nach dünner werdender Strahlen, indem sie sich gleichsam mehrmals hintereinander dichotomisch thei- len (Taf. XXI Fig. 1). Jeder Flossenstrahl wird von zwei Reihen von quadratischen oder oblongen Knochenpliittchen gebildet, die je einer Seite des Integumentes angehörig einander gegenüberliegen. Wenn man von einer Flosse ein Stück abschneidet, so kann man dasselbe mit Nadel und Pincette leicht in zwei Blätter zerspalten. Bei diesem Verfahren werden auch die gegliederten Flossenstrahlen der Länge nach halbirt und werden in zwei Reihen von Knochen- plättchen zerlegt, deren je eine in einer Hautlamelle festhaftet. Die Anzahl der gegliederten Strahlen ist sowohl nach den ein- zelnen Flossen, als nach der Species eine verschiedene, wie sich dies aus folgenden Formeln am besten ersehen lässt. Hypostoma Commersonii : D. I; Adyar @yil 6. Us; V. 5. Callichthys longifilis. Diy Mog: Ae Sin Oi, Bayt fgg eV af: Morpholog. Jahrbuch. 2. 24 352 O. Hertwig Eine von allen übrigen abweichende Beschaffenheit besitzt die zweite, rudimentäre Rückenflosse. Sie bildet eine kleine Hautfalte, die nur in ihrem vorderen Rande einen ungegliederten Strahl zur Stütze besitzt, sonst aber jeder Verknöcherungen entbehrt. Den feineren Bau dieser Theile habe ich am eingehendsten bei Hypostoma untersucht, welches Object daher auch der folgenden Darstellung hauptsächlich als Grundlage dient. An erster Stelle werde ich die gegliederten Strahlen, im Anschluss an sie den ab- weichend beschaffenen ersten Strahl der einzelnen Flossen ab- handeln. Die Knochenplättehen, aus deren Aneinanderreihung die Glie- derstrahlen der Flossen hervorgehen, lassen sich durch Erwärmen in verdünnter Kalilauge leicht vollkommen von einander isoliren. Sie unterscheiden sieh in Form und Grösse nach den verschiedenen Gegenden der einzelnen Flosse, je nachdem sie der Basis derselben näher oder entfernter liegen. An der Flossenperipherie sind die Plättchen klein und dünn, platt und von regelmässig oblonger Form (Taf. XXIII Fig. 11 u. 12, Taf. XXVIII Fig. 5). Von ihrer freien Fläche er- heben sich wie bei den Hautossificationen des Rumpfes kleine Kno- chenringe (2), deren Anzahl sich durchschnittlich auf zehn beläuft. Bei seitlicher Ansicht sieht man sie ziemlich weit über das dünne Plätt- chen vorspringen und erkennt man zugleich , dass ihre Oberfläche nach rückwärts schräg abgestutzt ist (Taf. XXIII Fig. 12). Je mehr wir uns von der Peripherie der Flossenbasis nähern, um so breiter und dieker werden die Plättchen. Sie verlieren dabei ihre flache Beschaffenheit, indem sie mehr und mehr über die untere Fläche gekrümmt werden und endlich an derselben eine tiefe rinnenartige Aushöhlung aufweisen. Auf ihrer der Epidermis zugewandten Fläche tragen sie hier entsprechend grössere Knochenringe. Alle Flossenplättehen sind mit Zähnchen bedeckt, welche den Knochenringen aufsitzen und nach Bau und Befestigung den Zähnchen des Rumpfes gleichen, dagegen in der Form sieh von ihnen etwas unterscheiden, indem sie schlanker und stärker hakenförmig gekrümnit sind. Wie die Grösse der Flossenplättchen und Knochenringe, so ist auch die Grösse der Zähnchen wieder je nach den Gegenden der Flosse eine sehr verschiedene. Die kleinsten stehen auf den letzten Plättehen der Flossenstrahlen, von hier nach der Basis derselben nehmen sie allmälig an Grösse zu und ragen für das unbewaffnete Auge leicht erkennbar als Stacheln über das Integument hervor. Ueber das Hautskelet der Fische. 353 Ueber die Lage der Flossenpliittchen und iiber die Befestigungs- weise derselben untereinander miissen wir uns auf Liings- und Quer- schnitten unterrichten. Wenn wir nahe durch das Ende eines Flos- Senstrahles einen Längsschnitt (Taf. XXVI Fig. 6) legen, so sehen wir, dass die dünnen Plättehen der beiden Integumentseiten ganz dicht auf einander liegen und nur durch einen schmalen von fasrigem Bindegewebe ausgefüllten Zwischenraum getrennt sind. Sie beste- hen aus echter Knochensubstanz mit einzelnen Knochenkörperchen. Auf ihrer Oberfläche sind sie von einer dünnen subepidermoidalen Bindegewebsschicht (p») bedeckt, von welcher auch die Sockel und ein kleiner Theil der Zahnbasis eingehüllt werden. Die in einer Reihe sich folgenden Plättehen stossen mit ihren Endflächen fast unmittelbar aneinander und sind durch straffe Bindegewebsfasern (2), die der Länge nach von einem Knochenrand zum anderen ver- laufen, innig verbunden. Da die Fasern sich von dem umgebenden Gewebe scharf absetzen, kann man sie als ein besonderes Ligament, als Längsband der Flossenplättchen (¢) bezeichnen. Die ge- genüberliegenden einen Flossenstrahl zusammensetzenden Plittchen der beiden Integumentseiten entsprechen einander vollkommen in Grösse, Form und Lage. Ihre Artieulationsstellen liegen genau übereinander. Je zwei opponirte Plättehen bilden daher zusammen ein Glied des Flos- senstrahles und fungiren bei allen Bewegungen desselben, wie ein einziges Knochenstück. Einen Einbliek in eine Reihe wichtiger Veränderungen an den Flossenplättehen liefert eine grössere Anzahl von Querschnitten, die in verschiedenen Entfernungen von einander durch einen Flossen- strahl von der Peripherie nach der Basis zu angefertigt werden. Sie erklären uns die schon früher beschriebenen Veränderungen, welche die Flossenpliittchen. in ihrer Form, Grösse und Lage erlei- den, und werfen Licht auf die Erscheinung, dass der an seiner Ba- sis einfache Strahl sich mehrfach diehotomisch theilt und dadureh in immer feiner werdende Strahlen zerfällt. Eine Auswahl solcher Schnitte ist in Taf. XXVI Fig. 4 u..5, Taf. XXVII Fig. 1—4 dargestellt worden. Der erste Schnitt Taf. XXVI Fig. 5 geht durch ein Stück Flosse dieht jenseits der Stelle, wo ein Flossenstrahl sich in seine letzten Zweige gegabelt hat, so dass wir zwei Plattenreihen dieht neben einander liegen sehen. Zur bes- seren Verständigung wollen wir im Folgenden die genäherten Ränder zweier Plättchenreihen als die inneren, die diesen entgegengesetz- 24* 354 O. Hertwig ten als die äussern benennen. Auf ihrer untern Fläche sind die Plättehen ein wenig rinnenförmig gekrümmt, und ist der Abstand . zwischen den opponirten Seiten eines zusammengehörigen Paares ein grösserer geworden, als es der Längsschnitt (Taf. XXVI Fig. 6) zeigte, welcher noch mehr der Flossenperipherie entnommen ist. Das den Zwischenraum ausfüllende Bindegewebe besitzt eine beson-— dere Anordnung in der Art, dass die Fasern vom Längsrande des einen Plättehens zu dem entgegengesetzten Rande des andern ver- laufen (x). Hierdurch ist ein Band entstanden, welches die ein Flos- senglied bildenden Plättchen zusammenhält und als Kreuzband weiterhin bezeichnet werden soll. Je mehr wir uns auf einer Reihe weiterer Schnitte von der Flos- senperipherie entfernen, um so mehr sehen wir die beiden Plättchen- reihen sich nähern und endlich mit ihren inneren Rändern sich be- rühren (Taf. XXVI Fig. 4). Zugleich mit diesem Ortswechsel erleiden auch die zwei opponirten Plättchen eines Gliedes in ihrer Lage zu einander eine Veränderung. Während nämlich ihre äussern Ränder ihre ursprüngliche Stellung beibehalten, entfernen sich die inneren allmälig von einander. Die beiden Plättchen drehen sich gewisser- ınassen um ihre äussern Ränder als Drehungsaxe. Indem sie hier- durch ein schräge Stellung erhalten, schliessen sie einen median sich öffnenden spitzen Winkel ein. Derselbe vergrössert sich, bis die Nachbarplättchen zweier Reihen mit ihren inneren Rändern sich be- rühren und durch querverlaufende Bindegewebsfasern fest verbinden. Zwei zusammentretende Plättchenreihen bilden derart einen kné- chernen Bogen, durch welchen die entsprechenden Stellen der Flosse emporgewölbt und verdickt werden. — Die hier beschriebene Me- tamorphose erstreckt sich auch auf das zwischen zwei Plättchen ausgespannte Kreuzband (Taf. XXVI Fig. 5 «). Dasselbe wird immer mehr unkenntlich, je mehr die Flossenplättchen die verschie- denen Lageveränderungen eingehen. An seiner Stelle tritt jetzt ein neues System von Bindegewebsfasern auf, welches sich zwischen den Plättehen der Nachbarstrahlen ausspannt. Indem diese immer deutlicher werden und einen regelmässigen Verlauf erkennen lassen, erhalten wir endlich die in Figur 4 dargestellte Anordnung (w). Von dem einen Rand des aus zwei Pliittchen entstandenen knöchernen Bogens verlaufen Faserzüge zu dem entgegengesetzten Rand des gegenüberliegenden Bogens. Alle vier Plättchen werden mithin jetzt durch ein Kreuzband in ganz derselben Weise, wie früher zwei opponirte Flossenplättchen verbunden. Sie haben daher jetzt Ueber das Hautskelet der Fische. 355 auch eine Function gemeinsam übernommen und wirken bei allen Bewegungen der Flosse wie ein Glied des Strahles. Diese funetionelle Uebereinstimmung führt bald dahin, dass je zwei Nachbarplättchen auch anatomisch ein Skeletstück bilden, indem die Bindegewebs- fasern, welche die sich berührenden inneren Ränder verbinden, in Knochengewebe sich umwandeln !). Das so durch Verschmelzung zweier entstandene Flossenplättchen besitzt eine oblonge Form und gleicht hierdurch im Allgemeinen einem der früher beschriebenen, dagegen hat es an Dicke zugenommen und trägt auf seiner Ober- fläche grössere Knochenringe mit grösseren Zähnen , ferner ist es breiter und tiefer rinnenartig ausgehöhlt. In Folge des zuletzt er- wähnten Umstandes umschliessen zwei zusammengehörige opponirte Plättehen einen grösseren canalförmigen Raum, in welchem sich das gleichfalls neugebildete Kreuzband ausspannt. Die Lücken oberhalb und unterhalb desselben werden durch lockeres Bindegewebe aus- gefüllt, in welchem Blutgefässe und Nerven verlaufen. Die dichotomische Theilung der Flossenstrahlen erklärt sich nach den mitgetheilten Beobachtungen in einfacher Weise. Sie ist auf eine von der Flossenbasis nach der Peripherie zu erfolgende Verschmelzung zweier einfacher Strahlen zu einem zusammengesetz- ten zurückzuführen. Derselbe Process, den wir in seinen Einzelheiten soeben ken- nen gelernt haben , wiederholt sich noch mehrmals, wenn wir uns weiter der Insertion der Flosse nähern, und lassen sich die einzelnen Stadien des Processes, wie sie in den Figuren 1—4 Taf. XXVII dargestellt sind, noch deutlicher als früher erkennen. Ich will da- her dieselben an diesem Falle noch einmal kurz vorführen. Als Ausgangspunct dient uns jetzt das in Taf. XXVI Figur 4 dargestellte, durch Verschmelzung von vier Plättchen entstandene Flossenglied. Auf einem von- der Peripherie entfernter angelegten Schnitte, der in Taf. XXVII Fig. 1 bei schwächerer Vergrösserung als in Taf. XXVI Fig. 4 gezeichnet ist, sind zwei Strahlen nahe zusammengetreten und nur noch durch einen kleinen Zwischenraum von einander getrennt. Auf der folgenden Figur 2 hat sich der Zwischenraum bedeutend verkleinert. Die sich fast beriilrenden Nachbarplättehen sind durch querverlaufende Bindegewebsfasern ver- 1) Vergleiche Taf. XXVI Fig. 4, in welcher die beiden oberen Plättchen noch unverschmolzen, die unteren zu einem Skeletstiick umgewandelt sind. 356 O. Hertwig bunden. Die inneren Ränder je zweier opponirten Plättchen haben, während die äusseren ihre Lage beibehalten haben, sich weiter von einander entfernt. Hierdurch communiciren jetzt die zwei im Innern der beiden Flossenstrahlen liegenden Canäle mit einander und umschliessen gemeinsam einen achterförmig gestalteten Raum. Auf dem dritten von mir abgebildeten Stadium (Taf. XX VII Fig. 3) ist die Entfer- nung zwischen den inneren Rändern noch grösser geworden, der von zwei Plättchen eingeschlossene, im vorigen Falle spitze Winkel ist zu einem stumpfen geworden. Alle vier Plättchen umschliessen daher gemeinschaftlich einen ovalen hochgewölbten Canal. Die in Figur 2 noch deutlich vorhandenen zwei Kreuzbänder (x) sind unkenntlicher seworden , indem neue Faserzüge zwischen den entgegengesetzten Rändern der seitlich zusammengetretenen Flossenplittchen sich aus- spannen (Fig. 3). Auf dem letzten Stadium (Fig. 4) endlich ist das die inneren Ränder zweier Nachbarplättchen verbindende Bindegewebe verknöchert. Aus zwei ist wieder ein noch stärker rinnenförmig ausgehöhltes Skeletstück entstanden, welches, wenn wir die Reihe der Metamorphosen von Anfang an berücksichtigen, vier ursprüng- lich flache Flossenplittchen in sich vereinigt enthält. Die zwei Stücke eines Gliedes des durch Verschmelzung zweier Flossenstrahlen ent- standenen einfachen Strahles werden jetzt wieder wie in dem zum Ausgangspunet genommenen Falle (Taf. XXVI Fig. 4) durch ein wohl entwickeltes Kreuzband (x) verbunden. Derselbe Process kann sich nach der Basis der Flosse zu noch ein- oder zweimal wiederholen. Hierdurch werden die Flossenplätt- chen, welche zunächst acht, dann sechzehn ursprüngliche Elemente enthalten, immer breiter und schliessen, während sie an der Periphe- rie der Flosse ursprünglich ganz flach einander gegenüberliegen, vermöge ihrer stärker werdenden rinnenförmigen Aushöhlung je nä- her der Flossenbasis einen um so grösseren und höheren Canal ein. Sie springen daher über die Oberfläche der Flosse immer stärker wallartig hervor. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen werden die einzelnen Plättchen, wie wir schon früher gesehen haben, auch dicker und von zahlreicheren und grösseren Haversischen Canälen durchsetzt. Ferner tragen sie bedeutend grössere Knochenringe und Zähne, eine Erscheinung, die mir jetzt noch näher zu erklären bleibt. Ich habe bisher unerwähnt gelassen, dass man über den Kno- chenplättehen auch häufig in Entwicklung begriffene Zähne antrifft. Wir können hieraus schliessen, dass auch am secundiiren Flossen- Ueber das Hautskelet der Fische. 357. skelet ein Wechsel der Zähne in derselben Weise wie über den Kno- ¢hentafeln des Rumpfes stattfindet. Die neu sich bildenden Zahn- anlagen der Ersatzzähne sind ferner grösser als die an der Flossen- _peripherie entstehenden. So erklärt sich aus beiden Momenten, aus dem Stattfinden eines Zahnwechsels und aus der verschiedenen Grösse der sich folgenden Zahngenerationen die Erscheinung, dass die durch Verschmelzung entstandenen, der Basis der Flosse näher gelegenen, grösseren Plättchen auch grössere Zähne und Knochen- ringe aufweisen. Den bei Hypostoma ausführlicher beschriebenen Verhältnissen entspricht im Allgemeinen der Befund bei Callichthys. Auch hier zerfallen die gegliederten Strahlen des Flossenskelets nach der Pe- ripherie in eine Anzahl feinerer Zweige, welche aus dünnen, flachen Plättchen bestehen. Wenn man eine Flosse in ihre zwei Integument- hälften, wie früher angegeben, zerlegt und mit Kalilauge aufhellt, so kann man leicht beobachten, wie zwei Reihen von Flossenplätt- chen sich nähern und endlich zu einer einfachen Reihe breiterer Plättehen verschmelzen. Durch mehrfache Wiederholung dieses Pro- cesses werden die Flossenplättchen nach der Basis zu immer brei- ter und stärker gewölbt. Auf ihrer Oberfläche tragen die Flossen- strahlen nur unbedeutend erhöhte Knochenringe und auf diesen kleine Zähnchen, welche sich von denen des übrigen Rumpfes durch ihre stark hakenförmig gekrümmte Gestalt auszeichnen. Sie bestehen aus einer dünnen Dentinschicht, welche keine Zahnbeinröhrcehen enthält, und laufen in eine scharfe von Schmelz gebildete Spitze aus. Von der Peripherie nach der Basis der Flosse nehmen die Zähnchen an Grösse zu. Die Bezahnung ist an den einzelnen Flossen von Callichthys longifilis eine verschieden starke; am stärksten ist dieselbe an den Brust- und Bauchflossen , dagegen tritt sie an der Schwanzflosse mehr zurück und fehlt hier ganz auf den Plättchen in der Nähe der Flosseninsertion. Dieselben besitzen die gleiche glatte Oberfläche, wie die Schuppen des Rumpfes. Ein Punet ist hier besonders hervorzuheben, in welchem Cal- lichthys von Hypostoma abweicht. Je mehr wir uns dem basalen Theile eines Strahles der Schwanzflosse nähern, um so mehr sehen wir die Quergliederung desselben undeutlich werden und schliesslich ganz verschwinden. Die Basis des Flossenstrahles scheint bei äusser- licher Betrachtung ein ungegliedertes Knochenstäbehen zu sein (Taf. XXIII Fig. 1 P). Sicheren Aufschluss hierüber gibt uns die 358 O. Hertwig Untersuchung eines Längsschnittes, von dem ein Stück in Taf. XXVII Fig. 7 dargestellt ist. An dem distalen Ende desselben erblickt man die Durchschnitte von aneinander gereihten Flossenplättchen, die durch Bindegewebsfasern {¢) verbunden sind. An diese schliesst sich proximal ein grösseres Knochenstück (P) von dem nur ein kleiner Theil in der Abbildung zu sehen ist. An Einsprüngen und unverkalkten Stellen, die in Abständen von der Länge eines Flos- senplättchens sich folgen, erkennt man noch, dass auch hier ur- sprünglich ein gegliederter Zustand vorgelegen hat, der aber durch Verknöcherung der Zwischenligamente der Plättchen mehr und mehr verloren gegangen ist. An der Basis der Schwanzflosse hat mithin nicht nur eine seitliche, sondern auch eine Längsverschmelzung von Flossenplättchen stattgefunden. Die Mitte des so gebildeten Kno- chenstabes wird von einem cylindrischen Canal eingenommen, der von Fettgewebe ausgefüllt ist. Er wird von querverlaufenden Binde- gewebsbiindeln durchkreuzt, die mit ihren beiden Enden in das Kno- chengewebe übergehen. Von den gegliederten Strahlen unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht, wie bereits am Eingange dieses Abschnittes bemerkt wurde, der erste Strahl der verschiedenen Flossen, welchen wir jetzt näher untersuchen wollen. An den Bauchflossen, der ersten Rücken- und der Afterflosse von Hypostoma bildet der erste Strahl einen drehrunden, dünnen Stab, der an seiner basalen Hälfte unbiegsam ist, nach oben aber allseitig beweglich wird. Wenn man von dem beweglichen Theil ein Stück in dünner Kalilauge erwärmt, so zerfällt es in lauter kleine, unregelmässig beschaffene Knochenplättehen (Taf. XXII Fig. 8). Dieselben be- sitzen eine ausgehöhlte untere Fläche, sie sind breiter als die Flos- senplättehen der gegliederten Strahlen, dagegen in der Längen- richtung wenig entwickelt. Auf Querschnitten erkennt man, dass zwei derartig beschaffene Plättehen zusammengehören , indem sie einander opponirt sind und ein Glied der biegsamen Strahlenhälfte bilden (Taf. XXVII Fig. 5). Mit ihren seitlichen Rändern liegen sie ziemlich dieht an einander und umschliessen gemeinsam, da ihre unteren Flächen rinnenförmig ausgehöhlt sind, in derselben Weise wie es bei den gegliederten Flossenstrahlen der Fall ist, einen ca- nalförmigen mit Bindegewebe und Blutgefässen ausgefüllten Raum. Auf Längsschnitten (Taf. XXVII Fig. 6) sehen wir die Knochen- stiickchen in regelmässiger Weise aneinandergereiht, indem eins an Ueber das Hautskelet der Fische. 359 das andere dicht anschliesst und mit ihm durch straffes Bindegewebe, durch eine Art Längsband (4), verbunden ist. Die Knochensubstanz der Plättchen ist von zahlreichen Haversischen Räumen durchsetzt, wodurch sie eine spongiöse Beschaffenheit erhält. Auf der freien Fläche der Plättehen stehen dicht gedrängt weit hervorspringende Sockel, welche die am ersten Strahl stärker entwickelten Zähne tragen (Taf. XXIII Fig. 8 A). \ - Der basale ungegliederte Theil des ersten Flossen- strahles (Taf. XXVII Fig. 5) besitzt in seinem Innern einen vollständig runden von fettreichem Bindegewebe ausgefüllten Canal. Derselbe ist von einem zusammenhängenden Mantel von stark spongiösem Knochen- gewebe umgeben, das ein reiches Blutgefässnetz, enthält. Auf Längs- schnitten ist hier eine Gliederung in hintereinanderliegende Seg- mente nicht mehr wahrzunehmen; dagegen sieht man etwa in der Mitte des Strahles den gegliederten und den üngegliederten Theil con- tinuirlich in einander übergehen, indem die Längsbänder zwischen den an der Spitze des Strahles aneinandergereihten Knochenplättchen nach der Basis desselben mehr und mehr verknöchern und endlich ganz unkenntlich werden. Wie die Basis der so eben beschriebenen Strahlen, so ist in seiner ganzen Ausdehnung der erste mächtig entwickelte Strahl der Brustflosse beschaffen. Derselbe ist durchweg unbiegsam und hart. Er besteht aus einem Cylinder von spongiöser Knochensubstanz, welcher einen grossen runden Canal mit fettreichem Bindegewebe umgibt. Von der Oberfläche der netzförmig verzweigten Knochen- bälkehen erheben sich dicht aneinander die ziemlich grossen Sockel, von welchen die hier weit 'vorspringenden Zähne getragen werden. Eine Gliederung ist weder an der Basis noch an der Spitze des Strahles vorhanden. In der rudimentären zweiten Rückenflosse von Hypostoma end- lich findet man an der Stelle der Flossenstrahlen nur eine einzige kleine Knochenplatte vor, welche auf ihren beiden Flächen mit Zähnchen bedeckt ist. Durchschnitte zeigen, dass die Platte aus zwei Lamel- len besteht, welche einen spaltförmigen Raum begrenzen und mit ihren vorderen Rändern untereinander verschmolzen sind. Bei Callichthys zeigt der erste Strahl an der After- und Bauchflosse nichts besonders Bemerkenswerthes, an der Brust- und ersten Rückenflosse dagegen besteht er aus einem harten, in eine scharfe Spitze auslaufenden Stachel. Die Oberfläche desselben ist glatt und entbehrt des Zahnbesatzes. Im Inneren besitzt er wie bei 360 O. Hertwig Hypostoma eine bis zur Spitze vordringende Höhlung, die mit Binde- gewebe ausgefüllt ist. Die Grundsubstanz des Stachels ist com- pact und wird in ihren mittleren Lagen von einem Netzwerk Haversi- scher Canäle durchsetzt. Bei Callichthys longifilis ist der hintere Rand der Länge nach fein gezähnelt. Diese Zähne sind indessen nur Fortsätze der Knochensubstanz und haben daher mit den eigent- lichen Dentinzähnen nichts zu schaffen. — An die Darstellung des Baues des Flossenskelets reihe ich einige Beobachtungen an, die ich über die Entstehung der Flos- senplättehen bei Hypostoma gemacht habe. Nach der Peripherie zu verdünnen sich die Flossen in eine sehr feine Hautlamelle. Bringt man dieselbe unter das Mikroskop, so sieht man, wie in einiger Entfernung vom Rande die Flossenstrahlen aufhören und in ihrer Verlängerung Bündel von parallelen, ziemlich dicken, glänzenden Fäden auftreten (Taf. XXVIII Fig. 5 w). Die- selben bestehen aus einer vollkommen homogenen und structurlosen Substanz. Indem sie etwas divergiren, dringen sie bis in den.feinsten Flossensaum ein, verdünnen sich allmälig und enden zugespitzt. Die Bündel werden, wenn man ein Flossenstück in der früher angege- benen Weise halbirt, in zwei jeder Integumentseite angehörige Hälf- ten ganz wie die Flossenstrahlen zerlegt. Man hat diese Gebilde, welche bei den Selachiern und Dipnoi in reicherer Entfaltung den Flossen zur Stütze dienen, als Hornfäden bezeichnet. An der Bildung der Flossenplättehen nehmen dieselben Theil, indem sie ein- mal die erste Grundlage für sie abgeben und ferner ganz in ihre Zusammensetzung mit eingehen. Ueber den Vorgang lässt sich Folgendes beobachten. Meiner Schilderung lege ich den in Taf. XXVIII Figur 5 abgebildeten Fall zu Grunde. In einiger Entfernung von der Peripherie werden die Hornfäden oberflächlich mit einer dünnen sclerosirten Gewebslage überzogen (2). Dieselbe bildet ein ganz dünnes Schleierchen, durch welches das unterliegende Bündel Hornfäden deutlich durchschimmert. Das Schleierchen ist an zwei Stellen durch einen unverkalkten quer ver- laufenden Spalt (?) unterbrochen. Die Ränder dieses Spaltes sind scharf markirt, indem an ihnen die Ablagerung der Kalksalze eine reichlichere ist und die Verknöcherung in dem Gewebe zwischen den einzelnen Hornfäden weiter in die Tiefe gedrungen ist. Durch die zwei unverkalkten Querstreifen wird die sclerosirte Gewebslage Ueber das Hautskelet der Fische. 361 in ein kleines distales unregelmässiges und in ein grösseres proxi- males oblonges Plättchen zerlegt. Das letztere gleicht in Grösse und Form einem Flossenplättchen, dessen erste Anlage es ist. Die unverkalkten Querstreifen sind die späteren Gelenkstellen. Auf dem proximalen Theile der Anlage des Flossenplättchens sieht man bereits zwei kleine Zähnchen entwickelt. Ihre Sockel (A), die in Figur 5 allein dargestellt wurden, sind auch schon ausgebildet und hängen diese mit der sclerosirten Gewebsschicht zusammen, welche in ihrer Umgebung etwas verdickt ist. Um in die weiteren Veränderungen, welche bei der Entwicklung der Flossenplättchen Platz greifen, einen Einblick zu gewinnen, brauchen wir nur das an die eben beschriebene Anlage proximal angrenzende Plättchen zu untersuchen. Dasselbe trägt schon einen vollständigen Zahnbesatz. Die unter diesem befindliche Kno- ‘chenlamelle ist stärker geworden. In dem Gewebe zwischen den Hornfäden hat sich nämlich die Verknöcherung nach abwärts fortgesetzt und hat auch eine unterhalb liegende dünne Gewebs- schicht ergriffen. Hierdurch sind die Hornfäden in die Zusammen- setzung des Plättchens mit hineingezogen worden, lassen sich aber in demselben noch deutlich erkennen. Bei den nächstfolgenden Flossenplittchen ist dies bald nicht mehr möglich, indem Hornfäden und einhüllendes Bindegewebe in eine homogene Knochensubstanz umgewandelt sind. An den Gelenkstellen gehen die Hornfäden mit in die Ligamente über. : Die hier beschriebenen Veränderungen kann man an dem Ende eines jeden Flossenstrahles wahrnehmen. Hieraus folgt, dass an der Peripherie der gesammten Flosse eine schmale Zone besteht, an wel- cher ein Weiterwachsthum stattfindet. Von besonderem Interesse ist es nun zu sehen, wie innerhalb dieser Wachsthumszone in dem Auftreten von Hornfädenbündeln ursprüngliche Verhältnisse sich er- halten haben, welche an das primäre Flossenskelet der niedriger organisirten Fischordnungen, der Selachier und Dipneusten, An- kniipfungspuncte bieten. Man kann daher sagen, dass die Peri- pherie der Flosse im Vergleich zu ihrer Basis gleich- sam dauernd in einem embryonalen Zustand beharrt. Zu gleichen Resultaten über das Wachsthum der Flosse ist be- reits BAUDELOT !) in seinen 1873 erschienen »Beobachtungen über die !) Archives de zoologie expérimentale et générale. T. II. 1873. Notes et Revue, pag. XVIII—XXIV. 362 O. Hertwig Structur und die Entwicklung der Flossen bei Knochenfischen« ge- langt. Namentlich auf Untersuchungen am Flussbarsch fussend stellt er den Satz auf, dass das Wachsthum der Flossen in keinem Alter abgeschlossen ist und dass die Zahl der Glieder der Flossenstrahlen während der Lebensdauer der Fische continuirlich zunimmt. Er weist weiter durch Messungen nach, dass die Länge der Flossen- pliittchen, welche einen Strahl bilden, von der Basis bis zur Peri- pherie die gleiche bleibt. Er zeigt ferner, dass die Glieder eines Strahles bei einem Barsch von 6 Cm. Länge dieselbe Länge wie bei einem Barsch von 33 Cm. besitzen, und folgert hieraus, dass die suc- cessive Neubildung von Gliedern nur am freien Ende der Flossen- strahlen erfolgt. Dieses soll in seiner Textur die gleiche Beschaf- fenheit besitzen, wie die embryonale Flosse, indem es aus einem Netzwerk von Bindegewebe und darin eingebetteten Hornfäden zu- sammengesetzt ist. Ueber die hier stattfindende Bildung der Flossen- plättehen selbst gibt BAUDELOT an, nur ungenügende Beobachtungen zu besitzen. In Betreff dieses letzten Punctes möchte ich die Resultate mei- ner oben mitgetheilten Untersuchungen noch einmal kurz in folgende zwei Sätze zusammenfassen. 1) Die Anlage der Flossenplättchen beginnt durch Sclerosirung der die obere Fläche der Hornfäden unmittelbar 'bedeckenden Binde- gewebsschicht. 2) Durch weitere Ausbreitung der Verknöcherung auf tiefer ge- legene Gewebsschichten werden auch die Hornfäden in die Bildung der Flossenplättchen mit hineingezogen, und wird in dieser Weise das primäre durch das secundäre Flossenskelet ersetzt. Nur an der Flossenperipherie (der Wachsthumszone der Flosse) bleibt dauernd ein Rest der das primäre Skelet bildenden Hornfäden erhalten. Vergleichender Theil. Auf den vorhergehenden Seiten sind wir mit verschiedenen Ar- ten von Integumentverknöcherungen bekannt geworden; mit klein- sten Knochenplättchen, die je ein Zähnchen tragen, mit verschiede- nen Arten grösserer Tiifelchen, mit Schildern, die zu einem Panzer zusammengefügt sind, mit grösseren Knochenstücken, welche das an die Oberfläche tretende innere Skelet bedecken, mit kleinen und grossen Flossenplittchen und mit ungegliederten Flossenstrahlen. In welchem Verhältniss stehen diese verschiedenen Theile des Haut- Ueber das Hautskelet der Fische. 363 skelets zu einander? in welchem Verhiiltniss stehen sie zu dem Hautskelet der niedriger organisirten Fischordnungen, speciell der Selachier? Zur Beantwortung der ersten Frage müssen wir die verschiede- nen Zustände des Hautskelets, wie sie an einem und demselben Thiere zur Beobachtung kommen, vergleichen und festzusetzen suchen, in welehen Puncten sie untereinander übereinstimmen und in welchen sie abweichen. Wenn wir die Vergleichung mit Hypostoma beginnen, so se- hen wir namentlich in zwei Puncten zwischen den verschiedenen Theilen des Hautskelets eine völlige Uebereinstimmung herrschen. Erstens stimmen sie darin überein, dass sie dieselbe oberflächliche Lagerung dicht unter der Epidermis besitzen und nur von einer ge- ringen Lage subepithelialen Bindegewebes überzogen werden. Zwei- tens tragen sie in gleicher Weise dicht bei einander stehende Sockel mit beweglich angebrachten Zähnchen. Dagegen unterscheiden sich die verschiedenen Theile des Hautskelets einmal durch die Grösse und Form der Knochenplatten und eine dem entsprechend kleinere und grössere Anzahl von Hautzähnchen und zweitens durch die ver- schiedene Ausdehnung der Verknöcherung auf tiefer gelegene Binde- gewebslamellen der Cutis. In letzterem Falle lässt sich zwischen der Grösse und Dicke der Knochenplatten ein Wechselverhältniss erkennen in der Weise, dass mit ihrer Grösse auch ihre Dieke zunimmt. Bei den kleineren Plittchen mit 1 bis 10 Zähnen sind nur die oberflächlichen Cutislamellen verknöchert, bei den grösseren Täfelehen der Bauch- haut mit 20—50 und mehr Zähnen reicht die Verknöcherung bis in die Mitte der Cutis, bei den Schildern und Belegknochen endlich hat sie die gesammte Cutis ergriffen. Aus den übereinstimmenden Merkmalen können wir auf eine engere Zusammengehörigkeit, auf eine Art Verwandtschaft zwischen den einzelnen Theilen des Hautskelets schliessen. Dagegen deuten die Verschiedenheiten, unter welchen die verwandten Integument- gebilde uns entgegentreten darauf hin, dass in dem Hautskelet von Hypostoma kein ursprünglicher , sondern ein abgeleiteter Zustand vorliegt. Welches ist der ursprüngliche Zustand und wie sind die jetzt vorliegenden Verhältnisse von ihm abzuleiten? Zur Lösung dieser Aufgabe glaube ich in den mitgetheilten Beobachtungen das erforder- liche Material herbeigebracht zu haben. Als einfachste Form der Hautverknöcherung haben wir ein klei- 364 O. Hertwig nes quadratisches Knochenplättehen kennen gelernt, das auf einem Knochenring ein einziges Zähnchen trug (Taf. XXII Fig. 7 u. 10, Taf. XXV Fig. 3). Von hier haben wir zu grösseren Knochen- täfelehen mit mehr Zähnen, wie sie sich in der Bauchhaut finden, alle Uebergangsstufen nachgewiesen, entsprechend grosse Plittchen mit 2, 3, 4, 5 und mehr Zähnen. Es liegt hier die Annahme nahe, dass wir in diesen verschiedenen Bildungen die Verschmelzungsproducte kleinster, je ein Zähnchen tragender Plittchen vor uns haben. Diese sind gleichsam die Grundform, von welcher alle übrigen Theile des Hautskelets sich ableiten lassen. Denn auch die Schilder des Panzers und die Belegknochen des primären Skelets entsprechen offenbar mit ihren oberflächlichen unmittelbar unter der Epidermis gelegenen Schichten einer Vielheit untereinander ver- schmolzener zahntragender Plättchen. Auf dem von mir betretenen Wege ist es möglich, uns ein Bild von dem ursprünglicheren Zustand des Hautskelets zu entwerfen, und von diesem die jetzt bestehenden Einriehtungen abzuleiten. Auf einem urspriinglicheren Zustand wird die gesammte Cutis überall nur von kleinsten Plättehen mit je einem Zähnchen bedeckt gewesen sein. Ein Rest dieses primitiven Verhaltens hat sich noch jetzt an einzelnen beschränkten Stellen der Körperoberfläche erhalten. An anderen dagegen ist eine Abänderung eingetreten, welche an der Bauchhaut und am Flossenskelet am geringsten ist, am bedeutend- sten dagegen an den Schildern des Panzers und den Belegknochen des inneren Skelets. Zur Erklärung dieser Abänderungen müssen wir Vorgänge von zweierlei Art annehmen, einmal Verschmelzungs- processe kleinster Plättchen, die in geringerer oder grösserer Anzahl zusammentreten , zweitens eine Ausdehnung der Verknöcherung auf tieferliegende Cutisschichten. In letzterem Fall steht die Dicke der Knochenplatten zu ihrem Umfang in einem Wechselverhältniss, wel- ches oben bereits hervorgehoben wurde. Die grösste Dicke erlangen daher die Belegknochen des primären Skelets und die Schilder des Hautpanzers. An diesen schreitet sogar von ihrem vorderen Rande aus die Verknöcherung in horizontaler Richtung noch weiter und führt so zur Bildung des vorderen, schräg abfallenden , zahnlosen Schuppenfeldes, an welches sich das Zwischenschuppenband befestigt (Taf. XXV Fig. 1 F). In derselben Weise wie bei Hypostoma können wir bei Callich- thys die verschiedenen Formen des Hautskelets unter einander ver- gleichen. Wir finden dann, dass die übereinstimmenden Merkmale Ueber das Hautskelet der Fische. 365 der einzelnen Integumentossificationen sich namentlich auf ihe ober- flächliche Lagerung und auf die histologische Beschaffenheit ihres Knochengewebes beschränken, dass dagegen die Art der Bezahnung einen sehr beträchtlichen Unterschied zwischen ihnen bildet. Denn während dieselbe auf den Knochenplittchen der Bauchhaut, den kleinen Schildern der Schwanzgegend und zum grösseren Theil auch auf den Plättehen der Flossenstrahlen eine vollständige ist, ist sie bei den grösseren Schildern des Rumpfes und den Belegknochen des primären Schultergürtels auf eine einfache Reihe am hinteren Rand der Knochenstiicke beschränkt, endlich fehlt sie vollständig auf den Belegknochen des Primordialeranium und einzelnen Stücken des Flossenskelets. Bei Berücksichtigung dieser Verschiedenheiten ist es nicht möglich auf dem bei Hypostoma betretenen Wege der Ver- gleichung eine allgemeine Homologie der verschiedenen Formen des Hautskelets aufzustellen und die gemeinsame Grundform in einfachen zahntragenden Knochenplättehen wiederzufinden. Zu einem andern positiven Resultat gelangen wir dagegen, wenn wir einen zweiten Weg der Vergleichung einschlagen, indem wir die bei Callichthys bestehenden Einrichtungen mit denjenigen von Hy- postoma vergleichen und ihre specielle Homologie nachzuweisen versuchen. Hierbei ergibt sich denn, dass das gesammte Hautskelet von Hypostoma und Callichthys in vielen und wesentlichen Puncten mit einander übereinstimmt. Bei beiden zeigen die Integument- ossificationen die gleiche oberflächliche Lagerung, ist die Bauch- und Brustseite des Körpers vom Panzer frei geblieben und nur mit kleineren Knochenplättehen bedeckt, zerfallen die Flossenstrahlen mehrmals dichotomisch in feinere Strahlen, namentlich aber gleichen sich beide darin, dass auf den Knochenplatten auf kleinen ausgehöhlten Ringen echte Zähnchen befestigt sind, eine Uebereinstimmung, die um so höher in Anschlag gebracht werden muss, als bei allen übrigen Te- leostiern, die Gruppe der Panzerwelse ausgenommen, in keinem einzigen Falle echte aus Zahnbein und Schmelz bestehende Zähn- chen sich in der Haut nachweisen lassen. Da nun ausserdem Cal- lichthys und Hypostoma ihrer gesammten Organisation nach nahe verwandte Formen sind, so nehmen wir hieraus die Berechtigung, in dem Hautskelet derselben homologe Theile zu erblicken. Wir deu- ten daher auch die zwischen beiden bestehenden Verschiedenhei- ten als später eingetretene Modificationen eines ursprünglich gemein- samen indifferenteren Zustandes. Die zwischen beiden später eingetretenen Verschiedenheiten sind 266 O. Hertwig hauptsiichlich dreifacher Art: Erstens sind bei Callichthys die Pan- zerstiicke der Anzahl nach beschränkt, dagegen haben sie an Grösse zugenommen, zweitens fehlt hier die Bezahnung an vielen Stellen, wo sie sich bei Hypostoma findet, drittens wird die Oberfläche der Schilder und der Belegknochen des primären Skelets noch von einer homogenen dentinartigen Schicht bedeckt, die bei Hypostoma gar nicht vorhanden ist. Wenn wir jetzt die Frage aufwerfen, wo die ur- sprünglicheren Verhältnisse gegeben sind, so werden wir uns ohne Bedenken für Hypostoma entscheiden, da hier das Hautskelet im Vergleich zu Callichthys eine gleichartigere Beschaffenheit zeigt, wie sich dies namentlich in der grösseren Anzahl der Panzerstücke und in der regelmässigen Verbreitung der Zähnchen ausspricht. Wir werden daher auch die bei Callichthys beobachteten Modifieationen von den bei Hypostoma bestehenden Einrichtungen abzuleiten haben. Die Processe, die wir hier zur Erklärung heranziehen müssen, sind Verschmelzung, Reduction und Neubildung. Aus einer eingetretenen Verschmelzung zahlreicherer kleinerer Schilder von Hypostoma lassen sich die der Zahl nach be- schränkten grösseren Panzerstücke von Callichthys ableiten. Hier sind die Zwischenschuppenbänder in ähnlicher Weise verknöchert, wie wir dies im speciellen Theil für einige Bildungen des Haut- skelets haben nachweisen können. Eine Reduction ist in der Bezahnung bei Callichthys eingetreten. An den verschiedenen Theilen des Hautskelets lassen sich noch alle Uebergangsstufen von vollständiger zu völlig mangelnder Zahnbewaffnung nachweisen. Vollständig ist dieselbe auf den Plättchen der Bauchhaut, den klei- nen Schildern am Schwanztheil des Rumpfes, den meisten Flossen- plättchen ; sie fehlt dagegen vollkommen auf den Belegknochen des Primordialeranium, an der Basis der Schwanzflosse, auf dem Stachel der Brust- und Riickenflosse. Eine Uebergangsstufe bilden die Schilder des Rumpfes und die Clavicularstiicke, an denen die Be- zahnung auf den hinteren Rand beschränkt ist. Auf efne später eingetretene Neubildung endlich möchte ich die für Callichthys cha- racteristische dentinartige Schicht auf der Oberfläche der grösseren Knochenstücke zurückführen. Wahrscheinlich ist sie, nachdem zu- vor schon die Bezahnung der Rückbildung verfallen war, von der zellenreichen subepidermoidalen Bindegewebsschicht auf die mittlere, das Haversische Gefässnetz führende Schuppenlage ausgeschieden worden. Indem auf dem angedeuteten Wege das Hautskelet von Cal- Ueber das Hautskelet der Fische. 367 lichthys und Hypostoma sich auf einander zurückführen lassen, wer- den die bei letzterem bereits hervorgehobenen Gesichtspunete nun auch für Callichthys Geltung besitzen. Das Hauptresultat der hier durchgeführten Vergleichung lässt sich daher kurz dahin zusammenfassen: Bei Hypostoma und Callichthys besitzen die verschiedenen Theiledes Haut- skelets, die Tafeln und Schilder des Rumpfes, die Plätt- chen und Stacheln des secundiren Flossenskelets, die „Belegknochen des primären Schultergürtels und des Primordialeranium einen gemeinsamen Ursprung, indem sie phylogenetisch durch Verschmelzung gleichartiger, in den oberflächlichen Cutislamellen dicht bei ein- ander liegender kleinster Knochenplättchen, die je ein Zähnchen tragen, entstanden sind. Zu dem gleichen Hauptergebniss gelangen wir, wenn wir die oben an zweiter Stelle aufgeworfene Frage: In welchem Verhältniss stehen die verschiedenen Theile des Hautskelets der Panzerwelse zu dem Hautskelet der Selachier? durch Vergleichung zu beantworten versuchen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass zwischen bei- den Vergleichsobjeeten vielfache und nahe Beziehungen gegeben sind. Ein einfachstes Knochenplittchen mit seinem beweglich ange- brachten Zähnchen, wie wir es an einzelnen Stellen der Bauchhaut bei Hypostoma und Callichthys kennen gelernt und als gemeinsame Grundform für das gesammte Hautskelet hingestellt haben, entspricht ganz offenbar einem Placoidschüppchen der Selachier. Beide besitzen die gleiche Form, insofern auf einem quadratischen als Basalplatte bezeichneten Theil ein über die Epidermis hervorragender Stachel oder Zahn aufsitzt. Bei Beiden ist das Basalplättchen in den ober- flichlichen Cutislamellen in gleicher Weise befestigt; beide bestehen aus drei Gewebsformen, aus Schmelz, Zahnbein und Knochengewebe oder Cement. Diesen übereinstimmenden Merkmalen gegenüber treten die Ver- schiedenheiten in den Hintergrund. So unterscheidet sich das Kno- chengewebe bei den Siluroiden und Selachiern, indem es bei erste- ren Knochenkörperchen, bei letzteren keine führt. Wichtiger schon könnte es erscheinen, dass bei den Selachiern Basalplättchen und Zahntheil innig verschmolzen, bei den Panzerwelsen dagegen beweg- lich durch eine Gelenkeinrichtung verbunden sind. Doch darf man sich durch diesen Umstand nicht verleiten lassen, in dem Basalplätt- Morpholog. Jahrbuch. 2. 25 368 O. Hertwig chen und Ziihnchen der Panzerwelse morphologisch nicht zusam- mengehörige Bildungen zu erblieken. Derartige Abgliederungen ursprünglich verbundener Theile treten uns häufiger und in ver- schiedener Weise beim Studium der Haut- und Schleimhautossifica- tionen entgegen. Schon in einer früheren Abhandlung!) habe ich gezeigt, wie bei den Amphibienzähnen, ehe sie ihre völlige Ausbil- dung erlangt haben, zwischen dem Sockel, welcher dem Basalplätt- chen entsprieht und dem oberen Zahntheil eine ringförmige Stelle sich vorfindet, welche erst spät verknöchert. Es kann daher der, obere auf dem unteren Theil bewegt werden. Schon damals hob ich hervor, dass trotzdem Zahn und Sockel eng zusammengehören, in- dem ich mich besonders darauf stützte, dass mit jedem Zahnwechsel auch der Sockel sich im Anschluss an die Dentinbildung neu anlegt. Ein anderes Beispiel liefern uns die Zähne des Hechts. Wie aus der Beschreibung HEıncke’s?) hervorgeht und eigene Anschauung mir gezeigt hat, lassen. sich hier die Zähne auf den meisten Belegknochen der Mundhöhle wie z. B. auf den Palatina nach rückwärts nieder- legen. Der bewegliche Theil ist hier mit dem unterliegenden Kno- chen in characteristischer Weise durch straffe Bindegewebsfasern verbunden. Alle diese verschiedenen Einrichtungen müssen, indem wir sie mit den Placoidschuppen der Selachier vergleichen, als später erworbene Abänderungen beurtheilt werden. Sie sind entstanden, indem bei der Anlage des Zahns an einer beschränkten Stelle sich keine Kalksalze abgelagert haben und die Grundsubstanz eine faser- artige Beschaffenheit angenommen und zu einem Ligament zwischen einem oberen beweglichen und einem unteren plattenartigen Theile sich umgebildet hat. Eine weitere vollständige Uebereinstimmung zwichen dem Haut- skelet von Hypostoma und demjenigen der Selachier tritt uns in der Verbreitung der Zähne entgegen. Denn bei Beiden wird nicht nur der gesammte Rumpf, sondern auch das Primordialeranium und die Flossen von dicht bei einander gelagerten Zähnchen bedeckt. Anmerkung. Zum näheren Vergleich habe ich einen Durchschnitt durch die Flosse von einem Acanthiasembryo in Taf. XXVIIL Fig. 6 abgebildet. Wir sehen hier die Durchschnitte der Hornfiiden (V), die stärker als am Flossenende der Panzerwelse entwickelt und nicht in einzelne Bündel abgetheilt sind, son- dern mehr gleichmässig in einer Schicht neben und übereinander liegen. Es !) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XI. Supplementheft. 2) HEINCKE. Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. XXIII. r Ueber das Hautskelet der Fische. 369 liess sich an diesem Objecte leicht feststellen, dass die Hornfiiden von einer zusammenhängenden Zellenschicht umgeben werden. wodurch wohl das Wachs- thum derselben vermittelt wird (Fig. 2). Die Oberfläche der Hornfäden wird von einer Lage Bindegewebe überzogen. Dieselbe ist an der Basis der Flosse am dicksten und nimmt von hier nach der Peripherie mehr und mehr ab. In ihr sind die Basalplättehen der Placoidschuppen befestigt, welche daher auch, je näher sie der Flossenperipherie stehen, um so unmittelbarer den Hornfiiden aufliegen. Das hauptsächliche Wachsthum der Flossen findet bei den Haien wie bei den Siluroiden an der Peripherie statt, wo der Zellenreichthum des Gewebes bedeutend zunimmt. Hier erbliekt man auch nur zellige Anlagen der Placoid- schuppen, welche fast unmittelbar den in eive Spitze auslaufenden diinn gewor- denen Hornfäden aufliegen, Wenn wir in den soeben kurz hervorgehobenen übereinstimmen- den Merkmalen von einer gemeinsamen Stammform ererbte Einrich- tungen erblicken, dann müssen wir auch weiter schliessen, dass die ursprünglichen Verhältnisse bei den Selachiern, die abgeänderten bei den Panzerwelsen zu finden sind, ein Ergebniss, welches mit der Gesammtorganisation und der systematischen Stellung dieser beiden Gruppen vollkommen übereinstimmt. So führt uns die Vergleichung des Hautskelets der Panzerwelse und der Selachier, die Feststellung der speciellen Homologie, zu dem gleichen Resultat, welches wir beim Vergleich der verschiedenen Arten der Hautossificationen bei Hypostoma untereinander, beim Auf- suchen der allgemeinen Homologie, erhalten haben. In beiden Fäl- len müssen wir die verschiedenen Bildungen des Hautskelets durch Umbildung von kleinsten quadratischen je ein Zähnchen tragenden Plättchen ableiten. Dasselbe ist die Grundform , welche in allen Variationen des Hautskelets bei Hypostoma noch deutlich zu Tage tritt. Indem ich das gesammte Hautskelet der Panzerwelse von einem einheitlichen Gesichtspunct aus betrachtet und für seine einzelnen Theile eine Phylogenese aus ursprünglich gleichartigen Bildungen nachzuweisen versucht habe, liess ich einen Punet bisher unberück- sichtigt, der auf den ersten Blick wenigstens der von mir versuch- ten Ableitung des Flossenskelets zu widersprechen scheint. Man wird mir entgegen halten, dass die Entwicklung der Flossenplätt- chen, wie sie sich an der Peripherie der Flosse meinen Angaben zu Folge direet beobachten lässt, in ganz anderer Weise sich vollzieht, als es sich nach den vergleichenden Betrachtungen erwarten liess. Im beschreibenden Theil habe ich ja selbst gezeigt, dass die Anlage der Flossenpliittchen mit einer Sklerosirung der die obere Fläche der 25* 370 O. Hertwig Hornfäden unmittelbar bedeckenden Bindegewebsschicht erfolgt und dass erst später über dem dünnen Knochenplättchen die Zähne ent- stehen und sich mit ihm verbinden. Hier muss ich nun zunächst hervorheben, dass die Entwicklungs- processe, wie sie sich am Individuum direct beobachten lassen und die Entwicklungsprocesse, welche sich ganz allmälig in der Umbil- dung der Organismenwelt vollzogen haben, weder in jeder Beziehung noch in allen Fällen dieselben sind. Das biogenetische Grundgesetz besitzt, wie alle Anhänger desselben anerkennen, nur eine bedingte Gültigkeit. Denn ebenso wie der ausgebildete, unterliegt auch der werdende Organismus den Einwirkungen der Aussenwelt; ja es lässt sich sogar von vornherein erwarten, dass diese Einwirkungen um so tiefer eingreifen werden, je mehr sie noch in lebhafter Um- bildung begriffene Formen betreffen. Von diesem Gesichtspunet aus kann ich in dem Umstand, dass an der Flossenperipherie die Knochenplättchen etwas früher als die Zähne auf ihnen sich anlegen, keinen Gegenbeweis gegen die von mir versuchte Ableitung erblieken. Noch mehr aber verlieren die erhobenen Bedenken an Gewicht, da ich in einem vollständig ent- sprechenden Falle den Nachweis führen kann, dass in zwei nahe verwandten Thierarten homoioge Bildungen eine verschiedene em- bryonale Entwicklung aufweisen. Wie ich in der Untersuchung des Zahnsystems der Amphibien !) gezeigt habe, bildet sich bei den Uro- delen der Vomer, indem Gruppen von Zähnchen bei ihrer Entste- hung mit ihrem basalen Knochengewebe unter einander verschmel- zen. Bei den Anuren dagegen legt sich zuerst ein Knochenplittchen an und erst auf einer späteren Stufe der embryonalen Entwicklung treten Zahnanlagen auf, die mit dem unterliegenden Knochenplättchen mit ihrer Basis sich verbinden. Da der Fall bei den Urodelen uns ein Bild von der Phylogenese der Belegknochen der Mundhöhle lie- fert, was sich in vielfacher Hinsicht weiter begründen lässt, so muss die embryonale Entstehung des homologen Gebildes bei den Anuren eine abgeänderte sein. Bei den Panzerwelsen liegt nun zwischen der von mir erschlossenen phylogenetischen und der von mir beob- achteten ontogenetischen Entwicklung der Flossenplättchen dieselbe Verschiedenheit vor, wie zwischen der Entwicklung des Vomer bei den Urodelen und Anuren. Ich deute daher auch den Befund an der 1) Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XI. Supplementheft. —ı — Ueber das Hautskelet der Fische. 3 Flossenperipherie von Hypostoma in gleicher Weise , wie bei den Anuren als einen abgeänderten, von welchem es nicht gestattet ist auf die phylogenetische Entwicklung zurückzuschliessen. Um den Gang der auf den vorausgehenden Seiten angestellten Vergleichung nicht zu verwickeln, habe ich in den Kreis unserer Betrachtung hauptsächlich nur die Verhältnisse gezogen, welche auf die uns beschäftigende Hauptfrage, auf die Ableitung des ge- sammten Hautskelets Bezug hatten. Ich habe daher eine Reihe von Einrichtungen unberührt gelassen, welche gleichfalls einer weiteren vergleichenden Betrachtung zugänglich sind. Auf einige derselben, welche sich an dem seeundären Kopfe und Flossenskelet vorfinden, will ich jetzt noch näher eingehen. Was zunächst das Kopfskelet anbetrifft, so finden wir bei Hy- postoma in der Haut über der Mundspalte und zwischen Augen- und Nasenhöhle eine grosse Anzahl kleiner Knochenstiickchen von unregel- mässigen Formen vor. Bei Callichthys dagegen treffen wir diesel- ben durch eine beschränkte und festbestimmte Anzahl von Deck- knochen ersetzt, welche je nach ihrer Lage eine besondere regel- mässige Form besitzen. Noch eine zweite wichtige Veränderung ist hier im Verhältniss zu Hypostoma eingetreten, indem von einzelnen Knochen, wie z. B. den Infraorbitalia Knochenlamellen unter einem Winkel sich erheben und in die Tiefe dringen. Hierdurch gewin- nen die Hautverknöcherungen Beziehungen zu tiefer liegenden Thei- len, ein Punct, auf den schon GEGENBAUR die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Die hier angeführten Thatsachen gewinnen eine allge- meinere Bedeutung, wenn wir berücksichtigen, wie an den verschieden- sten Stellen des Körpers der Nachweis sich führen lässt, dass umfangreichere Knochenplatten durch Verschmelzung kleinerer ent- standen sind. Ich erinnere an die unpaaren Schilder in der Rücken- linie des Hautpanzers, welche auf paarige Ossificationen sich zurück- führen liessen ; namentlich aber verweise ich auf die umfangreichen und zu wiederholten Malen eintretenden Verschmelzungen, welche wir von den Plättehen des secundiiren Flossenskelets kennen gelernt . haben. Aus allen diesen Beispielen scheint mir hervorzugehen, dass die grösseren Hautossificationen, namentlich aber die typisch gewordenen Belegknochen des inneren Skelets nicht direet durch Verschmelzung von umfangreicheren Gruppen von Hautzähnen, sondern erst all- mälig entstanden sind. Wie der Gesichtstheil des Schädels bei Hypostoma noch jetzt erkennen lässt, haben sich zunächst kleinere 372 O. Hertwig Knochenplättehen gebildet. Auf einem weiteren Stadium, welches Callichthys zeigt, ist ihre Anzahl durch Verschmelzung beschränkt worden. Hierbei haben sich die so entstandenen grösseren Knochen mehr und mehr ihrer Unterlage und den umgebenden Weichtheilen, namentlich dem Primordialeranium und den Sinnesorganen angepasst, von ihrer inneren Fläche haben sich zugleich auch bestimmte, in die Tiefe greifende Fortsätze entwickelt. So gewinnen erst allmälig durch eine Reihe verschiedener Metamorphosen die Belegknochen des Schädels eine von einander verschiedenartige, ihrer Lage und Func- tion entsprechende Grösse und characteristische Form, so dass sie mit besonderen Namen belegt werden können und in der Thierreihe sich weiter verfolgen und wieder erkennen lassen. Eine weitere vergleichende Betrachtung lässt sich an das Flos- senskelet anknüpfen. Im beschreibenden Theil habe ich gezeigt wie an den dichotomisch sich verästelnden Flossenstrahlen von der Peripherie nach der Basis zu die einzelnen Flossenplättchen seitlich zusammentreten, verschmelzen und eine hierdurch veränderte Form und Grösse annehmen. Es liess sich so nachweisen, dass die an der Basis gelegenen Plättchen 8, 16 und mehr ursprüngliche Ele- mente in sich vereinigen. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich von selbst der Schluss, dass das Flossenskelet der Panzerwelse nicht mehr einen ursprünglichen Zustand erkennen lässt. Denselben kön- nen wir dagegen uns hier leicht reconstruiren, wenn wir den mehr- fach getheilten Flossenstrahl in seine einzelnen Strahlen zerlegen, deren ursprüngliche Anzahl an der Flossenperipherie sich noch ge- sondert erhalten hat. Von diesem primitiven Zustand lässt sich der secundäre durch allmälig eintretende Lageveränderungen und durch weitgehende öfters erfolgende Verschmelzungen der ursprünglich ge- sonderten Flossenplättchen ableiten. Dieser Umwandlungsprocess schreitet von der Basis nach der Peripherie der Flosse vor. An einzelnen Stellen, wie z. B. an der Basis der Schwanzflosse von Callichthys hat er sogar zur Bildung grösserer Knochencylinder ge- führt, die nach unserer Ableitung eine Vielheit neben und hinter _ einander liegender Pliittchen in sich vereinigt enthalten. Es lässt sich hier die Frage aufwerfen, ob auch der erste Strahl der verschiedenen Flossen aus mehreren einfacheren Strah- len in der angegebenen Weise entstanden ist. Zur Beantwortung dieser Frage habe ich bei Hypostoma und Callichthys keine An- kniipfungspuncte gefunden; jedenfalls aber geht aus den früher mit- getheilten Beobachtungen hervor, dass der abweichend beschaffene Ueber das Hautskelet der Fische. 373 erste Strahl der Flossen gleichfalls aus paarigen, den Flossenplätt- chen entsprechenden Hautossificationen durch mehr oder minder weit - gediehene Verschmelzung sich gebildet hat. B. Das Hautskelet der Acipenseriden. Unter den Ganoiden bilden die Acipenseriden eine wohl abgegrenzte Familie, die in ihrer gesammten Organisation auf einer sehr niedrigen Entwicklungsstufe stehen geblieben ist. Dies spricht sich sowohl in der vollkommen knorpeligen Beschaffenheit ihrer Wirbelsäule, als auch namentlich in der Beschaffenheit ihres Hautskelets aus, indem die verschiedenen Verknöcherungen der Haut, die Belegknochen des Schultergürtels und des Primordialeranium , endlich die einzelnen Theile des secundären Flossenskelets tief greifende übereinstimmende Merkmale erkennen lassen, die bei den meisten übrigen Fisch- abtheilungen verloren gegangen sind. In der Beziehung liefern uns die Acipenseriden ein vollständiges Seitenstück zu den Siluroiden. Dieser Umstand lässt es mir gerechtfertigt erscheinen, wenn ich bei der Untersuchung des Hautskelets an die Siluroiden unmittelbar die Acipenseriden anreihe, obwohl beide Familien im System weit von einander entfernt stehen. Wie bei den Siluroiden treffen wir auch bei den Acipenseriden Ordnungen, deren Haut vollkommen nackt ist, und Ordnungen, de- ren Körperoberfläche mit Knochenplatten in bestimmter Anordnung gepanzert ist. Zu den ersteren gehören die Spatularien oder Löffel- störe, zu letzeren dagegen die Acipenseriden im engeren Sinne, welche uns daher auch im Folgenden allein weiter beschäftigen werden. Bis jetzt liegen über das Integument der Acipenseriden nur ein- zelne, wenig eingehende Untersuchungen vor. So bemerkt AGassız ! in seinem Werke über fossile Fische, dass der Körper der Störe von mehreren Reihen grosser Schilder bedeckt ist, zwischen welchen breite Hautstreifen frei bleiben, und beschreibt in letzteren kleine schuppenartige Splitterchen. Die Schilder lässt er aus Knochen- gewebe bestehen und ihre Oberfläche von einer sehr dünnen struc- turlosen Lage von Schmelz überzogen werden. Die letztere Angabe 1) AGassiz. Recherches sur les poissons fossiles Tome II. pag. 277. 374 O. Hertwig kann WILLIAMSON !) in der schon früher erwähnten Arbeit nicht be- stätigen. Nach ihm sind die Schilder, welche er allein untersucht hat, schmelzlos und bestehen aus Knochengewebe mit grösseren und kleineren Haversischen Hohlräumen. Auf ihrer Oberfläche beschreibt er strahlenartig nach der Peripherie verlaufende kammartige Erha- benheiten. Der Rauhigkeiten auf der Oberfläche der verschiedenen Integumentossificationen, der Schilder sowohl als auch der Beleg- knochen des Schultergürtels und des Primordialeranium gedenkt GEGENBAUR?) in seiner Arbeit über den Schultergürtel. Bei meiner Untersuchung, zu deren Darstellung ich mich jetzt wende, dienten mir als Objecte Acipenser Sturio und A. Ruthe- nus, namentlich letzterer, von welchem mir Exemplare von 12 bis 30 Cm. Grösse zur Verfügung standen. Dieselben verdanke ich den Herren Professoren KOWALEVSKY und SALENSKY, welchen ich für ihre freundlichen Bemühungen hier öffentlich meinen besten Dank sage. Indem ich bei der Darstellung der Beobachtungen dieselbe Reı- henfolge wie bei den Siluroiden einhalte, beginne ich zunächst den speciellen Theil mit der Beschreibung der Schuppen und Schilder der Haut. Beschreibender Theil. 1. Die Schuppen und Schilder der Haut. Die Körperoberfläche wird bei Acipenser Sturio und A. Ruthe- nus von 5 Reihen grösserer Knochenschilder eingenommen (Taf. XXIV Fig. 10). Dieselben schliessen indessen seitlich nicht, wie bei den Panzerwelsen, aneinander, sondern sind durch ziemlich breite Haut- streifen (D) getrennt. Eine unpaare Reihe (A) bedeckt die Mittel- linie des Rückens und reicht vom Kopf bis zur Insertion der ersten Riickenflosse; sie enthält bei A. Ruthenus, von welchem auch die folgenden Zahlen allein gelten, 11 grosse Schilder, welche sich dachziegelartig decken. Die übrigen paarigen Reihen (B u. C) be- stehen aus weit zahlreicheren, aber auch entsprechend kleineren 1) WILLIAMSON. Scales and dermal teeth of some Ganoid and Placoid fish. Philosophical Transactions 1849. Vol. 139. pag. 448—449. 2) GEGENBAUR. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. Heft 2. pag. 98. Ueber das Hautskelet der Fische. 375 Schildern. Eine Reihe (3) nimmt die Seitenlinie des Rumpfes von der Clavicula bis zum Schwanzende ein und wird von etwa 60 Knochenpliittchen gebildet, welche sich wieder mit ihren hinteren Rändern schuppenartig decken und von vorn nach rückwärts an Grösse continuirlich abnehmen. Die andere Reihe (C) liegt am Uebergang der Seiten- in die Bauchhaut und zählt 13 Schilder, die sich mit ihren Rändern nicht decken. Sie verbinden die Insertion der Brust- und Bauchflosse. Die breiten Hautstreifen (D) zwischen den Schilderreihen sind bei A. Ruthenus mit sehr kleinen stachelartigen Gebilden und bei A. Sturio mit kleineren und grösseren Knochentiifelchen dicht besetzt. Die genauere histologische Schilderung der einzelnen Theile be- ginne ich wieder mit den kleinsten Ossificationen, wie sie bei A. Ruthenus zwischen den Schilderreihen zur Beobachtung kom- men. Auf denselben (Taf. XXIV Fig. 7) kann man eine platten- artig verbreiterte Basis (ec) und einen von ihr sich erhebenden, in eine Spitze auslaufenden Stachel (d) unterscheiden. Der Stachel ist lang, dünn und vollkommen solid. Er besteht aus einer homo- genen, verknöcherten Substanz , in welcher man eine Anzahl der Oberfläche parallel laufender Schichtungsstreifen wahrnimmt. Bei vielen Schüppchen liegen in dieser Grundsubstanz nahe der Basis des Stachels, einzelne Knochenkörperchen mit vielen reich verästel- ten und untereinander anastomosirenden Ausläufern, in andern Fäl- len enthält dagegen der Stachel weder höhrehen noch Knochen- körperchen. Ein Schmelzbelag lässt sich an seiner Spitze nicht nachweisen. Das kleine Basalplättchen, von dessen hinterem Rand der Sta- chel entspringt, wird von Knochengewebe mit sternförmigen Knochen- körperchen gebildet und führt keine Haversischen Canäle in seinem Inneren. Es haftet in den oberflächlichsten Lagen der Cutis, welche aus sich kreuzenden horizontalen Bindegewebslamellen und vertical aufsteigenden Faserbündeln zusammengesetzt ist (Taf. XXVIII Fig. 5). Vom Epithel ist die Oberfläche des Plättchens durch eine dünne Lage von subepidermoidalen lockeren Gewebes (p) getrennt, welches hier weit weniger als bei Hypostoma entwickelt ist. Infolge dessen kömmt auch der Stachel des Plättchens mit seiner Basis gleich in die Epidermis zu liegen und ragt, indem er dieselbe durch- bohrt, mit seiner Spitze ziemlich weit frei über das Integument her- vor. — Die so beschaffenen Gebilde stehen in alternirenden Reihen 376 O. Hertwig dicht bei einander, eine Anordnung, welche man als die quincunx- förmige bezeichnet (Taf. XXIV Fig. 1). Ausser dieser einfachsten Form von Ossificationen trifft man in der Bauchhaut eines 12 Cm. langen Sterlets auch hie und da ver- einzelte Basalpliittchen mit zwei Stacheln auf ihrer Oberfläche. Häu- figer treten derartige Zwillingsbildungen bei grösseren Exemplaren auf. Hier lassen sich dann auch in der Seitenhaut über den Brust- flossen durch Erwärmen in Kalilauge Knochenplattchen mit einer noch grösseren Anzahl von Stacheln isoliren (Taf XXIV Fig. 5 u. 6). Die häufigste Form sind drei an ihrer Basis durch Knochengewebe verbundene Stacheln, ein mittlerer grösserer und zwei seitliche kleinere. Zwischen ihnen beobachtet man grössere Plättchen mit vier bis sechs Stacheln, die in mehreren Reihen neben und hinter einander stehen. Bei A. Sturio sind zwischen den Schilderreihen an Stelle der oben beschriebenen Gebilde grössere Knochentiifelchen gleichfalls in die oberflächlichen Schichten der Cutis unmittelbar unter der Epi- dermis eingebettet. . Sie sind verschieden gross, in der Bauchhaut im Allgemeinen kleiner als in der Rückenhaut, sie besitzen meist eine quadratische Gestalt, sind in schrägen Reihen angeordnet und liegen in grösseren Entfernungen von einander. Auf ihrer Oberfläche tragen die Täfelehen je nach ihrer Grösse 10— 20 Stacheln. In den schmalen Hautstreifen zwischen den Täfelehen bemerkt man noch kleinere Verknöcherungen von derselben Beschaffenheit, wie bei A. Ruthenus, sowohl kleinste quadratische Plittchen mit einem Sta- chel als auch grössere mit zwei, drei und mehr Stacheln. Es las- sen sich mithin auch hier, wie bei Hypostoma, von Plättehen mit einem Stachel alle Uebergangsformen zu den grösseren mit 20 Sta- cheln etc. besetzten Knochentifelchen nachweisen. Ganz besonders modificirt sind die Ossificationen in der Haut am Ende des Schwanzes (Taf. XXIV Fig. 3). Hier liegen kleine rhomboidale Knochenplättehen, welche mit ihren Rändern dieht an einander schliessen und eine vollkommen regelmässige Anordnung aufweisen, indem sie von vorn nach hinten gerade, von oben nach unten schräg verlaufende Reihen bilden. Von dem vorderen nach dem hinteren spitzen Winkel des rhomboidalen Schiippchens zieht eine kleine Firste, von der sich zwei bis vier Stacheln erheben. Mit den hier geschilderten Bildungen zeigen die in fünf Reihen angeordneten grösseren Schilder in ihrer Beschaffenheit manches Uebereinstimmende. Nicht nur liegen sie unmittelbar unter der Ueber das Hautskelet der Fische. 377 Epidermis, von welcher sie nur durch eine diinne Schicht des sub- -epidermoidalen Bindegewebes getrennt sind, sondern sie tragen auch auf ihrer Oberfläche, namentlich nach den Rändern zu Reihen von kleinen Stacheln , welche die oben beschriebene Structur besitzen (Taf. XXIV Fig. 2 u. 4). Eine dünne Schmelzlage, welche nach Acassız vorhanden sein soll, lässt sich durchaus nicht nachweisen. Während bei den jüngsten Exemplaren von A. Ruthenus die Schil- der nur aus einer dünnen Knochenkruste bestehen, welche die ober- fliichlichsten Lamellen der Cutis einnimmt, nehmen sie bei älteren Thieren durch ein Fortschreiten des Verknöcherungsprocesses auf tiefere Gewebsschichten an Dicke zu. Es treten jetzt auch einzelne Haversische Räume im Knochengewebe auf. Ein Längsschnitt durch den oberen Rand eines Seitenschildes von einem 12 Cm. langen Sterlet ist in Tafel XXVIII Fig. 1 abgebildet und zeigt uns derselbe von einem jungen Thiere das Massenverhältniss zwischen den Sta- cheln und dem sie verbindenden Knochengewebe, sowie die Lage des letzteren in der Cutis. Bei grossen Exemplaren von A. Sturio sind. die Schilder starke Knochenplatten, welche die ganze Dicke der Cutis einnehmen. Auf ihrer Oberfläche tragen sie ein Netzwerk von Leisten und auf die- sen stehen dann die durch die Epidermis hervorragenden Stacheln, welche hier natürlich im Verhältniss zu dem mächtig entwickelten Knochengewebe sehr in den Hintergrund treten. Die der Mittellinie des Rückens aufliegenden grösseren Schil- der bestehen aus zwei Knochenlamellen , die je einer Körperseite angehörig nach oben unter einem spitzen Winkel sich vereinigen. Sie laufen hier in einen scharfen Kamm aus, der nach rückwärts einen zahnartigen Vorsprung bildet. 2. Die Belegknochen des primären Schultergürtels und des Primordialecranium, Auf die bei den Acipenseriden bestehende Uebereinstimmung zwischen den Schildern der Haut und den Belegknochen des primä- ren Skelets ist schon von verschiedenen Seiten, namentlich aber von GEGENBAUR aufmerksam gemacht worden. In welchen einzelnen Verhältnissen diese Uebereinstimmung sich zeigt, wollen wir jetzt näher feststellen! Bei den Acipenseriden treten in der Haut liegende Knochen mit dem knorpligen Schultergürtel in Verbindung und bilden über ihm 378 O. Hertwig einen zweiten knéchernen Giirtel, welcher als secundiirer vom knorpeli- gen primären unterschieden worden ist. Der secundäre Schultergiirtel ' enthält jederseits vier Knochenstücke, von denen drei dem Hauptknorpel, ein viertes einem als Suprascapulare benannten Knorpelstück auflagern. Von den drei den Hauptknorpel deckenden Knochen ist der mittlere der wichtigste, indem er mit als Träger der Flosse fungirt und in der Thierreihe weiter vererbt wird. GEGENBAUR!) deutet denselben als Clavieulare, das nach unten und median sich anschliessende Kno- chenstück als Infraclaviculare und die beiden über der Clavicula befindlichen Knochen als Supraclavicularia. Das Claviculare be- steht aus zwei unter einem Winkel zusammenstossenden Lamellen. Eine derselben bedeckt die Vorderfläche des Schulterknorpels, welche gegen die Kiemenhöhle gerichtet ist, die andere bedeckt seine untere dem Integument anliegende Seite. Während die erste Lamelle eine glatte Oberfläche besitzt, ist die zweite und ebenso die Oberfläche des Infraclavieulare und der Supraclavicularia wie bereits GEGENBAUR hervorhebt, mit Leisten, Höckerchen, und anderen Rauhigkeiten gleich anderen mit dem Integumente zusammenhängenden Knochen versehen. Die letztgenannten Theile des secundären Schultergürtels sind bei einem 12 Cm. langen Sterlet, wo ich sie genauer untersucht habe, dünne Plittchen, welche gleich den Schildern ganz oberfläch- lich in der Cutis haften und nur durch eine dünne subepidermoidale Bindegewebsschicht vom Epithel getrennt werden. Die Rauhigkeit ihrer Oberfläche rührt von kleinen Stacheln her, die in eine ziem- lich scharfe Spitze auslaufen. Sie gleichen in Grösse, Form und histologischer Beschaffenheit vollständig den isolirten Stacheln, wie sie in der Bauchhaut sich vorfinden und wie wir sie auf der Ober- fläche der Schilder auch schon kennen gelernt haben. Zum Theil sind sie in Reihen angeordnet und dann an ihrer Basis durch leisten- artige Erhebungen der Knochenoberfläche untereinander verbunden. Erwähnenswerth ist noch, dass hie und da einzelne Stacheln ganz dicht dem Knochenrand aufsitzen oder selbst mit ihrer Basis einen Vorsprung an demselben bilden. Aehnliche Verhältnisse zeigen uns die Hautknochen des Kiemen- deckels, welche schon öfters mit Schuppen verglichen worden sind, und die Belegknochen des Primordialeranium. Die letzteren schlies- sen mit ihren Rändern so dicht aneinander, dass sie eine zusammen- !) GEGENBAUR. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere. Heft Il. Ueber das Hautskelet der Fische. 379 hängende Knochenkruste zu bilden scheinen. Wie Durchsehnitte (Taf. XXVIII Fig. 7) lehren, liegen sie einerseits dem Primordial- eranium (E) fast unmittelbar auf, andernseits sind sie von der Epi- dermis nur durch die schon mehrfach erwähnte, sehr dünne sub- epidermoidale Gewebsschicht (p) getrennt. Im Knochengewebe finden sich vereinzelte Haversische Canäle und hie und da grössere Hohlräume. Die Anzahl der Belegknochen des Primordialeranium ist bei den Acipenseriden eine ziemlich beträchtliche und übertrifft weit die Anzahl der bei den höheren Thieren typisch geworde- nen Belegknochen , auf welche sie sich daher auch nur im All- gemeinen unter Berücksichtignng der Regionen des unter ihnen liegenden Cranium reduciren lassen. Nicht minder ist die Form und Grösse der einzelnen Stücke eine sehr verschiedene. Wie bei Hypostoma nehmen die grösseren Knochen die hintere Fläche und die Mitte des Schädels ein, dagegen finden sich sehr zahlreiche kleine Plättchen in der Haut, welche das sehr verlängerte Rostrum bedeckt. Wie man nach Maceration in Kalilauge erkennt, sind die- selben sehr lang und äussert schmal. Sie liegen der Länge nach in der Richtung des Rostrum dicht nebeneinander. Auf ihrer Ober- fläche tragen sie eine oder zwei Reihen von Stacheln, die an ihrer Basis durch einen Streifen von Knochengewebe untereinander ver- bunden leistenartige Erhabenheiten hervorrufen. Einen gleichen Besatz von Stacheln lassen auch die grösseren Belegknochen auf ihrer Oberfläche erkennen. Auf den Schildern des Kiemendeckels sind die Stacheln in Reihen angeordnet, die von einer Stelle in der Mitte des Knochens nach der ‚Peripherie radienartig diver- giren. Wenn man alle hier hervorgehobenen Verhältnisse berücksich- tigt, so herrscht zwischen den Belegknochen des primären Schulter- gürtels und des Primordialeranium einerseits und den Schildern und Schuppen des Rumpfes andererseits in jeder Beziehung eine so grosse Aehnlichkeit, dass gegen die Zusammengehörigkeit dieser verschie- denen Bildungen wohl kein Zweifel erhoben werden kann. 3. Das secundäre Flossenskelet. Als ein dritter Theil des gesammten Hautskelets bleibt uns jetzt noch das secundiire Flossenskelet zu betrachten übrig. Das- selbe zeigt bei den Acipenseriden im Allgemeinen einfachere Ver- hältnisse, als wir sie bei den Siluroiden vorgefunden haben. 380 O. Hertwig Bei A. Ruthenus werden die paarigen Brust- und Bauchflossen, die unpaare Riicken-, After- und Schwanzflosse, wenn wir zunächst von den am Anfangstheil der Flossen gelegenen knöchernen Gebil- den absehen, die wir erst später betrachten wollen, von sehr zahl- reichen, gegliederten Strahlen gestützt, die von der Basis bis zur Peripherie den gleichen Bau besitzen (Taf. XXIV Fig. 9). Sie liegen sehr dicht nebeneinander, indem sie nur von schmalen nack- ten Hautstreifen etwa von der Breite der Strahlen selbst getrennt werden Nirgends finden sich bei den von mir untersuchten jungen Exemplaren von A. Ruthenus Strahlen, die sich nach der Peripherie zu diehotomisch theilen. Jeder Strahl besteht aus zwei Plittchenreihen, die je einer Integumentseite angehören und daher einander opponirt sind (Taf. XXVII Fig. 4). Man kann in Folge dessen auch hier eine abgetrennte Flosse mit grosser Leichtigkeit in zwei einander vollkommen gleiche Lamellen zerlegen. Die einzelnen Plättehen stimmen von der Basis bis zur Periphe- rie der Flossenstrahlen in Grösse und Form fast vollständig überein. Sie sind rein oblong, ziemlich schmal, auf ihrer unteren Seite etwas ausgehöhlt und aufihrer oberen dem entsprechend gekrümmt. Hier sind sie mit einer niedrigen Leiste versehen, auf weleher sich drei bis fünf Stacheln erheben, die mit ihrer gekrümmten Spitze dem Flossensaum zugewendet sind. Die dünnen Plättehen bestehen aus Knochen- gewebe mit reichlich verästelten Knochenkörperchen, die Stacheln dagegen besitzen wieder denselben Bau, welchen wir an entsprechen- den Gebilden auf allen übrigen Integumentossifikationen vorgefunden haben. Auf das Lagerungsverhältniss der Plättehen zu einander und auf ihre Befestigung im Integument brauche ich nicht weiter einzugehen und verweise ich hier auf das früher vom Flossenskelet der Siluroiden Gesagte und auf den Taf. XXVIII Fig. 4 dargestellten Querschnitt durch ein Flossenglied von A. Ruthenus. Nur das sei noch besonders hervorgehoben, dass zwischen je zwei opponirten Flossenplättehen ein von lockerem Bindegewebe ausgefüllter niedriger Canal liegt und dass sich in demselben nicht wie bei den Siluroiden bestimmte straffere Bindegewebszüge unterscheiden und als Kreuz- bänder beschreiben lassen. Einen von dieser Schilderung etwas abweichenden Befund gab ınir die Untersuchung des Flossenskelets von A. Sturio. Hier zer- fallen nämlich die an der Basis einfachen gegliederten Strahlen etwa in der Mitte der Flosse in zwei nach der Peripherie zu divergirende Plättchenreihen. Eine weitere Abänderung hängt hiermit gleichzei- Ueber das Hautskelet der Fische. 381 tig zusammen. Während bei A. Ruthenus alle Plittchen von der Basis bis zur Peripherie dieselbe Form und Grösse besitzen, sind sie bei Sturio an der Flossenbasis breiter, als von der Stelle an, wo die diehotomische Theilung der Strahlen stattfindet. Diese Ab- weichungen erklären sich nun in ähnlicher Weise, wie bei den Si- luroiden aus einer von der Basis aus erfolgten seitlichen Verschmel- zung zweier ursprünglich getrennt neben einander verlaufender Strah- len. Wenn man eine in Kalilauge aufgehellte Flossenlamelle bei schwacher Vergrösserung betrachtet, so kann man leicht verfolgen, wie in der Mitte der Flosse zwei Plittchenreihen sich mit ihren medianen Rändern mehr und mehr aneinander legen und endlich durch Verknöcherung des Zwischengewebes verschmelzen. Die so entstandenen breiten Plättchen tragen indessen auch nur eine einzige Reihe von Hautstacheln, was darauf zurückzuführen ist, dass vor ein- getretener Verschmelzung meist eine Plättehenreihe ihre Hautstacheln verloren hat. Wie am Anfang dieses Abschnittes bereits hervorgehoben wurde, liegen am vorderen Rande der verschiedenen Flossen knöcherne Ge- bilde, welche von den gegliederten Flossenstrahlen in ihrem Bau abweichen. Namentlich gilt dies für die Brust- und Schwanz- flosse. Der vordere Rand der Brustflosse ist von einem starken, knöchernen, langen Stab gestützt, der in eine dünne Spitze ausläuft. Mit seiner Basis ist er in eine Höhlung des Claviculare eingelenkt gleich dem ersten ungegliederten Strahl der Brustflosse bei Hypo- stoma. In seinem Inneren enthält der Stab keine Höhlung, dagegen unterscheidet sich das periphere Knochengewebe von dem centralen in seiner Beschaffenheit; während ersteres compaet ist und eine feste Rindenschicht bildet, ist letzteres porös und von Markcanälen reichlich durchsetzt. Die Oberfläche des Stabes ist der Länge nach von hervorspringenden parallel verlaufenden Leisten bedeckt, von wel- chen die nach der Flosse zu gelegenen mit Stacheln versehen sind und hierdurch eine Uebereinstimmung mit den angrenzenden Flossen- plättehenreihen erkennen lassen. Bei A. Sturio habe ich zwei die- ser mit Stacheln besetzten Leisten etwa in der Mitte des Stabes aufhören und in gegliederte Flossenstrahlen sich verlängern sehen. Auf diese Beobachtung möchte ich hier besonders aufmerksam ge- macht haben, weil dieselbe mir auf die Entstehung des Knochen- stabes Licht zu werfen scheint. Von viel geringerem Umfang und anderer Beschaffenheit sind 382 O. Hertwig die knöchernen Gebilde im Anfang der Schwanz-, der Rücken-, After- und Bauchflosse. Die Schwanzflosse bildet auf eine ziemlich beträchtliche Strecke am Rücken nur eine niedrige Falte und fühlt sie sich hier hart und unbiegsam an; durch Erwärmen in Kalilauge isolirt man bei A. Ruthenus gabelförmig gestaltete Knochenstücke (Taf. XXIV Fig. 84). Dieselben bestehen aus zwei dünnen geraden Stäbchen, die mit ihren oberen Enden unter einem spitzen Winkel zusammenstossen und ver- schmolzen sind. Auf ihrer Oberfläche tragen sie, wie die Flossen- plittchen, eine einfache Reihe von Stacheln, welche nach auf- und rückwärts gerichtet sind. Bei A. Sturio sind die beiden Schenkel dieser gabelförmigen Gebilde plattenartig verbreitert und mit meh- reren Reihen von Hautstacheln besetzt. Die der Art beschaffenen Skeletstücke sind in der niedrigen Falte, mit welcher die Schwanz- flosse beginnt, dicht hinter einander in der Weise eingebettet, dass sie mit ihren beiden Schenkeln oberflächlich in je einer Integument- seite und mit ihrer Spitze in dem freien Hautrand liegen. Nach rückwärts, wo die Schwanzflosse höher wird, schliessen sich nun an diese gabelförmigen Knochen nicht sofort gegliederte Flossen- strahlen an, sondern es folgt zunächst eine Anzahl paariger, d. h. in je einer Integumentseite liegender ungegliederter Stäbchen; an diese reihen sich dann gegliederte Strahlen an, die zuerst von wenigen Plättehen gebildet werden. In ähnlicher Weise findet man auch am ventralen Anfangstheil der Schwanzflosse , sowie am Anfang der After-, Bauch- und Rückenflosse meist erst ein unpaares Knochen- plättehen und hinter diesem eine kleinere oder grössere Anzahl paa- riger ungegliederter Stücke von stabförmiger Beschaffenheit mit Hautstacheln auf ihrer Oberfläche. Der Beschreibung der verschiedenen Formen des Flossenskelets lasse ich in derselben Weise, wie ich es bei der Untersuchung der Siluroiden gethan habe, einige Beobachtungen über das Verhalten des Flossensaums und über die Neubildung der Flossenplättchen nachfolgen. Wie bei den Panzerwelsen hören auch bei den Acipen- seriden in einiger Entfernung vom Flossenrand die gegliederten Strahlen auf und in ihrer Verlängerung erscheinen Bündel glänzen- der Fäden, die nach der Peripherie zugespitzt enden, die sogenann- ten Hornfäden. Bei ganz jungen etwa 5 Cm. grossen Sterlet, wo die Anlage der Integumentossificationen noch nicht begonnen hat, wird die ganze Flosse nur von solchen Fäden gestützt. Sie sind hier der Grösse der Thieres entsprechend sehr fein und liegen dicht Ueber das Hautskelet der Fische. 383 neben einander in jeder Integumentseite ohne in Bündel abgetheilt zu sein. Die Neubildung von Flossenpliittchen findet auch bei ausge- bildeten Thieren an der Peripherie der Flosse noch statt, und treten uns hier ähnliche Verhältnisse entgegen, wie wir sie bereits bei den Acipenseriden kennen gelernt haben. In einiger Entfernung vom Flossenrand ist unmittelbar auf der Oberfläche der Hornfäden-Bün- del eine äusserst dünne selerosirte Gewebsschicht wahrzunehmen. In derselben ist an den Stellen, welche den späteren Gelenken der Flossenplättehen entsprechen, die Verkalkung unterblieben und ist hierdurch das schleierförmig ausgebreitete Knochengewebe schon deutlich in einzelne Plättchen abgetheilt. Während auf dem am meisten peripher gelegenen Plättchen die Hautstacheln noch fehlen, finden sich deren einer oder zwei auf dem proximalen Ende des nächstfolgenden Plättehens und auf dem weiter sich anschliessenden die volle Anzahl der Hautstacheln entwickelt. Zugleich wird die Knochenlamelle , je mehr wir uns von der Flossenperipherie ent- fernen, stärker, indem die Verknöcherung in dem Gewebe zwischen den Hornfiiden nach abwärts sich fortgesetzt und auch eine dünne unterhalb liegende Schicht ergriffen hat. Man kann jetzt noch die Hornfäden, welche so in die Zusammensetzung des Flossenplättchens mit hineingezogen sind, deutlich erkennen. Bei weiter proximal gelegenen Plättehen ist dies nicht mehr möglich, indem Hornfäden und einhüllendes Bindegewebe in eine gemeinsame Knochensubstanz umgewandelt sind. Zwischen den Flossenplättchen gehen die Horn- fäden mit in die Ligamente über. Vergleichender Theil. Im beschreibenden Theil dieser Untersuchung sind wir mit ver- schiedenen Bildungen des Hautskelets der Acipenseriden bekannt geworden, Bildungen, die namentlich durch Grösse und Form auf das Mannigfaltigste von einander abweichen. Dieselben lassen sich indessen nicht scharf von einander trennen, sondern sind bei genauer Untersuchung durch Uebergangsformen vielfach verbunden. Als einfachste Form des Hautskelets haben wir kleinste Knochen- plättchen kennen gelernt, die auf ihrer Oberfläche einen einzigen Stachel tragen. Hauptsächlich bei A. Ruthenus fanden wir diese Form in den Hautstreifen zwischen den Schilderreihen weit ver- breitet, während bei A. Sturio umfangreichere Ossificationen an Morpholog. Jahrbuch. 2. 26 384 O. Hertwig diesen Stellen auftreten. Es liessen sich hier von der einfachsten Form des Hautskelets zu grösseren Knochentafeln mit zahlreichen Stacheln und von diesen zu den Schildern, welche in fünf regel- mässigen Längsreihen bei den Acipenseriden den Rumpf bedecken, Uebergangsformen nachweisen. Die Schilder des Rumpfes sahen wir aber weiter mit den Belegknochen des inneren Skelets in con- tinuirlichem Zusammenhange stehen und konnten wir die letzteren als eine Fortsetzung des Hautpanzers auf das Primordialeranium be- trachten. Als den am eigenartigsten gestalteten Theil des Haut- skelets lernten wir endlich das Flossenskelet kennen. Die dasselbe bildenden Knochenpliittchen zeigten hier eine characteristische regel- mässige oblonge Form und eine übereinstimmende Grösse. Bei einer vergleichenden Betrachtung lassen die hier aufge- führten verschiedenen Bildungen des Hautskelets, mögen uns die- selben als Schüppchen, Täfelchen und Schilder, oder als Beleg- knochen des inneren Skelets oder als Theile der Flossenstrahlen entgegentreten, vielfache und wichtige Uebereinstimmungen erkennen. Dieselben äussern sich namentlich in zwei Puneten, erstens in der oberflächlichen Lagerung aller Ossificationen unmittelbar unter der Epidermis in den oberen Lamellen der geschichteten Cutis und zwei- tens darin, dass ihre Oberfläche in gleicher Weise kleine Haut- stacheln trägt, welche aus einer homogenen Knochensubstanz beste- hen und die Epidermis durchbohren. Wenn ich die hier kurz zusammengestellten Verhältnisse be- rücksichtige und sie zu einer Erklärung der verschiedenen Formen des Hautskelets zu verwerthen suche, so gelange ich zu demselben Endergebniss, welches mir die vergleichend-anatomische Untersuchung des Hautskelets der Siluroiden geliefert hat. Auch bei den Acipen- seriden lassen sich die einzelnen Theile des Hautskelets von einer einfachen Grundform ableiten. Dieselbe hat sich bei A. Ruthenus und Sturio noch unverändert an einzelnen Stellen ihrer Körperober- fläche in den kleinsten einen einfachen Stachel tragenden Knochen- plättehen erhalten. Durch Verschmelzung einer geringeren oder grösseren Anzahl dieser Elemente sind die kleineren und grösseren Knochentäfelchen , sind die Schilder des Rumpfes und die Beleg- knochen des primären Schultergürtels und des Primordialeranium entstanden. Auch für die Flossenplättchen nehme ich die gleiche Genese an und deute die Entwicklung derselben an der Flossen- peripherie, wie sie thatsächlich sich beobachten lässt, als eine vom ursprünglichen Bildungsmodus abgeleitete. Es lassen sich hier in Ueber das Hautskelet der Fische. 385 jeder Beziehung dieselben Betrachtungen anstellen, welche ich im vergleichenden Theil der Untersuchung über das Hautskelet der Si- luroiden bereits eingehender durchgeführt habe, und halte ich es daher für überflüssig, hier noch einmal auf dieselben zurückzu- kommen. Dagegen will ich noch in Kürze drei Puncte hervorheben, welche mir einer besonderen Erwähnung werth scheinen. 1) Bei kleinen Sterlet finden wir die Schilder von ganz dünnen Knochenplättehen gebildet, die von dem subeutanen Gewebe durch eine beträchliche Anzahl von unverkalkten Cutislamellen getrennt werden. Bei älteren Thieren haben die Schilder an Grösse und Dicke zugenommen, indem die Verknöcherung tiefere Schichten er- griffen hat. Bei grossen Exemplaren von A. Sturio endlich neh- men die Schilder die ganze Dicke der Cutis ein. So sehen wir hier gewissermassen vor unseren Augen einen Process sich vollziehen, den wir zur Ableitung der Schilder der Panzerwelse hatten voraus- setzen müssen. Wir sehen, wie eine Verknöcherung, die im Zusam- menhang mit der Entstehung von Hautstacheln in den oberflächlich- sten Schichten der Cutis eintritt, dann auf tiefere Schichten sich weiter fortsetzt und immer neues Gewebe sich assimilirt. Dieser weiterschreitende Verknöcherungsprocess führt endlich dahin, dass bei erwachsenen Thieren gegen die mächtige Entwicklung des Kno- chengewebes die kleinen stachelartigen Erhabenheiten auf der Ober- fläche der Schilder ganz zurücktreten, wie sie denn bis jetzt von den meisten Forschern übersehen und von allen in ihrer wahren Be- deutung nieht erkannt worden sind. 2) In dem über das secundäre Kopfskelet handelnden Theil habe ich namentlich auf dem Rostrum zahlreiche kleine, unregel- mässig geformte Belegknochen beschrieben und erblicke ich hierin ein weiteres Beispiel für die schon bei Besprechung des Kopfskelets von Hypostoma geäusserte Ansicht, dass die bei den höheren Wir- belthieren in beschränkterer Anzahl vorhandenen typischen Beleg- knochen erst allmälig durch weitergehende Verschmelzungen und durch eine engere Beziehung an die gegebene Unterlage sich heraus- bilden. 3) Bei der Ableitung der verschiedenen Bildungen des Flossen- skelets kann man in Zweifel gerathen, ob der erste Strahl der Brust- flosse auch aus einer Verschmelzung von Hautstacheln und in wel- cher Weise er dann entstanden ist. Zur Beantwortung dieser Frage seheint es mir von Bedeutung zu sein, dass auf der Oberfläche dieses 26* 386 O. Hertwig stabförmigen Stückes eine Anzahl leistenförmiger Erhabenheiten seiner Länge nach verlaufen und dass die nach Innen gelegenen mit Hautstacheln besetzt sind. Dieses Verhältniss gewinnt nament- lich eine weitere Bedeutung, wenn wir die von mir bei A. Sturio gemachte Beobachtung heranziehen, dass nach der Spitze des Stabes die zwei innersten Leisten aufhören und in zwei gegliederte Flossenplättchenreihen übergehen. Die angeführten Thatsachen schei- nen mir nun dafür zu sprechen, dass das stabförmige Knochenstück der Brustflossen durch eine weit gediehene Verschmelzung zahlreicher gegliederter Flossenstrahlen entstanden ist. Es würden dann die leistenförmigen Erhabenheiten der Knochenrinde auf die Anzahl der verschmolzenen Strahlen hinweisen. Wenn wir auf den zurückgelegten Weg zurückblieken und die im ersten und zweiten Abschnitt dieser Untersuchung erhaltenen Re- sultate untereinander vergleichen, so sehen wir in jeder Beziehung den an einer früheren Stelle gethanen Ausspruch bestätigt, dass das Hautskelet der Siluroiden und der Acipenseriden ein Seitenstück zu einander bilden. Bei beiden sind die nach den einzelnen Körperregionen verschiedenen Skelettheile von einfachen Grundformen ableitbar, bei beiden müssen wir einen indifferenten Zustand des Hautskelets vor- aussetzen, auf welchem die gesammte Körperoberfläche mit klein- sten Hautzähnchen oder Hautstacheln bedeckt gewesen ist. Nur ein bedeutsamer Unterschied tritt uns bei dieser Vergleichung ent- gegen und dieser betrifft die Beschaffenheit der einfachsten Integu- mentossificationen, welche wir als Grundformen bei den Siluroiden und Acipenseriden haben nachweisen können. Das Verhältniss, in welehem diese beiden Grundformen zu ein- ander stehen, habe ich jetzt noch näher zu bestimmen und hebe ich zu dem Zwecke zunächst die übereinstimmenden und die unter- scheidenden Merkmale zwischen beiden hier kurz hervor, alsdann werde ich für sie eine Erklärung zu geben versuchen. Die Hautzähne der Siluroiden und die Hautstacheln der Acipen- seriden gleichen sich in ihrer äusseren Form, insofern beide einen unteren plattenartigen Theil und einen über die Hautoberfläche her- vorstehenden Stachel erkennen lassen. Bei beiden besteht der plat- tenartige Theil aus Knochengewebe und ist in den oberflächlichen Ueber das Hautskelet der Fische. 