ar : FEY Be Bey. te a Barts . aeras Pekin trent She ARE R a ‘ Ce ee DRIN IL ‘ RS nar es TY whee eR gs “4 TS ewe whine wah, N . i) har ae ek KARA Pt bie ke mer ets rn» en + ay Act Mads vH Ne hy eae ors ' en, TERN uns Pe IN aay, I Sede e he Lik N ET at teas HER) A, eS Wee yes 2 re 3 bpd: a pears wor oe lahrdege nen ete orb awe ih Fer ns eh he Be ee Dar 2% brlunnd @ heh ae OF peep ere ernennen VE np gene „ir ame Vera ge I Pty eer irk pa a TE EI vd ewe nah ru. rer Dre 5. ALLE Oh ae ew gan monat ; VIRSRERAHMETEN. PR E wea al Vea ge es Vreden drehten) run“ he IE I BEL ee Kae - . ee py wee . Pee BIN wes aed hepeje seu bed byes > WAP ater et Mier DIR ed yp hed ogee OPW BRR Re Voter tees 4 phd b { ep. A fF Ved pdb dea dbase P ae, eh > be ae tg urd 504 A Aa) 4 . ; A dest LICH Shen ET DEE TE | Pa Pin MER ede FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY ee BL 54 6G(H8, MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. ———_3}eo—__—_- EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, PROFESSOR IN HEIDELBERG. DRITTER BAND. MIT 31 TAFELN UND 15 HOLZSCHNITTEN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1877. LE IA RY ale N ut CAEP ELY SARGEAWY. | hg & + (Ost op Og JE BE I | Inhalt des dritten Bandes. Erstes Heft. ( Seite Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Von Oscar Hertwig. (Mit Taf. I-V.) ..... | Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochen- form Von A. Rauber, (Mit 1 Holzschnitt.) .. . . mn ..... 87 Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. Von W. Molden- Kauer, (Mit Taf. VI-IX und: 2 Holzsehnitten.) .. . . » =. u. 106 Nachträgliche Bemerkungen zu seinem Aufsatze: Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien. Von R. Wiedersheim. DEE SELDIZECHUEENE) a ee, ee ae Re Zweites Heft. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren und Arthro- weeoehlden. ‚Von .H. von Ihering. (Mit Taf..X.).. . 2. „ul un 155 Ueber die Luftsäcke der Vögel. Von H. Strasser. (Mit Taf. XI.). . . 179 Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis der Teleostier und der Petromyzonten. Von E. Calberla (Mit Taf. XII und ARTEN 2 N cee USE EERO as a eee 226 Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des girezıschen’ Dies. Vou Oscar Hertiwig oyu iean. u ol Se 271 Notiz über einige Untersuchungen am Kopfskelet der Holocephalen. Von Pea NE UNO CRE se ee 06 ee ee 280 Drittes Heft. Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. Von EBORBETANNMIE DER, NEV VIR) 2 ee 283 Die fossilen Wirbel. Morphologische Studien. Die fossilen Squatinae. Von Haste. -ı(MIE Bat. RVIKand KUN oi): ee eee 328 IV Seite Das Kopfskelet der Urodelen. Von R. Wiedersheim. (Mit Taf. XIX— Axon a nn 449 Ueber das Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. Von M. Fiir- bringer: (Mii itGraschnitty re ven. PL. “APM, 2 eee 453 Viertes Heft. Das Kopfskelet der Urodelen (Fortsetzung). Von R. Wiedersheim. (Mit Taf. XXIV—XXVII und 5 Holzschnitten.)......... . 2499 Ueber die Knospung der Salpen. Von W. Salensky. (Mit Taf. XXVIII— RECN) MEE oe Sans eh ee ey Eee fs ioe ne, Wr 549 Die letzten spinalen Nerven und Ganglien. Von A. Rauber. (Mit Ey ESS UR ton a cies Re Wea cere ee. . . 603 Ein Beitrag zur mikroskopischen Technik. Von E. Calberla. ..... 625 Ueber Neubildung von Kiemen bei Siren lacertina. Von R. Wieders- Domes ee es ee ee ee 630 Zur Fortpflanzungsgeschichte des Proteus anguineus. Von R. Wieders- BOT Ge So RL se Gi) ax GT a a He 1 SLR + oem Notiz über das Vorkommen der Purkinje’schen Fäden. Von C. Gegenbaur 633 Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Von Dr. Osear Hertwig. Zweiter Theil. Mit Tafel I—V. Durch Untersuchungen am Ei des Toxopneustes lividus!) war es mir in hohem Grade wahrscheinlich geworden, dass bei der Reife des Eies nicht alle Theile des Keimbläschens zu Grunde gehen, son- dern der Keimfleck erhalten bleibt und zum Kern des befruchtungs- fähigen Eies wird. Indem ich darauf hin die Literaturangaben prüfte und Beobachtungen kennen lernte, die sich in gleichem Sinne verwerthen liessen, sprach ich weiter die Vermuthung aus, dass im ganzen Thierreich ein ähnlicher Process bei der Reife des Eies statt- finden möchte. Bei Aufstellung dieser Hypothese war ich mir, wie ich am Schluss des betreffenden Abschnittes noch besonders hervor- hob, »wohl bewusst, wie viel meiner Annahme noch die thatsächliche Begründung fehlt, doch hoffte ich für sie bald weitere Thatsachen beibringen zu können«. Seit der Zeit habe ich mich mit diesem Gegenstand anhal- tend weiter beschäftigt. Ueber die angeregte Frage mehr Sicher- heit zu erlangen, wurde mir persönlich um so mehr ein Bedürfniss, als die neuesten Beobachtungen von v. BENEDEN und BÜTSCHLI zu anderen Ergebnissen geführt hatten, so dass durch sie gegen meine I) Oscar Hertwic. Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Erster Theil. Dieses Jahrbuch. Bd. I. p. 347. Morpholog. Jahrbuch. 3. i 2 Oscar Hertwig Mittheilungen wohl vielfach Zweifel werden wachgerufen worden sein. Zur Untersuchung dienten mir die Eier von Rana temporaria und esculenta und die Eier zweier Hirudineen, Haemopis und Ne- phelis. Ein Studium der erstgenannten Objecte erschien mir wegen des multinucleolären Zustandes ihres Keimbläschens besonders wün- schenswerth. Hatte ich doch früher selbst hervorgehoben , dass namentlich die Eier der Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel auf den Schwund des Keimbläschens und die Neubildung des Eikerns vor Allem jetzt genauer geprüft werden müssten. Auf die Hirudi- neen dagegen wurde ich durch die wichtigen Beobachtungen geführt, welche BürscHLı an denselben in jüngster Zeit gemacht hat. Da mir die letztgenannten Objecte die vollständigsten Ergebnisse ge- liefert haben, so beginne ich mit ihnen meine Mittheilungen und werde erst an zweiter Stelle die weniger vollständigen, weil schwie- rigeren Untersuchungen über die Amphibieneier anreihen. I. Abschnitt. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Ei der Hirudineen (Haemopis und Nephelis). Im Jahre 18451) veröffentlichte zuerst Frey in seiner Abhand- lung »Zur Entwicklungsgeschichte des gemeinen Blutegels«?) einige genauere Beobachtungen über die ersten Entwicklungsvorgänge im Ei von Nephelis. Er erkannte, dass vor der Furchung sowohl Keimbläschen als Keimfleck verschwunden sind, dass dagegen in der Flüssigkeit zwischen Dotter und Dotterhaut ein Kügelchen sich vorfindet, wie solches schon früher mehrfach bei Mollusken be- schrieben worden war. Er nannte es eine Zelle und war nicht ab- geneigt es für den aus dem Ei ausgetretenen Keimfleck zu deuten. In der weitern Entwicklung des Eies schien es ihm keine Rolle zu spielen. ') Eine ausführliche Zusammenstellung der älteren Literatur über die Co- cons der Hirudineen gibt: a) Dr. RupoLpu WAGNER: Bruchstücke aus der Entwicklungsgeschichte des gemeinen Blutegels. Isis. Jahrgang 1832. Heft 4. pag. 398. b) Ronin: Mémoire sur les phenomenes qui se passent dans l’ovule ete. Journal de la physiologie de homme et des animaux. T. V. 1862. pag. 90. ?) Frey. Göttingische gelehrte Anzeigen. Jahrg. 1845. Bd. I. pag. 273. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 3 Zwei weitere Arbeiten über die Hirudineenentwicklung erschie- nen gleichzeitig im Jahre 1862, die eine von RATHKE, die andere von Rosin. Ratuke!) legte den von Frey beschriebenen Kügelchen, deren er häufig zwei nacheinander aus dem Dotter vor der Furchung aus- treten sah, keine Bedeutung bei und erblickte in ihnen nichts weiter als einen sehr kleinen vom Ei ausgestossenen Theil des Liquor vi- telli, des gallertartigen Bindemittels der Dotterkörnchen. Von grösserer Wichtigkeit als die genannten früheren Arbeiten ist für die Geschichte unseres Gegenstandes die umfangreiche Ab- handlung Rogın’s?). Dieselbe zerfällt in drei Abschnitte, von wel- chen der erste über die Entstehung und die Veränderungen des Eies bis zur Ablage, der zweite über die Bildung und Beschaffenheit der sogenannten Richtungskörper, der dritte über die Neubildung des Eikerns handelt. v Ueber die Entstehung der Eier hat Rosin merkwürdige Anga- ben gemacht. Es sollen sich nämlich die Eier im Ovarium erst dann bilden, wenn dieses nach einer stattgehabten Begattung mit Samen angefüllt ist, und zwar sollen sie hier in der Mitte je eines eingeführten Spermatophoren sich entwickeln. Den von Spermatozoen, von kleinen und grösseren Eiern gebildeten Körper nennt RoBın einen Ovo-Spermatophor 3). Noch innerhalb dieses Gebildes soll die Reife der Eier erfolgen und sich dadurch zu erkennen geben, dass das Keimbläschen mit seinem Keimfleck spurlos verschwindet. Ebenso soll auch die Be- fruchtung noch im Ovo-spermatophor vor sich gehen, indem der Dotter sich von der Membrana vitellina zurückzieht, und in den so gebildeten, mit gallertiger Flüssigkeit gefüllten Zwischenraum zahl- reiche Spermatozoen eindringen. 1) RATHKE. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen, heraus- gegeben und theilweise bearbeitet von R. LEUCKART. Leipzig 1862. 2) Cu. Rosin. Journal de la physiologie de homme et des animaux. mV. 1) Mémoire sur les phénoménes qui se passent dans l’ovule avant la seg- mentation du vitellus, I. c. pag. 67—109. 2) Mémoire sur les globules polaires de lovule. 1. ce. pag. 149— 186. 3) Note sur la production du noyau vitellin. 1. e. pag. 309—323. 3) Die ausführliche Beschreibung der Geschlechtsorgane von Nephelis und der Ovospermatophore findet sich: CHARLES Rogın. Mémoire sur les sperma- tophores de quelques hirudinées. Annales des sciences naturelles. Quatrieme série. Zoologie 1862. T. XVII. pag. 5. 12 4 i Oscar Hertwig Die Veränderungen, welche an den Eiern nach der Ablage ein- treten, hat Rosin im zweiten Abschnitt seiner Untersuchungen be- schrieben und mit zahlreichen naturgetreuen Abbildungen veran- schaulicht. Er lässt die Bildung der Richtungskörper bei Ne- phelis sehr regelmässig 5— 6 Stunden nach Ablage der Cocons beginnen und zwar 2!/, — 3 Stunden in Anspruch nehmen. Sie verläuft in der Weise, dass an der Peripherie des kernlosen Eies sich an einer kleinen Stelle die Dotterkörnchen aus der homo- genen Grundsubstanz zurückziehen. Der so entstandene helle Aus- schnitt wölbt sich bald hügelartig über die Eioberfläche hervor, der Hügel wird dann eylindrisch und schnürt sich an seiner Basis ein. So bildet sich im Verlauf von 25—30 Minuten eine kleine Kugel, die mit dem Dotter durch einen Stiel zusammenhängt. 5—7 Minu- ten später ziehen sich an der Anheftungsstelle dieses ersten Rich- tungskörperchens die Dotterkörnchen von der Oberfläche abermals zurück, und es erscheint nun in genau derselben Weise ein zweites Kügelehen, welches mit dem Ei gleichfalls noch zunächst in Zu- sammenhang bleibt. Zuweilen sah Roprn noch ein drittes Kügelchen nachfolgen, wenn die zwei zuerst gebildeten von geringerer Grösse als gewöhnlich waren. Auch beobachtete er in der Bildung der Rich- tungskörper einige Variationen. die im Wesentlichen darauf hinauslau- fen, dass ein mehr oder weniger langer cylindrischer Körper hervor- knospt, der dann erst durch Einschnürung in zwei oder drei Kugeln zerfällt. Nach diesen Beobachtungen bestreitet Rosin die Abstam- mung der Richtungskörper vom Keimbläschen oder Keimfleck, lässt sie einzig und allein aus der homogenen Grundsubstanz des Dotters bestehen und von der Oberfläche des Eies in ähnlicher Weise sich abschnüren, wie an den Insecteneiern') nach seinen Beobachtungen das Blastoderm sich anlegt. Er gibt diesen Gebilden wegen ihrer constanten Lagebeziehung zu der Stelle der Eioberfläche, wo später die erste Furchungslinie sich bildet, den Namen globules polaires. Ueber ihre weiteren Schicksale wird uns noch berichtet, dass die drei Kügelchen später zu einem verschmelzen, und dass zwei bis drei kleine sphärische Kerne in ihnen erscheinen. Im dritten Abschnitt seiner Arbeit behandelt Rosin die Neuent- stehung des Furchungskerns, welche bald nach der Abschnürung des letzten Richtungskörpers 10 Stunden nach der Eiablage in der !) CHARLES Rogın. Mémoire sur la production du blastoderme chez les articulés. Journal de la physiologie de homme et des animaux 1862. T. V. pag. 348. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung v. Theilung d. thier. Eies. 5 Weise erfolgen soll, dass aus dem Centrum des Eies die Dotterkörn- chen sich entfernen und die zurückbleibende homogene Grundsub- stanz sich mehr und mehr von der Umgebung scharf abgrenzt. Rosin glaubt hierdurch den schlagenden Beweis für die vollkommene Neubil- dung eines Kerns geführt zu haben. »Il prouve en effet d’une maniere péremptoire la generation spontanée, molécule 4 molécule, dun noyau homogene, d'une partie nettement définee et isolable au sein d'une masse granuleuse sans quil dérive d’aucun élément ni d’aucune por- tion d’el&ment anatomique figuré queleonque.« Die hier referirten Angaben sind von Rosın!) in seiner 1876 erschienenen Entwicklungsgeschichte der Hirudineen fast wörtlich wieder reprodueirt worden, so dass ein näheres Eingehen nicht er- forderlich ist. Ein sehr bedeutender Fortschritt in der Erkenntniss der ersten Entwicklungsvorgiinge im Ei der Hirudineen ist in jüngster Zeit durch BürschLi? herbeigeführt worden. Indem er die abgelegten Eier in geeigneter Weise mit Reagentien (2°/, Essigsäure) behan- delte, ist es ihm gelungen bei der Entstehung der Richtungskörper und der Bildung des Furchungskernes im Innern der Eizelle eine Reihe von Erscheinungen zu beobachten, die den früheren Forschern vollkommen entgangen waren. Im frisch gelegten Ei erkannte BürscHLı einen spindelförmig beschaffenen Kern, welchen er für das metamorphosirte Keimbläschen deutet. Nach seinen Beobachtungen soll derselbe bei der Entwick- lung des Eies in die Richtungskörper in folgender Weise umgewan- delt werden. Die Kernspindel rückt bis zur Eiperipherie vor und wird von einer hier befindlichen Dotterstrahlung aus der Oberfläche des Dotters hervorgeschoben. Der herausgetretene Theil vergrössert sich augenscheinlieh durch Quellung und rundet sich ab. In seinem Innern liegen eine Anzahl dunkler Körnchen, die durch feine Fasern mit einer Zone ähnlicher dunkler Körnchen am entgegengesetzten, noch im Dotter befindlichen Kernende in Verbindung stehen. Auch dieser Theil wird später vollständig aus dem Ei hervorgeschoben. Während dieser Ausstossung hat die zum Richtungskörper gewor- !) CHARLES Ropry. Mémoire sur le développement embryogénique des hirudinées. Mémoires de l’acad&mie des sciences de linstitut de France T. XL. Nr. 9. Paris 1876. ar 2) O0. BürschLı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Abhandlungen der SENKENB. naturf. Gesellsch. Bd. X. pag. 3—10. 6 Oscar Hertwig dene Kernspindel, wahrscheinlich durch einen activen Theilungs- process sich in drei kuglige Abschnitte eingeschnürt. In der zu- letzt hervorgeschobenen Portion erscheint später ein rundes, helles Bläschen. Diesen Angaben über die Bildung der Richtungskörper lässt BürscHLı werthvolle Beobachtungen über die Entstehung des Fur- chungskerns nachfolgen. Zur Zeit, da der erste Theil der Spindel bereits ausgestossen ist, lässt sich im Dotter ein isolirtes Strahlen- system erkennen, welches Anfangs nahe der Peripherie gelegen all- mälig in das Centrum des Eies rückt. Hier entsteht nun nach voll- endeter Ausstossung des Keimbläschens, während die Strahlung ver- schwindet, ein kleiner Kern und gleichzeitig macht sich ein zweiter gleichbeschaffner Kern in einiger Entfernung von der Austrittsstelle des Richtungskörpers bemerklich. Beide Kerne rücken aufeinander zu, vergrössern sich hierbei ganz bedeutend, legen sich an einander und verschmelzen. Es treten jetzt rasch die Veränderungen ein, welche zur Theilung des Dotters führen und durch die spindelförmige Metamorphose des Kerns etc. eingeleitet werden. Durch die mitgetheilten Beobachtungen hält es BürschLıi für sicher erwiesen, dass die sogenannten Richtungsbläschen des Hiru- dineen-Eies das ausgestossene Keimbläschen sind und zwar, wie er besonders betont, höchst wahrscheinlich das gesammte Keimbläschen, da Nichts darauf hindeutet, dass irgend ein Rest desselben zurück- bleibt, ausgenommen allein flüssige Bestandtheile, die während der Umwandlung zur Spindel ausgetreten sind. Ob dieser Vorgang eine Folge der Befruchtung ist oder unabhängig von derselben erfolgen kann, lässt BürschLı dahingestellt, neigt sich aber mehr der ersten Auffassung zu. Ebenso ist er in Betreff der Herkunft der neuent- stehenden Kerne zu keinem sichern Ergebniss gelangt. Auf die Frage, ob ein Theil des Keimbläschens erhalten bleibt und in den Furehungskern mit eingeht, kommt BürscaLı noch ein- mal in einem Anhang zu sprechen, welchen er durch meine und v. BENEDEN’s inzwischen erschienene Arbeit veranlasst seinen Unter- suchungen beigegeben hat!). Er hebt hier zunächst hervor, dass er zur Annahme, dass die Ausstossung des Keimbläschens bei Nephelis keine vollständige sei, keinen Anhaltspunet in seinen Beobachtungen fände, will es aber auch nicht mit absoluter Gewissheit in Abrede stellen, dass nicht vielleicht ein Theil einer der Kernplatten des I) BürschLı, 1. c. pag. 220—240. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 7 spindelförmig metamorphosirten Eikerns, während des Austritts des- selben sich ablöse und zur Grundlage eines oder mehrerer der spä- terhin in den Dotter hervortretenden Kernchen werde. Auch macht hier Bürschtı selbst auf zwei Puncte in seinen Beobachtungen auf- merksam, die sich allenfalls zu Gunsten einer derartigen Auffassung verwerthen liessen , »einmal die Entstehung des einen der neuen Kernchen bei Nephelis ausserhalb des sogenannten Centralhofes und in gewisser Beziehung zur Austrittsstelle des Eikerns, und dann die gleichen Beziehungen der neuentstehenden Kernchen zu dieser Aus- trittsstelle bei Limnaeus und Succinea, sowie den Umstand, dass bei erstgenanntem Object der ausgetretene Eikern durch feine Fädehen mit einigen der neugebildeten Kernchen in Verbindung zu stehen scheint«'!). Aus den hier referirten Angaben Birscuut’s geht hervor, dass von ihm drei Fragen noch nicht geniigend beantwortet werden konn- ten, erstens, in welcher Weise das Keimbläschen sich in die Kern- spindel umbildet, zweitens ob die Befruchtung auf die Entstehung der Kernspindel und der Richtungskörper von Einfluss ist, drittens, ob der Kern vollständig ausgestossen wird oder theilweise erhalten bleibt und in den Furchungskern mit übergeht. Zur Beantwortung dieser Fragen unternahm ich im Laufe dieses Sommers erneute Untersuchungen an einheimischen Hirudineen, theils an Haemopis theils an Nephelis. Beide Objecte bieten verschiedene Vortheile bei der Beobachtung und ergänzen sich in vieler Hinsicht gegenseitig. So fand ich Haemopis vorzüglich geeignet, um an ihr die Umwandlung der Eier im Ovarium zu verfolgen, während hierzu Nephelis wegen des abweichenden Baues ihres Ovarium sich gar nicht empfiehlt. Auf der andern Seite habe ich die reifen, abgeleg- ten Eier ausschliesslich nur von Nephelis untersucht, da diese sich in Gläsern sehr gut hält und fast täglich während der Sommer- monate seinen Cocon producirt. Auf einen Uebelstand möchte ich hier diejenigen, welche sich mit diesen Studien weiter beschäftigen sollten, aufmerksam machen. Zu wiederholten Malen konnte ich beobachten, dass in Gläsern, in denen eine Anzahl Blutegel sich befand, die frisch gelegten Cocons des einen von dem andern aufgezehrt wurden. Zuweilen geschah es sogar, dass noch während der Coconbildung einem eierlegenden Thiere die am Sattel sich ausscheidende Gallerte vom Leibe durch eine 1) BUTSCHLI, 1. c. pag. 224, 225. 8 Oscar Hertwig andere Nephelis abgesaugt wurde. So kann es kommen, dass man von einer grösseren Menge zusammengehaltener Blutegel doch nur selten einen Cocon erhält. Diesem Uebelstande habe ich leicht dadurch ab- geholfen, dass ich die einzelnen Individuen in weite Reagenzgläser isolirte, ein Verfahren, welches schon Frey anwandte, um den un- verletzten Cocon mit schwacher Vergrösserung zu verschiedenen Zeiten untersuchen zu können. Diese Isolirung bot mir noch -den weiteren Vortheil, dass ich den Act der Eiablage, der etwa 15 bis 20 Minuten dauert, leichter beobachten konnte. Dies war aber für meine Untersuchungen inso- fern von Werth, als es mir daran lag, das Alter der abgelegten Cocons und die richtige Aufeinanderfolge der einzelnen Entwick- lungsstadien in möglichst zahlreichen Fällen genau zu bestimmen. Es ist mir dann auch ohne viele Mühe gelungen, indem ich eine grosse Anzahl Individuen isolirte, die Coconbildung wohl mehr als 50mal unter meinen Augen ablaufen zu sehen. Hierdurch war es mir möglich von der Entstehung der Richtungskörper mir zahlreichere verschiedenartige Stadien und zwar in ihrer Aufeinanderfolge zu ver- schaffen ‚- als BürscuLi beobachtet zu haben scheint, der nur nach der Farbe das Alter der Cocons bestimmte. Da die Untersuchung der Hirudineeneier im lebenden Zustande nur einen geringen Einblick in die inneren Vorgänge gewährt, um deren Feststellungen es sich wesentlich handelt, so wurde die An- wendung von Reagentien erforderlich. Ueber den Gebrauch dersel- ben mögen einige Bemerkungen hier eine Stelle finden. Die besten Präparate von den Eierstockseiern der Haemopis erhielt ich durch Behandlung mit Osmiumsiiure und BEALE’schem Carmin in der schon früher von mir angegebenen Weise. Auch bei den in Cocons ab- gelegten Eiern habe ich diese Methode anzuwenden versucht, in- dessen mit geringerem Erfolge. Zwar bietet sie hier den Vortheil, dass sie Form und Lage der austretenden Richtungskörper vortrefi- lich erhält, dagegen hat sie sich mir zum Feststellen der Verände- rungen im Innern des Dotters weniger brauchbar erwiesen. Denn die Erlangung guter Färbungspräparate ist mit viel Schwierigkeiten verbunden, da Gallerte und Eihaut das Eindringen der Reagentien erschweren, so dass der richtige Grad ihrer Einwirkung schwer ab- zumessen ist. Die von BürscuhLı empfohlene 2 °/, Essigsäure ist daher hier vorzuziehen. Auch diese Methode hat indessen zwei Uebelstände, einmal dass die untersuchten Objecte sich nicht längere Zeit conserviren lassen, und zweitens dass die Dotterkérnchen un- . Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 9 durehsichtig bleiben und bei der Beobachtung stören. Beide Uebelstände können aber leicht beseitigt werden, wenn man sich folgenden Verfahrens bedient: die Cocons werden in 1°, Essigsäure durch einen Scheerenschnitt geöffnet und die Gallerte mit den Eiern aus der einhüllenden Schale mit Vorsicht hervorgezogen. Nach '/,stün- digem Verweilen in der Flüssigkeit werden die Eier durch Zupfen mit der Nadel vollends aus der Gallerte befreit und nachdem Gal- lerte und Essigsäure möglichst entfernt sind, werden sie nach dem von STRASBURGER empfohlenen Verfahren mit absolutem Alkohol übergossen. Nach einigen Stunden wird der Alkohol mit Glycerin und essigsaurem Kali zu gleichen Theilen langsam versetzt und die Mischung stehen gelassen, bis der Alkohol verdunstet ist. Bei diesem Verfahren bleiben die Eier vortrefflich erhalten, der Dotter wird etwas aufgehellt, die radiäre Anordnung des Plasma, die Kerntheile. namentlich die verdichteten Stellen treten mit grosser Schiirfe her- vor. Nur möchte ich darauf aufmerksam machen, dass bei der Untersuchung jeder Druck des Deckglases zu vermeiden ist, was durch untergelegte Haare von passender Stärke leicht erreicht wird. Wenn dies geschehen ist, kann man durch Verschiebung des Deck- glases dem Ei, indem man es rollen lässt, jede beliebige Lage ver- leihen, ohne es irgendwie zu schädigen. — Ein weiterer Vortheil des angewandten Verfahrens besteht darin, dass die Präparate sich lange Zeit in einem zur Untersuchung geeigneten Zustande aufheben iassen. Schon wochenlang eingeschlossene Objecte sind noch jetzt zur Demonstration der von mir beobachteten Erscheinungen tauglich. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zur Darstellung meiner Beobachtungen über, die ich in zwei Theilen besprechen werde. Von diesen handelt der erste über das Eierstocksei und seine Umwand- lung in das reife, befruchtungsfähige Ei, der zweite über die ersten Entwicklungsvorginge in den aus den Cocons entnommenen Eiern. 1. Das Eierstocksei und die Umwandlung desselben in das reife, befruchtungsfähige Ei. Bei Haemopis liegen die Ovarien als zwei kleine Bläschen im 9. Körperringe an der Bauchseite nahe der Mittellinie. Von jedem ent- springt ein schmaler Oviduct. Die Oviducte beider Seiten verschmelzen zu einem unpaaren Gange, welcher sich bald umbiegt, nach vorn verläuft und sich zu einer Scheide erweitert, die dieht hinter den Ovarien ausmündet und gewöhnlieh bei den untersuchten Exemplaren 10 Oscar Hertwig von einem Spermatophor aufgetrieben war. Das Ovarium besitzt eine ziemlich derbe Membran, welche mit einer eiweissreichen Flüssigkeit prall gefüllt ist. In dieser liegt ein langer zusammengerollter zel- liger Faden, die Keimstätte der Eier. Der Hauptmasse nach wird derselbe von sehr kleinen dicht gedrängten Zellen gebildet, welche nach Aussen durch eine zarte Membran zusammengehalten werden. An einem Ende schwillt der Faden zu emer Kugel an, die einzig und allein aus dem geschilderten Gewebe besteht. In einiger Ent- fernung von dieser Kugel wird seine Oberfläche von grösseren Zellen mit deutlich bläschenförmigem Kern dicht besetzt. Nach der Mitte des Fadens zu nehmen diese Zellen an Grösse ganz bedeutend zu, wölben sich über seine Oberfläche stärker hervor und hängen end- lich mit ihm nur noch durch einen kurzen bindegewebigen Strang zusammen. Sie geben sich jetzt deutlich als Eier zu erkennen. In der Mitte des Fadens hat stets eine grössere Anzahl ihre völlige Grösse erreicht, in dem darauf folgenden Abschnitt findet ihre Reifung und Ablösung statt. Wir treffen mithin an diesem günstigen Objecte die Eier auf den verschiedensten Entwicklungsstufen von den ersten Anfängen bis zur völligen Reife in regelmässiger Folge nebenein- ander gereiht. Sie lassen sich leicht einzeln in situ untersuchen, da sie locker und in einiger Entfernung von einander dem zelligen Faden aufsitzen. Bei der Präparation dieses Objectes bin ich in folgender Weise verfahren. Die freigelegten Ovarien wurden in einige Tropfen Os- miumsäure gebracht und sofort vorsichtig mit zwei Nadeln angeritzt, so dass die in ihnen angesammelte Flüssigkeit mit den Eifäden aus- floss. Nach 10—15 Minuten wurden letztere dann in einige Tropfen BEALE'sches Carmin übertragen, ein bis mehrere Stunden in dem- selben gelassen, bis die Kerne deutlich und dunkel gefärbt waren, und dann in verdünntem Glycerin untersucht. Ein derartig behandeltes Ei, das seine völlige Grösse erreicht hat, ist in Figur 1 (Taf. I) dargestellt. Es sitzt an einem dünnen und kurzen bindegewebigen Stielchen (a) fest, welches in die Eihülle übergeht. Mit grosser Regelmässigkeit sieht man in dem fasrigen Bindegewebsstiang nahe der Insertion des Eies dicht bei einander zwei ziemlich grosse Kerne, deren jeder mit einem grossen Nucleolus versehen ist. Die Eihülle ist deutlich doppelt contourirt, liegt im frischen Zustand dem Dotter eng an, ist dagegen an den mit Rea- gentien behandelten Objecten meist von seiner Oberfläche etwas ab- gehoben. Der Dotter ist vollkommen durchsichtig und besteht aus Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 11 einer homogenen Grundsubstanz mit kleinen hellen Körnchen. Das Keimbläschen in seiner Mitte ist von geringerer Grösse, als man es in gleich grossen Eizellen sonst anzutreffen pflegt. Während es z. B. im kleinen Ei des Toxopneustes einen Durchmesser von 53 u besitzt, misst es hier nur 28u. Es ist von einer sehr zarten Membran be- grenzt und wird von einem Kernsaft erfüllt, der sich in Carmin viel stärker als der Dotter imbibirt. Weiter enthält es einen einzigen Yu grossen Keimfleck, welcher meist eine mehr oder weniger grosse Vacuole in seinem Innern birgt. In der Umgebung des Keimflecks, meist auf einer Seite, trifft man stets noch auf eine geringe Anzahl kleiner Körnchen und Kügelchen, die sich gleichfalls in Carmin in- tensiv gefärbt haben und daher trotz ihrer Kleinheit deutlich wahr- zunehmen sind. Einige dieser Kügelchen bergen sogar in ihrer Mitte. wie sich oft deutlich erkennen lässt, eine kleine Vacuole. Nach dem hier angeführten Verhalten scheinen sie daher gleich dem Keimfleck aus Kernsubstanz zu bestehen. Während in der Regel das Keimbläschen in der Mitte des Eies liegt, habe ich es zuweilen auch mehr der Peripherie genähert und in einigen Fällen selbst ganz an der Oberfläche angetroffen und zwar dann an dem Pol, welcher der Insertion des Bindegewebs- stranges gegenüberliegt. Einer abnormen Bildung will ich hier kurz gedenken, welche zwar nur einmal an den durchmusterten Objecten angetroffen wurde, mir aber einigen Werth zu besitzen scheint, insofern sie sich an ver- einzelte Angaben früherer Forscher anreiht. Die Beobachtung be- trifft das Vorkommen zweier Keimbläschen in einem reifen Ei. Die- selben lagen im Centrum dicht bei einander und enthielten ein jedes einen 9u grossen Keimfleck und neben diesem einige Nebenkügel- chen. Hiervon abgesehen war das Object den übrigen gleich be- schaffen. Bei den in Reifung begriffenen Eiern, von denen meist drei bis sechs an einem Ende des Fadens beisammen liegen, findet man das Keimbläschen in einem veränderten Zustande. In einigen Fällen war in seinem Innern der Keimfleck in zwei oder drei Stücke zer- fallen. An andern Objecten war die Membran des Keimbläschens aufgelöst, so dass an der Stelle desselben im Dotter nur noch eine verschwommene, körnchenfreiere und daher hellere Stelle bemerkbar war. In dieser liessen sich jetzt noch bei Osmium-Carminbehand- lung Theile des Nucleolus sichtbar machen. In den verschiedenen Objecten verhielten sich dieselben in ihrer Beschaffenheit nie völlig 12 Oscar Hertwig gleich. In zwei Eiern lag im Centrum von einem körnchenfreien Hof umgeben ein einziger rubinroth gefärbter Körper, der in Grösse dem Keimfleck vollkommen entsprach. In anderen Präparaten be- fanden sich an gleicher Stelle zwei oder drei aus Kernsubstanz be- stehende, ungemein deutlich durch ihre Färbung aus dem Dotter hervortretende kleinere Stücke, die unregelmässige Ränder und Fort- sätze besassen, wie Nucleoli, die amöboide Bewegungen ausführen (Taf. I, Fig. 2). Auch hier liess sich meist in ihrer Umgebung ein hellerer Hof unterscheiden. An anderen Eiern endlich waren auch diese Kernreste verschwunden, und an schlecht gelungenen Präparaten, an solchen, wo die Osmiumsäure nicht genügend er- härtet hatte oder die Carminfärbung zu hell oder zu dunkel ausge- fallen war, schien es, als ob jetzt das Keimbläschen in allen seinen Theilen aufgelöst, mithin eine kernlose Dottermasse vorhanden sei. Indessen kann man sich an wohlgelungenen Carminosmiumpräparaten, sowie bei Behandlung mit Essigsäure in der schon früher angegebenen Weise leicht vom Gegentheil überzeugen. Man sieht dann, dass in der Eizelle ein spindelförmiges Gebilde sich vorfindet (Taf. I, Fig. 3—4), das vermöge seiner zarten und eigenthümlichen Beschaffenheit sich leicht dem Auge des Beobachters entzieht. Dies ist das Stadium, welches von Frey, RATHKE, ROBIN und anderen mit grosser Be- stimmtheit als kernlos bezeichnet worden ist. Die Lage der Spindel in dem Ei ist eine verschiedene. Entweder nimmt sie die Mitte desselben ein (Taf. I, Fig. 3) oder sie ist mehr nach der Peripherie zugerückt, meist aber liegt sie ganz an der Ober- fläche an dem Pole des Eies, welcher der Insertion des Bindegewebs- stranges abgewendet ist, mithin genau an der Stelle, welche das Keimbläschen, wenn es sich der Peripherie genähert hat, auch ein- nimmt (Taf. I, Fig. 4). In letzterem Falle ist die Spindel in regelmässiger Weise mit ihrer einen Spitze der Oberfläche, mit ihrer andern ungefähr der Mitte des Eies zu gerichtet. Bei centraler Lage wird sie meist von einem körnchenfreien Hofe umgeben in derselben Weise, wie die durch den Zerfall des Keimflecks entstandenen Kern- theile. In seinem Bau zeigt uns das spindelförmige Gebilde jene cha- racteristische Beschaffenheit, welche in der Neuzeit von Kernen, die zur Theilung sich anschicken, von mehreren Seiten in übereinstim- mender Weise beschrieben worden ist. Wir können es daher schon Jetzt mit Sicherheit als Kern des Eies deuten. Die Spindel ist durch- schnittlich 6u. breit. und 25 vu lang. Sie besteht aus einer kleinen Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 13 Anzahl sehr feiner paralleler Fasern, die nach den beiden Enden zu eonvergiren und in zwei Spitzen zusammenlaufen. In ihrer Mitte sind die Fasern zu einem kleinen Knötchen verdickt, welches das Licht stärker bricht und daher von einer dichteren Substanz gebildet wird. In Chromsäure, Essigsäure und Osmiumsäure nimmt das Korn bei der Gerinnung einen intensiven Glanz an, in Carmin färbt es sich dunkelroth, so dass es vermöge dieser Eigenschaften von den übrigen Dottertheilen deutlich unterschieden ist. Es fällt daher auch dieser Theil des Kerns, welcher von STRASBURGER als Kernplatte, von mir als mittlere Verdichtungszone benannt worden ist, dem Be- obachter jederzeit am meisten in die Augen, und lenkt auch schon bei schwächerer Vergrösserung seine Aufmerksamkeit auf den Ort, wo die sonst schwer wahrnehmbare Spindel liegt. Wenn man die- selbe von der Fläche betrachtet, so bilden die Anschwellungen der Fasern eine Querreihe, welche die Spindel in eine vordere und hin- tere Hälfte gleichmässig sondert. Von oben betrachtet treten sie uns zu einem Kreis angeordnet als eine kleine Körnchenscheibe entgegen. Auch die Spitzen der Spindel sind durch einige besondere Eigen- schaften ausgezeichnet und kenntlicher gemacht. Einmal werden sie gleichfalls von verdichteter Kernsubstanz gebildet, welche entweder zu einem einzigen dunklen Kern angesammelt, oder auf eine kleinere Anzahl solcher vertheilt ist. Zweitens sind sie von einem kleinen hellen Protoplasmahof umgeben, um welchen die Dotterkörnchen eine radiäre Anordnung besitzen. Namentlich deutlich tritt dieser Strahlen- kranz um die Spindelenden bei Essigsäure- und Chromsäurebehand- lung hervor. Zur Vervollständigung dieser Schilderung muss ich auch einige Befunde erwähnen, in denen die Kernspindel noch nicht die eben be- schriebene regelmässige Beschaffenheit angenommen hat. Es scheinen mir daher hier frühere Bildungsstadien vorzuliegen. Ein derartiges, mit Essigsäure behandeltes Präparat ist auf Tafel II, Figur 5 dar- gestellt. In der Mitte des Eies erblickt man nahe bei einander zwei kleine homogene Höfe, um welehe die Dotterkörnchen zu Radien aneinander gereiht sind. Zwischen diesen beiden Strahlensystemen erkennt man ausserdem eine Anzahl dunkel geronnener, unregel- mässig geformter Körperchen, welche ihrer Consistenz und ihrem Glanz nach zu urtheilen aus Kernsubstanz bestehen. In andern Fällen, die augenscheinlich einem weiteren Entwicklungsstadium an- gehören, trifft man an Stelle der unregelmässigen Körperchen, ein fasriges, noch undeutlich begrenztes Gebilde von annähernd spindel- 14 Oscar Hertwig förmiger Gestalt. In seiner Mitte traten auch kleine, verdichtete Körnchen auf, die aber noch nieht zu einer regelmässigen Körnchen- scheibe angeordnet sind. Auffällig war, dass häufig an solchen Präparaten neben einem der beiden Spindelenden noch ein kleines rundes Kiigelchen zu bemerken war, das sich in Carmin besonders intensiv färbte und daher wohl auch als Kerntheil in Anspruch ge- nommen werden muss. Wenn das Keimbläschen geschwunden und die Kernspindel an seine Stelle getreten ist, so lösen sich die jetzt reif gewordenen Eier von den Stielen ab, durch welche sie mit dem zelligen Faden verbunden sind und gerathen zunächst in die eiweissreiche Flüssig- keit, welche das Ovarium erfüllt. Wie lange sie hier verharren, ehe sie abgelegt werden, liess sich nicht weiter feststellen. Die in der Flüssigkeit des Ovarium schwimmenden Eier ge- währen einen sehr verschiedenartigen Anblick. Einige gleichen voll- kommen den Eiern mit peripherer Spindel, wie wir sie oben kennen gelernt haben und wie wir sie auch in den frisch abgelegten Cocons wieder antreffen werden; andere dagegen zeigen eigenthümliche Ver- änderungen in ihrem Dotter (Taf. I, Fig. 5). Derselbe hat sich in eine körnchenfreie, glasig durchscheinende und in eine körnige, dunklere und festere Substanz gesondert. Erstere erfüllt die Mitte des Eies, letztere bildet hauptsächlich eine zusammenhängende, un- regelmässig dicke Rindenschicht, die zum Theil in kleine Klümp- chen zusammengeballt im Innern der glasigen Masse liegt. Weiter- hin stösst man auf Eier, in denen die Dotterkugel zerfallen ist und nur noch Reste derselben in der mit Flüssigkeit erfüllten Hülle schwim- men. Endlich findet man auch ganz leere zusammengefallene Mem- branen in dem Safte des Ovarium vor. Wenn wir bei der Beurtheilung der so eben dargestellten Be- funde mit in Rechnung bringen, dass in die Cocons Eier, wie die zuletzt beschriebenen, nie abgelegt werden, so wird sieh die Deutung rechtfertigen, dass wir es in allen diesen Fällen mit einer verschie- den weit vorgeschrittenen regressiven Metamorphose der Eier zu thun haben. Mit diesen Angaben stimmen auch die Beobachtungen von LeypiG !) überein, der bei Piscicola gleichfalls viele Eier antraf, »die eine wohl rückgängige Metamorphose anfangen. Ihre Gestalt ) Leypic. Zur Anatomie von Piseicola geometrica mit theilweiser Ver- gleichung anderer einheimischer Hirudineen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Base pag. 125. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 15 nämlich war unregelmässig geworden; die die Dotterkugel becher- förmig umgebende Zellenschicht war auseinander gewichen; der Dotter selbst war zu einem unregelmässigen, weit von der Dotterhaut ab- stehenden Klumpen zusammengeschrumpft«. Auch bei Haemopis fand Leypie im Vorfrühling in dem Saft des Ovarium immer aufgerissene leere Eihüllen. Von Interesse war mir an den in Rückbildung begriffenen Eiern die Wahrnehmung, dass der spindelförmige Kern lange Zeit voll- kommen gut erhalten bleibt (Taf. I, Fig. 5). Er lässt sich hier sogar, da er stets in der glasigen Partie des Dotters lagert, mit grösserer Deutlichkeit von seiner Umgebung unterscheiden, als in den normalen Eiern, wo er von dichtem Dotter umschlossen ist. Man kann hier unzweifelhaft feststellen, dass die Spindel ein wohl- begrenzter Körper ist, von dessen beiden Spitzen protoplasmatische Fäden radienartig in die gallertige Grundsubstanz auf grössere Ent- fernung hineinstrahlen. In weiter rückgebildeten Eiern erleidet auch die Spindel in Gestalt und Zusammensetzung Veränderungen, die mir kein Interesse zu bieten scheinen und daher übergangen werden können. An den Schluss dieser Beobachtungsreihe knüpfe ich noch die Bemerkung an, dass ich bei Haemopis in dem Ovarium selbst nie Spermatozoen angetroffen habe, sondern nur in der Scheide, in welche bei der Begattung die Spermatophoren eingeführt werden. Im Vergleich zu Haemopis ist Nephelis vulgaris, die zweite von mir untersuchte Hirudineenart, ein ungeeignetes Object, um die Um- wandlung der Eier im Ovarium zu verfolgen. Die weiblichen Ge- schlechtsorgane bilden hier zwei lange, unregelmässig weite Schläuche, die eine Sonderung in Scheide, Eileiter und Ovarium nicht aufweisen, sondern sich nahezu gleichartig von der Ausführungsöffnung bis zum Ende verhalten. Wie bei Haemopis sind sie von Flüssigkeit erfüllt. In dieser liegt aber nicht ein einzelner zelliger Faden, sondern mehrere verschieden grosse Zellgruppen von spindelförmiger Gestalt, die im Eischlauch hintereinandergereiht sind. Diese Körper sind ähnlich wie der verschlungene Faden bei Haemopis von einer kleinzelligen Masse gebildet, in welcher kleinere und grössere Eier eingebettet sind. Dagegen unterscheiden sie sich von ihm dadurch, dass die reifen Eier nie an Stielchen über die Oberfläche hervorragen und sich daher der Untersuchung mehr entziehen. In der Flüssigkeit, welche den Zwischenraum zwischen diesen zelligen Körpern und der Membran das Ovarium ausfüllt, finden sich theils einzelne abgelöste 16 Oscar Hertwig reife Eier, theils auch in Rückbildung begriffene; ausserdem sehr zahlreiche Spermatozoen, welche von den bei Nephelis direct in das Ovarium eingeführten Spermatophoren herrühren. An den reifen Eiern, deren Bau wir bei der Untersuchung der frisch gelegten Co- eons kennen lernen werden, hat sich der Dotter von der Eihaut weit zurückgezogen. In dem so entstandenen Zwischenraum schwimmen viele Samenfäden, die mithin schon innerhalb des Ovarium, wie be- reits Roprs und LeypvıG mitgetheilt haben, durch die Eihaut ein- dringen. Ueber die Umwandlung der reifenden Eier habe ich an diesem Objeet wegen der Ungunst der Verhältnisse keine Beobachtungen angestellt. Doch hielt ich diese kurzen Mittheilungen für nothwen- dig, um die im historischen Theil referirten Angaben Rogın’s zu be- richtigen. Wie aus meiner Schilderung hervorgeht, entstehen die Eier nicht, wie RoBın angibt, im Innern eines Spermatophor, viel- mehr sind die von ihm als Ovospermatophore beschriebenen Zell- sruppen, Gebilde, welche dem einfachen Eifaden bei Haemopis ent- sprechen und jedenfalls auch schon im unbefruchteten, geschlechts- reifen Thier vorhanden sind. Ein Unterschied von Haemopis wird dadurch mit herbeigeführt, dass die Samenfäden bei Nephelis bis in das Ende des Eischlauches vordringen können, wo sie auch die noch unreifen Eizellen umlagern. Ich stimme daher mit Leuckarr über- ein, der in seinem Werke über menschliche Parasiten in einer An- merkung hervorhebt, dass Rosin wohl offenbar von dem Eierstocks- faden, der jederzeit und schon lange vor der Begattung vorhanden ist, sich habe täuschen lassen. Beurtheilung der Beobachtungen. Von den Beobach- tungen, die ich über die Reifung der Eier im Ovarium mitgetheilt habe, bedürfen einige wie namentlich die am Keimbläschen ein- tretenden Veränderungen und die Entstehung der Spindel eine nähere Erklärung und Deutung. Es gilt hier die Frage zu entscheiden. ob und welcher Zusammenhang zwischen den Kernen des unreifen und des. reifen Eies besteht. Bürschtı hält die Spindel, deren Entstehung er bei den Hiru- dineen selbst nicht untersucht hat, für das umgewandelte Keim- bläschen. Diese Deutung lässt sich mit den geschilderten That- | sachen nicht vereinbaren. Namentlich spricht gegen sie die ganz erhebliche Grössendifferenz zwischen den beiden Kernformen. Diese Schwierigkeit lässt sich nicht durch die Annahme heben, dass eine Schrumpfung des Keimbläschens vor seiner Umwandlung eingetreten Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 17 sei. Denn wäre in der That das geringe Volum der Spindel durch 'Schrumpfung bedingt, dann müssten sich auch auf den Uebergang- stadien Schrumpfungserscheinungen nachweisen lassen; da das Keim- bläschen von einer deutlich eontourirten Membran umgeben ist, so müssten an dieser durch den Austritt von Flüssigkeit Einfaltungen her- vorgerufen werden, wie sie in andern Fällen an schrumpfenden Kernen wahrgenommen werden können !). Weiter sollte man erwarten, dass die Spindel selbst mit einer deutlichen Membran versehen ist. Eine solehe scheint mir aber entweder ganz zu fehlen, oder sie besitzt, wenn sie vorhanden ist, jedenfalls eine viel zartere Beschaffenheit als die Keimbläschenmembran. Ganz unvereinbar mit der Deutung Bürschur's sind endlich die häufig erhaltenen Befunde von reifenden "Eiern, in denen vom Keimbläschen nur noch der Keimfleck oder Theilstücke desselben erhalten waren. Wenn wir somit von der Ansicht, dass die Spindel aus dem Keimbläschen direet durch Umwandlung entsteht, Abstand nehmen müssen, so ist damit noch keineswegs gesagt, dass jeder genetische Zusammenhang zwischen den beiden Kernformen fehlt. Für das Be- stehen eines solchen lassen sich im Gegentheil eine Anzahl triftiger Gründe geltend machen. Von diesen scheinen mir namentlich fol- gende die grösste Tragweite zu besitzen: 1) Die Lage der beiden Kerne stimmt überein. Keimbläschen sowohl als Spindel liegen entweder in dem Centrum des Eies oder an einer bestimmten Stelle seiner Peripherie der Anheftungsstelle des Bindegewebsstranges gegenüber oder auf der Verbindungslinie beider Puncte. 2, Die im Centrum des Eies gelegene Kernspindel ist häufig von einem hellen körnchenfreien Hof umgeben, der etwa dem Uni- fang des Keimbläschens entspricht und von seiner Auflösung herzu- rühren scheint. 3) Bei der grossen Anzahl Eier, die auf den verschiedensten Stufen ihrer Entwicklung untersucht wurden, konnte ein kernloses Zwischenstadium nie beobachtet werden, vorausgesetzt, dass die Objecte in geeigneter Weise mit Reagentien behandelt worden waren. 4) Die Befunde bei der Auflösung des Keimbläschens und der Spindelbildung lassen sich in einer zusammenhängenden Reihe an- !) Vergleiche hierüber die am Keimbläschen des Froscheies gemachten Be- obachtungen. Morpholog. Jahrbuch. 3. bo 18 Oscar Hertwig ordnen. Namentlich führen die Bilder, wo die Membran des Keim- bläschens aufgelöst und der Keimfleck in einzelne Stücke getheilt ist (Taf. I, Fig. 2), zu den Bildern über, wo inmitten zweier Strahlen- systeme eine Anzahl kleiner Körperchen liegt, die aus Kernsubstanz bestehen (Taf. II, Fig. 5). Die angeführten Gründe bestimmen mich einen Zusammenhang zwischen beiden Kernformen anzunehmen und glaube ich dann meine Beobachtungen in folgender Weise deuten zu müssen: Bei der Reife des Eies erleidet das Keimbläschen eine Reihe von Veränderungen, indem sein Keimfleck in verschiedene Stücke zer- fällt, seine Membran sich auflöst und der Kernsaft sich zum Theil mit dem Dotter vermischt. Diese Veränderungen verlaufen in ge- wisser Hinsicht unabhängig von einander, indem der Keimfleck noch bestehen kann, wenn schon die Membran des Keimbläschens aufge- löst ist und umgekehrt. Aus den Theilstücken des Nucleo- lus und einem Rest des Kernsaftes entsteht ein fasri- ger, spindelförmiger Kern. Die Art und Weise seiner Bildung aus den genannten Theilen hat sich genauer nicht beobachten lassen, und es muss dahingestellt bleiben, ob der ganze Nucleolus oder nur ein Theil desselben und ob die Nebenkügelchen in die Zusammen- setzung der Spindel mit eingehen. Wahrscheinlich liegen hier Vor- gänge von complieirter Natur vor, die der Beobachtung kaum oder nur sehr schwer zugänglich sind. Der die Spindelbildung einleitende Zerfall der Kernsubstanz er- innert an Befunde, die BürscaLiı!) bei Euplotes Charan, mein Bruder?) bei Spirochona erhalten hat. Bei Euplotes schwellen die Nebenkerne an und ihre Kernsubstanz sondert sich in eine Anzahl isolirter dunk- ler Körner, ehe die Umwandlung in die spindelförmigen Kapseln erfolgt. Aehnliches geht der fasrigen Differenzirung des Kerns bei Spirochona voraus. Wenn die Auflösung des Keimbläschens in der Mitte des Eies stattgefunden hat, rückt die Spindel an die Peripherie vor und kömmt hier in die Richtung eines Eiradius zu liegen. In andern Fällen, wo schon das Keimbläschen selbst vor seiner Umbildung die beschriebene Lageveränderung erlitten hat, nimmt die sich bildende Spindel gleich die periphere Stellung ein. ') Bürsentı. Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle ete. Abhandl. d. SENKENB. naturf. Gesellsch. Bd. X pag. 122. *) RiCcHARDHERTWIG. Ueber den Bau und die Entwicklung von Spirochona gemmipara. Jenaische Zeitschrift. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 19 Das reife Ei löst sich von seiner Keimstätte ab und gelangt in die das Ovarium erfüllende Flüssigkeit. Hier bildet ein Theil der Eier sich zurück, zerfällt und dient wahrscheinlich zur Ernährung der übrigen. Nur ein Bruchtheil bleibt entwicklungsfähig, ihr Dot- ter zieht sich von der Eihaut weiter zurück. Spermatozoen dringen, bei Nephelis schon im Ovarialschlauch, bei Haemopis erst in der Scheide, in den entstandenen Zwischenraum, in grosser Anzahl ein. Eine Weiterentwicklung erfahren diese Eier aber erst nach ihrer Ablage in die Cocons. 2. Die ersten Entwicklungsvorgänge des Eies im Cocon. Im frisch gelegten Ei von Nephelis ist der Dotter von der Ei- haut durch einen weiten Zwischenraum getrennt, in welchem zahl- reiche bereits im Ovarium eingedrungene Spermatozoen liegen. Der Dotter zeigt die characteristische Beschaffenheit, auf welche BürschLı aufmerksam gemacht hat und welche darin besteht, dass an seiner Oberfläche eine sehr dünne, homogene kérnchenfreie Rindenschicht sich vorfindet und dass die Dotterkörnchen in netzförmig sich ver- bindenden Reihen angeordnet sind. Bei Behandlung mit Alkohol hebt sich von der Rindenschicht des Eies ein sehr feines Häutchen ab. Ob dasselbe durch Gerinnung aus der umgebenden etwas gal- lertigen Flüssigkeit oder durch Abscheidung aus dem Protoplasma entsteht, lasse ich dahingestellt. An einer Stelle der Eiperipherie findet sich in der schon früher beschriebenen radiären Lage noch unverändert der spindelförmige Kern mit je einem kleinen Strahlen- kranz an seinen beiden Enden. Während der ersten halben Stunde nach der Ablage des Co- eons treten im Ei nur geringfügige Veränderungen am Kern und an dem ihn zunächst umgebenden Dotter ein (Taf. II, Fig. 1). Im Kern verlängern sich die Stäbchen der mittleren Verdichtungszone (der Kernplatte STRASBURGER’s), im Dotter vergrössern sich die ho- mogenen Höfe an den beiden Enden der Spindel und die radienartige Strahlung wird schärfer und dehnt sich auf eine immer grösser werdende Partie des Eies aus. Am auffälligsten ist diese Verände- rung an dem peripheren Pole des Kerns, wo an der Oberfläche des Dotters durch das Zurückweichen der Körnchen ein heller homoge- ner Ausschnitt entstanden ist, der auch am lebenden Objecte leicht ‚gesehen werden kann. 20 Oscar Hertwig Etwa nach drei viertel Stunden beginnt die Bildung des ersten Richtungskörpers an der Stelle, an welcher die Spitze der Spindel die Oberfläche berührt (Taf. II, Fig. 2). Hier wölbt sich die im hellen Ausschnitt angesammelte homogene Substanz über die Ober- fläche der Dotterkugel hervor und bildet einen kleinen Hügel, des- sen Basis von der peripheren Strahlung der Spindel umgeben ist. Nach einiger Zeit verlängert sich der Hügel und nimmt eine coni- sche Form an, seine Basis verschmälert sich und wird endlich durch eine ringförmige Furche eingeschnürt (Taf. II, Fig. 3). Aus dem Hügel entsteht so ein kleines Kügelchen, das homogenes Pro- toplasma enthält und einzelne wenige Dotterkörnchen einschliesst. Durch einen kurzen dieken Stiel hängt es mit der Oberfläche des Dotters, der wieder Kugelgestalt angenommen hat, zusammen. Der erste Richtungskörper ist hiermit gebildet. Während diese schon am lebenden Objecte wahrnehmbaren Vor- gänge an der Eioberfläche sich abspielen, treten gleichzeitig auch an der Kernspindel wichtige Umbildungen ein. In gleichem Maasse als der Plasmahügel sich emporwölbt, rückt sie von dem Centrum des Eies noch weiter ab, indem ihr peripheres Ende an der höchsten Spitze des Hügels gleichsam angeheftet bleibt (Taf. II, Fig. 2). Ihre mittlere Verdichtungszone spaltet sich in zwei Hälften, die seitlichen Verdichtungszonen; diese rücken, wie man bei Durchmusterung einer grösseren Anzahl von Präparaten durch Combination feststellen kann, allmälig weiter auseinander (Taf. II, Fig. 3). Durch feine Fäden bleiben die Kérnchen der beiden Verdichtungszonen untereinander in Verbindung. Infolge dieser Veränderungen hat die Spindel an Länge erheblich gewonnen. Sie kommt daher, wenn die Absehniirung der conischen Hervorwölbung und die Bildung des ersten Richtungs- körpers eintritt, zur Hälfte in diesen, zur Hälfte in die oberfläch- liche Schicht des Dotters zu liegen. Zu dieser Zeit hat auch die Strahlung an den beiden Enden der Spindel etwas abgenommen. Namentlich gilt dies für den im Richtungskörper liegenden Theil. Hier erkennt man nur eine sehr undeutliche und wenig ausgeprägte radiäre Anordnung der Plasmatheilchen, um ein dunkles Korn, die peripher gelegene Spitze der Spindel. ; Die weiteren Veriinderungen, die unmittelbar an die Abschnii- rung des ersten Richtungskörpers sich anreihen, sind unbedeutend und bestehen hauptsächlich darin, dass der anfangs kurze und dicke Stiel desselben sich verdünnt und verlängert (Taf. II, Fig. 4). Hier- durch wird die Plasmakugel, was sich namentlich gut an Osmium- Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 21 präparaten erkennen lässt, in den Raum zwischen Dotter und Ei- hülle weit hineingeschoben. Die beiden Spindelenden werden noch beträchtlich weiter von einander entfernt und ebenso vergrössert sich auch der Abstand zwischen den beiden Körnchenzonen , zwischen der im Richtungskérper und der in der Dotterrinde gelegenen. Feine Fasern nehmen von beiden ihren Ursprung, ob diese aber noch den verlängerten Stiel durchsetzen und untereinander zusammenhängen, liess sich bei der Kleinheit und schwierigen Natur des Gegenstan- des nicht mehr erkennen. BürscHLı, dessen Angaben über Lage und Beschaffenheit der Körnchen und Kernfäden mit meinen Beobach- tungen übereinstimmen, beschreibt eine solehe Verbindung. In der hier gegebenen Schilderung habe ich eine solche Lage- rung des Untersuchungsobjectes vorausgesetzt, in welcher Ei und Richtungskörper neben einander in der Ebene des Objectträgers sich befinden. In der Kernspindel sieht man bei dieser Lage die mittlere Verdiehtungszone und später die aus ihr durch Spaltung entstehen- den seitlichen Zonen als eine oder als zwei Reihen dunkel glänzen- der Körnchen. Vervollständigt wird diese Anschauung durch Prä- parate, an denen man von oben auf den Richtungskörper sieht. Von der Spindel lassen sich jetzt nur die beiden Verdichtungszonen erkennen, wobei man den Tubus des Mikroskops bald höher bald tiefer einstellen muss. Dieselben erscheinen als zwei Kreise glän- zender Körnchen, von welchen der eine die Mitte des Riehtungskör- pers einnimmt, der andere dicht unter der Dotteroberfläche liegt. Zur Zeit wo die zuletzt beschriebenen Umbildungen an der Spindel beobachtet wurden, ist an der Oberfläche des Eies in der dem Richtungskérper abgewandten Hälfte eine ganz neue Erschei- nung aufgetreten (Taf. II, Fig. 4). Ein kleiner, homogener Hof ist hier wahrzunehmen, um welchen die Dotterkérnchen eine deutlich strahlige Anordnung besitzen. Es bestehen mithin jetzt in der Eizelle zwei Strahlensysteme, welche durch einen ziemlich beträchtlichen Zwischenraum getrennt sind und keinerlei Zusammenhang unterein- ander haben. Die eine Sonne gehört dem im Dotter gebliebenen Ende der Kernspindel an, die zweite Sonne ist neu entstanden; in welcher Weise, konnte von mir nicht festgestellt werden. Die im Ei jetzt weiterhin zu beobachtenden Veränderungen füh- ren zur Bildung des zweiten Richtungskörpers über. Etwa zwei Stunden nach Ablage der Cocons erkennt man im Dotter wieder eine völlig ausgebildete Spindel, welche die Stelle einnimmt, wo früher die auf dem letzten Stadium beschriebene Spindelhälfte 22 Oscar Hertwig lag (Taf. I, Fig. 6). In welcher Weise sie aus dieser entstanden ist, kann ich nicht entscheiden, da es mir nicht gelingen wollte, die vermittelnden Uebergangsstufen aufzufinden. Die Spindel besitzt etwa dieselbe Grösse wie die im frisch gelegten Ei beobachtete und besteht wie diese aus feinen Fäden, deren Mitte zu je einem dun- kel glänzenden Kern angeschwollen ist. Mit ihrem peripheren Ende stösst sie an den Stiel des Richtungskirpers, der sich in seiner Be- schaffenheit unverändert erhalten hat und daher auch noch die Scheibe der glänzenden Körnchen aufweist. An beiden Enden der Spindel hat sich ein homogener Hof mit radiärer Strahlung gebildet. Man bemerkt daher jetzt, da auch die isolirte strahlige Figur am ent- gegengesetzten Eipole noch fortbesteht, im Ganzen drei Strahlen- systeme in der Eizelle. Dieselben nehmen bald an Ausdehnung mehr zu, indem die Radien sich verlängern und zugleich deutlicher werden. Es wiederholen sich nun von hier ab dieselben Erscheinungen, welche wir schon bei der Bildung des ersten Richtungskörpers ken- nen gelernt haben. Am peripheren Ende nimmt die Ansammlung der homogenen Substanz zu. Dann wölbt sie sich, etwa eine halbe Stunde nach dem Entstehen der zweiten Spindel, hügelartig über die Eioberfläche hervor und drängt den erst geformten Richtungskörper, der auf der Spitze des Hügels befestigt ist, gegen die Dotterhaut an (Taf. III, Fig. 1). Gleichzeitig hat die Spindel, welche der sich hervorwölbenden Substanz gefolgt ist, an Länge zugenommen, ihre mittlere Verdichtungszone ist wieder in zwei Hälften zerfallen, so dass jetzt in der Flächenansicht zwei Körnchenreihen wahrzunehmen sind. Dieselben liegen zunächst nahe bei einander und sind durch feine Fäden verbunden. An später abgetüdteten Eiern dagegen trifft man sie weiter auseinandergerückt. Hierdurch- kömmt die eine Körn- chenreihe nahe an die Oberfläche des Hügels, die andere unterhalb der Eiperipherie zu liegen. Zwischen beiden nimmt man noch eine streifige Bildung wahr, als ob Fäden von einer Zone zur andern verliefen. An einer weiteren Reihe von noch älteren Präparaten (Taf. II, Fig. 2) kann man dann verfolgen, wie der Hügel an seiner Basis sich mehr und mehr verdünnt und einschnürt, bis eine zweite Plas- makugel entstanden ist, die durch einen anfänglich diekeren, dann dünner und länger werdenden Stiel zunächst noch an dem Ei angeheftet bleibt. In ihrem Innern schliesst die Kugel die eine Hälfte der noch mehr verlängerten Spindel ein, während die andere Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 23 Hälfte im Ei zurückbleibt. An Grösse übertrifft dieser zweite Rich- tungskörper etwas den zuerst gebildeten. Die auf diesem Stadium erhaltenen Präparate zeigen uns bei genauerer Untersuchung folgende Beschaffenheit. An dem einen Pol des Eies liegen die zwei nach einander abgeschnürten Richtungs- körper, ein zuerst ge/ormter kleinerer und ein nach ihm entstandener etwas grösserer. Sowohl unter sich als mit dem Dotter hängen sie durch dünne Verbindungsstränge zusammen. Die beiden Körper be- stehen zum grossen Theil aus ziemlich körnchenfreier Dottersubstanz und enthalten, ein jeder in seiner Mitte, eine Körnchenscheibe. Im Dotter selbst treffen wir unterhalb der Anheftungsstelle der Rich- tungskörper eine halbe Kernspindel mit einer dritten Körnchenscheibe, die an allen Präparaten stets mit Deutlichkeit zu sehen war. Um das zugespitzte Ende der Spindelhälfte erkennt man noch einen ho- mogenen Hof und um diesen eine schwache radiäre Strahlung. Zu erwähnen ist auch, dass das isolirte Strahlensystem jetzt von der Oberfläche mehr nach der Mitte des Eies gerückt ist. In raschem Anschluss an die zuletzt beschriebenen Vorgänge spielt sich im Dotter eine dritte Reihe von Erscheinungen ab, die zur Bildung des Furchungskernes führen, und in ihrer Aufeinander- folge in den Figuren 3 bis 6 dargestellt sind. Die beiden Strahlen- systeme, welche nach der Abschnürung des zweiten Richtungskörpers allein noch im Dotter vorhanden waren, beginnen undeutlicher zu werden (Taf. II, Fig. 3). An der Stelle, wo früher die Kérnchen- scheibe der im Ei zurückgebliebenen Spindelhälfte lag, ist ein Häuf- chen kleiner Vacuolen aufgetreten, die dicht zusammengedrängt sind. Gleichzeitig hat sich im Centrum des Eies dort, wo das zweite Strahlensystem zuletzt seinen Platz eingenommen hatte, eine kleine Vacuole gebildet, um welche noch eine schwach radiäre Anordnung des Dotters sich erkennen lässt. Die vacuolenartigen Gebilde besitzen eine dunkelglänzende Rinde von dem Aussehen der Kernsubstanz, wodurch sie sich vom Dotter scharf abgrenzen. In dem von der Rinde umschlossenen flüssigen Inhalt sind kleine, dunkle Kérnchen suspendirt. Bald nehmen die in der Eiperipherie aufgetretenen Vacuolen an Grösse zu und fliessen zu einem einfachen, gelappten Körper zu- sammen, der sich schon jetzt mit Sicherheit als ein Kern erkennen lässt (Taf. III, Fig. 4). Ebenso wächst auch die centrale Vacuole, die gleichfalls unzweifelhaft als Kern zu deuten ist. Jetzt wandert der periphere Kern auf den centralen zu, beide legen sich in der 24 Oscar Hertwig Mitte des Eies aneinander und platten sich an ihren Berührungs- flächen gegenseitig ab (Taf. IH, Fig. 5). Sie sind durch allmäliges Aufnehmen von Kernsaft zu zwei Blasen von ziemlich beträchtlicher Grösse angeschwollen. An Essigsäurepräparaten unterscheidet man an ihnen eine dichte Rindenschicht und einen flüssigen Inhalt, der von Körn- chenhaufen und netzartigen Strängen mit knotigen Anschwellungen durchsetzt ist. Diese Beschaffenheit ist indessen augenscheinlich ein durch die angewandte Essigsäure hervorgerufenes Kunstproduet, denn anEiern,. die mit | procentiger Osmiumsiiure zehn Minuten lang behan- delt worden sind, bleibt der Kerninhalt durchaus homogen und wird nur nach Aussen von einer etwas dichteren Rindenschicht abgegrenzt. Nach zahlreichen Messungen erreichen die Kerne im Durchschnitt den beträchtlichen Durchmesser von 20 p. Die Conjugation der beiden Kerne ist gewöhnlich’drei und eine halbe Stunde nach Ablage der Eier eingetreten. Eine Verschmelzung derselben zu einem einfachen Kern ist mir trotz Durchmusterung vieler Präparate nicht vor die Augen gekommen, auch nicht in den Cocons, in denen ich conjugirte Kerne und Eier in Vorbereitung zur Zweitheilung gleichzeitig antraf. Wahrscheinlich ist dieses Sta- dium daher von nur kurzer Dauer. Vielleicht findet auch die Ver- schmelzung in der Mehrzahl der Fälle erst dann statt, wenn die ab- geplatteten zwei Kerne sich zu strecken und zur Spindel umzuformen beginnen. Es bleiben mir jetzt noch einige Veränderungen nachzutragen, welche die Richtungskörper während der Vorgänge, die sich in der Eizelle abspielten, erlitten haben. Zur Zeit wo an der Eioberfläche die Kernvacuolen erschienen, sieht man in dem zuletzt ausgetretenen Riehtungskörper eine Anzahl kleiner Vaeuolen an der Stelle der Körnchenscheibe entstehen (Taf. UI, Fig. 3). Auch sie vergrös- sern sich ein wenig (Taf. III, Fig. 4) und bilden auf dem Stadium, wo im Eicentrum die zwei Kerne zusammengetreten sind, eine ein- zige grössere Vacuole, die eine dunklere Rindenschicht besitzt. Sie färbt sich in Carmin besonders nach vorausgegangener Osmium- behandlung stärker als die Umgebung (Taf. III, Fig. 5). Auch der zuerst entstandene Richtungskérper erhält sich nicht unverändert, sondern schnürt sich durch eine seichte Furche noch einmal ein, so dass jetzt im Ganzen drei Kugeln, zwei kleine und eine grössere zu unterscheiden sind (Taf. IH, Fig. 4). Wie sich hierbei die Körnchenscheibe verhält, ist mir nicht klar geworden. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 25 Einige Male wollte es mir scheinen, als ob sie in zwei zerfallen wäre. Die Verbindung der Richtungskörper mit dem Dotter erhält sich noch längere Zeit und löst sich erst, wenn das Ei sich zur Zwei- theilung anschickt. Nach ihrer Abtrennung bleiben sie an ihrer alten Stelle zwischen Ei und Dotterhaut liegen. Zu dieser Zeit ändert sich auch die Form der Richtungskörper. Die drei Portionen ver- einigen sich wieder zu einem Körper, der eine ovale, flache Scheibe darstellt. In dieser bemerkt man nach Osmium -Carminbehandlung drei kleine Körperchen, die sich lebhafter gefärbt haben. Beurtheilung der Beobachtungen. Die mitgetheilten Be- obachtungen') stimmen in vieler Hinsicht mit den Angaben Rogıv’s und Bürscuur's überein. Die genaue Darstellung, welche der fran- zösische Forscher von den äusserlich wahrnehmbaren Erscheinungen liefert, entspricht fast durchweg den von mir beobachteten Vor- gängen. Dagegen herrscht eine erhebliche Differenz zwischen un- seren beiderseitigen Mittheilungen, wo es sich um die Bestimmung der Dauer der einzelnen Entwicklungsprocesse handelt. Rosin lässt bei einer Temperatur von 12—14 Grad die Bildung der Richtungskörper in sehr constanter Weise erst 5—6 Stunden nach der Ablage der Cocons beginnen und etwa. 2!/.—3 Stunden dauern. Erst nach 10 Stunden soll die erste Spur von einem Furehungskern zu bemerken sein. Dagegen sah ich den ersten Richtungskörper stets schon 3/, Stunden nach der Ablage der Eier entstehen und fand schon die ersten zweigetheilten Eier nach etwa fünf Stunden vor. Die von mir gegebenen Bestimmungen sind aus einer grossen Anzahl von Fällen gewonnen, in denen bei isolirten Thieren die Eiablage beobachtet und die Zeit genau aufgezeichnet wurde. Hierbei muss ich jedoch hervorheben, dass ich nicht in allen Fällen die gleichen Zeitmaasse erhielt. So fand ich z. B. in einem Cocon den zweiten Richtungskörper, der in der Regel nach 2°/, Stun- 1) Die Weränderungen, welche zur Eitheilung führen, habe ich nicht ein- gehender untersucht. Einige gelegentlich gemachte Beobachtungen mögen hier eine kurze Erwähnung finden: Auf Taf. I Fig. 6 habe ich den Beginn der Spindelbildung dargestellt. In der grossen Spindel, welche einen gleichmässig fasrigen Bau zeigt, ist eine mittlere Verdichtungszone noch nicht entwickelt. Die Höfe und die radiäre Strahlung an den beiden Spindelenden sind schon sehr deutlich und ausgedehnt — die ersten zweigetheilten Eier wurden 5 Stunden nach der Ablage beobachtet. — Auf den späteren Theilungsstadien erscheinen in den vacuolenartigen Kernen regelmässig beschaffene runde Kügelchen aus Kernsubstanz, echte Nucleoli. 26 Oscar Hertwig den gebildet wird, erst nach 5 Stunden in der Abschnürung vom Dotter begriffen, also zu einer Zeit, wo sonst gewöhnlich das Ei sich zu furchen anfängt oder bereits getheilt ist. Solche Fälle glaube ich aber als anomale bezeichnen zu müssen, und hier schien mir die Verlangsamung in der Entwickelung dadurch veranlasst worden zu sein, dass in dem Reagensglas, in welchem die Nephelis isolirt ge- halten wurde, das Wasser schon älter als einen Tag und daher wahr- scheinlich an Sauerstoff arm war. Wenn ich von solchen Aus- nahmen absehe, so glaube ich, dass die von mir gemachten Zeitbestimmungen unter normalen Bedingungen sich als zutreffend herausstellen werden. Es ist mir daher unverständlich, wie die bedeutenden Differenzen in den Rosm’schen Zeitbestimmungen sich erklären lassen. Denn erst dann, wenn wir von denselben die ersten 5—6 Stunden, nach deren Ablauf die Bildung der Richtungskörper beginnen soll, wegstreichen, würden die übrigen Zeitangaben mit den meinigen übereinstimmen. Hinsichtlich der wichtigen Veränderungen, die im Innern der Eizelle sich vollziehen, finde ich in der Darstellung Rogın’s keine Ankniipfungspuncte, da die fasrig differenzirten Kernformen bei der vom französischen Forscher angewandten Methode auch nicht be- merkt werden konnten. Hier habe ich zum Theil durch meine Be- obachtungen die ganz neuen Angaben BürschLr’s bestätigen können: das Vorhandensein einer Spindel im frisch gelegten Ei, die Bethei- ligung derselben an der Bildung der Richtungskörper, das Auftreten eines isolirten Strahlensystems, die Entstehung des Furchungskerns aus zwei kleinen Kernchen, die allmälig anschwellen und ver- schmelzen. BürscnLis Figuren 1—7 (Tafel I) und ein Theil der von mir entworfenen gleichen sich ziemlich vollständig. Dagegen hat Bürschtı wichtige Uebergangsstadien nicht beobachtet, wie die Hervorwölbung eines Protoplasmahügels vor der Bildung des ersten und des zweiten Richtungskörpers und das wichtige Stadium, wo vor dem Auftreten der peripheren Kernvacuolen eine Spindelhälfte in der Dotteroberfläche liegt. Hierdurch und wohl auch durch all- gemeine Anschauungen veranlasst, die BürschLı sich beim Studium der Infusorien gebildet hat, ist er zu einer Deutung der Vorgänge gelangt, von welcher die meinige sowohl hinsichtlich der Entstehung der Richtungskérper als auch des Furchungskerns in jeder Beziehung abweicht. In den Richtungskörpern haben wir nach BürschLi’s Ansicht das spindelförmig metamorphosirte Keimbläschen vor uns, das aus Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 27 dem Ei herausgestossen worden ist und sich hierbei durch einen activen Theilungsprocess in zwei bis drei Abschnitte eingeschnürt hat. Um das auffällige Missverhältniss in der Grösse der beiden 'verglichenen Objecte zu erklären, nimmt BürschLı eine Quellung an, welche gleichzeitig bei der Ausstossung eintritt. Aus meinen Beobachtungen geht indessen hervor, dass der Richtungskörper nur zum kleinsten Theil vom Kern, in seiner Hauptmasse dagegen von ziemlich körnchenfreiem Protoplasma gebildet wird. Wir müssen daher auch den beobachteten Erscheinungen eine andere Deutung geben und werden hierbei aus den Veränderungen , welche wäh- rend der Entstehung der Richtungskérper an der Kernspindel und am Protoplasma beobachtet werden konnten, unser Urtheil zu bilden haben. Die fasrige Differenzirung des Kerns, die in der Spindel später eintretende Spaltung der mittleren Verdichtungszone in zwei Hälften, das Auseinanderrücken der so entstandenen seitlichen Verdichtungs- zonen entsprechen Punct für Punct den jetzt mehrfach constatirten Vorgängen bei der Kerntheilung. Es kann mithin keinem Zweifel unterliegen, dass eine Kerntheilung bei der Entstehung sowohl des ersten als des zweiten Richtungskörpers in regelmässiger Weise stattfindet. Nur ein Punct ist mir hier unklar geblieben. Derselbe betrifft die Bildung der zweiten Spindel. Nach dem gewöhnlichen Theilungsverlauf müsste die Spindelhälfte, welche nach der Ab- schnürung des ersten Richtungskörpers in der Dotterrinde zurück- bleibt, sich zunächst zu einem homogenen Zellkern umbilden, und dieser erst müsste wieder sich strecken und zur zweiten Spindel werden, welche bei der Entstehung des anderen Richtungskörpers sich betheiligt. Ich habe auch Präparate erhalten, welche mir für einen solchen Vorgang zu sprechen schienen; Präparate, an denen die Körnchen der im Ei gebliebenen Spindelhälfte sich mit Kernsaft etwas imbibirt hatten und kleine Vacuolen bildeten. Da ich indessen die übrigen Zwischenstadien nicht aufgefunden habe, so kann ich die andere Möglichkeit, dass vielleicht die Spindelhälfte auf directem Wege zur zweiten Spindel sich ergänzt, nicht ganz von der Hand weisen. An Objecten, die neue continuirliche Beobachtung gestatten, wird sich dieser zweifelhafte Punct leicht entscheiden lassen. Wenn wir jetzt zweitens die Veränderungen am Dotter in das Auge fassen, so treten uns hier dieselben characteristischen Erschei- nungen entgegen, welche bei der Zelltheilung in der Neuzeit beob- achtet worden sind. An den beiden Enden der Spindel sammelt 28 Oscar Hertwig sich homogenes Protoplasma an und bildet daselbst einen hellen Hof und eine Strahlenfigur. Diese Plasmastructuren sind einige Zeit vor der Entstehung eines jeden Richtungskörpers wenig ausgebildet, nehmen dann aber an Umfang und Deutlichkeit zusehends zu und erreichen den Höhepunet ihrer Entwicklung, wenn in der Spindel die mittlere Verdichtungszone sich gespalten hat. Wie bei der Zell- theilung, so führen auch hier die hervorgehobenen Veränderungen zu einer Sonderung des Dotters in zwei Theile. Indem das am peripheren Ende der Spindel angesammelte Protoplasma sich zu einem Hügel emporgewölbt und durch eine Furche allmälig ab- sehniirt, entstehen zwei Theilproducte, von denen ein jedes eine Hälfte des langestreekten spindelförmigen Kerns einschliesst, auf der einen Seite ein kleines Plasmakiigelchen — der Richtungs- körper —, auf der andern Seite eine grosse Dotterkugel — das Ei —. Aus den hier angestellten Betrachtungen geht klar hervor, dass die Bildung eines jeden Riehtungskörpers nach Art der Zelltheilung erfolgt. Wenn wir hierzu noch weiter in Betracht ziehen, dass die Theilproduete von so ungleicher Grösse sind, dann werden wir den Process genauer als Zellknospung bezeichnen müssen. Die an den Richtungskörpern nach der Knospung beobachteten Veränderungen verlangen jetzt noch eine nähere Beurtheilung. Im Allgemeinen vollziehen sich dieselben wenig in der Weise, welche man nach analogen Vorgängen zu erwarten berechtigt wäre. Eine Ausnahme macht nur der zweite Riehtungskörper, welcher gleich nach seiner Abschnürung dieselben Umbildungen, wie eine durch ‘ Theilung entstandene Tochterzelle erleidet. Indem die Verdichtungs- zone der ihm angehörenden Spindelhälfte mit Kernsaft sich imbibirt, indem die so gebildeten kleinen Vaeuolen zu einer einzigen, runden Vacuole verschmelzen, welche in Carmin sich merklich stärker färbt, entspricht der zweite Richtungskörper vollständig einer kleinen Zelle mit ihrem Kern. Dagegen muss es als auffällig bezeichnet werden, dass im ersten Richtungskörper die Körnchenscheibe der Spindel- hälfte so lange unverändert bleibt und nicht zu einem einfachen Zellkern sich umwandelt.’ Auch bin ich darüber unklar geblieben, was die späterhin stattfindende Einschnürung zu zwei kleineren Kiigelchen zu bedeuten hat. Ob hier eine Zelltheilung vorliegt, woran man wohl zunächst denken muss, kann ich nicht entschei- den, da das Verhalten der Kerntheile nicht so leicht festzustellen ist. Unverständlich bleibt ferner das Verschmelzen der drei Proto- Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u Theilung d. thier. Eies. 29 plasmakügelehen mit ihren Kerntheilen zu einer einzigen flachen Scheibe. So sehen wir, wie das weitere Verhalten der durch Knospung entstandenen Gebilde manche Besonderheiten zeigt, die sich unserm Verständniss noch entziehen, und von denen sich vorläufig nicht sagen lässt, wodurch sie bedingt sind. Die von mir gewonnenen Ergebnisse stimmen vollständig mit den kürzlich veröffentlichten Untersuchungen STRASBURGER’S!) über die Canalzelle der Coniferen überein. Derselbe hat am jungen Ei der Kiefer beobachten können, dass der, Zellkern geraume Zeit vor der Befruchtung an die Oberfläche rückt, an das Ende des Eies, welches an den Hals des Archegonium anstösst. Kurz vor der Empfängniss- zeit sah er den Kern sich in zwei Hälften theilen, von welchen die eine im Ei erhalten bleibt und vom Pollenschlauch befruchtet wird, die andere zum Kern der Canalzelle wird, welche nur eine geringe Menge Protoplasma enthält. In der Canalzelle erblickt STRAS- BURGER — worin ich ihm vollkommen zustimme — ein Analogon desjenigen Gebildes, das bei den thierischen Eiern den Namen Richtungskörper führt. Auch spricht er hier die Vermuthung aus, dass in den von BürscHtLı beschriebenen Fällen der Spindelaus- stossung wohl nur die eine Hälfte der Spindel ausgestossen wird, die andere im Ei verbleibt, eine Vermuthung, die ich durch meine Untersuchungen habe bestätigen können. Bei der Beurtheilung der zweiten Gruppe von Erscheinungen handelt es sich um die Frage nach der Herkunft der zum Furchungs- kern zusammentretenden Elemente ?). Hier haben meine Untersuchungen den sicheren Nachweis ge- liefert, dass der an der Eiperipherie entstehende Kern von der Kernspindel abstammt und zwar von der Hälfte derselben, welche nach der Abschnürung des zweiten Richtungskörpers im Dotter zu- riickbleibt. In der Art und Weise wie der periphere Kern sich bildet, wiederholen sich vollkommen die Erscheinungen, wie sie |) STRASBURGER. Ueber Zellbildung und Zelltheilung. 2. Aufl. Jena 1876. pag. 2935—297. 2) In seinen speciellen Untersuchungen hat Birscuui die Frage nach der Herkunft der Kerne nicht aufgeworfen und eine Deutung nicht versucht. Auf die im allgemeinen Theil von ihm ausgesprochenen Vermuthungen komme ich am Schluss dieser Arbeit noch zu sprechen. 30 Oscar Hertwig nach jeder Kerntheilung zu beobachten sind, wo aus den Kérnchen jeder Verdichtungszone zunächst durch Aufnahme von Zellsaft eine Anzahl von kleinen Vacuolen entsteht, welche anwachsen und end- lich zu einer einzigen verschmelzen. Der Haufen kleiner Vacuolen entspricht daher nicht einer Vielheit, sondern einem einzigen Zell- kern. Da nun die Spindel selbst wiederum von der Kernsubstanz des Keimbläschens sich hat ableiten lassen, so erhalten wir das wichtige Resultat, dass vom Keimbläschen bis zum Fur- chungskern ein ununterbrochener Zusammenhang zwi- schen den verschiedenen Kerngenerationen herrscht. Ueber die Herkunft des zweiten Kerns geben uns die Beobach- tungen am Hirudineenei keinen Aufschluss. Dagegen lässt sich hierüber eine Vermuthung aufstellen, wenn wir die Beobachtungen am Ei des Toxopneustes lividus zum Vergleich heranziehen. Wir finden dann, dass das isolirte Strahlensystem, welches bei Nephelis nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers am entgegen- gesetzten Eipol nahe der Oberfläche erscheint, der Strahlenfigur gleichwerthig ist, welche beim Toxopneustes 5—10 Minuten nach Vor- nahme der künstlichen Befruchtung auftaucht. Bei Toxopneustes habe ich als Ursache des homogenen Protoplasmahofes und der ra- diären Anordnung der Dotterkörnehen einen kleinen Kern nachge- gewiesen und diesen vom Körper eines eingedrungenen Spermatozoon abgeleitet. Da nun bei Nephelis gleiche Verhältnisse vorliegen und später auch eine an Grösse allmälig zunehmende Kernvacuole be- obachtet werden kann, so habe ich Grund anzunehmen, dass auch hier das Strahlensystem durch den Kern eines einge- drungenen Spermatozoon hervorgerufen wird. Einen Kern habe ich beim ersten Auftreten des Strahlensystems wohl deswegen nicht nachweisen können, weil die angewandte Untersuchungsmethode mit Essigsäure für den Nachweis eines so kleinen Körperehens eine ungeeignete war, Osmium-Carminpräparate mir aber hier nicht ge- lingen wollten. So führt uns auch bei Nephelis die Beurtheilung der beobachteten Erscheinungen zu dem gleichen Endergebniss, wie bei Toxopneustes, dass der Furchungskern aus der Conjuga- tion zweier geschlechtlich unterschiedener Kerne ent- steht, eines weiblichen Kernes, der vom Keimbläschen sich ableitet und eines männlichen Kernes, der vom Körper eines eingedrungenen Spermatozoon abstammt. Es lässt sich jetzt noch die Frage aufwerfen, ob die Bildung der Richtungskörper vor oder nach der Befruchtung stattfindet und in Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 31 welchem Verhältniss sie zu dieser steht. Die Beantwortung dieser Frage wird bei vorliegendem Object sehr verschieden ausfallen, je nach der Auffassung, welche man sich vom Wesen der Befruchtung gebildet hat. Wenn meine Ansicht richtig ist, dass man von einem befruchteten Ei erst von dem Momente sprechen kann, wo Ei- und Spermakern zum Furchungskern verschmolzen sind, dann liegt es auf der Hand, dass die Bildung der Richtungskörper vor der Befruchtung abläuft. Man kann daher in gewissem Sinne diese Entwicklungserscheinung als eine parthenogenetische bezeich- ‘nen. Hierfür sprechen auch die von STRASBURGER gewonnenen Er- gebnisse, nach welchen die Bildung der Canalzelle bei den Coni- feren unzweifelhaft längere Zeit vor der Bestäubung geschieht. Indem ich somit die Entstehung der Richtungskörper vor den Abschluss der Befruchtung verlege, muss ich es gleichwohl unent- schieden lassen, ob nicht bei Nephelis durch den Eintritt eines be- fruchtenden Spermatozoon ein Einfluss auf den Verlauf des ganzen Processes ausgeübt wird. Es können hier ganz ähnliche Erschei- nungen wie bei der Reifung des Eies vorliegen. Bekanntlich erfolgt bei vielen Thieren die Auflösung des Keimbläschens vor und unab- hängig von der Befruchtung, bei anderen wiederum scheint sie durch dieselbe veranlasst und befördert zu werden, wie es VAN BENEDEN !) für Asteracanthion, BürscHLı? für Nematoden angibt. Ob nun in der That durch den Befruchtungsaet in ähnlicher Weise die Ab- schnürung der Riehtungskörper beeinflusst wird, lässt sich bei Ne- phelis nicht sicher stellen. Zur Aufklärung dieses Punctes wird man nach Objecten suchen müssen, die eine künstliche Befruchtung vorzunehmen gestatten. Eine Parallelbeobachtung von unbefruchteten und befruchteten Eiern würde gewiss hier interessante Ergebnisse liefern. Im Anschluss an die Hirudineen will ich noch kurz die ähn- lichen Entwicklungserscheinungen im Ei der Gastropoden®) bespre- chen. Auch hier hat uns BürschLı zuerst mit den wichtigen Ver- änderungen im Innern des Eies bekannt gemacht. Er lässt das Keimbläschen sich spindelförmig differenziren und bald nach der Eiablage ausgestossen werden und in die Richtungskörper überge- !) VAN BENEDEN. Contributions 4 l/histoire de la vésicule germinative et du noyau embryonnaire. Bulletins de l’Acad&mie royale de Belgique 2m& série, t: LAT. No. 1. 1876. 2) BUTSCHLI. 1. c. pag. 229—230. 3) BUTSCHLI. 1. c. pag. 26—34, 32 Oscar Hertwig hen. An der Peripherie lässt er dann eine grössere Anzahl von Kernen sich bilden und diese zum Furchungskern verschmelzen. Da nun, wie Bürscntı selbst angibt, die Bildungsweise der Rich- tungskörper bei Gastropoden ganz dieselbe wie bei Nephelis ist, und seine Angaben und Abbildungen uns manche Vergleichs- puncte bieten, so bin ich keinen Moment zweifelhaft, dass auch hier die Riehtungskörper nicht durch Ausstossung des Keimbläschens sondern durch Zellknospung gebildet werden. Ferner deute ich die an der Austrittsstelle des zweiten Richtungskörpers in der An- zahl von 9 und mehr erscheinenden kleinen Vacuolen nicht für ebenso viele isolirte Kernchen, sondern sehe in ihnen wie bei Ne- phelis die zusammengehörigen Elemente eines einzigen Kerns und leite dieselben von der Spindelhälfte ab, welche nach der Ab- schnürung des zweiten Richtungskörpers im Ei zurückgeblieben ist. Das von Bürscntı bei Lymnaeus beobachtete einzelne Strah- lungssystem, welches im Centrum des Eies öfters nach Hervorknos- pung des ersten Richtungskörpers bemerkbar wurde, führe ich, wie bei Nephelis, auf den Kern eines eingedrungenen Spermatozoon zurück. Mithin ist auch der Furchungskern der Gastropoden nicht, wie BÜTSCHLI zuerst angegeben und seitdem mehrfach eitirt worden ist, ein Product von vielen, sondern nur von zwei Kernen, eines Ei- und eines Spermakerns. II. Abschnitt. Die ersten Entwicklungsvorginge im Ei der Amphibien. (Rana temporaria und Rana esculenta.) Ueber das Ei der Amphibien liegt eine sehr ausgedehnte Lite- ratur vor. Auf eine ausführliche geschichtliche Darstellung dersel- ben kann ich verzichten, da in den neuerdings erschienenen Unter- suchungen von GÖTTE und BAMBEKE die älteren Arbeiten schon in eingehender Weise zusammengestellt worden sind. Ich beschränke mich daher allein darauf einen Ueberblick über die Resultate zu geben, zu welchen die letztgenannten Forscher gelangt sind. GörTE!) hat in seiner 1875 erschienenen Entwicklungsgeschichte I) Gorre. Die Entwicklungsgeschichte der Unke als Grundlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbelthiere. Leipzig 1875. u ee Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 35 der Unke einen umfangreichen Abschnitt der Bildung und Theilung des Eies gewidmet und aus seinen Beobachtungen Folgerungen ge- zogen, welche die schwierigsten Fragen der Biologie berühren und als Hypothesen. von grösster Tragweite von ihm aufgestellt werden. Die Beobachtungen Görrte’s sind im Wesentlichen folgende: Im ganz jungen Ovarium verschmelzen in den eben angelegten Follikeln mehrere Zellen und ebenso ihre Kerne untereinander und aus der Verschmelzung der entsprechenden Theile entsteht das Ei mit seinem Keimbläschen. In letzterem mehren sich beim Wachs- thum die Keimflecke und legen sich dicht seiner Wand an. Im nahezu ausgewachsenen Ei erleidet das Keimbläschen eine Schrum- pfung. Die hierbei austretende Flüssigkeit sammelt sich an einer Stelle der Oberfläche des Keimbläschens an, so dass letzteres in einen Hohlraum im Dotter zu liegen kommt. Später verschwindet diese Höhle, indem die in ihr enthaltene Flüssigkeit nach der pig- mentirten Oberfläche des Eies durehbricht, und hier einen gelben Fleck hervorruft. Bald nach diesem Stadium tritt ein Zerfall des geschrumpften Keimbläschens ein, so dass von seiner Hülle und den Keimflecken nur noch Reste übrig bleiben. Auf einer noch älteren Entwieklungsstufe endlich ist der Zerfall noch weiter gediehen. An Stelle des‘ Keimbläschens findet sich im Bereich der oberen Halb- kugel nur noch eine feinkörnige Masse von sternförmiger Zeichnung vor. In diesem Zustand geräth das Ei, an dessen schwarzem Pol meist noch der gelbe Fleck siehtbar ist, in den Oviduct und wird bald darauf abgelegt. Einige Zeit nach der Befruchtung erscheint im Ei ein rundes Gebilde von der Grösse des Keimbläschens, der sogenannte Dotter- kern, der »histologisch nieht von der Umgebung zu unterscheiden« ist und nur dadurch »sichtbar wird, dass an seiner Grenze alle grös- seren Dotterplättchen fehlen«, und durch feinkörnige Substanz er- setzt sind. Im Dotterkern, welcher als der Ausgangspunet der gan- zen Entwicklung betrachtet wird, macht sich dann weiterhin der Lebenskeim bemerkbar, eine durchscheinende, nicht begrenzte Masse von 30 u Querdurchmesser, welche in einen Hof feinkörniger Dotter- substanz übergeht. Während der Dotterkern jetzt rasch. verschwin- det und zu Grunde geht, streckt sich der allein zurückbleibende Lebenskeim und theilt sich in zwei Hälften, die nach der Theilung bis zum Umfang des früheren Lebenskeims sich vergrössern. Zu- gleich beginnt die Halbirung des Dotters, welche durch eine zarte dunkle Linie angedeutet wird und durch die Verbindungslinie der Morpholog. Jahrbuch. 3. 3 34 Oscar Hertwig Lebenskeime senkrecht hindurchgeht. Bei den weiteren Dotterthei- lungen verändert sich der Inhalt der, Lebenskeime, indem in ihrer scheinbar homogenen Keimsubstanz eine wechselnde Anzahl runder heller Kérperchen von 3 » Grösse — die Kernkeime — auftreten. Die feinkörnige Substanz in der Umgebung der Kernkeimmasse ist radiär gestreift. Auf noch späteren Theilungsstadien verschmelzen die Kernkeime und es gehen aus den Kernkeimhaufen wirkliche eon- tourirte Zellkerne hervor. Die Deutungen, die GörrE seinen Beobachtungen gegeben hat, und die daran geknüpften Folgerungen kann ich hier übergehen, da sie zumeist unbewiesenen Annahmen entsprungen sind, welchen die Beobachtungen gewissermassen nur als Folie dienen. Ein wesentlicher Fortschritt in der Erkenntniss der Entwick- lungsvorgänge im Amphibienei ist durch BampreKe') herbeigeführt worden, welcher seine Untersuchungen in drei Schriften ver- öffentlicht hat, von denen die zwei zuletzt erschienenen die wichtig- sten sind. Am reifen, unbefruchteten Ei der Batrachier findet BAMBEKE vom Keimbläschen keine Spur mehr und nimmt an, dass es sich aufgelöst und zum Theil mit dem Dotter vermischt hat. Dagegen beschreibt er eine eigenthümliche Figur, welche er mit dem Schwund des Keimbläschens in Zusammenhang bringt und »figure claviforme« benennt. Dieselbe besteht aus feinkör- nigem Dotter und schwarzem Pigment und bildet einen dunklen Streifen, der von der Mitte des pigmentirten Eipoles nach dem Cen- trum des Eies zieht und hier kugelförmig anschwillt. Am periphe- ren Ende der »figure elaviforme« wird inmitten des Pigmentes ein heller, gelblicher Fleck wahrgenommen, der Barr’sche Keimpunet oder die fovea germinativa M. ScHuLtze’s. BaMBEKE deutet die centrale Anschwellung als den Ort, an welchem das Keimbläschen gelegen hat und den Pigmentstreifen als den Weg, auf welchem gewisse Theile des Keimbliischens an die Oberfläche gelangt sind. Auch glückte es ihm bei Axolotleiern ') BAMBERE: 1) Recherches sur le développement du Pélobate brun 1867. Mémoires in-49 de l’Academie royale de Belgique t. XXX. 1868. 2) Sur les trous vitellins que présentent les oeufs fécondés des Amphi- biens. Bulletins de ! Académie royale des sciences ete. de Belgique. 2me série T. XXX. 1870. 3) Recherches sur l’embryologie des batraciens. Bulletin de I’ Académie royale des sciences ete. de Belgique. 2me série T. LXI. 1876. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 35 auf der Oberfläche des dunkeln Poles eine dünne ausgebreitete gelb- liche Substanz zu beobachten, welche er als Rest des Keimbläschens deutet und den an andern Objecten beobachteten Richtungskérpern, namentlich aber dem sogenannten Schleierchen am Forellenkeim (ÖELLACHER) vergleicht. Ganz neu sind die wichtigen Beobachtungen BAMBEKE’s am be- fruchteten Ei der Amphibien. Wie derselbe bereits im Jahre 1570 entdeckt hat, ist nach der Befruchtung im Ei eine zweite Pigment- strasse entstanden, welche von der Oberfläche nach dem Centrum vordringt und je nach der verflossenen Zeit bald kürzer bald länger ist. An ihrer Ursprungsstelle liegt an der Dotteroberfläche eine kleine Vertiefung, ein sogenanntes »trou vitellinc. An ihrer Spitze endet die Pigmentstrasse mit einem hellen 10—15 u grossen Raum, von kernartiger Beschaffenheit, der von einem Pigmentring und einer radiären Anordnung der Dottertheilchen umgeben ist. Zuweilen ist noch ein kleines nucleolusartiges Gebilde im hellen Raum zu unter- scheiden. Schon in seinem 1870 erschienenen Aufsatz hat BAMBEKE diese Erscheinungen auf die Befruchtung und zwar auf das Eindringen eines Spermatozoon in den Dotter zurückgeführt. In der Neuzeit hat er diese Ansicht weiter ausgeführt und zugleich die bei den Amphibien und bei Toxopneustes beobachteten Vorgänge unter ein- ander verglichen. Die terminale Erweiterung der Pigmentstrasse vergleicht er der von der Oberfläche einwandernden Radienfigur des Seeigeleies, das kleine in ersterer gelegene nucleolusartige Gebilde vergleicht er dem Spermakern. Er vermuthet von ihm, ohne sich mit Sicherheit über diesen Punct auszusprechen, dass er bei den Amphibien sich späterhin mit dem umgebenden Protoplasma der terminalen Erweiterung vermischt. Aus letzterem lässt er den Kern der ersten Furchungskugel, _ den Lebenskeim GörTE’s entstehen. welcher mithin von der Peripherie nach dem Centrum des Eies ein- gewandert ist. Ein Gebilde, welches dem Eikern am Seeigelei ent- spricht, konnte BAMBEKE nicht beobachten und glaubt, dass ein solches bei den Amphibien nicht vorhanden ist. Bei der Darstellung meiner Beobachtungen werde ich die bei den Hirudineen befolgte Eintheilung einhalten und bespreche da- her zunächst: 3* 36 Oscar Hertwig 1. Das Eierstocksei und die Umwandlung desselben in das reife, befruchtungsfähige Ei. Junge Entwieklungsstadien von Eiern kann man aus dem Ova- rium des erwachsenen Frosches leicht zur Ansicht erhalten, wenn man ein Stückehen Eierstock in 1%, Osmiumsäure 10 Minuten er- härtet, in Glycerin auswäscht und die undurchsiehtigen Eier durch Zerzupfen entfernt. Es bleibt dann eine dünne, das Stroma des Ovarium bildende Bindegewebslamelle zurück, in welcher hie und da Gruppen junger, noch vollkommen durchsichtiger Eier anzu- treffen sind. In Figur 4 (Tafel IV) ist ein solches Präparat darge- stellt, in welehem fünf verschieden grosse Eier dieht gedrängt bei- sammen liegen. Wie man deutlich sehen kann, bilden dieselben das Ende eines schmalen Zellenstrangs, der aus zarten etwas körmi- gen Epithelzellen besteht. Es liegt hier offenbar dieselbe Bildung vor, welche WALDEYER!) in seiner bekannten Schrift (Eierstock und Ei) beschrieben und mit Recht einem PrrLüger’schen Schlauch ver- glichen hat. Ob der Strang Epithelzellen noch von einer Endothel- lage überzogen wird, wie dies WALDEYER bei Silberbehandlung fest- stellen konnte, liess sich an den Osmiumpriiparaten nicht er- kennen. Die kleinen durchsichtigen Eier sind von einer Lage dünner, platter Follikelzellen eingehüllt, deren langgestreckte Kerne auf dem optischen Durchschnitt allein deutlich hervortreten. Die Keimbläs- chen besitzen schon einen ansehnlichen Durchmesser und enthalten einige grössere und mehrere kleinere Keimflecke. Von diesen erreicht zuweilen ein einzelner eine ganz besondere Grösse (Taf. IV, Fig. 10). Seine Oberfläche ist dann tief gelappt und mit grösseren und klei- neren Höckern besetzt, so dass er ganz das Bild einer in Bewegung begriffenen Amöbe darbietet. Die Kernmembran ist deutlich doppelt eontourirt und scheint von feinen Poren durchbohrt zu sein. Der Kernsaft ist von einem körnigen Fadennetz durchsetzt, in welchem die Nucleoli liegen. An Eiern aus diesem Stadium sieht man in der Nähe des Keim- bläschens einen runden, gelblichen, kérnigen Körper (g), der sich vom umgebenden Dotter nicht scharf abgrenzen lässt. Es ist dies der sogenannte Dotterkern, der seit Carus oft beschrieben werden ist und nicht mit Görre’s Dotterkern, welcher dem befruchteten Ei !) WALDEYER. Eierstock und Ei. 1870. pag. 74. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 37 angehört, verwechselt werden darf. Der runde, gelbliche Körper findet sich nicht bei allen Amphibien vor. In jungen Eiern von Bufo und Bombinator igneus konnte ihn Görre!) nicht nachweisen. Diese Unbeständigkeit seines Vorkommens weist darauf hin, dass ihm keine grössere morphologische Bedeutung zuertheilt werden kann. Mir scheint er einzig und allein mit der Bildung der Dottersubstanz in Bezieh- ung zu stehen und eine eigenthümliche locale Ansammlung von Nähr- stoffen darzustellen. Dasselbe gilt von den abweichend gestalteten und mit deutlicher Schichtung versehenen Dotterkernen, welche bekannt- lich bei Spinnen, aber auch hier nur auf einzelne Arten beschränkt vorkommen. Ich finde daher auch die Bezeichnung Dotterkern, da sie leicht zu irrigen Vergleichungen mit nucleusartigen Bildungen veranlassen kann, schlecht gewählt und schlage an Statt dessen den Namen Dotterconcrement vor. Mit dem Wachsthum des Eies nimmt der Umfang des Keim- bläschens rasch zu. Es lässt sich leicht isoliren, wenn man die Ei- hülle zerreisst und den Dotter in Jodserum ausfliessen lässt. Die Zahl der Keimtlecke hat sich jetzt, wahrscheinlich durch Theilung der ursprünglich vorhandenen um ein Beträchtliches vermehrt und mag gegen Hundert betragen (Taf. IV, Fig. 1). Sie enthalten stets ein oder mehrere mit Flüssigkeit erfüllte Vacuolen. In den centra- len Partien des Keimbläschens finden sie sich nur sehr vereinzelt vor, fast alle sind im sehr regelmässiger Weise an die Innenseite der Kernmembran angedrückt. Letztere besitzt eine ziemliche Re- sistenz , lässt sich aber durch Druck mit dem Deckgläschen zum Zerplatzen bringen, wobei der Kerninhalt ausfliesst. Eine Verschmel- zung zwischen Kernmembran und Nucleolis findet nie Statt; beide sind stets durch eine deutliche Linie getrennt, und geht hieraus wie auch aus ihrem verschiedenen Aussehen und Verhalten gegen Rea- gentien klar hervor, dass beide von verschiedenen Stoffen gebildet werden. Ich kann daher die Ansicht van BENEDEN’s?) nicht theilen, der sowohl in der Membran des fertigen Kerns als auch in den Nucleoli unveränderte Reste des jungen primitiven Kerns erblickt und beide ausschliesslich aus Kernsubstanz (essence nucléaire) be- I} GOTTE, loco cit. pag. 18. *) VAN BENEDEN. Contributions a lhistoire de la vésicule germinative ete. Bulletins de lAcadémie royale de Belgique 2me série, t. LXI. No. 1. 1876. (pag. 27 des Separatabdrucks). 38 Oscar Hertwig stehen lässt. Wie friiher'), so halte ich auch jetzt noch die Kern- membran für ein Differenzirungsproduct und vergleiche sie den Membranbildungen, welche auf der Oberfläche des Protoplasma ab- geschieden werden. In den grossen Keimbläschen dieser Entwicklungsstufe ist das Fadennetz in sehr reichem Maasse ausgebildet (Taf. IV, Fig. 1). Von der Kernmembran aus dringen ziemlich breite Strassen von kleinen, in eine homogene durchscheinende Substanz eingebetteten Körnehen in den -Binnenraum des Keimbläschens vor und hängen mit einander durch Verbindungsfäden zusammen, so dass ein dichtes und regelmässiges Netzwerk entsteht. Einzelne Körnchenstrassen zeichnen sich vor andern durch eine grössere Breite aus. Eine Körnehenströmung konnte ich in diesem Netzwerk nicht wahrnehmen, indessen ist wohl zu erwarten, dass im ganz frischen Zustand eine solehe stattfindet. Wie aus dieser Sehilderung hervorgeht, bildet das herangewach- sene Keimbläschen eine sehr weit differenzirte Kernform, indem es sich aus mehreren ehemisch verschiedenen und in characteristischer Weise angeordneten Theilen zusammensetzt. Was die Entstehung dieser Kernform und die Deutung seiner einzelnen Bestandtheile an- betrifft, so stimme ich vollkommen mit den Ansichten überein, zu welchen mein Bruder?) auf Grund vergleichender Betrachtungen in seinen Beiträgen zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen gelangt ist. Die Bedeutung des Fadennetzes, das ich für ein protoplasmatisches halte, erblicke ich gleichfalls darin, dass von ihm die Ernährung der Nucleoli, der wichtigsten und allein we- sentlichen Bestandtheile des Kerns , vermittelt wird. Hiermit mag es auch wohl zusammenhängen, dass zur Zeit, in welche das Haupt- wachsthum des Keimbläschens und die Vermehrung der Nucleoli fällt, diese letzteren an die Peripherie rücken und der Membran sich anlagern. Beim Weiterwachsthum der Eizelle gelingt es nicht mehr das Keim- bläschen in der früher angegebenen Weise zu isoliren, daher ist man, um seine Lage und Beschaffenheit zu untersuchen, auf Schnittpräparate angewiesen. Hierbei stellt es sich denn heraus, dass das Keimbläschen ') Oscar HerrwiıgG Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Dieses Jahrb. Bd. 1. 2) Rıcnarp Herrwic. Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. Dieses Jahrb. Bd. I. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Thellung d. thier. Eies. 39 seine Lage verändert hat und vom Centrum weiter nach der Oberfläche emporgeriickt ist (Taf. IV, Fig. 6). Wie bekannt, unterscheidet man an allen Ampbibieneiern einen pigmentirten oberen und einen pigmentlosen unteren Pol. Dem ersteren findet man schon zu Anfang des Winters, mehrere Monate vor der Reife, das Keimbläschen mehr oder weniger genähert. Hier liegt es, von einem Pigmentring umgeben, der mit der Pigmentansammlung am oberen Pol zusammenhängt. Die früher glatte Kernmembran zeigt jetzt eine wellenförmige Contour. In die Einbuch- tungen ihrer Oberfläche dringen Vorsprünge der Dottersubstanz ein. Man kann hieraus schliessen, dass das Keimbläschen gegen früher an Umfang durch Austritt von Kernsaft verloren hat. Wahrschein- lich ist dies auch der Grund, dass sich dasselbe nicht mehr glatt aus dem Dotter herauspräpariren lässt. An den in Alkohol erhärteten Präparaten ist ferner stets die obere Wand des Keimbläschens eingebuchtet und vom umgebenden Dotter zurückgezogen. Es entsteht hiedureh zwischen Dotter und Keimbläschen ein verschieden grosser Hohlraum (Taf. IV, Fig. 6 b) Derselbe ist schon vielfach beobachtet, von den einzelnen Forschern jedoch verschieden gedeutet worden. Während BAMBEKE in dem Hohl- raum ein durch die Einwirkung des Alkohols hervorgerufenes Kunst- product erbliekt, lässt Görte ihn durch eine normale Schrumpfung des Keimbläschens gebildet werden. Für seine Ansicht führt er die Befunde von frischen, in Jodserum präparirten Objeeten an. An isolirten Keimbläschen von Eiern aller Grössen konnte GÖTTE eine fortschreitende Schrumpfung des Keimbläschens aufs unzweideutig- ste beobachten. Während dasselbe anfangs einen wellenförmigen Umriss zeigte, erschien es später mit stark vorspringenden Buckeln besetzt. Obwohl ich nun die gleiche Beobachtung, wie Gorrr, ge- macht habe und aus ihr ebenfalls auf eine eingetretene Schrumpfung schliesse, so kann ich doch den Flüssigkeitsraum nicht für eine im frischen Ei vorhandene Structur halten, sondern muss in diesem Punet die Ansicht Bamgere's theilen. Wenn man nämlich die Er- härtung der Eier in einem Gemisch von Wasser und Alkohol zu gleichen Theilen vornimmt und dasselbe allmälig verstärkt, so bildet sich der Hohlraum nicht aus, vielmehr schliesst die auch jetzt eingebuchtete Membran des Keimbläschens an den Dotter über- all an. i Wie die äussere Form und Lage, so hat sich auch der Inhalt des Keimbläschens auf diesem Stadium verändert. Die ursprünglich der Kernmembran dicht angelagerten Keimflecke, deren Anzahl 40 Oscar Hertwig noch zugenommen hat und sich auf einige Hundert belaufen mag, haben sich fast in ihrer Gesammtheit nach dem Centrum des Keim- bläschens zurückgezogen. Auf dem Durchsehnitt sieht man sie hier ziemlich dieht beisammen in einem Ring gelagert, der die körnige Grundsubstanz in einen centralen und einen peripheren Theil schei- det. Nach Aussen vom Ring trifft man nur einige wenige Keim- flecke an. Ein Fadennetz konnte ich an diesen Präparaten nicht mehr er- kennen, und möchte dies auf Rechnung des Alkohols setzen, durch welchen eine mehr gleichmässige Gerinnung des gesammten Inhalts vom Keimbläschen herbeigeführt wird. In diesem Zustand verharrt das Ei während der Wintermonate. Weitere bemerkenswerthe Veränderungen treten uns erst im Anfang des Frühjahrs, im März entgegen. Um diese Zeit ist das Keimbläschen nach dem schwarzen Pol höher hinaufgerückt. Die Einfaltungen seiner Membran haben zugenom- men, so dass seine Oberfläche mit lauter buckelförmigen Aussackun- sen bedeckt ist (Taf. IV, Fig. 13). Die Keimflecke sind im Centrum vollständig zu einem kugelförmigen Haufen dieht zusammengerückt, und nur einzelne finden sich sporadisch näher der Peripherie vor. Auf einem letzten Stadium endlich, welches dem Uebertritt der Eier in die Bauchhöhle unmittelbar vorausgeht, liegt das Keimbläs- chen vollständig an der Oberfläche des schwarzen Pols (Taf. IV, Fig. 7). Bei Rana temporaria wird es hier noch von einer dünnen Pigmentlage überzogen und von der Dotterhaut getrennt, so dass es bei äusserlicher Betrachtung des Eies nicht sichtbar ist. Es hat seine kugelförmige Gestalt verloren und bildet eine flache gewölbte Scheibe. Auch der früher kugelförmige Haufen der Keimflecke hat sich zu einer flachen Lage ausgebreitet. Die Grundsubstanz des Keimbläschens enthält zahlreiche kleine starkglänzende dunkle Körn- chen. Seine Membran ist stellenweise noch ganz deutlich zu er- kennen. Das Keimbläschen ist von einer breiten Pigmentzone umgeben, welehe nach abwärts in einen kurzen schwarzen Pigmentstreifen verlängert ist. An seinem Ende schwillt derselbe kuglig an und birgt hier in seinem Innern eine helle pigmentfreie Stelle (ce) von feinkörniger Dottersubstanz. Eine ähnliche Stelle findet sich da, wo der Pigmentstreifen unterhalb der Mitte des Keimbläschens mit einer trichterförmigen Erweiterung entspringt. An zahlreichen Präparaten kehrte die eben beschriebene Bildung, welche schon mit unbewaff- Beiträge z. Kenntniss d. Bildune, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 41 netem Auge auf Durchschnitten durch das Ei leicht erkannt wird, mit grosser Constanz wieder. Anfangs glaubte ich daher ihr eine grössere Bedeutung beimessen zu müssen und vermuthete, dass Theile aus dem Inhalt des Keimbläschens in dem hellen Fleck ent- halten wären. Bei zahlreichen Untersuchungen, unter Anwendung verschiedener färbender Reagentien hat sich indessen diese Ansicht nicht bestätigt. Es liessen sich keine kernartigen Gebilde nachweisen. Die helle von Pigment umschlossene Stelle scheint daher einzig und allein von feinkörniger Dottersubstanz herzurühren. Die Bildung der soeben beschriebenen characteristischen Figur scheint mir durch das vor der Reife rasch erfolgende Emporrücken des Keimbläschens veranlasst zu werden und ich denke sie mir in der Weise zu Stande gekommen, dass die Pigmentrinde, welche schon auf einem früheren Stadium das Keimbläschen einhüllt, bei seinem Aufwärtssteigen sich hinter ihm zusammenschliesst. Nach dieser Erklärung deutet der Pigmentstreifen den zuletzt vom Keimbläschen zurückgelegten Weg an. Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse bei Rana esculenta, von welcher mir Eier auf demselben Stadium zur Untersuchung vor- lagen. Schon äusserlich sind dieselben unter den minder reifen Eiern des Ovarium dadurch zu erkennen, dass sie am schwarzen Pol einen gelben Fleck mit verwaschenen unregelmässigen Rändern be- sitzen. Wie Durchschnitte zeigen (Taf. V, Fig. 1), rührt dieser gelbe Fleck vom Keimbliischen her, welches wie bei Rana temporaria an die Oberfläche emporgestiegen ist und hier fast in seinem ganzen Bereich die im Ei des grünen Frosches sehr dünne Pigmentschicht durchbrochen hat. Der gelbe Inhalt des Keimbläschens tritt daher hier vollkonımen zu Tage, während er in den stark pigmentirten Eiern von Rana temporaria stets noch von einer dünnen Pigment- schicht bedeckt bleibt. Wenn das Ei im Ovarium seine Reife erreicht hat, löst es sich vom Stroma ab, geräth zunächst in die Bauchhöhle und wird von hier alsbald in die Eileiter übergeführt, in welchen es mehrere Tage verweilt und die Gallerthüllen erhält. Bei Rana temporaria konnte ich schon an Eiern, die ich aus der Bauchhöhle entnahm, vom Keim- bläschen keine Spur mehr nachweisen. Es gelang mir trotz vielfältiger Bemühungen nicht, Zwischenstadien aufzufinden, welche diesen Befund mit den zuletzt beschriebenen Bildern hätten verknüpfen und Aufschluss geben können über die Art und Weise, in welcher der vollständige Untergang des Keimbläschens herbeigeführt wird. Wahrscheinlich 42 Oscar Hertwig sind diese Stadien von sehr kurzer Dauer und gehen entweder un- mittelbar vor der Ablösung der Eier oder gleich beim Eintritt in die Bauchhöhle vorüber. Es bleibt somit eine Lücke in meinen Beobach- tungen, die mir um so unangenehmer ist, als es sich gerade hier um die wichtigsten Umbildungen handelt, über welche auch die frü- heren Forscher uns keine Mittheilungen gemacht haben. Die der Bauchhöhle und dem Eileiter entnommenen Eier sind im Ganzen übereinstimmend beschaffen. Bei Rana temporaria ist am schwarzen Pol bei äusserlicher Betrachtung keine Veränderung ein- getreten und die Continuitiit der Pigmentschicht ist an keiner Stelle gestört. An Durchschnitten, welche durch die Mitte des schwarzen und hellen Poles geführt sind, bemerkt man eine characteristische Pigmentvertheilung, welche von BAMBEKE am genauesten von einer Anzahl Amphibieneier beschrieben und »figure claviforme« benannt worden ist (Taf. V, Fig. 2). Von dem oberen dunkeln Pol dringt bis in die Mitte des Kies und ‘noch über dieselbe hinaus eine breite Pigment- strasse, welche an ihrem Ende etwas verbreitert ist. Sie ist von der früher beschriebenen Pigmentfigur des Eierstockseies wahrschein- lich abzuleiten, unterscheidet sich aber von ihr durch ihre grössere Ausdehnung und das Fehlen der kleinen kugelförmigen unpigmen- tirten Stelle. In ihrem Bereich zeigt bei starker Vergrösserung das Pigment eine netzartige Anordnung. In demselben liegen hie und da einige kleine Flecke, die durch ihre Helligkeit vor der Umgebung sich auszeichnen, aber sonst niehts Erwähnenswerthes besitzen. Am obe- ren Ende der Pigmentstrasse an ihrem Uebergang in die Rindenschicht fällt eine hellere halbmondförmige Stelle, BAmBERE’s fovea germina- tive auf, in welcher das Pigment fast vollständig fehlt. Sie nimmt die Lage ein, in welcher zuletzt das Keimblischen angetroffen wurde, enthält aber von diesem keine sichtbaren Reste mehr und besteht allein aus einer Ansammlung kleiner Dotterplättehen. Durch eine dünne Pigmentschicht wird sie von der Dotterhaut getrennt, so dass sie von Aussen nicht siehtbar ist. Weder hier noch im Bereich des schwarzen Poles, noch auch zwischen Dotter und Dotterhaut wollte es mir gelingen, ein Gebilde zu entdecken, welches ich als irgend einen Rest des Keimbläschens hätte deuten können. Einen ähnlichen Befund lieferten mir die Eier aus dem Eileiter von Rana esculenta. Der heller gefärbte, unregelmässig contourirte Fleck am braunen Pol, welcher schon im Ovarium durch das Em- porrücken des Keimbläschens hervorgerufen war, bestand bei Be- trachtung des Kies von der Oberfläche noch unverändert fort, dagegen Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Kies. 43 lehrten Durchschnitte, dass auch hier wie bei Rana temporaria das Keimbliischen spurlos verschwunden war. An seiner Stelle bemerkte man kleine Dotterplättehen und in der weiteren Umgebung in Strei- fen vertheiltes Pigment. Eine ähnliche Schilderung vom Eileiterei der Rana esculenta hat uns schon Ruscoxt!) in seiner Histoire na- turelle de la Salamandre terrestre 1854 gegeben Beurtheilung der Beobachtungen. In welchem Zusam- menhang stehen die verschiedenen Befunde, welche wir von Eiern aus dem Ovarium, aus der Bauchhöhle und aus den Eileitern er- halten haben? Welche Schlüsse können wir aus ihnen, namentlich in Hinsicht auf das Verschwinden des Keimbläschens ziehen? Mit den älteren Forschern sowohl als auch mit GOrre und Bam- BEKE stimme ich hier in meinen Ergebnissen insoweit überein, als sie insgesammt das Keimbläschen vor der Befruchtung sich auflösen und seinen Inhalt mit dem Dotter sich vermischen lassen. Eine Aus- stossung des Keimbläschens, welche OELLACHER für das Forellenei beschrieben hat, findet bei den Amphibien nicht Statt. Wie alle früheren Beobachter, so habe auch ich am unbefruchteten Ei ausser- halb- des Dotters keine Reste vom aufgelösten Keimbläschen nach- weisen können. Während ich hierin die früheren Angaben vollkommen bestätigen kann, so bin ich dagegen in Betreff des Ortes, wo das Keimbläs- chen sich auflöst, sowie in einigen anderen daran sich anschliessen- den Puncten zu anderen Resultaten als GOrre und BAMBEKE "ge- langt. Nach G6rre soll bei Bombinator igneus das Keimbläschen nieht bis zur Oberfläche emporrücken. Nur Flüssigkeit, welche aus seinem Innern austritt und zwischen ihm und dem Dotter sich ansammelt, soll nach dem dunkeln Pol zur Zeit der Reife durchbrechen, die Pigmentschicht daselbst zerreissen und die Bildung eines gelblichen unregelmässigen Flecks veranlassen. Das Keimbläschen aber soll an seiner alten Stelle zurückbleiben und zerfallen. BAMBEKE wie- derum lässt die untere Erweiterung seiner figure claviforme dem Ort entsprechen, den das Keimbläschen vor seinem Verschwinden ein- genommen hat. Diesen Deutungen gegenüber muss ich meine ab- weichenden Befunde entgegenstellen, nach welchen das Keimbläschen ganz bis zur Peripherie des schwarzen Poles emporsteigt (Taf. IV, ') Rusconi. Histoire naturelle, développement et métamorphose de la Sa- lamandre terrestre 1854. pag. 27—30, 44 Oscar Hertwig Fig. 7. Taf. V, Fig. 1). Hierbei unterscheiden sich Rana tempo- raria und esculenta in einem ganz untergeordneten Puncte, indem bei ersterer das Keimbläschen noch von einer dünnen Pigmentlage überzogen wird, bei letzterer dagegen als, gelber Fleck. von Aussen wahrgenommen werden kann. Diese Verschiedenheit lässt sich wohl auf den grösseren und geringeren Pigmentreichthum zurückführen, welchen die Eier der beiden Batrachierarten aufweisen. Den abweichenden Angaben von GörrE und BAMBEKE liegen vermuthlieh Lücken in ihren Beobachtungsreihen zu Grunde. Auch kann ich abgesehen von den angeführten Befunden der Darstellung, welche GörrE von der Entstehung des gelben Flecks am schwarzen Pol gegeben hat, schon deswegen nicht beistimmen, da ich den Flüssigkeitsraum ausserhalb des Keimbläschens aus früher genannten Gründen für ein Kunstproduct halten muss. Es ist mir daher sehr wahrscheinlich, dass der gelbe Fleck wie bei Rana esculenta, durch die ganz oberflächliche Lage des Keimbläschens bedingt wird. Auch im Ei des Bombinator igneus ist nach Görrte’s Angaben die Pig- mententwicklung eine relativ geringe. 2. Die ersten Entwicklungsvorgänge in den befruch- teten Hiern. An den Eiern der Batrachier lässt sich die schon von älteren Forschern vielfach geübte künstliche Befruchtung leicht ausführen. Indem ich dieselbe vornahm, verschaffte ich mir zur Untersuchung eine Reihe von Präparaten, an welchen die Aufeinanderfolge der einzelnen Entwicklungsstadien fest bestimmt war. Eine Stunde nach der Befruchtung legte ich die ersten Kier und dann von viertel Stunde zu viertel Stunde deren weitere ein. Zur Erhärtung benutzte ich den gewöhnlichen Brennspiritus, da die gerade hier vielgebrauchte RiMAk’sche Flüssigkeit mir keine günstigen Resultate lieferte. Mit einigen Schwierigkeiten ist bei dieser Erhärtungsweise nur die Ablösung der Gallerthülle verbunden, welehe vor dem Anfertigen von Schnitten vorgenommen werden muss; doch lässt sich dieselbe, da der Dotter sich von der Dotterhaut etwas zurückgezogen hat, mit Rasirmesser und Nadeln ohne Verletzung des Kies bewerkstelligen. Von derartig gehärteten und aus ihrer Hülle herausgeschälten Eiern gelingt es, feine Sehnitte zu erhalten, wenn man sie zuvor in eine bequem schneidbare Masse eingebettet hat. Hier bediente ich mich einer schon früher von mir beschriebenen Methode, indem ich die Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies: 45 Objecte zwischen gut gehärtete Leberstückehen mit Gummiglycerin einschloss und in Brennspiritus einlegte, um den Gummi zur Ge- rinnung zu bringen. Dabei wurde dem Ei eine solche Lage ge- geben, dass die Schnitte senkrecht zum schwarzen und hellen Pol fielen. Wenn Sperma und Eier im Wasser gemischt werden, so dringen die Samenfäden in die aufquellende Gallerthülle ein. Man kann sie dann unter dem Mikroskop in schlängelnden Bewegungen durch die Gallerte hingleiten und an die Dotterhaut sich festsetzen sehen. In diese bohren sie sich dann weiter mit ihren Köpfen ein, was an Sehnittpräparaten durch befruchtete Eier leicht festzustellen ist. Ein Stiickehen Dotterhaut, in welches eine Anzahl Spermatozoen ver- schieden weit eingedrungen ist, habe ich in Figur 14 auf Tafel IV abgebildet. Wie man aus der Figur ersieht, besitzt die Dotterhant einen ziemlich beträchtlichen Durchmesser, sie zeigt eine feine, der Oberfläche parallele Streifung, die andeutet, dass die Membran aus einer Summe aufeinanderliegender Schichten oder Schalen zusam- mengesetzt ist. Einige Spermatozoen (Sy) haben nur die oberfläch- liehsten Schiehten durchbohrt, so dass ein Theil des Schwanzes über die Oberfläche frei hervorragt, andere wieder sind vollkommen in die Membran eingebettet, wobei sie entweder senkrecht oder schräg zur Oberfläche lagern. Aus diesen Beobachtungen möchte ich nicht den Schluss ziehen, dass die Samenfäden überall durch die Dotter- haut zum Ei vordringen können, dass mithin für den Eintritt der- selben eine besondere Mikropyle beim Froschei nicht erforderlich ist. Diesen Schluss möchte ich deswegen nicht ziehen, da es im- merhin möglich ist, dass die innerste Schicht der Dotterhaut von einem dichteren Gefüge ist. Man könnte dies sogar daraus folgern, dass ich an der innern Fläche nie Samenfäden in der Weise wie Aussen hervorragen sah, was man doch erwarten sollte, wenn ein Eindringen hier stattfinden könnte. Alle befruchteten Eier zeigen in übereinstimmender Weise am schwarzen Pol eine Veränderung, die schon bei Loupenvergrösserung und bei Betrachtung des Eies von der Oberfläche sichtbar ist. Das schwarze Feld, das bekanntlich bei der Entwicklung im Wasser stets nach oben gekehrt ist, erscheint in seiner Mitte etwas heller und gelblich gefärbt, als ob es mit einem dünnen Schleier unpigmentirter Substanz überzogen wäre. Max Scuunrze') hat diese hellere Stelle ') Max SCHULTZE. Observationes nonnullae de ovorum ranarum segmen- tatione, Bonnae 1863. 16° Oscar Hertwig in seiner Abhandlung über den Furchungsprocess der Froscheier zu- erst deutlich abgebildet und fovea germinativa benannt. Seine Be- schreibung lautet: Fovea in formam infundibuli exeavata saepe al- bidum praebet colorem et cireulo albido eirecumdata est, et in ovis recentibus statim post partum fere omnibus et foecundatis et non foeeundatis facile cognoscitur. Ueber die Beschaffenheit des gelben Flecks geben Schnittprä- parate weiteren Aufschluss (Taf. V, Fig. 3—6a). Sie zeigen, dass dem schwarzen Pol eine feinkörnige Masse aufgelagert ist, welche in der Mitte desselben ihren grössten Durchmesser besitzt, und von da nach der Peripherie zu sich verdünnt. Ihre Oberfläche ist mit kleinen Höckern und Vorsprüngen besetzt. Eine membranöse Um- hüllung fehlt und man kann leicht durch einen Wasserstrom lose anhaftende Körnchen wegspülen. Die schleierförmig ausgebreitete Substanzlage gleicht nach ihrer Zusammensetzung in auffälliger Weise der körnigen Masse, in welche vor der Auflösung des Keimbläschens die Nucleoli eingebettet sind. Nur findet man hier zwischen den kleinen glänzenden Körnchen auch noch einige Dotterplättehen und feine Pigmentkiigelchen vor. Unter dem so beschaffenen gelblichen Ueberzug des dunkeln Pols ist die Pigmentschicht des Dotters voll- kommen unversehrt. Diese Beobachtungen entsprechen vollständig dem schon er- wähnten Befund, welehen BAmBERE auf Schnittpriiparaten von Axo- lotleiern erhalten und in seiner letzten Schrift abgebildet hat). An Batrachiereiern dagegen war dem belgischen Forscher der Nachweis dieser gelben Schicht nicht geglückt. Der schleierförmige Ueberzug bleibt nach der Befruchtung längere Zeit erhalten, er findet sich auch an zweigetheilten Eiern noch vor, wo er auf beide Eihälften vertheilt ist (Taf. V, Fig. 6). Von dieser äusserlich wahrnehmbaren Erscheinung wende ich mich zur Darstellung der Vorgänge, welche im Innern des Dotters sich abspielen und zur Bildung des ersten Furchungskernes führen. An Eiern, die eine Stunde nach Vornahme der künstlichen Be- fruchtung abgetödtet wurden, fiel mir auf Durchsehnitten durch die Mitte des schwarzen Pols ein früher nicht vorhandener kleiner pig- mentirter Fortsatz auf, der von der Pigmentrinde ausgehend eine Strecke weit in die Dottermasse hinabreichte (Taf. V, Fig. 3). Seine ') BAMBEKE. Recherches sur l’embryologie des Batraciens 1876. 1. e. Taf. II, Fig. 4—6. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Kies. 47 Ursprungsstelle befindet sich regelmässig seitlich von dem Centrum des dunkeln Feldes nahe dem Rande des gelben Ueberzugs. Sein Verlauf ist stets etwas schräg nach der Mitte des Eies zu gerichtet. Der Fortsatz ist an seinem centralen Ende kolbig verdickt und um- schliesst hier einen hellen Fleck, um welehen die Pigmentkörnehen eine Anordnung in radiären Streifen wahrnehmen lassen (Taf. IV, Fig. 2). Der helle Fleek besteht aus einer feinkörnigen vom übrigen Dotter verschiedenen Substanz und birgt in seinem Innern noch ein kleines kernartiges Gebilde von 91 Durchmesser. An dem Kern- chen kann man eine Rindenschicht und einen flüssigen Inhalt und in diesem einige kleine glänzende Kügelehen unterscheiden. kinden- schicht und Kiigelchen färben sich in Carmin. Wie man an Eiern, die eine viertel und eine halbe Stunde später in Alkohol eingelegt wurden, beobachten kann (Taf. IV, Fig. 3), verlängert sich der eben beschriebene Pigmentfortsatz mehr und mehr und dringt tiefer in den Dotter ein. Hierbei vergrössert sich in seinem kolbigen Ende der Kern in ganz auffälliger Weise und erreicht eine Länge von 32 und eine Breite von 22 u. Auf diesem Entwicklungsstadium habe ich noch einen zweiten kleinen Kern einige Male im Ei auffinden können (Taf. V, Fig. 4). Derselbe liegt entweder auf dem gleichen Schnitt, wie der Kern am Ende der Pigmentstrasse, oder wenigstens auf einem der nächstfol- genden Schnitte. Stets gehört er einer andern Hälfte der Dotter- kugel als .der Pigmentfortsatz an und wird von der Spitze des letz- teren durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. Schon bei schwächerer Vergrösserung leuchtet er als ein kleiner, rundlicher, heller Fleck aus den umgebenden Dotterplättehen ‚hervor. Bei An- wendung stärkerer Linsen (Taf. IV, Fig. 9) erkennt man einen bläs- chenförmigen Körper von 22 Durchmesser und von derselben Be- schaffenheit, welche wir an dem zuerst beobachteten Kern schon beschrieben haben. Auf dem vorliegenden Stadium, etwa 1!/, Stunde nach der künstlichen Befruchtung, sind mithin zwei nahezu gleich grosse Kerne in der Dotterkugel vorhanden. Sie liegen nahe bei- sammen und lassen sich leicht von einander unterscheiden, indem der eine von einem strahligen Pigmentring umgeben ist und durch einen dunkelpigmentirten Streifen mit der Rindenschicht des Eies am oberen Pol zusammenhängt; der andere dagegen unmittelbar von Dotterplättchen eingeschlossen wird. Der letztere ist daher weit schwieriger zu beobachten und kann leicht übersehen werden. In den nächsten 30 Minuten nach diesem Stadium tritt uns 48 Oscar Hertwig wieder dieselbe Erscheinung entgegen, die in jüngster Zeit an den verschiedensten Objeeten in ähnlicher Weise beobachtet worden ist. Der Zwischenraum zwischen den beiden Kernen verkleinert sich, bis beide dieht aneinander gerückt sind (Taf. V, Fig. 5 u. Taf. IV, Fig. 5). Der Pigmentstreifen hat sich dann noch tiefer in den Dotter eingesenkt. Die kolbenförmige Anschwellung an seinem Ende und der in ihr eingeschlossene pigmentfreie Raum hat sich vergrössert. Der letztere liegt jetzt in der Axe des Eies etwa im unteren Drittel der pigmentirten Halbkugel. Zwei grosse ovale Kerne füllen den hellen Raum fast vollständig aus. Im ihrer Nachbarschaft bemerkt man oft kleinere und grössere Oeltropfen. An etwas älteren Präpa- raten haben die beiden Kerne an Volum noch zugenommen und schliesslich erreicht ein jeder die beträchtliche Grösse von 35 u. (Taf. IV, Fig. 11). Sie legen sich jetzt dicht aneinander und platten sich an ihren Berührungsflächen gegenseitig ab, dann verschmelzen sie und bilden den Kern der ersten Furchungskugel (Taf. IV, Fig. 12). Derselbe ist eine rundliche, 44 w grosse Blase, welche zunächst von einer Schicht feinkörnigen Protoplasma und dann von einem dunkeln Pigmenthof begrenzt wird. Von diesem führt ein pigmentirter Streifen zu der Rindenschicht des dunkeln Pols. Nach 2'/, Stunde fand ich fast an allen Präparaten, die ich untersuchte, die Vereinigung der beiden Kerne vollzogen. Die erste Reihe der Entwicklungsvorgänge, welche zur Bildung des Furchungskernes führt, ist hiermit abgeschlossen ; die jetzt weiter- hin eintretenden Erscheinungen leiten zur Theilung') über, die von mir in ihren einzelnen Phasen nicht näher untersucht worden ist. ') Vereinzelte Beobachtungen über den Theilungsvorgang mögen hier einen Platz finden, da sie zur Erklärung einiger Literaturangaben dienen können. — Während der spindelförmigen Metamorphose des Kerns bildet sich an seinen beiden Enden die strahlenartige Anordnung der Pigmentkörnchen mit voller Deutlichkeit aus. — Gleich nach der Theilung des Furehungskerns besitzt der Pigmenthof eine hantelförmige Gestalt (Taf. V, Fig. 6), die beiden Köpfe der Hantel werden durch einen langen Pigmentstreifen unter einander verbunden. In ihrem Innern befindet sich je eine helle aus feinkörniger Substanz bestehende Stelle. Dieselbe hängt mit der andern durch einen im Innern des Hantelstiels verlaufenden dünnen pigmentfreien Strang zusammen. In der feinkörnigen Substanz eines jeden Hantelkopfes ist ein Haufen von zahlreichen grösseren und kleineren Bläschen eingebettet (Taf. IV, Fig. 8 v), die dicht gedrängt beisammen liegen und sich gegenseitig abplatten. Die Bläschen, welche sich in Carmin stärker färben, besitzen vollkommen die Eigenschaften kleiner vacuolenartiger Kerne. Diese Bildungen sind in den Furchungskugeln der Batrachier- und lischeier schon mehrfach beschrieben worden. GöTTE hat sie als Kernkeime Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 49 Beurtheilung der Beobachtungen. Wir kommen nunmehr zu einer Deutung der dargestellten Befunde. Zwei Puncte verlangen hier eine besondere Beantwortung: erstens die Frage nach der Bedeu- tung der auf dem sehwarzen Pol schleierförmig ausgebreiteten Sub- stanz, und zweitens die Frage nach der Entstehung und Bedeutung der zwei kleinen im Dotter nach der Befruchtung aufgefundenen Kerne. In der Beurtheilung der gelben Substanzlage stimme ich mit _ BAMBEKE überein und erblicke in ihr Reste des Keimbläschens, die nach ihrer Auflösung und Vertheilung im Dotter durch Contrae- tionen des Protoplasma ausgepresst worden sind. Es sind Stoffe, die im Haushalt der Zelle keine weitere Verwendung finden. Bei dieser Deutung stütze ich mich namentlich auf die Uebereinstimmung zwischen der ausgepressten Masse und der eigenthümlich feinkörnigen Grundsubstanz, welehe das in Umwandlung begriffene Keimbläschen zeigt. Die einzelnen Dotterplättehen und Pigmentkérnchen, welche ausserdem noch im Ueberzug bemerkt wurden, sind gleichzeitig bei der Ausstossung aus dem Ei mit entleert worden. Die ausgetretene Masse des Keimbläschens hat man öfters schon « bezeichnet und ist der Ansicht, dass sich erst auf späteren Entwicklungsstadien aus ihnen wirkliche Kerne hervorbilden. Andere Forscher — so ORLLACHER — betrachten jede Vacuole als ein besonderes Kernchen und sprechen daher von Kernhaufen. Wie schon BÜrschLı hervorgehoben hat (l. e. pag. 199) ist diese Deutung nicht haltbar. Das Bild zahlreicher Kerne entsteht vorübergehend bei jeder Kerntheilung zur Zeit, wo die Spindelhälften in die Tochterkerne über- gehen. Es wird dadurch hervorgerufen, dass die Aufnahme von Kernsaft — die vacuolige Differenzirung des Kerns — gleichzeitig an verschiedenen Stellen in den einzelnen Körnchen der Verdichtungszone beginnt. Jeder scheinbare Kernhaufen entspricht daher einem einzigen Tochterkern — die Vorgänge, wel- che während der Theilung im Dotter wahrzunehmen sind, sprechen sehr dafür, dass die Theilung durch Contractionen des Protoplasma herbeigeführt wird und dass hierbei hauptsächlich die oberflächlichen Schichten betheiligt sind. An Durchschnitten durch Froscheier, an deren schwarzem Pol der Faltenkranz ge- bildet ist, sieht man eine feine Pigmentlinie, welche von der Einschnürungs- furche beginnt und je nach dem Stand der Theilung verschieden weit in die helle Dotterkugel hinabreicht (Taf. V, Fig. 6). Sie dringt durch die Mitte des Hantelstiels in leicht geschlängeltem Verlauf, so dass an dieser Stelle im Dotter ein Pigmentkreuz entsteht. Aus diesem Befund geht hervor, dass am oberen Pol vom Faltenkranz aus eine dünne Lamelle in das Innere des Eies sich hin- absenkt und den Dotter in eine rechte und linke Hälfte theilt. Mit den Ar- schauungen, welche STRASBURGER *) in seinem Buch »über Zellbildung« entwickelt hat, scheint mir dieser Befund sich nicht vereinbaren zu lassen, da das Pigment nur von der Peripherie des Eies eingedrungen sein kann. *) STRASBURGER. Ueber Zellbildung und Zelltheilung pag. 249—251. Morpholog. Jahrbuch. 3. 4 50 Osear Hertwig mit den Riehtungskörpern verglichen, wie sie namentlich -bei Mol- lusken und Hirudineen in weiter Verbreitung beobachtet werden. Wie sehr hier jedweder Vergleichungspunet fehlt, das ergibt sich leicht, wenn man die Entstehung der eigentlichen Richtungskérper, wie wir sie bei den Hirudineen kennen gelernt haben, und die Entstehung der fälschlich sogenannten Richtungskérper der Amphibien vergleicht. Die ersteren bilden sich durch Zelltheilung, es findet hierbei eine spindelförmige Differenzirung des Kerns und eine Abschniirung von Protoplasma statt; von Alledem ist bei letzteren nichts wahrzu- nehmen. Mit den Amphibien werden wahrscheinlich die Knochenfische übereinstimmen, wie ich aus der ähnlichen Beschaffenheit ihrer Keimbläsehen glaube schliessen zu dürfen. Da man nun auch hier!) den Schwund des Keimbläschens mit der Ausstossung der Richtungs- körper in Beziehung gebracht hat, so werden neue Untersuchungen sehr erwünscht. Eine sich hier anreihende Frage, ob die Ausstossung der gelb- lichen Substanzlage eine Folgeerscheinung der Befruchtung ist, oder auch unabhängig von derselben erfolgen kann, muss ich unbeant- wortet lassen. Die Angabe Max SchHurtze's »fovea in ovis recen- tibus statim post partum fere omnibus et foecundatis et non foecun- datis facile cognoseitur« spricht für letzteres und hiernach scheinen schon durch die Einwirkung des in die Eihüllen eindringenden Wassers im Dotter Contractionen hervorgerufen zu werden, welche die Ausstossung veranlassen. Jedenfalls ist das Schleierchen, wie BAMBEKE beim Axolotl in übereinstimmender Weise beobachtet hat, in den Eiern des Eileiters noch nicht vorhanden. In der Deutung der Erscheinungen, welche nach der Befruch- tung im Innern des Dotters sich abspielen, ist die Frage nach der Herkunft der zwei sich copulirenden Kerne von ganz besonderem In- teresse. Hinsichtlich des am Ende der Pigmentstrasse beobach- teten Kernes kann ich mich zum Theil der Ansicht BAMBEKE’s anschliessen. Derselbe hält es für sehr wahrscheinlich, dass der neue Kern von dem Eindringen eines Spermatozoon herrührt, wel- ches als Spur seines Weges das trou vitellin und die Pigmentstrasse zurücklässt. Für diese Deutung spricht namentlich ein Vergleich, ', OBLLACHER Beiträge zur Geschichte des Keimbläschens im Wirbelthierei. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. VIH. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 51 welcher sich zwischen den Erscheinungen am Ei des Toxopneustes und der Batrachier ziehen lässt. Die terminale Erweiterung am Ende des Pigmentstreifens entspricht dann der Radienfigur, welche 5—10 Minuten nach der Befruchtung im Seeigelei an der Oberfläche auftaucht. Die kleine Kernvacuole in ihrem Centrum ist der kleine Körper, welchen ich als Spermakern bezeichnet habe. Wie dort, erscheint diese Bildung regelmässig eine bestimmte Zeit nach Vor- nahme der künstlichen Befruchtung. Da aus diesen übereinstimmenden Merkmalen unzweifelhaft die Homologie der verglichenen Theile sich ergibt, so bringe ich auch für die bei den Batrachiern beobachteten Erscheinungen dieselbe Er- klärung wie bei Toxopneustes in Anwendung. Wie dort, nehme ich hier an, dass nach der Befruchtung am schwarzen Pol ein Sperma- tozoon in den Dotter eindringt und dass aus dem Körper desselben ein kleiner Kern sieh bildet (Taf. IV, Fig. 2). Aus einer Anziehung, welche derselbe auf das homogene Protoplasma ausübt, erklärt sich die Radienfigur. Es sammelt sich nämlich das Protoplasma in der unmittelbaren Nähe des Kernes am dichtesten an und strahlt von bier in die weitere Umgebung in Radien aus. Die Dotterplättchen aber und die Pigmentkörnehen als die passiv bewegten Theile werden aus der Nachbarschaft des Kerns verdrängt. Sie bilden da- her um den homogenen Protoplasmahof eine schmale Zone und nehmen, da sie die Interstitien zwischen den ausstrahlenden Proto- plasmafäden ausfüllen, gleichfalls eine radiäre Anordnung an. Characteristisch für das Froschei ist der Pigmentstreifen, welchen der Spermakern bei seinem Vorrücken in den Dotter hinter sieh zu- rücklässt. Seine Entstehung erklärt sich leicht in der Weise, dass von der pigmentirten Rindenschicht ein vom Kern angezogener Theil sich abschniirt und mit nach dem Centrum wandert. Hierbei lösen sich Pigmentkörnehen von Stelle zu Stelle ab und lassen so noch später die Strasse erkennen, auf weleher die Einwanderung des Spermakerns erfolgt ist. In einem Punete muss ich den Ausführungen BAMBERE’S ent- gegentreten. Derselbe gibt an, dass der Spermakern später ver- schwinde und glaubt daher, dass er sich mit dem umgebenden Proto- plasma vermische ';. Von diesem lässt er dann weiterhin den Fur- chungskern gebildet werden. Im Gegensatz zu dieser Angabe habe ') Bampeke. Recherches sur lembryologie des batraciens. Extrait des bulletins ete. pag. 40. 4* 52 Oscar Hertwig ich ein stetig zunehmendes Wachsthum des Spermakerns von viertel Stunde zu viertel Stunde beobachten können. Anstatt sich aufzu- lösen, erscheint derselbe immer deutlicher als scharf contourirte Vacuole. An den untersuchten Eiern habe ich stets nur eine Pigment- strasse angetroffen und schliesse hieraus, dass unter normalen Verhältnissen auch überhaupt nur ein Spermatozoon in den Dotter hineingelangt. Zu dem gleichen Resultate ist BAMBEKE in seiner Untersuchung bei den Batrachiern gelangt, bei den Urodelen dagegen beobachtete er zahlreiche Vertiefungen auf der Oberfläche des Kies und mehrere Pigmentstreifen, welche er auf ein Eindringen einer srösseren Anzahl von Spermatozoen zurückführt. Sollten hier nicht vielleicht Pigmentstreifen vorliegen, die nicht zu den Befruchtungs- erscheinungen gehören? Jedenfalls bedarf dieser Punet bei der Wich- tigkeit der Frage noch einer weiteren Untersuchung. Der zweite Kern, welchen ich im Ei von Rana temporaria mit Regelmässigkeit, wenn auch erst auf einem etwas späteren: Stadium entdeckt habe (Taf. V, Fig. 4), ist den neuesten Beobachtern wie GörTE und BAMBEKE entgangen. Dass derselbe einen andern Ursprung als der Spermakern besitzt, kann man, glaube ich, daraus schliessen, dass er weder von einem Pigmenthof umgeben, noch durch eine Pigment- strasse mit der Eiperipherie verbunden ist. Da er nun gleichfalls zur Bildung des Furchungskerns beiträgt, so kann er nur dem Be- standtheil entsprechen, welchen ich hei Toxopneustes und den Hiru- dineen als Eikern bezeichnet habe. Es lässt sich hier die Frage aufwerfen, ob dieser Kern im Froschei nicht schon früher vorhanden gewesen oder ob er erst 1'/, Stunde nach der künstlichen Befruchtung, wo ich ihn zuerst wahrgenommen habe, entstanden ist. Für die erste Annahme lässt sich namentlich geltend machen, dass der entsprechende Eikern bei Toxopneustes und den Hirudineen schon im unbefruchteten Ei sich vorfindet. Gegen dieses Argument kann das negative Ergebniss meiner Untersuchung nicht in die Wagschale fallen. Denn ein Körper von so kleinen Dimensionen wie der Eikern kann zwischen der Masse der Dotterplätteheu auf Schnitten leicht übersehen wer- den; auch lässt sich hier, da wir ein Wachsthum des Kerns bis zu seiner Verschmelzung mit dem Spermakern beobachtet haben, die Möglichkeit nicht abweisen, dass der Kern auf früheren Stadien eine noch geringere Grösse, dagegen eine bedeutendere Dichtigkeit be- sessen habe. Diese Momente sind für meine Deutung massgebend. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 53 Da in zwei leicht zu beobachtenden Fällen, bei Toxopneustes und den Hirudineen, ein kernloser Zustand nicht eintritt, so nehme ich ein Gleiches auch für die schwer zu untersuchenden Amphibieneier an, und halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass der auf einem späteren Stadium nachgewiesene kleine Kern vielleieht von noch ge- ringerem Umfang schon gleich nach der Auflösung des Keimbläs- chens im Ei vorhanden ist. Bei Toxopneustes sowohl als auch den Hirudineen konnte ich ferner den Eikern von der Kernsubstanz (Keimfleck) des Keimbläs- chens ableiten. Wenn wir eine ähnliche Genese für die Batrachier voraussetzen und von diesem Gesichtspunet aus die Beschaffenheit ihres Keimbliischens und ihres Eikerns vergleichen, dann muss vor allen Dingen zugegeben werden, dass eigenthümliche und eigenartige Ver- hältnisse bei den Amphibien vorliegen. Bei der geringen Grösse des Eikerns kann dieser nicht der gesammten im Keim- bläschen enthaltenen, sehr ansehnlichen Masse von Kernsubstanz, sondern nur einem sehr geringen Theil derselben, etwa einem einzelnen Nucleolus entsprechen. In diesem Umstand kann ich jedoch kein Hinderniss für die von mir vorausgesetzte Genese des Eikerns erblieken. Die Schwierigkeit der Erklärung liegt hier nicht darin, warum ein so geringer Bruch- theil der Kernsubstanz in den Kikern übergeht, sondern darin, dass wir nicht anzugeben wissen, welche Bedeutung den multinueleolären Keimbläschen im Vergleich zu den uninueleolären zukommt. Gegen die Hypothese Bürschuis'), dass in den Fiern der Fische und Am- phibien der Zerfall der Keimflecke sehr gut als ein Vorläufer ihres sehliesslichen Untergangs zu betrachten sei, lässt sich wohl mit Recht der Umstand geltend machen, dass der multinueleoläre Zustand schon in ganz jungen Eiern ein oder mehrere Jahre vor ihrer Reife sich entwickelt. Allgemeiner Theil. Die im speciellen Theil dargestellten Untersuchungen über die Entwicklungsvorgänge im Ei der Hirudineen und Amphibien vor und nach der Befruchtung behandeln ein Thema, über welches in dem 1) BUTSCBLI, |. ce. pag. 223. 54 Oscar Hertwig letztverflossenen Jahre zahlreiche Schriften erschienen sind. For '), VAN BENEDEN?, BAMBEKE"), GREEFF?), STRASBURGER®) und BUTSHLI), sind auf diesem Felde thätig gewesen und namentlich die beiden letzt- genannten Forscher haben uns ein sehr umfassendes Beobachtungs- material mitgetheilt. Nur wenig Thierklassen gibt es, welche hierbei nicht Objecte zur Untersuchung geliefert haben. Dank diesen aus- gedehnten Forschungen sind wir denn auch in einer verhältnissmässig kurzen Zeit mit einer Fülle neuer Erscheinungen bekannt geworden und haben sich nach den verschiedensten Richtungen unsere Erfah- rungen und Kenntnisse erweitert. Wenn wir indessen nach den all- gemeinen Resultaten fragen, dann werden wir finden, dass trotz der zahlreichen und mit Sorgfalt ausgeführten Arbeiten eine Ueberein- stimmung über die wichtigsten Vorgänge in der Entwicklung des Eies noch keineswegs erzielt worden ist. Im Gegentheil, gerade jetzt, wo die einzelnen Forscher die oft schwer zu beobachtenden Veränderungen Schritt für Schritt zu verfolgen und zu deuten ver- sucht haben, sind gleichzeitig mehr verschiedenartige Ansichten als zuvor aufgestellt worden, Ansichten, die sich zum Theil schroff gegenüberstehen und eine Vereinbarung nicht zuzulassen scheinen. Es wird daher augenblicklich dieses Forschungsgebiet auf alle, die sich nicht specieller mit diesen Untersuchungen beschäftigt haben, einen verwirrenden Eindruck machen. Denn viele Fragen sind hier angeregt, keine einzige aber so vollständig und allseitig beantwortet worden, dass kein Zweifel gegen sie erhoben werden könnte. ı) For. Etudes sur le developpement des Mollusques. Paris. 1875. 2) VAN BENEDEN. 1) La maturation de l’oeuf, la fecondation et les pre- miéres phases du développement embryonnaire des mammiferes etc. Bulle- tins de l’Academie royale de Belgique 2me ser. t. XL. 1875. Im Folgenden citirt als Mammiferes nach dem Separatabdruck. 2) Contributions ä& Vhistoire de la vésicule germinative et du premier noyau embryonnaire; Bulletins de Académie royale de Belgique. 2me série t. LXI. 1876. Im Folgenden eitirt als Astéracanthion nach dem Separat- abdruck. 3) BAMBEKE. Reeherches sur l’embryologie des Batraciens. Bulletin de lAcadémie royale de Belgique 2me série t. LXI. i876. 4) GREEFF. Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der ge- sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1876 Nr. I u. 5. 5) STRASBURGER. Ueber Zellbildung und Zelitheilung. 2. Aufl. Jena 1876. 6) Bürsentı. 1) Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Ei- zelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Abhandl. der SENKENB. naturf. Gesellschaft. Bd. X. 1876. : 2) Zwei vorläufige Mittheilungen in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. XXV. pag. 201—213 u. pag. 426—441. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Fheilung d. thier, Eies. 55 Die Ursachen für diese so auffällige Erscheinung sind nicht so schwierig aufzufinden. Zum Theil nämlich hängen offenbar die ab- weichenden Beobachtungsresultate der einzelnen Forscher von der Verschiedenheit der angewandten Untersuchungsmethode, der grös- seren oder geringeren Vollständigkeit ihrer Beobachtungsreihen, der günstigeren oder ungünstigeren Beschaffenheit ihres Untersuchungs- objectes ab; zum Theil aber sind sie auch dadurch bedingt, dass nebeu den fundamentalen Vorgängen gleichzeitig Veränderungen ein- herlaufen, die nur auf einzelne Thierabtheilungen beschränkt und daher seeundärer Natur sind. Indem man solchen Veränderungen aber eine grössere Bedeutung und eine allgemeine Verbreitung zu- geschrieben hat, ist man vielfach zu unhaltbaren Vergleichen und Deutungen geführt worden. Unter diesen Umständen halte ich es für besonders geboten, dass das Verhältniss, in welehem die Untersuchung eines jeden Ein-. zelnen zu den Ergebnissen anderer Forscher steht, genau festgestellt wird. Denn nur so ist es möglich einen Ueberblick über die Punete zu gewinnen, in welchen übereinstimmende Ergebnisse erzielt worden sind, und auf der anderen Seite die strittigen Fragen genau zu formu- liren, welche zu ihrer Lösung noch weitere Beobachtungen verlangen. Dies bestimmt mich, jstzt noch in einem besonderen Abschnitt auf die neuesten Arbeiten, welche über die ersten Entwicklungsvorgänge im Ei erschienen sind, näher einzugehen. Namentlich verlangen hier eine nähere Berücksichtigung die Untersuchungen von VAN BENEDEN, Biscuit und STRASBURGER, welche auf ein umfangreicheres Be- obachtungsmaterial. gestützt ihren Ergebnissen eine grössere Trag- weite gegeben und vielfach Ansichten ausgesprochen haben, mit welchen meine früheren und meine jetzigen Beobachtungen sich nicht vereinigen lassen. Bei Besprechung dieser Arbeiten werde ich zu- gleich Gelegenheit nehmen, Einwürfe zw beantworten, welche van BE- NEDEN, BÜTSCHLI und STRASBURGER gegen meine Darstellung und Deutung der Vorgänge im Ei des Toxopneustes in verschiedener Weise erhoben haben. ow . Zur grösseren Uebersicht werde. ich, wie im speciellen Theil, auch hier die Untersuchungen über die Entwicklungsvorgänge im unbefruchteten und befruchteten Ei getrennt behandeln. 56 Osear Hertwig I. Abschnitt. Ueber die Veriinderungen des Keimbliischens bei der Reife des Eies hat van BENEDEN in den belgischen Academieberichten zwei Schriften veröffentlicht. Die erste derselben, eine vorläufige Mit- theilung über die ersten Entwicklungsvorgiinge im Säugethierei er- schien im Decemberheft. Schon einen Monat darauf folgte ihr die zweite Schrift, deren Publieation offenbar durch meine Arbeit über Toxopneustes veranlasst worden war. Unter dem Titel: Beitrag zur Geschichte des Keimbläschens und des ersten Embryonalkerns ent- hält dieselbe theils Beobachtungen, welche van BENEDEN bereits vor einigen Jahren gleichfalls an den Eiern eines Echinodermen, des Asteracanthion rubens angestellt hatte, theils enthält sie Einwürfe gegen meine Deutung, nach welcher zwischen dem Keimbläschen und dem Eikern ein genetischer Zusammenhang besteht. Nach van BENEDEN geht sowohl bei Säugethieren als bei Astera- canthion das Keimbläschen in allen seinen Theilen als morphologisches Gebilde im Ei zu Grunde. Bei den Säugethieren liegt es zur Zeit der Reife als bieonvexe Linse an der Oberfläche des Eies und erleidet in seinem Inhalt eine Reihe von Veränderungen, welche zur Bildung zweier Körper, des corps nucléoplasmique und des corps nucléolaire führen. Von diesen entsteht der corps nucléoplasmique, indem das Nucleoplasma, das Fadennetz des Keimbläschens und die Pseudonucleoli zu einem mehr oder weniger umschriebenen Haufen granulirter Substanz verschmelzen. Der corps nucléolaire dagegen ist der etwas modifieirte Keimfleck, der oft ellipsen-, manchmal linsen- oder calottenförmig gestaltet ist. Bei den Säugethieren fällt nun, wie VAN BENEDEN weiter mittheilt, das Verschwinden des Keim- bläschens und die Ausstossung der Richtungskörper zeitlich zusammen und verläuft in der Weise, dass der flüssige Inhalt des Keimbläs- chens mit dem Protoplasma sich mischt, der corps nucléolaire und der corps nucléoplasmique dagegen die zwei Riehtungskörper bilden. Die beiden letzteren besitzen daher auch weder dieselbe Zusammen- setzung noch dieselbe Bedeutung. Der eine färbt sich in Pierocarmin roth, der andere nimmt keine Färbung an. Bei Asteracanthion konnte VAN BENEDEN die Veränderungen des Keimbläschens am abgelegten Ei im Zusammenhang verfolgen. Er sah, wie zuerst der Keimfleck an seiner Oberfläche eine höckrige Beschaffenheit annimmt und dann in einzelne verschieden grosse Fragmente zerfällt, die sich endlich vollkommen im Kernsafte auf- Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 57 lösen. Er konnte dann weiter beobachten, wie das homogen ge- wordene Keimbläschen sich zunächst in einen klaren unregelmässig begrenzten Fleck umwandelt, und wie dieser dann mehr und mehr an Grösse abnimmt und schliesslich vollkommen verschwindet. Erst einige Zeit nach der Vermischung des Keimbläscheninhaltes mit dem Dotter sah van BEnEDEN Richtungskörper bei Asteracanthion ent- stehen, ohne dass er genauer hätte erkennen können, wie sie sich bilden. Aus den beiden Beobachtungsreihen geht hervor. dass in der Art und Weise, wie das Keimbläschen sich rückbildet, erhebliche Verschiedenheiten zwischen den Säugethieren und Asteracanthion vorhanden sind. Während bei ersteren der corps nueléolaire und der corps nucléoplasmique ausgestossen werden und die Richtungs- körper bilden, findet bei Asteracanthion eine vollständige Auflösung des Keimbläschens in allen seinen Theilen statt und erst dann treten die Riehtungskörper in nicht näher bekannter Weise auf. Zur Er- klärung dieser Verschiedenheiten hat van BENEDEN die Hypothese auf- gestellt, dass bei einigen Thieren zur Reifezeit des Eies gewisse Bestandtheile des Keimbläschens auf directem Wege ausgestossen würden, bei anderen aber erst nach einer vorausgegangenen Auf- lösung im Dotter. : Auf diese Ergebnisse gestützt und von dem zweifellos richtigen Standpunct ausgehend, dass in fundamentalen Vorgiingen eine Ueber- einstimmung zwischen den verschiedenen Thierklassen herrschen muss, sucht van BENEDEN meine ganz entgegengesetzte Auffassung zu bekämpfen, indem er einmal meine Deutungen in Frage stellt, weiterhin aber auch den Werth meiner Beobachtungen mit dem Maassstab der von ihm an anderen Objeeten gemachten Wahrneh- mungen bemisst. Meine Deutungen sucht van BENEDEN in Frage zu stellen, indem er sich gegen die Argumente wendet, welche ich zu Gunsten der Ableitung des Eikerns vom persistirenden Keimfleek vorgebracht habe. Zum Theil laufen hier seine Einwürfe darauf hinaus, dass ich den Uebergang des einen Gebildes in das andere nicht direct beobachtet sondern nur erschlossen habe, dies ist ein Punct, der von mir selbst schon in meiner Abhandlung scharf betont worden ist. Weiterhin glaubt aber auch van BENEDEN einigen Veränderungen, die ich vom Keim- bläschen beschrieben und abgebildet habe, eine wesentlich andere Deutung geben zu müssen Im Hinblick auf meine Figuren 3—6 58 Oscar Hertwig (Taf. X) ist er überzeugt‘), dass der Keimfleck auch beim Seeigel einen Zerfall in Theilstücke erleidet und glaubt, dass die von mir im Keimbliischen abgebildeten granulirten Körper nichts anderes als vergrösserte Fragmente der Nucleolarsubstanz sind, wobei er bemerkf, dass ich in Betreff jener Granula gar keine Angaben ge- macht habe. Diese Umdeutung meiner Abbildungen steht mit meinen Beob- achtungen in Widerspruch und würde von VAN BENEDEN nieht ver- sucht worden sein, wenn er nicht die von mir gemachten Angaben?) übersehen hätte. Hier heisst es von dem an der Oberfläche des Dotters gelegenen und in regressiver Metamorphose begriffenen Keim- bläschen: »Sein Inhalt besteht aus einem dünnflüssigen Safte, in welchen ausser feinen punetförmigen Körnchen eine Anzahl kleiner, unregelmässig gestalteter Körper eingebettet sind. Letztere können im frischen Zustande leicht mit Keimflecken verwechselt werden, unter- scheiden sich aber von ihnen schon dadurch, dass sie sich in Carmin gar nicht imbibiren, mithin auch nicht aus Kernsubstanz gebildet sind; in einigen Fällen fand ich ausserdem noch in dem linsenförmi- sen Körper (dem Keimbläschen) ein rundes Gebilde von der Be- schaffenheit und Grösse des Keimflecks. Dasselbe lag unmittelbar der Dotteroberfläche an und färbte sich in Carmin dunkelroth. In andern Objecten, wo dieser Keimfleck fehlte, enthielt der Dotter stets schon den bleibenden Eikern. Derselbe lag in der Regel in der Nähe des der Eioberfläche eingesenkten hellen Körpers. In al- len von mir untersuchten in der Umwandlung begriffenen Eiern schlossen sich der Keimfleck und der Eikern in ihrem Vorkommen gegenseitig aus. War der Keimfleck im linsenförmigen Körper be- merkbar, dann vermisste man den Eikern und umgekehrt. Dagegen fehlten beide nie gleichzeitig in irgend einem Eic. Aus diesen bestimmt gefassten Angaben widerlegt sich von selbst die von van BENEDEN versuchte Umdeutung, nach welcher der Keimfleck in Granula zerfallen soll. Denn erstens findet sich in mehreren Fällen neben den granulirten Körpern im Keimbläschen auch noch der Keimfleck vor, und zwar wohlerhalten und in gewöhnlicher Grösse, „weitens aber besitzen die fraglichen Körperehen gar nicht die Eigen- schaften von Theilstücken des Nucleolus, da sie in Carmin keine Spur von Färbung annehmen. Ich habe dieselben daher auch an 1) van BENEDEN. (Asteracanthion.) pag. 36. 2) Oscar Hertwic. (Toxopneustes.) pag. 9. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 59 einer späteren Stelle für ein Zerfallsproduet der Grundsubstanz des Keimbläschens erklärt). In seiner Polemik beschränkt sich aber van BENEDEN nicht blos darauf, eine andere Deutung meiner Beobachtungen zu versuchen, sondern er hat auch gegen die Genauigkeit und Vollständigkeit der- selben Zweifel erhoben. »J’ai été fort étonné,« bemerkt derselbe auf pag. 11 unter Nr. 3 seiner Einwürfe, »aprés avoir lu-le travail de Herwig, de n’y avoir trouvé aucune mention des corps direc- teurs, qui ont été constatés ches beaucoup d’Echinodermes, et qui ne peuvent manquer de se trouver également chez le toxopneustes. Il efit été fort interessant de savoir comment se forment ces élé- ments chez cet Echinoderme. D’apres mes observations lun des corps nest autre chose, chez le lapin, que la tache germinative re- jetée dans le liquide périvitellin aprés sa fusion préalable avec la membrane de la vésicule germinativec. VAN BENEDEN wirft mir also vor, die Richtungskörper bei Toxo- pneustes iibersehen zu haben, von dem Gesichtspunct geleitet, dass Theile, welche bei Asteracanthion vorhanden sind, bei anderen Echi- nodermen nicht fehlen könnten. Zu dieser Folgerung würde er ein Recht gehabt haben, wenn aus der Literatur hervorginge, dass die Verbreitung der Richtungskörper eine allgemeine ist, oder wenn er den Beweis führen könnte, dass ihre Bildung einen fundamentalen Vorgang in der Entwicklung des Eies darstellt. Beides trifft aber für die Riehtungskörper nicht zu; einerseits fehlen dieselben in grös- seren Thierklassen sowohl als auch in einzelnen kleinern Abtheilun- gen, andererseits ist ihre Beschaffenheit und ihre Bedeutung zur Zeit nichts weniger als aufgeklärt. Da nun auch alle übrigen For- scher, welche sich mit dem Ei des Toxopneustes beschäftigt haben, keine Richtungskörper haben wahrnehmen können, so muss ich den von VAN BENEDEN erhobenen Zweifel als vollkommen grundlos be- zeichnen und ihm gegenüber mit Bestimmtheit erklären, dass so deutlieh und so leicht zu beobachtende Gebilde, wie sie bei den Hirudineen und Mollusken als Richtungskörper beschrieben werden, bei Toxopneustes lividus zu keiner Zeit vorhanden sind. Ausserdem aber muss ich mich gegen die Art und Weise, wie VAN BENEDEN gegen meine Angaben Zweifel erhoben hat, mit aller Entschiedenheit hier aussprechen, da durch ein derartiges Verfahren ') Oscar Herrwic. (Toxopneustes.) pag. 10. 2) VAN BENEDEN. (Asteracanthion.) pag. 11. 60 Oscar Hertwig die Zuverlässigkeit meiner Beobachtungen in Frage gestellt wird. Ich finde hierzu um so mehr Veranlassung als die obenangeführte Stelle nicht die einzige der Art in VAN BENEDEN’s Sehrift ist. So schildert derselbe auf pag. 23. wie am Ei des Seesterns zwei Zonen, eine Rinden- und eine Markschicht sich unterscheiden lassen und wie erstere eine leicht radiäre Streifung aufweist. »Cette distinction entre les deux substances constitutives du vitellus des Asterides,« be- merkt van BENEDEN hierzu, »a échappé a tous ceux, qui ont etudié les produits sexuels de ces Echinodermes. Elle n’a été signalee jusqw’ä present chez aucun animal de cet embranchement, et je m’etonne que Herrwic qui a étudié avec tant de soin les oeufs du Toxopneustes, ne lait pas observée«'). Auch dieser Zweifel ist grundlos, da aus der Literatur genug- sam hervorgeht, wie in so geringfügigen Structurverhältnissen zwi- schen ganz nahe verwandten Thierarten Verschiedenheiten vorkom- men können. Indem ich somit meine Beobachtungen am Ei des Toxopneustes und die Deutungen derselben in ihrem ganzen Umfang aufrecht er- halte, bezweifele ich keineswegs die genauen und glaubwürdigen Angaben van BENEDEN’s über den Zerfall des Keimflecks und über das Vorkommen von Richtungskörpern bei Asteracanthion, nur bin ich dureh sie nicht überzeugt worden, dass hier wirklich das Keim- bläschen in allen seinen Theilen zu Grunde gegangen ist und dass der später auftauchende Furchungskern sich vollkommen neu gebil- det hat. Wie ich bei dem Mangel entgegengesetzter Angaben glaube an- nehmen zu dürfen, sind die Untersuchungen vAN BENEDEN’s nur am lebenden Objeete und ohne Anwendung von Reagentien angestellt worden. Durch die Beobachtungen der jüngsten Zeit ist nun aber viel- fach gezeigt worden, dass der Kern Modificationen eingehen kann, welche ihn im frischen Zustande unsichtbar, weil nicht vom Dotter unterscheidbar machen. In diesem Sinne hat sich denn auch GREEFF 2) ausgesprochen, welcher ganz neuerdings das Ei des Asteracanthion untersucht hat. Greerr bestätigt im Allgemeinen die Mittheilungen von VAN BENEDEN, weicht aber in Einzelheiten, die mir nicht unwich- tig erscheinen, von ihnen ab. Er konnte beobachten, wie nach Ab- ') VAN Benepen. (Asteracanthion.) pag. 24. ?) GREEFF. Sitzungsber. der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturw. zu Marburg. 1876. pag. 83—87, Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 61 lauf der ersten halben Stunde der anfangs homogene und von ein- zelnen Vacuolen durchsetzte Keimfleck ein vollkommen granulöses Aussehen erhält, wie dann aber das Keimbläschen zu schrumpfen beginnt, indem seine Contouren unregelmässig gezackt und einge- buchtet werden und sein Umfang mehr und mehr abnimmt, bis nur noch ein kleiner heller Hof den Keimfleck umschliesst. Während der Hof sich noch mehr zusammenzieht, sollen die Granula des Keimflecks sich zuweilen von einander ablösen, meist aber in Zu- sammenhang bleiben und bald blass und undeutlich werden und endlich sollen die Contouren des Keimflecks vollständig schwinden. Man soll jetzt nur noch eine gezackte, wie amöbenartig ausgezo- gene helle Stelle sehen. »Dieses vielleicht aus den miteinander verschmolzenen Keimbläschen und Keimfleck übriggebliebene. Ge- bilde,« fährt Greerr fort'), »habe ich früher für den persistirenden Keimfleck gehalten. Aber auch dieses entschwindet beim normalen Fortschritt der Entwicklung dem Auge und wir haben dann an- scheinend nur noch ein kernloses Ei vor uns, dessen Dotter etwas dunkler geworden ist, als er vor der Entwicklung war. Ich sage »anscheinend«, denn auf der andern Seite ist die Aunahme nicht auszuschliessen, dass der Keimfleck dennoch persistirt, aber so un- deutlich wird, dass er in der ihm riicksichtlich der Lichtbrechung fast gleichartigen homogenen Grundsubstanz des Dotters, die er amöbenartig durchwandert, nicht mehr zu bemerken ist«. Indem ich die Vermuthung GrEEFF's theile, glaube ich auch schon jetzt den Weg bezeichnen zu können, auf welchem wohl die Verschie- denheiten zwischen den Vorgängen beim Ei des Toxopneustes und Aste- racanthion eine Erklärung finden werden. Der von VAN BENEDEN und GREEFF geschilderte Zerfall des Keim- flecks scheint mir derselbe Vorgang zu sein, welchen ich bei Ne- phelis habe eintreten und zur Bildung einer Kernspindel führen sehen. Ich vermuthe daher, dass eine solche auch bei Asteracanthion nicht fehlen wird. Einen weiteren Anhaltspunet für meine Ver- muthung erblicke ich in den Angaben VAN BENEDEN’s, denen zu Folge bei diesem Echinodermen Richtungskörper vorkommen. Wir wissen aber, dass letztere mit der spindelförmigen Differenzirung des Kerns, wie die neuesten Untersuchungen dargethan haben, in einem nahen Zusammenhang stehen. Sollte meine Vermuthung eintreffen, dann !) GREEFF, |. c. pag. 87. 62 Oscar Hertwig würden auch die Unterschiede, welche zwischen den beiden unter- suchten Echinodermen in der Umwandlung des Keimbläschens be- obachtet worden sind, sich erklären und auf das Fehlen oder Vor- handensein von Richtungskörpern sieh zurückführen lassen. Bei Toxopneustes, wo Richtungskörper fehlen, geht der Keimfleck un- verändert in den Dotter über und erscheint hier als ein kleiner, runder und homogener Kern, bei Asteracanthion dagegen, dessen Ei Richtungskörper bildet, erleidet der Keimfleck, nachdem er zuvor in eine Anzahl von Granula zerfallen ist, eine spindelförmige Meta- morphose, um bei der bald erfolgenden Zelltheilung in Wirksamkeit zu treten. Aus dem hier mitgetheilten Versuch ersieht man, wie unbe- schadet der Beobachtungen von VAN BENEDEN zwischen unseren schein- bar ganz entgegengesetzten Angaben sich eine befriedigende Ueber- einstimmung gewinnen lässt. Ein Gleiches ist bei den Mittheilungen van BENEDEN’s über die ersten Entwicklungsvorgiinge im Säugethierei nicht möglich. In ihrer jetzigen Fassung stehen sie in directem Gegensatz zu den allge- meinen Ergebnissen, zu denen ich durch eigene Untersuchung und dureh Verwerthung der Literatur gelangt bin. Ein Urtheil über diese Angaben oder den Versuch einer Umdeutung kann ich mir nieht er- lauben, da van BENEDEN in seiner vorläufigen Mittheilung objectiven Befund und Deutung nicht getrennt dargestellt hat. Wenn er daher blos erklärt, dass der eine Riehtungskörper der corps nucléolaire (der umgewandelte Keimfleck) der andere der corps nucléoplasmique des Keimbläschens ist, so weiss ich vor der Hand nicht, ob er direct den Uebergang dieser Elemente in einander beobachtet oder nur aus übereinstimmenden Merkmalen erschlossen hat. Dies ist aber für die Beurtheilung und Verwerthung der referirten Angaben von der grössten Bedeutung. Denn im letzteren Falle bleibt die Möglichkeit einer andern Erklärung offen und dann liesse sich daran denken, dass bei den Säugethieren ähnliche Verhältnisse wie bei Mollusken und Hirudineen vorliegen. Hier birgt ja gleichfalls der zuletzt gebildete Richtungskörper eine in Carmin sieh stärker imbibirende Kernva- euole, ohne deswegen durch Ausstossung des Keimflecks entstanden zu sein. Wie van BENEDEN, so ist auch Bürscnwı durch seine ausge- dehnten Untersuchungen an Würmern und Gastropoden zu einem dem meinigenentgegengesetzten Resultate geführt worden. In einem Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 63 £ 5 8 Anhang') zu seiner Abhandlung kommt er daher noch auf meine Untersuchung zu sprechen und bestreitet die allgemeine Tragweite meiner Schlüsse, weil ich die Angaben, nach denen das Keimbläs- chen in toto ausgestossen werden soll, nieht berücksichtigt hätte. Auch wirft er die Frage auf, ob denn in den Eiern der Eehino- dermen der durch die Thierreihe so verbreitete Vorgang der gänz- lichen oder theilweisen Ausstossung des Keimbläschens wirklich ganz fehlen solle, da man doch aus dem Vorkommen bei Würmern und Rotiferen sicherlich auf ein sehr allgemeines Phaenomen schliessen dürfe ? Wenn wir die Beobachtungen Bürscnhtrs näher in das Auge fassen, so lassen sich dieselben in drei Gruppen sondern: der einen Gruppe gehören die Eier der Gastropoden, der Hirudineen und des Cucullanus elegans an. Hier lässt BürscHLı, wie wir schon gesehen haben, das Keimbläschen zu einer Spindel sich umwandeln. Diese soll dann an die Oberfläche des Eies rücken, ausgestossen werden und indem sie quillt, in die Riehtungskörper übergehen. In der zweiten Gruppe, zu denen die meisten Nematoden gerechnet werden müssen, beschreibt Bürsenti gleichfalls eine Ausstossung des Keim- bläschens, aber in etwas modifieirter Weise. Eime Spindelbildung konnte er hier (Cucullanus ausgenommen) nicht nachweisen, anstatt dessen sah er den Keimfleck verschwinden, die Umrisse des Keim- bläschens undeutlich werden und eine kleine helle und verschwom- mene Stelle entstehen, welche er den Keimbläschenfleck nennt. Den letzteren lässt er an die Oberfläche rücken und aus seinem Innern ein ganz kleines Kiigelehen, das metamorphosirte Keimbläschen, hervortreten. Wie an den Eiern der ersten Gruppe die beträcht- liche Volumsdifferenz zwischen Spindel und Richtungskérper dureh Quellung, so wird hier dieselbe durch eine stattgehabte Schrumpfung erklärt. In der dritten Gruppe endlich, welche von Räderthieren und Aphiden gebildet wird, konnte trotz vieler Bemühungen ein Riehtungskörperehen nicht aufgefunden werden. Gleichwohl ist Bürscnuı sehr geneigt, in der Ausstossung des Keimbläschens einen weit verbreiteten, fundamentalen Vorgang zu erblicken, und so erklärt er an einer Stelle2), dass »wenn das Keim- bläschen, wie jetzt bei Mollusken, Würmern und Wirbelthieren nach- gewiesen ist, ausgestossen wird, ähnliches wohl allerwärts geschieht, 1, Bürscutı, |. e. pag. 220—232 2) BürscHuı, | e. pag 17. 64 Oscar Hertwig wenn sich auch im Einzelnen bedeutsame Modificationen dieses Vor- ganges zeigen mögen «. Wie aus dem Referate hervorgeht, stimmt BürscnLı mit van BE- NEDEN darin überein, dass die Richtungskörper ausgestossene Kern- theile sind, dagegen weichen sie von einander in ihren Angaben ab, wenn wir die Vorgänge im Einzelnen betrachten. VAN BENEDEN lässt das Keimbläschen sich auflösen und dann nur Theile desselben (corps nucléolaire, corps nucléoplasmique) eliminirt werden, BürscnLı da- gegen beschreibt keine Auflösung, sondern lässt das Keimbläschen ganz austreten, sei es als Spindel, sei es in anderer Form. Der Annahme von einer derartigen Beziehung zwischen dem Keimbläschen und der Bildung der Richtungskörper kann ich nicht beistimmen und halte eine solche auch durch die Beobachtungen Bürschr's nicht für erwiesen. Schon im speciellen Theil habe ich gezeigt, dass bei den Hirudineen und Gastropoden die Erscheinungen in einer ganz anderen Richtung zu deuten sind, dass die Kern- spindel nicht dem Keimbläschen, sondern nur einem Theil desselben entspricht, dass die Richtungskörper nieht durch Ausstossung der Spindel, sondern durch Zelltheilung entstehen, dass daher auch ein Theil der Spindel den Furchungskern mit bilden hilft. Ebenso kann ich, hinsichtlich der Nematoden, den Angaben BürscHLr’s nichts entnehmen, was zu der Ansicht nöthigte, dass hier das sogenannte Richtungskiigelchen das ausgestossene Keim- bläschen ist. Denn erstens ist zur Zeit, wo das Kügelchen aus dem Ei hervorgeschoben wird, das Keimbläschen als solches bereits in der Zelle nicht mehr vorhanden, sondern an seiner Statt nur eine kleine körnchenfreie Stelle, der sogenannte Keimbläschenfleck, über dessen Beschaffenheit keine näheren Mittheilungen gemacht werden. Zwei- tens ist das später aus dem Ei austretende Körperchen von einer so geringen Grösse, dass Bürschuı es ursprünglich !) für den bei Nema-- toden sehr kleinen Keimfleck gehalten hat. Weder in Grösse noch Bau gleicht es im Entferntesten dem Keimbläschen. Mit demselben Rechte wie BürscnLı in dem Kügelchen das geschrumpfte Keim- bläschen, kann man in ihm auch nur einzelne Reste desselben er- blicken, welche nach der Auflösung unbrauchbar geworden sind und daher aus der Zelle entfernt werden. Offenbar ist BürschLi hier ') Bürscnuı. Vorläufige Mittheilung über Untersuchungen betreffend die ersten Entwicklungsvorgänge im befruchteten Ei von Nematoden und Schnecken. Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd XXV. pag 201. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 65 in seiner Deutung durch seine Befunde bei Infusorien, Hirudineen, Mollusken und Cucullanus bestimmt worden, wie er denn auch selbst sagt: »Nach den Erfahrungen, die wir bei Nephelis und Cucullanus machten, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass wir in dem von mir oben als Keimbläschenfleck bezeichneten Umwandlungsproduct des Keimbläschens dasselbe Gebilde vor uns haben, welches wir in dem spindelförmig modifieirten Eikern des Nephelis-Eies fanden, zu- ‘sammen mit den beiden Centralhöfen der sich um dessen Enden findenden Strahlungen, welche sich auch hier bei genaueren Beob- achtungen wohl noch auffinden lassen werden«!. Bezeichnend ist in der Hinsicht auch folgende Stelle?): »Bei dieser Deutung, die ich für die einzig mögliche halte, wodurch meine sämmtlichen Be- obachtungen über die Ausstossung des Keimbläschens bei Würmern und Schnecken in Einklang gebracht werden, darf uns die beträcht- liche Reduction, welche das Volumen des Keimbläschens bei der Metamorphose zum Richtungskörper erfährt, nicht stören. Wir fin- den das Gleiche bei allen bisher untersuchten Eiern und werden uns späterhin, namentlich bei den Infusorien überzeugen, dass Vo- lumsiinderungen der Kerne in dem grössten Maassstab und der ver- schiedensten Richtung stattfinden können «. In diesen Sätzen, scheint mir, hat BürschLı selbst die schwache Seite seiner. Deutungen hervorgehoben. indem er fast überall, um seine Beobachtungen mit seiner Hypothese in Einklang zu bringen, zur Annahme sei es einer Schrumpfung, sei es einer Quellung greifen muss. Ausserdem muss ich betonen, dass alle Motivirungen BÜTSCHLr's hauptsächlich auf seinen bei Gastropoden und Hirudineen gemachten Erfahrungen fussen, welehe, wie wir gesehen haben, am wenigsten geeignet sind, seine theoretischen Auffassungen zu stützen. Nach den zur Zeit vorliegenden Beobachtungen wird man daher die Frage nach der Bedeutung und Abkunft der Richtungskügelchen bei Nematoden noch als eine offene behandeln müssen. Ich komme nun zu dem Verhältniss, in welchem meine Beob- achtungen zu den Auffassungen stehen, welche STRASBURGER in der zweiten Auflage seiner Schrift über Zellbildung entwickelt hat*. Durch eine zweite Untersuchung der reifen Eier von Phallusia fand STRASBURGER, dass das kernlose Stadium, welches er früher !, BUrscnut, Studien ete. pag. 25. 2) BUTSCHLI, Studien ete. pag. 26. 3) STRASBURGER, 1. c. pag. 293—316. Morpholog. Jahrbuch. 3. ou 66 Oscar Hertwig beschrieben hatte, nieht zu beobachten ist, indem sich an der Ei- peripherie noch ein kleiner Kern, wahrscheinlieh ein Rest des Keim- bläschens, nachweisen lässt. Ferner hat er die Bildungsweise der Canalzelle der Coniferen genauer verfolgt und hierbei festgestellt, dass dieselbe durch Zelltheilung aus dem Ei gebildet wird, indem das oberflächlich gelegene Keimbläschen in zwei Hälften zerfällt, in den Kern der Canalzelle und in den Kern des reifen befruchtungs- fähigen Eies. In der Canalzelle erblickt er ein Analogon der Rich- tungskörper der thierischen Kier. Von diesen Beobachtungen aus wirft STRASBURGER einen Blick auf ältere und neuere Angaben über das Verhalten des Keimbläs- chens und misst hier den Mittheilungen über Verschwinden des Keimflecks, über Ausstossung des Kerns oder eines Kerntheils und dem Vorhandensein von Riehtungskörpern eine grosse Bedeutung bei. Er hält es für wahrschemlich, dass die Verbreitung der letzteren eine allgemeine ist, dass daher auch bei Seeigeln und bei Phallusia entsprechende Bildungen ausgestossen werden. Da nun hier während der Befruchtung von einem solehen Vorgange nichts zu bemerken ist, so glaubt er annehmen zu können, dass die Ausstossung in die Zeit vor der Befruchtung falle. Die Bedeutung der Richtungskérper sucht er darin, dass bei ihrer Bildung der Kern der Eianlage sich gewisser Bestandtheile entledigt und sich so für die zukünftige Be- fruchtung vorbereitet «'). Auf dieser Grundlage bildet sich STRASBURGER eine Auffassung, die in folgenden Worten zusammengefasst ist: »Aus allen diesen Be- trachtungen scheint mir hervorzugehen, dass ein Theil des alten Keimbläschens stets im thierischen Ei verbleibt, dass aber dieser verbleibende Theil dem Keimflecke nicht entspricht. Vielmehr wird mir jetzt schon die Uebereinstimmung der betreffenden Vorgänge in den thierischen Eiern mit denjenigen in pflanzlichen, vorniimlich in den Conifereneiern, mehr denn wahrscheinlich, wonach der Zellkern der Eianlage sich theilen und eine Hälfte desselben ausgestossen werden, die anderen in dieser oder jener Weise sich moditieirend, wohl auch unkenntlich werdend, im Eie verbleiben miisste«?). — Diese letzten Worte erklärt STRASBURGER an einer andern Stelle näher dahin, dass die eine Kernhälfte sich später im Dotter ver- theilen könne, was ihm aus Beobachtungen AUERBACH’s, BÜTSCHLTS 1) STRASBURGER, |. c. pag. 294. 2) 2) STRASBURGER, 1. e. pag. 304—305. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 67 und van Benepen’s hervorzugehen scheint. Er schliesst daher auch, dass es »sich in den Fällen der Erhaltung des Eikerns nicht um diesen Kern als morphologisches Element, sondern nur um dessen Substanz handelt«. »Man könne daher auch dort. wo die Kern- substanz sieh nieht im Eiplasma vertheilt, von einem kernlosen Zu- stand des Eies vom morphologischen Standpuact aus sprechen «"). Auf meine Beobachtungen am Ei des Toxopneustes eingehend wendet sich STRASBURGER gegen die Deutung derselben und führt den Eikern nicht auf die Erhaltung des Keimflecks, sondern über- haupt nur auf die Erhaltung eines Theiles des Keimbläschens zu- rück. Ferner wirft er meiner Auffassung vor, dass sie für die Existenz der sogenannten kichtungskörper keinen Raum übrig lässt. Wenn wir jetzt die von VAN BENEDEN, von BÜTSCHLI und von mir vertretenen Ansichten mit der Ansicht STRASBURGER'S vergleichen, so sehen wir, dass dieselbe von allen drei nieht unerheblich ab- weicht. Mit van BenepEN und BürschLı stimmt STRASBURGER in dem Punete überein, dass er die Bildung der Richtungskörper mit der Umbildung des Keimbläschens in Zusammenhang bringt, dagegen weicht er von beiden ab, indem er nur eine Hälfte des Kerns und zwar diese durch Kerntheilung aus der Zelle austreten lässt. Auf der andern Seite wiederum nähert sich STRASBURGER meiner Auf- fassung, insofern er zugibt, dass bei der Eireife ein Theil des Keim- bläschens erhalten bleibt und in den Furchungskern übergeht. Im Einzelnen bestehen aber auch hier erhebliche Differenzen, und er- leidet die hervorgehobene Uebereinstimmung eine Einschränkung na- mentlich in zweifacher Hinsicht: I, indem STRASBURGER den persistirenden Theil des Keimbläs- chens durch Theilung entstehen lässt, und 2) indem er in einer Zahl Fälle annimmt, dass die persistirenden Kerntheile im Dotter sich auflösen und vertheilen können; dass es daher nicht um den Kern als morphologisches Element, sondern nur um dessen Substanz sich handelt. Ein weiterer sehr bedeutsamer Unterschied zwischen unseren beiderseitigen Auffassungen betrifft die Beurtheilung der Riehtungs- körper. Da wir nun auf diesen Punet schon bei Besprechung der Arbeiten von VAN BENEDEN und Bürscnur wiederholt hingeführt wor- den sind, so halte ich es für zweckmiissig auf die Frage nach der 1) STRASBURGER, |. e. pag. 311— 312. 68 Oscar Hertwig Verbreitung, Bildung und Bedeutung der Richtungskörper jetzt noch näher einzugehen und meine Ansicht im Zusammenhang darzulegen. Es gibt wohl wenig Gebilde auf dem Gebiete der Entwicklungs- geschichte, welche eine so vielfältige und so häufig wechselnde Be- urtheilung erfahren haben, wie die Richtungskörper. Bald erblickte man in ihnen Theile von untergeordneter Bedeutung, ausgepresste Protoplasmatröpfehen oder Exeretkügelchen, bald legte man ihnen eine grössere morphologische Bedeutung für die weiteren Entwick- lungsprocesse des Eies bei und war dann geneigt, eine weite und allgemeine Verbreitung dieser Gebilde anzunehmen; bald glaubte man in ihnen das Keimbläschen oder Theile desselben wiederer- kennen zu müssen. Namentlich diese letzte Lehre hat vielfache Wandlungen erfahren. Schon Frey, Loven und andere sprachen die Vermuthung aus, dass der Keimfleck aus dem Ei ausgestossen werde. Dann gerieth diese Ansicht wieder mehr in Vergessenheit. bis in der Neuzeit ÖELLACHER Beobachtungen am Forellenei mit- theilte, welche beweisen sollten, dass das Keimbläschen an die Ober- fläche rückend aus dem Dotter entfernt werde und den Richtungs- körper bilde. OELLACHER's Mittheilungen fanden vielen Anklang, zahlreiche Forscher haben sich ihm angeschlossen und haben namentlich BÜTSCHLI, VAN BENEDEN und STRASBURGER, wie wir gesehen haben, dieser Lehre in mehr oder minder modifieirter Form eine grössere Tragweite zu geben versucht. Wenn ich jetzt auf die Geschichte der Deutungen der Rich- tungskörper zurückblicke, so scheint mir vielfach in drei Richtungen gefehlt worden zu sein. Erstens haben viele Forscher, welche mit dem Studium dieser Gebilde sich beschäftigt haben, die Verbreitung derselben überschätzt. Zweitens hat man schon von LovEn an ver- schiedenartige Bildungen mit einander identifieirt, indem man schlecht- weg jeden protoplasmatischen geformten Theil zwischen Dotter und ‘ihaut als Richtungskérper betrachtet hat. Drittens hat man sich verleiten lassen, zwei zeitlich oft zusammenfallende Processe: dass das Keimbläschen im reifen Ei schwindet, und, dass ausserhalb des Dotters geformte Körper auftreten, in einen direeten genetischen Zu- sammenhang zu bringen. Was den ersten Punet betrifft, so kann es nach den vorliegen- den embryologischen Untersuchungen wohl keinem Zweifel unter- liegen, dass bei einer sehr grossen Anzahl von Thieren aus den verschiedensten Klassen in der Eientwieklung überhaupt keine Rich- tungskörper zu beobachten sind. So konnte ich z. B. bei Toxo- Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 69 pneustes lividus weder bei der Eireife noch auch später solche auffinden. Hierin gleiehen ihm die Coelenteraten (Medusen, Si- phonophoren), ein Theil der Würmer (Serpula ete.,, die Tunicaten, Arthropoden, Amphioxus ete. Auch an vollkommen durehsichtigen Objecten haben hier selbst so genaue Beobachter wie BürschLı vergebens nach einer Bildung gesucht, die nur im Entferntesten einem Richtungskörper gliche. Diese Thatsache allein schon kann gegen die Deutungen van BENEDEN’s, BÜTScHLr's und STRASBURGER’S Bedenken erwecken. Denn mit ihrer Ansicht lässt es sich schwer vereinbaren, dass ein so fundamentaler Vorgang, wie die Ausstossung des Keimbliischens nach derselben sein würde, in zahlreichen Fällen nicht eintritt. Dass unter dem Namen »Riechtungskörper«, wie ich an zweiter Stelle hervorhob, ganz verschiedenartige Bildungen zusammengefasst werden, habe ich im Verlauf meiner Untersuchungen selbst erfahren können und glaube durch dieselben den Nachweis geführt zu haben, wie unberechtigt es ist in den Richtungskörpern der Hiru- dineen und in der schleierförmig ausgebreiteten Substanz auf den Amphibieneiern homologe Theile zu erblicken. An die Hirudineen schliessen sich vorläufig nur die Mollusken und wie es scheint, Cucullanus elegans, vielleicht auch Asteracanthion an. Von pflanzlichen Objecten gehören die Coniferen hierher. In wie weit noch anderwärts diese Art Richtungskörper verbreitet sind, muss erst durch erneute Untersuchungen festgestellt werden. Aehn- liche Verhältnisse wie die Amphibien zeigen uns nach den von mir anders gedeuteten Angaben OELLACHER’s die Knochenfische. Auch möchte ich alle jene Fälle hierher rechnen, wo nach dem Schwund des Keimbläschens ein Tropfen eiweissreicher Substanz aus dem Dotter. ausgepresst wird, ohne dass eine Spindel- und Zelltheilung hierbei stattfindet. Ich habe hier die sogenannten Richtungskörper von Hydra, Cucumaria und den Nematoden im Auge. Auf jeden Fall geht aus diesen Betrachtungen hervor, wie we- nig sicher noch unsere Kenntnisse über die Beschaffenheit und die Entstehung der Bildungen sind, welche man unter dem gemeinsamen Namen Richtungskörper zusammengefasst hat, und daher halte ich es für durchaus erforderlich, dass man diesen Namen schärfer fasst und nur für jene Fälle anwendet, wo wie bei Mollusken, Hirudineen, Coniferen ete. Spindelbildung und Zellknospung hat beobachtet werden kön- nen. Für andere ausserhalb des Dotters liegende Substanztheile, welche unbrauchbar gewordene und entleerte Reste des Keimbläschens 70 Oscar Hertwig darstellen, werde ich den Namen Exeretkörper oder Exeretkügelehen (eorpuseule excreté Fou')) gebrauchen. Im Uebrigen wird dureh ein genaueres Studium noch aufgeklärt werden müssen, ob nicht vielleicht auch andere Bildungen mit vorliegen und weitere Unter- scheidungen erforderlich sind. Es bleibt mir nun drittens noch der Beweis zu führen, dass der Schwund des Keimbläschens und das ziemlich gleichzeitige Auftreten von Substanztheilen ausserhalb des Dotters, zwei nicht zusammen- gehörige Processe sind, welche man mit Unrecht in genetischen Zu- sammenhang gebracht hat. Dies gilt in gleicher Weise für die eigentlichen Richtungskiigelchen wie für die Exeretkörper der Am- phibien ete. Hinsichtlich der ersteren habe ich durch die Unter- suchung der Hirudineen den Nachweis geliefert, dass die Rückbil- dung des Keimbläschens und die Umbildung des Keimflecks zum spindelförmig differenzirten Eikern bereits in den Ovarien längere Zeit vor der Eiablage erfolgt. Es stehen daher die erst nach der Eiablage vom Dotter sich abschnürenden Richtungs- körper mit den Veränderungen des Keimbläschens in keiner Beziehung. Es sind zwei Processe, die für sich getrennt beurtheilt werden müssen. Während wir in der Kernumbildung der Eizelle einen im ganzen Thierreich verbrei- teten, verschieden modifieirten Vorgang erkennen, haben wir in der Entstehung der Richtungskörper eine auf einzelne Abtheilungen be- schränkte Entwieklungserscheinung vor uns. Ob dieselbe eine ac- cessorische ist oder ursprünglich eine allgemeine Verbreitung beses- sen und nur bei Hirudineen, Mollusken u. s. w. sich erhalten hat, lasse ich dahin gestellt, und glaube, dass diese und andere Fragen, die sich hier noch aufwerfen lassen, noch sehr ausgedehn- ter Untersuchungen und Experimente zu ihrer Lösung bedürfen werden. Für die Annahme STRASBURGER'S, dass der Kern der Ei- anlage sich gewisser Bestandtheile entledige und sich so für die zukünftige Befruchtung vorbereite, gibt der ganze Verlauf des Pro- cesses als einer Kern- und Zelltheilung wohl vor der Hand keinen Anhaltspunet. Dagegen stehen der Schwund des Keimbläschens und das Auf- treten der Exeretkörper, wenn die von mir angenommene Deutung die richtige ist, in näherer Beziehung zu einander. Aber auch diese ', H. For. Etudes sur le développement des Mollusques. 1875. pag. 24 bis 27. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 71 ist keine direete und vor allen Dingen keine morphologische, da ja die Exeretkörper, wie sich bei den Amphibien beobachten lässt, erst einige Zeit nach der Auflösung des Keimbläschens aus unbrauchbar gewordenen Substanzen desselben sich bilden. Aus der hier im Zusammenhang gegebenen Beurtheilung der Riehtungskörper erhellt, warum ich die hierauf bezüglichen theoreti- schen Ansichten von VAN BENEDEN, BÜTSCHLI und STRASBURGER We- der in der einen noch in der anderen Form theile, und warum ich die gegen meine Ansicht erhobenen Einwürfe für nicht stichhaltig erachte. Ich halte daher die allgemeinen Ergebnisse, zu welchen mich meine Beobachtungen am Ei des Toxopneustes geführt haben, in ihrem ganzen Umfang aufrecht und stütze dieselben durch die neuen Beobachtungen, welche ich am Ei der Hirudineen und Amphibien an- gestellt habe. Während ich bei Toxopneustes den Uebergang des Keimflecks in den Eikern nur sehr wahrscheinlich machen konnte, glaube ich bei Nephelis einen sichereren Nachweis geliefert zu haben. dass ein kernloses Stadium im Ei nach dem Schwund des Keim- bläschens nicht eintritt, und dass der Eikern sich aus der Substanz des Keimflecks hervorbildet. II. Abschnitt. Bedeutsamer noch als die Eireife für die Erkenntniss der ersten Entwieklungsvorgänge ist die Frage nach dem Verhalten von Ei und Spermatozoon bei der Befruchtung. Um so erfreulicher ist es, dass gerade auf diesem Gebiete in dem letzten Jahre eine Summe tiber- einstimmender Beobachtungen gewonnen worden ist, und dass auch die theoretischen Auffassungen derer, welche sich jüngst mit diesem Gegenstand beschäftigt haben, hier weniger auseinander gehen, als es in der vorher behandelten Frage der Fall war. Die übereinstimmenden Beobachtungen, welche ich hier im Auge habe, betreffen die Ableitung des Furchungskerns aus zwei getrenn- ten und später verschmelzenden Kernen. Die ersten genaueren An- gaben hierüber verdanken wir AUERBACH!), welcher bei Ascaris ni- grovenosa und Strongylus aurieularis an den Polen des ovalen Eies zwei Kernvacuolen erscheinen, sich vergrössern und im Centrum des Eies verschmelzen sah. Die weite Verbreitung dieses Processes wies BürscHuı nach, welcher zahlreiche Nematoden, einzelne Gastropoden !) AUERBACH. Organologische Studien. 2tes Heft. 1874. 72 Oscar Hertwig und Hirudineen untersucht hat. Fast gleichzeitig nahm ich dieselbe Erscheinung im Ei des Toxopneustes lividus wahr, und ebenso ent- deckte van BENEDEN bei Säugethieren und STRASBURGER im Anschluss an meine Beobachtungen bei Phallusia mammillaris die stattfindende Verschmelzung zweier Kerne. Durch Untersuchung der Coniferen stellte letzterer die Verbreitung dieses Processes auch im Pflanzen- reich sicher. Die genannten Forscher haben mit Ausnahme STRASBURGER'S ihre Entdeckungen an Objecten gewonnen, an welchen sich eine künstliche Befruchtung nicht vornehmen liess, so dass ihnen die Entstehungsweise der zwei Kerne mehr oder minder unklar bleiben musste. Sie unterliessen es daher zum Theil für die von ihnen beobachteten Erscheinungen eine Erklärung zu geben und konnten wo es geschah, nur eine Hypothese aufstellen. Weit günstigere Bedingungen bot mir das Ei des Toxopneustes lividus. An diesem konnte ich nachweisen, dass der eine der sich eopulirenden Kerne sehon dem unbefruchteten Ei angehört, der andere dagegen erst in Folge der Befruchtung an der Peripherie erscheint. Ich bezeichnete daher den einen als Eikern, den andern als Spermakern und stellte den Satz auf, dass der wichtigste Vorgang bei der Befruchtung die Ver- schmelzung zweier Kerne, eines weiblichen und eines männlichen Kernes ist. Auf einige Beobachtungen gestützt konnte ich es zu- gleich in hohem Grade wahrscheinlich machen, dass der Spermakern der Körper oder der Kerntheil eines direct in den Dotter eingedrun- genen Spermatozoon ist, dass mithin bei der Befruchtung überhaupt nur ein Spermatozoon in Wirksamkeit tritt. Im Grossen und Ganzen hat diese Auffassung Zustimmung er- fahren, doch herrschen auch hier, wenn wir auf die einzelnen Theile der Theorie näher eingehen, nicht unwichtige Differenzen zwischen BürscHLi, VAN BENEDEN, STRASBURGER und mir. Am weitesten entfernt sich BürscHLı von meinem Standpunet, insofern er im Anhang zu seinem Hauptwerk die geschleehtliche Verschiedenheit der sich copulirenden Kerne bezweifelt. Auf der andern Seite aber hält er es durch meine Beobachtungen »für nahezu sicher erwiesen, dass nach dem Verschmelzen des oder der Spermatozoen mit der Eizelle der Spermakern eine Weiterbildung erfährt und zu der Bildung des ersten Furchungskerns beiträgt«'). Jn seiner Arbeit ist Bürschtı nicht dazu gekommen, eine fest formulirte Theorie der Be- ') Bürscauıi. Studien ete. pag. 225. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 75 fruehtung zu entwiekeln, indessen lässt er an verschiedenen Stellen seine Grundauffassung durchblicken. So spricht er sich wiederholt dahin aus, dass das Wesentliche der Befruchtung wohl in der Ent- fernung des alten und in der Bildung eines neuen Kerns, in welchen Bestandtheile des Spermatozoon eingingen, liege. Er ist geneigt in der Mehrzahl der neuentstehenden Kerne der ersten Furchungskugel ein durch den vorhergehenden Zerfall des eingedrungenen Sperma- tozoidenkerns hervorgerufenes Phänomen zu erkennen. Eine Sicher- heit konnte Bürscuzı hauptsächlich deswegen nicht gewinnen, weil ihm die Entscheidung der Frage nicht glückte, ob die Ausstossung der Rieh- tungskörper nur eine dem befruchteten Ei zukommende Erscheinung ist. Auf eine Widerlegung dieser Auffassungsweise brauche ich hier nieht näher einzugehen, da es sich wesentlich um die schon früher erörterte Frage handelt, ob das Keimbläschen vollkommen zu Grunde geht, oder in seinen wichtigen Bestandtheilen erhalten bleibt. In dem von Bürscuuı zweifelhaft gelassenen Puncte theilen vAN BENEDEN und STRASBURGER meine Ansicht, indem sie eine ge- schlechtliche Differenz der verschmelzenden Kerne annehmen. Dagegen bestreiten sie, dass der Kern des Spermatozoon als soleher in die Dotterrinde eindringe. VAN BENEDEN geht hierbei von seinen Beobachtungen an Säuge- thiereiern aus, welche er im Decemberheft der belgischen Academie- berichte 1875 veröffentlicht hat. An Säugethieren konnte van BENE- DEN nie ein Spermatozoon in den Dotter eindringen sehen, dagegen häufig beobachten , dass deren mehrere mit ihrem Kopfe fest der Dottereberfläche aufsassen. »Die Befruchtung« schliesst er »bestehe daher wesentlich in der Vermischung der Spermasubstanz mit der oberflächlichen Schicht der Dotterkugel«!). Hiermit verknüpfte VAN BENEDEN bei Besprechung der zwei in dem zuvor kernlosen Ei erscheinenden Pronuelei eine weitere Hypothese, die ich wörtlich wiedergebe 2): Il résulte de ce qui précede que le premier noyau de l’embryon se developpe aux dépens de deux pronuclei, Yun pé- riphérique qui derive de la couche superficielle de loeuf, Vautre formé au milieu de la masse centrale du vitellus. Comme j’ai éta- bli que les spermatozoides s’aceolent & la surface du vitellus pour se confondre avee la couche superfieielle du globe, il me parait probable que le pronucleus superficiel se forme au moins partiellement aux dépens !) v. BENEDEn. Mammiféres. pag. 11. 2) 2) v. BENEDEN. Mammiferes. pag. 17. 74 Oscar Hertwig de la substance spermatique. Si, comme je le pense, le pronucleus cen- tral se constitue exclusivement d’el&ments fournis par l’oeuf, le premier noyau de l’embryon serait le résultat de Punion d’éléments males et femelles. J’énonce cette derniere idée comme une simple hypothése, comme une interpretation que Von peut ou non accepter.« STRASBURGER hat seine Auffassung über die Befruchtung dureh das Studium von Coniferen und von Phallusia sich gebildet. Für Coniferen nimmt er es für sicher an, dass der Inhalt des Pollen- schlauchs jedenfalls in gelöster Form in das Ei eindringe, denn er passire hierbei bei der Fichte die feinen, mit zarten Membranen verschlossenen Poren, respective bei der Kiefer einen grösseren, eben- falls verschlossenen Porus an der Spitze des Pollenschlauches!). Im Ei soll sich dann wieder am Pollenschlauchende der Inhalt dessel- ben zu einem zellkernartigen Gebilde ansammeln, welches sich zum Eikern hinbewegt. Auch für Phallusia ist STRASBURGER der Mei- nung, dass die Substanz der Spermatozoiden durch die Eihülle diffundire und in den Dotter eindringend sich zum Spermakern an- sammle. Er stellt daher den Satz auf, dass es sich »bei der Be- fruchtung nicht um die Kerne der Spermatozoiden als morphologi- sche Elemente, sondern um die Substanz dieser Kerne als physiolo- gisches Element handle«. Der Auffassung vAN BENEDEN’S und STRASBURGER’S gegenüber lenke ich die Aufmerksamkeit auf folgende fünf Punete, welche mir für die Entscheidung der Frage von Belang zu sein scheinen: I} Bei Coniferen kann wohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass die feine Membran an der Spitze des Pollenschlauchs vor dem Uebertritt seines Inhalts in das Ei zum Theil aufgelöst wird. 2) Bei Hirudineen, Säugethieren ete. ist die Dotterhaut kein Hinderniss für das Eindringen der Spermatozoen, da sie in grosser Anzahl innerhalb derselben beobachtet worden sind. Hier können sie also direct in das membranlose Eiplasma sich einsenken. 3) Eine Grössenzunahme des Spermakerns innerhalb des Dotters vor der Copulation mit dem Eikern hat häufig durch direete Beob- achtung nachgewiesen werden können. Es sprechen daher Grössen- differenzen zwischen dem Spermakern und dem Körper des Sper- matozoon nicht gegen ihre Identität. 4) Bei Toxopneustes lividus verstreichen zwischen der Vornahme der künstlichen Befruchtung und dem Auftreten des Spermakerns nur ') STRASBURGER, ]. c. pag. 295, 307, 308. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 75 wenige Minuten. Es muss als schr unwahrscheinlich bezeichnet werden, dass in diesem kurzen Zeitraum die Spermasubstanz sich auflösen, mit dem Eiplasma sich vermischen und gleich darauf wie- der zu einem kleinen Kern sich ansammeln soll. Jedenfalls lässt sich die Bedeutung dieses Vorgangs nicht verstehen, da das Endziel desselben in einfacherer Weise auf directem Wege erreicht wer- den kann. 5) Bei Toxopneustes sah ich vom oberflächlich liegenden Sper- makern einen feinen Faden über die Eiperipherie hervorragen. Ich glaube denselben noch jetzt als Faden des Spermatozoon deuten zu müssen und erinnere hier an eine ähnliche Beobachtung, welche Hensen') vom Kaninchenei beschrieben hat. Alles dieses bestimmt mich an der einfacheren Erklärung fest- zuhalten, dass das Spermatozoon als solches in den Dotter eindringt und dass sein Kern hier eine oft beträchtliche Vergrösserung durch Imbibition mit Kernsaft bis zur Copulation mit dem Eikern erfahren kann. Mit der hier discutirten Frage hängt eine zweite innig zusam- men, die Frage, ob die Befruchtung von nur einem oder einer grös- seren Anzahl von Spermatozoen bewirkt wird. In meiner früheren Arbeit habe ich mich für das Ei des Toxopneustes in ersterem Sinne ausgesprochen und scheint mir zu Gunsten dieser Ansicht jetzt schon ein ziemlich reiches Beobachtungsmaterial vorzuliegen. Namentlich möchte ich für dieselbe die Angaben vom Erscheinen einer einzigen isolirten Radienfigur verwerthen. Stets nur eine Radienfigur, welche nach meiner Deutung vom Eintritt eines Spermatozoon bedingt ist, habe ich unter normalen Verhältnissen bei Toxopneustes, Nephelis und Rana temporaria beobachtet. Achnliche Angaben hat Srras- BURGER für Phallusia, BürschLı für Nephelis und Gastropoden und BAMBEKE?) für die Batrachier gemacht. Wichtig ist mir hier auch die Beobachtung Bürscuurs, dass bei Cueullanus elegans stets nur ein Spermatozoon der Oberfläche des Dotters anhaftet ?. Von grosser Bedeutung für die Entscheidung der vorliegenden Frage sind ferner noch die Angaben über die Bildungsweise des ') Hensen. Beobachtungen über die Befruchtung und Entwicklung des Kanin- elansı u. Meerschweinchens. Zeitschr. f. Anatomie u. Entwicklungsgeschichte. Bd. 1. Nur bei den Urodelen war BAMBERE vor Jahren schon zu einem andern Resultate gelangt, indem er hier mehrere Pigmentstreifen und trous vitellins wahrnahm. 