387 Cutislamellen befestigt. Hautzähne und Hautstacheln sind ursprünglich nach unserer Annahme über das gesammte Integument gleichmässig verbreitet gewesen und sind aus ihnen durch Verschmelzung und damit in Zusammenhang stehende weitere Umbildung gleiche Pro- ducte in der Haut des Rumpfes, auf dem dicht unter die Körper- oberfläche tretenden primären Skelet und auf den Flossen hervor- gegangen. Dagegen beruhen die Verschiedenheiten zwischen den Haut- zähnchen und den Hautstacheln in dem Bau des über die Hautober- fläche hervorstehenden Theiles. Bei den Panzerwelsen ist derselbe ein echtes Ziihnchen, er enthält eine Pulpahöhle und besteht aus Dentin und Schmelz. (Von der Gelenkverbindung mit dem Basal- plättehen können wir hier absehen, da dieselbe schon als eine später erworbene Einrichtung beurtheilt worden ist.) Bei den Acipenseri- den ist der Stachel sehr einfach gebaut, indem er der Schmelz- bekleidung, der Dentinröhrehen und einer Pulpahöhle ermangelt und allein von einer homogenen Grundsubstanz gebildet wird. Die an erster Stelle hervorgehobenen übereinstimmenden Merk- male veranlassen mich, zwischen beiden Formen einen verwandt- schaftlichen Zusammenhang anzunehmen und die zwischen ihnen bestehenden Verschiedenheiten als später eingetretene Abänderungen aufzufassen. Hier frägt es sich nun, welche der beiden geschilder- ten Formen uns den ursprünglichen Zustand am meisten erhalten zeigt. Sind die Hautzähne der Siluroiden von den Haut- stacheln der Acipenseriden oder sind umgekehrt diese von jenen abzuleiten? Für die erste Möglichkeit spricht die grosse Einfachheit, welche die Stacheln der Acipenseriden in ihrem Bau erkennen lassen. Man kann annehmen, dass überhaupt die Integumentossifieationen ursprüng- lich durch Verknöcherung von Hautpapillen entstanden sind und dass weiterhin aus ihnen die eigentlichen Zahnbildungen sich entwickelt haben. In diesem Falle müsste sich der Umbildungsprocess dann in der Weise vollzogen haben, dass die Verknöcherung auf die Pe- ripherie der Hautpapillen beschränkt blieb und hierdurch eine Pulpahöhle entstand, dass die Zellen mit Ausläufern in die homogene Grundsubstanz eindrangen und Dentin bildeten, dass endlich die den Zahn überziehenden Epithelzellen ein Schmelzkäppchen aus- schieden. Auf den ersten Blick mag diese Annahme, welche zugleich für die Genese der Zahnbildungen eine Erklärung liefert, manches Be- 388 O. Hertwig stechende für sich haben. Im Einzelnen kann aber für sie nicht nur kein Beweis beigebracht werden, sondern es lassen sich gegen sie erhebliche Einwände bei genauerer Prüfung erheben. Gegen diese Annahme sprechen die Beziehungen, in welchen das Hautskelet der Acipenseriden und der Siluroiden zu demjenigen der Selachier steht. Bei einem Vergleich dieser Bildungen unter- einander kann es keinem Zweifel unterliegen, dass bei den Sela- chiern, auch dann wenn wir von ihrer systematisch niedern Stellung ganz absehen, ein primitiverer Zustand vorliegt. Denn wir finden bei ihnen alle Theile des Hautskelets im gesammten Integumente gleichartig beschaffen, nirgends gehen die Placoidschuppen jene Verschmelzungen ein, wie die Hautzähne der Siluroiden und die Hautstacheln der Acipenseriden, wodurch die gleichförmige Beschaf- fenheit ihres Hautskelets aufgehoben ist und die verschiedensten Skeletbildungen durch Differenzirung entstanden sind. Hieraus kann man aber weiter schliessen, dass auch in ihrer histologischen Be- schaffenheit die Placoidschuppen — und diesen gleichen ja die Zähne der Siluroiden fast vollständig — ursprünglichere Einrich- tungen uns zeigen als die an und für sich einfacher gebauten Haut- stacheln der Acipenseriden. Noch wichtiger scheint mir ein zweiter Gesichtspunet zu sein, welehen ich der Beziehung entnehme, die zwischen dem Hautskelet und den Zähnen der Mundhöhle besteht. Wie schon von verschie- denen Seiten !) hervorgehoben worden ist, sind Mund- und Hautzähne homologe Gebilde, sie sind beide von einer gemeinsamen Grundform abzuleiten. Für die zu lösende Frage ist es nun von grosser Be- deutung, dass bei vielen Selachiern eine fast vollkommene Gleich- artigkeit zwischen den Ossificationen der Haut und der Mundschleim- haut beobachtet wird. Wir müssen daher auch in dieser Beziehung anerkennen, dass das Hautskelet der Selachier jedenfalls ein sehr primitives ist, und macht dies GEGENBAUR mit Recht in seiner Ein- leitung zum Kopfskelet der Selachier geltend, in dem Abschnitt, in welchem er ihre systematische Stellung festzusetzen versucht. Wie verhalten sich nun in diesem wichtigen Puncte, so werden wir wei- 1) GEGENBAUR. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere. Heft IIIL., 1872. Oscar HERTWwIG. Ueber Bau und Entwicklung der Placoidschuppen und der Zähne der Selachier. Jenaische Zeitschr. Bd, VIII. NAEH. Ueber das Hautskelet der Fische. 389 ter fragen, die Acipenseriden? Sind auch hier vielleicht die Zähne und die Hautstacheln gleich gebaut? In Owen’s Odontography !) und in vielen systematischen Sehrif- ten findet man die Angabe, dass die Störe zahnlos sind und dass nur bei einigen Spatularien in der Jugend Zähne zur Entwicklung kommen. Für Acipenser Ruthenus trifft diese Angabe nicht voll- ständig zu. Zwar ist es richtig, dass in ihrem Ober- und Unter- kiefer die Zähne fehlen, dagegen sitzen auf ihren Kiemenbogen, wie dies bei Fischen so häufig der Fall ist, Streifen von kleinen Zähn- chen. Jedes Zähnchen (Taf. XXIV Fig. 11) bildet einen an der Basis verbreiterten, nach oben sich plötzlich verdünnenden und in eine gekrümmte Spitze auslaufenden Kegel. Die Spitze ist gelb gefärbt und besteht, wie man sich bei Zusatz von Salzsäure leicht und sicher überzeugt, aus Schmelz. Die Pulpahöhle ist sehr geräu- mig, der Mantel des Kegels dagegen sehr dünn und enthält der- selbe nur in seinem oberen Theile Dentinréhrchen. An ihrer Basis hängen die einzeln Zähnchen durch eine dünne Knochenlamelle untereinander zusammen. Wie aus dieser Schilderung hervorgeht, fehlt bei den Acipense- riden die bei den Selachiern bestehende Gleichartigkeit zwischen den Ossificationen der Haut und der Mundschleimhaut und lässt sich hieraus folgern, dass einer der beiden Theile Abänderungen erfahren hat. Man könnte nun annehmen wollen. dass die Hautstacheln die primitiven, die Zähne dagegen die abgeänderten und zwar in ihrem histologischen Baue höher differenzirten Gebilde sind. Gegen diese Erklärung spricht aber ausser vielen anderen Gründen schon der Umstand, dass uns das Zahnsystem der Acipenseriden in einem rudimentären Zustand entgegentritt, eine stattgehabte Weiterent- wicklung desselben daher nicht wohl angenommen werden kann. — Wenn wir nun noch weiter in Betracht ziehen, dass die Zähne der Acipenseriden und der Selachier in ihrem Bau übereinstimmen und. dass letztere wieder den Placoidschuppen gleichen, so werden wir wohl einer andern Erklärung den Vorzug geben müssen, nach wel- cher die Hautstacheln der Aeipenseriden die abgeänderten Theile sind. Dieselben haben dann im Vergleich zu den Hautzähnen der Siluroiden und zu den Placoidschuppen der Selachier, welche wir jetzt als die primitiveren Formen beurtheilen, hauptsächlich eine 1) Owen. Odontography. pag. 68. 390 OÖ. Hertwig gewebliche Riickbildung erfahren. Die von den Epithelzellen früher gelieferte Schmelzbekleidung kommt nicht mehr zur Entwicklung; die Dentinröhrchen fehlen, indem die Bildungszellen der homogenen Substanz des Stachels in dieselbe nicht mehr mit Ausläufern ein- dringen: drittens ist die einstmals vorhanden gewesene Pulpahöhle vollständig verknöchert. Die hier gegebene Erklärung werden wir um so weniger bean- standen können, als sich in der That der Nachweis führen lässt, dass von den Umänderungen, durch welche ich die Hautstacheln der Acipenseriden entstanden sein lasse, echte Zahnbildungen in zahlreichen Fällen wirklich betroffen worden sind. Wir kennen Zähne, denen der Schmelzbeleg fehlt, Zähne, deren Dentin keine köhrchen enthält, Zähne, deren Pulpahöhle verknöchert ist. Einige Beispiele mögen hier als Beleg für diese Behauptungen eine Stelle finden. Was den ersten Punct betrifft, so habe ich schon im Laufe die- ser Untersuchung hervorgehoben, wie bei den Zähnchen, welche die Rumpfschilder ‘yon Callichthys bedecken, der Schmelziiberzug sehr spärlich ist und wie es mir an den Zähnchen der Bauchhaut über- haupt nicht mehr gelang, Schmelz nachzuweisen. Durch vollstän- digen Schmelzmangel sind weiterhin die echten Hautzihnchen aus- gezeichnet, welche sich auf den Copulationsorganen der Chimären als spärliche Reste einer ursprünglich über das ganze Integument ver- breiteten Bezahnung erhalten haben (Taf. XXIV Fig. 12). Sie be- stehen aus einem kleinen in der Cutis festsitzenden Basalplättchen und einem von ihm sich erhebenden, langen, dünnen, gekrümm- ten Stachel. An letzterem kann man eine lange Pulpahöhle und um dieselbe echtes Dentingewebe unterscheiden. Dagegen fehlt ein Schmelzüberzug, wie denn bei Anwendung von Salzsäure die Zahn- spitze in ihrer Form nicht verändert und ihre Grundsubstanz nach Auszug der Kalksalze nicht aufgelöst wird. Endlich finden sich in der Literatur mehrfache, genaue Angaben von Schmelzlosigkeit von Zähnen der Mundhöhle (HEInckE. Toms). Für den Mangel der Dentinréhrchen in echten Zähnen haben wir in dieser Abhandlung bereits ein Beispiel kennen gelernt. Während in den reichlich entwickelten und grossen Hautzähnen von Hypostoma das Dentin dicht neben einander verlaufende Röhrchen aufwies, fehlten solche ganz in den auch nach Verbreitung und Grösse redueirten Zähnchen von Callichthys. Die dritte von mir hervorgehobene Umänderung, die Verknö- Ueber das Hautskelet der Fische. 391 cherung der Zahnpapillen, ist eine bei Teleostiern, Amphibien und Reptilien häufig zu beobachtende Erscheinung. Meist bildet sich hierbei eine als Vasodentin bezeichnete Gewebsform. Auf Grund dieser Beobachtungen und der auf den letzten Sei- ten durchgeführten Erörterungen können wir somit zum Schluss die- ser Untersuchung den Satz aufstellen: Die Placoidschuppen der Selachier und die Haut- zähne der Siluroiden sowie die Hautstacheln der Aci- penseriden sind homologe Gebilde und zwar müssen die letzteren von ersteren abgeleitet werden. In den folgenden Untersuchungen wird dieser Satz noch durch weitere Thatsachen gestützt werden und wird zugleich seine Bedeu- tung für die einheitliche Auffassung der Integumentossificationen noch mehr hervortreten, da sich nachweisen lässt, dass auch die mannig- fachen Schuppenbildungen der Teleostier auf einfachere Formen, welche den Hautstacheln der Acipenseriden gleichen, zurückführ- bar sind. Jena, Anfang Mai 1876. Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur (Figur ibs tv or 9. 10. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIII. 2, 5—12 nach in Kalilauge isolirten Präparaten gezeichnet.) Zwei Flossenstrahlen aus der Schwanzflosse von Callichthys lon- gifilis. 1 mal vergr. Ein kleines, mit Kalilauge isolirtes Knochentäfelchen, dessen Zähne abgelöst sind, aus der Umgebung des Afters von Hypostoma. 20 mal vergr. Ein Stück des Hautpanzers von Callichthys longifilis. Natürliche Grösse. Ein Stück des Hautpanzers von Hypostoma Commersonii. Natür- liche Grösse. Ein 2 Zähne .tragendes Knochenpliittchen aus der Umgebung des Afters von Hypostoma. 50 mal vergr. Ein Knochenplättchen mit 2 Zahnsockeln aus der Bauchhaut von Callichthys. 80 mal vergr. Kleinstes Knochenpliittchen mit 1 Zahn aus der Bauchhaut von Callichthys. 80 mal vergr. Knochenplättchen vom gegliederten Theil des ersten Strahles der Bauchflosse von Hypostoma. 20 mal vergr. Isolirtes Schild des Rumpfpanzers von Hypostoma. Natürliche Grosse. Kleinstes Knochenplättchen mit einem Zahnsockel aus der Umgebung des Afters von Hypostoma. 50 mal vergr. Figur 11 und 12. Flossenplättchen von der Peripherie der Schwanzflosse von Hypostoma; das eine von oben, das andere seitlich gesehen. 50 mal vergr. Tafel XXIV. (Alle Figuren mit Ausnahme von Figur 10 nach mit Kalilauge behandelten Figur 1. Figur 2. Präparaten gezeichnet.) Ein Stück Bauchhaut, in Kalilauge aufgehellt, von Acipenser Ruthenus (17 Cm. lang). .10fach vergr. Ein Seitenschild von A. Ruth. (17 Cm. lang). 10fach vergr. —. Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur 10. Figur 11. Figur 12. Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur : Figur Figur ur —_ . O. Hertwig, Ueber das Hautskelet der Fische. 393 Rhombische Schuppen von der Seite des Schwanzes von A. Ruth. (17 Cm. lang). 10fach vergr. Stück eines Riickenschildes von A. Ruth. (17 Cm. lang). 10fach vergr. Vier verschmolzene Hautstacheln von A. Ruth. (30 Cm. lang). 20fach vergr. Sechs verschmolzene Hautstacheln von A. Ruth. (30 Cm. lang). 20fach vergr. Hautstachel von A. Ruth. (17 Cm. lang). S0fach vergr. Ossificationen am Anfang der Flossen. Natürl. Grösse. a. Der ersten Rückenflosse. b. Des oberen Theiles der Schwanzflosse. Stück der Bauchflosse von A. Ruth. (17 Cm. lang). 10fach vergr. Ein Stück des Hautpanzers von A. Ruth. (30 Cm. lang). Naz türliche Grösse. Zahn vom Kiemenbogen von A. Ruth. (20 Cm. lang). S0fach verer. , Hautzahn von Chimaera monstrosa aus der Haut der Copulations- organe. 50fach vergr. Tafel XXV. Durchschnitt durch 2 in sagittaler Richtung sich folgende Schilder des Hautpanzers von Hypostoma. 10fach vergr. Durchschnitt durch die oberflächliche Schicht eines Schildes von Callichthys longifilis. 500fach vergr. Durchschnitt durch ein kleinstes 1 Zahn tragendes Plättchen von Hypostoma aus der Umgebung des Afters. 100fach vergr. Durchschnitt durch 2 auf einander folgende Schilder des Hautpan- zers von Callichthys (?). 10fach vergr. Durchschnitt durch ein Schild des Hautpanzers von Callichthys lon- gifilis. 50fach vergr. Durchschnitt durch 2 Schilder von der Seite des Schwanzes von Callichthys (?). 20fach vergr. Tafel XXVI. Durchschnitt durch ein Stück Bauchhaut von Hypostoma. 20fach vergr. Durchschnitt durch ein kleinstes 1 Zahn tragendes Plättchen von Callichthys. S0fach vergr. Durchschnitt durch die Anlage eines Hautzahns von Hypostoma aus der Bauchhaut. 300fach vergr. e Durchschnitt durch einen Strahl der Schwanzflosse von Hypostoma. 20fach vergr. 394 O. Hertwig Figur 5. Durchschnitt durch die Schwanzflosse von Hypostoma in der Nähe ihrer Peripherie. 20fach vergr. Figur 6. Längsschnitt durch die letzten Flossenplättchen eines Strahles. 50fach vergr. Tafel XXVII. Figur 1—4. Vier in einiger Entfernung von einander verfertigte Durchschnitte aus der Mitte eines Flossenstrahles der Schwanzflosse von Hypo- stoma. 10fach vergr. Figur 5. Querschnitt durch den gegliederten Theil des ersten Strahles der Bauchflosse von Hypostoma. 10fach vergr. Figur 6. Längsschnitt durch den beweglichen Theil des ersten Strahles der Bauchflosse von Hypostoma. 10fach vergr. Figur 7. Durchschnitt durch die Basis eines Strahles der Schwanzflosse von Callichthys longifilis. 10fach vergr. Figur 8. Querschnitt durch den ersten Strahl der Brustflosse eines kleinen Hypostoma. 10fach vergr. Tafel XXVIII. Figur 1. Durchschnitt durch ein Seitenschild von A. Ruth. (17 Cm. lang). 50fach vergr. Figur 2. Schräger Durchschnitt durch einen Hornfaden eines Embryo von Acanthias vulg. 300fach vergr. Figur 3. Durchschnitt durch eimen Hautzahn von A. Ruth. (20 Cm. lang). Sufach vergr. Figur 4. Durchschnitt durch einen Flossenstrahl von A. Ruth. (20 Cm. lang). 50fach vergr. Figur 5. Ende eines Flossenstrahles von Hypostoma mit Kalilauge aufgehellt. 50fach vergr. Figur 6. Querschnitt durch die Schwanzflosse nahe der Peripherie von einem Embryo von Acanthias vulg. Figur 7. Durchschnitt durch einen Belegknochen des Primordialeranium von A. Ruth. (20 Cm. lang). 10fach vergr. Buchstabenerklärung. a. Schmelz. b. Dentin. ce. Cement (Basalplatte). d. Hautstachel. So . Schichtungsstreifen. . Ringband. Tafel XX. a O.Hertwig del. . N Lith Anst.w J.C Bach, Leipztg i | he 1 “4 ~~ a; ew Lith Anstv GBash Lemag tah ane vo Bach beipaig “Morpho!. Jahrbuch 0 ne f . + * Lith: AnstvdG Bach, Leipzig. ‘ ms Lith Anstv.d.6, Bach, leipzig. Ueber das Hautskelet der Fische. 395 . Zapfenartiger Fortsatz an der Basis des Zahns. . Sockel des Zahnes (Knochenring). . Von der Sockelhöhle Seitlich entspringende Caniile. Ausmiindung derselben auf der Oberfläche der Knochenplatten. Odontoblastenschicht. . Schmelzmembran. . Epithelscheide um die Zahnbasis. . Schleimzellen. . Subepidermoidale Schicht. . Aus sich kreuzenden Bindegewebslamellen bestehende Cutis. . Lymphartige Hohlräume. . Zwischenschuppenband und Längsband der Flossenplättchen. . Kreuzband der Flossenplättchen. . Durehschnitte der Hornfiiden. . Hornfäden. . Sklerosirte Gewebslage iiber den Hornfäden. Erste Anlage eines Flos- senplättchens. . Dorsalschilder. . Seitenschilder. . Bauchschilder. . Zwischen den Schilderreihen liegende mit Hautstacheln bedeckte Haut. . Primordialeranium. F. Vorderer unbezahnter Theil eines Schildes. . Bezahnter hinterer Randtheil eines Schildes. . Obere Schicht der Schilder von Callichthys longifilis. N. Mittlere - = = a A, a O. Untere - = - = = = ir. Durch Verschmelzung hintereinanderliegender Flossenplättehen ent- standenes ungegliedertes Flossenstück. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. Von C. Gegenbaur. Die verschiedenen die Morphologie der Gliedmaassen der Wir- belthiere betreffenden grésseren Fragen bilden ebensoviele theils un- versuchte, theils noch nicht zur völligen Lösung gelangte Probleme, an welche zugleich die Möglichkeit eines Weiterschreitens in der Er- kenntniss dieser grossen Abtheilung des Thierreiches geknüpft ist. Diese Probleme betreffen erstlich das Verhalten der verschiedenen Hauptformen der als Gliedmaassen erscheinenden paarigen Anhangs- gebilde des Körpers zu einander, zweitens das Verhalten des vorde- ren Paares zum hinteren, d. h. die Frage inwiefern in beiden eine und dieselbe Grundform besteht, so dass die Verschiedenheiten sich als Modifieationen einer solchen Grundform ergeben; endlich drittens die Phylogenie der Gliedmaassen. Indem es sich sowohl beim er- sten als auch beim zweiten Problem um die Auffindung von »Grundfor- men« handelt, um den Nachweis eines gemeinsamen Urtypus, der durch die Aenderung der an ihn gestellten functionellen Ansprüche, und der darauf basirten physiologischen Leistungen mannigfaltigste Modificationen erleidet und Umgestaltungen eingeht, grenzen diese beiden Probleme ganz nahe ans dritte. Dieses ist aber nicht unab- hängig von jenen, denn jene anderen bilden die Vorstufen auf denen man zu ihm gelangen wird, sie sind die Voraussetzungen, die voll- ständig und allseitig klar liegen müssen, wenn die von ihnen aus- gehende Forschung nicht auf’s Gebiet gewagter Speculation verfal- len soll. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 397 Was das erste Problem betrifft, so dürfte gegenwärtig die Auf- fassung zur allgemeinen Anerkennung gelangt sein, dass wir es nur mit zwei in ihrem Verhalten zu einander noch manche untergeord- nete Frage iibrig lassenden Hauptformen zu thun haben. Die eine ist bei den Fischen verbreitet, erscheint als Flosse, deren einzelne Theile mehr oder minder innig unter einander verbunden sind, und in der articulirenden Verbindung nur an einer einzigen Stelle, näm- lich an dem Anschlusse an den Gliedmaassengiirtel, einen höheren Grad der Beweglichkeit ausgebildet zeigen. Das steht wieder in engem Zusammenhange mit der Function, die uns die Flosse als Ganzes, sei es als Ruder- sei es als Schraubenfläche wirksam zeigt. Die andere Hauptform ist bei den über den Fischen stehenden Wirbelthieren ausgeprägt. Sie zeigt uns die Gliedmaasse nicht mehr in festem Zusammenhange ihrer Einzeltheile, vielmehr beste- hen grössere, beweglich unter einander verbundene, vermittels aus- gebildeter Articulationen bedeutendere Lageveränderungen gegen- einander ausführende Abschnitte. Diese sind nicht in einer Ebene entfaltet wie es die Flosse der Fische ist, sondern nehmen Winkel- stellungen zu einander ein. Es vermag diese Gliedmaassenform mit ihrem letzten; breiter gestalteten Abschnitte noch als Ruder zu wir- ken, aber sie erscheint vorwiegend durch die Anordnung ihrer ein- zelnen Abschnitte zu einem Hebelsystem umgebildet, und zur Bewe- gung des Körpers auf dem Lande bestimmt. Diese beiden Hauptformen vertheilen sich, nach ihren allgemein- sten Verhältnissen betrachtet, jedoch nicht strenge nach den oben hervorgehobenen Abtheilungen. Unter den höheren Vertebraten re- präsentirt die Gliedmaasse der Enaliosaurier oder auch die der Ce- taceen die Flossenform, ebenso wie unter den Fischen bei manchen Teleostiern (Pediculati) an der Vordergliedmaasse die Sonderung grösserer im Winkel zu einander gestellter Abschnitte ausgeführt ist. Die nähere Untersuchung dieser Befunde lehrt jedoch überzeu- gend, dass jene Formen nur scheinbar aberriren, dass die einen nichts weniger als der höheren, die anderen niehts weniger als der niederen Form angehören, und dafür bildet die Grundlage die Prüfung der Skelettheile: die vergleichende Osteologie. Auf dem Wege der Vergleichung der Skeletgebilde der Glied- maassen, der zunächst zu einer Ausscheidung der vom Integumente ge- lieferten Stützbildungen führt, und die dem primären mit knorpeliger Anlage versehenen Skelete zugehörigen Bildungen für sich beurtheilt, ist es möglich die selbst unter den Fischen bestehenden mannig- 398 C. Gegenbaur fachen Befunde unter einen gemeinsamen Gesichtspunct zu bringen und eine Einrichtung aufzufinden, die als primitive bezeichnet wer- den darf. Nachdem die Cuvier’sche Deutung des Gliedmaassen- skeletes der Fische bisher die herrschende war, versuchte zuerst Brucu!) die Anbahnung eines Fortschrittes, indem er das primäre, innere Skelet vom Hautskelet scheidend, das Gliedmaassenskelet der Selachier und Teleostier enger verknüpfte. Wenn auch die Deutung der Theile nicht völlig dem naturgemässen Verhalten entsprach, so ist jener Arbeit doch das grosse Verdienst zuzusprechen, zuerst auf neue Bahnen eingelenkt zu haben. Auf Grund neuer, ausgedehn- terer Untersuchungen und daraus sich ergebenden anderen An- schauungen setzte ich mir zur Aufgabe, zunächst jenen Zusammenhang der Formen des Flossenskelets unter den Fischen fester zu begrün- den?), so dass an der Zusammengehörigkeit aller Befunde bei Se- lachiern, Chimären, Ganoiden und Teleostiern kein begründetes Be- denken bestehen konnte. Auf der anderen Seite war es möglich auch für die höheren Vertebraten, von den Amphibien an, einen Zusammenhang der Einrichtungen nachzuweisen. Die genauere Untersuehung des carpalen und des tarsalen Abschnittes der Glied- maassen war dazu wesentlich fördernd?), so dass bis dahin gerade bei Amphibien und Reptilien nur wenig oder doch nur oberflächlich beachtete Theile als zum Verständniss der gesammten Gliedmaassen- bildung ausserordentlich wichtige Factoren sich gestalteten®). Aus der Erkenntniss dieses Zusammenhanges trat allmälig das Gemein- same, Typische, hervor, und es konnte die Verschiedenheit der in den grösseren Abtheilungen bestehenden Verhältnisse als etwas se- eundäres dargestellt werden, wobei der Ausbildung einzelner, der kückbildung anderer Stücke und endlich der Concrescenz eine stu- fenweise und in verschiedenem Maasse sich geltend machende Be- deutung zugewiesen werden musste. Die Amphibien bildeten dabei den naturgemässen Ausgangs- punet. War nachweisbar, dass die hier getroffenen Befunde in Allem primitivere Verhältnisse darboten, als bei Reptilien oder gar Vögeln oder Säugethieren , so musste der Weg rückwärts zu den 1) Zeitschr. für wiss. Zoolog. Bd. IX. pag. 165. 2) Ueber den Brustgürtel und die Brustflosse der Fische. Jen. Zeitschrift Bd. II. pag. 121 — und Untersuchungen zur vergl. Anat. der Wirbelthiere. II. 1865. 3) Untersuchungen I. 1864. 4) Untersuchungen II. 1865. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 399 niederen, bei Fischen bestehenden Formen gleichfalls nur von den Amphibien aus beginnen. Es waren aber bei den Fischen nicht in jenen Abtheilungen, an deren Gliedmaassenskeleten im Vergleiche zu anderen bereits bedeutende Riickbildungen bestanden, die directen Vergleichungs- objecte zu suchen, sondern nur bei solchen die urspriinglichere, min- der modifieirte Befunde darboten. Dazu boten sich die Selachier dar. Das typische in der Bildung des Flossenskelets dieser Fische erwies sich in Uebereinstimmung mit dem Verhalten des für die Amphibien gefundenen. Eine Reihe von Skeletstücken, deren erstes dem Gliedmaassengürtel angetiigt ist (Stammreihe), trägt lateral eine Anzahl anderer Stücke (Radien), die wieder in verschiedener Art in einzelne Glieder aufgelöst sind. Ich bezeichnete diese Grundform als » Archipterygium«!) (1569). Mit ihrem Auffinden war die Brücke geschlagen, über die bedeutende Kluft, welche bis dahin die Fische von den höheren Wirbelthieren bezüglich des Verhaltens der Glied- maassen trennte. Es war aber gleichsam eine Nothbrücke, deren einzelne Theile noch der festeren Fügung entbehrten. Das zeigte sich als mit dem Kundwerden der Organisation von Ceratodus in einer ausgezeichneten Abhandlung GÜnTHEr’s?) ein Gliedmaassen- skelet dargelegt wurde, welches zwar das von mir aufgestellte Ar- ehipterygium enthielt, aber noch mehr als dieses. Das Archiptery- gium erwies sich danach nicht auf eine irrige Idee gegründet, aber es war unvollständig. Eine Aenderung in der Auffassung des Archipterygiums war geboten. Ceratodus trägt in seinem Flossen- skelete offenbar einen noch ursprünglicheren Zustand als die Se- lachier; GÜNTHER hatte es mit dem von Acipenser verglichen. Näher wären die Selachier gelegen, denn das Flossenskelet von Acipenser leitet sich von diesen ab, nicht umgekehrt. Der Befund von Cera- todus widersprach in keiner Weise meiner Hypothese, ja er bestä- tigte sie, wenn das Archipterygium modifieirt, und an dem Flossen- stamm nicht, wie ich anfänglich nach der damaligen Lage der be- kannten Thatsachen es musste, nur eine Radienreihe, sondern deren zwei angenommen wurden. Dem Flossenstamme wurden also dieser aus neuen Thatsachen entspringenden Auffassung gemäss zwei Rei- hen von Strahlen zugetheilt, und in dieser Gestalt entsprach ihm !) Ueber das Skelet der Gliedmaassen der Wirbelthiere im Allgemeinen und der Hintergliedmaassen der Selachier insbesondere. Jen. Zeitschrift. Bd. V. pag. 425. 2) Philos. Transactions. 1871. Part II. Description of Ceratodus. Morpholog. Jahrbuch. 2. 37 400 C. Gegenbaur nicht nur das Flossenskelet von Ceratodus, sondern auch jenes der Selachier, wenn man fiir letztere die stattgehabte Riickbildung einer Reihe annahm. Dass diese Annahme nicht eine blosse Ver- muthung, sondern thatsächlich begründbar war, erwiesen fernere Untersuchungen an dem Gliedmaassenskelet der Selachier. Das Ende der Brustflosse von Haien ergab mir!) deutlich noch Reste einer zweiten Radienreihe, und BunGE? zeigte darauf (1873) das Vorkommen solcher , einer zweiten Reihe angehörigen Reste von Radien bei einer grossen Anzahl von Rochen. Dass das biseriale Archipterygium als Grundform für Ceratodus, die Selachier, Chimä- ren und Dipnoi gelten durfte, ward seitdem durch keine Thatsache widerlegt. Die Zugrundelegung dieses Archipterygiums bei der Betrach- tung der Flossenskelete der genannten Fischabtheilungen lässt das Constante vom Wechselnden, Wesentliches vom Unwesentlichen son- dern und gibt die Verknüpfung für mannigfaltige und oft sehr un- durchsichtige Formzustände. Die Beziehung des Archipterygium auf die Gliedmaassenbildung der höheren Wirbelthiere musste vor Allem an die für die Amphibien als typisch angenommene Grundform anknüpfen. In dieser Hinsicht darf ich als nieht unwichtig anführen, dass eine Reihe von Unter- suchungen über das Gliedmaassenskelet der Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugethiere bezüglich der kritischen Punete, um welche sich die von mir versuchte Darstellung des Zusammenhangs der mannigfaltigen Formzustände dreht, keine fundamentalen Aenderun- gen gebracht hat. Es sind das die Untersuchungen von Morse °) über den Tarsus und Carpus der Vögel, jene von A. ROSENBERG *) über den gleichen, auch noch die Säugethiere mit umfassenden Gegenstand. LEYpiG’) prüfte das Gliedmaassenskelet der Eidech- sen. Durch Born‘) erfuhr jenes der Anuren wie der Tarsus meh- rerer Sauriergruppen eine genaue Durchforschung, und WIEDERS- 1) Ueber das Archipterygium 1871. Jen. Zeitschr. Bd. VII. pag. 131. 2) Ueber die Nachweisbarkeit eines biserialen Archipterygium bei Selachiern und Dipnoern. Jen. Zeitschrift. Bd. VIII. pag. 293. 3) Annals of the Lyceum Natural History, New-York. Vol. X. 1872. ) Ueber die Entwicklung des Extremitätenskeletes. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXIII. 5) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. pag. 60, 63. 6) Die sechste Zehe der Anuren. Dieses Jahrbuch. Bd. I pag. 435 und: Zum Carpus und Tarsus der Saurier. Dieses Jahrbuch. Bd. II pag. 1. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 401 HEIM!) hat an einer grösseren Anzahl von Salamandrinen die Skeletverhiltnisse an Vorder- und Hintergliedmaassen genau festge- stellt. Auch das Auffinden eines Centrale Carpi beim Menschen durch E. ROSENBERG?) spielt hier eine bedeutsame Rolle. Dadurch wurden meine früheren Angaben theils bestätigt, theils erweitert, theils berichtigt. Die specielleren‘ Beziehungen des Archipterygium hatte ich «dahin gedeutet, dass ich für die höheren Wirbelthiere die Stamm- reihe durch Humerus’ und Radius an der vorderen Gliedmaasse, für die hintere Gliedmaasse durch Femur und Tibia zur grossen Zehe (Innenzehe) laufend annahm. Das Wesentliche dieser Anord- nung bestand darin, dass Finger wie Zehen mit ihren Phalangen- stiicken sich mit den Elementen des Carpus oder Tarsus zusammen in schräge Reihen ordnen liessen, von denen eine an der Vorder- gliedmaasse noch die Ulna und an der Hintergliedmaasse die Fibula mit begriff. Diese Reihen entsprechen offenbar Radien die wie jene des Archipterygiums an einem Gliedmaassenstamm (der Stammreihe) befestigt sind. Alle die einzelnen Stücke, sowohl des Stammes als der Radien, durften als ursprünglich von einander we- nig verschieden gelten — ähnlich wie sich das noch in der Flosse ‚der Selachier findet, oder wie es auch bei den Ichthyosauriern zu treffen ist. Die Bildung einzelner, bald aus grösseren bald aus kleine- ren Stücken zusammengesetzter Abschnitte wäre dann eine secundiire Erscheinung. Mit der Anpassung der ursprünglich als Ruderorgan fungirenden Flosse an eine, durch die Ortsbewegung auf dem Boden bedingte neue Function des Organs, wird, ohne dass die primitiven Lagebeziehungen der einzelnen Theile des Gliedmaassenskelets eine wesentliche Aenderung erfahren, eine Umgestaltung durch »transver- sale Differenzirung« als nothwendige Folge gelten dürfen. Diese Erscheinung spricht sich darin aus, dass die quer in der Gliedmaasse bei einander liegenden Stücke in einzelnen Abschnitten sich ver- schieden ausbilden. Das Resultat ist die Sonderung in Oberarm, Vorderarm, Handwurzel, ete. — Diese Ableitung des Giedmaassenskeletes höherer Wirbelthiere von einer auch den Flossen der Fische zu Grunde liegenden Bildung, 1) Salamandrina perspicillata und Geotriton fuscus. Versuch einer vergl. Anat. der Salamandrinen. Würzburg 1875. 2) Ueber die Entwickelung der Wirbelsäule u. d. Centrale Carpi des Menschen. Dieses Jahrbuch Bd. I pag. 172. 27° 402 C. Gegenbaur hat ihren Kern in der Nachweisbarkeit eines Flossenstammes und diesem lateral angefiigter Strahlen (Radien), wobei die Anordnung der einzelnen Stücke des Carpus und Tarsus von grösstem Belange ward. Meiner Darstellungsweise des Zusammenhanges der Gliedmaas- senbildung höherer und niederer Wirbelthiere wurden manche an- dere Versuche entgegengestellt. Eine Kritik erfuhr sie durch HuxreyY!). Ich sehe diese für sehr wichtig an, da sie mich zur Verbesserung eines Fehlers leitet, der in meiner früheren Auffassung bestanden hatte, wenn ich auch nicht Allem von dem genannten Forscher Anufgefühten beistimmen kann. Einer Vorführung meiner Auffassung knüpft HuxLey Alan Bemerkung an: »Es scheint mir vor Allem, dass wenn die Axe des Archipterygium das Homologon des Metapterygium des Fisches ist, ihr distaler Abschnitt der Ulna und den ulnaren Handwurzelknochen und Fingern, nicht aber dem Radius und den radialen Handwurzel- knochen und Fingern entsprechen muss; die ersteren sind die postaxia- len Elemente der höheren Wirbelthiergliedmaassen, und müssen da- her dem postaxialen Metapterygium entsprechen. Ausserdem lässt diese Theorie keinen Raum für Ceratodus mit seiner doppelten Reihe von Seitenstrahlen an der Gliedmaassenaxe. Es will mich bedünken, als ob mit einigem Scharfsinn die höhere Wirbelthier- gliedmaasse gerade so gut auf den Ceratodustypus als auf den von GEGENBAUR'S Archipterygium zurückzuführen sei.« Diese Be- merkung enthält einen negativen und einen positiven Theil; der erstere betrifft meine Archipterygiumtheorie, die bestritten wird, der zweite stellt die Möglichkeit einer neuen, der meinigen entgegen- zusetzenden Ableitung des Gliedmaassenskelets auf. Was das Verhalten des Archipterygiums zu Ceratodus betrifft, so kann ich nur bedauern, dass HuxtLeY von meiner gerade auf Grund des Befundes des Gliedmaassenskeletes bei Ceratodus weiter- gebildeten Form des Archipterygiums?) keine Notiz nehmen konnte. Er hätte gesehen wie das Archipterygium auch für Ceratodus Raum hat (vergl. oben pag. 399). Durch Ceratodus wird die biseriale Form des Archipterygiums begründet und diese Form wird durch die Selachier ') Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. Deutsche Ausgabe. Bres- lau 1573. pag. 34. Der beziigliche Passus ist ein dieser Ausgabe gewordener, dem englischen Original fehlender Zusatz. 2) Ueber das Archipterygium. (1871.) Jen. Zeitschr. Bd. VII pag. 131. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 403 postulirt. Die biseriale Form steht aber nicht im Widerspruche mit der uniserialen, denn die letztere erscheint nur als eine Reduction der ersteren, wie wiederum bei den Selachiern zu ersehen ist‘). Wenn es also eine biseriale Form als primitive gibt, so muss jenen Beispielen zufolge zugegeben werden, dass die uniseriale daraus her- vorgehen kann, und dass sie da, wo sie erkennbar erscheint, mit aller Wahrscheinlichkeit auch daraus hervorgegangen ist. Hinsichtlich der von HuxLey angenommenen Möglichkeit der Zurückführung der Gliedmaassen der höheren Wirbelthiere auf den Ceratodustypus, also auf das biseriale Archipterygium, möchte ich Bedenken äussern. Die in diesem Falle nothwendig anzunehmende axiale Reihe, dem Stamm des Archipterygiums entsprechend, würde zwischen die Vorderarmstücke oder die beiden Stücke des Unter- schenkels fallen, also dahin, wo kein Skelettheil liegt. Denn wollte man das Intermedium als ein dem Stamm des Archipterygiums zugehöriges Stück betrachten, so widerspräche dem die Thatsache, dass es nie bis zum Basale (Humerus oder Femur) reicht, selbst nicht bei Ichthyosauriern, wo die bedeutendste Kürze der Stücke jene Beziehung am Möglichsten erscheinen liesse, dass also kein thatsächlicher Grund besteht, den Stamm es in sich fortsetzen zu lassen. Ein zweiter Gegengrund liegt in der Duplicitiit des Cen- trale. Sie ist zwar (abgesehen von den Enaliosauriern) bis jetzt nur im Tarsus von Cryptobranchus erwiesen (HYRTL, VAN DER HOEVEN), aber dieser eine Fall ist als Hinderniss schon deshalb bedeutend genug, weil wir im Carpus und Tarsus der Amphibien zwar mancherlei Conereseenzen von Skelettheilen, aber keinerlei, etwa durch Theilungen entstandene Vermehrung der Skelettheile kennen?. Die Annahme, dass das einfache Centrale einen primitiven Zustand repräsentirt, das 1) ]. cit. und A. ‘BuNGE. 2) Die von WIEDERSHEIM (op. eit. pag. 137) erwähnte Vermehrung der Carpusstücke auf 10 in einem bei Salamandrina beobachteten Falle, kann wohl nicht hierher zählen, ebensowenig als die von demselben Forscher am Tarsus von Triton eristatus gemachte Beobachtung, die auch eine Vermehrung der Metatarsen und Phalangen betraf (pag. 149). In beiden Fällen handelt es sich um eine Anomalie, und WIEDERSHEIM ist gewiss im Rechte wenn er auch für den ersten Fall eine Entwickelungshemmung als einzige Ursache der Erscheinung in Frage stellt. Für die Vermehrung der Finger oder Zehen unter gleichzeitiger Vermehrung der Carpus- und Tarsus - Elemente könnte auch ein atavistisches Moment die Ursache abgeben, wenn nicht eine Missbil- dung (Duplieitas) zu Grunde liegt. Zur Feststellung des Urtheils bedarf es je- doch der Kenntniss der Anordnung der bezüglichen Skelettheile. 404 C. Gegenbaur doppelte Centrale dagegen einen secundären, ist also schwerer be- gründbar, als der umgekehrte Fall. Aus diesem zwiefachen Grunde möchte ich die von HuxLEy aufgeworfene Möglichkeit einer directen Vergleichung des vollständigen, biserialen Archipterygium (resp. des Ceratodentypus) mit dem Gliedmaassenskelet der höheren Wir- belthiere als mit den grössten Schwierigkeiten verbunden ansehen. In anderer Weise erscheint der meinem Erklärungsversuche gemachte Einwurf, dass die Axe des Archipterygiums durch die Ulna (resp. Fibula) und nicht durch den Radius (resp. Tibia) laufen müsse. Es richtet sich dieser Einwurf aber nicht gegen das Fun- dament meiner Theorie, sondern nur gegen die Art der Anwendung derselben. Die Annahme eines Archipterygiums, aus einer Stamm- reihe und uniserial daran gefügten gegliederten Radien wird nicht dadurch beeinträchtigt. Nach der Art wie HuxLeY'!) die Aenderung der Stellung der Gliedmaasse auffasst, ist jene Annahme durchaus geboten. Dagegen ist es nicht ausser jedem Zweifel, ob nicht auch eine andere Annahme zulässig sei, als die eine laterale Bewegung statuirende, durch welche die ursprüngliche Dorsalfläche der Glied- maasse allmälig zur vorderen wird. Denkt man sich nämlich die Flosse aus der horizontalen in eine vertikale Lage übergehen, so wird man bei von da aus erfolgender allmäliger Vorwärtsrichtung der Gliedmaasse die frühere Dorsalfläche als ventrale erhalten, und dann wird die Axe des Archipterygiums durch den Radius (resp. Tibia) treten. Für beiderlei Annahmen liegen keine unmittelba- ren Beobachtungen vor, allen ich gestehe bereitwillig, dass die Hvxtey’sche Annahme einen grösseren Grad der Wahrscheinlich- keit für sich hat. Ich halte sie für die bessere, weil die Anordnung der Flossen (bei Selachiern) und ihre Verbindung mit dem Körper eher auf jene Lageänderung hindeutet. Die Verhältnisse des Carpus und Tarsus der Amphibien gestat- ten aber das, was von Huxuey als ein Grund gegen meine Theorie angenommen wird, die Stammreihe an der ulnaren (resp. fibularen) Seite anzunehmen, und so den Typus des Archipterygiums auch in dieser Modification in seinem wesentlichen Verhalten zu begründen. In ganz gleicher Weise ist das auch für die Gliedmaasse der Enaliosaurier ausführbar. In allen diesen Fällen besteht ein ge- gliederter Stamm (Stammreihe), von dem vier gegliederte Radien ') A Manual of the Anatomy of vertebr. animals. pag. 32. Zur Morphologie der Gliedmaassen- der Wirbelthiere. 405 abgehen. Eine Begründung wird dieser Aenderung ausser dem von Hux ry hervorgehobenen, auf die Stellung der Gliedmaasse bezüg- lichen. Verhalten, durch einen Befund am Intermedium. Bei meiner früheren Untersuchung!) hatte ich dieses Knorpelstück bei Salamander- Embryonen mit Dottersack für den Carpus »in unentschiedenen Bezie- hungen« zu Radius und Ulna dargestellt und auch für den Tarsus waren mir keine ausgesprochenen Beziehungen zu einem Knochen des Unter- schenkels hervorgetreten. Dem gegenüber fand ich später an Lar- ven bei etwas mehr differenzirtem Skelet eine unverkennbare Be- ziehung des Intermedium zur Ulna an der vorderen, wie zur Fibula an der hinteren Gliedmaasse, so dass ein Blick vorzüglich auf letz- teres Object genügt, um die darin sich kundgebende laterale Verbindung der Ra- dien mit einer durch die Fibula sich er- streekenden Axe des Gliedmaassenskelets er- kennen zu lassen (s. Holzschnitt). Auch in den von WIEDERSHEIM gegebenen trefflichen Figuren sind solche Verhältnisse wahrnehm-- bar. Das Intermedium im Tarsus von Sa- lamandrina (Fig. 79) wie von Geotriton (Fig. 112) ist bedeutend in die Länge ge- streckt und correspondirt mit der dieser Ausdehnung entsprechenden Axe der Fibula. Letzteres trifft sich bei minderer Längsent- faltung auch für das tarsale Jntermedium von Salamandra atra (Fig. 117) und Triton eristatus (Fig. 114). In dem von mir vor 12 Jahren abgebildeten Tarsus eines Embryo von Sal. maculosa ist übrigens schon eine nähere Beziehung des Intermedium zur Fibula ausgedrückt. Wer die Form- erscheinungen nicht für gleichgiltig ansieht, sondern sie als durch ursprünglich ausser ihnen gelegene Causalmomente entstandene, demnach als gesetzmässig bedingte beur- theilt, wird in jenem Verhalten des Inter- medium Beziehungen erkennen müssen, die nur auf eine Anfügung dieses Stückes an Fig. 1. !) Untersuchungen I. pag. 5. 406 C. Gegenbaur die Fibula schliessen lassen. Kann man aber von dem Intermedium aus in distaler Riehtung eine Reihe von Skelettheilen sich fortsetzend nachweisen, so kann diese sammt dem Intermedium auf einen Ra- dius (Strahl) bezogen werden, wie ähnlich auch mit der Tibia ein solcher vom Femur beginnt. Für die Vordergliedmaasse hat ähn- liches zu gelten. Ich halte also die von mir gegebene Deutung des primitiven Gliedmaassenskeletes der höheren Wirbelthiere in ihrer Ableitung vom Flossenskelete der Selachier nicht nur für begründbar, sondern auch für begründet, und kann nur die Entgegnung als triftigen Ein- wand gelten lassen, welche den Nachweis liefert, dass in jenem zum grossen Theile noch bei den Amphibien vollständig existirenden primitiven Skelet kein dem von mir als Flossenstamm bezeichneter Complex erkannt werden könne, und dass die Anordnung der übrigen Stücke nicht aufdiesem Stamme angefügte gegliederte Radien (Strahlen) beziehbar seien. Ein solcher Nachweis ist noch nicht geliefert wor- den. Hatte ich mich darin geirrt, dass ich die in das Gliedmaassen- skelet der Amphibien übergehenden Radien an einer andern Seite des Stammes angefügt vorstellte, weil ich den mit Humerus oder Fe- mur beginnenden Stamm durch die Speichen- (resp. Schienbein-) Seite der Gliedmaasse verlaufend dachte, so hat dieser Irrthum etwas re- lativ minder Wesentliches betroffen, denn das Wesentliche meiner Theorie lag nicht in der speciellen Vergleichung der einzelnen Stücke nicht in dem Nachweis besonderer Homologien zwischen allen ein- zelnen bei Fischen und Amphibien bestehenden Elementen des Glied- maassenskelets, sondern vielmehr in der Aufstellung einer Grund- form für jene mannigfachen bis dahin nicht verstandenen Skeletbil- dungen. In meiner grösseren Arbeit habe ich, von der Vorderglied- maasse ausgehend, bereits dieses Wesentliche hervorgehoben, in- dem ich meine Ergebnisse in folgenden hier wörtlich wieder- gegebenen Passus zusammenfasste'): »Am Skelet der Vor- derextremität der höheren Wirbelthiere lässt sich also im Wesentlichen die gleiche Einrichtung wie am Metapterygium der Brustflosse der Selachier erken- nen. Eine Folge von Skeletstücken, von denen die proximalen stärker sind als die distalen, bildet die Stammreihe, an welchen seitlich gegliederte Radien 1) Untersuchungen II. pag. 166. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 407 sitzen. Bei den Selachiern sind diese zahlreicher. Die oberen Glieder der Stammreihe, vor Allem das Basale, tragen viele Radien. Bei den Amphibien tritt von jedem Glied der Stammreihe, auch von dem aus dem Basale des Metapterygium hervorgegangenen »Humerus«, nur Ein Strahl ab, der wieder gegliedert ist, und wie die folgenden Strahlen einige seiner Glieder in plat- tenförmige Stücke umgewandelt zeigt, die zusammen einen besonderen Abschnitt bilden, den Carpus, von dem die Enden der Strahlen als Metacarpus und Pha- langen hervorgehen.« An dieser Darstellung habe ich auch heute, nach elf Jahren, kein Wort zu ändern, denn das was sie geben sollte, wird durch die besprochene Modifieation nicht berührt. Als ebenso wie der Verlauf der Stammreihen erst in zweiter Linie stehend, halte ich die Zahl der Strahlen, darin hat sich mir gleichfalls eine Modification der Auffassung aufgedrängt. Wie die Zahl schon bei den Selachiern eine ausserordentlich variable ist, sehe ich sie auch für die höheren Wirbelthiere nicht mehr in dem engen Rahmen begrenzt. wie ich das in der Aufstellung einer tetractinoten Form des Archiptery- giums ausdrückte!). Ich musste aber schon damals anführen, dass noch Reste eines fünften Strahles bestehen. Damit entkleidete sich die Bezeichnung »tetractinot« ihrer prineipiellen Bedeutung, und sie drückte nur der polyactinoten Form gegenüber eine Minderzahl der Radien aus, welcher Zustand sich besser als oligactinot be- zeichnen lässt. Spricht sich in einer Betonung des Mehr oder Min- der auch kein strenger Gegensatz aus, so entspringt daraus ge- rade ein Vorzug für die Bezeichnung, da bei der Ableitbarkeit von beiderlei Zuständen von einander ein soleher Gegensatz auch nicht in aller Schärfe behauptet werden darf. Die Zahl der Radien als eine auf die Vierzahl beschränkte auf- zugeben, oder diese doch nicht als einen exelusiven für die höheren Wirbelthiere sich treffenden Befund anzusehen, veranlassen mich mehrfache Gründe. Einmal ist es das vorhin berührte Vorkommen von Resten eines anderen Radius am ulnaren oder fibularen Rande der Gliedmaasse (bei Enaliosauriern), wo dann nach der gegenwär- tig zu gebenden Darstellung die Anfügung an der anderen Seite des 1) Ueber das Skelet der Gliedmaassen der Wirbelthiere. Jen. Zeitschrift Bd. V pag. 447. 408 C. Gegenbaur Stammes; der primitiven Gliedmaassenskeletform, wieder auf ein biseriales Archipterygium verwiese. Dann würde auch der von Born bei Anuren als sechster Finger beschriebene Complex von Skelettheilen gleichfalls auf einen aber der Speichenseite der Vor- dergliedmaasse zukommenden, bei den Uebrigen nicht mehr zur Ent- wickelung gelangenden Rest eines Radius zu deuten sein. Endlich muss ich als triftigsten Grund die Möglichkeit anführen, dass auch weniger als vier Radien mit der Stammreihe dem Gliedmaassen- skelet zu Grunde liegen, dann nämlich wenn sich erweisen sollte, dass das einfache Centrale carpi einen primitiven Zustand repräsentirt und nicht, wie nur durch die Vergleichung mit der Hinterglied- maasse von Cryptobranchus zu folgern ist, aus zweien untereinander verschmolzenen entstand. Dieses einfache Centrale carpi lässt näm- lich die Auffassung zu, dass es zwei distale Reihen (also zwei Fin- ger) mittels des Intermediums dem Stamm verbindet, so dass also hier innerhalb des Archipterygiums ein getheilter Strahl bestanden habe. Da eine solche Auffassungsweise nicht so einfach abzuwei- sen ist, kann auch auf die Fingerzahl der Gliedmaasse nicht ein solcher Werth gelegt werden, dass sie für Bestimmung der Radien- zahl für alle Fälle exclusiv bedeutsam sei. Es passt aber auch eine solche Theilung eines Strahls völlig in den Rahmen des Archipte- rygium. Für manches speciellere Verhalten, Lageverschiebungen der Carpalia und dergl., müssen auf reicheres Material ausgedehnte For- schungen Aufklärung bringen. Mit Vorstehendem glaube ich die Bedenken beseitigt zu haben, welche der Aufstellung einer Grundform des Skeletes für die paari- sen Gliedmaassen der Wirbelthiere entgegengestellt werden konn- ten. Diese Grundform ist das biseriale Archiptery- gium. Von ihm ausgehend können einerseits alle den ‚Fischen zukommende Einrichtungen abgeleitet werden, sowie andererseits auch die höheren Wirbelthiere ihr Gliedmaassenskelet auf diese Grund- form zurückführen lassen, indem deren wesentlichste Verhältnisse, eine Stammreihe und dieser lateral angefügte Strahlen, auch noch bei den Amphibien deutlich zu erkennen sind. Dass dieses Archip- terygium in beiden grossen Gruppen der gnathostomen Wirbelthiere in sehr verschiedener Weise Modificationen erleidet, entspricht der Divergenz dieser Gruppen; dass es in den am weitesten vom Aus- gangszustande entfernten Abtheilungen dieser Gruppen (Teleostier — Vögel und Säugethiere) die relativ grössten Umgestaltungen zeigt, ist wieder nur der Ausfluss der naturgemässen Stellung dieser Ab- Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 409 theilungen: Aus der Mannigfaltigkeit der Modification das Einheit- liche der Form zu finden, ist aber Aufgabe der vergleichenden Forschung. Zur Erläuterung der zwei Hauptformen des Gliedmaassenskele- tes der Wirbelthiere gebe ich die beiden untenstehenden Figuren (2 und 3) woran ich einige Bemerkungen knüpfen will. Fig. 2 stellt den Vordertheil des Körpers eines Selachiers dar. in welchem der Schultergürtel angedeutet ist. In die Umrisse der darangefüg- ten Brustflosse ist deren Skelet nach dem Typus von Acanthias etwas vereinfacht eingezeichnet. Die Brustflosse ist von der ven- tralen Fläche gesehen. Man beachte für später die schräge An- ordnung der drei Basalia am Schultergürtel. Das Metapterygium (Mpt) liegt medial, und hat noch einige Radien an seiner medialen ira > Ihm! Ip @ My h | | Ki Seite. Eine Rückbildung des Pro- und Mesopterygium wird das Basale des Metapterygium als einziges Verbindungsstück der Flosse mit dem Schultergürtel erscheinen lassen, und der ganzen Glied- maasse grössere Freiheit der Bewegung am Schultergürtel gestat- ten. Dass nur ein Basale, jenes des Metapterygiums existirt, ist von Seymnus bekannt. Vergleichen wir hiermit das Gliedmaassenskelet eines Amphi- bium. In Fig. 3 ist eine der vorigen entsprechende Ansicht des Vordertheils eines Amphibium gegeben. An dem dorsal in Scapula, ventral in Coracoid verlaufenden Schultergürtel sitzt die Gliedmaasse Fig. 3. mittelst eines einzigen Skelettheiles, des Humerus. Die Stellung der Gliedmaasse ist der Wirklichkeit entsprechend, die Dorsalfläche 410 C. Gegenbaur ist lateral gerichtet. Es ist also hier, im Vergleiche mit der an- deren Figur, die entgegengesetzte Fliche sichtbar. Das eingetragene Skelet habe ich nach dem im Allgemeinen bereits früher begriinde- ten Verhalten schematisch gehalten, demgemäss auch fünf Finger dargestellt. Es wird gestattet sein auch für die meist nur vierfin- grige Vordergliedmaasse fünf Finger als das primitive Verhalten anzu- nehmen. Vorderarm und Hand bilden noch einen mehr einheitlichen Abschnitt, so dass nur der Oberarm vollständiger differenzirt erscheint. Würden wir die dorsalgeschlagene Flosse der Selachier ventralwärts wenden, so dass ihre Dorsalfläche zur Ansicht käme, so wäre eine mit dem Arme der Amphibien übereinkommende Stellung erfolgt. das Metapterygium läge oben, entspräche dem Ulnarrande. Die radialwärts angefügten Radien böten dieselben Verhältnisse wie die Radien, die am Armskelete in Fig. 3 nach den Fingern 1—4 aus- laufen. So dürfte bei aller Verschiedenheit, welche diese beiden von einander entfernten Typen darbieten, doch das Gemeinsame zu erkennen sein, und die höhere Form mit der niederen sich ver- knüpfen lassen. Für die Verschiedenheit der Stellung muss auch die bereits am Humerus begonnene Torsion als Factor gelten, sowie die Differenzirung des Ellbogengelenkes. Eine nähere Einsicht in diese Zustände wird erst von der einer richtigen Methode folgenden myologischen Untersuchung zu erwarten sein, denn die Formverände- rungen des Skelets können nur im Zusammenhange mit der Musku- latur verstanden werden. Wenn durch das Archipterygium die Frage nach dem Zusam- menhange der Gliedmaassenskelete und damit der Gliedmaassen selbst einer Lösung nahe gebracht ist, so tritt uns das dritte der Eingangs aufgestellten Probleme in um so dichterer Verhüllung entgegen. Man kann sich auch hier mit dem was uns die Ontogenie bietet be- geniigen, auch mit noch Geringerem vorlieb nehmen: mit der beste- henden Thatsache, dass es Gliedmaassen gibt, die nach diesem oder jenem Typus gebaut seien. Hat man aber einmal das all diesen mannigfaltigen Bildungen Gemeinsame erkannt, so ist damit auch das neue Problem entstanden, jenes nämlich, dessen Gegenstand die Herkunft eben der gemeinsamen Grundform, des Archipterygium, ist. Die vergleichende Skeletlehre kann auch da zur Führerin werden. Zieht man mit dem Archipterygium auch den es tragenden Skelet- theil, in seinem einfachsten Zustande ein knorpeliges Bogenstiick. in Betracht, so gewinnt man damit eine neue Beziehung, und ver- grössert den Umfang der Frage. Dies wird dadurch geboten, dass Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 411 keine Gliedmaasse ohne jenen Bogen — den Gliedmaassengiirtel — existirt. Suchen wir nach Vergleichungsobjecten, so wefden das nur solche sein können, die einen im ventralen Theile des Wirbelthierkérpers liegenden Bogen und damit in Zusammenhang lateral angefügte, also nach aussen gerichtete Skelettheile tragen. Da letztere den unteren Bogenbildungen der Wirbelsäule abgehen, können die von diesen abzu- leitenden Rippen nicht in Betracht kommen Dagegen finden wir knor- pelige Bogen mit lateral gerichteten knorpeligen Stäben besetzt im Kie- menskelet der Selachier. Es sind das offenbar sehr tief begründete Einriehtungen, denn die Knorpelstücke der Kiemenbogen erhalten sich mit vielen Modificationen bei den Fischen. Wenn nun auch in den Bogen des Kiemenskelets eine Aehnlichkeit mit den Glied- maassenbogen erkannt werden könnte, so ist durch die Kiemen- strahlen wohl nicht ohne Weiteres etwas dem Archipterygium Aehn- liches gegeben. Dazu wäre erforderlich, dass die Anordnung der Kiemenstrahlen in einer dem Archipterygium gleichen Weise sich darstelle. Sie ist bei aller Mannigfaltigkeit doch meist sehr da- von verschieden. Man vergleiche darüber die Beschreibung im dritten Hefte meiner Untersuchungen. Unter den vielerlei Formen und Combinationen unter: denen die Radien der Kiemenbogen auf- treten, bestehen jedoch einige, welehe.in Bezug auf das Archipte- rygium unser Interesse erwecken. Es sind dies erstlich getheilte Radien. Ein Radius läuft distal in mehrfache Enden aus. In andern Fällen sind einzelne Radien bedeutend vergrössert, länger und stärker, was sich als eine Weiterbildung des gewöhnlichen Verhaltens herausstellt, denn es ist Regel, dass der am Bogen die Mitte der Höhe einneh- mende Strahl, oder auch mehrere da angebrachte, stärker sind, als die dem dorsalen und ventralen Ende genäherten. Am auffallendsten hatte ich diese mächtige Entfaltung der mittleren Strahlen bei Pristis und Rhynchobatus gefunden !). Hier besteht sogar die Ein- richtung, dass der mittelste, bedeutend verlängerte Strahl an seiner Basis mit anderen Strahlen verschmolzen ist. Dieser Mittelstrahl ist dadurch funetionell umgewandelt, er ist zu einer Stütze von an- deren Skelettheilen geworden , die ursprünglich ihm gleich waren, wie denn jede der beiden an dem vergrösserten Mittelstrahl sitzen- den Reihen continuirlich in die noch am Bogen sitzenden Radien- reihen aufwärts wie abwärts sich fortsetzt. Daraus kann man !) Untersuchungen III. pag. 159. 412 C. Gegenbaur ersehen wie die ganze Einrichtung sich aus einer Differenzirung der Radien ableitet. Etwas ähnliches habe ich am Gliedmaassen- skelete von Haien und Rochen beschrieben !), wo ein marginaler Ra- dius, der in seinem einfachsten Befunde gar nicht von seinem Nach- bar zu unterscheiden ist, diese benachbarten Radien an sich inseriren lässt. Daraus war die Entstehung des Propteyygium abzuleiten. So geht auch hier an dem Kiemenskelet ein Radius in eine Stütz- bildung anderer ihm ursprünglich ebenbürtiger Radien über. In die- sem Verhalten ist also ein Radius zur Axe zweizeilig ihm angereih- ter Radien geworden, und darin kann schwerlich ein mit dem Typus des Archipterygiums übereinstimmender Befund verkannt werden. Es muss also zugegeben werden, dass im Kiemenskelet eine mit der Grundform der Gliedmaassen ähnliche Bildung auftreten kann. Sie ist nachgewiesen. Daraus sofort eine Homodynamie abzuleiten, wäre jedoch nicht zu billigen, denn es stehen dieser Operation noch mancherlei Hindernisse im Wege, die zuvor zu prüfen sind. Zum ersten ist der Gliedmaassenbogen ungegliedert, der Kiemenbogen in Gliedstücke getheilt, zum zweiten laufen die biserial angeordneten Radien des Kiemenbogens in dem angezogenen Falle in Reihen von solehen aus, welche dem Kiemenbogen ansitzen; zum dritten end- lich besteht zwischen dem Gliedmaassengiirtel und den Kiemenbogen eine solche Differenz der Lagebeziehungen zum Körper, dass eine ursprüngliche Gleichartigkeit beider nur nach der Begründung einer stattgefundenen Lageveränderung wahrscheinlich gemacht werden kann. Was den ersten Punct betrifft, so ist die Gliederung der Kiemen- bogen als eine Anpassung an die Function anzusehen, ebenso wie sie es an dem, wie ich früher begründet habe?), gleichfalls aus Kiemenbogen hervorgegangenen Kiefer- und Zungenbeinbogen ist. Die in dieser Gliederung sich äussernde Differenzirung ist zugleich verschieden nach der Art der Function. Sie ist aber auch ein se- eundärer Zustand, im Gegensatz zu einem primären, indifferenten, in welchem die Bogen noch nicht in einzelne Abschnitte getheilt sind. Ist nun der Kiemenbogen als ein ursprünglich Ganzes aufzu- fassen, an dem wahrscheinlich in Anpassung an differente Leistun- gen verschiedenartige Sonderungen auftraten, so muss die Annahme 1) Ueber das Skelet der Gliedmaassen der Wirbelthiere. Jen. Zeitschr. V. pag. 418 flgd. 2) Untersuchungen III. pag. 183 u. 205. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 4138 zugelassen werden, dass ein solcher Bogen ungegliedert bleibt, wenn die an ihn gestellten functionellen Ansprüche es erfordern. Dies ist nun hier durch die Beziehung zur Gliedmaasse gegeben, und wenn wir Schulter- und Beckengiirtel der Selachier, resp. deren Bogen- theile ungegliedert, oder da wo bei ersteren ein oberes Stiick vom Haupttheile abgesetzt ist, in anderer Weise gegliedert treffen, als die anderen, aus Kiemenbogen hervorgegangenen oder solehe noch vorstellende Bogenbildungen es sind, so wird das nur wieder im Zusammenhang mit der Function zu beurtheilen sein. Es wird daraus begreiflich, dass die Ausbildung der Gliedmaasse an dem Theile des Gürtels der sie trägt, eine Gliederung nicht zur Entfal- tung kommen lässt, und wenn man sieht, dass dieser Theil bei den Selachiern sogar bedeutend verstärkt ist, so dürfte das wohl nur als eine Bestätigung dieser Auffassung gelten können. Die feh- lende Gliederung des primitiven Gliedmaassengürtels kann daher nicht als Grund gegen eine Vergleichung mit einem Kiemenbogen gelten. Der zweite Punct betrifft den Umstand, dass am Kiemenbogen ausser dem einem Archipterygium vergleichbaren Complexe noch an- dere Radien ansitzen. Es wird also für diese ein gänzliches Schwinden vorauszusetzen sein, wenn der nach dem Typus des Ar- chipterygium gestaltete, wirklich einem solchen entsprechen soll. Diese Rückbildung von Radien ist für sich betrachtet keine singulire Ercheinung, deren Annahme ein Hinderniss für jene Vergleichung ab- geben könnte, denn wir finden gerade im Verhalten der Radienzahl selbst innerhalb der engeren Schranken des Flossenskeletes zahl- reiche und bedeutende Differenzen. Selbst bei den Individuen einer Species estehen Verschiedenheiten , und diese treffen sich auch an den Radien der Kiemenbogen. Andererseits kann aber auch die Fortsetzung von Radien von einem dem Archipterygium ähnlichen Gebilde auf den Kiemenbogen gerade als Vermittelungsglied gelten. als ein Beleg für die Entstehung des Archipterygiums aus Radien. Damit empfinge der erwähnte Befund sogar eine sehr grosse Be- deutung. Vereinigt man damit die Thatsache, dass bei den Sela- chiern fast stets mehrere Stücke, und darunter solche die unzwei- felhafte Radien sind, dem Gliedmaassengürtel ansitzen, dass dasselbe auch bei Ganoiden und Teleostiern besteht, wenn auch bei den letzteren meist nur durch die Basalia repräsentirt, so wird man zu dem Schlusse gelangen, dass in dieser Ueberzahl viel weniger von einem Archipterygium abgelöste und zum Gliedmaassengürtel getre- 414 C. Gegenbaur tene, als vielmehr dem letzteren primiir zukommende Radien zu sehen seien. Ich habe früher dieses Vorkommen von Radien am Gliedmaassenbogen der Selachier als etwas secundäres betrachtet, es von einem Uebertritte von Radien von der Gliedmaasse auf den Bogen abgeleitet. Jetzt möchte ich annehmen, dass das Vorkom-‘ men von Radien am Bogen einfach als primitiver Zustand zu gelten habe. Jene Annahme setzt eine Lageveränderung voraus die nicht direet beobachtet ist. Diese Auffassung dagegen stützt sich auf die Vergleichung thatsächlicher Befunde, und damit verbessere ich einen früheren Fehler. Damit wäre also die Fortsetzung von Radienreihen vom Archipterygium auf dem Bogen nicht nur kein Grund gegen die Auffassung der Genese des Archipterygium, sondern sie gibt SO- gar ein gutes Belegstiick fiir sie ab. Viel belangreicher ist der dritte Punct. Ist das Skelet der Gliedmaasse aus einer mit dem der Kiemen übereinstimmenden Bildung hervorgegangen, so werden die Kiemenbogen und die Glied- maassengürtel homodyname Theile sein, und dem widerstrebt aufs entschiedenste die Differenz der Lage von beiderlei Thei- len am Körper. Es wäre also die Triftigkeit dieser Lagedifferenz in Prüfung zu ziehen. Von dem Gewichte dieser Differenz wird abhängen, ob wir jene Theile für homodynam erklären dürfen oder nicht. Daraus kann man die Frage formuliren: Können Theile, die eine entschieden differente Lage besitzen, homodynam sein, oder ist die Differenz der Lage von vorn herein ein Grund gegen die Erklä- rung des Bestehens einer Homodynamie? Hierzu muss ich bemerken, dass es sich hier nicht um specielle Homologie, sondern um eine allgemeine Homologie der Reihe, also Homodynamie handelt. Ge- hen wir zur Beleuchtung dieser Frage von einem völlig unbestrit- tenen Gegenstande aus, nämlich von der Extremität der höheren Wirbelthiere. Es wird kaum Jemand beikommen die Vorderextre- mität, oder einen Theil derselben, nicht für ein durchaus homologes Gebilde zu halten, und ich glaube, dass die Erklärung: die Homolo- gie des Humerus eines Schwans und einer Gans etwa, gehörte zu den schwierigst verständlichen Dingen, ja zu den grössten Problemen der vergleichenden Anatomie, Verwunderung erregen würde, ebenso wie die Behauptung, dass die Hintergliedmaassen eines Chimpanse und eines Orang gleichfalls nicht homolog wären. Und doch könnte hier der Zweifel als Ausdruck tieferer Einsicht gelten, denn diese unter einander verglichenen Theile sind entschieden in sehr diffe- renter Lagebeziehung zum Körper der Thiere. Die Vorderglied- Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 415 maasse des Schwans ist durch eine grössere Wirbelzahl vom Kopfe geschieden als jene der Gans. Wenn bei beiden der erste Spinal- nerv homolog ist, ebenso wie es der 9te oder 10te ist, wie der Zahl nach jeder andere, so empfiingt der Fliigel des Schwans ganz andere Nerven als jener der Gans, oder, mit anderen Worten ausgedriickt, die Vorderextremitäten beider Vögel sind mit sehr differenten Strecken der Axe des Körpers in Verbindung. Das andere Beispiel fusst auf demselben Boden. Die Hintergliedmaasse des Orang bezieht andere Spinalnerven als jene des Chimpansé, sie ist bei beiden Affen an anderen Theilen der Körperaxe angefügt. Die Uebereinstimmung der verglichenen Theile liegt also in offenem Widerstreit mit den Lagebeziehungen. Man steht damit vor der Alternative, entweder die Vergleichung aufzugeben oder nach einer Lösung jenes Wider- streites zu suchen. Letzteres ist die Aufgabe der Forschung. In dieser Beziehung sind aber nur die Anfänge gemacht, und man be- hilft sich noch mit der Annahme einer stattgehabten Lageverände- rung!). Diese muss von jedem zugestanden werden der auch nur die Verwandtschaft jener Kleinen Gruppen zugibt, aus denen ich obige Beispiele wählte. Das Bestehen einer Lageveränderung ist aber auch erwiesen, und darin liegt der Anfang zur Aufhellung des Dunkels, welches diese Frage deckt. Es sind die Untersuchungen E. ROSENBERG’S?) über die Wirbelsäule der Primaten, durch welche der Vorgang einer solchen Ortsveränderung der Beziehung des Beckens zur Wirbelsäule in sei- nen einzelnen Stadien gezeigt ward. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass die in der Verbindung des Beckens mit der Wirbelsäule unter den Primaten, speciell beim Menschen und den anthropoiden Affen bestehenden Differenzen auf Verschiebungen des Beckens !) Man könnte hieraus folgern, dass die vergleichende Anatomie einen falschen Weg eingeschlagen habe, indem sie zuerst nach der Homologie der ein- zelnen Theile forschte, und das Verhalten des Theiles zum Ganzen offen liess. Das wäre nicht richtig, denn aus der Erkenntniss der einzelnen Theile entsteht erst die Frage für's Ganze. Wer die Extremitäten der Wirbelthiere z. B. für ganz differente Bildungen hält, die der Beziehungen unter sich völlig entbehr- ten, dem wird es auch gleichgültig sein müssen, wie sich diese heterogenen Ge- bilde zum Körper verhalten. Erst durch die in den Zusammenhang dieser Ge- bilde gewonnene Einsicht wird die Lagebeziehung Problem. Ersteres hat also letzterem vorangehen müssen. 2) Ueber die Entwicklung in das Centrale carpi des Menschen. Dieses Jahrbuch I. pag. 83. Morpholog. Jahrbuch, 2. 28 416 C. Gegenbaur zurückzuführen sind, die theilweise sich noch während der indivi- duellen Entwickelung vollziehen. Wir dürfen somit die Hypothese als begründet ansehen, nach welcher die Verschiedenheiten in den Lagerungsbeziehungen der Gliedmaassen zur Wirbelsäule als in den einzelnen kleineren und grösseren Abtheilungen der Wirbelthiere erworbene Zustände zu betrachten sind. In dieser Beziehung sind auch die von M. FÜRBRINGER !) gegebenen, die Vorderextremität sammt Muskeln und Nerven betreffenden Ausführungen von grosser Wichtigkeit, und ich erlaube mir, um nicht dort Auseinandergesetz- tes hier wiederholen zu müssen, auf jene Arbeit zu verweisen. Wir halten demnach die Vordergliedmaassen der Wirbelthiere für einander homolog, obgleich sie differente Beziehungen zur Wir- belsäule (und zu Nerven) besitzen, und dasselbe hat auch für die Hintergliedmaassen Geltung. Die Vergleichung geschieht auf Grund jener Hypothese der Lageveränderung und diese Hypothese ist eine wohl gegründete. Wenn aber die Homologie der Gliedmaassen dureh deren Lagedifferenz nicht beeinträchtigt wird, so ist letztere auch kein ausreichender Grund gegen die übrigens längst anerkannte Homodynamie zwischen dem vorderen und hinteren Paare, und es muss die oben in dieser Beziehung aufgeworfene Frage bejaht wer- den. Wie die Homodynamie zwischen den Gliedmaassen selbst aufrecht zu erhalten ist, so ist sie es für die primitiven Zustände, von denen ich ausging, auch zwischen dem Gliedmaassenskelete und dem Skelete der Kiemenbogen. Die bisher vorauszusetzende Wan- derung der Gliedmaassen ist lange nicht so bedeutend als jene, welche in den Lagedifferenzen zwischen Vorder- und Hinterglied- maassen in den einzelnen Abtheilungen sich ausspricht. Für die Vordergliedmaassen ist die Verbindung ihres Gürtels mit dem Kopfe bei Ganoiden und Teleostiern noch ein unmittelbarer Hinweis auf jene primitive Beziehung, und in der Innervation einiger zum Schulter- gürtel tretenden Muskeln durch Kopfnerven hat sich gleichfalls noch eine Spur jenes Verhältnisses forterhalten. Die Verschiedenheit aber, die sowohl im Skelete dieser mit einander verglichenen Theile, wie in ihrem Gesammtverhalten sich ausspricht, muss von der Differenz der Function abgeleitet werden, welche beiderlei Bildungen trifft. Leitet sich das Archipterygium von einer im Kiemenskelete vorhan- denen Bildung ab und darf der Gliedmaassengürtel als ein aus !) Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. Dieses Jahrbuch I. pag. 650 u. figd. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 417 seinem ursprünglichen Verbande gelöster, mit inneren Kiemenbogen homodynamer Bogen betrachtet werden, so schliessen sich die ge- sammten Gliedmaassen der Wirbelthiere morphologisch dem Kiemen- apparate, ihr Skelet dem Kiemenskelet an. Dass die Gliedmaassen der Cyclostomen fehlen, ohne jede Spur, so dass der Mangel nicht aus einer Rückbildung erklärt werden kann, dass aber ebenso der. gesammte Apparat der inneren Kiemenbogen sammt deren Derivaten fehlt, ist gewiss nicht ohne Bedeutung. In der Ontogenie der Se- lachier hat sich nichts hierher beziehbares mehr erhalten, vielmehr Fig. 4. 22 ae treten die Gliedmaassen sogar als horizontale Vorspriinge auf, wiih- rend sie mehr oder minder vertikal erscheinen miissten, wenn an ihnen etwas von jener Verwandtschaft ausgesprochen wäre. Es ist das für unsere Hypothese eine negative Instanz, welche darauf hin- weist, dass die Sonderung des kiementragenden Bogensystems in solehe, welche, locomotorische Bedeutung gewinnend, die ursprüng- liche Beziehung aufgaben, und in solche die letztere beibehiel- ten, in einer fernabliegenden Periode vor sich gegangen sein wird. Bedeutungsvoller scheint mir das was durch das Skelet bezeugt wird. Vorstehende Serie (Holzschnitt Figur 4) erläutert in ei- nigen Schematen diese Beziehungen. Ein bogenförmiger Skelet- theil ist mit lateralwärts ausstrahlenden Knorpelstäbchen besetzt. In Figg. a, 4, e ist der Typus der Kiemenbogen und Kiemen- bogenstrahlen ausgedrückt, in Fig. a der indifferenteste Zustand. In 5 und ¢ ist der Mittelstrahl mächtiger. Es trifft das für manche Haie. »Einigemal sah ich, dass ein Strahl einen zweiten an der Basis eingelenkt trug«, wie denn dem Mittelstrahl die nächsten fast unmittelbar ansitzen. In Fig. d ist, an diese Beziehungen des Mit- telstrahls zu benachbarten anknüpfend, die Verbindung zweier Radien- paare mit dem Mittelstrahl dargestellt, Fig. e repräsentirt einen weiter gebildeten Zustand, der in dem Flossenskelet von Ceratodus 28 * 418 C. Gegenbaur realisirt ist, wenn wir davon absehen, dass in der Figur noch Ra- dien am Bogen sitzen. Der am Kiemenbogen als Mittelstrahl er- scheinende Knorpelstab ist so zum Stamm geworden, an welchem biseriale Radien angeordnet sind. Wie diese Form durch die exqui- sit biserialen Radien dem Flossenskelet von Ceratodus nahe kommt, so greift sie auch auf den Typus der Selachier über, .da hier ausser dem im Metapterygium verlaufenden Flossenstamm noch andere, Ra- dien repräsentirende, oder aus Verschmelzung der Basalstücke von solchen hervorgegangene Knorpelstücke dem Bogen ansitzen. Dass diese das Pro- und Mesopterygium darstellenden Stücke obere, dorsal vom Metapterygium sitzende sind, lehrt ihre Anfügung an die Bogen bei den primitiveren Formen der Haie, in einer schrägen von vorne und oben, nach hinten und unten absteigenden Linie. (Vgl. Holzschnitt Fig. 2.) Wir hätten also hier in der letzt dargestellten Form einen Zustand, der rückwärts ebenso in die Befunde des Kie- menbogenskeletes führt, wie er vorwärts das Skelet der Gliedmaas- sen von sich ableiten lässt. Für letzteres wird es zur Grundform, und nach ihr muss ich jetzt das, was ich bisher als »Archipte- rygium« bezeichnete, modificiren, denn nur aus dieser Form sind die Skelete der Gliedmaassen siimmtlicher Wirbelthiere, mittelbar oder unmittelbar zu vergleichen. In dieser Beziehung wiire bei den Selachiern eine primitivere Form des Flossenskeletes als bei Cera- todus und Protopterus vorhanden. Von jener Form des Archipterygiums sind in allen grossen Ab- theilungen am Gliedmaassenskelete nur bedeutendere oder geringere Abschnitte vorhanden. Unterscheiden wir Bogenradien, solche die direct am Bogen sitzen, Stammradien, solche die vom Flossenstamme getragen werden, so sind beide Abtheilungen wieder in obere und untere zerlegbar. Bei den Selachiern und Chimären beständen obere Bogen- und Stammradien, sowie Reste unterer Stammradien. Lepidosiren und Protopterus besitzt nur untere Stamm- radien'). Obere und untere Stammradien sind bei Ceratodus vor- handen, und vorwiegend obere Stammradien bilden mit das Glied- maassenskelet der Amphibien. Die bis hierher geführte Vergleichung der Gliedmaassen stützt -sich wesentlich auf das Skelet. Im Verhalten des Skeletes ist es, worin sich eine Aehnlichkeit, ja eine gewisse typische Uebereinstim- !) Vergl. darüber BUnGE, Jen. Zeitschr. Bd. VIII. pag. 304. Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. 419 mung zwischen sonst sehr differenten Bildungen zeigt: Diese Be- deutung der Skeletbefunde, das lange Fortbestehen derselben in ihren ausgesprochenen fundamentalen Einrichtungen, gründet sich auf die passive Natur des Skeletes. Lediglich stützende Theile er- leiden bei Aenderung der speciellen Function des Organs dem sie angehören, keinen stets gleich bedeutenden Eingriff, denn eine Stütze kann nach mancherlei Richtungen noch von gleichem Werthe sein. Auch die Qualität der Gewebe ist dabei in Betracht zu nehmen. Aus diesem Conservativismus des Skelets entspringt aber auch der hohe Werth der Osteologie. In der Vergleichung des Gliedmaassenskeletes mit dem Skelete der Kiemen habe ich fürs Allgemeine nichts Neues ausgesprochen. Etwas hierher beziehbares ist schon vor langer Zeit, freilich in vag- ster Form geäussert worden. Später ward von Owen!) in der Aufstellung der »diverging appendages« eine solche Vergleichung be- handelt. Aber OWEN sieht »diverging appendages« auch an den Rip- pen (Crocodile, Vögel), und knüpft daran engere Beziehungen der Gliederbogen zu Rippen, wie er denn auch Rippen und zwei dem System der primitiven Kiemenbogen zugehörige Theile, nämlich Zungenbein- und Unterkiefer in engere Verwandtschaft bringt. Ich weiche also von OWEN in einem sehr prineipiellen Puncte ab, indem ich die Gliedmaassen sammt ihren Bogen, den Gliedmaassengürteln, für dem Rumpfskelete fremde Theile halte, und möchte auch meine Methode für eine andere ansehen, da ich bei ihr vom Einzelnen, von der genaueren Durchforschung des Detailverhaltens der Skelet- structuren den Ausgang nehme. In dem Owen’schen höchst bedeu- tungsvollen Werke gar nicht berücksichtigte Vertebratengruppen und damals kaum gekannte Skeletverhältnisse sind mir zu grundlegen- den geworden. Durch die dargelegte Ausführbarkeit der Vergleichung des Glied- maassenskeletes mit dem Kiemenskelete ist aber nur eine Wegstrecke angedeutet, auf der die weitere Forschung sich zu bewegen haben wird. Es bleibt noch sehr viel zu thun bevor das Ziel erreicht ist, von dem wir, wie immer es auch schon sichtbar erscheint, noch sehr ferne sind. Es wird sich vor Allem darum handeln, den Wech- 1) On the Archetype and Homologies of the vertebrate Skeleton. London 1848. 420 C. Gegenbaur, Zur Morphologie der Gliedmaassen der Wirbelthiere. sel der Gliedmaassen in ihren Lagebeziehungen zum Rumpfskelete, und die damit verknüpften Vorgänge an Muskulatur und Nerven sorgfältigst zu prüfen. Vielleicht bringt auch die Kenntniss neuer Formen eine raschere Lösung. Bis dahin darf ich das von mir behandelte Problem noch nicht als völlig gelöst betrachten, und damit mag die Hypothese, die ich begründet zu haben glaube, einstweilen in ihr Recht treten. Heidelberg, im Mai 1876. Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien, Von Dr. R. Wiedersheim, Prosector in Würzburg. Mit Tafel XXIX. Es ist das Verdienst GEGENBAUR’s, auf die morphologische Stel- lung des von ihm so genannten Os centrale zuerst die Aufmerk- samkeit der Anatomen gelenkt zu haben. Als Resultat seiner über - die vier höheren Wirbelthierklassen sich erstreckenden Untersuchun- gen!) stellte sich heraus, dass dieses Skeletstück einen typischen Bestandtheil jener Grundform des Carpus und Tarsus bildet, wie sie ‘uns bei den niedersten Repräsentanten der Urodelen resp. im Lar- . venstadium der Salamandrinen entgegentritt. Daraus lässt sich die Bildung der Hand- und Fusswurzel höherer Thierklassen bis zum Menschen hinauf (vergl. E. ROSENBERG: Ueber die Ent- wicklung der Wirbelsäule und des Os centrale carpi des Menschen. Dieses Jahrbuch I. 1) entweder auf directem oder indirestem Wege ableiten und dadurch wird ein weiterer Gesichtspunct für die phylo- . genetische Auffassung der genannten Abtheilungen des. Wirbelthier- reiches gewonnen. Viel grössere Schwierigkeiten traten GEGENBAUR entgegen bei dem Versuch, auch nach abwärts zu den Fischen Anknüpfungspuncte ') Untersuchungen zur vergl. Anatomie der Wirbelthiere. Carpus und Tarsus. 422 R. Wiedersheim zu erhalten und es war erst nöthig, eine richtige Deutung der ana- tomischen Verhältnisse des Flossenskelets anzubahnen. Ausgehend von der, den indifferentesten Zustand darbietenden Brustflosse von Ceratodus'), wo sich ein gefiedertes d. h. ein zwei Radienreihen besitzendes Archipterygium vorfindet, gelang es dem genannten Forscher, Reste hiervon auch noch bei manchen Haien nachzuweisen. Diese sind allerdings nur spärlich vorhanden und nehmen beim Selachiergeschlecht überhaupt mehr nur eine Aus- nahmestellung ein. Bei den meisten haben sie einen vollkommenen Schwund erfahren und man kann es hier als Regel betrachten, dass der vom Metapterygium ausgehende (Radial-)Strahl die Grenze des Handskeletes am hinteren Abschnitt der Flosse darstellt, dass wir also mit anderen Worten das hier vorherrschende einzeilige Ar- chipterygium als einen secundären, von dem zweizeiligen Typus ab- leitbaren Zustand anzusehen haben. Von jener radialen Knochenreihe geht nun, wie GEGENBAUR weiterhin gezeigt hat, in distaler Richtung ein System von geglie- derten Strahlen ab und wegen dieses Umstandes wurde jene mit dem zutreffenden Namen »Stammreihe« belegt. Eine solche lässt sich auch mit leichter Mühe an der Vorderextremität der höheren Wirbelthiere nachweisen und ist hier 1) durch den Humerus, 2) Ra- dius, 3) Radiale carpi, 4) Carpale', 5) Metacarpale! und 6) durch den ersten Finger gegeben. Die übrigen Knochen der Extremität (Ulnare, die übrigen Carpalia und Metacarpalia sammt Phalangen) bilden die secundiiren Strahlen, worauf ich später noch einmal zu- rückkommen werde. Welche Triumphe diese scharfsinnige Auffassung GEGENBAUR’S feierte, beweisen uns die Resultate einer späteren Arbeit aus der Feder des verdienten Anatomen: über das Flossenskelet der Enalio- saurier (Jen. Zeitschr. V). Die vorher auf rein hypothetischem Wege erschlossene Dop- pelnatur des Centrale wird hier durch die anatomischen Ver- hältnisse selbst zur unumstösslichen Gewissheit erhoben, insofern sich nämlich bei diesem alten Geschlecht aus dem Lias wirklich zwei Centralia vorfinden. Zugleich erfahren wir, dass die funda- mentale Anordnung der Skelettheile bei der Gliedmaasse von Ich- thyosaurus aus demselben Verhalten ableitbar ist, welches der Selachierflosse zu Grunde liegt. 1) GEGENBAUR: Ueber das Archipterygium. Jen. Zeitschr. VIII. Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 423 Die Ergebnisse oben genannter Untersuchungen mussten natür- licherweise auch für mich den Ausgangspunct des vorliegenden Auf- satzes bilden und ich war damit bereits zum Abschluss gelangt, als ich durch einen freundlichen Wink GEGENBAUR’s, wofür ich ihm zum grössten Danke verpflichtet bin, zu einer Revision meiner Arbeit bewogen wurde. Er theilte mir mit, dass sich in letzter Zeit gegen seine frühere Darstellung des Extremitätenskelets von Seiten Hux- LEY's in einem, gleich näher zu bestimmenden Puncte ein Einwurf erhoben hätte und dass er überhaupt schon seit längerer Zeit mit einer Neubearbeitung dieses Capitels der vergl. Anatomie beschäf- tigt sei. Die von dem genannten Forscher erhobenen Bedenken betreffen die morphologische Stellung der »Stammreihen«, welche jener zum Unterschied von GEGENBAUR nicht auf der radialen, sondern auf der ulnaren Seite der Extremität sucht. Der Einwurf des engli- schen Anatomen stützt sich auf die postaxiale Lagerung des Metapte- rygiums, dem nur wieder »postaxiale Elemente der höheren Wirbel- thiere entsprechen können«, und diese sind nichts anderes als Ulna, die ulnaren Carpalknochen und Finger. GEGENBAUR hat diese Thatsache, wie ich aus seinem, mir in zuvorkommendster Weise zur Einsicht überlassenen Manuscript ent- nehme , aufs Genaueste erwogen und konnte sich in diesem Puncte HuxLey anschliessen. Ich gestehe, dass es mir schwer geworden ist, mich in die neue Auffassung einzuleben; ich vermochte dies erst, als ich die mir von GEGENBAUR näher bezeichneten Drehungen der Selachierflosse mit eigener Hand am Präparate ausführte. Erst dadurch gelingt es, die — ich möchte sagen, bereits in Fleisch und Blut übergegangenen früheren Ansichten über. die topographischen Beziehungen der Stammreihe im Gliedmaassenskelet der niederen Wir- belthiere abzustreifen. Die Sache hier näher zu begründen, steht mir nicht zu und ich verweise damit auf die in Aussicht stehende Arbeit GEGENBAUR’S. Es genüge, wenn ich bemerke, dass ich nicht nur von der Richtig- keit der neuen Deutung vollkommen überzeugt bin, sondern dass ich gerade in den hier zur Sprache kommenden anatomischen Verhält- nissen eine weitere Stütze für dieselbe liefern zu können hoffen darf. Dass aber hierdurch die Basis der GEGENBAur’schen Theorie, inso- fern sie uns durch die Aufstellung eines Stammstrahles und daran sich reihender Secundärstrahlen überhaupt erst einen Einblick in den inneren Zusammenhang des Gliedmaassenskelets der Wirbelthiere 424 R. Wiedersheim erschlossen hat, nicht im mindesten alterirt wird, sondern dass sie nur in anderer Weise zur Anwendung kommt, liegt auf der Hand. Was nun die Parallelisirung der bei den obgenannten Sauriern auftretenden , einzelnen Carpalstücke mit jenen der Urodelen anbe- langt, so muss ich auf die betreffende Arbeit selbst verweisen. Nur so viel sei erwähnt, dass der decamere Typus beiden gemeinschaft- lich ist, was sofort in die Augen springt, wenn man dem Urodelen- Carpus den verlorenen Finger, ein weiteres Carpale anfügt und das Centrale in zwei Theile spaltet. Noch viel kleiner ist der Sprung zu dem ungleich conservativeren Tarsus der geschwänzten Amphi- bien, da hier die Pentadactylie beibehalten ist. Wir begegnen somit in den Gliedmaassen der Ichthyosauren einer Form, »die zwar noch manches aus einem niederen Zustand bewahrt hat, die aber dennoch bereits alle Elemente höherer Glied- maassenformen in sich trägt.« ‘ Erst vor wenigen Jahren zeigte HyrkrL, dass Cryptobranchus das einzige Wirbelthier ist, dessen Tarsus ebenfalls zwei Centralia bewahrt hat. Ich werde im Laufe dieser Abhandlung darthun, dass sich diese Eigenthiimlichkeit der untergegangenen Sauriergeschlech- ter ausserdem noch auf eine zweite japanesische und auf drei ost- sibirische Salamandrinen, welche ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. Strauch in Petersburg verdanke, fortvererbt hat. Es wirft dies zugleich ein neues Licht auf die Thiergeographie insofern, als gerade die Urodelen Ost-Asiens es sind, welche die ältesten Formverhältnisse bei sich bewahrt haben. Wie sehr sich auch das Studium der Anatomie des Kopfes dieser Thiere gelohnt hat, soll eine demnächst erscheinende grössere Arbeit über den Urodelenschädel im Allgemeinen beweisen. Ranodon sibirieus. a. Carpus. Der Carpus (Fig. 2) besteht aus neun Stücken, während die höchste Zahl der Carpuselemente jetzt lebender Urodelen (z. B. bei Spelerpes fuscus, vergl. meine Monographie über Sal. persp. und Geotriton fuscus. 1875) nur acht beträgt. In Erwägung der Thatsache, dass eine Vermehrung der Carpal- glieder in der Regel als ein Zeichen einer niedrigen Organisations- stufe überhaupt aufgefasst werden muss, könnte man auch versucht Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 425 sein, auf eine knorpelige Natur der Carpalia zu schliessen, wie sie uns bei den Perennibranchiaten und sämmtlichen Spelerpes-Arten entgegentritt. Dem ist nun aber nicht so; sämmtliche Theile sind stark verkalkt und besitzen nur einen äusserst dünnen, hyalinen Knorpelsaum. Ihre dorsale und volare Fläche ist leicht convex und nur das Carpale? (? nach bisheriger Auffassung) macht davon eine Ausnahme, indem es von oben her eingedrückt oder geradezu schüs- selförmig vertieft erscheint. Es erinnert das an die von GEGEN- BAUR erwähnten, dellenartigen Vertiefungen in den Tarsusstücken von Proterosaurus. Bei der Beschreibung der specielleren Verhältnisse der Handwur- zel folge ich fürs Erste der bis jetzt gültigen Auffassung des Urodelen- Carpus, wonach das Carpale' und der ganze erste Finger ausge- worfen sein soll. Man setze zu diesem Zweck an die Stelle der Zahlen 1—4 die Zahlen 2—5 und ändere dem entsprechend die Zahl der Metacarpen. Metacarpus™ und ™ stösst dann an das Carpale °, von dem vierten und fünften Metacarpus besitzt jeder sein eigenes Carpale. Das zweite Carpale liegt mit dem Radiale am inneren, das mächtige Ulnare, wie überall, am äusseren Rande der Hand- wurzel. Zwischen den beiden letzgenannten Knochen liegt nun nicht, wie bei allen anderen geschwänzten Amphibien ein einziger Kno- chen, das Intermedium, sondern zwei, wovon der eine eine proximale der andere eine distale Stellung einnimmt. Ersterer ist das Inter- medium, letzterer das Centrale. Radiale, Centrale ! und Intermedium ruhen in proximaler Rich- tung auf der ulnarwärts stark abfallenden Gelenkfläche des Radius. Das Centrale! stösst ausserdem noch an das Carpale* und nach vorne und einwärts an das ziemlich ähnlich gestaltete Centrale?. Letzteres berührt noch sämmtliche Carpalia und das Radiale, stimmt somit in seiner Lage mit dem einfachen Centrale der übrigen Uro- delen ungefähr überein. Auf den ersten Blick sieht man, dass es sich bei Ranodon um keine Querlagerung der Carpuselemente handelt, dass diese viel- mehr in drei Parallelreihen angeordnet sind, welche in schräger Richtung von aussen und hinten nach vorne und einwärts ziehen und somit mit der Axe des Vorderarmes einen nach der radialen Seite zu weit offenen Winkel erzeugen, oder anders ausgedrückt in der Axenverlingerung der Ulna (Fibula) liegen. Dass dieser Umstand jedoch nicht wohl, wie man glauben könnte, zu Gunsten 426 R. Wiedersheim des Huxuey’schen Ulnarstrahles aufzufassen ist, soll später klar werden. Erwähnenswerth ist vielleicht noch eine, den inneren Rand der distalen Radiushälfte einnehmende , messerartig zugeschärfte, wie gesägt aussehende Knochenlamelle, deren physiologischer Zweck mir unbekannt geblieben ist. Sollte es sich vielleicht um einen Haltapparat für das Weibchen handeln? Ich kann hierüber nicht entscheiden, da mir nur ein einziges Exemplar (Männchen) zur Ver- fügung stand. b. Tarsus. Obgleich es sich um eine beträchtliche Vermehrung der Gelenk- stücke handelt. so lässt sich doch auch der beim Carpus geschil- derte Grundplan hier nachweisen, ja er erstreckt sich, wie ich der Kürze halber gleich hinzufügen will, auch auf die Hand- und Fuss- wurzelbildung von Salamandrella Keys. und Isodactylium Wosness. Fig. 4, 5, 6. Das befremdet um so weniger, als alle drei Arten auch in Beziehung auf den Schädelbau nur äusserst ge- ringe Differenzen zeigen. Auch im Tarsus von Ranodon Fig. 3 finden sich zwei Centralia, die starke Vermehrung der Tarsalia ist aber ausserdem durch eine An- zahl kleiner Stückchen am fibularen Fussrand bedingt, worauf ich später zurückkomme. Will man nun bei Aufrechthaltung der bis Jetzt gebräuchlichen Bezeichnungen der Elemente des Carpus, letz- tere mit jenen des Tarsus homologisiren, so ergeben sich total ge- störte topographische Beziehungen der Centralia, wie man bei Be- trachtung der Figuren 2 und 3 erkennen wird. Fasst man diesen Umstand genau ins Auge, erwägt man also, dass das Tarsale ! genau dieselben Beziehungen zum Centrale! hat, wie dies beim Carpus von Seiten des Carpale 5 der Fall ist, denkt man sich fer- ner die auf der fibularen Seite des Tarsus liegenden Stückchen 5, 6 und + entfernt, so hat man bis ins Einzelne die getreueste Copie des Carpus. Dieses Alles richtig erwogen, kann ich mich nur schwer mit dem Gedanken vertraut machen, dass es, wie bei den Anuren, so auch bei den Urodelen der erste Finger sei, der verloren gegangen sein soll. Ich bin mir wohl bewusst, eine vollständige Beweisfüh- rung für die Richtigkeit meiner Annahme hiermit nicht geliefert zu Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 427 haben; diese ist überhaupt nur an der Hand der Entwicklungs- geschichte möglich, aber — kann ich meinerseits wiederum fragen — wer hat je auf ontogenetischem Weg an der Urodelenhand den Ausfall des Carpale ! thatsächlich nachgewiesen ? So viel ich weiss, ist dies bis dato noch von keiner Seite geschehen und ist vielmehr immer nur aus dem Anuren-Carpus erschlossen worden. Wie weit aber die geschwänzten und ungeschwänzten Batrachier gerade in den morphologisch fundamentalsten Puncten auseinander gehen, ist bekannt und dass wir mit der klaren Deutung der Hand- und Fuss- wurzelbildungen dieser Thiere speciell noch nicht im Reinen sind, beweist die kürzlich erschienene interessante Arbeit Born’s über die sechste Zehe der Anuren (Dieses Jahrbuch I. 3). Ich bin daher der Ansicht, dass man hier nicht ohne Weiteres parallelisiren darf und zum Mindesten die Möglichkeit offen halten muss, dass der Entwick- lungsmodus den von mir angedeuteten Weg eingeschlagen hat. Wei- ter zu meinen Gunsten spricht überdies der Umstand, dass während eine Reduction an der radialen Seite der Urodelen, wie oben be- merkt, bis jetzt nirgends nachgewiesen werden konnte, eine solche an der ulnaren Seite keineswegs zu den Seltenheiten gehört. Dies beweisen vor Allem die Enaliosaurier sowie der Tarsus von Salamandrella Keys. und Isodaetylium Wosness. und wie ich schon früher (1. e.) bewiesen habe, auch jener von Salamandrina per- spieillata und Batrachoseps attenuatus. Ja es wird diese Metamorphose der pentadactylen Form in die tetradactyle durch den Tarsus von Ranodon und wie ich gleich hin- zufügen kann, noch mehr durch denjenigen von Isodactylium Wos- ness. fast zur unumstösslichen Gewissheit erhoben. Was hindert, den hier so klar vor Augen liegenden Modus des Schwindens eines fünften Fingers auch auf die vordere Extremität aller übrigen Uro- delen auszudehnen ? Betrachten wir uns die Verhältnisse dieser Thiere etwas ge- nauer, so spricht für den allmäligen Schwund des Tarsale*® von Ranodon seine bedeutende Reduction gegenüber den übrigen Tarsa- lia (Fig. 3); dazu kommt die sehr zierliche Entwicklung der fünf- ten Zehe. Was hier aber nur angebahnt ist, findet sich bei Sala- mandrella Keys. und Isodactylium Wosness. zum grössten Theil vollendet. Das heisst, hier ist der Schwund der fünften Zehe wirklich eingetreten (Fig. 5). Dem entsprechend hat das Tar- sale® noch eine weitere Rückbildung als bei Ranodon erfahren, indem es einen vollkommen hyalinen Charaeter angenommen hat. 428 R. Wiedersheim Es verkalkt nie mehr und liegt zwischen Fibulare und Tarsale 4 so eingekeilt. dass über seine morphologische Deutung kein Zwei- fel existiren kann. Der Unterschied zwischen den Carpal- und Tarsalknöchelehen von Salamandrella Keys. und denjenigen von Ranodon liegt also, wie-aus Allem hervorgeht, nicht in ihrer Grup- pirung und ihrem morphologischen Werth, sondern einfach in ihrer Zahl. und wenn wir anders diesen mehr nebensiichlichen Umstand mit in Betracht ziehen wollen, in ihrer viel schwächeren Verkalkung und dem Knorpeligbleiben des Radiale, Tibiale, Carpale und Tar- sale! und Tarsaled®. Auch der im Allgemeinen mit Ranodon und den beiden andern sibirischen Arten übereinstimmende Tarsus von Salamandra nebulosa (Japan) ist nur einer beschränkten Ver- knöcherung unterworfen, welche das Tarsale?, 3, 4 und das Inter- medium betrifft. Sehr auffallend war es mir, dass die mit Sala- mandra nebulosa in ihrem Schädelbau fast durchweg übereinstim- mende Salamandra naevia gerade in einem so fundamentalen Punet, wie die Doppelnatur desCentrale, von jener abweicht. Letztere besitzt nämlich die gewöhnlichen 9 Tarsuselemente, während erstere wie Cryptobranchus deren 11 aufweist. Beides waren ausgewach- sene Exemplare, was aus der Beschaffenheit der Geschlechtsorgane zu ersehen war. Der Tarsus von Isodactylium Wosness. stimmt nach Zahl und Anordnung der Theile vollkommen mit dem von Salamandrella Keys. überein, jedoch findet sich hier durchgehends jene starke Verkalkung wie bei Ranodon. Einzig und allein davon ausgeschlossen ist Tarsale5, für welches in Anbetracht der fehlenden fünften Zehe dieselben Gesichtspuncte, wie oben, aufrecht zu erhalten sind. Der Carpus dieses Thieres (Fig 6) ist ebenfalls stark verkalkt und zeigt eine Reduction insofern als das Intermedium und Ulnare, wie dies bekanntlich für die Mehrzahl der erwachsenen Urodelen Regel ist, zu einem sogenannten Intermedio-Ulnare zusammengeflossen sind. Die früher stattgehabte Trennung wird noch durch das auch am Carpus und Tarsus der anderen zwei Arten eingezeichnete Ge- fäss (Fig. 6 G) ausgedrückt. Ausserdem sind noch zusammengeflossen Centrale! und Car- pale+, ein Vorgang, der bei Centrale? und Carpale?