3) BÜTSCHLI. Studien ete. pag. 228 76 Oscar Hertwig Furchungskerns, wenn man, wie ich es thue, im Spermakern nur den Kerntheil eines Samenfadens erblickt. Nach den sich immer mehr häufenden Beobachtungen, dass zwei Kerne zum Furchungs- kern verschmelzen, kann man wohl schliessen, dass dieser Vorgang im Thier- und Pflanzenreich ein allgemeiner und daher fundamen- taler ist. Den Angaben, nach welchen an einzelnen Objeeten eine noch grössere Anzahl von Kernen zusammentreten soll, habe ich zum Theil eine andere Deutung geben können und habe durch die Untersuchung von Nephelis gezeigt, dass der bei Gastropoden an der Eiperipherie erscheinende Kernhaufen nur einem einzigen Kern entsprieht. Die angeführten Gründe machen es mir wahr- scheinlich, dass bei der Befruchtung nur ein Spermatozoon wirksam ist, dass mit andern Worten der Befruchtungsact überhaupt auf der Verschmelzung von nur zwei Elementen, einer männlichen und einer weiblichen Zelle, eines männlichen und eines weiblichen Kernes beruht. Es muss irgend eine Ursache existiren, welche nach dem Ein- tritt eines Spermatozoon in das Ei unter normalen Verhältnissen den Zutritt weiterer Spermatozoen verhindert. Welche Ursache hier wirkt, das wird vielleicht durch besonders auf diesen Punet gerichtete Be- obachtung und durch das Experiment aufgedeckt werden können. Nachdem ich so die Meinungsverschiedenheiten erörtert habe, welehe über die Theorie der Befruchtung in den neuesten Arbeiten hervorgetreten sind, habe ich jetzt noch auf Einwürfe einzugehen, welche van BENEDEN!) gegen meine Beobachtungen in seinen Bei- trägen zur Geschichte des Keimbläschens und des Furchungskerns erhoben hat. 5 Indem van BENEDEN seine Beobachtungen am Ei des Kaninchens mit den meinigen vergleicht, gelangt er zur Ansicht, dass der helle von einem Strahlenkranz umgebene Hof, welcher beim Toxopneustes nach der Befruchtung in der Peripherie des Eies erscheint, der neu- entstandene Nucleus selbst ist, trotzdem ich ausdrücklich hervor- gehoben habe, dass der Hof von homogenem Protoplasma gebildet werde. Er folgert dann weiter hieraus, dass das im Centrum des Hofs gelegene Körperehen, welches ich als Spermakern bezeichnet habe, nur die Bedeutung eines Nucleolus im Nucleus besitze. Indem so VAN BENEDEN meine Beobachtungen umdeutet, vergleicht er den hellen Fleck (meinen Protoplasmahof) seinem peripheren Pronucleus ') v. BEnEDEn. Asteracanthion. pag. 41—47. Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 77 und polemisirt von diesem Standpunct aus dagegen, dass der Sper- makern der Kerntheil eines in den Dotter eingedrungenen Samen- fadens ist. Er hebt hervor, dass bei den Säugetbieren der periphere Pronucleus bei seinem ersten Auftreten ganz homogen sei und keinen Nueleolus (Spermakern) enthalte; dies spreche gegen meine Deu- tung; denn nach meiner Theorie müsse der Pronucleus erst in Folge des Eindringens eines Samenfadens entstehen und müsse sich immer um den Kopf eines solchen bilden. Man müsse daher erwarten. dass jeder periphere Pronucleus wenigstens einen Nucleolus und zwar gleich bei seiner Entstehung besitze, zweitens hält vAN BENEDEN mir entgegen, dass bei den Säugethieren zahlreiche Nucleoli nach einiger Zeit im Pronueleus sich bilden, welche von sehr verschiedener Grösse und zum Theil punetförmig seien. Mit den Köpfen von Sperma- tozoen hätten diese Nucleoli nicht die geringste Aehnlichkeit. Drittens führt er die Beobachtungen von AUERBACH an Ascaris nigrovenosa an. Zwischen den 3—6 Nucleoli, welche in den sich vergrössernden Kern- vacuolen erscheinen, und den Spermatozoen der Nematoden bestehe nieht die geringste Analogie. Viertens und fünftens endlich betont er, dass auch im eentralen Pronucleus und in den Kernen der Theilungs- segmente Körperchen wie im peripheren Pronucleus, also ganz un- zweifelhafte Nucleoli vorhanden seien. Aus allen diesen Einwürfen folgert van BENEDEN, dass der von mir als Spermakern bezeichnete Körper nicht der Kopf eines Spermatozoon, sondern nur ein einfacher Nucleolus sein könne. Diese ganze Polemik van BENEDEN’s baut sich einzig und allein auf der Voraussetzung auf, dass der von mir um den Spermakern beschriebene Protoplasmahof und der periphere Pronucleus der Säuge- thiere einander homolog sind. Dieser Vergleich ist aber ein irriger und würde derselbe gar nicht haben aufgestellt werden können, wenn VAN BENEDEN sich an meine Angaben und Abbildungen gehalten hätte. Denn wie aus denselben hervorgeht, entspricht nicht der Protoplasma- hof, sondern der ‘in ihm liegende Spermakern dem peripheren Pro- nucleus des Säugethiereies und zwar aus folgenden Gründen. Nach van BENEDEN ist der periphere Pronucleus ein kleiner, ho- mogener Körper, welcher wie eine Vacuole aussieht, sich in Carmin und Haematoxylin färbt und daher aus Kernsubstanz besteht. Ganz die gleichen Angaben habe ich vom Spermakern gemacht und habe ich noch besonders hervorgehoben, dass sein Verhalten gegen Carmin für seine Kernnatur beweisend sei. VAN BENEDEN vergleicht ferner den Pronucleus den von AvERBACH bei Nematoden beschriebenen 78 Oscar Hertwig Kernbildungen. Denselben Vergleich habe ich mit dem Spermakern angestellt. An einer Homologie dieser beiden Bildungen kann daher wohl hein Zweifel bestehen und fallen hiermit auch die Einwände hinweg, welehe van BENEDEN, auf einer falsehen Voraussetzung fussend. gegen meine Deutung erhoben hat. Zusammenfassung der Ergebnisse. Im Laufe dieser Untersuehungen sind wir mit so vielen ver- schiedenartigen Beobachtungen und Ansichten bekannt geworden, dass ich es für dienlich halte am Sehlusse dieser Betrachtungen noch einmal im Zusammenhang die Auffassung vorzutragen, welche ich mir von den ersten Entwicklungsvorgängen, namentlich im Ei des Toxopneustes, der Hirudineen, der Amphibien und verwandter Thierarten gebildet habe. Wie weit diese Auffassung sicher gestellt ist oder noeh des Beweises bedarf, wird Jeder leicht aus den vor- ausgegangenen Beobachtungen und kritischen Erörterungen entnehmen können. Meine Betrachtung beginne ich mit dem unreifen Ei. Dasselbe wird dureh den Besitz des Keimbläschens charaeterisirt und fällt mir daher zunächst die Aufgabe zu, den Begriff desselben scharf zu formuliren. Wenn wir die unreifen Eier der verschiedensten Thiere wnter- einander vergleichen, so zeigt das Keimbläschen ein durchaus eigen- artiges Gepräge. Vor allen thierischen Zellkernen ist es stets durch seine relativ ansehnliche Grösse ausgezeichnet, stets setzt es sich aus verchiedenartigen Theilen zusammen, indem wir an ihm eine deutlich begrenzte Membran, einen mehr oder minder flüssigen In- halt, den Kernsaft, und in diesem einen oder mehrere aus Kernsub- stanz bestehende Körper, die Nucleoli, unterscheiden können. Ich halte es nun für durchaus geboten, den Begriff »Keimbläsehen« nur so lange für den Kern der Eizelle anzuwenden. als er uns in dem eben beschriebenen Zustand entgegentritt. Denn dadurch, dass man vielfach das stets kleinere und homogene Kerngebilde des reifen Kies, oder gar den durch Verschmelzung mehrerer Kerne entstehen- den Kern der ersten Furchungskugel auch Keimbläsehen benannt hat, ist nur Verwirrung auf diesem Forschungsgebiet herbeigeführt worden. | Bei dieser Charaeteristik muss indessen noch hervorgehoben Beiträge z. Kenntniss d Bildung, Befruehtung u. Theilung d. thier. Eies. 79 werden, dass die Keimbläschen der versehiedenen Organismen trotz aller Uebereinstimmung auch beträchtliche Abweichungen unterein- ander darbieten. Von diesen werden alle oben genannten Bestand- theile betroffen. Bald ist die Kernmembran derber, bald sehr zart. bald ist der Kernsaft sehr flüssig, bald mehr gallertartig und reich an protoplasmatischen Bestandtheilen. Im ersten Fall imbibirt er sich in Carmin fast gar nicht, im letzteren dagegen mehr oder min- der stark. Ebenso zeigen sich in dem Massenverhältniss des Kern- saftes zur Kernsubstanz die grössten Differenzen und hierdurch wird wieder die abweichende Grösse der einzelnen Keimbläschen bedingt. Andere Verschiedenheiten entstehen, indem zu den eonstanten Bildungen hie und da accessorische Bestandtheile hinzukommen, ein protoplasmatisches Fadennetz oder kleme in der Umgebung des Nu- eleolus liegende Kügelchen, die sogenannten Nebennucleoli. Der wichtigste Unterschied aber gibt sich uns in dem Verhalten der ’Nu- eleoli zu erkennen, deren Zahl von eins bis auf mehrere hundert sich belaufen kann. Nach diesem Merkmal kann man die Keimblischen mit AUERBACH in uni- und multinucleoliire eintheilen. Treffende Beispiele für diese verschiedenen Kerntypen haben wir in den vorausgegangenen Untersuchungen kennen gelernt und verweise ich zur Vergleichung auf die Beschreibung und Abbildung des Keimbläschens von Toxopneustes, von Haemopis und Rana. Das Keimbläschen in der eben festgesetzten Bedeutung wird. wie jetzt wohl allgemein anerkannt ist, nicht zum Kern der ersten Furchungskugel. Bei vielen Thieren, wie z. B. auch den oben ge- nannten, geht es schon innerhalb der Geschlechtsorgane geraume Zeit vor der Befruchtung, bei anderen wiederum erst während der- selben als morphologisches Gebilde zu Grunde. Die Veränderungen, welche sich hierbei beobachten lassen, können wir als Reifungs- erscheinungen des Eies zusammenfassen. Dieselben laufen im We- sentlichen darauf hinaus, dass die während des Eiwachsthums hoch differenzirte Kernform kurz vor dem Eintritt der Embryonalentwick- lung wieder eine primitive Beschaffenheit annimmt, um bei der Zell- theilung in Function treten zu können: Bei dieser Verjüngung entledigt sieh der Kern aller derjenigen Bestandtheile, welehe erst durch nach- triigliche Differenzirung entstanden sind: der Membran, des Faden- netzes, des im Ueberschuss angesammelten Kernsaftes. Alles dies sind Stoffe, welche während des Ruhezustandes des Kernes eine Rolle spie- len, indem sie theils zum Schutz theils zur Ernährung der eigentlich activen Kerntheile, der Nucleoli, dienen. Dagegen bleibt bei der Auf- 80 Oscar Hertwig lösung des Keimbläschens die active Kernsubstanz oder nur ein Theil derselben erhalten und bildet, vielleicht noch mit einem geringen Theil des Kernsaftes, einen neuen Kern, derselbe unterscheidet sich vom Keimbläschen durch seine beträchtlich geringere Grösse, durch den Mangel einer besondern vom Inhalt stofflich verschiedenen Membran, sowie dadurch, dass Kernsubstanz und Kernsaft sich gegenseitig durch- dringen, echte Nucleoli daher fehlen. Mit einem Wort, wie wir im Keimbläschen den Typus einer differenzirten Kernform, so haben wir in diesem neuen Kern den Typus einer primitiven Kernform vor uns. Alle nach dem Schwund des Keimbläschens im unbefruch- teten Ei auftauehenden Kernbildungen erachte ich einander gleich- werthig und lege denselben den Namen Eikern bei. Die Reifungserscheinungen des Eies, die Auflösung des Keim- bläschens und die Bildung des Eikerns, verlaufen nicht bei allen Thieren in der gleichen Weise, sondern gestalten sich verschieden- artig nach dem Differenzirungsgrad des ausgebildeten Keimbläschens, welches, wie wir oben gesehen haben, sehr mannigfach beschaffen sein kann. Auch der spätere oder frühere Eintritt der Befruchtung und die Hervorknospung der Riehtungskörper üben auf den Gang und die Art" der Veränderungen einen merklichen Einfluss aus. Wenn das Keimbläschen wenig differenzirt und von geringer Grösse ist, so kann ein primitiver Zustand schon einfach dadurch hergestellt werden, dass die Kernsubstanz sich gleichmässig im Kern- saft vertheilt und dass die Kernmembran, wo sie vorhanden ist, aufgelöst wird. Ein solcher Fall scheint nach den Angaben von STRASBURGER bei den Coniferen vorzuliegen, wo die Kernspindel dem gesammten, an die Oberfläche gerückten Keimbläschen ent- spricht. » Bei thierischen Objecten dagegen treten wohl durchgängig stärkere Umwandlungen ein. Die Eier des Toxopneustes, der Hirudineen und der Amphibien bieten uns drei Beispiele dar, an welchen wir einen verschieden- artigen Verlauf der Reife des Kies haben beobachten können. Unter diesen haben wir die einfachsten Verhältnisse offenbar bei Toxo- pneustes angetroffen. Hier erleidet das Keimbläschen zur Reifezeit - des Kies eine regressive Metamorphose und wird durch Contraetionen des Protoplasma an die Dotteroberfläche getrieben. Seine Membran löst sich auf, sein Inhalt zerfällt und vertheilt sich gleichmiissig, der Keimfleck aber bleibt, wie es scheint, unverändert erhalten, gelangt in die Dottermasse selbst hinein, wo er meist in das Centrum zu Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 81 liegen kommt und wird hier zum bleibenden Kern des reifen. be- fruchtungsfähigen Eies. Von dem hier geschilderten Verlauf weichen die am Keimbläs- chen der Hirudineen eintretenden Veränderungen in characteristischer Weise ab. Dieselben sind augenscheinlich dadurch modifieirt wor- den, dass ein accessorischer Entwieklungsvorgang, die Hervorknos- pung der Richtungskörper unmittelbar nach der Eiablage noch vor der Befruchtung sich abspielt. In Folge dessen entsteht bei den Hirudineen nieht wie bei Toxopneustes ein kleiner, homogener und rundlicher, sondern ein spindelförmig differenzirter Eikern, und zwar noch während der Auflösung des Keimbläschens, indem der Keim- fleck in grössere und kleinere Granula zerfällt, aus welchen die Spindelfasern sich differenziren. Sehr abweichend von diesen beiden Fällen verläuft die Reife des Eies bei den Amphibien. Das ausnehmend grosse Keimbläschen rückt wie bei Toxopneustes an die Oberfläche des Eies vor, löst sich auf und vertheilt sich. Von der gesammten ansehnlichen Masse der Kernsubstanz geht indessen nur ein sehr kleiner Theil, sei es ein einziger Nucleolus oder deren mehrere in den unansehnlichen Ei- kern über, der erst auf einem späteren Entwickelungsstadium wahr- genommen werden konnte. Es liegt hier ein modifieirter Vorgang vor, der durch die multinucleoliire Beschaffenheit des Keimbläschens bedingt wird. Von den Theilen des Keimbläschens, welche nach der Auflösung in den Eikern nicht übergehen, scheinen einige für die Eizelle in vielen Fällen nicht mehr brauchbar zu sein. Sie werden daher durch Contractionen des Protoplasma, sei es vor, sei es während der Be- fruchtung nach aussen entleert und bilden hier die zwischen Dotter und Eihülle hie und da beschriebenen Exeretkörper und Excretkiigel- chen. Bei den Amphibien wird eine derartige entleerte Masse, Reste der Grundsubstanz des Keimbläschens, als ein gelblich gefärbter schleierförmiger Ueberzug am schwarzen Eipol angetroffen. Jedem der drei von mir genauer untersuchten Fälle können wir aus der Literatur leicht eine Anzahl weiterer Beispiele anreihen, wo ‚ähnliche Verhältnisse vorzuliegen scheinen. Wie bei Toxopneustes, verhalten sich offenbar die Kier der Medusen und Siphonophoren '), ') »Schon vor einigen Jahren hat der dänische Naturforscher E. MürLLer *, bei Untersuchung der Eier von Hippopodius luteus die Ansicht ausgesprochen, dass der Kern des reifen Eies vom Keimfleck des sich auflösenden Keimbliis- chens herrührt. Ich mache hier auf diese Untersuchung noch besonders auf- Morpholog. Jahrbuch. 3. 6 82 Oscar Hertwig der Aseidien, einiger Würmer, Arthropoden ete. Im reifen aber noch unbefruchteten Zustand besitzen dieselben einen kleinen, homo- senen und membranlosen Eikern, der entweder die Mitte des Dotters einnimmt oder an seiner Peripherie angedrückt liegt und dann die Form einer kleinen Halbkugel angenommen hat. Den Hirudineen dagegen gleichen die Gastropoden, ferner wohl auch die Heteropoden und Pteropoden, einige Abtheilungen der Würmer ete. Hier trifft man am reifen Ei meist an seiner Oberfläche einen kleinen, spindel- formig differenzirten Zellkern. An die Amphibien aber schliessen sich die Fische und Reptilien, deren Eier, wie beim Frosch, mit einem multinucleolären Keimbläschen versehen sind. Nach dem Ablauf der Reifeerscheinungen, der Auflösung des Keimbläschens und der Bildung des Eikerns erleiden die Eier des Toxopneustes und der Amphibien bis zum Eintritt der Befruchtung keine weiteren Veränderungen. Dagegen spielt sich bei den Hiru- dineen und anderen Thierarten vorher im Ei noch ein Vorgang ab, dessen Bedeutung noch nicht aufgeklärt ist. An der Oberfläche des Eies tritt zweimal eine Zellknospung ein, indem zweimal der Eikern sich theilt und jedesmal ein Protoplasmakügelchen (der sogenannte Richtungskörper, globule polaire) sich abschnürt. Es bleibt daher hier nur ein Theil des Eikerns in dem jetzt befruchtungsfähigen Ei zurück. Die Befruchtungserscheinungen verlaufen in allen drei von mir untersuchten Fällen, und, wie es scheint, im Thier- und Pflanzen- reich überhaupt, in ziemlich übereinstimmender Weise. Bei Toxopneustes dringt unmittelbar nach dem Zutritt von Samen- fiiissigkeit ein einzelnes Spermatozoon in das reife Ei ein und sein Körper wandelt sich hier in ein ganz kleines, diehtes Körperchen, den Spermakern, um, welcher in seiner Umgebung die Bildung eines homogenen Protoplasmahofes und einer Strahlenfigur veranlasst. Der Spermakern wandert in 10-——15 Minuten nach dem central gelegenen Kikern zu und verschmilzt mit ihm, ohne eine erhebliche Verände- rung zuvor erlitten zu haben. Bei Rana temporaria erfolgt der Eintritt des befruchtenden Sper- matozoon in den Dotter stets am schwarzen Pol zur Seite des schleierförmig ausgebreiteten Exeretkörpers auf der vom Eikern ab-. merksam, da ich sie in meiner Arbeit iiber Toxopneustes bei Besprechung gleichlautender Literaturangaben übersehen habe. *) E. MÜLLER. Naturhistorisk. Tidskrift. Bd. 7. 1871. Beiträge z. Kenntniss d Bildung, Befruchtung u. Theilung d. thier. Eies. 83 gewandten Eihälfte. Der kleine Kern des Spermatozoon umgibt sich wie bei Toxopneustes mit einem homogenen Protoplasmahof und einer Strahlenfigur, die hier wegen der in ihr enthaltenen Pigment- körnehen deutlich wahrnehmbar ist. Indem der Spermakern tiefer in den Dotter langsam eindringt, nimmt er bis zur Verschmelzung mit dem Eikern an Umfang beträchtlich zu und erhält eine blasen- förmige Beschaffenheit. Eine Pigmentstrasse bezeichnet den von thm zurückgelegten Weg. 3ei den Hirudineen endlich macht sich die Anwesenheit eines Samenfadens im Ei erst nach der Abschnürung des ersten Richtungs- körpers bemerklich. Der zunächst peripher gelegene Spermakern mit seinem Protoplasmahof und seiner Strahlenfigur dringt nach dem Centrum des Eies vor und verharrt hier, bis dass die Bildung des zweiten Richtungskörpers vollendet ist. Dann vergrössert sich all- mälig sein Umfang, wie bei Rana temporaria, ganz beträchtlich, wäh- rend der gleichfalls im Wachsen begriffene Eikern ihm von der Pe- ripherie entgegenriickt. Auf einem gewissen Entwicklungsstadium finden wir daher bei den Hirudineen gerade das entgegengesetzte Lageverhältniss der beiden Kerne als bei Toxopneustes vor. Bei letzterem liegt der Eikern. bei den Hirudineen der Spermakern im Centrum des Eies, bei Toxopneustes wandert der männliche, bei den Hirudineen der weibliche Kern von der Peripherie nach der Mitte zu. Wie leicht ersichtlich ist, hängt diese Verschiedenheit mit der Hervorknospung der Richtungskörper auf das Innigste zusammen. In den drei von mir untersuchten Fällen findet der Befruchtungs- act in gleicher Weise dadurch seinen Abschluss, dass durch die Ver- schmelzung der zwei geschlechtlich differenzirten Kerne. des Ei- und Spermakerns, der Furchungskern gebildet wird. Mühlhausen, September 1876. 6* Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Alle Präparate wurden mit Osmiumsiiure und Carmin behandelt. Fig. 1—5 ge- hören Haemopis, Figur 6 Nephelis an. 500fache Vergrösserung. 5 D5 (ZEISS F. Oc. 2 ) Unreifes Eierstocksei von Haemopis. a. Bindegewebsstiel. Eierstocksei, dessen Keimbläschen in Umwandlung begriffen ist. Eierstocksei mit central liegender Kernspindel. Eierstocksei mit peripher liegender Kernspindel. Abgelöstes, in der Flüssigkeit des Eierstocks schwimmendes Ei, das in Riickbildung begriffen ist. ’ Ei von Nephelis 50 Minuten nach Ablage des Cocons, der erste Rich- tungskörper schnürt sich ab. Tafel II. Alle Präparate wurden mit 1°/) Essigsäure und dann mit absol. Alkohol be- handelt, darauf mit Glycerin aufgehellt. Fig. 1, 2, 3, 4, 6 gehören Nephelis, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5 Haemopis an. 500fache Vergrösserung. (Zeiss F. Oc. 2.) Ei von Nephelis. 25 Minuten nach der Eiablage. Peripher liegende Spindel mit mittlerer Verdichtungszone. Ei, 35 Minuten. nach der Eiablage. Hügelförmige Hervorwölbung des Protoplasma zur Bildung des ersten Richtungskörpers. Spindel mit zwei seitlichen Verdichtungszonen. Ei, 3/4 Stunde nach der Eiablage. Abschnürung des ersten Richtungs- körpers. Ei, 1'/ Stunde nach der Eiablage. Der erste Richtungskörper ist ge- bildet und enthält eine Spindelhälfte, die andere Spindelhälfte mit ihrem Strahlenkranz liegt in der Eiperipherie. Am entgegengesetzten Pol ist ein isolirtes Strahlensystem erschienen. Eierstocksei von Haemopis. Uebergangsstadium zur Spindelbildung. Ei von Nephelis, 2 Stunden nach der Eiablage. An Stelle der Spindel- hälfte ist wieder eine völlig ausgebildete Spindel mit Strahlung an jedem Ende vorhanden. Der erste Richtungskörper und die isolirte Strahlenfigur haben sich nicht verändert. ar Oscar Hertwig, Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung ete. 85 Tafel III. Alle Präparate wurden mit 1%, Essigsäure und dann mit absol. Alkohol be- handelt, darauf mit Glycerin aufgehellt. Fig. 1—6 gehören Nephelis an. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. = bw or —I 500fache Vergrösserung. (Zeiss F. Oc. 2.) Ei von Nephelis. 2'/2 Stunde nach der Eiablage. Hügelförmige Her- vorwölbung des Protoplasma zur Bildung des zweiten Richtungskörpers. In der Spindel hat sich die mittlere Verdichtungszone in die zwei seitlichen gespalten. Die Strahlung der isolirten Radienfigur ist deut- licher geworden. Ei, 2'/, Stunde nach Eiablage, Abschniirung des zweiten Richtungs- körpers. Derselbe enthält eine Spindelhälfte, die andere Spindelhälfte mit ihrem Strahlenkranz liegt in der Eiperipherie. Das isolirte Strahlen- system ist in das Centrum des Eies gerückt. Ei, 23/4 Stunde nach Eiablage. Im zweiten Richtungskörper und an der Eiperipherie ist ein Haufen kleiner Vacuolen aus der Verdichtungs- zone jeder Spindelhälfte entstanden. Ebenso ist eine kleine Kernva- cuole im Mittelpunet des isolirten Strahlensystems bemerkbar. Ei, 3 Stunden nach Eiablage. Die peripheren Kernvacuolen haben sich vergrössert und sind verschmolzen zu einem gelappten Kern. Der centrale Kern hat sich vergrössert. ‚Der erste Richtungskörper hat sich eingeschnürt. Ei, 31/; Stunde nach Eiablage. Die beiden Kerne haben sich be- trächtlich vergrössert und sind im Centrum des Eies zusammengetre- ten. Der zweite Richtungskörper enthält eine einfache Kernvacuole. Ei, 4 Stunden nach Eiablage Der Furchungskern hat sich zur Spin- del umgewandelt. Tafel IV. Alle Figuren stellen Eier von Rana temporaria dar. Keimbläschen von einem mittelgrossen Ei in Jodserum isolirt. Bei 500facher Vergrösserung (Zeiss F. Oc. 2) gezeichnet. Theil eines Querschnitts durch ein Ei, I Stunde nach Befruchtung. Pigmentstrasse mit Spermakern (s). Dem dunkeln Eipol ist der Exeret- körper (a) aufgelagert. Bei 500facher Vergr. Theil eines Querschnitts durch ein Ei 13/, Stunde nach Befruchtung. Pigmentstrasse mit Spermakern (s). Bei 500facher Vergr. Stückchen vom Eierstocksstroma mit einem PrLüger’schen Eischlauch. Dotterkern (g) in den grösseren Eiern sichtbar. Theil eines Querschnitts durch ein Ei 2 Stunden nach Befruchtung. Ei- und Spermakern (e u. s) sind einander bis zur Berührung genähert. Bei 500facher Vergr. Durchschnitt durch ein Ei einige Monate vor der Reife. Das Keim- bläschen (A) rückt nach dem dunkeln Pol empor. Durch Schrumpfung des Keimbläschens in Folge von Alkoholerhärtung ist der Hohlraum 'b) entstanden. Durchschnitt durch ein Ei kurz vor seinem Uebertritt in die Bauch- 56 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. - Fig. Fig. 1A — tw Oscar Hertwig, Beiträge z. Kenntniss d. Bildung, Befruchtung ete. héhle. Das Keimbläschen (A) liegt ganz oberflächlich. Ein heller Fleck (c) nimmt die alte Stelle des Keimbläschens ein. Theil eines Durchschnitts durch ein in Theilung begriffenes Ei. 3!/a Stunde nach Befruchtung. Aus der durch Theilung entstandenen Spin- delhälfte hat sich ein Haufen von Kernvacuolen (v) gebildet. Bei 500facher Vergr. Theil eines Durchschnitts durch ein Ei, 1!/ Stunde nach Befruchtung. Der Eikern (e) ist von Dotterplättchen unmittelbar umgeben. Bei 500facher Vergr. Ein grosser Keimfleck aus einem kleinen Keimbläschen eines noch durehsichtigen Eies. Bei 500facher Vergr. Theil eines Durchschnittes durch ein Ei, 2!/; Stunde nach Befrueli- tung. Ei- und Spermakern (e u. s) platten sich an ihren Berührungs- flächen gegenseitig ab. Bei 500facher Vergr. Theil eines Durchschnittes durch ein Ei, 2'/; Stunde nach Befruch- tung. Ei- und Spermakern sind zum Furchungskern (F) verschmolzen. In seiner Umgebung liegen einzelne Fettkügelchen (f). Bei 500- facher Vergr. Durchschnitt durch ein Keimbläschen einige Monate vor der Reife. (Vergrösserung: ZEISS C. Oc. 2.) Stiick eines Durchschnitts durch die Dotterhaut, in welche Spermato- zoen (Sp) eingedrungen sind. a Tafel V. stellt ein Ei von Rana esculenta, Fig. 2—6 von Rana temporaria dar. Durchschnitt durch ein Ei von Rana esculenta kurz vor seinem Ueber- tritt in die Bauchhöhle. A, Keimbliischen. N, Keimfleck. Durchschnitt durch ein Ei von Rana temporaria aus dem Eileiter. Durchschnitt durch ein Ei, 1 Stunde nach Befruchtung. Die Pig- mentstrasse mit dem Spermakern ist sichtbar. Dem dunkeln Pol liegt der Excretkérper (a) auf. Durchschnitt durch ein Ei 1!/; Stunde nach Befruchtung. Eikern und Spermakern liegen in geringer Entfernung von einander. Durchschnitt durch ein Ei, 2!/ Stunde nach Befruchtung. Eikern und Spermakern liegen dicht an einander. Durchschnitt durch ein Ei, dessen Zweitheilung begonnen hat. ER Ans u BA Pods Lees Lith Art EA Fande Leipuig Fig.2. Fig. +. Fig.6. a Fig.3. fig. 5. Morphol. Jahrbuch. Bd. Ill. Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. Von A. Rauber ao. Professor in Leipzig. Mit 1 Holzschnitt. Wenn man gegenwärtig zur Erklärung der mannigfaltigen For- men, die das Knochen- und Knorpelgerüst des Wirbelthierleibes auf- zeigt, nicht sowohl auf die Untersuchung der physiologischen Leistun- gen dieser Systeme hingewiesen ist — denn sie setzen die bestehenden Formen schon voraus statt sie zu erklären —, sondern auf die ver- gleichend anatomische Beurtheilung des Formzusammenhanges in- nerhalb der Wirbelthierreihe einerseits, andrerseits auf den deutero- genetischen (ontogenetischen) Entwicklungsprocess, so widerstrebt es nicht dem Inhalt und Wesen beider erklärender Richtungen, die Knochenformen mit Rücksicht auf die mechanischen Gesetze, die sich darin aussprechen. zu betrachten. Unterscheiden sich jene beiden Riehtungen auch durch das Objeet der Forschung, so haben sie doch das gemeinsame Ziel, die Ursachen aller Gestaltung sowohl als ihrer Verschiedenheiten kennen zu lernen. Auch das Folgende liegt voll- kommen im gemeinsamen Bereich beider. Denn ist die Leistung des Knochengeriistes für den Organismus wesentlich eine statische und me- chanische, so werden seine Formen keine willkürlichen sein, sondern nur im Zusammenhang mit den physikalischen Gesetzen sich stam me s- geschichtlich wie deuterogenetisch entwickeln müssen, die dessen Leistung bedingen ; sie werden jenen Gesetzen nicht wider- sprechen dürfen. SS A. Rauber Man kann noch weitergehen und behaupten, es werde, da das Knochengeriist zu einem wesentlichen Theil als passives Bewegungs- werkzeug sich geltend macht, schon von vornherein ein inniges Verhält- niss zwischen seiner Form und den Kräften der als actives Bewegungs- werkzeug auftretenden Museulatur zu erwarten sein. Weiterhin wird deshalb auch das Prineip der gegenseitigen Beeinflussung der Or- gansysteme und Organe, der Kampf der Organe um das Dasein, wie man es nennen könnte, der phyletischen Erklärung der vor- handenen Formen nicht widersprechen können, sondern als Theil- erscheinung innerhalb der Gesammtentwicklung einen Platz finden. Betrachtungen dieser Art sind nun insbesondere in dem Falle gereehtfertigt, wenn sie das Verständniss der Formentfaltung im Bereich des uns interessirenden Organsystems und der Metamorphosen desselben theils zu erweitern, theils zu erleichtern vermögen. So wird, um ein Beispiel zu gebrauchen, die Metamorphose des Brustflossenskeletes der Selachier zum Skelet der Vorderextremität der höheren Wir- belthiere , wie sie GEGENBAUR’s Theorie aufstellte, nicht vor sich gegangen sein können ohne genaue, von Seiten der Natur vollzo- gene physikalische Riicksichtnahme des Wechsels der Knorpel- in die Knochensubstanz. Wiire doch eine Reduction, wie sie uns hier entgegentritt, und eine relative Verliingerung der gebliebenen Theile unmöglich zu Stande gekommen ohne Aenderung des Materials des Geriistes. Mit dem Uebergang zur Verwendung der Knochensub- stanz war der schaffenden Bewegung sofort die Möglichkeit viel grösserer Freiheit gegeben. Die physikalischen Eigenschaften des neuen Materiales gestatteten sofort die Production eines Formen- reichthums und eine Formverwendung , welche der Knorpel niemals zugelassen hätte. Nur bei den Embryonen der Thiere mit knöcher- nem Gerüst sehen wir ihn noch ausgedehnt zur Verwendung kom- men, während späterhin das Knochengewebe ihn grösstentheils ver- drängt und nur an solchen Orten belässt, wo er seinen Eigenschaf- ten gemäss nützliche Dienste leistet. Hier aber bleibt er bestehen selbst an den äussersten Knochenenden, ungeachtet„der heftigen Einwirkungen, die ihn treffen, in der Rolle eines Puffers seine frühere morphologisch grössere Existenz noch fortsetzend. Eine mechanische Form-Analyse der Knochen nimmt ihren ein- fachsten und zweckmässigsten Ausgangspunet von den Röhrenkno- chen. Es handelt sich demgemäss, da letztere vorzugsweise als Stützsäulen Verwendung finden, um die Aufgabe zuzusehen ob und inwieweit in der äusseren Gestalt der Röhrenknochen diejenigen For- Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform.- 89 men realisirt sind, welche die Theorie der Strebfestigkeit erfordert. Für die Untersuchung eignen sich alle Röhrenknochen, die des Men- schen vorzüglich darum, weil bei ihnen die Gelenkmechanismen am sorgfältigsten erforscht sind, während eine vergleichende Gelenk- lehre mehr oder weniger noch fehlt. Die unteren Extremitäten die- nen mir für das Folgende als Grundlage. Ueber die Strebfestigkeit der Knochen habe ich schon am Schlusse meiner Abhandlung über Elastieität und Festigkeit der Knochen eine kurze Mittheilung gemacht. Von einer weiteren Be- handlung des Gegenstandes musste jedoch damals, da noch mehrere schwierige Punete der Erledigung harrten, abgesehen werden. In- dessen beschäftigte mich das interessante Verhältniss zu gelegener Zeit und vermag ich nunmehr die dort gelassenen Lücken auszu- gleichen. Es folgen zunächst neue Versuche über die Strebfestigkeit von Knochenstäben mit Beziehung auf den Einfluss der Befestigungs- art belasteter Säulen auf ihre Festigkeit. Hierauf finden der Ein- fluss der Form und die Säulen gleicher Strebfestigkeit Berück- sichtigung, welcher eine Untersuchung der Gestalt der Röhrenknochen, ihrer Feststellung in den Gelenken und die abzuleitenden Schlussfolge- rungen sich anreihen. Der Einfluss des Materiales liegt zu sehr auf der Hand, als dass er einer besonderen Auseinandersetzung be- durfte. Man berechne, welche Dicke z. B. das Oberschenkelbein des erwachsenen Menschen besitzen müsste, wenn es, gleiche Leistung als Stützsäule vorausgesetzt, aus Knorpel bestünde! Es wäre ein un- förmlicher, unbrauchbarer Klumpen. 1. Einfluss der Befestigungsart der Säulen auf ihre Strebfestigkeit. Unter Strebfestigkeit versteht man diejenige Festigkeit, welche ein säulenförmiger Körper seiner Zerknickung dureh parallel mit der Längsaxe wirkende Druckkräfte entgegenstellt. Es ist hierbei ein soleher Körper, wie als bekannt vorausgesetzt werden muss, nicht allein auf seine rückwirkende Festigkeit, sondern auch auf Biegung in Anspruch genommen und gerade in dem Hinzutreten der Biegung ruht das Gefährliche der Anordnung. Bei zunehmender Länge oder Belastung tritt sehr bald der Zustand ein, dass der Ein- fluss der Biegung den der reinen Zusammendrückung übertrifft und 90 A. Rauber die Säule in Folge der Biegung zerknickt, bevor noch der Festig- keitswerth für reine Zerdrückung erreicht ist. Die Biegungsfähigkeit ist jedoch sehr verschieden je nach der Befestigungsart der Säule und ist letztere darum genauer in das Auge zu fassen. Am einfachsten liegt das Verhältniss in folgender Anordnungs- weise!) : I. Fall. (Fig. 1 des Holzschnittes der folgenden Seite.) Die Säule, welche in ihrer ganzen Länge gleichen Quer- schnitt besitzt, wird an ihrem unteren Ende festgehalten, während ihr oberes belastetes Ende nach jeder Seite frei aus- weichen kann. Die durch die eintretende Biegung am mei- sten gefährdete Stelle liegt unten, am Befestigungspunet der Säule. Man nennt diesen Punct den Bruchpunct oder Bruch- querschnitt. WEN aig} 2.) Es ergibt sich sofort, dass, wenn man in Fall I das obere Säulenende blos am seitlichen Ausweichen verhindert, ohne. es einzuklemmen, die Biegungsverhältnisse eine bedeutende Aenderung erfahren, die auf die Festigkeit der Säulen sehr günstig zurückwirken muss. Während im vorigen Fall bei eingetretener Biegung das obere Säulenende am weitesten seitlich ausweicht, nähert sich diese Stelle nunmehr der Säulenmitte, der Hebelarm der Last ist ein kleinerer gewor- / !) Man vergleiche WEISBACH, Ingenieur- und Maschinenmechanik, die Trag- kraft langer Säulen. Bedeutet P die den Bruch herbeifiihrende Belastung, / die Lange der Säule, W das Biegungsmoment, wie es sich aus der Form des Querschnittes ergibt, Z den Elastieitätsmodul der Substanz, so haben wir m\2 Seats i) ea | Wehe 7 für Fall I ps = WE. PT Pan — uhr ple, RR ape ° . 4 Bedeutet s die Seite des quadratischen Querschnittes, so ist W= re c 2000 Ker. Elastieitätsmodul des Knochens rund = — in ; des Knorpels == 0N87D, Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 91 den. Theoretisch erfährt die Strebfestigkeit der Säule durch diese Veränderung eine achtfache Steigerung gegenüber Fall I. Il. Fall. (Fig. 3¢@ und 32.) Wird an derselben Säule nicht blos das untere, sondern beide Enden eingeklemmt, oder sind beide Enden recht- winklig zur Axe begrenzt, so dass die Säule bei der Biegung sich an beiden Befestigungsstellen tangential an die Kraft- richtung anschliessen muss, so wird die Festigkeit die 16fache von Fall I. Hopekınsoy’s Versuche ergaben I2malige Er- höhung. Der Bruchpunet liegt in der Mitte der Säule. mw Yi - nw | I I} i || | N | } , | | a a G | uw fy Z | DR: mi (HIT N J — WY Www apy" / VG | DKL YU IV. Fall. (Fig. 4.) Wird die Säule weder am unteren noch am oberen Ende eingeklemmt, sondern sind ihre beiden Enden abgerundet und nur am seitlichen Ausweichen gehindert, während Bie- gungen der Enden Platz greifen können, so ist die Streb- festigkeit der Säule 4 mal so gross als im Fall I. Der Bruch- punet liegt in der Mitte. Die folgenden beiden Fälle enthalten keine neue Befestigungs- art, sondern lassen sich auf die vorausgehenden zurückführen. Sie sind jedoch bezüglich der Befestigungsart der Knochen gleichfalls von Bedeutung und finden hier ihre zweekmässigste Stelle. Sind beide Enden der Säule nicht eingeklemmt, sondern abge- rundet, beide Enden am seitlichen Ausweichen nicht gehindert, so folgt die einer Belastung ausgesetzte Säule dem Fall IV natürlich 9? A. Rauber nur so lange, bis die seitliche Ausweichung des oberen lastaufneh- menden Endes das Niederfallen der Säule bewirkt, ohne dass ein Bruch erfolgt (Fig. 5). | Stehen zwei gleich lange Säulen senkrecht aufeinander, so dass sie sich in der Mitte berühren, und ist oberes und unteres Ende der Säuleneombination festgeklemmt, so ist Annäherung an eine ein- zige oder zwei Säulen von Fall III oder an zwei Säulen von Fall I gegeben, je nach der mittleren Befestigungsart Fig. 6). Es lag nahe, auch durch direete Versuche sich über den Ein- fluss der Befestigung auf die Strebfestigkeit zu unterrichten ; umso- mehr als die schon früher mitgetheilten Versuche dieser Art ihrer Anordnung nach Mischformen zwischen III und IV, doch näher an III liegend, darstellen. Die senkrecht begrenzenden Endflächen er- scheinen daselbst als nicht ausgedehnt genug, um Fall III völlig zu entsprechen, während die fehlende Abrundung noch mehr von Fall IV entfernte. Es trat indessen schon diese Mischform bei der gebrauch- ten Stiibchenliinge so nahe an den Festigkeitscoefficienten der reinen Zerdrückung heran, dass von der Anordnung III weiterhin Abstand genommen werden konnte. Die hier mitzutheilenden betreffen dage- gen die Anordnung I und IV. Sämmtliche Stäbchen stammen aus der compacten Substanz eines frischen menschlichen Oberschenkelbeins, aus dessen Längsrichtung sie in genauer Weise geschnitten worden waren. A. Befestigungsart I. Zur allseitigen Feststellung des unteren Stäbehenendes diente ein für diesen Zweck hergerichteter Schraubstock. Die grösste Sorgfalt beanspruchte die genaue senkrechte Einstellung des Stäb- chens. Dessen freies oberes Ende, welches abgerundet war, nahm einen mit einer Wagschale versehenen Bügel auf, in der Weise, dass es nach jeder Seite ungehindert ausweichen konnte. Die Un- terfläche der Querplatte des Bügels trug in der Mitte eine leichte ausgerundete Vertiefung, mit welcher sie auf das abgerundete Stäb- chenende zu liegen kam. Die Seitenspangen des Bügels hatten eine hinreichende Länge erhalten, um ihn sicher auf dem senkrecht ge- stellten Stäbehen balaneiren zu lassen. Die Belastungen geschahen langsam steigend und mit möglichstem Ausschluss jeder Erschüt- terung. Mit zunehmender Belastung erfolgte die Neigung des oberen \ Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 93 Endes nach einer der Seitenflächen und bei geringer Steigerung der Last, nachdem eine Neigung einmal eingetreten war, der Bruch des Stäbehens am unteren Ende. Die Bruchflächen erschienen zackig und waren nicht selten kleine Absplitterungen an denselben wahr- zunehmen. Freie Stäbehenlänge 30 Millimeter ; quadratischer Querschnitt von 2 Mm. Seite. 9 Versuche. Der Bruch erfolgte je durch die Belastung mit TSENG 4 76, 7.2, 1151407. 6. 6eKilogrammen ; = 7 Kgr. im Mittel. B. Befestigungsart IV. Als Druckapparat diente der am genannten Ort früher beschrie- bene Druckhebel, auf welchen ich hier verweisen muss. Das senk- recht gestellte Stäbchen , dessen beide Enden abgerundet worden waren, ward von einem ausgerundeten Grübchen der eisernen Unter- lage wie von einer Gelenkpfanne aufgenommen. Die Unterfläche des Hebels selbst trug an der Stelle der Berührung des Stäbehens gleichfalls eine mit einer rundlichen Vertiefung versehene, kleine eiserne Platte. Der Hebelarm sowohl, wie auch die Unterlage kön- nen nicht aus der Ebene der Druckrichtung ausweichen; demnach besitzt das Stäbchen die gewünschte Befestigungsart. Die angegebenen Festigkeitswerthe sind die von den Stäbchen wirklich erlittenen. Der Bruchpunet lag mehr oder weniger genau in der Mitte der Stäbchen. Stäbehenlänge 30 Millimeter, quadratischer Querschnitt von 2 Mm. Seite. 18 Versuche. Die Zerknickung erfolgte durch je eine Be- lastung mit SILBER usage 2 32 ur 26; 36.5, 29.2,19:37, 24.8, 30.6, 32, 29.2, 36.5, 32.2 u. 34 Kilogr. = 31.6 Kgr. im Mittel. Auf reine rückwirkende Festigkeit!) untersuchte Würfel dessel- ') Bei dieser Gelegenheit mag die Wahrnehmung eine Stelle finden, wie wenig die auf absolute Festigkeit in Querrichtung zum Verlauf der HAVERSI- schen Säulen in Anspruch genommene Compacta im Vergleich zu der auf Längs- richtung beanspruchten zu leisten vermag. Querstiibehen, deren Herstellung aus dem Humerus des Rindes gelang, ergaben einen Festigkeitscoefficienten ge- 94 A. Rauber ben Knochens ergaben einen Festigkeitseoefficienten von 16: ein Würfel von 2 Mm. Kante ertrug demnach 64 Ker. ; eine 30 Mm. lange Säule von dem Querschnitt des Würfels, bei Befestigungsart IV =. . . -judice tdoidlgoeker- Mig eine ebensolche bei Befestigungsart I las oe U | - Während dies Ergebniss der theoretischen Voraussetzung mit hinreichender Genauigkeit entspricht, so bleibt hinsichtlich der Be- festigungsart IIL der wirkliche Festigkeitswerth hinter dem theoreti- schen zurück , wie die Berücksichtigung des Festigkeitscoefficienten für Zerdrückung deutlich macht. Uebertrifft doch dieser die Festig- keit des Stäbehens bei Befestigungsart IV nur um sie selbst. 2. Einfluss der Form auf die Strebfestigkeit. Der Voraussetzung nach hatten die bisher betrachteten Säulen in ihrer ganzen Länge denselben Querschnitt. Der Bruchpunct lag an bestimmt vorauszusehender Stelle. Man wird aber alsbald auf den Gedanken kommen, die Säule in der Weise herzustellen, dass nicht an einer Stelle ein gefährlicher Querschnitt besteht, sondern dass jede Stelle der Säule gerade denjenigen Querschnitt erhält, weleher ihrer Spannung entspricht. Die Maximalspannung und mit ihr die Wahrscheinlichkeit eines Bruches wird bei einer nach diesem Prineip gestalteten Säule an allen Stellen derselben zugleich erreicht werden. Man wird dadurch, dass man Material von einer Stelle wegnimmt, an welcher es minder werth, und an eine Stelle bringt, die besonders ausgesetzt ist, mit demselben Material eine grössere Wirkung erzielen können. Oder man wird, wenn eine grössere Wirkung nicht erfordert ist, Material ersparen können. Unter allen Formen verlangt gerade die gewollte die geringste Menge an Stoff bei grösster Wirkung. Mit der Material-Ersparniss verbindet sich aber auch das geringere Gewicht. Es finden deshalb im Maschinenwesen Körper von gleicher Streb- oder Zerkniekungsfestigkeit, ebenso wie Körper von gleicher Biegungsfestigkeit vorzüglich Anwendung. gen Zerreissung von 4.8; bei Längsstäbchen dagegen betrug er 10.1 Kgr. auf den Quadratmillimeter. Ein übereinstimmendes Verhältniss zeigen die früher ungemein Werthe der Sehubfestigkeit für beide Druckriehtungen, während die Unterschiede der riickwirkenden Festigkeit für verschiedene Druckrichtung sich weit gerin- ger erwiesen hatten. ') Um dieselbe Last zu tragen, müsste ein 30 Mm. langes Knorpel- stibchen einen quadratischen Querschnitt von rund 15 Mm. Seite besitzen. Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 95 - Nach dem Vorausgehenden ist es aber leicht begreiflich, dass bei der Durehfiihrung dieses Prineipes die Form der Säule sehr ver- schieden ausfallen müsse je nach der Befestigungsart. welche bei der Säule Verwendung gefunden hat. So wird bei der Befestigung I, bei welcher der Bruchpunet un- ten an der Befestigung der Säule liegt, gerade diese Stelle am meisten der Stärkung bedürfen und nach bestimmten Gesetzen zu- nehmend weniger, je weiter wir an das freie Ende der Säule hin- aufgelangen. Bei der Befestigung III und IV dagegen liegt der gefährliche Querschnitt in der Mitte der Säule und diese wird darum hier vorzugsweise durch zunehmenden Querschnitt gestärkt werden müssen. Die Berechnung der Querschnittsverhältnisse ist eomplieirt genug. Praktisch erhält die Säule am Befestigungspunct (bei Be- festigungsart IV in der Mitte) eine Stärke, welche gegen Zer- kniekung berechnet ist, während die Stärke des andern Endes gegen eine Zerdrückung gesichert wird. Beide Dimensionen werden durch eine einfache Curve mit einander verbunden, die im Befestigungspunct tangential zur Säulenaxe gerichtet ist (Fig. 7 und 8 des Holzschnittes). Wirft man einen Blick auf Körper von gleicher Biegungs- festigkeit, so besitzt ein horizontaler Balken soleher Art, der an einem Ende eingemauert, am freien belastet wird, bei eonstanter Breite das Längenprofil einer Parabel. Ruht der Balken gleicher Breite mit beiden Enden auf und soll in der Mitte belastet werden, oder rulit er mit der Mitte auf und sind die beiden Enden gleich belastet, so erhält er das Längenprofil von 2 in der Mitte zusam- menstossenden Parabeln. Ein ähnliches Profil erhält man, wenn der Balken von gleichem Widerstand lauter kreisförmige Querschnitte erhalten soll. Und pflegt man auch in der Praxis letzteren Körper durch einen abge- stutzten Kegel zu ersetzen. ebenso wie auch ersterer durch eben- flächige Träger ersetzt zu werden pflegt, so würde doch die schaf- fende Natur an solchen Ersatz nicht herantreten müssen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf den mathematischen Theil dieses Gebietes näher einzugehen. Ist doch in dieser Bezieh- ung auf die Lehrbücher der Mechanik hinzuweisen. Es erwächst dagegen allerdings die Aufgabe. die von der Na- tur verwendeten Knochensäulen mit Rücksicht auf die voranstehen- den Auseinandersetzungen in Betrachtung zu ziehen. So handelt es sich also darum, zuzusehen, von welcher Art die 96 A. Rauber Befestigung der Knochensäulen im Organismus selbst erscheint: sodann aber, in weleher Weise die Querschnittsverhältnisse an den natürlichen Knochensäulen geordnet sind. Von vornherein wird man gern geneigt sein anzunehmen, dass die Natur die durch die Befestigungsart und den ungleichen Quer- schnitt gebotenen grossen Vortheile für Leistungsfähigkeit und Ma- terialersparniss annehmen werde, ja annehmen müsse, wenn anders die übrige Oekonomie des Organismus es gestattet und die Bela- stungsbedingungen dieselben sind; denn sie selbst ist ja der Inbegriff aller Gesetze und kann sich nieht selbst umgehen. Nun sind die Röhrenknochen nicht blos als Stützsäulen oder Horizontalträger thätig, sondern dienen auch der Ortsbewegung. Auch die phylogenetische Betrachtungsweise tritt hier in ihr Recht. Bei den niederen Wirbelthieren, ja selbst bei den Wassersäugethie- ren dient das Flossenskelet blos zur Fortbewegung. Wenn als ty- pische Belastung auch die Spannung der Muskulatur sich heraus- stellen sollte, die anerkannt wenigstens von grossem Einflusse ist. so würde hiermit das Belastungsverhältniss keine wesentliche Aen- derung erfahren. Dies kann also nicht hindernd in den Weg treten, die Röhren- knochen nach den genannten beiden Richtungen zu untersuchen. Da die übliche Formbeschreibung dem vorliegenden Zwecke nicht vollständig Rechnung trägt, so sei es gestattet, vom Schienbein und Oberschenkelbein des Menschen nur gerade Das mit wenigen Worten zu berühren, was der Zweck erfordert, während alle anderen Ein- zelnheiten vermieden werden sollen. 3. Form des Schien- und Oberschenkelbeins. Wie an der Wirbelsäule des Menschen die querovalen Wirbel- körper des Hals- und Lendensegmentes ein auf dem Querschnitt gleichschenkelig dreieckiges Brustsegment zwischen sich fassen, so übertrifft auch bei dem Schienbein der quere Durchmesser beider Enden den pfeilrechten, während im ausgedehnten Mittelstiick das Ansteigen des pfeilreehten Durchmessers so sehr hervortritt, dass dieser den queren sogar übertrifft. An einem normal gebauten Schienbein von 340 Millimeter Länge (zwischen beiden Gelenkflächen), das ich vor mir habe, verhält sich der grösste quere Durchmesser des oberen Endes zum pfeilrech- ten wie 52 zu 58; die gleiehen des unteren Endes wie 62 zu 45; Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 97 mit Hinzurechnung des äusseren Knöchels ist letzteres Verhältniss 72 zu 45. Die Zahlen bedeuten Millimeter. Auch die Anordnung der Durchmesser der Gelenkflächen zeigt ein ähnliches Verhalten. Der kleinste Querschnitt des dreiseitig prismatischen Säulen- schaftes liegt nieht in der Mitte des Schienbeins, sondern seinem untern Ende näher, in der Gegend des Beginnes des untern Län- gendrittels. Der Querschnitt ist an dieser Stelle nahezu ein recht- winkeliges Dreieck mit abgerundeten Ecken, dessen Hypotenuse der medialen Schienbeinfläche entspricht. Was die beiden andern Seiten betrifft, so liegt die eine, mit Bezug auf die natürliche Lage des Schienbeins äussere, fast pfeilrecht, die andere, hintere dagegen quer. Die Höhe des Dreiecks beträgt 23, die Basis 20 Mm. Das Mark- loch ist ein Oval von 12 und 10 Mm. Durchmesser, das sich leicht nach aussen und vorn neigt. Wenn es nun auch zu weit führen würde, sämmtliche bedeutende Querschnitte eines in dieser Absicht zerlegten Schienbeins im Ein- zelnen zu beschreiben, so dienen jene doch, der natürlichen Lage entsprechend nebeneinander aufgestellt, in sicherster Weise dazu, ein scharfes Gesammtbild der Zusammensetzung der ganzen Säule zu verschaffen. Der Uebergang jenes kleinsten Querschnittes in die beiden Endformen erfolgt in abweichender Weise. Nach aufwärts wächst zunächst die Höhe des dreieckigen Querschnittes und erreicht langsam steigend in der Gegend der Tuberosität ihre grösste Ausdeh- nung mit 45 Mm., ebensoweit vom oberen Rand des Knochens ent- fernt. Die Basis nimmt anfänglich, in einer Strecke von 50 Mm. etwa überhaupt nicht zu, um sodann bis zur Tuberosität gleichmässig zu wachsen. Von hier an bis in die Nähe des oberen Endes des Knochens erfährt die Länge der Basis eine rasch steigende Zunahme und gelangt in einer Strecke von gegen 30 Mm. zu der oben angegebenen Di- mension, während zugleich die vordere Kante sich mehr und mehr abflacht und mit dem obersten Theil der früheren Basis des Quer- schnittes nach hinten zurückweicht. Das wichtige oberste Endstück des Knochens (Margo infragle- noidalis, HeNLE), welches die Gelenkflächen trägt, ist ein kurzes. etwa 16 Mm. hohes Prisma von unregelmässig ovaler Umfassungs- linie und den genannten Durchmessern. An seinem unteren Rand nehmen die begrenzenden Curvenschaaren der wachsenden aufeinan- derfolgenden Querschnitte einen zur Knochenaxe tangentialen Ver- Morpholog. Jahrbuch. 3. 7 | 98 A. Rauber lauf. Dasselbe gilt, um es gleich hier zu bemerken, von der unte- ren Hälfte des Oberschenkelbeins, dessen begrenzende Curvenschaaren denjenigen des Schienbeins im Allgemeinen symmetrisch gegenüber- gestellt sind. Die tangirende Strecke ist an letzterem Knochen aus- gedehnter und durch die Epieondylenwülste zugleich etwas ver-_ deckt. Das deutlichste Bild des Curvenverlaufs der Oberflächen beider Knochen geben Frontalschnitte der letzteren, die nahe der hinteren Knochenfläche geführt sind; desgleichen Projectionen. Von der Stelle des kleinsten Querschnittes des Schienbeins nach abwärts geht der dreiseitige Querschnitt allmälig über in einen unregelmässig ovalen, indem zunächst die innere und äussere Seite sich convex vorwölben, während der äussere Winkel bis zum Ende deutlich bleibt. Die äussere Seite erfährt schliesslich eine halbmond- förmige, das Wadenbein aufnehmende Einbiegung. In Bezug auf den Curvenverlauf der Spongiosablätter im Schien- und Oberschenkelbein verweise ich auf die von H. MEYER gegebene Sehilderung; desgleichen hinsichtlich der gegenseitigen Stellung der Gelenkaxen. P Während das Schienbein an seiner vorderen Kante eine leicht Sförmige Längenbiegung besitzt, im Uebrigen aber einen fast gera- den, nur leise auswärts gebogenen Körper darstellt, zeigt das Ober- schenkelbein eine doppelte Längskrümmung, deren eine seinen Kör- per, die andere die Neigung des Halses zum Körper betrifft. Die Ebenen, in welchen beide liegen, kreuzen sich bekanntlich fast recht- winkelig. Die erstere, nach vorne convexe Krümmung ist an nor- malen Knochen ziemlich gleichmässig über den ganzen Körper ver- theilt. Letztere dagegen ist eine starke, in extremen Fällen einem rechten Winkel sich nähernde Einknickung des oberen Knochen- stiickes gegen den sogenannten Körper, bei deren Ausgleichung ein vor mir liegendes, dem obigen Schienbein zugehöriges Oberschenkel- bein 465 Mm. Länge besitzen würde. So wichtig sich die genannte Winkelstellung beider Abtheilun- gen des Knochens für die Auffindung der Architeetur der Spongiosa auch erwiesen hat, so trübt sie einigermassen das reine Bild der Säule, welches sich ergeben würde, wenn beide Theile dieselbe Axenrichtung hätten. Der Umfang der Regio intertrochanterica würde geringer sein, als es jetzt der Fall ist. Es ist deshalb gut, wenigstens in Gedanken jene Correction vorzunehmen und sich das Bild der nicht geknickten Säule vorzustellen. Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 99 Im Uebrigen ist nur zu erwähnen, dass ein über dem kleinen Trochanter angelegter Querschnitt ein unregelmässiges Polygon dar- stellt, dessen quere Ausdehnüng die pfeilrechte übertrifft 45 : 38). Der grösste Querdurchmesser eines durch die Epicondylen geführten Querschnittes verhält sich zum grössten pfeilrechten wie 90 : 69. Der Querschnitt ist eine trapezoide Figur, mit Einbiegung der hin- teren und vorderen Seite, mit Ausbiegung der Seitenlinien. Unterhalb des kleinen Rollhügels nimmt der Querschnitt ellip- tische Form an (34 : 30), mit schief nach vorn und innen gerichte- ter langen Axe; geht bald darauf in einen nahezu gleichschenkelig dreieckigen über (Basis: vorn, Spitze hinten; Basis 28, Höhe 32). um im unteren Drittel der Knochenlänge allmälig in die genannte trapezoide Form auszulaufen. Letzteres geschieht dadurch, dass die Spitze des dreiseitigen Querschnittes am unteren Drittel in eine mehr und mehr sich verlängernde Linie auszieht. Das Lumen des elliptischen Querschnittes ist ein Oval von 15 und 12; das des dreiseitigen ein solches von 13 und 10 Mm.: die langen Axen fallen mit denen des äusseren Querschnittes zu- sammen. Vom Halse des Knochens ist nur auf den grossen Umfang seiner Ansatzfläche an den Körper des Knochens sowie auf die Höhe seines Querschnitts (40 : 28) hinzuweisen. Der pfeilrechte Durchmesser des Kopfes beträgt 53, der verticale 50 Mm. Die angegebenen Dimensionen genügen, um für die folgende Betrachtung greifbare Anhaltspuncte zu gewähren. Wiewohl man weiss, dass die Spongiosa wesentlich als eine Aufblätterung der Compacta, oder letztere als eine Zusammendrän- gung der Spongiosa zu betrachten sei, so schien es mir doch wün- schenswerth, über den Substanzverbrauch in verschiedenen Höhen der beiden genannten Knochen einen direeten Aufschluss zu er- halten. i Zu diesem Zweck wurden beide Knochen in 40 Mm. hohe Querabschnitte zerlegt und blos die letzten Gelenkflächentheile aus- geschlossen. Von einer Wägung frischer Querabschnitte war von vornherein Umgang zu nehmen; sie wurde vielmehr nach vollständiger Ausglühung der einzelnen Stücke vorgenommen und ist geeignet ein ungefähres Bild der Materialvertheilung zu geben. Schienbein: Von der Mitte des Margo infraglenoidalis bis zur Nähe der unteren Gelenkfliiche. 8 Stücke von 40 Mm. 1 * 100 A. Rauber Höhe. Nach geschehener Caleinirung wiegen dieselben in von oben nach abwärts laufender Reihenfolge: 17.1,° 16, 19.7, 45» 214, 12.8, 11.40. oa tater Obersehenkelbein: Vom kleinen Trochanter bis zu den Epicon- dylen 8 Stücke der genannten Höhe. Die caleinirten Quer- abschnitte wiegen, gleichfalls in von oben beginnender Reihen- folge: 18.3, 19,» 19.5.5.:19.5...19 2, .18,,.18,.2. 0, 20 5 krass 4. Vergleichung der Befestigungsart und Form der Röhren- knochen mit dem theoretischen Schema. Die Art der gegenseitigen Befestigung der Knochen ist keines- wegs in der vollkommenen Einfachheit gehalten, wie in dem anfäng- lich auseinandergesetzten Schema; es nehmen vielmehr mehrere “actoren an der Bildung derselben Theil. Blos diejenigen äusser- sten Knochen oder Knochencombinationen, welehe die Verbindung des Körpers mit dem Boden bewerkstelligen, haben eine einfache Art der Befestigung an den Boden: eine durch mehrere Knochen- puncte begrenzte Fläche bildet hier die Basis, auf welcher das ganze übrige ‚Gerüst sich erhebt, während sie selbst beweglich mit dem Boden verbunden, ja in ihren einzelnen Abschnitten beweglich ist. Doch sehen wir von dieser zwar einfachen aber formbestim- mend äusserst wichtigen Befestigungsart des Fusses an den Boden ab und wenden uns an die Befestigung der Knochen unter sich, sei es der das Fussskelet zusammensetzenden oder der von ihm selbst getragenen, so wird die Befestigung im Sinne des Schema bestimmt einmal durch: die Grösse und Form der sich berührenden Knochenflächen, die als Kapitälbildung aufzutreten pflegt; 2) durch Bandapparate (Kuppelung) und unter Vermittelung der Körperlast ansprechende Gelenkmechanismen ; ) durch den Luftdruck, welcher einer Entfernung der Gelenk- flächen voneinander entgegentritt ; 4) durch den Tonus und die willkürliche Contraetion von Mus- keln. Sie stellen einen oberhalb gelegenen Knochen auf einen stützenden unterhalb gelegenen dadurch fest, dass sie le- benden Tauen gleich die Knochen in grosser Länge mantel- firmig umgeben, den oberen auf den unteren theils nieder- Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 101 pressend, theils balaneirend. Vermöge des vorhandenen Mus- keldrucksinnes kann das geringste Herausfallen aus der Gleichgewichtslage sofort bemerkt und von den Muskeln cor- rigirt werden. Wenden wir uns zum besonderen Falle und zunächst zum Schienbein, seine Befestigungsart und zugleich seine Form mit prü- fendem Blicke musternd. Die auf der Sprungbeinrolle liegende Gelenkfläche des Schien- beins besitzt, auch insoweit sie nur wirklich tragende Fläche ist, einen grösseren Querschnitt als die diinnste Stelle der Schienbein- diaphyse. Sie besitzt insbesondere einen grösseren Querdurchmesser (wie er der Kürze wegen hier heissen mag) als irgend eine Dimen- sion jener dünnsten Stelle beträgt. In Folge dessen leistet sie für die Feststellung nach der queren Richtung (gegen ein seitliches Ueber- fallen des Schienbeins um eine pfeilrechte Gelenkaxe) mehr, als wenn sie jenen kleinsten Querschnitt besitzen würde. Die Führungs- linie des Sprungbein-Ginglymus ist dagegen zu sehr gekrümmt, als dass die grössere pfeilrechte Dimension der Schienbeingelenkfläche gegenüber jenem kleinsten Querschnitt für die Feststellung in Frage kommen könnte, vielmehr ist der Zweck dieser Anordnung gerade die Beweglichkeit des Ginglymus bei hinreichendem pfeilrechtem Durchmesser der Schienbeingelenkfläche und unter genügender fron- taler Feststellung. Von der Drehbewegung in diesem Gelenk kann hier abgesehen werden. Die Wirkung des grösseren Querdurchmessers der genannten Gelenkfläche des Schienbeins die an Fall 35 erinnert, wenn hier- selbst das Stäbchen an seiner Basis nicht allseitig, sondern nur bei- derseitig verbreitert gedacht wird) erhält eine bedeutende Verstär- kung durch die das Schien- und mit ihm verbundene Wadenbein auf das Fussskelet befestigenden seitlichen Bandapparate und ist hierüber sowie über die Wirkung des Luftdruckes, welcher dem seitlichen Ueberfallen des Schienbeins über das Sprungbein, worauf es hier ankommt, ein grosses Hinderniss entgegenstellt, dem Be- kannten nichts. hinzuzusetzen. Die Malleolen wirken übrigens bei der Anspannung der Seitenbänder wie kleine dem Schienbein ange- fügte Hebel. Bezüglich der feststellenden Muskeln ist zu bemerken, dass ihre Hauptmasse, wie zur Ausführung der Ginglymus-Bewegung, so auch zu deren Hemmung und zur Feststellung der Knochen in dieser Ebene dient. Hierbei ist von Bedeutung, dass die feststel- 102 A. Rauber lenden Muskeln nur mit dem geringsten Theil ihrer Masse vom unteren Ende des Knochens entspringen, sondern dass die Haupt- ursprungspuncte am oberen Ende, ja selbst am höherstehenden Kno- chen angreifen und sich weiterhin über ausgedehnte Flächen der Knochenwände erstrecken. Ihre wirklichen oder funetionellen Inser- tionspuncte am Fussskelet aber erhalten zum Theil (Soleus, Gastroc- nemius) einen bedeutenden Horizontalabstand vom fraglichen Gelenk. Beide Umstände erscheinen von hohem Werth für die das Schien- und Wadenbein auf dem Fussskelet feststellende Thätigkeit der Muskeln. Als feststellendes Moment ergibt sich schliesslich noch die durch die Körperlast ausgelöste Einkeilung des Sprungbeinkörpers in die Malleolengabel (H. MEYER). Was die Form des unteren Schienbeinendes, abgesehen von der Stützfläche des Gelenkes, weiterhin betrifft, so ist der grösste Querschnitt des unteren Knochenendes beträchtlich ausgedehnter, als jene Fläche, und, da der äussere Knöchel hier nothwendig in Rech- nung gebracht werden muss, wiederum vorzugsweise in querer Rich- tung. Er ist, wie-oben angegeben, ein quergestelltes Oval von 72 und 45 Millimeter Durchmesser. Dieser grössere Querschnitt setzt sich gegen die dünnste Stelle des Schienbeins nicht scharf und plötzlich ab; sondern von seiner gesammten Peripherie, insbesondere von den Knöcheln aus verläuft eine sanft axial geneigte Curvenschaar theils gegen jenen kleinen Querschnitt aufwärts, theils, soweit es den äusseren Knöchel betrifft, zum Körper des Wadenbeins. Es bedarf nicht einer Auseinandersetzung, dass durch die genannte Umfangszunahme die Widerstandskraft gegen das biegende Moment der Strebfestigkeit, besonders in frontaler Ebene, vermehrt werde. Ist auch die Spongiosa der beiden Knochenenden wesentlich nur eine Aufblätterung, so bedarf es nicht mehr des Beweises, dass dem hiedurch gesetzten grösseren Querschnitt trotzdem die grössere Sicher- heit gegen Biegung angehöre. Welche Bedeutung kommt nun aber dieser Form des unteren Knochenendes im Sinne des Schema zu? Man wird nicht umhin können, auch der oberen mächtigeren Hälfte des Knochens zum Zweck einer solchen Bestimmung seine besondere Aufmerksamkeit zuzu- wenden und damit den Knochen als Ganzes zu betrachten. Fasst man den Knochen als Ganzes in das Auge, in seiner auf dem Gewölbe des Fussskelets aufgerichteten Stellung, umgeben vom Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 103 Bandapparat und den feststellenden Muskeln, so möchte es vielleicht einen Augenblick befremdlich erscheinen, dass nicht der untere, son- dern der obere Theil dem Knochen das Hauptgepräge gebe. Man könnte meinen, es müsse das untere Ende, da es das befestigte sei, die besondere Stärke besitzen. Es wird aber alsbald eine andere Erwägung den Platz behaupten. Denn in der That treffen wir zwar am Knieende des Knochens im Allgemeinen wieder die querovale Form des Querschnittes; doch sind die Dimensionen beträchtlich grösser geworden. Das bestän- dige Wachsen des Querschnittes vom unteren Längendrittel des Knochens an nach aufwärts ist allerdings zu auffallend, als dass es nicht das besondere Augenmerk auf sich ziehen müsste als Träger einer Bedeutung, gegenüber welcher die geringere Verbreiterung des unteren Knochenendes in den Hintergrund tritt und fast vernach- lässigt werden zu können scheint. Der Sinn dieses Verhältnisses ist denn auch thatsächlich ein leicht zu erkennender: er beruht darin, dass das Knie, als Vereinigungspunet der beiden Haupt- säulen des Extremitätenskelets, des Schien- und Oberschenkel» beins, die Function besitzt, die beiden grossen Knochen zu einer einzigen Knochensäule zu verschmelzen, wäh- rend ztgleich die Möglichkeit besonders einer Beugung gegeben sein sollte. Man werfe einen Blick auf Fig. 5 des Holzschnittes um sofort zu bemerken, dass durch das Knie der tibiofemoralen Knochensäule eine Annäherung an einen Körper von gleicher Strebfestigkeit gege- ben ist, der am oberen und unteren Ende zwar in seiner Lage erhalten, aber nicht festgeklemmt wird. Sollte eine Säule von der Länge beider Knochen ihren Zweck als Stützsäule erfüllen, während sie weder auf dem Boden, noch weniger an dem entgegengesetzten Ende befestigt war, so ist klar, dass die Mitte, als die Stelle des . gefährlichsten Querschnittes , bei dieser Anordnung (Fig. 4) einer besonderen Stärkung bedurfte. Die vorzugsweise Verstärkung liegt in frontaler Ebene; einer Einkniekung in einer solchen war auch vor Allem vorzubeugen. Die Beugeleistung beider Knochen geht nebenher und vermehrt die Gebrauchsweise der Extremität vor Al- lem: für die Zwecke der Ortsbewegung. Durch sie aber durfte die Hauptleistung, als eine einzige Säule zu dienen, nicht in Frage ge- stellt werden. So sind denn auch beide Knochen und ihr Vereini- gungspunet wesentlich auf Streckstellung berechnet und construirt und müssten ähnlich gestaltet sein, auch wenn sie nicht durch ein 104 A. Rauber Gelenk von einander geschieden wären. Vielleicht geben Fälle lang- dauernder Anchylosirung des Kniegelenkes hierüber eine Bestäti- gung. Das Fussskelet aber erscheint bei dieser Betrachtungsweise einfach als ein unterer Anhang des Schien- und Wadenbeins. Diese beiden Knochen in Verbindung mit dem Fussskelet bilden zu- sammen die untere Hälfte der auf dem Boden beweglich aufruhen- den grossen Knochensäule. Den Knochen des Fusses kommt bei der überwiegenden Länge und Bedeutung der andern in statischer Beziehung nur eine untergeordnete Rolle zu. “Das untere Ende des Schienbeins zeigt diejenige Verbreiterung, deren es zu einer lei- stungsfähigen Verbindung mit dem Fusse bedarf. Seine Feststellung auf der Sprungbeinrolle und damit auf dem Fussskelet ist nur eine relative, da letzteres seinerseits selbst nur sehr bewegliche Verbin- dung mit dem Boden besitzt, die mit der Stabilität der Grundplatte Fig. 35 nicht zu vergleichen ist. Hier ist zu erinnern an diejeni- gen Thiere, die nur mit dem vordersten Ende des Mittelfusses den Boden berühren. Gerade entgegengesetzt verhält sich die Befesti- gungsart von Bäumen, deren Stamm seinen grössten Querschnitt nicht in der Mitte, sondern an der Basis besitzt, mit welcher er sich fest in den Boden einsenkt; desgleichen von niederen festsitzenden Thieren, wenn sie nicht etwa schwingen sollen. Sowie dagegen bei Thieren die Fusswurzel und der Mittelfuss selbst wiederum die Rolle einer Stützsäule zu übernehmen hat, muss die Verbindung mit dem Schien- und Wadenbein an Stärke gewinnen. Es ist nicht das Schienbein an sich, nicht das Oberschenkelbein an sich ein Körper von gleicher Strebfestigkeit — solche Körper gibt es nicht —, sondern nur in Bezug auf ihre Befestigung an ihre Umgebung und ihre Beanspruchung. Nicht um grosse Gelenkflächen zu erhalten — im Gegensatz zu der üblichen Ansicht — pflegen die Knochenenden grossen Quer- schnitt zu haben, sondern die Grösse des Querschnitts ist die Wir- kung statischer Gesetze. Die Gelenkenden der verschiedenen Knochen zeigen darum nicht denselben, sondern sehr verschieden grossen Querschnitt und trifft die Gelenkbildung auch nicht beständig mit srösserem Querschnitt zusammen; in einem solchen Zusammentreffen aber ist die Verbindung des statischen mit dem mechanischen Mo- ment der Bildung des Extremitätenskelets ausgesprochen. Die Feststellung der Röhrenknochen in den Gelenken und die Knochenform. 105 Aehnliche Verhältnisse lassen sich an der oberen Extremität des Menschen nachweisen, wiewohl sie nur Muskelspannungen unter- worfen ist. Es würde über die gewünschte Grenze dieser Unter- suchung hinausgehen, alle Fragen zu berühren, die sich an diesen Umstand knüpfen. So sei es auch vermieden, die Wirbelsäule, so leicht es ist, auf dieselben Prineipien zu prüfen. Es genügt, die Form der grossen Röhrenknochen der unteren Extremität des Men- schen auf ihre statische Bedeutung untersucht und mit den Gesetzen der Statik in Einklang stehend gefunden zu haben. Inwiefern der Verwendung dreiseitiger Querschnittsformen bei der Bildung der Réhrenknochen ein zu Grunde liegendes Motiv bei- zumessen sei, ist bereits in meiner früher angeführten Schrift in Er- wägung gezogen worden. Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. Von Dr. Wilhelm Moldenhauer in Leipzig. Mit Tafel VI—IX und 2 Holzschnitten. I. Historisches. Als im Jahre 1825 Raruke') seine Beobachtungen über die Entstehung von Spaltbildungen in der Halsgegend von Schweinsem- bryonen bekannt machte, wurde diese Entdeckung der Wichtig- keit des Gegenstandes entsprechend von den vorzüglichsten da- maligen Anatomen mit grossem Interesse verfolgt und sehr bald zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Indem Männer wie v. BaEr?, Jon. MÜLLER°®), HuscHKE®) diesen Gegenstand bei verschiedenen Thierklassen einem sorgfältigen Studium unterzo- gen, wurde es sehr schnell und sicher festgestellt, dass diese Spaltbildungen eine ganz constante Erscheinung zu einer gewissen Zeit der embryonalen Entwicklung bei allen zur Wirbelthierreihe ge- hörenden Thierklassen bildeten. Man nannte sie Kiemen-, Visce-: ral-, auch Schlundspalten, da sie in offener Verbindung mit dem Vor- derdarme oder Schlunde standen und erkannte ferner, dass die unteren '!) RATHKE. Isis 1825 pag. 747 u. 1828 pag. 108. ?), De ovi mammalium et hominis genesi. Lips. 1927. MeckEn's Archiv 1827 u. 1828. Entwicklungsgeschichte der Säugethiere. 3) MecKEL’s Archiv. 1830. ) Isis 1826 pag. 613 u. 1827 pag. 401. ~ Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 107 Spaltenpaare nur eine vorübergehende Existenz führten, während das erste Paar wenigstens bei den Säugethieren und Vögeln in nä- here Beziehung zu dem Ohrlabyrinth treten und die Anlage des mitt- leren und äusseren Ohres abgeben sollte. Ueber diesen letzteren Punct haben besonders REıcHerr'!) und GÜNTHER?) Untersuchungen angestellt. die sieh bis in die neueste Zeit als vollgültig bewährt haben und werde ich mich hierauf in dieser historischen Einleitung besonders stützen. Nachdem REICHERT das Auftreten der Kiemenbögen mit den zwischen ihnen gelegenen Spalten bei verschiedenen Wirbelthieren ge- schildert, geht er 1. e. § 5 pag. 149 zur Beschreibung der sich bei Schweinsembryonen an der Aussenseite der Visceralspalten vollzie- henden Metamorphosen über. Er schreibt: »Die Spaiten, welche durch die Visceralbögen gebildet werden, sind anfangs sämmtlich von den durchweg glatten, abgerundeten Rändern der respectiven. Visceralfortsätze begrenzt, keine Spur von Leisten, nichts von Zacken, oder Hügeln ist zu bemerken. Die zweite Visceralspalte ist sodann diejenige, an welcher zuerst ein Verschwinden sichtbar wird. Theils von der Stelle aus, wo die Vis- ceralbögen unten zusammenkommen, wendet sich die Bildungsmasse nach der Wirbelsäule hin und auch wiederum von der letzteren aus legt sich dieselbe so in die Spalte, dass bei einem wenig vorge- schrittenen Embryo nur noch eine längliche Furche als Spur der früheren Spalte bemerkbar ist, welche später sich ganz ausgleicht. Etwas später, aber auf ähnliche Weise verschwindet die dritte Spalte. Die wichtigste Visceralspalte in ihrer Metamorphose ist bei den Säugethieren und Vögeln die erste. Sie wird anfangs von den glat- ten Rändern der sie umgebenden beiden ersten Visceralbögen begrenzt. Bald darauf, nachdem ihr unteres Ende sich mit Bildungsmasse ge- füllt hat, sieht man an den Rändern, welche den übrig gebliebenen Theil der Oeffnung umgeben, aus der glatten Fläche einzelne Erha- benheiten hervortreten. Es entstehen dadurch zwei bemerkbare Ein- buchtungen, welche durch eine mittlere Erhöhung getrennt werden, so dass die Visceralspalte an zwei Stellen etwas breiter, in der ') Ueber die Visceralbögen der Wirbelthiere Jou. MÜLLER’s Archiv f. Anat. u. Phys. 1837. *) Beobachtungen über die Entwicklung des Gehörorgans ete. Leipzig 1542 bei WırH. ENGELMANN. 108 W. Moldenhauer Mitte enger und durch die sich erhebenden Hiigel zusammengedrangt erscheint. Durch Auseinanderziehen der Ränder gelingt es jetzt noch in die Visceralhöhle zu schauen. Diese erweiterten Stellen der ersten Visceralspalte markiren sich allmälig durch die Entwicklung ihrer Ränder deutlicher und zu einer Zeit, wo die anderen Spalten bis auf eine Furche verschwunden sind, kann man beim Entfernen der känder die den Durchgang verklebende Bildungsmasse wahrnehmen und zwar, wie schon RATHKE bemerkt hat, näher der äusseren, als der inneren Oeffnung. Indem sich nun die Ränder immer. mehr er- heben, wird besonders die untere Abtheilung der Spalte vertieft und gestaltet sich zum äusseren Gehörgang um, während die obere, mehr nach der Wirbelsäule zu gelegene mit ihren stark hervorwach- senden Rändern zur Ohrmuschel wird. Das Verhalten der Visceralspalten an ihrer inneren Seite ist in sofern dem der Aussenseite vergleichbar, als auch hier die beiden unteren Spalten sich vollkommen schliessen und nur die erste von Bedeutung für das ausgebildete Individuum bleibt. Das Verwachsen der beiden letzteren geschieht gleichfalls auf die Weise, dass die Bildungsmasse hauptsächlich von den beiden Enden aus gegen die Spalte vordrängt. Die erste Visceralspalte ist auch an ihrer inneren Seite die wichtigste, da sie sich in die Paukenhöhle und Tube verwandelt. Es verlängert sich nämlich die innere Abtheilung der Spalte, welche durch eine Zwischenlagerung von Substanz von der äusseren ge- trennt ist, durch die Entwicklung der umliegenden Bildungsmasse in einen Canal. Derselbe wird von der, zwischen dem zweiten und dritten Visceralbogen entstehenden, dann aber nach vorn gegen den ersten Visceralfortsatz vorwachsenden Labyrinthanlage in der Nähe der verwachsenen Stelle der Spalte eingeengt und die ausser- halb der Einengung des Canals gelegene Partie zur Paukenhöhle umgebildet, während der übrig gebliebene Theil als Tube sich ver- längert. Dieselbe hat gleich anfangs die Richtung von aussen und vorn nach innen und hinten.« Soweit REICHERT, mit dem ein späterer Bearbeiter dieser Materie, GÜNTHER, wohl in der Hauptsache übereinstimmt, doch in einigen Puneten theils abweichender Meinung ist, theils dieselben uns in mehr ausführlicher Schilderung vorführt, weshalb ich auch ihn hier wörtlich eitire. Er schreibt 1. ce. pag. 32: »Durch die angehäufte Bildungsmasse in der Nähe der ersten Kiemenspalte wird deren Rand höher, wulstiger und dieselbe so zu- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 109 sammengedrängt, dass man sie nur noch durch ein gelindes Ausein- anderziehen der Ränder deutlich machen kann. Bald verwächst sie auch selbst und zwar zuerst in der Mitte, so dass statt ihrer zwei kleine Löcher vorhanden sind, von denen das untere, als keiner weiteren Metamorphose unterworfen, bald ganz schwindet. Wichtig ist die übrigbleibende obere Oeffnung, welche nach aussen in die äusseren Theile des Gehörorgans umgewandelt wird, während sie nach innen in die Paukenhöhle und Trompete übergeht. Die übrigbleibende Oeffnung liegt zwischen dem ersten und zweiten Kiemenbogen und betrachten wir die Sache von innen, so befindet sie sich in der unmittelbaren Nähe der Schädelbasis. Der Canal der Qhrtrompete selbst geht in seiner Entwicklung folgenden Gang. Nachdem die erste Kiemenspalte, welche auch nach innen in ein Grübehen verwandelt worden, geschlossen ist, erheben sich die um- gebenden Ränder und zwar der vordere mehr, als der hintere, wäh- rend nach oben und unten eine Ausbreitung der Oeffnung bemerkt wird, die dadurch in eine enge schief liegende Spalte mit abgerun- deten Rändern umgewandelt wird. Zugleich wird die Wand der Kiemenhöhle, später Rachenhöhle, dicker, wodurch in ihr Raum für den von innen und vorn nach aufwärts und rückwärts gehenden Trompetencanal erhalten wird, welcher in der ersten Zeit seiner Bildung die von vy. BAER und RarHkeE als Aussackung der Schlund- schleimhaut beschriebene Form darstellt.« Ferner pag. 37: »Es ist schon erwähnt worden, dass im Anfange die Tube und Pauke sich als eine kleine zusammengedrückte Tasche, in der Viseeralwand des Kopfes gelegen, darstellen und dass letztere weder breiter noch weiter als erstere ist, bald jedoch wird sie breiter ohne weiter zu werden, denn indem sich diese Tasche weiter ausbreitet, bleiben die Wände derselben doch immer noch dicht aneinander liegen. Da aber mit der weiteren Entwicklung des Labyrinthes dieses gegen die Pauke vorragt, so wird diese Tasche ebenfalls hervorgetrieben und gibt bei einem S wöchentlichen Fötus im Querdurchschnitt eine halbmondförmige Gestalt.« In Bezug auf die weitere Entwicklung des Trommelfells äussert sich GÜNTHER pag. 53 folgendermassen : »Während die Paukenhöhle eine taschenförmige Gestalt annimmt, treten mit der weiteren Ent- wicklung der Kopfwirbel der erste und zweite knorplige Visceral- streifen weiter von einander, daher die sich zwischen beiden befin- dende Masse einen grösseren Raum gewinnt und dadurch zur Bildung des Trommelfells geschickter wird, welches dadurch zu Stande ge- 110 W. Moldenhauer bracht wird, dass die Bildungsmasse zwischen dem ersten und zwei- ten Viseeralstreifen also die äussere Wand der Paukenhöhle, nur in der Richtung der Breite, aber nicht der Dieke wächst. « Diesen eben entwickelten Ansichten trat VALENTIN') in einigen Hauptpuncten entgegen. »Wir glauben nämlich,« schreibt er 1. c. pag. 211, »nach unseren Untersuchungen als gewiss annehmen zu müssen, dass die Eustachi- sche Trompete der Rest der inneren Abtheilung der früheren ersten Kiemenspalte ist, dass aber die Paukenhöhle (?) und der äussere Gehörgang sich aus der äusseren Abtheilung bilden, ist zu bezwei- feln. Denn, wenn auch die Spalte zuerst nach hinten etwas weiter ist, so sieht man doch, sobald sie durch eine dünne Haut gesehlos- sen ist, die erste Andeutung der Ohröffnung nieht in einer Linie mit dieser verdünnten Hautstelle, sondern über ihr in der Substanz der hintern Grenze des ersten Kiemenbogens selbst. Auch müsste, wenn die Oeffnung der Spalte selbst zur Ohröffnung würde, diese eine veränderte Richtung annehmen, da sie später in die frühere Spaltlinie sich nieht fortsetzt, sondern dieselbe unter einem schiefen Winkel schneidet.« Weiterhin bemerkt VALENTIN in Bezug auf das Trommelfell: »Die äussere Oeffnung der Paukenhöhle ist um diese Zeit 7 wöchentlicher, menschlicher Fötus) nicht blos durch eine feine Haut- lamelle, sondern auch durch körnige Substanz der Visceralplatten geschlossen. Zog ich nämlich die obere dünne Haut genau hinweg, so war es mir nicht möglich eine Oeffnung zu sehen, oder ein Haar einzubringen. Als ich aber die Stelle mit einem feinen Staarmesser spaltete, sah ich deutlich eine Schicht körnerhaltiger Bildungsmasse über dem äusseren Ende der Paukenhöhle lagern.« Die Varzntin’schen Beobachtungen fanden jedoch Widerspruch und es erhielten sich die Ansichten von REICHERT und GÜNTHER bis in die neueste Zeit, so dass sich auch KÖLLIKER auf dieselben stützt. In der ersten Auflage seiner Entwicklungsgeschichte schreibt er nämlich pag. 321: »Die erste Kiemenspalte schliesst sich beim menschlichen Embryo in der fünften Woche, jedoch nieht in ihrer Totalität, wie die an- deren Spalten, sondern so, dass zu beiden Seiten der Versehluss- stelle, welehe der äusseren Mündung nahe liegt, der Anfang und ') VALENTIN. Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Ber- lin 1535 bei August RUCKER. Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 111 das innere Ende des Canals sich offen erhalten, welche Theile nichts anderes, als die Anlagen des äusseren Gehörganges einerseits und der Tube und Paukenhöhle andererseits sind, während die Ver- schlussstelle das primitive Trommelfell darstellt. Im weiteren Ver- lauf verlängert sich nun der innere Theil der Kiemenspalte und wird an seinem hinteren oder äusseren Ende allmälig weiter.« Dursy') geht auf die Beziehungen der ersten Spalte zum Ge- hörorgane nicht genauer ein, er betont nur, dass der hintere Winkel Ohréffnung wird indem er pag. 105 sagt: »Die erste, oder oberste Schlundspalte ist die längste, sie über- ragt die übrigen sowohl in der Richtung nach vorn, als nach hinten gegen das Schädelrohr. Ihr hinteres Ende wird Ohröffnung, stösst an das Schädelrohr an und unterbricht daher die Bauchplatte in ihrem Verlauf zum Oberkieferfortsatz.« Aus dieser historischen Einleitung, in der die Ansichten der bedeutendsten Forscher über die Entwicklung des äusseren und mittleren Ohres der besseren Beurtheilung wegen wörtlich angeführt worden sind, wird der Leser ersehen, wie ungeheuer mangelhaft unsere Kenntnisse und wie dunkel unsere Vorstellung über den Ent- wieklungsgang dieses Gegenstandes sind. Nur soviel scheint einigermassen sicher constatirt, wenigstens stimmen die meisten Untersucher darin überein, dass die Entwick- lung des schallleitenden Apparates im hinteren Winkel der ersten Kiemenspalte vor sich geht. Dieser Abschnitt der Kiemenspalte soll sich nicht wie der übrige vollständig wieder verschliessen, sondern wie durch eine Scheidewand in zwei Abtheilungen getheilt werden, von denen die kleinere äussere die Anlage des Gehörganges, die grössere innere die des Mittelohres (Tube und Paukenhöhle) abgeben, während die tren- nende Schicht das primitive Trommelfell darstellen soll. Schon hier stossen uns wichtige Fragen auf, die bisher unbeantwortet ge- blieben sind und denen wir doch nothwendigerweise näher treten müssen. Vor allem, wie sollen wir uns die Entstehung des pri- mitiven Trommelfells vorstellen, da das Auftreten einer Scheide- wand innerhalb eines mit Epithel ausgekleideten Canals doch ent- schieden der näheren Erklärung bedarf. Ist die Membran aus einer einfachen Epithelverklebung hervorgegangen? Hat sie schon anfäng- !, Dursy. Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere. 112 W. Moldenhauer lich ihre spätere Zartheit und ihre drei bekannten Schiehten ? Wie ist ihre ursprüngliche Richtung? Alle diese und andere für das richtige Verständniss bedeutungs- volle Fragen sind wnberührt geblieben, so dass es wohl niemand geben wird, der auf Grundlage der bisherigen Beobachtungen auch nur entfernt die ebenso schöne, als sinnreiche Bildungsweise dieser wichtigen Apparate naturgetreu darzulegen vermöchte. Eben so wenig kommen wir beim Verfolgen des weiteren Ent- wicklungsganges dieser primitiven Anlagen über allgemeine Angaben hinaus, da trotz der Sorgfalt der bisherigen Untersucher die dama- ligen unvollkommenen Untersuchungsmethoden ein eingehendes Ver- ständniss nicht erlaubten. Ich werde daher versuchen das Dunkel, in welches bisher die Entwicklungsgeschichte des schallleitenden Apparates gehüllt war, zu lüften und kann dem Leser im voraus versprechen, dass die von mir gewonnenen Resultate ihm eine genügende Aufklärung über den fraglichen Gegenstand geben werden. Die Untersuchungen sind unter Leitung des Herrn Professor RAUBER in Leipzig ausgeführt, dem ich nicht nur die Methode, sondern vielfach auch die richtige Deutung der einzelnen Objecte verdanke. II. Eigene Untersuchungen. Es ist eine in vielen entwicklungsgeschichtlichen Schriften her- vorgehobene Erfahrung, dass man im Verlauf organogenetischer Unter- suchungen dazu gelangt, zurGewinnung eines vollständigen Ueberblicks und einer klaren Anschauung auf weit frühere Embryonalstadien zurück- zugreifen, als man anfänglich für nothwendig gehalten hatte. Auch für meinen Zweck zeigte sich bald diese Nothwendigkeit. Je wei- ter wir aber die Ausbildung eines Organes zurückverfolgen, um desto unbestimmter tritt die Anlage aus ihrer Umgebung hervor, bis zuletzt jede Andeutung einer Sonderung schwindet und allein mehr das geordnete Zellenmaterial vorliegt, in welchem das zu suchende Organ ohne Differenzirung verborgen ist. Wenn auch die relative Zeit der ersten Organdifferenzirung, je nach der morphologischen Dignität der Organe, noch so verschieden ist, so ist es gewiss geboten, wenigstens die genannte unterste Grenze als Ausgangspunet inne zu halten. Glücklicherweise vereinfachen sich die Formverhältnisse, je näher wir diesem Ziele treten, um so Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 113 entschiedener. Nur der Weg durch die verschiedenen Formwandlungen zurück zur einfachsten Grundform ist ein mühsamer und schwierig die Bewältigung der sich überall auf Schritt und Tritt erhebenden Fragen nach dem Zusammenhange des Gesehenen. Im vorliegenden Falle ist der Ausgangspunct, bis zu dem ich zurückgehen musste, verhältnissmässig scharf begrenzt. Die Kiemen- spalten und die zwischen ihnen liegenden Bögen werden vor allem ins Auge zu fassen sein. Von hier aus ist der Entwicklungsprocess bis zu demjenigen Stadium zu verfolgen, welches die Züge der fer- tigen Form des Organes bestimmt und deutlich erkennen lässt. Beim Hühnchen läuft dieser Process innerhalb der Zeit vom dritten bis zwölften Bebrütungstage ab. Der Gegenstand wird sich am leichte- sten überschauen lassen, wenn ich zunächst die Formveränderungen zu- sammenhängend schildere, welche sich an der äusseren und inneren Seite der Kiemengegend während des genannten Zeitraumes abspie- len. Ihnen reihe ich die an der Hand zahlreicher Schnittserien zu beobachtenden Verhältnisse, ohne die ein sicheres Verständniss nicht zu gewinnen sein würde, an. Histologische Angaben über das primitive Trommelfell, über die Verwachsungsverhältnisse der Kie- menbögen schliessen sich an. Nach einer Zusammenfassung des wesentlichen Entwicklungsganges stelle ich alsdann dem gewonne- nen die stammesgeschichtliche Entwicklung, also die vergleichende Anatomie der Kiemengegend in kurzem Abriss gegenüber und schliesse mit einem Blick auf die bisher beobachteten Missbildungen. Ich benutzte zunächst und am meisten Hühnerembryonen, weil sie in unbeschränkter Zahl zu Gebote stehen, doch blieben zur Ver- gleichung auch Säugethiere nicht unberücksichtigt. Da sich nun der Rachen bei den Vögeln von dem der Säuge- thiere in manchen Puncten unterscheidet, so will ich vorerst mit einigen Worten auf die Anatomie desselben eingehen. Vor allen Dingen fehlt den Vögeln ein Nasenrachenraum, in den, wie bei den Säugethieren, die beiden Tuben einmünden, sondern der Boden der Nasenhöhle geht, wie an der umstehenden Figur deut- lich zu erkennen ist, ohne scharfe Grenzen nach hinten in die Schlundwand über. Durch eine in der Medianlinie befindliche grosse Spalte (a 4) des Gaumens eommunieirt die Nasenhöhle mit der Mund- höhle. Weiter nach rückwärts ebenfalls in der Medianlinie befindet sich eine zweite, kleinere Spalte (c) von ansehnlicher Tiefe, deren Wan- dungen von Weichtheilen umgeben werden. Diese letztere Spalte endet nach vorn blind, nach hinten setzt sie sich in einen kleinen von fibrö- Morpholog. Jahrbuch. 3. 5 114 W. Moldenhauer sem Gewebe umschlossenen Canal fort, der an der Schädelbasis hin verlaufend bald an einen von einer dünnen Knochenkapsel umge- benen Raum gelangt. Vor ihm theilt sich Fig. 1. die bisher einfache Röhre in zwei Hälften und verläuft jederseits nach aussen und hinten an der Decke der erwähnten Kno- chenkapsel, von dieser nur durch eine dünne Knochenlamelle getrennt, bis sie am Boden der Paukenhöhle ausmündet. Wir erkennen in diesen Canälen unschwer die Tuben, welche, so lange sie vom Knochen begrenzt sind, getrennt verlaufen, dann sich in der Mittellinie zu einer fibrösen Röhre vereinigen und am Boden der hin- teren Spalte ausmündend die Form eines Y haben. Diese kurze Darstellung ist zum Ver- ständniss der Präparate nothwendig, auf al aie Lise weitere Einzelheiten gehe ich nicht ein, son- c Tubenspalte. dern wende mich zur Schilderung der an- gewandten Untersuchungsmethoden. Die Jüngeren Embryonen wurden, nachdem die Keimhaut um- schnitten und sie sorgfältig vom anhängenden Eiweiss befreit waren, nach der von Remak angegebenen Methode mittelst einer Glasplatte abgehoben und direct unter das Mikroskop gebracht. Sollten sie zum Schneiden verwandt werden, so wurden sie mit einer 1/,%, Chromsäurelösung zuerst für einige Zeit beträufelt, um keine kiinst- lichen Krümmungen zu erhalten, je nach der Grösse S—12 Stunden in derselben Lösung aufbewahrt, darauf in Wasser abgespült und zu weiterer Härtung in starken Alkohol gelegt. Auch die makro- skopischen Verhältnisse lassen sich vielfach an gehärteten Objeeten weit besser überschauen, weil die frischen Embryonen zu durch- scheinend sind, um bestimmte Grenzen, Hügel, Vertiefungen sicher wahrnehmen zu können. Vor dem Schneiden wurden die Embryo- nen in toto zumeist mittelst Picrocarmin gefärbt, dann in Paraffin "eingebettet, durch das Mikrotom in Serien zerlegt. Grössere Embryonen kamen längere Zeit, bis 24 Stunden, in Chromsäure zu liegen und wurden dann ebenfalls in Alkohol auf- bewahrt. Vor künstlicher Geradstreckung der hier stark ausgesproche- nen Leibeskrümmungen kann für den vorliegenden Zweck nicht genug Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 115 gewarnt werden, indem hierdurch vollständig verzerrte Verhältnisse hervorgerufen werden können. Als Einbettungsmaterial bediente ich mich hier der Seife, auch konnten ältere Hühnchen, etwa vom sechsten Tage an nicht mehr auf wünschenswerthe Weise in toto gefärbt werden, sondern die Schnitte mussten zweckmässiger einzeln dem Färbemittel ausgesetzt werden, um auch hier die feineren histologischen Einzelheiten deut- lich hervortreten zu lassen. Auch in diesen Fällen benutzte ich theils Pierocarmin, theils essigsaures Carmin, nebenher auch Häma- toxylin. Die gefärbten und sorgfältig in Wasser abgespülten Schnitte wurden dann wieder in Alkohol entwässert, in Oel aufgehellt und in Canadabalsam aufbewahrt. Vorzugsweise war es geboten zum Studium der Schlundgegend mittelst des Mikrotoms Serien von Quer- schnitten aus den verschiedensten Entwicklungsphasen anzufertigen. daneben mussten auch Frontalschnitte benutzt werden. Ausserdem wurden die Veränderungen der Kiemenspalten, so- wohl an der äusseren, als auch an der durch einen Medianschnitt freigelegten innern Seite mittelst der Lupe studirt. Auf diese Weise konnte ich mir eine weit genauere Vorstellung von den Beziehungen des Vorderdarms und der Kiemenspalten zur Entwieklung des Trommelfells und des Mittelohres erwerben, als die früheren Beobachter, welche mehr oder weniger auf die makrosko- pische und mikroskopische Flächenbetrachtung angewiesen. in man- chen Puncten mehr combinirten, als wirklich beobachteten. A. Formveränderungen an der Aussenfläche der Kiemengegend. Die Ausbildung der Kiemenspalten in der seitlichen Kopf- und Halsgegend, so überraschend schnell sie vor sich geht, erfolgt doch weder unvorbereitet noch für alle Spalten, deren wir beim Hühnchen vier zählen, zu gleicher Zeit. So leicht es ist wahrzunehmen, dass die hinterste vierte Spalte später erscheint, als die drei vorderen, so häufig man auch dazu gelangt alle ausgebildeten Kiemenspalten zugleich zu übersehen, so bedarf es doch fast eines glücklichen Zu- falles, oder der Beobachtung vieler Embryonen, bis man dazu ge- führt wird, die Reihenfolge des Auftretens der vorderen Kiemen- spalten wirklich zu sehen. Ich besitze einen solchen Fall und un- terlasse nicht bei dem Interesse, welches das merkwürdige Schauspiel der Kiemenbildung seit seiner Entdeckung auf jeden Beschauer aus- S* - 116 W. Moldenhauer © zuüben vermochte, denselben einer näheren Betrachtung zu unter- werfen. 30 i Die spiralige Drehung des embryonalen Körpers um seine Län- genaxe ist soweit ausgebildet, dass die linke Seite des Kopfes und Halses dem Dotter zugekehrt ist, während sich die rechte Seite dem Beobachter zuwendet. Auch diejenige Krümmung der vorderen Lei- beshälfte, welche um eine im Herzen gelegene Queraxe geschieht, ist deutlich ausgesprochen, ja ihrem Höhepunct nahe. Blos die erste Kiemenspalte ist vorhanden, der erste Kiemenbogen hat hierdurch seine untere Grenze erhalten, zeigt seinen Ober- und Unterkiefer- fortsatz. Die Wurzel dieses Kiemenbogens ist breit und durch eine seichte Furche in zwei Abtheilungen gebracht. Die erste Kiemen- spalte bildet jedoch keine gerade Linie, sondern nimmt einen leicht geknickten, oder bogenförmigen Verlauf. Sie erreicht mit ihrem hinteren Ende die Rinne, welche die Bauchplatte von der Rücken- platte scheidet. Die zweite Kiemenspalte ist noch nicht vorhanden, doch sieht man deutlich als ihren Vorläufer eine seichte, in leichtem Bogen nach aufwärts convexe Furche quer die Seitenwand durch- ziehen. Der hintere Anfang der Furche liegt dem Labyrinthbläschen, das noch nicht völlig geschlossen ist, sondern einen querovalen Zu- gang besitzt, gerade gegenüber. Auch die beiden unteren Kiemen- spalten sind schon jetzt als leichte vorwärts convergirende Impres- sionen angedeutet, wie die Untersuchung bei schief auffallendem Lichte auf das deutlichste ergibt. I. Embryo vom Ende des zweiten Tages Tafel VI Fig. 1. Auch am zweiten Kiemenbogen ist der Wurzeltheil der diekere, während die Mitte eine leichte Einschnürung zeigt. Ebenso ist hier der Wurzeltheil durch eine flache Furche in zwei Abtheilungen äus- serlich gegliedert. Es ergibt sich demnach, dass denjenigen Ausbuchtungen des inneren Keimblattes (Endoderm) , welchem, wie REMAK gezeigt hat, die Bildung der Kiemenspalten vorzugsweise obliegt, äussere Ein- buchtungen, die freilich viel niedriger sind, entsprechen. 2. Embryo von vier Tagen. ae VafelyNI Wigs 2. Ich übergehe es, das Verhalten der Kiemengegend in demjenigen Stadium zu schildern, in welchem wenigstens die drei ersten Spalten in völliger Ausbildung vorliegen. In unserem Falle zeigt die erste Spalte sich zum grössten Theil bereits geschlossen, bis auf einen Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 117 hinteren Abschnitt, der etwa in seiner Länge dem dritten Theil der Spalte entspricht. Der geschlossene Abschnitt der ersten Spalte zerfällt deutlich in zwei Theile, die durch eine leichte Knickung auseinander gehalten sind. Die Richtung der Spalte ist indessen auch in dem geschlos- senen Abschnitt durch das Vorhandensein einer Furche erkennbar, welche der Verwachsungslinie der beiden Kiemenbögen entspricht. Am oberflächlichsten ist diese Furche in ihrer hinteren Hälfte, welche in Bezug auf die ganze Länge der Spalte als deren mittleres Drit- tel erscheint. Dieses mittlere Drittel ist es zugleich, an welchem die Verwachsung am frühesten eintritt. Sie bezeiehnet auch dieje- nige Kiemengegend, auf welche schon jetzt wegen ihrer späteren Beziehungen zur Anlage des äusseren Gehörganges die besondere Aufmerksamkeit zu lenken ist. Im Zusammenhange mit der stärkeren Ausprägung der Krüm- mung um die Queraxe, so wie andererseits mit dem stärkeren Brei- tenwachsthum des zweiten Kiemenbogens selbst, beginnt der letztere mit seinem unteren Rande sich über den dritten Kiemenbogen hinab- zuschieben, wodurch die zweite Spalte äusserlich unseren Blicken mehr und mehr entzogen wird. Dritte und vierte Kiemenspalte sind noch offen. Die Breite des Wurzeltheils des ersten und zweiten Kiemenbogens beträgt je a Mm., während der erste Bogen mit sei- nen beiden Fortsätzen in der Richtung nach vorn ungefähr dieselbe Breite beibehält, verschmächtigt sich der zweite mehr und mehr \ 9—10 a: ts ENT Ae : bis auf —, Mm. Seine Länge beträgt ;, (in der Seitenansicht gemessen), wovon 3, auf die noch offene Stelle kommen, während von dieser bis zum Beginn der Einknickung der Kiemenfurche wir E Mm. haben. Die Mitte des Labyrinthhügels liegt der Wurzelinitte des zweiten Bogens jetzt gerade gegenüber. 10 3. Embryo vom sechsten Tage —. Taf. VI Fig. 3. Die Dimensionen der Bögen, wiederum am projieirten Bilde mikrometrisch gemessen , sind nunmehr die folgenden geworden. Vom hintersten Ende der ersten Kiemenspalte bis zum vordern Rande 31 des zweiten Bogens misst derselbe 5 Mm., vom Beginn der Bauch- platten gerechnet etwa = Seine grösste Breite, senkrecht auf die 118 W.* Moldenhauer 19 P N 3)? an seiner mittleren, schmalsten Stelle N Länge gemessen, beträgt 15 Er Mm. Die dem äusseren Anschein nach noch offene, in Wirklichkeit, wie später bei Beschreibung der Schnitte gezeigt werden wird, in der Tiefe schon verlöthete, hinterste Abtheilung der ersten Kiemenspalte 5 ist noch =, Mm. lang, während die Gesammtlänge der zur Kiemen- : 238 3 furche gewordenen Kiemenspalte 3) Mm. beträgt. Abgesehen von dieser beträchtlichen Zunahme: an Breite und Länge machen sich noch andere höchst merkwürdige Erscheinungen bemerklich. Ein Blick auf die beigegebene Abbildung, an welcher, wie auch an den übrigen Flächenbildern die Schatten mit Anwen- dung des Prisma genau nachgezeichnet sind, lässt an der Aussen- fläche des ersten und zweiten Bogens deutlich zwei Hügelpaare er- kennen, welche bei weitem den grösseren Theil der ersten Kiemen- \ 19—20 diet ik furche (- a Mm.) zwischen sich fassen, so dass nur die vorderen Enden beider Bögen von der genannten Umschliessung frei bleiben. Was die beiden oberen Hügel betrifft, so gehört der hintere der Wurzel des ersten Bogens an. der vordere dagegen dem hinteren Theil des Unterkieferfortsatzes. Die beiden unteren Hügel, die als eine einzige zusammenhängende Hervorragung schon im vorher- beschriebenen Stadium sichtbar sind, nehmen ungefähr die Hälfte der Breite des zweiten Bogens ein. Die bedeutende Fläche, welche beide Hügelpaare begrenzen, kann man zum Unterschiede von der übrigen Aussenfläche der beiden Bögen, die pars aurieularis nen- nen, denn sie steht, wie sich bald genauer ergeben wird, zur Bil- dung des äusseren Gehörganges in nächster Beziehung. Die Hügel selbst sollen im weiteren Verlauf dieser Untersuchung die colliculi branchiales externi heissen. An jedem Bogen haben wir demnach einen collieulus anterior und posterior zu unterscheiden. Die erste Kiemenfurche hat einhergehend mit der Bildung der Hügel einen viel bestimmteren Verlauf erhalten, dessen erste Andeutung im vorhergehenden Stadium in gering ausgeprägter Weise hervor- trat. Sie zeigt nämlich nunmehr eine deutlich mehrmals gebrochene Linie, oder ziekzackförmige Knickung. Das wichtigste Glied dieser zickzackformigen Figur ist von hinten gerechnet das zweite, d. h. das- jenige, welches in der Diagonale des hinteren oberen und vorderen unteren Hügels liegt. Der Beginn dieses zweiten Gliedes stösst auf Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 119 die Einsattelung der beiden oberen Hügel, oder mit anderen Worten, der hintere untere Hügel füllt den nach unten offenen Winkel der ersten Kniekung aus. Bei auffallendem Lichte tritt die genannte Diagonale als ein tieferer Schatten hervor, ohne dass jedoch etwa ein Durchbruch, oder auch nur eine tief greifende Spalte gegen die Vorderdarmhöhle vorhanden wäre. Vielmehr ist der Schatten ein- fach eine Folge der Hervorragung aller Hügel, während der Boden selbst völlig geschlossen ist. Eine besondere Bemerkung verdient der Umstand, dass das zwischen den Hügeln gelegene diagonale Thal gerade demjenigen Theil der Kiemenfurche des vorigen Sta- diums entspricht, welcher sich am frühesten geschlossen hatte. Es drängt sich nun hier die Frage auf, wie aus der vorhergehenden die jetzige Bildung geworden sei. Es liegt nahe, wenn man Erhebun- gen in Verbindung mit Knickungen vor sich sieht, die Ursache in einem Längenwachsthum der Kiemenbögen zu suchen, welches nach vorn einen Widerstand erfährt und deshalb in der genannten Form sich zu äussern gezwungen ist. Ein soleher Widerstand ist leicht nach- weisbar, da der Stirntheil des Kopfes dem Herzen bis zur Berüh- rung nahe gerückt und der ganze Bogencomplex wie ein Keil mit vorderer Spitze in den schmalen Zwischenraum hineingedriingt wird. Vorn muss demnach das Längenwachsthum der Kiemenbögen in der That einen Widerstand erfahren, der sich besonders nach rückwärts und in den Seitentheilen äussern wird. So sehen wir auch am zweiten Kiemenbogen ein sehr starkes seitliches Wachsthum, welches zur Bildung des Kiemendeckelfortsatzes führt, der schon in diesem Sta- dium, wie die Figur 3 zeigt eine beträchtliche Grösse besitzt und mit seinem unteren Rande die Fläche der beiden letzten Bögen zum grössten Theil überragt. Hierbei ist eine andere Bemerkung am Platze. Dadurch nämlich, dass der dritte Bogen vom zweiten um- fasst wird, erfährt das Lumen des Vorderdarms eine seitliche Com- pression und zugleich den ersten Anstoss zur unteren Abgrenzung des Schlundkopfes. Das beschriebene Bild der Hügelbildung und der Kniekung der Kiemenfurche ist das am häufigsten zu beobachtende, kleine Abwei- chungen in diesem Vorgange werden passend späterhin bei Betrach- tung der Missbildungen ihren Platz finden. 4. Embryo vom 7. Tage (Taf. VI Fig. 4). Mit Erreichung des vorigen Stadiums ist, was die äusseren Ver- hältnisse betrifft, der wesentlichste Schritt zur Organbildung gesche - hen. Die folgenden Veränderungen betreffen die weitere Umbildung 120 W. Moldenhauer des bereits gegebenen. Wie Fig. 4 zeigt, treten sämmtliche Hügel nicht nur noch deutlich hervor, sondern die beiden vordern Hügel- paare haben sich noch stärker erhoben, in folge dessen die Diagonal- furche entsprechend vertieft erscheint. Die Einsattelungen, welche zwischen beiden oberen und beiden unteren Hügeln im vorigen Stadium scharf hervortreten, haben begon- nen sich auszugleichen. Während der hintere obere Hügel indessen noch deutlich zu Tage tritt, beginnt der hintere untere sich mehr und mehr abzuflachen und in den Bereich der Diagonalfurche zu gelangen. So macht sich schon jetzt ein hinterer Zugang zur Dia- gonalfurche bemerklich, welcher eben auf Kosten der Abflachung des hinteren unteren Hügels sich herausbildet. Der eigentliche Kiefer- theil des ersten Bogens hat während dessen an Ausdehnung beträcht- lich zugenommen, desgleichen der Halstheil des zweiten Bogens. Beide Abschnitte sind von dem vordern Hügelpaar durch eine in der Regel scharf hervortretende Einkerbung geschieden. Der hinterste Theil der ersten Kiemenspalte ist als Furche zwischen beiden hinteren Hügeln noch vollkommen deutlich, mit seiner Convexität, wie früher, nach abwärts gerichtet. Auch der vordere Abschnitt der früheren ersten Kiemenspalte lässt sich mit völliger Sicherheit als eine das vordere Hügelpaar quer durchlaufende Nahtfurche erkennen. Die Figuren 5, 6, 7, welche Hühnchen vom achten, neunten und zwölften Tage darstellen, zeigen die weitere Entwicklung der Hügel sowohl, als auch der von ihnen umfassten Partie der früheren ersten Kiemenspalte. Ein Blick auf Fig. 5 zeigt vor allem den Fortschritt des Längenwachsthums und der Erhebung des vordern Hügelpaares. Der hintere obere Hügel ist noch deutlich sichtbar, in Folge dessen auch der Verlauf des hinteren Abschnittes der ersten Kiemenfurche, da sie den Fuss des Hügels abwärts umsäumt. Die Abflachung des hinteren unteren Hügels hat noch zugenommen, die Nahtspur zwi- schen dem vorderen Hügelpaar ist noch immer zu bemerken. Auf- fallend ist das mächtige Wachsthum des Kiefertheiles des ersten Bogens, so dass nunmehr der Ohrtheil, welcher früher der Aussen- fläche der Bögen das Hauptgepräge gab, jetzt nur als ein hinterer Anhang derselben erscheint. Vom weiteren Verlauf der Entwicklung (Fig. 6 u. 7) ist nur noch hervorzuheben , dass das vordere Hügelpaar sich nach hin- ten zu verlängern fortfährt, doch ist der hintere obere Hügel noch immer vorhanden, indem sein hinterer Theil die Lücke ausfüllt, die zwischen den hinteren Enden der beiden vorderen Hügel gele- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 121 gen ist, während seine vordere Hälfte in die Bildung des äusseren Gehörganges aufgeht. Von der früheren Kiemenfurche ist als sol- cher nichts mehr wahrzunehmen, wiewohl ihr Verlauf auch jetzt noch kenntlich ist, einmal an der abgerundeten Spitze des Winkels, in dem die beiden vorderen Hügel ztsammenstossen, alsdann an der Lage des hinteren oberen Hügels. Mit Rücksicht auf das äussere Ohr der Säugethiere glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich die ineisura intertragiea für das Ho- mologon der genannten abgerundeten Winkelspitze anspreche. Der tragus würde dann dem ersten, der antitragus dem zweiten Bogen zu- zutheilen sein. Zur Bildung einer Ohrmuschel kommt es beim Hühn- chen bekanntlich nicht, doch besitzt der äussere Gehörgang des erwachsenen Huhns eine ansehnliche Tiefe und ist seine äussere Mündung gegen die Seitenwand des Kopfes allseitig scharf abge- grenzt. Auf unserer Figur 7 und selbst 6 ist das Trommelfell ( ¢) theils durch eine dunklere Färbung (wohl wegen der Nachbarschaft des mit Serum gefüllten cavum tympani) ausgezeichnet, theils tritt es als solehes durch die veränderte Neigung zur hinteren Gehör- gangswand, als deren unmittelbare Fortsetzung es bisher erschienen war, stärker hervor. Dies Verhältniss wird jedoch erst bei Beschrei- bung der Schnitte deutlicher, so dass wir jetzt dasselbe nicht näher berücksichtigen. Hiermit ist die Reihenfolge der Zustände, welche an der äusse- ren Oberfläche der Kiemenbögen zur Entwicklung des äusseren Ohres führen, so weit beschrieben, als es nöthig ist, um in der weiteren Ausbildung zum Erwachsenen keine Schwierigkeiten zu erblicken und um andererseits eine spätere Bezugnahme zu gestatten. Ich wende mich deshalb zur Schilderung der an der Innenfläche der Kiemenbögen ablaufenden Veränderungen. B. Formveränderungen an der Innenfläche der Kiemenbögen. Embryonen von 4 Tagen, gehärtet und durch einen Sagittal- schnitt halbirt, gestatten die Untersuchung der Innenfläche der Kie- menbögen bei auffallendem Lichte schon ganz vortrefflich aus dem Grunde, weil der sagittale Durchmesser des Vorderdarmraumes zu dieser Zeit genügend gross zu sein pflegt. Diese Untersuchungs- weise orientirt über die Gesammtheit der bezüglichen topographischen Verhältnisse auf eine sehr bequeme und zugleich auf keinem anderen 122 W. Moldenhauer Weg ersetzbare Weise. Sie gibt insbesondere auch den besten Fin- gerzeig, auf welche Puncte die Untersuchung an Schnittreihen ihr besonderes Augenmerk zu richten hat. Sollte übrigens in einem Falle die Vorderwand des Vorderdarms der Hinterwand näher als wünschenswerth liegen, so ist man leicht im Stande mit Nadeln beide Wände auseinander zu ziehen und sich auf diese Weise den Zugang zu den Seitentheilen der Vorderdarmhöhle zu vergrössern. Dabei erscheint es von grossem Nutzen die Beobachtungen unter Spiritus vorzunehmen, da hierdurch jeder störende Lichtreflex ver- mieden wird, während die Beleuchtung selbst keine Behinderung erfährt. Ein auf diese Weise behandelter viertägiger Hühnerembryo, welchen ich vor mir habe (Taf. VII Fig. 8), zeigt sämmtliche Kie- menspalten. Für unseren Gegenstand am wichtigsten ist die Be- schaffenheit der Innenfläche des ersten Bogens. Man erkennt von letzerem den Wurzeltheil, ausserdem den Oberkieferfortsatz , die Schnittfläche des Unterkieferfortsatzes und beim Auseinanderziehen die Hinterfläche des Unterkieferfortsatzes. Was ganz besonders auf- fällt ist ein länglicher Hügel, welcher mit schwacher Wölbung an der Innenfläche des Oberkieferfortsatzes nahe seinem Ursprung sich erhebend, senkrecht gegen die erste Kiemenspalte herabsteigt und beim Herabsteigen an Höhe gewinnt, um schliesslich abgerundet in den unteren Rand des ersten Bogens auszulaufen. Mit seinem obe- ren abgeflachten Ende erreicht er die Nähe des Einganges in die RATHKE’sche Tasche. Dieser Hügel, offenbar das Homologon von Dursy’s bei den Säugethieren beschriebenen Ganmenplatte, welchen ich im Folgenden colliculus palato-pharyngeus nennen werde, ist jederseits gegen den übrigen Bogentheil durch eine in verschiedenem Sinne sich zuschärfende Rinne abgegrenzt. Beide Rinnen laufen, wie die Abbildung deutlich zeigt, nach abwärts in die erste Kiemen- spalte aus, verhalten sich dagegen nach aufwärts verschieden. Die der primitiven Wirbelsäule zunächst liegende , hintere Rinne wird aufwärts allmälig seichter und verliert sich dann nach und nach ganz, die vordere dagegen mündet nach aussen in den Winkel zwi- schen Ober- und Unterkieferfortsatz. Letztere Rinne ist im Folgen- den sulcus lingualis genannt, denn sie begrenzt späterhin jederseits die Seitenwand der Zunge, erstere dagegen nenne ich suleus tubo- tympanieus, denn sie ist, wie gleich jetzt hervorzuheben, die erste Anlage der tuba Eustachii und des cavum tympani. Ueber die Zeit des ersten Auftretens des colliculus palato-pharyngeus werden am Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 123 besten die Querschnitte Aufschluss geben, und wird hierauf, sowie auf die Ursache seiner Entstehung späterhin Rücksicht genommen. Hierbei sei nur soviel bemerkt, dass seine Ausbildung zusammen- hängt mit der Umbeugung des embryonalen Vorderkörpers um die im Herzen gelegene Queraxe. So lange nämlich der Embryo noch gerade gestreckt ist, fehlt wenigstens, wie sich zeigen wird, jener Hügel vollständig. Fig. 9 zeigt die Innenfläche des halbirten Kopfes eines Tauben- embryo von etwa 10 Tagen und ist dazu bestimmt, die weitere Ent- wieklung des colliculus palato-pharyngeus zur Anschauung zu bringen. Abgesehen von seiner Grössenzunahme, in Folge deren er mit seiner unteren Hälfte beträchtlich über die Ebene der seitlichen Vorder- darmwand hervorragt, theilt er sich nach vorwärts in zwei Schenkel, von denen der hintere ziemlich in senkrechter Richtung aufsteigt, während der vordere parallel dem unteren Rande des Oberkiefers nach vorn sich erstreckt. Letzterer Schenkel, das erus inferius, ist die erste Andeutung des Gaumengewölbes, so dass jetzt schon die Theilung des gemeinsamen Nasenmundhöhlenraumes, in einen oberen Nasenraum und unteren Mundhöhle eingeleitet wird, obgleich be- kanntlich bei den Vögeln eine vollständige Gaumenbildung nicht er- folgt. Die hinteren Schenkel beider Seiten verwachsen späterhin mit ihren oberen Enden, desgleichen die medialen Flächen des Wurzeltheiles beider Hügel. Auf diese Weise kommt es zur Aus- bildung eines gemeinsamen Raumes, der nach abwärts sich spalt- förmig öffnet. Da aber hinter dem aufsteigenden Schenkel jeder- seits die pharyngeale Tubenmündung (?) liegt, so laufen beide Tubenmündungen in jene gemeinsame Lacune aus, wie dies beim erwachsenen Huhn früher beschrieben ist. Ueber das Vorrücken der pharyngealen Tubenmündung vergleiche man A. KUNKEL in Hasse’s anatomischen Studien Bd. I. Die nähere Ausbildung der berührten Tube selbst kann nur an Schnitten hinreichend erkannt werden und unterlasse ich es daher an dieser Stelle weiter darüber zu sprechen. Die Verschiedenheit des collieulus palato-pharyngeus von der entsprechenden Bildung bei den Säugethieren glaube ich um so weniger betonen zu müssen, als ich die Entwicklung der Tube bei den Säugethieren an anderer Stelle näher zu verfolgen beabsichtige. Nachdem wir nun sowohl die Veränderungen, welche an der äusseren, als auch die, welche an der innern Seite der Kiemenbögen ablaufen, ausführlich betrachtet haben, wenden wir uns zur näheren 124 W. Moldenhauer Beschreibung des von den Kiemenbögen umfassten oberen Abschnittes des Vorderdarmes. Um aber eine genaue Vorstellung von der Gestaltung des Vor- derdarms in der Schlundgegend zu erhalten, so wie seine Beziehungen zu den Kiemenspalten und später zur Anlage des Mittelohres kennen zu lernen, wurden sowohl Serien von Querschnitten, als von Fron- talschnitten aus verschiedenen Stadien angefertigt, die einzelnen Sehnittreihen der besseren Uebersicht wegen mit dem Prisma ge- zeichnet und so zu einem anschaulichen Bilde zusammengefügt. C. Verhalten des Vorderdarms auf Querschnitten. Es schien mir zweckmissig auf ein möglichst frühes Stadium zurückzugreifen, einmal weil wir uns bei der Einfachheit der Ver- hältnisse das Verständniss der späteren Entwicklungsstufen erleich- tern, dann um bei noch geschlossenen Kiemen die Beziehungen des Vorderdarms zu dem Durchbruch der Spalten kennen zu lernen. Ich zerlegte daher einen 2 Tage alten Embryo von seinem Kopfende bis zur vorderen Darmpforte in eine Schnittreihe, welche in beistehendem Holzschnitte dargestellt ist. In den Abbildungen sind blos die Contouren des Vorderdarms wiedergegeben , bei Fig. 12 lässt sich auch das Verhältniss der Vorderdarmwand zum Eetoderm erkennen. Auch verweise ich zum bessern Verständ- niss auf Taf. IX Fig. 35, die uns ein stark vergrössertes Bild des Vorderdarms aus dieser Zeit gibt. Die wirklichen Distanzen zwi- schen den einzelnen Schnitten betragen = Mm. und da die Zeich- nungen 52fach vergrösserte Bilder geben, folgen sie in Zwischen- räumen von > Mm. aufeinander. Hierbei sei zugleich bemerkt, dass es bei der Krümmung des embryonalen Kopfendes trotz der grössten Sorgfalt unmöglich war die Schnitte so zu legen, dass beide Seitentheile immer in gleicher Höhe getroffen wurden. Diese Differenz lässt sich jedoch leicht ausgleichen und wirkt daher nicht störend. Man sieht, dass der Vorderdarm nach oben in eine kurze Spitze der späteren RATHKE'schen Tasche) ausläuft, welche Partie jedoch als der eigentlichen Schlundgegend nicht angehörig kein weiteres Interesse für uns hat. Unmittelbar hinter der Spitze jedoch beginnt der Darm sich in seinem Lumen bedeutend zu erweitern und wir begegnen auf Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 125 dem Quersehnitte von hinten il nach vorn schreitend folgen- = Ss den wichtigen Gebilden. Zu- TE? Tr Im — erst macht sieh der grosse a? Ada längsovale von der hinteren me en Peripherie bis über die Mitte a 7 zz , 7 der _Embryonalanlage, _rei- Ben N vith chende Durchschnitt des Me- ee) 7) dullarrohres bemerklich, un- 55 an Ne Be mittelbar vor seiner Mitte die ee) 2 by Chorda und von ihr dureh /- -~__—~___. eine dünne Schicht des mitt- er CE. leren Keimblattes getrennt im 8 in Ve. vordersten Abschnitte des Em- bryo erscheint das von hin- nt we ten nach vorn plattgedrückte ar Oval des Vorderdarmkörpers. Dieser zeigt nun in den zunächst nach abwärts fol- senden Schnitten eine brei- tere und zugleich halbmond- förmige Gestalt. besteht aus einer mittleren, stärker klaf- fenden Partie und zwei seit- lichen, von vorn nach hinten comprimirten, mit abgerunde- ten Spitzen versehenen Fort- siitzen, die sich Ve N sanft nach hinten 1 ( kriimmen. | f Die hintere Ne ar Wand des Dar- mes verläuft als leichte Wellen- AisilN linie mit nach 34 \ vorn schwach \ convexer Krüm- mung und ist aus einem fei- nen, einschich- 126 W. Moldenhauer tigen Plattenepithel gebildet, während die vordere Darmwand bedeutend stärker convex gebogen ist und ihren. Verlauf durch ein höheres kubisches Epithel bezeichnet, welches über die Umbie- gungsstelle nach hinten sich fortsetzt und sieh verflachend in das Epithel der hinteren Wand übergeht. Vergl. Taf. IX Fig. 35. Bei der vorhandenen, längsovalen Durchschnittsfigur des embryo- nalen Körpers und der geschilderten Krümmung des Darmes kommt es, dass seine seitlichen Enden fast parallel mit dem Ectoderm, mit schwacher Convergenz nach hinten, verlaufen. Dabei bleibt zwischen ihnen und dem äusseren Keimblatt trotzdem eine dicke Schicht des Mesoderm. Die Mundbucht ist in diesem Stadium schon deutlich markirt, sie beginnt im oberen Abschnitte des Darmes flach , vertieft sich nach abwärts, indem die Kieferleisten an Höhe gewinnen, so dass "zuletzt die Epithelflächen des Ecto- und Endoderm sich berühren. Dieses geschilderte Verhalten der embryonalen Querschnitts- figur bleibt zunächst, wie man an den Abbildungen sieht, ungefähr dasselbe, weiter abwärts jedoch treten bemerkenswerthe Veränderun- gen auf. An der Stelle nämlich, wo sich zuerst die Labyrintheinstülpung als grubenförmge Vertiefung an der Seite des Embryo bemerkbar macht, sehen wir zugleich, dass der Darm, welcher sich bisher mit seinen seitlichen Fortsätzen stets in angemessener Entfernung vom Eetoderm hielt, sich diesem so genähert hat, dass sein Epithel an den Spitzen mit dem des äusseren Keimblattes etwa in der Mitte der embryonalen Peripherie in breite Berührung tritt. An dieser Stelle, müssen wir vermuthen, wird es also zunächst zum Durehbruch und demnach zur Bildung einer Kiemenspalte kommen. Dabei ist jedoch bemerkenswerth , dass sich an Querschnitten kaum entscheiden lassen wird, ob sich das äussere Blatt, wie REMAK an- nahm, an der Spaltbildung durch eine entgegenkommende Einstülpung betheiligt, oder ganz passiv verhält. An Flächenbildern habe ich, wie oben erwähnt, im Bereich der zweiten, dritten und vierten Spalte ganz bestimmt leichte radienförmige Vertiefungen des Ectoderm vor dem Durchbruch wahrgenommen. Dieser eigenthümlichen Annäherung des Darmes an das äus- sere Keimblatt begegnen wir in der ganzen Serie nur einmal; es geht daraus also hervor, dass sich die Spalten nicht gleich- zeitig bilden, sondern dass die Gegend der ersten Spalte zu- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 127 nächst zum Durehbruch vorbereitet wird, denn wir befinden uns am Ende der Mundbucht, also am unteren Rande des ersten Kiemen- bogens. Die seitliche Berührungsstelle des Endoderms mit dem Eeto- derm hat von oben nach unten nur eine geringe Ausdehnung, so dass sie sich nur über 2 Schnitte 4 ;, Mm. erstreckt , denn weiter abwärts sehen wir die Enden des Darms wieder wie früher, weit vom äusseren Blatte zurückgezogen. Die Mundbucht ist, sobald wir mit dem Schnitt das Labyrinth streifen, verschwunden, an ihrer Stelle treffen wir jetzt auf die Herzanlage. Die Gestalt des Darmes selbst zeigt zunächst keine wesentlichen Abweichungen von der früheren Form, nur erscheinen die Enden etwas stärker nach rückwärts gekrümmt. Weiter abwärts jedoch, vom siebzehnten Schnitte an, verliert er sehr bald seine dorsale Krümmung. Die hintere Wand erhält da- durch einen gerade gestreckten Verlauf, die Enden erscheinen mehr abgerundet, während die vordere Wand in der Mitte eine weite Aus- buchtung nach vorn zu treiben anfängt. Indem diese nach unten sich immer deutlicher als erste Anlage der Schilddrüse (W. MÜLLER) und der noch ungeschieden in einander übergehenden Luftwege ausprägt, erhält der Darm eine dreieckige, fast herzförmige Gestalt. Die inneren Blätter des gespaltenen Mesoderms liegen weiter abwärts der vorderen Darmwand unmittelbar an, um nach vorn mit einander in Berührung zu treten. Allmälig wird diese Berührung - Jedoch dadurch aufgehoben, dass der Darm sich mehr und mehr nach vorn ausstülpt, bis er sich endlich zur vorderen Darmpforte öffnet. Wir gehen jetzt über zur Beschreibung des Vorderdarms von einem 5 —4 tägigen Hühnchen, bei dem die 4 Kiemenspalten noch geöffnet sind... Auch hier ist eine fortlaufende Reihe von Abbildun- gen aus der für uns wichtigsten Strecke des Vorderdarms wieder- gegeben (S. Taf. VII Fig. 11—19). Wenn wir von oben beginnen, so sehen wir, dass die Scheide- wand, welche im vorigen Stadium die Mundbucht von der Vorderdarm- höhle trennte, die Rachenhaut Remar’s, in ansehnlicher Ausdehnung zerrissen ist, so dass sich das Darmrohr nach vorn klaffend öffnet, 128 W. Moldenhauer während seine seitlichen Partien vom Oberkieferfortsatz bogenförmig umgrenzt werden. Gehen wir weiter abwärts zur Gegend des Unterkieferfortsatzes, so finden wir den Darm auf dem Querschnitt von eigenthümlichem Aussehen, welches sich von dem des früheren Alters in höchst merkwürdiger Weise unterscheidet und daher unsere Aufmerksam- keit in höchstem Grade beansprucht. Die frühere halbmondförmige Gestalt ist hier durch besondere Bildungen verdeckt. Wir unterscheiden nämlich -eine mittlere gleichmässig weite Partie, von der jederseits zwei seitliche verschmälerte Ausbuchtungen oder Hörner abgehen, von denen die hinteren (st), wie sich aus der Betrachtung der betreffenden Figuren (Fig. 12—16) ergibt, die Rich- tung nach rückwärts, die anderen (s/) nach vorn einschlagen. Beide werden durch eine das Epithel des Vorderdarms convex gegen sein Lumen vordrängende Wucherung des mittlern Keimblattes (c) getrennt. Diese eigenthümliche Gestalt des Darms erhält sich im grossen und ganzen so lange, als wir uns im Bereich des Unterkiefer- fortsatzes befinden. Hinsichtlich der Grösse der Fortsätze treten aber auffallende Verschiedenheiten auf. Die beiden vorderen Hörner des Darms nämlich haben an der Grenze zwischen Ober- und Unter- kieferfortsatz ihre grösste Tiefe, indem sie sich in die zwischen bei- den befindliche Spalte und mit dieser nach aussen öffnen (Fig. 12 rechts), weiter abwärts verflachen sie sich nach und nach, um an dem untern Rande des ersten Bogen aufzuhören. Ein umgekehrtes Verhalten zeigen die hinteren Hörner, sie sind anfangs kaum angedeutet, vertiefen sich nach abwärts mehr und mehr, um zuletzt in die erste Kiemenspalte überzugehen (Fig. 15 und 16). Der hügelförmige Vorsprung in das Darmlumen, welcher beider- seits die Veranlassung zu der genannten Gestaltveränderung des Darmes gibt, ist es nun, welcher oben in der Gesammtheit mit dem Namen colliculus palato-pharyngeus bezeichnet wurde. Die beiden Hörner aber, die zu seinen Seiten liegen, sind die Querschnitte der längs des collieulus palato-pharyngeus herablaufenden Furchen, de- ren vordere wir bereits als suleus lingualis, die hintere als suleus tubo-tympanicus kennen. Für letzteren suleus characteristisch ist der Umstand, dass er sich überall beiderseits vom Darm dort abzweigt, wo seitlich von Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 129 der Chorda die hintere Darmwand durch die Kiemenarterie etwas vorgetrieben wird und dass er sich mit seinem Grunde höchstens bis zu dem Punete erstreckt, wo sich der äussere Durchschnitt des- selben Gefässes, das bei seinem bogenförmigen Verlauf zweimal vom Schnitt getroffen werden muss, befindet. Sobald wir den Unterkiefer verlassen öffnet sich der Vorder- darm in die erste Spalte (Fig. 15 u. 16) indem sein Epithel ohne bemerkenswerthe Grenzen in das des äussern Keimblattes übergeht. Von hier an nach abwärts ist die vierfach gebuchtete Gestalt des Darms vollständig verschwunden. Er zeigt ein einfach spaltförmiges Lumen (Fig. 17—18). Seine Tiefe ist hier verhältnissmässig gross, während die Di- mensionen seines Querdurchmessers verringert sind und sich seine seitlichen Enden wegen der zunehmenden Dicke der Halswand in ziemlicher Entfernung vom Ectoderm befinden. Im Bereich des zweiten Bogens begegnen wir auch dem sehon völlig vom Ectoderm abgeschnürten Labyrinthbläschen. Embryo vom sechsten Tage. Der Embryo, mit dem wir es hier zu thun haben, ist derselbe, dessen Flächenbild wir schon oben in Fig. 3 beschrieben haben. Die Spalten sind geschlossen mit Ausnahme einer kleinen hinteren Stelle der ersten Spalte. Der frühere Verlauf der ersten Spalte wird noch durch eine seichte Furche angedeutet, der Hügelkranz und die Dia- gonalfurche sind bereits deutlich ausgebildet. Dieser Embryo wurde in Schnitte zerlegt, welche genau parallel der ersten Kiemenfurche also fast in querer Richtung durch den Hals verlaufen. Von die- sen Schnitten ist Fig. 23, als der wichtigste, vollständig wiedergege- ben, Fig. 22 ist der zunächst nach oben folgende, Fig. 24 der zweite zunächst nach unten. Die Fig. 23, welche dem untern Rande des ersten Bogens ent- spricht, soll zunächst untersucht werden. Die Vorderdarmhöhle erscheint, wie früher, vor allem wieder 4 buchtig und beginnen die sulci tubo-tympaniei genau vor dem in- neren Durchschnitte der Kiemenarterie, um vor dem äusseren zu enden. Es dürfte vielleicht auffallen, dass der suleus lingualis und mit ihm der colliculus palato pharyngeus (s/! u. cpp) flacher erscheint als man erwarten möchte. Dies rührt jedoch zum Theil daher, dass der Schnitt, wie gesagt, dem unteren Rande des ersten Bogens an- gehört, an welchem der genannte Hügel endigt (entsprechend den Fig. 15 u. 16). Indessen ist der Hügel in unserem vorgerückteren Morpholog. Jahrbuch. 3. 9 130 W. Moldenhauer Stadium, des starken Breitenwachsthumes des Kopfes wegen, auch in weiter vorwärts gelegenen Schnitten relativ niedriger, aber breiter, als zuvor, um erst später, wie wir noch sehen werden, stark zu wachsen. Was den suleus tubo-tympanicus betrifft, so erstreckt er sich (Fig. 23 st) am weitesten seitlich und rückwärts und ist besonders die Riickwiirtsbiegung deutlich ausgesprochen. Das Ectoderm zeigt aber in dieser Figur nieht mehr den einfachen Verlauf wie früher- hin, vielmehr sehen wir zunächst nach hinten und aussen in der Verlängerung der Spitze des suleus tubo-tympanicus eine leichte Ein- senkung und einen ventralwärts von ihr sich erhebenden Hügel (ep). Weiter vorwärts von ihm liegt eine zweite breitere Einsattelung (7), an deren vorderen Ende die Substanz des Kiemenbogens rasch sich wiederum erhebt (ca), um alsdann in unregelmässiger, wellig ge- bogener Curve zur Medianlinie zu gelangen. An den weiter abwärts gelegenen Schnitten nimmt der suleus tubo-tympanicus sehr rasch an Tiefe ab, wie Fig. 24 zeigt. In letzterem Schnitt ist dagegen bereits das Labyrinth getroffen, welches im vorhergehenden noch fehlte. An den noch weiter nach vorwärts gelegenen Schnitten (Fig. 22) ist der suleus tubo-tympanicus zwar vorhanden, doch er- streckt er sich seitlich und rückwärts minder weit. Beziehen wir nunmehr die aus den Schnitten gewonnenen Er- gebnisse auf das Flächenbild (Fig. 3), so lässt es sich unschwer er- mitteln, dass wir in dem Vorsprung cp den colliculus posterior des ersten Bogens vor uns haben und in dem Vorsprung ca den colliculus anterior desselben Bogens. Die zwischen beiden Vorspriingen gele- gene Einsattelung entspricht aber offenbar der vom Schnitt getroffe- nen Diagonalfurche. Wir begegnen den Hügeln und der Diagonal- furche natürlich auch noch auf jenen Schnitten, die von dem zunächst oberhalb und unterhalb gelegenen Gebiete stammen. Auch der hinter- ste Theil der ersten Spalte, dessen Flächenbild (Fig. 3) auf noch nicht vollständige Verwachsung schliessen liess, ist in einigen Schnitten deutlich erkennbar. Letzteres Verhältniss, ebenso wie die Frage des bestimmten Antheils der beiden ersten Kiemenbögen an der Her- stellung der Bilder wird erst später bei Beschreibung der Frontal- schnitte berücksichtigt werden. Die wesentlichen Eigenschaften der gewonnenen Bilder erleiden jedoch durch die angegebenen noch zu erledigenden Puncte keinerlei Veränderung. Man könnte jetzt vielleicht noch in Zweifel sein, was aus dem vorangehenden Befunde zu folgern sei. Insbesondere könnte man Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 131 geneigt sein. die der Linie ab entsprechende Einbiegung des Eetoderm für eine Stelle besonderer Wichtigkeit zu halten. Jeder Zweifel hebt sieh aber sofort bei der Untersuchung eines weiter entwickelten Stadiums. Fig. 25 zeigt ein solches von einem Embryo von 9 Tagen. Die Schnittriehtung ist die auf Fig. 6 angegebene, entspricht daher im wesentlichen der vorher angewendeten. Fig. 25 zeigt den sul- cus lingualis und suleus tubo-tympanicus, dessen letzteres laterales blindes Ende als eine Erweiterung (cf). Gegenüber dieser Erweite- rung an der Aussenfliiche des embryonalen Kopfes stossen wir auf eine sehr bedeutende Einsenkung, welche von hinten her allmälig sich vertieft und an ihrer ventralwärts gelegenen tiefsten Stelle durch einen steil sich erhebenden mächtigen Vorsprung nach vor- wärts abgeschlossen wird. Der collieulus palato-pharyngeus (cpp) ist beträchtlich gewachsen und drängt weit gegen die Medianebene vor. Aus dem Unterkieferfortsatz (uw) ist nunmehr ein kräftiges Or- gan geworden. Auch Fig. 25 entspricht der breitesten lateralen Erstreckung des sulcus tubo-tympanicus. Weiter nach vorwärts nimmt er wie- derum allmälig, nach hinten rasch an Ausdehnung ab. Der colliculus posterior (cp) ist fast verstrichen, um so stärker erhebt sich der colliculus anterior, als welcher der Ursprung ca auf- zufassen ist. Von einer hinter dem colliculus posterior gelegenen Einsenkung, wie sie auf Fig. 23 entsprechend der Linie ad hervor- trat, ist jetzt in diesem Stadium nichts mehr zu sehen. Wer aber möchte noch zweifeln, dass wir in der tiefen wink- ligen Einsenkung m der Figur 25 die Anlage des äusseren Gehör- ganges vor uns haben und dass dieselbe die weiter entwickelte Vertiefung m (Fig. 23) darstellt. Doch untersuchen wir noch vor allem die genannten Verhältnisse in weiterer Ausbildung. Hier- zu ist ein Embryo von 12 Tagen am geeignetsten. An diesem Embryo (Fig. 27), welcher in der Fig. 7 durch einen Pfeil angegebenen Richtung geschnitten wurde, ist zu- nächst der äussere Gehörgang bedeutend tiefer geworden, obgleich seine Form sehr leicht auf das vorausgehende Stadium zurück zu beziehen ist. Sie zeigt indessen doch schon eine bestimmte Gliede- 9% 132 W. Moldenhauer rung, die vorher fehlte, oder nur angedeutet war. Dies gilt ins- besondere von dem Grunde des Gehörganges, der als eine fast ebene Platte gegen den rückwärts gelegenen mehrfach gebogenen Abschnitt des äussern Gehörganges in einen allerdings beträchtlich stumpfen Winkel gestellt ist. Derjenige Winkel dagegen, in welchem die ge- nannte Grundplatte zu dem vorderen Hügel steht, ist noch bedeu- tend spitzer als zuvor und beträgt kaum 20 Grad. Ist es aber nicht unzweifelhaft, dass das erweiterte Ende des suleus tubo-tympanicus (ct Fig. 25) als der Anfang einer viel weiter sehenden Höhlenbildung erscheint, die wir bei dem 12tägigen Em- bryo sicher als Paukenhöhle auffassen müssen. ‚Jene erweiterte Stelle beim 9tiigigen Hühnchen erscheint daher als erste Andeutung der Paukenhöhle und nur ein bedeutender Resorptionsprocess kann es sein, welcher eine solche Umwandlung herbeizuführen vermag. — Vergessen wir aber nicht auch dem Trommelfell des 12tägigen Hühnchens unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Dasselbe stellt in diesem Stadium eine ansehnliche Platte (mt) zwischen der Pauken- höhle und dem Gehörgang dar. Die mikroskopischen Verhältnisse desselben werden jedoch später beschrieben werden. Die Columella c) ist knorplig angelegt, mit ihrem Fusse die Wand des Labyrin- thes (/) erreichend, mit ihrem Kopfe an das Trommelfell herantre- tend. Die Tuba ist auf diesem Schnitte nicht getroffen. Das Trommelfell des 9tägigen Hühnchens Fig. 25 grenzt sich von dem äussern Gehörgang nach hinten noch nicht deutlich ab, ist aber absolut ungefähr doppelt so dick, als das des 12tägigen, wie vorher nur im allgemeinen bemerkt werden söll. Vergleichen wir noch das Trommelfell des 9tägigen mit dem des btägigen Hühnchens (Fig. 23) und dieses wiederum mit den Ergeb- nissen, die vom 4tägigen Hühnchen gewonnen wurden Fig. 11 — 19, so ist der Grundplan des Entwicklungsprocesses sowohl der Ohr- trompete und Paukenhöhle, als auch des Trommelfells und des äus- sern Gehörganges nunmehr vollständig durchsichtig geworden. Wir sehen also, dass nicht diejenige Einsenkung der äusseren Kopfhaut, welche in der Verlängerung des suleus tubo-tympanicus nach hinten und auswärts gelegen ist (Fig. 23 Linie ad), die An- lage des Gehörganges und in Folge dessen die zwischen jener Ein- senkung und dem blinden Ende des suleus tubo-tympani gelegene Substanzplatte das primitive Trommelfell darstellt, — dieser Ent- wieklungsmodus würde zum Theil der bisher herrschenden Ansieht entsprechen —, sondern dass diese Gebilde aus einem weiter ven- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 133 tralwärts gelegenen viel ausgedehnteren Abschnitte der Gesichtswand ihren Ursprung nehmen. So kommt es, dass das Trommelfell mit dem hinteren blinden Ende des suleus tubo typanicus überhaupt in keiner Beziehung steht, indem seine Schleimhautfliiche einem be- stimmten und ansehnlichen Bezirke des ventralen Abschnittes der Vorderdarmwand entspricht. So verhält sich der Gegenstand beim Hühnchen und wenn schon von vornherein ein prineipieller Unterschied in der Entwicklung der genannten Gebilde bei den Säugethieren nicht zu erwarten war, so genügt ein Blick auf Fig. 26, die einen Querschnitt durch die ent- sprechende Kiemengegend eines Rehembryo wiedergibt, um von der vollständigen Homologie dieses Entwicklungsprocesses überzeugt zu sein. Es versteht sich von selbst, dass im Verlaufe dieser Unter- suchung auch andere Schnittrichtungen geübt wurden, als die bis- her verwendeten. So war es insbesondere diejenige, welche die Kiemenbögen und Kiemenfurchen nicht parallel, sondern senkrecht, trifft, durch deren Anwendung theils Bestätigung, theils Erweiterun- gen der gewonnenen Ansichten erwartet werden dürfte. Die auf diese Weise gewonnenen Schnitte sind im Folgenden als Frontalschnitte bezeichnet. Wiewohl die Aussen- und Innenwand der Kiemenbögen in den verschiedenen Stadien ihrer Ausbildung schon auf Flächenbildern untersucht worden ist und obgleich Reihen von Querschnitten zu Hülfe gezogen worden sind, so wird man die Aneinanderfügung der Querschnittreihen zu einem einheitlichen Ganzen erst durch die Herbei- ziehung von Frontalschnitten vollständig zu erreichen im Stande sein. Erst diese werden uns einen sichern Aufschluss geben können über Offensein oder Verschluss, sowie über die Art und den Grad des Verschlusses der Kiemenspalten. Letzteres wird sich als beson- ders wichtig zeigen für die Bestimmung des Antheils, welchen die beiden ersten Kiemenbögen an der Bildung des Trommelfells neh- men. Dass nicht blos eine Naht zwichen den Kiemenbögen zur Anlage des Trommelfells Veranlassung gibt, wurde bereits zur Ge- nüge klar gestellt, ob dagegen der erste oder zweite Bogen, oder beide zusammen die Construction des Trommelfells bewerkstelligen, ist aus dem Vorhergehenden nicht ohne Weiteres gewiss. 134 W. Moldenhauer Betrachtet man die verschiedenen Querschnittreihen, so ergibt sich übrigens von vornherein eine gewisse Schwierigkeit durch die Gegenwart des colliculus palato-pharyngeus, welcher von Frontal- schnitten durch den ersten Kiemenbogen der Länge nach getroffen wird und gerade an derjenigen Stelle vorzuspringen anfängt, welche der Spitze des äusseren Gehörganges gegeniiberliegt. Dieser Umstand darf jedoch nieht abhalten: gegenüber dem bedeutenden Nutzen Frontalschnitte in den Bereich des Studiums zu ziehen. Der in Fig. 2 im Flächenbilde wiedergegebene Embryo von 4 Tagen wurde in eine vollständige Reihe von Schnitten zerlegt, de- ren Richtung genau senkrecht den Verlauf der ersten Kiemenspalte kreuzte. Zunächst erhalten wir die Bestätigung, dass die hinterste in der Figur durch einen tiefen schmalen Schatten gekennzeichnete Strecke der ersten Spalte in der That in noch offener Communi- cation mit der Vorderdarmhöhle steht. Diese Stelle ist in der Fi- sur 29* sichtbar. An einem Schnitt, welcher die beiden Bögen an einer weiter ventralwärts gelegenen Stelle trifft und zwar an derjenigen, welche in der Figur2 mit * bezeichnet und wo, wie wir wissen, der äussere Gehörgang und das Trommelfell sich entwickelt, sehen wir, dass die Verwachsung beider Bögen thatsächlich bereits eingetreten ist (Fig. 30*). Die Tiefe der Verwachsung ist an dieser Stelle, wie die Figur zeigt, nicht beträchtlich. Die schmale Substanzbriicke, an welcher’ alle drei Keimblätter sich betheiligen, lässt keine epitheliale Naht mehr erkennen, vielmehr schiebt sich das Mesoderm von einem zum an- dern Bogen zwischen Ecto- und Endoderm hindurch. Auf den Mo- dus der Verwachsung jetzt näher einzugehen liegt nicht in meiner Absicht, sondern einfach die Thatsache zu constatiren. Was die zweite Kiemenspalte betrifft, so zeigt sich dieselbe noch vollständig klaffend, während der zweite Kiemenbogen die Aussen- fläche des dritten bereits zu umfassen beginnt. Die Wandstärke beider Bögen ist im übrigen eine beträchtliche, wie schon die Quer- schnitte lehrten. Embryo von 7 Tagen. Die hinterste Strecke der früheren ersten Kiemenspalte ist nun- mehr geschlossen, eine breite Nath vereinigt den ersten und zweiten Bogen Fig. 31. An derselben Figur ist die Form und Lage des primitiven Paukenhöhlenabschnittes dieser Gegend kenntlich, deren Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 135 untere Wand nahezu in der Richtung der Kiemennaht liegt, die Höhle selbst liegt demgemäss hier im Bereich des ersten Bogens und zwar an dessen Innenseite. Ein Schnitt durch denselben Embryo an einer weiter ventralwärts gelegenen Stelle entsprechend der Anlage des Gehörgangs geführt (Fig. 32), zeigt die von aussen nach einwärts gerichtete Einbuchtung des Gehörganges und ihr ungefähr gegenüber die Ausbuchtung des sulcus tubo-tympanicus (s¢/). Die Spitzen beider Buchten liegen sich doch nicht genau gegenüber, vielmehr schneidet die des suleus tubo-tympanicus in die Substanz des zweiten Bogens ein. Die äussere und innere Grenzlinie des ersten Bogens bildet flach gestreckte, diejenige des zweiten Bogens steile Curven. Wenden wir uns nun zu der Frage nach dem Antheil beider Bögen an der Bildung des Trommelfells, so möchte die Betrachtung der Flächenbilder leicht die Vorstellung erwecken, als wenn der hintere Hügel des zweiten Bogens nicht allein zur Bildung der hin- teren Wand des Gehörganges, sondern auch zur Anlage des Trom- melfells selbst verwendet werde. Gewiss ist aber nur, dass im Bereich der früher sogenannten Diagonalfurche auch die Anlage des Trommelfells gesucht werden müsse. In Fig. 10 ist auf das innere Flächenbild des Mediansehnittes eines siebentägigen Hühnchens das äussere Flächenbild nach Prismen- zeichnungen aufgepasst. Die Vorderdarmhöhle ist dunkel schraffirt, während die Linien des äussern Flächenbildes roth gehalten sind. Man erkennt darum an dieser Doppelfigur auf den ersten Blick, welche wichtigen Theile sich einander decken. So sehen wir den suleus tubo-tympanieus mit seinem untern Ende längs der Dia- gonalfurche nach aufwärts steigen, nm noch eine Strecke weit jen- seits derselben zu verlaufen. Auch hiernach könnte es noch schei- nen, als ob der hintere untere Hügel zu den Anlagen des Gehör- ganges und zugleich des Trommelfells sich umbildet. Um jedoch den richtigen Maassstab zu finden, müssen wir zurückgreifen auf das- Jenige Stadium, in welchem bei einem 4tägigen Hühnchen (Fig. 2) die kritische Strecke der ersten Kiemenspalte bereits ohne Nahtspur ist, wie uns die Frontalschnitte selbst soeben gelehrt haben. Ist aber einmal hier die Substanz beider Bogen eine einzige ungeschie- dene, so können nur die Diekenverhältnisse beider Bogen, bezüglich deren Betheiligung an den fraglichen Anlagen Aufschluss geben, während wir die Nahtbildung selbst als völlig unbrauchbar für diesen Zweck bei Seite lassen müssen. Die Diekenverhältnisse zeigen aber, dass der erste Bogen gegen den zweiten hin allmälig sich zuschärft, 136 W. Moldenhauer um vermittelst der zugespitzten Stelle in die breite Wélbung des zwei- ten Bogens überzugehen. Die Lage der früheren Naht werden wir an dem Uebergang des zugeschärften unteren Randes des ersten Bogens in den zweiten vermuthen müssen. Da aber die Substanz des Trommelfells vor dieser Uebergangsstelle liegt, so müssen wir sie dem ersten Bogen zurechnen. Hieraus geht aber hervor, dass die mit dem Trommelfell in Be- rührung kommende Strecke der ersten Kiemenspalte längs dessen unterem hinteren Rande verlaufen muss. Mit diesem Ergebniss stimmt die Nervenversorgung des Trommelfells in der That überein. D. Histologisches. 1. Branchialsuturen. Die Kiemenspalten des Hühnchens entstehen, wie wir gese- hen haben. alle auf übereinstimmende Weise, die verschiedenen durch diese Vorgänge entstandenen Bögen verwachsen aber kei- neswegs auf ein und dieselbe Weise. Fassen wir zunächst die Zer- reissungslinie in das Auge, so ergibt sich, dass dieselbe längs der Berührungsflächen des Endoderm und Ectoderm der Schlundwand, entsprechend denjenigen Ausstülpungen des Endoderm, die als Kie- mentaschen zu bezeichnen wären, erfolgt. In letzteren fehlt jede Spur des Mesoderm (vergl. Fig. 347, die einen Frontalschnitt durch die Kiemengegend eines 4— 5 tiigigen Embryo darstellt). In der Wand der Taschen zeigen sich hierselbst die beiderseitigen Zellen- lager aneinander gelöthet, so dass eine Andeutung ihrer früheren Trennung nur an einigen Stellen bemerkbar ist. Zugleich ist die Dicke der Platte geringer als das aneinander gelegte Ectoderm und Endoderm betragen würde. Da ursprünglich die Dieke eine grössere sein musste, so werden wir an einen Dehnungs- oder Schrumpfungs- process denken müssen, der dies bewirkte. Das Eetoderm des Bogens besitzt eine tiefere aus Cylinderzellen bestehende Schleimschicht und eine aus Plattenepithel zusammen- gesetzte Hornschicht, das Endoderm des Bogens lässt an dieser Stelle zwei deutlich geschiedene Lagen rundlicher Zellen erkennen. Doch in der Wand der Branchialtasche kommen Cylinderzellen nicht vor. Ist die Zerreissung der verschiedenen Kiementaschen erfolgt, so geschieht dieselbe nicht, ohne dass die Reste der Taschen einige Zeit hindurch sichtbar bleiben. Sie zeigen sich als kleinere, oder Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 137 grössere epitheliale Wülste, noduli branchiales, welche einigermassen an die Epithelspitzen der embryonalen Extremitätenenden erinnern, zum Theil aber erscheinen sie als längere Fortsätze, oder Stränge von unregelmässiger Gestalt, die mit dem einen Ende am Bogen befestigt sind, während das andere deutliche Rissspuren an sich trägt (Fig. 33», 34”). Welche Ursache es auch sein mag, von welcher die Sprengung der Branchialtaschen, eben so der Rzmar’schen Rachenhaut ausgeht, gewiss ist, dass die einander zugekehrten Riss- linien der verschiedenen Kiemenbögen keineswegs durchgängig bei der seltsamer Weise sehr bald nachfolgenden Verwachsung der Kie- menbögen eine Rolle spielen. Im Gegentheil treten nur beim Ver- schluss der ersten Kiemenspalte die früheren Rissränder, deren Lage immer noch kenntlich ist, wieder mit einander in Berührung und leiten die Verschmelzung ein (Fig. 20 I u. II. Der zweite Kie- menbogen dagegen schiebt sich, wie schon früher bemerkt, über die Aussenfläche des dritten hinweg, der dritte weniger stark über den vierten. Die Umfassung des dritten Bogen durch den zweiten ist so vollkommen, dass ein beträchtlicher Theil des Endoderm des zweiten Bogens das Eetoderm des dritten Bogens von aussen zunächst überlagert, um bald darauf mit ihm zu verschmelzen. Die Verwachsung zweier sich einander berührender Epithelflächen hat überhaupt im ersten Augenblick immer etwas befremdliches, we- nigstens für denjenigen, welcher mit fertigen erwachsenen Epithelien zu rechnen gewohnt ist, da Epithel und Epiderm eher dazu vorhan- den zu sein scheinen zwei Gewebemassen von einander zu trennen, statt sie zu verbinden. In embryonalen Zuständen aber hat dieses Verhältniss keine durchgehende Geltung. Oefter, sogar in den wichtigsten Fällen, sehen wir hier bekanntlich Verwachsung von Epithelplatten. Ich erinnere an die Verschliessung des Medullar- rohrs, des Labyrinthbläschens, der seeundären Augenblase u. s. w. Bei den Kiemenbögen müssen wir daher nach dem Voraus- gegangenen zwischen Verwachsung der Kiemenränder und der Kiemenflächen unterscheiden. Die Randverwachsung beginnt in der Weise, dass blos zwei schmale Säume anfänglich sich berühren und darauf verschmelzen. Diese Verschmelzung geht an gewissen Stellen ausserordentlich rasch vor sich, so dass von einer Nahtspur in der Substanz sich bald nichts mehr erkennen lässt, sondern das Mesoderm des einen Bogens sich ohne Unterbrechung in das des andern Bogens fortsetzt. Nur Einkerbungen der äusseren und inneren Oberfläche bezeichnen noch 138 W. Moldenhauer die frühere Trennung. Eine solehe Stelle ist zum Beispiel gerade diejenige, von welcher die Anlage des Trommelfells ausgeht (Fig. 2*, Fig. :0°). Die Verdiekung der Substanzbriicke zwischen beiden Bögen geschieht alsdann wahrscheinlich ohne weitere Beanspruchung des Eetoderm und Endoderm, sondern ist allein auf Rechnung des wuchernden Mesoderm zu setzen. Der Verschluss des hinteren Win- kels der ersten Kiemenspalte geschieht, wie schon angegeben, be- trächtlich viel später und ist die Epithelnaht hier selbst am achten Tage noch deutlich sichtbar Fig. 31 sd). Das schönste Bild ausgedehnter Flächenverwachsung liefert der zweite und dritte Bogen, indessen verschwindet jede Spur der frü- heren Trennung auch hier und die Mesodermmassen gehen schliess- lich gleichmässig in einander über. In Fig. 20 ILu. IL linkerseits haben wir ein Bild der noch nicht vollständig abgelaufenen Ueber- lagerung des dritten durch den zweiten Bogen. Fig. 21 zeigt einen Frontalschnitt von einem etwa 7tägigen Hühnchen, an welchem tren- nende Epithelplatten (Branchialsuturen) zwischen den drei ersten Kiemenbögen nicht wahrzunehmen sind, während äussere und innere Einkerbungen noch auf das frühere Verhältniss hinweisen. Was geschieht nun aber mit den zwischen den verwachsenden Bögen eingeschlossenen Epithelmassen ? Bei der Randverwachsung handelt es sich freilich nur um ver- hältnissmässig wenige mitten im Mesoderm lagernde Epithel- und Epidermzellen, bei der Flächenverwachsung aber kommen bedeutende Zellenmassen in Betracht. Gehen diese unter und werden sie resor- birt? Oder nehmen sie die Eigenschaften des umgebenden Meso- derm an oder bleiben sie etwa gar als eigentliche Epithelzellen be- stehen, nachdem nur ihr gegenseitiger Zusammenhang gelöst worden ist. Thatsächlich können zu keiner Zeit Zellen, die von den Meso- dermzellen. verschieden wären, beobachtet werden. Immerhin muss es als ein geistreicher Versuch von Seiten der pathologischen Ana- tomie betrachtet werden, gewisse tiefe Atherome des Halses auf von den Nähten her zurückgebliebene Epithelien zurückzuführen, wenn es auch schwer sein dürfte, thatsächliche Beweise zu finden. . Das primitive Trommelfell. Das Eetoderm und Endoderm eines Hiihnehens vom Ende des ersten Tages besitzt je nach dem embryonalen Bezirk sehr verschie- dene Beschaffenheit. Für uns ist es von besonderm Interesse zu- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 139 zusehen, wie die genannten Zellenblätter in der Kiemengegend sich verhalten. In Fig. 35 ist der bezügliche Theil eines Querschnitts durch die Kiemengegend eines 30 Stunden alten Hühnchens dargestellt. Das Epi- thel des Vorderdarms besteht in seinem dorsalen Abschnitt median- wärts aus platten Zellen, die in ziemlichen Abständen auf einander folgen; diese rücken um so näher zusammen, je näher wir an das seitliche Horn des Vorderdarms gelangen, woselbst sie kubische Form annehmen. Der ventrale Theil zeigt zunächst dieselben kubischen Zellenformen, es folgt darauf eine mittlere Strecke platter Zellen, die in der Gegend der Mundbucht mb) an Höhe wiederum gewinnen und mehr zusammenrücken. Auch die Epidermis ist um diese Zeit noch einschichtig, sie hängt in der Gegend der Mundbucht dieht mit dem Vorderdarmepithel zusammen, ohne dass mesodermale Elemente sich zwischen beide hineinschében. Die Epidermis ist zugleich um diese Zeit dieker als die Vorderdarmwand. Das Mesoderm zeigt grösstentheils zerstreut liegende ästige Zellen, doch muss es zweifelhaft erscheinen, ob diese Aeste nicht als Kunstproducte aufgefasst werden können. Bei einem Hühnerembryo vom Ende des zweiten Tages hat sich 200, Tale sale Vorderdarmepithel besteht noch aus platten Zellen, an der Um- _ beugungsstelle in die ventrale Hälfte ist es bereits mehrschichtig und zeigt in letzterer fast durchgängig zwei Zellenlagen. Die Epidermis hat ebenfalls zwei Reihen gleichartiger Zellen. Die Dicke der Epi- dermis ist etwas geringer als diejenige der Umbeugungsstelle. Das Mesoderm besteht nunmehr aus dichtgedrängten Zellen. das bezügliche Bild ansehnlich geändert (Fig. 36 Das dor- BET Pel Si ib, : x 3 3 In Fig. 37 (7) haben wir ein weiteres Entwieklungsstadium vor uns (Hühnchen vom achten Tage). Das dorsale Epithel des Vorder- darms ist ein Uebergangsepithel, welches stellenweise eine zweite Lage bedeckender platter Zellen erkennen lässt, die Umbeugungs- stelle zeigt drei bis vier Lagen eylindrischer Zellen, der ventrale Theil dagegen zwei gleiche Lagen polygonaler Zellen. Der Grund des Gehörganges desselben Embryo zeigt drei Zellen- lagen, die tiefste besteht aus eylindrischen, die mittlere aus rundlich polygonalen, die oberste aus platten Zellen (Fig. 39). Die Epidermis der übrigen Seitenwand des Kopfes desselben Embryo (Fig. 40) besteht dagegen blos aus einer Lage kubischer und einer sie bedeckender Lage abgeplatteter Zellen. Letztere ist die 140 4 W. Moldenhauer embryonale Hornschicht, erstere die embryonale Schleimschicht. Eine von einander geschiedene Schleim- und Hornschicht zeigte schon der 4tägige Embryo (Fig. 39). Diese Hornschicht wurde in neuester Zeit von KERBERT!) Epitrichialschicht genannt, da dieselbe an der Bildung des späteren stratum corneum sich nicht betheiligt. Er zeigt, dass die wirkliche Hornschicht aus der unteren Zellenlage der ur- sprünglichen Schleimschicht entsteht. Wenn auch nicht zu bestreiten ist, dass die genannte Epitrichial- schicht späterhin einfach abgestossen wird und in die Hornschicht des fertigen Hiihnchens nicht übergeht. womit die neue Bezeichnung in der That gerechtfertigt wird, so ist doch dabei zu bedenken, dass die Epitrichialschicht selbst aus derselben Zellenlage sich ableitet, aus welcher auch die bleibende Hornschicht sich entwickelt. Ist doch, wie wir gesehen haben, die ganze Epidermis ursprünglich einschich- tig. Die Epitrichialschicht sehen wir aber bereits in Fig. 36 ge- bildet. Sie ist die äussere der beiden Zellenlagen der Epidermis, ihrer Form nach jedoch in dieser Zeit der inneren vollkommen gleich. Bald darauf schiebt sich bekanntlich zwischen Epitrichial- und Schleimschicht in der ganzen Ausdehnung der Epidermis eine dritte Lage von Zellen ein. Verfolgen wir zu einer Zeit, wo schon das Trommelfell als be- sondere Membran von seiner Umgebung differenzirt ist, dessen la- mina ectodermalis und endodermalis in ihrer weiteren Ausbildung, so ergibt sich das Folgende: Fig. 42 zeigt den Querschnitt des 12tägigen Hühnchens (Fig. 27) bei 300 facher Vergrösserung. Die Epidermis (äusseres Epithel) be- steht aus einer einzigen Schicht nahezu kubischer Zellen (Schleim- schicht) und einer einzigen Lage platter Zellen embryonalen Horn- schicht) , das innere Epithel dagegen besteht scheinbar aus einer Lage platter Zellen. Bei näherem Zusehen jedoch zeigt es sich, dass die Thäler der einen Schicht belegt werden von einer zweiten Lage abgeplatteter Zellen derselben Beschaffenheit. Fig. 41 gibt die Umbiegungsstelle des Epithels des äusseren Gehörgangs in das äussere Epithel des Trommelfells von demselben i 300 if : Hühnchen 7: Die Epidermis des Gehörganges besteht hier aus ' KERBERT: Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbelthiere. Dissertation. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 13. - Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 141 einer drei- bis vierschiehtigen Zellenlage, von welchen die unterste aus pyramidalen Zellen zusammengesetzt ist. ° s ts lee . . 300 Bei einem Hühnchen vom fünfzehnten Tage (Fig. 44 ——-) be- sitzt die lamina ectodermalis als auch die lamina endodermalis noch dieselbe Beschaffenheit wie vorher, doch kommt die interessante Er- scheinung hinzu, dass in der Schleimschicht Anhäufungen dunklen Pigmentes (p) von verschiedener Form wahrzunehmen sind, wie die- ses auch zu selbiger Zeit in der Epidermis anderer Körpertheile vorkommt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Pigmentanhäu- fungen durch Wanderzellen bewirkt sind. Fig 45 u. 46 endlich zeigen Querschnitte zweier verschiedener ‘ . 300 s Stellen vom Trommelfell eines erwachsenen Huhnes (—-). Die Horn- schicht (2) hat eine beträchtliche Dicke und besteht aus Reihen dicht verbundener Schuppenlagen, unter welcher unmittelbar die einzellige Schleimschicht erscheint. Die endodermale Lage lässt nur eine ein- zige Schicht abgeplatteter Zellen erkennen. Das primitive Trommelfell besteht jedoch nicht allein aus einer lamina ecto- und endodermalis, sondern zu dieser kommt gleich in der Anlage die wichtige mesodermale Schicht hinzu. Sie besteht anfänglich aus rundlich polygonalen Zellen (Figur 39 md). Spiiterhin werden die Zellen sowohl abgeplattet, als sich auch ihre Grenzen verwischen, indem ihre länglich gewordenen Kerne mit einer fasrigen Zellsubstanz sich umgeben (Fig. 42, 44 m). Die nächste Umgebung des Kernes zeigt das Protoplasma häufig von der Faserung noch frei. Beim erwachsenen Huhn tritt die Faserung der mittleren Schicht (membrana propria) zurück, während die Kerne der Zellen starke Abplattung zeigen. Von besonderer Bedeutung erscheint der auffallende Wandel der Dicke des Trommelfells im Verlauf der Entwicklung. Es geht aus der bisherigen Schilderung hervor, dass dieser Unterschied wesent- lich auf Rechnung des Mesoderm zu setzen ist. Das bei seiner ersten Anlage verhältnissmässig dünne Trommelfell nimmt in Folge mesodermaler Wucherung bis zu einer gewissen Grenze an Dicke zu, um dann einer rückgängigen Metamorphose anheimzufallen, bis es schliesslieh beim erwachsenen Hühnchen an seiner diinnsten Stelle dünner ist, als es selbst bei seiner ersten Anlage war. Diese Unterschiede können aus dem Vergleich der betreffenden Figuren 23, 25, 27 sowie 42, 44, 45 und 46 erkannt werden. Bei einem 142 W. Moldenhauer 6tägigen Hühnchen ‘Fig. 23) misst die Dicke des Trommelfells 0,11 Mm., bei einem Ytägigen (Fig. 25) 0,14 Mm., beim 12tägigen Hühnchen (Fig. 42) 0,072 Mm., beim erwachsenen Huhn dagegegen 0,012 Mm. E. Individuelle und Stammesentwicklung. Für den Zweck einer Vergleichung der gewonnenen Ergebnisse mit den Verhältnissen des äusseren und mittleren Ohres der ver- schiedenen Wirbelthierklassen ist es am Platze, die in das Gewicht fallenden Hauptpuncte der individuellen Entwicklung aus ihrer Zer- streuung zu sammeln und in ein einheitliches Bild zusammen zu stellen. Die Substanzanlage des Trommelfells ist nach dem Vorausge- henden zu betrachten als ein an die erste Kiemenspalte grenzender Abschnitt des ersten Kiemenbogens. Dieser Abschnitt erstreckt sich der Tiefe nach durch die ganze Wandstärke des Kiemenbogens und schliesst demnach die Elemente des äusseren, mittleren und immeren Keimblattes von vornherein in sich. Die Dicke dieses Theiles steht aus dem Grunde schon ursprünglich hinter den angrenzenden Strecken des ersten Kiemenbogens zurück, weil ihm jederseits von innen her bei der ersten Gliederung des embryonalen Körpers eine seitwärts weithin erstreckende Bucht der Vorderdarmhöhle entgegenkommt, der suleus tubo-tympanicus. Die Fliichenausdehnung der genannten Substanzanlage ist an- fänglich unbestimmt und ihr Gebiet an der Aussenfläche des Körpers durch keinerlei Besonderheit ausgezeichnet. Erst nach dem vierten Tage tritt hier eine deutliche Differenzirung ein. Denn nach dem Verschlusse der grösseren Länge der ersten Kiemenspalte und im Verlaufe des Wachsthums der beiden ersten Kiemenbögen kommt es zu Knickungen. der letzteren und der ersten Kiemenfurche, zugleich aber auch zu äusseren Hügeibildungen, von denen zwei auf jeden der ersten Bögen kommen. Die Hügel bilden den Gehörgang, überhaupt das äussere Ohr, welches daher der Betheili- sung beider Kiemenbögen seinen Ursprung verdankt. Das von den Hügeln umschlossene Gebiet beider Bögen, die pars auricularis der- selben, ist anfänglich ausserordentlich gross und nimmt etwa die Hälfte der Seitenfliiche der Bögen ein. Späterhin wächst der Kie- fertheil rasch und ansehnlich und überwiegt bald an Umfang. Aus der anfänglichen Grösse der pars aurieularis erklärt sich bei der Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 143 innigen Beziehung der Nerven zu den epithelialen Oberflächen, der grosse Nervenreichthum des äusseren Ohres und des Trommelfells. Bei den Vögeln bleibt die Entwieklung jener Hügel hinter der bei den Säugethieren zurück, so dass es zwar zur Anlage eines Gehörgan- ges, aber nieht zur Ausbildung einer Ohrmuschel kommt. Das Trommelfell erhält seine spätere tiefe Lage nicht durch fortlaufende Einsenkung der Oberfläche in die Dieke der Gesichts- wand, sondern umgekehrt erhebt und verdickt sich die umgebende Gesichtswand, so dass hierdurch allmälig eine zwischen den Hügeln gelegene Tasche entsteht, deren Grund vom Trommelfell eingenommen wird. Das Trommelfell erhält seine beim Erwachsenen vorhandene Nei- sung nicht erst späterhin, sondern übernimmt als Theil der Gesiehts- wand deren nach vorn eonvergirende Richtung. Die Wandstärke des Trommelfells nimmt während einer gewissen Zeit nicht unbeträcht- lich, wenn auch nicht in dem Maasse wie die Gesichtswand zu. um später eine allmälig weitgehende Verdünnung zu erfahren, die sogar über den ursprünglichen Grad seiner Dünne hinausgeht. Mit dieser Verdünnung ist indessen eine solche Verdichtung der Substanz ver- bunden, dass sie das Trommelfell zu seiner späteren Aufgabe als schwingende Membran in hohem Grade befähigt. Die Bildung der Paukenhöhle als des erweiterten Endstückes des suleus tubo-tympanicus ist ein secundärer Vorgang. Sie vollzieht sich in Folge eines allmälig voranschreitenden Resorptionsprocesses, im Bereiche der lockeren Bindesubstanz in der Umgebung des late- ralen Endes des suleus. Nach der Labyrinthseite zu kann die Er- weiterung des bezüglichen Canalabschnittes nicht beträchtlich sein, weil das Labyrinth selbst sich ihr entgegenstellt, und sehen wir in der That noch beim Erwachsenen die Labyrinthwand in der Flucht der Tubenriehtung. Um so ungehinderter kann sie nach der entgegen- gesetzten Seite Platz greifen, wo die Hindernisse geringer sind, und ist hierin auch die Veranlassung zur allmäligen Verdünnung des Trommelfells gegeben. Die Ursache des Resorptionsprocesses ist schwer ersichtlich, sie könnte anfänglich zu suchen sein in Druck- verhältnissen, welehe durch das Wachsthum der epithelialen Wände selbst nach den Seiten ausgeübt wird. Die Dicke des Epithels ist in der That an den betreffenden Stellen anfänglich sehr beträchtlich, doch ist zu bedenken, dass späterhin das Paukenhöhlenepithel als ganz niedriges Plattenepithel erscheint, gleichsam als wäre es selbst einem intratympanalen Druck ausgesetzt gewesen. In Folge des in jedem Fall vorliegenden Resorptionsprocesses gelangt die 144 W. Moldenhauer knorpelige Columella, die sich natürlicher Weise ausserhalb der Pau- kenhöhle und zwar in dem nach hinten von dem Trommelfell gelege- nen Abschnitt der Gesichtswand entwickelt, allmälig in das Bereich der Paukenhöhle hinein. Die anfänglich sehr weite Rachenmündung der Tube wird nach unten abgeschlossen durch die Verwachsung der beiden Kiemen- bögen. Durch allmälige Erhebung der vorderen und unteren Wand kommt die Verengung des ostium pharyngeum auf einfache Weise zu Stande. Von Abweichungen in der normalen Entwicklung, wie sie soeben in kurzen Zügen noch einmal vorgeführt wurde, habe ich im Ganzen sehr wenig wahrgenommen und fällt das wenige mehr in das Bereich der Variabilität, als der- eigentlichen Missbildungen. So zeigte sich zum Beispiel der Grad der Ausbildung der Hügel bei gleichen Entwick- lungsstadien verschieden, auch der Verschluss der Kiemenspalten erfolgte in dem einen oder anderen Falle auf etwas unregelmässige Weise. Dies gilt insbesondere von dem hintersten Abschnitt der ersten Kiemenspalte, der sich früher als gewöhnlich verschliessen oder auch länger offen bleiben konnte. Der Missbildungen bei den Säugethieren hier speciell zu geden- ken, bei welchen allein eine gewisse Zahl gesammelt worden ist, dürfte nicht ganz am Platze sein, sondern es wird dieses Gebiet und eine kritische Beleuchtung der in der Literatur bekannt gewor- denen Fälle zweckmässig auf eine spätere Auseinandersetzung der bezüglichen Entwicklungsvorgiinge bei den Säugethieren verschoben werden. Man ist gegenwärtig auf der einen Seite nur allzu leicht geneigt jede angeborene Fistelöffnung im Umkreise der früheren Kiemengegend als eine Bildungshemmung zu betrachten, auf der andern Seite ist man im Gegentheil durchaus abgeneigt für das Trom- melfell solche Bildungshemmung anzunehmen. Es würde leicht sein auf Grund unserer Beobachtungen Stellung zu dieser Frage zu nehmen, indessen soll hier nur hervorgehoben werden, dass im er- steren Falle nur eine sorgfältige Untersuchung des concreten Falles als nothwendige Unterlage des Urtheils gefordert werden muss; was aber die letztere Ansicht betrifft, so scheinen mir diejenigen im Un- recht zu sein, welche das Bereich des Trommelfells dem allgemeinen Gesetze der Hemmungsbildungen entziehen wollen. Lenken wir nun vielmehr unsere Aufmerksamkeit auf die Formverhältnisse des Trom- Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 145 melfells und Mittelohres in der Reihe der unterhalb stehenden Wirbel- thierklassen. Bei Selachiern und, Ganoiden !) bleiben Theile der embryonalen ersten Kiemenspalte von verschiedener Form als Spritzloch bestän- dig offen. Von den Amphibien an tritt die erste Kiemenspalte in en- gere Beziehung zum Labyrinth. Während einer bestimmten Embryo- nalperiode überall offen verschliesst sich die Spalte mit zunehmender Entwicklung und treten dabei verschiedene Zustände auf. Bei den Coeeilien und Urodelen verschliesst sich der Raum der Spalten so vollkommen, dass es weder zur Ausbildung einer Pau- kenhöhle noch Ohrtrompete kommt. Bei Pelobates finden sich nur An- deutungen einer Ausstülpung der Schlundschleimhaut, bei den meisten übrigen Anuren ist diese Ausstülpung beträchtlicher. Sie besitzen eine Paukenhöhle, die nach aussen durch ein Trommelfell abgeschlossen ist. Von den Reptilien fehlt den Schlangen und Amphisbänen die Pauken- höhle, bei Chamaeleo besteht eine Paukenhöhle, fehlt jedoch ein Trom- melfell. Beide Theile kommen bei den übrigen Reptilien vor. Was das äussere Ohr (Öhrmuschel und Gehörgang) betrifft, so fehlen den Amphibien, Reptilien, Vögeln diese Theile entweder vollständig, oder es sind mehr oder minder beträchtliche Andeutungen vorhanden. So findet sich bei Krokodilen eine das Trommelfell deckende Hautfalte vor, die bei manchen Vögeln (Eulen) durch eine bewegliche häutige Klappe vertreten ist. Vorsprungsbildungen der das Trommelfel tragenden Schädelknochen können die Lage des Trommelfells ver- tiefen und auf diese Weise einen kurzen äusseren Gehörgang zu- sammensetzen. : So sehen wir also auch hier wiederum bei den niederen Wir- belthierklassen Zustände vorliegen, wie dieselben frühen Embryonal- stufen der höhern Wirbelthierklassen entsprechen. Die Steigerung der formalen Ausbildung des schallleitenden Apparates erscheint aufs deutlichste zusammenhängend mit einer Steigerung der Leistungen, bei Anpassung an das Lebensmedium des Thieres. Die Verände- rungen, deren es bedarf, um aus den primitiven Verhältnissen des Apparates der Selachier die höheren und höchsten Formen heraus- zubilden sind kleiner, als man anfangs glauben möchte. Eine mini- male Veränderung der Wachsthumsrichtung, wenn sie frühzeitig Platz greift, erscheint als genügend, um die veränderten Verhält- nisse herbeizuführen. . !) GEGENBAUR: Grundzüge der vergleichenden Anatomie. Morpholog. Jahrbuch. 3. 10 146 W. Moldenhauer Der Beweis für diese Behauptung ist in der vorausgehenden Schilderung enthalten. Einige wenige Handgriffe an Wachsmodellen genügen, um aus der primitiven Bildung des Apparates der Selachier die complieirtere eines Vogels hervorgehen zu lassen. Wem aber sollte nicht aufgefallen sein, dass wir in den ge- nannten Ausbildungsstufen die Hauptzüge der Missbildungen der höheren Formen des Apparates wiedererkennen ? Die Gehörknöchelehen sind bei der Vergleichung ausser Be- tracht gelassen worden. Ungeachtet neuerer Arbeiten über diesen Gegenstand ist deren Entwicklungsgeschichte nicht so vollständig be- kannt als es für einen solehen Zweck nothwendig ist. Leipzig, September 1876. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. Fig. 1. Hühnerembryo vom Ende des zweiten Bebrütungstages. Die rechte Seite bei auffallendem Licht mit dem Prisma gezeichnet. I. Erster Kiemenbogen mit Oberkiefer- und Unterkieferfortsatz. Il. Zweiter Kiemenbogen vom ersten durch die erste Kiemenspalte geschieden. Il. Dritter Kiemenbogen. IV. Vierter Kiemenbogen. Die zweite, dritte und vierte Kiemenspalte ist noch nicht vorhanden, die Stelle des Durchbruchs jedoch je durch eine von oben nach abwärts an Tiefe abnehmende Radiärfurche gekennzeichnet. !. Labyrinthbläschen noch nicht vollständig geschlossen. Der noch offene Zugang als querovaler Spalt sichtbar, welcher in diesem Stadium genau der zweiten Kiemenfurche gegenüber liegt. f. Leichte rundliche Hervorragung die dem Ganglion Gasseri ent- spricht. = Fig. 2. Hühnerembryo von vier Tagen. I, II, III, IV wie in Fig. 1. Die erste Kiemenspalte ist bereits geschlossen mit Ausnahme des hinteren Winkels. Die Kiemenspalte stellt keine völlig gerade Linie dar, sondern hat einen leicht wellenförmigen Verlauf. Der zweite Kiemenbogen, welchem in diesem Stadium der Labyrinthhügel direct gegenüber liegt, beginnt mit seinem Kiemendeckelfortsatz sich über die äussere Fläche des dritten Bogens hinweg zu schieben. * Stelle der Trommelfellanlage. ah Fig. 3. Fig. 4. = ge on Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 147 Hiihnerembryo vom Anfang des sechsten Tages. I. und II. Kiemenbogen sind noch deutlich von einander geschie- den durch den Rest der ersten Kiemenspalte, die erste Kiemen- furche. Unterhalb des zweiten Kiemenbogens ist der dritte und vierte noch als kleiner Wulst sichtbar. Der Kiemendeckelfort- satz des zweiten Kiemenbogens tritt stark nach abwärts hervor. Der hintere Winkel der ersten Kiemenspalte scheint bei Ober- flächenbetrachtung noch offen zu sein. Die wellenförmige Bie- gung der ersten Kiemenfurche hat sich in eine ziekzackförmige umgewandelt. Zugleich zeigt sie sich nach oben und unten be- grenzt je durch ein Hügelpaar, welche den beiden ersten Kiemen- .. .. 10 bögen angehören. —- Hiihnerembryo vom siebenten Tage. r. Mr. und II. Kiemenbogen noch deutlich als solche erkennbar, desgleichen die erste Kiemenfurche. Der von den Hügeln umfasste Abschnitt der Furche zerfällt in drei Theile, einen hinteren, mittleren und vorderen. Im Bereiche des mittleren zeigt sich eine grubenför- mige Vertiefung, die erste Anlage des äusseren Gehirganges. - 10 Kiemendeckelfortsatz. ae Hiihnerembryo vom achten Tage. Die vorderen Hügel des ersten und zweiten Bogens treten stärker her- * Eine feine Furche, die der ersten Kiemenspalte entspricht. —. i. Hühnerembryo vom neunten Tage. vor, wodurch die hinter ihnen gelegene Grube tiefer erscheint. Die beiden hinteren Hügel sind flacher geworden. 10 1 Die beiden vorderen Hügel haben sich weiter entwickelt, die frühere Grenzfurche ist verschwunden. Von den hinteren Hügeln ist nur mehr der obere (I’) als solcher erkennbar. Stelle, die sich durch ihre besondere Färbung von der Umgebung abhebt und dem Trommelfell entspricht. Der Pfeil deutet die Schnittrichtung, in welcher der Embryo zerlegt wurde. Vergl. . 10 Fig. 23. 7. Hühnerembryo vom zwölften Tage. Der äussere Gehörgang und sein Grund (£) sind von der Umgebung te Der Pfeil bezeichnet die Schnittrichtung fiir Fig. 25. e. deutlich geschieden. Der Antheil, welchen die beiden ersten Kiemenbögen an der Begrenzung des Gehörganges nehmen, ist aus der Bezeichnung sichtbar. Trommelfell. ne Embryonaldunen. Tafel VII. Hühnerembryo vom vierten Tage durch einen Medianschnitt halbirt und die Schnittfläche der linken Hälfte bei auffallendem Licht und 20facher Vergrösserung gezeichnet. i. II, III, IV. Die Kiemenbögen. Zwischen ihnen die 4 Spalten als 10* 148 W. Moldenhauer tiefe Schatten sichtbar. Die Innenfläche des ersten Bogens zeigt zwei an der ersten Spalte beginnende senkrecht nach aufwärts verlaufende Furchen und im Zusammenhang damit zwei Hügel, auf welche in der Figur durch die Linie I hingewiesen wird, den colliculus lingualis vorn, den colliculus palato-pharyngeus hinten. Die vordere Furche ist der suleus lingualis, die hintere sulcus tubo-tympanicus. e. Schnittfläche der Kiemenbögen. f. Vorderster umgebogener Theil der Chorda dorsalis, welcher nahe an die Spitze der RATHKE’schen Tasche (9) herangeht, ohne sie zu be- rühren. = pph. processus pharyngeus als Rest der durchrissenen Rachenhaut. Fig. 9. Taubenembryo, seiner Ausbildung nach einem Hühnchen von zehn Tagen entsprechend, behandelt wie der Embryo Fig. 8, um die weitere Ent- wicklung der colliculi palato-pharyng. (cpp) zu zeigen. es. Crus superius. ei. Crus inferius. o. Oberkiefer. u. Schnittfläche des Unterkiefers. t. Ostium pharyng. tubae. 2. Fig. 10. Embryo von Fig. 3. Derselbe wurde durch einen Medianschnitt getheilt, die äussere und innere Fläche der rechten Seite mit dem Prisma gezeichnet und beide Flächenbilder aufeinander gepasst. Die Contouren des äus- seren Flächenbildes sind roth gehalten, die Vorderdarmhöhle ist dunkel schraffirt. Der suleus tubo-tympanicus (st) fällt zusam- men mit dem primitiven äusseren Gehörgang. cas. Colliculus anterior superior. cai. colliculus anterior inferior. R. Basis der RATHKE'schen Tasche. b. Mittlerer Hirnbalken. + Fig. 11—19. Hühnerembryo von vier Tagen. Zusammenhängende Reihe von Querschnitten durch die obere Kie- mengegend bis zum dritten Kiemenbogen exclusive. Von 14 bis 18 ist blos Vorderdarmhöhle gezeichnet. m. medulla oblongata. g. Ganglion Gasseri. ch. Chorda dorsalis. ab. Arteria branchialis. vo. Oberkieferfortsatz. u. Unterkieferfortsatz. st. sulcus tubo-tympanicus. si. sulcus lingualis. c. colliculus palato-pharyngeus. !. Labyrinthbläschen. mr. Mundrachenhöhle. Fig. 15 u. 16 streift die erste Kiemenspalte. Fig. 20. Hiihnerembryo von vier Tagen. Frontalschnitt durch die Kiemenbogen. Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 149 I, II, III, IV. Kiemenbögen. ch. Chorda. ab. arteria branchialis. kt. Kiementasche. Die Verbindungsbrücke zwischen Ill. und IV. Bogen besteht blos aus Epidermis und Epithel. n. nodulus branchialis. ph. Pharynx. =. Fig. 21. Hiihnerembryo vom siebenten Tage. Schnittrichtung und Bezeichnung wie in Fig. 20. s. Stelle, die den Kiemennähten entspricht. >. Tafel VIII. Fig. 22—24. Embryo Fig. 3 (6 Tage). Querschnitt längs der ersten Kiemenfurche. mo. medulla oblongata. g. Ganglion Gasseri. ch. chorda. ab. arteria branchialis. cp. colliculus posterior. ca. colliculus anterior. st. sulcus tubo-tympanicus. si. sulcus lingualis. el. colliculus lingualis. cpp. colliculus palato - pharyngeus. m. meatus auditorius externus. mt. membrana tympani. 7. Labyrinth. 22 J. Kiemenfurche. +. Fig. 25. Querschnitt lings der ersten Kiemenfurche vom Embryo Fig. 6 (neun- ter Tag). Bezeichnung wie in Fig. 22. mu. Muskel. u. Unterkiefer. et. cavum tympani. si. sulcus lingualis. Fig. 26. Taubenembryo circa zehn Tage alt. Schnittrichtung ungefiihr wie in Fig. 23, ebenso Bezeichnung. !. Labyrinth. a. Auge. o. Oberkiefer. n. Nasenhöhle. 10 ph. Mund-Rachenhöhle. —. Fig. 27. Hühnerembryo vom zwölften Tage (Fig. 7). Schnittrichtung in Fig. 7 angegeben. gg. Ganglion Gasseri. ga. Ganglion acustic. Fig. : mw fea) W. Moldenhauer gt.. Ganglion tympanicum. ct. cavum tympani. c. knorpelige Columella. cp. colliculus posterior. ca. colliculus anterior. m. meatus auditorius externus. mt. membrana tympani. mm. musculus Masseter. !. Labyrinth. r. reticulum. cpl. canalis perilymphaticus. = pe Rehembryo von eirca 2 Ctm. Linge Schnittrichtung ähnlich der in Fig. 24. 1. Labyrinth. st. sulcus tubo-tympanicus. mt. “membrana tympani. ms. Mundspalte. - n. Nasenhöhle. ph. Mund-Rachenhihle. 7. Fig. 29 u. 30. Hiihnerembryo von vier Tagen. Frontalschnitt vom Embryo Fig. 2. Fig. Fig. : doe Fig. 29 trifft die noch offene Stelle der ersten Kiemenspalte, Fig. 30 die Trommelfellanlage. I, II, III. Kiemenbögen. ec. colliculus palato-pharyngeus. ch. Chorda. o. Auge. Die Sterne beziehen sich auf correspondirende Stellen, der Pfeil in Fig. 30 deutet die Richtung des suleus palato-pharyngeus an. Tafel IX. Hiihnerembryo vom siebenten Tage (Fig. 4). Frontalschnitt durch den hinteren Theil der I. Kiemenfurche. I, Il. Kiemenbögen. sb. sutura branchialis. et t ani > it. Cav. tympani. ® Embryo wie Fig. 31. Schnitt weiter vorwärts im Bereich des meatus auditorius gelegen. Der Pfeis deutet die Richtung des suleus an. m. meatus audit. st. sule. tympanic pe st. . tymp Fe 33 u. 34. Frentalschnitte durch einen viertägigen Hiihnerembryo, vergl. Fig. 20. Il, III, IV. Kiemenbögen. n. nodulus branchialis. t. Kiementasche. : MER) ab. Arteria branchialis. as Hühnerembryo von 30 Stunden. Querschnitt durch das untere Ende der Mundbucht, die noch kaum angedeutet ist. Lith Mt vLG Back, Leteate. —_—= © #* q S BY > V7 ; a Lith Anst wu Bach, Leipzig. Freaoorge us t i 50820208.-0,$ nn (= 1e EEETTESTLISE TIER, i682 (Sok SS iss mt obo} e|o{aTo) lop) oe en Lith Angst 7J.6 Sach Leipzig, thAnstv.JG Back, Leipzig. Li Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. Fig. Die Entwicklung des mittleren und des äusseren Ohres. 151 en. Endoderm. ec. Eetoderm. m. Mesoderm. ch. Chorda. v. Vorderdarmhöhle. = 36. Hühnerembryo vom Ende des zweiten Tages. Querschnitt durch die obere Kiemengegend. Bezeichnung wie in Fig. 35. 7. 37 u. 38. Hühnerembryo vom neunten Tage. Dorsales und ventrales Epithel der Tuba (¢) und des Cavum tym- pani (ct). ni 39. Hühnerembryo vom neunten Tage. Grund des Gehörganges. md. Mesoderm. >. 40. Von der Rückenhaut desselben Thieres. I. 41. Hiihnerembryo vom zwölften Tage. Uebergangsstelle des äusseren Gehörganges auf das Trommelfell. mt. äusseres Epithel des Trommelfells. m. Epithel des meatus auditorius. T- 12. Schnitt durch das Trommelfell eines zwölf Tage alten Hühnerembryo. ec. ectodermale, en. endodermale, m. mesodermale Schicht des Trommelfells. h. Horn- oder Epitrichialschicht. s. Schleimschicht. = 43. Querschnitt durch die Rückenhaut desselben Embryo. RT, 44. Querschnitt durch das Trommelfell eines l4tägigen Hühnerembryo. ec. Eetoderm. en. Endoderm. m. Mesoderm. p. Pigmentanhäufungen. =". 45 u. 46. Querschnitte durch das 'Trommelfell des erwachsenen Huhnes von einer diekeren und dünneren Stelle. ec. Eetoderm. en. Endoderm. m. Mesoderm. h. Hornschicht. s. Schleimschicht. 9. Gefiiss. b. Blutkörperchen. 2 1 Nachträgliche Bemerkungen zu meinem Aufsatze: „Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien.“ (Morphol. Jahrb. II. 3.) Von Dr. Wiedersheim, Privatdocent und Prosector in Freiburg i. Br. Mit 5 Holzschnitten. Kurz nach dem Erscheinen der obgenannten Abhandlung ging mir von Herrn Dr. G. Born eine Notiz zu, wofür ich ihm aus dop- pelten Gründen zu grossem Danke verpflichtet bin. Erstens bin ich dadurch in den Stand gesetzt, ein Versäumniss gut zu machen und zweitens kann ich dem Capitel über das Extremitäten-Skelet einige, wie ich glaube, nicht uninteressante Bemerkungen hinzufügen. B. theilte mir seinen auf der Naturf.-Versammlung zu Graz (1875) gehaltenen Vortrag: »Ueber das doppelte Centrale am Tarsus der Urodelen« mit und war so freundlich, auch die betreffenden Skizzen beizufügen. Ich hatte hiervon bei Abfassung meiner Arbeit keine Kenntniss und erfuhr erst jetzt von der Existenz eines zwei- ten Centrale im Tarsus von Menopoma. Auch B. war, seinen eigenen Mittheilungen nach, nicht der erste Entdecker desselben, sondern wurde »gleich, nachdem er gesprochen , von Professor Craus aus Wien darauf aufmerksam gemacht, dass ein doppeltes Centrale für Menopoma, wie er sich bestimmt erinnere, schon be- schrieben seic. Die richtige Angabe findet sich nun, wie ich durch B. erfahre, in Hyrrr’s bekannter Monographie über den Crypto- branchus japonicus, wo es im Text vom Tarsus von Meno- Die ältesten Formen des Carpus und ‘Tarsus der heutigen Amphibien. 153 poma also heisst: »Ceterum pedis partium numerus et configuratio a Cryptobrancho non discordant«: jeden Zweifel benimmt die zuge- hörige Abbildung, auf der zwei Centralia ganz deutlich unterschie- den sind. Ich war durch diese Thatsache sehr überrascht, da ich unab- hängig von Hykrr’s und Born’s Notiz schon früher Untersuchungen über das Hand- und Fusswurzelgelenk von Menopoma angestellt und dabei ganz andere Erfahrungen gemacht hatte. Ich fand den Tar- sus viel mehr in die Breite entwickelt und nicht so schmal und lang gestreckt, wie ihn B. auf seiner Skizze darstellt. Ferner waren nicht Carpale 4 und 5, sondern 3 und 4 verwachsen und endlich hatte ich keine Spur eines zweiten Centrale aufzufinden vermocht. Meine Untersuchungen bezogen sich damals nur auf den Tarsus der rechten Seite. Wie mir nun die Resultate von Born’s Studien bekannt wur- den, ging ich noch einmal an die Arbeit, in der Ueberzeugung, ich müsse mich früher getäuscht haben. Aber siehe da, der Tarsus der rechten Seite zeigte auch bei dem neu untersuchten Exemplar nur ein einziges, grosses Centrale, während ich linkerseits ein zwei- tes, wenn auch minimales, Centrale nachzuweisen im Stande war. Es lag somit hier derselbe Befund vor, wie er sich Born bei Cryptobranchus japonicus ergeben hatte, indem auch dieses Thier nur auf der einen Seite rechts) zwei Centralia besitzt, somit, wie B. ganz richtig bemerkt, in einem einzigen Individuum »den Vorgang illustrirt, der in der Phylogenese des ganzen Stammes vorgegangen ist, die Verschmelzung zweier Centralia zu einem«. Ich lasse hier meine Skizzen sowie diejenigen von Born, welche mir in zuvorkommendster Weise zur Verfiigung gestellt worden sind, ‚ zum Theil in verkleinertem Maassstabe, folgen. Jenen von Born habe ich ein B beigefiigt. (Figuren umstehend. Während sich also in dem Born’schen Exemplar von Menopoma beiderseits zwei stattlich entwickelte Centralia finden, stellte sich in dem von mir untersuchten Tarsus das eine davon nur in sehr ru- dimentiirer Weise dar und war nur auf einer Seite vorhanden, so dass man die Möglichkeit kaum ausschliessen darf, dass unter diesen Urodelen Individuen vorkommen können, welche rechter- wie linker- seits nur ein einziges Centrale besitzen. Was endlich die Conerescenz der verschiedenen Carpalia betrifft, so lege ich hierauf kein grosses Gewicht, indem ich schon durch 154 Wiedersheim, Die ältesten Formen des Carpus und Tarsus ete. frühere Studien (Salamandrina perspicillata und Geotriton fuseus. Würzburg 1875) darauf geführt worden bin, dass hierin nieht jene Gesetzmässigkeit waltet, wie man sie früher annehmen zu müssen Cryptobranchus jap. Menopoma Linker Tarsus von der Dorsal-Seite. Rechter Tarsus von der Volar-Seite. Menopoma. Rechter Tarsus von der Volar-Seite. Linker Tarsus von der Dorsal-Seite. glaubte. So finden sich nicht nur Schwankungen bei verschiedenen Exemplaren einer und derselben Art, sondern sogar Verschiedenhei- ten zwischen Rechts und Links an einem einzigen Individuum. Freiburg, im October 1876. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren und Arthrocochliden. Von Dr. Hermann von Ihering, Privatdocent der Zoologie und vergleichenden Anatomie in Erlangen. Mit Tafel X. Die vorliegende Abhandlung schliesst sich eng an die in mei- nem Werke!) iiber das Nervensystem der Mollusken gegebene Dar- stellung an, und es muss daher diese, im Allgemeinen wenigstens, als bekannt vorausgesetzt werden. Die Vergleichung des Nerven- systems der Arthrocochliden mit demjenigen der Amphineuren, die Ermittlung der Homologieen der einzelnen Centren und Nerven bei denselben ist vielleicht eine der schwierigsten Aufgaben, welche die vergleichende Anatomie der Evertebraten aufzuweisen hat. Auch jetzt, wo durch die im Folgenden mitgetheilten Untersuchungen eine breitere Basis für die Vergleichungen gewonnen ist, bleiben noch viele wichtige Fragen unbeantwortet, für die erst durch weitere Untersuchungen die Aussicht auf Erledigung gewonnen werden kann. Es waren vor allen die Fissurelliden, deren Nervensystem für das Verständniss der bei den übrigen Arthrocochliden vorliegenden Verhältnisse die wichtigsten Anhaltspuncte abgab. Dennoch blieb in Folge unzureichenden Materials gerade bei ihnen noch vieles un- klar, und es musste mir daher ganz besonders daran gelegen sein, hier weitere Beobachtungen anzustellen. Die Gelegenheit dazu bot sich mir im Herbste dieses Jahres in der K. K. zoologischen Station ') H. v. ImerıngG Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phy- logenie der Mollusken. Leipzig, W. ENGELMANN 1876. Morpholog. Jahrbuch. 3. 11 156 H. v. Ihering in Triest. Ich konnte daselbst meine Untersuchungen über Chiton controliren und ergänzen, sowie Vertreter der Gattungen Haliotis, Fissurella, Emarginula, Turbo, Turritella, Vermetus, Scalaria, Val- vata, Conus und Columbella untersuchen, deren Nervensystem ich im Folgenden besprechen werde. Erst nach Mittheilung der Beob- achtungen werde ich mich zur Erörterung der allgemeineren durch dieselben gewonnenen Resultate wenden. Durch die Untersuchung des Nervensystems von Chiton eine- reus!) war mir es gelungen, genauere Angaben über das Nerven- system der Chitoniden zu machen als das bis dahin anderen For- schern möglich gewesen. Dennoch blieben manche Lücken, da die betreffende Art sehr klein und die Präparation daher mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist. Es war daher eine Nachuntersuchung an geeigneterem Materiale sehr wiinschenswerth. Die Gelegenheit dazu bot sich in dem Chiton squamosus Poli der in Triest leicht zu haben ist. Ich bin dadurch jetzt in der Lage die früheren Angaben wesentlich zu vervollständigen. Im Allgemeinen passt auch für diese Species die früher vom Nervensysteme des Chiton einereus gegebene Darstellung. Eine sehr wichtige Ergänzung erleidet die- selbe aber in dem Nachweise, dass die beiden primären Pallial- nerven am hinteren Körperende bogenförmig in einander übergehen. Auch bezüglich der Bucealganglien und der Sublingualganglien sind genauere Beobachtungen gewonnen. An dem Suprapharyngealstrange ist die Scheidung in den Innen- und Aussenstrang wenig deutlich, so dass dieselbe wohl von unter- geordneter Bedeutung sein mag. Zur Seite der Mundmasse bildet der Suprapharyngealstrang jederseits ein echtes Cerebralganglion. Von diesem entspringen nach aussen hin der primäre Pallialnerv, nach innen die Wurzel des primären Pedalnerven und die Subpha- ringealcommissur. Der primäre Pallialnerv liegt seitlich unmittelbar nach innen von der Reihe der Kiemenblättchen, deren jedes einen Nerven aus ihm erhält. Hinten geht er wie schon bemerkt bogen- formig in denjenigen der anderen Körperseite über. Dabei liegen die primären Pallialnerven überall beträchtlich über den primären Pedalnerven, und sie hängen auch hinten nicht mit ihnen zusammen. Der Genitalnerv wurde nicht gesehen. Die primären Pedalnerven 1. ec. pag. 43 ff. Taf. VI Fig. 26. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 157 sind unter einander durch eine grosse Anzahl von Quercommissuren strickleiterförmig verbunden. Die Zahl derselben konnte nicht genau ermittelt werden, da die Präparation eine so schwierige ist, doch wird sich dieselbe ungefähr auf 20—30 belaufen. Sie ist also, wie auch schon für Chiton einereus hervorgehoben wurde, erheblich grös- ser als die Anzahl der (8) dorsalen Kalkplatten. Es geht daraus mit Sicherheit hervor, dass die äussere Segmentirung nicht auf die innere bezogen werden kann und dass daher diejenigen ganz im Irrthum waren, welche Chiton, — die »Käfersehnecke« —, seiner vielgliederigen Schale wegen zu den Gliederwürmern stellten. Nach hinten hin treten die beiden primären Pedalnerven näher an einan- der, wodurch die Länge der Quereommissuren abnimmt. Ausser dem primären Pallialnerven und dem primären Pedal- nerven entspringen aus dem Cerebralganglion noch die Subpharyn- gealcommissur und neben oder an dieser noch zwei andere Commis- suren. Die erste derselben ist die sympathische, die andere etwas weiter unterhalb jener entspringende begibt sich zu dem Sublingual- ganglion. Erstere läuft an der Mundmasse zu dem Buccalganglion, welches seitlich neben dem Oesophagus gelegen ist, da wo derselbe von der Mundmasse abtritt. Die Buccaleommissur ist ziemlich stark. Sie umgreift den Oesophagus an der Unterseite. Nahe am Buccal- ganglion zeigt sie eine spindelförmige Anschwellung von der meh- rere Nerven in die Mundmasse sich begeben. Weiter unten und hinten entspringt jederseits nicht weit von der Mittellinie ein Nerv, welcher auf die Zungenscheide tritt. Ganglien finden sich an der Ursprungsstelle dieser Nerven nicht, so dass also die Radulargang- lien eine nicht allen Arten von Chiton zukommende Bildung reprä- sentiren. Während die Bucealecommissur an der Unterseite des Oesophagus gelegen ist, existirt ausser ihr noch eine zweite weit feinere Commissur (a. bu. co. Fig. 1) zwischen den beiden Buceal- ganglien, welche an der Oberseite des Oesophagus liegt. Diese dorsale Buccaleommissur hat schon Ep. Branpr!) an Chiton fas- cicularis richtig erkannt. Ich selbst konnte mich von ihrer Exi- stenz bei Chiton einereus nicht überzeugen, wogegen es an dem günstigeren Chiton squamosus gut gelang. Nerven entspringen von ihr nicht. Nur die untere oder ventrale Bucealeommissur entspricht ', Ep. BrAnDT. »Ueber das Nervensystem von Chiton (Acanthochites) fascicularis«. Bull. de lacad. imp. des se. de St. Pétersbourg. Tom. XIII: 1869. pag. 462—466 Taf. 1. ul, 158 H. v. Ihering der Bucealeommissur der Arthrocochliden. Das wird sichergestellt durch die Lage unter dem Oesophagus und den Abgang der Nerven für die Radulascheide. Die dorsale oder accessorische Buecal- commissur der Chitoniden stellt eine besondere ihnen eigenthümliche Bildung dar, welche wohl auf eine Anastomose zwischen zwei peri- pherischen Nerven zurückgeht. Von dem Bucealganglion tritt aus- ser den schon genannten noch ein starker Nervenstamm ab, welcher an den Oesophagus tritt und den Darmtraetus innervirt. Die Sublingualganglien liegen an derselben Stelle wie bei Chi- ton cinereus, nämlich auf der s. g. Zunge. Wie dort sind auch hier beide Ganglien unter einander verbunden durch zwei Commis- suren. Dieselben sind aber von ganz ungleicher Stärke, so dass die diekere leicht in die Augen fällt, die andere schwerer zu erkennen ist. Von dem Sublingualganglion gehen Nerven in die Zunge. Die Commissur welche das Sublingualganglion mit dem Centralnerven- systeme verbindet, und deren Ursprung bei Chiton einereus nicht mit voller Sicherheit erkannt werden konnte, entspringt, wie ich jetzt be- stimmt constatiren konnte, nicht vom primären Pallialnerven, sondern vom Cerebralganglion, resp. von dem Anfangsstücke der Subpharyn- gealcommissur. Das Nervensystem von Chiton fascicularis, den ich auch unter- suchte, stimmt mit demjenigen von Chiton squamosus genau tiberein. Die dorsale Bucealeommissur ist hier weit leichter zu erkennen wie bei jener Species, da sie erheblich dieker und kürzer ist. An der unteren Buecalcommissur existirt in der Mitte ein unpaares kleines Ganglion, von welchem die beiden Nerven für die Radulascheide entspringen. Es sind also hier Radularganglien vorhanden, allein dieselben sind durch Berührung in der Mittellinie im ein einziges zu- sammengeschmolzen. Ueber das Nervensystem der Fissurelliden war ich nicht in der Lage völlig hinreichende Angaben zu machen, und es musste daher um so mehr mein Wunsch sein die gebliebenen Lücken bald auszu- füllen, als kaum eine andere Familie in so hohem Grade bedeu- tungsvoll ist für das Verständniss der bei den übrigen Arthrococh- liden bestehenden Verhältnisse. Die in Triest an sehr schönem Materiale angestellten Untersuchungen über das Nervensystem der Fissurella costaria Defr. haben in sehr erwünschter Weise die Lücken ausgefüllt, und dadurch viel zum besseren Verständnisse der schwierigen hier vorliegenden Fragen beigetragen. Das Nerven- Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 159 system der genannten Fissurella (Fig. 2) stimmt in sehr vie- ler Hinsicht mit demjenigen der von mir (l. e. pag. 74 ff. Taf. VI Fig. 27) genauer. untersuchten Fissurella maxima überein, unter- scheidet sich aber davon wesentlich in dem Mangel eines besonderen »Visceralganglion«, welches also ebenso wie bei Fissurella barbaden- sis Gm. und rosea Lam. mit dem primären Palliopedalganglion ver- schmolzen, resp. zugleich mit letzterem in dem secundiiren Palliope- dalganglion enthalten ist. Indem ich die eitirte Beschreibung des Nervensystems von Fiss. maxima als bekannt voraussetze, wende ich mich zur Besprechung der bei Fissurella eostaria obwaltenden Verhältnisse. Die Cerebralcommissur ist sehr lang und gibt jederseits einen starken Nerven in die Schnauze ab. Aus dem Cerebralganglion entspringen am vorderen Umfange mehrere Nerven für die Schnauze sowie der Tentakelnerv und der Sehnerv. Am hinteren Umfange des Cerebralganglion entspringt der sehr starke primäre Pharyn- gealnerv (1 Fig. 2). Das Verhalten desselben ist ganz so wie bei den früher untersuchten Fissurellen, bedarf daher keiner weiteren Besprechung. Am äusseren hinteren Ende des Cerebralganglion entspringen die Schlundeommissuren. Von ihnen ist die cerebrope- dale (ce. pe. co. Fig. 2) die stärkere. Letztere entspringt am Ce- rebralganglion nach innen von der Cerebrovisceraleommissur und näher am Ursprunge des primären Pharyngealnerven wie jene. Im Verlaufe zur Seite des Schlundes winden sie sich um einander herum. Unten tritt die Cerebropedalcommissur ganz vorn in die vorderste Partie des secundären Palliopedalganglion. Aus dem unteren Ende der Cerebropedaleommissur entspringt ein feiner Nerv (2 Fig. 2) wie das ja auch bei anderen Arthrocochliden z. B. bei Janthina vorkommt. Dicht vor dem vorderen Querrande des secundiiren Palliopedalganglion, in dem die beiderseitigen Cerebropedalcommissuren in einander iiber- gehen, liegen die grossen mit zahlreichen Otoconien erfüllten Otocysten. Ebenso wie die cerebropedalen Commissuren stehen auch die cerebro- visceralen an dem secundären Palliopedalganglion durch eine Quereom- missur unter einander in Verbindung. Diese Commissur (3 Fig. 2) ist bei frisch untersuchten Thieren leicht zu sehen, da sie durch ihre weisse Farbe sich scharf abhebt von der unter ihr liegenden Gang- lienmasse, welche eine dunkelgelbe Färbung aufweist. Letztere ist durch kleine Pigmentkörnehen bedingt, die in den Ganglienzellen sich befinden. Durch dieselbe weisse Färbung erkennt man auch leicht deft primären Pallialnerven, der hier ebenso wie bei Haliotis 160 H. v. Ihering an der Aussenseite des primären Pedalnerven gelegen ist. Letzterer ist bedeutend dieker als der primäre Pallialnerv. Da wo die beiden Cerebrovisceralcommissuren unter einander durch die vordere Quer- commissur verbunden sind, und wo diese sich seitlich nach hinten in den primären Pallialnerven fortsetzt, entspringt zwischen dem An- fangsstücke des letzteren und dem Ende der Cerebrovisceraleommis- sur jederseits die Visceralcommissur (v7. co. Fig. 2), auf deren Ver- halten ich später zu sprechen komme. Neben der rechten Visceral- commissur entspringt noch ein ziemlich feiner nach aussen in die Körperwand tretender Nerv (4 Fig. 2). In ähnlicher Weise ent- springt auch linkerseits von der bezeichneten vorderen Commissur ein feiner Nerv (5 Fig. 2). Derselbe wendet sich jedoch nicht direct nach aussen, sondern liegt der Visceraleommissur auf und ver- theilt sich erst weiterhin in den Mantel. Seitlich entspringen von dem primären Pallialnerven zahlreiche nach aussen in die Körperwand tretende Nerven. Hinten stehen beide primäre Pallialnerven durch eine hintere Quercommissur unter einander in Verbindung. Die Fort- setzung des Stammes des primären Pallialnerven liegt dem hinteren verjüngten Ende des primären Pedalnerven auf und löst sich in mehrere Nerven auf. Die beiden mächtigen primären Pedalnerven sind vorn durch eine dicke vordere Quercommissur unter einander verbunden, von der nach vorn jederseits die Cerebropedaleommissur entspringt, und hinten in gleicher Weise durch eine hintere Quercommissur, welche unter der oben erwähnten erheblich dünneren hinteren visce- ralen Quereommissur gelegen und mit ihr innig verbunden ist. In- dem die beiden primären Pedalnerven so vorn wie hinten durch Commissuren in einander übergehen, bleibt zwischen ihnen ein freier Raum von oblonger oder spindelförmiger Gestalt, dessen Breite also in der Mitte am grössten ist und nach vorn wie nach hinten hin abnimmt. Durch diesen freien Raum ziehen nun eine Anzahl von Quercommissuren, welche vom medialen Rande des primären Pedal- nerven ausgehen und sich zur entsprechenden Stelle des anderen hinbegeben. Die Zahl dieser Quercommissuren ist schwer zu er- mitteln. Es existiren nämlich ausser einer Anzahl von stärkeren auch mehrere sehr feine Commissuren, welche bei der Präparation leicht zerreissen. So lange das Palliopedalganglion sich noch in seiner natürlichen Lage befindet, lassen sich diese Verhältnisse schwer erkennen und bei der Herausnahme zerreissen die feineren durch abgehende Nerven fixirten Commissuren leicht. Doch glaube ich Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren etc. 161 durch oft wiederholte Untersuchung mich davon überzeugt zu haben, dass die Zahl derselben neun beträgt. Die Dieke derselben unter- liegt, wie schon bemerkt, erheblichen Schwankungen. Von mehreren derselben entspringt in der Mitte ein unpaarer Nerv, bei anderen kommen zwei Nerven aus der Quercommissur, bei anderen endlich treten keine Nerven von ihr ab, indem diese ganz nach dem Rande hin am primären Pedalnerven entspringen. Die primären Pedalnerven geben in die Fusssohle sowohl nach unten wie nach der Seite hin zahlreiche Nerven ab. In der Zahl derselben sowie in dem Verhalten derjenigen Nerven, welche vom primären Pallialnerven abtreten, lassen sich keine bestimmten Be- ziehungen zu den Quercommissuren nachweisen. Hinter der hinteren pedalen Quercommissur nähern sich die beiden primären Pedalnerven immer mehr der Mittellinie um schliesslich sich zu berühren. Sehr bemerkenswerth ist der Umstand, dass sie dabei unter einander noch durch zwei weitere kurze Quercommissuren (6 und 7 Fig. 2, verbun- den sind. ; Das Verhalten der Visceraleommissuren ist folgendes. Die linke (vl.co.s. Fig. 2) wendet sich im Bogen nach der rechten Seite hinüber, um an der rechten Körperwand angelangt an dieser in die Höhe zu steigen. Dabei liegt die Commissur unter dem Darme, resp. unter dem mächtigen Kropfe oder Vormagen, in welchen der Darm unmittelbar hinter der Mundmasse anschwillt. Weiter oben schwillt die linke Vis- ceralcommissur in ein kleines spindelförmiges Ganglion (Sd. Fig. 2) an, aus dem ein Nerv (8 Fig. 2) für den Mantel der rechten Seite entspringt, und welches also das Subintestinalganglion ist. Gegenüber dem eben erwähnten rechten Chiastopallialnerven 'S Fig. 2) entspringen drei andere sehr feine Nerven von dem Subinstestinalganglion. Von letzterem wendet sich die Visceraleommissur zu dem Abdominal- ganglion (Ab. Fig 2), welches über dem Darme in der Gegend des Nackens, also unter dem Boden der Kiemenhöhle dicht an der Haut anliegt. Die rechte Visceraleommissur wendet sich erst nach rechts und läuft dann an der Körperwand nach oben und gegen die linke Seite hinüber, wobei sie nach vorn von der linken Visceraleommis- sur gelegen ist. Oben an der Decke der Leibeshöhle in der Nacken- gegend bildet sie das Supraintestinalganglion (Spr. Fig. 2) und dann tritt sie in’s Abdominalganglion. Aus letzterem entspringt ein einziger starker Nerv (10 Fig. 2) vermuthlich der Genitalnerv, über dessen 4 weiteres Verhalten jedoch nichts Näheres ermittelt werden konnte. 