® ebenfalls schon angebahnt ist. Bei Anwenduug leichter Gewalt lassen sich jedoch die beiden letztgenannten Knöchelehen noch trennen, man sieht aber, dass zwischen ihnen bereits jeder Knorpel resorbirt Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 429 ist. Ob man in dem Zusammenfluss des Centrale! mit dem Car- pale? einen Fingerzeig für den Verbleib dieses Carpusstückes bei den übrigen Urodelen zu erblicken habe, oder ob man es, was mir in Anbetracht des langen, fast wurstförmigen Intermedium im Tarsus der Spelerpesarten fast natürlicher erscheint, als in letzterem Knochen aufgegangen betrachten darf, wage ich fürs erste nicht sicher zu entscheiden. Jedenfalls weist das Verhalten von Isodacty- lium Wosness. darauf hin, dass man in dieser niederen Wirbelthier- klasse wohl nicht an ein einfaches Verschwinden des Centrale? zu denken hat, wie dies von ROSENBERG (a. a. O.) für den Menschen mit Sicherheit nachgewiesen worden ist. Es erübrigt noch, auf zwei kleine, stets knorpelig bleibende Stücke am Fibularrand des Tarsus von Ranodon hinzuweisen. Das eine davon Fig. 3, °) findet sich auch bei Salamandra nebulosa ganz an derselben Stelle, ist jedoch hier um vieles stärker ent- wickelt, als dort. Es besitzt ungefähr eine dreieckige Form und liegt in dem Winkel zwischen Tarsale® und Fibulare. Seiner Kleinheit wegen wird es leicht übersehen und man muss deshalb mit dem Ablösen der Sehnen und Muskeln an diesem Puncte sehr vorsichtig zu Werke gehen. Durch Hinzukommen dieses Theils verliert der Tarsus seine decamere Form, indem sich die Zahl der Elemente bei Beiden auf 11 erhöht. Ausserdem erreicht nur Crypto- branchus diese reiche Entfaltung der Handwurzelknochen und HyrrL (Schediasma anatomicum. 1865) hat das elfte Stück als einen »pe- ronealen Sesamknorpel« bezeichnet. Ich verdanke es der grossen Liberalität KÖLLıker’s, dass ich mich über die Anatomie der Hand- und Fusswurzel eines 75 Centim. langen Riesensalamanders durch eigene Studien unterrichten konnte. Der durchaus hyaline Tarsus ist von HykrTL im Grossen und Ganzen richtig abgebildet; kleine Ungenauigkeiten, die sich bei ihm eingeschlichen haben, suchte ich durch Anfertigung der Figur 7 rich- tig zu stellen. Im Gegensatz zu den ostsibirischen Salamandern muss hier vor Allem die Lagerung der beiden Centralia auffallen, die fast eine vollkommen quere genannt werden darf. Dem entspre- chend lassen sich die Radien mit leichter Mühe einzeichnen, was bei den übrigen in Frage stehenden Urodelen nicht mehr oder nur mit , Schwierigkeiten zulässig erscheint. Es hat hier, wie ein Blick auf die Figuren 2—6 zeigt, eine »Verwerfung« der Elemente statt- gefunden; die beiden Centralia sind aus der Querlagerung mehr in 430 R. Wiedersheim die Verlängerung der Fibular- resp. Ulnaraxe, also des Stamm- strahles gerückt. Dadurch ist das Centrale? mit dem Carpale (Tarsale)* in unmittelbare Berührung gerathen und das Centrale ! von dem seinem Strahl zugehörigen Carpale (Tarsale) * weggerückt, wodurch jener unterbrochen scheint. Auf eben dieser Lagerung beruht auch die Schwierigkeit für die Einzeichnung desjenigen Strahles, der das Intermedium, das Centrale? und das Carpale (Tarsale) ? durch- setzt. Er ist durch das Centrale ! unterbrochen und müsste um das Centrale? zu erreichen, zwischen Tibiale und Centrale! hindureh- gehen. Für den radialen (tibialen) Strahl ergeben sich keine Schwierigkeiten. Er geht von den betreffenden Vorderarmknochen durch das Radiale und das Carpale!, und beim Unterschenkel durch das Tibiale und Tarsale !. Wenn wir die Lagerung der Centralia von Cryptobranchus einer- seits mit derjenigen der Enaliosaurier, andererseits mit der von Rano- don, Salamandrella Isodaetylium und Salam. nebulosa vergleichen, so weist jene auf eine phyletisch ältere Stellung des Riesensala- manders hin, als wir sie den letztgenannten Arten, wo schon eine Umlagerung der Theile (vielleicht in Folge der Anpassung an das Landleben) stattgefunden hat, zuerkennen können. Gerade dieser Umstand, welcher die Lagerung der Carpal- und Tarsalelemente in der Verlängerung der Ulnar- (Fibular-\Axe (vergl. oben) als etwas seeundär Erworbenes erscheinen lässt, macht, wie ich glaube, die Verwerthung derselben im Sinne des HuxLEy- schen ulnaren Stammstrahles illusorisch, wenn auch immerhin betont werden muss, dass Carpus und Tarsus in proximaler Richtung einen weit stärkeren Stützpunet in der Ulna haben als im Radius. Doch kehren wir nach dieser Abschweifung zu den am fibula- ren Rand gelegenen Tarsalstücken zurück. Ausser dem obgenann- ten hyalinen Partikelchen findet sich ein zweites in dem Winkel zwischen Fibulare und Fibula (Fig. 3 * ). Es zeigt eine ovale Form mit nach vorn ausgezogener Spitze und kommt nur Rano- don zu. Salamandra nebul. besitzt hiervon keine Spur. Nur schwer gelingt es, dies minimale Körperehen zur Anschauung zu bringen, da es in eine fibröse Membran eingeschlossen ist, welche „sich zwischen dem distalen Ende der Fibula und dem Fibulare aus- spannt; ja ich vermochte es nur an dem rechten Fuss zur Anschau- ung zu bringen, obgleich ich bei dem der anderen Seite dieselben Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 431 Vorsichtsmassregeln anwandte, die fibröse Membran sogar in toto ausschnitt und mit schwacher Aetzkalilösung aufhellte. Da ich trotz alledem nichts zu entdecken vermochte, so kann ich nicht annehmen, dass ich es übersehen hätte und ich möchte vielmehr die positive Behauptung aussprechen, dass es linkerseits überhaupt nicht vorhanden war. Ganz abgesehen von seiner verschwindenden Kleinheit und sei- ner knorpeligen Beschaffenheit liegt schon in dieser Inconstanz sei- nes Vorkommens ein Beweis für seinen rudimentären Character; letzterer muss auch für das Stückchen 6 aufrecht erhalten werden, obgleich dieses beiderseitig vertreten war. Durch das Hinzukommen dieses zwölften Tarsaltheiles ist die höchste Zahl der Fusswurzelstücke aller jetzt lebenden Thiere!) der vier höheren Klassen erreicht und es erhebt sich nun die Frage, wie sind die beiden als »rudimentär« bezeichneten Stücke zu deuten? Der Schlüssel zur Beantwortung liegt, wie ich glaube, im Tar- susbau von Plesiosaurus, wo sich bekanntlich zwei, in ihren Lage- beziehungen aufs Genaueste mit den Bildungen bei Ranodon über- einstimmende Theile am ulnaren Rand zeigen. Sie sind von GEGENBAUR im Sinne eines sechsten Strahles, also nicht als Neu- bildungen, sondern als Anklänge an die polydactyle Selachierflosse gedeutet worden. Er war zu dieser Auffassung um so mehr be- rechtigt, als er nach aussen von der Stelle, wo der Ulnarstrahl vom Humerus abbiegt, ein drittes Stück nachzuweisen im Stande war. Bei Ranodon vermochte ich hiervon nichts zu finden. Bei Zugrundelegung des biserialen Archipterygium von Cerato- dus würde dieser Strahl als alleiniger Repräsentant jener zahlreichen bei der Flosse jenes Fisches auf der ulnaren Seite des Stammstrah- les liegenden Secundärstrahlen zu deuten sein. Eine vollkommene Ergänzung zu dem Carpus von Plesiosaurus bietet derjenige des Ichthyosaurus, wo sich die Hexadactylie !) In meiner Arbeit über die südeuropäischen Urodelen wird man die Be- merkung finden, dass ich die unter normalen Verhältnissen in der Zahl Sie- ben vorhandenen Carpalia der Salamandrina perspieillata in einem Falle beiderseitig auf 10 erhöht fand. Es waren nämlich dort ebenfalls zwei Cen- tralia vorhanden und das Intermedio-Ulnare zeigte sich in seine zwei Componen- ten aufgelöst! Durch die vorliegenden Studien ist es erlaubt, diese Anklänge an den de- cameren Typus im Sinne des Atavismus, also als Rückschlagsbildungen aufzu- fassen. Aehnliches habe ich auch von Triton cristatus gezeigt. Morpholog. Jahrbuch. 2. 29 432 R. Wiedersheim nicht wie dort, durch Carpalstiicke, sondern durch eine Reihe von Phalangen am äusseren Rand der Hand ausgesprochen findet. Alle diese Befunde an den sibirischen und japanesischen Uro- delen erregten mein Interesse in um so höherem Grade, als durch die oben erwähnte Arbeit Born’s auch bei den Anuren Reste einer sechs- ten Zehe nachgewiesen werden konnten. Hier handelt es sich jedoch um eine Vermehrung der Secundärstrahlen auf der tibialen Seite. Die Resultate meiner Untersuchung lassen sich in folgenden Puncten zusammenfassen. 1) Das in der heutigen Wirbelthierwelt bis jetzt nirgends beob- achtete, doppelte Centrale carpi hat sich auf die ostsibirischen Urodelen fortvererbt. 2) Das unter den heutigen Amphibien bis jetzt nur bei Crypto- branchus bekannte doppelte Centrale tarsi kommt noch bei 4 an- deren asiatischen Urodelen vor, hat aber hier eine Lageände- rung erfahren. 3) Die bei Ranodon sibiricus existirende Zahl (12) der Tar- salia ist die höchste unter den jetzt lebenden Vertretern der 4 oberen Wirbelthierklassen, was auf ein sehr hohes Alter jener Gattung schliessen lässt. 4) Die bei andern Klassen (Reptilien, Säuger) vorkommenden, früher als Sesambildungen, später richtiger als Reste eines »sechsten Strahles« gedeuteten Knöchelehen am fibularen (ul- naren, Fussrand lassen sich auch bei den geschwänzten Am- phibien nachweisen (Ranodon sib., Salamandra nebulosa). Bei Ranodon lassen sie sich ihrer topographischen Beziehun- gen wegen mit dem Gliedmaassenskelet der Enaliosaurier in Parallele bringen. Alles weist bei den sibirischen Urodelen darauf hin, dass die Reduction der Finger nicht auf der radialen, sondern auf der ulnaren Seite stattgefunden hat, dass man also nicht, wie bisher angenommen wurde, den ersten, sondern den fünften Finger als ausgeworfen betrachten darf. Man könnte vielleicht versucht sein, die beigebrachten That- sachen in dem Sinne eines Anschlusses jener asiatischen Thierfor- men an die Enaliosaurier zu verwerthen. Es wäre dies um so schöner , als derartige Bindeglieder zwischen den heute lebenden Amphibien und den ausgestorbenen Geschlechtern zu den grössten Seltenheiten gehören. Erwägt man jedoch die ungeheuere Differenz in der Gesammtorganisation von Beiden, so wird man von einem Or Die iiltesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. 433 derartigen Versuch abstehen müssen und nur von Aehnlichkei- ten in den betreffenden Puncten reden können. Ich hoffe, dies in der von mir oben in Aussicht gestellten Ar- beit über den Urodelenschädel des Näheren erläutern zu können, in- dem ich dort den Beweis beibringen werde, dass der den jetzt lebenden Urodelen zu Grunde liegende Organisationsplan in allen we- sentlichen Zügen schon in der ersten Hälfte der permischen Forma- tion (»Roth-Todt-Liegendes«) zum Ausdruck gekommen ist. Will man daher nach dem rothen Faden suchen, so wäre viel eher hier der Anfang damit zu machen, als bei den erst im nächsten Zeitalter erscheinenden Meersauriern, welche überdies gleich von ihrem ersten Auftreten an eine ganz andere Entwickelungsrich- tung verfolgen. Würzburg, im Juli 1876. 29* Erklirung der Abbildungen. Tafel XXIX. Allgemein giltige Bezeichnungen: t = Tibiale r = Radiale © = Intermedium ui = Intermedio-Ulnare J = Fibulare wu = Ulnare ce!e?= Erstes und zweites Centrale 1—6 — Erstes bis sechstes Tarsale (Carpale) I—V = Erster bis fünfter Metatarsus (Metacarpus) fA axes R = Radius F = Fibula U = Ulna. Fig. 1. Schema für die Hand- und Fusswurzel des Landsalamanders. Fig. 2. Carpus von Ranodon sibiricus. Fig. 3. Tarsus von Ranodon sibiricus. * und 6 sind die Theilstiicke des sechsten Strahles. Fig. 4. Carpus von Salamandrella Keyserlingii. Fig. 5. Tarsus - - - Fig. 6. Carpus von Salamandrella (Isodactylium) Wosnessenskyi. Bei Figur 2—6 sind die Knochenzonen hellbraun, die knorpeligen Partieen blau gehalten. G bedeutet iiberall ein Blutgefiiss. Fig. 7. Tarsus von Cryptobranchus japonicus. Taf. XXIX. Morphol. Jahrbuch.Bal. Lith. JAHofnenn Würzburg. Wiedersheim del. Sige 2% Ny Ae 77, A ig fe Bemerkungen über den Canalis Fallopii. Von C. Gegenbaur. In einer jüngst erschienenen mehrere Abhandlungen enthaltenden Schrift!) gibt uns RÜDINGER mit anderen die »Bildung der Canäle und Hohlräume im menschlichen Schläfenbein« betreffenden Anga- ben auch eine Darstellung der Bildung des Canalis facialis (pag. 4). Wir erfahren darin dass dieser Canal anfänglich an der medialen Wand der Paukenhöhle als eine verhältnissmässig weite seichte Rinne nach abwärts zieht, dass er also nicht sogleich in seiner gan- zen Ausdehnung als Canal erscheint. Die Rinne vertieft sich all- mälig indem ihre Ränder sich erheben, und so entsteht an der vorderen oberen Fläche der Pars petrosa eine Knochenleiste, die zugleich als Decke über das Knie des N. facialis so herüberwächst, dass der fallopische Canal unmittelbar unter seinem Hiatus zuerst eine Vervollständigung erhält. Nach und nach erstreckt sich dieser Vorgang weiter nach abwärts. Unser Autor bezeichnet das, indem er es ausführlich beschreibt, als »Verschliessung des Canals«. Im An- schluss an die Beschreibung der den Menschen betreffenden Ver- hältnisse, finden auch die Säugethiere Hund, Pferd, Reh, Rind, Katze) Berücksichtigung. Nur der obere Abschnitt bis in die Ge- gend des ovalen Fensters stellt einen wirklichen Canal dar. Die übrige Strecke wird durch eine Rinne repräsentirt. »Bei den Säuge- '!) Beiträge zur Anatomie des Gehörorganes, der venösen Blutbahnen der Schädelhöhle sowie der überzähligen Finger. Mit 6 Taf. München 1876. 436 C. Gegenbaur thieren ist es ein normaler Vorgang, dass sich kein vollständiger knöcherner Canalis facialis ausbildet; der Canal bleibt auf einem niederen Entwicklungsstadium stehen, und zeigt somit ein Verhalten wie es nur im fötalen Leben des Menschen die Norm ist.« Dieser Darstellung der Bildungsgeschichte des fallopischen Ca- nals ist eine andere vorausgegangen, welche unserem Autor offen- bar unbekannt geblieben war. Es ist das zu entschuldigen, da jene frühere Darstellung, zuerst (1872) in einer holländischen Disserta- tion !) erschien und auch da nur als Anhang einer grösseren Abhand- lung über die Verknöcherung des Schädels der Teleostier. Als ein Jahr darauf die ganze Arbeit in deutscher Sprache im Niederländischen Archiv für Zoologie 2) veröffentlicht ward, kam in der Ueberschrift nur die grös- sere Arbeit zur Aufführung, und jene über das Schläfenbein (22 Seiten) fand keine Erwähnung. So ist denn dieser sehr wichtige Beitrag zur Entwickelung des Schläfenbeins den Anthropotomen entgangen, wie er denn auch in den deutschen Jahresberichten keine Stelle ge- funden hat. Um so mehr halte ich es für eine Pflicht, auch gegen den durch ein finsteres Geschick in der Blüthe der Jahre dahin- gerafften jungen Freund, jene fleissige und sorgfältige Untersuchung der unverdienten Vergessenheit zu entziehen, indem ich hier das den oben beregten Gegenstand Betreffende im Wesentlichen mittheile. Die drei am Can. Fallopii unterschiedenen Abschnitte sind nach A. VROLIK in genetischer Beziehung von sehr differenter Bedeutung Der erstere bis zum späteren Hiatus sich erstreckende Abschnitt ist der einzige im knorpeligen Primordialeranium des Menschen bestehende. Die zweite von der knieförmigen Biegung am Hiatus beginnende Abtheilung läuft an der Fenestra ovalis vorüber, und erstreckt sich bis etwa jenseits der Fenestra. Sie ist am Primordialeranium nicht als Canal vorhanden, sondern nur durch eine Vertiefung repräsen- tirt, die bereits an der Aussenfläche des Petrosum verläuft. An der allmäligen Vertiefung dieser Furche (Grube) betheiligt sich schon der Knorpel ihrer Ränder, aber erst die Verknöcherung formt die- sen Abschnitt zum Canal. Der dritte Abschnitt des ausgebildeten Canals ist gar nicht knorpelig präformirt, sondern entsteht erst im !) Studien over de Verbeening en de Beenderen van den Schedel der Te- leostei, met Aanhangsel over de Verbeening van het Slaapbeen der Zoogdieren, door J. A. VroLık. Haarlem 1872. (Mit 5 Taf.) 2) Bd. I. Heft 3. Juni 1873. Studien über die Verknöcherung und die Knochen des Schädels der Teleostier von. Dr. J. A. VROLIK. Bemerkungen iiber den Canalis Fallopii. 437 Laufe der Verknöcherung des Petrosum. Dagegen betheiligt sich der Processus styloides an der Bildung des Foramen stylomastoideum, oder vielmehr der Begrenzung der Endstrecke des Canals. »In der Gegend der noch knorpeligen Pars mastoidea, ungefähr gegenüber der Fene- stra ovalis biegt sich ein schmaler knorpeliger Stiel, der Anfang (? Ref.) des zweiten Kiemenbogens, nach dem knorpeligen Vorsprung zu, der später den eigentlichen Proc. mast. bildet; auf dieser Stelle macht der genannte Knorpelstiel eine rechtwinklige Biegung um zum Zungenbein zu verlaufen. Dieser zweite Theil des Knorpel- stiels, der also senkrecht auf dem ersten steht, liefert den Processus styloideus. Der ersterwähnte Theil des Knorpelstiels ist mittelst Perichondrium mit dem zukünftigen Processus mastoideus verbunden, und bildet eine Brücke, unter der der N. facialis die Schädelhöhle verlässt; im Primordialschädel gibt es also kein eigentliches Fora- men stylomastoideum (d. h. keine Durchbrechung der Schädelwand) an der Stelle wo sich später das Foramen stylomastoideum befindet, sondern, wie aus der vorhergehenden Beschreibung folgt, das Loch wodurch der Facialis tritt, wird von einer Umbiegung des knorpeli- gen Zungenbeinbogens gebildet; die eigentliche Austrittsstelle wo der N. facialis die Primordialschädelhöhle verlässt, ist am Hiatus Fallopii zu suchen.« »Der schon oft erwähnte erste Theil des Zungenbeinbogens bleibt sehr lange knorpelig. An einem Schädel, wo das ganze Fel- senbein knöchern war, wo sogar schon ein Theil der dritten Ab- theilung des Fall.-Canales (nämlich gegenüber der Fenestra ovalis und um den Musculus stapedius herum) gebildet war, wurde das Fora- men stylomastoideum an seinem vorderen Rande noch immer von diesem Knorpelstiel begrenzt«'). 1) Hier mag noch eine andere Berichtigung eine Stelle finden. In »Bei- träge zur Anatomie und Physiologie ais Festgabe für CARL LUDWIG zum 15. October 1874 gewidmet von seinen Schülern. Leipzig 1874,« findet sich eine Abhandlung von Prof. Dr. PoLitzer in Wien »zur Anatomie des Gehörorgans«. Eine Abtheilung davon handelt von dem Processus styloides. Nach einer Darstellung seines Verhaltens nach HENLE sagt der Verfasser : »Dieser Beschrei- bung sowohl, wie den Schilderungen in anderen anatomischen Werken ist zu entnehmen, dass der Processus styloideus als ein Knochenfortsatz angesehen wird, welcher an jener Stelle, wo seine umwallte Basis sichtbar ist, aus der Knochenmasse des Schläfenbeins sich bildet. In der mir zugänglichen Literatur der menschlichen Anatomie konnte ich aber nirgends eine Andeutung über den wirklichen Ursprung dieses Fortsatzes, sowie über die Endigung seines oberen Abschnittes im Schläfenbeine finden.« 438 C. Gegenbaur Bei Säugethieren bestehen sehr differente Verhältnisse. Allge- mein ist die erste Abtheilung des Canals dem Primordialeranium zugetheilt, und die beiden folgenden Abtheilungen sind secundäre Bildungen. Bei Echidna bleibt der beim Menschen vorübergehende embryonale Zustand des Canals bestehen, denn die Ausmündung des Canals entspricht der Stelle am Hiatus. Dass diese Stelle, die beim Menschen (wie bei den übrigen Säugethieren) später der Innen- fläche des Schädels zugekehrt ist, hier bei Echidna an der Aussen- fläche liegt, hat VroLık mit der Entwieklung der Cochlea in sinn- reichen Zusammenhang gebracht. Die zweite Abtheilung des Canals wird bei vielen Säugethieren unvollständig gebildet, so z. B. beim Hund, der Katze, dem Ka- ninchen und der Ratte. Die dritte Abtheilung kommt theils durch Umwachsung von Knochengewebe, theils durch die Beziehung jener oberen Theile des knorpeligen Zungenbeinbogens zu Stande. Der mit diesen drei Abschnitten ausgestattete Canal ist übrigens keines- wegs für den Menschen characteristisch, so dass da ein Gegensatz zu den Säugethieren bestände, denn VROLIK fand den vollständigen Canal nicht nur bei einem Affen sondern auch bei mehreren Nagern (Biber, Meerschweinchen und Murmelthier). Durch den von VROLIK gelieferten Nachweis der Beziehungen des Canals zum Primordialeranium ist für die Vergleichung der das Schläfenbein constituirenden Theile, sowie sämmtlicher mit der medialen Wand der Paukenhöhle in Verbindung stehender Gebilde »Aus den folgenden anatomischen Untersuchungen ist jedoch ersichtlich, dass der Processus styloideus aus einem präformirten Knorpelkörper hervorgeht, wel- cher nicht nur im fötalen Zustande sondern auch beim Neugeborenen als ein tso- lirbares Knorpelgebilde darstellbar ist, und dass das obere Ende des Processus styloi- deus nicht an der äusserlich sichtbaren Basis des Fortsatzes sich befindet, sondern bis in das Cavum tympani hinaufreicht.« Diese vom Verfasser selbst hervorgehobenen Resultate liefern uns das nicht seltene Beispiel der Neuentdeckung längst gekannter Dinge, nur dass die- selben diesmal nicht in schwer zugänglichen Werken ihre erste Behandlung oder in selten gewordenen Büchern ihre Verbreitung fanden, wie denn heute wohl kein einziger Anatom den Griffelfortsatz für einen blossen Knochenfortsatz des Schläfenbeins hält, nachdem durch REICHERT 1836 (de arcubus sie dietis bran- chialibus. Diss.) die bisher bezüglichen Thatsachen kund geworden und in MÜLLER's Archiv f. Anat. u. Phys. 1837. pag. 120 ausführlich mitgetheilt waren. Fernere Darstellungen, um von Specialarbeiten über dieses Object nicht zu reden, fanden in KÖLLIKER’s Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Men- schen, auch in anatomischen Lehrbüchern Eingang, z. B. in jenem von QUAIN und SHARPEY, von dem eine deutsche Bearbeitung seit 6 Jahren existirt. Bemerkungen iiber den Canalis Fallopii. 439 ein wichtiger Fortschritt angebahnt. In dieser Hinsicht will ich nur auf einige Puncte hinweisen: Die äussere Oeffnung des den N. facialis bei niederen Wirbelthieren durchlassenden Canals ist homolog der bei den Säugethieren am Primordialeranium bestehen- den Mündung, an welcher Stelle später der Hiatus erscheint. Ich hatte Anlass bereits vor mehreren Jahren dieses auszusprechen. Die vom Facialis jenseits dieser Stelle abgegebenen Zweige, miissen also bei niederen Vertebraten ausserhalb des Craniums gesucht werden. Wenn das schon von manchem der älteren Anatomen (z. B. JOH. MÜLLER, BONSDORFF) geschehen, so wird der Grund für jene geänderten Lagerungsverhältnisse doch erst damit verständlich. dass der fallopische Canal der Säugethiere sehr ungleichwerthige Streeken darbietend erkannt, und in einen primären und einen seeundären Abschnitt gesondert wurde. Endlich tritt auch der Muse. stapedius in klarere Beziehung, wenn seine Umschliessung von Seite des Petrosum als ein secundiirer mit der Bildung des letzten Abschnittes des fallopischen Canals zusammenhängender Process erscheint. Ein neues Compressorium. Von Hermann Fol, Privatdocent in Genf. Mit einer Figur in Holzschnitt. Schon längst haben die Mikroskopiker den Mangel eines wirk- lich guten Compressoriums gefühlt. Ihren Anforderungen scheinen die bisher vorgeschlagenen Modelle nur theilweise zu entsprechen. Wozu würde sonst ein geübter Naturforscher eine Methode ausführ- lich beschreiben und anpreisen, welche jeder Anfänger so lange angewendet hat, bis er sich eines brauchbaren Compressoriums zu bedienen lernte? Ich brauche wohl nicht besonders darauf hinzu- weisen, dass ich AUERBACH’s Methode der Compression durch Capillar- Adhäsion im Sinne habe. Ich beabsichtige keineswegs mich ausführlich über die Uebel- stände der meisten Compressorien zu verbreiten. Nur kurz will ich erwähnen, dass ihre Mängel vornehmlich sich bei der Stellung der Glaslamellen und am Parallelismus derselben wahrnehmen las- sen. Ein seit längerer Zeit in England gebrauchtes Instrument ist mit den angeführten Mängeln weniger behaftet als es diejenigen Instrumente sind deren man sich auf dem Festlande bedient. Die Engländer nennen es »live-box« wegen seiner Aehnlichkeit mit einer runden Schachtel. Zur Beschreibung dieses Instrumentes erwähne ich nur dass es aus zwei breiten niedrigen, vertical gestellten Cylin- dern besteht, welche genau ineinander passen. Der innere Cylin- der trägt an seinem oberen Rande in horizontaler Lage ein rundes Objectglas, während der untere Rand in die runde Oeffnung einer Ein neues Compressorium. 441 ebenfalls metallenen Platte genau eingefügt ist. Dem äusseren, auf ersterem leicht verschiebbaren, Cylinder ist an seinem oberen Theile ein rundes Deckglas angebracht. Der Gebrauch dieses Instrumentes ergibt sich aus dem Bau desselben. Wird das zu untersuchende Object in einem Fliissigkeits- tropfen auf das Objectglas gebracht und mit dem, im Deckel ein- gefassten Deckglase bedeckt, so lässt sich vermittelst der reibenden Bewegung der Abstand beider Lamellen dermassen reguliren, dass das Object, respective das Thier durch leisen Druck fixirt oder beliebig gequetscht wird. Ein nicht geringer Vortheil dieses In- strumentes besteht darin, dass das Object in einer feuchten Kam- mer liegt, worin die Flüssigkeit uur sehr langsam eintrocknet; da es ferner von einer gewissen Quantität Luft umgeben ist, so können lebendige Thiere mehrere Stunden darin fortleben bis diese Luft verbraucht ist und Erstickung eintritt. Solehe Compressorien be- nutzte CLAPAREDE, und von ihm lernte ich den Gebrauch der- selben kennen. Auch liess er sich solche von grösserem Durch- messer, bis zu 2 Zoll, zur Beobachtung grösserer Thiere anfertigen. Ich benutzte selber dieses Instrument längere Zeit und fand es, namentlich am Meeresstrande, sehr bequem und zeitersparend. Ein Nachtheil machte sich aber namentlich bei Anwendung stärkerer Vergrösserung sehr fühlbar. Das ins Compressorium gelegte Objeet kommt nämlich einen Centimeter und mehr über dem Mikroskoptische zu liegen; die Entfernung vom Diaphragma ist somit zu gross und macht die Anwendung von Concentrations-Apparaten bei durchfal- lendem Lichte rein unmöglich. Diesem Uebelstande suchte ich dadurch abzuhelfen, dass ich die Vorrichtung umkehrte. Ich liess mir ein neues Modell anfertigen, bei welchem das Objectglas in einer Fläche mit der Metallplatte liegt und von einem eylinderförmigen Ringe umgeben ist. In diesen Ring passt ein kleinerer beweglicher Cylinder genau ein; am unteren Rande des lezteren ist das Deck- glas fest gekittet, während der obere Rand zum Anfassen mit den Fingern einen breiten Rand trägt. Dieses Compressorium lässt sich auch bei den stärksten Vergrösserungen anwenden: es dient eben- falls als feuchte Kammer und besitzt alle Vortheile des früheren. Es dürfen jedoch die beiden Cylinder nicht zu eng sein, weil die Objectivlinse innerhalb des innern Cylinders eingestellt werden muss, wodurch der peripherische Theil der feuchten Kammer für die mi- kroskopische Beobachtung verloren geht. Man ist daher genöthigt nur solche von grösserem Durchmesser zu gebrauchen und dabei wird 442 E: ein Nachtheil, den die kleineren Compressorien schon hatten, sehr fühlbar. Die Bewegung der beiden Cylinder aufeinander kann näm- lich nur unter der Bedingung regelmässig sein, dass die Höhe des Cylinders nicht weniger als das Dritttheil des Durchmessers dessel- ben beträgt. Bei grösserem Durchmesser müssten somit beide Cy- linder eine beträchtliche Höhe besitzen, ja eine solche Höhe, welche das Instrument unbrauchbar machen würde. Sonst kann es leicht vorkommen, dass das innere Stück sich schief stellt, wodurch als- dann der Parallelismus der Glasscheiben gestört wird. Ja das innere Stück kann dabei in eine so schiefe Lage gerathen, dass es sich nur mit Mühe wieder richtig stellen lässt. Es musste daher das Compressorium so hergestellt werden, dass bei Benützung aller Vortheile, welche die zuletzt besprochenen hat- ten, auch deren Nachtheile beseitigt wurden. Dem Professor THurY, ehemaligem Director der hiesigen Fabrik physikalischer Instrumente, gelang es nach einigen Versuchen ein solches Instument zu verfer- tigen. Ich habe dasselbe nur in den Grössenverhältnissen modificirt und lasse dessen Beschreibung hier folgen. Das untere Stück besteht aus einer durchlöcherten Metallplatte /P) ; j der runden Oeffnung ist == eine Glasscheibe von 4 Hi Centim. Durchmesser ein- gefiigt. Rings um die etwas über das Niveau der Platte erhabene Glasscheibe läuft eine kreisförmige Rinne. 7? Behufs leichteren Drehens auf dem Mikroskoptische ist die Platte in polygona- ler statt quadratischer Form geschnitten. Auf dieser Platte ist nun seit- lich ein doppelter Cylinder angebracht. Der innere kleine Cylinder (e) ist der mehrerwähnten Platte angefügt, während der darüber befind- liche, hohle (C) so verfertigt ist, dass er auf demselben mittelst einer Springfeder und einer Mikrometerschraube leicht auf und ab bewegt werden kann. Diese Bewegung gleicht vollkommen der »feinen Einstellung« der meisten Mikroskope. Der obere Cylinder trägt nun mittelst eines horizontalen Arms (A) einen Ring (AR), in welchen das obere Stück (D) des Compres- sorium hineinpasst. Letzterer Theil hat ganz dieselbe Gestalt wie beim vorigen Modell und trägt ebenso am unteren Rande die, als aim m _— SS rs: i — ——— y= yy —— a a | my = mem S Si ~ Ri = Ein neues Compressorium. 443 Deckglas dienende, dünne Glasscheibe, hat aber 5'/, Centimeter im Querdurchmesser. Als Kitt zum festen Ankleben des grossen Deck- glases am unteren, nach einwärts vorspringenden flachen Rande des oberen Stückes, leistete’ »marine Glue« die besten Dienste. Ist das Deckglas einmal ringsum festgekittet, so kann es trotz seiner Dünn- heit (ich gebrauche kein über 0,3 Mm. dickes Glas) einen erheb- lichen Druck aushalten ohne zu zerspringen Es hat dieser Apparat alle Vortheile des vorigen; das obere Stück kann durch reibende Bewegung im Ringe schnell auf und ab bewegt werden. Behufs feinerer Einstellung oder langsamer Quet- schung braucht man nur zur Mikrometerschraube zu greifen. Der Parallelismus beider Glasscheiben ist vollkommen; nur muss dafür Sorge getragen werden, dass der Ring mit dem denselben tragen- den Arm nicht verbogen wird. Der einzige Nachtheil dieses gros- sen Compressoriums besteht in seinem etwas hohen Preise. Dieje- nigen, welche die Fabrik physikalischer Instrumente, chemin Gour- gas in Plainpalais bei Genf, verfertigt und vorräthig hält, lassen in Bezug auf Sorgfalt in der Ausführung wenig zu wünschen übrig, kosten aber 45 Franes das Stück. Dennoch fanden dieselben bei allen denjenigen Naturforschern, welche sie bei mir zu sehen Gele- genheit hatten, den grössten Beifall. Das kleinere Modell, ohne feine Einstellung, mit einem Cylinder von 4!/, Centim. Durchmesser, genügt für manche Untersuchungen, und kommt der Preis desselben blos auf 15 Franes zu stehen. Ich selbst nehme stets ein grösseres und ein Paar kleinere Com- pressorien in meinem Mikroskopkasten auf die Reise mit. Eier lassen sich durch dieselben oft Tage lang beobachten, ohne dass ihre Entwick- lung irgendwie gehemmt würde. Geschälte Helixeier und Limaxeier konnte ich auf diese Weise länger als vierzehn Tage hindurch stu- diren und ihre Entwicklung blieb unter solchen Umständen durch- aus normal; nur muss man vor dem Einlegen der Eier einen Bausch zusammengerolltes und mit Wasser getränktes Fliesspapier ringsum innerhalb der Rinne, welche das Objectglas umgibt, einstellen und dafür Sorge tragen, dass dasselbe stets feucht bleibe. Zum eingehenderen Studium von lebenden Wasserthieren, nament- lich von Seethieren, sind diese Compressorien geradezu als unent- behrlich zu bezeichnen , nicht blos wegen ihrer Bequemlichkeit, sondern auch wegen der Zeitersparniss. Wer an dieselben gewohnt ist, der denkt nicht mehr an Glaszellen, Wachsfüsschen, Capillar- adhäsion und dergleichen, indem er ein Instrument besitzt, welches 444 H. Fol, Ein neues Compressorium. | gleichzeitig das Object bedeckt ohne es zu quetschen, vor dem Eintrocknen schützt ohne es zu ersticken, oder auch einen höchst langsamen, leicht zu controllirenden von der Verdunstung unabhän- gigen Druck ausübt. Mit diesen Compressorien lässt sich meist bei schiefer Lage des Mikroskopes beobachten, ein für anhaltende Beob- achtungen gewiss nicht geringer Vortheil. Will man Reagentien anwenden, so schneide man sich ein kleines Loch in das Deckglas, wodurch dieselben eingeträufelt werden können ohne das Instrument zu stören und ohne dass man für die Objeetivlinse die Ausdünstun- gen der Säuren zu befürchten hätte. Da mir der Gebrauch dieser Instrumente ausserordentliche Vor- theile gewährt, so halte ich es für meine Pflicht, dieselben meinen Commilitonen im Felde der Zoologie bekannt zu machen. Eine Einbettungsmasse mitgetheilt von Dr. E. Calberla. Die Anregung zur Bereitung der in Folgendem beschriebenen Einbettungsmasse gab mir eine neue aus Talg und Natronalbuminat bestehende Einbettungsmasse, die zuerst von Dr. Bunce, Privat- docent der Chemie in Dorpat, dargestellt und durch Dr. E. Rosen- BERG, Prosector daselbst, in die mikroskopische Technik eingeführt worden ist!). Ich kann die RosENBERG -Bungr’sche Masse zum Einbetten grösserer Gegenstände sehr empfehlen, allein für kleinere Objecte, Embryonen , besonders kleiner Eier, versagt sie wenigstens nach meinen Erfahrungen ihren Dienst, denn nur in den seltensten Fällen ist es möglich ein etwa !/,—*/, Millimeter grosses Ei bis zum letzten Stück in feine Schnitte zu zerlegen und andererseits macht auch die Fixirung solcher kleinen Objecte vor dem Einschliessen fast unüberwind- liche Schwierigkeiten. Angeregt durch die Verwendung des Eiweisses in der ROSENBERG’schen Vorschrift gelang es mir eine Einbettungsmasse herzustellen, die allen Anforderungen entspricht, und dabei sich durch die Leichtigkeit ihrer Bereitung vortheilhaft auszeichnet. »Von einigen Hühnereiern trennt man den Dotter vom Eiweiss, !) Eine eingehendere Mittheilung über die Anfertigung dieser Masse steht von Seiten ROSENBERG’s in Aussicht. Eine ungenaue Beschreibung der Dar- stellung dieser Einbettungsmasse ist von Herrn Dr. BRESGEN in VIRCHOWS Archiv f. path. Anatomie. Jahrgang 1875. Fünfundzwanzigster Band pag. 6 gegeben worden. 446 E. Calberla entfernt die Chalazen und zerschneidet das Eiweiss mit einer Scheere. Letzteres wird dann zu 15 Theilen mit 1 Theil einer 10 °%, koh- lensauren Natronlösung versetzt" und hierauf lebhaft geschüttelt. Dieser Lösung von Natronalbuminat fügt man die zu dem Eiweiss gehörige Dottermasse hinzu und schüttelt alles intensiv durch einan- der. Nun giesst man alles in ein tiefes Gefäss, lässt es einen Augenblick absetzen und schöpft dann mit einem Papierstreifen den Schaum inelusive der oben aufschwimmenden Dotterhautfetzen ab; grössere Stücke von letzteren entfernt man mit der Pincette. Die Masse ist nun fertig. Behufs der Einschliessung verfährt man mit den Objecten in folgender Weise: Das einzuschliessende Object wird aus der bezüg- lichen Conservirungsflüssigkeit in Wasser gebracht um es von ersterer Flüssigkeit zu reinigen. Hierauf d. h. nach etwa 3—10 Minuten bringt man das Object, wenn es sehr zart ist in gewöhnliches Hüh- nereiweiss, ist es ein grösseres Präparat, dann sofort in ein Schäl- chen mit der eben bereiteten Masse. Nach 5 — 20 Minuten (je nach der Dicke) ist das Objeet genügend mit der Eiweiss- oder Masselösung getränkt, und man kann es sofort auf einem Stück alter gehärteter Masse befestigen2). Gut thut man stets auf der zur Un- terlage benutzten alten gehärteten Masse eine frische Schnittfläche herzustellen. Grosse Objecte kann man einfach aufstecken oder mit Nadeln in jeder möglichen Art befestigen. Bei kleineren Objecten muss man einen anderen Befestigungs- modus einschlagen — einmal bringt man auf die frische Schnittfläche der als Unterlage dienenden gehärteten Masse einige Tropfen frisch bereiteter Masse, nach 5 Minuten ist dieselbe fast eingetrocknet und man kann nun den einzuschliessenden Gegenstand z. B. ein Ei, mit Nadeln fixiren. Ganz .kleine Objecte dagegen verlangen eine com- plieirtere Art der Fixirung. Zunächst fertigt man sich einige ganz feine Scheibchen von alter gehärteter Masse, wäscht den daran haftenden Alkohol in Wasser ab, trocknet sie mit Fliesspapier und tränkt dann diese Schnitte etwa 10—20 Minuten (auch länger) mit der frisch bereiteten Eiweiss- Eidottermasse. Die einzuschliessenden Objecte z. B. kleine Eier bringt man auf die in der oben angegebenen Art und Weise vor- 1) 10 Theile caleinirte Soda auf 100 Theile Wasser. ?) Bröcklige Objecte werden durch die Durchtränkung mit Eiweisslösung ausserordentlich schnittfähiger gemacht. ‘ine neue Einbettungsmasse. 447 bereitete Unterlage von alter Masse, nachdem man dieselbe in der oben angegebenen Art und Weise mit der frischen Masse ge- tränkt hat. Hier ordnet man die Objecte in der gewünschten Lage an und überdeckt sie vorsichtig, damit keine Luftblasen darunter bleiben mit einem in frischer Masse getränkten Scheibchen alter Masse. Das ganz durchsichtige Scheibehen wird mit Nadeln fixirt: man kann so die Lage der Objecte sehr gut controliren und etwaige Lageveränderungen leicht beseitigen. Sehr zarte Objeete kann man auch zwischen 2 Scheibehen alter Masse , die mit frischer Eidotter- Eiweissmasse getränkt waren, einlegen und dann in jeder beliebigen Richtung auf der Unterlage fixiren. Diese Methode ist besonders behufs Anfertigung von Sagittalschnitten von Embryonen empfehlens- werth. Beim Härten verbindet sich die mit frischer Masse getränkte alte Masse so gut mit der neuen, dass man auf Durchschnitten kaum ihre Grenzen bemerken kann. Nun bringt man die Unterlage mit dem Object in ein Papierkästchen, notirt sich aussen an letzterem die Lage des Objectes und giesst soviel von der flüssigen Masse auf das Object, dass dieses mindestens mit 1!/, — 2 Centimeter Flüssigkeitsschicht bedeckt ist. Das Papierkästchen bringt man in eine Schaale mit Alkohol von 75—80 °/,, der etwa die Kästehen zur Hälfte der Höhe, oder etwas mehr bespülen muss. Das ganze Gefäss wird auf ein Wasserbad gesetzt dessen Temperatur so regu- lirt wird, dass der Spiritus in der Schaale nicht zum eigentlichen Kochen kommt. Ueber die Schaale deckt man einen Trichter damit die Kästchen in einer wahren Alkoholatmosphäre sich befinden. Nachdem die Objecte sich etwa '/,—*/, Stunde in dem heissen Al- kohol befunden haben, bringt man dieselben in kalten Spiritus, zieht die Nadeln heraus und schneidet alles überflüssige Papier ab. Die Masse muss, wenn sie aus dem heissen Alkohol genommen wird, Gummiconsistenz haben. Die gehärtete Masse bringt man hierauf in Alkohol von 85 — 90 °/,, nach 24 Stunden wird letzterer gewechselt. In 2 mal 24 Stunden ist die Masse schnittfähig. Weiteres Wechseln des Alkohols macht die Masse zu hart, nur bei sehr harten Objecten, z. B. solehen die Chitinschichten ete. ent- halten, ist es zweckmässig die Masse durch 3—4 maliges Wechseln des Alkohols stärker zu härten. Auch ein 3—4 maliges Wechseln des Alkohols während der ersten 24 Stunden macht die Masse schneller schnittfähig. Je länger übrigens die Masse nach 2 mal Morpholog. Jahrbuch. 2. 30 448 E. Calberla, Eine neue Einbettungsmasse. 24 Stunden noch in demselben Alkohol liegen bleibt, um so besser lässt sie sich schneiden. Das Schneiden geschieht stets mit einem mit Alkohol befeuchteten Messer. Durch Zusatz von einigen Stücken Kampher oder Thymol kann man die flüssige Masse einige Tage unverändert aufbewahren. Nie habe ich einen nachtheiligen Ein- fluss der Temperatur von 70—75° C. auf die Objecte bemerkt. Hat man Objecte einzuschliessen, die grosse Höhlungen im In- nern enthalten, so kann man mit Vortheil diese Höhlungen vor dem Einbetten mit flüssiger Masse mittelst Einstich anfüllen. Wie aus dem Mitgetheilten hervorgeht hat diese Kinschliessungsmasse, bei leichter Bereitungsweise besonders für embryologische Untersuchun- gen und solehe die Schnittserien nothwendig machen, dadurch dass man im Stande ist selbst die kleinsten Objecte in der gewünsch- ten Lage zu fixiren und sie bis zu Ende in Schnitte zu zerlegen, bedeutende Vorzüge vor der ROSENBERG schen und anderen Ein- schliessungsmassen. Heidelberg, im August 1876. eee Oreeselelee Te Wi Teel. Morphologische Studien von C. Hasse. Aus dem anatomischen Institut zu Breslau. Mit: Patel RX mit XOX. Vorrede. . Der Gedanke, der diesen Untersuchungen zu Grunde liegt, trotz der Versteinerung die Gewebe, die die Wirbel der fossilen Fische. Amphibien und Reptilien während des Lebens zusammensetzten selbst in ihren leicht vergänglichen Elementen nachzuweisen und eventuell aus der Vertheilung derselben und ihrer Anordnung sichere Schlüsse auf die Stammesgeschichte und die Verwandtschaftsverhältnisse der Träger zu machen, musste sich dem vergleichenden Anatomen um so mehr aufdrängen, als die Untersuchungen über den Bau der Wirbel lebender Formen in den Händen namentlich GEGENBAURS zu ausserordentlich wichtigen Resultaten mit Bezug auf die Stammes- geschichte geführt haben. Derselbe wurde genährt durch die Er- wägung, dass wenigstens dem äusseren Anbliek nach zu urtheilen selbst Wirbel von Knorpelfischen im fossilen Zustande gut erhalten gefunden werden, und dass diese Thierklasse, wie die der Ganoiden. Dipnoi und Amphibien für die Stammesgesehichte der übrigen Wir- belthiere und der Fortbildung der Organsysteme derselben von der grössten Wichtigkeit ist. Dabei war besonders auch der Umstand ermuthigend, dass für die Bestimmung der Plagiostomen z. B. im Morpholog. Jahrbuch. 2. ' 31 456 C. Hasse Wesentlichen nur die Zähne und Hautstacheln verwandt wurden. während von Seiten der Palaeontologen den morphologisch so ausser- ordentlich interessanten Wirbeln im Allgemeinen nur ein untergeord- neter Werth beigelegt worden ist. Es ist das vollkommen erklärlich. Makroskopisch bieten die Wirbel fossiler Plagiostomen, mit Ausnahme der zur Familie Lamna gehörigen, keine irgendwie hervorragenden Merkmale dar. und wenn hier und da Untersuchungen über die in- neren Structurverhältnisse angestellt wurden, so berührten dieselben doch nur die Aussengrenzen des Gebietes, weil sie nicht auf der Betrach- tung der Structurverhiltnisse der entsprechenden lebenden Gewebe basirten. Die ausgedehnten und werthvollen Untersuchungen KÖLLı- KER’S), welche lehren, dass der feinere Bau der Wirbel der einzel- nen Familien der Plagiostomen, ja sogar der einzelnen Individuen, sowie die von GEGENBAUR?), welche dasselbe von den übrigen Fisch- klassen weiter ausführen, sind nach dieser Richtung hin nicht ver- werthet worden. Damit mag es wohl zusammenhängen, dass eine nicht geringe Zahl von in den paläontologischen Sammlungen auf- bewahrten Ueberresten fossiler Fische, soweit dieselben» nicht in Zäh- nen und Stacheln bestehen, unrichtig oder theilweise gar nicht be- stimmt sind, theilweise aber auch Familiennamen tragen, die keinen Schluss auf einen etwaigen Zusammenhang mit jetzt lebenden oder ausgestorbenen Formen gestatten. Wie die Wirbel, so sind auch die Placoidschuppen nicht genügend untersucht und doch ist es bei lebenden Fischen selbst aus Fragmenten möglich sichere Schlüsse auf den Träger zu machen. Bestiitigte sich nun meine Hoffnung, dass sogar die Wirbel der Plagiostomen, deren Grundbestandtheil Knorpel in seinen verschie- denen Modificationen ist, dieselben im fossilen Zustande mehr oder minder erhalten oder in bestimmbarer Weise modifieirt zeigen möch- ten, so war damit die Möglichkeit der genaueren Bestimmung der ausgestorbenen Familien und Individuen gegeben und nicht das allein, es war damit auch einiges Licht auf die Entstehung oder besser gesagt Abstammung und auf die Verwandtschaftsverhältnisse der 1) Ueber die Beziehungen der Chorda zur Bildung der Wirbel der Sela- chier und einiger anderen Fische. Verhandlungen der physikalisch-medieinischen (resellschaft Würzburg. Bd. X. 1860. Weitere Beobachtungen über die Wirbel der Selachier. Abhandlungen der Senkenbergischen Gesellschaft. Bd. V. ?) Ueber die Entwicklung der Wirbelsäule des Lepidosteus mit vergleichend anatomischen Bemerkungen. Jenaische Zeitschrift Bd. III. Die fossilen Wirbel. 451 jetzt lebenden Thiere geworfen. Ganz dasselbe musste auch fiir die verschiedenen Familien ausgestorbener Amphibien, namentlich aber für die Enaliosaurier gelten. Diese Reptilien repräsentiren ja einen höchst eigenartigen Typus, der in der jetzt lebenden Thierwelt keine Repräsentanten besitzt; allein suchen wir mittelst unserer heutigen Kenntnisse die Frage zu beantworten, wo liegt denn die gemeinsame Wurzel dieser aus- sestorbenen Saurier und der jetzt lebenden, und in welchen ver- wandtschaftlichen Beziehungen stehen die Hauptrepräsentanten Ich- thyosaurus, Nothosaurus und Plesiosaurus zu einander, so fehlt auf diese Frage die Antwort, so hochwichtige Resultate auch die mor- phologische Betrachtung der einzelnen Skelettheile geliefert hat. Auch für die Lösung dieser Fragen war in dem Augenblicke sesründete Hoffnung vorhanden, wo sich die für den Aufbau des Wirbels wesentlichen und in der Entwicklungsgeschichte desselben die Hauptrolle spielenden Bestandtheile gesondert nachweisen liessen. Jedenfalls war es wohl des Versuches werth, die histiologische Unter- suchungsmethode in ausgedehnterer Weise als bisher in der Paläonto- logie anzuwenden und mittelst derselben , wie das bei der vergleichen- den Betrachtung des Baues und der Entwieklungsgeschichteder leben- den Thiere in so vielen Fällen gelungen, die wichtigen Fragen des verwandtschaftlichen Zusammenhanges der ausgestorbenen und der lebenden niederen Wirbelthiere zu lösen. Der Versuch ist glaube ich nicht als misslungen zu betrachten, und ich hoffe, dass der den Untersuchungen zu Grunde liegende Gedanke sich als fruchtbar erweisen und einen noch innigeren Zusammenhang zwischen der paläontologischen Forschung und den Resultaten der neueren, vergleichend anatomischen und entwicklungs- geschichtlichen Untersuchungen herstellen wird. Spielt das Mikroskop in der Gesteinslehre und theilweise in der Paläontologie bereits eine erhebliche Rolle, so wird der Gebrauch desselben bei der Unter- suchung der Wirbel und Integumentmassen fossiler Fische, Am- phibien und eines Theils der Reptilien nicht zu umgehen sein und es wird das Material an diesen Ueberresten sorgfältiger wie bisher gesammelt und gesichtet werden müssen. Selbst die kleinsten Frag- mente sind unter Umständen von entscheidendem Werthe und ich würde mich glücklich schätzen, wenn diese Untersuchungen Veran- lassung würden, dass das bis dahin wenig beachtete Material aus- sebeutet würde oder wenn man Veranlassung fände mir dasselbe zum Zwecke ausgedehnterer Bearbeitung zur Disposition zu stellen. 31* 452 ©. Hasse So reichlich mir namentlich aus Deutschland Untersuchungs- material zugeflossen ist, so sehr fühle ich die Nothwendigkeit wei- terer Studien, die nur dureh die freundliche Beihülfe meiner Collegen aus anderen Ländern möglich sind. Ich bitte daher um Nachsicht mit dem fragmentarischen Character, den diese Arbeiten zunächst tragen müssen. Es lastet derselbe um so schwerer auf mir, weil es mein dringendster Wunsch war und ich die Verpflichtung in mir fühlte dureh vollständige und umfassende Arbeiten meinen Herren Collegen ZırteL, BEYRICH, RÖMER, FISCHER, v. SEEBACH, MEYER, GEINITZ, NORDENSKJÖLD, FRITSCH, ZIRKEL, TROSCHEL, ANDRA, Ritter v. Haver, MoOJsSEOWICZ, LAUBE sowie Herrn MASCHKE in Göttingen die Schuld der Dankbarkeit abzutragen, die sie mir durch die grosse Liberalität, mit der sie mir das Material ihrer Sammlungen zur Ver- fügung stellten, auferlegten. Möchten diese Herren sowie meine Herren Collegen v. KÖLLIKER, REICHERT, SCHWALBE, GÜNTHER und GRÄFFE aus Triest. die mich mit Material an lebenden Formen freundlichst versorgten und denen ich mich in so hohem Maasse ver- bunden fühle, in diesen Studien wenigstens den guten Willen und das ernste Streben nach allseitiger Verwerthung der mir gütigst über- lassenen Objecte erkennen. Eine wesentliche Stiitze in meinen Arbeiten waren meine beiden Herren’ Assistenten Dr. SrOur und Dr. Born, fiir deren treue, auf- opfernde und freundschaftliche Unterstützung ich nur Worte der Anerkennung und Dankbarkeit habe , vor Allem aber waren es die kunstfertigen Hände der Herren Voter und HocuGrsane in Göttin- gen, die durch Schleifen der fossilen Wirbel das Anfertigen brauch- barer mikroskopischer Präparate ermöglichten. Die aus ihrer mechanischen Werkstatt hervorgegangenen Präparate sind so vollendet und selbst die erheblichsten, theilweise in der mangelhaften Con- servirung, theilweise in der Grösse der Objecte liegenden Schwierig- keiten sind in einer so bemerkenswerthen Weise überwunden, dass dem Untersucher die Arbeit in hohem Maasse erleichtert wurde. Ich erlaube mir hiermit den beiden Herren öffentlieh meinen Dank und meine Anerkennung für das Geschick auszusprechen, mit dem die- selben jeder Zeit meinen Wünschen und Ideen nachgekommen sind. Die fossilen Wirbel. 453 Die fossilen Haie. I. Die fossilen Squatinae. In der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section der schlesi- schen Gesellschaft für vaterländische Cultur theilte ich am 23. Fe- bruar d. J. die ersten Ergebnisse der Untersuchung eines mir von meinem Collegen Prof. RÖMER gütigst zur Verfügung gestellten Hai- fischwirbels aus den tertiären Schichten von Helmstädt mit. Ich benutzte denselben, um mir vor allen Dingen darüber Aufklärung zu verschaffen, in wie weit die Gewebe bei der Versteinerung er- halten, beziehungsweise modifieirt seien und in wie weit sich aus den mikroskopischen Strueturverhältnissen sichere Schlüsse auf die Zugehörigkeit des Trägers zu einer bestimmten Familie machen liessen. Ich liess daher demselben zunächst mehrere dem Chorda- canal parallele, von der dorsalen zur ventralen Fläche gehende, also der Längsaxe des Thieres entsprechende, senkrechte Dünnschliffe ent- nehmen und war beim Betrachten derselben im höchsten Grade überrascht nicht allein die Chorda, sondern auch Andeutungen der Elastica interna und der knorpligen Chordascheide in ihren verkalk- ten Partien deutlich unterschieden anzutreffen. Die regelmässige Aufeinanderfolge horizontaler, zwischen den Wandungen des verkalk- ten Doppelkegels, vom Centrum bis an die Oberfläche des Wirbels sich erstreckender und unter einander paralleler Lagen von abwech- selnd verkalktem Knorpel und Massen, die auf das Vorhandensein hyalinen Knorpels im Leben hinwiesen, liessen mich in Zusammen- halt mit den Bildern, die entsprechend angefertigte Längssehnitte durch die Wirbel von Squatina vulgaris darboten und auf die KöL- LIKER') zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat, die Meinung aus- sprechen, dass man es mit einer fossilen Squatina zu thun habe. Der Schluss war freilich etwas voreilig wenn auch verzeihlich und wich alsbald einer besseren Erkenntniss, als ich nach weiter aus- gedehnten Untersuchungen an anderen Wirbeln so gut es ging den Resten transversale d. h. der Frontalebene parallele Schliffe ent- nehmen liess. Danach stellte es sich klar heraus, dass der tertiäre 1EITc. 454 C. Hasse Wirbel aus Helmstädt einer Lamna angehört und werde ich in dem Abschnitt über fossile Lamnidae auf den fraglichen Wirbel, der des Interessanten viel bietet, zurückkommen. Methode der Untersuchung. Bevor ich mich nun zur Schilderung der fossilen Squatinawirbel wende, will ich zunächst kurz die Methode der Untersuchung schil- dern, die ich nicht allein bei diesen, sondern auch bei sämmtlichen übrigen Wirbeln inne gehalten habe. Diese hat mir bis dahin alle wiinschenswerthen Aufschlüsse geboten, so dass ich seither keine Veranlassung gefunden habe dieselbe zu ändern. Zunächst wurden die zusammengehörenden, in ihren äusseren Merkmalen genau übereinstimmenden Wirbel aus den gleichen Fundstätten gesondert, die in ihren makroskopischen Verhältnissen ausgeprägtesten abgebildet, die übrigen dagegen behufs Herstellung Fig. 2. Fig. J. Flächenansicht, Fig. 2. Seitenansicht eines Haifischwirbels. u. Neurapophysen. 5. Wirbelkörper. c. Haemapophysen. d. Rückenmarkscanal. geeigneter Dünnschliffe und vollständigster Ausnutzung zunächst der Fig. 1 entsprechend dorsoventralwärts halbirt. Zeigte sich etwa die eine Wirbelhälfte in den peripheren Partien verletzt, so wurde diese zur Herstellung von Längsschliffen der Halbirungsebene paral- lel benutzt (siehe die punctirten Striche in Fig. 1), während die an- dere von der Mitte des Wirbels bis gegen die Enden hin (siehe die Die fossilen Wirbel, 455 ausgezogene und die punctirten Linien in Fig. 2) transversal und zwar wiederum dorsoventralwärts durchschnitten wurde. Durch Ver- gleichung der Längs- und Querschliffe lässt sich ein vollkommenes Bild der mikroskopischen Structur des Wirbels herstellen. Genau in derselben Weise wurden dann die Wirbel der ent- sprechenden lebenden Formen geschnitten, nachdem dieselben, so weit es nöthig befunden wurde, vorher in Mürver’sche Flüssigkeit oder absoluten Alkohol mit einem Zusatz von concentrirter Salz- säure, der je nach der Grösse des Wirbels, dem Grade der Verkal- kung, beziehungsweise Verknöcherung und der Kürze oder Länge der Zeit, innerhalb deren man die Untersuchung vorzunehmen wünscht, verschieden gross bemessen werden muss, gelegt wurden. Waren Integumentreste vorhanden, so wurden die Elemente der- selben thunlichst isolirt oder es wurden denselben senkrechte Schliffe entnommen und das Integument der lebenden Formen, nachdem dasselbe ebenfalls wenn nöthig entkalkt war in mikroskopische Schnitte zerlegt und zur Vergleichung herangezogen. So wurde namentlich bei den Plagiostomen der mikroskopische Befund all- seitig sichergestellt und zur Vervollständigung der Untersuchung wurden auch die Zähne der lebenden Thiere, deren Wirbel fossil gefunden wurden, in ihren Formverhältnissen mit denen der fossilen Zähne aus den gleichen Schichten und womöglich von denselben Fundorten verglichen, eine Arbeit, die selbstverständlich durch Acassız berühmtes Werk!) erheblich erleichtert wurde. Vorkommen. Die Ueberreste von Squatinae aus den früheren Erdperioden sind, soweit ich mich zu unterrichten im Stande war, verhältnissmässig wenig zahlreich, allein sie nehmen das lebhafteste Interesse in An- spruch, weil sich unter ihnen einmal nahezu vollständige Skelete finden, die gerade aus der Klasse der fossilen Plagiostomen ausser- ordentlich selten sind und weil sie ferner aus drei verschiedenen Perioden, dem oberen Jura, der Kreide und dem Anfange der Ter- tiärzeit beschrieben wurden. Ausser einem Zahn (Squatina carinata) dessen GIEBEL?) aus den tertiären Schichten von Klein Spauven bei Maestricht Erwähnung !, Recherches sur les poissons fossiles. Neuchatel 1833 — 43. 2) Fauna der Vorwelt. I. Band. Leipzig 1847. 456 C. Hasse thut, sowie einigen Zähnen (Squatina Muelleri und lobata) aus dem Pliner Böhmens, die Reuss !) beschrieben hat, interessirt besonders der Fund des Grafen Münster?) aus dem lithographischen Schiefer Bayerns. Es handelt sich um zwei Bruchstücke von Skelettheilen, so wie um Integument. Münster fühlte sich bewogen dieselben als einer besonderen Familie zugehörig Thaumas alifer und fimbriatus zu bezeichnen und zu beschreiben, während GIEBEL?) behauptete, dass dieselben Ueberbleibsel von Meerengeln seien, einer Ansicht, der sich unter anderen auch QUENSTEDT und Fraas anschliessen. Letzterem Forscher), welcher auch den von AGassız beschriebenen und aus Solenhofen stammenden Asterodermus, sowie zwei der LEUCHTENBERG’schen Sammlung (Eichstädt) angehörige Skelete zu den Squatinae zählt, verdanken wir einen ausgezeichneten Fund aus dem oberen Jura von Nusplingen (Beerathal). Es handelt sich da- bei theils um Skeletbruchstücke, theils um nahezu vollständige Skelete von Haien, die er wegen der Form der Placoidschuppen als Squatina acanthoderma beschreibt und abbildet. Ferner scheint GEINITZ>) geneigt zu sein die Wirbel mit kreisförmigen Wänden nach Kırrisanorr®) aus dem Pläner von Strehlen, wie auch die gleichen im kurskischen eisenhaltigen Sandsteine gefundenen Squa- tinae zuzuschreiben. Herr Prof. Zrrren hatte die grosse Güte dem mir zur Disposi- tion gestellten Materiale das Bruchstück einer Wirbelsäule von Squa- tina acanthoderma (FRAAS), sowie ein gleiches von Thaumas alifer (Münster), den münchener Sammlungen angehörig, beizufügen, deren Untersuchung die Richtigkeit der Ansicht von GIEBEL, FraAs und QUENSTEDT, dass man .es mit Squatinae zu thun habe, auf’s Klarste bewies; allein Dank der Freundlichkeit der Herren ZrrreL und Beyricu bin ich im Stande den bisherigen Funden weitere beizu- fügen. Es sind einzelne Wirbel aus der oberen Kreide von Ciply und Maestricht und aus dem Senon (Aachen). Erstere gehören den münchener, letztere den berliner Sammlungen an. Ueber die mir gütigst von Prof. GEmITZ gesandten Wirbel muss ich mir das ', Die Versteinerungen der böhmischen Kreideformation. Stuttgart 1845 bis 1846. 2) Beiträge zur Petrefactenkunde. ellie: ‘) Zeitschrift der deutschen zoologischen Ges&llschaft. Bd. VI. >) Das Elbthalgebirge in Sachsen. Bd. 11. 6, Fischüberreste im kurskischen eisenhaltigen Sandsteine. Die fossilen Wirbel. 457 Urtheil über die Richtigkeit der Diagnose Squatina bis auf Weiteres vorbehalten. Die Wirbel mit kreisförmigen Wänden gehören, wie ich in einem folgenden Abschnitte nachweisen werde, zum Theil Thieren aus der Familie Lamna an. Die Squatinawirbel aus der oberen Kreide waren, abgesehen von vorläufig unbestimmten Wirbeln von Knochenfischen, mit solehen von Lamnae untermischt und dieser Umstand war mir um so interessan- ter, weil AGAssiz') in seiner allgemeinen Uebersicht der fossilen Placoiden neben Repräsentanten der fossilen Familien Acrodus, Co- rax, Otodus aus der Kreide von Aachen, Maestricht und der Nor- mandie auch Vertreter der Familie Lamna sowie Galeocerdo, da- gegen gar keine Squatinae aufführt, ein Umstand, der mit Bezug auf die drei fossilen Familien Acrodus, Corax und Otodus zu den- ken gibt. | Asterodermus sowohl, wie die den Squatinae zugeschriebenen Zähne habe ich leider nicht untersucht und muss ich mich nament- lich mit Bezug auf letztere jedes Urtheils enthalten. Freilich habe ich die Abbildungen von Reuss angesehen, allein dieselben erschei- nen mir nicht bestimmt genug. Aeussere Form der Wirbel. Die äussere Form und das Aussehen der fossilen Wirbel kann leicht zu schweren Täuschungen Anlass geben und ist es daher in vielen Fällen durchaus nothwendig nicht bei der Untersuchung mit blossem Auge stehen zu bleiben, sondern die mikroskopische Analyse vorzunehmen. Die Maestrichter Wirbel bieten bei der Betrachtung von aussen in frappanter Weise das Aussehen von Lamnawirbeln dar (Fig. 3) und ich war im höchsten Grade überrascht, als sich an den Durchschnittsbildern ihre wahre Natur enthiillte. Es mag somit wohl mancher Wirbel als den Lamniden zugehörig bestimmt sein, der sich bei näherem Studium als zu Squatina gehörig erweist, um so mehr, weil häufig beide zusammen vorkommen. Die Erhaltung der äusseren Form der Wirbel ist, wie ein Blick auf die Abbildungen von FrAAs und die Betrachtung der vor mir liegenden Skeletbruchstiicke von Thaumas alifer und Squatina acantho- derma lehren, viel vollkommener, als an den einzelnen fossilen Wirbeln, 1) 1. e. Tome III pag. 383. 458 C. Hasse und es hat das ja nichts Ueberraschendes, da die Isolirung der einzel- nen Wirbel nur selten durch mechanische Gewalten, dagegen meistens durch weitergehende Fäulnissprocesse des Thierkörpers verursacht ist. FRAAS gibt somit auch sehr characteristische Abbildungen, be- sonders von einem isolirten Wirbel Taf. XXVII c. Im Zusammen- hange zeigen sich die einzelnen Wirbel scharf von einander geschie- den und wird die Zwischenwirbelbegrenzung namentlich bei Squa- tina acanthoderma durch aufgeworfene Ränder schärfer hervorge- hoben. Auch Andeutungen der Bogen und namentlich der Neura- pophysen fehlen nicht, wie FraAas ‘ganz richtig hervorhebt und abbildet, und wie bei Thaumas (Fig. 1) ist der Rückenmarkscanal auf der dorsalen Wirbelfläche dureh eine seichte, zwischen den Re- sten der oberen Bogen verlaufende Furche angedeutet. FRAAS irrt sich jedoch, wenn er angibt, dass die oberen Bogenstücke zapfen- artig in ein Loch des Wirbelkörpers eingesenkt sind. Als Beweis für diese Behauptung dient ihm die Schilderung des prachtvoll erhal- tenen Schwanzendes der Wirbelsäule (Taf. XXIX Fig. 4, welche die Seitenansicht desselben darstellt). Die darin dargestellten in der Nähe der Basen der Neurapophysen befindlichen Oeffnungen sind die Mündungen der für die Squatinawirbel characteristischen Gefäss- canäle (Fig. 1«), die, wie wir später sehen werden, J. MULLER bereits sehr genau kannte. Ausser diesen characteristischen Oeffnungen, welche jedoch an den isolirten Wirbeln nicht nachweisbar sind, haftet denselben ein gewisser allgemeiner Character an, den auch be- reits J. MÜLLER !) von den lebenden Squatinae hervorgehoben hat. Sie sind (Fraas Taf. XXIVe Fig. 5) dorsoventralwärts etwas ab- geplattet, zudem aber erscheint die dorsale Fläche im sagittalen Durchmesser, also von vorne nach hinten etwas schmäler als die ventrale. Auch die centrale Durchbohrung des Chordacanals ist zuweilen excentrisch, mehr der Dorsalseite genähert (Fig. 5). Ich möchte jedoch von vorne herein ausdrücklich hervorheben, dass diese Charactere je nach den verschiedenen Regionen des Körpers verschieden sein mögen und auch anderen Haifamilien zukommen. Sie entbehren sonach jedes bestimmenden Werthes so lange, als nicht die übrigen Merkmale gleichzeitig aufgefunden sind. Die vor mir liegenden isolirten Wirbel sind wohl mit Ausnahme des einen (Fig. 14) aus der oberen Kreide bei Maestricht Schwanz- !, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Die fossilen Wirbel. 459 wirbel und dem entsprechend wurde auch die Schwanzwirbelsäule lebender Squatinae vorzugsweise zur Untersuchung benutzt. Der Er- haltungszustand ist im höchsten Grade verschieden. Vorzüglich gut ist er bei den Wirbeln von Ciply, weniger gut bei den aachener, am schlechtesten bei denen aus der maestrichter Gegend. Letztere sind mehr oder minder zerbröckelt und ihre freie Oberfläche zeigt durchaus nichts Besonderes. Sie ist glatt Fig. 6), ohne charaeter- istische Vertiefungen und Gruben resp. Leisten, wie sie den Wirbeln der Familie Lamna vielfach zukommen. Ganz anders dagegen die Wirbel aus der oberen Kreide von Ciply (Fig. 3) die mir auf den ersten Blick als einer Lamna angehörig erschienen. Auf der dorsalen Fläche und an den Seiten der Wirbel zeigten sich mit grauen Kreidemassen ausge- füllte Vertiefungen, die den Anschein darboten als seien dort die Gruben gewesen, in die sich die knorpligen Häm- und Neurapophysen resp. die Rippen einsenken, wie es bei der Familie Lamna und anderen der Fall. Zwischen diesen machte sich ein System brauner glatter Leisten geltend. Dieselben sind auf der ventralen Fläche zu 4, auf der dorsalen zu 2—3, durch weitere Zwischenräume ge- trennte Gruppen angeordnet, welche sich zwischen den Massen des die Wirbelhöhlungen ausfüllenden und undeutlich concentrisch gestreif- ten (Fig. 4) Doppelkegels, parallel der Längsaxe des Wirbels aus- spannen. Jede dieser Grundleisten besteht aus zwei oder drei feinen, schmäleren oder breiteren Bälkehen die zuweilen durch feinere Züge mit einander verbunden sind, beim Uebergange in die Randleisten des Doppelkegels aber immer ziemlich regelmässig ein zierliches Netzwerk mit runden oder polygonalen Maschen bilden. Alle diese Erscheinungen erinnern sehr an die Verhältnisse bei den Lamnidae. Spuren von oberen und unteren Bogen oder Rippen finden sich an den isolirten fossilen Wirbeln an keiner Stelle. Bau der Wirbel. Das Characteristische im Bau der Squatinawirbel tritt bereits hei der Betrachtung mit blossem Auge auf den Bruchflächen, wie sie die maestrichter und aachener Wirbel darbieten, deutlich zu Tage. Sie zeigen Schichten concentrischer Lamellen (Fig. 4, 5, 7), die bei den sehr bröcklichen Wirbeln aus Maestricht durch weite leere Zwischenräume getrennt, dagegen bei denen aus Aachen dich- ter gedrängt und durch Ausfüllungsmassen verbunden erscheinen. Im Centrum des grossen maestrichter Wirbels erscheint (Fig. 4) ein 460 | C. Hasse compacter Kern, um den die Lamellen geordnet sind. Dieselben haben einen leicht welligen Verlauf und spannen sieh in sagittaler Richtung zwischen den Flächen des compacten, die Wirbelhöhlungen einnehmenden und den Chordacanal begrenzenden, sogenannten Dop- pelkegels der Selachier aus (Fig. 4). Hin und wieder erscheinen die einzelnen Lamellen verbindende, somit radiär gestellte Intersti- tiallamellen (Fig. 4, 5), deren Zahl und Stärke jedoch niemals den allgemeinen und ausgeprägten Character der concentrischen Schich- tung aufhebt. Je nach der Grösse der Wirbel ist die Zahl der Lamellen selbstverständlich äusserst verschieden. Viel besser als auf Bruchflächen zeigt ein frontaler Querschnitt (Fig. 12) die eon- centrische Lagerung der Lamellen und somit gehe ich zur Betrach- tung des feineren Baues über. Zuvor sei es mir jedoch gestattet behufs besseren Verständnisses der Verhältnisse der fossilen Wirbel den eigenartigen Bau unserer Jetzt lebenden Squatinae aus einander zu setzen. Derselbe zeigt meiner Ansicht nach schlagend die Richtigkeit des betretenen We- ges und der angewandten Methode. Syuatina vulgaris (Risso). Squalus squatina (L). Wie bei allen Haien baut sich der Wirbel dieser Thiere, abge- sehen von der Chorda und deren Elastica (elastica interna), aus dem chordalen Wirbelkörper oder der eigentlichen Chordascheide (Fig. 9) und der sehr häufig durch eine vollständige, homogene Basalmembran, der Elastica externa, getrennten, fortsatzbildenden oder skeletogenen Schicht (Fig. 97) auf. Letztere sendet, wie ihr Name sagt, die Neur- und Hämapophysen, respective die Rippen aus, während erste- rer niemals zu ihnen in genetische Beziehung tritt. Die Squatinae gehören dabei zu denjenigen Haifamilien, die mit Spritzlöchern versehen sind, also eine erste Kiemenspalte, aber keine Nickhaut besitzen und die sich dadurch auszeichnen, dass vorzugsweise der chordale Wirbelkörper sich am Aufbau des Wirbels betheiligt, während da- gegen der Körperantheil der fortsatzbildenden oder skeletogenen Schieht bedeutend geringer erscheint, sogar vollkommen fehlen kann. J. MÜLLER hat schon in seiner berühmten Abhandlung (Osteo- logie und Neurologie der Myxinoiden) eine im Ganzen zutreffende Schilderung des Baues der Wirbel gegeben und KÖLLIker!) hat dann Ir Lac! Die fossilen Wirbel, 461 die Untersuchungen über die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wirbel der Selachier und einiger anderen Fische weiter geführt. Mir ist nicht bekannt, dass dieselben seit seiner Zeit an diesem Thiere wieder aufgenommen sind. Seine Beschreibung ist bezeichnend und im grossen Ganzen zutreffend und vermag ich der- selben nur Weniges beizufügen. »Der Wirbel besteht nach ihm zu innerst aus einem compacteren Doppelkegel, der innen aus Faserknochen, aussen aus Knorpelknochen besteht. Nach innen und vorne liegt hyaliner Knorpel, der eben- falls der Chordascheide entstammt, dann die Elastica interna und die Chorda selbst. Nach aussen folgen abwechselnd je nach dem Alter der Thiere mehr oder weniger Lagen von hyalinem Knorpel mit radiärgestellten Zellreihen und Lamellen von Knorpelknochen. Auf die äusserste Lage von Knorpel folgt dann noch an der Seite ein diinnerer Knorpelüberzug, der von den rings verschmolzenen Bogen herrührt und am Schwanze auch eine schwache oberflächliche Ossification zeigt. Auffällig ist dabei die beträchtliche Anzahl von Blutgefässen, die von aussen radiär, zum Theil bis an oder in den innersten Knochenring eindringen. Die Wände derselben sind auch in den Knorpellamellen verkalkt. Das genauere Verhalten der Gefässe ist ihm dabei entgangen. Die Elastica externa zu erkennen gelang ihm nur an einem jungen Exemplare, und zwar nach aussen vom ober- flächlichsten Knochenringe des Körpers und eine denselben unmit- telbar begrenzende Knorpellage mit radiär gestellten Zellen. « Bei schwacher Vergrösserung erscheint die Chorda im Centrum des Wirbels rhombisch eingesehnürt (Fig. 9a), die Winkel des Rhombus nach oben, unten und zu den Seiten gekehrt, bei stärke- rer Vergrösserung zeigt sich dagegen eine Sternfigur (Fig. 13 9), insofern die Seiten gebuchtet und mit kolbenartigen Vorsprüngen besetzt erscheinen. Dieselbe besteht im Centrum aus langgezoge- nen, der Wirbelaxe entsprechend gestellten, dicht gedrängten und abgeplatteten Faserzellen, die erst in den Wirbelhöhlungen dem gewöhnlichen Aussehen der Chorda Platz machen und derselben den Character eines grossmaschigen Netzwerkes mit polygonalen oder rundlichen Maschen verleihen. Das Chordaepithel habe ich nur in den Aushöhlungen als eine einfache Lage platter Zellen nach- weisen können. Die Elastica interna ist deutlich, aber sehr zart. Die Chordascheide oder der chordale Wirbelkörper besteht der Elastica zunächst aus einer dünnen Lage hyalinen Knorpels (Fig. 462 ©. Hasse 13a,, welche im Centrum des Wirbels stärker erscheint, als im cen- tralen Theil der Wirbelhöhlungen. Dagegen nimmt sie an der Peripherie der letzteren wieder allmälig an Stärke zu (Fig. 8) und geht dort in das Intervertebralgewebe über, welches sich ohne Trennungsgrenze (Fig. 8d) in das entsprechende Gewebe des benachbarten Wirbels fortsetzt. Es ändert sich dabei nur die Lage der Zellen. Während dieselben sonst in, der Ebene der Wirbelhöhlung liegen, biegen sie an der Peripherie um in die horizontale. Dabei geht der hyaline Knor- pel gegen die freie Oberfläche des Wirbels hin allmälig in Faser- knorpel mit spindelförmigen Zellen und darauf in fibrilläres Bindegewebe über, welches als eine Fortsetzung der folgenden Schicht erscheint, und über die das Periost verhältnissmässig locker angeheftet hinweg- zieht. In der unmittelbarsten Umgebung der Elastica interna ist die hyaline Zwischenzellsubstanz, in der die Zellen, wie sich auf dem (Querschnitt ergibt (Fig. 13«@), radiär angeordnet sind, reichlicher vorhanden, während sie dagegen in den peripheren Lagen sparsa- mer erscheint, so dass die Knorpelzellen hier dichter zusammen- liegen, zugleich aber auch abgeplatteter und concentrisch um die Chorda gelagert sind (Fig. 13a). Darauf folgt der centrale Doppelkegel (Fig. Sa). In der Mitte des Chordacanals erscheint derselbe am dünnsten (Fig. 8), dagegen am Uebergange in die Wirbelhöhlung am stärksten. Gegen die Peripherie nimmt er wieder an Stärke ab (Fig. 8), springt an der freien Oberfläche vor und bildet hier die abgerundeten Randleisten des Wirbels (Fig. 3). Der Doppelkegel erscheint im Centrum des Wirbels, im Bereich des eigentlichen Chordacanals, wie der Längs- schnitt lehrt, abgeplattet mit in die hyaline centrale Knorpelmasse vorspringenden, abgerundeten Rändern, so dass der im Centrum des Wirbels befindliche, an die Elastica interna grenzende Hyalinknor- pel gleichsam in eine Aushöhlung zu liegen kommt (Fig. Sg). Die Ansichten KÖLLIKER's in Betreff der Zusammensetzung des Doppel- kegels erscheinen mir nicht stichhaltig. Derselbe besteht nicht aus Faser und Knorpelknochen, sondern in toto aus einem verkalkten Knorpelgewebe, welches grösstentheils hyalin ist und nur an der Oberfläche des Wirbels beim Uebergange in die faserige Bindesub- stanz des Zwischenwirbelgewebes in Faserknorpel übergeht. Immer- hin ist die Annahme, dass Fasermassen in die Bildung des Doppel- kegels eingehen, erklärlich, wenn man sieht, wie sich die Knorpelzellen in bestimmten Lagen abplatten (Fig. 135, ¢, d) und zuweilen sogar das Aussehen spindelförmiger Bindegewebszellen gewinnen, ohne Die fossilen Wirbel. 463 jedoch deren protoplasmatische Ausläufer zu besitzen. Ferner er- scheinen hier und da in der hyalinen verkalkten Substanz Streifun- gen, die leicht für Fasern gehalten werden können, wie Aehnliches auch in den nicht verkalkten Massen des hyalinen Knorpels zu Tage tritt. Ich unterscheide am centralen Doppelkegel drei Schichten, eine mittlere und zwei Belegschichten, die ohne scharfe Begrenzung und oftmals unregelmässig in einander übergreifend gegenüber den be- nachbarten sowohl centralen, wie peripheren Knorpelmassen abgesetzt sind (Fig. 13). Der Unterschied der drei Schichten ist auf dem Querschnitt am deutlichsten, da die mittlere Schicht dunkler er- scheint, während die Belegmassen heller aussehen (Fig. 13). Auf dem Längsschnitt erscheinen diese Helligkeitsunterschiede weniger markirt, was selbstverständlich in der eigenartigen Zusammensetzung der Schichten begründet ist. Im Uebrigen existirt auch keine scharfe Grenze ‚zwischen den drei Lagen. Am deutlichsten trennt sich noch die mittlere Zone von der peripheren, weniger von der centralen. Oft erscheint, aber nur auf dem Querschnitt deutlich nachweisbar, eine hellere, undeutlich begrenzte Verbindungsschicht der centralen init der inneren Belegmasse (Fig. 13). Letztere, welche wie bereits hervorgehoben, an den centralen Hyalinknorpel anstösst und mit unregelmässigen Fortsätzen in die- selbe eingreift (Fig. 13 a), zeigt ein rundmaschiges, verkalktes Zwischenzellgewebe, in dessen Räumen die entsprechend geformten Knorpelzellen eingesprengt sind (Fig. 13 @). Dieselben sind, je- doch in wenig augenfälliger Weise, concentrisch um die Chorda angeordnet. Hier und da glaube ich eine feine, radiäre Streifung gesehen zu haben, aber ich will keinen besonderen Werth auf diese Beobachtung legen, obgleich dieselbe mit Bezug auf die Erscheinungen, die der fossile Wirbel darbietet, nieht ganz un- interessant erscheint. Die Maschen der auf dem Durchschnitt dunkler erscheinenden Uebergangszone sind dichter gedrängt und wenn dieselben auch ihre rundliche Form im grossen Ganzen bewahren, so kommen doch be- reits zwischen ihnen eingesprengt plattere Maschen vor, nach deren Form sich selbstverständlich die Gestalt der eingelagerten Knorpel- zellen richtet (Fig. 13 e). Die stark abgeplatteten Knorpelzellen der folgenden, mittleren Schicht zeigen sehr ausgeprägt eine eoncentrische Anordnung um die Chorda, und da dieselben bei verhältnissmässig sparsamer, ver- 464 ©. Hasse kalkter Interceliularsubstanz dicht gedrängt erscheinen, so erklärt sich aus diesen Umständen das dunkle Aussehen, das diese Lage: auf dem Querschnitt bei durehfallendem Liehte darbietet. Im Quer- schnitt wenden die Zellen ihre grössten Flächen dem durchfallenden Lichte entgegen (Fig. 13d). Die periphere Lage (Fig. 13e) bietet sowohl auf dem Längs- wie auf dem Querschnitt das gleichförmige Bild eines verkalkten Hyalinknorpels mit rundlichen Höhlungen zur Aufnahme der runden Knorpelzellen. Von einer regelmässigen Anordnung der letzteren ist keine Rede, dagegen trifft man häufig auf eingesprengte Inseln unverkalkten hyalinen Knorpels. Bis in diese Sehicht reiehen die beiden sehon von J. MÜLLER erwähnten und von KÖLLIKER richtig beschriebenen Gefässcanäle (Fig. 9e), welehe jungen Thieren eigen- thümlich sind. Die Eintrittsöffnungen derselben an den Basen der Neurapophysen finde ich bereits in der dem AGasstz’schen Werke bei- gegebenen Abbildung richtig angedeutet (Vol. 3. Tab. 405 Fig. 6). Die Höhlung des Doppelkegels ist im Anschluss an diese peri- phere Schieht von concentrischen Lagen hyalinen und verkalkten hyalinen Knorpels ausgefüllt (Fig. S, 9), die regelmässig mit ein- ander abwechseln. Je älter das Thier ist. desto grösser die Zahl derselben. Mit Bezug auf diese sind die Beobachtungen KÖLLIKER’S vollkommen zutreffend. Richtig ist auch seine Annahme einer viel- fach durehbrochenen feinen Elastica externa, welche die Grenze zwischen dem ausgedehnten chordalen Wirbelkörper oder der Chorda- scheide und der sehr dünnen, skeletogenen oder fortsatzbildenden Schicht bildet. Die Lagen des verkalkten Hyalinknorpels sind von höchst un- gleicher Dicke (Fig. 84), immer aber im Centrum stärker entwickelt als an der Peripherie. Dieselben schliessen häufig kleinere oder grössere Inseln unverkalkten Knorpels ein und verbinden sich na- mentlich an dem Uebergange in den Doppelkegel (Fig. S) mittelst radiärer, zuweilen Netze bildender Fortsätze unter einander. Die Abstände der einzelnen verkalkten Lagen sind ebenfalls sehr ver- schieden. An der Peripherie sind sie (Fig. 8, 9) dichter zusam- mengedrängt, als im Centrum. Wie KÖLLIKER!) richtig bemerkt liegt auf der äussersten peripheren Verkalkungszone noch eine dünne Lage hyalinen Knorpels (Fig. 99) und dann folgt die äussere elasti- sche Grenzmembran. Die Schichten hyalinen Knorpels zeichnen Die fossilen Wirbel. 465 sich, wie ebenfalls von meinem Vorgiinger richtig hervorgehoben wurde, dureh die radiäre Stellung der Knorpelzellen aus (Fig. 13f). Auf dem Querschnitt zeigte sich dabei aber deutlich eine radiäre Streifung (Fig. 13), eine Streifung, die hier und da deutlich das Bild feiner Canälchen darbot. Ich wurde dabei unwillkürlich an die namentlich von BuBxorr!) beschriebenen Safteanälchen erinnert, um so mehr, weil ich hier und da in ihnen spindelförmige Proto- plasmahaufen gesehen zu haben glaube. Ich will es vorläufig dahin gestellt sein lassen, ob wir es mit wirklichen Safteanälchen oder, was ich eher anzunehmen geneigt bin, mit Kittsubstanz gefüllten intercapsularen Räumen zu thun haben, denen ich allerdings die Be- deutung der Fortleitung der Ernährungsflüssigkeit zuschreibe. Sie würden somit die Rolle des Safteanalsystems übernehmen. Diese Ernährungsbahnen müssen gerade hier ausgeprägter sein, wie an anderen Knorpelmassen, weil zwei mächtige Gefässcanäle an den Basen der oberen Bogen beginnend, ohne sich zu theilen, in radiä- rer Richtung gegen das Centrum hin die Schichten durchsetzen. Es wird somit ein bedeutender Nahrungsstrom in den Wirbel hinein- geführt, der sich selbstverständlich darin vertheilen muss. Das kann nur auf dem Wege der Safträume geschehen, da von einer Ver- theilung capillärer Gefässe im Inneren der Knorpelmassen keine Rede ist. Freilich stehen mir keine Injectionspriiparate zu Gebote, allein es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass das ohne Abgabe von Aesten in dem Canal verlaufende Gefäss an der Grenze des Doppelkegels schlingenförmig rückbiegt. Die Gefässwandung be- steht aus einer längsgestreiften Bindegewebsmembran, welche selbst dort, wo sie die hyalinen Knorpellagen durchsetzt (Fig. 9e) ringsum von verkalktem Knorpel umkleidet ist. Die aus hyalinem Knorpel bestehende fortsatzbildende Schicht, deren Zellen durch reichlichere Intercellularsubstanz, wie in der Chordascheide getrennt und in concentrischen Reihen angeordnet sind, umgreift im Gegensatz zu der Ansicht KÖLLIKER’s, am Schwanze junger Thiere nicht vollständig den ehordalen Wirbelkörper, oder die Chorda- scheide. In der dorsalen und ventralen Mittellinie liegt die Elastica externa als zusammenhängende, feine Basalmembran dem Periost oder Perichondrium des Canalis neuralis resp. haemalis unmittelbar an. Seitlich ist dagegen die Umwachsung vollständig. Die davon aus- gehenden Lagen zeigen, wie J. MÜLLER und KÖLLIKER richtig ') Beiträge zur Kenntnis der Structur des Knorpels. Bd. LVIkder Sitzungs- berichte der k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 1868. Morpholog. Jahrbuch. 2. 32 466 C. Hasse bemerkten , sowohl an der Innen-, wie an der Aussenfläche und namentlich an den Basen stark entwickelte Verkalkungsschichten (Fig. 9 a. 8). Squatinae fossiles. Bei der mikroskopischen Untersuchung fossiler Haiwirbel musste man von vorne herein erwarten, dass ein Theil der Gewebe nach dem Tode und während des Actes der Einbettung und Versteinerung entweder vollkommen oder zum grossen Theil verschwunden, resp. in eigenartiger Weise umgewandelt ist. Das gilt namentlich von den bindegewebigen Substanzen und Membranen, sowie von der leicht veränderlichen Zellmasse der Chorda, die besonders bei den kleineren Haien eine geringe Widerstandsfähigkeit besitzt. Dasselbe gilt aber auch für den hyalinen Knorpel, der wenn er auch der Fäulniss län- geren Widerstand leistet, doch nur dann Aussicht auf Erhaltung gewährt, wenn die petrificirenden Substanzen denselben schnell durchtränken oder wenn auf dem Wege der Imbibition Massen in ihn eindringen, die bis zu dem Auftreten der Versteinerung den- selben in seinen Structurverhältnissen erhält. Die Hoffnung auf Er- haltung des Baues beruht wesentlich auf ‚der Anwesenheit mehr oder minder ausgedehnter, verkalkter Gewebe. In der That lehrt bereits eine Betrachtung mit blossem Auge, dass unmöglich alle Substanzen in ihrem eigenartigen Aufbau erhalten sein können, da bei den meisten fossilen Wirbeln jede Spur der Neur- und Hämapophysen fehlt, die nur an den zusammenhängenden Wirbeln von Squatina acanthoderma und Thaumas alifer in Rudimenten vor- handen sind. Dieser Umstand weist von vorne herein darauf hin, dass die aus hyalinem Knorpel bestehende skeletogene Schicht kaum in ihren Structurverhältnissen nachweisbar sein wird. In der That habe ich an keinem der von mir mikroskopisch untersuchten Wirbel aus dem oberen Jura (Nusplingen, Squatina acanthoderma) und der oberen Kreide (Ciply) eine Spur der Elastica externa, der Chorda, der Elastica interna oder der unter der Elastica externa gelegenen und der Chordascheide angehörenden, hyalinen Knorpellage vorgefunden , und somit ist es auch erklärlich, wenn bei den Wirbeln von Ciply, Aachen, Maestricht jede Andentung der fortsatzbildenden Schicht verschwunden war und nur bei Squa- tina acanthoderma und Thaumas alifer die verkalkten Partien der Basen der ‘oberen und unteren Bogen nachweisbar waren. Bei den = Die fossilen Wirbel. 467 Wirbeln aus der oberen Kreide (Ciply) ist sogar ein Theil der peripheren, concentrischen, verkalkten Schichten «des ehordalen Wirbelkörpers verschwunden (Fig. 12) und aus diesem Umstande erklärt sich das eigenartige, oben beschriebene äussere Aussehen dieser Squatinawirbel (Fig. 3). Die nur zum Theil verschwundenen peripheren Verkalkungszonen stehen als zwischen den Rändern des Doppelkegels sich erstreckende Leisten (Fig. 3) an der Wirbelober- fläche an (Fig. 3), weil ihre Zwischenräume mit Gesteinsmassen gefüllt sind und Nichts weist bei oberflächlicher Betrachtung auf den eoncentrischen Bau des Wirbels hin. Erst beim Durchschneiden tritt dieser deutlich zu Tage. Auf diese Weise kommt das täu- schende Bild eines Lamnawirbels zu Stande. Sind diese verkaikten Lagen nicht durchbrochen, so erscheint der Wirbel glatt oder zeigt wegen des buchtigen Verlaufes der Verkalkungszone an der Peri- pherie schwache Andeutungen von Längsstreifen (Fig. 1, 2). Die Chorda sowohl, wie die Elastica interna sind wie erwähnt auch nieht in Spuren nachweisbar. Statt ihrer findet sich bei dem Wirbel aus der oberen Kreide (Ciply) (Fig. 10, 15) eine mit zahl- reichen Foraminiferen (Globigerinen, Nodosarien ete.) durchsetzte sraue Kreidemasse, die ausserdem mit Kalkspath gefüllte Lücken aufweist, wie dasselbe auch in der Gesteinsmasse, die statt der Chorda die Höhlung der Wirbel aus dem oberen Jura (Nusplingen ausfüllt, der Fall ist (Fig. 4d). Eingelagert erscheinen ferner gelb- lich oder dunkelgelb und braun gefärbte körnige Massen, deren Natur ich nicht zu bestimmen vermag, die aber ihre Färbung wohl irgend einem Metalle verdanken. Dieselben Massen haben auch die eoncentrischen Lagen hyalinen Knorpels (Fig. 14f, 15«) und theil- weise sogar die verkalkten Zonen verdrängt (Fig. 12e) und ersetzt, so dass sich namentlich an den Wirbeln von Ciply nur die compac- teren, inneren, verkalkten Schiehten erhalten haben, während die in den Hyalinknorpel übergreifenden Fortsätze derselben grossentheils verschwunden sind. Das ist bei den Wirbeln von Squatina acantlıo- derma, deren Erhaltungszustand ja viel vorziiglicher ist, in sehr ge- ringem Maasse der Fall, hat aber bei den Wirbeln der oberen Kreide ‚zur Folge, dass die Dieke der verkalkten concentrischen Lagen gegen- über den die hyalinen Schichten ersetzenden Kreidemassen beträchtlich abgenommen hat (Fig. 12e) und somit nicht wie bei den Wirbeln aus dem oberen Jüra (Fig. 4d) der getreue Ausdruck des Verhaltens während des Lebens ist. Bei den Wirbeln aus Aachen und Maestricht muss die Ausfüllungsmasse, die den Character eines gleichmässigen 32* 468 C. Hasse Schlammes triigt, zusammenhangsloser sein, da sie auf den Wirbel- bruchfliichen zwischen den concentrischen Verkalkungsschichten gröss- tentheils herausgefallen ist. Bei dieser ausgiebigen Verdrängung selbst widerstandsfähiger, organisirter Substanzen war es mir daher recht überraschend nicht allein den Doppelkegel in seinen einzelnen Lagen deutlich gesondert vorzufinden, sondern sogar einen geringen Theil der centralen, hya- linen Knorpelmasse (Fig. 14a), welche zwischen der Elastica interna und dem Doppelkegel gelagert ist. Es ist mir aber auch nur im Centrum, in der Umgebung des eigentlichen Chordacanals gelungen Spuren derselben nachzuweisen. Ich halte dafür die mit sparsamen rundlichen Lücken versehene, gleichmässige Lage, welche ausser- dem spärliche, sternförmige Spalträume zeigt. Die rundlichen Lücken betrachte ich als die Räume der Knorpelkapseln, in denen während des Lebens die Knorpelzellen lagen, die hier durch gleichgeformte Gesteinsmassen ersetzt sind. Die sternförmigen Lücken halte ich für Spalten, die nothwendig entstehen müssen, wenn die zwischen den Knorpelkapseln befindliche Intercellularsubstanz verschwindet und die Kapseln selbst petrificiren. Der Doppelkegel der fossilen Wirbel zeigt sich wenigstens im Wirbelcentrum aus denselben characteristischen drei Lagen, einer mittleren und zweier Belegschichten zusammengesetzt, wie beim Wirbel der jetzt lebenden Thiere. Gegen die Peripherie hin gelang es mir dagegen niemals mehr wie zwei Schichten nachzuweisen. Es scheint dort die innerste, centrale verwittert zu sein. Gelingt es dagegen, am besten auf dem Querschnitt, die drei Lagen geson- dert nachzuweisen, da erscheint auch, wie so oft bei den jetzt lebenden Thieren, die Zusammensetzung der mittleren Lage aus zwei unter- geordneten Schichten, von denen ich die eine (Fig. 13c) als Ueber- gangsschicht bezeichnete. Die innerste Lage (Fig. 145) zeigt eine vollkommen gleich- mässig versteinerte Intercellularsubstanz, in der die Zellräume mit gelbbraunen oder schwarzen körnigen Massen statt der Zellen ge- füllt sind. Die Grenzen der ursprünglichen Knorpelkapseln sind nur schwach angedeutet. Warum nun aber bei den einzelnen Wir- beln gerade im Centrum die Erhaltung der Lage eine vollkommnere ist, wie an der Peripherie, darüber vermag ich mir keine ganz klare Vorstellung zu machen. Ich halte es nicht für unmöglich, dass die conservirende und versteinernde Substanz leichter in das Die fossilen Wirbel. 