162 H. v. Ihering Das Nervensystem von Fissurella (sp) ') stimmt mit demjenigen der eben behandelten Art im Allgemeinen völlig überein, unterscheidet sich aber wesentlich darin, dass die Zahl der freien Quercommissuren zwischen den beiden primären Pedalnerven eine weit geringere ist, indem sich nämlich deren nur vier vorfinden, die alle gleich dick sind. Das Nervensystem von Emarginula Huzardi Payr. Fig. 3) ist demjenigen von Fissurella costaria so ähnlich, dass es ge- nügt die Differenzen hervorzuheben. Die Cerebralganglien und das sympathische Nervensystem bieten keine Abweichungen dar. Dicht oberhalb des Ursprunges der linken Visceraleommissur ent- springt ein feiner vorderer Mantelnerv (9 Fig. 3), und in ganz ähn- licher Weise findet sich auch rechts ein Nerv 10 Fig. 3), der jedoch nach unten von der rechten Visceralcommissur entspringt. Die pri- mären Pedalnerven sind unter einander verbunden durch fünf starke Quercommissuren. Von denselben entspringen, wenn ich darin auf meine Präparation mich verlassen darf, keine Nerven, mit Ausnahme nur der dritten (3 Fig. 3), von welcher nach rechts von der Mittel- linie ein feiner in die Fusssohle tretender Nerv entspringt. Hinter der fünften Quercommissur sind die beiden seitlichen Hälften des Palliopedalganglion unter einander verbunden durch eine sehr dieke etwas schräg von rechts nach links und hinten laufende Commissur (6 Fig. 3). Hinter ihr läuft die Verlängerung jeder Hälfte des Palliopedalganglion in einen starken Nervenstamm verjüngt nach hinten weiter, biegt dann bogenförmig nach aussen und löst sich in mehrere Aeste auf. Vorher sind beide Stämme untereinander noch durch zwei Quercommissuren (7 und 8 Fig. 3) verknüpft. Die vom Palliopedalganglion und den Verlängerungen entspringenden zahl- reichen Nerven lassen keine deutlichen Beziehungen zu den Quercom- missuren erkennen, weder nach der Ursprungsstelle, noch auch nach Zahl und Stärke. Das Nervensystem der Trochiden stimmt sehr mit demjenigen der Zeugobranchien überein. Nur ist die bei Fissurella eingeleitete Verschmelzung der Seitenhälften der secundiren Palliopedalganglien- masse eine complete. Genauer untersucht wurde Turbo marmo- ratus L. Die Cerebraleommissur ist lang und gibt jederseits nahe am Cerebralganglion einen Nerven ab. Der primäre Pharyngeal- nerv und die Buccalganglien verhalten sich wie bei Fissurella. Be- ') Vielleicht F. graeca oder eine nahestehende Art. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren etc 163 sondere Commissuralganglien existiren nicht, sie sind noch nebst den Pedalganglien in der secundiiren Palliopedalganglienmasse enthalten. Diese stellt eine grosse einfache Ganglienmasse dar, welche sich nach hinten in zwei grosse starke Pedalnerven fortsetzt und seitlich die Visceraleommissuren abgibt, sowie (nur?) rechts einen ziemlich starken secundären Pallialnerven. Bei dieser Art, sowie bei Trochus zizyphinus L. verhalten sich die Kiemen nicht so wie es früher (l. e. pag. 70) von mir angegeben wurde, indem nämlich nur eine zweifiederige links gelegene Kieme existirt, welche an der Spitze frei ist. Die früher gemachten Mit- theilungen bezogen sich auf Turbo (Livona) pica. Es geht daraus hervor, dass sich bezüglich der Kiemen innerhalb der Trochiden er- hebliche Differenzen vorfinden. Das Nervensystem von Vermetus gigas Bid. (Fig. 4) stimmt nach meinen Untersuchungen so sehr mit demjenigen der von LACAZE-DU’THIERS !) untersuchten Arten (V. triqueter Bid. und semisurreetus Bid.) überein, dass ich die folgenden Bemerkungen wohl auch an die Besprechung der Angaben des genannten Beob- achters hätte einfach anschliessen können. Da jedoch die Deutung der einzelnen Nerven und Commissuren eine genaue Beschreibung des Verlaufes derselben voraussetzt, so entschloss ich mich zur Mit- theilung meiner Beobachtungen um so lieber, als auch die Erörte- rung des Nervensystems von Turritella eine genaue Kenntniss der bei Vermetus bestehenden Verhältnisse erheischt. Die Cerebralganglien sind durch eine ziemlich lange Cerebral- commissur untereinander verbunden. Am vorderen Umfange des Cerebralganglion entspringen die Nerven. Ich verweise bezüglich derselben und ebenso hinsichtlich des Verhaltens der hinteren Par- tie der Visceralcommissur ganz auf die treffliche Darstellung bei Lacaze-Durniers. Hier kommt mir es nur darauf an diejenigen Theile des Centralnervensystems zu besprechen, welche ein von den meisten andern Chiastoneuren abweichendes und schwer zu verste- hendes Verhalten aufweisen. Am äusseren seitlichen Rande des Cerebralganglion entspringt die Cerebropedaleommissur und hinter ihr die erheblich diekere Cerebrovisceraleommissur. Diese Com- ' H. pe LAcAze-Dutniers. Memoire sur l’anatomie et lembryogenie des Vermets. Ann. d. sciene. nat. 4. Sér. Tom. 13. 1860. pag. 209 — 296. Pl. 4—9. 164 H. v. Ihering missuren verhalten sich -an beiden Seiten nicht gleich. Sie sind links erheblich länger wie rechts, wo namentlich die Cerebrovisce- ralcommissur ausserordentlich kurz ist, so dass die betreffenden bei- den Ganglien dieht an einander liegen. Die Ursache dieser Asym- metrie bildet offenbar die ungleiche Vertheilung der Commissuren, namentlich der Verlauf der rechten über den Darmtractus nach links hin. Daher ist denn auch die Visceropedaleommissur rechts länger wie links. Beide Pedalganglien sind unter einander verknüpft durch eine ziemlich lange Pedalcommissur. Aus jedem Pedalganglion tritt ein einziger sehr starker Nervenstamm in die Fusssohle. Die Com- missuralganglien verhalten sich auch nach ihrer Gestalt und hin- sichtlich der von ihnen entspringenden Nerven an beiden Seiten ver- schieden. Das rechte Commissuralganglion (Co. Fig. 4) hat eine ovale oder spindelförmige Gestalt; es verlängert sich an dem einen, dem Ursprunge der Visceropedalcommissur entgegengesetzten Pole in die nach links hinlaufende Visceraleommissur. Letztere läuft schräg nach links und hinten über den Darm hin und bildet an der linken Seite das Supraintestinalganglion (Spr. Fig. 4), aus welchem zwei etwas stärkere und ein feinerer Nerv nach aussen in die Sei- tenwandung des Körpers treten, während am hinteren Umfang die Fortsetzung der Visceraleommissur abtritt. Am hinteren Umfange des rechten Commissuralganglion entspringen zwei Nerven. Der stär- kere von ihnen 1 Fig. 4) läuft nach hinten und abwärts um sich dann bald zu spalten in zwei starke Nerven, von denen der eine 3 Fig. 4) zum linken Commissuralganglion läuft, aus dem er ent- springt, indessen der andere (4 Fig. 4 sich nach aussen wendet um nach langem Verlaufe im Innern der Körperwand sich in den Mantel der rechten Seite zu vertheilen. Neben dem Nerven 1 ent- springt ein erheblich feinerer (2 Fig. 4) der gleichfalls nach hinten läuft, sich aber dann nieht in den Mantel begibt, sondern in der Wandung der rechten Körperseite nach hinten zieht. Nach LAcAZE- Durmiers soll er mit dem rechten Chiastopallialnerven (7 Fig. 4) anastomosiren. Ich habe mich von der Richtigkeit dieser Angabe nicht überzeugen können, kann sie aber auch nicht für unriehtig er- klären, da mir die Präparation des sehr feinen Nerven nieht mit der erfotderlichen Genauigkeit gelang. Doch wäre es auch keines- wegs unmöglich, dass in dieser Hinsicht bei den verschiedenen Ar- ten Differenzen vorkämen. Viel Werth glaube ich auf diesen Punct nieht legen zu müssen, da es nicht zweifelhaft sein kann, dass die Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 165 Interviseeraleommissur von Turritella ihr Homologon in der dureh den Nerven 3 gebildeten Anastomose besitzt. Das linke Commissuralganglion ist grösser als das rechte und vorn dieker als hinten, wo es sich in zwei starke Stämme fortsetzt. Von diesen ist der eine, welcher quer auf dem Boden der Leibes- höhle und unter dem Oesophagus nach der rechten Seite hinüber- läuft, der schon erwähnte Nerv 3, welcher mit dem Nerven I ana- stomosirt und dadurch einen besonderen accessorischen Schlundring bildet. Neben ihm entspringt die linke Visceraleommissur (v7. co. s. Fig. 4), welche zwar auch schräg nach der linken Seite hin auf dem Boden der Leibeshöhle verläuft, aber dabei mehr nach hinten gerichtet ist. Sie bildet an der rechten Seite kein Subintestinal- ganglion, indem sie da, wo der Chiastopallialnerv (7 Fig. 4) aus ihr entspringt, nicht gangliös verdickt ist. Etwas oberhalb der Vis- ceralcommissur entspringt aus dem linken Commissuralganglion ein feiner Nerv 5 Fig. 4), welcher in der Körperwand nach hinten läuft und also dem Nerven 2 der rechten Seite entspricht. Ober- halb dieses Nerven entspringt noch ein sehr starker Nerv (6 Fig. 4), welcher sich nach aussen wendet um sich in den Mantel der linken Seite zu verbreiten und der auch zur Kieme Zweige gibt. An sei- ner Basis entspringt ein sehr feiner Nerv, der wohl nur als ein früh entspringender Zweig des Hauptnerven anzusehen ist. Wenden wir uns nun zur Deutung der einzelnen Nerven und Commissuren. Die Visceraleommissuren verhalten sich in ihrem Verlaufe ganz wie bei den anderen Chiastoneuren. Besonders be- merkenswerth ist es, dass die aus den Commissuralganglien ent- springenden und in den Mantel sich verbreitenden secundären Pallialnerven so deutlich ausgebildet sind. Links ist ohne Frage der starke Mantelnerv No. 6 der secundiire Pallialnerv, von dem wahrscheinlich der Nerv 4 einen abgelösten Zweig darstellt. Rechts liegt das Verhältniss weniger klar, da auf den ersten Blick es den Anschein hat, als entspringe kein Mantelnerv aus dem rechten Com- missuralganglion, indem man geneigt sein könnte den Nerven 1 als den rechten Theil einer Commissur anzusehen, die mit dem Nerven 3 einen accessorischen Schlundring bilde, aus welchem dann der Nerv 4 entspringe. Bei genauer Prüfung überzeugt man sich jedoch, dass der Nerv 4 die Fortsetzung von Nerv 1 ist, während 3 nur einen anasto- mosirenden Ast darstellt. Hierdurch wird denn das zuerst so schwer verständliche Verhalten erklärt und es gelingt leicht die Verhältnisse bei Vermetus mit den bei den anderen Chiastoneuren bestehenden zu 166 H. v. Ihering vergleichen, da es sich lediglich um eine Anastomose im peripheri- schen Nervensysteme handelt, durch welche ein aus dem linken Commissuralganglion stammender Nerv (3) in Verbindung steht mit dem rechten secundiren Pallialnerven (= 1 und 4 in Fig. 4). Durch das eben besprochene merkwürdige Verhalten des Vis- ceralnervensystems weicht Vermetus in bemerkenswerther Weise von den andern Chiastoneuren ab, unter denen sich nur eine Familie findet, bei welcher das gleiche resp. ein ähnliches Verhalten ange- troffen wird, nämlich diejenige der Turritelliden. Dasselbe wird weiter unten näher erörtert werden, zuvor mag jedoch die Beschrei- bung des Nervensystems von Turritella eingeschaltet werden. Das Nervensystem von Turritella communis (Fig. 5a und 5b), zu dessen Beschreibung ich mich wende, ist zwar schon früher von mir untersucht worden, jedoch an unzureichendem Mate- riale, so dass weitere Untersuchungen sehr wiinschenswerth sein mussten. Durch dieselben sind nun die früher von mir gegebenen l. e. pag. 91) kurzen Angaben völlig bestätigt worden, so dass über die Zugehörigkeit der Turritellen zu den Chiastoneuren kein Zweifel mehr obwalten kann. Die Cerebralganglien sind unter ein- ander durch eine kurze sehr breite Commissur verbunden. Nach unten grenzt an das Cerebralganglion unmittelbar das durch eine sehr kurze Commissur mit ihm verbundene Commissuralganglion. Die Pedalganglien sind unter einander durch eine kurze breite Commis- sur verbunden. Die Visceropedaleommissur ist etwas dicker als die cerebropedale. Das Verhalten des Visceralnervensystems ist fol- sendes. Aus dem rechten Commissuralganglion entspringt ein sehr starker Nervenstamm, die rechte Visceraleommissur , welche über den Darm hin nach links läuft zum Supraintestinalganglion. Aus dem linken Commissuralganglion läuft unter dem Darme nach rechts hin ein kurzer sehr dieker Stamm, die linke Visceraleommissur, welche dicht unterhalb des rechten Commissuralganglions in das Subinte- stinalganglion tritt. Letzteres Ganglion liegt unmittelbar unter dem Commissuralganglion, so dass es nicht sofort gelingt beide von ein- ander zu unterscheiden. Bei genauerer Präparation erkennt man beide deutlich, aber man überzeugt sich auch zugleich davon, dass sie unter einander durch eine deutliche Commissur verbunden sind @. vi. co. Fig. 5a), deren Länge ungefähr dem Durchmesser des Subintestinalganglion gleichkommt. Ich will diese Commissur als Intervisceraleommissur bezeiehnen. Vom Subintestinalganglion Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 167 aus wendet sich die Visceraleommissur nach hinten um im Abdomi- nalganglion mit derjenigen der anderen Seite, welche vom Suprain- testinalganglion kommt, sich zu vereinigen. Hinsichtlich der Nerven ist Folgendes zu bemerken. Aus dem Cerebralganglion entspringen an der äusseren Seite der Tentakel- nerv und neben ihm der Sehnerv. Aus dem verjüngten Vorderende des Cerebralganglion entspringen mehrere in die Schnauze tretende Nerven. Unter ihnen befindet sich auch die sympathische Commis- sur, welche zum Bucealganglion tritt. Beide Buccalganglien sind untereinander verbunden durch eine kurze Buccalcommissur. Aus dem linken Commissuralganglion entspringt ein ziemlich starker in die Körperwand und den Mantel sich begebender Nerv (1 Fig. 5a) ; er ist der linke secundäre Pallialnerv. Der entsprechende Nerv der rechten Seite (2 Fig. 5a) ist bedeutend feiner. Aus dem Suprain- testinalganglion entspringen zwei feine, aus dem Subintestinal- ganglion ein einziger etwas stärkerer Nerv (die Chiastopallialner- ven). Von den beiden aus dem Abdominalganglion entspringen- den Nerven ist der stärkere wahrscheinlich der Genitalnerv. Vom hinteren Umfange des Pedalganglion treten mehrere Nerven in den Fuss. Am vorderen Umfange des Pedalganglion liegt die Otocyste, welche einen einzigen kugelrunden Otolithen von 0,15 Mm. Grösse enthält. Der Hörnerv entspringt aus dem Cerebralganglion, zu dem er mit der Cerebropedalcommissur läuft. Turritella zeigt somit hinsichtlich des Nervensystems ganz die für die Chiastoneuren typischen Verhältnisse, bietet jedoch in einer Beziehung eine sehr auffallende Abweichung dar. Es ist das die zwischen dem rechten Commissuralganglion und dem Subintestinal- ganglion befindliche Commissur, die Intervisceralcommissur, wie ich sie nannte. Sehen wir uns unter den übrigen Familien der Chiasto- neuren um nach ähnlichen Einrichtungen, die man zur Erklärung heranziehen könnte, so treten uns nur die Vermetiden entgegen. Es wurde oben dargethan wie bei Vermetus eine Anastomose zwischen dem linken Commissuralganglion und rechten primären Pallialnerven existirt. Denkt man sich den Ursprung dieser Anastomose von dem oberen Ende der Visceraleommissur verschoben gegen das Sub- intestinalganglion resp. den Chiastopallialnerven hin und dieselbe gleichzeitig verkürzt, so hat man das bei Turritella angetroffene Ver- hiltniss. Sowohl die Lage der Ursprungsstelle der Nerven von den Commissuren als auch die absolute Länge der einzelnen Nerven und Commissuren unterliegt bekanntermassen den grössten Schwankun- 168 H. v. Ihering gen, so dass eine solche Erklärung durchaus nichts unwahrschein- liches enthält. Gemeinsam ist eben beiden Familien, den Vermetiden wie den Turritelliden, die Existenz einer besonderen Anastomose zwischen der linken Visceraleommissur und dem rechten Commissural- sanglion, resp. dem aus ihm entspringenden secundiiren Pallialnerven. Dass das Verhalten von Vermetus in der That für die Erklärung der Interviseeraleommissur von Turritella herangezogen werden darf und muss, geht nicht nur daraus hervor, dass ähnliche Bildungen bei anderen Familien sich, soweit bekannt, nicht vorfinden, sondern auch aus dem Umstande, dass ebenso wie nach dem Nervensysteme auch nach den übrigen Organsystemen, namentlich nach der Schale und dem Gebisse, die Vermetiden als die nächsten Verwandten der Turritelliden erscheinen. Die Uebereinstimmung, welche zwischen den genannten beiden Familien bezüglich des Nervensystems besteht, ist daher nichts weniger als zufällig. Indem hinsichtlich des Verhaltens der Intervisceraleommissur sowie ferner im Mangel eines deutlichen Subintestinalganglion Ver- metus die tiefere Stufe einnimmt, wird man phylogenetisch die Ver- metiden für die älteren von beiden Familien halten müssen. Dem widerspricht nur scheinbar der Umstand, dass die Schale der Ver- metiden in der Jugend spiralig gewunden ist wie die der Turritel- len, denn die Unregelmässigkeit des Gewindes ist erst innerhalb der Vermetiden erworben und daher auch nicht bei den Turritellen vor- handen, welche schon sehr früh von den Vermetiden sich abgezweigt haben müssen. Sealaria hatte ich früher nicht zur Untersuchung erhalten kön- nen und es musste deshalb bisher die Frage nach der Stellung der Scalarien im Systeme noch als eine offene betrachtet werden. Bekannt- lich hatten die Untersuchungen über den Bau der Radula, welche so vielfach zu überraschenden und mit den conchyliologischen Clas- sifieationen unvereinbaren Ergebnissen führten, die Solariiden, Jan- thiniden und Sealariiden als nächstverwandte Familien erkannt, welche in eine Unterordnung der Ptenoglossa vereint wurden. Durch die anatomische Untersuchung der Thiere erst konnte entschieden werden, ob die in der Schale oder die in der Radula sich doeumen- tirende Aehnlichkeit den wahren Sachverhalt zum Ausdruck bringe. Die Untersuchung des Nervensystems von Janthina und von Sola- rium hatte die durch die Radula zuerst erkannte nahe Verwandt- schaft beider Gattungen in einer Weise bestätigt, welche es in hohem Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 169 Grade wahrscheinlich machen musste, dass auch der nach der Ra- dula den Scalarien angewiesene Platz der richtige sein müsse, im Gegensatze zu der bei Berücksichtigung der Schale sieh aufdrän- genden Vermuthung naher Beziehungen zwischen Sealarien und Turritellen. Die im Folgenden enthaltenen Angaben über das Ner- vensystem von Scalaria communis (Fig. 6) bringen diese Frage zum Austrage, indem aus denselben in unzweideutiger Weise die nahe Verwandtschaft von Sealaria und Janthina hervor- geht. Das Nervensystem von Sealaria, weit davon entfernt wie dasjenige von Turritella den Typus der Chiastoneuren aufzuweisen, schliesst sich vielmehr so eng an dasjenige von Janthina an, dass es hier keiner eingehenden Beschreibung des Nervensystems von Sealaria communis bedarf, sondern dass es genügt auf meine Darstel- lung vom Nervensysteme der Janthina planispirata') hinzuweisen und nur die Differenzen hervorzuheben. Die Cerebraleommissur ist nicht ganz so lang wie bei Janthina. Das Commissuralganglion liegt un- ter dem Cerebralganglion, mit dem es durch eine kurze aber deut- liche Cerebrovisceraleommissur verbunden ist. Die Pedalganglien sind durch eine sehr kurze Commissur unter einander verbunden, deren Länge kaum der Hälfte des Durchmessers des Pedalganglion gleichkommt. Hierin unterscheidet sich Scalaria wesentlich von Janthina, wo die Pedaleommissur eine beträchtliche Länge besitzt. In der Kürze der Pedaleommissur und in der deutlichen Ausbildung der Cerebrovisceralcommissur bietet Scalaria Merkmale dar, dureh welche diese Gattung wenigstens bezüglich des Nervensystems auf einer etwas tieferen Stufe steht als Janthina. Auch die Buceal- commissur ist bei Scalaria bedeutend kürzer wie bei Janthina. Sehr lang ist die Cerebrobuccaleommissur. Das Abdominalganglion liegt wie bei Janthina ganz rechts, weshalb die linke Visceraleommissur viel länger ist wie die rechte. Aus dem Abdominalganglion ent- springen mehrere Nerven und aus der linken Vincerzieoa kommen deren zwei, die in den Spindelmuskel treten und wohl “den Nerven 7 und 9 von Janthina entsprechen. Ein sehr starker nach aussen in die seitliche Körperwand und den Mantel tretender Nerv entspringt links aus dem Cerebralganglion. Ob ein Branchialgang- lion und die zu ihm vom rechten Commissuralganglion ziehende Commissur vorhanden ist, vermag ich nicht zu sagen. Hinsichtlich der Hirnnerven sei nur noch erwähnt, dass der Sehnerv dicht neben 1) H. v. Inerıng. Nervensystem. Tab. VII Fig. 28, pag. 107 ff. 170 H. v. Ihering 4 dem starken Tentakelnerven, entspringt. Aus dem Pedalganglion tritt ein sehr starker Nerv nach hinten in die Fusssohle. Am vorderen Rande des Pedalganglion liegt die Otocyste, welche einen einzigen kugelrunden 0,07 Mm. grossen Otolithen enthält. Der Hörnerv entspringt nicht aus dem Pedalganglion. Er konnte eine Strecke weit deutlich gegen das Cerebralganglion verfolgt werden. Aus dem soeben mitgetheilten Befunde geht mit Sicherheit her- vor, dass Scalaria, Janthina und Solarium wie im Gebisse so auch im Nervensystem einander sehr nahe stehen, und dass daher die Unterordnung der Ptenoglossa (Gray) Trosch. als eine sehr wohl- begründete anzusehen ist. Das Nervensystem von Valvata piscinalis stimmt mit dem- jenigen von Neritina und Ampullaria im allgemeinen überein, doch be- dürfen meine an zu kleinen Thieren angestellten Untersuchungen noch der Prüfung. Die Cerebralcommissur ist kurz, die Buecalganglien liegen nahe an einander. Die Pedalcommissur ist kurz und dick. Hinter den Pedalganglien liegen die beiden Commissuralganglien, welehe unter einander durch eine ziemlich kurze, übrigens nicht deutlich genug erkannte Quercommissur verknüpft sind, und von denen wohl das rechte auch das Abdominalganglion enthält. Aus dem linken Commissuralganglion kommt ein stärkerer Nervenstamm, der nach hinten läuft und sieh dabei im Bogen auf dem Boden der Leibeshöhle , also auf der oberen Fläche der Fusssohle nach rechts wendet. Er innervirt den Spindelmuskel und die Masse der Körperwand. Bedarf, wie bemerkt, auch das Nervensystem von Val- vata einer nochmaligen Untersuchung an günstigerem Material, so dürfte doch die Zugehörigkeit von Valvata zu den Orthoneuren wahrscheinlich gemacht sein. Das Nervensystem der Columbelliden ist bisher noch nicht untersucht worden, so dass die folgenden Mittheilungen über das Nervensystem von Columbella rustica L. nicht unerwünscht sein dürften. Das Nervensystem dieser Schnecke zeigt ganz die für die übrigen Rhachiglossen characteristischen Verhältnisse. Die sämmt- lichen Ganglien des Centralnervensystems liegen dicht.an einander gedrängt um den Oesophagus, hinter oder richtiger unter dem Rüs- sel. Die Cerebralganglien berühren sich in der Mittellinie. Direct unter ihnen liegen etwas nach vorn hin die in der Mittellinie an- einander stossenden Pedalganglien. Hinter ihnen liegen die drei Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 171 Ganglien des Visceralnervensystems. Die Commissuralganglien stossen nach vorn dicht an die Pedalganglien, während das Abdominalganglion, welches zwischen den Commissuralganglien gelegen ist, etwas mehr zurückgelegen ist. Auf diese Weise bleibt zwischen den pedalen und den visceralen Ganglien eine mittlere kleine Oeffnung. Mit dem rech- ten Commissuralganglion ist das Branchialganglion durch eine sehr kurze, dieke Commissur verbunden. Die Otocyste liegt am Pedal- ganglion, ist 0,18 Mm. gross und enthält einen einzigen kugelrun- den 0,1 Mm. grossen Otolithen. Das Nervensystem der Toxoglossen ist bisher nur sehr unge- nügend bekannt geworden. In der älteren Literatur liegt nur die wenig genaue Untersuchung des Conus mediterraneus bei Pour!) vor. Ich selbst hatte dann Gelegenheit das Nervensystem von Co- nus literatus zu untersuchen, jedoch nur an einem nicht sehr gut erhaltenen Alkoholthiere. Es war mir daher sehr erwünscht in Triest den Conus mediterraneus Brug. untersuchen zu können. Das Nerven- system desselben zeigt im Allgemeinen ganz die Verhältnisse, welche ich als characteristisch für dasjenige von Conus literatus hervorgehoben habe. Die Commissuralganglien sind innig mit den Cerebralganglien ver- schmolzen und bilden mit ihnen zusammen eine einzige grosse Ganglien- masse, welche dicht hinter dem kurzen Rüssel, über der Speiseröhre gelegen ist. Die hintere äussere Portion derselben wird jederseits von den Commissuralganglien gebildet, welche nur undeutlich sich gegen die Cerebralganglien absetzen. Die Pedalganglien berühren sich in der Mittellinie. Von den beiden Commissuren, die jederseits das Pedal- ganglion mit der oberen Ganglienmasse verbinden, ist die viscerope- dale, also die hintere, die diekere. Hinter der letztgenannten Commis- sur entspringt die Visceralceommissur, welche direct nach unten steigt um mit derjenigen der anderen Seite in dem Abdominalganglion zu- sammenzustossen. Jede Visceraleommissur ist sehr kurz, so dass der viscerale Schlundring kaum weiter ist als derjenige, welcher von den Pedalganglien und ihren Commissuren gebildet wird. In dieser Hinsicht finden sich mithin innerhalb der Toxoglossen , ja inner- halb der Conoideen bemerkenswerthe Unterschiede, da bei Conus literatus die Visceraleommissur sehr lang ist, das Abdominalganglion also weit von den Commissuralganglien entfernt liegt. Da bei den’ Rhachiglossen , von denen die Toxoglossen phylogenetisch abzulei- 1) H. v. Ihering. Nervensystem. pag. 125. Morpholog. Jahrbuch. 3. 12 172 H. v. Ihering ten sein dürften, die Visceraleommissur sehr kurz ist, so wird wohl die Verlängerung der Visceraleommissur einen innerhalb der Toxoglossen erworbenen, vielleicht nur einem kleinen Theile dersel- ben zukommenden Zustand repräsentiren. Ob ein Branchialganglion. existirt, konnte auch hier nicht erkannt werden, doch ist der Bran- chialnerv vorhanden. Die Bucealganglien sind klein; sie sind un- tereinander durch eine ziemlich lange Buccaleommissur verbunden. Sie liegen nahe vor den Cerebralganglien an der Unterseite des Rüssels. Durch den von ihnen und den sympathischen Commissu- ren gebildeten vordersten Schlundring tritt ausser dem Oesophagus auch der Ausführgang der Giftdrüse durch. Aus dem Abdominal- ganglion entspringen zwei starke Nerven, von denen der eine mehr nach rechts entspringende sich in die Körperwand der rechten Seite und den Spindelmuskel begibt, wogegen der andere nach Abgabe eines Astes für den Spindelmuskel weiter nach hinten zieht, wahr- scheinlich um zu den Eingeweiden mit Ausschluss des Darmtractus Nerven zu geben. Doch bedarf letzterer Punet noch weiterer Er- forschung. Aus dem Pedalganglion entspringen zahlreiche Nerven für den Fuss. Die 0,28 Mm. grosse Otocyste enthält einen einzigen kugelrunden 0,136 Mm. grossen Otolithen. Wenden wir uns nun zur vergleichenden Besprechung der ein- zelnen Theile des Centralnervensystems. Zunächst ist durch die hier mitgetheilten Untersuchungen das schon früher ausgesprochene Ergebniss entschieden bestätigt worden, dass nämlich das Pedalgang- lion der Arthrocochliden nicht demjenigen der Platycochliden homo- log sei, sondern dass es aus einer echten Bauchganglienkette dureh seeundäre Verschmelzung hervorgegangen, in derselben Weise wie die einfache Bauchganglienmasse der brachyuren Decapoden oder der Spinnen u.a. aus der gegliederten Ganglienkette entstand. Da- bei bilden gerade die Fissurelliden ein sehr instructives Zwischenglied, indem bei ihnen die Verschmelzung noch nicht sehr weit gediehen ist, so dass zwischen den beiden Hälften der Palliopedalganglien- masse noch Quercommissuren ausgespannt sind. Dennoch sind die früheren Angaben durch die vorliegenden Untersuchungen nicht un- wesentlich modifieirt. Es war mir nämlich früher nicht gelungen das Verhalten der primären Pallialnerven bei den Fissurellen zu er- kennen und ich glaubte daher, dass dieselben sich innerhalb der Arthrocochliden noch erhalten hätten in den aus den Commissural- ganglien entspringenden Nerven. Jetzt aber hat sich das Verhält- Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 173 niss so gestaltet: bei Chiton liegen die primären Pallialnerven nach aussen und oben von den primären Pedalnerven und sie gehen hin- ten im Bogen in einander über, wobei sie dieht über das hintere Ende der primären Pedalnerven hinlaufen ohne aber mit ihnen zu- sammenzuhängen. Die Quercommissuren sind nur zwischen den pr. Pedalnerven ausgespannt. Bei Haliotis liegen die pr. Pallialnerven dieht an den pr. Pedalnerven an. Hinten gehen sie nicht in einan- der wie bei Chiton über, sondern sie verschmelzen mit den pr. Pe- dalnerven. Die hinterste Quercommissur zwischen letzteren enthält daher wohl auch Fasern, durch welche die pr. Pallialnerven unter einander verbunden sind. - Bei Fissurella und Emarginula findet sich nun genau dasselbe, nur sind die betr. Längsnervenstämme bedeutend verkürzt unter Zunahme der Dicke. Die primären Pedal- nerven stechen bei Fissurella schon durch ihre gelbe Farbe deutlich gegen die nach aussen von ihnen liegenden, weiss erscheinenden pr. Pallialnerven ab. Die Quercommissuren befinden sich nur zwischen den pr. Pedalnerven und sind in ihrer Anzahl bei den verschiede- nen Gattungen und Arten wechselnd. Die pr. Pallialnerven stehen am vorderen und am hinteren Ende der Palliopedalganglienmasse un- tereinander durch je eine kurze dicke Quercommissur in Verbindung und sind ebenda auch mit den pr. Pedalnerven durch Fasern in Zusammenhang. Hinter dem Ende der Palliopedalganglienmasse sind die Verlängerungen der pr. Pedalnerven, denen auch noch Fa- sern von den pr. Pallialnerven beigemischt sind, durch zwei weitere kurze Quercommissuren in Verbindung gebracht. Es geht also daraus hervor, dass die Pedalganglien der höher- stehenden Arthrocochliden nicht direct der Bauchganglienkette der Gliederwürmer verglichen werden können, sondern dass in die Bil- dung derselben auch noch die primären Pallialnerven mit eingegan- gen sind. Beide zusammen, die Pallialnerven und die Pedalnerven, gehen in die Bildung der primären Palliopedalganglienmasse ein, welche in Fissurella maxima noch erhalten ist, und aus welcher dann durch Verschmelzung des Visceralganglions mit ihr die secun- däre Palliopedalganglienmasse entsteht, welche bei den hier bespro- chenen Fissurelliden vorliegt. Sie entspricht nur zum Theil den Pedalganglien, indem ihr vorderer Theil den Commissuralganglien der höherstehenden Gattungen gleichzusetzen ist, da aus ihm die Cerebrovisceraleommissuren und die Visceraleommissuren entspringen. Die Commissuralganglien sind also, wie ich schon früher nachwies, sowohl bei den Chiastoneuren als auch bei den Orthoneuren bei den 12* fe 174 H. v. Ihering tiefststehenden Gattungen mit den Pedalganglien verschmolzen, und ihre Ablösung von ihnen sowie die Annäherung und schliessliche Verschmelzung mit dem Cerebralganglion bei vielen der höherstehen- den Gattungen, stellt den späteren Zustand dar. Die primären Pallialnerven bleiben also bei den höherstehenden Arthrocochliden nicht erhalten, sondern sie gehen bei den Zeugo- branchien in die Bildung der Palliopedalganglienmasse ein. Es war daher ein Irrthum, wenn ich friiher glaubte, die aus den Commissu- ralganglien entspringenden, an der Kreuzung der Visceralcommissuren bei den Chiastoneuren nicht Theil nehmenden Nerven als Homologa der pr. Pallialnerven deuten zu müssen. Das geht auch daraus her- vor, dass diese Nerven sich auch bei Haliotis und den Fissurelliden schon vorfinden, und sie sind daher als secundäre Pallialner- ven zu bezeichnen. Diese bei den Fissurelliden angetroffenen Verhältnisse bil- den eine interessante Bestätigung der von GEGENBAUR ausgesproche- nen Ansichten über die Entstehung der Pedalganglien der Mollus- ken, welche er auf die Bauchganglienkette der Würmer zurück- führte. Freilich kann das nur im grossen und ganzen für richtig gelten und auch nur für die Arthrocochliden, während bei den Platycochliden die Pedalganglion abgelöste und nach unten ver- legte Theile des einfachen dorsalen Schlundganglion der Protocochli- den darstellen, welches dem gleichbeschaffenen Ganglien der Tur- bellarien homolog ist. Und dann ist hervorzuheben, dass nur die primären Pedalnerven mit ihren Commissuren der Bauchganglien- kette der Würmer verglichen werden können, dass ausser ihnen aber auch noch die primären Pallialnerven in die Bildung der Pedalgang- lien eingegangen sind. Es weisen also in der That die niedersten Arthrocochliden eine Metamerenbildung auf, allein dieselbe kann nicht so aufgefasst werden wie das u. a. auch GEGENBAUR meinte. Nach GEGENBAUR!) wäre die Metamerenbildung entstanden »aus einem Wachsthumsprocesse, und zwar aus einem Vorgange, den wir als Knospung bezeichnen«. Es mag sein, dass ein derartiger Modus der Entstehung neuer Metameren bei den Anneliden sehr verbreitet sei, aber bei denjenigen Gliederwürmern, auf welche die Arthro- cochliden zurückgehen, ist eine solche Auffassung unzulässig. Es zeigt sich vielmehr, dass bei den niedersten Chiastoneuren und bei 1) C. GEGENBAUR. Grundzüge der vergl. Anatomie. II. Aufl. Leipzig 1870. pag. 501. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren ete. 1 ~!I - ~ einem Theile der Amphineuren eine innere Gliederung vorliegt, welehe äusserlich keinen entsprechenden Ausdruck findet. Es ist daher keinesfalls richtig, wenn man vielfach die Metamerie einfach und überall auf Knospung zurückführt. Es gibt jedenfalls auch Fälle, und sie verdienen wahrscheinlich in phylogenetischer Hinsicht weit mehr Berücksichtigung, wo eine innere Metamerie der äusse- ren vorausgeht. Dass auch bei den Gliederwürmern noch ähnliches vorkommt, zeigt ja das Beispiel der Hirudineen, wo bekanntlich die oft ungleichmässige oder fast ganz zurücktretende äussere Ringelung der inneren Gliederung ebensowenig entspricht, wie die acht Schalen- stücke der Chitoniden deren innerer Segmentirung. Diese innerhalb der Hirudineen so sehr variirende äusserliche Ringelung darf daher nicht auf die echte äussere Segmentirung bezogen werden, welche bei den Chaetopoden vorliegt, und es stellen daher die Hirudineen gleichfalls Würmer dar, bei welchen die innere Segmentirung der äusseren vorausgegangen, resp. bei welchen die letztere noch nicht eingetreten ist. Die innere vom Nervensystem ausgehende Segmen- tirung wird bei den Anneliden in der Weise weitergebildet, dass zur inneren Segmentirung die entsprechende äussere hinzutritt, während sie bei den Arthrocochliden durch Verschmelzung rückgebildet wird. Eine der schwierigsten und bisher noch nicht als gelöst anzu- sehenden Aufgaben ist die’ Erklärung des Zustandekommens der Kreuzung der Visceraleommissuren bei den Chiastoneuren. Ich habe in meinem Buche mich schliesslich dahin ausgesprochen, dass die Kreuzung nicht die Folge sein könne einer Verschiebung von Thei- len des Körpers, durch welche auch die Nerven und Visceraleom- missuren umgelagert würden, sondern dass die Ursache in einer Umlagerung der Visceraleommissur zu sehen sein dürfte, welche veranlasst sein könnte durch die Verschiebung der Eingeweide resp. ihrer Ausführgänge vom hinteren Körperende nach der rechten Seite. Es schien mir damals die Annahme am meisten für sich zu haben, dass ursprünglich nur der Genitalnerv aus der Visceraleommissur entsprang, und dass die Chiastopallialnerven eine später entstandene Neubildung repräsentirten,, dass sie erst entstanden seien, als schon die Kreuzung der Commissuren bestand. Diese Annahme hat jedoch das missliche, dass man die Entstehung der Chiastopallialnerven als ‚eine complete Neubildung ansehen muss, als ein Hervorspriessen neuer Nerven aus einer Commissur oder einem Ganglion. Eine solche Entstehung neuer Nerven ist, wenn auch die Möglichkeit der- 176 H. v. Ihering selben nicht in Abrede gestellt werden kann, bis jetzt nirgends sicher erwiesen und jedenfalls bildet sie nicht die Regel. Der Vor- gang, durch den es in den meisten, wo nicht in allen Fällen zur Neubildung von Nerven kommt, ist der, dass von einem grösseren Stamm ein Ast, sei es durch Verkürzung des Stammes, sei es durch Verschiebung der Ursprungsstelle jenes Zweiges, sich ablöst und so- mit als ein selbständiger Nerv aus der Commissur oder dem Gang- lion entspringt. Es musste daher jene Erklärung nur als eine pro- visorische gelten, indem es noch an Material zur Entscheidung ge- brach. Durch die Untersuchung des Nervensystems der Fissurella costaria ist nun in unerwarteter Weise Aufschluss gewonnen worden. Es bildet nämlich jene Species ein Uebergangsglied von den Ortho- neuren zu den Chiastoneuren. Während bei den typischen Gattun- gen der letzteren die rechts entspringende Visceralcommissur über den Darm hin nach links, und die links entspringende unter dem Darme hin nach rechts verläuft, ziehen bei jener Fissurella beide Visceralcommissuren unter dem kropfartig angeschwollenen Oesopha- gus nach rechts hin. Dabei liegt die rechte, d. h. die rechts ent- springende Visceraleommissur vor der linken. Letztere bildet an der rechten Körperwand das Subintestinalganglion, aus welchem der rechte Chiastopallialnerv entspringt. Die rechte Visceraleommissur schlägt sich aber um den Oesophagus nach oben herum und bildet oben an der die Leibeshöhle bedeckenden Wand ein Ganglion. aus wel- chem der linke Chiastopallialnerv entspringt, der sich in der oberen Körperwand bis gegen die linke Seitenwandung hin verbreitet. Das Supraintestinalganglion aber liegt noch nicht an der linken Seite, sondern nahe der Medianlinie über dem Darme. Wird auch die definitive Entscheidung erst nach weiteren beweisenden Untersuchun- gen möglich sein, so macht dieser Befund es doch in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Kreuzung der Visceraleommissuren dadurch zu Stande gekommen, dass das Verbreitungsgebiet des linken Chiasto- pallialnerven, welches ursprünglich an der rechten Körperseite und der oberen Wandung gelegen war, sich mehr und mehr nach links hin ausdehnte, und dadurch die bekannte Umlagerung der Visceral- commissur zur Folge hatte. Den Ausgang bildet dabei die einfache Visceraleommissur der Orthoneuren, dann folgen als Zwischenstadien Formen wie Fissurella costaria, bei welchen die Visceraleommissur asymmetrisch nach rechts verschoben ist, bedingt durch die rechts- seitige Lage des Genitalapparates, welcher seinen Nerven aus der Visceraleommissur erhält. ~! ~I Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren etc. |] Fassen wir zum Schlusse die Hauptergebnisse dieser Abhand- lung zusammen, so lauten sie: 1) Die primären Pallialnerven gehen bei Chiton am hinteren Körperende bogenförmig in einander über. Bei Fissurella gehen die primären Pallialnerven in die Bil- dung der Palliopedalganglienmasse ein, so dass sie bei den höherstehenden Arthrocochliden nicht mehr vorhanden, sondern in den Pedalganglien enthalten sind. Fissurella eostaria bildet hinsichtlich des Visceralnervensyste- mes ein Uebergangsglied von den Orthoneuren zu den Chiastoneu- ren. Die Kreuzung der Visceraleommissuren kommt dadurch zu Stande, dass sich das Verbreitungsgebiet des linken Chiasto- pallialnerven von rechts nach links hin ausdehnt. 4) Sealaria ist auch dem Nervensystem nach nächst verwandt mit Janthina, so dass die Abtheilung der Ptenoglossa als eine sehr gut begründete anzusehen ist. Die Intervisceraleommissur von Turritella -findet ihre Erklärung durch die bei Vermetus bestehenden Anastomosen; es sind daher Turritelliden und Vermetiden nahverwandte Familien. Anhangsweise sei hier noch erwähnt, dass es mir auch gelungen ist, die Stellung der Phoriden mit ziemlicher Sicherheit zu ermitteln. Die mir zur Untersuchung überlassenen Exemplare von Onustus trochi- formis Born. waren durch die Herausnahme der Radula zu sehr beschä- digt worden, als dass es möglich gewesen wäre das Nervensystem gut zu präpariren. Doch erkannte ich deutlich ein grosses unter dem Darm gelegenes Ganglion von dem zwei grosse Nervenstämme nach hinten hin zu Geschlechtsapparat und Spindelmuskel abgingen. Das Ganglion kann nach Lage und Verlauf der Nerven nur das Abdominalganglion gewesen sein und es kann deshalb, sowie der nach vorne hin von ihm abtretenden Commissuren wegen das Nervensystem nicht einer ehiastoneuren Schnecke angehört haben. Es ist also der früher von mir den Phoriden angewiesene Platz in der Nähe der Capuloideen der richtige. Derschon von MoErRCH beschriebene Penis von Onustus hat eine Rinne. Die primäre linke Kieme besteht in einer schmalen Leiste neben der einfiederigen transloeirten primären rechten Kieme Die Phoriden gehören daher zu jenen Orthoneuren, von welchen die Heteropoden ihren Ursprung genommen haben können. Erlangen, Ende October 1876. ID Loo or = BUR Erklärung der Abbildungen. Tafel X. Cerebralganglion. ce.co. = Cerebralcommissur. Commissuralganglion. ce.pe.co. = Cerebropedalcommissur. Pedalganglion. ce.vi.co. = Cerebrovisceraleommissur. Abdominalganglion. vt.pe.co. = Visceropedalcommissur. Supraintestinalganglion. vi.co. = Visceralcommissur. Subintestinalganglion. vi.co.s. = linke N ; Buccalganglion. vi.cod:'='rechte | Y sceraleommissur. Otocyste. Sympathisches Nervensystem von Chiton squamosus Poli. bu.co. = Buccalcommissur. a.bu.ce. = accessorische Bucealcom- missur. ce.bu.co. = Cerebrobuccalecommissur. Nervensystem von Fissurella costaria Defr. p.pl. = primärer Pallialnerv. p.pe. = primärer Pedalnerv. Seceundäre Palliopedalganglienmasse von Emarginula Hu- zardi Payr. Centralnervensystem von Vermetus gigas Biv. Die Cerebralcommissur ist durchschnitten und die Cerebralganglien sind nach unten geschlagen. Der hintere Theil der Visceraleommissur mit dem Abdominalganglion ist nicht gezeichnet. Fig.5a. Nervensystem von Turritella communis Risso. Die Pedalganglien sind entfernt und die Commissuren ce.pe.co. und vi.pe.co. sind nach aussen geschlagen. i.vi.co. = Intervisceraleommissur. Fig.55d. Pedalganglien von Turritella communis Risso. Fig. 6. Nervensystem von Scalaria communis Lam. =8 a Tale 2 r Yu rr Be u 7 ey ere = by Zu 7 ore ai) cat ae = - orn I... -~Ce.pe.co fs une n CC. DLO Hy Jhering dei, Ueber die Luftsäcke der Vögel. Von H. Strasser. (Aus dem anatomischen Institute zu Breslau.) Mit Tafel XI. I. Allgemeines. Die Untersuchung der Luftsäcke habe ich in Breslau im Jahr 1874 in Angriff genommen und später in Bern, allerdings mit ver- schiedenen Unferbrechungen, weiter geführt. Fast das gesammte, z. Th. sehr werthvolle Material wurde mir aus dem Breslauer ana- tomischen Institut durch die Güte des Herrn Prof. Hasse in liberal- ster Weise zur Verfügung gestellt. Ich spreche demselben für seine wirksame und anhaltende Hülfe während der ganzen Dauer der Ar- beit meinen wärmsten Dank aus. Ferner bin ich den Herren Profes- soren AmBy und LANGHANs in Bern für die Unterstützung, welche mir bei ihnen zu Theil wurde, sehr verbunden. Der ganze Gang der Arbeit und die Rücksicht auf die möglichste Ausnützung des gegebenen Materiales brachten es mit sich, dass in erster Linie die anatomischen Verhältnisse der Luftsäcke in den ver- schiedenen Vogelklassen festgestellt und die bisherigen Angaben hier- über geprüft, gesichtet und erweitert wurden, und dass erst allmälig allgemeinere Gesichtspunete über das Verhalten der Luftsäcke zu den Organen und Geweben des Vogelkörpers und über die Bedingungen ihrer verschiedenartigen Ausbildung, ihrer ontogenetischen und phylogenetischen Entstehung überhaupt sich ergaben. Die anatomische Untersuchung führte bald zu der Ueberzeugung, dass die vorliegenden Angaben über die Luftsäcke durchaus unvollstän- _ 180 H. Strasser dig und lückenhaft sind. Sarrey berücksichtigt in seiner bekannten fundamentalen Arbeit in diesem Gebiete wesentlich nur die Ente; CAm- PANA veröffentlichte 1875 eine Monographie über den Respirations- apparat des Huhnes. Die Notizen über andere Vogelspecies sind äusserst spärlich und ungenau. Wo der häufig vorkommenden weiter als bei Huhn und Ente fortgeschrittenen Ausbildung der Luftsäcke ge- dacht wird, geschieht es meist nur durch Bestimmung der Ausdeh- nung der Knochenpneumatieität. Die Art und Weise, wie die Luftsäcke an die pneumatischen Oeffnungen herandringen, ist zum Theil unge- nau und unrichtig, zum Theil gar nicht bekannt!). Nach JAcQuEMIN?) dringt die Luft von der Achselhöhle in die Ellen- beuge und von der Hüftgelenkgegend zur Kniebeuge nur durch Vermitt- lung der Knochenhöhlen (Vulturiden) , nach Nrrzscn*) dagegen wahr- scheinlich durch Räume aussen am Knochen, eine Ansicht, welcher auch R. Owen kurz beipflichtet. Genauer untersucht ist aber mei- nes Wissens der Weg, den der Luftsack zu den entferntern Extre- mitätenknochen nimmt, nicht; auch die Angaben von Nirzscu über pneumatische Oeffnungen innerhalb des Bereiches der Gelenkhöhlen sind bis jetzt nicht näher geprüft. Ebenso unzureichend ist die Erkenntniss von der Bedeutung der Luftsäcke für den Vogelorganismus. Die französische Schule be- schränkt sich wesentlich auf die Erörterung der physiologischen‘ Beziehungen. Die von Sappey und Campana mit guten Gründen dar- gelegte Bedeutung für die Mechanik der Respiration und die Läug- nung einer directen Bedeutung der Luftsackwand für die Bluterneue- rung ist von SELENKA (in Artikel Aves von Bronns Kl. u. A.) nicht berücksichtigt. Campana hat auch die Erleichterung des Fluges durch relative Verminderung des Körpergewichtes, welche bisher ziemlich allgemein anerkannt wurde, in Frage gestellt. Daher ist es wohl gerechtfertigt, alle diese Fragen einer erneu- 1! Um ein Beispiel anzufiihren, so steht in verschiedenen Darstellungen die Angabe, dass die mittlern Rumpfluftsäcke (die diaphragmatischen SAPPEY's) mit keinen Knochenhöhlen communiciren, während dies recht häufig bei den vordern dieser mittlern Luftsäcke der Fall ist; dieselben communiciren z. B. bai Ardea cinerea mit den Knochenhöhlen im Seitenrande des Sternum. 2, JACQUEMIN. II. Mémoire: Sur la pneumaticité du squelette des oiseaux. Nova Acta, "A. D.C. nat. cur. t. XIX. 1812. pag. 2. ff. 3) NITZSCH. . Ueber die Pneumatieität und einige andere Merkwürdigkeiten des Skeletes der Kalaos. 1826. Ueber die Luftsäcke der Vögel. - 18] ten Behandlung zu unterziehen und sie mit derjenigen nach der Ent- stehung der Luftsäcke in Beziehung zu bringen. In der folgenden Darstellung befolge ich nun den umgekehrten Weg, den die Untersuchung genommen hat, indem ich die Resultate derselben, soweit sie allgemeiner Natur sind, voranstelle. Dies ge- schieht in der Ueberzeugung, dass die specielle anatomische Dar- stellung der Luftsäcke nur dann als Beitrag zum wissenschaftlichen Material von einigem Werth ist, wo sie zusammenfassen, das Un- wichtige ausscheiden und von rationellem Gesichtspuncte geleitet werden kann. Durch Hinausschieben ihrer Redaction, wenn damit Vermehrung des untersuchten Materiales und Lösung entwicklungsge- schichtlicher Fragen einhergeht, wird sie-an Einfachheit und Brauch- barkeit nur gewinnen. Ich hoffe, schon durch das aus der bisherigen Untersuchung Gewonnene für eine rationellere Behandlung, auch wenn sie von anderer Seite unternommen wird, Einiges beitragen zu kön- nen, ferner auch durch eine genaue Verfolgung der ersten Ent- wicklung der Luftsäcke für die riehtigere Erkenntniss der Pneuma- tieität des Vogelkörpers zu arbeiten. Ich werde in erster Linie die in der Ontogenese mögliche Be- einflussung des Luftsackwachsthums durch äussere Einflüsse und die Bedeutung des Luftsackes für die Veränderungen seiner Umgebung, in zweiter Linie dann die Ursachen für die Weiterentwicklung des- selben in der Phylogenese und die Gründe für die Vererbung dieser Einrichtung ins Auge fassen !). 1) Erst durch eine genaue Kenntniss und Würdigung der in der Ontoge- nese möglichen secundiiren Wachsthumserscheinungen eines Organes, d. h. sol- cher, welche nach allgemeinen physikalischen und chemischen Gesetzen durch den Einfluss der umgebenden Theile und deren selbstständige Veriinderungen be- dingt sind, und durch den möglichst scharfen Ausschluss solcher Beeinflussung wird das Gebiet definirt und abgegrenzt, innerhalb dessen nach vererbten Wachsthumserscheinungen und naeh den Gründen der Vererbung gesucht wer- den muss. Jene Kenntniss ist ausserdem ein kleiner Beitrag zu den Vorarbei- ten für die Lösung der Frage, wie die Variationen zu Stande kommen, einer Frage, welche vollständig von derjenigen nach den Gründen der Vererbung different ist. Die Ursachen der Variation liegen zeitlich vor dem Moment, wo die Variation manifest wird; bestehen in feinern und gröbern Veränderungen in dem schon abgelaufenen Theil der Ontogenese. Den ersten Anstoss für letztere zu finden ist vorläufig unmöglich. Jedes Bereichern der Kenntnisse über die Correlation der Wachsthumserscheinungen hat den Werth der Vor-. arbeit; aber auch nur diesen. 182 H. Strasser A. Ontogenetische Beziehungen. Bezüglich der ersten Entwicklung der Luftsäcke muss ich auf die Darstellungen von RATHKE!), SELENKA?, FOSTER-BALFOUR * verweisen. Habe ich SELENKA recht verstanden, so entstehen diese Bildungen aus dem ventralen Theil der Lungenanlage, demjenigen, aus welchem auch der Hauptbronchus sich entwickelt, während der obere, dor- sale Theil des Lungenbläschens zum Lungenparenchym wird; an- fangs sind erstere ein einfaches Gallertkliimpchen , in welchem spä- ter drei kleine Scheidewände auswachsen. In der Folge vergrössert sich die Ausdehnung der Luftsäcke im Verhältniss zu derjenigen der Lunge und der übrigen Eingeweide bedeutend. SELENKA er- wähnt, dass dieselben schon einige Tage vor dem Ausschlüpfen des Hühnchens sämmtliche Eingeweide der Brust und des Bauches um- geben. 3 Am eben ausgeschlüpften Hühnchen dringt die Luftsackmembran schon in der Spalte zwischen den beiden Coracobrachialmuskeln 4) hinaus gegen den M. pectoralis; eine Woche später fand ich unter diesem Muskel schon eine deutliche kleine Ampulle. Bei den mei- sten Vögeln erreicht die Luftsackmembran schliesslich die Haut der Achselhöhle oder dringt doch bis zum Rand des M. pectoralis, ferner am ventralen Beckenrand vorbei unter die zunächst dem Hüftgelenk liegenden Muskeln, und an der Halswirbelsäule eine Strecke weit nach vorn. Das Eindringen derselben in den Knochen durch eigene Oeffnungen von aussen her ist bekannt genug. Ge- wöhnlich werden Humerus, -Sternum, Coracoid, Becken, ein Theil der Wirbelsäule und der Rippen, häufig auch noch das Femur, sel- tener schon das Schulterblatt und die Fureula pneumatisch. Immer- hin gibt es eine ganze Anzahl von Arten, bei welchen die Pneuma- tieität des Skeletes einen noch viel höhern Grad erreicht und damit einhergehend auch die Pneumaticität der Weichtheile: dann er- 1) RATHKE, H. Ueber die Entwicklung der Athemwerkzeuge bei den Vögeln und Säugethieren. 1828. Nova Acta. t. XIV. pag. 161—216. 2) SELENKA, E. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Luftsäcke des Huhns. Siep. u. KöLr. XII. 1866. pag. 179. 3) FOSTER - BALFOUR. Grundzüge der Entwicklungsgeschichte. D. A. pag. 129. 4) Nomenclatur von SELENKA. (In Bronn’s Klassen und Arten d. Th. pag. 114.) Ueber die Luftsäcke der Vögel. 183 strecken sich die Luftsäcke inner- oder ausserhalb des Knochens bis zu den äussersten Phalangen der Hand, ja sogar des Fusses, ans vordere und hintere Ende der Wirbelsäule, und in grosser Aus- dehnung unter die Körperhaut und zwischen die Federwurzeln ete. '). Ein zweites System von Lufträumen entwickelt sich von der Nasenrachenhöhle (resp. ihren Dependenzen: tuba Eustachii, Pauken- höhle) aus in die Knochen des Schädels. Bei allen noch lebenden Vogelspecies finden sich mindestens die Rumpf- oder innern Luftsäcke entwickelt. Beim Apteryx sollen diese nach Owen?) sehr klein sein und nicht durch das Zwerchfell durchdringen. Sehr früh fällt nun in der Entwicklung der Luftsäcke die grosse Abhängigkeit von den Wachsthumsverhältnissen ihrer Umgebung und der Mangel einer selbstständigen Form auf. Abgesehen vielleicht von den ersten ontogenetischen Anfängen ist an ein primäres variiren des Luftsackapparates nicht zu denken. Durch ganz feine Gefäss- oder Nervenzweige findet man oft die Luftsackwand aufgehalten, so dass eine Falte sich bildet; in die kleinsten Zwischenräume legt sich dieselbe hinein. Wo die umge- benden Theile fest sind, oder nur in beschränktem Maasse gegen einander sich verschieben, da haftet die Membran ihnen dieht und sicher an; nur wo sehr plötzliche und umfangreiche Verschiebung vorkommt, wie etwa an den Darmschlingen, findet sich die Luft- sackwand mehr isolirt, aber nur, um sich der jeweiligen Umgebung in jedem Momente genau anschliessen zu können. Von aussen er- öffnet sinkt daher der betreffende Luftsackabschnitt nur in dem letz- tern Fall zusammen. Im Allgemeinen ist die Präparation bei einiger Uebung leicht mit den gewöhnlichsten anatomischen Hülfsmitteln auszuführen. Es hat auch keinen Sinn, ihre Raumfigur für sich allein ins Auge zu fassen und nach Corrosionspräparaten bis ins Einzelne zu beschreiben. Ihre Gestalt ist blos von Bedeutung als Ausdruck für die Lagebeziehung der sie umschliessenden Formbe- standtheile. Die Luftsäcke sind interstitielle Räume. Namentlich auffällig ist dies in dem vom Schultergürtel und dem !) Ich habe die Gelegenheit gehabt, einen derartig hoch pneumatischen Vogelkörper bei Sula bassana genau zu untersuchen. Aehnlichen oder noch höhern Grad von Pneumaticitiit zeigen die grossen Vulturiden, Pelecanus, Cy- gnus, Chauna, Marabu, die Buceroniden. 2) R. Owen. Anatomy of Vertebrates pag. 209. 184 H. Strasser vordersten Theil des Thorax umschlossenen Raum. Oesophagus, Trachea und Trachealästie, Herz mit Pericard und grossen Gefäss- stämmen, Lungen und Stammbeugemuskulatur füllen im postembry- onalen Leben diesen Raum bei weitem nicht aus, wohl aber in einem frühern Entwicklungsstadium. An sich nun ist die Gestalt des erwähnten prothoracalen Raumes eine sehr verschiedene und die verschiedenen Luftsäcke theilen sich bei den verschiedenen Ar- ten durchaus nicht in übereinstimmender Weise in denselben; die gleichen, die bei der einen Art getrennt bleiben, öffnen sich bei der andern, ja sogar bei einem andern Individuum derselben Art in ein- ander: die Grössenausdehnung, die Lage der Septa und Falten wechselt; selbst bei der ersten Anlage der Luftsäcke, in der Zahl und Lagerung der broncho -receptaculären Communicationsöffnungen oder Infundibula zeigen sich Verschiedenheiten, — ohne dass da- durch an dem Endresultat, der vollständigen Ausfüllung des durch Auseinanderrücken der Organe gebildeten Raumes etwas geändert wird. - Die Möglichkeit des Nachdringens der Luftsackmembran ist durch die günstige Lage der Luftsackanlage gleichsam im Centrum dieser Wachsthumsverschiebung gegeben; die Verschiedenheiten der Lage- verhältnisse und Lageveränderungen im Einzelnen aber bewirken, dass dieses Nachrücken in recht verschiedener Weise bei den ein- zelnen Species vor sich gebt. Ich bin überzeugt, dass sich auch in der Anordnung der ersten Anlagen der einzelnen Luftsäcke ein Zu- sammenhang mit bestimmten Wachsthumsverschiebungen derjenigen Organe, welche das Respirationsorgan umgeben, wird nachweisen lassen !). Wo die umgebenden Organe von einander abrücken und ihre dem Luftsack zugekehrten Flächen grösser werden, da wächst also die Luftsackmembran und folgt unmittelbar nach. Wo die Raum- vergrösserung ohne evidentes Zuthun des Luftsackes geschieht, kön- 1) Seit MERREM und TIEDEMANN hat kaum Jemand mehr auf Verschieden- heiten hinsichtlich Zahl, Ausdehnung und gegenseitige Begrenzung der Rumpf- luftsäcke bei verschiedenen Species aufmerksam gemacht. Die sich sehr wi- dersprechenden Angaben der verschiedenen Autoren blieben wohl zum Theil deswegen jede für den folgenden Beobachter riithselhaft, weil verschiedene Arten untersucht wurden. Selbst CAmpANA denkt so wenig an die Möglichkeit erheblicher Variationen, dass er seine Befunde am Huhn ohne Weiteres zur Aufstellung einer Theorie der Respiration beim Fiug und Höhenflug verwerthet und als einzige Verschiedenheit das Getrenntbleiben der Cervicalsäcke (SAPPEY) bei mehreren Vogelspecies anführt. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 185 nen wir die Einwirkung derselben auf den letzteren als Wachs- thumsaspiration bezeichnen. Die Lufträume zwischen den Eingeweiden, den Muskel- und Knocheneinheiten ver- gréssern sich wesentlich dureh Wachsthumsaspiration. Es ist auch klar, dass für Lageschwankungen der Wandtheile nach beiden Seiten einer Mittellage z. B. bei den Muskeln, Eingeweiden die Elasticitiit der Luftsackwand ihr Nachfolgen ermöglicht. Nicht so einfach ist das Verhalten, wo der Luftsack allmälig an die Stelle von Fett tritt, oder wo er ins Innere des Knochens dringt. Für den bei der Bildung der pneumatischen Oeffnungen und der Pneumatisation der Markhöhlen stattfindenden Schwund von Fett und Knochenmark ist sichtlich das Herantreten des Luft- sackes wenigstens eine der nothwendigen Bedingungen. Es han- delt sich dabei wirklich um eine Ausdehnung des Luftsackes durch Sehwund von Substanz. Beim Knochen aber ist noch zu entscheiden, ob die pneumatischen Oeffnungen und Höhlen durch Knochenschwund, oder durch Dehiscenz (Expansion , oder durch beide Vorgänge zugleich entstehen. 1. Neben einer Ausdehnung dureh Wachsthumsaspira- tion kommt also für den Luftsack auch 2. eine Ausdehnung durch Elimination von Gewebs- bestandtheilen in Betracht. Es fragt sich mit Rücksicht auf letztere, ob an der Luftsackwand eine selbstständige Re- sorptionsthätigkeit sich abspielt, ob chemische und physikalische Einflüsse zerstörend auf die Gewebe wirken, oder ob ein schon an sich in den Wachsthumsverhältnissen der Gewebe liegender partiel- ler Eliminationsprocess blos durch die Gegenwart des Luftsackes eingeleitet oder begünstigt wird. 3. Endlich ist eme Ausdehnung des Luftsackes durch Bewegungseinflüsse denkbar und wir haben darauf hin das Ver- halten desselben zur Haut einerseits, Muskulatur und Knochen an- dererseits zu prüfen. Die Ausdehnung der Luftsäcke durch Wachsthumsaspiration wurde schon genügend hervorgehoben. Diejenige durch Elimination von Gewebsmasse hat in dem Pneumatisationsprocesse des Fett- und Knochengewebes ihre Paradigmata und muss noch genauer nach den aufgestellten Gesichtspuneten untersucht werden. Die Ausdeh- nung durch Bewegungseinflüsse soll zunächst Gegenstand der Erör- terung sein. f f 186 H. Strasser Eine ausdehnende Wirkung auf irgend eine Ausfüllungs- masse, also auch auf den Luftsack, dureh Verschiebung der um- gebenden Theile muss namentlich in den Gelenkbeugen ausgeübt werden können, namentlich in denjenigen mit Winkelstellung und An- ordnung der Muskulatur in zwei laterale Gruppen. Denkt man sich den Zwischenraum zwischen den Muskeln von der Haut mit einer ge- wissen Eigenspannung überbrückt, so wird letztere bei der Streck- bewegung natürlich vermehrt. Die Haut wird vom Gelenke ab und auch aus dem Raum zwischen den Muskeln herausgezogen, wenn die Volumsdiffereuz von innen her, durch Zuströmen von einem flüssigen oder sehr dehnbaren Medium, ausgeglichen werden kann; dieses Medium wird dabei im eigentlichen Sinne des Wortes aspirirt. Wo keine derartige Ausfüllungsmasse nachdringen kann, bleibt die Haut vermöge des auf jedem Quadratem. Fläche entsprechend einem Gewicht von ca. 1 kgr. lastenden Luftdruckes trotz ganz bedeuten- der abhebender Zugkräfte in die Vertiefungen eingestülpt. Dif- ferenziren sich indem die Haut mit einer relativ festen Unterlage ver- bindenden Gewebe einzelne stärkere Adhäsionen heraus, so überträgt sich auf diese die Hauptwirkung der abhebenden Kraft, während der Zug, welchen die übrigen Gewebstheile zu erleiden haben, ver- mindert wird. Bedingung nun für eine aspirirende Wirkung auf eine nicht unmittelbar der Haut anliegende Luftsackmembran ist: 1, dass eine negative Gewebsspannung nicht nur der Haut son- dern auch des unterliegenden Zellgewebes eintritt; 2, dass dieses zeitweise negativ gespannte Gewebe durch eine verschiebliche Masse mit der Luftsackwand in Verbindung steht. Es ist nun nicht anzunehmen, dass eine solche Aspiration sich auf weite Abstände fortpflanzt; sie ist unter anderem um so ge- ringer, je mehr die Haut durch einzelne starke Bindegewebsziige an eine feste Unterlage fixirt ist. Wo wirklich am Vogelkörper ein Abrücken der Haut, vom Luftsack gefolgt, stattfindet (in erster Linie in der Achselhöhle und an der Halsbasis), da ist der Luftsack schon längst und zwar wesentlich durch Wachsthumsaspiration, durch Aus- einanderrücken der Muskeln und Skelettheile in die Nähe und zu- letzt auch bis an die Haut gelangt. Hand in Hand mit dem fort- schreitenden Wachsthum geht von hier aus die Ablösung der Haut von ihrer Unterlage und zugleich das Vorrücken des Luftsackes nach der Seite des spitzen Winkels hin weiter. An dem letzteren Ueber die Luftsäcke der Vögel. 187 finden sich aber im Grunde die oben aufgestellten Bedingungen ge- geben !). Umlagerung des verschieblichen Zellgewebes, Nachrücken und Ausdehnung (Wachsthum) der Luftsackmembran, Ausgezogenwerden der festern Adhäsionen, auf welche der Zug der Haut nun unge- mindert einwirkt, sind hier wie dort die Hauptmomente beim Ab- rücken der Haut. ' . Eine ähnliche aspirirende Wirkung auf die Luftsackwand könnte nun auch statt von der Haut von der Muskulatur selbst durch Vermittlung des Zellgewebes ausgeübt werden, da, wo ein Muskel durch die Verschiebung seines fnsertionspunetes von neben ihm liegenden Theilen abgezogen wird, wie etwa der Pectoralmus- kel durch Rotation des ungleich breiten Humeruskopfes vom Coracoid und den Coraco-brachialmuskeln?. Das Mitwirken einer solchen Be- wegung zum Hinausdringen des Luftsackes lässt sich a priori nicht von der Hand weisen. Das Zellgewebe ist zur Zeit, wo der Luft- sack unter den Pectoralis dringt, wenigstens beim Hühnchen sehr zart und verschieblich. Jedenfalls kann aber eine solche Bewe- gungsaspiration weder als ausschliessliche, noch als Hauptbedingung für das Hinausdringen der Luftsäcke an die Schulter oder unter die Muskeln der Hüfte hingestelit werden. Dass die Ausdehnung der Luftsäcke im Innern des Rumpfes durch Wachsthumsaspiration zu Stande kömmt und ebenso auch vielerorts an den Extremitäten, un- terliegt keinem Zweifel. Aber auch jene Räume, welche der Luftsack an Schulter und Hüfte zu allererst einnimmt, sind Wachsthumsräume°). 1) In Folge der centralen Spannung concaver Lamellen bleibt zwischen der Umschlagsfalte des Luftsackes und der Linie, in welcher die Haut von der Unterlage sich abhebt ein Zwischenraum mit negativ gespanntem Gewebe. Hier beobachtet man unter günstigen Umständen Fettansatz. 2) Das Maximum der Abhebung besteht bei abdueirtem, möglichst gehobe- nen und derart rotirtem Humerus, dass die palmare Flügelfläche nach vorn und unten sieht. 3) Gerade der interstitielle Raum zwischen Pectoralis und seiner Unter- lage ist schon bei seinem ersten Auftreten nicht blos eine Funetion der Be- wegung des Humerus, sondern er besteht auch beim Minimum der Abhebung des Pectoralmuskels, indem der M. coraco-brach. br. nicht mehr bis ins Ni- veau des Coracoids und des M. coraco-brach. lg. hinausreicht. An der all- mäligen Vergrösserung des Interstitiums ist die Grössenzunahme des Humerus- kopfes nur ein Factor, der allerdings je nach der Stellung des Humerus ver- schieden gross ist. Die bestimmenden Verhältnisse liegen ausserdem in dem Vorragen der ganzen Schultergelenkgegend (Proc. articularis und furcularis Morpholog. Jahrbuch. 3, 13 iss H. Strasser Mindestens ist im einzelnen Fall ein genaues Auseinanderhal- ten von Wachsthums- und Bewegungsaspiration nicht möglich. In welch engem Connex die Thatsache und das Maass der Abhebung zu den besondern anatomischen Verhältnissen jeweilen steht, darauf näher einzutreten ist hier nicht der Ort. Bemerkenswerth ist nun, dass im Allgemeinen die anatomischen Verhältnisse zur Bildung grosser subeutaner Lufträume um so gün- stiger sind, je grösser das Skeletgerüst ohne entsprechende Massen- zunahme der Muskulatur aber bei Erhaltenbleiben der Zugriehtun- gen in den geometrisch ähnlichen Lagen sich zeigt. (Dies findet sich namentlich bei bedeutender Grösse und locomotorisch ausge- zeichneter Leistung der Extremität, namentlich des Flugorganes.) Dieses Verhalten bedingt nämlich eine Vertiefung und Vermehrung der Einsenkungen der Körperoberfläche und die Bildung grosser, subeutaner Räume beim Abrücken der Haut. Der Luftsack tritt als Ausfüllungsmasse an die Stelle der Hauteinstülpung in den durch Wachsthum entstandenen Raum. Die Bewegungseinflüsse verschie- ben die Grenze zwischen beiden Ausfüllungsmedien in centrifugalem Sinn. Das Abrücken der Haut ist die wichtigste Begünstigung für eine über das gewöhnliche Maass hinausgehende Ausdehnung der Luftsäcke, wenigstens für das Vorrücken der Lufträume von der Schulter zur Ellenbeuge!). coracoid.) über das Coracoid - Mittelstiick gegen den Pectoralis, dem stärkern Zurückweichen des Coraco-brach. brev. aus diesem Niveau nach der andern Seite, zuletzt sogar in der relativen Verminderung der Dicke des Pectoralmus- kels gegenüber den vorstehenden Flächen der Furcula (mit der Membrana fure. corac.) und der Sternaleriste und einem relativen Zurückweichen seiner An- satzfläche gegen die freien Ränder dieser Theile hin (Sula, Myeteria seneg.). !) Erst das Abrücken der Haut von der untern Peripherie des Humerus_ ermöglichte bei den meisten von mir untersuchten Thieren mit Ellbogenluft- räumen eine solche ungewöhnliche Ausdehnung. Dasselbe war durch das Ab- und nach unten rücken des Triceps vom Humerusmittelstück bedingt. Von einer Aspiration des Luftsackes aus der Ferne durch die Bewe- gungen im Ellbogengelenk kann natürlich nicht die Rede sein. So- bald aber der Luftsack einmal in den Bereich der mit diesen Bewegungen ein- hergehenden Gewebsspannungen gelangt ist, erscheint ein rascheres Weiter- wachsen desselben unter der Begünstigung der Bewegung sehr erklärlich. Wo der Luftsack an den ulnaren Rand des Flügelskeletes, unter die Federeolumnen. und zwischen dieselben gelangen kann, rückt das volare Blatt der Haut, bis jetzt eng den Federcolumnen anliegend und in die Intercolum- narspatia eingestülpt, von seiner Unterlage ab und es bilden sich umfängliche Ueber die Luftsäcke der Vögel. 189 Wo schon die blosse Gleichstellung des von innen auf die Haut wirkenden Luftdruckes mit dem äussern die Abhebung der Haut durch deren Eigenspannung und durch Muskelkräfte möglich macht, muss naturgemäss ein Uebergewicht des von innen wirkenden Luft- druckes den gleichen Vorgang ungemein begünstigen (Propulsion des Luftsackes durch intrareceptaculäre Drucksteige- rung). Eine Vermehrung des intrareceptaculären Luftdruckes ist nur vorübergehend möglich und erscheint für die Pneumatisirung der Muskulatur, des Knochens, ja selbst für die gewöhnliche Ausdeh- nung der Luftsäcke unter die Haut der Achsel und der Halsbasis völlig bedeutungslos, wohl auch in den meisten Fällen für das Wei- terdringen in die Ellen- und Kniebeuge; da genügen die oben er- wähnten Einflüsse der Wachsthums- und Bewegungsaspiration zur Erklärung. Dagegen mag dieser Einfluss bei grosser Ausdehnung der subeutanen Lufträume durch Wachsthums- und Bewegungsaspi- ration für eine noch bedeutendere Ausdehnung der Luftsäcke ins Gewicht fallen. Die Möglichkeit einer Drucksteigerung des Luft- sackinhaltes ist durch die Schliessungsfähigkeit der Glottis und die Exspirationsmuskulatur wohl überall gegeben. Aber bei schon be- stehender grosser Entwicklung der subeutanen Lufträume trägt eine allgemeine Druckvermehrung zunächst zur Ausweitung dieser selbst bei, die nur unvollständig durch festere Organe oder Muskellagen gefestigt sind. Kann nun auch durch Bewegung (der Extremitäten, des Halses ete. die Haut genügend gespannt und resistent werden, so ist doch bei den entgegengesetzten Bewegungen in Folge der Erschlaffung der Haut und des grossen Umfanges der Räume eine prompte Entleerung nicht so leicht möglich und es werden minde- stens ungünstig situirte Abschnitte derselben plötzlicher Compression und Drucksteigerung ausgesetzt sein, welch letztere nach der Peripherie Räume. — Ich verspare aber die genauere Darlegung dieser Verhältnisse auf später. Ein ähnlich durch Bewegungseinfluss periodisch gesteigertes Wachsthum des Luftsackes findet statt, wo derselbe, sei es nun durch das Innere des Femur, sei es aussen an demselben, bis in die Kniebeuge gelangt ist u. a. a. O. m. Bei Mycteria senegalensis und Cathartes aura am Femur, bei ersterer auch am Humerus gelangt der Luftsack von der proximalen zur distalen Gelenkverbin- dung nur durch das Innere des Knochens und zum Theil erst spät, zu einer Zeit, wo der Vogel seine definitive Grösse schon annähernd erreicht hat. 13 * 190 H. Strasser hin, die Abhebung der Haut begünstigend, wirkt. Die grosse Aus- dehnung der subeutanen Lufträume bei der Sula kann ich mir ohne Annahme einer solchen Mitwirkung des intrareceptaculären Druckes nicht recht erklären. Nicht nur ist bei derselben die Basis der Achselflughautfalte bis an die Aussenfläche des Knie’s abgehoben, so dass sich die Haut frei von dem letzteren zur untern Peripherie des Abdomens, zum lat. Rande des M. pectoralis und Lat. dorsi und zur Mitte des Brachium spannt und ein immenser lateraler subeutaner Raum besteht, sondern eine Fortsetzung dieses Luftsackes dringt an die Dorsalseite der Schultermuskulatur und von da, hufeisenförmig die Schulter umgreifend, aussen an der obern Mittellinie, an Fureula und Rand des Brustbeinkammes vorbei, direct unter der Haut bis nahe an den After. Die Haut ist auch von dem Rande der Crista sterni so weit abgehoben, dass ein über 1 Cm. breites medianes membranöses Septum zwischen den Räumen beider Seiten besteht. Ausdehnung des Luftsackes durch Fettschwund. In der Regel gelangt die Luftsackmembran nicht erst in Folge von Fettschwund in einen Wachsthumsraum, sondern primär. Fett tritt als provisorische, später durch Luft ersetzte Ausfüllungsmasse namentlich da auf, wo die anatomischen Verhältnisse der Umgebung sichtlich einem rechtzeitigen Nachrücken des Luftsackes hinderlich waren !). Weder hier noch anderwirts, wo der Luftsack an die Stelle des Fettes tritt (z. B. in den Knochenhöhlen) , lassen sich in der Nähe der Berührungsfläche beider makroskopisch Veränderungen des Fettgewebes entdecken?). Auflösung des Fettes ist, so viel ich weiss, im Organismus nur .möglich durch Oxydation desselben. Es ist nun aber kaum anzunehmen, dass die (allerdings ziem- lieh O-reiche) Luft der Luftsäcke auf das durch Epithel, Binde- gewebslage und Zellmembranen von ihr getrennte Fett direct ein- .!) So z. B. am M. subelavius (SELENKA), wo derselbe vom M. pectoralis ab in den Canalis triosseus hineinriickt (Subelavius- Raum); bei Rhea americ. zwischen Pericard und Sternum, wo des Herz dem vordern aufgeworfenen Sternalrand , von welchem aus der Luftsack allein nachdringen kann, nahe an- liegt; ete. *) Jene Fläche ist bei einiger Ausdehnung leicht wellig; auffallend war mir der gleichmässige Schwund in der ganzen Breite, wie ihn eine über I Cm. breite Fettlage zwischen Pericard und Sternum bei Rhea am. zeigte. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 191 wirkt, wie etwa auf freies Fett: ebensowenig geschieht es durch local vermehrten O-Reichthum der Blutkörperchen, weil die Luft- sackwand sehr arm an Gefässen ist. Auch an eine locale Begün- stigung des Fettschwundes durch intra-receptaculären Druck oder durch Druckschwankungen ist nicht zu denken, weil diese Druck- schwankungen sehr unbedeutend sind, während Fettschwund, so viel mir bekannt, nur durch bedeutenden Druck experimentell hervorge- rufen wurde. Es scheint mir viel richtiger, den Fettschwund auch hier auf allgemeine Stoffwechselverhältnisse zurückzuführen: Wenn am ganzen Körper das Fett schwindet, so bleibt es doch an denjenigen Stellen, wo es als Ausfüllungsmasse nothwendig ist (beim Menschen in der Orbita, am Muse. buc- einatorius) !). Es kann schwinden, seine Anbildung kann unterbleiben, wo der Luftsack Zutritt hat. Das Eindringen des Luftsackes ins Innere der Knochen tritt erst zu einer Zeit auf, wo das Knochenmark den grössten Theil seiner Bedeutung für die Knochenbildung eingebüsst hat und der Hauptmasse nach aus Fett besteht: der Schwund desselben unter- liegt den für den Fettschwund aufgestellten Gesichtspuneten. Eine feine Oeffnung der Corticalis genügt natürlich, um das Nachdringen der Luft zu ermöglichen?). Zum Theil unterbleibt also wohl auch eine ausgedehnte Fettbildung und die regressiven Veränderungen des Knochenmarkes bieten schon früh ein durch das Hineindringen des Luftsackes modificirtes Bild. Luftsack und Knochen. Ob bei der Pneumatisation der Vogelknochen neben Appositions- und Resorptionsvorgängen auch ein interstitielles Wachsthum von Be- deutung ist, konnte ich bis jetzt nicht entscheiden. ') Ist diese Auffassung richtig, so muss es auch die consequente Schluss- folgerung sein: dass der Fettschwund bei einer bestimmten Grösse negativer Gewebsspannung nicht weiter fortschreiten kann. Diese Folgerung wäre wohl einer genauern Prüfung werth. >) Von den zahlreichen pneumatischen Oeffnungen, welche man am macerir- ten Skelet sehr häufig in ein und derselben Corticalispartie nebeneinander findet, dienen während des Lebens gewöhnlich einzelne nicht dem Luftsack zum Durchtritt sondern werden von einer bindegewebigen Lage überspannt. Oft besitzen beinahe alle Oeffnungen einer Gegend derartige Membranae obturato- 192 H. Strasser ~ Was ich vor der Hand betonen möchte, ist, dass die Entstehung der pneumatischen Oeffnungen und Höhlen im Knochen nicht als das Resultat einer activen Einwirkung des Luftsackes, durch beson- dere Zellthätigkeit seiner Wand oder durch die besondere, hohe Tension oder die chemische Beschaffenheit seines Inhaltes aufzufassen ist, son- dern durch die gewöhnlichen, beim Knochenwachsthum thätigen Vorgänge zu Stande kömmt, so, dass die Ver- änderung in der Anordnung der Knochensubstanz der Veränderung der regulirenden mechanischen Einflüsse entspricht. Ich habe die Skelete der Breslauer Sammlung auf die Pneumati- eität der Rumpf- und Extremitätenknochen untersucht und kam zu dem Schlusse, dass die pneumatischen Oeffnungen durchwegs an ganz genau durch besondre statische Verhältnisse characterisirten Stellen sich finden. Fast ausnahmslos liegen sie an concaven Stellen der Knochenoberfläche: bei den langen Extremitäten - und Rippenknochen vorzugsweise an den ausgeschweiften Flächen zunächst dem Gelenkende; bei den Rippen oft auch an der innern Fläche; am Sternum an der obern, concaven Fläche und zwar da, wo die Concavität am grössten ist: einmal in der Mittellinie, sodann an der zum aufgeworfenen vordern und seitlichen Rand sich hinauf- biegenden Fläche; am Coracoid an der obern Seite des Sternal- gelenkendes oder an der dem Canalis triosseus zugekehrten Fläche; an der Fureula in der concaven Fläche der löffelartigen Verbreite- rung des scapularen Endes; ebenso an den Wirbeln, am Becken, den Handknochen, dem Os quadratum ete. Was aber bedeutsamer ist, als die Concavität der Flächen: es gehören alle diese Stellen der Corticalis zu den statisch unwichtigen!). Die Concavität der Corticalis an sich ist schon eine Aeusserung des Uebergewichtes des Seitenschubes an den Randtheilen gegenüber seiner Wirkung auf die in der Mitte der Convexität gelegene Knochenpartie (ob er sich nun in Appositions- und Resorptionsvor- gängen bemerklich mache, oder in Verbiegung und Verschiebung riae und man hat zuweilen Mühe, die Communicationsoeffnung zu dem schon _ ausgedehnten pneumatischen Raum des Knocheninnern zu entdecken. !) Diese einfache Beziehung wurde meines Wissens bis jetzt übersehen. SELENKA führt an, dass gewöhnlich die Luftöffnungen an verdeckten Flächen und in versteckten Vertiefungen zu suchen sind, » wie es gerade die Verbin- dung mit den häutigen Luftsäcken erheischte« (in BRonNS Kl. u. Art., Aves. pag. 90). Ueber die Luftsäcke der Vögel. 193 der Knochenplättchen) , also Ausdruck einer functionellen Differen- zirung und Localisirung der Function vorab auf die Randtheile. Letztere sind im Wachsthum bevorzugt worden: dies lehrt die Ent- wieklungsgeschichte, da ja diese besonders ausgeschweiften Flächen sich erst allmälig ausbilden oder vermehrte Krümmung erhalten. Aber auch da, wo die Concavität der pneumatisirten Corticalis nicht besonders auffallend ist, lässt sich wohl ohne Ausnahme die geringere statische Bedeutung der betreffenden Stelle nachweisen,. so z. B. für die zwischen den Rippengelenkflächen liegenden Abschitte des lat. Sternalrandes, für das Sternalende des Coracoides u. s. w. Bezeichnend für diese Auffassung ist die Thatsache, dass an sol- chen Pneumatisationsbezirken von grösserer Ausdehnung, 'wo der Sehwund der Corticalis an vielen Puncten sich findet, die übrig- bleibenden Leisten, Brücken und Balken in ihrer Anordnung und Richtung der verminderten statischen Function, welche man der betreffenden Corticalispartie nach den Beziehungen zur Muskulatur u. 8. w. noch zuschreiben kann und muss, auffallend entsprechen. Dies ist sehr schön gerade am Sternum zu beobachten. (Vulturiden, Cygnus, Corvus.) Die pneumatischen Oeffnungen der Corticalis finden sich also nur an Partien von untergeordneter stati- scher (functioneller) Bedeutung. Die erwähnten Flächen sind ihrer Lage zum ganzen Skeletabschnitt und ihrer Gestalt nach meist derart, dass man an denselben nach KÖLLIKER schon an und für sich äussere Resorption für wahrscheinlich halten möchte !, oder dass daselbst mindestens die periostale Apposition fehlen und der innere Markraum mehr und mehr in der von STEUDENER angegebe- nen Weise gegen die Oberfläche vorrücken konnte. | Resorptions- flächen und aplastische Flächen.) 2 Aplastieität, Resorption und Apposition, — auch das intersti- tielle Wachsthum, wenn es in Betracht kommt —, sind in ihrem wechselseitigen Auftreten stets, auch beim Säugethierknochen, durch ein regulatorisches Moment beeinflusst, welches bewirkt, dass bei der Formveränderung des Knochens eine zweckentsprechende Ar- ehiteetur erhalten bleibt. STEUDENER erkennt dies auch vollkom- 1) Von der Lage dieser Flächen gäbe nichts eine bessere Vorstellung als die Hypothese, dass schon vorhandene Osteoklasten durch das Hinzutreten des Luftsackes zu Vermehrung und vermehrter Thätigkeit angeregt wurden. 194 H. Strasser men an'). Man muss aber weiter zugeben, dass dieser regulatori- sche Einfluss der auf den Knochen wirkenden Zug- und Druckkräfte an jeder einzelnen Localität des Knochens mehr oder weniger wir- ken muss und also wohl durch Uebertragung der Druck-, Zug-, Spannungs- und Entspannungszustände auf die einzelnen Knochen- plittchen und ihren periostalen Ueberzug zu Stande kommt. Warum bleibt nun bei Säugethieren zwischen den Markhöhlen und dem äussern Periost stets noch, von circumscripten Verbindun- gen abgesehen, eine Knochenlamelle bestehen, warum auch beim Vogelknochen, bevor der Luftsack an denselben herangetreten ist? Ich kann eine befriedigende Erklärung hierfür nur darin sehen, dass auch auf günstig situirte Partien der Corticalis mit geringer statischer Bedeutung immer noch mechanische Kräfte wir- ken. so lange festere Gewebe ihnen anliegen und nicht die fast ohne Widerstand verschiebliche Luft. So lange Zellgewebe, Fett, Muskeln, Eingeweide u. s. w. dem Knochen anliegen, pflanzen sich durch diese Medien immer noch ganz erhebliche Zug- oder Druckkräfte auf die Knochenoberfläche fort (selbst auf die relativ günstig situirten Theile derselben, die ausgeschweiften Flächen zunächst den Gelenkenden). Diesen gegen- über fallen die Druckschwankungen des Luftsackeontentum nament- lich auch wegen der gleichmässigen Wirkung auf jedes Theilchen der Wand vollständig ausser Betracht. Diese Seitenkräfte bleiben noch wirksam, wo die Hauptbalken auseinandergerückt sind; die ihnen entsprechenden oberflächlichen Plittchen bleiben daher als dünne Corticalislage zwischen jenen bestehen. Erst das Herantre- ten des Luftsackes gibt den Anstoss zum Schwunde auch dieser Theile. Der Character der .pneumatisirten Corticalis ist nun ein recht mannigfaltiger. Alles spricht dafür, dass der Pneumatisationspro- cess durchaus nicht nach ein und demselben Schema sich abspielt. 1. In vielen Fällen, namentlich wo es sich um Corticallamellen mit undeutlichen und unwichtigen Balkenzügen handelt, bleibt die con- cave Fläche vollständig glatt, gleichmiissig nivellirt, nur zeigt sie sich in einfacher oder in zahlreichen, runden oder ovalen Oeffnun- gen scharf durchbrochen und in unmittelbarer Nähe des Randes 1) F. STEUDENER. Beiträge zur Lehre von der Knochenentwicklung und dem Knochenwachsthume. {Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. XIII. 3) pag. 230 u. a. a. O. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 195 finden sich meist keine die Corticalisbrücken stützenden Balken oder Leisten. Hier scheint der innere Markraum einfach bis an die Oberfläche vorgedrungen zu sein. Wenn die von innen wenig mehr gestützte Corticallamelle zuletzt an zahlreichen Stellen Oeffnungen bekommt und trabeeulär wird, so spricht das nicht ohne Weiteres für Dehiscenz, sondern auch eine Resorption vom Mark- raum aus wird zunächst in den grössern, senkrecht an die Ober- fläche gehenden Havers’schen Canälen ansetzen, wenn die Cortica- lis noch irgendwie mechanische Function hat. Eine äussere Re- sorption oder eine Steigerung derselben ist hier nicht nothwendig anzunehmen. (So oft am Sternum, namentlich in der Mitte und am Seitenrand zwischen den Rippengelenken, ferner an den Rippen, oft am Sternaiende des Coracoides etc.) In vielen Fallen bleibt an der Stelle, wo der Knochen geschwun- den ist, eine bindegewebige Lage zuriick und diese Rarefactionen entstehen dabei oft so regelmässig, dass die Umwandlung der con- tinuirlichen Schicht der Knochensubstanz in eine durchbrochene wie nach bestimmten physikalischen Gesetzen, als Dehiscenz in Folge von Rarefaction, entstanden zu sein scheint. 2. Nicht immer aber geht der Bildung der pneumatischen Oeff- nungen eine ausgedehntere Verdiinnung der Corticalis ohne beson- dere Niveauveränderungen der Aussenfläche voraus, sondern es er- folgt oft ein Zerfallen in dickere rundliche Balken., Die Isolirung erfolgt hier nicht einmal vorzugsweise von innen her, sondern mehr oder weniger allseitig, möglicherweise auch von aussen. Der Zu- sammenhang der Lücken mit einem grössern Innen- oder Markraum ist oft dabei gar nicht evident. Ich möchte nicht so verstanden werden, als ob ich glaubte, der Ersatz von Zwischengewebe durch den Luftsack bedinge einzig einen so bedeutenden Ausfall von Cor- ticalis, wie er den Lücken zwischen den Balken entspricht. Das Herantreten des Luftsackes war durch Wachsthumsversehiebungen zwi- schen Knochen und benachbarten Organen bedingt; es haben sich in Folge der gleichen Ursachen wohl auch die wichtigeren statischen Ver- hältnisse des Skeletabschnittes verändert und zwar handelt es sich meist um eine Verminderung der mechanischen Arbeit desselben und um eine schärfere Sonderungder einwirkenden Kräfte. — Diese besondern Wachs- thumsdifferenzen sind Schuld daran, dass überhaupt eine so weitgehende statische Differenzirung bei den Vögeln abweichend von den Säuge- thieren auftreten kann. Wo die Wachsthumsverhältnisse derart sind. dass eine Sonderung der Corticalis in Balken zugleich mit dem Her- 196 H. Strasser antreten des Luftsackes oder nachdem dieser schon herangetreten war, vor sich geht, braucht es natürlich nicht nothwendig zum Bestehenblei- ben oder der Bildung einer dünnen Corticalislage zwischen denselben zu kommen, sondern die Corticalis kann gleich in ihrer ganzen, viel- jeicht bedeutenden Dicke discontinuirlich werden und zwar nieht nur in der Flächenausdehnung sondern auch in der dritten Dimension. 3. Endlich kommt es vor, namentlich bei kleinen Vögeln, doch auch mitunter und an gewissen Localitäten bei grössern, dass die Pneumatisation sich auf eine Umänderung der Aussenfläche beschränkt, häufig von der Art, dass Leisten und netzartige, vielleicht stellen- weise zu Brücken sich abschnürende Vorsprünge erhalten bleiben, zwischen denen die Oberfläche sich einsenkt. Aber auch hier lässt sich eine Uebereinstimmung in der Mächtigkeit und Anordnung dieser Leisten mit der besondern localen mechanischen Function der Kno- chenpartie nachweisen. Hier könnte es sich wohl um eine ver- mehrte äussere Resorption handeln. Dagegen folgt noch nicht a priori, dass die Steigerung der äussern Resorption die Folge eines trophischen Einflusses des Luftsackes sei. Der Ausfall kleiner Seitenkräfte kann auch hier die bessere Isolirung der Hauptbalken bewirkt haben '). Wie ersichtlich, wage ich vor der Hand, bevor die mikroskopi- sche Untersuchung abgeschlossen ist, kein bestimmtes Urtheil über das Histologische des Prozesses auszusprechen. Ein schwer wiegender Einwurf gegen die im vorigen aufge- stellte Ansicht bezüglich des Schwundes der Corticalis scheint darin zu liegen, dass in einzelnen Fällen der Luftsack durch die ganze Länge eines Röhrenknochens hindurch bis zum distalen Gelenkende gelangt, und hier durch die Corticalis hinaus in die Gelenkbeuge tritt. Auch hier finden sich die Oeffnungen an auswärts concaven Flä- chen von geringerer statischer Bedeutung; aber die erste pneumatische Oeffnung mindestens entstand, ohne dass an der Aussenseite die Anlagerung eines Luftsackes die Elimination von Seitenkräften be- wirkt hätte. (Die weitere Ausdehnung der Oeffnung und die Ent- 1) Eine areoläre Beschaffenheit der Oberfläche, wobei die vorragenden Stellen oft sich zuspitzen, findet sich oft am Sternum gegen die zum vorsprin- genden vordern und seitlichen Rand sich ausschweifende , stärker concave Par- tie der Oberfläche hin, namentlich bei kleinern Vögeln. Hier inseriren aber kleine bindegewebige Brücken und Fäden, welche beim Eindringen des Luft- sackes zwischen Pericard und Sternum sich erhalten haben. Auf den ersten Blick erscheinen diese Flächen wie an zahlreichen Puncten angefressen. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 197 stehung anderer liesse sich dann allerdings wieder durch letzteren Vorgang erklären.) In vollständig unzweifelhafter Weise konnte ich dieses Verhalten bei Cathartes aura und Mycteria senegalensis beob- achten. wo die übrigen Lufträume mit denen der Kniebeuge nur durch die Räume am Hüftgelenk und die pneumatischen Höhlen des Femur communicirten !). Die distalen Oeffnungen im Femur können also entstehen, auch wenn der Luftsack nur von innen an die Corticalis gedrungen ist, und ebenso verhält es sich mit den distalen Oeffnungen des Humerus und der Vorderarmknochen in einzelnen Fällen. — Nun findet man aber auch kleine Oeffnungen der Corticalis gerade in der Fossa po- plitea femor. mitunter in Fällen, wo von Luftsack gar keine Rede ist, so z. B. interessanter Weise bei einer Ciconia alba. Auch NırzscHh sah solche Oeffnungen, über deren Natur er im Zwei- fel blieb). Stets, auch wo es sich entschieden um pneumatische Oeffnungen handelt, sind dieselben klein, die grösste findet sich in der Regel in der fibularen Ecke der Nische, ziemlich versteckt. Das Skelet des von mir präparirten Cathartes steht mir leider nicht mehr zur Verfügung, aber bei den bloss auf ihre Knochenpneumatieität unter- suchten Raptatores, die zum Theil viel ausgedehnter pneumatisch sind, als jener (Vultur leucocephalus, V. cinereus — Sarcorrham- phus Gryphus), sind die Oeffnungen klein. — Eine Ciconia argala, deren Skelet ich vor mir habe, zeigt 3 kleine kaum über stecknadel- kopfgrosse Lücken der Corticalis von Membranen iiberspannt; in der Membran des am meisten fibularwärts gelegenen findet sich eine ganz feine Oeffnung, durch welche die Luft, bei der proximalen Femuröffnung eingeblasen, ausströmt. — Eine nadelspitzgrosse Oeff- nung genügt demnach, um den Luftsack aus dem Innern des Kno- chen in die Gelenkbeuge hinausdringen zu lassen; solche eircum- ') In den meisten Fällen, in denen untere pneumatische Oeffnungen am Femur, Humerus und den Vorderarmknochen beobachtet worden sind, bestehen Luftwege längs der ganzen Aussenseite dieser Skeletabschnitte. Bei der von mir untersuchten Sula bassana bestand eine direete äussere Communication zwischen den Räumen der Hüfte und des Knies, aber es fehlten distale pneumatische Oeffnungen am Femur; ebenso fehlten bei den zwei klei- nern Pelicanen der Breslauer Sammiung die untern Femuröffnungen, obschon die tibia pneumatisch ist; am dritten Pelican sind solche Oeffnungen da, bei allen dreien fehlte aber die proximale Femuröffnung und auch beim dritten erschien der ganze Knochen wie apneumatisch. *) NırzscHh. Osteographische Beiträge. pag. 62. 198 H. Strasser scripte Lücken der Corticalis können sich nun auch bei Säugethie- ren, oft in grosser Zahl, an den ausgeschweiften aplastischen — oder Resorptionsflächen bilden; an so versteckten und stark concaven Flächen der Gelenkenden muss ja auch die Wirkung der auf die Corticalis wirkenden Seitenkräfte verhm. am geringsten sein. Daher halte ich die in Frage stehenden Befunde nicht für schwer ins Ge- wicht fallend '!). Ich glaube nach dem makroskopischen Befunde also daran fest- halten zu können, dass ein Discontinuirlichwerden der Corticalis in grösserer Ausdehnung in letzter Instanz von dem Fehlen oder Vorhandensein ganz bestimmter Bedingungen in dem mit diesem Vorgange gleichzeitigen resp. unmittelbar vorangegangenen Zeitraum der Ontogenese abhängen, dass diese Bedingungen aber nicht von den auch sonst das Knochenwachsthum beeinflussenden verschieden, sondern mechanischer Natur sind. Damit ist nun aber nicht ausgeschlossen, dass vererbte Wachs- thumsverhältnisse des Knochens, z. B. eine Volumsvergrösserung desselben ohne entsprechende Massenzunahme überhaupt, oder das Auftreten einer solchen in einer bestimmten Zeit der Ontogenese die ') Nachträglich war ich so glücklich, die Mycteria senegal., deren Präparation ich begonnen hatte, im Breslauer anatom. Institut noch gut erhalten wieder- zufinden. Trotz des beträchtlichen Umfanges der Kniebeugelufträume finden sich am untern Ende des Femur in der Fossa poplitea nur zwei kleine Oeff- nungen, kaum stecknadelkopfgross, zwischen den Femurursprüngen des ober- flächlichen und des tiefen, langen Zehenbeugers. — Die ausgedehnten Räume der Schulter communiciren mit denen der Ellenbeuge nur durch die pneumatische Höhle des Humerus, und die Ellbogenlufträume mit denen am Handgelenk nur durch das Innere der Vorderarmknochen (Radius). Es sind mehrere distale Oeffnungen des Humerus vorhanden, darunter eine grösser als alle diejenigen, welche ich bisher an dieser Stelle beobachtet habe. Sie liegen dicht am Ur- sprung des M. brachialis internus näher dem Ellbogengelenk. Die Oeffnungen am distalen Ende des Radius sind klein. — Der Humerus ist sehr voluminös gegenüber demjenigen der grossen Natatores, ja sogar den Raptatores gegenüber sehr dick; in der Ellenbeuge sind wegen der Breite des Humerus die Verhält- nisse für eine Bewegungsaspiration sehr günstig. Die Haut musste, bevor der Luftsack nachgedrungen war bei der Streckung des Flügels mit bedeutender Kraft gezerrt werden; noch jetzt ist dies bei künstlicher Streckung an den Stellen der Fall, wo noch nicht der Luftsack statt ihrer sich hineingestülpt hat. — Ein Fortsatz der Achsellufträume geht medianwärts am Biceps bis an die Mitte des Humerus und an dessen untere Peripherie, aber gerade noch, ohne diese zu überschreiten. Der Triceps liegt wegen der Breite des Humerus dessen medianer Fläche nahe an. — An den zwei mittlern Vierteln des Vorderarmes fehlt ein Interosseal-Luftraum, an den drei proximalen Vierteln auch ein Raum hinter der Ulna an den Federcolumnen. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 199 Entstehung der pneumatischen Oeffnungen und Höhlen habe begünsti- gen oder überhaupt allein die Möglichkeit für ihre Bildung, nachdem der Luftsack herangetreten war, habe geben können. Ich werde - weiter unten noch ausdrücklicher darauf hinweisen und einige Erwä- gungen geben, welche dafür sprechen, dass die auffallende Grösse der Interstitien im Allgemeinen (vorab zwischen der Muskulatur), sowie der grosse Umfang des Skelets gegenüber dem Gewicht und auch gegenüber der Muskulatur, — dass diese Verhältnisse, wenn sie auch ontogenetisch selbstständig sich ausbilden, doch wesentlich im Zusammenhang mit dem Luftsackapparat entstanden sind und zwar in der Phylogenese. Vielleicht lässt sich auch in dem Bau der Knochen und in der Anordnung der Muskulatur local eine solche Anpassung an die Möglichkeit der Pneumatisation nachweisen. Wollte man aber die Abhängigkeit der Bildung von pneumati- schen Oeffnungen zu mechanischen, spät in der Ontogenese auftre- tenden Bedingungen gänzlich liugnen und nur auf Vererbung zurückführen, — dann müsste das Auftreten der pneumatischen Oeffnungen an ganz typische, morphologisch gleichwerthige Stellen gebunden sein: es wäre die grosse Variation in Lage, Form, Zahl u. s. w. räthselhaft, noch mehr aber der Umstand, dass an den Grenzen des Luftsackgebietes niemals pneumatische Oeffnungen (d. h. solche, welche an der betreffenden Stelle sonst in Folge der Luftsackanlagerung entstehen) getroffen werden, während der Luft- sack noch nicht an dieselben herangedrungen ist. Pneumatisation des Muskelgewebes. Im Anschluss an die Besprechung des Verhaltens der Luftsäcke zum Fett und Knochengewebe will ich kurz der interessanten Thatsache Erwähnung thun, dass auch die Muskeln pneumatisch werden können. Ich habe dabei nicht die Luftraumbildung durch Auseinanderrücken oder relative Verkleinerung von Muskeleinheiten im Auge, von der noch weiter unter dem Namen Pneumatisation der Muskulatur die Rede sein wird, sondern das Eindringen des Luftsackes zwischen die Faser- bündel des gleichen Muskels. Ich fand den Ursprung des Peetoral- muskels am Brustbeinkamm bei Mycteria senegalensis in diesem Sinne pneumatisirt (Fig. 1 Taf. XI). Bei den grossen guten Flie- gern bleibt die Entwicklung des M. subelavius und M. pectoralis gegenüber derjenigen der Crista sterni zurück; die centrale Fläche 200 -H. Strasser des Pectoralmuskels rückt dabei vom Subelavius ab und der Luft- sack dringt auf dem Fusse nach. Bei Mycteria nun waren die Ursprünge der innersten Faserlagen auf eine Strecke sehnig gewor- den und an drei oder vier Stellen auseinander gewichen. Bei der weiter fortschreitenden relativen Verdünnung des Muskelursprunges drang der Luftsack durch diese feinen Lücken nach, während die ‘innerste Faserlage ihre Ursprungslinie mehr oder weniger beibehielt; zunächst derselben entstanden zwischen den an der Crista entsprin- genden Muskelbündeln unregelmässige Luftgänge, welche in grosser Ausdehnung zusammenhingen. Auch der Fureularursprung des Pecto- ralis war in dieser Weise pneumatisirt, desgleichen der M. subclavius an der Basis des vordern Endes der Crista sterni und an der vordern Seite des sternalen Coracoidabschnittes. Die Höhlen waren überall glatt von einer dünnen Membran ausgekleidet. B. Phylogenetische Beziehungen, UAMPANA!) kommt in seiner in vielen Hinsichten ausgezeichne- ten Monographie zu dem Schluss. es sei die Verschiedenheit zwischen dem Respirationsapparat der Vögel und demjenigen der Säugethiere functionell und morphologisch eine so eminente, dass niemals eine zoologische Art habe existiren können, deren Re- spirationsapparat in seinem Bau eine Zwischenform gebildet habe zwischen demjenigen der Vögel und dem der Säugethiere?. Er entnimmt diesem Schluss einen ersten Hauptbeweis gegen die Richtigkeit der Theorie von der gemeinsamen Abstammung der verschiedenen Wirbelthierklassen. Nun treffen wir aber bei den Säugern, Amphibien und Reptilien Verhältnisse des Respirationsapparates, welche in mancher Beziehung an diejenigen der Vögel erinnern und die Zurückführung auf eine gemeinsame Stammform möglich erscheinen lassen. Dies genauer zu verfolgen soll der Gegenstand einer eingehenden morphologischen !; Campana. Recherches d’Anatomie, de Physiologie et d’Organogenie pour la determination des Lois de la Genese et de Evolution des Especes animales. I. Mémoire. Physiologie de la Respiration chez les oiseaux. Anatomie de l’appareil pneumatique pulmonaire, des faux diaphragmes, des screuses et de l’intestin chez le poulet. Paris. Masson. 1875. ?, Preface analytique V. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 201 Untersuchung sein. Vor der Hand habe ich mich aber -darauf be- schränkt, die Entwicklung der Luftsäcke bei den Vögeln selbst zu verfolgen. Die folgende Darstellung macht nicht Anspruch auf Vollständigkeit; sie will vorzugsweise einige bis jetzt kaum berücksichtigte Puncte in der Frage nach der Zweckmässigkeit der Luftsackeinrichtung und den Gründen ihrer Vererbung hervorheben. 1. Bedeutung der Luftsäcke für die Respiration. Dass die Luftsäcke und zwar gerade die zuerst entstandenen und allen Vögeln zukommenden Rumpfluftsäcke für die Respiration von der höchsten Bedeutung, ja integrirende Bestandtheile des Ath- mungsapparates sind, unterliegt keinem Zweifel. Schon BORELLI und HUNTER, später CUVIER!), JACQUEMIN ?), PRECHTL®) u. a. haben mehr oder weniger ausdrücklich auf Verschiedenheiten des Baues und der Funetion der Lunge, des Zwerchfells ete. bei Vögeln und Säuge- thieren aufmerksam gemacht. Die erste gründliche Arbeit über die Respirationsorgane der Vögel ist aber diejenige von SAPPEY*), welche wohlthuend namentlich von den umfänglichen Darstellungen seiner Vorgänger JACQUEMIN und NATALIS GUILLOT! absticht. SAPPEY wies nach, dass bei der Respiration der Vögel die Ventilation we- 1) CUVIER. (Lecons d’anat. comp. 2 Ed. Tom. 7. pag. 207) spricht dem Zwerchfell der Vögel eine irgendwie beträchtliche Wirkung fiir die Erweiterung der Lunge ab. 2) JACQUEMIN. I. Mémoire. Acta Nova (XIX, 2) 1842. 3) PRECHTL (Untersuchungen über den Flug der Vögel. Wien 1846) macht vollständig wit Recht auf die geringe Ausdehnungsfähigkeit und fixirte Lage der Vogellungen aufmerksam und schreibt den Luftsäcken der Brust die Function zu, die Luft aus den Bronchien durch die Lunge durch in sich zu aspiriren und auf dem umgekehrten Wege zu exspiriren. — PRECHTL hat die mechanischen Verhältnisse der Flugbewegung genau analysirt und formulirt. Ueber die Pneumatieität der Muskulatur und des Knochens und die Bedeutung der Luftsäcke hat er dagegen zum Theil recht abenteuerliche Ansichten. 4) SAppEY. Recherches sur l’appareil respiratoire des oiseaux. Paris 1547. — Fiir die giitige Uebermittlung dieses Werkes spreche ich meinem verehrten Lehrer Hrn. Prof. KÖLLIKER meinen Dank aus. °) NATALIS GUILLOT. Mémoire sur l'appareil de la respiration dans les Oiseaux. (Ann. d. Sc. nat. 3. ser. T. V.) 1846. Ich muss dem Urtheile CAmMpANna’s beziiglich der allzugrossen Unzuverläs- sigkeit dieses Autors vollkommen beistimmen entgegen SELENKA in SIE». u. KÖLL. XVI.’ pag. 182). 202 H. Strasser sentlich durch Erweiterung und Verengerung der Luftsäcke zu Stande kömmt, der parenchymatöse Theil des Athmungsapparates dagegen, die sogenannte Lunge, nur geringe Volumsschwankungen zeigt, — dass ferner der Gasaustausch zwischen Blut und Luft, die »Haema- tose«, einzig im parenchymatösen Abschnitt vor sich geht (letzteres entgegen CuviER). Die Ventilation wird nun nach S. wesentlich von den mittlern (diaphragmat.) Luftsäcken besorgt; es wird ihr Volum auf circa das Sfache des Lungenvolums angeschlagen und gefolgert, dass trotz des anscheinend geringen Volums der eigentlichen Lunge eine sehr energische Haematose möglich ist. S. vergleieht treffend die mittlern Luftsäcke mit einer Saugpumpe und die Lungen mit einem vascularisirten Schwamm, der in die Bahn des Luftstromes einge- schoben ist !). CampanA’s Respirationstheorie ist nur eine Erweiterung und Modification derjenigen von SAPPEY. CAMPANA nimmt auch eine Mitwirkung der übrigen Luftsäcke, insbesondere der vordern für die Luftventilation an. Während die mittleren Luftsäcke erweitert wer- den (Inspiration), werden die vordern durch Muskelkräfte verengt. C. nimmt daher statt einer Pumpe zwei antagonistisch wirkende an, welche einen ununterbrochenen Luftstrom in abwechselnder Richtung durch die Lunge durchpressen und -saugen. Unbestritten ist das Verdienst C.’s hinsichtlich der klaren und genauen Darstellung des Baues der Lunge und der Anordnung der Bronchien beim Huhn?). Ferner hat er zuerst den Einfluss der ' Flugaction auf die Respiration hervorgehoben und die von BERT an- gestellten darauf bezüglichen Versuche verwerthet?). !) Eine genaue Kritik der übrigen von S. den Luftbehältern zugeschriebe- nen Funetionen (usages) kann hier nicht gegeben werden. — Auffallend ist die irrthümliche Ansicht S. bezüglich eines zweiten Diaphragmas (Diaphragma thoraco-abdominale) ; er hat sich verleiten lassen, eine bräunliche Faserlage für gewöhnliche willkürliche Muskulatur aufzufassen. CAMPANA hat kurz erwähnt, dass die Lage nur aus elast. Fasern besteht. Dies ist wirklich der Fall; ich habe dasselbe bei den ersten: untersuchten Thieren (Tauben, Hühnern) schon 1874 gefunden, später auch bei der Rhea constatirt. — Die Grenzen der Pneu- matieität an den Extremitäten sind von SAPPEY zu eng gezogen und die An- gabe, dass die Knochenpneumatieität nicht iiber den Humerus und Femur hin- ausgehe (SAPPEY, GEGENBAUR, HuxLey), bedarf in sofern der Berichtigung, als sie nur für die mittleren Grade von Pneumaticitiit gilt. — Nichtsdestowe- niger bleibt der Arbeit von SAPPEY ihre fundamentale Bedeutung. 2) Auch,das Vorhandensein von 4 getrennten Peritonealhöhlen am erwach- senen Huhn kann ich bestätigen. 3) G. BERT hat gefunden, dass beim Fluge synchronisch mit dem Flügel- me Ueber die Luftsäcke der Vögel. 203 CaMPANA hat ferner beim Huhn einen extrapulmonalen Commun’- cationscanal zwischen dem untern (ventralen der beiden vordern Luft- säcke und den beiden vordern der vier mittlern Luftsäcke entdeckt und ihm namentlich für die Respiration beim Flug grosse Bedeutung für den Ausgleich des Luftdruckes zugeschrieben !\. Die antagonistische Wir- kung der von C. aufgestellten zwei Luftsackgruppen (in- und exspirato- rische) , die Function des Communicationscanales und einige andere Puncte seiner Respirationstheorie bedürfen nach meiner Ansicht noch eingehender Prüfung. Jedenfalls hat Campana ungerechtfertigt das vom Huhn Abstrahirte einfach auf andere Vögel übertragen und auch für die Respiration beim Fluge, sogar beim Höhenfluge verwerthet. Ich werde auf alle diese Verhältnisse bei der Darstellung der Rumpf- Inftsäcke noch zurückkommen. Die grosse Bedeutung der Luftsäcke für die Respiration muss aber nicht nur für den fertigen Vogelorganismus, sondern auch für die ersten Stadien der Luftsackentwicklung in der Phyloge- nese zugegeben werden. Ich greife dabei bis auf diejenige Ent- wicklungsstufe zurück , wo dureh die infrapulmonale, fibromuseuläre ‘Faserlage eine schärfere Scheidung des parenchymatisen Absehnit- tes des Respirationsapparates vom nicht besonders vaseularisir- ten, membranösen gegeben war?. Jede Ausdehnung des mem- branösen Abschnittes des Respirationstractes, so lange derselbe unter dem Einfluss in- und exspiratorischer Kräfte blieb, musste hier die Ventilationsgrösse vermehren, die Regeneration des des- oxydirten Blutes erleichtern und damit die Stoffwechselgriésse und die allgemeine Leistungsfähigkeit des Organismus erhöhen. Wel- ches auch die Variation war, welche eine solche Ausweitung be- niederschlag ein Exspirationsstoss an den Nasenöffnungen, zugleich mit der Flügelerhebung ein: Inspirationsschwankung erfolgt. Die daraus von C. gezo- gene Schlussfolgerung, dass die Respirationsbewegung (also die respir. Bewegung des Thorax) mit dem Flügelschlage synchronisch werde, erscheint mir trotzdem nicht gerechtfertigt. Dagegen können Volumsschwankungen der Axillarräume beim Fluge sehr wohl auf die Luftventilation zwischen Trachea, Hauptbronchus und den am Lungenhilus liegenden Luftsackabschnitten einwir- ken und als In- und Exspirationsstösse durch Verschiebung der Luftsäule in der Tyachea sich geltend machen. j ') Ich habe diesen Communicationscanal schon 174 bei Larus und Sula gefunden und in der Folge jeweilen danach gesucht. ‘ *) Leider steht mir das Original von Owen über den Apteryx nicht zur Verfügung, so dass ich nicht entscheiden kann, ob das »Zwerchfell« dieses Vo- gels wirklich demjenigen der übrigen Vögel oder nicht vielleicht dem Diaphragma thoracieo-abdominale von SarpEY entspricht. $ - Morpholog. Jahrbuch. 3. 1h Ans 204 H. Strasser wirkte, — ein grösserer Umfang, oder eine vermehrte Excursion des Thorax, oder eine relative Verkleinerung des Darmtraktes ete. : — der günstige Einfluss auf die Respiration erklärt genügend das Erhaltenbleiben derselben durch Vererbung !). Das Hinausgelangen der Luftsiicke an die hauptsächlich loeomotorische Extremität sodann ergab den Vortheil, dass die locomotorische Arbeit direet, oder automatisch, wie CAMPANA sich ausdrückt, die Ventilationsgrösse steigern konnte. Sehr fraglich ist aber, ob eine noch weiter nach der Peri- pherie fortschreitende Luftsackausdehnung immer noch fortfuhr, für die Respiration von wesentlichem Nutzen zu sein, weil hier die Druckausgleichung nicht mehr ausschliesslich nach den Rumpfluftsäcken hin, sondern auch durch Verschiebung der Haut stattfindet, weil die Wirkung auf die erstern sogar erschwert und verlangsamt wird und weil mitunter die verschiedenen Muskelein- flüsse bei complieirten räumlichen Verhältnissen sich z. Th. gegen- seitig aufheben. Aus ähnlichen Gründen kann das Hinausdringen des Luftsackes zu der Hüftmuskulatur nur da auf die Respiration von nennenswerthem Einflusse sein, wo die Communication mit den Lungen von starren Organen umgeben ist. Aus dem centralen Theil der Abdominalsäcke versorgte Hüftgelenkräume beeinflussen durch ihre Verengerung und Erweiterung die Lungenventilation kaum (Druckausgleichung schon in den Abdominalsäcken) und einzig des Nutzens für die Respiration wegen würde sich die vererbte Bil- dung dieser Wachsthums- und Lufträume zwischen den Muskeln der Hüfte bei den Natatores, Grallatores, Raptatores nicht erklären lassen ?). !) Neben der Zweckmiissigkeit einer Variation kommt gewiss auch die Häufigkeit derselben unter den gleichzeitig lebenden Individuen desselben Stam- mes, also auch die Leichtigkeit, mit welcher bei gewissen vorhandenen phylo- genetischen Stadien ganz bestimmte Variationen zu Stande kommen, in Betracht. — Es wäre nicht unmöglich, dass z. B. Variationen mit relativ längeren Rip- pen oder weiterem Thorax leichter zu Stande kommen, wo die dabei auftre- tende Ausfüllungsmasse Luft ist, statt festere Organe oder Ausfüllungsmedien (Ausfall centripetaler Spannkräfte). 2) Interessanter Weise sind die Hüftgelenkräume bei Rhea am. nicht Fortsetzungen der centralen Abschnitte der Abdominalsäcke, sondern der su- prarenalen, welche starre Wände haben und hier als die direete Fortsetzung des Hauptbronchus erscheinen, während die an die Därme sich lagernden cen- tralen Abschnitte mehr wie seitliche Divertikel sich verhalten. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 205 Auch die Knochenpneumaticitit steht mit der Respiration in keiner Beziehung. Die Luftsackwand zeichnet sieh überhaupt durch Gefässarmuth aus und so verhält es sich auch im Knochen. Bei der Entstehung der ersten Knochenlufthöhlen und bei unvoll- ständig pneumatisirten Knochen findet man zwar noch dünne parie- tale Marklagen mit ziemlich engem Capillarnetz, bei guter Pneuma- tisation aber erscheinen die Knochenfliichen weiss und nur von einer äusserst dünnen Membran überzogen. Zudem ist die Luft in den Knochenhöhlen nur ausnahmsweise ventilirt. Eine Unterstützung der Bluterneuerung durch die Luftsack- wand wäre ein direeter Vortheil der Flächenausdehnung derselben. Ebenso nähme der Nutzen für die Ausscheidung von Wasser- dampf proportional der Fläche zu. Der erstere Nutzen kommt nun entschieden nicht in Betracht; der letztere mag von Bedeutung sein (CAMPANA pag. 348). In ziemlich direetem Zusammenhang mit der Ausdehnung der Luftsäcke steht auch eine Bedeutung derselben für die Wärmeregulirung und — mit Einschränkung, wie wir ge- sehen haben — eine solche für das mechanische Moment der Athmung, d. h. für die Ventilation. Wenn man aber von den Rnmpfluftsäcken und etwa den Räu- men der Schuiter, ausnahmsweise auch von denjenigen am Hüft- gelenk (Cursores?) absieht, so kommen als directer Vortheil der weiteren Ausdehnung der Lufträume von den erwähnten vier Fune- tionen höchstens die zweite und dritte in Betracht und es erscheint dieser Vortheil offenbar nicht genügend, um die Permanenz der Wachsthumserscheinungen, welche einer derartigen Weiterentwick- lung des Luftsackes zu Grunde liegen, zu erklären. Die zu Grunde liegenden Variationen der den Luftsack umgebenden Organe werden daher wohl noch in anderer Weise von Vortheil gewesen sein, als durch Vergrösserung der Function der Luftsackwand und es ist der Nutzen der Interstitienbildung in Weichtheilen und Kno- chen an sich zu prüfen, wobei der Luftsack nur bezüglich sei- ner Bedeutung als Ausfüllungsmasse ins Auge zu fassen ist. Pneumatisation der Muskulatur. 1. Der Ersatz intermuskulären Zellgewebes und Fettes durch Luftsackeinstülpung vermehrt die Leistungsfähigkeit der Muskulatur unzweifelhaft: es geht weniger Kraft in innerer Arbeit ver- loren. 14 * 206 H. Strasser Man könnte nun vermuthen, dass dieser Kraftgewinn als. Kraft- ersparniss auftrete und am einzelnen Individuum zur Verminderung der Muskulatur und dadurch zur Vergrösserung der Interstitien führe. Diese Auffassung erscheint mir aber nicht ganz korrekt. Theoretische Gründe und viele Thatsachen sprechen dafür, dass die Muskulatur jeweilen da wächst, dass die Zelltheilung da beför- dert wird. wo die günstigere Action möglich ist, dagegen eine Um- wandlung und Reduction der contractilen Substanz da eintritt, wo der Erregungszustand statt, in Bewegung in innere Arbeit sich um- zusetzen gezwungen ist. Eine Verminderung der Muskelsubstanz bei gleichbleibender Leistung für die Bewegung des Innen- oder Aussenskeletes würde allerdings eine Ersparniss im Stoffumsatz mit sich bringen, welche vielleicht als ein kleines Pius dem Stoffumsatz und der Anbildung im Gesammtkörper zu Gute käme. Ein Gleichbleiben der localen Muskelmenge wird eine raschere und ausdauerndere Action des be- treffenden Abschnittes des Bewegungsapparates zur Folge haben. Am besten ausgenützt aber wird der Kraftgewinn, wenn zugleich eine Variation in der Grössenentwicklung des bewegten Hebels nach der Seite der grösseren Bewegungsleistung hin gegeben- ist. In den Fällen, in denen diese günstigste Variation nebenher geht, besteht also der Vortheil der im Zusammenhang mit dem Hin- eindringen des Luftsackes stattfindenden Interstitienbildung in einem Gewinn an Grösse des Bewegungshebels und an Bewe- sungsleistung ohne entsprechende Vermehrung der Muskulatur und der übrigen Organsysteme. Bei gleichbleibenden sonstigen Verhältnissen ist das Resultat scheinbar dasselbe, als ob ohne Vermehrung der Bewegungsleistung eine Reduction der Muskulatur eingetreten wäre; der Vorgang ist aber ein anderer; die Verminderung der Muskelmenge ist nur relativ, sie ist am wachsenden Körper vor sich gegangen, Hand in Hand mit Vermehrung der Bewegungsleistung. — Die relative Ver- grösserung des Bewegungshebels ist hierbei natürlich nieht die Folge des Ersatzes von festerer intramuseulärer Zellmasse dureh Luft, sondern nur die günstigste der mit einhergehenden Varia- tionen. 2) Eine Vermehrung der Leistung kann aber noch auf etwas an- dere Weise zu Stande kommen, als durch den Ausfall der kurz als »Reibung« zu bezeichnenden innern Arbeit, nämlich durch eine Ueber die Luftsäcke der Vögel. 207 Verschiebung der Muskeleinheiten nach der Seite der günstigern Wirkung hin. Angenommen, die theoretisch günstigste Lage eines in einer Ge- lenkbeuge gelegenen Muskels wäre 5b b’ 6’, so dass zwischen ihm und dem Gelenk der Zwi- schenraum 46a bleibt, und es könne dieser Raum nur mit Zellgewebe oder Fett ausgefüllt sein, so wird eine solehe Ausfüllungsmasse für die Streekbewegung zum wichtigen Hinderniss werden. Deshalb ist die theoretisch beste An- ordnung 5 5b’ d hier nicht in praxi die beste, sondern diejenige ist günstiger, bei welcher der Raum 5 da ebenfalls durch contractile und bei der Relaxation dehnbarere Substanz, durch Muskulatur ausgefüllt ist. Statt 55 5’ 6 wird die Anordnung aa’ a’ gewählt. Diese erfordert natürlieh mehr Muskelsubstanz als 646’ 6’ im theoretischen Fall, wegen der ungünstigeren Zugrichtung. Ist nun umgekehrt die Mög- lichkeit der Ausfüllung des Raumes 44a durch ein vollständig verschiebliches Medium, durch Luft gegeben, so kann die Variation eines Abrückens der Muskulatur vom Gelenk mit Vortheil auftreten. — Auch hierdurch ist also ein Gewinn an Muskelkraft gegeben, der wieder am besten in der erörterten Weise verwerthet werden kann! . Ein sehönes Beispiel für die Luftraumbildung zwischen Muskulatur und Gelenk findet sich an der Hüfte. — Auch diese Veränderung der Muskulatur hat nicht das Herantreten des Luftsackes zur Ur- sache, sondern ist eine Variation, welche dureh die Möglichkeit, dass der Luftsack in den Raum @ 5 5 nachdrang, zu einer günstigen gemacht wurde und sich erhielt Gerade auch an der Schulter sind die Verhältnisse derart, dass eine Ausfüllung der Interstitien mit Zellgewebe oder Fett statt mit Luft nicht nur eine Verstärkung der einzelnen Muskeln nöthig ma- chen müsste, sondern bei gleicher Anordnung der Muskulatur wie !) Statt durch primäre Verschiebung der Muskulatur kann ein stärkeres Wachsthum der beiden in Frage kommenden Skeletabschnitte, ein stärkeres Auswachsen der Gelenkkörper, oder ein Auswachsen der Muskelfortsätze u. s. w. zur Erreichung der günstigsten Wirkung mit Abhebung des Muskels vom Ge- lenk führen. Hierbei spielt wohl eine vermehrte äussere Resorption eine Rolle, aber auch diese braucht nicht durchaus als directe Folge des Herantretens des Luftsackes, sondern nur als begleitende Variation im Knochenwachsthum aufge- fasst zu werden. 208 H. Strasser am pneumatischen Thiere für die Muskelaction direct ein Hemniss wäre. Das starke Vortreten der einzelnen Muskelleisten und Fort- sätze des Humeruskopfes bewirkt nämlich bei der allseitigen Bewe- sung, namentlich auch der Rotation des letzteren sehr grosse Volums- veränderungen der intermuskulären Räume. Man ist daher wohl berechtigt, die Ausbildung der topographischen Verhält- nisse dieser Gegend als wesentlich durch das Vorhan- densein der Luftsackanlage beeinflusst anzusehen. Das Herantreten oder Nichtherantreten des Luftsackes war für die Zweck- mässigkeit der Muskelanordnung entscheidend. Der Luftsack hatte nichts zu thun mit dem Variiren der Lagebezie- hungen an sich, war aber wichtig für deren Vererbung. Immer existirt natürlich für eine bestimmte Muskelmenge ein Maximum von Flügelfläche, das nicht ohne Nachtheil für die Leistung oder die Festigkeit des Organes überschritten werden kann. Dieses Maximum wird nun also erhöht durch Pneumatisation der Muskulatur (verminderte Reibung, günstigere Zugrichtung). Es ist eine verbreitete aber nichts destoweniger irrige Auffas- sung, dass für die Flugbewegung die Leichtigkeit des Apparates das Hauptpostulat sei; viel wesentlicher ist die flächenartige Ver- grösserung der Locomotionshebel. An der Vergrösserung des Bewegungshebels . sind allerdings Haut und Gefieder wesentlich betheiligt, aber auch das knöcherne Ge- rüst des Flügels und die den Hauptflugmuskeln zum Ansatz dienenden Skeletabschnitte. Aus den vorliegenden Messungen können wir schliessen, dass im Vergleich. mit den Säugethieren das Gewicht des Skeletes zu demjenigen der Muskulatur bei den Vögeln minde- stens kein bedeutend geringeres ist. Das Volum des Skeletes aber erscheint gegenüber demjenigen der Muskulatur in vielen Fällen wegen des lockerern Gefüges bedeutender, oder die Länge oder Flächenausdehnung einzelner Skeletabschnitte wegen der geringen Dicke des Knochens grösser !). Ein locales Uebergewicht des Knochenwachsthums über dasje- nige der Muskulatur geht je nach Umständen mit oder ohne Inter- stitienbildung vor sich. s ! Die Muskelmasse ist im Verhältniss zur Skeletmasse bei den von CUSTOR (Inauguraldissertation Bern 1873) untersuchten Vogelarten nur wenig stärker entwickelt, als bei den von ihm gemessenen Säugern, und bedeutend geringer als bei den übrigen Wirbelthierklassen. (Man könnte allerdings einwenden, dass Ueber die Luftsäcke der Vögel. 209 Wo eine einfache Muskellage besteht (z. B. Intercostalmuskeln) würde natürlich eine relative Verminderung der Muskelfasern nur als Verdünnung der Lage oder vermehrte Einlagerung von Binde- gewebsfasern sich äussern. Muskeln, welche den Extremitätenkno- chen annähernd parallel verlaufen , erfahren entweder eine Verlän- gerung der Sehne und relative Verkürzung des Muskelbauches, wie dies bei der Entwicklung der Säuger leicht zu beobachten ist, oder der Muskelbauch verschmälert sich relativ; in entstehende Niveau- differenzen lagert sich die Haut oder Bindegewebe ein. — Je con - plieirter aber die Muskelanordnung ist, je mehr Diffe- renzen in Ansatz und Richtung nebeneinander liegender Muskeleinheiten vorhanden sind, desto leichter kommt es bei relativer Verminderung der Muskelmasse zur Bildung von Interstitien. Eine günstige Gegend ist diejenige der Schulter für die Ent- stehung von Interstitien. Die Zugrichtungen der Hauptflugmuskeln sind trotz grosser Variationen in den gegenseitigen Grössenverhältnis- sen der einzelnen Flügelabschnitte im Allgemeinen dieselben und bei grösserer Ausdehnung der Flügelfläche findet sich zugleich eine bedeutendere Entwicklung des Schultergürtels; insbesondere wachsen die Muskelleisten (diejenigen am Humeruskopf, die Crista sterni, die Fureula mit der Membr. furculo-coracoidea, welche zusammen ebenfalls als Muskelleiste aufgefasst werden können) jede in ihrer besondern Richtung aus; zugleich zeigt auch der proximale Gelenkkörper ein stärkeres Vorwachsen. Die Muskulatur dagegen nimmt nicht in geometrisch ähnlichem Verhältnisse zu, behält aber die Reduction der Stammmuskulatur bei den Vögeln an dieser Erscheinung Antheil habe.) Es verhält sich nach Custor das Gewicht der Muskulatur zu demjenigen des Innenskeletes: bei den Fischen wie 6,25: 1 - - Amphibien = 3,83: 1 aus Tab. - - Reptilien = 2,93:1 > pag. 23 ete. - - Vögeln — 268 71 berechnet. - - Siugern seu 2 1Oe 1 Diese Zahlen sind natürlich, weil’ auf wenig Messungen basirt, nicht streng zu verwerthen. Die zu Grunde liegenden Vogelarten sind, so viel ich gesehen habe, solche mit relativ stark entwickelter Muskulatur, Larus etwa (und Galli- nago?) ausgenommen. Bei den grossen Fliegern, namentlich den Raptatores, ist sehr wahrscheinlich das Gewieht des Skeletes trotz der Pneumatieität gegenüber der Muskulatur noch bedeutender. 210 H. Strasser , die günstigste Zugrichtung und rückt also mit den Rändern der Mus- kelleisten. vom Gelenk und dessen nächster Umgebung ab. Es bil- den sich grosse Lufträume. Ich habe zur Illustration dieser Interstitienbildung durch relative Verminderung der Muskulatur gegenüber der Ausdehnung des Kno- chengerüstes die Schultergegend der Mycteria senegalensis und die- jenige von Buteo vulgaris nebeneinander abgebildet; statt des Sat- telstorches hätte ich auch einen Vulturiden, eine Sula nehmen kön- nen, statt des Mäusebussard eine Krähe, Taube, einen Cacadu, ein Huhn, eine Ente sogar, oder irgend einen kleinen Flieger (Taf. XI Fig. 2 u. 3). Bei Vergleichung der beiden Abbildungen bemerkt man eine grosse Differenz in der relativen Ausdehnung der.Interstitien und dies führt mich auf einen interessanten Punct. Bei der Präparation zahlreicher Vogelspecies ist mir nämlich auf- gefallen, dass die Menge der Flugmuskulatur bei den klei- nern Fliegern relativ bedeutend grösser ist, als bei grossen, vorausgesetzt, dass es sich beiderseits um ein ausgebildetes Flugvermögen handelt. Im Vergleich zur Muskelmasse ist bei den erstern die Flügellläche kleiner und das Skelet des Flügels weniger umfangiich. An der Schultermus- kulatur macht sich der Unterschied namentlich geltend. Da hier und dort der Luftsack in dieselbe frühzeitig eindringt, so sollte man doch annehmen dürfen, dass auch bei kleinern Fliegern in der Regel das Maximum der möglichen Ersparniss von Muskelsubstanz und der Pneumatieität für die Gegend erreicht würde. Der Vortheil der Mus- kelpneumatisation allein erklärt also diese Differenz nicht. — Dage- gen liegt es in den mechanischen Bedingungen der Flugbewegung, dass mit Zunahme der Flügelfläche im Quadrat die Muskulatur nicht im Cubus zuzunehmen braucht, sondern weniger schnell, um eine gleiche mittlere Flugleistung (also z. B. die Erhaltung des Körpers auf gleicher Höhe) zu erzielen. Ich werde weiter unten hierauf zurückkommen. Interstitienbildung am Knochen (Pneumatieität s. str.). Dass die Pneumatieität auch der von der Lunge aus versorgten Knochen ohne Beziehung zur Respiration steht, habe ich schon oben kurz auseinandergesetzt; ich stehe damit in Widerspruch mit der zuletzt von SELENKA (Art. Aves. pag. 41, 89), früher schon von Ueber die Luftsäcke der Vögel. 211 Hunrer, VROLIK u. a. vertretenen Ansicht, an der GuILLOT Zwei- fel hegte und die von Sarpey entschieden bekämpft wurde. Die allgemein verbreitete Annahme, dass die Pneumatieität zur Erleichterung des Vogelskeletes diene, resp. wegen des Nutzens einer solchen Verminderung des Körpergewichtes sich ver- erbt und erhalten habe, wurde meines Wissens eigentlich nur von CAMPANA entschieden bestritten. Der gute Beobachter Nırzsch hat allerdings schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Pneumatieität nicht mit der Grösse des Flugvermögens proportional sei '). Campana aber stellt auch die erhebliche Erleichterung des Vogelkör- pers durch die Pneumatisirung des Skeletes in Abrede. Wenn die gewöhn- liche Annahme so formulirt werden kann, dass ein bestimmter Vogel durch die Pneumatisirung seines Skeletes eine Verminderung seines Körper- I, re 1 gewichtes um — erfahren hat, so versuchte CampAanA die Grösse von — zu berechnen und fand, dass dieselbe auffallend klein sei. C. rechnete nämlich aus, welche Gewichtsvermehrung das Skelet und der ganze Körper des Huhnes erfahren würde, wenn die pneumatischen Kno- !, Nirzscu. Osteographische Beiträge pag. 12: »Je weniger Volum und Stärke ein namhafter Knochen im Vergleich der übrigen zu haben pflegt, desto unbestiindiger ist seine Lufthöhle: ..... Ich begnüge mich, nur obenhin zu bemerken, dass die Pneumatieität des Skelets zwar auf das Flugvermögen der Vögel Bezug zu haben scheint, selbige aber weder mit den Graden der Ausbildung des Flugvermögens allein in bestimm- tem und geradem Verhältniss steht, noch auch überhaupt eine wesentliche Be- dingung dieses Vermögens ist, indem Sehr geschickte Flieger, wie die Schwal- ben und Sternen, nur wenige, oder, wie die letztern, fast gar keine Knochenluft- höhle haben, und die jungen Vöger, noch ehe ihre pneumatischen Beinhöhlen- da sind, fliegen lernen. — Ohne alle Beinhöhlen ... fliegen ja auch die Chi- roptern unter den Säugethieren, oft so vollkommen und behende, dass sie in dieser Hinsicht keinem Vogel etwas nachgeben. So wie dies kleine Säugethiere sind, so findet man auch bei den kleinen Vögeln das Bedürfniss der Knochenhöhlen zum vollkommenen Flug geringer. Nimmt aber mit dem Flugvermögen zugleich die Grösse des Körpers zu, oder sind grosse Vögel gewandte und anhaltende Flieger, so werden auch wohl mehr Knochenhöhlen nöthig und da sein. Die gar nicht und schlecht fliegenden haben gemeiniglich wenige und kleine Luft- höhlen, aber doch ist der umgekehrte Fall z. B. bei dem ziemlich unbehende fliegenden Wiedehopf und sogar bei dem nur laufenden Strauss. Es scheint daher, dass, abgesehen von den eigentlichen Respirations-Erscheinungen und Zwecken, sich über den Nutzen der Beinlufthöhlen in den Vögeln nichts weiter mit Sicherheit überhaupt sagen liesse, als, dass sie das Verhältniss der Schwere der Knochen zu ihrem äussern Volum mindern, und die Verringerung des Gewichtes ohne Verminderung des äussern nöthigen Umfangs oder die Zu- nahme des letztern ohne Zunahme der Schwere möglich machen.« 212 H. Strasser chen statt mit Luft mit Mark (Fett) vollständig erfüllt wären und schloss daraus, dass durch die Pneumatisation der Humerus !/;, das gesammte Skelet nicht ganz !/,, der ganze Körper circa 7=%/ 500 ihres Gewichtes verloren haben. Wenn nun auch Campana nach dieser Methode bei stark pneumatischen Thieren, z. B. einem Peli- can eine ungleich höhere Verhältnisszahl erhalten würde, so muss andererseits zugegeben werden, dass für viele mittelgrosse und die meisten kleinen Flieger die Grösse von = den von ihm gefundenen Werth mindestens nicht übersteigen wird. Campana bemerkt aus- serdem, dass der procentische Antheil des Skeletes am Gesammt- gewicht bei den Vögeln gar nicht besonders klein, ja sogar bei man- chen guten Fliegern, so bei der im Verhältniss zu ihrer Grösse: am besten fliegenden Schwalbe ein auffallend bedeutender ist. Diese Thatsachen zusammengehalten mit den von Nrrzscu rich- tig gekennzeichneten Verhältnissen der Knochenpneumatieität nöthi- gen zu der Annahme, dass, wenn die Erleichterung des Körpers über- haupt von Vortheil für den Flug ist, dasselbe mindestens nicht überall in gleichem Maasse von der Knochenpneu- matisation gilt, ja dass letztere bei kleinen Fliegern im Allge- meinen factisch nicht von Vortheil ist. Denn wenn man annehmen kann, dass die Luftsäcke mit den anatomischen Verhältnissen varii- ren, so müsste man doch bei einigen der zahlreichen kleinen Flie- ger aus den verschiedenen Vögelgruppen den möglichst hohen Grad von Pneumaticität erwarten, da Ja die Anlage der Luftsäcke und die Unselbstständigkeit ihrer Weiterentwicklung überall so ziemlich dieselbe ist. Weil ersteres sich nicht so verhält, folgt, dass die anatomischen Bedingungen für die relativ geringe Ausbildung der Knochen- (und Muskel-‚pneumatieität bei kleinen Fliegern allgemei- ner Natur sind. Die Fälle aber, wo trotz nicht bestehendem oder verloren gegan- genem Flugvermögen Pneumaticität des Skeletes vorhanden ist, oder fortbesteht, nöthigen zu der Ahnahme, dass dieselbe auch noch aus andern, vielleicht allgemeiner gültigen Gründen. existenzberechtigt ist, als einzig durch die Beziehung zum Flugvermögen. Etwas Eigenartiges, nur fliegenden Thieren oder nur der Klasse der Vögel Zukommendes liegtin der Einrichtung der Knochenpneumatieität über- haupt nicht. Pneumatisation tritt auch bei Säugethieren an einzel- nen Stellen auf, wo die Möglichkeit der Einstülpung eines von einer Ueber die Luftsäcke der Vögel. 213 Schleimhaut (die hinsichtlich ihrer Funetion und Structur eine Re- duetion erfahren kann) umkleideten Luftraumes gegeben ist. Beispiele - dafür geben die Stirnhéhlen, die Höhle des Proc. mastoideus, die Sinus sphenoidales und ethmoidales'). Eine gewichtige Beziehung zur Locomotion lässt sich hier nicht finden. Offenbar ist bei einer Volumsvermehrung der Knochen ohne geo- metrisch ähnlich gesteigerte mechanische Funetion der Vergrösserung der Oberfläche, vielleicht oberflächlich wirkender Kräfte halber, das Wesentliche: eine Ersparniss an Material. Eine derartige Oekonomie wird gewiss nicht erst durch ihre Beziehung zur Loco- motion vortheilhaft. Ob erstere nun durch vermehrte Knochen- resorption, oder vermindertes locales Wachsthum, oder durch Ex- pansion erreicht worden ist, jedenfalls war hier dasselbe regulatori- sche Moment thätig, welches überall in der Entwicklung des lamellären Knochens für die möglichste Entfernung des an irgend einer Stelle unnöthig gewordenen Materiales sorgt, und es ist wohl anzunehmen, dass die Art und Weise, in welcher diese nützliche Ersparniss an- Material zu Stande kömmt, eine der Grundeigenthümlichkeiten des lamellären Knochengewebes bildet, die schon sehr früh sich vererbt. Diese Ersparniss ist bekanntlich am bedeutendsten, wo es sich we- sentlich nur um eine bedeutende Oberflächenvergrösserung handelt; dies lässt sich auch am Vogelskelet an jeder Stelle nachweisen. Schon die Ausfüllung der im Knochen entstehenden Intersti- tien durch Fett ermöglichte also das Auftreten einer voluminösern Knochenform ohne entsprechende Vermehrung der Knochenmasse. Wahrscheinlich aber erhöhte der Ersatz des Fettes mit Luft das Maass, in welchem dieses mit Vortheil geschehen konnte. Jede 1) KÖLLIKER. Entwicklungsgeschichte. 1861 pag. 334: »Im dritten Monat fehlen noch alle Nebenhöhlen (des Nasenraumes) wie die Stirnhöhlen, das Antrum Highmori, die Sinus sphenoidales und ethmoidales. Die Bildung derselben fällt in eine viel spätere Zeit und geschieht dadurch, dass, während an den betreffenden Knochen durch Resorption Lücken und Höh- len entstehen, die Schleimhaut des Labyrinthes Aussackungen bildet, die im- mer genau den Knochen folgen.« Die Sinus ethmoidales und das Antrum Highmori sind nach K. zur Zeit der Geburt schon gut ausgeprägt, die Sinus frontales erst nach derselben. Ihre volle Ausbildung erlangen die Sinus frontales, sphenoidales und das Antrum Highmori erst mit der Vollendung des Wachsthums. pag. 323: »Die Cellulae mastoideae, die analog den Zellen des Geruchsorga- nes entstehen, sind bei der Geburt noch kaum angedeutet und bilden sich erst zur Pubertätszeit vollkommen aus .« 214 H. Strasser kleine Erschütterung der Knochenbalken am pneumatischen Kno- chen, jede kleine Verbiegung der Plättehen findet nothwendi- serweise am Ausfüllungsmedium einen Widerstand, welcher eine gewisse Festigkeit des innern Gefüges immer noch nothwendig macht, oder aber es steht die geringere Verschieblichkeit des Mediums den Wachsthumsvorgängen, vorab dem Auseinander- rücken der Knochenplättehen selbst etwas hindernd entgegen. — Wäre dem so, dann würde durch das Eindringen der Luft in den Knochen jenes Auseinanderrücken der Knochenplittchen, oder die Möglichkeit der Elimination von Knochensubstanz (Resorption) direct gesteigert in ähnlicher Weise, wie ich es schon bezüglich der Cor- ticalis plausibel zu machen versuchte. — Ich habe aber bei der Er- klärung der Fälle, wo von innen her der Luftsack durch die Corti- calis hinausdringt, mit Absicht nieht auf diese noch genauer Prüfung bedürftige Hypothese recurrirt. Ersatz des Fettes durch Luft ergibt auch noch eine Vermehrung der Elastieität des Knochens, was in vielen Fällen von Vortheil sein mag. Sieher erscheint der Vortheil der Ausfüllung von Knocheninter- stitien mit Luft statt fetthaltigem Mark erheblich klarer, wo es sich um Loeomotion handelt: aber auch hier ist es nicht ausschliesslich das Flugvermögen, welchem die relative Erleichterung des Skelets Nutzen bringt. Das näherliegende ist eine Verminderung der Eigen- schwere eines beweglichen Skeletabschnittes oder vielleicht riehti- ger gesagt: die Vermehrung seines Volums und seiner mechanischen Leistung ohne entsprechende Vermehrung seiner Masse und der zu seiner Bewegung nöthigen Muskulatur. Grössere Interstitienbildung im In- nern des Knochens und an der Corticalis ist hier der Ausdruck der- selben Veränderung, wie die Vermehrung der Zwischenräume zwi- schen den ihn bewegenden Muskeln, nämlich einer bevorzugten Volumsvergrösserung des Bewegungshebels {des Knochens), wel- che durch die Möglichkeit der Pneumatisation vortheilhaft ge- macht worden ist. Eine solche locale Correlation macht eine grosse Anzahl von Erscheinungen viel verständlicher, als die Bezie- hung zum Flugvermögen, wenn letztere auch meist nicht geläugnet werden kann. (Pneumatisation des sehr beweglichen Kopfes, der Unterkiefer, Halswirbel ete. ').) Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass die grössere ') Vgl. NirzscH, C. L. Ueber die Pneumatieität und einige andere Merk- würdigkeiten des Skelets der Kalaos. MEcKELS Arch. 1526. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 215 Volumsentwicklung des Skeletabschnittes eine primäre Variation ist, welche durchaus nicht in der Ontogenese streng an den Grad der Pneumatieität gebunden ist. Das definitive Volum kann früh annä- hernd erreicht werden, lange bevor die Pneumatieität auftritt '). Neben den erwähnten Vortheilen der Knochen-Pneumatieität kommt nun, wo es sich um Flieger handelt, ein solcher für das Flug - vermögen entschieden im Allgemeinen in Betracht, aber in sehr verschiedenem Maasse. Campana geht wohl mit der Läugnung die- ses Nutzens zu weit. Vor allem hat er die Verminderung der Kigenschwere des Flügels durch die Pneumatisirung nicht berücksichtigt. Wenn auch nur der Humerus um !/, leichter würde, so kommt diese Differenz für die Bewegung des Flügels in Betracht. Bei einer so anhaltenden Thätigkeit, wie dem Fluge, summiren sich auch kleine Differenzen zu erheblichen Grössen. Bei vielen Fliegern ist auch die Pneumaticitiit des Flügelskeletes bedeutend grösser als beim Huhn. Jede Verminderung des Gesammtgewichtes muss ebenfalls die Flugarbeit vermindern und es ist, um mit CAMPANA zu rechnen, diese Verminderung bei gut pneumatischen Thieren ganz erheblich, schon allein am Skelet?). Das Verhältniss muss zwar in etwas anderem Sinne aufgefasst werden, als es von CAm- PANA geschieht, weil die Elimination des Knochenmarkes das We- sen des Pneumatisationsvorganges nicht ganz erschöpft. Immerhin darf man sagen, dass ein Fehlen der Knochenpneumatieität bei den besser pneumatisirten Fliegern eine grössere Fluganstrengung nöthig machen würde und ein grosser Nachtheil wäre. Es lässt sich auch erwarten, dass im Allgemeinen für die gegebenen anatomischen Ver- ‘hiltnisse das Pneumaticitätsmaximum im Verlauf der Ontogenese erreicht wird und der Einfluss, den die Pneumatisirung für die Er- leichterung des Fluges mit sich bringt, in den Wachsthumsverhält- nissen des Körpers schon seinen Ausdruck gefunden hat. ') NıtzscH. Osteographische Beiträge. pag. 13. 6. 2) Dass das Skelet der Vögel kaum '/;) des Gesammtgewichtes ausmache (Gefieder eingerechnet), ist vielleicht gerade für grössere Flieger eine zu niedrige Annahme. Nimmt man aber !/,, an, so ist bei guter Pneumatisation mindestens durchschnittlich von jedem Knochen durch Elimination des Markes das Gewicht um so viel vermindert, als beim Huhn am Humerus, nämlich !/3: es resultirt eine Gewichtsverminderung des Skeletes um Ys, statt um !/;o, wie C. für das Huhn berechnet hat. 216 H. Strasser Die Untersuchung der Knochenpneumatieität bei den verschie- denen Vogelspecies ergibt nun Folgendes: Keinem Vogel mit dem Maximum oder einem sehr hohen Grad von Pneumaticitit s. str. fehlt ein erheb- liches Flugvermögen und eine erhebliche Grösse. Die Maxima finden sich bei den grossen Raub-, Schwimm- und Sumpf- vögeln, bei den Buceroniden und bei den südamerikanischen Hüh- nerstelzen (Chauna, Palamedea). GreBEL erwähnt bestimmt, dass die Chauna sehr gewandt fliegt; ebenso fliegt Palamedea recht gut, auch die Buceroniden, so viel ich weiss. Die Struthionen, die nicht fliegen, besitzen recht ansehnliche Knochenhöhlen mindestens in Sternum, Rippen, Coracoid, Wirbel- säule, — grosse Räume am Hüftgelenk, später auch im Femur (letz- teres mindestens bei Struthio cam. und Casuarius). Hier fällt der Ein- fluss der Pneumatieität auf das Flugvermögen dahin, ein solcher besteht aber für den Lauf im Sinne der Begünstigung. Respirationsapparat und Luftsäcke sind von dem Verhalten bei den Carinatae nicht sehr abweichend. Die Möglichkeit des Nachdringens der Luftsackwand in die sich bildenden Interstitien ist also gegeben. In den Luft- räumen am Hüftgelenk und in den Knochen dieser Thiere sind nicht einfache Rudimente der bei den Stammeltern besser ausgebildeten Luft- säcke zu sehen; sie stehen vielmehr in genauester Correlation mit den localen anatomischen Verhältnissen, mit der Oberflächenvergrös- serung des Sternum, namentlich seiner Gelenkränder, der stark lo- comotorischen Function der Hüfte u. s. w.). Am meisten fällt bei der Vergleichung zahlreicher Vogelskelete der Gegensatz ins Auge, welcher im Allgemeinen zwischen kleinen und grossen Fliegern hinsichtlich der Pneuma-, tieität herrscht und der soweit geht, dass sehr gut fliegende Arten wie die Sterna keine, andre wie die Lariden nur wenige Knochen des Skeletes pneumatisch haben. Ich habe schon oben behauptet, dass die Flugmuskulatur bei den kleinern Fliegern im Allgemeinen ) Wegen der starken mechanischen Beanspruchung der Corticalis am Humerus und Femur entstehen bei den Vögeln überhaupt die ersten pneumati- schen Oeffnungen dieser Knochen nur an ganz bestimmten typischen Stellen. Beim Strauss und Casuar liegt die Femuröffnung vom gewöhnlichen Verhalten ab- weichend an der Hinterseite des Schenkelhalses. Dass der Humerus trotz erheblicher absoluter Grösse nicht pneumatisch ist, erklärt sich aus den vollständig abweichenden anatomischen Verhältnissen der Schulter. f} ~I Ueber die Luftsiicke der Vögel. ' 71 relativ mächtiger sei als bei den grössern und dass die mechanischen Bedingungen des Fluges dies erklären. Letztere werfen auch auf die Pneumatieitätsverhältnisse der Knochen einiges Licht. Es ist hier der Ort, näher auf dieselben einzutreten. Leider muss ich mit elementären Ueberlegungen mich behelfen '). Damit ein Körper schwebend in der Luft erhalten werde, muss der Wirkung der Schwere auf diesen Körper (/’.g in der Zeiteinheit) durch eine hebende Kraft das Gleichgewicht gekalten werden. Dies gilt also auch vom Vogelkörper für jeden Augenblick des Fluges. Da die Beschleunigung der Schwere eine eonstante Grösse ist, so muss die hebende Kraft dem Gewicht des Körpers proportional sein. Die Hebung geschieht wesentlich durch den Niederschlag des Flü- gels: indem der Luftwiderstand die Bewegung des Flügels hemmt, findet eine Reaction statt und ein Theil der auf den Flügel wirken- ‘den Muskelkraft wird zur Hebung des Körpers verwendet. Ein an- derer Theil geht 2) in Verschiebung der Lufttheilchen 3) in innerer Arbeit 4) in Bewegung des Eigengewichtes des Flügels verloren. Endlich bewirkt, da der Niederschlag eines Theiles der Flü- gelfläche (der vordern Flughaut namentlich) nicht in der Rich- tung seiner normalen sondern in schräger Richtung erfolgt, eine Componente zur vertical nach oben gerichteten 5) eine Verschiebung des Vogelkörpers nach vorn. Lassen wir die letztere Componente, welche nicht hauptsächlich eine jeden Augenblick in entgegengesetzter Richtung auf die Massen- theilchen wirkende Beschleunigung zu überwinden hat, deren Wirkung sich daher, selbst wenn die einzelnen Momente klein sind, zu einer erheblichen Vorwärtsbewegung summiren kann, vorläufig ausser Acht und fassen die Bedingungen der Hebung ins Auge. Je grösser der Bruchtheil der angewandten Muskelkraft ist, welcher direct zur Hebung des Körpers verwendet wird, desto geringer ist die bei normalem Fluge {bei welchem die Geschwindigkeit nach vorn nicht absichtlich vermehrt ist) aufgewendete Arbeit, desto vollkommener ist also der Flügel gebaut. Wenn daher bei gleich grossen Fliegern die Flügel der einen ungünstig für die normale Flugaction gebaut sind, so ist eine vermehrte Muskelanstrengung !) Werthvolle Aufschlüsse über manche Seite der Flugmechanik findet man in dem eitirten Werke von PRECHTL. 218 H. Strasser und für die Dauer eine grössere Muskelmenge nothwendig. Die relative Entwieklung der Flugmuskulatur an sich gibt also noch keinen Maassstab für das Flugvermögen. Es verhält sich der Widerstand, welchen eine Fläche bei einer Bewegung in der Richtung ihrer Normalen in einem flüssigen Me- dium erfährt, 1) wie die Ausdehnung der Fläche und 2) wie das Quadrat der Geschwindigkeit (ungenau). Damit bei Abnahme der Grösse des Vogels!) die aus dem Nie- derschlage resultirende Hebungsarbeit immer noch zum horizontalen Fluge genügen soll, darf der Widerstand, den der Flügel bei der Bewegung erleidet, nur proportional dem Gewicht des Körpers ab- nehmen, wenn die Dauer dieses Widerstandes in der gleichen Zeit dieselbe ist. a. Die Geschwindigkeit des Flügelniederschlages im Wider- standspunet nimmt nun bei gleicher Exeursionsweite und gleicher Dauer eines Niederschlages proportional der Länge ab, die Flügel- fläche wie das Quadrat der Länge: der Widerstand vermindert sich also bei diesen Bedingungen wie die vierte Potenz der Länge, also schneller als das Körpergewicht. — Damit die Flugaction genüge, muss die Bewegung des Flügels eine schnellere werden 2). b. Angenommen aber, die Zeit einer Niederbewegung des Flügels nehme in gleichem Verhältniss wie die Länge des Flügels ab (bei gleichem Excursionswinkel), so ist in Folge davon die Gesehwindig- keit im Widerstandspunct dieselbe geblieben. Auch der zurück- gelegte Weg ist derselbe, wenn die Zahl der Flügelniederschläge in der Zeiteinheit in dem Verhältniss zunimmt, in welchem die Flügellänge kleiner geworden ist. Dann hat sich der ganze Wider- stand nur vermindert, wie die Fläche des Flügels, ist also grösser als nothwendig ist. . Nimmt aber die Zeit des Rive eInederscihlages ab, wie die AR der Länge des Flügels abnimmt, — dann nimmt der Widerstand hinsichtlich der einen Variablen, der Geschwindigkeit, ab im Verhältniss wie die Flügellänge selbst — und bei Mitberück- sichtigung der verminderten Flügelfläche wie der Cubus der Längen- dimension, also wie das Körpergewicht. — Wenn aber die zur Grösse Die wir uns vorläufig in allen Dimensionen gleichmässig eingetreten denken. 2) Voraussetzung ist, dass die Dauer des Niederschlages zu derjenigen der Flügelhebung stets im gleichen Verhältniss bleibe. 1 BE ad Ze = Ueber die Luftsäcke der Vögel. 219 des Flügels und seiner Muskeln in demselben Verhältnisse bleiben- den Flügeleseursionen und Muskeleontractionen verhältnissmässig schneller stattfinden, so müssen sie auch häufiger in der gleichen Zeit erfolgen, damit die gleich grosse Reaction auch während gleich langer Zeit hervorgerufen werde. Dieses Plus der Geschwin- digkeit bewirkt dann, dass die zur Hebung des Körpers verwen- dete äussere Arbeit bei kleinen und grossen Fliegern relativ dieselbe ist und der Körpermasse proportional zu- oder abnimmt. Diejenige Arbeit aber, welche nöthig ist, um der Flügelmasse an sich, abge- sehen von jedem Widerstande des umgebenden Mediums, die postulirte Bewegung zu geben, ist bei den kleineren Fliegern vermehrt; ihret- wegen darf die Flugmuskulatur nicht im gieichen Ver- hältnisse wie die Masse des Flügels abnehmen. Eine Verschiebung der Muskelansätze (d. Pectoralis) gegen das Schultergelenk hin ist von Vortheil, weil eine geringere Excursion der Muskelfasern nöthig ist, erfordert natürlich aber eine entsprechende Vermehrung derselben. PRECHTL behauptet, dass der Hebelarm des Brustmuskels im Verhältniss zur Entfernung des Widerstandpunctes bei den Schnellflügeln kleiner sei, als bei den Ruder- fiigeln. (PRECHTL |. c. pag. 222.) Obige Voraussetzung, dass der Widerstand proportional zur Flügelfläche zu- und abnehme ist nun ungenau; er nimmt vielmehr in stärkerem Maasse zu, wegen des erschwerten Ausweichens der Lufttheilchen, welches um so mehr ins Gewicht fällt, als es sich um die Bewegung einer Fläche um eine in ihrem Rande liegende Axe handelt, und wegen der aspirirenden Wirkung der Dorsalfläche des Flügels. Dieser Umstand bedingt, dass bei den kleinen Vögeln eine noch bedeutendere Vermehrung der Geschwindigkeit des Flügelschla- ges nöthig ist Hand in Hand mit Vergrösserung des Pectoralis, resp. dass bei grossen Fliegern eine noch langsamere Flugaction mit we- niger Muskulatur zur nöthigen Hebung genügend ist. Folgende Momente kommen ausserdem noch in Betracht: 1) der Verlust von Kraft in innerer Arbeit wird durch die vermehrte Geschwindigkeit gesteigert, namentlich in den Ge- lenken, sodann durch die häufigere Hemmung und Wiedereinleitung schneller Bewegung der Flügelmasse ete. Geringere Elastieität des Flügels und der Federn spielt sicher ebenfalls eine grosse Rolle für die möglichste Verwerthung der Kraft; es ist aber eine gewisse Grösse der elastischen Verschiebung und das Praedominiren einer bestimmten Verschiebungsrichtung, — an- dererseits auch ein gewisses Zeitmaass zur nützlichen Umwandlung Morpholog. Jahrbuch. 3. 15 220) H. Strasser + der molecularen Verschiebung in lebendige Kraft nothwendig. Wer je mit langen und angemessen biegsamen Rudern einen Kahn durchs Wasser geschnellt hat, wird den Gewinn an lebendiger Kraft zu schätzen wissen, der sich aus der Länge des Ruders und dem lang- samen Tempo der Action ergibt. 2) Bei den grossen Fliegern kommt meistens noch die Mög- lichkeit der ausgedehntern Muskel- und Knochenpneu- matisation hinzu, wodurch das Maass, in welchem der Bewegungs- hebel, der Flügel mit seinem Knochengerüst im Verhältniss zur Muskulatur zunehmen kann, noch erhöht wird!). 3) Noch mehr als diejenige des Pectoralmuskels steigert sich die Action der Flügelheber mit der Zunahme der Flügelschläge. meist ohne entsprechenden Vortheil für die Hebung des Vogelkörpers. Die auffallende Mächtigkeit der Muskeln, welche die Umrollung, Hebung und Entfaltung des Flügels bewirken Biceps. Subelavius, Deltoidei, Triceps ete.), bei den kleinern Vögeln hat ein gutes Theil an der geringern Entwicklung der Muskelinterstitien an der Schul- ter. Es liesse sich nun weiter ausführen, dass die kleinern Flieger für verschiedene aussergewöhnliche Bewegungen, für ihre schnellen Wendungen u. s. w., meist im Anschluss an die Art ihres Nahrungs- erwerbes zu viel erheblicheren, vorübergehenden Arbeitsleistungen genöthigt sind und dass dem entsprechend auch die Muskulatur sich verhält. Ferner ist überall da, wo der Flügel im Verhältniss zum Kör- pergewicht relativ verkürzt ist, eine vermehrte Kraftentwieklung beim Niederschlage und eine grössere Geschwindigkeit desselben mit schnellerer Wiederholung zum Fluge nothwendig, als anatomische Grundlage aber eine stärkere Entwicklung der Flugmuskeln (Galli- nacei. Tetrao Urogallus, Anser, Anas). Wo der Niederschlag mit grösserer Kraft geschieht, damit der nöthige Widerstand erhalten werde, ist eine festere Beschaffenheit des Flügels und der Federn nothwendig. Ersteres ist auch, wie angedeutet, bei den kleinern Fliegern meist in grösserem oder geringerem Maasse der Fall. 1) Wenn aber die Grösse der Last, mit welcher Vögel auffliegen können, mit der Grösse der letztern relativ zunimmt, so dass z. B. der Adler nach den Berechnungen von PrEcHTL das Doppelte seines Gewichtes, die Krähe die Hälfte des ihrigen, die Taube noch weniger zu tragen vermag, der Sperling aber an einer grossen Brodkrume genug zu thun hat, so beruht dies gewiss nicht auf dem Unterschied in der Pneumaticitiit vorzugsweise, sondern auf dem Vortheil der grössern Flügelfläche. Ueber die Luftsäcke der Vögel. 2 m Precurn hat ganz richtig darauf aufmerksam gemacht, dass man zwei Flügeliormen unterscheiden kann : 1) die Ruderflügel, bei den guten grossen Fliegern, im Ver- hältniss zum Körpergewicht etwas länger, zu langsamem Flügel- schlage geeignet; die äussern Federn der Schwinge spreizen sich beim entfalteten Flügel auseinander ete. (Adler, Krähe ; 2) die Schnellflügel, für heftigern und schnellern Flüge!- schlag berechnet, aber mehr Muskelkraft erfordernd; die Schwung- federn sind hart und stark gebaut, mit schmälerer Fahne ohne Aus- schnitte, so dass sie bei der Flügelstreckung nicht auseinandersprei- zen ete. Die Anwendung der Schnellflügel findet nach ihm bei einer gewissen Grösse von selbst ihre Grenze und sie müssen bei einer gewissen Verminderung der Geschwindigkeit der Flügelschläge mehr oder weniger in Ruderflügel übergehen, um dem Zwecke der Vor- wärtsbewegung zu genügen. Unter den guten Fliegern mittlerer Grösse besitzen nur wenige Schnellflügel (einige Falken, dann die Seeschwalben, Tauben |), sonst aber mehr oder weniger alle kleinen Vögel bis herab zu den Kolibris. i Wenn nun wirklich die Flugarbeit der kleinern Vögel eine re- lativ grössere ist, so ist nicht abzusehen, warum gerade bei ihnen eine Verminderung des Körpergewichtes durch Pneumatisation an und für sich nicht von Vortheil sein sollte. Wir verstehen aber jetzt den Grund, warum sie es nicht ist. I) Eine Vergrösserung der Flügelfläche ist bei kleinen Fliegern nicht von demselben Vortheil, wie bei den grossen, weil sie eine bedeutende Mehrarbeit für die Heber und Niederzieher des Flügels mit sich bringt. Eine Vermehrung der Muskelmenge und der Schnel- ligkeit und Energie des Flügelschlages ist hier von grösserem Vor- theil. Die Flugmuskulatur ist im Verhältniss zu Sternum, Schulter- gürtel und Flügel mächtiger; das Skelet erleidet im Verhältniss viel mehr Bewegungseinfliisse; deshalb sind in Muskulatur und Knochen die Interstitien kleiner. 2) Auch abgesehen von der grössern Muskelmenge erfordert die relativ heftigere Flugaction eine grössere Festigkeit des Flügels, we- gen der häufigeren Hemmung und Wiedereinleitung der Bewegung: es geht mehr Kraft in innerer Arbeit verloren; dem entsprechend muss der Bau der Knochen compakter bleiben. 3) Das Vordringen des Luftsackes wird durch die Massenzu- nahme der Schultermuskulatur erschwert. 15* 992 H. Strasser Immerhin ist auch bei kleinern Fliegern die Pneumatisation nach Möglichkeit vorhanden, z. B. am Sternum. Man hat aber zu be- denken, dass die Markraumbildung an und fiir sich bei kleinerer Grösse desselben Knochens beschränkter ist. Der Unterschied in der mechanischen Leistungsfähigkeit zwischen soliden Knochen und gleich grossen hohlen nach dem Gesetze der hohlen Säulen ist viel grösser, sobald es sich um absolut kleine Knochen handelt. Die Isolirung von Balken und Plättchenzügen schädigt die Leistungs- fähigkeit und ist nur in geringerem Grade möglich; dagegen findet man oft eine Ersparniss an Masse durch partielles Einsinken der Oberfläche und Zurückbleiben von Leisten, oder durch gleichmässige Verminderung des ganzen Volums bei solidem Bau. Wie die Diekenzunahme des Humeruskopfes, das Vortreten sei- ner Leisten, die Zunahme der Sförmigen Krümmung die Weite der Muskelinterstitien begünstigt, so ein expansives Wachsthum des Knochens im Querschnitt die Pneumatisation des Knochens. Dass wir nun bei den grossen Fliegern das Maximum der Pneu- maticitiit eher bei Palamedea, Chauna, Buceros und nicht beim Alba- tros finden, dass auch gleich gut fliegende und gleich grosse Arten sehr verschieden pneumatisch sein können, kann nicht verwundern und es sind die Bedingungen nicht ins Detail zu verfolgen. Wenn ein Ausfall kleiner Seitenkräfte durch das Herantreten des Luftsackes erfolgt, so handelt es sich, wie wir einsehen gelernt haben, nicht blos um den Ersatz von Zellgewebe oder Fett durch Luft, — sondern um den Ausfall ganz erheblicher mechanischer Einflüsse, ein Abrücken “von ganzen Muskeln von der Knochenoberfläche, der M. M. intertransversarii ete. von der Seitenfläche der Wirbel, des Her- zens vom Sternum, um ein Auseinanderweichen der Ligament- und Muskelansätze ete.: alles ererbte Wachsthumsverhältnisse, die bei den verschiedenen Arten verschieden ausgeprägt sind. Eine relative Vermehrung der Flügelfläche kann nun auch we- sentlich nur von Längenausdehnung der Skeletabschnitte und Mus- -kelleisten begleitet sein, während die Dicke derselben weniger zu- nimmt (Sula, Diomedea exulans, Larus verhalten sich hierdurch hinsichtlich der Pneumatisation ihrer Flügelknochen gegenüber den grossen Grallatores, Raptatores, Cygnus, Pelecanus verschieden). Ich will die Hauptresultate der gemachten Erwägungen über die Knochenpneumatisation kurz zusammenfassen. a Ueber die Luftsäcke der Vögel. 223 1) Die Oeffnungen in der Corticalis finden sich nur an statisch unwichtigen Localitäten. 2) Der Pneumatisation liegt ein grösseres Auseinanderweichen der statischen Elemente der Corticalis — bei den Vögeln gegenüber den Säugethieren, — also eine weitergehende functionelle Differen- zirung, sodann der Schwund des fetthaltigen Knochenmarkes und oft eine Vergrösserung der innern Markräume zu Grunde. 3) Diese Vorgänge am Knochen gehen wahrscheinlich unter den gewöhnlich das Knochenwachsthum modifieirenden, regulatorischen Einflüssen vor sich und sind durch das Gesetz der Ersparniss un- nöthigen Materiales am lamellösen Knochen bedingt. 4) Wo im Vogelorganismus expansives Wachsthum des Knochens ohne geometrisch ähnliche Vermehrung der mechanischen Elemente von Vortheil und möglich ist (Oberflächenvergrösserung), erfolgt Pneu- matisation, wenn der Luftsack Zutritt hat, ebensogut als bei den Säuge- thieren, nach diesem allgemeinen Gesetz des Knochenwachsthums. Daher ist die Pneumatisation nicht nothwendiger Weise der Flugbewe- gung halber vererbt, sondern kann durch dieses Gesetz allein oder durch ganz andre Vortheile existenzberechtigt sein. 5) Die Pneumatieität eines Skeletabschnittes kann local für die Locomotion von Vortheil und deshalb mit einer relativen Verminde- rung der localen Muskulatur oder einer ausdauernden Action .oder einer Vergrösserung der momentanen Bewegungsleistung als günsti- ger Variation begleitet sein (Schnabel). 6) Bei den fliegenden Vögeln gibt jede Verminderung des Kör- pergewichtes neben dem localen Vortheil noch einen solchen für den Flug; derselbe darf nicht überschätzt werden in seiner Bedeutung für das Individuum. 7) Wo ein überwiegendes Wachsthum des Skelets von Vortheil ist für die Locomotion, kann der Vortheil der Verminderung des Gesammtgewichtes und des Eigengewichtes des Locomotionshebels in Erhöhung des Maasses überwiegenden Knochenwachsthums am besten ausgenutzt werden. Ebenso verhält es sich mit der Verwer- thung des aus der Muskulaturpneumatieität resultirenden Vortheils. 8) Daher findet sich das grösste expansive Wachsthum zugleich mit Pneumatisirung bei grossen guten Fliegern. Als Ausdruck des erstern sind nicht nur die Lufträume in den Knochen, sondern auch diejenigen zwischen den Weichtheilen (zwischen den Muskeln, unter der Haut) aufzufassen. — Bei kleinen Fliegern ist wegen der erhöhten Flugarbeit und der notwendigen Vermehrung der 324 H. Strasser, Ueber die Luftsäcke der Vögel. Flügelschläge und ihrer Heftigkeit ein überwiegendes Wachsthum des Skeletes nicht in dem Maasse möglich; es ist mehr Muskulatur und grössere Festigkeit der Knochen nothwendig. Die Pneumatisation als Ausdruck des voluminöseren Knochenwachsthums ist daher im Knochen und zwischen den Muskeln namentlich des Flugorganes sehr beschränkt oder gleich Null. Accessorische Verwendung des Luftsackapparates. Ich kann dieses interessante Capitel nur kurz berühren. Die Beziehung der Luftsäcke zu der willkürlichen Körpermuskulatur hat dieselben in vielen Fällen zu ganz eigenartigen Leistungen nutzbar gemacht, so zur Stimmbildung, für die Aufblähung des Kör- pers im Affect etc. Die Bedeutung für die Stimme ist schon frühe von vielen Autoren, namentlich auch von SappEey hervorgehoben worden. Bezüglich der Fähigkeit, das Volum des Körpers durch stärkere Füllung der Luftsäcke mit Luft zu vermehren, fehlen genauere Un- tersuchungen. Campana’, erwähnt eine Beobachtung von J. VER- REAUX, nach welchem ein Pelican, jedesmal wenn er in Zorn gerieth, wunderbar sich aufblähte. Die Pelicane haben nun bekanntlich sehr stark entwickelte subeutane Luftsäcke und es ist sehr wahrschein- lich, das ihr Aufblähen durch Füllung dieser Räume mit Luft unter vermehrtem Druck zu Stande kömmt. Unter den Gallinacei sind viele Arten, wie bekannt, nicht nur durch das Sträuben ihrer Federn sondern durch wirkliche Volumszunahme des von der Haut umschlossenen Körpers in der Leidenschaft ausgezeichnet. Bis jetzt hatte ich nicht Gelegenheit, die anatomische Grundlage dieser Er- scheinung zu untersuchen. — Bei Chauna (Palamedea chavaria [Chaja] Giebel) scheint dasselbe der Fall zu sein wie beim Pelican. »Die Indianer von Chartagena sollen,« wie Cuvier berichtet ?,, »solche Thiere unter ihren Hühnern und Gänsen gezähmt halten, da sie sehr kühn und im Stande seien, sogar Raubvögel abzutreiben.« Durch die Fähigkeit, die subeutanen Luftsäcke aufzublähen, würde die Wir- kung des Sträubens der Federn zur Vergrösserung der Körperober- fläche vor dem Kampf, in Zorn und Leidenschaft bedeutend unterstützt. Breslau, im November 1576. 1) CAMPANA. ]. c. pag. 344. 2) CuvIER. Régue animal. Uebersetzung von SCHINZ. pag. 796. EE Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. P= Pectoralmuskel. Sei = M. subel.; C.br.lg =M. coraco - brachialis long. (SELENKA). T=Teres. L.d=Lat. dorsi. B=Biceps. Tr.ig = lan- ger, Tr.br = kurzer Kopf des Triceps. C.st = M. coraco-sternalis. M.f.e = Membrana coracoideo-fureularis. Fig. 1. Mycteria senegalensis. Pneumatisation des Pectoralis- Ursprunges. a,a,a = Oeffnungen in der centralen Faserlage. Die Räume sind durch Spaltung des Pectoralis. bis an wenige Theile der Wand eröffnet. Fig. 2. Buteo vulgaris. P Ursprungsfliche des Pectoralmuskels. P' Schnittfläche senkrecht zur mittleren Zugrichtung. /P” Profil des Muskels. P'’ Linie in der er sich von der Unterlage abhebt. Z Rest der Luftsackwand. Fig. 3. Mycteria senegalensis. Pectoraltasche wie in Fig. 2 eröffnet. S = Septum in derselben, bis nahe an den freien Rand abgetragen. Die punctirte Linie liegt in der Fortsetzung der Schnittfläche g des M. Pectoralis. p = pneumatisirte Stellen des Pectoralisursprunges. (Fig. I u. 3 sind bei andrer Beleuchtung gezeichnet als Fig. 2.) Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis der Teleostier und der Petromyzonten. Von Dr. E. Calberla, Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg. Mit Tafel XII u. XIII. Während die Entwicklung des Medullarrohres dei Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugethiere nach einem im Wesentlichen völlig gleichartigen Typus verläuft, hat sich nach mehrfachen Beobach- tungen die Entwicklung dieses Organes bei den Fischen in abwei- chender Art herausgestellt. Für die erste Sonderung des Medullar- rohres beständen demnach bei den Wirbelthieren zwei verschiedene Entwicklungsweisen. Deshalb war es wichtig dass BALFOUR!) zeigte, wie bei Sela- chiern die Entwicklung des Medullarrohres in gleicher Weise wie bei den obengenannten höheren Vertebraten erfolge. Nach ihm entsteht, ähnlich wie bei den Vögeln ete., eine Medullarrinne, die sich zum Medullarrohr schliesst. Die einzige Differenz besteht darin, dass die die Rinne bildende Zellschicht sich erst mit deren Abschlusse zu einem Rohre in zwei Schichten (neural and epidermis layer) trennt, welcher Sonderungsvorgang, bei der Bildung des Medullarrohres der Vögel etc. lange vor dem Schlusse der Rinne, aber sonst in dersel- !) BALFOUR. A Preliminary Account of the Development of the Elasmo- branch Fishes. Quarterly Journal of Microscopical science. October 1874. pag. 339 — 340 und BALFOUR. The Development of Elasmobranch Fishes. Journal of Ana- tomy and Physiology. April 1876. pag. 538 ff. Morphol. Jahrbuch. Ba. Ill. Taf. x/. Mycteria senegalensis Fig. 3. Mycteria senegalensis. - * Strasser del Lith Anst v.J.G Bach, leieng Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 227 ben Weise stattfindet. Hıs'!; bestätigt neuerdings die Angaben BAL- rour’s über die Bildung der Medullarrinne bei den Selachiern. Mit diesen Angaben befinden sich bis heute nicht in Uebereinstimmung die Mittheilungen jener Autoren, welche über die Bildung des glei- chen Organes bei den Teleostiern Untersuchungen angestellt haben. Was diese Angaben betrifft so werden dieselben in ältere und neuere auseinander zu halten sein, denn zu einer Zeit, da man sich noch mit verhältnissmässig unzureichenden Untersuchungsmethoden und Beobachtungsmitteln behelfen musste, wird eine endgültige und präeise Lösung der bezüglichen Fragen nicht zu erwarten sein, wenn auch alles was sich durch blosse äussere Betrachtung des Embryo- nalleibes oder seiner Anlage schliessen liess, von jenen älteren Autoren zum grössten Theil riehtig beobachtet wurde. Der erste hier Anzuführende ist KARL Ernst von BaER?. Seine Angaben lassen sich mit denen zweier anderer späterer Forscher, Kart Voor® und LEREBOULLET*), die nur in untergeordneten Puncten von seinen Ansichten abweichen, zusammenfassen. Alle drei Autoren beschreiben die Bildung einer Medullarfurche und deren Tieferwerden als eine Folge des sich Erhebens der bei- derseits der Furche liegenden Rückenwülste. Mit dem schmäler und höher werden der Rückenwülste wird die Medullarrinne fast zu einem Rohre geschlossen. BAER lässt nun ein zartes Hiiutchen, die noch offene Rinne überziehen; unter dem Häutchen sollen dann die Ränder der Rücken- wülste verschmelzen und so die Medullarrinne zu einem Rohre ge- schlossen werden. Vocr schliesst sich direct an die v. Barr’schen Angaben an. Er gibt nur etwas ausführlichere Bemerkungen über die Bildung des die Medullarrinne überziehenden Häutchens und die Epithelauskleidung des Medullarrohres. LEREBOULLET endlich bringt 1, His. Ueber die Bildung von Haifischembryonen. - Zeitschrift f. Anato- mie und Entwicklungsgeschichte. II. Bd. 1, 2. Leipzig 1876. pag. 108. 2, BAER, K. E. von. Ueber die Entwicklungsgeschichte der Thiere 1528 bis 1337. 3) VOGT, KARL. Embryologie des Salmones. Neuchatel. 1842. pag. 45 ff. 4) LEREBOULLET. Recherches sur le développement du brochet, de la perche et de l’écrevisse. Mémoires couronné par l’académie des sciences. — An- nales des sciences naturelles I. Bd. 4. Serie. Paris 1854 und LEREBOULLET. Recherches d’Embryologie comparée sur le developpe- ment de la truitte, du Lézard et du Limneé. Annales des sciences naturelles. XVI. Bd. 4. Serie (Zoologie). Paris 1861. 228 E. Calberla eine manchmal sehr unklare Wiederholung der v. BAER und VogT- schen Angaben. Eingehendere und zum Theil auf Grund anderer Untersuchungs- methoden erhaltene Angaben macht KuprrEr!; bei der Mittheilung der Ergebnisse seiner Untersuchung der Entwicklung von Gastero- steus und Gobio. Nachdem er das Auftreten einer muldenförmigen Riickenfurche erwähnt hat, beschreibt er die Entwicklung des Rücken- markes folgendermassen: »Mit dem Auftreten dieser Furche compli- cirt sich die Entwickelung mehr und mehr. Es beginnen vom Kopfende aus Vorgänge. die einerseits eine Sonderung im Embryonal- schilde der Quere nach einleiten, indem die in der Axe auftretende Anlage des Centralnervensystems sich von den seitlichen Wirbelan- lagen scheidet , andererseits aber gleichzeitig eine Sonderung der Tiefe noch sich vollzieht, wodurch drei deutlich getrennte Blätter entstehen. Man hat also zunächst, noch vor dem Auftreten der schon besprochenen Furche, das Vorderende des Embryonalschil- des vor sich als einen dicken, an der Oberfläche etwas abge- platteten Körper, der seitlich ziemlich steil abfält und von dessen unterer Mittellinie der Kiel gegen den Dotter vorspringt. Dann vertieft sich die Oberfläche des Schildes muldenförmig, der Kiel senkt sich noch tiefer abwärts, zugleich aber hebt sich die Portion zu beiden Seiten des Kieles leicht gewölbt vom Dotter ab, so dass daselbst freiere Räume entstehen.« KUPFFER beschreibt nun den Kiel als eine Verdickung des oberen Keimblattes, die nur in der »unteren Mittellinie« den Zusammenhang mit dem zweiten, dem mitt- lern Keimblatte bewahre. Er stellt diesen verdickten Theil des oberen Keimblattes, aus dem das Centralnervensystem hervorgeht, der Medullarplatte des Hühnchens als gleichwerthig hin. Den übri- sen Theil des oberen Keimblattes bezeichnet er als Hornblatt. Auf pag. 246 u. ff. (l. e.) spricht er weiter von der Anlage des Rücken- markes. »Die Anlage des Centralnervensystems präsentirt sich auf dem Querschnitte als ein convexer Medullarstrang, der vom Horn- blatte bedeckt ist. Mit der Unterfläche ruht der Strang am Kopf- theil, dem mittleren Keimblatte (Kopfplatte Remax’s), am Rumpf- theil der Chorda dorsalis auf. Die Augenanlagen treten am Vorder- ende als selbständige Körper hervor und beginnen sich zunächst hinten an der Basis vom Medullarstrange abzuschnüren.« ') Kuprrer. Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. IV. 1868. pag. 234 u. ff. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 229 Der weitere Verlauf der Entwicklung des Centralnervensystems ist nach diesem Autor folgender: »Es löst sich am Vorderhirn, dann gleichmässig nach hinten fortschreitend, das Hornblatt von dem Me- dullarstrange an der oberen Mittellinie und nun bildet sich unter dem als Epidermis erhobenen Blatte eine Furche, die von oben her in den Strang eindringt. Die Furchenbildung streicht rasch über den Hirntheil des Stranges hin, langsamer über das Rückenmark ; dann schliesst sich die Furche bald am Vorder- und Mittelhirn, in- dem die oberen Ränder sich einander zuneigen, und verschmelzen, weiterhin bleibt sie längere Zeit offen. Die Entwicklungsstufen des Auges, die leicht wahrnehmbar sind, geben den besten Anhalt für die entsprechende Ausbildung des Centralnervensystems. Das erste Auftreten der Augenhügel erfolgt bei muldenförmig vertiefter Medul- larplatte. Beginnt die Abschnürung der Augen von ihrer Basis, so ist der gewölbte solide Medullarstrang vorhanden; wird das Auge hohl, so beginnt das Hornblatt sich vom Medullarstrange abzulösen, die Linsenbildung fällt mit dem Erscheinen der medialen Furche zusammen, deren Schluss die Bildung des Centraleanales bewirkt«. Kuprrer’s Angaben schliessen sich zum Theil an die der erst- erwähnten drei Autoren an, dagegen hebt er sehr bestimmt die ursprünglich solide Anlage des Rückenmarkes hervor und tritt da- mit auf die Seite der übrigen neueren Autoren. Zur Bildung der Auskleidung des Medullarrohres werden nach ihm keine Zellen der äussersten Schicht des oberen Keimblattes verwendet. Eine neue Ansicht über die Entstehung des Rückenmarkes und seines Centralcanales wurde von SCHAPRINGER!) vorgebracht und bald darauf von Wer?) bestätigt. Nach diesen bildet sich bei der Bachforelle der Canalis centralis medullae spinalis nicht wie bei den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien durch Verschluss der Riickenfurche. Die Rückenfurche des Fischembryo ist nur eine voriibergehende Bildung, die nach einigen Tagen verstreicht und bald einer Erhéhung Platz macht. Das zuerst einen soliden Strang darstellende Riickenmark bildet sich dadurch, dass Theile des mittleren Keimblattes einen Theil des verdickten Hornblattes (im Sinne Srricker’s) abschnüren, welcher !) SCHAPRINGER. Ueber die Bildung des Medullarrohres bei den Knochen- fischen. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 64 II. Abthl. 1871 d. 9. November. pag. 653. ff. 2 Weır, ©. Beiträge zur Kenntniss der Entwicklung der Knochenfische. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 6$ II. Abth. 25. April 1872. pag. 171 ff. 230 E. Calberla daun die Anlage des Rückenmarkes repriisentirt und in dieser An- lage entsteht der Centraleanal durch einen Spaltungsprocess. Weit eingehendere und genauere Mittheilungen iiber die Bildung des Medullarrohres wurden von OELLACHER!) bei der Beschreibung der Entwicklung der Bachforelle gegeben. Die Bildung des Riicken- markes geht nach diesem Autor in der Weise vor sich, dass der mediale Theil der inneren Schicht des obern Keimblattes sich ver- dickt. Der axiale Theil desselben wächst nach vorn, das mittlere und untere Keimblatt kielförmig in den Dotter hinabdrängend. Gleich- zeitig mit diesem Vorgange entsteht die Rückenfurche, die aber mit der des Hühnehens nichts als die Lage gemeinsam hat. In seinem vordersten Theile gehört der ebenerwähnte Kiel nur der inneren Schicht des Eetoderm und dem Entoderm an. Soweit er dem Meso- derm angehört, bezeichnet ihn der Autor als Axenstrang. Aus den concentrisch angeordneten Zellen im Rumpftheile des Axenstranges entsteht die Chorda dorsalis, aus den über dieser lie- genden Zellen des Rumpftheiles des Medullarstranges, der Rumpf- theil der Rückenmarksanlage und aus dem Kopftheil des Axenstran- ges (hier sind Medullar- und Axenstrang identisch) das Gehirn. Inzwischen ist die Rückenfurche verstrichen. Die äussere Schicht des oberen Keimblattes geht nie in die Bildung des Rückenmarkes ein, wird nie zur Auskleidung des Centraleanales verwendet. Die- ser letztere entsteht (l. e. pag. 57, 62, 73 u. ff.), ganz wie dies SCHAPRINGER und WEIL angeben, durch Auseinanderweichen der innersten Zellschicht der soliden Rückenmarksanlage. ÜELLACHER sagt (l. c. pag. 73): »Es bildet sich der Medullarcanal durch Aus- einanderweichen und theilweise Verflüssigung der innersten Zell- schicht des Medullarstranges.« Auch van BAMBEKE2) beschreibt bei der Schilderung der ersten Entwicklung von Leueiseus rutilus und Tinca vulgaris die erste Anlage des Rückenmarkes als einen soliden Strang. GörrE 3) spricht vermuthungsweise aus, dass der Medullar- !) ÖELLAHER, Dr. J. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- fische nach Beobachtungen am Bachforellenei. III.—V. Capitel. Zeitschrift f. wissenschaftliche Zoologie Bd. XXIII. 1873. pag. 1 u. ff. 2) VAN BAMBEKE. Recherches sur l’Embryologie des Poissons osseux. Mémoires de l’académie royal belgique. Bruxelles. 1875. 3) A. GOrre. Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875. pag. 156 und Baitriige zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. I. Det Keim Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 231 canal nicht durch innere Auflösung, in der Art wie ÜELLACHER es beschreibt, entstehe, sondern dass die im Innern des soliden Medul- larstranges auftretende Höhle nur der Rest einer durch früheren Sei- tendruck verloren gegangenen Spalte sei. Die letztere auskleidenden Zellen seien von der äusseren Schicht des Ectoderm durch Wuche- rungen der inneren Schicht desselben und des mittleren Keimblattes abgeschnürt worden. Die Entwicklung des Medullarrohres der Störe ist bis jetzt nur von KOwALEWwSsKY! in Gemeinschaft mit OwSJANNIKOW und WAGNER untersucht worden. Diese Autoren geben an, dass sich durch Nähern der beiden Medullarplattenränder die Medullarrinne bilde. Durch Erhöhung und endliches Verwachsen der beiden Ränder schliesse sich dieselbe zum Medullarrohr. Am Kopfende sei letzteres sehr erweitert, am hinteren Ende bleibe das Medullarrohr noch eine Zeit lang offen, welche Oeffnung den Rest des Rusconi’schen Afters darstelle. Die Wandung des Medullarrohres ist mit Zellen des Hornblattes (äusser- ste Schicht des Ectoderm) ausgekleidet. Die Bildung des Medullarrohres bei den Petromyzonten be- schreibt zuerst MAx SCHULTZE?) in seiner Entwicklungsgeschichte des Petromyzon Planeri. Da dieser Autor seine Angaben vorwiegend auf blosse äussere Beobachtung des Entwicklungsvorganges gegründet hat, beschreibt er die Bildung des Medullarrohres in ähnlicher Weise wie sie v. BAER und Voer (l. e.) von den Knochenfischen gaben. »Die von der Afteröffnung sich erhebenden Rückenwülste nähern sich, bald ist zwischen ihnen nur noch eine feine Spalte vorhanden. Einige Stunden später ist letztere .geschlossen.« »Mit dem Auskrie- chen der Larve aus dem Ei findet sich das Centralnervensystem als vorne keulenförmig verdickter Strang unmittelbar auf der Chorda dorsalis aufliegend (ganz wie bei Amphioxus)«. Ob derselbe in die- des Forelleneies. Archiv f. mikr. Anatomie. 1873. Bd. IX. pag. 679 und ft. i 1) KOWALEWSKY, OWSJANNIKOW und N. WAGNER. Die Entwicklungs- geschichte der Störe. Bulletin de l’acad&mie d. St. Pétersbourg. T. XIV. 1870. pag. 317 ff. 2) M. SCHULTZE. Die Entwicklungsgeschichte ‘von Petromyzon Planeri. Haarlem 1556. Gekr. Preisschrift. i) 39 E. Calberla sem Zustande eine Höhlung habe, war bei dem Mangel an Sehnitt- präparaten nicht entscheidbar. Am Schlusse der erwähnten Abhandlung spricht sich ScHULTzE ganz bestimmt dahin aus, dass die Bildung des Medullarrohres von Petromyzon in der Art vor sich gehe, wie Remax!) diesen Vorgang vom Hühnchen und Frosch beschrieben hat. Hiermit stimmen auch die Angaben OwsJANNIKOW’S?) überein. Nach diesem Forscher ist die Rückenfurche erst sehr seicht. später wird sie durch Emporwachsen der Seitenränder tiefer. Die Trennung des Gehirnes vom Rückenmark ist keine scharfe. »Nach- dem die Rückenmarksfurche sich geschlossen hat, erhebt sich der Embryo über den Dotter als eine ziemlich hohe, stark von den Seiten comprimirte Leiste. Querschnitte vor dem Schlusse der Rückenmarksfurche (vom 2.—5. Tage) zeigen, dass die Embryonal- anlage aus drei Schichten besteht. Das Hornblatt, das zwei Zellenlagen hat, bildet die Rückenmarksfurche und geht einen Tag später als die Furche sich schliesst, in den Rückenmarkscanal über. Die Zellen, welche die Anlage des Centralnervensystems bilden, sind alle einander gleich. Die Scheidung in Epithel und Nervenzellen tritt erst später auf.« In einer kürzlich erschienenen Arbeit über die Entwicklung des Amphioxus lane. behauptet KowALEwsKY°), dass vom Ectoderm an einer über der Chordaanlage sich befindenden Stelle, durch »Ueber- wachsen von Zellen des gleichen Blattes von den Seiten her«, eine Zellenmasse abgeschnürt werde. Diese letztere soll sich unter der durch die Abschnürung entstandenen Decke von Eetodermzellen zu einer Rinne umbilden. Letztere schliesse sich später zum Medullar- rohr. Nach KowALevskyY besteht die Medullarrohranlage, selbst nach ihrem Schluss zu einem Rohre, noch eine Zeit lang aus einer einfachen Zellenlage. Er lässt also das Medullarrohr aus dem noch nicht in zwei Lagen gesonderten, primitiven oberen Keimblatte ent- stehen. Dieser Befund steht nieht in directem Gegensatz zu der von 1) REMAK. Untersuchung über Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin 1850—1855. 2) OWSJANNIKOW. Die Entwicklungsgeschichte des Petromyzon fluviatilis. (vorl. Mittheilung) im Bulletin de l’acad&mie des sciences. St. Pétersbourg 1870. XIV. pag. 325. . 3) A. KowaALewsky. Weitere Studien über die Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lane. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XIII. pag. 181 u. ff. September 1876. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 233 den höheren Vertebraten bekannten Bildungsweise des Medullarroh- res, indem bei diesen das Medullarrohr sich zwar aus einem mehr- schichtigen Eetoderm bildet, dieses letztere aber aus einem nur eine Zellschicht besitzenden primitiven Ectoderm entstanden ist. Somit schliesst sich dieser Befund von Amphioxus an die von BAL- FOUR (l. ec.) bei den Selachiern beschriebene Bildungsweise des Medullarrohres direct an. Während so die neuesten Untersucher die Bildung des Medul- larrohres bei den Knochenfischen ohne Betheiligung der nur kurze Zeit vorhandenen Medullarrinne und der sie auskleidenden äusseren Schicht des Eetoderm vor sich gehen lassen, indem sie die Ent- wicklung des Centraleanales durch einen Auflösungs- oder Tren- nungsprocess im Innern der zuerst soliden Anlage des Medullarrohres beschreiben, bietet die Entwicklung dieses Organes bei Amphioxus. den Selachiern, Ganoiden und den Petromyzonten einen directen Anschluss an den von Amphibien. Reptilien, Vögeln und Säuge- thieren für dasselbe Organ bekannten Entwicklungsmodus. Die das Auftreten einer Medullarrinne bei den Teleostiern, wie bei den Selachiern, Ganoiden und Petromyzonten übereinstimmend beschrei- benden neueren Autoren geben an, dass diese Rinne bei der erstgenannten Fischgruppe bald wieder verschwinde und sich nicht an der Bildung des Medullarrohres betheilige. Sie führen ferner an, dass die äusserste Schicht des Ectoderm sich nie an der Bildung des Riickenmarkes und seines Centralcanales betheilige. Dieser fundamentale Unterschied in der Entwicklung eines so wiehtigen Organes, bei sonst in nahen verwandtschaftlichen Verhält- nissen stehenden Thiergruppen. musste sehr auffallend erschei- nen, denn es ist eine grosse Differenz, ob der Centralcanal ohne Betheiligung der äussern Zellschicht des Eetoderm, durch Ausein- anderweichen und Verflüssigung von Zellen im Innern einer soliden Anlage entstehe oder ob er sich durch Schluss einer Rinne zu einem Rohre unter Betheiligung der äusseren Schicht des Ectoderm bilde. Ein derartiges Verhalten ist um so auffallender, wenn man die späteren Zustände des Medullarrohres berücksichtigt. Bei den meisten Wirbelthieren ist nachgewiesen, dass aus der den Centralcanal umgebenden von der äusseren Schicht des oberen Keimblattes herstammenden Zellschicht die eigentlichen nervösen Centralapparate, die Ganglienzellen sich bilden, während die peri- 234 E. Calberla pheren Schichten der Medullarrohranlage nur den leitenden, also acees- sorischen Apparaten, als Bildungsmaterial dienen. Aus der innern dem Centraleanal benachbarten Schicht geht die graue, aus der äus- seren Schicht die weisse Substanz des Rückenmarkes hervor. Acceptirt man die Auffassungen von SCHAPRINGER, WEIL und OELLACHER über die Bildung des Medullarrohres, so folgt, dass die Entwicklung der grauen und weissen Substanz bei den Teleostiern, da sie beide nur aus der innern Schicht des Eetoderm entstehen, in unvereinbarem Gegensatz zu der Bildungsweise derselben Anlage bei allen übrigen Wirbelthieren steht. Diese Differenz musste dazu anregen von Wein die Entwick- lung des Medullarrohres der Teleostier der Untersuchung zu unter- werfen. Auch die Mittheilungen über die Entwicklung des Medul- larrohres bei den Petromyzonten sind noch so lückenhaft, dass ein Hereinziehen dieser Fischgruppe in den Umfang dieser Untersuchung berechtigt war. Bei dieser Untersuchung war ich gezwungen auf die Entwick- lung der in der Umgebung desselben befindlichen Organanlagen Rücksicht zu nehmen. Hierbei ergaben sich bezüglich der Bildung der Chorda dorsalis Resultate, die gleichfalls mit den Angaben an- derer Autoren nicht im Einklang stehen. Ich werde diese Befunde nach Schilderung der Entwicklung des Medullarrohres mittheilen und an jener Stelle noch Beobachtungen über die Entwicklung der Chorda bei den Batrachiern anschliessen. Ehe ich die Mittheilung der Ergebnisse meiner Untersuchungen beginne, will ich die Angaben der Autoren über die Bildungsweise der Chorda dorsalis in kurzem mittheilen. Die über die Entwicklung der Chorda bestehenden Angaben lassen sich entsprechend den drei Keimblättern, die nach der einen oder andern Anschauung die Bildungsstätte dieses Organes sein sol- len, in verschiedene Gruppen trennen. — Die zahlreichsten Ver- treter findet die Angabe, dass die Chorda sich aus den Elementen des mittleren Keimblattes aufbaue. Entsprechend den verschiedenen Anschauungen über die Entstehung dieses Keimblattes herrschen hier wieder verschiedene Meinungen. Die älteste, auf sehr genaue Untersuchungen gestützte und des- halb wohl die meisten Anhänger findende Angabe ging von REMAK l. e.) aus. Nach dessen beim Hühnchen und dem Frosche ange- ‘stellten Untersuchungen bildet sich das mittlere Keimblatt nur aus Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 235 Elementen des ursprünglichen unteren Keimblattes, indem dieses sich in eine obere mehrzellige Schicht, eben das mittlere Keimblatt (Me- soderm) und eine untere einzellige Schicht, das secundäre untere Keimblatt, Remar’s Darmdrüsenblatt (Entoderm) trennt. Ersteres ist die Bildungsstätte der Chorda’, doch lässt Remax gerade den Theil des mittleren Keimblattes, aus welchem die Chorda hervorgeht, .eine Zeit lang mit dem oberen Keimblatte als Axenplatte innig zu- sammenhängen. Diesen Befunden treten mit neueren Arbeiten BAL- Four), Gérre (Die Unke) und für die Bildung des Mesoderm auch E. van BENEDEN?) bei. GörtE lässt besonders die periphe- ren Theile des Entoderm das Bildungsmaterial für das Mesoderm liefern. Verschieden davon sind die Ansichten von His?) und WAL- DEYER!). Während Ersterer für eine gleichmässige Betheiligung des obe- ren und unteren Keimblattes an der Bildung des mittleren eintritt, spricht sich WALDEYER zwar für eine geringe Betheiligung des Ketoderm im Axenstrang (im Sinne Remar’s) an der Mesoderm- bildung aus, den Haupttheil an der Bildung dieses Keimblattes schiebt er jedoch dem Entoderm zu). Ganz entgegengesetzt diesen Angaben tritt KÖLLIKER®) für eine Entstehung des Mesoderm aus dem Eetoderm ein. PEREMESCHKO’) endlich lässt das mittlere Keimblatt aus Zel- len entstehen, die vom Rande des Blastoderm zwischen das Ento- und Ectoderm einwandern. '! BALFOUR und Foster. Die Entwicklungsgeschichte des Hühnchens. Leipzig 1876. pag. 42 u. ff. 2) E. van BENEDEn. La maturation de loeuf, la fécondation et les pre- miéres phases du développement embryonaires des Mammiferes et. Bulletin de l Académie royale de belgique. T. XL. 2. Serie No. 12. 3) Hıs, W. Untersuchung über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Leipzig 1968. 4) WALDEYER. Ueber die Keimblätter und den Primitivstreifen bei der Entwicklung des Hühner-Embryo. Zeitschrift f. rat. Med. 1869. 5) Im Jahresbericht 1875 von HırscH und VircHow tritt WALDEYER ge- legentlich eines Referates iiber eine die Entwicklung der Vertebraten betref- fende Arbeit von BALFOUR entschieden fiir die alte Remar’sche Ansicht ein. Jahresbericht 1875. I. Abth. pag. 136. 6) KÖLLIKER. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1876. pag. 92 ff. 7) PEREMESCHKO. Ueber die Bildung der Keimblätter im Hühnerei. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 57. 18. Jahrg. 1868. pag. 499. Morpholog. Jahrbuch. 3. 16 236 E. Calberla Remak, Batrour (Hühnchen) , GOrre, WALDEYER, KÖLLIKER sowie PEREMESCHKO lassen die Chorda dorsalis sich aus den Zellen des Mesoderm aufbauen. ÖELLACHER, der ähnliches für die Bildung des. Mesoderm wie PEREMESCHKO anführt, spricht sich (l. e. Abth. IIL ferner für eine theilweise Betheiligung des Ectoderm an der Chordabildung aus, in- dem er dieselbe aus dem Axenstrange hervorgehen lässt. Letzterer ist jedoch von seinem ersten Auftreten an scharf von den seitlichen Partien des Mesoderm getrennt, während er am vorderen Theil der, Embryonalanlage aus dem Ectoderm und dem Entoderm sich zu- sammensetzt. Auch im Axenstrange kann der genannte Autor keine Trennung des Ectoderm vom Mesoderm constatiren. MrinaLKovics!) lässt nach Untersuchungen am Hühnchenembryo die Chorda dorsalis sich direet aus Zellen des Eetoderm, die in den Axenstrang gerathen sind, aufbauen, zu gleichem Resultat kommt RADWANER2) bei Beobachtung der Entwicklung des Forelleneies. Wiederum verschieden von diesen Angaben ist die neuerdings von BALFouR (l. ce. pag. 340 u. ff.) bei Beschreibung der Entwicklung der Selachier und von HENSEN?) bei der des Kaninchens gegebene Dar- stellung. Nach den genannten Autoren bildet sich die Chorda aus einem mittleren verdickten Theile des Entoderm (BALrour’s Hypo- blast durch Einstülpung desselben und darauf folgende Abschnürung des eingestülpten Stückes. BALFOUR, der diesen Vorgang am ge- nauesten beschreibt, führt an (l. e. pag. 342), dass die Einstülpung des Hypoblast zu einer Zeit auftrete, wo beiderseits der Verbindungs- stelle des Epiblast (Eetoderm) und Hypoblast sich der Mesoblast völlig scharf vom primitiven Hypoblast, seiner Ursprungsstätte,, dif- ferenzirt habe. Erst nach erfolgter Bildung des Mesoblast beginnt die Einstülpung, Verdickung und Abschnürung im miftleren Theile des Hypoblast (vgl. 1. e. die Fig. 6%, 6°, 7° u. 7°). Diesen Angaben BALrour’s steht die Ansicht von SCHULTZ®, !) MiHALKoVICS, V- v. Wirbelsaite und Hirnanhang. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XI. pag. 389—441. 2) RADWANER, Dr. Jos. Ueber die erste Anlage der Chorda dorsalis. Wiener Sitzungsberichte. Bd. 73. III. Abth. Aprilheft 1876. pag. 1. 3) HENSEN. Beobachtungen über die Entwicklung des Kaninchens ete. Zeitschrift f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. I. Bd. 1876. pag. 366: und ff. 4) Au. SchuLtz. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Knorpelfische. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XIII. Heft 3. pag. 474 u. 477. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 237 der die Entwicklung der Chorda dorsalis am Ei von Torpedo beob- achtet hat, entgegen. Dieser Autor sagt pag. 477 folgendes: »Die Chorda entsteht aus einer Verschmelzung der oberen mit der mitt- leren Keimzellenschicht , wobei letztere in dem der Chordaanlage entsprechenden Abschnitt Elemente des mittleren Keimblattes führt.