469 Wirbelcentrum dringt, weil bei vielen Haien, so bei Squatina, der centrale Theil der Chorda leichter vergänglich und zarter erscheint, als es an der Peripherie der Fall ist. Die Uebergangszone (Fig. 14¢) erscheint deutlicher. Die in con- centrischen Reihen um das Wirbelcentrum gelagerten mehr abge- platteten Höhlungen , welche den Knorpelzellhöhlen im Leben ent- sprechen, sind mit ihrem Inhalt dichter zusammengedrängt, die verkalkten und nachträglich versteinerten Knorpelkapseln sind schär- fer abgesetzt und ein im Centrum der Lage sparsam vorhandenes sternförmiges Lückensystem macht an der Peripherie, wie der Quer- sehnitt besonders schön zeigt (Fig. 14¢), einer Menge von stark - lichtbrechenden, von Doppeleontouren begrenzten Caniilen Platz. Das Zustandekommen dieses Lücken- und Canalsystems vermag ich nur so zu erklären, dass sich bei den lebenden Thieren Verkalkungs- territorien, sei es jeder Kapsel, oder einer Gruppe derselben entspre- chend bilden und dass sich zwischen ihnen eine das Licht nahezu gleich brechende Substanz befindet, die entweder unvollkommener oder gar nicht verkalkt der Fäulniss weniger Widerstand leistet und somit vor dem Eindringen der versteinernden Massen schwin- det und ein interterritoriales Lückensystem schafft, welches je nach der Form der Verkalkungsbezirke Formverschiedenheiten darbietet. Dieses Lückensystem würde dann den Safträumen im Leben ent- sprechen. Es wäre aber eine Erklärung auch in der Annahme ge- funden, dass die peripheren Lagen der Verkalkungsbezirke im Leben mit geringeren Massen von Kalksalzen imprägnirt und somit weniger widerstandsfähig sind. Darauf folgt die Schicht, die der dunkleren Abtheilung der mittleren Lage des Doppelkegels der lebenden Squatina entspricht (Fig. 14d). Die Zelllücken sind in derselben noch dichter gedrängt, vollkommener abgeplattet und in die Länge gezogen. Die concentri- sche Sehiehtung tritt auch bei den fossilen Wirbeln auf dem Quer- schnitt zu Tage. Diese Zone dehnt sich besonders in den periphe- ren Absehnitten der Wirbelhöhlung aus (Fig. 10). Auffallend war mir, dass in den Wirbeln der oberen Kreide die hellgelben, körni- gen Einlagerungen in dieser Schicht viel reichlicher vorhanden wa- ren, als in der vorhergehenden. Das Canal- und Lückensystem zeigte sich in derselben ebenfalls concentrisch angeordnet, gleichmässig durch die ganze Masse vertheilt, äusserst dicht gedrängt und zum Theil weiter wie in allen übrigen Lagen des Wirbels. Diese Er- scheinung war mir um so interessanter, weil wir von der lebenden 479 C. Hasse Squatina wissen, dass an der Grenze dieser Schicht die Gefässcanäle ihr blindes Ende finden. Die äussere Lage des Doppelkegels (Fig. Ide) ist namentlich im Centrum von grossen, mit Kalkspath gefüllten Lücken durch- brochen, ein Beweis, dass im Leben Inseln hyaliner Knorpelsubstanz eingesprengt waren. Die einzelnen Verkalkungsterritorien sind ziem- lich deutlich abgegrenzt (Fig. 14) und das Lückensystem ist, wie das der Querschnitt, nieht aber der Längsschnitt zeigt, in radiärer Riehtung angeordnet. Die Zellhöhlen sind wie bei dem lebenden Wirbel rundlich und weniger dieht gedrängt, wie in der mittleren Schieht. Eine gleiehmässige, gelbliche Färbung findet sich im grössten Theil derselben. Dieselbe gelbliche oder rothgelbe Färbung zeichnet auch die eoncentrischen Lagen des versteinerten, verkalkten Knorpels aus (Fig. 156), die wellig verlaufend (Fig. 12), sich hie und da, namentlich am Ansatze an den Doppelkegel (Fig. 115) radiäre Ver- bindungen zusenden. Von den durchsetzenden Gefässceanälen, deren Oefinungen wenigstens bei Squatina acanthoderma und Thaumas alifer auf der Oberfläche sichtbar sind, habe ich im mikroskopischen Bilde nichts mit Sicherheit entdecken können. Ich glaube nicht, dass die fossilen Squatinae in dieser Beziehung sich anders verhal- ten werden, wie die lebenden. In den concentrischen Lagen um- srenzt das Spaltsystem nicht allein die einzelnen Verkalkungs- bezirke (Fig 155), sondern dringt selbst buchtig verlaufend in dieselben ein und bietet somit ein ausserordentlich complieirtes Bild, in dem man erst nach längerem Betrachten die einfachen Haupt- contouren der verkalkten Zwischenzellsubstanz mit den einzelnen Zellhöhlen wiederfindet. Die fortsatzbildende oder skeletogene Schicht ist, wie bereits erwähnt, nur bei Squatina acanthoderma und Thaumas alifer vor- handen und habe ich die Ueberreste derselben bei ersterem Thiere mikroskopisch zu untersuchen Gelegenheit gehabt. Es handelt sich nur um die Basen der Bogen und auch nicht einmal um alle Be- standtheile derselben, sondern nur um die inneren und äusseren verkalkten Partien. Der Hyalinknorpel ist vollständig ausgefault und an deren Stelle Gesteinsmasse getreten, deren Eindringen die innere und äussere verkalkte Lage zerbröckelt und die einzelnen Scheiben durch einander geworfen hat. Immerhin bieten die Schei- ben aufs deutlichste das Bild einfach ossifieirten hyalinen Knor- pels dar, Die fossilen Wirbel. 471 Placoidschuppen und Zähne. Ist es mir, wie ich glaube, in den vorstehenden Schilderungen gelungen, vor Allem durch die mikroskopische Analyse der Wirbel nachzuweisen, dass es sich um Squatinae handelt und dass die Ansichten von Fraas mit Bezug auf Squatina acanthoderma voll- kommen richtig sind, so wird man, abgesehen von dem Hervorheben der Aehnlichkeit der äusseren Formverhältnisse der Wirbel von Thaumas alifer mit denen von Squatina, Achnlichkeiten, die auch GIEBEL bei der Beurtheilung der weiteren Ueberreste benutzt, doch den zwingenden Beweis für die Richtigkeit der Ansicht, dass Thaumas eine Squatina ist, vermitteln. Es muss das um so mehr der Fall sein, weil sich aus den mangelhaft eonservirten Ueberresten kein absolut sicherer Schluss auf die Natur des Thieres machen lässt. Ich habe mich gescheut das mir vorliegende Originalexemplar der münchener Sammlung weiter zu verstümmeln und gesucht auf einem anderen Wege zur Klarheit zu kommen. Ich benutzte dazu die Placoidschuppen, die reichlich vorhanden, ohne merklichen Nach- theil sich abheben und untersuchen liessen. Wie die Zähne, so sind auch die Schuppen in den verschiede- nen Familien der Plagiostomen verschieden geformt, und da die Er- steren mit so ungemeinem Erfolge, namentlich von AGAssiz zur Be- stimmung fossiler Selachier benutzt worden sind, so hielt ich es für möglich auch die Placoidschuppen in ähnlichem Sinne verwerthen zu können, um so mehr, weil die Arbeiten von ©. Herrwic!) zur Evidenz lehren, dass Zähne und Schuppen homologe Bildungen sind und zugleich zeigen, dass auch letztere bedeutende Formverschieden- heiten innerhalb der Familien darbieten. Es wurde mir jedoch sehr bald klar, dass man ebenso wie bei der Verwerthung der Zähne besonders vorsichtig zu verfahren habe. Ich würde es nur in den seltensten Fällen wagen blos mit Hülfe des Integumentes die Zuge- hörigkeit eines fossilen Haies zu einer bestimmten Familie mit Sicher- heit auszusprechen. Wie bei den Zähnen, so gewinnt die Form der Placoidschuppen eine besondere Bedeutung erst dann, wenn die genaue Analyse der übrigen Ueberreste, namentlich der Wirbel vorangegangen ist. Ist dadurch die Familienzugehörigkeit einmal bewiesen, so glaube ich sind die Reste des Integumentes ausserordentlich werth- ') Ueber Bau und Entwicklung der Placoidschuppen und der Zähne der Selachier, Jenaer naturwissenschaftliche Zeitschrift. Bd. VIII, 472 C. Hasse voll für die Bestimmung der Individualität. Wie ungemein schwer es ist unter allen Umständen bei ausschliesslicher Untersuchung der Schuppen die Träger richtig zu classificiren, das lehrt meiner An- sicht nach eine Vergleichung der Abbildung einer Placoidschuppe von Squatina vulgaris mit der von O. Herrwia') gegebenen des gleichen Gebildes von Mustelus laevis, namentlich auch, weil es bekannt ist, dass die Länge des Schuppenstachels und die Richtung, ja selbst die Form bei demselben Thiere in gewissen Grenzen, je nach den Regionen schwankt. Betrachtet man aber die Placoidschuppen von Squatina vulgaris, acanthoderma und alifer (Fig. 17, 18, 19), nach- dem letztere unzweifelhaft als Meerengel erkannt sind, so glaube ich wird jeder die Berechtigung der Unterscheidung von Squatina acanthoderma und - alifer (Thaumas) von der lebenden Squatina vulgaris zugeben. Dabei möchte ich vor Allem hervorheben, dass es durch- aus nicht genügt die Schuppen nur von der Fläche zu betrachten, sondern dass die Betrachtung von der Seite und wo möglich die Anfertigung von senkrechten Schliffen, wie sie mir von acanthoderma vorliegen, nothwendig ist. Begnügt man sich mit der einen Beob- achtungsweise, so wird man schwer zum sicheren Resultat kommen und es möchte kaum einem, der die Fig.-16 und 20 mit einander vergleicht, ohne Weiteres einfallen, dass diese Schuppen Thieren derselben Familie angehören. Es lässt sich aber ein allgemeiner Familiencharacter der Pla- eoidschuppen der Squatinae nicht ableugnen, ein Character, der weder aus der Beschreibung noch aus den Abbildungen von FrAAs?) her- vorleuchtet, aber an Schliffen und bei der Betrachtung von der Seite deutlich zu Tage tritt (Fig. 17, 18, 19). Bei allen ist der freie Theil der Schuppe knieförmig gebogen und man kann somit einen aufsteigenden und einen liegenden Theil des eigentlichen Hakens oder Zahnes unterscheiden. Ersterer erhebt sich aus der in die cutis eingesenkten Basal- oder Fussplatte (Fig. 19). Bei alifer (Fig. 17) ist der übergebogene Theil des Hakens stumpf, das Knie dagegen kolbenartig angeschwollen. Dabei ist ersterer sogar gegen die Fussplatte geneigt. Bei acanthoderma erscheint das Knie schwächer ausgeprägt, der Haken ein wenig aus Die fossilen Wirbel. 473 der Horizontalen aufgerichtet und etwas zugespitzt endend, während er bei unserer lebenden Squatina (Fig. 19), bei der das Knie noch weniger wie bei den fossilen Arten vorragt, noch mehr aufge- richtet ist und spitzer endet. Während der freie Theil bei vulgaris und acanthoderma ein wirklicher Haken ist (Fig. 18, 19), stellt er dagegen bei alifer (Fig. 17) mehr eine breite Platte dar, die allsei- tig die Fussplatte überragt, während das bei vulgaris höchstens mit der Spitze der Fall ist. Die Fussplatte überragt den Zahn in wei- ter Ausdehnung. Daraus resultirt die grosse Differenz im Flächen- bilde. Bei Squatina vulgaris schimmert der Haken als ein kleiner spitzer Kegel durch die Mitte der hinteren Hälfte der Fussplatte, während der freie Theil bei alifer als breite, unregelmässig polygonale Tafel wie bei einem Manschettknopf das Fussstück überlagert. Dabei muss ich aber hervorheben, dass ich keineswegs glaube, dass bei den fossilen Meerengeln das bildlich dargestellte Grössenverhältniss zwischen Zahn und Fussplatte auch wirklich den Verhältnissen wäh- rend des Lebens der Thiere entspricht, im Gegentheil. Wir wissen aus den Untersuchungen, namentlich von O. Hrrrwig '), dass der letz- tere wichtige Bestandtheil, von bindegewebigen Faserelementen im Leben durchzogen ausserordentlich bröcklich und leicht vergänglich erscheint, der Fäulniss wenig Widerstand leistet und so ist im fos- silen Zustande nur ein Theil mehr vorhanden. Die Fuss- oder Ce- mentplatte ist ja eine Bildung, die bei den Plagiostomen auf der Stufe des Anfanges ihrer Entwicklung stehen bleibt. Ganz anders dagegen das von einem dendritisch verzweigten Canalsystem durehzogene, geschichtete Dentin (Fig. 19d), in dessen Basis, am Uebergange in die Cementplatte die Pulpahöhle sich zeigt, und welches an der freien Oberfläche vom Schmelz überzogen er- scheint. Die Structur des Dentins tritt an den fossilen Schuppen gerade so gut zu Tage, wie an denen der lebenden Thiere. Dass - sich der Verlauf der Zahnbeinröhrehen nach der Form des freien Theiles des Hakens richtet lehrt ein Blick auf die Zeichnungen. Ein allseitig sich verzweigender Baum bei alifer, biegen bei acan- thoderma und vulgaris seine Hauptzweige in den Haken ein. Was nun für die Placoidschuppe bezüglich ihrer Verwerthbar- keit für die Systematik gilt, das gilt-auch in gewissem Sinne für die Zähne der Haie. Damit trete ich allerdings den Ansichten er- fahrener und berühmter Forscher entgegen und es geschieht das gewiss 1) loc. 474 C. Hasse nicht leichten Herzens, allein, wenn ich auch zugebe, dass es auch bei ihnen allgemeine Familienkennzeichen gibt, so zeigen doch gerade die ungeheuren Formverschiedenheiten innerhalb des Rah- mens derselben, dass es nicht ohne Weiteres angeht auf Grund der Zahnformen neue Familien zu gründen, die in der jetzigen Lebe- welt keine Repräsentanten mehr besitzen und von denen selber zugestanden wird, dass sie sich nur schwer von den bekannten Thieren und Thierfamilien unterscheiden lassen. Ich habe vielfach Zahnreihen aus der Mitte und von den Enden des Ober- und Unterkiefers der verschiedenen Haie durehmustert und eine so ge- waltige Verschiedenheit der Gestalt gefunden, dass ich mit Bezug auf den Werth, der denselben für die Systematik beigelegt ist, immer skeptischer geworden bin. Ja selbst benachbarte Zähne zei- gen, wie die Abbildungen von Squatina vulgaris lehren, so bedeutende Differenzen, dass man dieselben, wenn sie fossil gefunden worden wären, wohl unzweifelhaft unterschiedenen Individuen zuschreiben würde. Der Werth der fossilen Haifischzähne für die Systematik sinkt um so mehr, weil die Fuss- oder Cementplatte, und zwar aus den- selben Gründen wie bei den Placoidschuppen, selten in voller Aus- dehnung erhalten zu sein pflegt. Nur das Zahnbein und der Schmelz sind eonservirt. Sind aber ausser ihnen noch andere Reste vorhan- den, so sind sie, wie die Schuppen, ein äusserst werthvolles Material. Wie zweifelhaft der Werth der Zähne bei der Aufstellung voll- kommen neuer Familien ist, das trat mir besonders vor Augen, als ich die Angaben von AGassiz über die Familie Otodus und die Ab- bildungen der Zähne derselben durchmusterte, die so colossale Form- verschiedenheiten darbieten, dass man nur unter der Annahme des absoluten Werthes dieser Gebilde zur Aufstellung einer eigenen Fa- ‘milie kommen kann. Diese Ueberzeugung scheint aber selbst bei AGAssiz keine besonders feste zu sein. Gesteht er doch selber zu, dass es oft schwer, wenn nicht unmöglich sei dieselben von solchen, die der Familie Lamna angehören, zu unterscheiden. Ich möchte slauben, dass in der Familie Otodus noch Squatinae verborgen sind und dass die Uebrigen zur Familie Lamna in den bekannten Formen gerech- net werden müssen. Der Umstand, dass Zähne von Otodus appendieu- latus, latus und serratus an denselben Orten und in denselben Schich- ten gefunden sind, wie die Squatina und ein Theil der Lamnawir- bel machte mich stutzig und vergleicht man nun die Zähne von Squatina vulgaris mit denen von Otodus apiculatus und obliquus Die fossilen Wirbel. 475 (Fig. 23, 24), namentlich den Zahn Fig. 22) mit dem des obliquus (Fig. 23), so ist, wenn man bedenkt, dass an den fossilen Zähnen die Fussplatten grössten Theils verschwunden sind, kein so grosser Unterschied zwischen ihnen, wie zwischen den von AGAssizZ abge- bildeten Zähnen von Otodus obliquus und denen von Otodus serra- tus oder selbst zwischen den einzelnen Zähnen des Otodus obliquus. » wt -1 Erklärung der Abbildungen. at Tafel XXX. Seitenansicht eines Wirbels von Squatina acanthoderma aus dem obe- ren Jura (Nusplingen). «. Gefässöffnungen. 5. Leisten von den ober- flächlichen, concentrischen Lamellen herrührend. Natürliche Grösse. Zwei Wirbel von Squatina alifer aus dem oberen Jura von der Dorsal- seite gesehen. Vergr. 2 mal. «a. Die Reste der Neurapophysen. b. Leisten von den oberflächlichen, concentrischen Verkalkungsschich- ten herrührend. Wirbel aus der oberen Kreide (Ciply), von der Dorsalseite gesehen. Einmalige Vergrösserung. Bruchfläche eines Wirbels aus der oberen Kreide (Maestricht) mit cen- tralem Kern und den concentrischen Lamellen. Einmalige Vergrösserung. Bruchflächen eines Wirbels aus der oberen Kreide (Maestricht) von der Wirbelhöhlung aus gesehen. Natürliche Grösse. Die glatte ventrale Fläche des vorigen Wirbels. Die dorsale Bruchfläche eines Wirbels, Senon (Aachen) mit den con- centrischen Lamellen. Dreimalige Vergrösserung. Längsschnitt durch die Wirbelsäule einer Squatina vulgaris. Vergr. 10mal. a. Centraler Doppelkegel. 6. Die verkalkten Schichten hyalinen Knorpels. ce. Periost. d. Intervertebralgewebe. e. Intervertebraler Theil der Chorda, der Wirbelhöhle entsprechend. f. Eigentlicher Chordacanal. g. Verdickung der centralen hyalinen Kuorpellage an den Enden des eigentlichen Chordacanals. ‘e...10. rig. Fig. Fig. Fig. Fig. 14. Vit C. Hasse Mittlerer Querschnitt durch einen Schwanzwirbel von Squatina vulga- ris. a. Haemapophysen mit verkalkter Peripherie. 4. Neurapophysen. e. Chorda. d. Centraler Doppelkegel. e. Gefässcanäle. f. Die con- centrischen Schichten hyalinen Knorpels der (Chordascheide. g. Die hyaline Knorpellage unter der Elastica externa. A. Die concentrischen Lagen verkalkten Knorpels. 7. Die skeletogene oder fortsatzbildende Schicht. Längsschnitt durch den Wirbel einer Squatina (Obere Kreide Ciply). a. Centraler Doppelkegel. 6. Kreidemassen an Stelle der hyalinen Knorpellagen. ce. Die concentrischen Schichten verkalkten Knorpels. Vergr. 4 mal. Mittlerer Längsschnitt eines Wirbels von Squatina acanthoderma (Obe- rer Jura). Vergr. 4 mal. a. Centraler Doppelkegel. 6. Die eoncen- trischen Lagen verkalkten Knorpels. ce. Gesteinsmassen an Stelle des hyalinen Knorpels. d. Mit Kalkspath gefüllte Lücken. Querschnitt durch den Wirbel einer Squatina (Obere Kreide Ciply). a. Innere Lage des centralen Doppelkegels. 6. Uebergangszone. ce. Dunkle mittlere Schicht. d. Periphere Lage desselben. e. Die con- centrischen Schichten verkalkten Knorpels. f. Kreidemassen an Stelle des hyalinen Knorpels. Vergr. 4 mal. Tafel XXXI. Stück eines Wirbelquerschnitts von Squatina vulgaris. Vergr. 300. a. Hyaline Knorpellage der Chordascheide um die Elastica interna. b. Innere verkalkte Lage des centralen Doppelkegels. c. Uebergangs- zone. d. Dunkle Schicht der mittleren Zone des Doppelkegels. e. Periphere Belegschicht desselben. f. Hyaline, concentrische Knorpel- lage. g. Chorda. Stück eines Wirbelquerschnitts einer Squatina (Obere Kreide Ciply). Vergr. 300 mal. a. Reste der innersten, hyalinen Knorpellage der Chordascheide. 6. Innere Verkalkungszone des centralen Doppel- kegels. c. Uebergangszone. d. Dunkle Lage der mittleren Schicht. e. Periphere Belegschicht desselben. f. Kalkspath an Stelle des hya- linen Knorpels. Die concentrischen Lagen desselben Wirbelquerschnittes. Vergr. 300 mal. a. Kreidemassen mit Foraminiferen statt der concentrischen La- gen hyalinen Knorpels. 6. Concentrische Lage versteinerten verkalk- ten Knorpels. Placoidschuppen von Squatina alifer (Oberer Jura) von der Unter- fläche gesehen. Vergr. 10 mal. «a. Reste der Fussplatte. 6. Freier Schuppentheil. Senkrechter Durchschnitt einer Schuppe von Squatina alifer. Vergr, 70mal. a. Knie. 5. Aufsteigender Theil des Hakens. — =... Get 13. , Fig 5. Morphol. Jahrbuch. Bd. II. ER; eet 2 Morphol. Jahrbuch. Ball. * Basse, dermumn, Hila 2a Lite Anas EA Funke Leteaty „18, Die fossilen Wirbel. 477 Senkrechter Durchschnitt durch eine Placoidschuppe von Squatina acanthoderma. Vergr. 70 mal. a. Reste der Fussplatte. db. Knie des Hakens. Senkreehter Durchschnitt durch eine Placoidschuppe von Squatina vulgaris. Vergr. 70 mal. a. Umgebogener Theil des Hakens. 0. Fuss- platte. ec. Schmelz. d. Das geschichtete Dentin. e. Dentinröhren. J. Pulpahöhle. Placoidschuppe von Squatina vulgaris von der Unterfläche gesehen. Vergr . 10 mal. a. Fussplatte. 4. Durchschimmernder Zalın. Zahn von der Mitte des Unterkiefers (funetionirende Reihe). «. Fuss- platte. d. Zahnhöhle. ec. Dentin. d Schmelz. Vergr. 10 mal. Ein Zahn aus der Nachbarschaft des vorigen. Vergr. 10 mal. Zahn von Otodus obliquus nach AGAssız. «a. Dentin ohne Schmelz- überzug mit Resten der Fussplatte. 6. Mit Schmelz iiberzogenes * Dentin. Zahn von Otodus apieulatus nach AGASSIZ. Entwicklungsgeschichte der Atrio- ventricularklappen. Von Dr. A. C. Bernays aus St. Louis. Mo. Mit Tafel XXXII u. XXXIII. Die Entwicklung der Atrioventricular- Klappen im Herzen des Menschen und der Siiugethiere ist bisher nur von wenigen Autoren zum Gegenstande der Bearbeitung gemacht worden. Die bisherigen thatsächlichen Angaben darüber sind nur ganz beiläufige, welche von den betreffenden Autoren als nebensächliche Beobachtungen, mei- stens ohne directen Zusammenhang mit ihrem Hauptthema nieder- gelegt wurden, soweit erklärende, sind sie ohne Mittheilung der - nöthigen Grundlagen gegeben. Die Behandlung der Frage nach der Genese der Atrioventrieular- Klappen zerfällt naturgemäss in zwei Theile, deren erster die Ent- wicklungsgeschichte der Klappen zum Gegenstande der Untersuchung hat, während der zweite eine Erklärung der durch die Lösung des ersten gefundenen Thatsachen fordert. Die erste Frage lässt sich dureh die Untersuchung einer Reihe von Säugethierembryonen ent- scheiden, während der Beantwortung der zweiten nur durch ver- gleichende Studien an niederern Wirbelthieren näher zu treten ist. Meine Arbeit habe ich demgemäss in zwei Theile gesondert; einen Beschreibendenh (ontogenetischen) und einen Erklärenden (phylogenetischen). Diesen beiden füge ich einen kurzen dritten an, welcher eine Verwerthung der gefundenen Resultate für die Deu- tung bisher theils unverstiindlicher, theils noch unbekannter Befunde am Herzen des erwachsenen Menschen enthält. Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 479 Herr Geh. Hofrath Dr. GrGEnBAUR hat mich zu dieser Arbeit angeregt und mir jederzeit mit seinem Rathe zur Seite gestanden, so wie mich dureh das in liberalster Weise gebotene Untersuchungs- material unterstützt, wofür ich ihm hiermit meinen innigsten Dank ausspreche. Historische Einleitung. Die ersten, die Entwicklung der Klappen behandelnden Unter- suchungen verdanken wir C. E. vy. Barr. (Entwicklungsgeschichte der Thiere, I. Bd. pag. 113.) Seine Beobachtungen beziehen sich auf den 8. bis 10. Tag der Bebrütung des Hühnchens. Er sagt: »In der rechten Herzkammer sieht man die muskulöse Klappe sehr deutlich, so wie auch die übrigen Kläppchen des Herzens und die isolirten Muskeln sich unterscheiden lassen.« _ ALLEN THompson (Entwicklung des Gefässystems im Foetus der Wirbelthiere. Edinburgh New philosophical journal. Vol. IX. 1830 gibt über die Klappen an: »Bevor die Vereinigung der Septa statt- gefunden hat, während die vier Höhlen, aus denen das Herz besteht, noch frei mit einander communiciren, sind die Klappen der Atrio- ventricular-Ostien theilweise gebildet. Bei der Gans bestehen diese Klappen am 6. Tage aus zwei Falten der inneren Wand des Vorhofs, welche in den Ventrikel herabhängen, eine an dem vorderen, die andere an dem hinteren Rand der Oeffnung. Indem die Entwicke- lung fortschreitet und es zur Vereinigung der Septa kommt, wird jede der herabhiingenden Platten in zwei getheilt und es bleibt jeder- seits die Hälfte um die Klappen zu bilden.« RatuKE beschreibt in seiner Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839, pag. 99, die Bildung der Atrioventricularklappen zum erstenmale etwas genauer. Er hat beobachtet, dass zu der Zeit. in der die Kiemenspalten sich wieder schliessen, innerhalb des Ven- trikels, neben der venösen Oeffnung desselben sich zwei Klappen bil- den, indem an der bezeichneten Stelle die innere Haut des Ventrikels etwas stärker anschwillt. Diese Anschwellungen stellen zu Ende seiner zweiten Periode, nachdem sich die Kiemenspalten wieder geschlossen haben, zwei gleich hinter dem Canalis aurieularis befindliche und ein- ander gegenüberliegende, beinahe halbmondförmige Erhöhungen dar, deren convexe oder längere Seite gegen die grössere Krümmung des Ventrikels hingekehrt ist. Mit ihnen hängen Muskelstränge zusam- men, welche der Ventrikelwand ihrer ganzen Länge nach anliegen. 480 A. C. Bernays Diese werden gegen das geschlossene Ende des Ventrikels zu viel dicker als gegen die erwiihnten angeschwollenen Stellen, verbinden sich zum Theil mit einander, ehe sie diese erreichen und scheinen in der Nähe derselben schon gegen das Ende der zweiten Periode in Sehnenfasern überzugehen. Auch lösen sie sich zum Theil jetzt schon, während die beiden Klappen sich mehr erheben, in deren Nähe von den Seitentheilen der Ventrikel los, so dass sie an dünnen Stellen kurze, zarte Fäden darstellen. EckER gibt (lcones Physiologicae, 1851—59. Leipzig, Tafel XXX, | Fig. XXII) in einer Abbildung von einem 5'/,”” langen menschlichen Embryo auch eine Klappendarstellung. Die einfache Vorhofshöhle ist von oben her gespalten und man erblickt von ihr aus in der Mitte die Basis der Kammer von dem einfachen Ostium atrioventriculare durchbrochen. Im erklärenden Texte heisst es: »Die Oeffnung ist von einen Wall, Limbus, umgeben, wenn sie geschlossen ist, un- gefähr vierlippig.« Das Septum ventrieulorum ist gerade in Form eines Balkens angelegt, der sich in einem nach links eoncaven Bogen gegen den Truncus arteriosus, die Vorderwand und Spitze der Kammer hinzieht. KÖLLıKER (Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere 1861, pag. 403) verweist auf Ecker und beschreibt die Gestalt der primitiven venösen Ostien als einfache Spalten; er sagt, die beiden Lippen, welche jede Spalte begrenzen, sind die ersten Andeutungen der venösen Klappen und man sieht bei der Untersuchung der Kammerhöhle, dass die Ränder derselben schon um diese Zeit mit Muskelbalken der Kammerwand in Verbindung stehen. Ferner bemerkt derselbe Autor, dass sich diese Klappen erst im dritten Monate bestimmter ausbilden. Linpes (Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. Inau- gural-Dissertation, Dorpat 1865) kommt in seinen Untersuchungen über die Theilung des primitiven Ostium atrioventriculare zu dem Resultate, dass dieselbe, durch eine Annäherung der Atrioventrieular- lippen aneinander, in ihrer Mitte eingeleitet und dadurch vollendet wird. dass die Septa sich von oben und unten entgegenkommend, an dieser Stelle zusammentreffen. GEGENBAUR (Grundzüge der vergl. Anatomie, 2. Auflage 1870 [erschienen 1869|, pag. 837 und Grundriss der vergl. Anatomie 1874, pag. 640. Leipzig. W. EnGELMAnN) verdanken wir die eingehendste Darstellung der Klappenentwicklung. Ich führe seine darauf bezüg- lichen Angaben im Folgenden wörtlich an. »Wichtige Veränderungen Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 481 bieten die Atrioventrieularklappen, an deren Stelle niemals jene häu- tigen Duplicaturen, die bei Fischen, Amphibien und auch noch bei Reptilien fungirten, vorkommen. In sehr frühen Zuständen zeigen die Ventrikel bei verhältnissmässig kleinem Binnenraume ihre Wand aus demselben spongiösen Muskelgewebe gebildet, wie wir es von den Fischen bis zu den Reptilien bin bleibend antreffen. Allmälig verdieken sich die Balken und ein Theil davon geht in die com- paetere Herzwand über. Der mehr nach innen zu verlaufende, das Lumen des Kammerraums begrenzende Theil dieses Balkennetzes, welcher am Umfange des venösen Ostiums inserirt, lässt in der Um- srenzung des Ostiums das Muskelgewebe schwinden, so dass die Muskelbalken dort in eine am Ostium entspringende Membran über- gehen. Dieser bei den meisten Säugethieren vorübergehende Zustand bleibt bei Ornithorhynehus in der rechten Kammer bestehen. Von der Ventrikelwand entspringende Muskelbalken gehen in eine mem- branöse Klappe über. Bei den Uebrigen leitet dieser Zustand zu anderen Differenzirungen. Die Muskelbalken ziehen sich noch weiter gegen die Kammerwand zurück und bilden dort die sogenannten Papillarmuskeln, die mit Sehnenfäden Chordae tendineae) an die nunmehr rein membranöse Klappe herantreten. Von dem übrigen Balkennetze bleiben nur die den Wandungen der Kammer angelagerten Trabeculae carneae zurück. Die Atrioventrieularklappen sind somit, sammt den Chordae tendineae, Differenzirungen eines Theiles des ursprünglichen muskulösen Balken- netzes, und der von ihnen umschlossene Raum entspricht dem Haupt- raum der primitiven Kammer.« Die letzte Arbeit, welche unser Thema behandelt, ist F. J. ScHmipr’s: Bidrag til Kunskaben om Hjertets Udviklingshistorie. (Nordiskt medieinskt Arkiv. Band II. Nr. 23, 1870.) Der Verfasser untersuchte menschliche Embryonen (aus der siebenten und den fol- genden Wochen der Fötalzeit) sowie Rinds- und besonders Schafsem- bryonen,und zwar meistens mit der Loupe und nur mitunter mittelst des zusammengesetzten Mikroskops. Seine Arbeit nimmt zur Grund- lage die Angaben von Hıs ') über die früheste Entwicklung des Her- zens. An diese anschliessend schildert er nun den Entwickelungsgang !) Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Leipzig. 1568. Hıs macht keine Angaben über die Entwickelung der Klappen selbst. Er sagt nur die Kniekungen des Herzschlauchs seien bestimmend für die Lage der Klappen und dieselben seien Duplieaturen des Endothelrohrs. Morpholog. Jahrbuch. 2. 33 489 A. ©, Bernays folyendermassen: »Von der Herzspitze beginnend wird das Endothel, welches sich nach Hıs zwischen die Muskelbalken in die Hohlräume der schwammigen Herzwand eingestülpt hat, allmälig ausgespült und ausgeglättet. Von hier aus setzt sich dieser Process gegen die Atrioventrieularostien hin fort. Es bleiben aber an diesen Ostien Endothellappen hängen, welche zuletzt als echte Klappen persistiren. Diese Segel behalten jedoch ihren ursprünglichen Zusammenhang mit den stärkeren Balken, welche die Zersplitterung der inneren Muskel- schiehten hervorgebracht hat. Aus diesen Balken gehen die künf- tigen Papillarmuskeln hervor. Die Verbindung zwischen dem Klappen- segel und dem Papillarmuskel entsteht also nicht durch ein späteres Zusammenwachsen, sondern war schon vorhanden von der Zeit an, als der Zwischenraum zwischen Muskelwand und Endothelrohr (Hıs) ausgefüllt wurde.« Ueber histologische Differenzirungen macht SCHMIDT nur sehr dürftige Angaben. I. Eigene Untersuchungen. Zur Untersuchung stand mir eine Anzahl menschlicher Em- bryonen, von der achten Woche an bis zum ausgetragenen Kinde, sowie ziemlich vollstiindige Reihen von Rinds- und Schweinsem- bryonen zu Gebote. Den grösseren Theil derselben verdanke ich den Herren Geh. Hofrath GEGENBAUR und Prof. J. ArnoLp. Die Em- bryonen wurden, je nach ihrer Grösse und so frisch als möglich, 6 bis 24 Stunden in einprocentige Chromsäurelösung gelegt. Aus der Chromsäurelösung wurden sie in absoluten Alkohol übertragen. Das Färben geschah, nach vollkommener Reduction der Chromsäure, in ammoniakalischer Carminlösung. Für das Herz sowie die kleinen Embryonen erwies sich die von A. ROSENBERG empfohlene bequeme Färbung in toto vollkommen ausführbar. Bei den grösseren war eine Einzelfärbung der Schnitte nöthig. Zur Einbettung wurde die von BunGE erfundene Talg-Eiweissmasse benutzt. Die Mehrzahl der Prä- parate wurde in ihrer ganzen Ausdehnung in continuirliche Sehnitt- serien zerlegt. Die Schnitte wurden in der gewöhnlichen Weise mit Nelkenöl aufgehellt, in Canadabalsam eingeschlossen und der Reihe nach numerirt. Aus diesen Serien konnten sowohl die makroskopi- schen Verhältnisse eombinirt, als auch Objeete für die histologische Untersuchung gewonnen werden. Einzelne Objeete wurden zum Zwecke des histologischen Details in indifferenten Flüssigkeiten, oder Entwiekelungsgeschichte der Atrioventrieularklappen. 483 in verschiedenen macerirenden Reagentien untersucht. Die Zeich- nungen fertigte ich mit Hülfe des OsermÄuser’schen Prisma; von den meisten wurden nur die Umrisse auf diese Weise angelegt, von an- deren aber auch die Darstellung der histologischen Anordnung auf diesem Wege gewonnen. Die ganze Entwicklungsgeschichte der Atrioventricularklappen theile ich zur besseren Uebersicht in vier Stadien. Gerade diese Zahl schien mir am. naturgemässesten,, weil sich vier sehr differente Zu- stände, sowohl entwiekelungsgeschichtlich wie vergleichend - anato- misch, unterscheiden lassen. Erstes Stadium. Die Jüngsten Embryonen, welche mir zur Untersuchung dienten, waren vom Rinde. Sie hatten im gekrümmten Zustande eine Länge von .1,2 bis 1,6 Cm.'). Das Herz misst von der Spitze bis zur Basis (bei ausgedehnten Vorhöfen) etwa 3 Mm. und seine Dicke eirca 2,4 Mmm. Zur allgemeinen Orientirung über die Ausbildung dieser Herzen be- merke ich nur, dass bei den jüngsten (1,2 Cm.) das Septum ven- triculorum eben angelegt ist, dass dagegen bei den älteren (1,6 Cm.) die Ventrikel vollkommen gesondert sind. Dieselben sind schon äusserlich durch eine Längsfurche unterscheidbar. Die beiden Herz- ohren umfassen den Truncus arteriosus noch nicht. Aorta und Pul- monalis sind schon getrennt, dagegen stehen die beiden Vorhöfe noch in weitoffener Communication; nur die sehr grosse Valvula Eustachii bildet von der hinteren Wand aus ein partielles Septum. Bei schwacher Vergrösserung sieht man an einer Serie von Längs- schnitten solcher Herzen die Kammerwand von vielen kleinen Hohl- räumen durchsetzt, welche sich nach der Peripherie zu etwas ver- jüngend sich fast bis unter das Pericard erstrecken. Diese Hohl- räume hängen ausnahmslos mit der Ventrikelhöhle zusammen und stellen sich wie Ausbuchtungen derselben dar. Im Allgemeinen ist ihre Anordnung keine regelmässige, doch erkennt man, dass die meisten eine Richtung einhalten, welche radiär von der Herzhöhle zur Peripherie verläuft. In ihrem Verlaufe sind sie mannigfach ge- 1) Nachdem ich meine Arbeit abgeschlossen, erhielt ich dureh die Güte des Herrn Dr. ‘THOMA einen jüngeren Rindsembryo (0,6 Cm.), an welchem sich noch keine Differenzirungen am Ostium zeigten. Es waren die Ventrikel nur als ver- diekte Stellen am Herzschlauch nachzuweisen, in welchem sich noch keinerlei Klappen angelegt fanden. 33* A484 . A. C. Bernays wunden, zum Theil auch eommunieiren sie mit einander. Ihre Ver- zweigung geschieht in eleganten Bogenlinien und nur selten lassen sich winkelige Knickungen nachweisen. Die Durchmesser der Hohl- räume verhalten sich zu denjenigen des sie begrenzenden Balken- gerüstes wie 1:2 bis 3. Die letzten Ausläufer derselben sind ziem- lich regelmässig (Fig. 1) rechtwinkelig zur Herzoberfläche gestellt, wodurch auf den Schnittbildern ein Aussehen bedingt wird, als ob von der äussersten Muskelschicht der Herzwand kleine zottenartige Pa- pillen in die Hohlräume hereinragten. Die Balken begrenzen nun die Zwischenräume der eben beschriebenen Hohlräume vollständig, so dass der Verlauf derselben einer näheren Beschreibung nicht be- darf. Anführen jedoch will ich, dass dieselben im Septum ventri- culorum, sowie in der unmittelbaren Nähe der Herzhöhle, eine mehr gestreckte Richtung in der Längsaxe des Herzens verfolgen (Fig. 1, Fig. 2). Gegen die Oberfläche der Kammerwand setzt sich das Balkennetz direct in eine Schicht gestreckt verlaufender, dem Peri- card zunächst liegender Züge fort. Diese bilden die Grundlage, von der aus das schwammige Gewebe der Kammerwand sich gegen die Ventrikelhöhle erstreckt (Fig. 1 Ass, Fig. 10 A/s). Die Herzhöhle ist in Folge der reichlichen Ausbuchtungen und Recesse, welche mit ihr zusammenhängen. von sehr unregelmässiger Form und geringer Aus- dehnung. Die linke Ventrikelhöhle ist grösser als die rechte und erstreckt sich, wie auch später, weiter als diese gegen die Herz- spitze. Die Ventrikel enthalten immer etwas Blut, während dieses sich nur seltner in grösseren, gar nicht in den kleineren Ausbuch- tungen findet. Die hier gefundenen Blutkörperchen erweisen sich ausnahmslos als kernhaltig. Das primitive Ostium atrioventrieulare ist eine beinahe quere Spalte, welche von zwei sich gegenüberliegenden regelmässig halb- mondförmigen Vorsprüngen begrenzt wird. Ich will auf diesen Zu- stand, weil er mir nur an einem einzigen Embryo zur Anschauung kam, nicht näher eingehen und wende mich zur Beschreibung der Klappenentwickelung, nach der Theilung des Ostiums, welcher Thei- lungs-Vorgang von SCHMIDT |. e. genauer beschrieben ist. Die Ostia atrioventrieularia sind spaltenähnliche enge Oeffnungen ; das rechte ist weiter als das linke. An letzterem liegt der längste Durchmesser von vorn nach hinten, am rechten ist dieses nicht so aus- geprägt, da der Querdurchmesser fast eben so lang wie der Längsdurch- messer ist und das Ostium eine unregelmässigere Form annimmt. In die Querfurche des Herzens schiebt sich zu dieser Zeit schon ein Fort- Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen 485 satz des pericardialen Ueberzugs tief zwisehen Vorhof und Ventrikel herein, so zwar, dass derselbe fast bis an die Ostien heranreicht. Man sieht im äusseren verdickten Theil dieses Fortsatzes (bei Ve. Fig. 1) jetzt schon. ein Blutgefäss und einen Nervenstamn verlaufen (Vas et Nerv. coron.). Der innere Theil, welcher sich um so mehr verjüngt, je weiter er hereinragt, verliert sich schliesslich in dem intermuseulären Bindegewebe. Man sieht sehr deutlich, dass dieser Fortsatz des pericardialen Ueberzugs nirgends bis an die Ostien tritt oder mit dem Endocard zusammenhängt. An den Ostien finden sich folgende wichtige Verhältnisse. Am linken Ostium existiren zwei sich gegenüberstehende, wulstige, dem Endocard angehörige Verdiekungen, welche in der Höhe des Suleus transversus liegend, von der angrenzenden Muskulatur geweblich scharf getrennte Gebilde sind (Fig. 1V). Ihre Gestalt erscheint fast regel- mässig halbmondförmig. Sie ragen in der Mitte des Ostiums in Form zweier, vorn und hinten an ihrer Basis mit einander verschmolzener Vorsprünge frei in das Lumen des Ventrikels herein. Der laterale Vorsprung ist etwas dieker als der mediale; er ist mit ziemlich breiter Basis an der lateralen Ventrikelwand befestigt, springt '/, Mm. tief in die Ventrikelhöhle vor und ist an seinem freien Rande ab- gerundet. Der mediale Vorsprung ist dünner, aber länger als der laterale, sein freier zugespitzter Rand ragt etwas tiefer in den Ven- trikel herein, während seine Basis, welche schmäler als die des äusseren Vorsprungs ist, an das Septum ventrieulare und die Aorta sich anheftet. Nach rechts lässt er sich continuirlich durch das Sep- tum hindurch bis in den ihm gegenüberliegenden Septumvorsprung der rechtseitigen Atrioventrieularklappe verfolgen, derart, dass man auf den betreffenden Schnitten diese Vorsprünge des linken und rechten Ventrikels geweblich miteinander im Zusammenhang sieht (Fig. 1Z). Dieses Verhalten findet seine Erklärung in der Thatsache, dass die beiden Septa (atriorum et ventrieulorum) sich nicht ganz berühren, weil die Trennung der Ostien durch das Verwachsen der Vorsprünge schon geschehen ist, ehe die Septa sich an dieser Stelle entgegentraten. Linpes |. e. meint, dass die Atrioventricularlippen sich nur einander nähern. Ein Blick auf meine Fig. 1 lehrt aber, dass jedenfalls eine vollständige Verschmelzung stattgefunden hat. Die Beziehungen dieser primären Klappen zu dem Balkennetze der Ventrikelwand sind in diesem Stadium nur sehr unbedeutende. Die Verbindung der Klappenbasis mit der Muskelwand des Herzens wird durch Bindegewebe vermittelt und nur wo sich diese beiden halb- 48§ A. C. Bernays mondförmigen Klappen mit einander verbinden, sind sie mit der Ven- trikelmuskulatur durch Verschmelzung mit einigen Bälkchen in in- nigerem Zusammenhang (Fig. 1,5 vent. dext., welcher an dieser Stelle getroffen ist). Die Klappen des rechten Ventrikels zeigen in den Hauptpuneten genau dasselbe Verhalten wie die des linken. Geringe Differen- zen werden durch die abweichende Anzahl der einzelnen Vor- sprünge bedingt, die, wie ich finde, zu dreien an der Klappenbil- dung theilnehmen oder dieselbe vielmehr einleiten. Von diesen drei Vorsprüngen sitzt der eine medial am Septum, während die beiden anderen lateral, der eine mehr vorn, der andere mehr hinten am Ostium, ihren Ursprung nehmen. Dieses Verhalten ist jedoch nicht regelmässig, manchmal ist der vordere laterale Lappen sehr klein, oder nur durch einen seichten Einschnitt vom hinteren getrennt; jedenfalls entsprechen die beiden lateralen zusammen nur einem ein- zigen Vorsprunge. Gemäss ihrer Anordnung und semilu- naren Gestaltung wird für diese Vorsprünge eine Fune- tion, ähnlich jener der Taschenventile, anzunehmen sein. Es empfiehlt sich hier gleich die Stellung auseinanderzusetzen, welche die Angaben anderer Autoren zu der obigen einnehmen. ECKER |. ce. gibt eine kurze Bemerkung über das noch einfache primitive Ostium, beim menschlichen Embryo von 51/)"==1,3Cm. Länge. Er. sagt, die Oeffnung sei von einem Walle, Limbus, umgeben und wenn ge- schlossen, sei sie etwa vierlippig. Ein menschlicher Embryo dieser Grösse stand mir nicht zu Gebote, aber ein Befund beim Rinde ergab, dass das ungetheilte Ostium von zwei halbmondförmigen Vorsprüngen, welche einander gegenüberstehen, begrenzt ist. Nach der von Ecker gegebenen Abbildung würde es scheinen, als ob der die Ostien um- sebende Wall überall von gleicher Höhe wäre. Dem ist aber nicht so. Es lässt sich zeigen, dass der Wali in zwei halbmondförmige Vorsprünge getheilt ist, die nur an ihren beiden Enden durch eine schmale Commissur in einander übergehen. KöLuıker’s Beschreibung |. e. bezieht sich auf einen älteren Zustand (Fig. XXVIL, Tab. XXX Ecker [|9”]), welcher etwa meinem zweiten Stadium entsprechen würde. Seine Angaben stimmen im Allgemeinen mit den meinigen überein, nur bemerke ich hier aus- driicklich, dass die Muskelbalken der Kammerwand um diese Zeit noch nieht mit den Rändern der Vorsprünge (Lippen KOLLIKER’s) zusammenhängen, wie KÖLLIKER meint, sondern, dass eben erst von . Entwickelungsgeschichte der Atrioventrieularklappen. 487 der Basis und den Seitentheilen aus solche Verbindungen sich aus- zubilden beginnen. Die von Scumipr gegebene, in der Einleitung angeführte Auf- fassung der Klappenentwickelung, will ich hier nicht im Einzelnen widerlegen. Es beruht dieselbe grossentheils auf Hypothesen, denn SCHMIDT hat, auf unbestätigte Angaben von Hıs fussend, seine Mei- nung entwickelt. Thatsächlich Neues zur Frage der Klappenent- wickelung bringt Scumipr nur wenig. Er hat keinen Zustand be- schrieben, in welchem die Klappen als reine endocardiale Vorspriinge beständen. Er gibt überhaupt keinen solehen Zustand zu, indem er behauptet, es bestehe ein primärer Zusammenhang zwischen dem Endothelpolster (puder) und der Muskelwand. Sein »puder« würde etwa den von mir beschriebenen halbmondförmigen Vorsprüngen ent- sprechen. Er sagt aber es hänge an seiner unteren Fläche vielfach mit dem Muskelnetze zusammen. Demnach muss angenommen wer- den, dass, da Scumipr sehr junge Embryonen untersuchte, an denen das Septum ventrieulorum noch nicht ausgebildet war (Fig. 7 seiner Tafel), seine Untersuchungsmethode zu feinerer Beobachtung nicht ausreichte. Erwähnen will ich noch, dass GEGENBAUR's Angaben, welche vor jenen SCHMiDT’s erschienen, diesem unbekannt geblieben sind. Bei starken Vergrösserungen erkennt man den Bau der Herzwand in diesem Stadium als einen ziemlich einfachen. Die Balken bestehen aus eng verschmolzenen, stark verästelten Zellen, wie WEISMANN !) ähnliche im Froschherzen beschrieben hat. Die Zellensubstanz zeigt eine bei den einzelnen Zellen verschiedene Differenzirung. Man sieht nämlich in den einzelnen Zellen und ihren Ausläufern wesentlich der Längsrichtung folgende Reihen hintereinander angeordneter Körnchen. Wo diese Reihen zu mehreren nebeneinander liegen, verleihen sie den Zellen das Ansehen einer leichten Querstreifung. Ich beobach- tete manche Muskelzellen, in denen sich nur an den Randtheilen der Ausläufer eine Reihe regelmässig hintereinander angeordneter Körn- chen fand. Andere Zellen zeigten einen noch ganz protoplasmati- schen Leib; nur die Enden der Ausläufer waren wie oben be- schrieben differenzirt. Um den Kern herum findet sich immer noch undifferenzirtes Protoplasma, welches sich auch in die Zellenäste er- streekt (Fig. 7 a, 6, ce). Nicht alle Zellen jedoch sind verästelt, son- !) Archiv f. Anat. u. Physiol. von REICHERT und Du Bois-REyMonD 1861, pag. 43 und 44. 488 A. C. Bernays dern es kommen auch vollkommen unverästelte vor (Fig. Sa), welehe hauptsächlich in der Mitte der grösseren, gerade verlaufen- den Trabekel liegen. Die stark verästelten finden sich mehr da, wo das Balkennetz ein engmaschiges ist. Die Zahl der Ausläufer ist sehr verschieden; es kommen Zellen zur Beobachtung, die deren sechs uud darüber haben (Fig. 74,c). Auch sind die Ausläufer von sehr verschiedener Dicke und Länge. Die grossen, länglichen Kerne der Muskelzellen zeigen gewöhnlich ein deutliches Kernkör- perchen und in dessen Umgebung mehrere kleine dunkele Kérnchen. Nicht selten finden sich in einer Muskelzelle zwei, ja drei solcher Kerne, die dann immer nahe beisammen liegen. Es lässt sich an in verdünnter Chromsiiurelisung gehärteten Präparaten, zwischen den einzelnen Muskelzellen, häufig eine helle doppeltcontourirte Grenze nachweisen, welche den Eindruek einer Kittsubstanz macht. Die- selbe zeigt sich als eine geschlängelt-verlaufende gelblich-glänzende Linie, die durch Carmin oder Anilinfarben nicht gefärbt wird !). Die Muskelbalken sowie die ganze innere Oberfläche des Her- zens, sind von dem Endocard bekleidet. Dieses besteht aus einer einfachen Lage platter, grosser Zellen, welche den Epithelformationen der Gefässe gleichen. Auf Schnitten durch das Balkengeriist der Herzwand sieht man um die einzelnen Muskelzüge herum eine feine Doppellinie, die in regelmässigen Abständen von verdickten Stellen unterbrochen wird. Die feinen Linien sind die Zellendurchsehnitte, die Verdiekungen deren Kerne (Fig. 10 e). Das Protoplasma dieser Zellen ist fast homogen oder zeigt nur eine äusserst feine Granu- lirung. Ihr Kern ist gross und färbt sich leieht mit Carmin oder Hämatoxylin. Das Pericard besteht in diesem friihen Stadium an den Vor- höfen und Ventrikeln aus einer sehr dünnen Lage von Bindegewebe (Fig. 10 ?), das sich im Suleus transversus cordis zu einer dicken, die Vasa coronaria ete. bergenden Schicht anhäuft. Auf diese Peri- :ardschicht ist in diesem Stadium die Gefässverbreitung beschränkt. An der verdickten Stelle sind die sehr reichlichen Zellen gross, rund- lich und zeigen einen deutlichen kleinen Kern. Zwischen den Zellen findet sich nur spärliche Intercellularsubstanz. Das Pericard schickt 1) Die Silber- und Goldbehandlung konnte ieh , weil mir nicht genug Unter- suchunesmaterial zu Gebote stand, nicht anwenden. Das wenige kostbare Material „musste ich zum Zwecke des Schneidens härten. Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 489 keine Fortsätze zwischen die Muskelbündel der Herzwand, sondern geht ganz glatt über die Oberfläche hinweg (Fig.10 P). Durch das eigenthümliche Verhalten des Gewebes der Klappen gegen Färbemittel und Reagentien, zeigen sich jene als von den umgebenden Gebilden vollständig different. An Schnitten dureh Her- zen, welche nach der oben beschriebenen Methode gehärtet und ge- färbt waren, zeigten sich die Klappen als gelbe, sehr solid gebaute Gewebstheile und waren durch diese Färbung vor den anderen Ge- weben ausgezeichnet. Die sie zusammensetzenden Formelemente gehen sowohl an der oberen als an der unteren Fläche der Lappen in das Endocard über und sind als Verdiekungen des endocardialen Gewebes aufzufassen. Diese Zellen haben meistens die Gestalt lang- gestreckter Spindeln, es kommen jedoch auch alle Uebergangsformen bis zu runden Zellen ohne Ausläufer vor. Manchmal, «doch selten, findet man eine Zelle mit mehreren Ausliiufern, durch die sie mit anderen sich zu verbinden scheint. Die Kerne dieser Zellen sind kreisrund bis länglieh oval. Um die Kerne herum findet sich noch spärliches Protoplasma, wogegen die Ausläufer der Spindeln eine mehr faserige Structur besitzen. Die Intercellularsubstanz, in welehe die eben beschriebenen Zellen eingebettet sind, ist sehr derb, scheint auf den ersten Bliek homogen, zeigt sich aber bei genauerem Zu- sehen ganz fein granulirt. In diese Grundsubstanz sind die Zellen in ziemlich grossen Zwischenräumen eingestreut, so dass auf dem Durehsehnittsbilde immer ein breiteres Band dieser gelben Intercellu- larsubstanz zwischen je zwei Zellen zu liegen kommt. Der oben ge- schilderte Zustand der Atrioventrieularklappen ist also morphologiseh dadureh characterisirt, dass dieselben rein endocardiale Vorsprünge sind, die keine Bezieh- ungen zur Ventrikelmuskulatur besitzen. Zweites Stadium. Die Begründung zur Unterscheidung dieses Stadiums ergibt sich aus den weiter unten zu beschreibenden Veränderungen, welche an den Atrioventrieularklappen des vorigen Stadiums allmälig zur Er- scheinung kommen. Die hier zur Untersuchung verwendeten Rinds- und Schweinsembryonen waren 2,0 bis 3,5 Cm. lang. Die Herzen (derselben massen von der Basis bis zur Spitze 4,5 bis 5,6 Mm., in der Breite von 1.0 bis 5,5 Mm. bei einer Dicke von 3.0 bis 3,6 Mm. Aeusserlich zeigt sich das Herz etwas mehr gegen die Spitze zu ver- 490 A. C. Bernays jiingt und die grossen Arterien sind ganz von den Vorhöfen und Herzohren bedeckt, welch letztere einander sogar auf der vorderen Herzfläche überragen. Die Herzwand bietet in diesem Stadium immer noch den früher beschriebenen schwammigen Bau. Es zeigt sich jetzt aber ein Ueber- wiegen der Muskelbalken über die Hohlräume, welche durcehsehnitt- lich nur ein Viertel der Dieke der Muskelbalken haben. Die äusserste, dem Pericard zunächst liegende Schicht zeigt sich nun von ansehn- licherer Dieke. Die in dieser Schicht vorhanden gewesenen Hohl- räume sind durch die wuchernde Muskulatur schon ganz zum Ver- schwinden gebracht. Im linken Ventrikel sieht man diesen Vorgang viel weiter vorgeschritten, so dass hier die solide, dem Pericard zu- nächst liegende Schicht der Muskulatur etwa doppelt so dick ist, als im rechten. Auf die compactere Schicht folgt nach innen zu, die Herzhöhlen begrenzend, eine noch von grösseren und kleineren Hohlräumen durchsetzte Schicht. Die compacte Hülle der Ven- trikel ist auch jetzt noch dünn und verhält sich im ihrer Dieke zu der des mehr schwammigen inneren Theiles etwa wie 1:3. Die grösseren Hohlräume verlaufen meistens in der Längsrichtung der Herzwand. Dies gilt namentlich für jene, welche den Ventrikel- höhlen zunächst liegen. Aus dem Verhalten der Hohlräume lässt sich zum Theil auch auf das Verhalten der Trabekel schliessen. Die innersten Muskelbalken sind von der Herzwand entfernt, erscheinen ihrer Länge nach in die Höhle des Ventrikels wie vorgebaucht, und hängen nur noch an der Herzspitze und an dem Ostium atrioventri- eulare mit der Wand zusammen. Diese Balken verlaufen nicht ein- fach und unverzweigt, sondern gehen häufige Verbindungen unter- einander ein. An der Herzspitze sind sie mehr bündelförmig vereinigt, während sie gegen das Ostium in divergirende Züge ausstrahlen. Am Ostium aber gehen die Züge wieder in die Herz- wand über, unmittelbar unter der Stelle, an welcher die endocar- dialen Klappen entspringen. Das Septum ventrieulorum zeigt eine grössere Dicke als früher, wobei sich seine Muskulatur schon ber trächtlich solidifieirt hat. Die Herzhöhle ist jetzt scheinbar kleiner geworden, obgleich sie in Wirkliehkeit in gleichem Schritte mit dem Herzen gewachsen ist. Diese scheinbare Verkleinerung beruht darauf, dass die eben be- schriebenen innersten Balken der Muskelwand sich mehr isolirt haben und damit zugleich in’s Lumen der Herzhöhle vorragen. Dieses Lumen stellt sieh in dem Maasse enger dar, als die einander gegen- Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 491 überstehenden Balken sich näher rücken. Der nach aussen von den innersten Balken befindliche Raum erscheint dabei immer mehr als ein Theil der Herzhöhle. Die Ausbuchtungen des Endocards, welche im vorigen Stadium noch alle mit der Herzhöhle zusammenhingen, sind mit Ausnahme der grösseren, das frühere Verhältniss bewahrenden, bedeutend an Zahl redueirt. Ob dieser Zustand durch Wucherung der Muskulatur, oder durch sonstige Processe herbeigeführt worden, muss ich dahin gestellt sein lassen. In dem Sulcus transversus cordis ist das Pericard, wie wir schon im ersten Stadium sahen. nur zu einem dickeren Bindegewebsfortsatz angeschwollen, welcher sich gegen das Ostium zwischen die Muskulatur des Vorhofs und Ven- trikels hineinschiebt. In diesem Bindegewebe verlaufen die zu stär- keren Gefässen ausgebildeten Vasa coronaria, welche schon die be- kannten Hauptäste abgeben. Das Pericard ist jetzt beträchtlich dieker geworden; es besteht aus deutlieh fibrillärem Bindegewebe, welches schwache Fortsätze in die compacte Muskelsubstanz sendet. Mit diesen Fortsätzen dringen jetzt kleinere Gefässe in die Kammer- wand ein. Ich habe bereits oben auseinandergesetzt, dass die Er- nährung der Herzwand im ersten Stadium noch ganz von innen her geschah, indem die Blutflüssigkeit durch die kleinsten Hohlräume bis fast unter das Pericard gelangte. Also wird erst in diesem Sta- dium das Innere des compact gewordenen Theils der Herzwand vas- eularisirt, mit welchem Vorgange die Rückbildung der blutführenden Hohlräume Hand in Hand geht. Die Ostia atrioventrieularia sind nun grösser geworden, ohne dass sie wesentliche Formveränderungen erlitten. An den Klappen beginnt jedoch ein weitgehender Differerzirungsprocess sich geltend zu machen, der jetzt beschrieben werden soll. Die im vorigen Sta- dium noch einzig den Klappenapparat repräsentirenden Vorsprünge sind nieht mehr in jener Weise erhalten. Ihre untere Fläche ist nämlich mit den zunächst befindlichen, aus der Kammer emporstre- benden Muskelbalken in Verbindung getreten. Oben wurde bereits geschildert, wie die innersten Trabekel sich mehr isolirt haben, jetzt sieht man ganz deutlich, wie sie durch diesen Vorgang immer mehr von der Peripherie gegen das Lumen vorrücken, welcher Vorgang mit einem Wucherungsprocess an der Ursprungsstelle der Trabekel aus der Herzwand verbunden ist. Gleichzeitig mit diesem Processe, welcher die Isolirung, oder besser die Differenzirung der innersten Sehicht des Trabekelnetzes zu einem mehr selbstständigen Theile der Herzwand bedingt, bildet sich durch das allmälige Uebergreifen 49? A. C. Bernays der vorwachsenden Muskelbalken auf die untere Fläche der die Klappe vorstellenden Endocardvorsprünge zwischen beiden eine Verbindung aus. Der vordere Rand der Endocardklappen bleibt immer von den unter ihm übergreifenden Muskelbündeln frei und ragt wie eine Daeh- kante über die aufsteigenden Muskelbalken vor. Offenbar versieht der Vorsprung jetzt noch die Dienste eines Verschlussapparates, denn das unter ihm befestigte und wie ein weitmaschiges Sieb gebaute Balkennetz könnte allein das Regurgitiren nicht hindern. Die Klappen können aber nicht mehr als reine Taschenventile aufgefasst werden, weil die solehen zukommende grössere Freiheit hier durch die Ver- bindung mit den Muskelbalken gehindert ist. Das characteristi- sche an diesem Stadium sind also die Beziehungen, welche sich zwischen den Endocardklappen und der Muskulatur der Ventrikel hergestellt haben. Der mus- kulöse Theil der Klappen ist hier noch der geringere, indem sowohlmorphologisch wie physiologisch der vom Endocard gebildete Theil der Klappen als deren Haupt- bestandtheil zu betrachten ist. Die histologischen Veränderungen dieses Stadiums sind folgende: Die äussere solide Schicht der Herzwand zeigt sich aus längs und schräg verlaufenden Bündeln zusammengesetzt. Die Muskelzellen sind schmal und lang und laufen in zugespitzte Enden aus. Sie sind in dichten Zügen angeordnet. Ihre Substanz bietet in der Haupt- sache eine leichte Querstreifung dar, während nur die oft zu meh- reren vorhandenen Kerne in einem schmalen Protoplasmastreifen liegen. An manchen Stellen sieht man zwischen den Muskelzügen Reste des Epithels, welches früher die Hohlräume auskleidete und durch die schon oben beschriebenen Wachsthums-Veränderungen von der Herzhöhle abgeschniirt zwischen den Muskelbalken liegend com- primirt wurde. In der That zeigen sich auf Schnitten an manchen Stellen zwei deutliche Epithelzellenreihen, die dicht aneinander liegen. Neben diesem vollkommen zusammengedrückten Zustande kommen, von der Peripherie nach innen zu fortschreitend, alle Zwischenstufen bis zu den weiten Hohlräumen des ersten Stadiums vor. Hier sind nun zwei Möglichkeiten gegeben: Es können diese Epithelzellen per- sistiren und sich zu intermuseulären Bindegewebszügen umwandeln, oder sie können durch Druck der wuchernden Muskulatur zum Schwin- den gebracht werden. Ich glaube nach meinen Beobachtungen für die meisten Fälle annehmen zu dürfen, dass diese Zellen nicht zu Grunde gehen, sondern dass sie sich vermehren, Intercellularsubstanz Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 493 ausscheiden und als Bindegewebszellen fortbestehen. Zu dieser An- sicht führen mich Befunde bei etwas älteren Embryonen, wo man deutliche nicht mit dem Pericard zusammenhängende Bindegewebs- züge zwischen den Muskelbündeln wahrnimmt. Diese Bindegewebs- züge besitzen eine ähnliche Anordnung und Verlaufsweise, wie früher das die Hohlräume auskleidende Epithel. An einigen Stellen er- schienen die Epithelzellen trüb und wie mit feinen Körnchen be- stäubt. Hier handelt es sich vielleicht um wirkliche Atrophie mit Zerfall und Resorption der Zellen. Demnach kämen also beide Fälle vor, ich betone aber, dass der letztere mit Sicherheit nur selten be- obachtet wurde. Die Untersuchung des Gewebes der Klappen lehrt den oberen Theil derselben aus echtem Bindegewebe bestehend. Man erkennt dort sehr leicht spindelförmige und auch sternförmige in Fibrillen auslaufende Zellen, zwischen denen man auch noch rundliche, weniger differenzirte Zellformen wahrnimmt. All diese Formelemente liegen in einer deutlich fibrillären Intercellularsubstanz. Im ersten Stadium war die Intercellularsubstanz mehr homogen und der Gesammtcha- racter des Gewebes noch nicht ausgesprochen. Jetzt kann hierüber keine Frage mehr bestehen. Man sieht auch hier wieder wie sich das Bindegewebe durch den oberen Theil des Septums direct von der Mitralis in die Trieuspidalis fortsetzt. Was die Verbindung der unteren Fläche der Klappe mit den Muskeltrabekeln betrifft, so ge- langen hier zunächst zwei gleichartige Gewebselemente miteinander in Verbindung. Die Epithelzellen, welche die Muskelbalken umklei- den, kommen in direeten Contact mit denjenigen der unteren Klappen- fläche und man ist bald nieht mehr im Stande eine scharfe Grenze zu ziehen. Auf Liingsschnitten durch das Herz sieht man, dass der obere, dem Vorhof zugewandte Theil der Klappe aus Bindegewebe, der dem Ventrikel zugekehrte aus Muskelgewebe besteht. Ich will hier hervorheben‘, dass nicht alle Schnitte durch die Klappen dieses Bild geben, denn der Muskelbeleg ist kein continuirlicher, da ja die Muskelbalken keineswegs in einer continuirlichen Linie an die Unter- fläche des mehrbenannten Vorsprungs herantreten. Manche Sehnitte treffen somit die Klappe an solehen Stellen, wo keine Muskelfasern mit ihr zusammenhängen. Der vom Endocard abstammende Klap- pentheil hat in diesem Stadium seine höchste‘ Entwickelung erlangt. Wir werden sein ferneres Verhalten als ein mehr passives kennen lernen, um es zuletzt bei den ausgebildeten Klappen im rudimen- tären Befunde anzutreffen. 494 A. C. Bernays Drittes Stadium. In diesem Stadium erreicht das Muskelgewebe im Klappenappa- rat seine grösste Ausbildung. Rindsembryonen von 3,5 bis 6 Cm., deren Herzen eine Länge von 4,5 bis 6,0 Mm. hatten, «dienten als Untersuchungsmaterial für die folgenden Angaben !). Die äussere solide Schicht der Herzwand hat auf Kosten des inneren spongiösen Theils noch bedeutend an Dicke zugenommen, so dass sie jetzt mehr als die Hälfte ihrer ganzen Dicke ausmacht. Da ich im nächsten Stadium sowohl Ventrikelwand als Ventrikelhöhle nochmals bespreche, gehe ich hier gleich zur Beschreibung des Klappenapparates über. Die nunmehr isolirten innersten Trabekel ordnen sich im linken Ventrikel zu zwei Gruppen an, welche an- fangs aus noch sehr lose verbundenen Bälkchen bestehen, die durch viele Queriiste mit einander zusammenhängen. Später erlangen die schon ziemlich isolirten Bündel von Trabekeln, indem sie unter gleich- zeitigem Schwinden der Hohlräume massiver werden, eine grössere Selbstständigkeit, und heben sich damit schärfer von der übrigen Wandfläche der Ventrikelhöhle ab. Sie entspringen mit breiter Basis in ‚der Nähe der Spitze des Ventrikels und ziehen sich, nur sehr all- mälig dünner werdend, aufwärts gegen die Ostien hin. Ihre Spitze zerfällt in mehrere (6 bis 10) divergirende Ausläufer, welche als dicke Stränge eine kurze Strecke weit nach oben verlaufen. Man darf sich nicht vorstellen, dass diese conischen Bündel alle an die Klappen verlaufenden Trabekel umfassen, denn es gibt ausser ihnen noch viele andere kleinere Trabekel, die aber ganz ungeordnet ihren Ver-- lauf bis zur Klappe verfolgen. Die normalen Trabekel ziehen nicht gestreckt unter dem nunmehr wulstförmigen Vorsprung weg, son- dern gehen, ehe sie wieder in die Herzwand eintreten, in’ ein eng- maschiges Geflecht über. Letzteres entsteht durch die Ausbreitung der einzelnen Stränge in fächerförmig divergirende Strahlen. Einige der stärkeren treten, ohne sich zu verästeln, in die Herzwand über und geben offenbar eine Stütze für die Klappe ab. Durch diese starke Betheiligung der Trabekel an der Klappenbildung kommt nun ') Auch von menschlichen und Schweinsembryonen fertigte ich aus dem entsprechenden Stadium Schnittserien. Aber weil mir von diesen keine conti- “uuirliche Reihe von Entwickelungsstufen zu Gebote stand, ziehe ich es vor, der Beschreibung die Befunde beim Rinde zu Grunde zu legen. Die mensch- lichen und Schweinsembryonen dienten zur Vergleichung und Bestätigung. Entwickelungsgeschichte der Atrioventrieularklappen. 495 ein Gebilde zu Stande, welches wir als Muskelklappe bezeichnen. Der Klappenwulst bildet in diesem Stadium eine an der Basis dünne Lage von Bindegewebe. Nur der freie Rand derselben erscheint jetzt wulstförmig und liegt an der am weitesten vorspringenden Stelle der Muskelklappe. Dieser Wulst hat eine auf dem Durchschnitte keil- förmige Gestalt und zwar ist die Basis des Keils nach innen ge- richtet, so dass die beiden einander gegenüberliegenden Wülste zweier Klappensegel an einander stossen und bei der Systole den Verschluss bewirken. Die Spitze des Keils läuft, immer dünner werdend, in das Endocard des Vorhofs aus (Fig. 2M). In diesem Stadium ist der ganze definitive Klappenapparat im Wesentlichen schon vorgebildet. Wir erkennen in den zu conischen Bündeln angeordneten Trabekeln die Papillarmuskeln; in den aus ihnen sich fortsetzenden, immer noch muskulösen Strängen, die Chor- den, die ich als ehordae museulares, zum Unterschied von den späteren chordae tendineae bezeichnen will. Die Klappe besteht haupt- sächlich aus den, wie oben beschrieben, differenzirten Theilen der Muskulatur. Der bindegewebige Theil der Klappe ist im Verhält- niss zum muskulösen ‚wenig fortgeschritten. Der Wulst allein hat sich etwas vergrössert, was für die Function der Klappe von Wich- tigkeit ist. Durch die genauere Untersuchung der Herzwand ist zu constatiren, dass sie nun aus deutlich quergestreiften Muskelfasern besteht. Die einzelnen Elemente sind breiter geworden und zu dicht gedrängt neben einander laufenden, sowie vielfach sich durchkreu- zenden Zügen angeordnet. Nur in den Papillarmuskeln und Chor- den (Fig. 9) verlaufen die Muskelfasern genau in der Längsrichtung nebeneinander. In der Klappe behalten sie diese Anordnung bei, sind nur auseinander gewichen und zu einer dünneren Schicht aus- gebreitet. Von den Klappen setzt sich diese Schicht unmittelbar unter den Ostien in die Ventrikelwandungen fort. Wo dieselbe in die äussere Herzwand eingeht verliert sie sich in der, unter dem Pericard verlaufenden Liingsfaserschicht gegen die Herzspitze; wo die Klappen an dem Septum entspringen ziehen ihre Faserzüge mit dessen Längsfasern abwärts. So sehen wir den ganzen Klap- penapparat, mit Ausnahme des Klappenwulstes am freien Rande und der damit im Zusammenhang stehenden, be- reits unterscheidbaren dieken Endocardlage, aus Mus- kelgewebe bestehen und erkennen darin das character- istische für dieses Stadium. 496 A. C. Bernays Viertes Stadium. Dieses Stadium beginnt mit der Riickbildung des Muskelgewebes der Klappen und Chorden, und endet mit dem bekannten Zustand beim Neugeborenen. Für die früheren Stadien verfügte ich leider nur über eine spär- liche Anzahl von menschlichen Embryonen, doch gestatteten mir die- selben die Uebereinstimmung der Befunde mit denen an Säugethier- herzen zur Genüge zu constatiren. Da mir vom vierten Monate an menschliche Embryonen von vielen Altersstufen reichlieh zu Gebote standen, so bezieht sich die folgende Beschreibung direet auf die Untersuchung menschlicher Herzen. Um aber Fehlerquellen mög- lichst auszuschliessen und eine fortlaufende Reihe von Bildern an derselben Säugethierspecies zu gewinnen, habe ich daneben Herzen von Rindsembryonen bis zum ausgetragenen Kalbe untersucht. Dieses Stadium behandelt die Veränderungen, welehe die Herz- muskulatur und der Klappenapparat in mehr als der Hälfte des ge- sammten Fötallebens durchmachen. Bei der Beschreibung können immer mehrere Altersstufen zusammengefasst werden, weil von jetzt an Monatelang die Verhältnisse mit Ausnahme einer stetigen Grössen- zunahme sich annähernd gleichbleiben. Die Herzwand besteht zum Beginne dieses Stadiums zu zwei Drittel aus compactem Gewebe. Der compacte Theil nimmt bis zur Geburt von aussen nach innen fortwährend zu, indem die Trabekel eine Vermehrung und Vergrösserung ihrer Elemente zeigen und da- durch die zwischenliegenden Hohlräume zum Versehwinden bringen. Dies ist nur die Fortsetzung eines in früheren Stadien schon be- schriebenen Processes, der soweit fortschreitet, dass beim Neugebo- renen nur noch eine mässig ausgebildete dünne Schicht netzförmiger Trabekel sich vorfindet. Der vom Septum gebildete Theil der Ven- trikelwände, schon früher weniger von Hohlräumen durchsetzt, bietet im Anfang dieses Stadiums ein fast glattes Aussehen und verändert sich in dieser Beziehung während des ganzen Verlaufes nicht mehr viel. Ich bemerke, dass erst sehr spät in diesem Stadium (etwa im 6. bis 7. Monate) am oberen Theile des Septums die Ausbildung der pars pellucida septi beginnt; diese Stelle ist also nieht etwa eine mit der Entstehung des Septum zusammenhängende Bildung, sondern tritt erst nach vollständiger Entwickelung des durchaus mus- kulösen Septum auf (Fig. 3S). ~~ Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 497 Durch die in den früheren Stadien wirkenden Differenzirungspro- cesse sind an der Ventrikelhöhle wesentliche Veränderungen hervorge- bracht worden. Ich greife zurück, indem ich erwähne, dass im ersten Stadium die Kammerhöhle fast gleichmässig von der spongiösen Mus- keiwand umgeben war. Nun aber sind die innersten Schichten dieser »Spongiosa« von der äusseren Herzwand isolirt worden, indem mit der Sonderung der Papillarmuskel und der Chordae museulares sich grössere Hohlräume zwischen beiden Theilen ausbildeten. Wir sehen in Folge dessen die Herzhöhle bedeutend vergrössert und Theile der Herzwand in die Herzhöhle hereingerückt, d. h. wir lassen jetzt den nach aussen von Papillarmuskeln und Chorden befindlichen Raum, der zwischen diesen Theilen überall mit der primitiven Ventrikel- höhle in Communication steht, als einen Theil der letzteren gelten. Daraus geht hervor, dass die ausgebildete Kammerhöhle keineswegs der primären Herzhöhle entspricht, sondern, dass nur der zwischen den Klappen und der innersten Chordenreihe liegende Theil der- selben letzterer homolog sein kann. GEGENBAUR hat dies Verhält- niss der Herzhöhle schon in seinen »Grundzügen der vergleichenden Anatomie« (I. e.) angegeben, wo er von dem Säugethierherzen sagt: »Es ergiebt sich für die Räume der Kammern das eigenthiimliche Ver- hältniss, dass nur der bei diastolischer Stellung der Klappzipfel von diesen und ihrer äusseren Sehnenfädenreihe umschlossene Raum dem Binnenraume des Fisch- und Amphibienherzens entspricht.« Vom vierten Monate an zeigen einige der Trabekel an einer Seite einen scharf begrenzten weissen Streifen, der unmittelbar unter dem Endocard liegend sich von dem Muskelbalken durch seine Farbe deutlich abhebt. An anderen sieht man dieses weisse glän- zende Gewebe die Hälfte derselben ausmachen. Wieder andere be- stehen ganz aus demselben. Alle möglichen Zwischenformen kommen vor. Diese Erscheinung ist jedoch im Allgemeinen selten und man sieht oft am ganzen Trabekelnetz nur hie und da ein einziges derartig verändertes Bälkchen, welches immer dünner ist, als die benach- barten Muskelbälkchen. Es handelt sieh hier um Vorgänge der Riickbildung des Muskelgewebes unter Auftreten von Sehnengewebe (siehe Fig. 3), auf welche Vorgänge ieh bei Besprechung der Histo- logie des Klappenapparates weiter eingehen werde. Das Pericard ist zum ausschliesslichen Träger für die grösseren ‚Gefässe geworden, und diese haben nun allein die Ernährung des Herzens übernommen. Beim 6-monatlichen Fötus habe ich häufig Aeste der Arteria coronaria sinistra durch die Herzwand bis in die Morpholog. Jahrbuch. 2. o4 498 A. C. Bernays Papillarmuskeln und Chordae verfolgt. Der pericardiale Fortsatz zwi- schen Vorhof und Ventrikel, in dessen diekerem, peripherem Theile die Kranzgefässe verlaufen, dringt bis an die Klappen als Träger der Gefässe für dieselben vor, und erscheint beim Neugeborenen in eontinuirlicher Verbindung mit den Klappen. Die Vereinigungsstelle zwischen Klappen und Pericardialfortsatz wird also sehr spät gebil- det, sie entspricht dem »annulus fibrocartilagineus« der Autoren !). Die Veränderungen des Klappenapparates in diesem Stadium sind sehr bedeutende; zuerst fällt eine beträchtliche Grössenzunahme der Klappen in die Augen. Dieselbe beruht auf sehr _complieirten Wachsthumsvorgängen, die hier näher analisirt werden sollen. Wir constatiren vor Allem, dass die Klappe von ihrem Ursprunge, aus der Ventrikelwand herauswächst. Man sieht ganz unzweideutig, dass der frei in das Lumen vor- stehende. Theil der Klappe keine Verlängerung erfährt, weil alle ihn eonstituirenden Theile ein constantes Verhältniss zu einander be- halten. Er wird nur, dureh von der Wand aus stattfindende Wucherung von Gewebe, mehr nach dem Centrum der Höhle vorgeschoben. An der unteren Fläche der Klappe sieht man häufig von der Ventrikel- muskulatur aus, Bündel sich vorstrecken; diese sind offenbar nur durch das Vorwachsen der Klappe mechanisch mitgezogen (Fig. 11 Mf). . Ausserdem ist das weitere Vorstehen in die Ventrikelhöhle durch das Compactwerden der Ventrikelwände veranlasst, so lange näm- lich die Wand noch spongiöse Structur hat, ist sie im Verhältniss zum Lumen sehr dick und nur ein Theil der Klappe ragt über das spongiöse Gewebe hinweg frei in die Ventrikelhöhle. Aus der Ver- schmelzung der ursprünglichen Vorsprünge mit dem Balkennetz der Kammerwand ist also durch diese Wachsthumsvorgänge das spätere Klappensegel (Fig. 3) entstanden. Nach dem Vorgeführten ist durch den Entwickelungsgang der in- nersten Muskelschicht das Ventrieular-Muskelgewebe mit der endocar- dialen Klappe in Verbindung getreten, aber nur an der unteren oder Ventrikelfläche der Klappen. Dagegen kommen aber auch an der Vorhofsfläche Muskelelemente vor, worüber in der Literatur sehr ab- 1) Dieser Zusammenhang der Klappen mit dem Annulus fibrosus ist bereits für den Erwachsenen früher. von L. JosEpH (Ueber 'die Klappen und Ringe des menschlichen Herzens. Vircnow’s Archiv, Band XIV, pag. 412) nach- gewiesen worden. Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 499 weichende Angaben existiren. Der erste, der dieselben beschrieb, war Kirscnner'). Er sah sie bei vielen Säugethieren und beim erwachse- nen Menschen von der Vorhofsmuskulatur unter dem Endocard eine kleine Strecke weit auf die Klappe übertreten. Seine Angaben wurden vielfach bestritten ; manche wollten dieselben nur für den Menschen nicht gelten lassen wie Reıp?), THEILE?); andere läugneten ihr Vorkommen gänzlich, wie DonpErs‘); noch andere gaben deren Bestehen zu, er- klärten es jedoch für nicht constant, wie BAUMGARTEN®). Bald jedoch wurden KÜRSCHNER's Angaben durch MÜLLER, Ricor und L. JoserH (l. e.), welcher letztere ohne KÜRSCHNER zu erwähnen, zu denselben Ergebnissen gelangte, bestätigt. Noch einmal bestritt LuscnkA®) ihr Vorkommen, bis zuletzt GussEenBAUER?) ihr Vorhandensein bis zur Evidenz nachwies. — Bei meinen Untersuchungen habe ich dieselben eonstant gefunden. Beim menschlichen Fötus vom fünften Monate gehen sie nur bis an den Rand der Klappe, in den späteren Perio- den des fötalen Lebens reichen sie mehr und mehr auf die Klappen- oberfläche herein. Für die Befunde beim Erwachsenen kann ich nur GUSSENBAUER’s Angaben bestätigen, der die Muskelschicht im Ver- hältniss zu den Klappen grösser findet, als bei dem Neugeborenen. Kine Deutung dieser Befunde ist bisher nur vom physiologischen Standpunete aus versucht worden. Während die früheren der ge- nannten Autoren sie mit der Funetion der Klappe in Zusammenhang brachten, hält man sie jetzt, ihrer geringen Mächtigkeit wegen, fune- tionell von keiner Bedeutung. Vom Standpunet der Entwickelungs- geschichte aus erklären sich dieselben durch rein mechanische Wachs- thumsvorgänge. Indem sich die Klappe, wie oben beschrieben, dureh Wachsthum an ihrer Basis von der Peripherie aus vergrössert, zieht sie die hier mit ihr verschmolzene innerste Schicht der Muskulatur des Vorhofs und das diese bedeckende Endoeard mit sich. Hiermit stimmt auch überein, dass die Ausdehnung dieser Muskellage jeder- zeit gleichen Schritt mit dem Wachsthum der Klappen hält, welches ') WaGneR’s Handwörterbuch der Physiologie Bd. II. 1844. Artikel Herz und Herzthätigkeit. pag. 44. 2) Topp's Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. 2. 1839, pag. 589. 3) Sam. THOMAS v. SOMMERING. Vom Baue des menschlichen Körpers. Umgearbeit. von Turıne. Band III. 2. Theil, pag. 26. 4) Physiologie des Menschen. 1856. 5) MULLER’s Archiv. 1843. 6) Anatomie des Menschen. 1863. 7) Sitzungsberiehte der k.. k. Academie der Wissenschaften in Wien. Band 57, Abtheilung 2. 1868. 34* 590 A. C. Bernays auch noch nach dem Fötalleben hauptsächlich von der Basis aus geschieht. Die Klappe wird von Anfang dieses Stadiums an, im Verhält- niss zu ihren übrigen Dimensionen dünner. Den bindegewebigen Theil der Klappe sehen wir durch den Klappenwulst (Fig. 3 W) und seinen zu einem dicken endocardialen Lager gewordenen peri- pheren Theil reprisentirt (Fig. 3 #v). Der Wulst befindet sich am freien Rande der Klappe in Form eines ungleichmässig dieken Saumes, welcher mit dem Endocard beider Klappenflächen zusammenhängt. In Folge seiner ungleichen Dicke und weil er an vielen Stellen in Knötehen vorspringt, hat dieser Saum eine wellenförmige Con- tour. Bei systolischer Stellung bieten die Klappen den Anblick in- einandergreifender Kammräder dar, indem die Knötchen einer Klappe sich in die Vertiefungen der anderen einlegen !). Diese Knötchen findet man auch beim Neugeborenen im freien Klappenrande (siehe unten). Der untere im vorigen Stadium muskulös gefundene Theil der Klappe unterliegt jetzt wesentlichen Veränderungen, die auf geweblichen Differenzirungen beruhend, erst später beschrieben werden. Die Papillarmuskeln sind im Allgemeinen schon wie beim Er- wachsenen angeordnet, hängen aber noch in relativ grosser Aus- dehnung mit den Trabekeln zusammen. Man sieht zwischen ihnen Muskelzüge, welche die benachbarten Papillarmuskeln verbinden ; auch gehen von ihnen nicht wie später nur Chordae an die Klappen, sondern sie geben theils muskulöse, theils sehnige Stränge nach allen Richtungen in die Herzwand ab. Aus diesem Verhalten geht hervor, dass die Papillarmuskeln immer noch nicht so isolirt und selbst- ständig sind wie beim Erwachsenen. Die Chorden sind anfangs sehr kurz und dick (Fig. 30). Ein ganzer Papillarmuskel zerfällt in seiner Spitze zuerst in zwei bis vier, alsdann durch weitere Thei- lung in etwa sechs bis zwölf Chorden, deren Länge sich zu der der Papillarmuskeln durehschnittlich wie zwei zu fünf verhält. Nun er- kennt man makroskopisch dieselben Vorgänge der Gewebssubstitution, wie ich sie bereits oben Seite 497 bei den Trabekeln als hie und da vorkommend beschrieben habe. Dieselben sind hier nur viel häufiger und schon im Anfange dieses Stadiums an jeder Chorde, in einer oder der anderen von den dort angegebenen Formen nachzuweisen. !) Da man selten Herzen findet, bei denen die Klappen in geschlossener Stel- lung gehärtet sind, bekam ich dies Bild, in eelatanter Weise, nur einmal zu sehen. = Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. Allmiilig gehen so aus den Chor- dae musculares die Chordae ten- dineae hervor. Je weiter die Chor- den sich entwickelt haben, um so mehr sind sie in die Liinge aus- gezogen und in Folge der ange- gebenen geweblichen Differenzi- rungen verdiinnt worden. Wie aus nebenstehender kleinen Tabelle er- sichtlich, ist das Verhältniss der Liinge der Chordae tendineae zu ihren Papillarmuskeln wie 1:1'/, bis 2:3 bis 4. Dieses Verhältniss ändert sich nun allmälig. durch Längenzunahme der Chordae und entsprechende Verkürzung, re- spective Zurückziehung der Papil- larmuskeln, bis beim erwachsenen Menschen die Muskeln und grös- seren Chordae annähernd gleich lang geworden sind. Die Ursache der Vermehrung der Chordae') in späteren Entwickelungsstadien, indem sich während des frühen Fötallebens nur wenige je einem Papillarmuskel angehörend finden, konnte ich nieht mit Sicherheit nachweisen, doch darf vielleicht die spätere Verbreiterung der Klap- pensegel als Grund einer weiteren Spaltung der Chorden angenon- men werden. An feinen Schnitten der Mus- ', F. T. Scumipr gibt entsprechend seiner Ansicht über die Klappenent- wickelung an, dass die Chordae ten- dineae an der Verbindungsstelle zwi- schen Endothellappen und Muskelbal- ken sich entwickeln und dass jedes ° Bündel ursprünglich eine zusammen- hängende Masse bildet. Tabelle zur Darstellung des Verhältnisses zwischen der Länge der Papillarmuskeln und der Chordae tendineae beim Neugebornen. BL | „a 5 10 10 © ~- @ oO od ii _ a =) =~ = 7 oOo = _ _ a a fer) = = - oo oS 1 re a | Re is a) Pi _ ii =. nn © + oo — th) Ai I~ = en; -_ Do + > = = 7 =a > no — Bu n le} —_— En + So nm 0) —_ eta why = 3 + _ = oo oD + a ca oD =~ = - s+ © + — — _ oO aı pe an _ oO © co) mn — FE a a > =< = = = _ + @ nS — — oD 2 sH aor ae en _aı > nn + > — [#7 a a Fra oo s+ <« bar ES =f + © — si ae > > 4 — no = = a au ac) nm. Do DE | ee A a a ST She! Si Mm @ + Ss 2 _ => an + 10 > - _a a +S 10 © Terre TASUNITWERRTLTTT un al cD SS xs = ‚= Wy "wpg AL © o : 3 x ® o © 2 © = 2) ge a a = Tt) = = era “Shite MA a = = o 3 o g © Hoe wes = En OS a SS m ae 2 To iy Seat 2 8 8 o 8 ol ee SH =) oO i=) Zz en m eh a ı = u 3 = of _ mr a eir- ni HS Im Durchschnitte ergibt sich somit das Verhiiltniss für die Mitralis, wie 1:2,44 wenn 1 als Länge der Chorda tendinea ange- [== — nommen wird; für die Tricuspidalis wie 1: 2,32. 502 A. C. Bernays . kulatur der Kammerwand erkennt man im Anfang dieses Stadiums die Querstreifung der Muskelfasern deutlicher als bisher, doch noch klarer als diese springt ihre Längsstreifung ins Auge. Legt man einen Schnitt des gehärteten Herzens eines Neugeborenen kurze Zeit in einprocentige Kochsalzlösung, so lässt sich derselbe leicht zer- zupfen. Auf diese Weise erhält man nicht selten schön isolirte Fasern, deren Fortsätze jedoch meistens abgebrochen sind. Einmal glückte es mir eine fast dendritisch verästelte Faser zu isoliren. Messungen an so behandelten Fasern ergaben, dass diese durch- schnittlich etwa die doppelte Breite der Primitivbündel aus dem zweiten Stadium besitzen. Diese Breitenzunahme beruht auf einem wirklichen Wachsthume der Faser, welches wahrscheinlich derart stattfindet, dass von der im zweiten Stadium noch deutlich vorhan- denen, die Kerne umschliessenden Protoplasmamasse mehr und mehr Primitivfibrillen differenzirt werden, die sich den schon vorhandenen anschliessen. Ausser diesem ist aber auch ein Längenwachsthum der Faser unverkennbar. An manchen auf die oben angegebene Weise isolirten Zellen vom sechsmonatlichen Fötus fand ich ein zu- gespitztes Ende, aus feinkörnigem Protoplasma bestehend, welches mit dem noch in der Faser enthaltenen zusammenhing und immer mehrere Kerne umschloss. Es lässt sich leicht denken, dass wäh- rend das Protoplasma sprossenartig auswächst, von hier aus das An- setzen von neuen Fibrillen stattfindet. Ich beschränke mich über diese Vorgänge auf das Gesagte, weil ein näheres Eingehen hierauf nicht im Zwecke meiner Arbeit liegt. Ich wende mich nun zu dem oben erwähnten Substitutionspro- cesse, welcher sich am leichtesten an den Chorden und Klappen verfolgen lässt. Auf Schnitten dureh die Klappen von Embryonen aus dem vierten Monate sieht man auf der oberen Fläche eine Binde- gewebslage, die jetzt viel dieker ist als früher, während sich die Muskellage an der unteren Fläche in demselben Verhältnisse ver- dünnt zeigt (Fig. 11 BdLundMf). An den in der Hauptsache aus Muskelgewebe bestehenden Chorden zeigen sich meistens auf nur einer Seite unter dem Endocard Bindegewebsschichten, welehe mehr oder weniger weit in das Innere reichen. Später tritt an den Chor- den immer reichlicheres Bindegewebe auf, womit eine Reduction der muskulösen Elemente Hand in Hand geht. Das Bindegewebe ent- wickelt sich von den Zellenschichten des Endocard aus, mit dem es immer zusammenhängt und indem es gegen die Axe der Chorden fortschreitet, ersetzt es das in gleichem Maasse verschwindende Mus- Entwickelungsgeschichte der Atrioventrikularklappen. 503 kelgewebe. Am Ende der Entwickelung ist das letztere vollkommen geschwunden, so dass beim Erwachsenen nur Bindegewebe nach- weisbar ist!). Die Veränderungen dieses Bindegewebes sind sehr schwierig zu verfolgen. Ich constatire nur, dass wahres Sehnen- gewebe auftritt, welches sich in keiner Weise weder optisch, noch chemisch, soweit es mir möglich war letzteres zu untersuchen, von dem Sehnengewebe anderer Körpertheile unterscheidet?). Meine Be- obachtungen erlauben keine sicheren Schlüsse auf die histologischen Processe, durch welche die Substitution des Muskelgewebes durch Sehnengewebe im Einzelnen bewerkstelligt wird. Sicher jedoch ist, dass an Stelle des früher fast ganz muskulösen Klappen- apparates jetzt ein mit Ausnahme der Papillarmuskeln ganz bindegewebiger, respective sehniger, getreten ist. Die Resultate meiner Untersuchung lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen: In ihrem frühesten Zustande sind die Atrioven- trikularklappen in Form einfacher halbmondförmiger Vorsprünge an dem Ostium einander gegenübergestellt. Sie sind endocardiale Ge- bilde, zeigen keinerlei Beziehungen zur Ventrikelmuskulatur und be- stehen aus jungem Bindegewebe, welches durch eine sehr resistente Intercellularsubstanz ausgezeichnet ist. Für diese hier zum ersten- male beschriebenen Klappenbildungen schlage ich die Bezeichnung primäre Atrioventricularklappen vor. Sie erhalten sich beim Säugethier nur sehr kurze Zeit in dieser Weise; bald findet man, dass Muskelgewebe von der Kammerwand auf die primären Klappen übergreift, indem sich gleichzeitig die innersten Schichten des Balken- netzes der Kammerwand mehr isoliren. Während dieser Process eine immer weiter fortschreitende Verbindung zwischen der Musku- latur der Kammerwand und den primären Klappen ausbildet, treten Letztere dem stark wuchernden Muskelgewebe gegenüber in den Hintergrund und bleiben schliesslich nur in der Gestalt des Klappen- !) Im dritten Theile dieser Abhandlung werden die Ausnahmen dieser Regel, Fälle bei denen die Chorden als noch ganz oder theilweise muskulöse Stränge sich erhalten haben, behandelt. 2) Nach L. Josepu (l. e.) sind die Klappen als Ausläufer der Annuli fibro- cartilaginei und die »Chordae tendineae als letzte Endigung der venösen Klappen zu betrachten, da sie aus derselben elastisch-faserknorpligen Substanz wie die Klappensegel bestehen und gleichen nicht in ihrer Structur den Sehnen aller anderen Muskeln, wie sie GERLACH beschreibt, der sie fiir die Sehnen der Pa- pillarmuskeln ausgibt«. Dieser Angriff JosEPpH’s auf eine richtige Angabe GER- LACH’s entbehrt jeder Begründung, um so mehr als die von ihm gegebenen Ab- bildungen nur willkürliche Schemata sind. 504 A. C. Bernays wulstes erhalten. Die Klappen bestehen nunmehr wesentlich aus dem der Herzwand entstammenden Muskelgewebe. Als weitere Diffe- renzirung tritt ein Vorgang hinzu, der hauptsächlich auf einer Ge- webssubstitution beruht. Von dem fast ganz muskulösen Klappen- apparate übernimmt ein Theil die Hauptarbeit, indem an ihm das Muskelgewebe sich erhält und fortentwickelt, während ein anderer, zu einer mehr passiven Rolle bestimmt, das Muskelgewebe unter Auftreten von sehnigem Bindegewebe schwinden lässt. Der dem oberen Theile der Muskelklappe auflagernde Klappenwulst verschmilzt mit der bindegewebigen Umwandlung der Muskelklappe vollständig, so dass zwischen den beiden Theilen der Klappe bald keine Grenze wahrnehmbar ist. Der aus dieser Verschmelzung zwischen den pri- mären Klappen und den bei weitem mächtigeren innersten Schichten der Ventrikelmuskulatur hervorgegangene Klappenapparat der Säuge- thiere und des Menschen ist also ein secundärer, dem bei vielen Säugethieren und dem Menschen noch Rudimente des primären in Form kleiner Knitchen des Klappenwulstes am freien Rande der Klappe anhängen. Indem ich mir erlaube den GEGENBAUR'schen Satz (l. e.) über die Entwickelung der Atrioventrieularklappen, mit den von mir aufgefundenen Thatsachen zu verbinden, lässt er sich folgendermassen formuliren: Die Atrioventricularklappen sind in ihrer ersten Anlage, halbmondförmige rein endocar- diale Vorsprünge, welche sich erst secundär mit dem muskulösen Balkennetze der Kammerwand verbinden und hierauf in gleichem Maasse verkümmern, als der aus letz- terer differenzirte, bleibende Klappenapparat sich aus- bildet. i. Es liegen bis jetzt in der Literatur zwei Versuche vor, die Atrio- ventricularklappen vergleichend zu behandeln. Der erste derselben stammt von GEGENBAUR!) und behandelt hauptsächlich die Verhält- nisse im rechten Ventrikel. Ein zweiter viel umfangreicherer ward von SABATIER2), welcher das ganze Herz in den Bereich seiner Un- tersuchungen zog, gemacht. Ein wesentlicher Fortschritt über die | Z ur vergleichenden Anatomie des Herzens. Jenaische Zeitschrift für Me- diein. Band Il. 1866. pag. 375. 2) Etudes sur le coeur dans la série des vertébrés. Montpellier et Paris 1873. Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 305 von GEGENBAUR erkannten Verhältnisse an den Klappen ist in seiner Arbeit jedoch nicht zu finden, indem er zu denselben Schlüssen wie ersterer gelangte. Dureh die im vorstehenden Theile der Anatomie der Atrioven- trieularklappen zugeführten neuen Thatsachen erscheint hier eine kurze vergleichende Umschau gerechtfertigt, zumal dadurch verschie- dene Befunde am Herzen von Wirbelthieren verständlicher werden. Die Herzwand besteht bei Fischen und Amphibien aus einer spongiös sich darstellenden Schicht netzförmig verbundener Muskel- faserzüge. Im Centrum findet sich eine von jenem spongiös gebauten Gewebe deutlich begrenzte Herzhöhle, von welcher aus Hohlräume nach allen Riehtungen zwischen die Räume des Muskelbalkennetzes zur Wand sich erstrecken. Bei Amphibien dringen diese Hohlräume bis unter das Pericard; bei vielen Fischen ist die äussere Schicht eine compactere. Auch bei Reptilien ist schon eine ziemlich dicke äussere compacte Muskellage ausgebildet, welche in allen Ueber- sangsformen bis zu dem bekannten Zustande der Säugethiere sich nachweisen lässt. Sehr bedeutend ist diese compacte Schicht bei Alligator lueius. Besondere Beachtung verdient die Beziehung der Blutgefässe zur Herzwand. Diese Gefässvertheilung in der Herzwand hat in den niederen Wirbelthierklassen Hyrrn') genauer untersucht. Er fand bei den Amphibien das Herz vollkommen gefässlos und bei den Rep- tilien nur die äusserste solide Schicht der Ventrikelmuskulatur ge- fässhaltig. Bei den Fischen ist unter den Teleostiern wiederum die äussere Schicht vascularisirt, während Ganoiden und Selachier nun die Herzwand durchweg gefässhaltig zeigen. Ob demzufolge der Satz: »Die totale und partielle Gefässlosigkeit des Amphibien- und Reptilien- herzens hängt von dem Grade des cavernösen Baues der Herzwand ab« allgemein begründet ist, möchte ich bezweifeln, denn bei den Selachiern ist der cavernise Bau der Kammer sicher nicht weniger als bei Teleostiern ausgeprägt. Für die Säugethiere wissen wir, dass ihre Herzen in allen Schichten gefässhaltig sind, d. h. von den Art. coronar. gespeist werden. Es besteht also in der Wirbelthierreihe ein niederer Zustand, in welchem die Kammerwand des Herzens keine Gefässe empfängt; dann bestehen solehe, in denen eine ganz allmälig erfolgende Gefässverbreitung in der Kammerwand nachweisbar ist. 1) Vorläufige Anzeige der Entdeckung gefiissloser Herzen. Sitzungsbericht der k. k. Acad. der Wissenschaften. Math. naturw. Klasse. 1855. VI. 33 pag. 372. 506 A. C. Bernays Endlich ist in emem ferneren Zustande die ganze Kammerwand ge- fässhaltig. In diesen Thatsachen zeigt sich nun eine Erklärung und Bestätigung der von mir im 1. Theile beschriebenen Verhältnisse der Ernährungsquellen in der Entwickelungsgeschichte des Säugethier- herzens. Dort wurde gezeigt, dass zuerst eine ganz gefässlose Herz- kammer besteht und wie dann allmälig von den Gefässen des Peri- cards aus, unter Solidification der Kammerwand, die Vascularisation erfolgt. Mit dieser Gefässentfaltung in der Herzwand prägt sich stufenweise eine Complication der Struetur des Her- zens aus, die ebenso in der Wirbelthierreihe erkannt wird, wie sie sich ontogenetisch in der Entwickelung des Säugethierherzens findet. Die Atrioventrieularklappen sind bei Teleostiern in der Regel Gadus, Esox, Salmo) in Form zweier halbmondförmiger, bindege- webiger, dünner Taschenklappen vorhanden. Zwei Klappen stehen einander genau gegenüber und sind die einzigen Verschlussapparate des Ostium venosum der Kammer). Sie bestehen aus sehr straffem Bindegewebe. Die Klappen im Bulb. arteriosus sind den eben be- schriebenen Klappen in Form, Anordnungsweise und Structur voll- kommen gleichartige Gebilde. Zwei ebensolche Klappen finden sich auch an dem Ostium zwischen Vorhof und Sinus venosus. Wir haben also im Herzen der Fische der Hauptsache nach drei mit Klappen versehene Stellen zu unterscheiden, und diese Klappen sind einander allgemein homolog. Bei jungen Selachiern kann man sich von ihrer Homologie am leichtesten überzeugen (Fig. 6 X und KC). Bei Amphibien sind die Atrioventrieularklappen ebenfalls in der Form zweier dünner, bindegewebiger Taschen vorhanden. Sie sind jedoch dadurch etwas verändert, dass das Vorhofseptum von oben her das pri- mire Ostium in zwei theilt. Dass auch bei Rindsembryonen die erste Anlage der Atrioventrieularklappen und der Arterienklappen ganz über- einstimmend ist, vermochte ich zu eonstatiren, musste aber aus Mangel an Zeit und Material den Verfolg der weiteren Entwickelung der Ar- terienklappen zur Seite lassen. Die obigen vergleichend-anatomischen Daten erscheinen mir von grosser Wichtigkeit für das Verständniss der primären Atrioventricularklappen der höheren Wirbelthiere. Nur durch sie wird es möglich eine einheitliche Auffassung der sehr ') Bei vielen Teleostiern, einigen Selachiern und Ganoiden finden sich von dieser Beschreibuug abweichende, eomplieirtere Verhältnisse, welche hier nicht zu berücksichtigen sind. Entwickelungsgeschichte der Atrioventiieularklappen. 507 differenten Apparate zu begründen. Denn wir vermögen nur in jenem primitiven Zustande den Ausgangspunct zu erkennen, von welchem dureh allmälige Modification die complieirten Befunde der Atrioven- tricularklappen sich ableiten. Wenn wir also die Befunde mit ein- fachen endocardialen Vorsprüngen, membranöse Atrioventricularklappen bildend, als primäre betrachten, so sind Fische und Amphibien Re- präsentanten dieser Einrichtungen. Bei den Reptilien, von denen ich Alligator lueius als Verglei- chungsobject wähle, sind die Atrioventricularklappen schon viel höher differenzirt. GEGENBAUR |. c. hat von diesem Objecte die rechte Atrioventrieularklappe sehr genau beschrieben und Brücke hat die physiologischen Beziehungen dieser Bildungen in höchst geistreicher Weise verständlich gemacht. Ersterer sagt (l. ec. p. 376) von der Klappe: »Die das Ostium begrenzenden Ränder werden von zwei verschiedenen Theilen gebildet. Median von der bekannten membranösen Klappe, lateral dagegen von der Muskelwand der Kammer selbst, an der nur ein schmaler Hautsaum vorragt und zur Vergleichung mit einer zweiten, lateralen Klappenmembran Anlass geben mag. Es ist dieser Hautsaum gegen das mediane Klappensegel unansehnlich, sowie er auch gegen den muskulösen Theil, von dem er entspringt, als ein untergeordneter Abschnitt zurücktritt.« Die das Crocodilherz, betref- fende, beschreibende Literatur übergehend, will ich hier die Schilde- rung der Befunde des Herzens von Alligator lucius in Beziehung auf meine Untersuchungen in vergleichender Weise behandeln. Meine Beschreibung weicht kaum von der SABATIER’S (I. e.) ab. Im linken Ventrikel finden sich zwei dünne halbmondförmige einander ganz gleich gebaute Klappen. Auf ihrer Unterfläche sieht man spärliche Muskelzüge verlaufen, welche weiter unten im Ventrikel ihren Ur- sprung haben. An dem von mir untersuchten Exemplare waren auch auf der membranösen Klappe des rechten Ventrikels einige Muskel- fasern nachweisbar... Diese Befunde lassen sich nun durch Ver- gleichung mit den von mir gegebenen embryologischen Thatsachen in die kleinsten Details verstehen. Das Alligatorherz ist nur wenig weiter entwickelt als das Amphibienherz. Im linken Ventrikel be- ginnen eben nähere Beziehungen zwischen den primären Klappen und der Kammerwand sich auszubilden. An beiden Hälften der Klappen sieht man entlang der Basis schwache Muskelfaserzüge ver- laufen, aber nur einige Linien auf den Anfang der Klappen über- greifen. Am lateralen Abschnitt der Klappe des rechten Ventrikels ist dagegen ein viel höher differenzirter Zustand nachzuweisen. Die 508 A. C. Bernays dort mit der primären Atrioventrieularklappe verbundenen Muskel- lagen sind sehr mächtig und nur der schmale Hautsaum ist der Rest der primären Klappen, den ich oben als Klappenwulst bezeichnete, da er in jenem Zustande wulstförmig gestaltet ist. Das Alligator- herz würde demnach etwa meinem zweiten Stadium des Säugethier- herzens entsprechen, mit Ausnahme des lateralen Abschnittes der Klappe im rechten Ventrikel, welcher schon höher differenzirt ist. Wenn ich die Vögel übergehe, so geschieht es, weil deren Gesammt- organisation, bei vieler Uebereinstimmung mit Reptilien, von jener der Säugethiere bedeutend divergirt und speciell die bei ihnen sich fin- denden Verhältnisse im Herzen zwar gleichfalls von jenen der Rep- tilien sich ableiten lassen, aber nicht zu jenen der Säugethiere direet verfolgbar sind. Zum nächsten Vergleichungsobject wähle ich daher ein niederes Säugethier, Ornithorhynchus paradoxus. Ungeachtet zahlreicher über dieses Thier bestehender Untersuchungen ist das Herz desselben doch verhältnissmässig wenig genau bekannt. MECKEL und Owen, die ersten Untersucher dieses Gegenstandes, fanden in dem rechten Ventrikel eine Muskelklappe und verglicher dieselbe mit der ähnlichen im Vogelherzen. GEGENBAUR |. ce. hat erst nachgewiesen, »dass hier keineswegs ein Uebergangsstadium vom Vogelherzen zu dem der Säugethiere vorliegt.« Das von mir untersuchte Ornithorhynchusherz war seiner Grösse wegen ein sehr günstiges Object; im rechten Ven- trikel desselben sind zwei Klappen vorhanden, welche am hinteren Rand des Ostiums breit ineinander übergehen. Die laterale grosse Klappe besteht aus zwei deutlich getrennten Theilen, einem oberen dünnen bindegewebigen, auf welchen ein unterer sehr dieker mus- kulöser folgt. Der untere muskulöse Theil stammt von zwei Papil- larmuskeln, deren einer, oberhalb der Herzspitze am weitesten nach vorn liegend, von ganz besonderer Dieke ist. Seine Muskelfasern strahlen, ohne zuvor in Chorden zu zerfallen, breit an der unteren Fläche der Klappe aus und bilden hier ein continuirliches dickes bis in die Kammerwand zurückreichendes Lager. Ein zweiter kleiner Papillarmuskel setzt sich weiter hinten an die Klappe an und ver- hält sich sonst genau wie der grosse. Fast die ganze Klappe er- scheint somit muskulös, nur ihr freier Rand besteht aus Bindegewebe, welches sich continuirlich in das Endocard der Vorhofsfläche der Klappe fortsetzt. Die mediale Klappe ist viel kleiner als die la- terale; mit ihr hängt nur ein ganz dünner Muskelzug zusammen, welcher auch an ihrer Unterfläche befestigt ist. Wesentlich besteht Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 509 sie aus Bindegewebe. Im linken Ventrikel dieses Herzens fand ich schon deutlich ausgebildete Papillarmuskeln, welche gleichfalls nicht in Chorden zerfallen. Sie sind aber an ihrem oberen Ende bindegewebig umgewandelt und breiten sich an der unteren Klappen- fläche fächerförmig aus, ehe sie wieder in die Herzwand eintreten. Im rechten Ventrikel ist hier ein Verhalten zu eonstatiren, welches ich mit dem III. Entwickelungsstadium parallelisiren möchte, im lin- ken Ventrikel dagegen passen die Verhältnisse schon eher zu einer Vergleiehung mit dem IV. Stadium. Die Klappen an den venösen Ostien der Crocodile repräsentiren einen Zustand, in welehem sich theilweise die ersten Beziehungen, theilweise auch etwas weiter fortgeschrittene Verbindungen zwischen den primären Atrioventrieularklappen und der Kammerwand ausge- bildet haben. Bei den Monotremen ist der von der muskulösen Kam- merwand gebildete Theil der seeundären Atrioventrieu- larklappen inentschiedenem Uebergewichte und schliesst damit den Klappenbefund näher an den ausgebildeten Zustand der übrigen Säugethiere. II. Reste embryonaler Zustände der Atrioventrieularklappen am ausgebildeten Herzen des Menschen '). A. Regelmässig vorkommende Befunde. 1. Ausser den eigentlichen Trabeeulae carneae kommen häufig Bälkchen vor, welche die Herzhöhle quer oder schräg durchsetzen. Sie können in allen Theilen des Ventrikels sich treffen, aber man findet sie am häufigsten im Spitzentheil des rechten Ventrikels, wo sie sich nach allen Richtungen kreuzen. An diesem Theile des Herzens hat sich auch der ursprüngliche schwammige Bau noch am vollständig- sten erhalten. Diese Bälkehen sind theils sehnig, theils muskulös. Beim Rinde findet sich eonstant ein sehr dieker muskulöser Balken quer durch die Mitte des Conus arteriosus des rechten Ventrikels. 1) Ausgeschlossen von diesen Betrachtungen sind alle Reste, welche nicht direet mit den Klappen oder der Herzwand zusammenhängen 510 A. ©. Bernays \ Im rechten Ventrikel des Menschen fand ich zweimal starke, von der äusseren Wand her, schräg von unten nach oben in das Septum ziehende Balken, in denen, wie sich auf Schnitten zeigte, ein starkes Blutgefäss verlief. Diese Blutgefässe waren möglicherweise der Grund für das Weiterbestehen der starken Balken. Ueber die Deutung dieser freien Balken des Herzens kann kein Zweifel bestehen. Sie sind Reste der ursprünglichen schwammig-netzförmigen Kammermuskulatur und liegen immer nur an solehen Stellen, an welchen früher dieses Gewebe war. Man findet sie also mie an den Stellen, welche der primären Herzhöhle entsprechen. 2. In Crvveinmer’s Traité d’Anatomie deseriptive!), wo von den Atrioventrieularklappen gehandelt wird, heisst es »& la eircon- ference libre de la valvule, qui presente quelquefois des pe- tites nodules« ete. Arpt?) hat später unter dem Namen der Noduli an den Atrioventrieularklappen Neugeborener und Erwach- sener?) offenbar dieselben kleinen knotigen Verdickungen, welche am freien Klappenrande zwischen dem Endocard der Vorhöfe und Ven- trikelfläche liegen, genauer beschrieben. Er gibt an, dass an jeder Klappe sich 20 bis 30 soleher hirsekorngrosser Knötehen vorfinden. Nach ihm besteht jedes derselben aus einer Art Kapsel und einem Inhalte. Die Kapsel wird von den umliegenden Ausbreitungen der Chorden und dem Endocard gebildet und besteht aus einem diehten Netze von Bindegewebsfasern. Der Inhalt ist nach ihm auch nichts Anderes als Bindegewebe mit spindelförmigen Zellen und elastischen Fasern. Den Namen »Noduli«, hat er ihnen beigelegt, weil sie in ihrer Struetur mit den bekannten »Noduli Arantii« der Semulinar- klappen übereinstimmen. HENLE sagt von diesen Bildungen: »Ich kann diese Knötchen, die auch ich zuweilen, wenn auch nicht in soleher Ausdehnung ge- sehen habe, nur für krankhaft, für eine Art von Balggeschwiilsten halten, die sich aus Faserstoffgerinnseln entwickelt haben mögen «®). Im Allgemeinen kann ich die Angaben Ausmis bestätigen. Nur in Bezug auf die Zahl der Knötehen bemerke ich, dass sie für die Regel zu hoch gegriffen ist. Im Klappensegel des Neugeborenen 1) ÖRUVEILHIER, Traité d Anatomie déscriptive. 2de &dition, Paris et Mont- pellier. 1849. 2) Wochenschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien. 2. Jahrgang 1856. Nr. 26, pag. 404. 3) Auf meiner Figur 5 sind dieselben am Rande der Mitralis zu erkennen. 4) Anat. d. Menschen. Band III. 1868. pag. 24. Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 511 fand ich durchsehnittlich 6 bis 10 derselben deutlich ausgebildet. Beim Erwachsenen sind sie nicht so häufig; oft gelingt es nur einige kleine harte Knötehen am freien Rande aufzufinden. Dieselben be- stehen hier aus sehr straffem zellenarmen Bindegewebe mit vielen elastischen Fasern. Die Kapseln ALsınrs sind nur die äussere Schieht der Knötehen und diese hängen mit dem umgebenden Gewebe über- all und unmittelbar zusammen. Die Deutung dieses Befundes ist ein- leuchtend. Die Knötehen sind Theile des früheren Klap- penwulstes, welche sich beim Neugeborenen noch in srösserer Anzahl und stärkerer Ausbildung finden und beim Erwachsenen sich in geringerer Zahl und rudi- mentär erhalten haben. Sehr verbreitet ist auch die Ansicht, dass die Knötchen einer chronischen Endocarditis ihren Ursprung verdanken. Augınt's Arbeit blieb bisher unbeachtet, und man sprach noch in neuester Zeit von einer Endocarditis neonatorum. Wenn nun auch neben unseren rudimentären Knötehen (noduli Albini) zweifel- los chronisch endocarditische Processe an den Klappen vorkommen, so müssen wir doch streng zwischen den zwei Formen unterscheiden, und ich will in Nachstehendem versuchen die Merkmale, welche eine differentielle Diagnose ermöglichen, darzulegen. Das Hauptsächlichste Unterscheidungsmoment wird, glaube ich, in den topographischen Beziehungen zu suchen sein. Chronisch endocarditische Wucherungen kommen entweder circumscript oder mehr diffus an den Klappen vor. Die diffusen werden nicht leicht zu Verwechselungen Anlass geben können, und es wären nur die circumscripten etwas genauer zu cha- racterisiren. Ihrer äusseren Form nach sind sie oft zotten- oder warzenartig, manchmal sind sie auch kurz gestielt. Sie sitzen vor- zugsweise auf der Vorhofsfläche der Klappen und verbreiten sich sanz unregelmässig nach verschiedenen Richtungen. Die »Knötchen« dagegen sind regelmässig angeordnet, liegen genau am Rande der Klappen und bedingen nur ganz unbedeutende Hervorragungen. Ihrem Gewebe nach lassen sich beide Formen nicht in allen Fällen unter- scheiden, indem beide aus straffem Bindegewebe bestehen. Als ein weiteres diagnostisches Merkmal ist hier zu erwähnen, dass die endo- carditischen Wucherungen sehr zu regressiven Metamorphosen tendiren. Man findet sie häufig fettig degenerirt oder verkalkt. Letztere Processe habe ich nie an den Knötchen beobachtet. Ein sehr bemerkenswerther mir zur Beobachtung gekommener Fall zeigte am Rande des medialen Zipfels der Mitralis einige kleine zottige Exerescenzen, die mit einem sonst normalen Knötchen zusammen- 512 A. ©. Bernays hingen., Es wäre denkbar, dass hier, wie wir es auch an anderen Theilen des Körpers, wo sich noch rudimentäre Gebilde erhalten haben, sehen, eine Neubildung (Geschwulst) ihren Ausgangspunet von solehen rudimentären Theilen genommen hat. B. Zuweilen vorkommende Befunde. Es empfiehlt sich hier zuerst diejenigen Anomalien zu be- schreiben, welehe auf sehr frühe Zustände zurückweisen, um dann zu jenen überzugehen, welche späteren Differenzirungen ihre Ent- stehung verdanken. Erstere sind viel seltener, weil selbstverständ- lich ein früh angelegter Theil auch leichter weiteren Differenzirungen unterliegt. Als seltensten Fall beschreibe ich einen Befund am Herzen eines neugeborenen Kindes (Fig. 4). Im linken Ventrikel fand ich einen zum hinteren Zipfel der Mitralis verlaufenden Papillarmuskel (Pm), welcher in Form eines platteylindrischen Stranges, in der Gegend der Herzspitze entspringend, in die Klappe (X) einging und, sich hier etwas verbreiternd, ihrer unteren Fläche entlang wieder in die Herzwand unmittelbar unter dem Annulus fibrosus (Af) eintrat. Dieser Muskelbalken gab noch einige Chordae tendineae (C) ab, welehe sich seitlich an dem Zipfel inserirten. Ausserdem entsendete er einen dünnen aber ganz muskulösen Ausläufer an den ihm gegenüber- stehenden Papillarmuskel. Auf senkrecht durch die Klappe geführten Schnitten sah man unter dem Endocard der Vorhofsfläche des Klap- pensegels noch eine dünne Bindegewebsschicht, auf welche dann eine mächtige Muskellage folgte. Der dünne obere Theil der Klappe ragte noch etwas über den Muskelbalken vor und zeigte an seinem freien Rande einige der oben beschriebenen kleinen Knötehen. Die auf derartige Fälle durchgesehene Literatur hat mir nichts dem vor- beschriebenen Falle ähnliches aufgewiesen. Die folgenden zwei Fälle an Herzen Erwachsener sind dem obigen im Wesentlichen sehr ähnlich. Am Herzen einer im Wintersemester ‘1875/76 im Acad. Krankenhause dahier an Pneumophthise Verstor- benen fand sich, an dem Aortenlappen der Mitralis inserirend, ein 4Mm. dieker, ganz muskulésey Strang. Der vordere Papillarmuskel bildete nicht wie gewöhnlich einen kurzen stumpfen Kegel, sondern setzte sich, nur wenig dünner werdend, bis an die untere Klappen- fliiche fort. Zwei stärkere von ihm abgehende Chordae tendineae Entwickelungsgeschichte der Atrioventricularklappen. 513 setzen sich an denselben Lappen der Mitralis an. An der unteren Klappenfliiche wird das Ende des Muskelstranges etwas breiter und seine Muskelbiindel verlieren sich, kurz in die Klappen ausstrah- lend!) (Fig. 5). Der andere Fall betrifft ein Herz, welches sich in der pathologisch-anatomischen Sammlung fand und als »Ex- erescenzen auf der Mitralis« etiquettirt war. Im linken Ventrikel fand ich beide Papillarmuskeln als dicke Muskelstränge sich an die Klappen ansetzend, ohne zuvor in Chorden zu zerfallen. Der An- satzstelle entsprechend finden sich auf der Vorhofsfläche harte ulce- rirte Stellen, um welche kleine harte Granulationen stehen. In den beiden letzten Fällen sehe ich einen dem normalen näher stehenden Zustand, als in dem im zuerst beschriebenen und es können uns dieselben als Uebergangsstufe zum einem vierten beim Neugeborenen beobachteten Falle dienen. Dieser unterscheidet sich nur dadurch von den eben beschriebenen, dass die Fasern des Papillarmuskels nicht bis in die Klappe selbst eintreten, sondern dass sie mit dieser durch eine äusserst kurze, nur '/; Mm. lange Sehne verbunden waren ?). Etwas öfter kommt ein Verhalten zur Beobachtung, welches ob- wohl sich dem letzten anschliessend, doch schon nicht mehr als Ano- malie aufgefasst zu werden braucht. In diesen Fällen ist nur der Pa- pillarmuskel im Verhältniss zu seinen Chorden länger als gewöhnlich. Ein Papillarmuskel hat zum Beispiel eine Länge von 2°/, Cm. und seine Chorden sind nur ®/, Cm. lang. Dieses Verhältniss ist zu ge- wissen Zeiten des Fötallebens normal (siehe oben pag. 501) und wir erklären uns dasselbe am einfachsten, indem wir annehmen, dass die Sehnenbildung auf diesem Stadium stehen blieb. E. Ovni’) hat im Jahre 1860 über die Gegenwart contractiler Elemente in den Chordae tendineae der Valvula mitralis beim Men- schen folgende Mittheilungen gemacht: »Jeder Hauptzipfel einer Klappe 1) An diesem Herzen fanden sich ferner ein noch sehr ansehnliches Rudi- ment der Valvula Eustachii und die Valvula trieuspidalis in vier deutliche Zipfel getheilt. 2) In der Literatur finde ich merkwürdiger Weise keine Angaben über solcha Anomalieen. Dieselben können nicht gar selten sein, da ich meine Fälle in der kurzen Zeit von sechs Monaten, unter nur etwa hundert zur Section gekommenen Leichen fand. 3) Memorie della reale accademia delle scienze di Torino. Serie second. XX. pag. 343 u. ff. Sulla presenza di elementi contrattili nelle maggiore corde ten- dinee della valvole mitrali umane, di E. OnnL, docente istologia ed anatomia microscopica all’ Universita di Pavia. 2 Morpholog. Jahrbuch. 2. 35 o14 A. C. Bernays empfängt unter anderen zwei grössere Sehnen, welche sich an die äussere Fläche der Klappen ansetzen, jedoch nur in der Nähe der Atrioventrieularöffnung; diese halten kleinere Sehnen aus- einander, die zugleich mit ihnen derselben Papille entspringen, sich aber an der ganzen äusseren Klappenfläche verlieren. Von den letz- teren und den erstgenannten Sehnen gehen andere kleinste Sehnen aus, die sich an den freien Rand der Klappe anheften«...... „Sicher habe ich nun in dem dieken Theile der grössten Sehnen der Mitralis immer quergestreifte Muskelfasern, sehr häufig auch mitten im Verlaufe dieser Sehnen ein wirkliches Muskelchen gesehen.« — Die Untersuchung dieser Verhältnisse wurde von OEHL!) so angestellt, dass er Klappen, Sehnen und Papillarmuskeln des linken Ventrikels trocknete und dann an den grössten Sehnen eine fleischrothe Färbung fand, die sich unter dem Mikroskop als von quergestreiften Muskel- fasern herstammend erwies. Diese Färbung liess sich manchmal schön zugespitzt, gegen Papillarmuskel und Klappe verlaufend, ver- folgen. Immer aber war zwischen dieser rothen Färbung und dem Papillarmuskel einerseits, sowie zwischen ihr und der Klappe andererseits ein Stück der Chorda nachweisbar, das sich als rein sehniger Natur ergab. Die grösste Mächtigkeit hatten die querge- streiften Fasern in der Mitte der Länge der Chorden, mit denen sie meist mehr seitlich, also excentrisch verbunden waren und ÖEHL schlägt für dieselben den Namen »Musculus contractor chordae« vor. Diese Angaben Orur’s kann ich nur zum geringen Theile be- stätigen. — Da er nicht angibt an wie vielen Herzen er seine Be- obaehtungen anstellte, so kann seine Behauptung nicht direct be- stritten werden. Ich habe 30 Herzen auf ihr Verhalten in dieser Beziehung untersucht und fand nur an acht derselben quergestreifte Muskelfasern in den Chorden der Mitralis. Davon zeigten sich in 6 Fällen mehr oder weniger starke Züge von Fasern, welche aber mit dem Papillarmuskel zusammenhingen und sich an !/, bis !/, der Chorda und weiter hinauf nachweisen liessen. Die Zahl der Fasern wurde immer geringer, je weiter sie an der Chorda aufstiegen. Ein- mal fand ich der ganzen Chorda entlang einen dünnen Streifen von Muskelfasern. Ferner sah ich, auch nur einmal, von der Ventrikel- wand entlang der Unterfläche der Klappe einen spitz zulaufenden Zug von Muskelfasern bis in eine Chorda verlaufen. Niemals beobachtete ') In den Tricuspidalchorden konnte OkHL trotz wiederholter Untersuchung keine contractilen Fasern auffinden. Entwickelungsgeschichte der Atrioventrieularklappen. 515 ich ein spindelförmiges Muskelchen, welches isolirt an einer Chorde befestigt gewesen wäre. Diese Beobachtungen schliessen nieht aus, dass das von OrnL sehr häufig gesehene Muskelehen vorkommen könne. Der Controle wegen habe ich auch gleich Ornt, Klappen und Chordae getrocknet und an den Chorden in der That immer einen röthliehen Schimmer bemerkt, welcher aber bei der mikroskopischen Untersuehung sich nicht als von Muskelelementen herrührend er- wies). Orn hat für seine Befunde keine morphologische Erklä- rung gegeben; er hält es für wahrscheinlich, dass die Muskelfasern bei der Funetion der Klappe betheiligt sind, bezieht sich also nur auf eine mögliche Function. Ich kann mich nicht zu dieser An- schauung bekennen und erkläre jene Fälle einmai für sehr inconstant, und, indem ich auf die Beschreibung meines 4. Stadiums verweise, für ein Stehenbleiben auf einer niederen Stufe (Hemmungsbil- dung). Dr. James B. PETTIGREw, welcher sehr viele Herzen untersuchte, sagt: »in einem Falle, welchen ich präparirte, enthielten die Chordae tendineae eine grosse Menge Muskelfasern und waren so verdickt, dass sie rudimentären Papillarmuskeln glichen 2). Während ich bisher immer die an den einzelnen Theilen des Klappenapparates, der Chordae tend. und Papillarmuskeln sich tref- fenden Verhältnisse im Auge hatte, erübrigt noch einiger Zustände zu erwähnen, welche durch die Art der Verbindung dieser Theile untereinander und mit den Trabekeln der Herzwand auffallend sind. Sie gehören zwar zu den ganz gewöhnlichen Vorkommnissen, sind aber nicht minder lehrreich als die oben beschriebenen seltenen Fälle. Man bemerkt oft, dass manche Papillarmuskeln nicht direet aus der compacten Herzwand entspringen, sondern von einem Trabekel- netze. Auch kommt es sehr häufig vor, dass aus einem gewöhn- liehen Trabekel an irgend einer Stelle seines Verlaufes ein Sehnen- faden entspringt um sich an die untere Klappenfläche zu inseriren. Ebenso häufig kann man wahrnehmen, dass von den eonischen Papil- larmuskeln ausgehende Chordae tendineae, anstatt an die Klappe, in beliebiger Richtung an die Herzwand verlaufen. Manchmal hat man auch Gelegenheit im rechten Ventrikel, in welchem die Verhält- nisse überhaupt unbeständiger sind, das Fehlen der sonst regelmässig vorkommenden Papillarmuskeln zu beobachten, indem deren Function 1) Die Färbung ist wahrscheinlich doch einer Imbibition von Blutfarbstoff zu- zuschreiben. 2) Proceedings of the royal Society of Edinburgh, March 1864. On the struc- ture and function, of the valves of the vascular system in Vertebrata. 35* 516 A. C. Bernays, Entwickelungsgeschichte ete. von ganz ordnungslos aus der Herzwand hervorkommenden, theils muskulösen, theils sehnigen Trabekeln übernommen wird. Wiederum sieht man den Papillarmuskeln ganz ähnliche, d. h. durch Lage, Grösse, Form als solche sich kundgebende Gebilde, nie die Klappen erreichen, sondern schon früher wieder in die Herzwand eintreten, wodurch sie auf die Stufe gewöhnlicher Trabekel zurücktreten. Im rechten Ventrikel kommt beim Erwachsenen am vorderen und hinteren Lappen der Trieuspidalis sehr oft ein Verhalten vor, welches HENLE in Fig. 18 seiner Gefässlehre abgebildet hat, ohne es jedoch im Texte zu erwähnen. Es gehen nämlich die grösseren Chor- dae tendineae, nachdem sie unter der Klappe hinweggelaufen, wie- der in die Herzwand ein. Manchmal erstreckt sich auch aus der Ventrikelwand, unter der Klappe her und mit derselben verwachsen, in verschiedener Ausdehnung ein Muskelbündel, welches in eine Chorda übergeht. Es ist“so gewissermassen eine Chorda zwischen zwei Muskeln eingeschaltet, d. h. der früher ganz muskulöse Zug ist nur in seiner Mitte sehnig geworden. Alle diese Zustände weisen darauf hin, dass die Papillarmus- keln, Chorden und Trabekel ihre Rollen mit einander vertauschen können. Dass ein Papillarmuskel durch einen Trabekel, ein Trabekel durch eine Chorda tendinea und diese wieder umgekehrt vertreten sein kann, erklärt sich aus dem von mir dargelegten Entwicke- lungsgange dieser Theile, die ebenso auf einer niederen Stufe, die sie in der Regel durchlaufen, stehen bleiben, wie sie auch auf eine höhere Stufe der Differenzirung gelangen können als ihnen im nor- malen Verhalten zukommt. — Wie wir sahen sind die Pa- pillarmuskeln nur differenzirte Trabekel und die Chor- daetendineae wiederum nur die sehnig gewordenen Theile der Papillarmuskeln; diese sämmtlichen Gebilde sind Jedoch nur Differenzirungsproducte der inneren Schicht der ursprünglich spongiös gebauten Kammerwand. W. Pm. Erklärung. der Abbildungen. Tafel XXXII u. XXXIII. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. Vorhof. . Ventrikel. . Atrioventrikularklappe. . Vorsprung = primäre Atrioventricularklappe. Klappenwulst. Papillarmuskel. Cc. Chorda. Figur 1. Figur 2. Figur 3. Figur 1. Figur 5. Frontalschnitt mitten durch das Ostium venosum sin. eines Schweins- embryo von 1,4Cm. Das Ostium venos. dext. ist nahe seinem hin- teren Ende mitgetroffen. VH. Ventrikelhöhle. HSp. Herzspitze, welche immer vom linken Ventrikel gebildet wird. Ve. Vas eoronarium, im Pericardialfortsatz liegend. Ass. Aeussere compacte Schicht, die jetzt noch sehr dünn ist. 7. Zusammenhang der beiden Septal-Vorsprünge. Frontalschnitt durch das Herz eines menschlichen Fötus von zwölf Wochen. Af. Annulus fibrosus oder Pericardialfortsatz. Au. Linkes Herzohr. S. Septum interventriculare. Schnitt durch den Klappenapparat eines menschlichen Fötus von 41/; Monaten. Lateraler Zipfel der Mitralis. Roru, Muskel; Weiss, Bindegewebe. Ev. Verdicktes Endocard der Vorhofsfläche. VW. Ventrikel-Wand. Fall eines abnormen Papillarmuskels im linken Ventrikel des Neu- geborenen. Zweimalige Vergrösserung. Nähere Beschreibung pag. 512. Af. Annulus fibrosus. Ve. Vasa coronaria. Zweiter Fall eines abnormen Papillarmuskels am Aortenzipfel der Mitralis des erwachsenen Menschen. Pma. Abnormer Papillarmuskel. Man sieht seine Fasern sich in Form eines dicken Stranges an die Klappe inseriren. 518 Figur 6. Figur Figur 8. Figur 9. Figur 10. Figur 11. Isia mate MOM 2 Hi -I 2 A. C. Bernays, Entwickelungsgeschichte ete. A. Aufgeschnittene Aorta. P. Pulmonalis. Schnitt durch das Herz eines sieben Cm. langen Embryo von Hexan- chus griseus. Der Schnitt ist so gerichtet, dass er das Ostium ve- nosum sammt dem Ventrikel in der Mitte trifft, wobei der Conus arteriosus angeschnitten wurde. Ca. Conus arteriosus. KC. Klappen des Conus arteriosus. P. Pericard. Zellen aus dem Balkennetze eines Rindsembryo-Herzens frisch in 1/9 %/) Chromsäure zerzupft. Embryo 1,5 Cm. Länge. Zellen der innersten Schichten der Ventrikelmuskulatur eines Rinds- embryo von 1,5Cm. Länge. Zellen frisch in 1/2 °/y) Kochsalzlösung untersucht, bei a sieht man den Kern der Muskelzelle in einer deut- lichen Protoplasmamasse liegen. Längsschnitt durch eine Chorda tendinea eines Rindsembryo von 5,8Cm. Länge. 350fache Vergr. M. Muskelgewebe im Innern der Chorde. E. Endocard. Schnitt durch die linke Ventrikelwand eines Schweinsembryo von 1,6 Cm. _ oP. Pericard. E. Endocardiales Epithel. HR. Hohlräume der Herzwand, welche Ausbuchtungen der primären Herzhöhle sind. ALS. Aeussere dem Pericard zunächst verlaufende Längs- sehicht von Muskelfasern. M. Muskelzellen. QM. Querschnitte von Muskelzellen. Verticaler Schnitt durch die Valv. mitralis eines menschlichen Fötus von 5!/g Monaten. 400fache Vergr. Vt. Fl. Ventrikelfläche, Vh. Fl. Vorhofsfläche der Klappe. Mf. Muskelfasern, die sich an der unteren Klappenfläche noch erhalten haben und mit den Muskelfasern der Kam- merwand zusammenhängen. Vw. Kammerwand. BdL. Bindegewebige Lage der Klappe. Jly Taf KHK. Lith Anst ¥ J.G Bach, Leipzig. Ueber die Schläfenlinien und den Scheitelkamm an den Schädeln der Affen). Von Dr. Gustav Joseph, Docent an der Universität Breslau. Mit Tafel XXXIV. Die Veranlassung zur Abfassung nachstehender Zeilen lag in der Absicht die noch in jüngster Zeit (1875) kund gegebene Behauptung mancher Zoologen, dass bei den amerikanischen Affen sich niemals ein Scheitelkamm entwickele, zu widerlegen. Zugleich wünschte ich diese Gelegenheit zu benutzen, um einige Erfahrungen über das mor- phologische Verhalten der Schläfenlinien bei den Affen im Vergleiche zu dem beim Menschen zu veröffentlichen. Herrn Staatsrath Prof. Dr. REICHERT sage ich hierbei für die überaus gütige Bereitwillig- keit, mit welcher derselbe die genaue und wiederholte Untersuchung des einschlägigen Theils der im Berliner anatomischen Museum ent- haltenen Schätze gestattet hat, sowie Herrn Prof. Dr. Tu. W. EnGEL- MANN für freundliche, die vergleichend-anatomischen Sammlungen in Utrecht betreffende, Mittheilungen meinen wärmsten Dank. Obgleich es unzulässig ist, die Anschauung von dem Grade der Wirkung, welchen die Muskeln der Extremitäten auf Ursprungs- und Ansatzstellen, sowie weitere Bezirke, ja auf die gesammte Gestal- tung ihres knöchernen Substrates ausüben, auch auf solche Gebiete des Rumpfskelets zu übertragen, bei deren Entfaltung Form und Wachsthum der Centralorgane des Nervensystems die erste Rolle spielen; obgleich es einleuchtet, dass jene Muskelwirkung auf die !) Vortrag gehalten am 1. December 1875 in der Sitzung der naturwissen- schaftlichen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, 520 Gustav Joseph Schiidelkapsel, deren Theile im Gegensatze zu dem Verhalten der auf Beweglichkeit zielenden Segmentirung der Wirbelsiiule unbeweg- lich mit einander verbunden sind, nur in beschränkter Tiefe und ge- ringerem Umfange statt haben kann, so unverkennbar tritt an der Configuration mancher Schädeltheile die Wirkung der Druck- und Zuggewalt der Muskeln zu Tage. Sehen wir von dem Einfluss der Actionen der Nackenmuskeln auf die Form des knöchernen Hinter- hauptes ab, so wird doch auch im Gebiete derjenigen Muskulatur, welcher nicht die Aufgabe zuertheilt ist den Schädel zu bewegen, sondern als Hypomochlion für die Bewegung anderer Theile z. B. des Unterkiefers zu brauchen, deren umgestaltende Wirkung auf Theile der Schädelkapsel sich kundgeben. So bringen die Schläfen- linien (Linea semicirculares temp.) und der nach ihrer Verschmel- zung auftretende Scheitelkamm gesteigerte Grade jener Wirkung der Schläfenmuskeln zum wahrnehmbaren Ausdruck. Während erstere in nahezu gleicher oder modifieirter Form dem Schädel des Menschen und der Affen zukommen, tritt dagegen der Scheitelkamm als allein thierisches Attribut auf. Nach Hyrtr ') und BiscHorr?) characterisiren sich die Schläfen- linien als die jederseits doppelt vorhandenen und nach Alter, Ge- schlecht und Individualität in mannigfaltigem Grade der Stärke an der Schidelwand markirten Ursprungsgrenzen des Schläfenmuskels resp. dessen Fascie. Nur in dem verschiedenen Grade der Krüm- mungen in ihrem Verlaufe und ihren Endabschnitten sind bei den Schädeln der Affen Abweichungen von dem Verhalten beim Menschen wahrzunehmen. Die untere Schläfenlinie, die Fortsetzung der (Crista temporalis ossis frontis, Hyrrt) Crista frontalis externa, läuft über die Seiten- fläche des Stirnbeins in aufwärts convexem Bogen zur Kranznath und schneidet dadurch ein kleines Segment von der vordern Fläche des Stirnbeins ab, welches der Schläfenfläche zufällt. Darauf kreuzt die Schläfenlinie die Kranznath und verlängert sich über das Scheitel- bein gegen dessen Angulus mastoideus hin, erreicht ihn aber nicht, sondern setzt (11/,—2 Centimeter oberhalb) auf die Schuppe des Schläfenbeins über und stösst dicht vor der Incisura parietalis mit 1) Die doppelten Schläfenlinien der Menschenschädel, Abdruck aus Bd. XXXII der Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserl. Academie der Wissenschaften in Wien 1871. pag. 3—6. 2) Ueber die Verschiedenheit in der Schädelbildung des Gorilla, Chimpanse und Orang-Utang. München 1867, Ueber die Schliifenlinien und den Scheitelkamm ete. 521 jener schief aufwärts gerichteten Crista zusammen, welche als Ver- längerung des oberhalb der äussern Gehöröffnung horizontal nach hinten gestreckten obern Schenkels der hintern Jochbogenwurzel er- scheint. Auch bei schwach entwickelter unteren Schläfenlinie können die Crista frontalis externa und die eben bezeichnete Crista an der äussern Fläche der Squama ossis temporum, also Anfang und Ende der Linie, stark vortreten und letzteres als zuweilen ansehnlicher Knochenwulst vorn die Furehe begrenzen, welche die ehemalige Trennung der Squama von der Pars mastoidea andeutet. Die obere Sehläfenlinie beginnt entweder ebenfalls an der Crista frontalis ex- terna, welehe in diesem Falle nach aufwärts beide Schläfenlinien als 2 divergente Schenkel aussendet, und kreuzt ebenfalls die Kranz- nath; oder sie beginnt dieht über dem Kreuzungspunet der untern Schläfenlinie mit der Kranznath an der letztern, während die Strecke bis zur Crista frontalis externa verwischt erscheint. Die obere Sehläfenlinie geht eine Strecke mit der untern parallel, ihre Curve wird aber in der Regel je mehr nach hinten, desto gestreckter, di- vergirt in diesem Falle immer mehr von der untern, bis sie an der Sutura lambdoidea ihr Ende erreicht. Das von beiden Schläfen- linien am Planum temporale begrenzte sichelförmige Feld ist je nach der Entfernung beider Linien von einander von verschiedner Breite und je nach dem Grade ihrer nach hinten zunehmenden Divergenz von verschiedener Gestalt. Bei mehreren (Pariser) Schädeln meiner Sammlung laufen beide Linien von der Kranznath ab parallel und begrenzen eine etwas mehr als 1 Centimeter breite regelmässige Sichel. Es liegt nieht in meiner Absicht die Variationen in der Aus- prägung und dem Verlaufe beider Schläfenlinien, soweit sie den Menschen betreffen, hier weiter zu verfolgen und verweise ich des- halb auf die Arbeit von Hyrrn und die von H. v. Inerın@'). Ich beabsichtige nur auf die Puncte aufmerksam zu machen, in welchen die Schläfenlinien bei den Affen von ihrem Verhalten beim Menschen abweichen und wie die Abweichung aus der anfänglichen Ueberein- stimmung sich entwickelt. Das erste Auftreten derselben fällt in die Zeit nach Ausbildung des Milchgebisses. Doch finden hierbei mannigfache Modificationen statt. Nach Biscnorr2) findet sich an dem jugendlichen, noch mit dem *Milchgebisse versehenen, Schädel des Gorilla und Chimpanse 1) Die Schläfenlinien des menschlichen Schiidels. Archiv für Anatomie und Physiologie von REICHERT und Duzois-REeymonD 1875, pag. 61—17. 2 2) l..c..pag. 69. 522 Gustav Joseph eine Linea temporalis semieireularis kaum angedeutet.« Es sind mir aber aus den Pariser und Italienischen Sammlungen Beispiele aus demselben Alter bekannt, an denen die untere Schlifenlinie bereits deutlich gezeichnet erscheint. Dasselbe gilt von einem männlichen, mit dem Milchgebisse versehenen, Orang-Schädel sowie von den jugendlichen Schädeln mehrerer afrikanischen und amerikanischen Affenarten meiner Sammlung. Markirter erscheinen die Linien nach Eintritt des Zahnwechsels, wobei zu bemerken ist, dass bei manchen Arten aus Gattungen der altweltlichen Affen, wie Cercocebus fuligi- nosus und aethiops und der neuen Welt, wie Chrysothrix seiurea, die Schläfenlinien meist während des ganzen Lebens nur in schwachen Contouren angedeutet bleiben. Mit der stärkern Ausbildung des Kau- apparates rückt aber die obere Grenze des Schläfenmuskels, d. i. die untere Schläfenlinie, immer höher und letztere verschmilzt dann mit der obern, indem sie sich nur noch an dem hintern Abschnitt ge- sondert, erhält (Hylobates leueiseus Kuhl, Colobus Guereza Wagner der eigenen Sammlung), zuletzt aber auch hier verschwindet. Des- halb finden wir an den Schädeln der Affen erwachsenen Alters, bei welchen das Milchgebiss dem definitiven Gebisse Platz gemacht und die Ursprungsgrenze des Schläfenmuskels sich der Pfeilnath genähert hat, meist nur eine und zwar die obere Schlifenlinie, welche sich aber zuweilen an ihrem hintersten Abschnitt in 2 Schenkel theilt, welche die noch gesonderten Enden der früher in ihrem ganzen Ver- laufe getrennt gewesenen Linien darstellen. Zur Betrachtung letz- terer eignen sich daher nur Schädel aus mittlerem Lebensalter. An diesen zeigt sich, dass durch die Schläfenlinien ein verhältnissmässig umfangreicheres Feld der Schädelseitenwand umgrenzt wird als beim Menschen. Betrachten wir die einzelnen Verlaufsabschnitte, so zeigen die Linien in Bezug auf ihren Ursprung aus den Cristae frontales trotz der grossen Mannigfaltigkeit in der Ausbildung der letztern viel Uebereinstimmung mit dem Verhalten beim Menschen. Eine Ab- weichung davon tritt jedoch schon an der Stelle ihrer Kreuzung mit der Kranznath ein. Beim Menschen wird der Theil der Kranznath unterhalb jener Kreuzungsstelle (mit der untern Schläfenlinie) auch im mittleren Lebensalter meist verstrichen erscheinen, während alle übrigen Näthe am Schädel noch in grösster Deutlichkeit fortbestehen. Bei den Affen, besonders der neuen Welt, erscheint diese Nathver- wachsung in dem entsprechenden Lebensabschnitt viel seltner!). Die ') Dies ist um so auffallender, als diese beim Menschen so sehr in die Augen fallende Erscheinung wahrscheinlich eine Folge der Einwirkung der Ueber die Schläfenlinien und den Scheitelkamm ete. 523 männlichen anthropoiden Affen nähern sich hierin mehr dem Men- schen als die andern Gruppen. Bei dem geringeren Umfange des Affenschädels ist es erklär- lich, dass die Distanz der beiden Linien von einander viel geringer sein muss als beim Menschen und dass sie zuweilen nur wenige Mil- limeter beträgt. Gleichwohl sind die Bogen, welche beide beschreiben — besonders fällt dies bei der Curve der untern Schläfenlinie auf — viel gestreckter, flacher als beim Menschen. Die gestreckten Schädel der amerikanischen Affen sind exquisite Beispiele hierfür. Den gestreckten Verlauf des mittleren Abschnittes behält auch das hintere Ende der obern Schläfenlinie bei, so dass diese Linien beider Seiten meist kurz nach ihrem Ursprung aus der Crista fron- talis ext. bis zur Lambdanath sich fast parallel zu einander verhalten oder nur wenig von einander divergiren. In anderer Weise abwei- chend gestaltet sich das hintere Ende der untern Schläfenlinie. Das Niedrigerwerden der Schläfenschuppe, ihr geradgewordener, oberer Rand im Gegensatze zu der starken Krümmung desselben beim Men- schen ist mit Verflachung, ja Verstreichung der Ineisura pariet. ver- bunden und hat im Gefolge, dass jene, beim Menschen schief auf- wärts gerichtete, wulstige Verlängerung des obern Schenkels der hintern Jochbogenwurzel sich horizontal legt und die Pars mastoidea aus der Region der Seitenwand in die der Schädelunterseite hinab- rückt, Erscheinungen, welche sich bereits bei den anthropoiden Affen bemerklich machen und am ausgeprägtesten bei den amerikanischen Gattungen sich finden. Während beim Menschen der hintere Abschnitt der untern Schläfenlinie eine schiefe Richtung von oben nach unten und vorn zeigt, verläuft er bei den Affen — besonders der neuen Welt — wagrecht von hinten nach vorn, um in die ebenfalls wag- rechte wulstige Fortsetzung des obern Schenkels der hintern Joch- bogenwurzel überzugehen. Noch vielmehr entfernen sich diejenigen Fälle von dem Verhalten beim Menschen, wo das Ende der untern Schläfenlinie sich nicht mit jener wulstigen Fortsetzung der Joch- bogenwurzel, sondern mit einer Knochenleiste der Pars mastoidea hinter der Ineisura parietalis verbindet. Beispiele hiervon bemerken wir bei Inuus, Macacus, Cercopithecus und bei mehreren Gattungen der amerikanischen Affen z. B. Ateles und Nyetipitheeus (vergl. Contractionen des Schläfenmuskels ist, dessen Entwickelung bei den Affen eine verhältnissmässig stärkere als beim Menschen ist. 524 Gustav Joseph Fig. 4cm). Die angegebene Leiste an der Pars mastoidea setzt sich nach hinten in die Linea semicircularis superior oceipitis fort. In späterem Lebensalter, in welchem sich der Oceipitalkamm gebildet hat, erscheint diese Kante aufwärts gerückt und mit der Fortsetzung des obern Schenkels der hintern Jochbogenwurzel verschmolzen. Dann setzt sich der Hinterhauptskamm in letztere und damit auch auf den Jochbogen selbst fort. Das dadurch entstandene, von mensch- licher Bildung abweichende, Verhalten wird jedoch durch die früher angegebenen Uebergänge mit den Verhältnissen, die beim Menschen stattfinden, in Verbindung gesetzt. Die genannte, dem reifern Alter angehörende Erscheinung ist jedoch auch mit einer andern, sehr wesentlichen, Eigenthümlichkeit verbunden. In diesem Lebensalter ist, wie oben erwähnt, die obere Ursprungsgrenze des Schläfen- muskels bereits so hoch hinaufgerückt, dass sie die Stelle der obern Schläfenlinie erreicht und mit letzterer, wobei die Cristae frontales convergenter geworden sind, anfangs in den vordern Abschnitten und später auch in dem hintersten Abschnitt, also ganz, verschmilzt. Dann existirt also nur eine Schläfenlinie, die durch ihren Verlauf zum Occipitalkamm und ihre Annäherung an die Pfeilnath sich als die obere characterisirt. Auch beim Menschen sind von Hyrrn Fälle beobachtet worden, in welchen beiderseits nur eine obere Schläfenlinie markirt war, aber es steht fest, dass diese Linie höchstens die obere Ursprungsgrenze der Fascie, aber nicht des Schläfenmuskels darstellt, also eine andere Bedeutung hat, als eine allein vorhandene obere Schläfenlinie der Affen im Anfange des reiferen Alters. Nicht selten ist es möglich zwischen dieser obern Schläfenlinie und der Pfeilnath noch eine andere Linie zu unterschei- den, welche aber parallelen Verlauf mit der obern Schläfenlinie hat und die aufwärts gerückte Ursprungsgrenze der Fascie darstellt. Ist schon mit diesem allmäligen Hinaufrücken der Schläfenmus- kulatur bis nahe an die Pfeilnath und dem Verschmelzen beider Schlifenlinien in eine, die obere, allmälig eine Bildung entstan- den, wie sie beim Menschen in selbst noch späterem Lebensalter nie eintritt, so ist doch damit noch nicht in allen Fällen das Ende der Divergenz von dem Verhalten beim Menschen erreicht. Wenn mit der weitern Vergrösserung des gesammten Kauapparates das noch weitere Hinaufrücken der obern Ursprungsgrenze des Schläfenmuskels die Pfeilnath erreicht hat, so erscheint bis auf den kleinen Theil der Stirn, welchen die Glabella einnimmt, die ganze Oberfläche der Schädelkapsel von der Muskulatur eingenommen. Die Schläfenmus- Ueber die Schläfenlinien und den Scheitelkamm ete. 525 keln beider Seiten, welche vorn den stark convergenten Cristae fron- tales externae anhaften, stossen mit ihren Fascien über der Pfeil- nath dicht zusammen und damit scheint ihrer weitern Ausbreitung eine endliche Grenze gesetzt zu sein. Doch diese Grenze wird durch eine eigenthümliche Art von Oberflächenvergrösserung noch hinaus- geschoben. Wie einst die Gebirge der Erde durch eine tangential auf die Oberfläche der letzteren einwirkende Gewalt aus der Erd- masse emporgeschoben wurden, so entsteht längs der Pfeilnath von ihrem hintern Ende und weit über ihr vorderes Ende hinaus, näm- lich bis zur Stirnglatze, in Folge der tangential auf die Schädeldecke einwirkenden Muskelgewalt ein nach den Gattungen verschieden grosser Knochenwall, der Scheitelkamm, als Erweiterungsgebiet für die Ausdehnung des Schlifenmuskels. Da die Druckgewalten auf beiden Seiten des Schädels gleich sind, so verdrängt niemals der Wall der einen Seite, wenn er sich allmälig aufthürmt, den der an- dern, sondern beide legen sich an einander, um später zu ver- schmelzen, nachdem auch die Fascien in der Mitte, wo sie dem Wall am festesten adhäriren, mit einander sich verfilzt haben. Beispiele, in welchen eine auf dem Gipfel des Scheitelkammes von vorn nach hinten verlaufende Furche auf die einstmalige Trennung der beiden Seitenhälften des Scheitelkammes hindeutet, sind nicht selten; selbst solche, in welchen die Verwachsung noch nicht untrennbar geworden ist, habe ich mehrfach gesehen. In der Regel aber erscheint der Scheitelkamm als eine homogene, einige Masse, ohne Spur der vor- angegangenen Verschmelzung aus zwei Seitenhälften. In Bezug auf sein Gefüge, wie auf das der Schädeldecke überhaupt und auf die Architektonik in der Lagerung des Gebälks der Diploé, ist stets der Winkel von Einfluss, welchen die Spannungsrichtung des Schläfen- muskels mit der Knochenaxe bildet, ein Verhältniss, welches sich nach der Wölbung der Schädelseitenwand, Grösse des Unterkiefers und Form des Kronen- (Schläfen-)fortsatzes an dessen aufsteigendem Aste modifieirt. Häufig erfährt der Scheitelkamm im Verein mit der Spitze des Hinterhauptskammes eine Verlängerung nach rückwärts in Form der von den Schädeln der grossen Carnivoren bekannten Protuberanz. Aber auch ohne Ausbildung der letzteren ist der Scheitelkamm ein Attribut nur des Thierschädels, eine dem Menschenhaften durchaus fremde Bildung, das Endresultat der mit der Verschmelzung der bei- den Schläfenlinien zu einer obern beginnenden Divergenz von dem Verhalten beim Menschen. 526 Gustav Joseph Der Scheitelkamm ist von den Männchen der anthropoiden Affen und mehreren Gattungen der alten Welt (Macacus, Cynocephalus) seit langer Zeit bekannt. Er zählt zu den knöchernen Erhebungen, welche den Schädeln alter Thiere im Gegensatze zu den gerundeten menschenhaften Formen der Schädelkapsel im jugendlichen Alter jenen Stempel der Thierheit aufdrücken, die sie in eine noch niedere Stufe schreckhaften Aussehens als selbst die Carnivoren stellt. Als wenn die Natur noch in nächster Nähe des, auf der Stufenleiter der Lebewesen die höchste Sprosse einnehmenden, Menschen das Thie- rische in seiner abstossenden Hässlichkeit in grösster Intensität er- scheinen lassen wollte, tragen den Scheitelkamm in seiner stärksten Entwickelung gerade die Schädel derjenigen Wesen am Ende ihres Wachsthums zur Schau, welche in der Jugend dem Menschenhaften am nächsten sich zeigen, die der anthropoiden Affen (Gorilla, Orang). Von diesen besitzt der Gorilla den stärksten und höchsten Scheitel- kamm. Bei den auch in der Jugend vom Menschenhaften viel ent- fernteren Arten, wie Macacus und Cynocephalus, erreicht jenes Ge- bilde einen viel kleineren Umfang. Es erscheint, wie gesagt, nur an den Schädeln ganz ausgewachsener Thiere und fehlt manchen Männchen der genannten Arten, obwohl die Vollständigkeit ihres de- finitiven Gebisses auf vollkommenes Erwachsensein hindeutet. Bei den meisten der von mir untersuchten Exemplare machten sich beim Vorhandensein des Scheitelkammes bereits die Spuren der Abstutzung, der Abschleifung des Gebisses, besonders an den Baekenzähnen be- merklich. Das Auftreten des Scheitelkammes steht im Einklange nicht nur mit der Ausbildung eines stärkeren Gebisses, eines gewaltigen Kau- apparates, sondern ist überhaupt Signatur eines Zustandes, der im grellen Gegensatze zu dem Verhalten steht, wie es das jugendliche Alter der Affen kennzeichnet und wie es beim Menschen zeitlebens das bleibende ist. Beim Menschen bezeichnet die untere Schläfenlinie zeitlebens die Grenze, bis zu welcher die Muskulatur an der Schädelseitenwand hinauf sich erstreckt. Der übrige beträchtliche Theil des Scheitels, der obere Theil des Stirnbeins, der Hinterhauptsschuppe und der Scheitelbeine von jener Grenzlinie aufwärts bildet kein Substrat für Muskeln, sondern ist völlig frei davon. Wenngleich die obere Schläfen- linie andeutet, dass beim Menschengeschlecht in früheren geologi- schen Epochen die Muskulatur viel höher am Schädel hinauf sich erstreckt hat, ehe sie überhaupt nieht nur am Kauapparat, sondern Ueber die Schliifenlinien und den Scheitelkamm ete. 527 auch an andern Kopftheilen erhebliche Reduction erfahren hat, und darin der Umstand liegt, welcher einst beim Urmenschen die heut bestehende Kluft zwischen dem Menschen von heute und dem Affen- gesehlecht, welches wir noch heut nahezu in seinem Urzustande sehen, überbrückt hat, so stehen doch in der heutigen Erdepoche die in Rede stehenden Ausbreitungsgrade der Muskulatur und die damit zu- sammenhängenden Unterschiede in der Configuration des Unterkiefers und der Sehädelkapsel im erwachsenen Alter einander schroff gegen- über. Heut bilden nur die Schädel aus dem jugendlichen Alter der Affen den vermittelnden Uebergang. So lange noch die untere Schläfenlinie entfernt von der Pfeilnath die obere Ursprungsgrenze der Schläfenmuskulatur bildet, zeigt ihr Schädel Contouren, in denen der Mensch seine ihm eigenen erkennt. Obschon bereits vor Eintritt des Zahnwechsels die Ausdehnung der Kiefer über das Menschen- hafte hinausgegangen und überhaupt die Entwickelung des Antlitz- gerüstes einem andern Wachsthumsgesetze unterworfen erscheint, so ist doch noch kein beträchtliches Aufwärtsrücken der untern Sehliifen- linie trotz kräftigerer Ausbildung des Schläfenmuskels erfolgt und die eigentliche Schädelkapsel weicht von der menschenhaften Form kaum ab. Der Zahnwechsel ist der Lebensabschnitt, mit welchem die früher bezeichnete Divergenz grössere Dimensionen annimmt, die endlich zu dem bereits characterisirten Ausgang führen. Mit dem Ersatz des Milchgebisses durch ein bedeutend stärkeres ist allmälige Ausdehnung der Kiefer, besonders des Unterkiefers verbunden. Des letzteren Bewegung erfordert stärkere Muskulatur, also stärkere Kau- muskeln, Massigerwerden des Schläfenmuskels. Derselbe dehnt sich nicht nur nach abwärts aus, sondern greift auch besonders nach auf- wärts immer weiter aus und schiebt dabei die Knochenlinie, welche seine Ausbreitungsgrenze bedeutet, immer weiter aufwärts. Deshalb stärkere Convergenz der Stirnleisten und Aufwärtsrücken der untern Schläfenlinie bis zur Stelle der obern und weiter bis zur Pfeilnath. In derselben Weise, wie Schädelseitenwand, Scheitel und Stirn in den Bereich des Kaumuskelsubstrats gezogen werden und die Schläfen- linie nach aufwärts, so weit als möglich, rückt, ebenso wird durch die Nackenmuskulatur die Linea semicircularis superior des Hinter- hauptsbeins aufwärts geschoben, so dass die Anfangs von Muskulatur freie obere Partie der Hinterhauptsschuppe einschrumpft und jene Linie mit der Lambdanath zusammenfällt. Und wenn auf der Pfeil- nath bis zur Stirnglatze auf dem Stirnbein der Scheitelkamm sich erhebt, da hat sich auf der, mit der obern Nackenlinie vereinigten, 528 Gustav Joseph Lamkdanath der Occipitalkamm erhoben und haben sich die Augen- höhlenränder in Knochenwiilste aufgetrieben. Die Hirnkapsel ist mun wie begraben in einer riesigen Muskulatur und erscheint an dem Kopfskelet wie ein Anhängsel an dem .grössern Antlitzgerüst. Von der menschenhaften Form der Hirnkapsel in der Jugend ist keine Spur übrig. Die geschilderten Extreme der Divergenz vom Verhalten beim Menschen, besonders die Entwicklung des uns hier interessirenden Scheitelkammes gelten jedoch nur für die Männchen der beiden ge- nannten anthropoiden und der bezeichneten altweltlichen Affengat- tungen. Während an diesen in der Zeit des reifen Alters alle einst menschenhaften Züge verwischt sind, bleibt die Schädelform der weiblichen Thiere zeitlebens dem Verhalten in der Jugend näher. Wie überall, so ist auch hier im Kampfe um das Dasein das rauhere Loos von beiden Geschlechtern dem Männchen zugefallen. Es hat die Vertheidigung des Nestes zu führen, Nahrung zu erbeuten und vorher um den Besitz des Weibchens mit Mitbewerbern zu kämpfen. Deshalb erreicht beim Männchen das Werkzeug der Vertheidigung, das Gebiss, demgemäss die dasselbe bewegende Muskulatur und das knöcherne Hypomochlion derselben einen erheblich grössern Umfang als bei dem schwächern Weibehen. Wo aber die Muskulatur auch bei letzterem im reifern Alter so stark sich entwickelt, dass eine grössere Gebietserweiterung nöthig wird, als die Oberfläche des Schädels zu geben vermag, da erscheint auch beim Weibchen ein Knochenkamm, wie der Oceipitalkamm, immer aber in kleineren Di- mensionen als beim Männchen. Warum der Scheitelkamm nur bei den Männchen des Gorilla, Orang-Utan, Macacus cynomolgus und den Arten der Gattung Cyno- cephalus sich entwickelt, bei den Männchen anderer Gattungen aber ausbleibt, ist mir bis jetzt zu ermitteln unmöglich gewesen. Auf- fallend ist dies bei den Arten, deren Männchen sich durch ein sehr starkes Gebiss auszeichnen, wie Cercopithecus Sabaeus Erxleb., C. mona Erxleb. u. a. m., die wenigstens im Skelet nicht selten zu uns kommen. Ich habe jedoch nie Gelegenheit gehabt zu beobachten, dass an dem Gebiss letztgenannter Arten, selbst wenn es ein de- finitives und vollständiges war, bereits ein Abschliff an den Kronen der Vorbacken- und Backenziihne durch Abnutzung sicn wahrnehmen liess. Da nun, wie ich mitgetheilt, an den meisten Schädeln der früher genannten Arten beim Vorhandensein des Scheitelkammes nicht blos Vollständigkeit des definitiven Gebisses, sondern bereits eine Ueber die Schläfenlinien und den Scheitelkamm ete. 529 Abnutzung desselben constatirt werden konnte, so könnten wir an- nehmen, dass die zu uns gelangten Schädel des Cercopith. Sabaeus, Mona ete. noch nicht dem Alter angehörten, in dem der Scheitel- kamm erscheint und dass wir später vielleicht noch Männehen mit Scheitelkamm bei den Arten kennen lernen dürften, bei denen er uns bis jetzt unbekannt geblieben ist. Von den amerikanischen Affen berichtet GIEBEL') sowie andere Forscher, dass ihre Männchen keinen Scheitelkamm entwiekeln, an- dere Zoologen gehen über diesen Punet mit Stillschweigen hinweg. Da die meisten zu uns lebend gebrachten Arten der Affen der neuen Welt dem jugendlichen oder dem mittleren Lebensalter angehören ; da fast nur solehe sich in die Gefangenschaft fügen und die Reise über das Meer leicht ertragen, alte Männchen dagegen häufig durch Nahrungsverweigerung und zuweilen noch kurz vor der Landung in Europa zu Grunde gehen, von letzteren endlich selbst Skelete (bis auf alte Männchen der Mycetesarten) selten zu haben sind, so ist es wohl erklärlich, dass solche den meisten Forschern unbekannt geblieben sind. Nur Professor Hessen 2), welcher selbst in Brasilien gesammelt hat, schreibt dem Männchen von Cebus fatuellus Erxl. einen Scheitelkamm zu. Ausserdem müsste der Scheitelkamm des Männchens von Pithecia Satanas Geoffr. französischen Zoologen be- kannt sein (obwohl meines Wissens Keiner desselben erwähnt), da ich in den Sammlungen des Jardin des plantes mehrfach Schädel von Pithecia Satanas mit Scheitelkamm gesehen habe. Obwohl mehrere Verbindungen mit befreundeten Aerzten in Süd- amerika mich früher in die günstige Lage versetzt hatten, viele amerikanische Affenarten in zahlreichen Exemplaren zu untersuchen, so kann ich zu dem bisher bekannten Falle von Cebus fatuellus (Fig. les Lu. es 2) und zu dem von Pithecia Satanas (Fig. 2 ¢s 1 u.es 2), doch nur noch den einer, der Hapale Geoffroyi Pucheron ähnlichen, Art mit dem Vorkommen eines Scheitelkammes (Fig. 3es 1 u. es 2) beim Männchen hinzufügen. Der bei diesen drei Arten der amerikanischen Affen von mir mehrfach untersuchte Scheitelkamm schliesst sich in Bezug auf Ge- I) Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. VI. 1875. Abth. VY. Mammalia pag. 40: »Bei den amerikanischen Affen dagegen entwickelt sich nie- mals ein Pfeilkamm.« 2) Beiträge zur Kenntniss der Säugethiere Siid-Brasiliens. Aus den Ab- handlungen der königl. Academie der Wissensch. zu Berlin 1872. pag. 1S—20, Morpholog. Jahrbuch. 2. 4 3b 530 Gustav Joseph stalt, Lage und Ausdehnung genau dem Scheitelkamm an, wie ihn die Männchen der kleinern Affen der alten Welt, wie Macacus eyno- molgus und der Cynocephalus-Arten zeigen. Die Beschaffenheit der Diploé und ihr Verhalten zur äussern Corticalsubstanz weicht von dem bei den Affen der alten Welt beobachteten in Nichts ab. Zahl- reiche Uebergänge von dem Bestehen jederseits zweier Schläfenlinien im jugendlichen Lebensalter zur spätern Verschmelzung derselben in eine einzige, obere, das fernere Hinaufrücken derselben an die Pfeil- naht, das Convergenterwerden der Cristae frontales, das Zusammen- stossen der Schläfenlinien beider Seiten anfangs auf der Mitte des Stirnbeins dann auch über der Pfeilnaht, wenn das Milchgebiss dem definitiven gewichen ist ete., beweisen, dass der Scheitelkamm der genannten amerikanischen Affenarten dem der früher bezeich- neten altweltlichen Arten genau entspricht. Ebenso ist er bei den neuweltlichen Arten, wie bei denen der alten Welt nur eine Aus- zeichnung des Männchens und hier, wie dort mit einer starken Ausbildung des Gebisses namentlich stärkeren und hervorragenderen Kekzihnen verbunden. Hier wie dort gleicht der junge männ- liche Schädel dem des Weibehens und bleibt letzterer zeitlebens der Gestalt des Jugendzustandes oder des mittleren Lebensalters näher. Ist schon bei den anthropoiden und den übrigen altweltlichen Arten die Bezeichnung Pfeilkamm eine zu beschränkte, da sie nur den Theil des Scheitelkammes begreift, welcher sich über der Pfeil- naht erhebt, so erscheint sie bei den amerikanischen Affen noch un- zureichender. Die Verschmelzung der beiden Schläfenlinien zu einem Kamme erscheint auf dem Stirnbein früher als auf der Peilnath. Bei Hapale ist die Partie des Scheitelkammes, welche dem Stirn- bein angehört, eine ansehnliche, nämlich 21 Millimeter, während die Partie auf der Pfeilnaht 26 Millimeter beträgt. Bei Pithecia beträgt jede für sich 30 Millimeter und bei Cebus fatuellus ist die erstere ansehnlich länger, nämlich 50 Millimeter, als die letztere, welche 30 Millimeter lang ist. Von Pithecia Satanas sah ich mehrere Schidel, bei denen die Partie des Scheitelkammes auf dem Stirnbein fast doppelt so hoch als die auf der Pfeilnaht war. Wie bei den Affen der alten Welt, so diirfte auch hier in Bezug auf die Frage warum gerade die Männchen der genannten Arten der ameri- kanischen Affen am Ende des erwachsenen Alters einen Scheitelkamm entwiekeln, die anderer Arten dagegen, was bei den grossen Männ- Ueber die Schlifenlinien und den Scheitelkamm ete. 531 chen von Mycetes') und in Betracht ihres grossen Unterkiefers be- sonders auffällt, desselben entbehren, dasselbe zu bemerken sein, was über denselben Gegenstand in Bezug auf die des Scheitelkammes entbehrenden Männchen der meisten Arten der altweltlichen Affen zu sagen war. Ich bin der Meinung, wir werden später finden, dass die alten Männchen von viel mehr Arten mit dem Scheitelkamm ver- sehen sind, als uns jetzt bekannt ist?). Mit der — im Vergleiche zu dem Verhalten beim Menschen — verhältnissmässig grösseren Ausbreitung des Schläfenmuskels beson- ders nach oben, bei Mycetes, Pithecia und einigen Arctopithecinen auch nach hinten, steht auch eine Verstärkung der untern sehnigen Partie im Einklang. Obwohl auch beim Menschen Verstärkungs- bündel von der Fascie, von der innern Fläche des mittleren Dritt- theils des Jochbogens und des sehnigen Ursprungs des Masseter und einige stärkere, vom Tubereulum spinosum und der Crista infra- temporalis entspringende und durch bindegewebige Umhüllungen mehr oder minder gesonderte Bündel zum Muse. temporalis stossen, so treten dieselben bei den Männchen der Affen doch verhältnissmässig massiger entgegen. Zuweilen sind die von hinten nach vorn über die vordere Jochbeinwurzel, wie über eine Rolle, zum hintern Rande des Processus coronoideus mandibulae laufenden Bündel stärker ent- wickelt und durch fettreiches Bindegewebe von der obern, platten, fächerartig ausgebreiteten Muskelpartie geschieden. Als eine, eben- falls durch fettreiches Bindegewebe gesonderte, Muskelpartie, die bei alten Männchen von Pithecia Satanas gleichsam als eigner Muskel, Mus- eulus infratemporalis, erscheint, nehmen kräftige kurze Bündel von ') Nach HEnserL, welcher 117 männliche Schädel von Mycetes untersucht hat, beträgt der geringste Abstand der obern Schläfenlinien beider Seiten 8 Mm. von einander. 2; Nach gütiger Mittheilung des Herrn Prof. Tu. W. ENGELMANN, welche ich einige Zeit nach Absendung des Manuscripts vorstehender kleinen Arbeit erhalten habe, besitzt die Utrechter vergleichend-anatomische Sammlung den Schädel eines alten Männchens von Cebus capucinus, welcher einen deutlichen Scheitelkamm zeigt. Dass letzterer aus Verschmelzung der beiden, zu einer obern vereinigten, Schläfenlinien entstanden ist, wird auch durch diesen Schädel deutlich demonstrirt. Die Verschmelzung zu einem Kamme hat nur auf dem Stirnbein stattgefunden, während die hintern Abschnitte der beiden Schlätfen- linien, welche den lang gestreckten Scheitelbeinen angehören, als divergente Knochenleisten in flacher, hinten etwas gekrümmterer, Curve zur Lambdanath laufen und die Pfeilnath noch nicht erreicht haben. 36 * 539 Gustav Joseph der vorderen Jochbeinwurzel und oberhalb der Crista infratemporalis bis gegen das Tubereulum spinosum hin ihren Ursprung, um sich an die Innenfläche des Processus coronoideus mandibulae sehnig zu in- seriren. Resume. 1. An den Schädeln aller Affengattungen sind im mittleren Lebensalter jederseits zwei Schläfenlinien wahrnehmbar, welche der untern und obern Schläfenlinie des Menschen entsprechen und deren Ausprägung zur Entwickelung des Kauapparates in geradem Ver- hältnisse steht. 2. Abweichungen von dem Verhalten beim Menschen liegen a) in dem gestreckteren Verlaufe beider Linien, b) in dem Umstande, dass das Ende der untern Schläfenlinie nicht wie beim Menschen in einen, von oben schief abwärts zum horizontalen Schenkel der hin- tern Jochbogenwurzel gerichteten Knochenwulst auf der Aussenfläche der Squama ossis temporum übergeht, sondern dass letzterer horizontal von hinten nach vorn sich erstreekt und e) dass in andern Fällen das Ende der untern Schläfenlinie nicht in diesen Wulst auf der Pars squamosa, sondern in eine Crista an der nach unten gerückten Pars mastoidea sich verlängert. 3. An den Schädeln aus dem Ende des mittleren Lebensalters ist die untere Schläfenlinie nach stärkerer Entwickelung des Kau- apparates und aufwärts gerückter oberer Grenze des Schläfenmuskels so sehr nach aufwärts gerückt, dass sie mit der obern Schläfenlinie zuerst bis auf das hintere Ende, später vollständig verschmolzen er- scheint. 4. Die obern Sehläfenlinien beider Seiten haben von einer Stelle ab dieht hinter ihrem Ursprunge aus der Crista frontalis externa einen nahezu parallelen Verlauf oder divergiren wenig an ihrem hin- tern Abschnitte. 5. Bei den Männchen mancher anthropoiden Affen (Gorilla, Orang) und andern altweltlichen Arten (Macacus, Cynocephalus) rücken die Sehläfenlinien beider Seiten so sehr aufwärts, dass sie auf dem Stirnbein und an der Pfeilnaht mit einander verschmelzen - und später zu einem Knochenwall, dem Scheitelkamm, sich auf- thürmen können. 6. Da zugleich die Cristae frontales externae so sehr eonver- giren, dass sie an der, durch sie eingeengten, Glabella zusammen- Ueber die Schliifenlinien und den Scheitelkamm ete. 533 stossen, so erstreckt sich der Scheitelkamm von der Stirnglatze bis zur Mitte der Lambdanaht resp. des Occipitalkammes und ragt selbst als ansehnliche Protuberanz, wie bei den Carnivoren, nach hinten noch mehr aus dem Niveau der Schädeloberfläche hervor. 7. Der Schädel des Weibchens bleibt bei geringerer Ausbildung des Gebisses und des gesammten Kauapparates zeitlebens der ge- rundeten Gestalt des jugendlichen und mittleren Lebensalters näher. Es kommt hier nur zur Verschmelzung der Schläfenlinien jeder Seite in eine, die obere, ohne dass sie die Pfeilnaht erreichen; es kommt hier nie zur Bildung des Scheitelkammes. 8. Mehrere Gattungen der amerikanischen Affen Cebus fatuellus Erxl., Pithecia Satanas Geoffr., Hapale Geoffroyi (?) Pucheron zeigen an den Schädeln alter Männchen Scheitelkämme, welche in jeder Beziehung den, von den altweltlichen Affen bekannten Scheitel- kämmen entsprechen und sich von der Glabella längs der Mitte des Stirnbeins und über der Pfeilnath bis zur Mitte der Lambdanaht resp. des Oceipitalkammes erstrecken. Bei den Weibchen der genannten Arten kommt, entsprechend dem Verhalten der Schädel der weib- lichen altweltlichen Affen, der Scheitelkamm nicht vor. 9. Ebenso wie die Linea semicircularis temp. inferior. beim Menschen zeitlebens und die Linea semieire. temp. sup. bei den Affen gegen Ende des mittleren Lebensalters und bei den Weibchen zeitiebens die obere Ursprungsgrenze des Schläfenmuskels darstellen, so bedeutet der Scheitelkamm, wo er vorkommt, sowohl bei den Affen der alten, als auch der neuen Welt, dass der Schläfenmuskel, resp. dessen Fascie bis über die Pfeilnaht hinaus sich erstreckt und stellt das Erweiterungsgebiet desselben über die ursprüngliche Schädel- oberfläche hinaus dar. Er bringt das Resultat der tangential auf die Knochenmasse der Schädelkapsel einwirkenden Druck- und Zug- gewalt des Schläfenmuskels zum Ausdruck. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXIV. Figur 1. Männlicher Schädel in 3/4 profil von Cebus fatuellus Erxl. Sehr altes Männchen. Figur 2. Männlicher Schädel in 3/4 profil von Pithecia Satanas Geoffr. Figur 3. Männulicher Schädel in profil von Hapale Geoffroyi (?) Pucheron. Figur 4. Weiblicher Schädel von Nyetipithecus trivirgatus Gray. Für alle Figuren gemeinschaftliche Bezeichnungen. c. f.e. Crista frontalis externa. c.s. Crista sagittalis. 1. Der dem Stirnbein angehörige Theil der Crista. 2. Der der Sutura sagittalis angehörige Theil. l.s.s. Linea semicircularis temp. superior bis « mit der inferior ver- schmolzen, von a ab in den hintern oder obern Schenkel (A) und in den untern oder vordern Schenkel (x) getheilt. Letzterer geht in die Knochenleiste e. m. an der Pars mastoidea des Schläfenbeins über. ian ad ee A £ Bu D > A ” 2 <2) u a ru? ‘ re w ont Sh x En . | ad Morphol. Jahrbuch. Ba. Il. Taf, XXXIV. auclor ad naturam delin. Jath Anst. Vo) & Bach, Feivzuy Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. Von Ant. Stecker in Prag. Mit Tafel XXXV und XXXVI. Durch die besondere Güte des Herrn AnanıEv in Odessa, dem ich hiermit meinen besten Dank abstatte, bin ich in den Besitz einer bedeutenden Anzahl von Calyptraea-Eiern gekommen, und da- mit in die Lage, betreffs der ersten Furchungsvorgänge bei Calyp- traea, besonders aber über die Entstehung der Keimblätter einen klaren Ueberblick zu gewinnen. Die Entwickelung dieses Proso- branchiers ist zwar schon öfters Gegenstand näherer, ontogenetischer Untersuchungen gewesen, und es sind insbesondere die russischen Embryologen STEPANOV und SALENSKI zu nennen, denen wir sehr wichtige und interessante Beiträge zur näheren Kenntniss der Ent- wickelungsgeschichte von Calyptraea verdanken. Während nämlich SrepANoy in seiner russisch geschriebenen Abhandlung!) hauptsächlich die Entwicklung der provisorischen Kopf- blase beschrieb, lieferte SALENSKI zuerst eine ziemlich klare Be- schreibung?) der Eifurchung und der zunächst folgenden Umände- I) Crenanost, Ucropia »möpiomaısuaro paspuria Calyptraea, Xappropp 1868. Leider ist mir trotz aller Mühe diese Abhandlung von STEPANOY nicht in die Hände gekommen, so dass mir der Inhalt derselben nur aus SALENSKIS An- gaben bekannt ist. ?) SALENSKI, W. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Prosobranchien ; Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie 1872. XXII B., pag. 428Sff. T. XXXV— XXXVI. 536 Ant. Stecker rungen des Embryo. Auch die Keimblätterbildung ist von dem Letzt- genannten richtig verfolgt und deutlich dargestellt worden: beson- ders ist hier seine Auffassung des Entoderms’ hervorzuheben. Da es mir aber bei meinen Untersuchungen gelungen, einerseits zu einigen nicht unwesentlichen neuen Resultaten in Bezug auf die sehr interessante Bildung der Keimblätter zu gelangen, anderseits aber den von STEPANOV und SALENSKI an Calyptraea-Embryonen an- gestellten Untersuchungen in mancher Hinsicht eine von der bisherigen verschiedene Deutung beizulegen, so habe ich mich entschlossen diese Zeilen, die als ein Nachtrag der von STEPANOV und SALENSKI über Calyptraea veröffentlichten Abhandlungen zu betrachten sind, der Oeffentlichkeit zu übergeben. Die Eier von Calyptraea werden nach deren Ablegung an verschiedene Gegenstände (Steine, Bruchstücke von Muscheln u. A.), an denen auch das Mutterthier festsitzend gefunden wird, angeklebt, und zwar, wie schon SALENSKI angibt, in glatten aus einer feineren umgebenden Hülle und einem flüssigen, feinkörnigen, eiweissartigen Inhalte bestehenden Eikapseln, die entweder von ellipsoidischer (ovaler) oder von birnförmiger Gestalt sind. Ob die Verschiedenheit in der Form der Eikapseln als ein specifischer Unterschied gelten kann, weiss ich nicht anzugeben, allerdings aber scheint es mir, dass hier zwei verschiedene Species zu unterscheiden sind, worauf sich auch die nicht zu übersehenden Abweichungen in der späteren, embryonalen Entwicklung der beiden Formen beziehen. In der fein- körnigen Flüssigkeit der Eikapsel schwimmen die einzelnen Eier frei umher; deren Zahl ist nicht constant, wie auch die Entwicklungs- stufe der einzelnen Eier in einer und derselben Kapsel sehr ver- schieden sein kann. Ich schliesse mich hierin der Ansicht STEPANOV’S an, da ich, gegen die Angabe SALENSKI’s, dass die einem und dem- selben Mutterthiere angehörenden Eier insgesammt in einem und dem- selben Entwicklungsstadium sich vorfänden, dieselben in verschie- denen, wenn auch nicht sehr von einander abweichenden Phasen der ‘Entwicklung gefunden habe. Die in den Kapseln eingeschlossenen Eier, in denen wir auf den ersten Blick zwei verschiedene Elemente unterscheiden miissen, werden einem totalen (inaequalen) Furchungsprocesse unterworfen. Die erwähnten Elemente sind eine grössere Kugel schwarzbrauner Masse und ein daraufliegender heller Tropfen einer ölartig aussehen- den Flüssigkeit. Ueber die Bedeutung derselben wird uns die, diesem - Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. 537 Entwickelungsstadium vorausgehende Phase Aufklärung geben kön- nen. Das eben erwähnte Stadium zeigt nämlich die erste Anlage des Furchungsprocesses, wodurch zuerst der Unterschied zwischen dem animalen und dem vegetativen Eipole deutlich wahrnehmbar wird. Bei einer näheren Untersuchung ergibt sich, dass der grosse schwarzbraune Ballen eine dem Nahrungsdotter homologe Deuto- plasmaportion vorstellt, während der helle ölartig aussehende Tropfen dem Bildungsdotter gleichzustellen ist. Das Deutoplasma des Nah- rungsdotters besteht aus sehr kleinen Fettkügelchen und ist grob- körnig; durch die Anhäufung der Pigmentkörnchen und der Dotter- tropfen an dem der kleinen Protoplasmakugel entgegengesetzten Eipole bekommt die vegetative Partie des Nahrungsdotters ihre schwarz- braune Färbung. Der Nahrungsdotter ist mit einem deutlichen Kerne versehen. Das Protoplasma (der Bildungsdotter) dagegen ist mit sehr feinen Körnchen gefüllt und erscheint als eine durchsichtige, fein- körnige Masse, mit einem deutlichen, grossen, braunen Kerne, der aus unzähligen kleinen Kérperchen zusammengesetzt ist. Das allererste Entwicklungsstadium von Calyptraea, welches zu untersuchen ich Gelegenheit fand, zeigte das Ei als nur mit dem deutoplasmatischen Elemente gefüllt vor; nach einiger Zeit klärte sich aber die Masse an dem später animalen Eipole, das Deutoplasma ward ein wenig durchsichtiger, welcher Vorgang (wie ich gleich ein- sah) nur von der Ansammlung der protoplasmatischen Masse an dieser Stelle herriihrte. Nach einiger Zeit hat sich aber das immer trüber und undurchsichtiger gewordene Deutoplasma, weil schwerer, in die untere, das Protoplasma in die obere Hälfte des Eies zurückgezogen, und so durch eine totale Trennung den Nahrungsdotter und den Bil- dungsdotter deutlich gemacht. Dabei muss aber noch eines mir wichtig erscheinenden Umstandes erwähnt werden. In dem als aller- erstes bezeichneten Stadium ist nämlich ein dem Keimbläschen ho- mologes Gebilde wahrzunehmen; da aber in dem nächstfolgenden Stadium. in dem der Nahrungs- und Bildungsdotter schon ganz von einander getrennt erscheinen, das Gebilde nicht mehr vorzufinden war (es hat sieh unterdessen an derselben Stelle ein brauner Kern aus- gebildet) !, so scheint mir die Annahme gerechtfertigt zu sein, dass die Abscheidung des Protoplasma von dem Deutoplasma mit dem Schwinden des Keimbläschens im Zusammenhange steht. Die Son- !) Eine analoge Ausbildung eines braunen Kernes aus abgeschiedenen Körn- chen des Protoplasma, an der Stelle des zu Grunde gegangenen Keimbläschens, 538 Ant. Stecker derung des Nahrungs- und Bildungsdotters ist also als die allererste Stufe des Furchungsvorganges zu bezeichnen. Der von dem Bildungsdotter abgesonderte Nahrungsdotter beginnt sich dann weiter zu theilen. Zwar geht dem Anscheine nach die Theilung zuerst an dem grösseren Nahrungsdotter vor sich, und man hat deswegen ange- nommen, dass erst, nachdem der Nahrungsdotter durch einen meri- dionalen und einen äquatorialen Axenschnitt in zwei und vier Segmente zerfallen ist, auch der Bildungsdotter sich zu theilen beginnt. Nach SALENSKTS Angabe sprosst nun, erst nach beendigter Theilung des Nahrungsdotters in vier Segmente, an einem bestimmten Pole einer jeden Furchungskugel je eine kleine, feinkörnige Zelle hervor, welche dann einen dem Nahrungsdotter aufliegenden Haufen bilden hilft (l. e. pag. 431). Ich muss aber entschieden einer solchen Auffassung der Ent- stehung des Bildungsdotters bei Calyptraea entgegentreten, denn wie ich bereits angegeben, ist schon mit dem ersten Auftreten des Nahrungsdotters als solchem der protoplasmatische Bildungsdotter, und zwar in der Form einer vom Nahrungsdotter deutlich geson- derten Kugel vorhanden. Der Bildungsdotter zeigt bei sehr starker Vergrösserung schon in dem Momente, wo der Nahrungsdotter durch den meridianen Schnitt in zwei Hälften zerfällt, ebenfalls einen sehr feinen Einschnitt, der aber noch nicht so weit fortgeschritten ist, um eine Theilung zu Stande zu bringen. Später ist auch eine äqua- toriale Furche wahrzunehmen. In diesem Stadium hat der Bildungs- dotter anstatt seiner ursprünglichen kugelförmigen eine linsenförmige, in der Mitte stark comprimirte Gestalt. Zugleich aber nehmen die Nahrungsdottersegmente (Nahrungszellen), allem Anscheine nach in Folge einer Umdrehung von 90° in der Riehtung des meridianen Axialschnittes zu dem Bildungsdotter eine solehe Stellung an, dass je eine nun schon fertig dastehende Bildungszelle je einer grossen Kugel des Nahrungsdotters aufliegt. Die Bildungszellen sind ziem- lich klein, feinkörnig, durchsichtig und mit einem grossen, braunen Kern versehen. Der braune Kern ist aus zahlreichen, sehr kleinen Kérnchen zusammengesetzt. Auf diese Art: lässt sich nun der Irr- thum früherer Forscher erklären, nach welchen die kleinen Zellen findet nach meinen Untersuchungen (s. Die Entwicklung der Chthonius-Eier im Mutterleibe und die Bildung des Blastoderms. Sitzungsber. der königl. böhm. Gesellsch. der Wissenschaften. 3. Heft. 1876) auch bei der Entwicklung der Scheerenspinnen statt. Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. 539 des Bildungsdotters aus den grossen Furchungssegmenten des Nah- rungsdotters, etwa in Folge einer Abscheidung, entstanden wären. Uebrigens ist diese Modification der Blastodermbildung, wie ich in meiner Abhandlung über Entwicklung der Chthoniuseier (l. ¢.) zu zeigen Gelegenheit hatte, anderswo wirklich vorhanden. Bei den Scheerenspinnen nämlich, sowie bei vielen anderen Arachniden (Lun- wig) ist fast durch den ganzen Zerkliiftungsprocess das den Bil- dungsdotter darstellende Protoplasma in den einzelnen Nahrungs- dotterkugeln eingeschlossen, und kommt erst nach beendigter Furehung des Nahrungsdotters, als eine denselben umgebende Zel- lenschicht, aus den Centralhéhlen heraus. Die Zellen des Nah- rungsdotters bilden dann das Entoderm, während die kleinen aus- veschiedenen Bildungszellen zu Exoderm werden. Bei Calyptraea entstehen nun die ersten vier Bildungsdotter- segmente durch eine regelmässige Furchung, nur mit der Modification, dass der meridionale und äquatoriale Schnitt erst dann in der Mitte der Bildungsdotterlinse zusammentreffen, also dieselbe in vier Zellen theilen, wenn der schon in vier Segmente getheilte Nahrungsdotter seine Axenumdrehung vollbracht hat. Der Nahrungsdotter bleibt nun, während einer weiteren Zerklüftung der Bildungszellen, eine Zeit hindurch dem Anscheine nach ganz unverändert. In der That ist aber auch er der Furchung unterworfen, nur geht dieselbe da nicht so rasch vor sich, wie an dem Protoplasma, das nach einer sehr kurzen Zeit, binnen welcher die Theilung des Nahrungsdotters in acht Segmente noch nicht beendigt ist, schon sechzehn Bildungs- zellen unterscheiden lässt. Die Bildungszellen sind siimmtlich mit deutlichen Kernen versehen und lagern sich so, dass sie sich immer mehr an der Oberfläche der grossen Nahrungszellen ausbreiten. Die nächstfolgende Theilung der Bildungszellen in 32, führt auch die Zer- klüftung des Nahrungsdotters in acht Segmente herbei. Es ist nicht uninteressant die Anordnung der einzelnen Elemente in dem Eivolumen zu verfolgen. Mit der Theilung des Nahrungsdotters in acht Zellen erhält das Ei anstatt der früheren Kugelform eine mehr länglieh-eiför- mige Gestalt. Die Ursache liegt darin, dass sich die Nahrungszellen von den Keimzellen ein wenig entfernt und in der umfangreicheren Hälfte des eiförmigen Eies angereiht haben; zugleich haben sich aber die Bildungszellen in der oberen, animalen Hälfte des Eies so aus- gebreitet, dass sie fast die Hälfte des Eies einnehmen. Die Fur- chungshöhle gelangt in diesem Stadium zu ihrem grössten Umfange. Bei der abermaligen Theilung der Dotterzellen in 16, welcher eine 540 Ant. Stecker Theilung der Keimzellen oder Bildungszellen in 64 und 128, zugleich aber eine Umwachsung fast der ganzen Dotterzellenoberfläche ent- spricht, zeigten die das Ei zusammensetzenden Formelemente im op- tischen Meridianschnitte folgende Anordnung: Die peripherischen Keimzellen bilden eine unter der Dotterhaut liegende, aus einer ein- fachen Schicht durchsichtiger, mit einem deutlichen Kerne versehener Zellen bestehende Blase, welcher gegen das Eicentrum zu eine andere aus grossen Kugeln bestehende Schicht der Dotterzellen folgt. Die Dotterzellen sind stark abgeplattet, mit einem deutlichen, braunen Kern versehen und bilden die Wand der inneren Höhle, welche durch eine kleine Oeffnung mit der Oberfläche communicirt. Wir unterscheiden nun eine innere Höhle (Urdarmhöhle), eine innere und eine äussere Zellenlage. Die Barr’sche Höhle ist stark reducirt und erscheint in dieser Zeit nur als ein kleiner im Durchschnitte sichelförmiger Hohlraum zwischen den beiden Zellenlagen am ani- malen Pole des Eies. Die äussere Zellenlage umwächst endlich, unter einer noch- maligen Theilung ihrer Elemente, zugleich aber bei einer Einstülpung sämmtlicher Dotterzellen in das Innere, wobei einige derselben auch in die Urdarmhöhle eindringen, gänzlich die Nahrungszellenlage; da- durch ist die eigentliche Furchung als beendet zu bezeichnen. Die Bildungszellen platten sich immer mehr ab. Die Keimhaut ist also theilweise gebildet und wir unterscheiden an ihr das vegetative Ento- derm (Nahrungszellenlage) und das animale Exoderm (Bildungszellen- schicht). Die Entstehung des Blastoderms wurde schon von SALENSKI richtig aufgefasst. Auch erwähnt dieser ausgezeichnete Forscher der von LACAZE-DUTHIERS, STEPANOV und STUART angenommenen Er- klärungen, nach denen sich, entweder aus den an dem animalen Eipole angehäuften Eizellen direet einzelne embryonale Organe entwickeln (LACAZE - DUTHIERS, STEPANOV), oder das Blastoderma ganz unab- hängig von den grossen Dotterzellen sich ausbildet (STUART). Zu dem was schon SALENSKI gegen die letztere Anschauung an- führt, bemerke ich, dass LACAZE-DUTHIERS’ und STEPANOV’s Annahme im engeren Sinne als richtig bezeichnet werden muss. Es ent- wickeln sich wirklich die embryonalen Organe (wie Fuss, Velum ete.) aus den kleinen Bildungszellen, wohl aber geht der Ausbildung die Umwachsung der Zellen um den Nahrungsdotter voraus. Dass STE- PANOV Embryonen vorgefunden zu haben angibt, die nur theilweise vom Blastoderm überkleidet waren, ist nur dadurch erklärlich, dass Ueber die Furchung und Keimbliitterbildung bei Calyptraea. 541 er irrthümlicherweise nur die Bildungszellenschicht exclusive für das Blastoderm ansah. — Dass sich aber das Blastoderm ganz unab- hiingig von den grossen Dotterzellen ausbildet, wie Sruarr angibt, lässt sich nur durch den Irrthum erklären, dass die Keimzellen allein die Blastodermblase bilden sollten. Ueber die zweischichtige Blasto- dermblase bei Calyptraea schreibt SALEnsKı folgendermassen : »In Folge des eben besprochenen Ueberwachsens der feinkörnigen Fur- chungskugeln über die grobkörnigen, stellt jetzt das Ei einen läng- lieh-ovalen Körper dar, der aus zwei Schichten zusammengesetzt ist. Die erste Differenzirung der Embryonalzellen ist für die weitere Ent- wicklung des Embryo um so bedeutungsvoller, als diese Schichten zur Bildung von bestimmten Organen dienen, und zwar von denen, die aus den entsprechenden Keimblättern bei verschiedenen anderen Thierklassen entstehen. Darum halte ich es für ganz erlaubt, diese Schichten für Keimblätter zu nehmen. In Bezug auf das obere Keim- blatt ist diese Annahme evident richtig, da dasselbe während der ganzen Entwicklungszeit sehr scharf abgegrenzt ist. Was die untere Schicht anbetrifft, so hat man sie früher als sogenannten Nahrungs- dotter bezeichnet, weil dieselbe — nach früherer Auffassung — wäh- rend der weiteren Entwicklung an Masse abnimmt, und also als Nahrungsstoff für den weiter sich entwiekelnden Embryo dienen sollte. Es kann jedoch diese Abnahme keineswegs ein Hinderniss für die Auffassung der inneren Schicht, als unteren Keimblattes sein.« (l..e. pag. 432.) Was die nach SALENSKI früher als Nahrungsdotter aufgefasste Schicht anbelangt, so scheint mir die Bezeichnung »Nahrungsdotter« trotz der späteren Function desselben als Entoderm ganz berechtigt zu sein. Man braucht nur die spätere embryonale Entwieklung von Calyptraea in’s Augenmerk zu fassen, ohne an die Verhältnisse des unteren Keimblattes bei Euaxes erinnern zu müssen, und sogleich tritt die vegetative Bedeutung des deutoplasmatischen Entoderms klar hervor. Auch die Blätterbildung von anderen Prosobranchien stimmt mit dieser von uns bei Calyptraea beschriebenen im Ganzen ziemlich überein. Die Entwicklung von Trochus geht fast in derselben Weise vor sich, nur tritt der merkbare Unterschied ein, dass die Furchung im Anfange mehr an die Furchung der in den ovalen Eikapseln eingeschlossenen Calyptraea-Eier erinnert (wie ich später nachweisen werde). Es theilt sich nämlich bei Trochus die ganze Masse des Kies noch vor der characteristischen Abscheidung des Protoplasma 542 Ant. Stecker von dem Deutoplasma in zwei, dann in vier Segmente, deren jedes aber schon jetzt die zwei Elemente nach der verschiedenen Färbung derselben wahrnehmen lässt. Dann erst folgt die Sonderung des Bildungsdotters, und die Furchung, die ganz in gewöhnlicher Weise fortschreitet. — Was zunächst die von SELENKA beschriebene Ei- furchung bei Purpura anbetrifft, ist auch diese bis auf die sonder- bare Entstehung des inneren Keimblattes, der Zerklüftung bei Ca- lyptraea ganz analog. Der Nahrungsdotter ist hier ausserordentlich gross, so dass die primär gefurchte Schicht der kleinen hellen Bil- dungszellen am animalen Bildungspole eine fast halbkugelférmige Kappe bildet. Diese umwächst die grosszellige, erst secundär ge- furchte Masse der grossen, dunkeln Nahrungszellen. Hierauf schlägt sich der verdickte Rand der primären, hellen Keimschicht am untern Nahrungspole nach innen um und seine eingestülpte Verlängerung wächst nun als seeundäre Keimschicht zwischen den grossen Dotter- kugeln und der primären Keimschicht nach dem oberen Bildungs- pole zurück. Diese Entodermbildung steht ganz vereinzelt unter den sonst bei den Prosobranchiern beobachteten Vorgängen da. Es fragt sich, ob es nicht richtiger wäre, die äussere Schicht als Exoderm, die srossen Nahrungszellen als Entoderm, die durch eine Einstülpung nach innen gelangenden Zellen aber als etwaige Derivate der Exo- und Entodermzellen, d. h. als ein dem Mesoderm homologes Ge- bilde zu bezeichnen. Dass eine solche Ausbildung des unteren Keim- blattes immer unsicher bleibt, hat neuerdings auch CLAus gezeigt, indem er in seiner Zoologie!) bei der Entstehung des Darmdrüsen- blattes bei Purpura nach SELENKA ein Fragezeichen setzt. Uebrigens kann ich mich über diesen Gegenstand nicht mit Sicherheit aus- sprechen, da ich die Entwicklung von Purpura zu verfolgen noch keine Gelegenheit fand, und es doch immerhin möglich ist, dass \) 3. Auflage, 1876. pag. 789. Dabei erlaube ich mir auf einen Fehler, der sich in die Darstellung der Furchung von Purpura nach SELENKA eingeschlichen, hat, aufmerksam zu machen. Es heisst dort: »Dagegen ist nach SELENKA bei Purpura schon die erste Dottertheilung ungleichmiissig. Aus der grössern Kugel, die sich nun viel rascher furchen soll, geht der Nahrungsdotter, aus der klemeren der Bildungsdotter hervor, welcher von dem ersteren bis auf eine Stelle umwachsen wird.« Hier ist wohl eine Verwechslung des Bildungsdotters mit dem Nahrungsdotter eingetreten, da es bereits bekannt ist, dass der Bil- dungsdotter den Nahrungsdotter umwächst, aber nieht umgekehrt. Auch geht die Furchung des Nahrungsdotters nicht viel rascher vor sich; der Nahrungs- dotter bei Purpura hat eine secundäre Zerklüftung. Ueber die Furchung und Keimbliitterbildung bei Calyptraea. 