« In der schon oben erwähnten Arbeit über die Entwicklung des Amphioxus spricht sich KowALewsky für einen mesodermalen Ur- sprung der Chorda aus. Das Mesoderm bildet sich aus den Zellen — des unteren Keimblattes durch Theilung. Seine Figur 11, Taf. XV l. c. spricht aber mehr für einen entodermalen Ursprung der Chorda durch einen Einstülpungsvorgang in der Art, wie ihn BALFour (I. ce. No. 1, Fig. 6*—7>) bei den Selachiern beschreibt. Aus dieser Darstellung geht eine bedeutende Divergenz der. Meinungen hervor. Da die meisten der Angaben auf der Beobach- tung verschiedener Objecte beruhen, könnte man glauben, dass bei der Annahme absoluter Richtigkeit jener Beobachtungen, die Chorda auf eine sehr differente Weise bei den verschiedenen Thieren ent- stehe. Da aber auch für ein und dasselbe Thier (Hühnchen) zwi- schen verchiedenen Beobachtern, wie REMAK, KÖLLIKER, His, PE- REMESCHKO und anderen keine Uebereinstimmung erzielt ist. muss Beobachtung wie Darstellung des Beobachteten besondere Schwierig- keiten darbieten. Es liegt daher auch für die Entstehung der Chorda die Aufforderung erneuter Untersuchung nahe genug. Indem ich mich zur Mittheilung meiner eigenen Beobachtungen und zwar zur Entwicklung des Medullarrohres wende, bespreche. ich zunächst die Vorgänge, die zur‘ Bildung dieses Organes bei den Teleostiern führen. Als Untersuchungsmaterial dienten mir die Em- bryonen von Syngnathus acus!). !) Die Embryonen von Syngnathus acus habe ich im Sommer 1875 in Mes- sina, zum Theil auch in Neapel und auf Ischia gesammelt. Die Leichtigkeit mit welcher man, besonders an erstgenanntem Platze, Männchen dieser Fischart erhalten konnte, gestatteten mir alle Entwicklungsstadien reichlich zu erhalten. (Wie bekannt gelangen die Eier der Lophobranchier in einer Bruttasche , die sich an der Bauchseite hinter der Afteröffnung des Männchens befindet, zur Entwicklung.) Die Härtung der Embryonen geschah in 1°/) Chromsäure; nach 8—12 stündigem Liegen in dieser Flüssigkeit brachte ich die Embryonen in Al- kohol von 90/o. Zur Untersuchung der Entwicklungsvorgänge bei den Petromyzonten dien- ten mir die Embryonen von Petromyzon Planeri. Ich erhielt dieselben durch 16 * 238 E. Calberla Nachdem die Embryonalanlage die Biscuitform erreicht hat, er- scheint die Riickenfurche ; zuerst nur in schwacher Andeutung, jedoch noch vor Beginn der Verbreiterung des Kopfendes der Embryonal- anlage wird sie deutlich als eine auf der Mitte derselben in der Richtung ihrer Längsaxe verlaufende mässig breite Furche erkenn- bar. Sie reicht von dem Kopfende bis zum Schwanzende und ist wohl zu dieser Zeit am tiefsten. Mit der Ausbildung des Kopfendes des Embryo, der Sonderung der Gehirnblasen und dem Auftreten der Augenanlage beginnt die erwähnte Furche zu verschwinden und bald deutet nur eine einfache Linie den Ort an wo sich dieselbe befand. Mit der vollendeten Aus- bildung der primitiven Augenanlage entzieht sich selbst jene Andeu- tung der Wahrnehmung. Die Embryonalanlage vom ersterwähnten Entwicklungsstadium zeigt, auf der Mitte einer Serie entnommenen Querschnitten , die Form Fig. 1) eines Dreiecks, dessen stumpfer Winkel gegen den Dotter gerichtet ist. Betrachtet man nun Schnitt für Schnitt einer solehen Embryonalanlage, so bemerkt man, wie die in der Mitte der erwähnten Furche befindlichen Zellen der die Oberfläche bedeckenden Zellschicht durch eine gewisse Regelmässig- keit ihrer Anordnung mit Zellen, die unter ihr liegen, in besonderen Beziehungen zu stehen scheinen. Die Form der die Oberfläche der Embryonalanlage überziehenden Zellen ist auf dem Querschnitt fast quadratisch, dabei sind sie grösser als die den übrigen Theil der Embryonalanlage bildenden Zellen. Letztere sind mit Ausnahme einiger unter der Mitte der erwähnten Einbuchtung, dem Quer- schnitt der Rückenfurche, befindlicher Zellen, welche den die Ober- fläche bedeckenden Zellen in Form und Grösse gleichen, meist klein und vieleckig. Die unter der Mitte der Einbuchtung zwischen den kleinen Zellen der Embryonalanlage befindlichen grösseren Zellen künstliche Befruchtung von Eiern, die ich im Frühjahr 1876 im Heidelberger anatomischen Institute ausgeführt habe. Auch von diesem Thiere gelang es mir ein reiches Sortiment aller Entwicklungsstadien zu erhalten. Die Härtungs- methode war die gleiche, wie ich sie für die Embryonen von Syngnathus an- gewendet habe. Aeltere Embryonen von Petromyzon härtete ich auch mit Vor- theil in dem von MERKEL angegebenen Gemisch von Platinchlorid (1 : 200 Ha0) und Chromsäure (1 : 200 H30) zu gleichen Theilen. Behufs der Untersuchung wurden die entwickelten Eier und Embryonen beider Fischarten, nachdem sie in ammoniakalischer Carminlösung gefärbt, in die von mir früher (dieses Jahrbuch: Bd. I. pag. 445 u. ff.) beschriebene Eiweiss- Eidottermasse eingebettet und in Schnittserien nach den 3 Hauptrichtungen zerlegt. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 239 lassen auf den aufeinander folgenden Schnitten einer Serie folgen- des Verhalten erkennen. ’ Auf einem Schnitt {z. B. Figur 1) bemerkt man, dass unter der tiefsten Stelle der Einbuchtung 2—3 solcher ebenbeschriebener Zel- len liegen, auf anderen, oft dem nächstfolgenden Schnitte, hat sich die Zahl dieser Zellen verdoppelt oder verdreifacht. Man kann fer- ner leicht beobachten, dass, je mehr solcher grosser quadratischer oder oblonger Zellen unter der Mitte der Einbuchtung, der Mitte der tief- sten Stelle der Rückenfurche sich befinden . dieselben eine um so regelmässigere Anordnung erkennen lassen. Dabei liegen diese Zel- len nicht einfach neben einander sondern sind in zwei Reihen an- geordnet, die je nach der sie bildenden Anzahl von Zellen nur we- nig oder tief zwischen die übrigen, die Embryonalanlage bildenden Zellen in der Richtung auf den stumpfen Winkel des Querschnittes der Embryonalanlage , also gegen die Mitte des Dotters gerichtet. hinabreichen. Die obersten zwei Zellen dieser beiden Reihen grenzen direct an die die Oberfläche der Embryonalanlage bedeckende einfache Lage srosser Zellen an, und zwar sind sie so angeordnet, dass es den Eindruck macht, als wenn die zwei Zellreihen einfach eine in die Tiefe herabreichende Fortsetzung der die Oberfläche bedeckenden Zellschicht seien. Oft findet man alle Stadien dieser eben beschriebenen Zellanord- nung vertreten. Bald befinden sich unter der Mitte der Rücken- furche nur zwei oder drei solcher grosser Zellen, bald die drei-, vier- oder fünffache Anzahl und dann reichen diese Zellen, in zwei Reihen geordnet, in die Embryonalanlage, in der Richtung auf das Eicentrum hin, bis über zwei Drittel der Dicke derselben, hinab. Die Berührungsflächen der zwei Zellreihen geben das Bild einer geraden oder etwas gezackten Linie. Fassen wir diese Befunde zusammen, so ergibt sich, dass die Embryonalanlage dieses Stadiums mit einer einfachen Lage grosser fast quadratischer Zellen bedeckt ist: unter der Mitte der Rücken- furche finden sich unter der eben angeführten Zellschicht Zellen, die in Form und Grösse der ersteren völlig gleichen und die mit denselben an der tiefsten Stelle der Rückenfurche zusammenstossen. Diese Zellen im Innern der Embryonalanlage sind in zwei sich be- rührende, senkrecht gegen die Rückenfurche, der Längsaxe der Em- bryonalanlage folgende Lagen angeordnet. deren Berührungsflächen auf Querschnitten das Bild einer geraden oder gezackten Linie dar- 940 E. Calberla boten. Diese Zellen, die den die Oberfläche der Embryonalanlage bedeckenden Zellen in Form und Grösse gleichen, stehen durch die Art ihrer Anordnung in Uebereinstimmung mit den letztgenann- ten Zellen, man darf deshalb annehmen, dass sie den letzteren zu- gehören. Sei es nun, dass Zellen der oberflächlichen Schicht sich in die Tiefe eingesenkt, oder dass die daselbst befindlichen Zellen durch Zelltheilung sich von den Boden der Rückenfurche bildenden Zellen abgetrennt haben. Querschnitte, auf denen die zwei eben besprochenen Zellreihen bis zu zwei Drittel der Dicke der Embryonalanlage herabreichen, jassen auch die beginnende scharfe Sonderung der Keimblätter er- kennen, und nur um wenige Stunden ältere Embryonalanlagen, welche die tiefste Rückenfurche besitzen, zeigen die vollendete Son- derung in drei Keimblätter. Nach aussen , die Oberfläche bedeckend, das ein- oder mehr- schichtige Eetoderm, darunter das aus dem primitiven Entoderm entstandene Mesoderm und das secundäre Entoderm. Letzteres nenne ich von jetzt an einfach »Entoderm« im Gegensatz zu dem primiti- ven Entoderm. Die früher beschriebene Dreiecksform des Querschnittes der Embryonalanlage ist noch erhalten, allein der stumpfe Winkel ist in einen spitzen übergegangen. Die beiden schon früher spitzen Win- kel laufen in Zellreihen aus, die mehrfach gebogen, noch über die Embryonalanlage hinaus auf der Eiperipherie sich hinziehen. Es stellt somit, wie sich aus der Combination von Querschnitten einer Serie leicht ergibt, in diesem Stadium die, von oben gesehen, noch die Biscuitform zeigende Embryonalanlage einen soliden Strang dar, der mit einem scharfen Kiel gegen den Nahrungsdotter vor- springt und auf seiner oberen, dem Kiel entgegengesetzten Fläche, eine seichte Rinne, die Rückenfurche, aufweist. Dabei zeigen die drei Keimblätter folgende Anordnung: Das obere Keimblatt (Ectoderm) zeigt in den peripheren Par- tien eine einfache Zellenlage, bald wird es jedoch zwei- bis drei- schichtig und mehr nach dem medialen Theil der Embryonalanlage hin tritt noch eine bedeutende Verbreiterung desselben durch Zell- vermehrung auf (Fig. 2). Man kann jetzt im Ectoderm eine obere stets einschichtig bleibende und eine untere ein- oder mehr- schichtige Zellenlage unterscheiden. Letztere bildet den Haupttheil des gegen den Dotter gerichteten Kieles, in ihrem Innern befinden sich die zwei sich berührenden Zellschichten, die mit der äussern Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 241 Schicht des Eetoderm zusammenhängen und deren Bildungsweise und Anordnung oben beschrieben wurde. Sie reichen jetzt bis nahe an die untere Kielbegrenzung herab Fig. 2 em). Gegen den Dotter grenzt das aus einer einfachen Zellschicht bestehende untere Keim- blatt (Entoderm) die ganze Embryonalanlage ab (Fig. 2 ex), in den peripher gelegenen Theilen mit dem dort nur durch eine einfache Zellenschieht gebildeten oberen Keimblatte in Berührung tretend. Beiderseits am besprochenen Ectodermkiele, zwischen dem Entoderm und Eetoderm, befindet sich das Mesoderm, bald in einfacher bald in mehrfacher Zellenlage (Fig. 2 me). Unter der Mitte des Eetodermkieles zwischen diesem und dem Entoderm liegen Zellen, die innig mit letzterem zusammenzuhängen scheinen; ob diese Zellen direet vom Entoderm abstammen, vom Mesoderm an ihren jetzigen Ort hingewandert sind, oder ob sie in- elusive der darunter liegenden Entodermzellen einen indifferenten Zustand, also primäres Entoderm repräsentiren, liess sich bei Syn- gnathus nicht ermitteln. Fasst man das gegenseitige Verhalten der 3 Keimblätter zu- sammen, so kann dasselbe so dargestellt werden: das Eetoderm bil- det einen soliden Strang mit einem nach unten gerichteten scharfen Kiel, der fast überall vom Mesoderm in ein- oder mehrfacher Zellen- schicht begleitet, das Entoderm in den Dotter hinabdrängt. Die in dem soliden, von der inneren Schicht des Eetoderm ge- bildeten Kiel befindlichen zwei Zellenreihen, die mit der äusseren Schicht desselben Keimblattes zusammenhängen, zeigen auf Quer- schnitten, von nur um ein weniges älteren Embryonen, eine sehr regelmässige Anordnung in zwei Reihen, deren Berührungsflächen, wie oben erwähnt, im Durchschnittsbild eine gerade oder ziekzack- förmige Linie geben, die jetzt bis nahe an die untere Grenze des Eetodermkieles herabreicht. Diese beiden Zellschichten stehen, wie oben ausführlich erwähnt, mit den am Boden der Riickenfurche befindlichen Zellen der äusse- ren Schicht des Eetoderm in Zusammenhang. Aus ihrer Form und Grösse (Fig. 1 u. 2 em) wie aus ihrer Anordnung schloss ich auf ihre Abstammung von den Zellen der äusseren Schicht des Eeto- derm (ec). Sie wären also den den Boden der Rückenfurche be- grenzenden Zellen gleichwerthig. Durch die Art ihrer Anordnung theilen diese Zellschichten, gerade wie die Medullarrinne der höheren Vertebraten, die Medullarrohran- lage in zwei Theile. Befände sich zwischen diesen Zellschichten 242 | E. Calberla ein Raum, auf Querschnitten als eine Spalte bemerkbar, so wäre dieser unbedingt als ein Theil der Rückenfurche anzusehen. Hier berühren sich aber diese beiden Zellschichten. so dass zwischen ihnen kein Lumen vorhanden ist. Wenn etwa im Verlaufe der Entwicklung diese beiden Zell- schichten wieder von einander weichen, so kann man dann mit Recht sagen, dass das entstandene Lumen der Rückenfurche entspricht. Mit der regelmässigen Anordnung der früher die Rückenfurche theilweis begrenzenden Zellen im Innern des Ectodermkieles haben sich auch die an das Mesoderm anstossenden Zellen der inneren Schicht des Eetoderm regelmässig gruppirt. Dieser Ectodermkiel stellt die erste Anlage des Medullarrohres dar (Fig. 2). Wie schon oben erwähnt befinden sich unter der Medullarrohr- anlage Zellen, deren Genese bei Syngnathus nicht zu ermitteln war. Diese Zellen haben sich jetzt concentrisch gegeneinander angeordnet und bilden so einen unter dem Ectodermkiel sich hinziehenden Strang, die Anlage der Chorda dorsalis (Fig. 3 ch). Betrachtet man eine etwas ältere Embryonalanlage äusserlich, so findet man dieselbe über die Eiperipherie erhoben, doch ist die Rückenfurche noch deut- lich erkennbar. Die seitlichen Begrenzungen der letzteren entspre- chen den Rückenwülsten der Embryonalanlage des Hühnchens. Auf Schnitten trifft man jetzt die seitlich der Medullarrohranlage befindlichen Zellen des Mesoderm vermehrt. Während früher das letztere an genannter Stelle nur ein- oder zweischichtig war (Fig. 2 me), ist es jetzt in eine drei- oder mehrschichtige Lage (Fig. 3 u. 4 me) übergegangen und darin wird man die Ursache des Emportretens der Embryonalanlage erkennen dürfen. Durch diese Zellvermehrung im Bereiche des Mesoderm wird die Basis des Ectodermkieles eingeschnürt und damit die die Medul- larrohranlage bildenden Zellen von der die Embryonalanlage nach oben bedeckenden Ectodermschicht abgedrängt. Der Beginn dieser Abdrängung ist in Figur 3, die fast vollzogene Abdrängung in Figur 4 aufs beste zu sehen. ‚Die Anlage des Rückenmarkes hängt bald nur durch eine schmale Leiste mit der oben die Embryonalanlage bedeckenden Ketodermschicht zusammen. Auf Querschnitten präsentirt sich die Verbindung der Anlage des Rückenmarkes mit der genannten Ecto- dermschicht als eine schmale von der Seite her verengte Strecke, die wie ein Hals dem Medullarrohrquerschnitte aufliegt. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 243 In der Mitte dieses Halses und bis nahe an die untere, gegen die Chordaanlage gerichtete Grenze der Rückenmarksanlage hinab- reichend. bemerkt man immer noch deutlich die oben beschriebene Anordnung der in die äussere Schicht des Ectoderm übergehenden Zellen, die mit ihren zusammenstossenden Begrenzungsflächen auch jetzt noch das Bild einer mehr oder weniger geraden Linie geben (Fig. 4 em). Zu dieser Zeit ist die Chordaanlage vollendet. Die Form des sich abschnürenden Rückenmarkes ist auf Quer- schnitten eine ovale geworden, indem der untere früher schärfere Winkel sich abgerundet hat. Während dieser Umbildung ist die Rückenfurche vollständig verstrichen. Mit der weiteren Entwicklung der Embryonalanlage hat sich dieselbe gegen oben wulstférmig emporgehoben und die Rücken- marksanlage ward durch die Wucherung der seitlich gelegenen Me- sodermzellen ganz von dem Ectoderm getrennt. Querschnitte von Embryonen dieses Stadiums lassen folgendes speciellere Verhalten der Zellschichten erkennen. Die Oberfläche des ganzen Embryo ist mit einer ein- oder mehr- schichtigen Zellenlage des Ectoderm bedeckt. Stets zeigt die äus- | sere, obere Schicht dieses Keimblattes eine sehr regelmässige An- ordnung ihrer Zellen. Diese letztern hatten früher (Fig. 1 und 2 auf dem Querschnitt eine nahezu quadratische Form. Mit der wei- teren Entwicklung der Embryonalanlage haben diese Zellen ihre Form verändert und sind jetzt auf Querschnitten länglieh viereckig geworden. Die früher vorhandenen Grössendifferenzen zwischen den Zellen der oberen und denen der unteren Schicht des Eetoderm. des Meso- und Entoderm haben sich ausgeglichen. Zum Theil sind die Zellen der unteren Schicht des Eetoderm grösser als die der oberen Schicht desselben Keimblattes, letztere sind allein durch ihre oben beschriebene Form und ihre regelmässige Anordnung ausgezeich- net. Unter dem letztgenannten Keimblatte befindet sich die Medullar- rohranlage und seitlich derselben das eine zwei- oder mehrzellige Schicht bildende Mesoderm. Unter der Medullarrohranlage bemerkt man die Chordaanlage. Gegen den Dotter bildet das Entoderm in der früher be- schriebenen Weise die Grenze. In dem Innern der soliden Medullar- 'rohranlage befinden sich, ‚scharf von einander getrennt, die zwei Zellschiehten, deren früherer Zusammenhang mit der äusseren Schicht des Ectoderm beschrieben ward. Dieses Stadium wird durch die Fi- gur 5 illustrirt. Bei Betrachtung von Querschnitten älterer Embryonen, solcher. 944 E. Calberla deren Augenanlage bereits vollendet ist, bemerkt man zwischen der Chordaanlage und dem Entoderm Zellen des Mesoderms. Den grössten Theil des gesammten Querschnittes nimmt die oval gestaltete Anlage des Medullarrohres ein, sie bewirkt die bedeutende Prominenz der ganzen Embryonalanlage über die Eiperipherie. Die genaue Untersuchung der Zellanordnung im Innern der Rückenmarksanlage eben geschilderter Embryonen lehrt Folgendes: In der Mitte der noch soliden Medullarrohranlage zeigen Querschnitte eine gerade oder etwas gezackte von oben nach unten verlaufende Linie, die aber weder oben noch unten die Peripherie erreicht, wie dies in der Fig. 5 zu sehen ist. Diese Linie ist der Ausdruck der Tren- nungsflächen der früher mit der äusseren Schicht des Eetoderm zu- sammenhängenden zwei Zellreihen, die mit der Abschnürung der Riickenmarksanlage in das Innere desselben gelangt sind. Die übrigen meist etwas grösseren Zellen der Rückenmarksan- lage sind concentrisch gegen diese zwei Zellreihen gruppirt. Beson- ders die.in der Nähe der Peripherie befindlichen Zellen bieten eine sehr regelmässige Anordnung dar (Fig. 5). Fassen wir diese Befunde zusammen, so ergibt sich, dass das Rückenmark von Syngnathus sich aus dem oberen Keimblatte, unter Betheiligung dessen äusserer Schicht, ganz wie es von den höheren Vertebraten bekannt ist, bildet. Zur Prüfung des weiteren Verlaufs der Entwicklung des Me- dullarrohres dienen Querschnitte soleher Embryonen, deren primitive Gehirnabtheilungen deutlich zu erkennen sind. Man sieht an diesen das Entoderm gegen die Chordaanlage eingebuchtet, welcher Zustand mit der Vermehrung der Zellmasse des Mesoderm in Zusammen- hang steht. In dieser Einbuchtung, die besonders mit lebhafter Wucherung der Zellen des seitlich von der Chorda liegenden Thei- les des Mesoderm zusammenfällt, ist die erste Anlage des Darm- rohres zu erkennen. Der elliptische Querschnitt der Rückenmarksanlage beginnt in einen kreisförmigen überzugehen; sie ist zu dieser Zeit noch ein solider Strang. Mit dem Beginn oder der Vollendung der Abschnü- rung des Darmrohres beginnt an den oft erwähnten zwei Zellen- reihen im Innern der Rückenmarksanlage eine Veränderung. Man bemerkt auf Schnitten wie die, den untersten Theil der früher be- schriebenen Linie dureh ihre aneinanderstossenden Seiten bildenden Zellen aus einander zu weichen beginnen. Anfänglich sind daran nur zwei bis drei Zellen betheiligt, bald aber greift diese Spaltung weiter nach oben (Fig. 6 Zr). Der Process des Auseinanderwei- Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 245 chens dieser beiden Zellreihen verläuft ganz in der schon von OELLACHER (l. e.) beschriebenen Weise, nur erfolgt diese Spaltung ohne Verflüssigung oder zu Grunde gehen von Zellen. Das in der Bildung begriffene Lumen ist meist mit kriimlicher oder durehschei- nender Masse angefüllt, welche Substanz wohl von einer beim Aus- einanderweichen der Zellen exsudirten eiweisshaltigen Flüssigkeit stammt, die durch die Härtungsflüssigkeit 'Chromsäure und Alkohol) in diesen Zustand übergeführt wurde. In diesen krümlichen Massen konnte ich nie zellige Ele- mente oder deren Reste, z. B. Zellkerne, auffinden, ferner wa- ren die Wandungen des sich bildenden Medullarrohres stets völlig intact. Da also bei der Bildung des Medullarcanales von Syngnathus weder Zellreste im Innern noch Lücken in seinen Wandungen auf- zufinden waren, so muss ein Auflösungs- oder Verflüssigungspro- cess, wie ihn OELLACHER |]. e.) für die Bildung des Medullarcanales der Bachforelle beschreibt, von der Hand gewiesen werden. Dieser Spaltungsprocess im Innern der Rückenmarksanlage schreitet nun weiter nach oben fort, wobei sich sämmtliche, diese Organanlage bildenden Zellen concentrisch gegen das sich entwickelnde Lumen des Medullarrohres ordnen. Bald ist das Auseinanderweichen der zwei Zellschichten vollen- det und hat zur Bildung eines Medullarcanales geführt, der auf Querschnitten eine schmale Spalte darstellt. Mit der Ausbildung der Pleuroperitonealhöhle erweitert sich das obere und untere Ende dieser Spalte. Sie zeigt dann auf Querschnitten eine Ellipsen- form bei fast kreisförmigem Querschnitt der ganzen Rückenmarks- anlage. Dies ist der Verlauf der Bildung des Medullarrohres und seines Centralcanales bei den von mir untersuchten Teleostiern, den Lopho- branchiern. Die Entwicklung des Rückenmarkes der Petromyzonten schliesst sich direet an die eben von den Lophobranchiern geschilderte an, nur sind bei dieser Abtheilung die Sonderungsvorgänge wegen der um vieles grösseren Zellen viel leichter zu beobachten, so dass sie deshalb von nicht geringer Wichtigkeit scheinen. Ehe ich die Entstehung des Medullarrohres und der Chorda- anlage ausführlich beschreibe, sei es mir gestattet, die ersten Ent- wicklungsvorgänge am Petromyzonei (Petromyzon Planeri) bis zur 246 E. Calberla vollendeten Anlage der Keimblätter kurz zu besprechen, indem ich mir vorbehalte an einem anderen Orte die erste Entwickelung der Petromyzonten ausführlicher zu behandeln. »Schon bei der ersten Furchung des befruchteten Eies kann man beobachten, dass die Producte dieses Vorganges keine gleichwerthi- gen Elemente sind. Die erste Theilung liefert nämlich eine grössere und eine kleinere Furchungskugel. Die kleine und deren Theilungsproduete furchen sich im weiteren Ver- laufe stets rascher als die grosse und deren Abkömmlinge. Bis etwa zur sechzehnten Theilung sind die Grössendifferenzen gering und nur bei sorgfältiger Beobachtung zu erkennen. Bald aber überwie- gen, entsprechend ihrer rascher erfolgenden Theilung, die kleinen Furchungskugeln die grösseren an Zahl und beginnen das Ei resp. die grösseren Furchungselemente zu umwachsen. Sehnitte durch Eier solcher Stadien zeigen, nahe der Seite des Eies, die von den kleinen Furchungskugeln gebildet wird, die Existenz einer Höhle, die ich die primäre Keimhöhle nenne. Dieselbe ist nach aussen durch eine einfache Schicht der kleinen Furchungskugeln abgegrenzt. Es überdecken also gewissermassen die kleinen Furchungselemente in Form einer halben Hohlkugel die Keimhöhle und zum Theil schon die grossen Theilungsproducte. Die eben erwähnte Umwachsung der grossen Furchungskugeln durch die kleinen verläuft nicht überall gleichmässig: es lässt sich leicht beobachten dass auf einem Meri- dian des Eies diese Umwachsung langsamer fortschreitet als auf den übrigen. Auf diesem Meridian sistirt dieser Vorgang sobald die kleinen Furchungselemente die grossen bis über zwei Drittel. der gesammten Eioberfläche umwachsen haben: an dem übrigen Theil des Eies geht jedoch die Umwachsung weiter vor sich. Auf der Stelle des erwähnten Meridianes, wo bei der Sistirung des Umwach- sungsvorganges die kleinen an die grossen Furchungselemente gren- zen, entsteht jetzt. durch kleine Furchungselemente gebildet, ein Wulst. Letzterem benachbart bildet sich hingegen im Bereiche der grossen Furchungselemente von der Oberfläche aus eine flache Einbuchtung. Ist das gesammte Ei von den kleinen Furchungsele- menten umwachsen worden, so hat sich die eben erwähnte flache Einbuchtung zu einer tiefen ausgebildet. Diese Grube. die später die Oeffnung eines blinden Ganges ins Innere des Eies darstellt. ist der Rusconrsche After oder die primitive Nahrungshöhle, die im weite- ren Verlaufe der Entwieklung zum Lumen des Darmrohres wird. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 247 Der Rusconxtsche After bildet sich, wie schon Max SCHULTZE |l. e.) richtig beobachtete, später zum bleibenden After um. Im Centrum des Eies liegt ein Rest grosser Furchungselemente die keiner weitern Theilurg unterliegen: sie repräsentiren das Nah- rungsmaterial des sich entwickelnden Embryo. Diese Furchungs- elemente werden durch die die Wandung des Ruscont'schen Afters bildenden grossen Furchungskugeln von der Eioberfläche abgeschlos- sen, nur an der tiefsten Stelle dieser Grube liegt ein Pfropf jener Furehungselemente. Auf Schnitten durch Eier eines nur um weniges weiter vorge- rückten Entwicklungsstadiums bemerkt man die Peripherie von klei- nen Furchungselementen gebildet, welche sich gegeneinander abge- plattet haben. Sie repräsentiren das primitive Eetoderm. Nach innen liegt dieser Ectodermschicht eine Reihe grosser Furchungskugeln an, die gegeneinander abgeplattet das primitive Entoderm darstellen. Die primäre Keimhöhle ist durch Anlegen des primitiven Ento- derm an das primäre Ectoderm fast ganz zum Verschwinden ge- bracht. Vom Rusconrschen After hat sich zwischen die grossen Furchungskugeln, die, wie eben erwähnt wurde, das primitive Ento- derm repräsentiren, und den als Nahrungsmaterial dienenden Fur- chungselementen eine Spalte, ein Gang gebildet. Dieser im Innern blind endigende Gang erweitert sich unter der jetzt völlig verschwin- denden primären Keimhöhle und dieser erweiterte Theil bildet, in- dem der Gang nahe dem Rusconrschen After sich durch aneinander- legen der Wandungen nochmals für eine Zeitlang schliesst , die secundäre Keimhöhle. Die als Nahrungsmaterial dienenden Furchungselemente, sowie die das primitive Ecto- und Entoderm bildenden Zellen sind, beson- ders erstgenannte, reichlich mit Dotterkérnchen angefüllt. Sie be- sitzen sämmtlich grosse, mit Carmin sich intensiv färbende Kerne. Die Zellen des primitiven Eetoderm sind in diesem Entwicklungs- ‘Stadium fast würfelförmig, die des primitiven Entoderm haben bei regelmässiger Anordnung eine vieleckige Gestalt und sind um ein Geringes grösser als die Zellen des Eetoderm. Ich betone an dieser Stelle den schon von andern, am klarsten von HAECKEL hervorgehobenen Unterschied zwischen »primären« und »secundären« Ecto- und Entoderm. Dabei gehe ich mit Baer, Remax u. A. davon aus, dass die erste Anlage des Embryo eine zweiblätterige ist. Wir haben also ein »primitives« oder »primäres oberes Keimblatt« (primäres Eeto- 245 E. Calberla derm) und ein »primäres unteres Keimblatt« (primäres Entoderm), welche beide dem »animalen« und »vegetativen Blatte« von Banr’s (l. e. p. 42, oder dem »oberen« und »unteren Keimblatte« REMAR’S (l. ec. p. 181, entsprechen. Primitiv nenne ich diese Keimblätter weil sie die ersten aus den Furchungselementen entstandenen Theile des Körpers repräsentiren und ferner im Gegensatz zu den secun- dären Keimbliittern, die sich durch Theilung der primären Keim- blätter bilden. ; Wie oben gezeigt, nimmt die grösste Zahl der Autoren an, dass das mittlere Keimblatt aus dem unteren Keimblatte entstehe, es ist also das Mesoderm gerade wie der nach Abgabe des Mesoderm. bleibende Rest des ursprünglichen unteren Keimblattes, der jetzt das secun- däre Entoderm darstellt, ein »secundäres Keimblatt«. Auch das pri- märe Ectoderm zerfällt, wie schon bei Syngnathus gezeigt wurde und wie ich für Petromyzon im Folgenden darstellen werde, in zwei Schichten, eine äussere und eine innere, die dann entsprechend der eben gegebenen Auseinandersetzung, als secundire Keimblätter zu bezeichnen wären. Das secundäre Ecto- und Entoderm steht also zum primären im Verhältniss einer unvollständigen Homologie. Ich wende mich wieder zur Besprechung der weiteren Entwick- lung der Petromyzon-Embryonen. Das Ei nimmt jetzt eine Birnen- form an, ohne dass in der Zellanordnung im Innern wesentliche Veränderungen vor sich gegangen wären. Ich bemerke hier beiläufig, dass zu dieser Zeit die seeundäre Keimhöhle völlig angelegt ist. Bald beginnt das spitze Ende, dem der Rusconrsche After nahe liegt, sich etwas zu verbreitern. Mitten auf diesem verbreiterten Ende entsteht eine seichte Einkerbung, die dicht über dem Rusconrschen After beginnend, in eine in der Längsrichtung des birnenförmigen Eies über seine halbe Peripherie verlaufende Rinne sich fortsetzt. Zur besseren Verständlichkeit verweise ich hier auf die von SCHULTZE (l. ec.) seiner Abhandlung beigefügten Abbildungen des sich entwickelnden Petromyzoneies. Ich citire besonders auf Taf. I die Figuren 4, 4%, 5 und 6°, sowie auf Taf. III die Figuren 1, 1%, 1°, 2 und 3. Diese Rinnenbildung erfolgt etwa am 6.—7 Tage! nach der Befruchtung. Bald entsteht die erste Embryonalanlage, indem vom RuscoxI- schen After beginnend, die eben erwähnte Rinne auf seiner Mitte !, Auf den zeitlichen Verlauf der Entwicklung ist die Temperatur des Wassers, in dem sich die Eier befinden, von grossem Einfluss. Bei mir hatte das Wasser 12° C. im Mittel. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 249 tragend, ein niedriger Wulst sich erhebt. Sowie derselbe sich deut- lieh vom Ei abgrenzt ist die seichte Furche in eine schmale, dabei tiefere und so leichter sichtbare Rinne übergegangen. Diese Rinne, die Medullarrinne, setzt sich bis in die als Rusconr’schen After be- zeichnete Stelle fort und an dieser Stelle ist Medullarrohr und Darm- rohranlage verbunden. Nach dem baldigen Schlusse der ersteren ist noch auf Längsschnitten eine durch einen soliden Zellstrang ge- bildete Verbindung beider Anlagen zu erkennen. Dieses Verhalten der Medullarrinne entspricht den von Kowa- LEWSKY bei der Beobachtung der Entwicklung der Störe (1. e., und neuerdings von demselben Autor auch bei Amphioxus (I. e.) erhal- tenen Befunden (vergl. auch BALFOUR |. ce. An einem und demselben mit kurzen Unterbrechungen eine Zeit- lang beobachteten Ei kann man bemerken, dass diese Rinne nur ganz kurze Zeit, etwa 2—4 Stunden, sehr deutlich sichtbar ist. Mit dem Erheben der Embryonalanlage als einer schmalen Leiste und dem Hervortreten des zuletzt zur Entwicklung gekommenen Vorder- theiles derselben, ist die erwähnte Rinne vollständig verschwunden, nur eine einfache zarte Linie deutet noch für die nächsten 10—12 Stunden den Ort an, an welchem die der Medullarrinne der höheren Wirbelthiere homologe Rinne bestanden hatte. Senkreehte Durchschnitte durch die Embryonalanlagen von Eiern, welche etwa das zuerst beschriebene Entwicklungsstadium vor der Bildung der Medullarfurche erreicht haben, geben folgendes Bild: Eine einfache Schicht grosser fast quadratischer Zellen des primiti- ven Ectoderm umgibt das ganze Ei. Nach innen davon, scharf von demselben geschieden, bemerkt man das von einer Schicht grosser unregelmässiger Zellen gebildete primäre Entoderm (Fig. 7). Beiderseits der Stelle, wo über der fast zum Verschwinden gebrach- ten secundären Keimhöhle die dort besonders grossen Zellen des pri- mären Eeto- und Entoderm zusammenstossen, beginnen die Zellen des Entoderm sich zu theilen. Das Resultat dieser Theilung ist die Bildung des Mesoderm und des secundären Entoderm. Letzteres formt stets eine geschlossene. meist aus grösseren Zellen als die des Mesoderms, bestehende Grenze gegen die in der Mitte des Eies gelegenen Fur- chungselemente, welche wie oben bemerkt. zum Nahrungsmaterial verwendet werden (Fig. 7 Do). Ueber der secundiiren Keimhöhle ist das Ectoderm mit dem pri- mitiven Entoderm in unmittelbarer Berührung, denn die dort befind- lichen Zellen dieses Keimblattes haben sich nicht in Mesoderm und 250 E. Calberla secundäres Entoderm getheilt (Fig. 7 u. 8). Der Beweis, dass das Mesoderm nur dureh Theilung des primären Entoderm in secun- däres Entoderm und Mesoderm sich bildet, ist leicht zu führen: Wie bereits erwähnt bildet das primäre Eetoderm schon in der zweiblätterigen Anlage des Embryo eine scharf gegen das primäre Entoderm abgegrenzte Zellschicht. In einem etwas späteren Sta- dium findet sich das primäre Entoderm seitlich der jetzt auftreten- den Rückenfurche mehrschichtig angelegt und es bildet besonders dessen untere Zellenlage eine gegen die übrigen schärfer abgesetzte Schicht, das seceundäre Entoderm. Die zwischen diesem und dem primären Eetoderm befindlichen Zellen stellen das Mesoderm dar. Im Bereiche des seitlich der Medullarfurche gelegenen Theiles des primä- ren Entoderms hat also eine Differenzirung stattgefunden, deren Resul- tat die Bildung des secundären Entoderms und des Mesoderms ist. Diesen Beobachtungen zufolge entwickelt sich bei Petromyzon das Mesoderm einzig und allein aus Zellen des primitiven Entoderm vergl. Fig. 7 u. 8). Querschnitte durch Embryonen, die den Be- ginn der Rückenfurchenbildung (Rx) zeigen, lassen folgende Zellen- gruppirung erkennen. Nach aussen findet sich eine einfache Zellen- lage, welche das Eetoderm vorstellt, die an der der Rückenfurche ent- sprechenden Stelle eine seichte Einbuchtung nach innen erkennen lässt. Unter dieser Einbuchtungsstelle befinden sich die grossen sich nicht durch Zellentheilung in Mesoderm und secundäres Ento- derm differenzirt habenden Zellen des primitiven Entoderm. Diesel- ben hängen mit dem secundiren Entoderm continuirlich zusammen Fig. 7 u. 85). Seitwärts von den etwas nach innen vorgebuchteten Eetodermzellen befindet sich die ein- bis zweifache Lage der kleinen Mesodermzellen. Letztere Zellenlage wird bald mehr als zweischich- tig, welche Zellvermehrung wohl auf eine stattfindende weitere Zell- theilung zurückzuführen ist. Die im ‘Bereiche der Rückenfurche liegenden Ectodermzellen werden mit der weiteren Entwicklung der Embryonalanlage gleichfalls verändert, sie beginnen sich in nach aussen befindliche kleine und innen an das primitive Entoderm und das Mesodorm angrenzende grössere Zellen zu theilen Fig. See). Die Form der auf Querschnitten als eine Einbuchtung sich darstel- lenden Rinne wird durch diese Zelltheilung nicht verändert, dage- gen buchtet sich, durch diesen Vorgang verdickt, das Eetoderm stärker gegen das primäre Entoderm vor. Fassen wir diese Befunde zusammen, so ergibt sich, dass das infolge eines Differenzirungsprocesses aus dem primären Entoderm Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 251 ae entstandene Mesoderm mit dem Auftreten der Riickenfurche und der Erhebung der Embryonalanlage über die Eiperipherie, ein mehr- schichtiges wird und der die Rückenfurche bildende Theil des Keto- derm. unter Zerfall in zwei Zellschichten, sich gegen das primäre Entoderm, in der Riehtung auf das Centrum des Eies vorbuchtet. Ein wenig weiter entwickelte Eier mit wulstförmig erhobener Embryonalanlage zeigen auf Querschnitten, dass die Riickenfurche tiefer geworden ist. Man bemerkt die im Grunde der Einbuchtung befindlichen Zellen des Ketoderm in zwei Schichten gesondert. Ein Vorgang, der oben nur im ersten Beginn besprochen wurde. Die Zellen stehen meist eoneentrisch gegen die Einbuchtung gerichtet (es war dies schon früher in Fig. 8 zu bemerken) und andererseits bildet sich eine starke Prominenz gegen das Entoderm (Fig. 9). Es hat sich also das Eetoderm im Bereich des medianen Thei- les der Embryonalanlage in zwei Zellschichten, eine innere und eine äussere differenzirt (Fig. dee). Die Theilung der Zellen des primären Eetoderm geht auch lateral von der Rückenfurche eine Strecke weit vor sich. Wir haben also (vergl. Fig. 9) im Bereiche der Rücken- furche im Eetoderm zwei Zellschichten, von denen die eine innere einfach als Fortsetzung der den ganzen Embryo überziehenden pri- mären Eetodermschicht erseheint: sie grenzt nach innen an das Meso- derm und unter der Rückenfurche an das-primäre Entoderm. Aus- sen von dieser Schicht liegt im Bereich genannter Furche eine zweite Sehieht, deren Entstehung aus dem primären Eetoderm ausführlich geschildert wurde. Diese Schieht bildet den Boden der Rückenfurche und geht sogar an deren tiefster Stelle oft schon eine Strecke weit ins Innere der beschriebenen Eetodermvorbuchtung hinein. In die- sem Fall stossen die Zellen dieser Schicht an einander und geben ihre Berührungsflächen, wie man auf Querschnitten gut bemerken kann, das Bild einer scharfen meist geraden Linie. Es ist also im Bereiche der Rückenfurche das primitive Eetoderm in zwei secundäre Schichten zerfallen. Dieses Verhalten lässt sich sehr leicht mit dem gleichen Verhältniss von Syngnathus zusammenbalten. Hier bei Pe- tromyzon ist diese Zellanordnung entsprechend der geringeren Zahl aber bedeutenderen Grösse der einzelnen Elemente leichter zu beob- achten. Das wesentliche dieses Befundes ist auch hier die Thatsache, dass Zellen der äussern Schicht des Eetoderm in die Bildung des Bodens der Medullarfurche, und wie ich weiter zeigen werde in den Aufbau des Medullarrohres eingehen. Morpholog. Jahrbuch. 3. 17 E. Calberla Im en Ww Mit der Weiterentwicklung der Embryonalanlage vermehren sich die Zellen des Ectoderm im Bereiche der Riickenfurche, besonders die äussere Schicht ist hiervon betroffen, welcher Vorgang wohl das Resultat einer Zelltheilung ist. Es stellt auch hier bei Petromyzon, ganz wie oben bei Syngna- thus beschrieben wurde, dieser nach innen vorgebuchtete verdickte Theil des Eetoderm die erste Anlage des Medullarrohres dar. Zur Illustrirung der Aenderungen in den Zellverhältnissen im Ectoderm verweise ich hier ganz besonders auf die Vergleichung der Figuren 9 und 10. In der letztgenannten Figur kann man sehen, dass die in der Mitte der soliden Medullarrohranlage befindlichen zwei Reihen von Zellen der äusseren Schicht des Ectoderm bis nahe an die Grenze dieses Keimblattes gegen das primäre Entoderm herab- reichen und das dieselben aus 7 bis 5 Zellen jederseits gebildet werden. Die als Anlage des Medullarrohrs erscheinende Prominenz des Eetoderm gegen das primäre Entoderm wird in diesem Stadium (Figur 10) vorwiegend durch die zwischen die innere Schicht des oberen Keimblattes hinabreichenden, die äussere Schicht des genann- ten Keimblattes repräsentirenden Zellreihen gebildet. Die erste Anlage des Rückenmarkes stellt somit auch bei Pe- tromyzon einen soliden Strang dar, der unten kielförmig vorspringt und nach aussen mit dem Ectoderm noch in innigster Verbindung sich befindet. Querschnitte durch Embryonalanlagen, bei denen die Medullarrinne nur noch durch eine feine Linie angedeutet ist |SCHULTze |. e. Fig. 1° und 2 Taf. III), zeigen das fast völlige Verstrichensein derselben, da- gegen sieht man manchmal, dass die obersten zwei bis drei Zellen, die von der äusseren Schicht des Eetoderm in die solide Anlage des Riickenmarkes hineingewuchert sind, von einander weichen. Dieser letztgenannte Zustand besteht nur ganz kurze Zeit. -Die Zellen schliessen sich wieder an einander und die Medullarfurche verstreicht völlig. Betrachtet man Schnitte durch die in Gestalt eines schma- len Wulstes erhobene Embryonalanlage, so bemerkt man, dass die seitwärts der Rückenmarksanlage befindlichen Zellen des Mesoderm sich an Zahl vermehrt haben. Während früher an genannter Stelle das Mesoderm nur 3—4 schichtig war (Fig. 10), ist es jetzi (Fig. 11) in ein 6—7 schichtiges übergegangen. Diese Zellvermehrung in dem seitlich der Medullarrohranlage befindlichen Theil des Mesoderm bewirkt eine Abdrängung genannter Organanlage von dem die Ober- Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 253 fläche der Embryonalanlage überziehenden Eetoderm. Zur Illustrirung dieses Vorganges führe ich besonders die schon erwähnten Figuren 11 und 12 an. Mit der Erhebung des Kopftheiles des Embryo von dem Eie ist die Abschniirung der Riickenmarksanlage vollendet (Fig. 13). Es überzieht jetzt das Ectoderm in einfacher Schicht die Ober- fläche des Embryo. Das Rückenmark stellt einen soliden Strang dar, in dessen Mitte sich zwei mehr oder weniger regelmässig an- geordnete Zellenreihen befinden, die von der äusseren Schicht des Eetoderm abstammen und um welche die übrigen Zellen der Rücken- marksanlage eoncentrisch angeordnet sind (Fig. 13). Zu dieser Zeit ist die Bildung der Chordaanlage vollendet: auch die erste Anlage des Darmrohres ist sichtbar. Das Lumen der secundären Keimhöhle geht in das, des sich bildenden Darmrohres über, indem ersteres von dem dureh seitliche Zellwucherung vorgestülpten Entoderm zu einem Rohre geschlossen wird (Fig. 15). Jetzt beginnt ganz wie bei Syngnathus ein Auseinanderweichen der im Innern der Medullarrohranlage befindlichen zwei Zellreihen (Fig. 14). Gleichzeitig mit der Differenzirung des Kopftheiles des Embryo ist der Medullareanal fertig gebildet. Die das Medullarrohr zusam- mensetzenden Zellen haben sich vielfach getheilt und umgeben sehr regelmässig angeordnet den Medullarcanal. Bald stellt die Rückenmarksanlage ein auf dem Querschnitt ovales Rohr dar (Fig. 15), dessen innerste, das langovale Lumen begrenzende Zellschicht, wie oben ausführlich dargelegt, von der äusseren Schicht des primären Ectoderm abstammt. Wie aus diesen Beobachtungen sich ergibt, erfolgt bei den Pe- tromyzonten ganz wie bei Syngnathus die Bildung des Medullar- rohres durch Abschnürung des im Bereich der Riickenfurche gelege- nen Theiles des Ectoderm durch das Mesoderm, und die äussere wie die innere Schicht des erstgenannten Keimblattes geht in seine Anlage ein. Die äussere Schicht bildet nach Schluss und Ausbildung des Medullarrohres dessen innerste Auskleidung. In gewissem Grade steht die Entwickelung des Medullarrohres bei Petromyzon im Gegensatz zu der Entwickelung dieses Organes bei allen übrigen Vertebraten mit Ausnahme von Amphioxus und den Selachiern. Li 54 E. Calberla bw Es bildet sich, wie eben beschrieben wurde, bei Petromyzon das Medullarrohr aus dem primitiven Eetoderm, indem dieses nur im Bereich der genannten Organanlage in eine äussere und eine innere Schicht zerfällt, die aber beide vollständig in die Bildung des Medullarroh- res eingehen, während bei den übrigen höheren Vertebraten schon lange vor der Bildung der Medullarrinne das Eetoderm zwei oder mehrschichtig angelegt ist. Allein dieser Gegensatz ist nur ein schein- barer, da ja auch bei den übrigen Vertebraten das zweischichtige Eetoderm aus einem einschichtigen sich entwickelt !). Bei Petromy- zon erfolgt diese Differenzirung des einschichtigen Eetoderm zuerst nur im Bereich der Medullarrohranlage und erst mit Umbildung des Embryo zu der frei schwimmenden Larve geht die einschichtige, die gesammte Oberfläche bedeckende Zellenlage in eine mehrschichtige über. An diese durch die vorliegende Untersuchung erhaltenen Be- funde schliesst sich das von BALFoOUR bei den Selachiern und von Kowarews&KY bei der Amphioxusentwicklung enthaltene Resultat ohne weiteres an, indem bei Selachiern die Differenzirung des die Medul- larrohranlage bildenden Ectoderms in zwei Schichten erst mit Schluss des genannten Rohres erfolgt und bei Amphioxus das schon ge- schlossene Medullarrohr noch eine Zeitlang aus einer einzigen vom primitiven Eetoderm abstammenden Zellschicht gebildet wird. Ich wende mich nun zu der Vergleichung der von anderen mitgetheilten Ansichten über die Bildung des Medullarrohres mit den Ergebnissen meiner Untersuchung. Alle Beobachter haben das Auftreten einer Riickenfurche constatirt und Alle stimmen darin überein, dass dieselbe nur kurze Zeit vorhanden ist. Ueber die von v. BAER, VOGT, LEREBOULLET und KUPFFER vorgeführten Ansichten, die nur nach Beobachtung des Entwicklungsvorganges von der Ei- oberfläche aus ohne Controlle durch Schnittserien aufgestellt wur- den, brauche ich mich nicht weiter auszusprechen. Eingehender muss ich die von SCHAPRINGER, WEIL und vor allem von OELLACHER beschriebene Bildungsweise des Riickenmarkes unit den von mir gewonnenen Befunden zu vergleichen suchen. Besonders die Angaben des letztgenannten Autors verdienen, da sie auf sehr eingehende und fleissige Untersuchungen gestützt sind, eine ausführliche Besprechung. ÖELLACHER findet eine Me- dullarrinne, die von Zellen der äussern Schicht des Ectoderm aus- 1) A. GörrE. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Ar- chiv f. mikr. Anatomie. Bd. X. 1574 pag. 145 Taf. XI. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 255 gekleidet ist; diese Rinne verstreicht nach ihm sehr bald wieder, ohne dass die oben erwähnte Zellschieht zur Bildung des ursprüng- lich soliden Rückenmarkes beitrage. Wenn ich seine Figuren (l. e.) z. B., Taf. II Figur V 1 u. 3, VI 3 u. 5, ferner Taf. II Fig. VI 3u.6, VO 3u.4 ff. betrachte, so machen dieselben den Eindruck, als wenn die Zellen in diesen Figuren theilweise sehr schematisch eingezeichnet seien. Andererseits scheint mir, dass OELLACHER, den Fall angenommen, dass die gegebenen Abbildungen getreue Copieen von Querschnitten sind, nicht immer seine Befunde in der riehtigen Weise gedeutet hat. Ich verweise hier z. B. auf die Figuren IV 3 Taf. II. Die Oberfläche der Embryonalanlage überzieht eine Schicht schmaler platter Zellen, unter dieser folgt seitlich der Rückenfurche eine mehrschichtige Lage vieleckiger Zellen, die in der untersten Schieht grösser, und regelmässig gegen das Mesoderm angeordnet sind. Unter der Riickenfurehe sehen wir den Querschnitt des mehr- fach erwähnten Eetodermkieles und in dessen Mitte finden sich 2 aus schmalen platten Zellen zusammengesetzte Reihen, deren Be- rührungsflächen das Bild einer scharfen Linie geben. So die Be- schreibung der Abbildung! Entspricht dieselbe einem Querschnitte, so findet sich in demselben dieselbe Zellgruppirung wie ich sie oben ausführlich beschrieben und in Fig. 2 u. 3 auch abgebildet habe. Die eitirte Figur IV 3 ist direct neben die von mir gegebene zu stellen und spricht der Befund in dem dazu gehörigen Präparat ganz für die von mir vorgetragene Bildungsweise des Medullarrohres der Teleostier. OELLACHER hat dann, als er einmal angenommen hatte, dass das Medullarrohr der Knochenfische sich in anderer Weise als das der übrigen Vertebraten entwiekele, nothgedrungen zu der Ansicht kommen müssen. dass der Centraleanal durch ein Verflüssigen oder Zugrundegehen von Zellen im Innern der soliden Anlage des Riickenmarkes entstehe. Da der Autor angibt, dass die äussere Schicht des Ectoderm continuirlich die Oberfläche des Embryo über- zieht und nicht in den, von der innern Schicht des Eetoderm ge- bildeten Kiel sich einsenkt, so verneint er auch, dass diese äussere Schicht genannten Keimblattes zur Bildung des Medullarrohres bei- trägt. — GörtE's ||. e.) vermuthungsweise ausgesprochene Ansicht, dass der Medullareanal nur der Rest der durch Seitendruck zu Grunde gegangenen Riickenspalte sei, ist ohne Mittheilung der Un- tersuchungen, auf welche diese Ansicht basirt ist, gegeben worden und entzieht sich dadurch einer Beurtheilung. 256 7 E. Calberla Wie OwsJANNIKOW (1. e.) in seiner vorläufigen Mittheilung dazu kömmt bei Petromyzon die Entwicklung des Centralcanales in der- selben Weise zu beschreiben , wie wir dieselbe von den höheren Wirbelthieren kennen, ist mir unverständlich; gerade bei Petromyzon ist der von mir bei der Entwicklung des Centraleanales der Knochen- fische beschriebene Entwicklungsmodus für die Betheiligung der äussern und inneren Zellschicht des Ectoderm an der Medullar- rohrbildung so klar wie nur möglich zu beobachten. Es bleibt mir daher nur die Annahme, dass dieser Forscher sich durch die Beob- achtung der äusserlich, wenn auch nur sehr kurze Zeit, aber ganz deutlich sichtbaren Medullarrinne und deren baldigen Schluss zu seinen Angaben verleiten liess. Denn durch die Untersuchung von Schnittserien würde ihm der von mir dargestellte Entwicklungsmodus nieht entgangen sein. Es erübrigt nur noch in kurzem den Verlauf der Entwicklung des Rückenmarkes und seines Centraleanales bei den Teleostiern und Petromyzonten zusammenzufassen und ihn mit der Entwieklung des gleichen Organes bei den einen andern Modus zeigenden Wir- belthieren im Zusammenhang zu betrachten. Bei diesen kommt es zur Bildung einer Medullarrinne, die sich durch Empor- und Ueberwachsen ihrer Ränder zum Centraleanal schliesst. Bei den Petromyzonten und Teleostiern (Lophobranchiern) be- steht gleichfalls anfänglich eine Rückenfurche und ich glaube, dass die Constatirung dieser Thatsache von grossem Belang ist, nur ist hier die Schliessung der Medullarrinne nicht in dem gleichen Grade sichtbar indem eine Modification des Schliessungsactes eintritt. Wie ich oben auseinander gesetzt habe sind die im Innern der soliden Medullarrohranlage befindlichen zwei Zellschichten als Abkömm- linge der äusseren Schicht des Ectoderm anzusehen und zwar liess sich besonders bei Petromyzon die Bildung dieser Schicht im Bereiche der Rückenfurche auf das deutlichste beobachten. Da nun die äussere Schicht des Ectoderm die Riickenfurche auskleidet und die von dieser abstam- menden Zellen (bei Petromyzon geht sie in toto in das Medullarrohr ein) in den im Innern der soliden Medullarrohranlage sich findenden zwei Zellschiehten wieder zu erkennen sind, so entspricht ein etwa zwischen ihnen auftretendes Lumen der Rückenfurche. Daraus folgt, dass der Vorgang, durch welchen die im Innern der soliden Medullar- rohranlage befindlichen zwei Zellschichten von der Oberfläche an ihren jetzigen Ort gelangt sind, direct dem Engerwerden der Me- Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 257 dullarrinne durch Emporwachsen ihrer Ränder, wie wir diesen Vor- sang von der Bildungsweise des Medullarrohres der höhern Wirbel- thiere kennen, entspricht. Die Abschnürung des Medullarrohres erfolgt dagegen ganz wie bei den übrigen Wirbelthieren durch Wucherungen des Mesoderms. Ist diese Absehnürung vollendet, so stellt sich durch das Auseinan- derweichen der erwähnten zwei Zellschichten, die von der äusseren Schieht des Eetoderm abstammen, das Lumen der Medullarrinne, die nur zu einem Rohre geschlossen ist, wieder her. | Die Entwicklung des Rückenmarkes und seines Cen- traleanales ist bei den Teleostiern und Petromyzonten also keineswegs fundamental von der bei den übrigen Wirbelthieren beobachteten Entwicklungsweise ver- sehieden. Auch bei diesen beiden Abtheilungen der Vertebraten stammen die den Medullarcanal begrenzenden Zellen von der äusseren Schicht des Eetoderm. Ich wende mich nun zur Besprechung der Bildungsweise der Chorda dorsalis bei den von mir untersuchten Fischen. Wie schon oben bei Beschreibung der Bildung des Medullarrohres der Lopho- branchier angeführt, war es mir bei diesen nicht möglich, die Frage, ob die Chorda sich aus dem mittleren oder unteren Keimblatte ent- wickele, zu lösen. Es ergaben sich wohl Querschnittsbilder, die für eine ausschliessliche Betheiligung des Entoderm sprachen, allein be- weisend war keines. Gliicklicher war ich bei Untersuchung der Entwicklung von Pe- tromyzon. Hier gelang es mir die Bildungsweise der Chorda von ihrer ersten Anlage an genau zu verfolgen. Die bei Besprechung der Medullarrohrentwicklung hervorgehobenen Zellenverhältnisse, die relativ geringe Zahl und bedeutende Grösse der Elemente in der betreffenden Zellregion, ermöglichten den ganzen Verlauf der Chorda- Entwicklung hier auf das klarste zu beobachten. Ich beginne mit der Beschreibung des sich durch eine fast überall einschichtige An- lage des primären Eeto- und Entoderms auszeichnenden Entwick- lungsstadiums. Es ist dasselbe Stadium, welches den Beginn der Riickenfurchenbildung erkennen lässt und bei welchem sich das mitt- lere Keimblatt durch Zelltheilung vom ursprünglichen unteren Keim- blatt, dem primitiven Entoderm abzuspalten beginnt (Fig. 7). Auf einer Serie von Querschnitten bemerkt man, dass die 7—8 Entodermzellen, die unter dem sich zur Anlage des Rückenmarkes 258 E. Calberla umbildenden Eetoderm liegen, schmiler werden und dabei sich etwas verlängern. (Vergleiche Figuren 7, 5 und 9.) Unterdessen schrei- tet die Mesodermbildung durch Theilung des primitiven Entoderm weiter fort. Dieser Vorgang beschränkt sich jedoch auf die lateralen Theile der Embryonalanlage. In dem medianen Theil, also unter- halb der Medullarrohranlage, findet ein anderes Verhalten statt. Die hier befindlichen Zellen des primären Entoderms lassen niemals eine Sonderung in Mesoderm und seeundäres Entoderm erkennen. Mit der weiteren Ausbildung des mittleren Keimblattes hat sich das primitive Entoderm gewissermassen in drei Theile gesondert: in das Mesoderm, in das seeundäre Entoderm und in die unter der Riickenmarksanlage befindlichen Zellen, welche noch das primäre Entoderm darstellen. Aus diesen Zellen geht die erste Anlage der Chorda dorsalis hervor. Sie bilden eine, etwa 6—S8 Zellen in der Breite habende, einfache Schicht, die der Längsriehtung der Embryo- nalanlage folgend unter dem als Medullarrohranlage beschriebenen Ectodermkiel sich befindet. _Nach oben grenzt diese Zellenlage an den medialen Theil des Eetoderm, nach den Seiten an das Mesoderm und das secundäre Entoderm Fig. 9 und sie selbst bildet die Decke der secundären Keimhöhle. Die Zellen dieser Chordaanlage selbst sind hoch und schmal mit grossem, deutlichen Kern, scharf ge- gen das Ectoderm und Mesoderm abgegrenzt. In der Umgebung dieser Zellschicht geht nun, wie man auf Querschnitten von nur um we- niges älteren Embryonen bemerken kann, eine Veränderung vor sich. Man kann leicht beobachten, dass die, beiderseits der in die Chorda- anlage eingehenden Zellen, befindlichen Zellen des secundären En- toderm eine schräge Richtung gegen das nach unten der Keimhöhle zugewandte Ende der ersterwähnten Zellen einnehmen. Der Beginn dieser Aenderung in der Zellgruppirung ist schon in Figur 9 zu sehen, besser, weil weiter vorgeschritten, zeigt Figur 10, diesen Vorgang. Hier sind schon Zellen des secundären Entoderm unter die nun die Chordaanlage bildenden Zeilen hingewuchert, doch nehmen die mittelsten 3.Zellen der Chordaanlage noch an der Bildung der Keimhöhle mit ihren nach unten gerichteten Enden Theil. Die die Chordaanlage bildenden Zellen werden mit der weiteren Entwicklung immer länger und schmäler, während die unter ihnen hinwuchernden Zellen des secundären Entoderm meist sehr klein sind und auf Schnitten eine quadratische Form zeigen (Fig. 11). Fassen wir diese Befunde zusammen, so ergibt sich die That- Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 259 sache, dass der unter der Medullarrohranlage befindliche Theil des primären Entoderm nicht in Mesoderm und seeundäres Entoderm zerfällt, dass aber diese Zellen von den Seiten her durch darunter Hinwuchern von Zellen des secundiiren Entoderms von der Keim- höhle abgeschnürt werden. An günstigen Querschnittsserien von Embryonen dieses Stadiums kann man o't die ganze Chordaentwicklung von der ersten Anlage bis zur vollendeten Abdrängung oder Abschnürung derselben dureh Zellen des secundiren Entoderms verfolgen. Immer sind die die Chordaanlage -bildenden Zellen scharf vom oberen, mittleren und seeundären unteren Keimblatt abgegrenzt. Auf Querschnittsbildern mit völlig abgeschnürter Chordaanlage sieht man, wie die Zellen derselben sich zu theilen beginnen und dabei sich concentrisch gegen einander gruppiren. Ich verweise hier auf die Figur 12. Die Zellen der Chordaanlage sind kleiner gewor- den und bilden nieht mehr wie früher eine einfache Lage, sondern erscheinen in mehrschichtiger Anordnung. Oft bemerkt man bei fast vollendeter Chordaanlage nur zwei ganz schmale Zellen unter derselben (Fig. 14), andererseits ist oft zu sehen, dass zu einer Zeit, wo unterhalb der Chordaanlage eine Schicht grosser Zellen des secundären Entoderms sich befindet, die Zellen der genannten Organanlage ungetheilt in der ursprüng- lichen Anordnung sich noch erhalten haben (z. B. Figur 11). Die Chordaanlage stellt also, nachdem sie durch das secundäre Entoderm von der Keimhöhle abgetrennt ist, einen unter der Medullarrohr- anlage befindlichen soliden Strang vor, dessen Zellen meist concen- trisch gegen die Längsaxe gerichtet sind. Dieses Stadium der Ent- wicklung der Chordaanlage trifft zeitlich mit der Abschnürung des Medullarrohres zusammen (Fig. 13). Mit dem Auftreten des Cen- traleanales in der Rückenmarksanlage beginnt die Schliessung des Darmrohres und man sieht auf Querschnitten, wie zwischen die Chordaanlage und das secundire Entoderm eine Schicht Mesoderm- zellen eingewuchert ist (Fig. 15). Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die Chorda dor- salis bei den Petromyzonten sich niehtaus dem Meso- derm, aber auch nicht aus dem seeundären Entoderm bildet, sondern dass sie sich aus dem noch nieht dureh Beitrag zur Bildung des Me- soderm differenzirt habenden Entoderm, dem deshalb als primitives Entoderm bezeichneten Keimblatte bildet. Ehe ich mich zum Vergleiche dieses Befundes mit den Angaben 260 E. Calberla der Autoren über die Bildungsweise der Chordaanlage bei anderen Wir- belthieren wende, muss ich noch Einiges über die Entwicklung der Chorda dorsalis bei den Batrachiern mittheilen. Mein Freund, Dr. MAx FÜRBRINGER, Prosector dahier, theilte mir während der Abfassung vorliegender Arbeit mit, dass er bei der Untersuchung von Froschembryo- nen Schnitte erhalten habe, die eine Abstammung der Chorda aus dem unteren Keimblatte vermuthen liessen. Angeregt durch diese Mittheilung und die Befunde meiner Untersuchung der Entwieklung dieser Or- gananlage bei Petromyzon, untersuchte ich Embryonen früher Sta- dien von Rana und Bombinator und es gelang mir eine Reihe von Schnittserien zu erhalten, die FÜRBRINGER’s Vermuthung absolut als. feststehende Thatsache erwiesen. Ich theile die Ergebnisse dieser Untersuchung im Folgenden mit '). Untersucht man Schnitte aus dem hintersten Theil eines Embryo von Rana von 1,3 Mm. Länge, der in seinem vorderen Theile die erste Anlage der Chorda erkennen lässt, so sieht man, dass im hin- tersten Theil des Embryo noch nicht einmal die Differenzirung in die drei Keimblätter erfolgt ist. | Unter dem mehrschichtigen Eetoderm finden sich die Zellen des noch nicht in Mesoderm und Entoderm differenzirten ursprünglichen unteren Keimblattes in mehrfacher Lage. Betrachtet man in dieser Serie Schnitt für Schnitt in der Rich- tung nach vorn fortschreitend, so bemerkt man wie die unter der Medullarrohranlage befindliche Zellenmasse sich seitlich abzugrenzen beginnt (Fig. 16). Auch auf Schnitten von Bombinator sind diese ersten Sonderungsvorgänge sehr deutlich zu sehen. Hier ist die an diesem Vorgange betheiligte Anzahl der Zellen geringer als bei Rana, und in Folge dessen wird die Differenzirung leichter wahrnehmbar (Fig. 214 21 B). Die seitliche Abgrenzung der genannten Zellenmassen wird beim Verfolgen der Schnittserie des oben erwähnten Embryo von Rana, weiter nach vorn zu, mit der nun infolge Theilung des Entoderm auftretenden Mesodermbildung immer deutlicher. Zu gleicher Zeit bemerkt man, dass diese Zellmasse continuirlich mit dem sich jetzt bildenden secundären Entoderm zusammenhängt. in dieses sich direct ') Als Material dienten mir Embryonen von Rana temporaria und Bombi- nator igneus; dieselben waren in 1°/) Chromsiiure durch 12—16 stündiges Ein- legen und nachherigem Aufbewahren in Alkohol von 90°/) gehärtet worden. Vor dem Einbetten und Schneiden wurden die Embryonen in ammoniakalischer Carminlésung gefärbt. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 261 fortsetzt. In Fig. 16 sehen wir unter dem mehrschichtigen Ectoderm das primäre Entoderm in dieker Schicht liegen. Man kann aber auf diesem Bilde, welches die getreue mit der Camera gezeichnete Co- pie eines Querschnittes von Rana gibt, die seitliche Abgrenzung der später in die Chordaanlage eingehender Zellen von dem in Bildung be- sriffenen Mesoderm beobachten. Ueber der Keimhöhle (4%) und seitlieh der in die Chordaanlage übergehenden Zellen trennt sich das primitive Entoderm in secundäres Entoderm (ers) und das Mesoderm (me). In Figur 17 findet man den in Figur 16 in seinen ersten Stadien dargestellten Differenzirungsprocess weiter fortgeschritten. Die Trennung des Eetoderms vom Mesoderm, und die des letztern vom secundiiren Entoderm und den später zur Bildung der Chorda- anlage verwendeten Zellen des primitiven Entoderms (exch) ist hier sehr deutlich zu sehen. Die erwähnte seitliche Abgrenzung wird immer schärfer, die ganze Erscheinung macht den Eindruck, als wenn das secundiire Entoderm gegen die Medullarrohranlage zu, ähnlich wie BALFOUR (1. e.) diesen Vorgang von Selachier-Embryonen abbildet, eingebuchtet sei. Hat man aber Schnitt für Schnitt betrachtet, so sieht man, dass diese von mir als Abtrennungsvorgang beschriebene Differenzirung keineswegs das Re- sultat einer Einbuchtung des seeundären Entoderms ist, sondern dass diese Zellenmasse den nicht in Mesoderm und secundäres Entoderm sich theilenden Rest des primitiven Entoderm repräsentirt, der mit dem seeundären Entoderm sich noch seitlich im Zusammenhange befindet. Diese Zellenmasse stellt, wie erwähnt, die Chordaanlage dar. Die sie zusammensetzenden Zellen beginnen jetzt, wie man auf Sehnitten, die aus dem weiter nach vorn gelegenen Theil des ge- nannten Embryo entnommen sind, wahrnehmen kann, sich regel- mässiger anzuordnen, was besonders die an das Meso- und Ecto-: derm anstossenden betrifft. Ich verweise hier auf Figur 18 und 20 (letztere ist von Bombinator). Auf den noch weiter nach vorn ge- legenen Querschnitten bemerkt man die Zellen des Mesoderm ver- mehrt und gegen die Stelle, wo die Chordaanlage mit dem secundären Entoderm zusammenhängt, vorgebuchtet. Durch diesen Vorgang wird die Chordaanlage vom secundären Entoderm abgeschnürt, in- dem zu gleicher Zeit letzteres unter der Chordaanlage hinwächst und so deren allseitige Isolirung bewirkt. Die Zellen der Chorda- anlage ordnen sich jetzt concentrisch gegeneinander und damit ist die Chordaanlage in ein ferneres Stadium der Sonderung eingetreten. Diesen letztangeführten Befund erläutert Figur 19. Hier ist die er- 262 E. Calberla wähnte Organanlage von Mesoderm und secundiirem Entoderm scharf gesondert, und letzteres bildet in continuirlicher Schieht die Grenze der Embryonalanlage gegen die Keimhöhle. Auf Querschnitten, welche den Abschluss der Chordabildung zeigen, bemerkt man, dass auch das Medullarrohr sich geschlossen hat (Fig. 19 nd), so dass also auch bei den Batrachiern für die Chorda und die Medullarrohrbildung, ganz wie dies schon bei der Entwicklung von Petromyzon beschrieben wurde, ein zeitlicher Pa- rallelismus der Entwieklung wahrzunehmen ist. In beiden Batrachiergattungen nimmt also die Chorda ihre Entstehung aus dem sich nicht in Mesoderm und seeundäres Entoderm differenzirenden Theil des primi- tiven inneren Keimblattes. Ich fasse diese Befunde zusammen und vergleiche sie mit den hierher bezüglichen Angaben anderer Autoren. Was zunächst BAL- FOUR betrifft, so scheinen dessen Abbildungen selbst in seiner aus- führlichen Arbeit (l. e.) etwas schematisch gehalten, so dass man sie schwer in anderer Weise als er es thut interpretiren kann. Allein die ausführliche Beschreibung der Vorgänge spricht mehr für die von mir vorgebrachte Ansicht, dass die Chorda sieh nieht aus dem primitiven Entoderm bilde. Es wird nämlich eine mediale Ver- bindung des Ectoderm mit dem primitiven Entoderm zu einer Zeit angeführt '), wo das seitlich dieser Verbindung befindliche urspriing- liche untere Keimblatt ‘primitives Entoderm) sich in Mesoderm (Me- soblast) und secundäres Entoderm (Hypoblast) spaltet. Daraus geht mit Evidenz hervor, dass der nicht in Mesoderm und secundäres Entoderm zerfallende, medial mit dem Ectoderm in Berührung sich befindende Theil des ursprünglichen unteren Keimblattes, aus wel- chem BALFOUR die Chorda hervorgehen lässt, nicht dem secundären Entoderm (seinem Hypoblast) gleichwerthig sein kann. Allerdings lässt er die gegen das Ectoderm vorgebuchteten Zellen des Entoderm sich theilen und die obere Schicht die Chordaanlage bilden. Die ') BALFOUR sagt (Nr. 1 l.c¢) pag. 341 >that beneath the medullary groove the epiblast and hypoblast were not separated by any interposed mesoblast«. Und dann auf pag. 342, nachdem er angeführt, dass die Chorda »a true hypo- blastic Structures ist, sagt er: »That the notochord becomes separated from the hypoblast after the latter has acquired its typical structure, and differs in that respect from the two lateral sheets af mesoblast, which are formed coincidently with the hypoblast by a homogeneous mass af cells becoming differentiated into two distinct lagers. « Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 9263 untere Schicht bildet gemeinsam mit den seitlich davon gelegenen Zellen des Hypoblast, des seeundären Entoderms, die Grenze der Embryonalanlage gegen die Dottermasse. In Berücksichtigung des zuletzt angeführten muss ich jedoch zugeben, dass eine gewisse Dif- ferenz der von. BALFOUR festgestellten Thatsachen mit meinen Be- funden bei Petromyzon und den Batrachiern bestehen bleibt und dass ich nieht vermag jene Angaben ohne weiteres mit meinen Befunden in Einklang zu bringen. Dasselbe gilt von den von Hensen !) (I. ©.) bei dessen Beschreibung der Entwicklung des Kaninchens ausge- sprochenen Ansichten. Mit den Angaben anderer Autoren, wie Remax, KÖLLIKER, GOrre u. A. bezüglich der Chordabildung bei den Batrachiern und Vögeln, und denselben von ÖELLACHER, RADWANER und SCHULTZ bei Beschreibung der Entwicklung der Bachforelle und des Torpedo, stehen meine Befunde bei Petromyzon und den Batrachiern in direc- tem Widerspruch, indem ich bei diesen Thieren eine Entstehung des genannten Organes aus dem primitiven unteren Keimblatte consta- tiren konnte. Was speciell GörrE’s?) durch eine Anzahl Figuren auf Tafel III, IV und V |. e.) illustrirte Angaben betrifft, so muss ich.hier be- merken, dass aus jenen zwar sehr schön ausgeführten, jedoch mehr oder minder schematisch gehaltenen Zeichnungen keinesfalls eine genaue Wiedergabe des realen Befundes bei Bombinator zu entneh- men ist, in welcher Beziehung ich die bezüglichen Figuren GÖTTE’s (Figur 58, 61, 62 auf Taf. III, Figur 67, 68, 74, 75 auf Taf. IV und Figur 83, 85, 86, 87, 93, 94 und 95 auf Taf. V) mit den von ö !) HENSEN sagt l. ce pag. 366: »Ein weiteres Stadium dürfte die dem Ka- ninchen entnommene Figur 45.4 sein, wo in der Mittellinie durch Wucherung und theilweise Einbuchtung des Hypoblast die Chorda schon deutlich angekiin- digt wird.« 2) GÖTTE sagt auf pag. 156 der Entwicklungsgesch. d. Unke: »Die bezeich- nete Zellansammlung im mittleren Keimblatte beginnt schon zur Zeit, wann die spaltformige Darmhöhle eben sich zu erweitern anfängt, und erscheint zuerst in der hinteren Hälfte des Riickens als eine leichte mediane Verdickung, welche, aus der später sehr deulich werdenden Bewegung zu schliessen, durch den Zusammenstoss der von beiden Seiten andrängenden Zellen entstand. Diese erste Bildung innerhalb der Keimblätter, der Axenstrang verstreicht nach vorn hin unmerklich und verliert sich hinten ebenso in der im Randwulst enthaltenen Verdickung des mittlern Keimblattes ;« ete. — Und weiter unten auf derselben Seite : »Sobald endlich der Axenstrang sich als Anlage der Wirbelsaite von den lateral- wärts abfallenden Seitentheilen oder den Segmentplatten gesondert hat ,« ete. (Taf. III Fig. 57, 58).« 264 E. Calberla mir gegebenen Bildern in Vergleichung zu ziehen bitten möchte. Insofern die von GörtE abgebildeten Objeete die Grundlage seiner Beschreibungen abgeben, wird begreiflich, dass die letztere von der meinigen wesentlich abweichen muss. Es scheint mir wichtig an diesem Orte noch hervorzuheben, dass gerade diese beiden in der Richtung auf die Chordabildung unter- suchten Thiere, bei welchen ich den gleichen Bildungsmodus für die- ses Organ finden konnte, auch in der Art und Weise der Furehung und der ersten Entwicklung der Embryonalanlage viel Gemeinsames zeigen. Zum Schluss sei es mir gestattet, die bei der Untersuchung der Entwieklung des Medullarrohres und der Chorda dorsa- lis von Petromyzon PI]. erhaltenen Resultate zusammenzufassen. »Es ergibt sich, dass hier in einem gewissen Entwicklungsstadium zwei Keimblätter bestehen, ein oberes nnd ein unteres, die ich beide als die ursprünglichen oder primitiven Keimblätter bezeichne. Das primitive obere Keimblatt theilt sich im Verlaufe der Wei- terentwicklung an einer Stelle in 2 oder mehr Zellenlagen, die sich bald in zwei Schichten sondern, beide in die Anlage des Me- dullarrohres übergehend. Nach der Vollendung dieser Organanlage bildet der noch nicht in zwei Schichten differenzirte Theil des primitiven Eetoderm eine Ueberkleidung des ganzen Embryo und geht erst viel später, wenn der Letztere zur frei schwimmenden Larve geworden ist, in ein mehrschichtiges Epithellager über. Aus einem Theil des unteren primitiven Keimblattes entwickelt sich ohne weitere Differenzirung die Anlage der Chorda dorsalis und der übrige Theil desselben zerfällt unter Zelltheilung in das Mesoderm und das secundäre Entoderm. Wir haben also bei Petromyzon zwei primitive Keimblätter, von denen das eine, das obere, in zwei Schichten (Horn- und Hautsinnes- blatt im Sinne Remar’s) und das andere, das untere, in das Meso- derm, Entoderm (secundäres) und die Chordaanlage sich sondert. Diese Befunde stehen mit Ausnahme der Chordabildung in kei- nem Gegensatze zu den gleichen von den höheren Wirbelthieren bekannten Entwicklungsvorgiingen. Auch die von BaLrour und Ko- WALEWSKY bei der Selachier- und Amphioxusentwicklung festge- stellten Thatsachen schliessen sich direet an sie an. Was aber das die Chordabildung bei Petromyzon betreffende Eigenthümliche an- geht, so ist hierbei zu berücksichtigen, dass die daran betheiligte Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 265 Strecke des Entoderm eben das primäre Entoderm ist, welches ebenso auch bei der Bildung des Mesoderm thätig erscheint. Es ist kein ausschliesslich in Epithelialgebilde übergehendes Keimblatt, nicht das »Darmdrüsenblatt«, aus dem die Entstehung eines Skelet- gebildes nachgewiesen würde, sondern dieselbe primäre Schicht, die auch sonst noch, indem sie dem mittleren Keimblatt seine Entste- hung gibt, die Anlage von Skeletbildungen hervorgehen lässt. Da- mit löst sich das Auffallende und Befremdende von einer Erschei- nung ab, welche bei nieht genügender Berücksichtigung dieser Ver- hältnisse wohl geeignet sein könnte, die Thatsachen der Entwick- lungsgeschichte mehr als verwirrend, denn als aufklärend beurtheilen zu lassen. « Vorliegende Untersuchungen wurden im anatomischen Institute zu Heidelberg angestellt und sage ich dem Director desselben, Herrn Professor GEGENBAUR, für die eingehende Unterstützung, die er mir während des Verlaufes und bei dem Abschlusse meiner Untersuchung hat zu Theil werden lassen, an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank. Heidelberg, Ende September 1876. Nachträgliche Bemerkungen hierzu. Bei Abfassung obiger Arbeit war ich, da mir weder Fo- rellen- noch Lachsembryonen zur Verfügung standen, gezwungen, die von OELLACHER'!) gegebenen Abbildungen zu deuten und mit den von mir an den Embryonalanlagen der Lophobranchier und der Petromyzonten gefundenen Thatsachen in Einklang zu bringen. Im Laufe dieses Winters war es mir jedoch möglich Lachs- und Forellenembryonen der betreffenden Stadien zu verschaffen und zu untersuchen. Ich brauche mich daher nicht mehr auf Deutungen der von OELLACHER gegebenen Bilder zu beschränken, sondern kann gestützt auf eigene Untersuchung die früher bei der Entwicklung des Medul- larrohres der Lophobranchier ermittelten Thatsachen mit der Ent- I) ÖELLACHER, Dr. J. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- fische nach Beobachtungen am Bachforellenei III. —V. Capitel. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Bd. XXIII. 1873 pag. I u. ff. 266 E. Calberla, Zur Entwicklung des Medullarrohres ete. wicklung des nämlichen Organes bei dem Bachforellen- und Lachs- embryo vergleichen. Stets geht auch bei diesen Fischen die die Rückenfurche aus- kleidende äussere Schicht des Eetoderm in die Anlage des Medul- larrohres ein, indem durch die Vermehrung der lateral der Rücken- furche befindlichen Zellen der inneren Schicht des Eetoderm die die Rückenfurche begrenzenden Zellen gegeneinander und zugleich wei- ter ins Innere der vorerst soliden Anlage des Medullarrohres ge- drängt werden. Nach der Abschnürung der soliden Medullarrohr- anlage vom Eetoderm durch das inzwischen bedeutend verdickte Mesoderm, befinden sich die von der äusseren Schicht des Eetoderm abstammenden Zellen, die also früher zum Theil die Auskleidung der Rückenfurche bildeten, in zwei Schichten im Innern der Medul- larrohranlage aneinandergelagert. Im weiteren Verlaufe der Ent- wieklung weichen diese zwei Zellschichten von einander und das so entstehende Lumen stellt die Anlage des Medullarcanales dar. Die Beobachtung der Lachs- und Bachforellenembryonen ergab ferner, dass auch bei diesen Repräsentanten der Teleostier die Chorda dorsalis!) zweifellos aus Elementen des primären Entoderms ent- steht, eine Thatsache, die sich an den von Lophobranchierembryonen erhaltenen Querschnittsbildern nieht mit völliger Sicherheit nachwei- sen liess Die nur in ganz untergeordneten Puncten von der bei den Pe- tromyzonten gefundenen Bildungsweise abweichende Entwickelung der Chordaanlage der Lachs- und Bachforellenembryonen behalte ich mir vor an einem andern Orte ausführlich zu beschreiben. Auch bei der Untersuchung der Lachs- und Forellenembryonen ergab sich, dass das Mesoderm aus dem primären Entoderm und zwar gleichzeitig mit der Anlage der Chorda dorsalis entsteht. Es ergibt sich alsg, dass die Entwicklungsweise des Medullar- rohres und der Chorda dorsalis bei Teleostiern und Petromyzonten keine wesentlichen Unterschiede darbietet. ') Vergl. Dr. JOSEF RADWANER. Ueber die erste Anlage der Chorda dor- salis. Aus dem LXXIII. Bd. der Wiener Sitzungsberichte 6. April 1876 p. 1 u. ff. (Nach Untersuchungen am Bachforellenembryo.) Heidelberg, den 7. März 1877. In Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Erklärung der Abbildungen. Tafel XII. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Syngnathus acus. Beginn der Rückenfurchenbildung. ee, äussere Schicht des Ectoderm, em, Zellen die von der äussern Schicht des Eetoderm abstammen, en, Entoderm, ec. Ectoderm, innere und äussere Schicht, me, Mesoderm, Ke, von der Embryonalanlage in den Dotter »Do« ausgewanderte Zel- len, die sich lebhaft mit Carmin färben. Vergrösserung : 400. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Syngnathus ac. Erste Anlage des Medullarrohres. Die von der äussern Schicht des Ectoderm abstammende Zellschicht reicht bis nahe an das untere Ende des kielförmigen Ectoderms herab. Bezeichnung wie in Figur 1. Vergrösserung : 400. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Syngnath. ac. Die Riickenfurche ist noch deutlich siehtbar. Die Chordaanlage ist vollendet. Bezeichnung wie in Figur |. ch, Chordaanlage, mr, Medullar- (Riicken-)rinne. Vergrösserung: 400. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Syngnath. ac., deren primitive Gehirnabtheilungen völlig ausgebildet sind. Die Rückenfurche ist im Verschwinden. Die Medullarrohranlage wird durch das seitlich derselben befindliche Mesoderm von der Oberfläche abgeschnürt. Bezeichnung wie in Fig. 1 u. 3. Vergrösserung: 400. Querschnitt aus der Mitte einer wulstförmig über die Eioberfläche er- hobenen Embryonalanlage von Syngn. ac. Diese Figur zeigt die solide Medullarrohranlage von dem Eetoderm abgeschnürt. Im Innern derselben sind die zwei von der äusseren Schicht des Ectoderm abstammenden Zellenreihen zu sehen. Bezeichnung wie in Fig. 1, 3 u. 4. Vergrösserung: 400. Morpholog. Jahrbuch. 3. 18 Fig. 8. Fig. 10. E. Calberla Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage mit angelegter Pleu- roperitonealhöhle von Syngnath. ac. Das Darmrohr (Da) ist geschlossen und das Lumen des Medullar- rohres (Zw) ist in Bildung begriffen. Bezeichnung wie in Fig. 1, 3 u. 4. Pi, Pleuroperitonealhöhle. Vergrösserung: 400. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon Planeri vom siebenten Tage nach geschehener Befruchtung. Ueber der secundiiren Keimhöhle ist das primitive Ecto- wie Entoderm noch durch eine einfache Zellschieht gebildet. Lateral dieser Stelle ist das primitive Entoderm schon in Mesoderm und secundäres Entoderm ge- sondert. Dt, Dotterhaut, ec, primitives Ectoderm, en, primitives Entoderm, me, Mesoderm, ens, secundäres Entoderm, Ke, secundäre Keimhöhle, Do, Im Innern des Eies befindliche Furchungselemente, die als Nah- rungsmaterial für den sich entwickelnden Embryo dienen. Vergrösserung: 144. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon Planeri (achter Tag). Im Bereiche der Rückenfurche beginnt das Eeto- derm sich in zwei Zellschichten zu sondern. Die unter der Mitte der Rückenfurche befindlichen Zellen des primitiven Entoderm, die in die Chordaanlage eingehen, sind deutlich zu erkennen. Die Mesoderm- bildung ist weiter fortgeschritten. Die Dotterhaut ist (wohl infolge der Anwendung von Härtungsflüssigkeiten) zum Theil von der Em- bryonalanlage abgehoben. Bezeichnung wie in Figur 7. et, äussere Schicht des Eetoderm. Ru, Rückenfurche. Vergrösserung: 144. Querschnitt aus dem vorderen Drittel einer Embryonalanlage von Pe- tromyzon Pl., derselben von welcher ein Querschnitt in Figur 8 ab- gebildet ist. Diese Figur zeigt die weitere Differenzirung des Ecto- derm im Bereiche der Rückenfurche. Bezeichnung wie in Figur 7 u. 8. Vergrösserung : 144. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon Pl. (neunter Tag). Die Anlage des Medullarrohres stellt sich als ein solides Zellendreieck dar. Man erkennt in seiner Mitte zwei Zellen- reihen, die continuirlich in die äussere Schicht des Ectoderm über- gehen. et, diese ebengenannten zwei Zellreihen. Die die Chorda- anlage (ch) bildenden Zellen werden durch die von der Seite her- wuchernden Zellen des secundären Entoderm abgeschnürt. Bezeichnung wie in Figur 7 u. 8. Vergrösserung: 144. Zur Entwicklung des Medullarrohres und der Chorda dorsalis ete. 269 Fig. 11. Querschnitt aus dem hinteren Drittel einer Embryonalanlage von Pe- tromyzon Pl. (zehnter Tag). An der Medullarrohranlage ist keine wesentliche Veränderung vor sich gegangen. Dagegen ist die Chorda- anlage völlig durch die Zellen des secundären Entoderm von der se- cundiiren Keimhöhle abgeschnürt worden. Die lateral des Medullar- rohres und der Chordaanlage befindlichen Zellen des Mesoderm grup- piren sich concentrisch gegen einander. So entsteht die Urwirbel- anlage (ur). Bezeichnung wie in Figur 7, 8 und 10. Vergrösserung : 144. Fig. 12. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon Pl., derselben, von welcher ein Querschnitt aus dem hinteren Drittel in Figur 11 abgebildet wurde. Die Medullarrohranlage (md) wird durch die sehr vermehrten Zellen des Mesoderm von der Verbindung mit dem Eetoderm abgeschniirt. Bezeichnung wie in Figur 7, 8, 10, 11 und 12. Vergrösserung: 144. Fig. 13. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon PI. (elfter Tag). Die Medullarrohranlage ist jetzt scharf vom Eetoderm gesondert. Die die Chordaanlage bildenden Zellen gruppiren sich concentrisch gegen einander. Bezeichnung wie in Figur 7, 8, 10 und 11. Vergrösserung: 144. Fig. 14. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon PI. (zwölfter Tag). Die Sonderung des Medullarrohres und der Chorda- anlage ist noch eine schirfere. Die Urwirbelanlage ist deutlich zu erkennen. Im Innern der soliden Anlage des Medullarrohres beginnen die dort befindlichen zwei Zellreihen (et) auseinander zu weichen (Be- ginn der Medullarcanalbildung). Bezeichnung wie in Figur 7—12. Vergrösserung: 144. Fig. 15. Querschnitt aus der Mitte einer Embryonalanlage von Petromyzon PI. (vierzehnter Tag). Die Anlage des Medullarrohres sammt dem Me- dullarcanal (mde) sowie die der Chordaanlage ist vollendet. Zwischen Chordaanlage und dem sich bildenden Darmrohr sind schon Zellen des Mesoderm getreten. Bezeichnung wie in Figur 7—12. Da, Darmrohranlage. Vergrösserung: 144. Tafel XIII. Die Figuren 16 bis mit 19 sind Abbildungen von Querschnitten einer 1,5 Millimeter langen Embryonalanlage von Rana temporaria. Zwischen Figur 16 und 17 befinden sich zwei, zwischen Figur 17 und 18 dreizehn, zwischen Figur 15 und 19 sechzehn Schnitte. Figur 16 war der fünfzehnte Schnitt. Die ganze Embryonalanlage war in achtundsechzig Schnitte zerlegt worden. Fig. 16. Man sieht wie unter der Rückenfurche im Bereiche des primären En- toderms eine Sonderung vor sich geht, indem die dort befindlichen 18* 270 E. Calberla, Zur Entwicklung des Medullarrohres ete. Zellen, die sich zur Chordaanlage umbilden, seitlich vom sich bilden- den Mesoderm sondern. ec äussere Schicht des Ectoderm, et innere Schicht des Ectoderm, en primitives Entoderm, welches sich in die Chordaanlage umbildet, ens seeundäres Entoderm, me Mesoderm, Rückenfurche, K (seeundäre) Keimhöhle. Vergrösserung: 180. Fig. 17. Die in Figur 16 in ihrem ersten Stadium abgebildete Sonderung ist weiter vor sich gegangen. Bezeichnung wie in Figur 16. ch Chordaanlage. Vergrösserung : 180. Fig. 18. Die Chordaanlage wird durch das verdickte Mesoderm vom secundä- ren Entoderm abgeschnürt. Bezeichnung wie in Figur 16 u. 17. Vergrösserung: 180. Fig. 19. Die Medullarrohranlage, sowie die Anlage der Chorda ist vollendet. Letz- tere ist scharf gegen das Mesoderm und das dieselbe gegen die secundiire Keimhöhle abgrenzende secundäre Entoderm geschieden. Bezeichnung wie in Figur 16 und 17. Vergrösserung: 180. Fig. 20. Querschnitt aus der Mitte einer 1,2 Mm. langen Embryonalanlage von Bombinator igneus. Die Chordaanlage ist noch mit den Zellen des secundären Entoderms verbunden. Bezeichnung wie in Figur 16 und 17. mdw Medullar- (Rücken-)wülste. Vergrösserung: 180. Fig. 21, 4, DB, €. Es stellen dieselben Abbildungen dreier aufeinander fol- gender Querschnitte aus der Mitte einer 1,2 Mm. langen Embryonalanlage von Bombinator igneus dar. In Fig. 214 ist nur eine Andeutung der beginnenden Sonderung der Chorda- anlage von den Zellen des primitiven Entoderms zu erkennen. In Fig. 21 B ist diese Sonderung schärfer erkennbar und Fig. 21 C zeigt die schon vollendete Sonderung der Chordaanlage von dem sich unterdessen gebildeten Mesoderm (vergl. Fig. 20). Bezeichnung wie in Figur 16 und 17. Vergrösserung: 9. > Sämmtliche Figuren sind mit der OBERHAUSER’schen Camera gezeichnet worden. Morphol. Jahrbuch Ba, iil. Tit Aust Bd Parke op, ra . We WINE, = 4 a jez B Morphol. Jahrbuch Ball. N 1 Taf XM. “on Ti 2 (a) x Oo oEnDi Pa | Tee 8 Ka MIA: ie /0 2250) ral O1 B10 Ho PAclraito peer snes Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Kies. Von Dr. Oscar Hertwig. Ein Winteraufenthalt am Mittelmeere veranlasste mich meine Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge in der Eizelle auf eine grössere Anzahl von Thierarten auszudehnen. Es waren hauptsächlich zwei Puncte über die ich weitere Aufklärung zu erhalten wünschte , einmal die Umbildung des Keimbläschens und zweitens die Verbreitung der Riehtungskörper im Thierreich. Das lebhafte Inter- esse, welches diesen Fragen in der Neuzeit zu Theil geworden ist, bestimmt mich meine Ergebnisse in Kürze vorläufig mitzutheilen. Für das Studium der Umwandlung des Keimbläschens ist Aste- racanthion, wie zuerst GREEFF und VAN BENEDEN gezeigt haben, ein sehr geeignetes Objeet. Denn es verlieren hier die der Reife nahen Eier, kurze Zeit nachdem sie aus den Ovarien in das Meerwasser entleert worden sind, ihr Keimbläschen, welches fast ganz an die Oberfläche gerückt ist. Die hierbei eintretenden Veränderungen lassen sich am lebenden Ei unter dem Mikroskop Schritt für Schritt ver- folgen und durch Anwendung von Reagentien weiter sicher stellen. Das erste Anzeichen der beginnenden Umwandlung ist ein Pro- toplasmahöcker, welcher, etwa eine viertel Stunde nach Ablage des Eies, in das Innere des Keimbläschens an dem der Eiperipherie zu- gewandten Pol desselben eindringt. Der Höcker zeigt in seiner Spitze eine kleine von Dotterkörnehen freie Stelle. Hieran schliessen sich weiterhin bald Veränderungen am Keimfleck, die darin beste- hen, dass die in seinem Innern bisher zahlreich vorhandenen kleinen Vacuolen verschwinden und in seiner Mitte oder mehr der Periphe- rie genähert eine grössere Vacuole erscheint, die fast ganz von einem 272 0. Hertwig kugligen, aus Kernsubstanz bestehenden Körper erfüllt wird. Die Substanz des kugligen in der Vacuole eingebetteten Körpers und die übrige Substanz des Nucleolus, welche die Wandung der Vacuole bildet, zeigen sowohl im frischen Zustande, als auch bei Anwendung von Reagentien einige Verschiedenheiten. Erstere ist im frischen Zustande weniger lichtbrechend, gegen Säuren besitzt sie mehr Re- sistenz, bei Osmium-Carminbehandlung färbt sie sich rascher und stärker als die andere Substanz; dagegen ist diese im frischen Zu- stand stärker lichtbrechend , in Osmiumsiiure gerinnt sie fettartig glänzend, in Essigsäure und ammoniakalischer Carminlösung ist sie stärker und leichter quellbar. Für diese Zusammensetzung des Keimflecks aus zwei Substan- zen, welche auf dem beschriebenen Entwicklungsstadium deutlicher hervortritt, aber auch schon im unreifen Ei nachweisbar ist, glaube ich eine weitere, wenn nicht eine allgemeine Verbreitung annehmen zu können. Denn in gleicher Weise wie bei Asteracanthion habe ich sie bei Sphaerechinus brevispinosus, bei Ascidia intestinalis, bei eini- gen Coelenteraten und verschiedenen Mollusken beobachtet. Na- mentlich bei letzteren ist dies Verhältnis am leichtesten erkennbar und ist daher schon von verschiedenen Seiten beobachtet und beschrie- ben worden. Die beiden im Keimfleck enthaltenen Substanzen er- innern an die gegen Reagentien in ähnlicher Weise differenten Be- standtheile des Kerns und Nebenkerns der Infusorien.. An das bei Asteracanthion soeben beschriebene Entwicklungs- stadium schliesst sich rasch ein neues an. Denn schon nach etwa fünf weiteren Minuten tritt in dem oben genannten Protoplasmahöcker, welchem der Keimfleck näher gerückt ist, eine kleine Strahlenfigur auf und kurze Zeit erscheint neben derselben eine zweite. Während die Doppelstrahlung successive deutlicher und grösser wird, erleidet der Keimfleck eine Volumsabnahme, die zu seinem vollständigen Schwunde etwa eine Stunde nach der Ablage des Eies führt. Gleich- zeitig schrumpft das Keimbläschen indem von allen Seiten das um- gebende Protoplasma gegen sein Centrum vordringt. Seine Mem- bran löst sich auf und sein Kernsaft mischt sich mit dem Protoplasma der Umgebung. Zweckmissige Behandlung der Eier mit Reagentien (Osmium- säure sowohl als 2°/, Essigsäure) gibt weitere wichtige Aufschliisse über die einzelnen Vorgänge. Es lässt sich so ein rasch vorübergehen- des Stadium fixiren, wo das in der Vacuole des Nucleolus gelegene Kiigelchen zu einem langen Stäbchen ausgezogen ist, welches mit Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung ete. 273 seinem freien Ende in den Protoplasmahöcker ragt und den Mittel- punct der hier im frischen Zustand leicht wahrnehmbaren Strahlen- figur bildet. Auch die andere Substanz des Nucleolus, aus welcher die Wand der Vacuole besteht, zeigt Veränderungen, indem ihre Oberfläche höckrig wird, wie bei einem in amöboider Bewegung begriffenen Körper. Oft sah ich sie scheidenartig das Stäbchen eine grosse Strecke bekleiden. Hieran schliessen sich Bilder, wo an dem freien Ende des Stäbehens sich Kérnchen vorfinden, die sich offenbar von demselben abgelöst ha- ben und in einen Kreis angesammelt sind. In anderen Präparaten ist das Stäbchen aus der Vacuole des Keimflecks ganz verschwunden. Für weiter vorgeschrittene Stadien erhält man die besten Prä- parate bei Behandlung der Eier mit 2°/, Essigsäure. Hierdurch wird das im frischen Zustand beobachtete Bild zweier neben einander liegender Strahlenfiguren vervollständigt, indem man zwischen densel- ben einen spindelförmig beschaffenen feinfasrigen Körper erkennt. In einiger Entfernung von demselben sieht man noch in der körmig geronnenen Grundsubstanz des Keimbläschens einen Rest des Keim- flecks und erhält somit hier einen ähnlichen Befund, wie ich ihn schon von den Hirudineeneiern beschrieben habe, wo ein spindel- förmiger feinfasriger und ein homogener kugliger Kerntheil nebenein- ander in der Eizelle existiren. Der Rest des Keimflecks nimmt nur in demselben Maasse, als der spindelförmige Körper grösser und deutlicher wird, an Grösse beständig ab und endlich ist auf keine Weise ein Theil desselben mehr darstellbar. Gleichzeitig verändern die beiden Strahlenfiguren mit der zwischen ihnen liegenden Spindel den Ort, rücken gegen die Oberfläche des Eies und kommen hier in einen Eiradius zu liegen. Wenn ich die geschilderten Befunde deuten soll, so scheint mir ein unverkennbarer Zusammenhang zwischen dem Auftreten der bei- den Strahlensysteme und der Umbildung des Keimflecks der Art zu bestehen, dass bei der Auflösung des Keimbläschens die Kernsub- stanz in das Protoplasma überwandert und an dem Orte, wo sie sich zu dem spindelförmig differenzirten Kern ansammelt, erst ein und dann das zweite Strahlensystem hervorruft. In erster Linie ist bei dieser Umlagerung der activen Kerntheile der in der Vacuole des Keimflecks eingeschlossene kuglige Körper betheiligt. Aber auch von der einhüllenden Kernsubstanz gehen offenbar Theile, wenn nicht Alles, in das neue Kerngebilde mit über. Die Bildung der Richtungskörper tritt bei Asteracanthion in der 274 O. Hertwig zweiten Stunde nach der Ablage der Eier ein, sie verläuft genau ebenso, wie ich es von Nephelis vulg. beschrieben habe, und ist etwa nach Ablauf einer Stunde beendet. Es beginnt jetzt aus der im Ei verbliebenen Hälfte der zweiten Richtungsspindel der Ei- kern sich hervorzubilden. Wie am lebenden Object leicht wahrzu- nehmen ist, erscheint unter den Richtungskörpern in der Eirinde eine Anzahl kleiner Vacuolen, welche nach dem Eicentrum zu mit einem immer deutlicher werdenden Strahlensystem umgeben sind. Die Vacnolen vergrössern sich und verschmelzen allmälig, indem sie nach dem Centrum rücken, zu einer einzigen Vacuole, in welcher sich nach einiger Zeit ein deutlicher Nucleolus ausscheidet. Eine parthenogenetische Entwicklung der Seesterneier, wie sie von GREEFF in kaum anzuzweifelnder Weise beschrieben worden ist, gelang mir trotz vielfältig variirter Versuche nicht zu beobachten. Dagegen ' stiess ich bei Vornahme der künstlichen Befruchtung auf keine Schwierigkeiten, indem ich aus allen Eiern, welche ihr Keim- bläschen verloren hatten, auch Flimmerlarven züchten konnte. In einigen Fällen nahm ich die Befruchtung eine Stunde, in anderen wiederum vier Stunden nach Ablage der Eier vor und stellte hierbei einige nicht uninteressante Verschiedenheiten fest. In über- einstimmender Weise zieht sich einige Zeit nach Zusatz des Sperma der Dotter von der Eihaut ziemlich weit zurück und in der Rinde des Eies erscheint an dem den Richtungskörpern entgegengesetzten Pol ganz wie bei Toxopneustes lividus eine von Strahlung umgebene körnchenfreie Stelle. Wenn die Eier nach einer Stunde befruchtet wurden, so blieb die Strahlung, welche langsam nach dem Eicentrum wandert, sehr schwach, so lange als die Abschnürung der Richtungs- körper noch nieht vollendet ist. Das Plasma, von den Theilungs- vorgängen an dem Richtungspol beherrscht, reagirt offenbar in ge- ringerem Maasse auf den vom Spe»mmakern ausgeübten Reiz. Sowie indessen der zweite Riehtungskörper hervorgeknospt ist und der Ei- kern sich bildet, nimmt unter dem Auge des Beobachters die den Spermakern einhüllende Strahlung an Ausdehnung und Schärfe rasch zu und es wird jetzt in ihrer Mitte eine Vacuole bemerkbar, die sich, wie der Eikern, mit Kernsaft noch weiter imbibirt. Ei- und Spermakern erreichen, indem sie aufeinander zu wandern, dieselbe Grösse und wandeln sich mit einander verschmelzend zur Theilungs- spindel um. Etwas abweichend gestalten sich die Erscheinungen im zweiten Fall, wenn die Befruchtung erst nach vier Stunden vorgenommen Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung ete. 275 wird. Hier bleibt der Spermakern von geringer Grösse und legt sich als kleiner Körper dem Eikern an, der schon einen beträcht- lichen Umfang erreicht hatte. Im ersten Fall verläuft die Befruchtung wie bei den Hirudi- neen, Mollusken, Nematoden ete., wo die Eier schon zur Zeit der Hervorknospung der Richtungskörper befruchtet werden. Der zweite Fall schliesst sich an die Verhältnisse bei Toxopneustes liv. an, .wo zwischen der Befruchtung und der Bildung der Richtungskérper und des Eikerns ein grösseres Zeitintervall liegt. Das verschiedene Verhal- ten, welches die copulirenden Kerne bei verschiedenen Thieren zeigen, wird somit bedingt durch die Verschiedenheit des Zeitpuncts, in welchem die Befruchtung eintritt, und lässt sich dies bei Asteracan- thion experimentell feststellen. Wenn die Eier mehr als fünf Stunden unbefruchtet im Seewas- ser gelegen haben, so werden durch den Zusatz von Sperma eine Reihe pathologischer Erscheinungen hervorgerufen. Bei der Befruch- tung zieht sich das Eiplasma , dessen Lebensenergieen zwar noch nicht erloschen, aber offenbar herabgesetzt sind, von der Dotterhaut nur schwach zurück, und man beobachtet in der Eioberfläche anstatt eines Strahlensystems deren zahlreiche. Bei Behandlung mit Osmium- Carmin ist in jeder Strahlung ein kleines rothgefärbtes Kernchen nachweisbar. Aus diesen Befunden schliesse ich, dass in nicht mehr lebenskräftige Eier mehr als ein Spermatozoon eindringt. Eine normale Entwicklung kommt dann nicht mehr zu Stande. Aehn- liches geschah auch bei Eiern, die ihr Keimbläschen noch nicht ver- loren hatten und mit Sperma in Berührung kamen. . Die bei Asteracanthion erhaltenen Ergebnisse veranlassten mich, die Umwandlung des Eierstockseies bei den Seeigeln noch einmal zu untersuchen. Auch jetzt glückte es mir nicht weder an abge- legten Eiern eine Spur von Richtungskörpern zu entdecken, noch bei Zerzupfung des Ovariums und Durchmusterung zahlreicher Prä- parate zwischen unreifen und reifen Eiern Entwicklungszustinde wie bei Asteracanthion aufzufinden. Ich stellte daher den Versuch an, ob nicht vielleicht auch bei den Seeigeln der Reife nahe stehende Eier sich weiter entwickeln, wenn sie in das Meerwasser gebracht werden. Ich legte Ovarienstücke in ein Uhrschälchen und durch- musterte bei schwacher Vergrösserung nach einiger Zeit von den ausgetretenen Eiern diejenigen, welche noch ein Keimbläschen be- sassen. Der Versuch glückte. Bei einer Anzahl von Eiern trat in der That eine Weiterentwicklung ein. Indem ich nun solche Objecte 276 O. Hertwig isolirte, wurde es mir möglich, bei Sphaerechinus brevispinosus sowohl am lebenden Ei die Umwandlung auf dem Objecttriger zu verfolgen, als auch einige Entwicklungszustiinde mit Reagentien zu fixi- ren, und ich kann den Nachweis fiihren, dass mir bei meinem frii- heren Untersuchungsverfahren wichtige Umbildungsstadien nicht zur Beobachtung gekommen sind und dass die von mir friiher als wahr- scheinlich hingestellte Deutung eine verfehlte ist. Denn das Keim- bliischen schwindet und der Eikern entsteht bei den Seeigeln in ganz der gleichen Weise wie bei Asteracanthion. Auch hier wird eine Spindel und werden Richtungskörper gebildet, wie es van BE- NEDEN und STRASBURGER vermuthungsweise ausgesprochen haben. Die Richtungskérper bleiben aber nach ihrer Hervorknospung mit dem Ei in keinem weiteren Zusammenhang, sondern gerathen in die umgebende Flüssigkeit. Hieraus sowie aus dem Umstand, dass unter normalen Verhältnissen die Reife der Eier schon im Ovarium erfolgt, erklärt es sich, dass das Vorhandensein von Richtungskör- pern bei den Seeigeln bis jetzt von allen Beobachtern übersehen worden ist. Wie ich durch persönliche Mittheilung weiss, hat jetzt auch Herr Dr. Fou, welcher früher gleichfalls vergebens nach Richtungs- körpern bei Seeigeln gesucht hatte, unabhängig von mir und mittelst eines andern Verfahrens den Nachweis geführt, dass bei Sphaerechi- nus brevispinosus in den Ovarien Richtungskörper sich bilden. Um die Verbreitung der von mir bis jetzt nur an vereinzelten Objecten beobachteten Erscheinungen festzustellen, habe ich Vertreter aus den einzelnen Abtheilungen des Thierreichs, soweit sich mir hierzu die Gelegenheit bot, untersucht, und erstrecken sich bis jetzt meine Beobachtungen über Coelenteraten, Würmer und Mollusken. Soviel mir bekannt ‘ist, sind bei Coelenteraten, abgesehen von einer Angabe KLEINENBERG’s über Hydra, Richtungskörper noch nicht aufgefunden worden. Ich habe solche bei einigen Medusen (Aegi- nopsis, Nausithoe, Pelagia) und bei einer Ctenophore (Gegenbauria cordata) beobachtet. Bei Aeginopsis isolirte ich aus einem Ovarium einige Eier, die ihr Keimbläschen verloren hatten und sah bei zweien derselben erstens ein Richtungskiigelchen aus dem Dotter austreten und in die umgebende Flüssigkeit gerathen und zweitens unterhalb der Austrittsstelle desselben alsbald den Eikern sich ent- wickeln. Bei Nausithoe und Pelagia sind die Richtungskörper sehr leicht zu sehen, da sie hier durch eine Gallerte, in welche die Eier eingehüllt sind, auf dem Dotter festgedrückt erhalten werden. Sie Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung ete. ZiT finden sich meist in Dreizahl, wie bei den Hirudineen und sind ziemlich grosse Protoplasmakügelchen, welche, wie Behandlung mit Reagentien lehrt, Kerntheile enthalten. Unter ihnen bemerkt man den Eikern in der Dotterrinde. Die Bildung der Richtungskörper tritt bei Pelagia und Nausithoe kurze Zeit vor der Ablage ein, zur Zeit wo die vom Ovarium abgelösten Eier von der Gallerte umhüllt werden. Bei Nausithoe isolirte ich Eier aus dem Mutterthier durch Zerzupfen und beobachtete in dieser Weise noch die Hervorknos- pung des zweiten Richtungskörpers. Bei Gegenbauria cordata konnte ich bei frisch gelegten Eiern auf der Oberfläche des Dotters nebeneinander zwei kleine Protoplasmakiigelchen mit Kerntheilen nachweisen, so dass ich kein Bedenken habe, dieselben gleichfalls als Richtungskörper zu deuten. In ihrer Nähe fand ich häufig noch ein drittes ähnlich beschaffenes Kérperchen, über dessen Bedeutung (vielleicht ein Spermatozoon) ich Nichts habe ermitteln können. Von den Würmern habe ich Sagitta untersucht und hier noch vor dem Erscheinen der vorläufigen Mittheilung von FoL, wie dieser, feststellen können, dass auch hier zwei Richtungskörper hervorknos- pen, dass unter ihrer Austrittsstelle ein Eikern entsteht und dass dieser mit einem zweiten Kern (Spermakern) verschmilzt, welcher am entgegengesetzten Pol von einer Strahlung umgeben zunächst als ein kleines, dann als ein grösser werdendes vacuoliges Gebilde er- scheint. Ausserdem konnte ich an reifen Eiern, die ich aus dem Ovarium durch zerzupfen isolirte, durch Essigsäure die Richtungs- spindel nachweisen, welche einen etwas abweichenden Bau besitzt. Sie besteht nämlich aus kurzen, gleichmässig dieken Stäbchen, die zu einem Bündel zusammengefügt sind. Aus der Klasse der Mollusken benutzte ich als Untersuchungs- objecte eine Heteropode (Pterotrachea) , eine Gymnobranchie (Phyl- lirhoé bucephalum) und eine Lamellibranchiate (Tellina). Die Eier von Pterotrachea und Phyllirhoé stimmen in ihrer Ent- wicklung vollkommen mit einander überein. Wenn sie frisch abge- legt sind, besitzen sie im Centrum einen Kern von der Grösse des Keimbläschens, in welchem ein Nucleolus nieht mehr vorhanden ist. Dagegen tritt bei Essigsäurebehandlung in der geronnenen Grund- substanz ein spindelförmig fasriger Körper hervor, der mit seinen beiden Enden zwei Pole des Keimbläschens berührt. Um beide En- den ist das angrenzende Protoplasma zu zwei Strahlenfiguren ange- ordnet. Bei weiter entwickelten Eiern schwindet die Membran des 278 0. Hertwig Keimbläschens und seine Grundsubstanz vermischt sich mit dem. um- gebenden Protoplasma, so dass die Spindel frei in den Dotter zu liegen kommt. Hier verändert sie ihre Lage und rückt an die Ei- oberfläche empor. Dann bilden sich in der schon bekannten Weise zwei Richtungskörper. Unter ihrer Austrittsstelle entsteht ein Eikern von ganz beträchtlicher Grösse, der seine Lage beibehält und sich mit einem zweiten gleichfalls zu beträchtlicher Grösse anschwellenden Spermakern copulirt. Die Bildung der Theilungsspindel erfolgt in etwas abweichender Weise, indem nicht der gesammte Inhalt der beiden Kernvacuolen sich in sie umwandelt; vielmehr sammelt sich an Stelle der resorbirten Scheidewand der conjugirten Kerne die active Substanz zu einem spindelförmigen, fasrigen Körper an, um dessen beide Enden das benachbarte Protoplasma in Radien gruppirt ist. Weiterhin schwinden auch die übrigen Theile der Vacuolen- rinde und der überschüssige Kernsaft vermischt sich mit dem Pro- toplasma der Umgebung. Die freigewordene Spindel rückt jetzt in die Mitte des Eies und erleidet die zur Theilung führenden Ver- änderungen. Die Furchungsspindel entsteht somit aus den zwei sehr saftreichen Kernen in ähnlicher Weise, wie die Richtungsspin- del aus dem Keimbläschen. Bei Tellina gelingt es leicht die Eier künstlich zu befruchten und ist es hier bemerkenswerth, dass eine Richtungsspindel schon vor der Befruchtung an der Oberfläche des Dotters vorhanden ist, die Richtungskörper aber trotzdem nur nach dem Zutritt von Sperma hervorknospen. Die Bildung derselben geschieht wie bei Nephelis. Ebenso lässt sich auch hier die Entstehung des Furchungskerns aus der Verschmelzung zweier leicht beobachten. In den referirten Untersuchungen finde ich eine weitere Bestäti- gung für einen Theil der von mir kürzlich entwickelten allgemeinen Anschauungen über die ersten Bildungsvorgänge in der Eizelle und zwar vornehmlich für folgende drei Puncte: 1) dass die Continuität der Kerngenerationen in der Eizelle nicht unterbrochen wird, 2) dass | die Richtungskörper durch Zellknospung entstehen, 3) dass die Be- fruchtung allgemein auf der Copulation zweier Kerne beruht. Da- gegen bin ich hinsichtlich der Verbreitung der Richtungskörper zu einer andern Auffassung gelangt. In meiner letzten Arbeit glaubte ich, indem ich mich mit dem vorliegenden Beobachtungsmaterial ab- zufinden suchte, die Hervorknospung der Richtungskörper ‘nicht als eine allgemein verbreitete Entwicklungserscheinung betrachten zu dürfen. An dieser Ansicht halte ich jetzt nicht mehr fest, da meine Weitere Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung ete. 279 erneute Untersuchung von Toxopneustes 'mich gelehrt hat, dass die Richtungskérper schon innerhalb des Ovarium entstehen können, und dass dann dieser Bildungsprocess schwer nachzuweisen ist. Ich glaube vielmehr annehmen zu dürfen, dass auch in diesem Ent- wicklungsvorgang sich eine allgemeine Uebereinstimmung im Thier- reich wird nachweisen lassen. Messina, Ende Februar 1877. Notiz über einige Untersuchungen am Kopfskelet der Holocephalen. Von Dr. A. A. W. Hubrecht in Leiden. Eine Untersuchung über das Kopfskelet der Holocephalen, deren ausführlichere Ausarbeitung mit zugehöriger Tafel in dem Nieder- ländischen Archiv für Zoologie (Bd. III, Heft 3) erschienen ist, führte mich zu Resultaten, die ich hier kurz zusammenfassen möchte, indem ich für die nähere Begründung meiner Auffassungen auf die eben erwähnte Darstellung verweise. Die constanten, zum Seitencanalsystem gehörenden Porenlinien in der Kopfhaut von Chimaera und Callorhynehus sind in ih- rer Anordnung — ungeachtet der so verschiedenen Gestaltung des Rostrums — auf denselben Typus zurückzuführen; ein Verhältniss, welches für die Deutung der Homologien zwischen den beiden Rostra nicht unwichtig ist. Die verschiedenen Knorpel in der Ethmoidalgegend von Chi- maera und Callorhynchus (für letzteren schon von Jon. MÜL- LER beschrieben), welche als Lippen-, Schnauzen- und Nasenflügel- knorpel unterschieden werden und auf den ersten Blick sehr ab- weichend gestaltet erscheinen, sind völlig homologe Gebilde. Die Ausbildung des langen Rostrums bei Callorhynehus an der unteren Vorderseite des Kopfes hat eine Anpassung an dieses neue Verhal- ten der bei Chimaera noch in mehr indifferentem Zustande vor- handenen Knorpelstücke hervorgerufen. Auch der unpaare Lippen- knorpel des Unterkiefers bei Callorhynchus lässt sich mit den kleinen, paarigen, unteren Lippenknorpeln von Chimaera aus einer gemeinsamen Grundform ableiten. Zu den entsprechenden Bildun- Notiz über einige Untersuchungen am Kopfskelet der Holocephalen. 