543 das untere Keimblatt auf solche Weise entsteht, was freilich ein Uebergang zu einer anderen Furchungsart wäre. Die Entwicklung von Purpura erinnert in der That eher an die diskoidale, als an die für die Gastropoden, und speciell für die Prosobranchien so cha- racteristische inäquale Furchung. Nicht nur die Prosobranchien, auch die zu den Opisthobranchien gehörende Aplysia, deren Entwicklung ich weitläufig verfolgen konnte, zeigt eine ähnliche Blätterbildung wie Calyptraea!). Ausser bei 1) Hier sei es mir erlaubt, aus meinen zahlreichen embryologischen Be- obachtungen eine auf die Entstehung der drei Keimblätter bei Aplysia bezüg- liche in Kürze mitzutheilen. Die Eier von Aplysia findet man im mittelländi- schen Meere in ungemein grosser Anzahl; dieselben werden gewöhnlich in langen Laichschniiren abgesetzt, und schwimmen frei umher. Das von einer ziemlich festen Dotterhaut umgebene Ei lässt schon am Anfange seiner Entwicklung die zwei Hauptelemente d. i. das Proto- und Deutoplasma unterscheiden, und zwar zerfällt daselbst der ganze dem Anscheine nach homologe Eiinhalt zuerst in zwei Ballen, die sich an den beiden Eipolen so ansammeln, dass der dem ani- malen Pole zukommende Ballen klar, durchsichtig und feinkörnig, während die dem vegetativen Pole entsprechende Plasmaportion trübe, grobkömig und von den hier angehäuften Dottertropfen gelblich gefärbt erscheint. Sodann theilt sich jede der zwei Kugeln in zwei kleinere, so dass wir nun zwei Bildungs- und zwei Nahrungszellen vor uns haben. Die Zerklüftung erfolgt anfangs ganz regelmässig, nach einer Zeit aber erlahmt die Furchungsfähigkeit der Nahrungs- zellen, und so geht der Zerklüftungsprocess nur an dem Bildungsdotter vor sich, und zwar so rasch, dass nach einer ziemlich geringen Zeit die grösseren, gelb- lichbraunen Nahrungszellen von den Bildungszellen gänzlich umsponnen sind. Dadurch entsteht nun auf ähnliche Weise wie bei Calyptraea das Blastoderm, und zwar ein mehrschichtiges Exoderm, und ein einschichtiges aus den Nahrungs- zellen bestehendes Entoderm. Zwischen den beiden Blastodermzellenlagen, d. h. zwischen dem Ento- und Exoderm entstehen nun die Mesodermzellen ; nach einer etwaigen Trennnng des Entoderms von dem Hautsinnesblatte reissen sich nämlich zuerst von dem oberen Keimblatte einige grössere Zellen ab, die meist von kugeliger Gestalt (die Zellen des eigentlichen Exoderms sind meist pflasterförmig angereiht), mit einer grossen Anzahl von gröberen Körnchen ge- füllt sind. Dieselben schwärmen eine Zeit lang in der durch die Sonderung der zwei Keimblätter entstandenen, im Durchschnitt sichelförmigen Lücke, die nicht mit der BAaerr’schen Höhle identifieirt werden darf, frei umher, setzen sich dann an einer Stelle des unteren Keimblattes fest, werden offenbar in Folge einer Aufnahme des Deutoplasmas umfangreicher, und zerfallen endlich in zwei, vier u.8. w. Durch neue Abreissungen von Exodermzellen und durch Theilung derselben nach vorausgehender Volumzunahme entsteht das Mittelblatt, dessen Zellen sehr charaeteristisch und an Querschnitten gleich zu erkennen sind. Sie sind nämlich kugelrund, von aschgrauer Farbe und mit kleinen Körnchen dicht gefüllt, manchmal auch mit Dottertropfen wie vollgepfropft. Die Blätterbildung von Aplysia weicht also nicht sehr von jener bei Ca- lyptraea ab. Die Hauptpunete bleiben wie bei den Prosobranchien, so auch bei den Opisthobranchien so ziemlich dieselben. 544 Ant. Stecker Aplysia habe ich auch bei Pleurobranchaea die Blätterbildung unter- sucht; dieselbe geschieht ziemlich in derselben Weise, wie bei Aplysia, so dass sie keiner näheren Auseinandersetzung bedarf. Was nun zunächst wieder die Furchung von Calyptraea anbe- langt, habe ich bereits oben einen Unterschied in der Entwicklung der Eier in den birnförmigen, von denen in den ellipsoidischen Kapseln festgestellt, und habe schon dort bemerkt, dass man es möglicher- weise mit zwei verschiedenen Arten zu thun habe. Die Verschieden- heiten, denen man in der ersten embryonalen Entwicklung der bei- den Eierarten begegnet, lassen auf eine solche verschiedene Ab- stammung der Eier schliessen, die vielleicht sogar einer generischen Differenz entspricht. Die von mir bereits beschriebene Entwicklung bezieht sich auf diejenige Calyptraea-Art (Calyptraea simensis ?) welche ihre Eier in birnförmige Kapseln einschliesst. Ein wenig anders gestaltet sich der Zerklüftungsprocess bei den in ellipsoidi- schen Kapseln eingeschlossenen Eiern. Dieselben sind zwar auch einem totalen Furchungsvorgange unterworfen, nur tritt bei ihnen der strenge Unterschied zwischen der Bildungs- und Nahrungsdotter- masse erst bei einer ziemlich vorgerückten Theilung ein. Das mit einer homogenen, schwiirzlichen Dottermasse angefüllte Ei theilt sich, nachdem das dem Keimbläschen entsprechende Gebilde bereits durch einen grossen dunkeln Kern ersetzt ist, in zwei ziemlich gleiche Furchungskugeln; nach einer Zeit theilt sich jede dieser Kugeln durch eine dem Aequator parallele, aber dem einen Pole näher liegende Ringfurehe in vier Zellen. Schon diese Theilung führt eine Sonderung der beiden Protoplasmamassen mit sich, die dem animalen Pole zukommende Hälfte wird heller, während die vegetative schwarz- braun bleibt. Die darauf folgende Theilung der Furchungskugeln macht nun den Unterschied zwischen den beiden Elementen ganz deutlich, indem wir nun vier, klar ausgesprochene »Nahrungszellen« und vier kleinere »Bildungszellen« unterscheiden. Die Bildungszellen vermehren sich viel rascher, weil die Thheilungsfähigkeit der Nah- rungszellen frühzeitig erlahmt. Zuerst wird nun die das Exoderm bildende Schicht von Bildungszellen als eine concave, einer Klappe ähnlichen Lage an dem animalen Pole sichtbar, durch die fortdauernde Theilung der Zellen aber breitet sich die Kappe immer mehr und mehr aus, während zugleich die Nahrungszellen in der vegetativen Hälfte sich eonvex anordnen. Bisher begrenzten die Bildungszellen die Barr’sche oder Furchungs-Höhle am animalen, die Nahrungs- zellen aber am vegetativen Pole; bei abermaliger Theilung breiten > Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. _ 545 sich aber die Bildungszellen aus der animalen Eihälfte über die vege- tative und umwachsen die Nahrungszellen, diese aber drängen in Folge dessen in die Furchungshöhle ein und füllen dieselbe immer mehr aus, bis von ihr nur eine im Durchschnitt sichelförmige Lücke am animalen Pole verbleibt. Dabei wird das Ei länglich-eiförmig, die Bildungszellen umgeben die Dotterzellen immer mehr, so dass endlich das Ei im optischen Meridianschnitte, nach beendigter Fur- chung so aussieht, wie ich es schon früher beschrieben habe, nach- dem das Blastoderm sich bereits entwickelt hatte. Nach dieser Darstellung des Furchungsvorganges und der Ent- stehung zweier Keimblätter bei Calyptraea sei noch die Entstehung des dritten (mittleren) Keimblattes. wie ich sie an zahlreichen Em- bryonen beobachten konnte, erklärt. Wie SALENSKI richtig bemerkt, geht der Ausbildung des Mittel- blattes eine Anhäufung von Zellen an derjenigen Stelle des Embryo voraus, welche später zur Bauchseite werden soll. Dies geschieht folgendermassen: Nachdem sich die Bildungs- und Nahrungszellen in das zweischichtige Blastoderm verwandelt haben, d. i. nachdem das Darmdrüsen- und Hautsinnesblatt ganz ausgebildet dastehen, be- ginnen auf der Bauchseite des Embryo nahe am Urmunde die Zellen des Exoderms sich von den Zellen des Entoderms, denen sie bisher dieht anlagen, ein wenig abzuheben. Durch diese Trennung der beiden Keimblätter, wobei die Zellen des Entoderms ihre Lage nicht ändern, entsteht nun zuerst an der eben bezeichneten Stelle aussen eine ovale Ausstülpung, innen aber eine im Durchschnitt sichelför- mige Lücke, die sich nach und nach um das ganze Entoderm aus- breitet und einen fast hohlkugelförmigen Raum bildet, so dass nach einiger Zeit das obere Keimblatt, von dem unteren überall entfernt erscheint. An derjenigen Stelle nun, wo der Anfang der Trennung gewesen, und wo die Lücke immer umfangreicher bleibt, reissen sich, noch vor der totalen peripherischen Trennung, von dem oberen Keim- blatte einige Zellen ab, welche schon längere Zeit durch ihre ausser- ordentliche Grösse und meist ovale Gestalt mir auffallen. Diese Zellen will ich vasculiire Zellen nennen; sie unterscheiden sich sehr scharf von den Bildungs- und Nahrungszellen; sie sind, wie bemerkt, oval und meist von aschgrauer Farbe; in ihrem Innern zeigen sie nebst unzähligen kleinen Körnchen auch kleine Vacuolen. Was die Frage von deren Entstehung anbelangt, so kann ich leider keine genügende Auskunft darüber geben. Es sind dies vielleicht Zellen, welche durch das Zusammenfliessen einer Anzahl von Exo- Morpholog. Jahrbuch. 2. 37 546 Ant. Stecker dermzellen entstanden sind, und welche ich zuerst auf derjenigen Stelle plötzlich entstehen sah, wo das Hautsinnesblatt in das Darm- drüsenblatt übergeht. Sie zeigen Bewegungserscheinungen, und ver- mehren sich sehr rasch. Ihre Bedeutung ist für die Entstehung des mittleren Keimblattes von grösster Wichtigkeit, wenn sie auch keines- wees als Mittelblattzellen anzusehen sind. Wie oben bemerkt reissen diese Zellen sieh nach vorausgegangener Trennung von dem oberen Keimblatte ab. schwärmen eine Zeit lang umher, setzen sich dann an das untere Blatt fest, und werden wie bei Aplysia möglicher- weise in Folge etwaiger Aufnahme deutoplasmatischer Elemente umfangreicher; zugleich tritt eine Vermehrung ihrer Vaeuolen ein. Plötzlich löst sich die so gestaltete Zelle ab und zerfällt in eine An- zahl kleiner rundlicher, mit deutlichen Kernen versehener Zellen: diese neuen Zellen gruppiren sich nebeneinander, vermehren sich durch endogene Zellbildung (d. i. durch neue Theilung), und bilden so nach einiger Zeit eine ziemlich dieke, mehrschichtige Masse, welehe nunmehr das eigentliche Mittelblatt vorstellt. Dieser wichtige Vorgang bei der Zellenbildung wurde von mir zu- erst an derjenigen Stelle beobachtet, die der oben erwähnten Aus- stülpung der Keimhaut entsprieht. Die Mittelblattzellen füllen zuerst die früher erwähnte Lücke aus, und verbreiten sich allmälig um das ganze Entoderm. Es sind nun am Ei drei Schichten erkennbar, das einschichtige aus platten, durehsichtigen Protoplasmazellen be- stehende Exoderm, das aus kugelrunden, aschgrauen und kernreichen Zellen zusammengesetzte, mehrschichtige Mesoderm, dessen Zellen als protoplasmatisch und deutoplasmatisch zugleich zu bezeichnen sind, und das einschichtige aus grossen bräunlichen Deutoplasma- zellen gebildete Entoderm. Schon SALENSKI ahnte die Entstehung des Mittelblattes aus Zellen des oberen Keimblattes, konnte aber die unmittelbare Ausbildung desselben nieht verfolgen. Er äussert sich darüber in seiner vor- trefflichen Abhandlung ungefähr wie folgt: »Das Wichtigste was man in dem unmittelbar folgenden Stadium bemerkt, ist die Anwesenheit einer Zellenschicht zwischen dem oberen und unteren Keimblatt. Diese Schieht ist nämlieh das mittlere Keimblatt, daraus hauptsäch- lich die Muskeln in Fuss und Kopfblase, sowie auch das Herz sich entwickeln. Die Zellen dieses mittleren Blattes unterscheiden sich sehr scharf von denen des oberen; sie sind oval, sehr abgeplattet, und besitzen ein sehr feinkörniges und dunkles Protoplasma, wäh- rend die des oberen Keimblattes durch eylindrische Gestalt und helles Ueber die Furchung und Keimblätterbildung bei Calyptraea. 547 Protoplasma sich auszeichnen. — Was die Frage iiber die Entwick- lungsweise des mittleren Blattes betrifft, so lisst sich leider dariiber keine genügende Auskunft geben. Die Möglichkeit liegt nahe, dass dasselbe aus dem oberen Blatte entsteht. Das mittlere Blatt scheint zuerst nur an der Bauchseite resp. an Fuss und Kopfblase des Em- bryos angelegt zu sein; später erst geht es auch auf die Rückenseite des Embryo über, um an der Bildung verschiedener muskulöser Or- gane Theil zu nehmen.« (I. e. pag. 433, 434.) a Wohl ist in dieser Darstellung der Umstand nicht zu übersehen, dass SALENSKI von einem »einschichtigen, aus stark abgeplatteten Zellen bestehenden Mittelblatte« spricht. Diese unseren Ergebnissen entgegenstehende Annahme ist vielleicht dadurch zu erklären, dass SALENSKI nicht die eigentlichen Mesodermschichten, sondern die den- selben vorausgehende Lage der »vaseulären Zellen«, aus denen erst die Mesodermzellen entstehen, für das Mittelblatt hielt. Die vasculiiren Zellen sind in der That oval, bestehen aus dunklem Protoplasma und erscheinen stellenweise auch als zusammenhängende Schicht. Mit der Ausbildung des Mittelblattes, dessen Zellen richtig nach SALENSKI zur Bildung der Muskeln und der Kreislaufsorgane dienen, steht die Entstehung der sog. Kopfblase in naher Verbindung. Ob- wohl schon Stepanov die Ausbildung derselben nach SALENSKI aus- gezeichnet beschrieben hat, so erlaube ich mir doch einige Worte über diesen wichtigen Vorgang beizufügen, zumal da mir STEPANOV’S Abhandlung, wie bemerkt, trotz aller Mühe unzugänglich geblieben, so dass die folgende Darstellung der Entstehung der Kopfblase auf meinen unmittelbaren Beobachtungen basirt. Wie bemerkt stülpt sich die oberflächliche Zellenlage des Exo- derms an einer Stelle der Keimhaut aus, wodurch eine ovale Aus- buehtung derselben bewirkt wird. Nun bemerkt man in der Mitte dieser Ausbuchtung eine zuerst sehr kleine, en fage halbmondförmige Einsenkung. Diese nimmt nach und nach an Tiefe und Grösse zu und zwar so, dass sie nach einiger Zeit, indem sie durch Verlänge- rung ihrer Enden stark hufeisenförmig wird, eine von ziemlich hohen Seitenwänden (den späteren Anlagen des Wimpersegels) umgrenzte Falte darstellt. Am senkrechten Längsschnitte durch die Mittellinie der Grube unterscheiden wir zunächst eine Hebung der Keimhaut, dann eine plötzliche Senkung derselben, indem sich die Keimhaut hier umschlägt und ein wenig in entgegengesetzter Richtung als bis- her, also nach hinten anstatt nach vorn sich fortsetzt. Bald jedoch sich wieder umbiegend und wieder vorwärts strebend, erreicht die orf 548 Ant. Stecker, Ueber die Furchung ete, Keimhaut allmiilig ansteigend ihr urspriingliches Niveau. Die Grube hat sich also nicht blos in der verticalen Richtung vergrössert, son- dern auch mit der Längsaxe des Eies parallel gegen den animalen Pol zu ausgebreitet. Dies ist die erste Anlage der Kopfblase. Im Längsschnitt erscheint das Gebilde ziemlich wie eine &-förmige Falte. Nun wächst die Kopffalte weiter, die obere Krümmung schreitet fort- während nach vorn vor, während der untere Bogen immer mehr nach hinten dringt, so dass dadurch beide Einstülpungsräume immer länger werden. Die obere Krümmung des & gehört einem röhrenförmigen Vorsprunge an, die untere entspricht einer die Kopfblase als eine stark hufeisenförmige Grube umziehenden Vertiefung. Ich sage »Kopf- blase«, da der von der obern Krümmung umzogene Vorsprung nach einer Volumzunahme in Folge einer durch Ansammlung einer dureh- sichtigen, eiweissartigen Flüssigkeit in der Röhre entstehenden Auf- treibung, zu dem eigentlichen, von StTEPANoV als »Kopfblase« be- zeichneten Organe wird. (Eine Analogie mit der Bildung des Kopfes bei einem Hühnchenembryo.) Die hufeisenförmige Grube, welche oben von der Kopfblase, seitwärts von den Anlagen des Wimpersegels be- grenzt ist, ist als die allererste Anlage des Vorderdarms zu be- zeichnen. Was zunächst den histologischen Bau der Kopfblase anbetrifft, so unterscheiden wir nach SALENSKI folgende Umänderung der Zellen der drei Keimblätter: Die Exodermzellen stellen die ganze Entwick- lung hindurch eine durchgängig homogene Substanz dar, in der grosse Kerne wahrzunehmen sind; die Mesodermzellen nehmen eine spindel- formige Gestalt an, dehnen sich durch die ganze Höhle der Blase zwischen dem oberen und dem unteren Keimblatte, und heften sich an beide mit ihren Enden fest. Die Entodermzellen dringen nicht mit in die Kopfblase ein, und bleiben noch ohne irgend eine wichtige Ver- änderung. Zwischen ihnen und der Kopfblase sammelt sich diejenige eiweissartige Flüssigkeit an, welche die ursprüngliche Auftreibung der Kopfblase bewirkte. Dieselbe ist vielleicht mit der von mir bei Chernetidenembryonen beobachteten eiweissartigen Flüssigkeit zu vergleichen (s. Entwicklung der Chthonius-Eier, 1. e. pag. 9, 10), über deren Bedeutung bisher nichts Sicheres angegeben werden kann. Figur Figur Figur Figur Figur 6. Figur 7. Figur 8. Figur 9. Figur 10, Figur 11. Figur 12. Figur 13. Figur 14. we d. Figur 4. 5 Erklärung der Abbildungen. a. Exoderm. b. Entoderm. e. vasculäre Zellen. d. Mesoderm. th. Furchungshöhle. wh. Urdarmhöhle. kf. Kopffalte. kb. Kopfblase. ws. Wimpersegel. Tafel XXXV. Ein Furchungsstadium von Calyptraea mit zwei Dotterzellen. Ein etwas weiter fortgeschrittenes Stadium mit vier Nahrungsdotter- segmenten. Ein Stadium mit vier Bildungszellen und vier Nahrungszellen. Zwei Furchungsstadien mit fortgeschrittener Blastodermbildung. Ein Furchungsstadium, in welchem die Furchungshöhle am animalen Pole von den Bildungszellen, am vegetativen von den Nahrungs- zellen begrenzt ist (optischer Durchschnitt). Ein älteres Stadium ebenfalls im optischen Durchschnitte. Das Gastrulastadium im optischen Meridianschnitte; die Furchungs- höhle nur als eine sichelförmig erscheinende Lücke, die Urdarmhöhle in ihrer grössten Entwicklung dargestellt. Ein Längsschnitt durch die Ausstülpung des Exoderms. (Die Meso- dermzellen in Bildung begriffen.) Ein Längsschnitt durch die Ausstülpung mit der ersten Anlage der späteren Kopffalte. Kopfblase, Wimpersegel und Fuss von oben (en face) gesehen. Dasselbe von der Seite dargestellt. Die Kopfblase im optischen Längsschnitte (die Mesodermzellen be- reits als Muskelzellen wahrnehmbar). Ein Querschnitt durch die ausgebildete Kopfblase und die Wimper- segel. Primitivrinne und Urmund. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens. Von A. Rauber ao. Professor in Leipzig. Mit Tafel XXXVII u. XXXVIIL. Durch eine frühere Untersuchung habe ich die Aufgabe zu er- ledigen gesucht, die beiden primären Blätter des Hühnerkeims, nach- dem ihre Bildungsweise festgestellt worden war, in ihrer allmäligen Ausbreitung über die Oberfläche der grossen Dotterkugel bis zu deren endlicher Umschliessung mit den neueren Hülfsmitteln der Beobach- tung zu verfolgen, diese Umwachsung selbst aber zu beurtheilen !). Die Forderung einer solchen Untersuchung war schon von ÖKEN ’?) an PANDER gestellt worden. BArr’s rastlosen, durch eine glänzende Beobachtungsgabe unterstützten Bemühungen war es gelungen, dieser Forderung in einer das damalige Bedürfniss völlig befriedigenden Weise zu genügen; ja seine Auffassung der vorliegenden Verhält- nisse übertrifft an innerem Gehalt diejenige seiner nächsten Nach- folger. Nach ihm umwächst, um nur das Thatsächliche anzuführen. das obere und untere Keimblatt die Dotterkugel; nur über den end- liehen Verschluss derselben zur doppelblättrigen Blase war er seiner Angabe zufolge im Unklaren geblieben. 1) Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplan. Leipzig 1876. W. ENGEL- MANN. 2) Isis 1817 und 1818. Bemerkenswerth dürfte sein, dass OKEN den Em- bryo nicht aus Blättern, sondern aus ebensovielen Blasen entstehend sich dachte. edvitem Stecher ad vat. del Taf XXXVI. or % ee aly a 4 % * ° Primitivrinne und Urmund. 551 In der Folgezeit der Forschung bis zur Gegenwart hatte, wie der embryonale Theil der Keimscheibe, so auch der ausserembryonale höchst mannigfache und untereinander üunvereinbare Wandlungen seiner Auffassung durch die verschiedenen Beobachter zu erfahren. Es bedarf nicht ihrer Aufzählung. Sie sind Jedem, welcher der Ent- wicklungsgeschichte des Hühnchens Interesse widmet, um so frischer im Gedächtniss, als KOLLIKER’s neues Handbuch eine zwar gedrängte, aber anziehende Schilderung derselben entwirft. Langsam und unter grossen Mühen der Theilnehmer wuchs das Gebäude, das wir jetzt vor uns aufgerichtet sehen; diesem Eindruck wird sich Niemand bei dessen ruhiger Betrachtung gegenwärtig entziehen können. An eine Vollendung jedoch kann trotz Allem vorerst noch nicht gedacht werden. KÖLLIKER selbst gibt Beiträge zur Kenntniss der ausserembryo- nalen Keimscheibe. Ihm wie vorher Barr hat der ausserembryonale Theil der Keimscheibe noch einen andern Werth als den, Material für die Ernährung des Embryo herbeizuführen. Er würdigt die mor- phologische Seite dieses Aussentheils, bezüglich deren Deutung ich allerdings nicht mit ihm übereinstimmen kann!). Im Uebrigen aber lässt sich nicht läugnen, dass in der auf Barr’s bezügliches Werk folgenden Zeit jener Aussentheil an Bedeutung sehr abge- nommen hatte und in der Leistung einer einseitig histiologisch-physio- logischen Rolle vollständig untergegangen war. Anders also — und auch ich habe dieser Auffassung das Wort zu reden gesucht — liegt die Sache gegenwärtig. Der Hühnerembryo ist wieder nur ein besonders weit fortgebildeter Theil der gesammten Keimscheibe und nur in Verbindung mit dieser einem andern Em- bryo vergleichbar; oder auch, beide Theile zusammengenommen, die embryonale Sprosse und der Aussentheil, stellen den wirklichen Hühnerembryo dar, dessen beide Theile morphologisch nieht von ein- ander getrennt werden können. Ein in seiner Ausdehnung und Zu- sammensetzung bekannter Bezirk des Aussentheils wird bei voran- schreitender Entwicklung der embryonalen Sprosse zwar regressiv und fällt der Vernichtung anheim, nichtsdestoweniger aber ist er un- entbehrlich für die Gewinnung eines Verständnisses des Embryo, um !) KÖLLIKER vergleicht der Entodermeinstülpung niederer Wirbelthiere und vieler Wirbellosen die Bildung der Mundbucht des Hühnchens. Sein Wider- spruch gegen meine Deutung des Urmundes beruht möglicherweise blos auf einem wenn auch unwesentlichen früheren Missverständniss meiner vorläufigen Mittbeilung von Seiten Ernst HAECKEL’s. 5,5 A. Rauber so mehr, wenn man letzteren nicht aus ihm selbst erklären will, sondern vielmehr durch Vergleichung. Gerade das innere Verhältniss des embryonalen Bezirks der Keimscheibe zum ausserembryonalen zur Anschauung zu bringen, ist nun die Aufgabe der folgenden Untersuchung. Es handelt sich dabei in erster Linie um die Erklärung der so merkwürdigen Randstellung des embryonalen Bezirkes und der Bedeutung der Primitivrinne. Der Primitivrinne insbesondere ist seit ihrer Entdeckung durch REICHERT mit Recht von den meisten Embryologen die grösste Auf- merksamkeit gewidmet worden; sie ist noch heute ein Lieblingsobject der embryologischen Forschung. Erwägt man aber die darüber zu Tage getretenen Anschauungen, so drehen sie sich fast ausnahms- los um einen einzigen Punet, nämlich um ihr Verhältniss zur Medul- larrinne. Batrour und Foster!) machen hierin eine rühmliche Aus- nahme und betreten einen neuen Weg, sei es, dass sie zu unbe- wiesenem Ziele gelangen oder im Allgemeinen Richtiges treffen. Sie vermuthen in der Primitivrinne, die sie freilich gänzlich hinter dem wachsenden Embryo verkümmern lassen, ein unbrauchbar gewor- denes Erbstück von Ahnen, in deren Körper sie eine wesentlichere Leistung zu erfüllen hatte. So annehmbar auch diese Vermuthung klingen mag, so entbehrt sie doch der Herbeiziehung von Gründen, die ihr etwa zur Rechtfertigung dienen könnten. Die Nichtbenutzung für den embryonalen Leib, die übrigens nur das hintere Ende der Primitivrinne betrifft, kann noch nicht als eine wirkliche Begründung angesehen werden. Die Randstellung findet keine Betonung. Einen andern Weg der Erklärung betritt KÖLLIKER; man kann ihn in Kürze den deuterogenetischen Weg nennen. Die Furchung läuft, wie er gezeigt hat, asymmetrisch ab, der Furchungsmittelpunet liegt excentrisch. Die excentrisch in der Furchung bevorzugte Stelle deutet möglicherweise schon zu so früher Zeit die excentrische Lage des Primitivstreifens an; zu beiden Seiten von dessen Längsaxe er- hebt sich darauf durch stärkeres Wachtsthum hierselbst je eine leichte Falte, die Primitivfalten K.?) darstellend, und zwischen ihnen liegt alsdann eine Furche, die Primitivrinne. ') Entwicklungsgeschichte, übersetzt von KLEINENBERG. Leipzig 1876. W. ENGELMANN. 2) Die Primitivfalten KOLLIKER’s sind nicht zu verwechseln mit den Pri- witivfalten PAnDeERr’s; letztere stellen die Medullarfalten vor. KÖLLIKER ist, wie seine Darstellung ergibt, der Annahme der Bildung der Körperform durch einen Faltenmechanismus nicht abgeneigt; doch will er den Zellen grössere Selbst- Primitivrinne und Urmund. 553 Dies ist nun allerdings in gewissem Sinne, nach einer Seite der Sache hin eine Erklirung, d. h. eine Ableitung der spiitern Form . aus der früheren und Niemand wird bei dieser Deutung ihr vielleicht widersprechen wollen, ja in gewisser Beziehung ganz dadurch be- friedigt sein. In höherem Betracht kann ich jedoch in ihr nur eine Umschreibung erkennen. Hier ist nun wiederum ein Punet, an welehem angelangt zwei Rich- tungen der organischen Naturbetrachtung sich zu befehden scheinen, während in Wirklichkeit blos ihre Objeete verschieden sind. Da vorliegende Untersuchung mit ihrem Ziel auf vergleichend embryo- logisches Gebiet eintritt, so kann sie nieht umhin, ihre allgemeine Stellung zu jener Frage in Kürze anzudeuten, in Bezug auf Aus- führlicheres jedoch auf einen anderen Aufsatz hinzuweisen'). Ein Beispiel orientirt über die obwaltenden Verschiedenheiten am leich- testen. Es ist das Object der einen Richtung, die Zeugung und Entwieklung von Hühnern u. s. w. auf Grund schon vorhandener Hühner, d. i. die Wiederzeugung von Hühnern u. s. 'w. zu betrachten. Es ist das Objeet der andern Richtung dagegen, die Entwicklung des oder der ersten Hühnchen und ebenso das erste Auftreten aller andern Thierformen, d. i. die Erstzeugung der verschiedenen Thierformen zu erklären. Das Object der einen Rich- tung ist kurz die Erstzeugung, das Objeet der andern die Wieder- zeugung der Organismen. Beide Gebiete können nicht willkürlich mit einander vermengt, sondern müssen streng auseinandergehalten werden. Beide Riehtungen sind ihren Anfängen nach uralt und mit Recht fast immer als von einander verschieden angesehen worden. Die Frage der Erstzeugung der verschiedenen Thierformen war als Gegenstand der Naturforschung bis in die neuere Zeit in so ent- legene Fernen gerückt, dass man sich damit begnügte, mit Ausnahme niederster Organismen blos nach der Wiederzeugung zu forschen und die ernstere grössere Frage kaum mehr beachtete. Darin liegt aber gerade der Fortschritt der neueren entwicklungsgeschichtlichen Anschauungsweise, dass die Frage der Erstzeugung der Thierformen aus dem Bereich naturphilosophischer Speculation in das Gebiet der Erfahrungswissenschaft mehr und mehr einrückt und einer experi- ständigkeit gewahrt wissen Es verdient hervorgehoben zu werden, dass OKEN dem Faltenmechanismus Panper’s selbst ohne jene Einschränkung den Sieg zuerkannte (Isis 1817, pag. 1533), mit übrigem derben Ton dadurch versöhnend. ') Sitzungsber. der naturf. Ges. zu Leipzig 1876, Juli. »Variabilität der Entwicklung«. 554 A. Rauber : mentellen Bearbeitung zugiinglich gemacht ist, deren Ergebnisse Riickschliissen auf den historischen Vorgang der Formenbildung den Weg sichern miissen. Betrachtungen der Wiederzeugung nun, deuterogenetische Be- trachtungen, befriedigen ihre Absicht damit, dass sie auf das be- fruchtete Ei zuriickgehen und in der besonderen Wirkung des Samens auf das Ei, wo solcher erforderlich zur Einleitung der individuellen Entwicklung, die Erklärung der folgenden Gestaltungsvorgänge suchen. Sie leiten die späteren Gestalten aus deren Keimen ab und setzen also alle Organismen einfach als schon vorhanden voraus. Protogenetische Betrachtungen dagegen setzen nicht alle Orga- nismen schon voraus, sondern suchen im Gegentheil das erste Auf- treten der verschiedenen Thierformen zu erklären, zu einem Theile dadurch, dass sie die höheren Organismen aus einer Transmutation der niedersten abzuleiten bestrebt sind. Entwicklungsgeschichtlich ausgedrückt leiten sie die höheren Entwicklungsprocesse aus einer Transmutation niederer Entwicklungsprocesse ab; Veränderung eines bestimmten Entwicklungsmechanismus, durch Anpassung und Ueber- tragung, wäre der Ausgangspunct für eine neue Thierform ; theoreti- sche Bedenken lassen dieser protogenetisch mechanischen Auffassung offenbar schwer sich entgegenstellen. Sie ist in jeder Beziehung. der Annahme einer Generatio aequivoca aller Thierformen überlegen, zu welcher man ja sonst gelangen zu müssen scheint. Eine deuterogenetische Ableitung einer Thierform aus deren Keim erklärt nicht das erste Auftreten, nicht die Existenz derselben und enthält also überhaupt keine Erklärung des Thieres. Will man ein Thier oder nur einen Thiertheil erklären, so muss man auf das erste Auftreten dieses Thieres nothwendig zurückgehen, nicht aber blos auf jetzige Keime. So gibt auch eine deuterogenetische Ablei- tung des Hühnchens aus dem Keim keine Erklärung des Daseins des Hühnchens und also auch nicht der Primitivrinne des Hiihnchens. um auf unseren Ausgangspunct zurückzukehren. Wir werden demnach allerdings genöthigt sein, die hinreichende Erklärung in der Vergleichung zu suchen. Ist die Erklärung durch Vergleichung auch eine hypothetische, so vermag sie doch in ungleich höherem Grade zu befriedigen, weil sie allein uns auf den ursächlichen Zusammenhang der Formen einen inneren Blick zu werfen gestattet. Durch eine vergleichende Untersuehung der Randstellung der Embryonalanlage des Hühnchens ist alsdann der zweite und viel- Primitivrinne und Urmund. 555 leicht letzte wesentliche Schritt geschehen, welcher das Hühnchen in allen fundamentalen Gestaltungsvorgängen mit den niederen Wirbel- thieren und den Wirbellosen auf bedeutsame Weise verknüpft und den Bann lösen hilft, in welchem es gefangen lag. Schon in meiner obengenannten Schrift habe ich auf eine der- artige Erklärung der Randstellung und der Bedeutung der Primitiv- rinne hingewiesen. Seitdem liess ich diesen Punet bei dem Eindruck, den er auf mich auszuüben im Stande war, nicht mehr völlig aus dem Auge und verfolgte ihn weiter. Er erscheint mir begründet und bringt darum das Folgende eine genauere Ausführung der dort geäusserten Auffassung '). 1. Lunula entodermatica und Primitivstreif. ‘Ueber die Randstellung der Embryonalanlage des Hühnchens hat man im Allgemeinen noch sehr ungenügende Vorstellungen. Die Abbildungen, die iiber diesen Gegenstand vorliegen, geben zu- meist weit vorgeriickte Stadien wieder, in welchen das beriihrte Ver- hältniss weit weniger in die Augen springt. Am auffallendsten und deutlichsten tritt die Erscheinung zu Tage an Keimscheiben, welche den Primitivstreifen in seiner ersten Anlage zeigen, sei es, dass die entstehende Primitivrinne als leichte Furche längs des Primitiv- streifens bereits sichtbar ist, oder selbst vor deren Ausbildung. Schon im frischen Zustand, unmittelbar nach Blosslegung der noch lebenden Keimscheibe, gewährt sie anschauliche Bilder, sobald man einmal die Aufmerksamkeit auf den fraglichen Punct gerichtet hat. Einige Zeit darauf, nach dem Tode der Keimscheibe, nimmt die Schärfe des Bildes noch zu, indem sich die Zellenmassen des Pri- mitivstreifens sowohl als des Randwulstes zu trüben beginnen und sich in Folge dessen auffallender von den dünnen Bezirken der Area pellueida abheben. Man kann nun hierauf die Keimscheibe entweder '\ Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplan pag. 17, Bemerkung. »Das merkwürdige Auftreten der »ersten Embryonalanlage« im hinteren Bezirk der Keimscheibe bei Vögeln und Fischen ist nur phylogenetisch verständlich ; ebenso bei den Säugethieren. Es beruht auf dem Verhältniss der Rückenfurche zum Urmund. Dass die Riickenfurche bei den Fröschen, Amphioxus, den Ascidien u. s. w. eine Fortsetzung der Entoderm-Invagination auf den Rücken sei, hat KowALEwsky gezeigt. Bei den anderen Wirbelthieren ist die Be- ziehung unverkennbar. Man vergl. ferner Sitzungsber. der naturf. Ges. zu Leipzig, 1876, Februar, »über die erste Entwicklung der Vögel und die Bedeutung der Primitivrinne«. 556 A. Rauber mit der Scheere in weiterem Umkreis umschneiden, sie nach der von REMAK empfohlenen Methode mit einem aufgelegten Deckglase von dem Dotter abheben, reinigen und zu Beobachtungen mit mitt- leren Vergrösserungen verwenden, oder, was bei weitem sicherere und schärfere, ungestörte Objecte liefert, man härtet den Dotter mit der Keimscheibe in toto mit schwacher Chromsäurelösung. Nach ge- nügender Erhärtung lässt sich die Dotterhaut von der Keimscheibe sehr oft auf das Reinlichste entfernen. Man hat auf diese Weise die Keimscheibe einmal in ihrer natürlichen Oberflächenkrümmung erhalten, ausserdem aber auch die zartesten Einzelheiten der Keim- scheibe in einem Grade sich zugänglich gemacht, wie es_nicht wohl besser gewünscht werden kann. Eine Betrachtung des ausgeschnit- tenen, die Keimscheibe tragenden Dottersegmentes bei schief auf- fallendem Lichte mit der Loupe oder bei stärkeren Vergrösserungen vermag oft durch die Schönheit und Genauigkeit des Gebotenen aufs Höchste zu überraschen. Diese Methode der Untersuchung ist übrigens auch für ältere Keimscheiben, welche bereits Urwirbelgliederung, Erhebung der Medullarplattenränder u. s. w. zeigen, auf das Beste zu empfehlen. Ein Uebelstand, der sich hierbei anfänglich bemerk- lich macht ist ein feiner weisslicher Niederschlag auf der Oberfläche der Scheibe, der besonders in allen vorhandenen Furchen und Ver- tiefungen, aber auch in Flocken zerstreut an allen übrigen Stellen in dünner Schicht aufliegen kann. Vorsichtiges Abspülen mit schwacher Kochsalzlisung, leichtes Abpinseln innerhalb derselben führt hier bald zum Ziele. Bleibt man einen Augenblick bei diesem Niederschlag, so haben wir es offenbar mit einem durch die Chromsäure niedergeschlagenen Eiweiss zu thun, welches früher in gelöster Form einen Bestandtheil des Serum ausmachte, das die Keimscheibe von aussen in dünneı Schicht direct umspült, zwischen ihr und Dotterhaut sich befindend Dieses Serum, welches man dem Liquor perivitellinus der Säuger gleichsetzen und ebenso bezeichnen kann, dringt natürlich in alle dorsalen Vertiefungen ein, stellt den ursprünglichen Liquor cere- brospinalis dar u. s. w., ist aber wohl besonders in dem Betracht wichtig, dass es ein leichtes Gleiten der Keimscheibe an der Unter- fläche der Dotterhaut gewährleistet, wie es für ihre verschiedenen, wenn auch unwillkürlichen Wachsthumsbewegungen unbedingt er- forderlich ist, wenn nicht nachtheilige Folgen entstehen sollen. Es versteht sich weiterhin von selbst, dass man die so behan- delten Keimscheiben auch für alle übrigen Untersuchungszwecke ver- Primitivrinne und Urmund. 557 wenden kann. Zunächst lässt sich auch ihre Unterfläche bei auf- fallendem Licht untersuchen. Um dies zu erreichen, ist es nöthig, den Keimhöhlenboden zu entfernen. Man verfährt zweckmässig hier- bei in der Art, dass man mit einem feinen doppelschneidigen Sealpell unter horizontaler Haltung desselben von der Area opaca aus in die Keimhöhle eindringt und von hier aus weiter schneidend die ganze Area pellucida nebst dem angrenzenden Theil der opaca von der Keimhöhle abhebt. | Die der Area pellueida entsprechende Mittelscheibe, sei es, dass sie schon den Primitivstreifen besitzt, oder in einem früheren Sta- dium sich befindet, ist in der von Vıcror HENsEN in die Embryo- logie eingeführten Weise zur Zerlegung in Schnittserien ausserdem sehr wohl geeignet, in Fällen, da es auf den Besitz des ganzen Randwulstes nieht ankommt. Aber auch die Gestalt der Keimhöhle lässt sich darauf sehr schön übersehen und es ergibt wiederum die Betrachtung mit mittleren Vergrösserungen bei auffallendem Lieht die ganz sichere Entscheidung, dass, wie es bereits GÖTTE hervorge- hoben hat, die Elemente, welche in bekannter Weise auf dem Keim- höhlenboden des frisch gelegten Eies sich vorfinden, nach der Wir- kung mehrerer Brütstunden oft reichlich vermehrt vorgefunden werden. Hat man einmal der Randstellung des Primitivstreifens seine Auf- merksamkeit gewidmet, so ist es leicht, auch an Keimscheiben, die in ihrer Entwicklung noch nicht bis zu dessen Bildung vorgeschritten sind, Unterschiede der Massenvertheilung wahrzunehmen, die man ohne eingehendere Prüfung aller Verhältnisse geneigt sein möchte, als Vorläufer der Primitivstreifenbildung zu betrachten. Und statt sofort auf eine genauere Schilderung der Lagenverhältnisse und der Zusammensetzung des Primitivstreifens einzugehen, erscheint es pas- sender, mit jenem Stadium zu beginnen, in welchem ein Randwulst gerade gebildet ist, die Mittelscheibe (Area pellueida) jedoch aus einem randständigen, kleineren, dichteren und einem minder dichten. grösseren, unmittelbar anstossenden Bezirk besteht. Dieses Stadium pflegt vorhanden zu sein mit der Legung des Eies. Man sollte glauben, dass hei der fast gleichzeitig von mehreren Seiten neuerdings angestellten wiederholten Untersuchung der frisch gelegten Keimscheibe des Hühnchens übereinstimmendere Ergebnisse zu erwarten gewesen wären. In mehreren wichtigen Verhältnissen immerhin lässt sich ein Fortschritt gegenüber früheren Befunden nicht verkennen; auch darf mehreres als erledigt betrachtet werden. Wenn Mehrere dasselbe Objeet beobachten, pflegt aber schon der 558 A. Rauber verschiedene Gesichtspunct dieses oder jenes Verhältniss mehr in den Vordergrund der Beobachtung treten zu lassen, während ein anderes an Bedeutung verliert oder übersehen wird. Worauf ich selbst, abgesehen von dem Bildungsmodus der Keimscheibe, beharren zu müssen glaube, sind folgende Puncte, vor deren Aufzählung ich eine nochmalige Beschreibung der bekannten Verhältnisse des Eetoderm und Entoderm nieht nöthig zu haben glaube. I) Als erster derselben sei hervorgehoben, dass die Keimscheibe des frisch gelegten befruchteten Hühnereies keine Kreisfläche, sondern eine elliptische Fläche darstellt. Diese Form habe ich zu oft gesehen und gemessen, als dass an einen Zufall ge- dacht werden könnte. Der reife noch unbefruchtete Keim da- gegen hat eine Kreisform, in deren Centrum das Keimbläschen ganz oberflächlich einer Vertiefung des Dotters aufliegt. Die lange Axe der Ellipse pflegt sich zu der kurzen zu verhalten wie 33:30. Misst demnach der grosse Durehmesser der Scheibe 3,3 Mm., so finden wir den kleinen zu 3Mm. Der lange Durch- messer der Scheibe liegt mit Bezug auf die lange Axe des ganzen Kies senkrecht zur letzteren. 2) Die Keimscheibe zeigt häufig schon in diesem Stadium, in andern Fällen erst in den ersten Briitstunden, innerhalb des Bezirkes der Mittelscheibe, einen spaltförmigen, serumgefüllten Zwischen- raum zwischen Eetoderm und Entoderm. Er ist hervorgegangen aus dem Ursaftlückensystem, welches den Keim in seinem Maul- beerstadium durehzieht. Dieser Spalt findet sich bereits natur- getreu abgebildet in OrLLAacher’s Beiträgen zur Furchung des Hühnereies. Im Bereich der späteren Körperaxe ist in dieser Beziehung ein Unterschied gegenüber den seitlichen Theilen nicht vorhanden. 3) Das Entoderm besitzt in dem einen Falle reichlicher, in anderen nur spärlich, neben den die Hauptmasse ausmachenden kern- haltigen Zellen hie und da zerstreut grobkörnige Kugeln, in wel- chen ein Kern auf keine Weise. sichtbar gemacht werden kann, auch nicht durch Methoden, welche an anderen Orten den Kern auf vollkommene Weise hervortreten lassen. Diese Kugeln ent- spreehen ganz den bekannten Elementen auf dem Keimhöhlen- boden, auf welehem übrigens auch echte kernhaltige Zellen vor- kommen. Ob jene späterhin oder nie einen Kern erhalten, muss zweifelhaft bleiben. Primitivrinne und Urmund. 559 4) Was den Randwulst des Entoderm betrifft, so entsteht derselbe zum Theil durch Verschiebung der Furchungskugeln (KOLLIKER), sodann durch fernere Theilung dieser Furchungskugeln, zum Theil aber auch durch Weiterfurchung des Dotterwalles, d i. der Unterlage des Randwulstes, welche als eine Uebergangszone des weissen Dotters in den feinkirnigen, Bildungsdotter zu be- trachten ist. Man findet in dieser Uebergangszone dieselben hellen, mit runden glänzenden Inhaltskiigelchen versehenen Ele- mente, wie in etwas grösserer Tiefe der grosskugelige weisse Dotter sie besitzt; im Dotterwall pflegen diese Formelemente durchgängig nur kleiner zu sein. Ausser diesen Elementen aber findet man je nach dem Schnitt und Keim reichlicher oder spär- licher echte freie Kerne, um welche herum Dotterwallmasse mehr und mehr sich abgrenzt und zu Zellenbildungen führt, die dem Randwulst von unten her sich anlegen und seine Dicke ver- mehren. Wir werden derselben Bildung auch beim weiteren Wachsthum des Randwulstes in späteren Stadien noch kurz zu begegnen haben. 5) Der der Mittelscheibe zugehörige Theil des Entoderm ist von ungleicher Dicke, wenn auch die den beiden Theilen zugehörigen Zellen an Form und innerer Beschaffenheit nicht von einander verschieden sind. Auf dem Flächenbild und bei durchfallendem Licht betrachtet nimmt der dickere Theil etwa ein Drittel des ganzen Flächenraumes der Area pellueida ein und liegt, wie die Berücksichtigung späterer Stadien ergibt, im hinteren Bezirk der Area pellueida, hängt jedoch ununterbrochen mit der an- grenzenden Stelle des Randwulstes zusammen. Nach vorn zu grenzt sich der dickere Theil gegen den dünneren in einer halb- mondförmigen nach vorn convexen Linie unscharf ab, so dass er ganz allmälig in den dünneren Theil übergeht. Der dünnere Theil ist netzförmig durchbrochen und bildet also eine mit Lücken versehene Platte, in welcher kernlose Dotterkugeln zu liegen pflegen. Der hintere Theil zeigt solehe Durchbrechungen nicht oder nur spärlich und macht schon auf dem Flächenbilde den Eindruck mehrschichtiger Zellenlagerung. Er besitzt demnach auf dem Flächenbild etwa die Gestalt eines Halbmondes!). Er !) Diesen dickeren, mit dem Randwulst zusammenhängenden Theil der Mittelscheibe, in Verbindung mit dem darüberliegenden eetodermalen Abschnitt, nannte ich früher einmal embryoplastischen Theil des Randwulstes, wie ich, um Missverständnissen zu begeenen, bemerke. 560 A. Rauber ist es, von welchem beginnend ich die Schilderung neu auf- nehme, bezüglich welcher ich auf die Abbildung eines Längs- schnittes, Tafel XXXVII, Figur 1 verweise. Ein soleher Längsschnitt, welcher die Mitte der Keimscheibe durehschneidet, zeigt nach dem Vorausgegangenen einen hinteren diekeren und einen vorderen dünneren Theil der Mittelscheibe; ja in diesem Falle ist selbst der Randwulst im hinteren Bezirk dieker als im vorderen, ein Verhältniss, welches nicht regelmässig angetroffen wird. Der dickere Theil der Mittelscheibe ist aus dichtgedriingten Zellen zusammengesetzt, welche zwei- bis dreischichtig übereinander- liegen. Mit dem Uebergang dieses Blattes auf den Randwulst findet sich allmälig eine vier- bis fünfschichtige Zellenlage, welche sich über den grösseren Theil des Randwulstes erhält, um am freien Saum des letzteren wiederum verdünnt auszulaufen. Der vordere Theil der Mittelscheibe dagegen, auf der Abbildung rechterseits ge- legen, zeigt das untere Blatt durchbrochen und theils aus einer theils aus zwei Zellenschichten bestehend. Das obere Keimblatt zieht über beide Abtheilungen in gleicher Weise hinweg. Es entsteht jetzt die Frage, wie sich die beschriebenen Ver- hältnisse bei zunehmender Entwicklung der Keimscheibe gestalten werden. Eier, welche 4 bis 6stündiger Bebrütung ausgesetzt worden sind, zeigen die Lunula des Entoderm in einem nicht etwa rückgängigen, sondern in einem weiter fortgebildeten Stadium begriffen. Ihre Flächendimensionen haben sich zwar im Zusammenhang mit der ge- ringen Flächenvergrösserung der ganzen Keimscheibe nur wenig ver- ändert. Auch ihre Lage und ihr Zusammenhang mit den übrigen Theilen der Keimscheibe sind dieselben geblieben, wie Fig. 13, Taf. XX XVIII verdeutlicht. Sie hat jedoch an Dicke zugenommen und hebt sich in Folge dessen bestimmter von ihrer vorderen Umgebung ab, die immer noch ein in verschiedenen Fällen verschieden reiches Lückennetz erkennen lässt !). Die in Fig. 13 wiedergegebene Keimscheibe wurde, nachdem sie gezeichnet worden war, in Querschnitte zerlegt, besonders auch um zu sehen, ob etwa im Bereich der Lunula nunmehr ein Axen- theil in irgend einer Weise gegenüber den Seitentheilen ausgeprägt wäre. Von einem solchen war indess keine Spur wahrzunehmen. 1) Ein theilweise brauchbares Flächenbild dieses Stadiums findet sich bei W. His, Erste Entwicklung des Hühnchens im Ei. Tafel XII. Primitivrinne und Urmund. 561 Die Wichtigkeit, welche man theoretisch einem von Anfang an vor- handenen dichteren Zusammenhang der beiden primären Keimblätter in der späteren Längsaxe des Embryo beilegen zu müssen glaubte, erledigt sich hiermit von selbst. Das Eetoderm, im ganzen Bezirk der Mittelscheibe nirgends eine innigere Beziehung zum Entoderm besitzend, streicht glatt über letz- teres hinweg, durch eine feine Spalte von ihm getrennt. Fig. 2, Taf. XXXVI. Entsprechend der veränderten Schnittführung wird das Entoderm eine andere Beschaffenheit zeigen, als es auf dem vor- herbeschriebenen Längsschnitt der Fall war. Querschnitte durch das vordere Feld der Mittelscheibe werden ein dünnes, durchbrochenes Entoderm sehen lassen; solche durch die Lunula dagegen werden verschiedene Bilder geben, je nachdem sie aus deren vorderem oder hinterem Theil stammen. Fig. 2 gibt einen Querschnitt durch die Mitte der Lunula. Abgesehen von der bekannten nunmehrigen Be- schaffenheit des Ectoderm liegt hier ein Entoderm vor, welches im Bereich der Mitteischeibe aus einer gedrängten Schicht von 3 bis 4 Zellen Mächtigkeit besteht, welche jederseits in den noch dickeren Randwulst übergeht. Alle diese Zellen sind übereinstimmend be- schaffen, von ovaler Form, und zeichnet sich insbesondere die unterste Lage durch nichts von den darüber liegenden aus. Diese wie jene liegen mit*ihrem längeren Durchmesser parallel den Flächen der Keimscheibe, senkrecht zum Längsdurchmesser der pyramidalen Ec- todermzellen. Mit 9stiindiger Bebrütung endlich pflegt sich das Bild der Em- bryonalanlage in entschiedener Weise geändert zu haben. In der inzwiSchen vergrösserten Keimscheibe tritt der Primitivstreif auf, als ein im frischen Zustand schmales weisses Feld die Area pellueida von einer Randstelle aus bis in die Nähe ihres Centrums durchziehend. An gehärteten Keimscheiben und auf dem Flächenbild untersucht erscheint der Primitivstreif bei schief auffallendem Licht als ein leicht über die Keimscheibenfläche sich vorwölbender, geradlinig verlaufen- der Längswulst, dessen vorderes, das Centrum der Area pellueida wie gesagt im Anfang seines Auftretens nicht ganz erreichendes Ende steiler oder stumpfer abgerundet ist. Die Breite des Primitiv- streifens bleibt in seiner ganzen Länge annähernd dieselbe, mit Aus- nahme des hinteren Endes, welches an Breite zusehends gewinnt, sich dabei abflacht und in dieser Weise den Randwulstbezirk der Keimscheibe nicht allein berührt, sondern wie Querschnitte ergeben, noch eine kleine Strecke weit in diesen hinein sich fortsetzt. Oefters Morpholog. Jahrbuch. 2. 38 562 A. Rauber gewinnt es den Anschein an dem bei auffallendem Licht untersuchten Primitivstreifen, als laufe derselbe mit seinem hinteren Ende in zwei inittelwiirts übrigens, zusammenhängende Schenkel aus, welche sich jederseits an den vorbeistreichenden centralen Randwulstbogen an- legen. Auch hiefiir gibt die Beriicksichtigung der Querschnitte die senügende Erklärung, indem die Seitentheile des Primitivstreifens alsdann abwärts verdiekt erscheinen, ohne dass eine Primitivrinne vorhanden wäre. Die Zellen des gesammten das Vorderende des Primitivstreifens umgebenden Feldes der Area pellucida pflegen sowohl jetzt als auch bei weiter fortgeschrittener Entwicklung eine deutlich ausgesprochene, schöne, radienförmige Gruppirung zu dem Vorder- ende zu zeigen, ganz das Bild einer Strahlenkrone versinnlichend. Bei derselben Betrachtungsweise der Unterfliiche der Keimscheibe erscheint der Primitivstreif gleichfalls als Längswulst, und zwar deut- licher ausgesprochen als bei dorsaler Ansicht. Bei durchfallendem Licht, am aufgehellten, ausgeschnittenen Prä- parat, wird der Primitivstreif als eine hinten sich verbreiternde und in convexem Bogen abschliessende dunklere, dichtere Platte wahr- genommen. Ist einmal der Primitivstreif gebildet, ‘so folgt unmittelbar dar- auf die Bildung der Primitivrinne. Sie durchzieht den Primitivstreif anfänglich als leichte Furche, einen grösseren Abschnitt ‘seines hin- teren, einen kleinen seines vorderen Endes frei lassend. Nach vorn sah ich sie öfters abgeschlossen wie durch eine leichte Querfurche, in deren Mitte sie einlief. Der vor dem Vorderrande der Primitiv- rinne liegende vorderste Theil des Primitivstreifens ist die erste Spur eines allmälig länger werdenden Fortsatzes, des »Kopfendes«, »Kopf- fortsatzes« des Primitivstreifens. An Flächenbildern weiter entwickelter Stadien des Primitiv- streifs ist insbesondere seine Längenausdehnung auffallend. Sie ist bewirkt einmal durch die Ausbildung des Kopffortsatzes, sodann selbstverständlich durch expansives, auf alle Zellen vertheiltes Wachs- thum der ganzen Anlage des Primitivstreifens selbst; endlich aber auch durch eine sehr auffallende Verlängerung nach hinten. Schon anfänglich erstreckt sich das hintere breite, abgerundete Ende des Primitivstreifens, welches der »Schwanzknospe«, »Randknospe« der Knochenfische homologisirt werden kann, in den Randwulstbezirk hinein, wie bereits bemerkt; dieser, der Beobachtung leicht ent- gehende oder vielleicht für unbedeutend gehaltene Theil des Primi- tivstreifens erreicht nach und nach eine beträchtlichere Länge, immer Primitivrinne und Urmund. 563 seine nach hinten convex abgerundete Gestalt bewahrend. Woraus diese, dem Randwulst aufliegende Schwanz- oder Randplatte des Pri- mitivstreifens besteht, werden alsbald Querschnitte zu zeigen haben. Hier ist nur zunächst noch hervorzuheben, dass sie allmälig wieder in die Area pellueida gelangt, in der Weise jedoch, dass ihr hin- terer Rand noch auf lange Zeit an das Randwulstgebiet anstösst. Die Wiedergewinnung der Area pellucida erfolgt jedoch nicht da- durch, dass der Primitivstreifen etwa nach vorn sich vorschöbe, son- dern dadurch, dass die von unten her deckenden Randwulsttheile allmälig zuriick- und auseinanderweichen, möglicherweise zur Re- sorption gelangen. Dies gibt die Veranlassung zu der birnförmigen Erweiterung der Area pellueida nach hinten. Das Wachsthum des Primitivstreifens nach hinten, seine Verlängerung nach hinten ist so leicht zu constatiren, zugleich aber auch von solcher Bedeutung, dass man sich wundern muss, wie wenig Gewicht auf diese Verhältnisse gelegt zu werden pflegt. Wie mit dem Primitivstreifen, verhält es sich bei zunehmender Entwicklung mit der Primitivrinne, ausgenommen im Kopffortsatz des Primitivstreifens, der höchstens schwache Andeutungen einer Pri- mitivrinne hier und da erkennen lässt. Sie verlängert sich aber gleichfalls mit dem expansiven Wachsthum des Primitivstreifens und insbesondere durch ihr allmäliges Uebergreifen auf weiter rückwärts gelegene Theile des Primitivstreifens und schliesslichen Eintritt auf dessen Randplatte selbst. An das Randwulstgebiet anstossend findet man sie auf gelungenen Präparaten selbst noch bei Embryonen vom Anfang des dritten Brüttages. Auch die Primitivrinne schreitet zu einer gewissen Zeit in das Randwulstgebiet vor und gelangt mit dem Primitivstreifen wieder in die Area pellucida. Ihre wechselnde Tiefe kann nur an Quersehnitten nachgewiesen werden. Ihr hinterer Abschnitt weicht nicht selten etwas zur Seite aus und zeigt auch häufig mehr oder weniger zahlreiche zickzackformige Knickungen. Sie wird nach rückwärts allmälig seichter und breiter; mehreremal sah ich sie in einer auf dem Rand- wulstgebiet liegenden flachen und runden muldenförmigen Vertiefung endigen. Bis zum äussersten Saum der Keimscheibe konnte sie in keinem Falle verfolgt werden, sondern sie verliert sich je nach der Ausbreitung der Keimscheibe von deren Saum wenig oder weiter entfernt. Auf eine merkwürdige Einkerbung des äussersten Saumes der Keimscheibe möchte ich jedoch nicht unterlassen gleich jetzt hinzu- weisen. Sie befindet sieh dort, wo die in Gedanken nach hinten fortge- 38* 564 A. Rauber setzte Primitivrinne den Keimsaum schneidet. Eine getreue Abbildung dieser Randkerbe, wie man sie nennen kann, die nicht beständig vorkommt, aber doch hier und da gesehen wird, gibt bereits PANDER !), von einem Ei von 16 Stunden. Sie stellt, um es gleich hier zu be- merken, das ideale hintere Ende der Primitivrinne dar. Flächenbilder vorgerückterer Stadien zu untersuchen, in welchen die Erhebung der Medullarplatten bereits im Gange ist und die Urwirbel zu erscheinen beginnen, liegt jenseits der durch meinen Zweck gezogenen Grenze. Die Beziehungen der Primitivrinne zur Medullarrinne finde ich voll- ständig den Angaben KOLLIKER’s entsprechend. Auf das Schicksal der Primitivrinne dagegen ist später noch Bezug zu nehmen. Vor Allem aber drängt sich jetzt die Frage auf nach dem Ver- hältniss der Lunula zum Primitivstreif. Vergleicht man die Flächen- bilder beider Bildungen, so sind die durch wenigstündige Mehr- bebrütung vorgegangenen Aenderungen gross genug; doch wird man vorläufig wenigstens sehr geneigt sein, in dem Primitivstreif den Abkömmling der Lunula zu erblicken und anzunehmen, er sei ent- standen durch eine Zusammendrängung seitlich gelegener Zellen der Lunula nach deren Liingsdurehmesser hin. Es ist jedoch Vorsicht geboten, auf in mancher Hinsicht trügerische Flächenbilder allein sein Urtheil zu stützen. Aber auch das Studium von Querschnittreihen, in welche die Pri- mitivstreifen verschiedener Ausbildung von mehreren Beobachtern zerlegt wurden, hat zu den verschiedenartigsten Deutungen Veran- lassung gegeben. Die eingehendsten Bearbeitungen erfuhr dieser Gegenstand von GOrre?) und KÖLLIKER und stellen die beidersei- tigen Ergebnisse gewissermassen die Extreme der Anschauungen dar, welche bis dahin über diesen Theil hervorgetreten sind. GOrre vertritt die Bildung des Primitivstreifens durch active Zu- sammendrängung, Wanderung seitlicher Zellen zur Mitte; KÖLLIKER im Gegentheil diejenige der Entstehung in loco, durch Wucherung des Eetoderm in der Gegend des zukünftigen Primitivstreifens, mit folgender centrifugaler, allseitiger Vorschiebung zwischen beiden Blät- tern und dadurch bewirkter Mesodermbildung. Zwischen diesen beiden Extremen glaube ich eine Mittelstellung einnehmen zu müssen. Es liegt nicht in meiner Absicht, alles hi- storische Material weiterhin kritisch zusammenzustellen, welches in vielfachen Abstufungen zwischen jenen Extremen sich bewegt; ich ') Beiträge zur Entwicklungsgesch. des Hiihnchens im Ei. Taf. I, Fig. 4, e. 2) M. Scuuurze’s Archiv. Bd. X. Primitivrinne und Urmund. 565 werde blos meine eigenen Beobachtungen den iibrigen kurz hinzu- fiigen und weise in Bezug auf Historisches auf die Darstellungen jener beiden Autoren hin. Wie Letztere gleichmässig betonen, zeigt der Kopffortsatz des Primitivstreifens auf Querschnitten eine vollständige Sonderung des Eetoderm von der unterliegenden, mit dem Entoderm dicht verbun- denen mesodermalen Zellenmasse, sowohl im Beginn seiner Bildung als späterhin, wenn er eine ansehnliche Länge besitzt. Der ganze übrige Theil des Primitivstreifens dagegen zeigt zu einer Zeit, da noch keine oder nur die ersten Spuren oder eine vollkommen aus- gebildete Primitivrinne vorhanden ist, eine solche Trennung nicht, vielmehr geht daselbst, wie KÖLLIKER gegen GÖTTE richtig bemerkt, das Eetoderm ohne jede Grenze in die unterliegende Zellenmasse über. Ebensowenig aber ist sowohl am Kopffortsatz als im Körper des Primitivstreifens anfänglich eine Sonderung des Entoderm vor der intermediären Zellenmasse zu bemerken; doch erfolgt die Son- derung des Entoderm als einer einschichtigen aus platten Zellen be- stehenden Membran früher als es bei dem Ectoderm der Fall ist. Nach KÖLLikEr würde das übrige Entoderm der Mittelscheibe, soweit es also seitlich und vor dem Primitivstreifen liegt, gleichfalls nur aus einer einzigen Zellenreihe bestehen, zwischen ihr und dem Ec- toderm aber anfänglich keine weiteren Zellen anzutreffen sein, solche vielmehr erst später vom Primitivstreifen aus dahin gelangen. Es er- gibt sich nun aber, dass zwischen Eetoderm und Entoderm in den Seitentheilen der Area pellucida theils vereinzelte, kernlose, grobkörnige Kugeln, insbesondere aber auch theils mässig zerstreut, theils in kleinen Gruppen liegende Zellen von rundlicher oder ovaler Form vorkom- men, welche zumeist dem Entoderm aufliegen, zum Theil aber auch dem Ectoderm näher stehen. Die grobkérnigen Kugeln betrachte ich nicht als eingewanderte, sondern als den bezüglichen Orten schon ursprünglich zugehörige Bildungen, die schon in der unbebrüteten Keimscheibe auf, innerhalb oder unter dem Entoderm vorkamen und wohl der Auflösung anheimfallen. Jene Zellen aber sind auch schon vorhanden zur Zeit der ersten Bildung des Primitivstreifens und kann somit an eine Abstammung derselben von den Seitentheilen des Pri- mitivstreifens nicht gedacht werden. Ich glaube vielmehr, diese Zellen für Reste der frühern Lunula halten zu müssen, von welcher bei KOLLIKER sich keine Erwähnung findet. Sie hat sich in zwei Lagen gesondert, deren obere seitlich jene Reste darstellen; mittelwärts dürfte ein Theil in die Bildung ‘ 566 A. Rauber des Primitivstreifens aufgegangen sein. Die untere Lage ist eben Darmdriisenblatt. Der Haupttheil des Primitivstreifens dagegen macht sich in der That als ectodermale Wucherung geltend, wie der all- mälige Uebergang des grössten Theiles der Verdickung in die beiden Seitentheile des Eetoderm nachweist. Als eine solche ectodermale Wucherung erscheint auch die Randplatte des Primitivstreifens. Indessen ist eine sichere Entscheidung der vorliegenden Ver- hältnisse schwierig genug, insoweit sie sich auf die Bildungsheerde des Mesoderm beziehen. Glücklicherweise bedarf es zu meinem Ziel nicht sowohl einer unanfechtbaren Ableitung des Mesoderm aus einem oder mehreren Theilen des grossen Ringes, welchen Eetoderm und Entoderm in ihrer einfachsten Gestalt darstellen: als vielmehr einer Auseinandersetzung der räumlichen Beziehungen des Primitivstreifens und der Primitivrinne zur Keimscheibe einerseits, andererseits zum späteren Embryo. Erstere Frage kann als erledigt betrachtet werden ; aber auch über letztere kann kein Zweifel herrschen. Man ist gewöhnt, den Primitivstreifen in seiner Bedeutung für den Embryo nicht hoch genug anschlagen zu können, ja ihn selbst zu einer gewissen Periode für den Embryo zu halten. Selbst wenn man die axiale Verdiekung des Eetoderm nebst dem Streifen des Entoderm, soweit er dieser Verdickung entspricht, unter der Bezeich- nung Primitivstreifen versteht, so ist doch Primitivstreifen und Em- bryonalanlage nicht dasselbe, vielmehr ist letztere ausgedehnter. Wir wissen, dass der Primitivstreifen gegenüber den seitlichen Theilen der Area pellueida ausgezeichnet ist durch das Vorhandensein einer Zellenmasse, welche als Mesoderm Verwerthung finden soll. Die Ausdehnung dieser Mesodermanlage wird als Index für die Embryonal- anlage, die viel wesentlicher und früher aus Eetoderm und Entoderm besteht, von vornherein nur mit grosser Behutsamkeit Benutzung finden können. Eetoderm und Entoderm können möglicherweise Strecken überspannen, welche die bedeutungsvollsten der gesammten Embryonalanlage sind, aber es ist nicht nothwendig, dass das Meso- derm sich von Anfang an oder später ebensoweit zwischen beiden erstrecke oder bis zu jener Grenze sich verdichtet zeige. Das Meso- derm kann in dieser Beziehung eine höchst untergeordnete Rolle spielen, die grundlegenden Blätter der Embryonalanlage aber und mit diesen der wichtigere Theil der Anlage vorhanden sein; die meso- dermale Verdiekung muss nicht Ausdruck der Embryonalanlage sein. Diese Unterscheidung ist nicht ganz gleichgültig, vielmehr führt ihre Nichtbeachtung zu tiefgreifenden Verschiedenheiten. So ist es mir Primitivrinne und Urmund. 567 unverständlich, wenn KÖLLIKER, auf das spätere Wachsthum des Kopf- fortsatzes des Primitivstreifens gestützt, sich der Anschauung nähert, als ob vom Leibe des Vogels in erster Linie nur der Rumpf sieh an- lege, aus welchem dann in zweiter Linie erst der Kopf hervorwachse. Es gilt aber hier, dass der Kopffortsatz des Primitivstreifens nichts anderes ist. als Mesodermanlage, welche zwischen den bereits vorhandenen Kopfbezirk des Eetoderm und Entoderm hineinwächst. Nur das Mesoderm des Kopfes legt sich später an, insoweit es den Kopffortsatz des Primitivstreifens betrifft, nicht aber der Kopf selbst, der mit dem Rumpf in seinen wesentlichsten Blättern eine gleich- zeitige Bildung ist, in Bezug auf Ausbildung des Ectoderm den Rumpf sogar übertrifft. Wir werden uns also nach anderen Kriterien umsehen müssen, welche den Embryo unabhängig vom Primitivstreifen zu begrenzen gestatten. Solehe sind anfänglich nicht vorhanden, die Unterschei- dung zwischen Embryo und ausserembryonalem Bezirk der Area pel- lueida wird erst gesichert durch das allmälige Auftreten einer den Primitivstreifen in weitem Bogen umkreisenden Rinne, welche zuerst die Anlage des Kopfes, dann die Anlage des Rumpfes, schliesslich auch den Sehwanztheil des Embryo nach aussen abgrenzt, so jedoch, dass das hintere Ende der Primitivrinne jenseits derselben liegen bleibt. Schon Panpzr kennt dieselbe und bildet sie von Längs- und Querschnitten schematisch ab. W. His nennt sie Grenzrinne. Da sie die erste Spur der Nabelabschniirung des Embryo darstellt, würde sie nicht unpassend Nabelrinne genannt werden können. Vor dem Kopfe schon in der zweiten Hälfte des ersten Brüttages sichtbar, tritt sie am hinteren Leibesende erst gegen Ende des zweiten Tages deutlich hervor. Fig. 16, Taf. XXXVIL. Hiermit glaube ich die Randstellung der wechselnden Formen der Embryonalanlage, von ihrer ersten unbestimmteren Andeutung durch die Lunula des unbebrüteten Eies, ihrer bestimmteren Bezeichnung durch den Primitivstreifen und die Primitivrinne, bis zur endlichen Abgrenzung des Embryo genügend beleuchtet zu haben. Es würde leicht sein, die Randstellung noch weiter zurück zu verfolgen, doch bedarf es dessen nicht. Anfänglich mit dem Randwulst zusammen- hängend, trat sie in dessen Bezirk mit ihrem hinteren Ende selbst ein, um allmälig unter Zurückweichen des Randwulstes aus dessen Gebiet völlig heraus zu treten und sich soweit von ihm zu lösen, dass nur die Primitivrinne noch mit ihrem Endabschnitt auf die frühere Lage hinzeigte. 68 A. Rauber 2. Bedeutung der Randstellung. Die äussere Form und innere Beschaffenheit des peripherischen Saumes der Keimscheibe, der Urmundlippe, in den verschiedenen Stadien der Dotterumwachsung wurde an anderem Ort geschildert und beziehe ich mich hierauf sowie auf die beigegebenen Abbil- dungen. Eine Auseinandersetzung verdient an dieser Stelle noch das Verhältniss des Mesoderm zum Urmund (Blastoporus van BE- NEDEN). Es handelt sich nämlich darum, zuzusehen, ob das Meso- derm an der totalen Dotterumwachsung Theil nehme oder nicht. Meine auf dies Verhältniss gerichteten Beobachtungen gestatten eine bejahende Entscheidung. Man vergleiche Fig. 8, Taf. XXXVH. Das Mesoderm hält sich nach der Bildung der Vena terminalis in seinem peripherischen Fortschreiten hart an die Aussenwand dieser Vene. Wenn letztere als solche allmälig zurückzutreten beginnt, dringt die Blutgefässbildung nichtsdestoweniger immer weiter über die Keimhaut vor, ohne jedoch vollständig, selbst nach dem Ver- schlusse des Urmundes, letzteren je zu erreichen; es bleibt vielmehr ein kleiner, rundlicher Bezirk bekanntlich von Gefässen frei. Untersucht man den Keimsaum kurz vor dem Verschlusse des Urmundes, so besteht er blos aus dem Eetoderm und Entoderm, deren jedes einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Wulst bildet. Ebenso verhält sich die Sache noch gleich nach eingetretener Ver- schliessung, welch letztere seltsamer Weise um so langsamere Fort- schritte zu machen pflegt, je näher die Urmundlippen aneinander- rücken. Während dieses langsamen Vorrückens aber hat das Mesoderm Zeit gewonnen, weit näher gegen die Peripherie vorzudringen als es sonst möglich gewesen wäre. Nach eingetretenem Verschlusse, am fünften oder sechsten Tage schiebt sich eine einreihige platte Zellen- schicht immer weiter zwischen Eetoderm und Mesoderm vor, bis schliesslich eine vollständige Umgürtung des Entoderm erreicht ist. Die Loslösung des letzteren von dem Ectoderm einzuleiten und eine Hülle des Entoderm zu liefern scheint die Bestimmung dieses Blattes. Es vertritt das Darmfaserblatt; eine entsprechende ectodermale Lage gelangt nicht zur Entwicklung. Als Darmfaserblatt bekleidet es den sefässlosen Theil des Dottersackes, mit welchem es späterhin in die Bauchhöhle des Hühnchens zu gelangen scheint. Auch das Mesoderm bildet demnach schliesslich eine vollständige Blase. Auch in Bezug auf das spätere und frühere Wachsthum des Primitivrinne und Urmund. 569 Randwulstes sei es gestattet, eine sich hier anschliessende Be- merkung beizufiigen. Das oben von mir behauptete Vorkommen freier Kerne im Dotter- wall, der Unterlage des Randwulstes, findet sich nicht blos an Keimen frischgelegter Eier, sondern noch später, zur Zeit der Bildung des Primitivstreifs und der Primitivrinne; ja jenseits des freien Rand- wulstsaumes begegnete ich ihnen noch an Keimscheiben vom 3. Tage. wie ich alsbald zeigen werde. Längs der ganzen Ausdehnung des Randwulstes von Keimen mit wohlausgeprägter Primitivrinne bemerkt man auf Querschnitten die genannten Kerne theils näher, theils entfernter von der Unter- fläche des Randwulstes, in gewissen, meist unregelmässigen Ab- ständen aufeinanderfolgend, so jedoch, dass an einzelnen Stellen diehtere Gruppen, ja kleine Kernhaufen, vorkommen. Ihre Form ist meist oval, ihre Grösse—=4 bis 9», der Inhalt klar mit wenig einge- streuten Körnern und einem meist deutlich wahrnehmbaren. in Carmin stark sich färbenden Kernkörperchen; ihre Hülle ist eine zarte Mem- bran. Ihre nächste Umgebung zeigt nicht selten eine feiner körnige Beschaffenheit als sie dem Dotterwall an sich zukommt. Das Vorkom- men dieser Kerne erinnert an ähnliche Erscheinungen, die vom Dotter der Knochenfische und Selachier beschrieben worden sind. Ob sie sich frei an Ort und Stelle bilden, ob sie von Randwulstkernen ab- stammen, lässt sich schwer entscheiden. Sie machen im Allgemeinen den Eindruck eines Restes gehemmter totaler Furchung, wenn auch deutliche Zellenabgrenzungen in der Regel nicht wahrgenommen werden können. Doch fehlt es keineswegs an Andeutungen zu sol- chen und gerade in nächster Nähe des Randwulstes selbst. Dass von ihnen ausgehende Zellenbildungen dem Randwulst von unten her sich anlagern und verstärken, hierfür spricht das bei sorgfältiger Beachtung unschwer wahrzunehmende, stellenweise buchtige Ansehen der unteren Randwulstlinie und die Verdiekung des Randwulstes. Diese Vorsprünge des letzteren in den Dotterwall können gar nicht einfacher gedeutet werden als dadurch, dass neue Zellen von unten her allmälig sich anlagern. Ich nannte dies die Durchwachsung des weissen Dotters von Seiten des Randwulstes, eine active Betheili- gung des Randwulstes dabei voraussetzend. Ein diese Verhältnisse zeigender Randwulst vom Stadium der Primitivrinne ist Fig. 4, Taf. XXXVII abgebildet. Aber auch jenseits des Randwulstsaumes konnten wiederholt echte freie Kerne innerhalb des oberflächlichen weissen Dotters, in 570 A. Rauber einiger Entfernung von der Dotterhaut wahrgenonmen werden. Auch hier wiederum zeigte sich in nächster Umgebung der einzelnen Kerne oder kleinen Kernhaufen feinerkörniges Protoplasma, mit kleineren und mittleren weissen Dotterkugeln. Ein direeter Zusammenhang mit dem freien Keimrand ist dabei durchaus nicht vorhanden, viel- mehr liegt ein ansehnlicher Abstand zwischen dem Keimrand und diesen Kermgruppen, welchen gemeiner weisser Dotter einnimmt. An eine künstliche Verschleppung ist gar nicht zu denken. Ihrer Lage und der körnerreichen Beschaffenheit des umgebenden Proto- plasma nach zu urtheilen, würden dieselben dem Gebiete des Rand- wulstes, nicht dem Ectoderm zuzurechnen sein. Die ganze Erschei- nung macht den Eindruck, als hätten wir es hier wie im vorher- genannten Fall mit einer Art superficieller Furchung zu thun, die sich an die Furchung des Keims direct anschlösse. Oder was sollte aus jenen Kernen werden? Ob nun in der That das Dieken- und Flächenwachsthum des Entoderm mit solcher Bildung theilweise im Zusammenhang steht, werden weitere Beobachtungen zu lehren haben. Nicht ohne tieferen Grund stelle ich den nachfolgenden Erwä- gungen diese beiden Beispiele totaler und weit fortgeschrittener Dotterumwachsung der Keimscheibe voran. Denn es dürfen spätere Stadien der Umwachsung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben bei dem Versuche, die Embryonalanlage mit dem Keimrand in innere Verbindung zu bringen. Es könnten Zweifel bestehen, ob man sich bei einem solchen Versuche auf eine so unfertige Keimscheibe be- ziehen könne, wie sie in der Anfangszeit der Bebrütung vorliegt. Man könnte es für nothwendig erklären wollen, nur die fertige Keim- scheibe, die nach der Dotterumschliessung zur zweiblättrigen und bald dreiblättrigen Blase geworden, zum Ausgangspunet zu wählen. Und hier ist in der That von einer Randstellung der Embryonal- anlage keine Spur mehr zu bemerken. Die Berechtigung eines sol- chen Einwandes könnte aber von vornherein schon mit dem Hinweis bestritten werden, dass die Grösse des Nahrungsdotters allein die Keimhaut zu einer solehen Flächenausdehnung nöthigt, welche das frühere Verhältniss völlig aufzuheben vermag. Aber auch ausserdem würde diesem Einwand die innere Berechtigung fehlen, wie sich im weiteren Verlauf dieser Betrachtung von selbst ergeben wird. Schon zu Beginn wurde der hohe und unersetzliche Werth der Vergleichung embryologischer Formenbildung hervorgehoben. Nichts Anderes lässt das Wesentliche vom Unwesentlichen sicherer und - Primitivrinne und Urmund. 571 rascher unterscheiden, nichts Anderes die Bahn der Untersuchung bestimmter vorausbezeiehnen. Mit Unrecht für bedeutungsvoll Ge- haltenes führt sie auf seinen wahren Werth zurück ; das ohne ihre Führung Zurückgebliebene und Verhüllte erhebt sie in ungeahntes Licht. Anfänglich selbst absichtslos, dem natürliehen Drang ent- sprechend thätig, sucht sie alsbald bewusste Verwendung. Sie stellt immer neue Räthsel, die sie selbst wiederum der Lösung entgegen- führt. Unsere eigene Gestalt wird sie auseinanderlegen und wir werden sie verstehen lernen. Ihr verdankt die Embryologie die gegenwärtige Höhe und Bedeutung. Von Wirbelthieren sind für jetzt zu einer Vergleichung verwend- bar Vertreter aller Klassen mit Ausnahme der Säugethiere. Es liegen jedoch bereits Anzeichen vor, dass auch letztere einem homologen Plane folgen. Von Knochenfischen und vom Frosch, deren Entwicklung ich aus eigener Anschauung kenne, habe ich die entsprechenden Stadien Fig. 10—11, Taf. XXXVII dem Hühnchen gegenübergestellt. Auf die bedeutende Uebereinstimmung der wichtigsten Verhält- nisse mit den Knochenfischen ist schon öfters hingewiesen worden. Die Randstellung der Embryonalanlage, Primitivstreifen- und Rücken- furchenbildung findet sich in wesentlich gleieher Anordnung auch bei den Selachiern, wie BALrour’s Untersuchungen neuerdings be- stätigt haben. Bei den Knochenfischen ist die Randstellung in ge- wisser Beziehung eine dauernde, insofern die sich schliessenden Urmundränder mit dem hinteren Körperende in Verbindung bleiben, in dasselbe übergehen. Bei den Selachiern dagegen löst sich das hintere Ende des Körpers von den Urmundlippen ab, lange bevor der Schluss des Urmundes erreicht ist. Sie stimmen in diesem Ver- halten auffallend mit dem Hühnchen überein; auch bei diesem fand sich die Randstellung der Embryonalanlage und die später folgende allmälige Loslösung vom Rande. Beim Frosche sehen wir die Primitivrinne und mit ihr die Em- bryonalanlage in direeter Verbindung mit dem Urmund, der Rusco- nischen Oeffnung; desgleichen bei den Cyclostomen. Hier wird es schon deutlich, dass es nicht sowohl die Randstellung der Embryonal- anlage ist, auf welcher der Schwerpunct ruht, sondern dass ein tieferliegendes Prineip zu Grunde liegt, dessen Durchführung unter bestimmten äusseren Verhältnissen die Randstellung im Gefolge hat. Man kann dasselbe auf zweierlei Weise ausdrücken. Mit Bezug auf Höhlen und Furchen macht es sich geltend als Fortsetzung 572 A. Rauber der Entodermeinstülpung oder Urdarmhöhle auf den Riicken des Keimes; mit Bezug auf die Substanz dagegen als Ueberführung der Urmundlippen auf den Rücken des Keimes, zur Gestaltung des Embryo. Euaxes einerseits, Aseidien und Amphioxus andererseits geben die reinsten Bilder des ganzen Processes. Ueber letzteren hat sich vor mehreren Jahren KowALEewsky !) zwar kurz, aber mit Schärfe ausgesprochen und führe ich seine Worte um so dankbarer an, als mir durch sie das Verständniss der Ent- wicklung des Hühnchens und der Knochenfische angebahnt wurde. In seinen Riickblicken und Vergleichen in Bezug auf die Ent- wicklung der Würmer sagt derselbe: »Meine neuen Studien (über die Ascidien) ergaben nur, dass die Einstülpungsöffnung sich auf den Rücken des Eies begibt und die sich um dieselbe bildende Rinne zur Rückenrinne sich schliesst; aus der durch Einstülpung gebildeten Zellenschicht entsteht das Darmrohr und aus der auf den Rücken sich ziehenden Fortsetzung. derselben das Nerven- oder Sinnesrohr. — Beim Amphioxus geht die Einstülpungsöffnung auch auf den Riicken über und die sie umgebenden Ränder schmelzen mit den Rändern der Rückenrinne zusammen, so dass ein unmittelbarer Zu- sammenhang zwischen dem Darmdrüsenblattrohre und dem Nerven- rohre entsteht, was von mir auch bei den Plagiostomen und dem Frosche gefunden wurde. und sich auch für die Aceipenseriden als richtig erwies«. Es bedarf in der That nur eines kurzen Riickblickes auf das Hühnchen, um die Durchführung desselben Plans auch hier zu er- blicken. Die Randstellung der Embryonalanlage erscheint sofort in einem andern Lichte. Was zunächst die Primitivrinne betrifft, so ist die Nähe ihres hinteren Endes am Rande der Keimscheibe, dem Urmund, begreiflich genug. Jene oben schon beachtete Randkerbe der Keimscheibe erhält einen bedeutungsvollen Werth und weist da- rauf hin, dass nicht blos ein idealer Zusammenhang zwischen Pri- mitivrinne und Urmund unter allen Umständen anzunehmen sei, sondern dass er sich selbst, wenn auch in selteneren Fällen that- sächlich ausprägen könne. Der Zusammenhang mit dem Urmund schliesst aber auch den Zusammenhang mit der Urdarmhöhle, der Barr’schen Keimhöhle, selbstverständlich in sich ein. Wäre die Keimscheibe des Hühnchens minder flach, so würde der directe Uebergang der Rinne in die Höhle wahrscheinlich viel auffallender !) Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. 1871. pag. 29 und 30. Primitivrinne und Urmund. 573 sein. Man kann also sagen, die Primitivrinne, weiterhin aber auch die Medullarrinne des Hühnchens ist nichts Anderes, als die Fort- setzung der Urdarmhöhle auf den Rücken der Keimscheibe; da diese Fortsetzung nur von einer Stelle der Peripherie der Keimscheibe aus erfolgen kann, muss die Primitivrinne randwärts liegen. So verhält es sich mit Bezug auf Rinne und Höhle. Was aber die Substanzränder der Rinne und Höhle betrifft, so ist durch den Zusammenhang zwischen diesen (der Rinne und Höhle) auch der Zusammenhang jener (der Substanzränder der Rinne und Höhle) - eonstatirt. Mit andern Worten, die Primitivrinnenränder, die man sich bei vollkommen bis in die Keimhöhle und vom Rande bis zum Vorderende gespaltener Primitivrinne vorzustellen hat, sind eine Fort- setzung der Urmundränder ; aber nicht allein dies, sondern sie sind vielmehr ein nach vorne gezogener Abschnitt des grossen ursprüng- lichen Urmundrandes, zu dessen Peripherie auch sie gehören. Beim Hühnchen würde demnach nur ein Theil des Urmundrandes als Embryonalanlage auftreten. Direet nachweisbar ist auch in dieser Beziehung, selbst noch zur vorgerückten Zeit der Ausbildung der Pri- mitivrinne, die über eine längere Zeitstrecke hin fortdauernde Ueber- nahme hinterer Keimscheibenbezirke in die Embryonalanlage. Die Primitivrinne erscheint nun verhältnissmässig spät; das erste Auf- treten des Primitivstreifens ist aber schon gewissermassen zusammen- getretener Urmundrand. Je weiter wir in der Entwicklung zurück- ‘gehen, sei es bis zum Keim des frischgelegten Eies oder endlich zur Furchung zurück, um so einfacher und anschaulicher werden die Verhältnisse und darf man sich nur die Entstehung der Primitiv- inne in Gedanken auf eine etwas frühere Zeit verlegen. Man kann diese Entstehungsweise des Embryo als stomatogene bezeichnen. Der Vergleichung ist es nur vortheilhaft, wenn man vorziehen sollte, statt der Urmundlippen das ganze Randwulstgebiet einzusetzen. Die ja unläugbar vorhandenen Differenzen betreffen in beiden Fällen nur Nebensächliches, lassen also das Typische unberührt. Andere entwicklungsgeschichtliche Typen nächster Verwandt- schaft zum Vergleich heranzuziehen liegt keine Veranlassung vor. Der Primitivstreif des Hühnchens würde hiernach zu deuten sein als Embryonaltheil des Urmundrandes; die Primitivrinne, gegenüber der Erklärung KÖLuıker’s, als Embryonaltheil des Urmundeingangs. Beide Erklärungen aber schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. ; 574 A. Rauber, Primitivrinne und Urmund. Zusatz. Vorstehende Arbeit wurde im August d. J. eingesendet. Mittlerweile erschien in der Zeitschrift für mikroskopische Ana- tomie, Bd. XIII, Hit. 2, eine Arbeit von A. KowALEwsky, in welchem dieser Forscher seine in dem obigen Citat angeführten Gedanken über die fundamentalen Vorgänge der Wirbelthierentwieklung ausführlicher entwickelt. Die von mir in dem Vorausgehenden beschriebene wesent- liche Uebereinstimmung des Hühnchens tritt dadurch nur um so schärfer hervor und erscheint jedes Hinderniss meiner Erklärung der Embryonalanlage des Hühnchens als beseitigt. In einem Aufsatz von W. Hıs über Selachierentwieklung (Zeit- schrift für Anatomie u. Entwicklungsgesch. von Hıs und BRAUNE, II. 2) finden sich KowALEWSKYSs weit umfassendere vorhergehenden An- gaben nicht erwähnt. Meine Erklärung der Entwicklung des Hühn- chens (die Primitivrinne gleich Fortsetzung der Entoderminvagination auf den Rücken der Keimscheibe; Sitzungsberichte der naturf. Ges. zu Leipzig, Februar 1876) bezeichnet W. Hıs einfach als »unver- ständlich «, möglicherweise, um später mit andern Worten, vielleicht »Aufreihung«, dasselbe zu sagen. Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXVII. Längsschnitt durch die ovale Keimscheibe eines frisch gelegten Hühner- eies. Die Zellen des Ectoderm sind in dessen Körper nicht einge- zeichnet. Das Entoderm zeigt linkerseits einen dickeren Randwulst als rechterseits. Die linke Hälfte des Entoderm der Area pellucida ist zellenreicher als die rechte. Die dickere Hälfte des Entoderm liegt mit Bezug auf die Stellung des späteren Embryo im hinteren Bezirk der Keimscheibe. ®/;. Querschnitt durch die ovale Keimscheibe eines 6stündig bebrüteten Hiihnereies, aus dem Bereich der Lunula. Das Entoderm ist hier- selbst, wiewohl in der Area pellucida gelegen, mehrschichtig und aus dichtgedriingten Zellen zusammengesetzt, deren Liingsdurchmesser horizontal liegt. ®/;. Stiick eines Querschnittes durch denselben Keim, aus der vor der Lunula liegenden Gegend der Area pellucida. Das Entoderm ist srossentheils einschichtig und besitzt noch Lücken. ®/ı. Querschnitt durch das Randwulstgebiet und den angrenzenden Theil der Area pellucida einer 9stündig bebrüteten Keimscheibe, in wel- cher der Primitivstreifen, aber noch keine Primitivrinne wahrnehm- bar. Im Dotterwall, der Unterlage des Randwulstes, zerstreute echte Kerne (x), um welche Höfe feinkörnigen Protoplasmas. Kleinere und grössere Vacuolen (v); in einer grösseren eine körnige Kugel, die in ihrer Beschaffenheit mit den kernlosen Kugeln des Keimhöhlen- bodens übereinstimmt. 150/,. Unter dem Eetoderm das in 2 Lagen nunmehr gesonderte Ento- derm. Die obere Lage ist als ein Theil des Mesoderm anzusprechen. Stück eines Querschnittes durch den Primitivstreifen des Keimes Fig. 4, aus der Mitte desselben. ®/;. Rand- oder Schwanzplatte desselben Primitivstreifens, als nach den Seiten allmälig sich verjüngende Verdiekung des Eetoderm; darunter Mesodermzellen und die Zellen des Randwulstes. © /;. Querschnitt durch die Urmundlippe eines 3tägig bebrüteten Hiihner- keims. !50/,. a) Dotterhaut, zunächst darunter niedergeschlagenes Serum-Eiweiss. b) Eetoderm; der freie Rand liegt in der Figur rechterseits. 576 Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur S: we 10. nl 14, A. Rauber, Primitivrinne und Urmund. . c) Entoderm, gleichfalls am freien Rand verdickt. Seitwärts von beiden, die Urmundlippe bildenden Rändern ist innerhalb des weissen Dotters eine Gruppe von 5 echten Kernen zu bemerken ; noch weiter nach aussen eine zweite Gruppe von 2 Kernen. Querschnitt durch den geschlossenen Urmund (Blastoporus) eines 6 tiigig bebriiteten Hiihnereies. 150/,. a) Dotterhaut. Sie zeigt eine gefaltete Stelle, wie sie um diese Zeit oft noch viel ausgepriigter vorkommen, ohne Kunstproduct zu sein. b) Ectoderm, in einen breiten Endstrang übergehend. c) Mesoderm, eine einschichtige Lage platter Zellen. d) Entoderm als geschlossener Randwulst. Gastrula des Htihnchens mit Urmund und Primitivrinne, schema- tisch. Der Dotterpfropf ist dunkel gehalten. Urmund und Primitivrinne eines Knochenfisches. Urmund und Primitivrinne des Frosches. Die Rusconische Oeffnung ging nach vorn in einen engen Schlitz über, in dessen Fortsetzung die Primitivrinne liegt. Tafel XXXVII. Ovale Keimscheibe des unbebrüteten Hühnereies, von der entoder- malen Fläche aus. Die Area pellueida zeigt im vorderen Bezirk ein dunkel gehaltenes Lückenwerk, welches nach dem in der Figur unten gelegenen hinteren Bezirk der Keimscheibe (/) mehr und mehr sich verliert. Die Substanzstränge und -Platten sind weiss gelassen. Keimscheibe eines 6 Stunden bebrüteten Eies, von unten; im vor- deren Bezirk noch durchbrochenes Entoderm zeigend. Die Lunula des letzteren ist dichter geworden. 9 stiindiges Hühnchen, Dorsalansicht des gehärteten Präparates, bei schief auffallender Beleuchtung. Der Primitivstreif grenzt mit seiner Basis an den Randwulst. Primitivrinne fehlt noch. 12stündiges Hühnchen. Der Primitivstreif zeigt die Primitivrinne und scheint mit seiner Basis in zwei seitliche Schenkel auszulaufen. Vorderes und hinteres Ende des Primitivstreifs werden von der ‚Primitivrinne nicht durchschnitten. Strahlenförmige Figur der Eeto- dermzellen der Area pellueida um den Kopftheil des Primitivstreifens. 15stündiges Hühnchen, mit Primitivstreif und -Rinne; Kopf- und Schwanzplatte des Primitivstreifens. Die Breiten- und Längenaus- dehnung der letzteren ist nach Schnitten in die Figur eingetragen. Vor der Kopfplatte die Nabelrinne. Der Rand der Keimscheibe, welehen die Figur nicht vollständig wiedergibt, zeigt in der hinteren Verlängerung der Primitivrinne bei « die Randkerbe. Alle Figuren dieser Tafel sind bei 16f. Vergrösserung gezeichnet. __ SS ——$—_— Sa SE Kaya ea LEERE Lith Anat «1.0: Bach, Leipng Pr Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. Von Dr. G. Born. Mit Tafel XXXIX—XLI. In einem am 26. Juli dieses Jahres gehaltenen Vortrage habe ich der naturwissenschaftlichen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur die von mir bei einigen Vertretern der beiden einheimischen Amphibienfamilien gemachte Entdeckung eines Thränennasenganges vorgelegt, musste aber bei dieser vorläufigen Mittheilung die Entwicklungsgeschichte der genannten, bisher unbeach tet gebliebenen Bildung noch unerörtert lassen. Weitere Untersuchun- gen haben mich in den Stand gesetzt. dieses Versäumniss jetzt nach- holen zu können. Für diese Arbeit erwies sich bald eine gleich- zeitige, eingehende Beachtung der Entstehung und der entwick- lungsgeschichtlichen Veränderungen des Ethmoidalskeletes und der Nasenhöhle selbst als unerlässliche Vorbedingung. Bei der Behand- lung dieser Materien erhoben sich dann allgemeine morphologische Fragen von Wichtigkeit : Ueber Herkunft und Bedeutung des Eigenskelets der Nasenhöhle. der Wände sowohl, als der muschel- artigen Einragungen, über die Beziehungen desselben zu den ur- sprünglichsten und allgemein verbreitetsten Anlagen des Gesichts- schädels, endlich über das Verhältniss des neugefundenen Thränen- canals der Amphibien zu den gleichnamigen und jedenfalls gleich funtionirenden Apparaten der höheren Wirbelthiere. die bekanntlich Morpholog. Jahrbuch. 2. 39 578 G. Born ontogenetisch an sehr frühe und auf die Architektonik des Gesichts sehr einflussreiche Formbildungen anknüpfen. Ich werde zunächst eine eingehende Beschreibung der Nasenhöhle, ihrer Wände und Drüsen, des Thränencanales und seines Verlaufes bei den erwach- senen Thieren geben, dann die Entwicklungsgeschichte dieser Theile folgen lassen und einen allgemeinen Theil, eine Erörterung der ein- schlagenden morphologischen Probleme daran anschliessen. Von Urodelen habe ich vorzüglich Triton eristatus und taeniatus, von Anuren Pelobates fuseus und Rana esculenta untersucht. Diese Beschränkung auf wenige Arten ergab sich, abgesehen von der Schwierigkeit der Beschaffung des entwicklungsgeschichtlichen Ma- terials, bei der unumgänglichen Untersuchung einer grossen, möglichst zusammenhängenden Reihe von Larvenstadien von selbst, da, wie jeder Sachverständige bestätigen wird, schon die Anfertigung und Durchmusterung einer einzigen Schnittserie durch einen Froschkopf ein aussergewöhnliches Maass von Zeit und Geduld erfordert. Die übrigen einheimischen Anuren und Urodelen habe ich nur beiläufig berücksichtigt, um mich zu überzeugen, dass dieselben im fertigen Zustande sowohl, ais in der Entwicklung von dem nach den aus- gewählten Beispielen gestalteten Bilde nicht erheblich abwichen. Einige auffällige Besonderheiten werde ich an geeigneter Stelle zur Sprache bringen. Wo die Messerpräparation ausreichte, ist dieselbe benutzt worden. Bei den ontogenetischen Untersuchungen war ich meistentheils auf die Resultate der Schnittserien angewiesen. Aber auch Dinge, die der Präparation noch zugänglich sind, zerlege ich gern ausserdem noch auf dem Mikrotome: Einmal wird der Beob- achter dabei gezwungen behufs Reconstruction des Gesammtbildes- aus den Durchnitten jeder Einzelheit der Form mit dem Auge aufs genaueste nachzugehen, zweitens ist die Abgrenzung der morpholo- gischen Elemente hier eine viel sieherere, als bei der Präpara- tion; sie geschieht nicht nur auf Grund der Wahrnehmung neben- sächlicher und mitunter trügerischer Unterschiede, wie der ver- schiedenen Härtegrade der Gewebe, sondern beruht auf der gleich- zeitigen Beobachtung der Form und der histologischen Structur; endlich ist es bei der Untersuchung zusammenhängender Sehnitt- serien beinahe unmöglich, irgend etwas zu übersehen , wie dies selbst bei der genauesten Loupenpräparation, wo doch immer oberfläch- liche Theile entfernt werden müssen, um die tiefer liegenden sichtbar zu machen, so leicht der Fall ist. Um auch von Gegenständen, die eine sichere Präparation kaum mehr zulassen, ein plastisches, in Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 579 seinen Dimensionen richtiges Bild herzustellen, habe ich mir eine Methode ersonnen, nach der wenigstens für schärfer begrenzte Theile aus den Schnitten ziemlich genaue Wachsmodelle in kurzer Zeit gearbeitet werden können. Es ist nicht schwer, einen zweekmäs- sig behandelten und eingeschlossenen Kopf auf einem guten Mikro- tome so in eine Serie von gleichmässig dicken Schnitten zu zerle- gen, dass zwanzig auf einen Millimeter kommen. Die Theile, welche modellirt werden sollen, zeichne ich aus jedem Schnitte mittelst eines Prismas vierzig Mal vergrössert auf eine aus mit Terpentin versetztem Wachs-Stearingemisch gegossene Platte von 2 Millime- ter Dicke. Die aufgezeichneten Umrisse werden mit dem Messer sorgfältig ausgeschnitten und die ausfallenden Figuren genau und fest aufeinander gedrückt. Mit einem heissen eisernen Spatel rundet man die vorstehenden Schnittkanten, und vollendet die Verklebung. So entsteht allmälig ein in allen Dimensionen richtig vergrössertes Modell der betreffenden Theile. Platten von beliebiger und sehr genau be- stimmbarer Dicke stelle ich mir folgendermassen her: Mittelst Eingiessen der heissen Masse in ein vorher gewogenes Maassgefäss und nochmaliges Wiegen bestimme ich das specifische Gewicht der- selben im festen Zustande. Aus dem speeifischen Gewichte lässt sich die zu einer rechteckigen Platte von bestimmter Dicke nöthige Menge des Gemisches leicht berechnen. Die Flächenausdehnung der Platte wird nach der Weite des rechteckigen Gefässes mit senkrechten Wänden, in welches man die Masse eingiesst , be- stimmt. Um eine vollständig planparallele Platte zu erhalten giesse ich die für die gewünschte Dieke berechnete Menge des geschmol- zenen Gemisches nicht direet auf den Boden des Gefässes, sondern auf eine mindestens 1 Zoll hohe Schicht heissen Wassers aus. Auf diesem vertheilt sich das flüssige Wachs ganz gleichmiissig. So- bald dasselbe einigermassen fest ist, schneide ich die Platte, um ein nachträgliches Zerreissen bei der Abkühlung zu vermeiden. heraus und lasse sie auf horizontaler Unterlage vollends fest wer- den. Der kleine Fehler, den die aufgeworfenen hinder einfüh- ren, ist für unsern Zweck unerheblich, lässt sich übrigens auch leicht durch Rechnung eliminiren. Die nach dieser Methode herge- stellten Modelle sind nicht besonders elegant, bieten aber den gros- sen Vortheil, dass sie ein verhältnissmässig richtiges, plastisches Bild des Gegenstandes darbieten und ohne weitere Uebung von je- dem angefertigt werden können. Die Zahlenverhältnisse, die ich für die Dicke der Schnitte, der Platten und für die Vergrösserung gewählt 39* 580 G. Born habe, sind natürlich nicht die einzig möglichen. Man kann die Zahl der Schnitte, die aus der Längeneinheit des Präparates hergestellt werden, beliebig variiren, muss nur dann immer die übrigen Facto- ren entsprechend abändern. Meinen Zwecken genügten fast durchaus Frontalschnitte; selten habe ich Horizontalschnitte zu Hülfe gezogen. Die Vorbereitung zur Zerlegung bestand darin, dass die Thiere ent- weder in eoncentrirter wässriger Pikrinsäurelösung getödtet wurden (wenn es sich um Larven handelte), oder dass die frisch abgeschnit- tenen Köpfe in dies Reagens geworfen wurden. Die stark verknö- cherten Schädel ausgewachsener Thiere gelingt es rasch und mit Schonung der Elementartheile zu entkalken, wenn man dieselben geradezu in Pikrinsäureschlamm, womöglich mit aufgesperrtem Ra- chen, begräbt und nur wenig Flüssigkeit über der Schicht der Kry- stalle stehen lässt. Den dünnen Deekknochen der Larven und jun- ger Thiere werden schon durch die Lösung die Kalksalze entzogen. Nur monatelange Einwirkung der Säure schadet den zarten Gewe- ben der Larven erheblich. Freilich ist eintägiges Einlegen, wie es RANVIER vorschreibt, am allerbesten. Aus der Pikrinsäure bringe ich den hinter den Augen abgeschnittenen Kopf in eine schwach ammoniakälische wässrige Karminlösung von dunkelrother Farbe. Handelt es sich‘ um umfangreiche Stücke oder solehe, die lange in Pikrinsäure gelegen sind, so muss der Ammoniakgehalt grösser sein. In der Karminlösung bleiben die Köpfe im verschlossenen Glase I bis 2 Tage, werden dann mit ganz schwachem Spiritus einige Stunden gespült, darauf in mittelstarken und endlich in absoluten Alkohol übertragen, in dem sie beliebig lange Zeit aufbewahrt wer- den können. Die so hergestellte Gesammtfärbung ist eine durchaus gleichmässige, betrifft vorzüglich die Kerne, differenzirt aber auch verschiedene Intercellularsubstanzen — Knochen werden roth, Mus- keln gelblich, ebenso verhornte Epithelien, die Intercellularsubstan- zen der verschiedenen Knorpel weiss bis röthlich u. s. w. Die Präparate sehen sehr elegant aus und selbst feine Structuren, wie Riechepithelien und Flimmerzellen, bleiben erhalten. Ich ver- muthe, dass die Hauptvorzüge des Verfahrens, die Gleichmässigkeit und das tiefe Eindringen der Färbung, darauf beruhen, dass es sich hier nieht um eine einfache Imbibition des Karmins, sondern gleich- zeitig um einen chemischen Process, die Neutralisirung der Pikrin- säure durch das geringe überschüssige Ammoniak, handelt, wobei die oberflächliche oder tiefe Lage der Schiehten weniger in Betracht kommt. Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 581 Die verhornte Epidermisdeeke erwachsener Thiere erschwert das Eindringen des Karmins sehr; man versäume daher namentlich bei diesen die Vorsicht nieht, den Rachen der Thiere aufzusperren und lasse dieselben längere Zeit in der Lösung. Ein vorzügliches Einbettungsverfahren für die im ganzen gefärbten und in absolutem Alkohol gehärteten Köpfe habe ich in dem von KLEINENBERG in seiner Uebersetzung der Fosrer-Barrour'schen Grundzüge der Entwick- lungsgeschichte pag. 216 bis 248 angegebenen kennen gelernt und wende dasselbe mit einigen Abänderungen, die ich für vortheilhaft befunden habe, jetzt ausschliesslich an. Der Wunsch, zur Verbrei- tung dieser Methode das Meinige beizutragen. veranlasst mich. eine ausführliche Beschreibung hier folgen zu lassen. Aus dem absoluten Alkohol werden die im ganzen gefärbten Stücke in Bergamottil ge- bracht und bleiben darin, bis sie von demselben vollständig dureh- drungen sind — man erkennt dies daran, dass das Roth derselben etwas dunkler und transparenter wird — dann werden sie in eine bei gelinder Wärme schon flüssige Masse übertragen, die aus 4 Theilen Spermaceti und I Theil Rieinusöl besteht und in derselben bei etwa 40 Grad !/, Stunde gelassen. Ich giesse die Masse, da ich mit dem Mikrotome schneide, in Blechformen aus, die zu der Zwinge meines Instrumentes in verschiedenen Einstellungen passend gearbeitet sind und deren Boden abnehmbar ist, um die erstarrte Masse sammt dem in dieselbe eingelegten Präparate herauszuschieben. Kurz vor dem Er- starren giebt man dem Präparate seine definitive Lage. Luftblasen werden mit einer heissen Klinge entfernt. KLEINENBERG benetzt das Messer mit Oel: das ist eine höchst unangenehme Zugabe; ich habe gefunden — und dies ist, hoffe ich, eine Verbesserung der Methode, — dass man ebenso gut zur Befeuchtung der Klinge absoluten oder nahezu absoluten Alkohol benutzen kann. Sehwiicherer Spi- ritus ist zu vermeiden, denn derselbe giebt in der Mischung von 4 Theilen Terpentin auf 1 Theil Kreosot, in welchem man die Schnitte zur Auslösung der Masse bringen muss, trübende Wasser- blasen. In absolutem Alkohol lassen sich vor Wärme geschützt die eingeschmolzenen Stücke Wochen lang aufbewahren. Zwar wird dadurch das Rieinusöl theilweise ausgezogen — man findet immer einige abgelöste Fettflocken im Grunde des Glases —, aber dies thut der Schneidbarkeit der Masse keinen Eintrag, ja verbessert vielleicht dieselbe. ‘Aus der obigen Mischung übertrage ich regel- mässig noch in reines Kreosot oder Nelkenöl, weil es dadurch meist gelingt, die bis dahin eingerollten Schnitte auszubreiten. Ich be- 582 G. Born nutze ein nach den Angaben des Herrn Stabsarzt Lone hierselbst von SCHIEK in Berlin construirtes, dem bekannten Leysrr’schen nachgebildetes Mikrotom. Es besitzt vor diesem namentlich den Vorzug, dass die Pincette, welche das Präparat trägt, nicht fest auf dem Schlitten sitzt, sondern an einer senkrechten Axe auf- und nieder- geschoben und um dieselbe gedreht werden kann: eine Schraube stellt sie in gewünschter Höhe an dem senkrechten Stifte fest. Das zu- gehérige Messer ist so »geschränkt«, dass die untere Fläche des schneidenden Keils am tiefsten von allen Theilen des Messers, steht, so dass nicht, wie bei allen andern Messern, ein unter der Sehnitt- ebene liegender Theil über das Präparat hinweggedrückt werden muss. Auf den schwierigsten Theil der Technik, das Auflegen so lückenreicher Schnitte, wie die durch die Nasengegend einer Frosch- larve sind, will ich in Rücksicht auf den Raum nicht näher einge- hen. Für gröbere Untersuchungen z. B. der Skeletverhältnisse genügen 20—25 Schnitte auf den Millimeter. Für feinere Unter- suchungen, z. B. über Epitheleinwachsungen muss man bis auf 30 bis 40 steigen, wobei man aber für grosse Objeete natürlich auf Voilständigkeit Verzicht leisten muss. Bei der Altersbestimmung der Froschlarven habe ich mieh nach der Entwicklung der hinteren Extremitäten, der Befreiung der vorderen aus ihrer Hülle, dem Ab- werfen der Hornkiefer, der Erweiterung der Mundspalte und dem Grade der Resorption des Schwanzes gerichtet. Bekanntlich stehen aber diese, Erscheinungen weder zu einander, noch zu den innern Orga- nen in Bezug auf ihre Ausbildung in fester Correlation; man findet z. B. mitunter bei einem Thiere, das erst eine vordere Extremität entwickelt hat, die Knorpel der Nase viel weiter entwickelt, als bei einem anderen, das nicht nur beide vordere Extremitäten, sondern auch schon die Anfänge der Resorption des Schwanzes zeigt. Am unzuverlässigsten ist für Froschlarven die Bestimmung der Länge. Riesige Exemplare von Pelobates fuscus von 12 Cm. Länge, die ich einmal vereinzelt in einem Teiche fand, zeigten sich nicht weiter ausgebildet, als halb so grosse. Für Tritonen dagegen gibt das Längenmaass einen ziemlich richtigen Maassstab für die Beurthei- lung der Entwicklungsstufe ab. Dass die Nasenhöhle der Anuren nieht, wie die älteren Autoren meinten, ein einfaches Loch darstelle, welches gewissermassen von der äusseren Haut durch das Gesicht in die Mundhöhle durehge- schlagen sei, ist in neuerer Zeit allgemein anerkannt, doch findet sich nirgends eine genügend eingehende Schilderung der betreffenden Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 583 Formverhältnisse. Ich werde daher die Auschauung, die ich mir von dem sehr complieirten Spaltensystem, das die Nasenhöhle des Frosches bildet, nach den aus Schnittserien construirten Modellen verschafft habe, im Folgenden ausführlich wiedergeben. Die Spalten sind so eng und complieirt, die Epithelien so leicht zerstörbar, es handelt sich um so kurze, Theile eines Millimeters umfassende Strecken, dass auch die sorgfältigste Loupenpräparation zur Klarlegung der Verhältnisse allein kaum ausreicht. Ein Querschnitt, der vor der Choane durch die Nasenhöhle gelegt ist. zeigt dieselbe aus einem oberen weiten rundlichen und einem unteren schmalen, nach unten und innen concav gebogenen Theile zusammengesetzt (vergl. Fig. 1, das Bild des aufgelegten Schnittes , welche beide mit einander durch einen schief aufsteigenden Spalt communiciren. Der obere weite Raum liegt dem septum an; er allein ist mit hohem Riech- epithel ausgekleidet; der untere erreicht das septum nicht, sondern ist durch einen Wulst, der am Boden der Nasenhöhle neben dem septum hinzieht, eine Angabe, welche in allen Beschreibungen wieder- kehrt, von diesem getrennt. Die Grundlage ‘des Wulstes bilden eine Anschwellung des. knorpligen Bodens und eine Drüse (vergl. auch Fig. 13). Der absteigende Schenkel des unteren gebogenen Raumes liegt dem maxillare (Fig. 13m), von dessen Gesichts- und Gaumen- platte umschlossen, an; er stellt die Kieferhöhle des Frosches dar. In den horizontalen Schenkel des unteren Nasenraumes öffnet sich die Choane. Die Kieferhöhle setzt sich noch weiter nach hinten fort und sieht mit ihrer inneren offenen Seite in die Choane oder richtiger gesagt, in das cavum oris (Fig. 124). Beim Frosch ist der Gaumen so kurz, dass das antrum maxillare sich nur mit seinem vorderen Theile in die Nasen - mit seinem hinteren in die Mundhöhle öffnet ; eine Verlängerung des Gaumens schatit den Zustand, wie wir ihn bei den höhern Typen der Wirbelthiere finden, bei welchen die Kiefer- höhle direct nur mit der Nasenhöhle communicirt. Hinter die Choane erstreckt sich noch eine blindsackartige Ausstülpung des oberen weiten Raumes bis zu der vorderen Wand (Ethmoidalwand) des Schädels. Nach vorn zu verkürzt sich der absteigende Schenkel des unteren Sehlitzes, das cavum maxillare, immer mehr und hört gerade da auf, wo die beiden Falten, die von der äussern und innern Wand her die Communication zwischen den beiden Abtheilungen der Nase bis auf einen engen Spalt beschränkten, sich zu einer horizontalen Schei- dewand zwischen diesen beiden zusammenschliessen (vergl. Fig. 1 und die Fig. 16). Die Nasenhöhle endigt also nach vorn in zwei \ 584 G. Born Blindsiicke, einen oberen rundlichen und einen unteren abgeplatteten ‘in den Fig. on und wx), welche beide hohes Riechepithel an ihren Wänden zeigen. Zu diesen beiden, welche schon in den nur durch eine enge Spalte verbundenen Abtheilungen der einfachen Nasenhöhle präformirt waren, kommt noch ein dritter Blindsack hinzu, der in dem äusseren Theile der erwähnten horizontalen Scheidewand ge- legen ist, und auf ihrem freien Rande ausmündet (Fig. 1 bei 2). Die drei Blindsäcke liegen, wie man sich an jedem dicht vor oder in der äussern Nasenöffnung durch den ‚Schädel gelegten Fron- talschnitte überzeugen kann (vergl. Fig. 8, 9, 10, 16 und 20) folgendermassen: Der obere rundliche und zugleich weiteste liegt dem septum an und endet nach vorn in eine Kuppel; der untere abgeplattete, welcher vorn weiter als hinten- ist, zieht von aus- sen nach innen und vorn unter dem oberen hin; der seitliche Blindsack liegt in der äussern Furche zwischen den beiden andern und zwar genauer gesagt zwischen einer besondern seitlichen Aus- stülpung des oberen (Fig. 1am), in welche die äussere Nasenöffnung mündet, und dem unteren. Der seitliche Blindsack ist vorn schmal, hinten breit, so dass er von oben gesehen ein Dreieck darstellen würde. Er öffnet sich mit dem innern Basiswinkel auf dem freien Rande der horizontalen Scheidewand, so dass er in den Schnitten je nach der Richtung derselben zuerst in den oberen, oder zuerst im den unteren Blindsack auszumünden scheint (vergl. Fig I bei x). Diese Oeffnung ist aber nicht die einzige, sondern von der Ausmün- dungsstelle am freien Rande der horizontalen Scheidewand her ist die ganze Decke der Basis des dreieckigen Raumes, den der seit- liche Blindsack darstellt, gegen die über ihm liegende, eben er- wähnte seitliche Ausstülpung des oberen Blindsackes aufgeschlitzt (Fig. 1 bei y). Die apertura nasalis externa führt also nicht direet in den oberen Blindsack, sondern in einen an der Aussenseite des- selben gelegenen, durch eine Falte unvollkommen von ihm abge- grenzten Raum, der nach hinten mit der Ausmiindung des seitlichen Canales in Zusammenhang steht. Die knorpligen Stützen der Nasenhöhle und ihrer Ausbuchtungen sind der Beschaffenheit dieser selbst entsprechend vorn complieirter, wie hinten. Ein allgemeines Bild ist folgendes: Die Nasenhöhlen sind durch ein vollständiges, hyalinknorpliges septum (Fig. 2s) von einander geschieden und an ihrem vorderen und hinteren Ende von zwei mit dem septum zusammenhängenden Knorpelschalen umfasst, welche durch eine schmale Decke längs des septums (Fig. 2d) und Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 585 einen vorn vollständigen, weiter hinten durch die Choane ausge- schnittenen Boden mit einander verbunden sind (Fig. 25), während an den Seiten der Nasenhöhlen von vorn her ein complieirtes Span- senwerk sich hinzieht, welches die Umgrenzung der hinteren Knor- pelschale bei den meisten Anuren im erwachsenen Zustande nicht erreicht. Die hintere Schale ist in die quere, bei jungen Thieren knorplige, bei alten durch Bildung des os enceinture theilweise ver- knöcherte Scheidewand eingegraben, welehe die Schädelhöhle nach vorn absehliesst und sich seitlich in die Gaumenbalken verlängert. Diese Ethmoidalwand ist jederseits neben dem septum dureh ein srösseres Loch für den olfactorius und nach aussen von der Schädel- wand, die sich von hinten an dieselbe ansetzt, dureh ein kleineres für den ramus nasalis des 1. Trigeminusastes durehbrochen. In dieser Schale ruht das hintere blinde Ende der Nasenhöhle. Die vordere Schale ist viel weniger gleichmässig und weniger voll- ständig; weniger gleichmiissig deswegen, weil die 3 Blindsäcke nicht gleich weit nach vorn reichen — der seitliche am wenigsten weit —, und weil die Dieke der Schale selbst in der Mitte viel srösser ist, als an den Seiten. Dieselbe sendet bei Rana (Fig. 16 und 17) aus ihrer innern Wand knorplige Scheidewände (muschel- artige Vorsprünge der Autoren) zwischen die 3 Blindsäcke nach rüekwärts hinein, so dass jeder derselben in einer besonderen Knor- pelsehale liegt, die sich seiner eigenthümlichen Gestalt accommodirt. Vollständig ist nur die knorplige Begrenzung des unteren Blindsackes (vergl. Fig. 3). Die äussere Wand des oberen, respective seine seit- liche Ausbuchtung läge ganz frei, wenn sich nieht ein muschelartig ausgehöhlter, halbmondförmiger Knorpel (Fig. 2, 3, 4, vorn und aussen um dieselbe legte, der nur an einer kleinen Stelle seiner unteren Umrandung mit der darunter liegenden oberen Wand des unteren Blindsackes verwachsen ist. Es ist dies der Nasenflügel- knorpel der Autoren. Aber auch so lässt er den hinteren und unteren Theil der seitlichen Ausbuchtung des oberen Blindsackes ohne knorp- lige Bekleidung (Fig. 3 zwischen » und p). Sein oberer Rand um- rahmt von vorn und aussen die apertura nasalis externa (Fig. 2, 3 bei A und Fig. 9, 10, 20). Die Knorpelschale für den äusseren Blindsack ist in der ganzen lateralen Hälfte der obern Seite von vorn her durch eine breite Spalte (vergl. Fig. 16, 17 und Fig. 27) eingesehnitten. Die seitliche knorplige Begrenzung des unteren Blindsackes reicht nach hinten nur bis dahin, wo sich aus seiner äussern Seite die Kieferhöhle herabzusenken beginnt (vergl. Fig. 3 bei %). 586 G. Born dagegen verlängert sich seine Decke mit 2 Knorpelfortsiitzen in die beiden Falten, die den Zugang von dem obern Raume der einfachen Nase zu dem unteren verengen. Der innere Fortsatz entfernt sich vom septum, er endigt bald. Der äussere bildet eine knorplige Decke für die Kieferhöhle, senkt sich mit derselben stark nach unten, und verbindet sich mit einer Knorpelspange (Fig. 2, 3, Asch), die der sekrümmten Wand der Nasenhöhle entsprechend schief vom vor- dern Theil der Decke nach rückwärts herabsteigt zu einer breiten Platte (Fig. 3p), die eine unvollständige Seitenwand der einfachen Nasenhöhle darstellt. Nur bei Bombinator erreichte dieselbe auf den Sehnitten durch den Kopf eines jungen Thieres den vordern Rand der hinteren Knorpelschale. Wie bei Rana fand ich auch die Ver- hältnisse bei Bufo variabilis. Bei Pelobates findet sich nur zwischen dem unteren und seitlichen Blindsacke eine knorplige Scheidewand, medianwärts davon, wo sich bei Rana der Knorpel noch zwischen dem oberen und unteren Blindsacke hindurch erstreckt, ist bei diesem Thiere die Scheidewand nur bindegewebig (vergl. Fig. 2, 4 und Fig. 10 mit Fig. 17). An dem Modell sieht man daher an Stelle der Scheidewand zwischen dem oberen und unteren Blindsack nur einen First (bei f Fig. 2 und 4) an der Innenwand der Nasenhöhle herumlaufen. Aber auch der seitliche Blindsack entbehrt bei Pelo- bates viel mehr der knorpligen Wände als bei Rana. Von dem In- nenrande seines knorpligen Bodens erhebt sich ein nach aussen ge- krümmter Haken, der denselben innen und oben nur unvollständig einscheidet (Fig. 2, 3, 4 und Fig. 9, 10%). Bombinator steht in Beziehung auf die Ausbildung der knorpligen Scheidewände in der Mitte zwischen Pelobates und Rana. Das knorplige septum ist hinten namentlich in der Mitte seiner Höhe sehr dünn; es verbreitert sich nach vorn stark. Der knorplige Boden besitzt einen weiten Aus- sehnitt für die Choane, der dureh Entwicklung eines Deckknochens, des vomers, gesäumt und verengt wird. Die Kieferhöhle senkt sieh neben dem freien Aussenrande des Bodens herab. Hinter der Choane verbreitert derselbe sieh und verschmilzt mit der sich zu ihm herab- senkenden Decke zu der besehriebenen hinteren Knorpelsehale. Der freie Rand des Bodens ist dieker als die Ansatzstelle am septum. Am stärksten tritt dies in der Choane hervor. Auf dem Querschnitte erscheint er daselbst kolbig verdiekt. Bei Bufo ist die Verdiekung am stärksten und erscheint von der Aussenseite her eingefurcht. An der Grenze zwischen der vorderen Wand, dem septum und dem Boden ist in der Knorpelkapsel bei Rana ein grosses Loch, durch welches Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 587 der Hauptzweig des Nasalastes des trigeminus die Nasenhöhle ver- lässt und durch welches reichliche Knäuel der glandula intermaxillaris in das vordere Ende des unteren Blindsackes eindringen. Erweitert wird diese Oeffnung dadurch, dass der vordere Theil des septums niedriger ist, als der Boden der Nasenhöhle. Bei Pelobates sind es 2 kleinere Oeffnungen (Fig. 2); die eine an der angegebenen Stelle, die andere etwas dahinter am Boden der Nasenhöhle neben dem septum. Bei Bombinator ist das septum im vorderen Theile von unten her so stark eingebuchtet (vergl. Fig. 20 unter s), dass die innere Seite des untern Blindsacks in einem weiten Spalte blossliegt, dureh welchen sich Drüsen hindurehdrängen, die in den unteren Blind- sack einmünden, Verhältnisse, auf welche ich noch näher zurück- komme. Die knorplige Nasenkapsel sendet folgende Fortsätze aus: Erstens von der Aussenseite des Bodens in der Ebene der vordern Wand einen nach aussen gerichteten plattgedrückten, an seinem Ende zwei- zipfligen Knorpelhaken, auf welchem sich das intermaxillare und maxillare begegnen: ich nenne ihn mit Ecker den Oberkieterfortsatz (Fig. 2, 3 und 50%). Bei Bombinator ist derselbe von hinten her ausgehöhlt und die Kieferhöhle sendet eine nach vorn blinde Aus- buchtung in die Höhlung (vergl. Fig. 20) '). Der zweite Fortsatz ist von WIEDERSHEIM erst kürzlich entdeckt und I. e. pag. 23 so genau beschrieben worden, dass ich seine Angaben hier nur zu ko- piren brauche. »Interessant waren mir zwei zarte Knorpelbälkchen, welche an der vordersten Grenze des der Mundhöhle zugewandten !) Aus dieser Beobachtung erklärt sich mir jetzt Tafel IV Fig. 17 in Wır- DERSHEIM’S »Die Kopfdriisen der geschwänzten Amphibien« Zeitschrift für wiss. Zoolog. Bd. XXVII, welche mir lange unverständlich geblieben war. Der Schnitt ist nicht rein frontal gefallen, sondern ist mit seinem untern Rande etwas nach hinten abgewichen. In Folge davon ist der obere Blindsack gar nicht in dem- selben enthalten, sondern nur eine schräge Schnittfläche des Nasenflügelknorpels und daneben wahrscheinlich der vordere Rand des Septums (die beiden obersten blauen Stücke); dann folgen weiter nach unten der angeschnittene seitliche Blindsack, der untere Blindsack und die Ausstülpung der Kieferhöhle in den Oberkieferfortsatz der Nasenkapsel. Die Drüsen, welche im obern Theile des Bildes gezeichnet sind, liegen nicht in der Nasenhöhle,, sondern vor und unter ihr. Der rundliche blaue Fleck innerhalb der Drüsen ist der Querschnitt des gleich weiter zu beschreibenden »WIEDERSHEIM' schen Knorpels«. Unverständ- lich ist mir der Buchstabe K geblieben, nach der Tafelerklärung der knöcherne Boden der Nasenhöhle. Ein solches Bild geben auf Frontalschnitten nur die beiden Gaumenplatten des intermaxillare, wenn sie ihrer ganzen Breite nach getroffen werden (wie in Fig. 21), dann handelt es sich aber nicht um einen knöchernen Boden der Nasenhöhle. sondern des Intermaxillarraumes. 588 G. Born hyalinen Bodens vom cavum nasale entspringen und die Driisen-_ masse« (glandula intermaxillaris) »in der Sagittalebene durchsetzen. Sie steigen nach oben und vorn und erreichen eine Rinne am me- (dialen Rand der Unterfläche des Zwischenkieferastes jederseits, wel- chen sie wie zwei Strebepfeiler vom Schädel abheben. In dem Augenblicke, wo sie diese erreichen, erscheinen sie medianwärts ab- geknickt und laufen unter starker Verjüngung nach vorn, wo sie in dem Winkel ihr Ende erreichen, den der zahntragende und der auf- steigende Ast mit einander erzeugen«!). Ein dritter Fortsatz (Fig. 3, 11 und 21»), der in allen bishe- rigen Abbildungen des Batrachierschädels, die mir bekannt sind, ent- weder ganz fehlt, oder nur in Andeutungen vorhanden ist?), zieht vom untern Rande der Vorderseite des Nasenflügelknorpels unter dem ‘ ” obern Theile des aufsteigenden Astes des intermaxillare nach vorn und unten bis zu der Stelle, wo sich der WIEDERSHEIM’sche Fortsatz an die Unterseite dieses Knochens anlegt. Beide Knorpelfortsätze sind etwas abgeplattet und an der Berührungsstelle schräg zu ein- ander gestellt. Bei älteren Thieren verwachsen sie da, wo sie sich an einanderlegen (vergl. Fig. 21). Bei den Bufones, deren vordere Gesichtskante sehr steil ist (vergl. Fig. 25), steigen auch diese Fortsätze senkrecht nach unten mit geringer Abweichung nach innen herab. Der Fortsatz ist mit dem darüber liegenden Theile des intermaxillare so innig verbunden, dass man ihn nur schwierig un- versehrt ablösen kann, während dies bei dem WIEDERSHEIM’schen Knorpel viel leichter gelingt. ') Andeutungen dieser Bildungen finden sich schon an einigen Stellen, so z. B. zeichnet Brus. (Zootomie aller Thierklassen , Atlas, Lieferung 3. Tafel XII Fig. 9 u. 10, 1) wenigstens die obere horizontale oder etwas aufsteigende Hälfte dieser Knorpelfortsätze ganz richtig; der am Zwischenkieferast liegende Theil fehlt in der Bruzr’schen Abbildung. Unsern Fortsatz vielleicht sammt ° dem nächstfolgenden meint auch LeyvıG (Anatomische Untersuchungen über Fische und Reptilien, Berlin 1854), wo er pag. 106 sagt: »Der Schädel von Ceratophrys dorsata ist fast vollständig verknöchert bis auf die Nasenknorpel, wozu noch zwei schmale Knorpelstreifen an der untern Seite der aufsteigenden Aeste des Zwischenkiefers kommen; « den Zusatz »und zwei kleine rundliche Knorpel- platten etwas weiter davon nach aussen gelegen« weiss ich nicht zu erklären. *) Ducss (Recherches sur lostéologie et la myologie des Batraciens, mé- moires pres. A lacadémie royale des sciences. (math. et phys.) Tome VI.) lässt in seiner Fig. 6 Tafel I aus dem Vorderrande der Nasenkapsel ein paar kleine Höckerchen herausstehen, welche in Fig. 1, wo die Deekknochen mitge- zeichnet sind, nicht dargestellt sind, also wohl von dem obern Ende des Na- salfortsatzes des Zwischenkiefers verdeckt sein sollen. Das sind wahrscheinlich Theile der in Rede stehenden Fortsätze. Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 589 Folgende Knorpelfortsätze sind nur einzelnen Arten eigenthüm- lich. Bei Pelobates fuscus verlängert sich das septum über die vor- dere Wand der Nasenhöhlen hinaus in einen hakenförmig gebogenen Fortsatz (vergl. Fig. 3) beinahe bis an den Zahnrand des inter- maxillare, eine Besonderheit, die meines Wissens nach noch nicht bekannt ist. Duens, Fig. 2. Tafel IT zeichnet nur die nasalia. die dieser schnabelartigen Verlängerung des septums mit ihren vorderen Spitzen eine kleine Strecke über die Nasenwand hinaus folgen, diese selbst aber nicht. Das spatium intermaxillare ist in Folge dessen bei Pelobates erheblich verengt und die Knäuel der glandula inter- maxillaris in ihm auf einen schmalen Raum zu Seiten und unter diesem Fortsatze beschränkt. Bei Bufo variabilis entwickelt sich in der Naht zwischen den Gaumenfortsätzen der intermaxillaria ein hyaliner Knorpelstreif, der weder das vordere, noch das hintere Ende dieser Naht erreicht, also auch mit keinem Theile des Primordialkraniums zusammen- hängt. Alle Urodelen lassen aus dem äussern Ende des vordern Randes des Gaumenbalkens einen nach vorn spitz zulaufenden Fortsatz ent- stehen, der vom Oberkieferknochen umgeben ist. Keine der mir zu- gänglichen Abbildungen des Schädels von Rana esculenta zeigt den- selben vollständig erhalten. Er läuft bei diesen Thieren bis unter den Oberkieferfortsatz der Nasenkapsel nach vorn (Fig. 16 in m). ohne je mit diesem zu verschmelzen. Er ist vom maxillare allseitig umschlossen und liegt an der Stelle, wo dessen Gesichts- und Gau- menplatte zusammenstossen. Die Deckknochen der Mundhöhle haben erst ganz neuerdings eine eingehende Behandlung in der Arbeit meines Freundes 0. Herrwie (Archiv für mikroskop. Anatomie 1874. Supplement über das Zahnsystem der Amphibien u. s. w.) erfahren. so dass ich füg- lich davon abstehen kann, dieselben hier näher zu schildern. Die äussern Verhältnisse der nasalia sind schon von DuGis und anderen genügend berücksichtigt, ich beschränke mich daher auf einige all- gemeine Notizen und genauere Angaben über die comets DuGis, deren Lage und Beschaffenheit von den Autoren sehr verschieden angegeben wird. Die Grössenentwicklung jedes einzelnen Deck-/ knochens steht im umgekehrten Verhältniss zu der des Knorpels. dessen Rändern er aufliegt, oder was dasselbe sagen will, steht in geradem Verhältniss zu der Ausdehnung der unter ihm liegenden 590 G. Born Lücke im Primordialskelet'). EcKEr Anatomie des Frosches 1864. pag. 31) verlegt die cornets allein in die Nasenhöhle und corrigirt Cuvier, welcher meint, »es sei dieses kleine gezahnte Knöchelehen nach aussen vom Nasenloche befestigt«. ECKER sagt, man könnte vermuthen, Cuvigr habe den an dieser Stelle befindlichen Nasen- fliigelknorpel damit verwechselt. Parkerr’s Beschreibung (Develop- ment of the skull of the common frog, Phil. Transactions of the Royal society of London v. 161, pag. 175) des septo maxillare, wie er es nennt, lautet für den erwachsenen Frosch folgendermassen : »Das septo maxillare erscheint von oben als ein kleines Knochen- körncehen, das zwischen den Nasenfortsatz des intermaxillare und die Gesichtsplatte des Oberkiefers eingeklemmt ist, vor dem äussern Nasenloche. Von unten ist es als ein kleines gebogenes Knochen- splitterchen in dem innern Nasenloche zu sehen. Ein querer senk- rechter Schnitt von hinten angesehen (Plat. 10. Fig. 5. s. mx.) zeigt, dass es mehr als die Hälfte einer Röhre bildet, die die Vorderseite des Naseneinganges auskleidet und welche einen gekrümmten Fort- satz aussendet, den man besser vom Nasenloche aus sehen kann. Ein anderer Schnitt (Pl. X. Fig. 6s. mx) zeigt, wie es auf dem Nasenknorpel an der Aussenseite bleibt und von hinten sich an das kleine klappenförmige Läppehen anschliesst, welches das äussere Nasenloch theilweise umschliesst.« Diese Beschreibung ist bis auf die merkwürdige Angabe, dass das septo-maxillare vor dem Nasenloche gelegen sein soll, während es dasselbe von hinten her abschliesst, ziemlich richtig. Die übrigen Autoren verlegen das „turbinale* bald in die Nasenhöhle, bald an die Aussenseite derselben, eine befriedigende, -klare Darstellung findet sich nirgends. Wenn man in Fig. 3, die Seitenansicht des Schädels eines Jungen Pelobates betrachtet, so fällt sogleich eine grosse Lücke auf, welche im ganzen viereckig ist, vorn vom hintern Rande des Nasenflügelknorpels (»), oben und hinten von der früher erwähnten schief absteigenden Knorpelspange (sch und p), unten von der Decke 1) Von den Intermaxillaria will ich noch erwähnen, dass dieselben nicht nur den WIEDERSHEIM schen Knorpeln aufliegende Knochenplatten darstellen, son- dern auch bis zur Vereinigung dieses Knorpels mit dem Fortsatze des Na- senflügelknorpels vollständige, von da bis zur vorderen Grenze der Nasen- kapsel unvollständige Knochenwände von ihrem äusseren Rand herabsteigen lassen, Fig. 227, die den drüsenangefüllten Raum vor den Nasenkapseln auch im Innern in drei Abtheilungen theilen. Es ist dies bei Bombinator, den WıE- DERSHEIM untersucht hat, am wenigsten deutlich. Wir werden die verglei- chende Bedeutung dieser Besonderheit später besprechen. Ueber die Nasenhöhlen und den Miriinennasengang der Amphibien. 591 des untern Nasenganges begrenzt wird. In der obern vordern Ecke dieser Lücke öffnet sich das Nasenloch. Unter dem Nasenflügel- knorpel verlängert sich die Lücke nach vom bis zum Ansatz des- selben an die Nasenkapsel. Man sieht daher dureh dieses Fenster von aussen in den obern uud seitlichen Blindsack hinein und sieht in seiner ganzen Ausdehnung den Knorpelhaken (Fig. 37) vor sich, der den seitlichen Blindsack von innen und oben her überdeckt. Dieses Fenster wird bis auf wenige Lücken am oberen Rande, durch welche sich Drüsen hervordrängen, durch das laerymale (turbinale, septomaxillare, cornets der Autoren) zugedeckt. Es bildet «dasselbe mithin eine äussere feste Wand für die seitliche Ausstülpung des oberen Blindsackes und für den seitlichen Blindsack (vergl. Fig. 8, 9, 10, 16, 17, 202). Man bemerkt zugleich, dass der Nasenflügel- knorpel, an den sich der Knochen nach vorn hin anschliesst, nicht in einer Flucht mit der Aussenseite der schiefen Knorpelspange liegt, an welche er nach hinten grenzt, sondern über die letztere nach aussen vorspringt; der Knochen folgt in dieser Beziehung dem Nasen- fliigelknorpel und bildet so für die hintere Seite der seitlichen Ausstülpung des oberen Blindsackes einen festen Abschluss (Fig. 277). Der untere Theil dieser Wand dem hinteren Ende des seitlichen Blindsacks entsprechend, in welchem dieser mit der seitlichen Aus- stülpung nach oben hin communicirt, ist durch ein Loch ausge- brochen, durch welches der Thräneneanal in die Nasenhöhle ein- mündet (Fig. 27 TA. zwischen den beiden [). Die obere vordere Ecke des lacrimale gibt die hintere knöcherne Umgrenzung des Nasenloches ab. Das Nasenloch ist also von folgenden festen Theilen umgeben: Von innen von dem Anfange der Knorpelspange, die schräg von der Decke zur Seite herabsteigt, von vorm und aussen vom Nasenflügelknorpel, von hinten vom laerimale. Aus der Innenseite des letzteren entsteht ein wagrechter, platter Fortsatz, der sich an den Aussenrand des Knorpelhakens anlegt. welcher bei Pelobates von innen und oben den seitlichen Blindsack umrahmt: dieser hori- zontale Knochenfortsatz vervollständigt die Decke des seitlichen Blind- sacks und er ist es, welcher von der Nasenöffnung aus gesehen wird, den PARKER ganz richtig als den Flur des Naseneinganges be- schreibt und welcher den Autoren wegen seines horizontalen Vor- springens in die Nasenhöhle als Nasenmuschel imponirte. Gerade für das lactimale gilt vorzüglich der vorangestellte Satz, dass sich die Ausbildihg des Deckknochens nach dem Maasse der Reduction des unterliegenden Knorpels richtet. Bei Rana z. B., wo eine be- 592 G. Born sondere knorplige äussere und vordere Wand für den seitlichen Blind- sack existirt, ist das laerimale fast ausschliesslich auf Begrenzung der seitlichen Ausstülpung des oberen Blindsackes beschränkt (Fig. 16 und 17) und bildet nur die äussere Hälfte der Decke des seit- lichen Blindsackes. Bei Bombinator durchbricht der Thränencanal ein- fach den Knochen. Bei anderen erhält er von demselben eine längere röhrenartige Bekleidung. Ich unterscheide in der regio nasalis 4 verschiedene Drüsen ; 2 münden in die Nasenhöhle, 2 in die Mund- respective Rachenhöhle. Die wichtigste Drüsenansammlung, die glandula intermaxillaris, ist in neuester Zeit von WIEDERSHEIM in Bezug auf Verbreitung und Zu- sammensetzung ausführlich behandelt worden. Ich habe einiges hinzuzufügen. Die glandula intermaxillaris verhält sich zu der Oeff- nung in der vordern Wand des untern Blindsackes, durch den der trigeminus - Ast die Nasenhöhle verlässt, bei den verschiedenen Anu- renarten nicht in gleicher Weise. Bei Pelobates legen sich die Knäuel derselben an die das Loch verschliessende Membran, ohne dieselbe zu durchdringen; das septum ist im vordern Theile von unten her fast gar nieht eingebuchtet und schliesst die Innenseite des untern Nasenganges bis auf die beiden engen Spalten vollstän- dig ab. Bei Bufo ist die Einbuchtung des septums zwar auch noch eine geringe, es drängen sich aber doch eine Anzahl Drüsenschläuche in den untern Blindsack hinein, sie bleiben aber immer von denen der gleich zu besprechenden unteren Nasendrüse leicht unterscheid- bar. Bei Rana sind die eindringenden Schläuche schon zahlreicher und inniger mit denen der andern Drüse verfilzt; endlich bei Bom- binator (Fig. 20) ist das septum von unten und vorn her so tief ein- gebuchtet, dass der vordere Theil des untern Blindsackes sich nach innen weit öffnet; die glandula intermaxillaris dringt demgemäss nicht in den untern Blindsack ein, sondern umgekehrt: die Schläuche der unteren Nasendrüse liegen grösstentheils ausserhalb der Nasen- höhle unter und vor dem septum, sind dabei mit denen der glandula intermaxillaris untrennbar verwoben und ziehen nur mit ihren Aus- führungsgängen durch die offene innere Seite in den unteren Blind- sack hinein. »Unter der Knorpelspange hindurch. die das Nasen- gerüst mit dem Oberkiefer verbindet« wächst die glandula inter- maxillaris nicht in die Nasenhöhle hinein, um sich in, der Nasen- höhle am septum auszubreiten, wie WIEDERSHEIM will, sondern schiebt ihre Ausläufer nur zwischen die Gaumenplatte des Oberkiefers und die Kieferhöhle ein, nieht weiter (vergl. Fig. 17). Die Drüse, die Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 593 sich längs dem septum ausbreitet, besitzt eine eigene Ausmündung in die Nasenhöhle hinein und zwar in den untern Blindsack kurz vor dessen Zusammenfliessen mit den andern beiden zu dem ein- fachen Nasenraum (Fig. 7 und 19); ich werde sie die untere Nasen- drüse nennen). Der Hauptverbreitungsbezirk dieser Drüse ist neben dem septum hin; bei Pelobates mehr an der innern Seite des unteren Blindsackes, bei Rana mehr hinter demselben bis zur Choane. Bei Bombinator liegt sie, wie erwähnt, grösstentheils ausserhalb der Na- senhöhle. Bufo steht in Bezug auf die Grenzen ihrer Verbreitung zwi- schen Rana und Pelobates. Auch ein histologischer Unterschied war zwischen der glandula intermaxillaris und der untern Nasendrüse zu be- obachten; die Schläuche der letzteren erschienen kleiner und die Zel- lenleiber waren in Karmin roth tingirt, während sie in der benach- barten glandula intermaxillaris ganz hell blieben; undeutlich ist der Unterschied beim Frosch, am wenigsten merklich bei der Feuer- kröte. Bufo besitzt auch an der innern Wand des obern Blindsackes eine Ansammlung schlauchförmiger Drüsen, von denen ich aber nicht sagen kann, ob sie mit der unteren in Zusammenhang stehen. Eine dritte Drüse findet sich bei allen untersuchten Anuren an der äusseren Wand der Nasenhéhle; ihre zahlreichen Ausführungsgänge sieht man an der Innenseite (vergl. Fig. 13grs) und an dem vordern Rande der mehrfach besprochenen schrägen Knorpelspange und ihrer Fortsetzung nach hinten (sch und p) (alinasale Parker’s). Von da aus füllen die Drüsenschläuche die Spalten aus, die zwischen dem lacrimale und der Knorpelspange bleiben, wuchern über dieselbe hinaus und umgeben den nasalen Anfang und die Einmündungsstelle des Thränencanales (vergl. Fig. 16gns). Diese obere Nasendrüse war bei Bufo und Rana am stärksten entwickelt. Die vierte Drüse, welche ich Rachendrüse nenne, bildet ein queres Band, das dieht hinter den Choanen liegt und den Zahntheil des vomers umwuchert; eine Anzahl Schläuche ziehen sich an der Aussenwand in die Choane hinein und münden dort aus. Die übrigen öffnen sich an 2 symmetrischen Stellen — die ganze Drüse ist ursprünglich paarig (man sieht ihre Anlagen in Fig. 14 bei a) — in die Rachenhöhle. Bei der vorläufigen Mittheilung bin ich in der Darstellungdem Wege gefolgt, der mich zu der Entdeckung:des Thränencanales geführt hat?). 1) Schon in der Dissertation von H. Hoyer »de tunicae mucosae narium struetura« Berlin 1857, ist diese Drüse richtig beschrieben und abgebildet. 2) WIEDERSHEIM citirt in seiner Arbeit über: »Salamandrina perspieillata Morpholog. Jahrbuch. 2. 40 594 G. Born Hier sehe ich davon ab und verfahre in der Schilderung rein systema- tisch. Oben habe ich beschrieben, wie sich das hintere Ende des seit- lichen Blindsackes durch einen breiten Spalt in seiner Decke in die seitliche Ausstülpung des oberen Blindsackes öffnet; an dieser Stelle zweigt sich von der Aussenseite des ersteren ein Canal ab, der durch die äussere knöcherne Wand desselben, das laerimale, nach hinten und aussen hindurchtritt (vergl. Fig. 27). Bei Pelobates verläuft der Canal, wie erwähnt, eine kurze Strecke in einer röhrenförmigen Ver- längerung des Knochens nach rückwärts, bei den andern Anuren passirt er nur ein Loch desselben. Von da zieht der Thränencanal weiter in der Richtung auf das untere Augenlid zu. Er liegt auf diesem Wege zuerst zwischen Haut und einer leichten Vertiefung nahe am untern Rande der breiten Knorpelplatte, welche die mit der Decke der Kieferhöhle verschmolzene schräge Knorpelspange in der Seitenwand der Nasenhöhle nach hinten sendet (Fig. 3p). Bei Pelobates schiebt sich zwischen den Canal und den Knorpel eine Strecke weit eine zungenförmige Verlängerung des lacrimale ein, bei und Geotriton fuscus, ein Versuch einer vergl. Anatomie der Salamandrinen, Genua 1875, pag. 77« Anton Duahs, welcher behauptet, bei Bufo fuseus (unser Pelobates und nicht Bombinator, wie WIEDERSHEIM zugesetzt hat) ein la- erimale und eine passage des larmes gefunden zu haben. Die betreffende Stelle bei Dusks lautet folgendermassen: »Der Seitenarm« (nämlich des Ethmoidal- Knorpels, unser querer Gaumenbalken) , »der sich unter dem Frontonasale hin- zieht, indem er sich an die innere Seite des Oberkiefers ansetzt, breiter "wird und sich dann nach hinten wendet, ist ziemlich schwer auf irgend ein bekann- tes Stiick des Schiidels der iibrigen Wirbelthiere zu beziehen ; indessen die ge- wöhnliche Nachbarschaft des lacrimale und des Ethmoids, die Beziehungen des ersteren zu den andern Knochen, die wir eben genannt haben, wie sie sich bei den Säugern und bei den Vögeln finden, hatten in mir schon die Vermuthung der vorstehenden Bezeichnung« (laerimale) »erregt, als eine wichtige Beobach- tung dieselbe bestätigte: Bei dem erwachsenen Bufo fuscus ist dieser Theil in die sehr ausgebreitete Verknöcherung des Ethmoids eingezogen und ist alsdann von einem trichterförmigen Loche durchbohrt, das in die Nasenhöhle führt und welches, wie es scheint, nur zur Durchleitung der Thränen ‘passage des larmes) bestimmt sein kann, obgleich ich keine Spur davon bei den übrigen Anuren, welche dieses Stück im knorpligen Zustande bewahren, gefunden habe.« — In der That verkalkt bei alten Exemplaren von Pelobates der quere Gaumenbalken eben so, wie das Septum, die Decke und die vordere Schale der Nasenknorpel, nie findet wirkliche Verknöcherung statt. Bei der Maceration bleibt das ver- kalkte Stück an dem Ethmoid hängen. Das triehterförmige Loch, welches es durchbohrt, ist der Canal für den Gesichtsast des Ramus primus quinti, den DUGES zwar sonst kennt, der ihm aber hier in dem verkalkten Stück fremd erschienen ist; — so erklärt es sich auch warum er in der unverkalkten branche laterale der übrigen Anuren keine Spur davon finden konnte. Von einem Thrä- nencanal kann an dieser Stelle keine Rede sein. Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 595 Rana zahlreiche Ausläufer der obern Nasendriise. Man kann den Verlauf des Canales auch so bezeichnen: Er tritt um den vordern Rand des untern Theiles der schrägen Knorpelspange (Fig. 3 sch) herum aus der Nasenwand heraus und zieht zwischen dem obern Rande des maxillare und dem unteren des nasale in dem Winkel, in welchem die Kieferhöhle von der Nasenhöhle abgeknickt ist, nach hinten. Nur bei Bombinator erreicht, wie oben erwähnt, das hintere Ende der Knorpelplatte in der Seitenwand der Nase den queren Gaumenbalken und auch nur bei diesem Thiere ist der Thränencanal auf seinem ganzen Wege von diesem Knorpel begleitet; bei den übrigen Anuren ist das letzte Stück, ehe er den queren Gaumen- balken überschreitet, ohne knorplige Unterlage; bei Bombinator nähert sich von oben her dem Gange das nasale sehr. Der Thränencanal geht, immer noch oberhalb des maxillare, über den queren Gaumen- balken hinweg und zerfällt am untern Augenlide in 2 Aeste, die ge- trennt, hinter einander am freien Rande der innern Hälfte des untern Augenlides ausmünden (siehe Fig. 25). Bei einer Rana in der Me- tamorphose lagen die Ausmündungsstellen an der innern Seite des Lides, beiälteren Thieren fand ich sie regelmässig der Aussenseite näher. Entfernt man an einem ausgewachsenen Frosche oder an einer ausge- wachsenen Kröte die Nasenkuppe dicht vor dem ostium eutaneum !), wo- durch die vorderen Enden der 3 Nasengänge blossgelegt werden, so gelingt es leicht, in den angeschnittenen seitlichen Blindsack eine feine Borste einzuführen und so weit an seiner äussern Wand hin vorzuschieben, dass sie am freien Rande des unteren Lides zum Vorscheine kommt. In umgekehrter Richtung ist die Sondirung des Canales etwas schwieriger, doch immerhin ausführbar. An der äussern Haut ist nichts vom Thräneneanale zu sehen: er liegt unter- halb des schwarzen Bandes, das bei Rana esculenta meist von der Nase zum Auge zieht. Aus den dargestellten räumlichen Verhält- nissen der Abgangsstelle des Thränencanals aus dem seitlichen Blind- sacke erhellt, dass derselbe ohne den angegebenen Schnitt nicht sondirbar ist. Man kann sich dies folgendermassen klar machen: Nachdem die Kuppe der Nase entfernt und die Borste in den Thrä- nencanal eingeschoben ist, wird die Haut mit Schonung desselben vorsichtig abpräparirt. Mit einer feinen Scheere nimmt man von der Decke des obern Nasenganges ein dreieckiges Stück so heraus, dass 1) In der vorläufigen Mittheilung ist an dieser Stelle statt »dicht vor« »dicht hinter« stehen geblieben. 40 * 596 G. Born ein Streifen der seitlichen Wand, der die hintere Begrenzung des Nasenloches und die Abgangsstelle des Thriinencanals enthält. stehen bleibt. Dann spalte man die horizontale Scheidewand zwischen dem oberen und unteren Blindsacke dieht am septum. Wenn man das stehen gelassene Stück der seitlichen Wand jetzt etwas nach aussen drückt, so bekömmt man leicht die Ausmündungsstelle des seitlichen Blindsacks am freien Rande der horizontalen Scheidewand zu sehen ; in diese wird eine zweite Borste eingeschoben, sie kommt auf der vordern Schnittfläche neben der ersten zum Vorschein. — Schlägt man die Haut von der obern Fläche der Nase herunter und umschneidet dieselbe vor- sichtig an der Umschlagsstelle in die äussere Nasenöffnung, so bemerkt man, dass eine kleine Streeke rückwärts von dem hintern Rande des Nasenflügelknorpels ein derber Strang aus der Nasenwand aus-, und sogleich in die Haut eintritt'). Die Austrittsstelle selbst ist durch die obere Nasendrüse verdeckt. Räumt man die Drüse ab, so sieht man den Strang von Knochen, dem Os lacrimale, umgeben. Aus der Haut ist der Strang bis zum Lide hin leicht auszuschälen; ein grösseres Blutgefäss begleitet ihn: im Lide selbst ist die Blosslegung schwie- riger. Schneidet man den Strang an, so findet man ein Lumen; eine Borste in dasselbe eingeführt kommt auf der Schnittfläche der Nase im seitlichen Blindsacke, nach rückwärts am freien Lidrande heraus. Der Gang ist an seinem nasalen Ende am weitesten, in der Nähe des Auges wird er sehr eng. Der Epithelbelag ist ganz derselbe wie im seitlichen Blindsacke: Flimmerepithel, am Grunde der eilientragenden Zellen noch eine Lage Kerne. Reste der Flim- merhaare fand ich häufig im Lumen des Durchschnittes des Canals. Um das Epithel trifft man bei jüngeren Thieren eine breite Schicht Schleimgewebes und erst auf diese folgt eine festere. bindegewebige propria (vergl. Fig. 26) ; bei älteren Thieren ist das Schleimgewebe undeutlicher geworden und von Bindegewebsfasern durchzogen. Die Wand des Thränencanals verhält sich also in Bezug auf die Alters- veränderungen gerade, wie die cutis. Die eigene Bindegewebshiille unterscheidet den Querschnitt des Thriinencanals leicht von dem der Driisengiinge, die ihn stellenweise umhüllen. 1) Der Umstand, dass der Thräneneanal beim Abziehen der Haut bis auf sein nasales Ende, welches in der festen Masse leicht übersehen wird, zu der Haut. Driisen und Knorpel um die Nasenöffnung herum verwachsen, in der Cutis bleibt, hat wohl Schuld daran, dass derselbe der grossen Zahl vortrefflicher Untersucher, die sich bisher mit dem Kopfe des Frosches beschäftigt haben, so viel ich sehe, total entgangen ist. Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 597 Es liegt nicht in meiner Absicht ein ausführliches kritisches Referat der Angaben der Autoren über unser Thema zu geben. Es würde dies allein einen doppelt so grossen Raum, als diese ganze Abhandlung füllt, beanspruchen. Ich schicke nur einige historische Bemerkungen nach, welche mir unerlässlich schienen. Der »geweihartig gestaltete Knorpelfortsatz« Eckrr’s, das alinasale Parker’s, stellen mehr oder minder vollständig den schiefen Knor- pelfortsatz dar, der von der Decke der Nasenhöhle zu dem Knor- pel, welcher über der Kieferhöhle hinzieht, verläuft sammt die- sem selbst und sammt der Platte, die sie zusammen in der Sei- tenwand der Nase bilden (Fig. 5 p und sch). Die Complication der Nasenhöhle im vordern Theile ist den Autoren keineswegs entgangen; vergleiche Ecker |. ec. pag. 33; am vollständigsten schildert diese Verhältnisse Parker |. e. pag. 177, 178; nament- lieh ist sein Durehschnitt Tafel X Fig. 3 sehr instructiv. Merk- würdig ist, dass PARKER das intermaxillare regelmässig so zeich- net, als ob seine ganze Gesichtsplatte den vorderen Rand der knorpligen Nasenkapsel erreichte, während in Wirklichkeit nur die Nasenfortsätze soweit nach oben vorspringen. Die Anlage des Ethmoidal-Theiles des Primordialkraniums von Rana besteht nach PARKER bei Larven bis zu 4 Linien Länge aus 2 Knorpel- stäben, die am vorderen Ende der chorda, ohne mit deren Ausklei- dungsmasse in Verbindung zu stehen, beginnen, um die Anlage der Pituitardrüse herum, seitlich unter dem Mittel- und Vorderhirne neben einander her laufen, um am vordern Ende des Kopfes etwas divergirend mit 2 nach aussen gewandten Fortsätzen zu enden. Es sind dies die seitlichen Schädelbalken Raruke’s, trabeculae eranii, ihre vorderen nach aussen umgebogenen Enden heissen die Hörner der Tra- bekeln. Parker fasst diese beiden Knorpelstäbe als das erste Paar Vis- ceralbogen auf und nennt sie gemäss ihrer Lage über, resp. vor der Mundhöhle die präoralen. Die Berechtigung dieser dem genannten Autor mit Huxtey gemeinsamen Anschauung mag dahin gestellt blei- ben. Es genügt zu constatiren, dass GEGENBAUR dieselbe nicht theilt, sondern die seitlichen Schädelbalken Raruke’s für die durch Aufnahme der Sinnesorgane eigenthümlich modificirten vordern Enden des wirbelhaltigen Theiles des Schädels ansieht. Wei- ter tritt noch der 2. Visceralbogen (1. Poststomale) in Beziehung zum Ethmoidalskelet. Er heisst auch Mandibularbogen. Derselbe entspringt ebenfalls unabhängig von der Auskleidungsmasse der Chorda und unabhängig vom präoralen hinter diesem und läuft in . 598 G. Born einem Bogen, dessen Sehne schief nach unten und aussen geht, nach unten. Vor den Trabekularhérnern liegt noch ein eigener halbmond- förmiger Knorpel, der obere Lippenknorpel, Träger der Hornkiefer der Larve. Die beiden Enden des Halbmonds sind nach unten ge- richtet, ziehen sich noch unter dem äussern Ende der Trabekularhör- ner als auf dem Durehschnitte dreieckige Knorpel hinweg und lau- fen nach hinten in lange, sich verschmälernde Fortsätze aus. Sie stehen mit den Trabekularhörnern in Gelenkverbindung. Die näch- sten Veränderungen bestehen nach Parker (5. Stadium 5 Linien Länge) in Verwachsungen der ursprünglich getrennten Knorpelstrei- fen. Die beiden ersten Visceralbogen verschmelzen mit ihren obern Enden, der präorale versteckt sich mehr unter das Gehim. Eine zweite Knorpelbrücke zwischen beiden bildet sich vor dem Auge, PARKER’s Pterygopalatinbalken oder, wie ich ihn nenne, der quere Gaumenbalken. In Folge dessen zerfällt der Spalt zwischen dem präoralen und dem poststomalen Bogen in einen hinter dieser Ver- bindung gelegenen Theil, den Suboeularraum und einen vor der- selben gelegenen, durch welche der inzwischen durchgebrochene Nasengang {1. Visceralspalte PARKEr’s) hindurehläuft. Zugleich glie- dert sich der vorderste Theil des Mandibularbogens als MEcker’scher Unterkieferknorpel von dem übrigen (dem Mandibularpfeiler) ab; die- ser letztere theilt sich durch den Ansatz des Pterygopalatinbalkens in das Metapterygoid — oberhalb desselben — und das Quadratum — “unterhalb desselben —. Die Pterygopalatinverbindung liegt unterhalb und nach innen vom Temporalmuskel; oberhalb und nach aussen von diesem hat der Mandibularpfeiler einen platten Knorpelfortsatz getrie- ben, den Orbitalfortsatz. Bald treten die beiden Schädelbalken, welehe bisher getrennt von einander unter dem Gehirn hinliefen vor der Pituitargrube in eine breite Verbindung, den Gesichtsgaumenbalken PARKER’ Ss, der nach diesem Autor die gemeinsame Grundlage und Stütze für alle ethmoidalen Bildungen der höheren Typen abgibt. Bei Larven von einer Grösse von 1 Zoll und etwas darüber steigt von dieser queren Commissur der Ethmoidalwall zur vorderen Be- grenzung der Schädelhöhle empor, während durch Auswachsen der obern Ränder der Trabekel die Seitenwände des Schädels und der Boden der Pituitargrube gebildet werden. Die Lippenknorpel haben jetzt ihre höchste Ausbildung erreicht, ebenso der Orbitalfortsatz ; vergl. Parker's Fig. 1—5 auf Tafel V und die zugehörige Schnittserie auf Tafel VI. — In diesem Stadium setzen meine eigenen Untersuchungen Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 599 ein. Ich muss zuerst die Abweichungen von PArker’s Darstellung, die mir auffielen, anführen. Einer zweiten neueren Darlegung der Ausbildung des Ethmoidalskelets der Anuren kann ich nur kurz ge- denken; ich meine die von GöTTE in seiner grossen Entwicklungs- geschichte der Unke (Bombinator igneus, an verschiedenen Stellen ge- gebene. Es ist mir unmöglich, diesem Autor in seiner von den ihm eigenthümlichen allgemeinen Anschanungen durchaus beherrschten Darstellung hier näher zu folgen — es würde dies die Erklärung ‚einer grossen Zahl eigens von GOrre construirter Bezeichnungen erfordern ; ich kann nur hervorheben, dass die Beschreibung des Kopf- skelets einer Larve, die mit der des Parker'schen Stadiums 4 etwa gleichaltrig ist, mit der des brittischen Autors ziemlich übereinstimmt. Es fällt mir auf, dass im Texte und in den Abbildungen GOrrn’s jede Erwähnung der oberen Lippenknorpel als besonderer Theile fehlt, vergl. pag. 635—662 und Taf. 15, 19 und 21. Man erhält durch- aus den Eindruck, als ob der Autor dieselben nicht von den vordern Enden der Trabekel und ihren Hörnern, welche er Zwischenkie- fer- und Oberkieferknorpel nennt, geschieden hätte. Es bestärkt mich in dieser Annahme die eigenthümliche Gestalt, die GÖTTE seinen Oberkieferknorpeln Fig. 327 gegeben hat und der Umstand, dass er ausdrücklich erwähnt (pag. 651), der vordere Rand seines Zwischenkieferknorpels trage die Hornzähne. Auch spricht der Autor selbst in der vergleichenden Abhandlung über den Kopf pag. 731: »von den embryonalen oberen Lippen- oder Schnauzenknorpeln oder den von mir sogenannte Oberkieferknorpeln«; er hält die ersteren also mit den Oberkieferknorpeln, die er selbst pag. 649 ganz aus- drücklich als direete Fortsetzungen seiner ersten Wirbelbogen be- schreibt, für identisch. Die obern Lippenknorpel sind aber nach Angabe der Autoren allen Anurenlarven eigenthümliche, gesonderte Bildungen. Ich möchte sogar nach den GOrre’schen Zeichnungen vermuthen, dass Bombinator ebenso wie der nahe verwandte Peloba- tes, ein an das hintere Ende der Oberlippenknorpel (rostralia Dusks) angefügtes zweites Stück (adrostrale DuGhs) besitzt. — In PARKER'S Fig. 3 Tafel V ist die Knorpelbrücke, die die beiden vom hintern Rande her durch einen tiefen Einschnitt getrennten Hälften des Oberlippenknorpels von Rana verbindet durchgeschnitten, ausserdem sind noch die festen Bindegewebszüge, welche die auseinander- gespreizten vorderen Enden der Trabekel zusammenhalten, weggenom- men, so dass diese sammt den ihnen aufsitzenden Hälften des Ober- 600 = Born lippenknorpels weit auseinandergefahren sind. Dusks Fig. 70" ist viel natürlieher: Die Trabekeln gehen vorn in einem mässigen Grade auseinander und die beiden aneinanderliegenden Oberlippenknor- pel schliessen die Basis der so entstehenden dreieckigen Spalte vorn ab. Bei Pelobates sind nämlich in der That 2 getrennte Oberlippen- knorpel vorhanden, bei Rana sind sie in den von mir untersuchten Sta- dien, wie ich PARKER gegenüber hervorheben muss, mit den vordersten Thheilen“ der einander zugewandten Ränder zu einem Stücke ver- schmolzen. Der Querschnitt eines Trabekels vor der Stammplatte GöTTE's (Parker’s Ethmoidalwall) bildet bei Pelobates etwa ein Dreieck : eine Seite liegt der Mundschleimhaut parallel, die mediale Seite ist in ihrem oberen Theile etwas ausgebaucht, die laterale ziemlich gerade (vergl. Fig. 8 7). Die unteren inneren Ränder beider Trabekeln verbindet ein dünnes, aber straff gespanntes elastisches Ligament; es ist noch in der Gegend der Nase so breit wie ein Trabekel, vorn wird es breiter, nach hinten gegen die Verbindung” der Trabekeln zu schmäler (vergl. Fig. 7 u. Si). Die obern Ränder werden durch einen lockeren spindelzellenhaltigen Bindegewebszug verbunden, der zur Mundhöhle convex ausgebogen ist (vergl. Fig. 7 u. Slo). Von dem äussern Rande des dreikantigen Trabekels zieht vor der Choane ein breites und ziemlich diekes, dabei straffes Band zum Mandibular- pfeiler. Bemerkenswerth ist die höchst eigenthümliche Bildung des Ethmoidaleanals in diesem Stadium von Pelobates; dieselbe knüpft an bei Urodelen stationäre Formen an. Der vorderste Theil des Schädels, welcher das rhinencephalon enthält, ist jetzt nicht durch eine frontal gestellte Knorpelplatte verschlossen, die von den Olfactoriuscanälen durehbohrt ist, wie späterhin, sondern von dem Knorpelring aus, der die lobi olfactorii umschliesst (vergl. Fig. 5), setzt sich der Boden und das Dach weiter nach vorn fort,’ so dass zwischen diesen ein nach beiden Seiten freier, schlitzartiger Raum entsteht, der in di- recter Verlängerung der Schädelhöhle liegt; ausgefüllt ist dieser Raum durch embryonales Schleimgewebe. Zwischen den Rändern des Daches und des Bodens läuft der 'Riechnerv ; aussen neben dem Dache der Gesichtsast des trigeminus. Der vordere Abschluss dieses Raumes ist unvollständig; er wird von zwei Pfeilern gebildet, die ') Recherches sur lostéologie et la myologie des Batraciers; Mémoires pres. a l’Academie royale des sciences. sc. math. et phys. Tome VI. Paris 1835. Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. - 601 an den Seiten Decke und Boden verbinden; zwischen ihnen bleibt ein mit Schleimgewebe gefülltes Fenster (Fig. 5c). Dieser ganze Ethmoidalraum ist in seinem hintersten Theile am weitesten. Um diese, Pfeiler herum wendet sieh der in mehrere Aeste zerfallende ‘Riechnery nach aussen, um zu dem hinteren Ende der Nasenhöhle, das lateralwärts neben den Pfeilern liegt, zu gelangen. Die Pfeiler sind Produkte der Trabekeln. _Verfolgt man auf den Schnitten die Veränderungen der Trabekeln von vorn nach hinten, so bemerkt man, wie dieselben kurz vor dem hinteren Ende der Choanen mit ihren unteren Kanten verschmelzen, während aus den oberen sich zwei versehmälerte nach aussen umgewendete Knorpelstreifen erheben (vergl. auch Fig. 127), die sich gleich darauf mit ihren Innenrän- dern berühren und verschmelzen, während ihre Verbindung mit dem Reste des Trabekels aufhört. So entstehen »die beiden Pfeiler, die oben und unten sich zu der Decke und dem Boden der Ethmoidal- spalte vereinigen. Die histologische Structur dieses ursprünglichsten knorpligen Schädels ist schon in den ersten Monumentalwerken der Histologie sehr eingehend besprochen und genau abgebildet worden. Ueberall findet man das »pflanzenzellenähnlicehe« oder »chordaähnliehe« Aus- sehen dieses Knorpels betont und schon Schwan weiss, dass in den Kiemenknorpeln von Pelobates-Larven nur ganz dünne Spangen von Intercellularsubstanz (Zellmembranen) vorhanden sind, während die- selbe in dem Knorpel des eigentlichen Schädels reichlicher gefun- den wird'). Hier will ich darüber noch Folgendes anführen: Der Knorpel des Schädels von Pelobates-Larven in diesem Stadium ist als ein sehr grosszelliger zu bezeichnen. Die abgerundet drei- oder viereekigen Knorpelkapseln liegen in den Trabekeln und ähn- lichen grossen Stücken in Gruppen zu 2 bis 5 dicht anemander ge- schlossen, welche durch breitere Streifen von Grundsubstanz von ein- ander getrennt sind (vergl. Fig. 31, 327). In den Knorpeln des Kiemenkorbes und auch z. B. im adrostrale ist die Grundsubstanz auf ein ganz dünnes Leistenwerk zwischen den regelmässig polygo- 1!) Vergl Tu. SCHWANnN, »mikroskop. Untersuchungen über die Ueberein- stimmung etc.« Berlin 1839. pag. 17 ff. Tafel 1 Fig. 8 u. 9, Tafel 3 Fig. 1; vergl. KöÖLLIKER, mikroskop. Anatomie, 2 Band, 1. Hälfte, pag. 549; vergl. Vo@T, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Geburtshelferkrite, Solothurn 1842, pag. 105 ff. S. STRICKER, Untersuchungen über die Entwick- lung des Kopfes der Batrachier, Archiv für Anatomie und Physiologie gibt Tafel 1 Fig. 19 eine Abbildung des fraglichen Gewebes u. d. m. 602 G. Born nalen Knorpelhöhlen reducirt, in dem eigentlichen Schädel ist die- selbe reichlicher, die Knorpelhöhlen sind hier rundlich von Form und kleiner. Die Grundsubstanz färbt sich in diesem frühen Stadium nur bei sehr starker Tinetion gleiehmässig röthlich. Die Kerne der Knorpelzellen sind gross, das Protoplasma ist nach den von uns an- sewandten Reagentien zu einem dem Kerne anliegenden Klümpehen zusammengeschrumpft, von welchem meist einzelne Fäden zur Wand der Höble hinüberlaufen. Zwischen den beiden Formen, der mit reich- lieher und der mit minimaler Grundsubstanz, finden sich alle mög- lichen Uebergänge. In dem sonst gleichmässigen Gewebe ragen häufig einzelne Zellen an Grösse ganz besonders hervor (Fig. 30). Dieselben sind oft 20 Mal so gross, als ihre Nachbarn; ihre Kapsel ist schr stark. In diesen, so viel ich weiss, noch nicht beschriebe- nen riesigen Knorpelböhlen liegt auch ein ausnehmend grosser Kern, mitunter sogar mehrere. Bei älteren Larven finden sich diese grossen. Knorpelzellen wo möglich noch zahlreicher. — In dem in Rede stehenden Stadium war der vorderste Theil des Hyoid- stücks schon mit dem vordern Ende des Basaltheiles verschmolzen. An dieser Stelle bot der Knorpel ein sehr eigenthümliches Aussehen dar. Die Knorpelzellen hatten sich stark vermehrt, waren kleiner und dichter gedrängt und in Säulen senkreeht auf die Dieke des Stückes angeordnet; das Netzwerk der Intercellularsubstanz erschien äusserst stark lichtbrechend: es glänzte beim Heben des tubus hell auf. Nach den Seiten hin ins Hyoidstück hinein verlor sich all- mälig diese Erscheinung. Offenbar hängt dieselbe mit der raschen Zellvermehrung bei der Verschmelzung der Stücke ab; denn an Stellen, wo man ebenfalls lebhafte Theilungsvorgänge beobachtet, wie z. B. bei Pelobates an der Anlagerungsstelle des Pterygopalatin- balkens an den Schädel) findet sich ähnliches. Die Nasenhöhlen der Larven unseres Stadiums nehmen in sa- sittaler und in transversaler Richtung einen verhältnissmässig viel kleineren Raum ein, als späterhin ; die provisorischen, Hornkiefer mit ihrem Stütz- und Bewegungsapparate beschränken denselben von allen Seiten. Es erstrecken sich die Nasenhöhlen nur an der äussern Seite der hintern Hälfte von dem freien Theile der Trabekel hin; ihr Boden liegt höher, als die der Mundhöhle zugewandte Seite des Trabekels und ihre obere Seite ragt um ein geringes über den obern Rand desselben hinaus (vergl. aueh Fig. 7). Im ganzen nehmen sie von vorn nach hinten langsam an Breite zu und ziehen sich am hinteren Ende rasch in allen Dimensionen zusammen; ihre innere Ueber die Nasenhihlen und den Thränennasengang der Amphibien. 603 Wand steht von der Aussenseite der Trabekel ziemlich weit ab. Die oben vom erwachsenen Thiere beschriebenen, mit hohem Riechepithel be- kleideten Ausbuchtungen der vordern Wand sind schon deutlich zu erkennen. Der seitliche Canal ist eine noch des Lumens entbehrende Epitheleinwachsung in der Scheidewand zwischen dem oberen und dem unteren (Fig. 75»). Als Verlängerung des unteren Blindsackes führt von da, wo die 3 Blindsäcke zusammenfliessen, ein schräg nach hinten und innen gerichteter weiter Canal in die Mundhöhle. Die Choane ist also in diesem Stadium kein einfaches Loch in der untern Wand der Nasenhöhle, sondern ein weiter Gang, wie es schon Görre richtig dargestellt hat. Dieser weite Gang repräsentirt den ganzen untern Theil der einfachen Nasenhöhle des erwachsenen Thieres, in seiner äussern Wand bemerkt man eine Ausbuchtung. die Andeutung der künftigen Kieferhöhle (Fig. 74). An Stelle der seitlichen Ausbuchtung des oberen Blindsackes, in welche, wie ich oben beschrieben, die apertura externa sich öffnet, führt von vorn aussen und oben von der Hautoberfläche aus ein weiter und langer Canal in denselben, so dass ersterer gewissermassen nur als seitlicher Anhang dieses erscheint. Ich nenne diesen Canal den Einführungs- gang der Nasenhöhle (Fig. SE). Von den Knorpeln der Nase findet sich noch keine Spur. Ihre Höhlen umgibt ein dichtes Spindelzellengewebe, dessen Elemente auf den Querschnitten meist dem Lumen der begrenzten Höhle parallel liegen. Die Zellenlage, welche die Decke überzieht, geht nach innen direet in das Querband über, das die oberen Ränder der Trabekeln verbindet. Nur die untere Nasendrüse ist bisher entwickelt (Fig. 7 u. 19 gan), während von Seiten der äusseren Haut und der Mundschleimhaut noch jede Drüsenbildung fehlt. Die Stelle ihrer Mündung, welche zugleich den Ort bezeichnet, aus dem sie hervorgewachsen, befindet sich am innern Umfange des untern Blindsackes, da wo sich dieser in den einfachen Nasenraum öffnen will. Der Ausführungsgang löst sich bald in eine Anzahl Schläuche auf, die zu einem Packet veremigt sind, das zwischen der innern Seite des erwähnten Nasenganges und der Aussenseite des Trabekels gelegen ist!). ') Aus WIEDERSHEIM's Darstellung » Kopfdrüsen ete.« pag. 26 u. 27 geht hervor, dass er die Drüse, welche »eine gegen die Medianebene gerichtete blind- sackartige Ausstülpung des Riechsackes« umwickelt, für eine direete Fortsetz- ung der Glandula intermaxillaris hält, das ist trotz der innigen Verfilzung, die später bei Rana und Bombinator zwischen beiden stattfindet, nicht der 604 G. Born Kine Larve von Rana esculenta auf einer entsprechenden Ent- wicklungsstufe bietet folgende Besonderheiten dar: Das adro- strale fehlt, wie erwähnt, gänzlich. Die Durchsehnittsfigur des freien Theils seines Trabekels ist nicht wie bei Pelobates ein Dreieck, sondern ein querliegendes, an der untern Seite etwas abgeplattetes Oval (Fig. 15 7). Das Ligament, das die obern Ränder der Trabekeln verbindet, ist von einem zum andern gerade hinübergezogen; wenn die Nasenhöhlen in die Schnitte treten, he- ben sie diesen vorher über die Trabekel weggespannten Zug fes- ten Gewebes von diesen ab, so dass er von der Decke der einen Nasenhöhle in transversaler Biehtung zu der der andern läuft (Fig. 15/0). Während die spindel- und sternförmigen Zellen des Schleimgewebes, das zwischen den Trabekeln liegt, sammt den ein- zelnen Bindegewebs- und elastischen Fasern, welche schon gebildet sind, in zur Mundschleimhaut parallelen Schichten angeordnet sind, bemerkt man namentlich im hinteren Theile des Intertrabekularraumes einen verdichteten Zug, welcher von der Mitte des oberen Querban- des senkrecht herabzieht. Fall: die beiden Drüsen sind genetisch verschieden und münden an ver- schiedenen Stellen aus. Die Glandula intermaxillaris entsteht vom Epithel der Mundhöhle aus und zwar viel später als die untere Nasendrüse, die von der Nasen- schleimhaut selbst stammt. PARKER kennt die beiden Blindsäcke, die ich oben beschrieben habe. Er sagt von seiner Fig. 2 Tafel 6: »This section is still in front of the trabecular missure and legs open a reduplication of the nasal sae.« Gorre schildert 1. ce. pag. 654 den unteren Blindsack, wie schon WIEDERS- HEIM »Kopfdrüsen« pag. 24 citirt, folgendermassen: »Aus ihrer« — der weiteren oberen Abtheilung des Geruchsackes — »vorderen unter der äusseren Oeffnung gelegenen Bucht geht abwärts und einwärts ein kleiner Blindsack ab, welcher von oben durch ein horizontal aus der Wand hervorgewachsenes Blättehen be- deckt wird, abwärts sich aber mit einer Drüse verbindet, welche vom Mund- epithel aus sich zwischen die beiden Zwischenkieferschenkel entwickelt (Kiefer- ‘ drüse Leypic). Es dürfte daher jene Ausstülpung der Nasenhöhle einem JAcoB- soun'schen Organe, welches mit beiden Haupthöhlen des Gesichts in Verbin- dung steht, verglichen werden.« So richtig die Schilderung des unteren Blindsackes ist, so unmöglich ist die Deutung. Das JAcossoun’sche Organ der höheren Wirbelthierklassen ist »ein am Boden der Nasenhöhle meist im An- schluss an das Septum nasale liegender, im Gaumen mit der Mundhöhle communicirender, aber gegen die Nasenhöhle abgeschlossener Canal, dessen Wandung an einem mannigfach gestalteten Vorsprunge die Endi- gungen einiger Olfactoriuszweige trägt«e. (GEGENBAUR’s Grundriss pag. 580 u. 983.) Der fragliche Blindsack steht aber nach GöTTE selbst mit der Nasen- höhle in offener Communication, mit der Mundhöhle in Wirklichkeit aber in gar keiner; denn die Drüsenschläuche, welche in diese ausmünden, sind gene- tisch verschieden und immer von denen getrennt, die in den untern Blindsack führen.« Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 605 Die Verhältnisse an der Commissur der Trabekel weichen von den bei Pelobates beschriebenen bedeutend ab. Kommt man auf den Sehnitten dem hinteren Ende der Nasenhöhlen nahe, so sieht man, wie sich die Trabekeln einander nähern und bald mit ihren Innen- seiten zu einer queren Knorpelplatte verschmelzen. Aus dieser er- hebt sich dann in den nächsten Schnitten in der Mitte ein Grat, der bald bis zu dem oberen Querbande emporsteigt und so eine Art sep- tum noch zwischen den hinteren Enden beider Nasenhöhlen bildet. Während gleich darauf die Basalplatte seitlich sich in die Pterygo- palatinbalken verlängert, wird der mittlere Theil dieses septums schmäler und der obere breiter, endlich löst sich der letztere ab und bildet die Decke des kurzen Ethmoidalschlitzes, an dessen beiden Rändern wie bei Pelobates der Riechnerv läuft. Doch ist dieser Sehlitz nicht wie dort an den Seiten vollständig frei, sondern noch vor dem Ende der Choane wächst aus dem innern Theile des Pte- rygopalatinbalkens ein gekrümmter dünner Knorpelstreifen hervor. welcher von aussen den ramus primus quinti umgibt und sich mit dem Dache des Ethmoidalsehlitzes in Verbindung setzt (vergl. Fig. 18). Der Ethmoidalschlitz geht nach hinten direct in die Schädel- höhle über und seine Wände in den Knorpelring, der das rhinence- phalon umgibt"). Das Gewebe der eben geschilderten Skelettheile ist den bei Pelobates ganz ähnlich, nur vermisse ich durchaus die bei diesem eingestreuten ausnehmend grossen Knorpelzellen. Die Lage der Nasenhöhlen ist bei Rana von vornherein eine ganz andere, als bei Pelobates. Sie liegen nicht unter den Trabekeln, wie bei der Knoblauchkröte, sondern über denselben vergl. Fig. 15 mit Fig. 7). Es ist begreiflich, dass durch diesen Umstand ein total anderer Entwicklungsgang der Wandungen der Nasenhöhle bedingt 1) PARKER beschreibt |. e. pag. 153 für sein 4. Stadium einen unmittelbar über dem Pterygopalatinbalken vor der Commissur der Trabekel gerade aufstei- genden queren Ethmoidalwall und verweist dabei auf seine Fig. 1 Tafel V, eine Seitenansicht und Fig. 2, einen Medianschnitt des Schädels. Beide Zeichnungen sind gewiss richtig, sie beziehen sich aber augenscheinlich auf ein etwas späte- res Stadium, als das, was der obigen Schilderung zu Grunde liegt. Später wächst der mittlere Pfeiler, der jetzt eine unvollkommene vordere Wand des Ethmoidalschlitzes bildet, zu einem septum aus, das sieh durch die ganze Länge desselben erstreckt; die Nasenhöhlen füllen dann den Raum des Ethmoidal- schlitzes aus und man kann, wenn sich das septum mehr verbreitert hat und die den Trigeminusast umgebenden Knorpelstreifen verdicktsind, während die Seiten- wand des Schädels sich zwischen den Olfactiorius- und den Trigeminusast nach vorn verlängert hat, ganz gut von einer quergestellten Platte reden, die den Schädel nach vorn abschliesst. 606 G. Born wird. Um es noch einmal zu wiederholen: Bei Pelobates stellen in diesem friihen Stadium die Trabekeln mit dem Inter- trabekularraume das septum zwischen beiden Nasen- höhlen dar; bei Rana esculenta liegen die Trabekeln am Boden der Nasenhöhlen und zwischen diesen liegt nur Schleimgewebe. Nach oben ist dasselbe von dem Querbande begrenzt, von welchem im hinteren Theile ein festerer Gewebszug herabsteigt, der sich nach hinten direet an den Knorpelpfeiler am vordern Ende des Ethmoidalschlitzes ansetzt. In Bezug auf die Ge- stalt der Nasenhihlen ist nieht viel von Pelobates abweichen- des zu bemerken: Der obere und untere Blindsack setzen sich an der innern Wand der einfachen Nasenhöhle in 2 Rinnen fort, die init hohem Riechepithel ausgekleidet sind. Die untere Nasendrüse zeigt schon, wie bei der erwachsenen Rana, die Tendenz sich reich- lieher um das hintere Ende des unteren Blindsackes zu entwickeln. als nach vorn hin (daher fehlt sie Fig. 15 u. 16). Die Wandungen der Nasenhöhlen sind noch durchaus häutig. In den nächstfolgenden Stadien erfolgt die Ausbildung des knorp- ligen Nasenskeletes, bald darauf auch die Bildung der ersten Haut- knochen und die Einsenkung und Abschnürung des Epithelstreifens zur Bildung des Thriinennasencanals. Ich werde diese Vorgänge zusammen bis zu der Stufe beschreiben, bei welcher die ersten Re- sorptionsvorgänge einsetzen. Dies geschieht bei Larven, deren Hinter- füsse ?/, bis ®/, so gross sind, als zu der Zeit, wo die Vorderfüsse befreit werden. An den primordialen Theilen des ethmoidalen Schä- dels vollziehen sich während dieser Periode bei Pelobates nur wenig Umänderungen. Der Querschnitt der Trabekel zeigt bei dieser Anure, dass dieselben noch gewachsen sind; er erscheint jetzt in Form eines rechtwinkligen Dreiecks; der rechte Winkel liegt im der untern innern Keke (vergl. Fig. 87'). Das mittlere Fenster in der Vorderwand des Ethmoidalschlitzes (Fig. 5e) hat sich knorplig geschlossen ; die Trabekeln erscheinen einander bedeutend genähert (vergl. Fig. 7 mit 5), das quere Band, das ihre untern Ränder verbindet, gelockert und ihre Commissur zwischen den hintern Enden der Nasenhöhlen be- deutend ausgedehnter als. zuvor. Die Vergrösserung des Trabekel- querschnittes beruht auf einer Vermehrung der Knorpelkapseln, welche dabei etwas kleiner werden und der Intercellularsubstanz. Sonst ist ihre histologische Structur unverändert. Zu dem primordialen Ethmoidalskelete gesellen sich zuerst bei Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 607 Larven, deren Hinterbeine etwa '/, ihrer späteren Länge erreicht haben, die secundiiren Verknorpelungen in der Umgebung der Nasen- höhlen hinzu. Dieselben treten bei Pelobates durchaus selbständig, ohne irgend welchen Zusammenhang mit den Trabekeln oder von diesen abgeleiteten Theilen auf: sie bilden sich nicht einmal im continuirlichen Zusam- menhange untereinander, sondern gleichzeitig aber ge- trennt an bestimmten, gleich näher zu bezeichnenden Stellen (vergl. Fig. S u. 4). Der Knorpel differenzirt sich aus dem diehtkernigen, pigmentreichen Spindelzellengewebe, welches bis- her allein die Nasenhöhlen und ihre Ausbuchtungen umgab. Ueber die histologischen Details bei der ersten Ausbildung des Hyalin- knorpels kann ich nichts besonderes angeben, da die Methode, die ich anwandte, der Conservirung so zarter Structurverhältnisse nicht günstig war: merklich wurden die verknorpelten Stellen daran, dass die Zellen durch eine mässige Quantität einer, das Licht etwas stärker als das umgebende Schleimgewebe brechenden hyalinen Grundsubstanz auseinandergedrängt und zugleich in Kapseln abge- theilt erschien ; alsbald zeigten sich auf dem Querschnitte eines sol- chen Theiles die benachbarten Spindelzellen concentrisch um den- selben zur Bildung eines Perichondriums angeordnet. Aber auch später noch, wenn das secundiire Knorpelskelet der Nase zur vollen Ausbildung gelangt ist, unterscheidet es sich bei Pelobates geweb- lich scharf von den Trabekeln und den davon abgeleiteten Theilen : seine Knorpelkapseln sind kleiner, von den Zellen vollständig aus- gefüllt und unregelmässig, aber dieht aneinander gelagert, so dass die Grundsubstanz, welche nie so stark liehtbrechend wie die in den Trabekeln wird, nur ein engmaschiges Netzwerk zwischen den Knor- pelhöhlen bildet. Dieses Knorpelgewebe macht durchaus den Ein- druck eines jungen saftreichen gegenüber dem festeren der Trabe- kulartheile. Am längsten bleibt die Verknorpelung der vordern (fehlt noch der vordern Wand des untern Blindsackes in Fig. 4) und hin- tern Wand der Nasenhöhlen aus, am frühesten tritt dieselbe meiner Erfahrung nach an folgenden Stellen auf: Es bildet sich nach aussen neben dem obern Rande des Trabekels ein Knorpelstreifen, der über die obere Wand des oberen Blindsackes und der ungetheilten Nasen- höhle hin bis weit nach hinten zieht. Er erscheint auf dem Quer- schnitte rundlich, verschmälert sich nach aussen hin sehr rasch und verliert sich unmerklich in das Spindelzellengewebe, so dass er an- fänglich nur den innern Rand der Decke der Nasenhöhlen über- 608 G. Born . lagert (Fig. 7d); sehr früh erscheint auch ein ringförmiger Knorpel- streifen um die Einmündung des Einführungsganges in den oberen Blindsack, es ist die Anlage des Nasenflügelknorpels; ein dritter entwickelt sich in der horizontalen Scheidewand zwischen dem obe- ren und unteren Blindsacke; endlich kommt noch ein vierter Knorpel etwas über der untern äussern Ecke des Trabekels am Boden der Nasenhöhle zum Vorschein, der nicht ganz bis zu ihrem vordern Ende, nach hinten aber bis in die Choane reicht (Fig. 7%). Die aufgeführten Anlagen wachsen rasch aus. verschmelzen theilweise unter einander und bilden am Ende ein complieirtes Knorpelgertist. das dem des erwachsenen entspricht, abgesehen davon, dass das septum fehlt und nur durch den Trabekel ersetzt wird (Fig. 4, nur dass hier schon eine geringe Aufrichtung der Decke stattgefunden hat). Das jederseitige Knorpelgerüst legt sich nach innen an die Aus- senseite des zugehörigen Trabekels an, ohne mit diesem in continuirlicher geweblicher Verbindung zu stehen. Die Bildung des septums erfolgt erst in Stadien, die schon Resorptionserscheinungen aufweisen und wird daher später abgehandelt werden. Von den Deekknochen der Nase bildet sich am frühsten der obere Theil des Nasalfortsatzes des intermaxillare; derselbe tritt mit dem unter ihm liegenden Fortsatze, den der Nasenflügelknorpel nach vorn aussendet, gleichzeitig und in demselben Stratum verdichteten Zell- sewebes auf (Fig. 12). Er deckt denselben von oben und etwas von innen her!). Später — nach vollendeter Abschnürung des Thrä- nencanals — tritt das Lacrimale auf. Es zeigen sich zuerst feine Knochensplitter um die einer knorpligen Stütze entbehrende äussere Seite des seitlichen Blindsacks (Fig. Sz). Von da aus verbreiten sich die Knochensplitter und nehmen allmälig die Form des defini- tiven Knochens an. Bei Rana esculenta treten erst nach völliger Entwicklung der hinteren Extremitäten Resorptionsvorgänge auf; bis zu diesem Ter- mine erreichen die Knorpel der Nase eine bedeutend höhere Aus- 1) GÖTTE ist durch diese nahen Beziehungen des Intermaxillare zu dem darunterliegenden Fortsatze des Nasenflügelknorpels vergl. I. e. pag. 659 zu der Behauptung verleitet worden, dass sich der aufsteigende Ast dieses Kno- chens aus dem Knorpel bildet; dies muss ich auf das bestimmteste in Abrede stellen. Der Knochen entwickelt sich auf und mit dem Knorpel, aber nicht aus demselben, wie dies bei der echten endochondralen Verknöcherung geschieht. Von einem genetischen Zusammenhange des Intermaxillare mit GOTTE’s Zwischen- kieferknorpel, unseren Trabekeln, wie ihn dieser Autor will, ist aber meiner Erfahrung nach gar nichts zu finden. Ueber die Nasenhéhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 609 bildung als bei der Knoblauchkröte. Wie ich schon angeführt habe, liegen bei dem Frosche die Trabekeln von vornherein unter den Nasenhöhlen. Dieser Umstand bedingt eine viel zeitigere und sehr abweichende Bildung des septums und zwar aus Theilen, die genetisch in directem Zusammenhange mit den Trabe- keln stehen. Der schon im vorigen Stadium im Gegensatz zu Pelobates mit seitlichen Wänden und einem mittleren Pfeiler als Ab- schluss versehene Ethmoidaleanal wandelt sich rasch um. Der mitt- lere Pfeiler wird bedeutend stärker und durchwächst den Raum nach hinten in seiner ganzen Länge; ebenso verdicken sich die Knorpel- spangen um den Nasalast des trigeminus. In directem Zusammen- hange mit dem septum des Ethmoidalcanals bildet sich dann ein knorpliges septum zwischen die beiden Nasenhöhlen hinein (Fig. 155s); die Knorpelbildung folgt dem Zuge festeren Gewebes, der, wie ich oben angegeben, von der Mitte des Querbandes, welches die Decken der beiden Nasenhöhlen verbindet, herabsteigt; in demselben kann man von vorn nach hinten alle Uebergänge in der Differenzirung des Knorpels nachweisen. Gleichzeitig mit seiner Verknorpelung ver- längert sich dies senkrechte Band bis in den Zwischenraum zwischen den vorderen Enden der Nasenhöhlen hinein. Unabhängig da- von bilden sich um die vorderen Ausbuchtungen der Nasenhöh- len Knorpelstreifen aus, welche für den oberen Blindsack eine innere Wand und eine Decke constituiren und sich zwischen die Blindsäcke hinein erstrecken ganz in der Weise, wie es vom er- wachsenen Thiere her bekannt ist (Fig. 15d). Das perichondrium dieses neu gebildeten knorpligen Daches setzt sich direet in das quere obere Band fort, welches nach hinten ebenso allmälig in das perichondrium der vom Ethmoidalseptum aus gebildeten Nasenscheide- wand übergeht; — wenn also vorläufig auch kein continuirlicher Zusammenhang zwischen beiden Verknorpelungen besteht, so ist doch schon die Grundlage derselben eine continuirliche. Auffällig ist Pelobates gegenüber, dass der knorplige Boden der Nasenhöhle, der bei diesem eine der ersten Bildungen war, hier viel später auftritt vergl. Fig. 7 mit 15); augenscheinlich vertritt der unter der Nasen- höhle gelegene Trabekel eine Zeit lang die Stelle desselben. Weiter hebe ich noch hervor, dass bei Rana der obere Blindsack von vorn herein eine besondere knorplige Innenwand besitzt, die Pelobates in dem beschriebenen Stadium noch fehlt. Das septum verknorpelt bald dem senkrechten Bandstreifen entlang bis zum vorderen Ende der Nasenhöhlen und verlängert sich zugleich an seinem obern Rande Morpholog. Jahrbuch. 2. 41 610 G. Born in horizontaler Richtung in das obere Querband hinein, so dass es auf dem Durchschnitte eine T formige Figur bildet. Die beiden Enden des Querbalkens des T berühren sich bald mit der von vorn nach hinten weiter wachsenden knorpligen innern Wand des oberen Blind- sackes und verschmelzen mit ihr. Doch bleibt zwischen der con- vexen Seite der Innenwand und dem neu gebildeten septum ein an- sehnlicher, vorläufig noch mit Schleimgewebe ausgefüllter Raum, der erst allmälig durch das weitere Wachsthum und die fortschreitende Verschmelzung beider Knorpeltheile verkleinert wird (Fig. 16). Hin- ten ist die Verbindung der Umbeugungsstelle der innern Wand des oberen Blindsackes in die Decke mit dem septum am innigsten, so dass selbst die Stellung der Knorpelzellen beide Theile nicht mehr unterscheiden lässt, wie dies weiter vorn noch lange möglich ist. Gleichzeitig wächst die Decke des Ethmoidalraums nach vorn aus und verschmilzt ohne Grenze mit der eigenen knorpligen Decke der Nase. Das septum bildet nun an seinem untern Rande bis zur vor- dern Grenze der Choane 2 divergirende Knorpelplatten, mittelst welcher es sich auf die obere Fläche der Trabekeln stützt und so in dieser Gegend die Verbindung mit dem Boden der Nasenhöhle herstellt. Nach vorn zu erreicht das septum die Trabekeln noch nicht (Fig. 15 Zwischenraum zwischen s und 7). Der Boden der Nase hat inzwischen eine weitere Verbreiterung seiner knorpligen Stützen dadurch gefunden, dass sich ebenso, wie bei Pelobates nur wie erwähnt viel später, ein Knorpelstreif längs dem Aussenrande der obern Fläche des Trabekels differenzirt, ohne aber mit diesem zu- erst continuirlich zusammenzuhängen. Ausser dem vorderen Fort- satze des Nasenflügelknorpels, der sich aus den oberen Zügen des in kleinzelliges Bildungsgewebe umgewandelten Perichondriums der oberen Fläche des Trabekels vor den Nasenhöhlen differenzirt und bei seiner weiteren Ausbildung und Verdickung dies perichondrium mit sich von der obern Seite der Trabekeln abhebt, entwickelt sich jetzt vor ihm in dem perichondrium dicht auf der Trabekeloberfläche ein feiner, junger Knorpelbelag, der in directer Verlängerung des oben erwähnten neu gebildeten knorpligen Bodens der Nase liegt, aber jetzt noch nicht mit diesem zusammenhängt. Alle diese neu gebildeten Knorpel zeigen dieselbe histologische Structur, wie die von Pelobates und es ist dabei besonders zu bemerken, dass kein Gegensatz zwischen denen existirt, welche in directem Zusammen- hange mit Trabekulartheilen und denen, welche ursprünglich ganz un- abhängig von solchen entstanden waren. Im hinteren Theile des Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 61 septums ändert sich die Beschaffenheit des Knorpels ganz allmälig in der Weise um, dass er die characteristischen Eigenthümlichkeiten des Trabekularknorpels annimmt: zum deutlichen Beweise, dass es sich bei der histologischen Verschiedenheit dieses und des sich in der Umgebung der Nasenhöhlen neu bildenden Knorpels nicht um wesentliche, sondern mehr um Altersdifferenzen handelt. “Die Deekknochen entstehen in derselben Reihenfolge wie bei Pelo- bates; zuerst der Nasalast des intermaxillare, dann das lacrimale: bei Rana jetzt auch schon das maxillare. Letzteres hat eine sehr eigenthtim- liche Bildungsweise. Aus dem vordern Rande des äussern Theiles der queren Gaumenplatte wächst ein nach vorn sich zuspitzender Knor- pelfortsatz heraus, der neben der Kieferausbuchtung hinläuft. Gleich- zeitig mit dem Knorpel, der einen rundlichen Querschnitt besitzt. bildet sich an seiner äussern obern Seite ein feiner Knochenstreifen, der parallel der äussern Wand der Kieferhöhle läuft. ohne aber vor- läufig derselben anzuliegen (Fig. 16 bei m). Der Fortsatz wird zu dem für den erwachsenen Frosch beschriebenen Knorpelstreifen im maxillare, der Knochen zur Gesichtsplatte des Oberkieferbeins. Die Veränderungen der Nasenhöhlen selbst sind mehr quantitative. sie dehnen sich nach allen Seiten aus, namentlich aber die Blindsäcke nach vorn; damit hängt zusammen, dass der im vorigen Stadium weite und lange Einführungsgang immer mehr in die äussere Seite des oberen Blindsackes eingezogen wird. Der seitliche Blindsack, der bisher eine einfache Epitheleinwachsung war, bekömmt ein Lumen und verlängert sich bedeutend. Er tritt an seinem hinteren Ende in gleich näher zu erörternder Weise in Beziehung zu dem Thränencanale. In derselben Periode treten die ersten Andeutungen der bekannten Hautdrüsen der Anuren auf, während von der glandula intermaxillaris noch keine Spur zu sehen ist. Aber noch vor der Einsenkung der Epi- thelzapfen zur Bildung der Hautdrüsen beginnt die Einwachsung des Thränencanales. Die Erscheinungen, die dieselbe dem blossen Auge bemerklich machen, sind an der pigmentreichen Haut der grossen Larven von Pelobates viel deutlicher wahrzunehmen, als an der pig- mentarmen des Wasserfrosches. Ich halte mich daher im Folgen- den vorzüglich an die Knoblauchkröte. An Larven, deren Hinter- beine mindestens '/, so lang sind, als zur Zeit der Befreiung der vordern Extremitäten, bemerkt man, am besten an Exemplaren, deren Oberhaut durch Pikrinsäure oder Alkohol getrübt ist. einen Streifen (vergl. Fig. 24), der von der äusseren Seite des Nasenloches in einem ventralwärts leicht convexen Bogen zum innern Augen- 41* 612 G. Born winkel läuft, in dessen Nähe er unscheinbar wird'). Der Streifen liegt zwischen dem Oberaugen- und Oberkieferzug der Organe des sechsten Sinnes. Er ist bei jüngeren Thieren nach Einwirkung von Pikrinsäure durch seine rein gelbe Farbe von der dunkel schattirten Haut ausgezeichnet. Bei älteren Larven kennzeichnet ihn noch au- genfilliger ein schwarzer Pigmentstrich, der von gelblichen Rändern eingerahmt ist. Während der Metamorphose wird mit der stärkern Ausbildung der Hornschicht der Oberhaut der Streifen undeutlich und ist bei der jungen Knoblauchkröte gar nicht mehr wahrzuneh- men. Mitunter erschien mir der Nasentheil, seltener der Augentheil des Streifens zur Furche vertieft. Bringt man die abgezogene Haut des Kopfes mit der Aussenfläche nach oben unter die Loupe oder unter eine schwache Mikroskopvergrösserung (Fig. 23), so sieht man die- selbe auf dunklem Grunde mit verwaschenen hellen mäandrischen Flecken gezeichnet, ausserdem über das ganze Gesichtsfeld zerstreut die kleinen, aber scharf gezeichneten, verzweigten Figuren, welche die oberflächlichen Pigmentzellen darstellen. An der fraglichen Stelle zwischen Auge und Nase schimmert bei frühen Stadien ein heller Strich (gelblich nach Pikrinsäure) aus der Tiefe durch, bei älteren sammeln sich seiner Länge nach die sonst unregelmässig verstreu- ten Pigmentzellen, indem sie zugleich aus der Stern- in die Spindel- form übergehen in dichter Reihe nebeneinander, wodurch für das blosse Auge der Eindruck eines schwarzen Striches hervorgebracht wird. Auf der Höhe des Phänomens legen sich auch die Pigmentzellen der Nachbarschaft in schiefen Reihen an den Streifen an, gewissermas- sen als ob diese Stelle eine Anziehung auf dieselben ausübte. Constanter noch als diese Erscheinungen an der äussern Oberfläche der Haut sind die Veränderungen an ihrer Innenseite. Man sieht auf klein marmorirtem Grunde, über den das zierliche Astwerk der subeutanen Gefässe hinwegzieht, von der Aussenseite des beim Ab- präpariren der Haut meist mitgenommenen Einführungsganges herab einen gelben Strich zum Auge hinlaufen, der auch bei älteren Thieren dasselbe nicht erreicht, sondern in geringer Entfernung davon unsichtbar wird. Auf Schnitten liess sich die Bildungs- weise des Thränencanales leichter an den kleineren Larven von Rana esculenta untersuchen, die ihre Epithelien gerade auch besser con- servirt hatten, als an denen von Pelobates. Zuerst bemerkt man !) Inder vorläufigen Mittheilung ist an der entsprechenden Stelle »ventralwärts convex« statt, wie es dort stehen geblieben ist, »ventralwärts concav« zu lesen. Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 613 an der Apertura narium externa, durch einen etwas erhéhten Rand von ihr getrennt, eine Einwachsung des Epithels in die Cutis, die man von da noch eine Strecke weit nach hinten verfolgen kann: dann flacht sie sich ab und wird allmälig unmerklich. Ein directer Uebergang des eingewachsenen Epithelstreifens in das Epithel des Nasenloches ist auf den Schnitten, wie leicht begreiflich, kaum nachweisbar , lässt sich aber mit genügender Sicherheit aus den späteren Bildern folgern In der Regel fällt die erste Bildung des Thränencanals bei Rana mit dem Auftreten der ersten Verknorpelun- gen in der Umgebung der Riechsäcke zusammen, doch kommen sehr erhebliche individuelle Schwankungen nach oben und unten vor. Ein weiterer Fortschritt besteht darin, dass der eingewachsene Epi- thelstreif sich nach dem Auge hin verlängert, sich gleichzeitig mit seinem vorderen Ende von der Epidermis abschnürt und in die Tiefe wandert. Dabei bleibt er immer in Zusammenhang mit dem Epithel des Naseneinführungsganges. Je nach der Stufe, die der Process erreicht hat, findet man auf den Schnitten einen schief von der Aussenseite des Einführungscanales oder der Ausbuchtung des oberen Blindsackes, zu welcher dieser sich umgestaltet, bald höher bald tiefer abgehenden Epithelstreifen (Fig. 19 7%), der in einem nach vorn und aussen convexen Bogen rückwärts bis unter die Epidermis aufsteigt, sich an die untere Seite derselben anlegt und endlich in der Nähe des Auges zu zwei divergirenden Epithelein- wachsungen umgewandelt wird. Das nasale Ende senkt sich so tief herab, bis es an die Einmündungsstelle des seitlichen Blind- sacks in die Ausbuchtung des oberen gelangt, so dass es fortan von der äussern Wand des seitlichen Canales abzugehen scheint (Fig. 17 TA). Bald schnürt sich die Einwachsung ihrer ganzen Länge nach von der Epidermis ab und es wird in ihr ein Lumen deutlich. Zu derselben Zeit differenzirt sich um das nasale Ende des Canals das characteristische Hartgebilde, das ich bei der Schilderung der Verhältnisse des ausgewachsenen Thieres ausführlich beschrieben habe, das lacrimale: es liegt die, Vermuthung nahe, dass dadurch zugleich eine weitere Einsenkung des Canals verhindert wird. Die feinern Verhältnisse bei der Einwachsung und Abschnürung des Thränencanals stellen sich folgendermassen dar: Die erste noch sehr wenig tiefe und breite Einsenkung des Epithels in der Nähe der Nasenöffnung ist von einer Auflösung des bekannten horizontal stratifieirten Cutisgewebes unter derselben in ein kernreiches Keim- gewebe begleitet. Doch bald nimmt die Cutis um die Einwachsung 614 G. Born herum wieder ein festeres Gefüge an und erscheint nun als eine breite Schlinge, die um dieselbe herumgelegt ist und in welche die Bindegewebsfasern der anstossenden Cutislagen divergirend ausstrah- len vergl. dazu Fig. 28). Dicht unter dem Epithel bildet sich ein dichtes Netzwerk von breiten, glänzenden, durch das Karmin hoch- roth gefärbten Fasern. Diese eigenthümliche Veränderung der um- liegenden Cutis unterscheidet die Anlage des Thränencanals leicht von jeder einwachsenden Hautdrüse. In der ganzen Strecke, in der die Einsenkung des Epithelstreifens statt fand, bleibt noch lange nach der Abschnürung desselben eine Störung in dem Verlaufe der horizontalen Cutisfaserlagen zurück (Fig. 27 bei st). Bei Pelobates fand ich nichts von dem beschriebenen derbsehnigen Gewebe um die hier viel breitere Epitheleinsenkung: dieselbe war nur von einer brei- ten Schlinge etwas aufgelockerten, in seiner Faserrichtung senkrecht auf die Länge des zukünftigen Canals gestellten Bindegewebes umzo- sen. Die Art und Weise, in der die epitheliale Einsenkung und Absehniirung und später die Bildung des Lumens stattfindet, ver- sinnbildlicht Fig. 28. Man sieht, dass es die untersten Zellenlagen der Oberhaut sind, welche in Wucherung gerathen, wiihrend die auf dem Durchschnitte viereckigen Zellen der obersten Lage, die den cuticu- laren Saum tragen, unverändert darüber hinlaufen. Die neugebildeten Zellen sind im Anfange dicht an einander gedrängt, undeutlich von ein- ander abgegrenzt, klein und körnig; in der Mitte der Einwachsung be- merkt man eine kernfreie, hellere Stelle, das künftige Lumen. Nach der Abschnürung stellen sich die Zellen senkrecht auf die Peripherie und umgrenzen einen deutlichen Hohlraum. Ich finde meist eine Lage cylindrischer (Flimmer-)Zellen, an deren peripherischen Enden noch eine Schicht Kerne gelagert ist (Fig. 26 7%). Die Veränderungen der Trabekel in den Stadien bis zur Vollen- dung der Metamorphose sind zwar sehr erhebliche, aber ich kann dieselben erst nach der Abhandlung der für sie massgebenden Um- bildungen der Nasenhöhlen und Nasenknorpel besprechen. Nur eines will ich in Bezug auf Pelobates vorausschicken. Die Trabekel sind bei einem Thiere, das eben im Begriff ist, seine vordern Extremitä- ten herauszunehmen, einander sehr bedeutend und zwar passiv ge- nähert. Man erkennt dies daran, dass das Querband, welches ihre untern Ränder früher straff und gerade gespannt verband, jetzt locker und in Falten gelegt erscheint (Fig. 9 %). Die Nasenhöhlen und die sie umgebenden Knorpel gewinnen nun bei Pelobates rasch in allen Dimensionen, aber ganz vorzüglich in Breite Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 615 und Höhe an Ausdehnung. Es geschieht dieses Wachsthum vorn mit grösserer Intensität als weiter rückwärts; daher sind die demnächst zu beschreibenden Phänomene am deutlichsten an den Blindsäcken, am undeutlichsten im hintern Abschnitte der Choane ausgeprägt. Die er- wähnte passive Annäherung der Trabekel aneinander wird durch das starke Wachsthum der Nasenhöhlen in die Breite veranlasst, welches aber nicht nur nach innen wirkt, ‘sondern auch nach aussen und zwar in folgender Weise: Der neugebildete Boden der Nasenhöhle hatte sich schon in den vorigen Stadien mit der Aussenseite des Trabekels theilweise knorplig verbunden (Fig. 8 u. 9 T mit d). Diese Verbindung wird jetzt noch breiter und inniger, obgleielf die histologische Differenz, namentlich die verschiedene Färbung und das verschiedene Lichtbrechungsvermögen der Grund- substanz, die abweichende Grösse und Anordnung der Zellen, zwi- schen beiden unter dem Mikroskope noch lange eine scharfe Grenze erkennen lässt. Diese Verbindung des neugebildeten knorpli- gen Bodens, der jetzt bis gegen das Ende der Choane hinreicht, mit der Aussenseite des Trabekels gibt der wachsenden Nasenhöhle eine feste Unterlage. Dadurch, dass diese Unterlage durch Wachs- thum des neugebildeten knorpligen Bodens in genau transversaler Richtung verbreitert wird, hebt sich der ursprünglich etwas gesenkte äussere Theil des unteren Nasenganges und der früherhin von dem hinteren Ende dieses nach hinten, innen und unten ziehende Aus- führungsgang wird mehr wagrecht gestellt, während sich die Aus- buchtung seiner äusseren Wand vergrössert und sich zur Kiefer- höhle umgestaltet. Zugleich wird dabei unter Mitwirkung der un- verkennbaren Höhenzunahme des unteren Blindsackes und der Ver- grösserung der ihn an der Innenseite begleitenden Drüsen, die ursprünglich einen sehr schiefen Winkel mit der Aussenseite des Trabekels bildende Scheidewand zwischen dem oberen und dem unteren Blindsacke im ganzen gehoben und der Winkel zwischen ihr und der Aussenfläche des Trabekels vergrössert (vergl. Fig. 7, 8, 9 u. 10). Späterhin werden die durch die Resorption verkleinerten und im ganzen vordern Theile der Nase wieder vom knorpligen Boden ab- gelösten Trabekel rasch ganz nach unten verdrängt. Bei weiterem Wachsthum schieben sich die Nasenhöhlen nicht blos nach oben über die Trabekel hinweg, sondern auch nach vorn über dieselben hinaus. In einem gewissen Stadium empfängt man daher den Eindruck, als ob der Trabekularrest in einem Bogen von unten erst an das septum heran und dann allmälig in dasselbe eintrete, um im hinteren Theile 616 G. Born der Choane die knorplige Scheidewand allein zu reprisentiren. Für Rana habe ich schon eines feinen Knorpelstreifens erwähnt, der sich auf der Aussenfliiche des Trabekels vor dem vordern Ende des Fort- satzes des Nasenfliigelknorpels gebildet hatte, aber noch nicht in Verbindung mit der Nasenkapsel stand; jetzt erscheint derselbe auch bei Pelobates und wächst rasch auf der Aussenseite des Trabekels nach hinten bis zum Innenrande des neugebildeten knorpligen Bo- dens der Nasenhöhle, mit dem er von unten her verschmilzt. Bei der Ausdehnung der Nasenhöhlen nach vorn und in die Breite, die zu einer Verdrängung der Trabekel führt, theilt dieser Knorpel ihr Schieksal, wächst aber immer stärker, je weiter die Resorption des unter ihm liegenden Trabekels fortschreitet; es ist der Knorpelfort- satz. der im erwachsenen Thiere jüngst von WIEDERSHEIM entdeckt wurde. Bei Pelobates ist seine Verbindung mit dem Trabekel nie eine so innige wie bei Rana, wo der WIEDERSHEIM’sche Fortsatz eine Zeit lang aus continuirlich mit einander verbundenen neugebilde- tem Knorpel und einem unversehrten Reste Trabekulargewebes zu- sammengesetzt ist. Da im Anfang dieses Stadiums durch die innige Verbindung des neugebildeten knorpligen Nasenbodens mit dem Trabekel, wie erwähnt, eine feste Unterlage für die Nasenhöhle geschaffen wird, so kann natürlich bei dem Höhenwachsthum der Nasenhöhlen der Boden derselben nicht nachgeben. Viel leichter ist dies bei der knorpligen Decke möglich, die, wie oben ausgeführt, sich im ganzen vordern Abschnitte der Nase — und dieser kommt hier allein in Betracht — selbständig neben dem oberen Rande des Trabekels entwickelt hat, und diesem nur bindegewebig verbunden ist. Dieses ursprünglich horizontal liegende Knorpelblatt wird mit der Vergrösserung der Nasenhöhlen im senkrechten Durchmesser all- mälig schief gestellt und endlich vertikal aufgerichtet, so dass die frühere Decke der Nase zur Scheidewand zwischen den oberen Blindsäcken wird (vergl. Fig. 7, 8, 9 u. 10d). Diese Aufrichtung der ursprünglichen Decke zu einem Theile der Scheide- wand setzt sich bis in die Choanen fort. Aus dem äussern Rande des aufgerichteten Knorpelblattes wächst während dieses Vorgan- ges nnd parallel mit demselben eine neue Decke heraus. Gleich- zeitig verbreitert sich die schiefe Spange, die von der Decke zur Seite der Nasenhöhle herabsteigt so erheblich, dass die Spalten oberhalb und unterhalb derselben viel kürzer und enger werden. Ihre Verlängerung nach hinten, die breite Knorpelplatte, die sie durch Verschmelzung mit der Decke der Kieferhöhle bildet, erreicht Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 617 in diesem Stadium, wie schon PARKER richtig bemerkt hat, ihre höchste Ausbildung und geht nach hinten in die quere Gaumenplatte direct über, eine Verbindung, die späterhin wieder gelöst wird. In- zwischen haben sich die Knorpellamellen, welche die einzelnen Blindsäcke bisher nur an den Seiten umgaben, über der vordern Fläche derselben geschlossen und so eine knorplige vordere Wand der Nasenhöhle gebildet. Das Gewebe, welches ursprünglich das hintere Ende der Nase und die Aussenseite des Ethmoidalschlitzes mit dem Nasalaste des trigeminus als indifferentes Schleimgewebe umgab, wird jetzt in ein Knorpelblatt verwandelt, das die Ethmoidal- spalte seitlich abschliesst, den genannten Nerven umscheidet, dem inneren Ende des queren Gaumenbalkens aufsitzt, den Winkel, den dieser mit den Trabekeln machte, ausfüllt und das hintere Ende der Nasenhöhle umgebend mit deren knorpliger Decke und Seitenwand in continuirliche Verbindung tritt (Fig. 14). So erst werden bei Pelobates die Knorpelschalen hergestellt, in welche die Nasenhöhlen mit ihren hinteren Enden eingelegt sind, und deren Grund die quere Ethmoidalwand der Autoren darstellt. Die Nasenhöhlen sind näm- lich neben den verschmolzenen Trabekeln nach hinten in den Ethmoi- dalschlitz eingewachsen und haben dessen Raum fast ausgefüllt. Das septum wird bei Pelobates am spätesten seiner Vollendung entgegen- geführt. Es geschieht dies dadurch, dass das Schleimgewebe, wel- ches sich vorn oben zwischen den einander zugewandten Seiten der aufgerichteten Decke und vorn unten nach Verdrängung der Trabe- kel zwischen den Drüsen an der Innenseite des unteren Blindsackes befindet und weiter hinten den Zwischenraum zwischen den dort erhaltenen Trabekeln ausfüllt, ganz allmälig in Knorpel übergeht (Fig. 10 u. 13 der blau schraffirte Theil). Die Gestalt dieses neu entstandenen Knorpelstreifens ist die einer senkrechten Platte, welche vorn hoch, hinten über der Commissur der Trabekel niedrig ist und sich mit ihrer abgeschrägten unteren Fläche eng an diese anschliesst. Die histologischen Unterschiede zwischen dem Trabekularknorpel. den secundär in der Schleimhaut der Nasenhöhlen gebildeten Knor- peln und dieser zuletzt entstandenen Ausfüllungsmasse bleiben noch lange merklich. Die Beschaffenheit des Trabekularknorpels ist, so weit er nicht direct von der Resorption ergriffen ist, dieselbe, wie wir sie oben geschildert: In einer stark lichtbrechenden, durchaus hyalinen Grundsubstanz sieht man stark contourirte, abgerundet po- lygonale, in Packeten zu 3—6 zusammengelegte, grosse Knorpel- kapseln ; um die verhältnissmässig kleinen Kerne einen Rest blassen 615 G. Born in Faden ausgezogenen Protoplasmas ; dazwischen einzelne der gros- sen Zellen, die ich oben beschrieben (vergl. Fig. 32 7). Die Inter- cellularsubstanz, die in den früheren Stadien nur sehr schwer eine blasse Färbung annahm, tingirt sich jetzt sehr leicht rosa, an den Rändern der Stücke und in der Nähe von Resorptionsflächen sogar oft hochroth. Es deutet dies, wie ich glaube, auf den Beginn einer chemischen Umänderung hin. Die Knorpel der Nasenkapsel haben sich ziemlich verändert, doch bleibt der Unterschied von dem Tra- bekularknorpel immer noch leicht wahrnehmbar. Die Grundsubstanz derselben ist reichlicher, fester und gleichmässiger geworden, aber schwächer lichtbrechend und immer noch spärlicher, als die im Tra- bekularknorpel. Die Kapseln sind klein (Fig. 32d), von den Ker- nen beinahe ausgefüllt und liegen dieht gedrängt, aber ohne irgend welche regelmässige Anordnung erkennen zu lassen. Jüngere Theile der Nasenkapsel, z. B. die neu auswachsende Decke und vor allem die sich am spätesten differenzirende knorplige Ausfüllung des In- tertrabekularraumes besitzen eine spärliche, weiche, noch vielfach von Resten der Ausläufer der umgewandelten Bindegewebszellen durchzogene Grundsubstanz von ganz geringem Lichtbrechungsver- mögen (Fig. 32se). Die Kapseln sind in Folge dessen sehr schwach contourirt, liegen ganz ungeordnet, dicht gedrängt und zeigen im In- nern grosse ovale Kerne. Zwischen einem solchen jungen Knorpel und einem vielkernigen Schleimgewebe sind in dem sich bildenden septum alle Uebergänge nachweisbar. Diese 3 verschiedenen Knor- pelarten lassen sich noch lange Zeit nach der Metamorphose deut- lich unterscheiden, selbst wenn ihre Grundsubstanzen in einander übergehen, wie es bei der Composition eines anatomischen Theiles aus allen dreien, z. B. des septums der Fall ist. Die Abgrenzung der verschiedenen Bestandtheile des septums bei Pelobates wird aber noch schärfer gemacht und selbst dann, wenn die 3 Knorpelarten in ihrem Aussehen sich einander nähern, d. h. die Beschaffenheit des Knorpels des erwachsenen Thieres annehmen, noch dadurch eine Zeit lang er- möglicht, dass an der Oberfläche jedes Bestandtheiles die Zellen so seformt und gestellt sind, wie sonst an den Grenzen selbständiger Knorpelstiicke. Am schärfsten und dauerhaftesten ist die Grenze der Trabekeltheile gegen die übrigen; das hat darin seinen Grund, dass die oberflächlichen Schichten derselben nicht nur durch die Stellung der Knorpelzellen ausgezeichnet sind, sondern auch durch besonders reichliche, ganz homogene, immer roth gefärbte Grund- substanz ins Auge fallen. Die Grenze dieser Grundsubstanz gegen Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 619 das anliegende Gewebe (Fig. 32 bei g) ist langezeit geradlinig; ihr reichliches Vorhandensein bezeichnet die Stelle der Grenze selbst dann noch, wenn alle übrigen Merkmale verwischt sind. Die folgende Darstellung der histologischen Vorgänge bei der Resorption der Trabekel ist auf beide Arten zu beziehen, da die Er- scheinungen bei Rana und Pelobates ihrem Wesen nach dieselben sind. Die Unterschiede, die in der Ausbreitungsweise des Processes her- vortreten, werde ich unten für jedes der beiden Thiere gesondert hervorheben. Bei beginnender Resorption zeigen sich an einzelnen Stellen nahe der Oberfläche eigenthümliche Veränderungen der Tra- bekularknorpel, die sich unter dem anfänglich unversehrten perichon- drium in verästelten Figuren ausbreiten. Die Zellen des Knorpels gerathen in der Umgegend solcher Stellen in Proliferation, die Kerne liegen dichter und sind häufig kleiner, die Grundsubstanz verliert ihr homogenes, festes Aussehen; sie erscheint weich, körnig und blasser, die Kapselgrenzen werden in Folge dessen undeutlich. In dem Bezirke der Figuren selbst fliessen die mit jungen Zellen angefüllten und von erweichtem Gewebe umgebenen Knorpelkap- seln zu unregelmässigen Lücken zusammen. Mitunter schreitet die Erweichung nach einer Seite hin rascher vor und erbricht eine Reihe von Knorpelkapseln, die zwar schon von einer Brut junger Zellen erfüllt sind, deren Wände aber noch fest und starr erscheinen (vergl. dazu Fig. 33). Je grösser die Heerde wer- den, um so breiter wird meistens die ringsum veränderte Zone und um so flüssiger der Inhalt, so dass er häufig aus den Schnitten her- ausfällt. Erhält er sich einmal, so findet man den Raum mit einer weichen Iymphkörperhaltigen Substanz erfüllt und von vielen, dabei oft sehr dieken Blutgefässen durchzogen. Mitunter ist der ganze Spalt durchaus von rothen Blutkörperchen ausgefüllt. Es war mir nicht möglich zu entscheiden, ob diese in solchen Fällen in besonderen Wandungen lägen oder ob sich eine Art lakunären Kreislaufes her- ausbilde, indem sich Blutgefässe direct in die Erweichungshöhlen öffneten. Anfänglich sind die Heerde sicher von Blutgefässen frei; um so reichlicher und angefüllter zeigen sich die Capillaren des be- nachbarten perichondriums. Allmälig nehmen die Erweichungshöhlen ganze Seiten der Trabekeln auf einmal ein; ihre Wandungen sind dann von einer mehr oder minder dicken Schicht veränderten Knor- pelgewebes ausgekleidet, in welchem sich noch häufig Inseln mit unversehrter Structur vorfinden (vergl. Fig. 11 bei 7). Der feste Bau des perichondriums geht auch bald verloren. Mit der Erwei- 620 G. Born chung verbindet sich eine Resorption des durch dieselbe fliissig ge- machten Materials; während der Trabekularrest immer kleiner wird, schrumpfen auch die Erweichungshöhlen um ihn herum immer mehr ein. Bei Pelobates kommen Erweichung und Resorption hinter einan- der; bei Rana halten beide Vorgänge gleichen Schritt vergl. Fig. 31 R). Nachdem die Resorption das für jede Art cha- racteristische Maass erreicht hat, legen sich die Wände der Er- weichungsspalten an einander und dieselbe verschwindet. An ihrer Stelle bleibt noch eine Zeit lang eine Verdickung des perichondriums zurück, die sich aber beim erwachsenen Thiere allmälig ausgleicht. Bei Pelobates zeigen sich die ersten Resorptionslücken an der äussern Kante und auf der Mitte der Aussenfläche des Trabekels; an der letztgenannten Stelle scheint das Andrängen der in die Quere wachsenden Nasenhöhlen von Einfluss zu sein, denn dieselbe erscheint zugleich von aussen eingedrückt (Fig. 10). Am raschesten schreitet der Process in den Trabekularhörnern fort, so dass das perichon- drium derselben bald nur eine von Knorpeltriimmern und erweichten Massen angefüllte Höhle umgrenzt. Wenn die Erweichungsvorgänge ihre Höhe erreicht haben, ehe noch die Resorption stärker einsetzt, trifft man an der Stelle des ganzen vorderen Theiles des Trabe- kels bis zu der Stelle, wo er sich mit dem WIEDERSHEIM’schen Knorpel zusammen dem Boden der Nasenhöhle nähert, eine einzige grosse Erweichungshöhle (Fig. 11 7). Von da an bleibt die in- nere Seite des Trabekels verschont und mit dieser sitzt er an einer erst im Uebergange zum Knorpelgewebe befindlichen unteren Ver- längerung des septums, eben dem früheren Intertrabekularraume fest. Die Verbindung, die bis dahin zwischen dem neu gebildeten Nasen- höhlenboden und der Aussenfläche des Trabekels bestanden hatte und welche als so wichtig für die mechanischen Verhältnisse bei der Aus- dehnung der Nasenhöhlen geschildert wurde, ist bis zum vordern Rande der Choane hin durch den den Knorpel umgebenden Resorp- tionsspalt gelöst. Dabei ist characteristisch, dass derselbe nicht die ursprüngliche Grenze beider Knorpel durchbricht, sondern meist einen Rest des Trabekels am innern Rande des Bodens sitzen lässt (Fig. 10 zwischen 7 und 4). Weiter nach hinten, wo diese Verbindung nicht gelöst wird, besitzt der Trabekel nur eine obere und zwei un- tere Resorptionsflächen (Fig. 13 R) und zeigt auch noch deutlich seine eigenthümliche dreieckige Gestalt, während weiter vorn der Knorpel- rest in den Resorptionshöhlen meist zu einem Queroval abgenagt ist. Die Resorption geht am Ende so weit, dass im ganzen vordern Ab- Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 621 schnitte des Schädels unter dem WIEDERSHEIM’schen Knorpel und unter dem Boden der Nasenhöhle jede Spur des Trabekels ver- schwunden ist. Erst kurz vor der Oeffnung der Choane erscheinen an den Seitenflächen des untern Endes des septums zwei schmale, dreieckige, aussen von einer Resorptionsspalte umgebene Ansätze, welche aus dem characteristischen Trabekularknorpel bestehen. Sie nehmen rasch nach hinten an Grösse zu, verbinden sich seitwärts mit dem knorpligen Nasenboden und ersetzen in der Choanengegend das neu gebildete septum vollkommen (Fig. 127). Nach der Me- tamorphose schwinden die Resorptionsspalten und die histologischen Unterschiede, die äussern Enden der dreieckigen Ansätze verbinden sich dauernd mit dem knorpligen Boden der Nasenhöhle, in welchem nur die zwei beschriebenen Löcher am vordern Rande bleiben. Nach dieser Darstellung bestehen bei Pelobates der knorplige Boden und das knorplige septum der Nase nicht blos in verschiedenen Stadien, sondern auch auf jeder einzelnen Entwicklungsstufe in der Länge aus sehr verschiedenen Bestandtheilen. Ursprünglich bildete den eigentlichen Boden der Nase ein eigener Knorpelstreif am unteren Rande des Trabekels. Letzterer unterstützte mit seiner Aussenfläche die Nasenhöhle auch von innen und unten, vertrat im ganzen aber mehr die Stelle eines septums Fig. 7 und ziemlich noch Fig. 4). Später ändert sich im vordern Theile dies Verhältniss dahin, dass der Trabekel mehr unter als neben der Nasenhöhle liegt, während durch Aufrichtung des bisherigen knorpligen Daches der oberen Blindsäcke eine Erhöhung des septums erreicht wird (vergl. Fig. 8, 9, 10). Im hinteren Theile der Nase bleibt noch das alte Verhält- niss. Mit dem Eintreten der Resorption und der gleichzeitigen Um- wandlung des zwischen den Trabekeln und den aufgerichteten Decken gelegenen Schleimgewebes im Knorpel ist die Zusammensetzung des septums und des Bodens am complieirtesten. Auf einem Schnitte durch den vorderen Theil der Nase besteht ersteres aus einer läng- lich viereckigen Platte ganz jungen Knorpelgewebes, mit welchem jederseits die halbmondförmigen, aufgerichteten Deckentheile ver- schmolzen sind und an dessen zwischen den unteren Blindsäcken ge- legenem Theile die geschrumpften Trabekeln zwei ovale oder drei- eckige Ansätze bilden (Fig. 10). Der Boden besteht nur aus der neu gebildeten, durch die Resorption vom Trabekel abgelösten Knor- pelplatte. Vor der Choane zeigen die Trabekel zwar an ihrer obern und untern Fläche Resorptionshöhlen, besitzen aber ihre characte- ristische Gestalt und sind aussen fest mit dem neu gebildeten Boden 622 G. Born und mit dem aus dem Schleimgewebe des Intertrabekularraumes ge- | bildeten neuen Knorpel verbunden und ergänzen so Boden und sep- tum, an welchem letzteren sich wiederum die aufgewendete Decke betheiligt ‘Fig. 13). In der Choane wird allmälig die neu gebildete Zwischensubstanz durch die verschmolzenen Trabekeln verdrängt. die hier den grössten Theil des septums bilden, da die Decke ihre ursprüngliche horizontale Lage beibehält (Fig. 12). Nach der Me- tamorphose verwischen sich die histologischen Unterschiede der Knorpel verschiedener Abstammung. Das septum, wie der Boden, werden durch die weitere Ausdehnung der Nase verdünnt und vor allem der abgerundete Winkel den vor und in der Choane der sich zwischen septum und Boden einschiebende Trabekel bildet, in einen ziemlich scharfen rechten verwandelt (vergl. Fig. 2 mit 13). Auf diese Weise betheiligt sich auch ein Theil des Trabekels an der Bildung des definitiven Nasenbodens. Später wird wie schon er- wähnt bei Pelobates sowohl, als bei Rana die Verbindung, welche sich zwischen der rudimentären knorpligen Seitenwand und der hin- tern Umrandung der Nasenhöhle ausgebildet hatte, wieder gelöst. Nur bei Bombinator bleibt dieselbe bestehen, wenigstens bei jungen Thieren, die ich untersucht habe. Die weite Communication, die bei der letztgenannten Art zwischen dem unteren Blindsacke und dem Raume unter der Nasenkapsel existirt, beruht auf einer Einbuchtung des vordern Theiles des knorpligen septums von unten her. Nach der Entwieklungsgeschichte des septums, wie wir sie eben bei Pe- lobates kennen gelernt haben. lässt sich vermuthen, dass dies auf einem Ausbleiben der Verknorpelung des vordern Theiles des inter- trabekulären Schleimgewebes bei Bombinator beruht. Bei Rana esculenta liegen die auf dem Querschnitte eiförmigen Trabekel von vorn herein im Boden der Nasenhéhle. Die Umände- rungen sind daher bei diesem Thiere auch viel weniger auffallig als bei der Knoblauchkröte. Die Nasenhöhlen dehnen sich stark in Höhe und Breite aus; die Verschmelzung der knorpligen eigenen Innen- wand des oberen Theiles der Nasenhöhle mit dem septum, welche schon im vorigen Stadium begonnen hatte, wird inniger und breiter und die Grenze zwischen beiden, welche anfänglich noch durch die Stellung der Knorpelzellen kenntlich war, verwischt sich immer mehr (Fig. 16 und 17,. Der Boden der Nasenhöhle schliesst sich jetzt bis auf die bleibende Lücke nahe der vordern Wand vollständig knorp- lig ab. Dies geschieht dadureh, dass die neu gebildete knorplige Anlage, welche bis dahin der äussern Hälfte der oberen Fläche des Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 623 Trabekels aufgesessen hatte, diesen nach innen überwächst und sich mit dem septum vereinigt (vergl. Fig. 16 u. 17). Vom vordern Rande der Choane an wird der Trabekel nicht über- sondern umwachsen, so dass er von da mit seiner obern Fläche einen Theil des knorp- ligen Bodens der Nasenhöhlen bildet. Die übrigen Knorpel der Nase folgen in ihrem Wachsthum den sich ausdehnenden Nasenhöhlen und nähern sich immer mehr der definitiven Form. Die Resorption be- ginnt zuerst im Trabekularhorne, das in kürzester Frist in eine mit Schleimgewebe und Knorpeldetritus gefüllte Höhle verwandelt wird: sie setzt sich von da weiter am Aussenrande des Trabekels nach hinten fort, umfasst denselben aber nicht allseitig, wie bei Pelobates, sondern neben dem Erweichungsheerde am äussern Rande bildet sich rasch ein zweiter am innern; diese vereinigen sich über der untern Fläche und zehren von da aus allmälig nach oben fortschreitend den Knorpel auf (Fig. 17 und 31 R). Die obere Fläche desselben hat sich inzwischen mit dem WIEDERSHEIN schen Knorpel so innig ver- einigt, dass die Grenze zwischen beiden nur durch die histologische Differenz festzustellen ist. Der WIEDERSHEIN’sche Knorpel besteht zu dieser Zeit aus neugebildetem Knorpel, an den sich nach unten ein breiterer oder schmälerer Streifen des characteristischen Trabe- kularknorpels ohne zwischengeschobenes perichondrium anschliesst: an der unteren Fläche des letzteren bemerkt man stets einen schmalen Resorptionsspalt, dessen Wände mit jungen Zellen ausgekleidet sind. Nie kommt es aber bei Rana zur Bildung grosser, von Massen er- weichten Gewebes erfüllter Höhlen,. sondern Erweichung und Re- sorption und in Folge deren Schrumpfung des umliegenden Gewebes gehen immer Hand in Hand. Die untere Resorptionsfläche begleitet den Trabekelrest auch da, wo er sich mit dem WIEDERSHEIM'schen Knorpel an den Boden der Nasenhöhlen ansetzt (dieser Stelle ent- spricht genau Fig. 31), mit dem er ebenso innig verbunden ist, als mit jenem. Er wird allmälig bis zum vordern Rande der Choane hin vollständig resorbirt, von dort aus rückwärts tritt er dauernd be- theiligt bei der Bildung des knorpligen Bodens auf. Die Wölbung seiner oberen Fläche wird durch eine zweite Resorptionsspalte, die sich an derselben bildet, ausgeglichen. Die übrigen Veränderungen nach der Metamorphose sind den bei Pelobates beschriebenen ganz ähnlich. Erwähnen will ich noch, dass bei der Resorption der Lip- penknorpel, die ganz in derselben Weise vor sich geht, wie die des vorderen Trabekelendes, am längsten die seitlichen Theile er- halten bleiben. Es sind dies augenscheinlich die abgelösten Enden 624 G. Born von Gorre’s Oberkieferknorpeln, von denen er an mehreren Stellen spricht (es ist « in Fig. 10 und 11). Folgendes gilt in gleicher Weise fiir beide Arten: Der zuerst gebildete Nasenfortsatz des intermaxillare wächst vom vordern Ende des Fortsatzes des Nasenfliigelknorpels auf den sich weiter ent- wickelnden WIEDERSHEIM’ schen Knorpel hinüber (Fig. 112) und er- reicht mit diesem nach der Erweichung und Resorption der Lippen- knorpel den vordern Rand des Trabekels, wo sein Zahn- und Gau- menfortsatz entsteht. Die erste Bildung des maxillare bei Rana habe ich geschildert; bei Pelobates ist der Knorpelfortsatz des que- ren Gaumenbalkens, der bei der andern Art den Knochen bis unter den Oberkieferfortsatz der Nasenkapsel begleitet, viel klei- ner. Der Raum, welcher ursprünglich zwischen dem aufsteigenden Aste des maxillare und der Aussenwand des Kiefers blieb, wird all- mälig durch das Breitenwachsthum der Nase ausgefüllt, so dass die- selbe beim erwachsenen Thiere der Gesichtsplatte des maxillare eng anliegt. Erst sehr spät erreicht bekanntlich dieser Knochen (vergl. PARKER) seine definitive Länge. Auf das maxillare folgt in der Ent- wicklung der vomer und auf diesen erst die nasalia; letztere ent- stehen zuerst über der Spalte, die zwischen der knorpligen Decke und der Knorpelspange bleibt, welche von derselben schief zur Aussenwand nach rückwärts herabsteigt. Ziemlich gleichzeitig mit den Drüsen der äussern Haut bilden sich die obere Nasendrüse und die Rachendrüse aus. Am spätesten wächst in dem Grunde der Falte, die der halbkreisförmige Wulst, der sich parallel dem Zwischenkieferrande hinzieht, mit der Mundschleimhaut bildet, die glandula intermaxillaris ein (in Fig. 10%). Die Epithelzapfen entbehren zuerst des Lumens, sie erstrecken sich meist nach vorn und füllen allmälig den Raum aus, der vor der Nase nach Re- sorption der vorderen Trabekelenden umgeben vom Zwischenkiefer und den Knorpelfortsätzen besteht. Anfänglich liegen die Schläuche der Drüse weit auseinander durch massenhaftes embryonales Schleim- gewebe getrennt; späterhin nehmen sie so überhand, dass sie nicht nur ganz eng aneinandergepresst sind, sondern sich sogar, wie oben beschrieben, bei einigen Arten in die Nasenhöhle eindrängen. Das sehnige Gewebe, welches in der Entwicklung des Thränen- canals bei Rana um denselben aufgetreten war, verschwindet all- mälig und der Gang erscheint späterhin zunächst unter dem Epi- thele von einer schleimartigen und darauf erst von einer festeren, bindegewebigen Schicht umgeben. Wie schon erwähnt, bleibt noch Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 625 sehr lange Zeit nach der Metamorphose an der Stelle der Ein- wachsung eine Art Narbe in der cutis d. h. eine Störung des regel- mässigen horizontalen Faserverlaufes zurück (Fig. 26s?). Die Re- sorption alles Schleimgewebes und das Wachsthum aller Bestand- theile der Nase, die ein festes Aneinanderliegen der Theile — alle Lücken sind mit Drüsen ausgepolstert — bedingen, geben dem Thrä- nencanale seine definitive Lage, über die ich oben berichtet habe. Historisch will ich noch bemerken, dass GOrre der einzige ist. welcher (l. e. pag. 654) darauf aufmerksam macht, dass ein Theil der Nasenknorpel und zwar nach ihm das septum und der Boden ohne Zusammenhang mit den Trabekeln oder von ihnen abgeleiteten Theilen entstehen. Dass die ganzen vorderen Enden der Trabekel bis in die Nähe der Choanen der Resorption anheimfallen, scheint ihm, wie den übrigen Autoren, entgangen zu sein. Die Nasenhöhlen der Tritonen, wie aller übrigen Urodelen, sind bekanntlich durch kein knorpliges oder knöchernes septum, sondern dureh den bis an die Vorderseite des Schädels reichenden, von den In- nenwänden beider Nasenhöhlen umfassten Intermaxillarraum der Auto- ren, den ich fortan Internasalraum nennen werde, von einander ge- trennt. Dieser Internasalraum ist bei Triton eristatus und taeniatus, die ich daraufhin untersucht habe, niemals dureh eine knorplige Wand von der Schädelhöhle ge- schieden, sondern immer nur häutig gegen dieselbe abge- schlossen!) (vergl. Fig. 32 zwischen ge u. gi). Die Nasenkapseln der Urodelen liegen nach vorn den Intermaxillaren an, sind also im Verhält- nisse viel länger, als die der andern Amphibienfamilie. Die Höhlen neh- ' Ich muss darin WIEDERSHEIM widersprechen, welcher in seiner »Sala- mandrina perspieillata« pag. 99 behauptet: »Der Hauptunterschied zwischen dem Knorpelgerüst der regio ethmoidalis bei S. perspieillata und allen übrigen Uro- delen ist ein negativer, in so fern wir bei jener Art gerade denjenigen Theil vermissen, der das cavum eranii der letzteren nach vorn in Form einer knorpli- gen lamina eribrosa abschliesst«. — Bei den genannten einheimischen Tritonen fehlt diese knorplige lamina eribosa sowohl bei Erwachsenen, als bei Larven meiner Erfahrung nach stets, eben so wie bei der italienischen Art. Bei Sala- mandra maculata ist sie nur dem erwachsenen Thiere eigen, bei Embryonen von 25 Mm. Länge, leider die einzigen, die ich untersuchen konnte, war sie noch nicht vorhanden. Sie bildet sich erst durch nachträgliches Verwachsen der Innenseiten der Trabekel. Ich werde im allgemeinen ‘Theile auseinander- setzen, warum ich gerade das Fehlen der knorpligen lamina eribrosa und den nur häutigen Abschluss der Schädelhöhle gegen den Internasalraum, wie er bei den beiden Tritonen, bei Salamandrina und den Larven von Salamandra ge- funden wird, für den ursprünglicheren Zustand zu halten geneigt bin.« Morpholog. Jahrbuch. 2. 42 626 G. Born men von vorn nach hinten an Höhe und noch mehr an Breite zu und sind viel einfacher gestaltet, als bei den Fröschen. Man unterscheidet an jedem Querschnitte einen mit hohem Riechepithel ausgekleideten rundlichen weiteren Theil, der dem septum anliegt und nach aussen und unten sich verschmäiernd in eine seitliche, mit niedrigem Epi- thel versehene Ausstülpung übergeht. Letztere ist an der obern Wand durch einen namentlich im vordern Theile sehr deutlichen Wulst abgegrenzt. Die Grundlage dieses Wulstes wird nur von Bin- degewebe gebildet. Die seitliche Ausstülpung ist vorn sehr seicht und wird nach hinten ziemlich plötzlich viel tiefer; sie entspricht jedenfalls mit diesem tieferen Theile der Kieferhöhle der Anu- ren, — derselbe ist von dem maxillare umschlossen. Wie beim Frosche zieht sich die Kieferhöhle in der Choane noch eine Strecke weit am Dache der Mundhöhle hin. Vor der äussern Nasenöffnung liegt bei den Urodelen nur eine ganz kurze blinde Kuppel; die Choane liegt im allerhintersten Theile der Nasenhöhle. Die Knorpelkapsel der Nase eines erwachsenen Triton eristatus ist zwar vollständiger, als die des Frosches, zeigt aber doch grosse und characteristische Lücken. Die Innenwand (Fig. 672), welche zugleich den Internasalraum von aussen begrenzt, bildet eine in der Richtung von oben nach unten gekrümmte Platte, deren unterer Rand fast überall bedeutend stärker ist als der obere und auf den meisten Durchschnitten dreieckig erscheint. In dem hintersten Theile der Nasenhöhle zeigt jede Innenwand einen breiten Ausschnitt, der die unteren dreieckigen Theile von oberen Spangen trennt. Gleichzeitig vereinigen sich letztere von beiden Seiten her zu einem knorpligen Dache für den hinteren Theil des Internasalraumes. In diesem überdachten und seitlich aufgeschlitzten Raume, der mit Drüsen ausgefüllt ist, laufen in den Rändern zwischen Dach und Boden jederseits die Stämme der Riechnerven nach hinten. Da wo diese in das Gehirn eingetreten sind, schliesst sich wieder die Seiten- wand und das Dach hört auf, während sich unten ein knorpliger Boden für das Gehirn herstellt. Im vordersten Theile besitzt die mediale Seitenwand einen Ausschnitt für den Durchtritt des Gesichts- astes des ramus ophthalmicus quinti (Fig. 67). Der kurze, vor der apertura externa gelegene Blindsack der Nasenhöhle liegt in einer mit der knorpligen Innenwand zusammenhängenden voll- ständigen Kuppel. Von dieser gehen nach hinten zwei Streifen ab; der eine steigt von der Decke allmälig zur Aussenwand her- unter (Fig. 6sch), der andere liegt am Boden der kurzen seitlichen Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 627 te} » Ausstülpung des vorderen Theils der Nasenhöhle. Beide vereinigen sich etwa in der Mitte der Länge der Nasenhöhle zu einer dieselbe von aussen und unten ziemlich breit umgebenden Schale, die sich bald darauf genau in die Sagittalebene einstellt, zugleich aber an ihrer unteren Kante durch ein länglich viereckiges Loch ausgeschnitten ist (Fig. 6p). Die so hergestellte knorplige Seitenwand nimmt im hinteren Theile immer mehr an Höhe zu und erreicht schief aufstei- send mit ihrem obern Rande am Ende der Nasenhöhle die Innen- wand, mit der sie sich zur Bildung einer Knorpelschale um das hintere Ende der Nasenhöhle vereinigt; dieselbe wird vom ramus nasalis trigemini durchbrochen. Ihr unterer Rand, der die Choane von hinten her begrenzt, ist der quere Gaumenbalken. Die Kiefer- höhlen besitzen einen von hinten her tief gespaltenen knorpligen Boden; die innere Spange desselben begrenzt die Choane von aussen. Im übrigen ist letztere nur von Knochen umgeben, da dem Boden der eigentlichen Nasenhöhle eine knorplige Unterstützung bei Triton eristatus fehlt. Die grösste Lücke in der knorpligen Nasenkapsel findet sich demnach in dem Boden der Nasenhöhle; sie gleicht ohn- sefähr einem Dreiecke mit hinterer Basis (Fig. 6, 1). Die zweit- srösste ebenfalls dreieckige (Fig. 6, 2) liegt in der Decke; ihre Basis ist der obere Rand der erwähnten schiefen Spange. Dann folgt eine ebenfalls ansehnliche viereckige (Fig. 6, 3) in dem vorderen schräg nach vorn und aussen gestellten Theile der Seitenwand und dann erst eine vierte kleinere in der Kante der Schale, die die Nasen- höhle im hinteren Abschnitte von aussen und unten umgibt (Fig. 6,4). Die Knorpelkapsel der Nase von Triton taeniatus ist ungleich vollständiger, als die der grossen Art. Die beschriebenen Lücken sind zwar vorhanden, aber unverhältnissmässig kurz und eng und demgemäss die Knorpelspangen zwischen ihnen viel breiter. — Die Kuppel für den vordersten Theil der Nasenhöhle enthält die drei- eekige Verbreiterung im untern Rande der Innenwand nicht mehr, sondern diese tritt unter der Oeffnung für den trigeminus- Ast als besonderer Fortsatz aus der Innenwand heraus und läuft im inter- maxillare nach vorn, um im Winkel zwischen dessen Gesichts- und Gaumenplatte zu endigen. WIEDERSHEIM erwähnt und zeichnet die- sen Theil (Salamandrina perspie. pag. 97, Taf. XII. Fig. 91) bei Salamandra maculata als »hornartigen Fortsatz gegen das inter- maxillare«. Das Verhältniss der Deckknochen zur knorpligen Nasenkapsel ist bei Triton eristatus folgendes: Die dreieckige Lücke im Dache 42* 628 G. Born (Fig. 6, 2) wird bis zum vordern Rande der knorpligen Seitenwand vom nasale, von da an rückwärts vom frontale zugedeckt; die grosse Lücke in der Basis (Fig. 6, 1) schliessen die Gaumen- platten des intermaxillare und die beiden vomero-palatina. Die vordere Lücke (Fig. 6, 3) in der Seitenwand wird von unten her theilweise von der Gesichtsplatte des maxillare superius ver- schlossen. In ihrer obern vordern Ecke bleibt die apertura externa narium, welche am macerirten Schädel unnatürlich lang erscheint, weil sie von hinten her nur häutig umrandet ist. Im hinteren oberen Theile dieser Lücke zweigt sich der Thränen- canal ab. Die zweite kleinere Lücke (Fig. 6, 4) in der Seitenwand wird ebenfalls durch die Gesichtsplatte des maxillare superius zuge- deckt. Durch diese Lücke stülpt sich der vorderste Theil der Kiefer- höhle aus, der also nur knöcherne Wände hat. Das lacrimale (fronto- lacrimale der Autoren) liegt auf der Aussenseite der knorpligen Seitenwand und erreicht kaum deren oberen Rand. Die sagittalen Platten des intermaxillare und des vomer doubliren die Knorpel- wände des cavum internasale von innen. Die Intermaxillardrüse der Urodelen hat jüngst von WIEDERS- HEIM eine eingehende Berücksichtigung erfahren. (Vergl. »Die Kopfdrüsen der geschwänzten Amphibien und S$. persp.« pag. 150 und 151.) Ich will daher nur erwähnen, dass in den Spalt der Innenwand, in welchem die olfactorius- Aeste nach hinten laufen, sich regelmässig einige Schläuche einzwängen, ohne jedoch wei- ter in die Nasenhöhle vorzudringen. Ausserdem finde ich auch, dass bei beiden einheimischen Tritonen, die ich untersucht habe, die Drüse über die Ränder der Oeffnung des Internasalraumes auf die Schädeloberfläche nach hinten eine Anzahl Schläuche aus- schickt. Eine zweite Drüsenansammlung zieht sich gleich hinter der apertura externa an der Aussenseite des bindegewebigen Wulstes hin, der sich an der Seitenwand der Nasenhöhle findet. So viel ich. sehe hängt diese Drüse mit der intermaxillaris nicht zusammen, sie mün- det in die seitliche Ausbuchtung. Eine Anzahl Drüsen, die sich am Boden der Nasenhöhle vor den Choanen hinziehen, fielen mir da- durch auf, dass ihre Schläuche viel kleiner, als die der intermaxillaris, und die Zellen in denselben roth gefärbt erschienen. Die Ausmün- dung findet in die Nasenhöhle statt; mit der intermaxillaris hängt sie bestimmt nicht zusammen, denn sie wird viel früher gebildet, als diese. Ich erinnere mich bei WIEDERSHEIM eine auf diese Drüse Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 629 zu beziehende Notiz gelesen zu haben, kann dieselbe aber jetzt nicht mehr auffinden. Der Thrinencanal mündet bei den einheimischen Tritonen und bei Salamandra etwa 1'/,Mm. hinter der apertura externa unter dem Wulste, der sich an der Aussenwand der Nasenhöhle hinziehend die seichte seitliche Ausbuchtung im vordern Abschnitte von dem Haupt- theile der Nase trennt. Er schlägt sich von dieser Stelle aus um eine Einbiegung am vordern Rande der Knorpelplatte, die durch Ver- schmelzung der beiden Spangen, welche vorn in der Deeke und im Bo- den laufen, gebildet wird, herum und zieht von da nach hinten zuerst zwischen der knorpligen Seitenwand, die daselbst etwas eingebogen ist, und dem maxillare !), tritt in die Naht zwischen maxillare und lacri- male (siehe Fig. 29 7%), dann in dieses selbst ein, zerfällt im lacri- male meist schon in zwei Aeste. verlässt diesen Knochen noch vor seinem Augenhöhlenrande und mündet zweigetheilt im innern Augen- winkel aus. Die Sondirung des Thränencanals von seiner Nasen- öffnung aus ist bei Salamandra maculata, wenn man vorher durch Wegnahme des Bodens der Nasenhöhlen und des internasal-Raumes Licht und Raum geschaffen hat und ausserdem das gespaltene obere Augenlid zurückgeschlagen, um das freie Austreten der Borste im innern Augenwinkel zu ermöglichen, nicht schwierig. Die Entwicklung der Nasenhöhle und ihrer Wandungen bei der Urodele, von welcher mir reichliches Material zur Verfügung stand, bei Triton taeniatus, geht viel einfacher vor sich, als bei den Anu- ren. Die kleinsten Larven, die ich untersucht habe, waren im ganzen etwa 17Mm. lang. Die Nasenhöhlen haben bei ihnen schon die für den erwachsenen Molch characteristischen Eigenthiimlichkeiten: nur erscheint im Verhältniss zur Grösse der Nasenhöhlen der von der äusseren Haut in dieselben schräg nach hinten und innen führende Canal viel länger und weiter und die seitliche seichte Ausbuchtung im vordern Theile der Nase bis zur Einmündung des Thriinencanals characterisirt sich viel besser als eine directe Fortsetzung des Ein- führungsganges an der Aussenseite der Nasenhöhle hin. Sehr auf- fällig war mir, dass die Schädelhöhle weit nach vorn zwischen die Nasenhöhlen hineinreichte; während bei einem alten Triton ein Fron- talschnitt durch den hinteren Rand der Choane das vordere Ende des Centralnervensystems noch gerade traf, fällt dasselbe jetzt noch in 1) Nicht im maxillare selbst, welches nur eine Aushöhlung für den Gang besitzt, wie es die Fassung in der vorläufigen Mittheilung vermuthen lässt. 630 G. Born Sehnitte, die beide Nasenhöhlen vollständig nach unten geschlossen zeigen. Die Intermaxillarhöhle ist also bei jungen Larven kürzer, als beim erwachsenen Thiere. In den äusseren Rändern der Unterseite des im übrigen noch häutigen Schädels liefen zwei auf dem Querschnitte dreieckige Balken nach vorn, die weiterhin im untern Rande der Scheidewand zwischen Nasenhöhle und Internasalraum Jagen. Die breiteste Seite des dreieckigen Querschnittes steht etwas schief gegen die Mundschleimhaut, eine Seite liegt in der Wand des Schädels und des Internasalraumes, die andere in der der Nasenliöhle. Vorn divergiren beide Knorpel etwas, verschmälern sich und senken sich von hinten in das schon gebildete intermaxillare ein. Gleich hinter dieser Stelle verbreitern sich diese Knorpelbalken, in denen - man ohne weiteres die RaTHKE’schen Schädelbalken erkennt, zur Bildung eines knorpligen, dem Epithel dieht anliegenden Bodens der Nasenhöhle ; kurz vor dem Anfange der Schädelhöhle schwindet der Boden und es wächst aus dem oberen Rande des Trabekels eine knorplige Auskleidung des internasal-Raumes heraus, die jedoch vor dem Beginne der Schädelhöhle wieder aufhört. An dieser Stelle zeigen die inneren Ränder der Trabekel Neigung, unter dem Schä- del zu verschmelzen, doch ist bis jetzt der Anschluss noeh nicht erreicht. Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass bei den Tritonen die Knorpelkapseln der Nasenhöhlen durch direetes Auswachsen der Trabekel gebildet werden; das Folgende wird diesen Satz noch weiter. bestätigen. An den Rändern der bisher gebildeten Theile kann man den Vorgang der Verknorpelung selbst verfolgen. Er besteht darin, dass das Spin- delzellengewebe, welches die übrigen Theile der Nasenhöhle umgibt, an den Rändern der bisher gebildeten Knorpel sich in solchen um- wandelt; oder um es etwas anders auszudrücken: der Uebergang der auswachsenden Trabekel in das Spindelzellengewebe um die Nasenhöhlen ist ein ganz allmäliger. Von Knochen waren ausser den von Herrwie geschilderten Deekknochen der Mundhöhle nur ein Streifen vorhanden, der sich oberhalb der Trabekel am obe- ren innern Rande der Nasenhöhlen hinzog; es ist dies vorn die Anlage des sagittalen Astes des intermaxillare, hinten die des fron- tale. Von Drüsen ist nur diejenige ausgebildet, welche sich am Boden der Nasenhöhlen kurz vor der Choane hinzieht und sich jetzt schon durch die Kleinheit ihrer Schläuche und ihre rothe Tinetion auszeichnet. Der Thränencanal ist bei Larven dieser Grösse ent- weder noch als Einwachsung vom Auge bis zur Stelle seiner späte- Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 631 ren Einmündung zu sehen, oder schon abgeschnürt und mit der Nasenhöhle in Verbindung getreten. Auf die specielleren Verhält- nisse will ich hier, nachdem ich dieselben beim Frosche so genau geschildert habe, nieht weiter eingehen. Die Verbindung der Ein- wachsung mit der Nasenhöhle geschieht nicht durch Herabsenken am Einführungsgange, dessen Oeffnung von der späteren Einmün- dungsstelle sehr weit nach vorn liegt, sondern an dieser selbst durch directes Durchwachsen der sehr schmalen Schicht von Schleim- und Bindegewebe, die das Epithel der Nasenhöhlen von der Oberhaut trennt. Ich habe zwar keine Zwischenstadien beobachtet, glaube aber das ge- sagte doch vertreten zu können, da ich die Epitheleinwachsung nie bis zur Nasenöffnung reichen sah. Bei den grossen Larven von Triton eristatus wird sich der Vorgang vielleicht sicherer verfolgen lassen, als es mir bei meinem sehr minutiösen Objeete möglich war. Die weitere Entwicklung besteht darin, dass die Trabekeln von ihrem oberen Rande aus eine vollständige Innenwand für die Nasen- höhlen bilden. Von dem obern Rande dieser und von dem Aussen- rande des inzwischen verbreiterten Bodens wird die Nasenhöhle so vom Knorpel umwachsen, dass nur folgende Lücken bleiben: Eine, in welcher vorn die äussere Nasenöffnung ein- und hinten der Thränencanal austritt, sie entspricht der grösseren vordern Lücke der Seitenwand beim Erwachsenen ; eine zweite um den vorderen Theil der Kieferhöhlenausstülpung; als dritte die Choane; als vierte der Spalt im hintern Theile des Bodens der Kieferhöhle; ausserdem noch die Spalten in der Innenwand für den Eintritt des olfactorius und den Austritt des Gesichtsastes des trigeminus und in der hin- “teren Wand für den Eintritt des Nasenstammes desselben Nerven. Alle diese Lücken sind aber verhältnissmässig eng und um dieselben herum findet die Knorpelentwieklung, welche von den Trabekeln aus begann, durchaus eontinuirlich statt. Nur der vorderste Theil dieser, weleher im intermaxillare endet, betheiligt sich nicht an der Um- schliessung des neben ihm liegenden Theiles der Nasenhöhlen, son- dern derselbe wird von hinten her umwachsen. Die beiden gros- sen Lücken, die sich späterhin im Dache und im Boden der knorp- ligen Nasenkapsel finden, sind anfänglich kaum in Andeutungen vorhanden: sie bilden sich erst dadurch aus, dass bei der weite- ren Ausdehnung der Nasenhöhlen das Knorpelwachsthum derselben nicht vollständig folgt. Am auffälligsten war mir dieser Unterschied gegenüber dem erwachsenen bei einer Larve von Triton eristatus von 6 Cm. Länge, die einzige, welche ich zur Untersuchung besass, 632 G. Born bei der gerade die Knorpelkapseln der Nase nur ausserordentlich enge Spalten zeigten, wiihrend dieselben beim erwachsenen wie be- schrieben, an Dach und Boden durch grosse dreieckige Liicken aus- gebrochen sind. Nach hinten hin bildet sich eine Strecke weit ein knorpliges Dach des Intermaxillarraumes aus, indem die einander zu- gewandten Ränder des oberen Theiles der Innenwände mit einander verschmelzen und noch etwas weiter zurück schliessen sich die Tra- bekeln unter dem Gehirne zu einer Basalplatte zusammen. Das knorplige Dach der Intermaxillarhöhle, welches ich bei der Larve verhältnissmässig grösser finde, als beim ausgewachsenen Thiere, ist nach WIEDERSHEIM bei Salamandra das ganze Leben hindurch in grösserer Länge anzutreffen. Unterdessen ist zuerst im vorderen Theile des Internasalraumes an zwei symmetrischen Stellen die Inter- maxillardrüse eingewachsen und verbreitet sich allmälig nach hinten bis zu der häutigen Scheidewand , die sie von der zurückweichen- den Schädelhöhle trennt. Die Ausbildung der Deckknochen ist oft genug beschrieben worden. Ehe ich daran gehe, eine Vergleichung in Bezug auf die Beschaf- fenheit der Nasenhöhlen und ihrer Wandungen und die Bildung die- ser Theile zwischen Anuren und Urodelen aufzustellen, muss ich zuvor eine Erklärung für die bei so nahe verwandten Mitgliedern der Anurenfamilie selbst so auffälligen Unterschiede in der Bildungs- weise der Knorpelkapseln der Nasenhöhlen von Rana esculenta und Pelobates fuscus zu geben versuchen. Bei der Knoblauchkröte lie- gen die Nasenhöhlen anfänglich nach aussen von den Trabekeln; ihre Knorpel entstehen ganz unabhängig von denselben; das septum ist eine sehr späte und sehr complicirte Bildung, die dadurch zu Stande kommt, dass bis zum Vorderrande der Choane die Trabekel von den Knorpeln der Nase überwachsen, durch die sich ausdeh- nenden Höhlen nach unten verdrängt und dann resorbirt werden, während zugleich die frühere Decke der Nasenhöhlen aufgerichtet und zu einem Theile der Scheidewand umgewandelt wird, welche sich im übrigen hinten aus den erhaltenen Theilen der Trabekel, vorn durch Verknorpelung des intertrabekulären Schleimgewebes bildet. Beim Frosche liegen dagegen die Nasenhöhlen von vornherein über den Trabekeln. Das septum wächst sehr zeitig aus der von den Trabe- keln stammenden Scheidewand des Ethmoidalschlitzes heraus und ver- schmilzt so früh und innig mit den um den vorderen Abschnitt der Nase sich bildenden characteristischen Eigenknorpeln derselben, dass sehr Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 633 bald jeder Unterschied zwischen den Theilen verschiedener Abstam- mung aufhört. Die Trabekel werden zwar auch im vordern Theile der Nase von dem knorpligen Boden derselben überwachsen und von der unteren Fläche her resorbirt, erleiden aber keine sehr be- trächtliche Lageveränderung und treten noch vor den Choanen als bleibende Bestandtheile in den Nasenhöhlenboden ein. Zur Erklä- rung der nochmals aufgeführten Unterschiede ist festzuhalten, dass das definitive Resultat der Entwicklung bei beiden Thieren dasselbe ist; die Trabekel werden in der ganzen vordern Hälfte der Nase vom Aufbau der bleibenden Wandungen ausgeschlossen und treten erst kurz vor den Choanen in dieselben ein. Von da an setzen sie bei beiden Arten den grössten Theil des septums und den innern Theil des Bodens zusammen; — wenn auch beim Frosche das sep- tum nicht aus den verschmolzenen Trabekeln selbst entsteht, wie bei Pelobates, so ist es doch ein sehr früher Auswuchs derselben; wie- derum bei der Knoblauchkröte, treten zwar die Trabekel am Ende der Metamorphose vor den Choanen nur in das septum ein, aber dadurch dass mit der fortschreitenden Ausweitung der Nasenhöhlen der dureh die Aussenseite des Trabekels ausgerundete Winkel zwischen Boden und septum in einen rechten verwandelt wird, geräth ein Theil des ursprünglichen Trabekularknorpels in den innern Rand des Bodens. Der Unterschied in der Entwicklung scheint mir aber eher auf eine zeitliche Verschiebung im Gange derselben, als auf eine totale Veränderung bezogen werden zu müssen; das intertrabekuläre Schleimgewebe verknorpelt zwar bei Pelobates viel später, als das sep- tum bei Rana auswächst, repräsentirt aber am Ende dasselbe Material, denn es liegt gleichfalls in gerader Verlängerung des Ethmoidalseptums nach vorn: die Decke der Nasenhöhlen, welche bei Pelobates zur Innenwand aufgerichtet wird, erweist sich schon in den nächsten Stadien als ganz derselbe Knorpel, der bei Rana von vorn herein die Innenseite des oberen Blindsackes bekleidet, nur dass die eigen- thümliche Lage der Nasenhöhlen bei ersterem neben den Trabekeln ihn anfangs anders gelagert erscheinen lässt; kurz, alles spitzt sich darauf zu, dass man in der ursprünglich verschiedenen Lage der Nasenhöhlen zu den Trabekeln den Grund für die Verschiebungen und Abweichungen in der Entwicklung zu suchen hat. Wodurch ist aber diese verschiedene Lage veranlasst? Ich werde unten noch ge- nauer ausführen, dass die Grösse, welche die Trabekeln während des Larvenstadiums erreichen, eine Erscheinung ist, die an vorüber- gehende Functionen während dieser Periode geknüpft ist und nichts 634 G. Born mit den Leistungen zu thun hat, die dieselben fiir die Organbildung des ausgebildeten Thieres zu liefern haben, ja dieser sogar hem- mend in den Weg treten können. Die ausserordentliche Stärke dieser Balken, welche von dem Ende des Schädels frei nach vorn verlaufen, hängt direct damit zusammen, dass dieselben Träger der Hornkiefer, des provisorischen Kauapparates der Larven, sind und für die von mächtigen Muskeln verursachten Bewegungen derselben eine feste Stütze abgeben müssen. Je grösser die Larve im Ver- hältniss zum ausgebildeten Thiere wird, um so auffälliger wird das Missverhältniss zwischen der Grösse der specifischen Larven- werkzeuge und den inzwischen sich ausbildenden Organen der de- finitiven Form. Bei Pelobates ist die Larve im Verhältniss zum aus- gebildeten Thiere ungleich grösser als bei Rana. Dem entsprechend erscheinen auch die Trabekeln bei jenem viel mächtiger ausgebil- det und bewirken eine anfänglich veränderte Lage der Nasen- höhlen, die, statt über denselben zu liegen, an deren äussere Seite gedrängt werden. Um dies Verhältniss aber auszugleichen, bedarf es natürlich dann anderer und viel eingreifenderer Umwälzungen als bei Rana. Der Vergleich zwischen Urodelen und Anuren wird nach be- kannten Grundsätzen an Larvenstadien der letzteren mit Vortheil an- knüpfen !). 1) Es drängt sich wie bei jeder vergleichenden Untersuchung, so auch hier, die Frage nach der Werthschätzung des MÜLLER - HArCKEL’schen bio- genetischen Grundgesetzes aut, dem der letztgenannte Autor die spriignante Fassung ertheilt hat: Die Ontogenese ist eine kurze Recapitulation der Phylo- genese. Sind in der That alle Abweichungen von dieser Formel, die wir in der Entwicklungsgeschichte der Thiere finden, auf nachträgliche, wie HAECKEL sie nennt, »cönogenetische« Abkürzungen oder Fälschungen der Ontogenese zurückzuführen, oder liegt nicht in dem Wesen der Artbildung nach der Dar- wın schen Anschauung selbst schon eine Abänderung der Ontogenese als nothwen- diges Ingrediens inbegriffen? Nach Darwın beruht die Bildung jeder Art auf dem Constantwerden einer Varietät durch natürliche oder geschlechtliche Zucht- wahl. Wie entsteht eine Varietät? Gewiss nicht durch Veränderung des er- wachsenen Organismus, sondern, so viel wir bis jetzt in das Wesen dieser sehr dunklen Vorgänge einsehen können, dadurch , dass auf irgend einer oft sehr frühen Entwicklungsstufe ein uns unbekanntes äusseres Agens eingreift und die Ausbildung irgend eines Organtheiles verändert. Die Artbildung kann demnach in nichts anderem bestehen , als in dem Festwerden einer solchen Abänderung der Ontogenese in einer bestimmten Reihe von Puncten. Es ist daraus ohne weiteres klar, dass zwei verwandte Arten, mögen sie nun in direc- ter Linie hinter einander, oder in Seitenlinien neben einander liegen, um so grössere Uebereinstimmung in der Entwicklung zeigen müssen, je weniger neue va Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 635 Das jiingste Stadium von Pelobates, das oben beschrieben wurde, gleicht, wenn man vorläufig von dem Mangel der sich später und dann in abweichender Weise bildenden Nasenknorpel absieht, in den wesent- lichsten Eigenthümlichkeiten seiner Ethmoidalregion den Tritonen : Die Schädelhöhle verlängert sich in eine seitlich gegen die Enden der Nasenhöhlen aufgeschlitzte Spalte, durch welche die Riechnerven hindurchtreten und durch de- ren vordere Wand zwischen den verschmolzenen Tra- bekeln hindurch eine nur häutig verschlossene Oeff- nung in den Internasalraum (Intertrabekularraum bei Pelobates) führt. Bei den Tritonen sind, namentlich bei Larven, die Verhältnisse in sofern noch characteristischer, als bei Pelobates, als sich die Schädelhöhle viel weiter nach vorn zwischen die beiden Nasenhöhlen einschiebt, diese also ziemlich seitlich neben das vordere Ende derselben gelagert sind. Die betreffenden Bildungen weichen aber späterhin bald darin von einander ab, dass bei den Tritonen das Ge- hirn zwar weiter nach hinten gedrängt wird, aber immer nur häutig gegen den Internasalraum abgeschlossen bleibt, während bei der Anure eine Neubildung, das septum, den Intertrabecularraum ersetzt und die Nasenhöhlen neben und in den früheren Ethmoidalschlitz nach hinten auswachsen; doch bleibt bei Pelobates noch eine An- deutung des früheren Zustandes darin zurück, dass man mit dem vordern Ende des Schädels auch zugleich immer die hinteren En- den der Nasenhöhlen in einem Frontalschnitte zu sehen bekömmt und dass die von seeundären Knorpeln abgeschlossenen Canäle für die nervi olfactorii besonders lang sind. Salamandra zeigt als Larve dieselben Verhältnisse, wie die Tritonen. Später bildet sich bei dieser Urodele durch Verwachsung der inneren Seite der Tra- bekeln ein vorderer knorpliger Abschluss der Sehädelhöhle, der aber zugleich zwischen den hinteren Enden der Nasenhöhlen ge- Artbildungen zwischen ihnen liegen; aber ebenso folgt daraus, dass man bei zwei weit von einander entfernten Organismen auf tief greifende Abweichungen in der Ontogenese zu rechnen hat. Ich will die nahe liegenden Folgerungen hier nicht weiter ausspinnen und nur für unsern Fall noch anführen, dass bei nahe verwandten Gruppen die Aenderungen der Ontogenese in verhältnissmässig späte Stadien fallen müssen, so dass man bei diesen immer mehr Aehnlichkei- ‘ten finden wird, je frühere Stadien man mit einander vergleicht und dass man bei zwei Formen, wie Anuren und Urodelen, von denen die letztere der Stammform augenscheinlich ähnlicher geblieben ist, mit Vortheil ein Entwiek- lungsstadium der ersten mit dem ausgebildeten der anderen vergleichen kann. 636 G. Born legen ist. Ich bin geneigt, dies für den ersten Ansatz zur Bil- dung einer knorpligen Nasenscheidewand, wie sie sich bei den Anuren findet, zu halten, denn dort entsteht der hintere Theil des septums ebenfalls aus der Commissur der Trabekeln. Bei Rana ist die Entwicklung eine directere. Der Intertrabekularraum ist hier zwar auch noch eine Zeit lang vorhanden, der Ethmoidalschlitz aber wird vorn schon sehr früh durch einen Pfeiler begrenzt, der aus der Commissur der Trabekeln herauswächst und theils selbst in das Nasenseptum übergeht theils dasselbe aus seinem vordern Rande zwischen die Nasenhöhlen hinein hervorwachsen lässt; ein Fenster in der vordern Wand des Ethmoidalschlitzes, wie bei Pe- lobates ist nie vorhanden. Auch der hintere Abschluss der Nasen- höhlen geschieht hier früher und directer als bei Pelobates. Die Knoblauchkröte hat nach GEGENBAUR auch in der Bildung des carpus ursprünglichere Verhältnisse erhalten, als der Frosch. Sehr befremdend ist für den ersten Augenblick die bei den untersuchten Anuren ganz von der bei Triton gefundenen abweichende Bildung der eigentlichen Nasenkapseln Dort wachsen dieselben beinahe in der ganzen Länge der Trabekeln aus dem obern und äussern Rande derselben nach den Seiten aus; hier bilden sie sich, auch abgese- hen von dem den Urodelen überhaupt mangelndem septum, ganz ohne Zusammenhang mit den Trabekeln und von ihnen abgelei- teten Theilen. Bei näherer Ueberlegung ergibt sich aber bald, welche Umstände bei den Anuren eingewirkt haben, um in dem Bildungsgange der Nasenknorpel so tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen. Es ist dies offenbar die Einschiebung einer langen Larvenperiode in die Entwicklung, in welcher das Thier eine ganz besondere Ernährungsweise einhält, die besondere Organe, namentlich Kauapparate und eine entsprechende Veränderung im Bau des Darm- canales erfordert. Diese provisorischen Kauapparate, die Hornkiefer der pflanzenfressenden Anurenlarven, bedürfen aber wiederum nicht blos eigener Stützknorpel und eines eigenen Muskelapparates, sondern üben auch auf die Gestaltung des Primordialschädels der Larve grossen Einfluss aus; der Orbitalfortsatz des Pterygopalatinbalkens, die eigen- thümliche Stellung und Stärke des letzteren und vor allem die bei den Anuren verhältnissmässig mächtiger als bei den übrigen Wirbelthie- ren entfalteten freien Theile der Trabekel sind theils Neubildungen, theils Veränderungen vorhandener Theile, die zu dem Aufbau des Froschschädels entweder gar nicht, oder wenigstens nicht in ihrer specifisch larvalen Form, Lage und Grösse verwendet werden; sie Ueber die Nasenhihlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 637 miissen deswegen wiihrend der Metamorphose entweder ganz schwin- den, oder entsprechende Reduetionen erleiden. Die Ausbildung der eigenthümlichen Larvenorgane wirkt aber an vielen Stellen auch geradezu hemmend und verändernd auf die sich ausbildenden defi- nitiven Theile des Froschkopfes ein. Die Nasenhöhlen der Larve sind in ihrer räumlichen Ausdehnung von vorm, aussen und hinten durch die Knorpel und Muskeln der Hornkiefer beschränkt, während dieselben bei den Urodelen schon in der frühesten Periode sich von der Schnauzenspitze bis an das vordere Ende der Schädelhöhle hin erstreeken; mit dieser Beengung hängt offenbar die Faltenbildung der vordern Wand zusammen, dureh welche die oben beschriebenen drei vordern Blindsäcke in der Nasenhöhle der Anuren entstehen; in gleicher Weise die grosse Entfernung der äusseren Nasenöffnung vom Kieferrande und das nachträgliche Auswachsen der Nasenhöhlen über die hintere Grenze der Choanen hinaus. Je grösser die Larve im Verhältniss zum erwachsenen Thiere ist, um so mehr werden, wie schon ange- führt, ihre provisorischen Organe in die Ausbildung der definitiven verändernd eingreifen. Bei Pelobates werden daher die Riechsäcke nicht blos an ihren vordern Enden gefaltet, sondern kommen auch seitlich neben die kolossalen Trabekel zu liegen, anstatt über die- selben hinwegzuziehen. Damit steht nicht im Widerspruche, dass sich bei Pelobates am vorderen Ende des Schädels urspriinglichere Verhältnisse erhalten haben als bei Rana, denn dieser Theil steht in keiner Beziehung zu Larvenfunctionen. Der zu einer neuen Function zur Stützung des Kauapparates weiter entwickelte vordere Theil des Trabekels ist aber offenbar nicht mehr in der Lage in derselben Weise die Nasenknorpel aus sich herauswachsen zu lassen, wie bei den Urodelen, wohl aber ist noch dasselbe Gewebe vorhanden, das im Anschlusse an den unteren und oberen Rand desselben um die Nasenhöhlen herum verknorpelte, ich meine das Spindelzellengewebe, welches in diesem Stadium die Nasenhöhlen umzieht; die Verknorpelung desselben tritt nur viel später auf und ist von den eigenartig weiter entwickelten Trabekularknorpeln los- gelöst. Ein ganz ähnliches Verhältniss hat Herrwie (l. e.' pag. 144 ff.) für die Bildung der Deekknochen der Mundhöhle und ihre Beziehungen zu Zähnen bei den Amphibien nachgewiesen; während vomer, palatinum und opereulare bei den Urodelen sehr frühzeitig aus Zähnen entstehen , bilden sich die gleichen Knochen bei den Anuren nieht blos viel später, sondern auch ganz unabhängig von 638 G. Born Zahnanlagen und in viel tieferen Schichten. Die Ursache dieser »Fäl- schung und Abkürzung« der Entwicklungsgeschichte findet HERTwIG ebenfalls in der Einschiebung des langen Larvenlebens mit der Aus- bildung seiner specifischen Organe. Die veränderten Trabekel wer- den bei den Anuren in der ganzen vorderen Hälfte der’ Nase für den Aufbau der Knorpelkapseln sogar ganz unbrauchbar und fallen in Folge dessen der Resorption anheim. Nur im hinteren Theile, der, wie leicht begreiflich, viel weniger stark von der Ausbildung der Hornkiefer beeinflusst wird, erhalten sie sich und betheiligen sich dauernd an der Bildung der Scheidewand und des Bodens der Nasenhöhle. Schon bei Triton war die Nichtbetheiligung des vordern Endes der Trabekeln an der Bildung der Nasenkapsel an- gedeutet. Nach Berücksichtigung der angeführten von den Anuren erst erworbenen Veränderungen ist es leicht, die speciellen Homolo- gien in der regio ethmoidalis für beide Amphibienfamilien durchzu- führen; nur ist das septum als eine von den Anuren neuerworbene Bildung davon auszuschliessen. Man muss bei der Vergleichung auf ein Larvenstadium zuriickgehen, bei welchem die Trabekel und die knorplige Wand des oberen Blindsackes die Innenwand jeder Nasenhöhle bilden. Der rundliche grössere Abschnitt des vordern Theils der Nasenhöhle der Tritonen bis zur Einmündung des Thrä- nencanals ist nach dem vorigen den 3 vorderen Blindsäcken der Anuren zusammen, welche nur durch Faltenbildung in Folge der Beschränkung des Raumes durch die Larvenorgane entstehen, zu homologisiren. Die seitliche Ausbuchtung des oberen Blindsackes finde ich in der seichten seitlichen Ausweitung des vorderen Theils der Nasenhöhle bei den Tritonen wieder, welche ebenfalls eine Ver- längerung des Einführungscanals darstellt und nach hinten zur Ein- mündungsstelle des Thränencanales führt. Der hintere Abschnitt der Nasenhöhle besteht bei Tritonen wie auch bei Anuren aus der eigentlichen Nasenhöhle und der Kieferhöhle. Die erstere zeigt bei den Urodelen einen weiten, rundlichen, dem septum anliegenden Theil, der sich nach aussen zur Kieferhöhle zu verschmälert. Letz- terer Abschnitt ist beim Frosche wohl auch in Folge der seitlichen Verengung des Nasenraumes mehr unter den oberen geschoben; bei Larven ist dies, was ich noch nicht erwähnt habe, viel auffälliger, als beim erwachsenen Thiere. Die knorplige Auskleidung der Na- senhéhlen der Tritonen zeigt grosse Uebereinstimmung mit der einer Pelobateslarve in dem besprochenen Stadium. Am besten gelingt die Vergleichung mit Triton eristatus. Die Innenwand der Nasen- Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 639 höhle ist bei beiden knorplig geschlossen, unten durch den Trabe- kel oben durch einen eigenen Nasenknorpel, der sich hei Pelobates diesem nur anlegt, bei Triton mit ihm verschmolzen ist; bei beiden tritt das vorderste Ende des Trabekels aus der Seitenwand der Nasenhöhle heraus, deren vordere Kuppel von Eigenknorpeln um- geben ist, und bei den Anuren durch Faltung des vorderen Thei- les der Nasenhöhle eine entsprechende Complication der Knorpel- bildung zeigt. Von dem vorderen Theile der knorpligen Decke läuft eine schiefe Knorpelspange (sch) nach hinten, welche die hin- tere und obere Umgrenzung der Lücke, die vorn die apertura externa, hinten die Einmündung des Thriinencanals enthält, begrenzt; an ihrem untern Ende verbindet sie sich mit einer Knorpelspange, die mehr im untern äussern Umfange der Nasenhöhle — die Details sind na- tiirlich nicht gleich — hinläuft zu einer Platte (p), die breit in der Seitenwand der Nasenhöhle nach hinten zieht und die hintere knorp- lige Umgrenzung der Nasenhihle erreicht. (wenigstens bei Larven von Pelobates). Bei den Tritonen bleibt die Aussenwand der Kie- ferhöhle stets im vordern Anfange, bei den Anuren in ihrer ganzen Länge von Knorpel frei. Es ist unnöthig, die Homologien noch wei- ter ins einzelne zu verfolgen. Während bei den Anuren der vor- derste Theil des Trabekels der Resorption verfällt, erhält sich der- selbe bei den Urodelen dauernd und reicht bis in den Winkel zwi- schen Gaumen- und Gesichtsplatte des intermaxillare. Während der Resorption des Trabekels bildet sich aber bei ersteren auf seiner Oberfläche ein Ersatz aus, der Wrepersuerm’sche Fortsatz, welcher zusammen mit einem Knorpelfortsatze des den Anuren eigenthüm- lichen Nasenflügelknorpels eine feste Stütze für das intermaxillare abgibt. Letzteres besitzt bei den Anuren nicht mehr den sagittalen Fortsatz, der bei den geschwänzten Lurchen in der Zwischen- kieferspalte befestigt war; nur die rudimentäre Scheidewand, welche bei Rana, wie ich oben beschrieben, vom äusseren Rande des Nasalfortsatzes des intermaxillare herabsteigt und von dem Raume vor der Nase jederseits einen seitlichen Abschnitt abtheilt, scheint eine Andeutung davon zu sein. Die oft durchgeführten Homologien der Deekknochen will ich nicht noch einmal aufstellen; nur die gleiche Benennung des fronto-laerimale der Urodelen und der cor- nets der Anuren habe ich noch zu reehtfertigen. Beide Knochen liegen an derselben Stelle der Aussenwand der knorpligen Nasen- kapsel: am vordern Rande der Platte (») zwischen nasale und maxillare. Es fällt dabei nieht ins Gewicht, dass der Knochen bei 640 G. Born den Anuren bis zur hintern Umgrenzung der apertura externa reicht, während ers bei den Urodelen weit davon entfernt bleibt, denn dies hängt offenbar mit der Verschiebung zusammen, die die äussere Nasen- öffnung der ersteren erfahren hat. Am wichtigsten ist das übereinstim- mende Verhalten zum Anfange des Thränennasenganges, der bei bei- den Amphibienfamilien durch einen Canal des Knochens unter die äussere Haut gelangt. Die complicirtere Form des lacrimale der Anuren hängt wieder mit der Faltenbildung im ganzen vorderen Theile der Nase bei diesen zusammen. Die Homologie der glandula inter- maxillaris der Anuren und der Urodelen ist wohl noch nicht an- gefochten worden. Die Beschränkung der Drüse bei den ersten auf den Raum vor den Nasenhöhlen steht zu dem Auftreten einer neuen Formation, des septums, in Beziehung. Das Eindringen der Schläuche der intermaxillaris durch das Loch für den Ge- sichtsast des trigeminus in den unteren Blindsack, wie es sich viel- fach vorfindet, scheint noch ein Streben nach ihrem alten Verbrei- tungsbezirke hin zu sein. Die untere Nasendrüse der Anuren entspricht wenigstens histologisch der Drüse, welche sich bei den Tritonen am Boden im hintern Umfange der Nasenhöhle findet; der oberen Nasendrüse vielleicht diejenige, welche sich unter dem bindegewebigen Wulste an der Aussenwand der Nase bis zur Ein- miindung des Thränencanals hinzieht. Der Thrinencanal zeigt bei beiden Familien in Bezug auf die Stelle, an welcher er aus der Nasenhöhle austritt, vollständige Ueber- einstimmung, es ist der Vorderrand der Platte (p); bei beiden mün- det er in eine Ausbuchtung der Aussenwand, welche in der Ver- längerung des Einführungseanales nach hinten liegt, läuft an der Aussenwand der Knorpelplatte (2) zwischen maxillare und nasale nach hinten, tritt etwas früher oder später durch das lacrimale und mündet zweigetheilt bei den Urodelen im innern Augenwinkel, bei den Anuren am freien Rande des unteren Lides aus. Es ist be- kannt, dass die Ausmündungsstelle des Thräneneanals auch im andern Classen bei Angehörigen derselben Gruppe variirt. Auch die Bildung des Thränencanales ist bei beiden Amphibienfamilien ganz identisch; nur in der Art und Weise der Verbindung desselben mit der Nasenhöhle scheinen sie von einander abzuweichen. Das Herab- wandern an den Einführungsgang hat sich vielleicht bei den Anuren, begünstigt durch die Verschiebung der Nasenöffnung, weit nach rück- wärts gerade über die spätere Einmündungsstelle des Thränencanales, als Folge der tiefen Lage dieser ausgebildet. Ueber die Nasenhöhlen und den Thriinennasengang der Amphibien. 641 Es sind nun für die geschilderten, aus einander ableitbaren Ver- ‚hältnisse der regio ethmoidalis bei den beiden Amphibienfamilien Anknüpfungspunete an ältere Bildungen zu suchen. Für den ur- sprünglichsten Zustand der genannten Theile bei den Amphibien werden wir den halten, welcher der im ganzen niedrigeren Gruppe eigen ist und auch bei einzelnen Arten der höher differenzirten em- bryonal wiederkehrt. Es ist das die Anordnung, dass die über und nach aussen von den freien Enden der Trabekel gelegenen Nasen- höhlen mehr seitlich, als gerade vor dem Schädel liegen, während dieser sich mit einem nur bindegewebig verschlossenem Loche in den Zwischenraum zwischen dieselben (Internasalraum) öffnet. Die Aehnlichkeit dieses Verhältnisses mit der Anordnung der Theile, wie sie bei den Selachiern allgemein ver- breitet ist, fällt ins Auge. Auch bei diesen ist der Ver- schluss der Schädelhöhle nach vorn zu nur häutig (Präfrontallücke und man braucht sich nur die Nasenkapseln, welche stark seitlich vom vorderen Ende des Schädels liegen, vor demselben einander genähert zu denken, um die Aehnlichkeit der Verhältnisse ins volle Licht zu stellen. Der vorderste Theil des Schädels der Selachier zeigt auch zwei seitliche Spalten für die Riechnerven, wie sie sich bei den Amphibien finden; nur werden dieselben bei den Tritonen durch das Zurückgehen der Schädelhöhle später grösstentheils in den Bereich des Internasalraums gezogen. Bei Pelobates wird der Ethmoi- dalschlitz, welcher vorn auch eine der Präfrontallücke homologe Oeff- nung zwischen den verschmolzenen Trabekeln besass (ce. Fig. 6), in direeter Verlängerung der Schädelhöhle lag und durch seine seitlichen Spalten die Riechnerven zu den neben ihm liegenden hinteren Enden der Nasenhöhlen treten liess, sehr bald stark verändert. Die Prä- frontallücke schliesst sich knorplig und der dadurch gebildete Pfei- ler wächst nach hinten zu einem septum des Ethmoidalschlitzes aus und verbindet sich nach vom mit dem septum der Nasenhöhlen. Diese nehmen sich nach hinten verlängernd den Raum neben ihm zum grössten Theil in Anspruch, während durch secundiire Verknor- pelung eine vordere quere Wand für die Sehädelhöhle gebildet wird, in welcher sich die Canäle für den Durchtritt des olfactorius und des Nasalastes des trigeminus finden. Doch erhält sich bei Pelo- bates immer in so fern ein ursprünglicheres Verhältniss, wie bei Rana, als der vorderste Theil der Schädelhöhle etwas zwischen die hintern Enden der Nasenhöhlen hineinragt. Im weiteren Ver- laufe des Umbildungsprocesses von den Selachiern Morpholog. Jahrbuch. 2. 43 642 | G. Born aufwärts macht sich immer mehr das Bestreben geltend, die Nasenhöhlen aus ihrer seitlichen Lage gerade vor die Schädelkapsel zu bringen. Damit wird zugleich der In- ternasalraum verengt und endlich zuerst unter Verschluss der Prä- frontallücke durch Verwachsung der hinteren Enden der Trabekel mit ihren inneren Flächen, dann durch Ausbildung eines vollständigen septums ganz verschlossen. Den Gang dieses phylogenetischen Pro- cesses wiederholt in seinen Anfängen die Ontogenese von Salaman- dra, vollständiger die von Pelobates, während bei Rana die Ontoge- nese abgekürzter und directer geworden ist). In Bezug auf die Vergleichung mit höheren Typen will ich mich, da mir keine eigenen embryologischen Untersuchungen zu Ge- bote stehen, auf sehr weniges beschränken. Ich hoffe demnächst dieses Thema wieder aufnehmen zu können. Die allgemeinsten Ver- hältnisse der Nasenhöhlen , ihre Lage neben und über den freien Enden der Trabekel wiederhohlen sich bekanntlich in der Entwick- lungsgeschichte aller höheren Wirbeithiere. Ob die Bildung des sep- tums, welches zuerst bei den Fröschen auftritt, bei den höheren Typen in derselben Weise wie bei diesen vor sich geht oder nicht, vermag ich aus den Schilderungen der Autoren nicht mit Gewissheit zu vernehmen. Die von meinem Collegen SOLGER am Schlusse sei- ner »Beiträge zur Kenntniss der Nasenwandungen und besonders zur Kenntniss der Nasenmuscheln der Reptilien« (Dieses Jahrbuch Bd. I) formulirten Fragen (pag. 492) über Entstehung und Bedeutung der Nasenmusebeln und muschelähnlichen Einwachsungen bei den höheren Wirbelthieren lassen sich von dem hier für die Amphibien beigebrach- ') In Bezug auf Ausbildung und Lage der Deekknochen habe ich oben an mehreren Stellen betont, dass dieselben in ganz characteristischer Weise meist Liicken im Primordialkranium überziehen. Namentlich durch Hrrrwie ist die Abstammung der Deekknochen von Zahnbildungen der äussern Haut und der Mundschleimhaut auf das gliicklichste und evidenteste dargethan worden. Es bleibt aber noch übrig, den Grund für die Localisationen der auf diesem Wege entstandenen Knochenbildungen, die wir als Individuen mit besonderen Namen bezeichnen, an ganz bestimmten Stellen aufzufinden; ich glaube, dass die Wahrnehmung , die sich mir bei der Untersuchung. der Ethmoidalregion des Amphibienschädels unabweislich aufdrängte, dass die meisten Deckknochen ge- rade immer an den Lücken und dünnen Stellen des Primordialkraniums zuerst auftreten, einen deutlichen Fingerzeig gibt, worin man einen Grund für die be- stimmten, immer wiederkehrenden Localisationen der Knochenbildungen zu suchen hat. Damit steht natürlich nicht im Widerspruche, dass die Verknö- cherung häufig zuerst an den Rändern der die Lücken begrenzenden Knorpel- spangen beginnt. Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 643 ten Materiale kaum beantworten. Nur die Anuren besitzen knorplig gestützte Einragungen in den Raum der Nasenhöhlen; ich glaube aber bewiesen zu haben, dass die Entstehung derselben als Folge der Ausbildung specieller Larvenorgane am leichtesten verständlich ist. Auch die Berücksichtigung der Beziehung dieser Einragungen zur Einmündung des Thriinencanales hilft über den Zweifel nicht hin- weg, denn dieselbe scheint hier eine ganz andere zu sein, als die der eigentlichen Nasenmuscheln bei den höheren Wirbelthieren. Es erübrigt noch einiges über den Thränencanal der Amphibien im Vergleich zu der gleichnamigen Bildung der höheren Classen hinzuzufügen. Die Lage und die Wände desselben, wie sie oben weitläufig beschrieben wurden, sind mit denen der allgemein als Thränencanal anerkannten Organe so vollständig übereinstimmend, dass über die Homologie gar kein Zweifel herrschen kann. Man könnte mit Leichtigkeit sogar den Verlauf des Thränencanales beim Menschen auf den bei den Amphibien zurückführen. Um so frappanter ist der Unterschied in der Entwicklung. Der Thrä- nencanal der Amphibien bildet sich durch Einwachsung und Ab- schnürung eines Epithelstreifens von der Nase bis zum Auge hin, der dann ein Lumen bekömmt und sich mit der Nasenhöhle in Ver- bindung setzt; der Thrineneanal der höhern Typen ist, wie in voll- ständiger Uebereinstimmung alle Autoren seit Coste berichten, »ur- sprünglich eine Furche zwischen dem äussern Nasenfortsatze und dem Unterkieferfortsatze , die in zweiter Linie zum Canale sich schliesst.« (KÖLLıker, Entwicklungsgeschichte des Menschen, 1. Aufl. 1861 pag. 299; ähnlich Manz im Handbuch der gesammten Augen- heilkunde 2. Band, 1. Hälfte, pag. 55.) Es scheinen freilich wenig neuere Untersuchungen mit Zuhülfenahme von Serien mikroskopischer Schnitte vorzuliegen. Sollte sich aber selbst diese Angabe bestätigen, so würde es doch nicht gegen eine Homologie der Bildungen sprechen. Wir haben in neuerer Zeit erfahren, dass die chorda dorsalis, gewiss ein bei allen Wirbelthieren homologes Organ, bei einer Anzahl von Fischen durch Einwachsung und Abschnürung eines Epithelstreifens und nicht, wie sonst überall, durch Schliessung einer Furehe entsteht. Es scheinen derartige Unterschiede auf das Wesen des Processes nicht verändernden Abweichungen in der Wachsthums- intensität des Epithels und des Bindegewebes zu beruhen. Breslau, Anfang September 1576. en — Erklärung der Abbildungen. In vielen Abbildungen wiederkehrende Bezeichnungen : 5 Schädelhöhle, N einfache Nasenhöhle, K Kieferhöhle, A äussere Nasenöffnung, Ch Choane, LE Einführungsgang | Bion Au Ausführungsgang | on oberer Blindsack, sn seitlicher Blindsack, wn unterer Blindsack, an seitliche Ausstülpung des oberen Blinksackes, Th 'Thriinencanal, Ep Epidermis, C FCutis: J/ Mundhöhle, 2 Resorptionsspalten, T Trabekel, s septum, d knorplige Decke, b knorpliger Boden, n Nasenfliigelknorpel, sch Spange, welche von der Decke der Nasenhöhle zur Seitenwand nach hinten herabzieht und | p die Knorpelplatte, die dieselbe nach hinten in der Seitenwand fort- setzt, h Knorpelhaken, der bei Pelobates den äusseren Blindsack von innen und oben überdeckt, ok Oberkieferfortsatz der Nasenkapsel, w WIEDERSHEIM’scher Knorpelfortsatz, - vo Fortsatz des Nasenfliigelknorpels nach vorn, li Ligament, das die unteren Ränder der Trabekel verbindet und lo Ligament, das die oberen Ränder der Trabekel verbindet, ¢ os intermaxillare, nn OS nasale, i m Os maxillare, v vomer, ! lacrimale, gut untere } N gus obere | gt Intermaxillardrüse. ase, asendriise, —_—s---- G. Born, Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 645 Tafel XXXIX. Fig. 1—6 inel. sind nach Modellen gezeichnet, die nach Schnittserien in oben angegebener Weise hergestellt wurden; die Abbildungen sind erheblich, aber ungleichmässig verkleinert. Fix 1. Modell des vorderen Theils der Nasenhöhlen von hinten gesehen von einem ganz jungen Pelobates fuscus. Die Höhlen wurden mit Weglas- sung der Epithelien nachgebildet. Die schwarze Punectirung bezeich- net die Contouren eines weiter nach hinten gelegenen Schnittes auf das Bild aufgelegt, um zu verdeutlichen, in welcher Weise der Raum, in welchen die äussere Ausstülpung des oberen Blindsackes an und der seitliche Blindsack xs zusammen nach hinten ausmünden, rückwärts abgeschlossen wird. Contour « bezeichnet das hinterste angeschnittene Ende dieses Raumes. Der Kreis 7% den Durchschnitt des 'Thränen- canales, in den sich dieser nach hinten verlängert, aus einem noch weiter nach rückwärts gelegenem Schnitte aufgezeichnet. Fig. 2. Modell des vorderen Theiles der knorpligen Nasenkapsel desselben Thieres von hinten gesehen. Fig. 3. Dasselbe von der Seite und etwas von vorn. Fig. 4. Dasselbe Bild wie Figur 2 von einer Pelobates-Larve, deren hintere Extremitäten ungefähr %, ihrer definitiven Länge erreicht haben. Fig. 5. Einsicht in den Ethmoidalschlitz einer Pelobates-Larve, mit platten- förmigen hinteren Extremitäten. e Präfrontallücke. Fig. 6. Knorpelkapsel der Nase eines erwachsenen Triton eristatus von der Seite und etwas von vorn. Die Zahlen bezeichnen die im Texte näher beschriebenen Lücken. r Austrittsstelle des Trigeminusastes an der Innenwand 2. Tafel XL. Fig. 7— 22 sind Umrisszeichnungen, welche meist 15 Mal vergrössert “unter dem Prisma angefertigt wurden. Braun sind überall die Knochen, schraffirt Epithelien und Drüsen, blau die Knorpel gehalten. Das Dunkelblau bezeichnet stets Trabekeln oder von ihnen abgeleitete Knorpeltheile. Das blau schraffirte in Fig. 10, 12 und 13 das sich in Knorpel umwandelnde intertrabekuläre Schleimgewebe. Hellblau sind bei Pelobates nur die Eigenknorpel der Nase, bei Rana diese und das septum gehalten. Fig. 7. Frontalschnitt durch den Kopf einer Pelobates-Larve mit plattenförmigen Extremitäten gleich hinter der apertura externa. Fig. 8. Frontalschnitt durch den Kopf einer Pelobates-Larve, deren hintere Extremitäten 3/4 ihrer späteren Länge erreicht haben. Fig. 9. Dasselbe von einer etwas grösseren. Fig. 10. Frontalschnitt durch die apertura externa bei einer Larve, welche eine vordere Extremität aus ihrer Hülle befreit hatte. Fig. 11. Frontalschnitt vor der Nasenhöhle von derselben. Fig. 12. Frontalschnitt durch den hintern Theil der Choane von derselben. Fig. 13. Frontalschnitt durch die einfach: Nasenhöhle von derselben. Fig. 14. Frontalschuitt durch den Ethmoidaleanal von derselben. a Rachendrüse. 646 G. Born, Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. Fig. Fig. : Fig. Fig. 2 Fig. 2 Fig. Fig. : Fig. Fig. DAR 0, Jou Frontalschnitt durch den Kopf einer jungen Larve von Rana esculenta. Frontalschnitt einer Larve von Rana esculenta, welche eine vordere Extremität befreit hat. Frontalschnitt einer Larve von Rana esculenta mit beiden Extremitäten. Frontalschnitt durch den Ethmoidalcanal derselben Larve, wie bei Figur 15. Frontalschnitt durch die Nasenhöhle einer Larve von Pelobates, deren Hinterbeine 2/3 ihrer späteren Länge erreicht haben. Frontalschnitt durch den Kopf eines jungen Bombinator igneus. Frontalschnitt vor der Nasenhöhle durch den Kopf einer ausgewach- senen Rana esculenta. Frontalschnitt durch die Gegend der häutigen Scheidewand zwischen Internasalraum und Gehirn von einem erwachsenen Triton cristatus. ps Parasphenoidale. vp vomero-palatinum, J frontale, ge Gehirn, o n. olfactorius. Tafel XLI. Streifen von der Nase zum Auge von einer Pelobates-Larve mit vor- ‘deren Extremitäten bei geringer Vergrösserung und auffallendem Lichte. ne nasales Ende. na Augenende. Kopf einer Larve von Pelobates fuscus, deren Hinterbeine 5/; ihrer Länge erreicht haben, vergrössert. Kopf von Bufo cinnereus mit einer aus der hinteren Ausmündung des Thränencanales austretenden Borste. Das vordere Ende der behufs Sondirung abgeschnittenen Nase ist ergänzt. Durchschnitt des Thriinencanals von Rana esculenta am Ende der Metamorphose. st Stelle, an der der Verlauf der Cutisfasern gestört bleibt. Abschnürungsstelle des 'T'hränencanals auf einem Frontalschnitte von einer ähnlichen Larve. Doppelte Anlage des Thränencanals in der- Nähe des Auges bei Rana esculenta. Frontalschnitt des Kopfes eines Triton taeniatus von 30 Mm. Linge, um den Thriinencanal in der Naht zwischen maxillare und lacrimale zu zeigen. Grosse Knorpelkapsel aus dem fuscus. In der Resorption begriffener Trabekel aus einem Frontalschnitte des Kopfes einer Rana esculenta. Stück aus der Nasenscheidewand einer Pelobates-Larve, etwa wie in Rigen: Resorptionsstelle im Trabekularhorn von Rana esculenta. r Trabekel einer Larve von Pelobates — m Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. ,>. meres . ” Erz Sr ot Se r | Ze heres RE a 5 ie. u : > ni > ya Morphol. Jahrbuch. Bd.11 = Taf XXXIX. Fig. 7. + R | Strassen Unvenicht, Hubner, de! . iid G Bach, Leipzig = os it. DEE Se win | Zu Morphol. Jahrbuch, Bd. 11. Born dei J Lith. Ansty. J. 6 Bach, leipzig Wasdoonna” WOR pine [sly AR NN e Süssmuth, Unvericht, Strasser, del Lith, Ansty. J.G Back, leipzig AMNH LIBRARY ANIM 100130334