281 gen bei den Selachiern ist die Brücke aus Mangel an Zwischenstufen schon schwieriger zu schlagen: dennoch stellt sich mit grösster Wahr- scheinlichkeit heraus, dass die von allen Autoren als Lippenknorpel sedeuteten Stücke diesen Bildungen bei den Selachiern homolog sind und dass die Nasenflügelknorpel der Selachier mit ihren vorderen und hinteren Fortsätzen 1. den Nasenmuscheln und 2. den von MÜL- LER als Träger der Lippenknorpel und als seitliche Schnauzenknor- pel unterschiedenen Stücken der Holocephalen entsprechen. Dem- nächst sind also die complicirten Knorpelcomplexe der letzteren auf einen einfacheren z. Th. noch bei Selachiern erhaltenen Typus zu- rückzuführen. Die vier Abschnitte an der Schädelkapsel sind zu sehr verschie- dener Entwicklung gelangt. Die Occipitalregion ist sehr beschränkt; die Labyrinthregion von den halbeirkelförmigen Canälen stark auf- getrieben und scharf gegen die Orbitalregion abgesetzt, deren Hin- terwand nicht mehr knorpelig, sondern membranös ist. Nur bei Chimaera ist in die obere Hälfte der Orbita, wo die beiderseitigen Membranen sich aneinanderschliessen, die Schädelhöhle verdrängt; in der unteren Hälfte bleiben die membranösen Wände, wie bei Callorhyncehus zeltartig ausgespannt. In der nach oben zu com- primirten Ethmoidalregion verläuft durch den Knorpel ein von der Schädelhöhle getrennter Canal, welcher wahrscheinlich als eine Ver- schmelzung der Präorbital-, Ethmoidal- und Orbitonasalcanäle der Selachier aufzufassen ist. Der Ramus I N. trigemini tritt an der hinteren Orbitalwand ge- sondert von dem Hauptstamm aus; bei Callorhynchus hat auch der zum Orbitonasalcanal verlaufende R. ophthalm. profundus eine gesonderte Austrittsöffnung. Die R.R. I und II N. trigemini tre- ten mit dem Facialis durch eine gemeinschaftliche Oeffnung in der hinteren, unteren Orbitalwand nach aussen. Der Facialis durchbohrt den Orbitalboden unweit von seiner Austrittsstelle, und gibt noch einen den Schädelboden durchsetzenden N. palatinus ab. Die Caro- tidencaniile sind, in Anpassung an das weit nach vorn gerückte Kiemenskelet, nicht wie bei den Selachiern schräg nach vorn, son- dern schräg nach hinten gerichtet. Dem aus drei paarigen Stücken und einer Copula bestehenden Zungenbeinbogen lagert sich nach hinten ein fünftes Knorpelstück an. Nur dieses und das untere Bogenstück tragen Radien. Es muss als eine Verwachsung von Radienbasen des oberen Bogenstücks 382 A. A. W. Hubrecht, Notiz über einige Untersuchungen am Kopfskelet ete. betrachtet werden, welches sich schliesslich von letzterem abgelöst hat und eine selbständige Opercularbildung einleitet. Wichtig ist noch am Kiemenskelet das Fortbestehen der Copula zwischen dem ersten und zweiten Kiemenbogen, die hier noch mit den betreffenden Copularien in enger Verbindung steht, während sie bekannterweise unter den übrigen Elasmobranchiern nur noch bei Ce- stracion und zwar als Rudiment vorkommt. Leiden, 20. März 1877. Neuer Verlag von Theobald Grieben in Berlin. Bibliothek für Wissenschaft und Literatur 11. Band. Reden und Aufsätz naturwissenschaftlichen, päda- gogischen und philosophischen Inhalts von Th. H. Huxley, Prof. in London. Deutsche autorisirte Aus- gabe, nach der 5. Auflage des englischen Originals herausgegeben von Fritz Schultze, ord. Professor am Polytechnikum zu Dresden. 6 Mark. Gerade in unsern Tagen, wo immer vernehmbarer der Ruf nach Wiedervereinigung der Philosophie und der empirischen Wissenschaften laut wird, wird es für jeden an der geistigen Entwicklung unserer Zeit Theilnehmenden von hohem Interesse sein, ein Werk kennen zu lernen, aus dem glänzend hervorleuchtet, in wie ausgezeichneter Weise sich diese Wiedervereinigung bei einem der hervorragendsten englischen Natur- forscher bereits vollzogen hat. Durchweg klar, populär und doch gründ- lich geschrieben, erlebte das Original in kurzer Zeit die fünfte Auflage. — Inhalt: Dringlichkeit der Verbesserung des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Schwarze und weisse Emaneipation. Freisinnige Erziehung und ihre Fundstätte. Nachtisch-Rede über wissenschaftlichen Unterricht. Pädagogischer Werth der Naturwissenschaften. Das Studium der Zoolo- gie. Physische Grundlage des Lebens. Wissenschaftlicher Gehalt des Positivismus. Ein Stück Kreide. Geologische »Gleichzeitigkeit« und »persistente Lebenstypen«. Reform der Geologie. Ursprung der Arten. Descartes’ »Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung.« Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. Von Robert Bonnet, ausübendem Arzt in Augsburg. Mit Tafel XIV — XVI. Ich betrete mit der Beschreibung des Baues und der Kreislaufs- verhältnisse der Kiemen verschiedener Acephalen ein Gebiet, iiber welches die vorliegende Literatur, wenigstens soweit sie die mari- nen Formen betrifft, trotz ihrer Spärlichkeit doch zahlreiche Wider- sprüche aufweist. Die über unsere Teich- und Perlmuschel vorlie- genden Arbeiten sind zwar ebenso zahlreich als gründlich, ergeben aber eine noch reichlichere Auslese von Meinungsdifferenzen über den Character der Blutbahnen in den Kiemen dieser Bewohnerinnen unserer Teiche und Bäche. Die Ursache hiervon liegt wohl ebenso in der Schwierigkeit der Anfertigung von wirklich brauchbaren In- jectionen, als auch selbst bei dem Gelingen derselben in der nicht geringeren Schwierigkeit die allerdings eminent complieirten Bahnen richtig zu deuten. Man gewöhnte sich in Folge der zahlreichen Untersuchungen dieser beiden Najaden daran, sie als »Prototyp« des Kiemenbaues und seiner Cireulationsbahnen zu betrachten und von diesem Gesichtspuncte geleitet an die Bearbeitung mariner Formen zu gehen, denen dann meist ohne Injection und überhaupt ohne eingehende Untersuchung ähnlicher Bau und ähnliche Blutbahnen vindieirt wurden. — Wie ich beim Beginn meiner Arbeit von Li-_ teratur nur Posners Inauguraldissertation »Ueber den Bau der Na- jadenkieme«') kannte, gebe ich auch jetzt nicht mehr von Literatur. ı) Die Najadenkieme. (Separatabdruck.) Arch. f. mikroskop. Anat. 1875. Morpholog. Jahrbuch. 3. 19 284 R. Bonnet e Ich begnügte mich absichtlich mit der Kenntnissnahme ersterer, um möglichst vorurtheilsfrei an meine Aufgabe zu gehen und erst schliess- lich meine Resultate mit denen Anderer vergleichend zusammenzu- halten. Es war mir aus dieser Abhandlung vollkommen klar ge- worden, dass die alte Streitfrage, ob das Blut in den Kiemen der Lamellibranchier in einem geschlossenen System von Gefässen kreise oder seinen Weg durch regellos ins Gewebe eingestreute Lücken nähme, noch keineswegs endgültig entschieden sei. sondern beide Ansichten noch in lebhaftem Kampfe um die Berechtigung ihrer Existenz begriffen seien. Posner, der sich hauptsächlich mit der Untersuchung der Teich- und Perlmuschel beschäftigte, während er die marinen Formen sei- ner eignen Aussage nach !) nur ungenügend zu untersuchen Gelegen- heit hatte, stellt ihre Kiemen als Prototyp des Kiemenbaues und seiner Blutbahnen hin. Er definirt in Folge dessen die Kiemen der lamellibranchiaten Mollusken überhaupt als »bindegewebige, in lacu- © nären Räumen blutführende Platten, mit innerem, aus parallelen, geraden soliden Stäbehen bestehendem Chitin (?) skelet und durch- zogen von zahlreichen, der Aufnahme respiratorischen Wassers die- nenden Canälen«?). Mit dieser Definition tritt er LANGER entgegen, der in seiner Arbeit »über das Gefässsystem der Teiehmuschel« ge- rade den Kiemen auf Grund seiner Injectionspräparate die schönsten Capillaren zuerkennt, und schliesst sich den Vertretern der lacunä- ren Theorie an, die in MıLnE-EpwArps Fussstapfen tretend ihre Ansicht zur jetzt so ziemlich dominirenden erhoben. Ich begann vor der Hand der Ansicht über den »prototypen« Character von Anodonta folgend, in jeder anderen Hinsicht mich aber noch vollständig neutral verhaltend, meine Untersuchungen mit ihr. Ich liess mich dabei von der Absicht leiten zunächst die Blut- bahn in der Kieme festzustellen und dann der histiologischen Be- schaffenheit des sie begrenzenden Gefässsystems und dem eigent- lichen Kiemengewebe meine Aufmerksamkeit zu widmen. An die Feststellung dieser Verhältnisse schloss sich dann eine vergleichende Reflexion über die untersuchten Formen überhaupt. Ich gelangte auf diesem Wege bald zu der Ansicht, dass ein so complieirtes Respirationsgefässsystem, wie es Anodonta aufweist unmöglich das einfachste Schema für den Kiemenkreislauf repräsen- 1) a. a. O. pag. 33. 2) a. a. O. pag. 42. Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 985 tiren könne, eine Ansicht, die sich im Laufe meiner Arbeit mit der wachsenden Anzahl der untersuchten Formen mehr und mehr bestätigte. Ein weiterer Beweis hierfür ist auch, dass wir es«bei unseren Siisswassermuscheln wohl zweifellos mit Relicten mariner Formen zu thun haben, die beim allmiligen Zuriickweichen des Meeres sich an ganz neue Existenzverhiiltnisse accommodiren und dem entsprechend metamorphosiren mussten. Ich werde versuchen in diesen Zeilen meine Resultate so vor- zulegen, dass sie mit der einfachsten Art des Kreislaufs beginnend und zur complicirteren fortschreitend, wenn ich so sagen darf, eine Art Entwicklungsreihe vom Niederen zum Höheren, soweit sie sich auf die Kiemen und ihren Bau beziehen, darstellen. Dieser Versuch wird jedoch bei der beschränkten Anzahl der bearbeite- _ ten Formen nur Bruchstücke zu liefern im Stande sein. Es lassen sich bei einer ausgedehnteren Untersuchung gewiss noch einfachere Typen finden und ebenso passendere weniger crasse Uebergangs- formen, welche die ganze Reihe zu einer aus zahlreicheren aber har- monischer in einandergreifenden Gliedern zusammensetzen. Die Methode der Untersuchung war in Kurzem skizzirt folgende. Nicht nur für Anodonta und Unio sondern auch für die marinen Formen standen mir fast ausnahms- los frische von der zoologischen Station in Triest bezogene Exem- plare zur Verfügung. Nach Entfernung der Kieme aus der Muschel wurde zunächst ihr makroskopischer Bau untersucht und auf die Anordnung der schon mit blossem Auge sichtbaren gröberen zu- und abführenden Gefässe geachtet. Zur Klarlegung der feineren Cireu- lationsbahnen dienten frische mit kaltfliissigem Berlinerblau oder Carmin von Herrn Professor Dr. KoLLMANN mit vollendetster Tech- nik injieirte Exemplare, die bis zum Gebrauche in Alkohol conser- virt wurden. Zum Nachweise der die innere Gefässwand bedecken- den Endothelien wurden ebenfalls Injectionen mit 1 °/) Höllenstein- lösung angewandt. Bei einigen Formen jedoch. wie z. B. Mytilus ersetzte schon das Uebergiessen mit Lapislösung die misslungene Injection, indem schon durch sie allein die Endothelien in schärfster Weise sichtbar wurden, wenn man die eirca 10 Minuten der Lö- sung ausgesetzte Kieme mit destillirtem Wasser gut abspülte und 19* 286 R. Bonnet einige Zeit der Wirkung des Lichtes aussetzte. Zu bemerken ist hierbei, dass die Kiemen schon vor der Uebergiessung mit siissem Wasser abgewaschen werden miissen, um nicht durch den bei An- wesenheit von Seewasser rasch entstehenden Niederschlag von Chlor- silber den Erfolg illusorisch zu machen. Pinselt man zugleich vor- her die Epithelien vorsichtig ab, so wird die Silbereinwirkung über- raschend scharf. Nur Ostrea und Venus untersuchte ich an Exem- plaren, die frisch in Chromsäure ‘gehiirtet und dann in Alkohol aufbewahrt waren. Sie waren jedoch so gut erhalten, dass sogar die Cilien ihrer Flimmerzellen meist noch intaet waren. Imbibitionen mit Carmin, Hämatoxylin und Osmiumsiure erleichterten in dubiösen Fällen wesentlich die Oriertirung. Namentlich die Osmiumsäure empfiehlt sich zum Studium histologischer Details aufs Beste. Man muss sich nur hüten, sie zu lange einwirken zu lassen, da dann das betreffende Object zu dunkel und sehr brüchig wird, wodurch es die Anfertigung von Querschnitten ausserordentlich erschwert. Nicht minder empfiehlt sich die Hämatoxylinbehandlung, die ebenfalls Bil- der von grösster Schärfe und Zierlichkeit liefert. Nebenbei hat sie die angenehme Eigenschaft das »Stützgerüst« nur sehr wenig oder ‘gar nicht zu färben, so dass sie fast als eine Art Reagens auf diese Gebilde verwendet werden kann. Leider dunkeln aber die so gefertigten Präparate in verhältnissmässig kurzer Zeit so stark nach, dass die erst so erfreuliche Deutlichkeit in der unangenehmsten Weise getrübt wird. Von den in der angegebenen Weise behandelten Kiemen wurden dann Quer- und Längsschnitte gemacht: meist mussten sie zu diesem Zwecke in Paraffin eingebettet werden. Bei Kiemen jedoch von ganz besonders zartem Bau wie z. B. Arca, Mytilus und namentlich Pecten, deren Querschnitt eigentlich blos eine Summe von einzelnen durch sehr spärliches und zartes Gewebe verbundenen Gefässquerschnitten ist, empfiehlt sich die Einbettung in Glycerin- gelatine, ohne welche es nahezu unmöglich sein dürfte einen nur einigermassen befriedigenden Querschnitt herzustellen. Diese Masse dient aber abgesehen davon, dass sie sich äusserst weich und an- genehm schneidet noch nach geführtem Schnitt als Bindemittel für die in ihr eingeschlossenen zarten Gebilde, die sie zugleich in ihrer natürlichen gegenseitigen Lage erhält ohne eine Verschiebung zu gestatten. Allerdings muss vorher eine genügende Härtung in ab- solutem Alkohol erfolgt sein, damit die ganze Masse durch und durch gleiche Consistenz erlangt habe. — Zerzupfungspräparate leisteten —1 Der Bau und die Circulationsverhiiltnisse der Acephalenkieme. 28 sowohl zur Sicherstellung des Festigkeitsgrades des Stützgerüstes und der Gefässwandungen, sowie zur Klarlegung der in letzteren eingeschlossenen Endothelien die besten Dienste. Um die chemische Zusammensetzung d. h. den eventuellen Kalkgehalt der sogenannten Stiibchencaniile zu prüfen, wurde Essigsäure als Reagens verwendet, die den Zupfpräparaten tropfenweis zugesetzt wurde. — Bei der grossen Complieirtheit der untersuchten Gebilde musste ich darauf bedacht sein durch Abbildungen die beschreibende Feder zu unter- stützen. Es ist bei früheren dieses Thema behandelnden Abbildun- gen vielfach darin gefehlt worden, dass man durch zu grosses Sche- matisiren manches Characteristische verwischte oder nur Abbildun- gen von einzelnen Präparaten gab, die Details darstellten, ohne dass der Bau im Allgemeinen vorher entsprechend klar gelegt oder ver- standen war. Ein Beweis hierfür sind die vielfach verkehrt nach- gedruckten Abbildungen einzelner Autoren, auf welche ich schliess- lich noch eingehen werde. Die beiliegenden Bilder habe ich selbst nach Präparaten gefertigt und war dabei mein Hauptbestreben bei einer naturgetreuen möglichst wenig schematischen Darstellung der Cireulationsbahnen auch das für den Bau jeder Kieme Characteristi- sche so scharf als möglich auszudrücken. Um manche wichtige Details zugleich mit gröberen Verhältnissen klar zur Anschauung zu bringen entwarf ich die Bilder auf Taf. XIV erst in Metergrösse und liess sie dann auf das beiliegende Format photographisch redueiren. Ich hielt es zugleich von Belang die zu- und abführende Blutbahn auf den ersten Blick kenntlich zu machen und stellte deshalb die zuführenden Gefässe blau, die abführenden roth dar. Ich will da- mit einigermassen die Beschaffenheit des in ihnen circulirenden Blutes characterisirt haben, dessen Gasaustausch sich jedoch nicht so striete auf die erwähnten gesonderten Bahnen localisiren lässt, sondern wohl an allen Puncten der feineren Gefässe vor sich geht. Die histologischen Details Taf. XV und XVI wurden ebenfalls nach Präparaten von mir abzubilden versucht. Sie bedürfen bei der Ungeübtheit des Zeichners wie die Bilder auf Taf. XIV gütiger Nachsicht. Leider herrscht in Beziehung auf die zur gegenseitigen Ver- ständigung gewählten Definitionen noch eine solche Willkür, dass man die über den ganzen Stoff bestehenden Missverständnisse leicht begreiflich findet. Es muss eine möglichst einheitliche und einfache Art der Bezeichnung angebahnt werden. ohne deren scharfes Aus- 288 R. Bonnet einanderhalten ein gegenseitiges Verstehen noch lange nur ein schénes Ideal bleiben diirfte. Ich bezeichne das ganze Respirationsorgan als »Kiemenappa- rat«. Dieser Kiemenapparat besteht meist aus je zwei auf jeder Seite zwischen Fuss und Mantel übereinanderliegenden blattartigen Ausbreitungen, den »Kiemen«. Jede dieser Kiemen hat eine obere und untere Fläche und einen mehr oder weniger convexen gegen den Schalenrand zu gelegenen »freien Rand« der in dem in der Schale stehenden Wasser flottirt, während der medianwärts gelegene Rand, an welchem sämmtliche Kiemen entweder durch Gewebszüge oder starke kurze Gefässäste mit einander verbunden sind »Insertions- rand« heisst. Die zwei Kiemen jeder Seite werden je nach ihrer Lage zum Fuss oder Mantel im ersteren Falle als »innere« im letzteren als »äussere« bezeichnet. Die vier Kiemen unterliegen an Grösse, Gestalt und Dicke so- wohl bei Individuen einer Art als auch bei verschiedenen Arten untereinander mannigfachen Schwankungen. Die Form der Kiemen richtet sich im Grossen und Ganzen so ziemlich nach der Form der Schale, die sie ungefähr um ein Dritttheil verkleinert darstellen. Der Einfachheit halber wird in Folgendem stets die innere Kieme abgehandelt werden. Jede Kieme besteht wieder aus zwei am freien Rande in ein- ander umbiegende, am Insertionsrand aber etwas auseinanderwei- chenden »Kiemenlamellen« oder »Kiemenblättern«!). Je nach ihrer Lage gegen Fuss oder Mantel bezeichne ich sie in erste- rem Falle als »mediale« im anderen als »laterale« Lamelle. Die mediale Lamelle wird also jedesmal die untere Fläche die la- terale die obere einer Kieme darstellen. Zwischen diesen beiden eine Kieme bildenden Lamellen kann man vom Insertionsrand zum freien Rand hin eindringen und dieser Raum heisst »Interlamel- larraum«. Ist er, wie es häufig der Fall ist, durch parallele Scheide- wände in einzelne Fächer getheilt, die am freien Rande blind endi- gen, so heissen diese »Kiemenfächer« Am Insertionsrand ver- laufen die grossen »zu- und abführenden Gefässe, Sinus !) Meine Bezeichnung »Kieme« deckt sich mit PoSNER’s »Kiemenblatt,« das, er dann wieder aus zwei Lamellen bestehen lässt. Da aber eine Lamelle eben ein Blatt ist, und bei dieser von ihm gewählten Bezeichnung ein Verständ- niss sehr schwer, ein Missverständniss sehr leicht ist, zog ich es vor die obige Definition zu geben. Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 389 branchialis afferens und efferens«. Ist derselbe im Verhält- niss zu den an ihm sitzenden Kiemen sehr massig entwickelt, wie z. B. in Fig. 4, so bezeichne ich ihn als »Kiementräger«. Die zuführenden, venöses Blut aus dem Körper in die Kiemen leitenden Gefässe sind früher als »Kiemenarterien« die abführenden als »Kie- menvenen« bezeichnet worden. Letztere leiten das mit Sauer- stoff gesättigte Blut zum Herzen zurück. Zwischen beide. hatte man entweder ein System von echten Capillaren, oder von blut- führenden Gewebslücken eingeschoben und dadurch an den re- spiratorischen Apparat der höheren Wirbelthiere erinnert. Nach- dem nun aber die Acephalen kein Lungenherz, sondern nur ein Aortenherz haben und überdies der Character der zuführenden Ge- fässe durchaus nicht ermuthigt, sie »Arterien« zu nennen, so haben schon MILNE-EDWARDS u. A. vorgeschlagen einfach von zu- und abführenden Gefässen zu sprechen, welchem Vorschlage ich mich in den folgenden Zeilen anschliessen werde. Die einfachste Anordnung der Circulationsbahnen bieten nach meiner Beobachtung die Kiemen von Area Noé. Schon bei makroskopischer Betrachtung stellt sich heraus, dass die einzelnen Lamellen nur durch eine grosse Anzahl zahlreicher fadenartiger in einer Ebene neben einanderliegender Gebilde entste- hen, die sich bei genauerer Untersuchung als feine am freien Rande umgebogene blutführende Röhrchen manifestiren. Fig. 7 gibt sche- matisch einen vom Insertionsrand JR gegen den freien Rand FR senkrecht auf die Fläche der Kiemen gelegten Schnitt. Sie zeigt also den Querschnitt der zwei Kiemen einer Seite in der Weise, dass 1 den Querschnitt der medialen Lamelle, 2 denselben der la- teralen Lamelle, beide zusammen den Querschnitt der inneren Kieme 1 + 2 darstellen, während 3 die mediale, 4 die laterale Lamelle der äusseren Kieme 3 + 4 geben. JZ bezeichnet den zwischen 1 und 2 und 3 u. 4 befindlichen Interlamellarraum, der bei /R durch die Umbiegungsstellen U und U, der Kiemenröhrchen abgeschlossen in der Richtung der Pfeile unter RW aber dem umspülenden Wasser zugänglich ist. Der Insertionsrand /R ist ziemlich massig im Vergleich zur Lamellendicke entwickelt, verdient also den Na- men eines Kiementrägers. Auf seinem Querschnitte sieht man die Lumina des grossen zuführenden (Sd«) und der beiden abführenden 390 R. Bonnet Gefässe (Sbe |Sinus branchialis afferens und efferens]). Durch die ganze Länge des Kiementrägers entspringen nun parallellaufende seitlich comprimirte Röhrchen, die dicht neben einander liegend auf diese Weise die laterale Lamelle der inneren (2) und die mediale (3) der äusseren Kieme bilden. Am freien Rand biegen sie um, laufen gegen den Insertionsrand zurück und vervollständigen so durch Bil- dung der medialen Lamelle (1) der inneren und der lateralen 4 der äusseren Kieme die Kieme 1 +2 und 3 +4. Die Abschnitte 2 und 3 sind die »aufsteigenden«, die Abschnitte 1 u. 4 die »abstei- senden Schenkel« je eines solchen Kiemenröhrchens. Die ab- steigenden Schenkel inseriren sich jedoch nicht am Kiementräger sondern laufen in flache seitlich eomprimirte Häkchen aus, die in ihrer Gesammtheit den die Lamelle 1 u. 4 begrenzenden Randwulst — darstellen, als dessen Querschnitt RW auf Fig. 1 zu betrachten ist. Unter ihm gelangt man in den Interlamellarraum. Die sämmtlichen Röhrchen lassen sich bei vorsichtiger Behand- lung leicht von einander isoliren und bieten dann bei stärkerer Ver- grösserung folgende Details. Das ganze Röhrchen ist mit feinem regelmässigen Flimmerepithel überzogen und nur in regelmässigen Abständen finden sich zu beiden Seiten des Röhrchens sowohl am auf- als absteigenden Schenkel kleine rundliche Anschwellungen von grösseren Flimmerzellen, deren Wimpern wie die Borsten zweier gegen einander gehaltener Bürsten in die des nebenan liegenden Röhrchens eingreifen. Fig. 10 FB zeigt eine solche Flimmerbürste. In Fig. 7 sind sie durch die rundlichen Knötchen FB schematisch ausgedrückt. Hiedurch ist eine wenn auch schwache doch sehr häufige Verbindung der in einer Lamelle nebeneinanderliegenden - Röhrenschenkel gegeben, so dass eine ganze Lamelle ein rostartiges mit schmalen rechteckigen Spalten versehenes Gitterwerk darstellt. Diese Spalten sind rechts und links durch die Röhrchen, oben und unten durch je 2 Flimmerbürsten begrenzt. Durch diese schmalen von den Wimperhaaren der Flimmerzellen noch mehr ver- engten Spalten wird das Wasser gleichsam filtrirt und fliesst durch . sie aus den Interlamellarräumen in den Zwischenkiemenraum je zweier Kiemen einer Seite (ZR Fig. 7), oder durchspült die Kiemen in der Richtung des Pfeiles auf derselben Figur bei ZZ. Pinselt man nun diese Epithelien an Osmium- oder Carminpräparaten vor- sichtig ab, um die Structur der Kiemenröhrehen kennen zu lernen, so sieht man, dass der aufsteigende Schenkel mit weitem etwas fal- tigem Ursprung vom Kiementräger ausgeht. Diese faltenartige Er- Der Bau und die Circulationsverhiiltnisse der Acephalenkieme. 291 weiterung reicht bis cirea ein Dritttheil des ganzen aufsteigenden Schenkels hinauf, wo sie sich dann zu einem bis zur Umbiegungs- stelle sich gleichbleibendem Caliber des Röhrehens verjiingt. Diese faltige Ursprungsstelle besteht (Fig. 3) aus einer sehr zarten structurlosen Membran, die eine sehr feine Streifung zeigt und, wie Zupfpräparate beweisen. eine ziemliche Elastieität und Festig- keit besitzt. An ihrer gegen den Zwischenkiemenraum zu gelegenen Kante zeigt sich namentlich sehr schön an Carminpräparaten ein scharf begrenzter durch glänzend schwarze Pigmentkörper markirter Streif (SG Fig. 9), der die ganze Länge der faltigen Ursprungsstelle hin- aufreicht. Gegen das zuführende Gefäss zu verschmälert er sich und senkt sich in dasselbe ein. An dieser Stelle scheinen zahlreiche Mus- kelzüge sich kreuzend von einem solchen Streif (dieselbe Figur M) zum anderen zu ziehen. Querschnitte, welche man an dieser Stelle durch die Ursprungsfalten legt, zeigen ähnliche Gestalt wie der Querschnitt einer sehr breiten Messerklinge. Das hintere rundlichere gegen den Zwischenkiemenraum gekehrte Ende zeigt zwei pig- mentirte rundliche Wülste, dieht neben einander liegend, die Quer- schnitte von SG. Sie isoliren sich nie scharf von der Membran. sondern erscheinen nur als eine partielle Verdiekung von ihr, in welche Pigment eingelagert ist und welche ihr eine Art Stütze ge- ben. Im Gefässlumen finden sich dem feinen Saum der structur- losen quergeschnittenen Membran dieht anliegend, ovale an Carmin- präparaten tief roth gefärbte glänzende Kerne. Legt man einen Querschnitt in der Höhe des Pfeiles bei /Z Fig. 1 durch die Röhre, so wird er entsprechend ihrer bereits stattgefundenen Verjüngung mehr oval werden (Fig. 8). Die Wülste, die Querschnitte der Stütz- balken, sind gegen die Mitte der Röhrchenflächen gerückt SG und nicht mehr pigmentirt. Sie berühren sich entweder vollständig oder sind durch einen feinen Gewebszug mit einander verbunden, wodurch das Lumen des Rohrs in einen vorderen und hinteren Abschnitt ge- schieden wird. Im Lumen selbst finden sich wieder die schon er- wähnten wandständigen Kerne. Den ganzen ziemlich elliptischen Querschnitt umgrenzt schönes Flimmerepithel. Aeusserst interessant ist die Umbiegungsstelle am freien Rand. Während der ziemlich spitze Winkel zwischen auf- und absteigen- dem Röhrenschenkel an vielen Röhrchen kaum durch eine kleine Falte ausgefüllt ist (Fig. 1 U), findet sich an jeder dritten bis vier- ten Röhre diese Falte so stark entwickelt. dass sie ein Viertheil des _auf- und absteigenden Schenkels einnimmt (Fig. 1 U, und Fig. 4). 292 R. Bonnet Sie zeigt eine gewisse Aehnlichkeit mit der faltigen Membran an der Ursprungsstelle, ist jedoch in zahlreichere und tiefere Falten gelegt und viel hinfälligerer Natur als jene. Ihr gegen den Kie- menträger zu gelegener Rand R ist schwach gekerbt und von stär- kerem Gewebe durchzogen, wodurch es geschieht, dass sich an vielen Präparaten, wo am freien Rand die Röhrenschenkel aus ihrer Continuität sich trennten, nur der gekerbte Rand noch als Verbin- dung zwischen beiden Schenkeln bestehen bleibt. Sie zeigt eine an Osmiumpräparaten sehr deutliche äusserst feine Streifung und in ih- rem Rand einzelne feine runde Kerne. Am absteigenden Schenkel, der wie erwähnt in seiner ganzen Länge gleiches Caliber behält und in regelmässigen Abständen eben- falls die Flimmerbürsten zeigt, fällt nur der flache Haken auf, in den er ausläuft (Fig. 1 RW). Er ist etwas nach aufwärts gebogen, seitlich comprimirt und ziemlich spröder Natur, da er, wie das Röhr- chen mit Ausnahme der faltigen Stellen überhaupt, leicht splittert. Auch er zeigt feine Streifen und kleine runde Kerne. Die durch ihn gemachten Quer- und Längsschnitte zeigten, dass sein Inneres von feinen Gewebszügen durchsetzt ist, wodurch ein spongiöses Netzwerk entsteht, das noch eine Strecke in den absteigenden Schen- kel hinaufreicht. Ich habe schon mehrmals die in allen Röhrenabschnitten be- findlichen ovalen wandständigen Kerne erwähnt, die sich in Car- min tief roth färben. Sie sind nichts anderes als die Kerne von Endothelzellen. Ich hatte schon, ehe ich die Arcakieme untersuchte, in den Röhrchen von Mytilus die schönsten Endothelien gefunden und richtete auch hier mein Augenmerk auf ihren Nachweis nach abgepinseltem Epithel. Injectionen mit salpetersaurer Silberlösung förderten die Zellgrenzen zwar nicht in der Schärfe zu Tage, die ich schon früher zu bewundern Gelegenheit hatte, doch konnte man hier und da ihre unregelmässig in einandergreifende Contourirung auf- finden. Nur eine einzige in Fig. 5 circa 300 mal vergrösserte En- dothelzelle war in voller Schärfe abgegrenzt. Sie zeigt einen cen- tralen Kern und unregelmässige sternförmige Ausläufer !). 1) Sowohl im vorderen als im hinteren Röhrenabschnitt fand ich häufig rund- liche scharf contourirte , flache glänzende Zellen, mit centralem Kern, die, wie Zupfpräparate bewiesen, deutlich im Gefässlumen lagen und mit Froschblut- körperchen die grösste Aehnlichkeit hatten. Ich weiss sie nicht anders zu deu- ten als Blutkörperchen, was um so auffallender erscheinen mag, als die Mollus- ken doch sonst nur den weissen Blutkörperchen ähnliche Protoplasmakliimpchen als geformte Gebilde des Blutes besitzen. \ Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 993 Das Blut strömt also bei Arca in der in Fig. 1 durch Pfeile angedeuteten Richtung durch die Kiemenréhrchen. Diese sind an manchen Stellen faltig erweitert und hier und da von spongiösem Netzwerk durchzogen. Ihre Innenwand ist mit Endothel bekleidet. Die Blutbahn ist vollständig auf den auf- und absteigenden Schen- kel je einer Röhre isolirt, nirgends finden sich Gefässverbindungen zwischen je zwei Réhrchen’einer Lamelle oder zwischen denselben zweier Lamellen. Eine überraschende Aehnlichkeit mit der eben beschriebenen zeigt die Kieme von Mytilus edulis. Fig. 12 gibt einen in derselben Weise wie bei Arca durch beide Kiemenflächen gelegten Querschnitt und Fig. 1 einen solchen durch eine Kieme nach abgepinseltem Epithel (halbschematisch). Wieder bestehen die Kiemen hier aus einer Summe nebeneinander liegender, durch ihre auf- und absteigenden Schenkel die beiden Lamellen einer Kieme bildender allseitig geschlossener Röhren, die ebenfalls rechtwinklig vom zuführenden Gefäss Sda entspringen. Die abstei- genden Schenkel aber sind hier länger als die aufsteigenden und überragen mit ihrem Randwulst, der diesmal je einen Sinus bran- chialis efferens einschliesst Fig. 1 Sde), den im Insertionsrand ver- laufenden zuführenden Sinus. Beide Gefässe sind in dieser Figur geschlitzt dargestellt, in Fig. 12 sind sie im Querschnitt ge- zeichnet. Das Kaliber der Röhrchen ist eirca um das Doppelte gröber, als das der Arcakiemenröhrehen. Die Ursprungsstelle des aufsteigen- den Schenkels in Fig. 1 — blau — ist mehr rundlich, im wei- teren Verlauf jedoch wird und bleibt jedes Röhrchen seitlich com- primirt. Es zeigt demnach eine laterale und mediale Kante. Die Umbiegungsstelle am freien Rand FR bietet wesentlich einfachere "Verhältnisse als die bei Areca. Man kann sie so auffassen, dass auf- und absteigende Schenkel durch ein kurzes Querstück (Fig. 13) verbunden werden. Beide überragen jedoch dieses Querstück um ein Weniges, indem sie sich einander hakenférmig entgegen- krümmen. Die Röhren stehen weniger dicht als bei Arca nebeneinander, aber in regelmässigen Abständen verbinden Gewebszüge (QV Fig. 1) nicht nur die Schenkel einer Lamelle, sondern auch die Schenkel 294 R. Bonnet beider Lamellen, indem sie den Interlamellarraum durchsetzen (Fig. 1 QV, u. Fig. 12 QV,). Diese Gewebsbänder, welche aus zartem Gallertgewebe mit eingelagerten Kernen bestehen, inse- riren sich an kleinen maulbeerförmigen Erhabenheiten, die wie die Flimmerbürsten bei Arca in regelmässigen Abständen an den Seitenflächen der Röhrehen oder ihren einander zugekehrten Kanten stehen (Fig. 1 u. Fig. 12 E). Diese Bänder sind mehr oder weni- ger eingekerbt und äusserst zerreisslicher Natur. Gefässhaltig sind sie nicht, da sie an den bestgelungenen Injeetionspräparaten auch nie eine Spur von Füllung zeigten. Auf diese Weise kommt auch hier die Bildung von rechtwinkligen Fenstern nicht nur in der Fläche einer Lamelle, sondern auch in der Quere im Interlamellar- raum zu Stande, die mit Flimmerepithel umgrenzt dem Wasser die- selbe Bahn dureh die Kieme gestatten, wie bei Arca. Die Zartheit und Zerreisslichkeit der Gewebsbänder erklärt es, warum man sie nur an ganz frischen oder mit der grössten Vorsicht tingirten Kie- men zu sehen bekommt. In kürzester Zeit zerfällt die Kieme bei weniger zarter Behandlung in ein Büschel einzelner Fäden. Doch selbst wenn dies am lebenden Thiere durch irgend welehe Verhält- nisse eintreten sollte, und es scheint in der That bisweilen zu ge- schehen, so wäre es bei der vollständig geschlossenen Blutbahn gewiss ohne jeden Belang auf dessen Circulation und Athmung. Pinselt man das aufsitzende Flimmerepithel vorsichtig ab, um einen klaren Einblick in den Bau der Röhrchen zu bekommen, so sieht man einen breiten hellen Streif in der Mitte jeder Seitenfläche hinziehen (Fig. 13). Er ist rechts und links von dunkleren Contouren eingefasst und zeigt wieder die feine schon erwähnte Streifung. Wie Querschnitte lehren ist er der optische Ausdruck verschiedener Diekenverhältnisse des Rohres. Fig. 14 zeigt drei Querschnitte von Röhrchen, die in einer Lamelle liegen und ein Gewebsband (QV;), das eines derselben mit einem solchen der anderen Lamelle verbindet. Ich habe Dutzende solcher Querschnitte angefertigt und immer die- selbe characteristische Form erhalten, nie aber eine solche wie sie Posner Taf. XXXII Fig. 22 und 27 abbildet. Diese Querschnitte zeigen, dass auch hier ein Stützgerüst in die Röhrchen eingefügt sich findet, das an verschiedenen Stellen eine verschiedene Dicke besitzt. Dieses Stützgerüst besteht aus zwei rinnenförmigen Leisten, die sich mit ihrer concaven Seite so zugewendet sind, dass sie ein ovales Lumen zwischen sich fassen (Fig. 14 SG). Ihre hinteren dickeren Enden legen sich mit scharf abgesetzter Fläche eng anein- Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 995 ander. Nach vorn verjüngen sie sich etwas, schwellen dann aber wieder zu einer auf Querschnitten schlegelförmig erscheinenden ver- diekten Kante an, mit welcher sie sich ebenfalls dicht aneinander legen. Sie sind glänzend weisslich und, wie Essigsäurereaction be- weist, ohne eine Spur von kohlensaurem Kalk. Von ihrer inneren Fläche gehen in keinem Abschnitt des Réhrchens Gewebsbilkchen wie bei Arca ab, wohl aber liegen auch ihnen die schönen ovalen Kerne an (E). Die Stützrinnen sind durch äusserst spärliches sie umgebendes Gewebe zusammen gehalten, das namentlich an der vorderen Kante massig entwickelt ist und eine grosse Anhäufung von kleinen ovalen Kernen zeigt. Posner lässt es dahingestellt ob es blutführend sei oder nicht!), ich muss mich auf Grund von Injeetionen entschieden für letztere Ansicht erklären, da ich nie, wenn das Lumen noch so schön mit Injeetionsmasse gefüllt war, in dem umliegenden mit Car- min tingirtem Gewebe auch nur eine Spur desselben nachzuweisen im Stande war. Die vordere und hintere Kante, sowie einen Theil der Seiten- flächen der Röhrehen überziehen Flimmerzellen, die jedoch . ganz eigenthiimlich angeordnet sind. Den hinteren Rand umsäumen 5 bis 6 Flimmerzellen von gewöhnlicher Grösse, dann folgt ein Abschnitt epithellosen Gewebes, dann eine weitere Lage von Zellen in der Mitte der Seitenflächen, deren Haare in die der nebenliegenden ähn- lich wie bei den Epithelbürsten von Arca hinübergreifen. Auf diese folgt wieder ein epithelfreier Streifen, an der vordern Kante aber nehmen die Zellen allmälig von der normalen Grösse bis zum Drei- fachen zu und ebenso ihre starken Borsten, die sich mit denen des nächsten Röhrchens kreuzen. Gegen die Mitte der vorderen Kante setzen sie ‚wieder plötzlich scharf ab und fassen 4—6 Zellen ge- wöhnlicher Grösse zwischen sich. Ich hatte Gelegenheit, die Bewe- sung dieser Zellen an lebenden Thieren zu sehen. Die kleinen flimmerten ununterbrochen im lebhaftesten Tempo, über ihnen aber peitschten die langen Borsten der grossen Zellen in langsameren doch kräftigeren Schlägen hin und her, als ob sie sich in einem Charniere bewegten, an welcher Bewegung das Zellenprotoplasma durch Form- veränderung sich energisch betheiligte. Einen ganz ausserordent- lich zarten Anblick boten die nach Abpinselung des Epithels schon 1) a. a. O. pag. 41. 296 R. Bonnet durch Höllensteintinetion der frischen Kiemen in präcisester Schärfe nachweisbaren Endothelien. Sie bilden eine Mosaik von äusserst scharf eontourirten mit unregelmässigen Fortsätzen in einandergreifen- der flacher Zellen mit centralem runden Kern. Sie fallen sofort durch eine grosse Aehnlichkeit mit der bei Arca gefundenen Zelle auf, was mit der grossen Aehnlichkeit des ganzen Kiemenbaues zu- sammen auf eine ziemlich nahe Verwandtschaft beider Thiere deu- ten dürfte. Das Blut steigt also bei Mytilus springbrunnenartig aus dem zuführenden Gefäss in den aufsteigenden Röhrenschenkel und durch den absteigenden in den grossen abführenden Kiemensinus und durch ihn zum Herzen zurück. Bei dem Fehlen eines das Ge- fässlumen theilenden Septums und der spongiösen Gewebslücken in den Röhren, wäre die Art der Circulation noch einfacher als bei Arca, durch das Vorhandensein von wirklichen Gewebsverbindungen zwischen den einzelnen Röhren aber stellt sich diese Kieme, wie in der Folge gezeigt werden wird, auf eine bereits vorgeschrittenere Entwicklungsstufe. Bei den beiden abgehandelten Formen bestand jede Kieme aus zwei flachen nebeneinander liegenden Lamellen, die am freien Rande eine sehr seichte feine Kerbung zeigen (Fig. 1 FR), entsprechend den Abständen der einzelnen Röhrchen von einander. All diese Verhältnisse erleiden bei - Venus Chione eine wesentliche Veränderung. Bei ihr liegen die Kiemen flügel- förmig ausgebreitet zwischen Fuss und Mantel und die innere über- trifft die äussere gewöhnlich um die Hälfte an Grösse. Das Verhalten der zu- und abführenden Sinusse im Insertionsrand ist unverändert (Fig. 2. Es lässt sich aber nicht mehr eine Lamelle von der andern aufheben, da jetzt an die Stelle der schwachen Gewebsbänder wie bei Mytilus Septa getreten sind, die in regelmässigen Abständen zwischen den zwei Lamellen einer Kieme gegen den freien Rand hinziehen. Es wird hierdurch der Interlamellarraum in eine Anzahl paralleler Fächer getheilt, die seitlich vollkommen geschlossen am freien und Insertionsrand offen sind, und das Wasser ein- und aus- strömen lassen »Kiemenfächer« (AF). Vom zuführenden Gefäss aus, das in Fig. 2 im Interesse der Deutlichkeit weggelassen wurde, verlaufen nun rechtwinklig durch die ganze Länge jedes Septums ebensoviele parallele Gefässe‘(AG) als Septen vorhanden sind. Diese Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 297 Gefässe liegen in ihrer Gesammtheit wie die Zähne eines Kammes neben einander und wurden deshalb schon von früheren Autoren treffend als »Kammgefässe« bezeichnet. Die Zwischenräume zwischen je zwei Septen und den in ihnen verlaufenden Kamm- gefässen werden durch eirca 20— 30 parallel in gleichen Abständen neben einander liegenden seitlich stark comprimirten Röhrehen ein- genommen, die circa ein Dritttheil des Mytiluskalibers stark sind, cirea 50 «u. (Auf der angeführten Figur sind der Klarheit halber nur fünf Kiemenröhrehen zwischen die zwei Kammgefässe gezeichnet und das letztere umgebende Septalgewebe ist aus demselben Grunde weggelas- sen. Auf dem Querschnitt Fig. 16 dagegen ist es als S in seiner vollen Mächtigkeit abgebildet.) Diese Röhrchen liegen aber nicht wie bisher in einer Ebene nebeneinander. sondern wie Querschnitte (Fig. 16) beweisen, in schwach wellenförmiger Anordnung zwischen je zwei Septen. Eine ähnliche wellenartige Anordnung zeigt der freie Rand. Die in der Mitte zwischen zwei Septen liegenden Röhr- chen sind höher als die den Septen zunächst liegenden, wodurch der freie Rand wie gezackt erscheint. Die Umbiegungsstellen der- selben sind etwas kolbig aufgetrieben und zeigen einen schwachen Anklang an eine faltige Membran (Fig. 2 FR. Von den Kammgefässen rechtwinklig in regelmässigen Abstän- den abzweigend durchsetzen parallele Querverbindungen von viel stärkerer Entwicklung als bei Mytilus die Röhrchen in der Art, dass sie dieselben am hinteren Dritttheil ihrer Seitenflächen durchbohrend von einem Kammgefäss zum anderen ziehen (QA). Hierdurch ent- steht wieder eine Unzahl rechteckiger Fenster, die die ganze Kieme in ein Gitter verwandeln. Diese Querverbindungen sind aber jetzt wirkliche Queranastomosen, oder Quergefässe, umgeben von einer ziemlich bedeutenden Muskelschicht, die in Carminpräparaten eine deutliche Streifung zeigt. Auf Querschnitten lässt sich das Gefässlumen unzweifelhaft nachweisen. Von der Fläche gesehen zeigen sie eine eigenthümlich regelmässige Zeichnung, welche theils durch die Streifen der Muskelfasern, theils durch die Mündungen der Quer- gefässe in die Röhrchen entstehen. Diese Mündungsstellen sind auf Fig. 2 neben dem Kammgefässe unter dem abgeschnittenen Röhr- Ss 5 8 chen gezeichnet. Es kann hier nicht mehr von einem auf- und ab- steigenden Röhrenschenkel wie bei Arca und Mytilus die Rede sein, da ja die Kammgefässe die aufsteigenden, sämmtliche Röhrchen aber, in welche das Blut durch die Queranastomosen einfliesst, die absteigenden Schenkel vertreten würden. Denkt man sich die bei- 298 R. Bonnet den Lamellen der zuführenden Schenkel bei Mytilus (Fig. 12 blau) in eine zusammengeschoben, dabei die Zahl der zuführenden Schen- kel bedeutend redueirt, ihr Caliber aber bedeutend vergrössert, so sind von 2 Lamellen jeder Kieme nur mehr die rothen d. h. die mediale der inneren und die laterale der äusseren stehen geblieben, die laterale der inneren und die mediale der äusseren (blau) sind zu einer verschmolzen, die zwischen den restirenden liegt. Denkt man sich ferner diese Lamelle durch Quergefässe mit den beiden andern in Communication gesetzt, so haben wir unsere Venus, bei der die Summe der Kammgefässe als eine eingeschobene Lamelle betrachtet werden könnte. Der Mytiluskiemenapparat würde aber durch diese Modification auf je eine Kieme zu jeder Seite reducirt, während wir bei Venus beiderseits deren zwei haben. Die Septa finden sich, wie Querschnitte (Fig. 16), ziemlich massig und schliessen die Kammgefässe ein. Durch diese Breite und Mas-— sigkeit kommt es, dass man bei Versuchen, zwei Lamellen von ein- ander abzuheben, jedesmal die zwischen zwei Septen liegenden Röhrchen abreisst, während erstere stehen bleiben. Die Röhrchenquerschnitte haben wieder ein Stützgerüst in Form von Leistchen, welche gegen das Lumen vorspringen. Es ist ela- stischer Natur und nur eine partielle Verdickung der structurlosen Gefiisswand. Kohlensaurer Kalk ist in ihnen nicht nachweisbar. Der auf Fig. 16 die Réhrchenquerschnitte verbindende dunkle Streif ist ein Querparallelgefäss, über welchem der Schnitt dicht wegging. Die Endothelkerne schienen an Carmintinctionen theilweise vorhan- den zu sein. Ein endgültiger Nachweis durch Höllensteinbehand- lung war, da die Kiemen bereits in Alkohol conservirt waren, nicht mehr möglich. Das die Röhrchen umkleidende Flimmerepithel zeigte nichts Er- wähnenswerthes. Von einem secundären Stützgerüst im Sinne Posxer’s!) konnte ich nichts finden, ebenso wenig die bei ihm erwähnten in die Septalräume hineinragenden Röhren, die seine Fig. 15 im Quer- schnitt zeigt. Die Röhrchen münden in das abführende Gefäss auf meinen Präparaten einfach durch eine schlitzförmige Oeffnung und ohne eine Andeutung des arkadenförmigen Stäbchenursprungs wie ihn POSNER allen seinen untersuchten Formen zuerkennt. I) a. a. O. pag. 38. Der Bau und die Circulationsverhiiltnisse der Acephalenkieme. 299 In dem Schema dieses Kiemenbaues haben wir eine Uebergangs- form nach zwei Seiten hin erreicht. Einmal durch das Auftreten der Septa und der in ihnen eingeschlossenen Kammgefässe, sowie der Queranastomosen, dann aber auch durch die bereits wellenartig zwischen den Septen angeordneten Kiemenröhrchen. Denken wir uns diese schwach wellige Erhebung soweit reducirt, dass beide Lamel- len flach und parallel stehen, so werden wir mit einiger Modification eine Uebergangsstufe zum Kiemenbau von Anodonta und Unio be- kommen. Denken wir uns aber die Wellen höher und zu Falten werdend, so bekommen wir die von tiefen Furchen eingekerbten Quer- schnitte von Ostrea, Pinna und endlich die freistehenden Coulissen von Pecten. Posner bezeichnet diese Wellenlinien sehr passend mit Wellenberg und Wellenthal, indem er unter ersterem die faltige Erhebung unter letzterem die zwischen den Falten liegenden Ein- senkungen versteht. Diese Faltenbildung ist bei Ostrea hippopus und edulis um circa das Doppelte stärker prononeirt als bei Venus. Auch un- terscheidet sich ihr Kiemenapparat von letzterer durch das Vorhan- densein eines wulstigen Mundtentakels, an dessen Bildung sich die äusseren und inneren Kiemen betheiligen. Ferner besitzt sie je drei Kiemen auf jeder Seite. Die Streifung der Kiemen ist durch die tiefere Einsenkung der Wellenthäler deutlicher geworden und fällt namentlich an Tinctionspriiparaten auf, an welchen sich das in ihnen verlaufende Stützgerüst wenig gefärbt hat. Zugleich lassen die 12—15 Kiemenröhrehen, welche eine Falte bilden, wie es scheint keine Fenster mehr zwischen sich, sondern diese durch Kiemen- röhrchen und Queranastomosen gebildeten sehr langen und schmalen Maschen sind durch zartes Gallertgewebe ausgefüllt. So zeigt es wenigstens Fig. 17 im Querschnitt als @ neben den übrigen Ver- hältnissen. Die Röhrehenquerschnitte sind vollständig rund, aber von ungleicher Dicke, indem sie an ihrer dem Interlamellarraum zugekehrten Hälfte ein rinnenartiges Stützgerüst aufweisen (SG). Ausser diesem Röhrchenstützgerüst findet sich aber noch ein weite- res in den Wellenthälern, als Leisten, die mit einer hinteren abge- rundeten Kante divergiren, mit ihrer vorderen scharfen aber sich aneinanderlegen. Ihr Querschnitt (SG,) ist mandelförmig. In dem durch diese Anordnung zwischen ihnen frei bleibenden Raum verläuft je ein Kammgefäss für jede Lamelle AG). Diese regelmässig ange- Morpholog. Jahrbuch. 3. 20 300 R. Bonnet ordneten Kammgefässe verbindet stets ein kurzes Septum (S). Pos- NER behauptet. dass diese Septa nicht regelmässig je zwei Wel- lenthäler zweier Lamellen mit einander verbänden, sondern unregel- mässig mit Ueberspringung von je 1 oder 2 derselben. Ich habe sie immer regelmässig gefunden, gebe jedoch zu, dass die leichte Zerreisslichkeit der Septa Bilder zu Tage fördern kann, die zu der angeführten Anschauung führen. Die Queranastomosen entspringen in regelmässigen Abständen aus den Kammgefässen (Fig. 18 Q4) und zeigen eine ganz auffallende Zeichnung, die am deutlichsten bei Hämatoxylinbehandlung sichtbar wird. Sie entsteht theils durch die Streifung, welche die ihnen eingelagerten Muskelbündel bedingen, theils durch die Gliederung der Kiemenröhrchen. Bei sämmtlichen bisher abgehandelten Formen bestand das Stütz- gerüst nur in einer partiellen Verdickung der Röhrenwandungen, hier tritt aber noch eine Complication desselben durch die in den Wellen-, thälern gelegenen Leisten auf. "Wir haben also hier ein primäres Stütz- gerüst (SG) und ein secundäres bedeutend stiirkeres (SG). welches noch seitlich durch schwächere Leistchen verstärkt ist, die regelmässig zu beiden Seiten der grossen Stützleisten stehen und ebenfalls einen blutführenden Canal zwischen sich fassen (SG, Fig. 11). Löst man zwei Lamellen vorsichtig aus ihrer Continuität und be- trachtet sie vom Interlamellarraum (ZZ) aus (Fig. 12), so zeigt sich, dass das secundiire Stützgerüst eine deutliche Gliederung (GZ) auf- weist, wodurch es in eine Anzahl einzelner aneinander gefügter Stücke zerfällt. Jedes dieser Stücke ist mit dem entsprechenden des näch- sten Wellenthales durch ein stark entwickeltes Gewebsbündel verbun- den, das zahlreiche Muskelfasern einschliesst (7). Diese in den Ge- websbrücken von einer Leiste zur anderen ziehenden Muskelbündel ver- laufen theils bogenförmig, theils kreuzen sie sich. Durch die regelmässige Anordnung der Gewebsbrücken kommt es zur Bildung von Fenstern, die aus dem Interlamellarraum in die Falten führen. Da die Falten selbst nicht von Fenstern durchsetzt sind bespült sie das Wasser nur auf ihrer Aussenfläche. Auf ihrer Innenfläche werden sie von dem im Interlamellarraum fliessenden Wasser, das durch die durch die Muskel- brücken gebildeten grossen Fenster in die Falten gelangt, bespült. Das Stützgerüst zeigt einen grossen Grad von Elastieität, na- mentlich das bedeutend reducirte der Kiemenröhrehen. Ich sah sie in manchen Präparaten aus ihren Verbindungen gerissen und drei 1) a. a. O. pag. 38. Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 301 bis viermal ohne einzureissen um ihre Längsaxe torquirt. Die se- cundiren Leisten zeigen einen matten Glanz, knorpelähnliche Consi- stenz und keine Spur von kohlensaurem Kalk. Einen Stützleistenquer- schnitt, wie ihn Posner Fig. 26¢ abbildet, bekam ich nie zu Gesicht. Der Uebergang der Röhrchen am freien Rande von einer La- melle in die andere ist der bereits bekannte bogenförmige. Ein Endothelnachweis in irgend einem Abschnitt des Gefässsystems musste aus denselben Gründen. wie bei Venus unterbleiben. Die Anordnung des Flimmerepithels zeigt in keiner Hinsicht Abweichungen von der gewöhnlichen bereits beschriebenen. Zu Anodonta piscinalis bilden Venus Chione und Ostrea den Uebergang durch ihre Septa, ihre Kammgetässe, Queranastomosen und das bei letzterer alle diese Gebilde bereits verbindende spärliche Gallertgewebe. Dieses über- wiegt aber bei Anodonta in solcher Weise, dass ihre Kieme zwei mit Gefässen versehene Gewebslamellen darstellt. während bei den beiden letzten Formen noch die Gefässe als das überwiegende Kie- menelement hervortraten. Ein Unterschied von ihnen ist dadurch gegeben, dass keine Faltenbildung vorhanden ist, sondern beide Lamellen flach neben einander liegen. Nachdem das Blut vom Ein- geweidesack kommend ohne jede Herzthätigkeit das Bosanus’sche Organ passirt hat, ergiesst es sich in die grossen zuführenden Ge- fässe im Kiemeninsertionsrand — Vasa branchialia afferentia. Fig. 5 gibt diese Verhältnisse in der Weise, dass sie die mediale Lamelle einer inneren Kieme halb umgeschlagen darstellt und hierdurch einen Blick in den Interlamellarraum und auf die innere Fläche der äusse- ren Lamelle gestattet. Im Insertionsrand ZS verlaufen das grosse zu- (Sha) und ab- führende Gefäss (Sde). Von ersterem aus fliesst das Blut in die in regelmässigen Zwischenräumen abgehenden Kammgefässe AG’, welche die Septa in ihrer ganzen Länge durchsetzen. Von diesen gehen von Zeit zu Zeit kurze Aeste ab, um als Kammgefässe auf die me- diale Fläche überzugehen (Fig. 5 VA und Fig. 6 7A). Von Lax- GER sind diese Verhältnisse bereits trefflich abgebildet worden. Ich habe an Anodontenkiemen zwischen 40 bis 60 Kammgefässe gezählt, woraus ersehen werden kann, dass, da sich an jedem Kammgefässe solehe Anastomosen finden, derartige Gefässverbindungen sehr zahl- reich sind. Es ist durch die bisher angestellten Untersuchungen 20* 302 R. Bonnet hinreichend eonstatirt worden, dass durch diese Kammgefässe auf den den Interlamellarraum begrenzenden Flächen zweier Lamellen ein dichtes respiratorisches Netz entsteht. In Fig. 5 blau. Die An- ordnung dieses Netzes ist eine sehr regelmässige, indem die Kamm- gefässe unter einander durch eirca 30—50 parallele rechtwinklig von ihnen abgehende Quergefässe durch die ganze Kiemenbreite anasto- mosiren (QA). Die Länge einer solchen Queranastomose ist entspre- chend den geringen Abständen der Kammgefässe von einander nur sering, aber trotzdem strömt das Blut von beiden Endpuncten in diesen Canal. Eine weitere Communication, die sich in Form von Längsanastomosen (ZA) zwischen je zwei Queranastomosen findet, vertheilt die Blutbahn auf eine noch grössere Oberfläche. Hierdurch entsteht ein viereckiges Maschennetz von Gefässen. Jede dieser Ma- schen umrahmt eine circa !/;) Mm. hohe und !/,, Mm. breite Oeffnung, welche die Lamelle durchsetzt. Sie nehmen in einer Anzahl von Je 10—20 in einer Linie in paralleler Anordnung den Raum zwischen zwei Septis ein und münden auf der dem Interlamellarraum zuge- kehrten Fläche mit kleineren und rundlicheren Oeffnungen (RZL,)- Sie stellen demnach kurze Canäle dar, welche die Dicke einer La- melle durchsetzend, das Wasser aus dem Interlamellarraum leiten und eine allseitige Bespülung der Gefässverbindungen erleichtern. Sie sind mit Flimmerepithel ausgekleidet, das in den Flimmerbeleg des Interlamellarraums übergeht (Fig. 6 RC). Posner’) hat diese Canäle »Wassercanäle« genannt, kein sehr glücklicher Name, weil trotz seiner beigegebenen Erklärung eine Verwechslung mit Wasser- gefässen stets naheliegen wird. Ich nenne sie in Hinsicht auf ihre physiologische Bedeutung »respiratorische Canäle«. Ich habe auf einem halben O Centimeter 612 solcher Oeffnungen gezählt. Nimmt man nun den Flächeninhalt einer normal entwickelten Kieme zu 12 O Centimeter an, so ergibt sich die Summe von 14688 respiratorischen Canälen auf einer Lamelle, also für die 8 Lamel- len des ganzen Kiemenapparates in runder Summe 100000. — Die Längsanastomosen (Fig. 5 LA) verlaufen bald einfach bald gegen die Queranastomosen zu gabelig getheilt und besitzen in das Gewebe hinein eine gewisse Tiefe, die sich an Injeetionspräparaten sehr häufig und deutlich constatiren lässt (LA,). Sie setzen das zu- führende respiratorische Netz mit einem ihm aufliegenden congruen- ten abführenden Netz auf der medialen Lamellarfläche (Fig. 5 roth) 1) a. a. O. pag. 11. Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 303 in Verbindung. Die Verbindung dieser beiden Gefässbahnen kommt dadurch zu Stande, dass die Längsanastomosen häufig in derselben gabeligen Theilung, die sie in der Fläche einer Lamelle zeigen, die Dicke des Lamellengewebes durchsetzen und mit einem Schenkel im zu- mit dem andern im abführenden Netz wurzelnd die Communica- tion beider bewerkstelligen. Dieses äussere abführende respiratori- 'sche Netz ist aber noch durch ein ihm aufliegendes System von parallelen regelmässigen die ganze Kiemenbreite durchsetzenden Ca- nälen, den sogenannten Stäbehencanälen, erweitert. Sie stehen durch kurze Anastomosen, wie Fig. 5 in der Nähe von ZA, unter dem entfernten Canal zeigt, mit den Längsgefässen in Verbindung. Am Insertionsrand ergiessen sie sich direet in das abführende Gefäss. Jeder Canal verläuft zwischen einem Stützgerüst von zwei Stäbchen (Fig. 6.8), die wulstig hervortretend wie niedere Leisten auf den La- mellen aufliegen. Am freien Rand gehen sie bogenförmig in die der anderen Lamelle über. Wir haben in ihnen eine Erinnerung an das bisher in keiner Kieme fehlende Stützgerüst. Der Querschnitt dieser Stäbehen ist oval, und zeigt an den einander zugekehrten Seiten je zweier eine leichte Einkerbung. In der Mitte des Quer- schnittes (Fig. 6,8) zeigt sich regelmässig, namentlich deutlich an Osmiumpräparaten, eine feine Spaltung, die zusammengehalten mit der erwähnten Kerbung den Eindruck macht, ‚als ob das ganze Stäb- chen durch Einrollung einer flachen Leiste, wie wir sie z. B. bei Ostrea gehabt haben, zu Stande gekommen wäre. Wesentlich aber unterscheiden sie sich von den bereits abgehan- delten Stützleisten dadurch, dass sie nicht elastisch sondern spröde und zerbrechlich und sehr reieh an kohlensaurem Kalk sind. Es finden sich häufig quere sich kreuzende Muskelbündel von einem zum anderen ziehend, die an die Muskelbänder bei Ostrea erinnern. An der Stelle wo sie die Queranastomosen überbrücken, sind die Stäbehen gegliedert, um bei Formveränderungen der Kieme nicht zu zerbrechen. Ihr Ursprung im abführenden Gefäss ist arcadenformig. wie er bereits von Lancer und Posner geschildert wurde. Der zwischen ihnen verlaufende Canal ist mit zartem und spär- liehem Schleimgewebe überbrückt und mit Flimmerepithel überzogen, wodurch es zur Bildung von den zwischen je zwei Stäbchen liegen- den sogenannten Flimmerrinnen kommt. Im abführenden Gefäss münden sie in eine Art spongiöses Maschenwerk, welches den oberen Abschnitt desselben einnimmt, während die Kammgefässe sich in den unteren Abschnitt direct ergiessen. 304 R. Bonnet Es stimmt diese Darstellung des Kiemenkreislaufs in der Haupt- sache mit LAanGer’s Angaben überein, der vollkommen klar das äussere und innere respiratorische Netz mit seinen breiten Quer- und schmalen aber tiefen Längsanastomosen und dem aufliegen- den System der Stäbchencanäle beschrieb. Neu ist der Nachweis, auf welche Weise die Längsanastomosen die Verbindung der beiden respiratorischen Netze herstellen und mit den Stäbehencanälen com- munieiren. Als wichtig ist ferner hervorzuheben, dass, wie In- jeetionspräparate beweisen, in jede der breiten Queranastomosen von ihren Endpuncten am Kammgefässe aus, also von zwei Seiten her das Blut einströmt und erst nach vollständiger Füllung derselben in die viel engeren Längsanastomosen übertritt, von welchen es dann in das äussere Netz geleitet wird. Man kann bei allen Injeetionen die Erfahrung machen, dass sich zuerst die zuführende Bahn füllt und erst nach einem gewissen Fül- lungsgrad der Farbstoff in das äussere Netz hinausgeleitet wird. KorLmann !) betont bei Injectionen vom Sinus Bojani aus wiederholt gesehen zu haben, dass der Farbstoff auf der zuführenden Bahn bis an die freien Kiemenränder vordringt, dann erst die innere Lamellar- fläche verlässt, um das äussere respiratorische Netz zu füllen. Pos- NER?) hat LANGER und von HesstinG unrichtig aufgefasst, wenn er meint, diese beiden Beobachter nähmen in jeder Lamelle ein in- neres arterielles oder zuführendes und zwei äussere venöse oder ab- führende Capillarsysteme an. Lancer?) erwähnt ausdrücklich nur die Anwesenheit zweier Netze in einer Lamelle und hebt nur hervor, dass zu dem System der zurückführenden Gefässe auch die Stäbehencanäle gehören. Der injieirte und mit Osmiumsiiure behandelte Querschnitt (Fig. 6) zeigt die beiden Kiemenlamellen und zwischen ihnen den Interla- mellarraum (ZZ) begrenzt von den Querschnitten der Septa (Sp). In diesen Septis steigen, wie schon oben erwähnt, die von den Kamm- sefässen ausgehenden Verbindungsäste (VA) von einer Lamelle zur anderen herüber. Die eine Lamelle zeigt den Schnitt durch die breiten Queranastomosen (QA und QA,) und durch ein abführendes Sammelgefäss nebst den Querschnitten der Stäbehencanäle und ihren Verbindungen mit QA,. Die andere Lamelle ist so getroffen, dass man von oben in die feinen respiratorischen Canäle hineinsieht, !) a. unten anzuführenden Ort pag. 95. 2)'a. a. O. pag. 10. OP Der Bau und die Circulationsverhiltnisse der Acephalenkieme. 305 welche durch die Fenster in den Interlamellarraum führen. In diese Schnitte sind zugleich die histologischen Details, bestehend aus Spindel- und Sternzellen, hinein gezeichnet, nebst den sich häufig findenden, namentlich an Osmiumpräparaten sehr schön sichtbaren pig- mentirten kriimeligen Conerementen. Jeder Schnitt an gut injieirten Präparaten zeigt, dass die Ausbreitung der Queranastomosen sich auf die äussere und innere Lamellarfläche beschränkt und dass das eigentliche Lamellengewebe an allen zwischenliegenden Stellen blut- leer ist. Dieses Gewebe zeichnet sich aus durch seinen Reichthum kugeliger durchsichtiger Gebilde von kohlensaurem Kalk, welche die Zwischenräume zwischen den Gefässen ausfüllen. Nur jene schma- len Stellen zwischen den respiratorischen Canälen, welche die Längs- anastomosen tragen, die das Blut vom inneren zum äusseren Netz herüberführen, sind blutführend. Aber auch hier wird weder die ganze Länge noch die ganze Breite von den Anastomosen ausgefüllt. Es bleibt stets noch ein Theil des Parenchyms frei. Diese Querschnitte zeigen entgegen POSNER auf das deutlichste, dass eine scharfe Grenze existirt zwischen den zu- und abführenden respiratorischen Netzen, eine Thatsache, die er geneigt ist!) zu be- streiten, obwohl er zugibt, dass das einströmende Blut sich zunächst in gleicher Ebene hält und erst später ins abführende Netz übertritt. Seine Ansicht, dass das ganze Gewebe ein blutführendes System von Lücken sei, aus welchen sich nur Epithelien und die Lumina der respiratorischen Canäle abheben, dürfte wohl eine Folge zu starker Injectionen sein, bei denen Extravasate stattgefunden haben. Die naturgetreuen Bilder hat er dann vor sich, wo er — pag. 14 — auf dem’ Querschnitt nur die Septa und den zunächst anstossenden Theil der Lamellen injieirt sah. Er führt für seine Ansicht die Beobach- tung von gut durchschnittenen Septen nahe der Basis auf, an wel- chen leiterartig angeordnete Bindegewebsbalken quer das Bild durch- ziehen. Die Lücken zwischen ihnen bezeichnet er als Blutbahn. Dieser Angabe steht zunächst die anatomische Thatsache entgegen, dass man gerade an einem Septum in der Nähe der Kiemenbasis nur ein bestimmt begrenztes Gefäss sieht (Fig. 6 VA), welches von einer Lamelle zur andern herüberzieht. An entsprechenden Präparaten konnte ich auch bei starker Vergrösserung nicht con- statiren, dass die Injectionsmasse: diffus in das Gewebe über- getreten wäre. Ich. bestreite nicht die leiterartig angeordneten 1) a. a. O. pag. 15. 306 R. Bonnet Züge des Schleimgewebes, welche von einer Fläche des Sep- tums zur anderen herüberziehen und deren Nachweis namentlich an der mit Brut gefüllten Kieme leicht ist, aber ich habe niemals gesehen, dass in die Gewebslücken Injectionsmasse eingedrungen wäre. — Eine andere Frage ist es, ob das respiratorische Netz der Quer- und Längsanastomosen, ferner der Stäbehencanäle mit Endo- thel ausgekleidet sei oder nicht. Posner vertritt entschieden letz- tere Meinung, wodurch diese ganze Blutbahn in das Gebiet der la- eunären, also endothelfreien Räume gehörte. Aber diese Anschauung könnte zu Recht bestehen, trotz der unbestreitbaren Regelmässigkeit und Symmetrie dieser respiratorischen Bahn. Hat doch PosxEr selbst hervorgehoben, die Aehnlichkeit mit echten Capillaren sei ge- radezu täuschend. Die Annahme eines lacunären Netzes kann also richtig sein, ohne dass doch der Verbreitung des Blutes in der Kieme jegliche bestimmte Grenze entzogen wird. Ich betone, in jeder Kiemenlamelle existiren zwischen äusserem und innerem respi- ratorischen Netz und den Septis ansehnliche Gebiete, von denen der direete Blutstrom ausgeschlossen ist. Er be- wegt sich vielmehr innerhalb gewisser Grenzen, von denen hier noch unentschieden bleiben soll ob sie lacunär sind oder capillar. Nach meinen Untersuchungen existirt also in der Kieme noch in- tervasculäres Gewebe. Es ist entschieden ein Verdienst PosnERs auf Schnitten parallel zur Oberfläche der Kiemen nachgewiesen zu haben, dass die Bahnen des respiratorischen Netzes von Zügen des Schleimgewebes durchsetzt sind, zu weit aber ging er gewiss, als er die Existenz eines Gewebes überhaupt zwischen diesen a be- grenzten Lacunen läugnete. Was die Endothelfrage betrifft, so misslangen mir leider alle Versuche dasselbe nachzuweisen und doch bin ich überzeugt, dass es vorhanden ist und nur durch den grossen Schleimreichthum der Kieme der Erfolg einer Injection mit Höllensteinlösung vereitelt wird. Bei Unio margaritifera finden sich vollständig dieselben Verhältnisse. Merkwürdig ist bei ihr die kurze Anastomose (VA Fig. 5) entwickelt, welche an In- Jeetionspräparaten jedesmal als ein kleiner mit Injeetionsmasse ge- füllter aufgetriebener Sack erscheint. Die Stäbehen sind etwas grö- Der Bau und die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 307 ber als bei Anodonta und zugleich brüchiger. Schneidet man eine Kieme mit der Scheere durch, so fühlt man ein deutliches Knirschen. welches eben durch die stark kohlensauren Kalk haltigen Stäbehen verursacht wird, die auf Essigsäurezusatz, nachdem man sie mög- lichst isolirt hat, einer bedeutenden Veränderung unterliegen. indem ihre Contouren uneben und theilweise verwischt werden. Kehren wir nach der Betrachtung dieser beiden Najadenkiemen wieder zu unserer Venus und Ostrea zurück, so sehen wir sie 1) was Faltenbildung anlangt 2) durch das Auftreten eines secundären Stützgerüstes — Ostrea — den Uebergang zu Pinna nobilis bilden. Schon das unbewaffnete Auge bemerkt, dass die Kieme dureh tiefe feine Furchen der Quere nach gerieft ist. Bei schwacher Vergrösserung wird deutlich, dass Falten, dicht aneinandergereiht. die freien Kiemenflächen besetzen. Diese Faltenbildung culmi- nirt bei Pinna in einer Weise, dass die Flächenvergrösserung durch die coulissenartig aneinandergestellten Falten eine wahrhaft erstaun- liche wird. Fig. 3, welche nach links zwei solche Falten (F und R darstellt, die gegen den freien Rand zu auf der Figur abgeschnitten sind. In Wirklichkeit nehmen sie gegen diesen zu an Höhe bedeu- tend ab und verleihen ihm ein eigenthümlich krausenartig gefälteltes Ansehen. Die mediale Lamelle der inneren und die laterale der äusseren sind breiter als die laterale der inneren und die mediale Lamelle der äusseren Kieme und müssen sie daher, sowie die im In- sertionsrand verlaufenden grossen zu- und abführenden Gefässe über- ragen. Sie setzen sich daher mit dem grossen abführenden Gefäss. welches auf Fig. 3 weggeschnitten ist, durch zahlreiche kurze Ana- stomosen in Verbindung (A), welche den in den betreffenden medianen Rändern der genannten Lamellen bandartig verlaufenden abführen- den Sammelcanal (SC) mit dem abführenden Hauptcanal in Verbindung setzen. Die Septa mit ihren Kammgefässen (Fig. 3 AG) finden sich wie bei Anodonta. Ebenso das innere respiratorische Netz der zufüh- renden Gefässe mit seinen Längs- und Queranastomosen (ZA u. QA). Erstere verlaufen aber oberflächlich , nicht die ganze Dicke einer Lamelle durchsetzend und lassen ferner die gabelige Theilung ver- missen. 308 R. Bonnet Wieder findet sich in jeder Gefässmasche ein mit Flimmerepithel ausgekleidetes Respirationsloch #ZL), das in den Interlamellarraum führt. Eine solehe die Lamellenbreite durchsetzende Reihe von circa 52 Respirationslöchern entspricht jedesmal einem Wellenthal zwischen je zwei Falten, in deren Basis die zuführenden Längsgefässe ver- laufen. Betrachten wir nun das äussere respiratorische Netz, so sehen wir im freien Rand jeder Falte ein starkes abführendes Ge- fäss (ZA,) dem zuführenden (ZA) in der Faltenbasis entsprechen. Das erstere (L_A,) steht mit letzterem (ZA) durch Quergefässe (QAs) ebenso in Verbindung wie die zuführenden (ZA) durch die schon erwähnten tiefen Queranastomosen (QA,). Diese Queranastomosen (Q4,) leiten aber das Blut ausser in die mit LA, bezeichneten Gefässe in ein System von aufliegenden feinen Röhrchen, die 10—12 an Zahl jede Falte umgrenzen (Fig. 19 #& im Querschnitt und Fig. 3 R von der Fläche gesehen, bei Q A, sind die Einmündungsstellen in dieses auf- liegende Röhrensystem abgebildet, das lebhaft an die Stäbchen- canäle von Anodonta und Unio erinnert, aber viel feiner ist und der Stäbehen entbehrt,. Diese Röhrchen zeigen vielmehr einen auf allen Seiten gleich dicken vollständig runden Querschnitt einer sehr zar- ten Wand. Sie haben eine zähe elastische Consistenz und können vermöge ihrer durch diese Eigenschaft bedingte Festigkeit auf eine Stufe mit den Kiemenröhrchen von Venus und Ostrea gestellt werden. Das ganze System der abführenden Gefässe mündet in den den media- nen Lamellenrand bandartig einfassenden Sammelcanal (SC). Ein zweiter aber nicht ebenso grosser Sammelcanal durchsetzt in gerin- ser Entfernung vom freien Rand die ganze Lamellenlänge. Mit ihm communicirt sowohl das zu- als abführende respiratorische Netz durch ein spongiöses Maschenwerk. Die freien Kiemenränder sind in einer Breite von 2 Mm. verschieden in ihrem Bau von dem eben geschilderten grösseren Abschnitt derselben. Hier findet man schmale Falten, mit zahllosen feinen Röhrchen besetzt, in dem äussersten Abschnitt fehlen diese und an ihrer Stelle tritt ein spongiöses Netz auf, das in die kolbig erweiterten Falten eingebettet ist. Die Grenze zwischen diesen beiden Abschnitten der Kieme wird durch den eben erwähnten Sammeleanal gebildet, der also dicht am freien Rand der Kieme und parallel mit ihm verläuft. Dieser spongiöse Abschnitt in der Blutbahn der Kiemen erinnert an eine ähnliche Stelle an der Kieme von Arca, die in Fig. 10 RF abgebildet wurde. Aber hier wie dort ist sie auf einen sehr klei- nen Raum beschränkt. Der grösste Theil des respiratorischen Or- Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 309 gans hat die in Fig. 3 abgebildeten Falten mit zahlreichen Bahnen für den Kreislauf, und man wird zugeben müssen, dass dieses ganze Gefässsystem noch mehr als bei Anodonta durch seine grosse Regel- mässigkeit und Zierlichkeit imponirt. Da ich die bei Anodonta erwähnten feinen Schleimgewebszüge hier nirgends die Gefässlumina durchsetzen sah, muss ich das die Gefässe einschliessende Gewebe entschieden als intervasculäres be- zeichnen. Ein weiterer Beweis für das Vorhandensein einer wirklichen Gefässwand war durch die mit Osmiumsäure behandelten Quer- und Längsschnitte gegeben. Einen solehen Querschnitt gibt Fig. 19 mit seinen stark ausgeprägten Falten (7 auf den Lamellen (Z), weiche den Interlamellarraum (ZZ) begrenzen. 10—12 Kiemenröhrchen (R) besetzen jede solche Falte, in deren Basis der Querschnitt der zu- führenden (ZA), in deren freiem Rand die Querschnitte der ab- führenden Längsgefässe |L4A,) sich finden. Letztere sowie die Kie- menröhrehen sind wieder von einer Flimmerepithellage bedeckt, die sich jedoch je nach dem Gefässe, welches sie bekleidet, wesent- lieh differenzirt.- Während die die Kiemenröhrehen besetzenden Epithelzellen wie kleine viereckige Kästchen mit einem grossen hel- len Kern im dunkeln Plasma nebeneinanderliegen (Fig. 20 FE), sind die an den Längsanastomosen aufsitzenden Zellen doppelt so gross und polygonal Fig. 21 FE). Pinselt man dieses Epithel ab, so zeigt sich die Structur der Gefässwand an guten Präparaten aufs deutlichste. Fig. 20 zeigt drei isolirte Kiemenröhrchen 'ZR) bei cirea 600facher Vergrösserung, verbunden durch ein Stück einer Quer- anastomose (QA) und den aus ihr in die Röhrchen führenden Mün- dungen. Dieselben zeigen wieder den Glanz structurloser Membran und kleine längliche in ihre Wandung eingestreute Kerne, vielleicht die Reste von Bildungszellen. Fig. 21 zeigt eine Längsanastomose (LA,) aus dem freien Faltenrand in seitlicher Ansicht. An solchen fällt zunächst eine gewisse Dicke der Wandung auf, die sich bei verschiedener Ein- stellung in Form von zweien das Rohr rechts und links begren- zenden Streifen manifestirt. Feine das Licht stark brechende Quer- fasern entspringen theils von diesen Streifen, theils vor ihnen, theils kommen sie hinter ihnen nach vorn im Bogen hervor (LF). Sie inseriren sich mit breiter Basis und verjüngen sich dann, wodurch die Gefätswand ein stachliches Ansehen erhält. Feine mehr oder weniger parallele Längsfasern kreuzen sie (LF). Durch 310 R. Bonnet dieses Fasernetz sieht man kleine Kerne durchschimmern, von denen unentschieden bleiben muss, ob sie Bindegewebs- oder Endothel- kerne sind. Dieselbe Figur zeigt noch Reste von aufsitzendem Flim- merepithel (FE) und ein Bündel von Muskelfasern (MF\, an denen das Kiemengewebe von Pinna namentlich in der Umgebung der Ge- fässe so reich ist. Die Innenwand sämmtlicher Gefässe zeigt das schönste Endo- thel, das sich nicht nur in den zuführenden Längsgefässen (Fig. 22) und den Queranastomosen (Fig. 20 QA) sondern auch in den Kie- menröhrehen nachweisen liess (Fig. 23). Es besteht aus unregel- mässigen flachen ineinandergreifenden Platten, die der Quere nach das Lumen auskleiden. Ihre Kittsubstanz ist sehr scharf markirt; sie entsprechen den Bildern, die schon mehrfach Endothelien niederer Thiere zur Anschauung brachten, vollkommen. Nach alledem erübrigt nur noch das Stützgerüst mit einigen Worten zu berühren, welches Fig. 3 SG, Fig. 19 SG und Fig. 24 SG, letztere in sehr starker Vergrösserung, darstellen. Es findet sich in jedem Wellenthal zwischen je zwei Falten und besteht aus zwei halbrinnenförmigen Leisten, die, sich mit zugeschärfter Kante aneinanderlegend, einen hufeisenförmigen Querschnitt zeigen. Sie sind weiss und glänzend, an ihrem freien Rand mit schönen vier- eckigen Flimmerzellen besetzt und treten auf Essigsäurezusatz mit noch schärferen Contouren hervor. Hinter ihnen stösst man auf Mus- kelbündel, deren Vorhandensein wohl die grosse Contractilität er- klärt, durch welche sich die Pinnakieme auszeichnet, wovon man sich bei noch lebendem Thiere durch leise Berührung der Kiemen leicht überzeugen kann. Diese Contractilität entspricht zugleich dem elastischen Character, den sowohl die Kiemenréhrchen, als die Quer- und Längsfasern der grösseren Gefässe und die Stützrinnen zeigen, da ohne denselben eine solche Formveränderung der Kieme nicht möglich wäre Vielleicht haben sie alle die Aufgabe als An- tagonisten der bedeutend entwickelten Verkürzungsmuskeln zu wir- ken und die Wiederausdehnung der Kieme nach erschlaffter Mus- kulatur zu erleichtern. Die in Pinna culminirende Faltenbildung tritt bei Pecten Jacobaea in Form einzelner isolirter Coulissen auf. Das bei Pinna die Wellen- thäler bildende Gewebe ist verschwunden, dadurch werden die paral- Der Bau und die Circulationsverhiiltnisse der Acephalenkieme. 311 lelen Falten zu parallelen leicht isolirbaren und auch in der Natur schon theilweise isolirten Coulissen umgewandelt. Die Pectenkieme setzte der Untersuchung bedeutend grössere Schwierigkeiten entge- gen, als irgend welche der bisher abgehandelten Formen. Der Grund hiervon lag trotz der schon vorliegenden Injeetionen über den Kiemenkreislauf theils in der ausserordentlichen Zartheit des spär- lichen Gewebes, welches die einzelnen Stücke des Gefässapparates verbindet, theils darin, dass die meisten Exemplare nicht mehr le- bend an Ort und Stelle ankamen. Aber selbst: bei ganz frischen Exemplaren ist es wegen der enormen Complicirtheit der Gefäss- bahnen gewiss nicht minder schwer sich durch Querschnitte und Zupfpräparate zu orientiren. Folgendes liess sich gleichwohl mit aller Sicherheit feststellen. Die Kieme zeichnet sich zunächst durch das -Zuriicktreten der Bindesubstanz aus. Nur der Kiementräger (Fig. 4 A7') ist ziemlich massig und schliesst für jede Kieme ein zu- und ein abführendes Gefäss ein (ZG und AG). Ersteres liegt medianwärts von letzterem und zeigt gewöhnlich einen halbkreisförmigen Querschnitt. Nach aufwärts von diesen spaltet sich der Kiementräger in die Kiemen- lamellen’ (AL), zwei kurze Blätter, auf welchen die erwähnten Cou- lissen aufsitzen. Das äussere Blatt ist in Fig. 4 durch einen Schnitt durch die Coulissenbasis entfernt. Zwischen ihnen liegt der Inter- -lamellarraum (JZ). Die Coulissen sind äusserst zart in Abständen von !/; Mm. und ohne irgendwie mit einander verbunden zu sein auf den Kiementräger aufgesetzt und verleihen der ganzen Kieme das Ansehen eines halbgeöffneten Buches, dessen einzelne Blätter durch kleine Zwischenräume den Blick in die Tiefe -dringen lassen. Durch diese Zwischenräume eireulirt das Wasser. Auf diese Weise wird derselbe Zweck erreicht wie durch die Fensterbildung oder die Respirationscanäle anderer Formen, d. h. die respiratorischen Ge- fässe sind in grosser Oberfläche dem zur Athmung nöthigen Wasser freigelegt. Dieses Gefässsystem ist ein in jeder Coulisse vollständig für sich abgeschlossenes, nirgends finden sich Anastomosen zwischen zwei Coulissen. Die Anordnung dieser Gefässe ist folgende. Von dem im Kiementräger (AF Fig. 4) verlaufenden zufüh- renden Gefäss (ZG) zweigen rechtwinklig so viele kurze Aeste ‚ZG,) ab, als Coulissen vorhanden sind und zwar immer auf denjenigen Kanten der Coulissen, die vom Interlamellarraum abge- kehrt sind. Diese Stämmehen lösen sich sehr bald in eine schon mit blossem Auge an der injicirten Kieme sichtbare faltige Membran 312 R. Bonnet auf, die bis beiläufig in die Mitte der Coulissenhöhe reicht und »Faltengefäss« heissen soll (FG). Es wird erst bei Injectionen deutlich durch Aufblähung, was ich besonders betone, und zeigt dann ungefähr das durch die Abbildung dargestellte Aussehen. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man, dass die farbige Injectionsmasse ein dichtes Maschenwerk ge- füllt hat, das eine gewisse Aehnlichkeit mit den Capillargefässen in der Lunge höherer Thiere zeigt. In der Mitte dieses Maschen- werkes findet man.noch den Hauptast verlaufen. In derselben Höhe der Kiemenbreite verjüngt sich die ganze Falte wieder zu einem einfachen Gefässrohr. Man wird durch die parallele Anordnung die- ser Gefässe und ihren Ursprung aus dem Sinus branchialis afferens unwillkürlich an die Kammgefässe anderer Formen erinnert. Leider gelang es mir nicht zu constatiren, wie sie am freien Rand’in den abführenden Theil des Gefässsystems übergehen. Dass man in ihnen wirklich den zuführenden Theil desselben vor sich hat, bewiesen die Injectionen vom zuführenden Gefäss aus, wobei sie sich jedesmal in schönster Weise füllten, während der andere Abschnitt nur durch Injeetionen vom abführenden Sammelgefäss aus zu füllen war. Das abführende Stromgebiet besteht erstens aus einem blutfüh- renden sehr bedeutend entwickelten Stützgerüst, an welches sich zwei Halbeoulissen ansetzen. Fig. 25 gibt den Querschnitt einer Coulisse. Ich erwähne zuerst das zuführende oder Faltengefäss (FG). dann das Stützgerüst (SG) und die an ihm ansitzenden mit den Kie- menröhrehenquerschnitten besetzten »Halbcoulissen« (HC). Die Kiemenröhrehen zeigen dieselbe elastische Beschaffenheit und dasselbe Caliber wie bei Pinna und umgeben in einer Anzahl von 13—15 eine Halbcoulisse. Bei seitlicher Ansicht fallen an ihnen in regelmässigen Abständen sich findende seitliche comprimirte flache solide schwach gestreifte sporenartige Fortsätze auf (Fig. 20 RS und Fig. 4 RS), die bei Seitenansicht einer ganzen Cou- lisse eine regelmässige Querstreifung hervorrufen. Ich nenne sie »Röhrensporen«. Sie finden sich in einer Anzahl von eirca 15—18 an jedem Röhrchen und zwar immer nur an der einen Seite einer Coulisse. Sie scheinen dazu zu dienen das Aneinanderlegen zweier Coulissen zu verhindern und sie immer in einem gewissen Abstand von einander zu erhalten, der dem durchspülenden Was- ser eine freie Passage eröffnet. Die Kiemenröhrchen senken sich nach unten convergirend und schraubenartig gewunden ins Gewebe des Kiementrägers ein und Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. ° 313 ergiessen sich in den abführenden Sammelcanal (Fig. 4 She) (Sinus branchialis efferens . Geradezu phantastisch erscheint der Querschnitt des hinter dem Faltengefäss in jeder Coulisse sich befindenden Stützgerüstes. Ich würde selbst bei den ersten Querschnitten an eine Art Kunstproduet gedacht haben, wenn ich nicht mit einer consequenten Regelmässig- keit auf vielen Querschnitten immer wieder dasselbe sonderbare Bild bekommen hätte, dessen Deutung schliesslich doch noch glückte. Ehe ich zur näheren Beschreibung des Querschnittes übergehe sei auf die Flächenansieht dieses Gerüstes Fig. 4 SG und Fig. 26 SG) hingewiesen, in welcher es sich als ein leistenförmiges Gebilde präsentirt, das bei Injectionspräparaten in seinem dem Faltengefäss zugekehrten Abschnitt einen gerade verlaufenden Canal AC zeigt, hinter welchem ein zweiter unregelmässig gewundener ebenfalls mit Injectionsmasse gefüllter, spongiös erscheinender Canal durch die ganze Länge hinzieht (4C,). Nun zum Querschnitt Fig. 25. Hier wird zunächst klar, dass diese Stützleiste aus zwei Abschnitten be- steht, einem vorderen hufeisenförmigen (Fig. 25 H und Fig. 20 A), dessen Mitte zwei wulstige Verdickungen zeigt und an dessen freien Enden sich zwei Halbeoulissen ansetzen (HC) — und einem hinteren X-förmigen (Fig. 25 X). Beide sind stark glänzend,. gelblich gefärbt und von knorpelähnlicher Consistenz. Sie zeigen eine schwache Streifung oder Schichtung. Eine spärliche Bindesubstanz von ähn- licher Beschaffenheit, aber etwas dunkler, verbindet beide Abschnitte (Fig. 25 BS). Die hinteren Schenkel des X-férmigen Abschnittes sind sehr biegsam, da sie sich auf verschiedenen Querschnitten viel- fach nach auswärts oder einwärts gebogen finden. während sie an ganz gelungenen die abgebildete regelmässige Anordnung zeigen. Zwischen ihnen findet sich das Lumen des Canals (AC), der mit der gleichen Bezeichnung versehen in Fig. 4 u. Fig. 25 in seitlicher An- sicht abgebildet ist. Die vorderen Schenkel des X-förmigen Ab- schnittes fassen das Lumen des zweiten abführenden und mäandrisch gewundenen Canals (4C;) zwischen sich (Fig. 25 u. 26). In Fig. 25 stehen diese beiden Canäle durch eine schmale Anastomose in Ver- bindung; diese findet sich jedoch nicht durch die ganze Länge des Rohrs. Bei etwas tiefer oder höher gelegenen Querschnitten findet sich statt ihrer eine schmale Brücke, welche die beiden Canäle voll- ständig trennt, nach einigen weiteren ‚Schnitten findet sich wieder eine Anastomose und so fort in regelmässiger Abwechslung. Hier- durch kommt die eigenthümliche Zeichnung zu Stande, welche bei 314 R. Bonnet seitlicher Ansicht des Stützknorpels (Fig. 20) sofort unsere Aufmerk- samkeit in Anspruch nimmt. Sie ist der Ausdruck zweier seitlich gesehener in diesem Knorpelbalken verlaufender und abwechselnd mit einander anastomosirender, dann wieder durch Substanzbrücken ge- schiedener Canäle, von denen durch Injectionen deutlich bald mehr der eine bald mehr der andere gefüllt wird. . Essigsäurezusatz lässt sowohl das Stützgerüst als auch die Kie- menröhrehen unverändert und schärft nur ihre Contouren, ein Beweis für ihren elastischen Character. Einen Flimmerepithelbeleg konnte ich nur für das Stützgerüst nachweisen, um die Röhrchen herum fand ich nur formlose krüme- lige Massen, die aber allerdings die durch Wasserverlust stark ver- änderten Epithelien sein könnten. Ein Entothelnachweis misslang wegen Mangel hinreichend fri- schen Materials und ich lasse daher die Frage nach seiner Existenz ‘offen, obwohl mir solche nach Analogieen mit anderen Formen sehr wahrscheinlich scheint. Denkt man sich bei Pinna (siehe Fig. 19) je einen Stützgerüst- querschnitt (SG) mit den an seinen beiden Schenkeln ansitzenden 2 Falten isolirt, so bekömmt man ein Bild, das mit dem eben erwähn- ten Querschnitt einer Pectencoulisse eine unverkennbare Aehnlich- keit aufweist, nur ist bei letzterem das Gewebe auf ein Minimum reducirt. Schlussbemerkungen. Schliesslich sei es mir gestattet, die Resultate friiherer Unter- sucher in chronologischer Reihenfolge aufzufiihren, um meine eigenen Untersuchungsresultate damit vergleichen zu können. Ich hatte den Hauptnachdruck darauf gelegt, die Cireulation der betreffenden Spe- cies oder Familie in den Kiemen festzustellen, um von bestimmten Anhaltspuneten ausgehend unterscheiden zu können, was blutführende Röhre, was solides Stäbchen sei und wieviel dem eigentlichen Kie- mengewebe, der Bindesubstanz angehöre. Aus dem Resultat der Injection, der Untersuchung im frischen Zustand und der in Osmium- säure gehärteten Querschnitte ergab sich dann der Bau der Kiemen und aus der Uebersicht der auf diese Weise untersuchten Formen der Versuch die phylogenetische Entwicklung dieses Organs zu er- rathen. Solche Versuche sind nicht neu. Schon ALDER und Hax- cock stellen nach ihren Erfahrungen drei verschiedene Kiemenformen Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. >19 auf. Ehe ich jedoch auf sie näher eingehe sei der früher erschienenen Abhandlung von ALDER and ALBANY Hancock !) erwähnt, nach welchen pag. 370 die Kieme von Pholas durch regelmässig wiederkehrende Septa in Kiemenfächer zerfällt. Quergefässe gehen von den gerade aufsteigen- den Röhren, den sogenannten Kammgefässen ab; dünne Kiemenstäb- chen, welche parallel den Kammgefässen ziehen, vollenden die Aehn- lichkeit dieser Anlage mit der von Venus. (Siebe Fig. 16.) Die beiden Autoren haben auf Taf. XV Fig. 2 drei Kiemenfächer so vortheilhaft abgebildet, dass man den Querschnitt der Kieme und einen Theil des Längsschnittes übersehen kann, und auch an letzterem finde ich völlige Uebereinstimmung mit meiner Fig. 2. Der Typus der Pho- . laskieme stimmt also vollständig mit dem von Venus Chione, den ich als den Beginn und Uebergang zur Faltenkieme bezeichnet habe. Nach ALper and ALBANny Hancock ist die Kieme von Mya arena- ria vollkommen derjenigen der Pholadinae gleich. In den Ann. and Magaz. of natural. History f. the years 1852 and 1553 finden sich von ALDER and Hancock drei Kiemenformen aufgestellt: 1) Die Fadenkieme. Sie besteht aus Fäden, die entweder ganz frei oder nur leicht verbunden in bestimmten Abständen stehen. (Anomia, Mytilus), nach meiner Untersuchung gehört hierher noch Area Noé. 2) Die durehbrochene Kieme, die aus einem Netzwerk von Ge- fässen besteht: Mya, Pholas und wie ich schon anführte Ve- nus. Auch die Najadenkieme gehört insofern hierher, als sie aus zwei parallelen von Respirationscanilen durchbohrten Gewebsplatten besteht, die noch keine Tendenz zur Falten- bildung zeigen. Allerdings hat sich das Gefässsystem schon bedeutend bei ihnen eomplieirt. 3) Die Faltenkieme, bei welcher die Lamelle von queren Fal- ten mit feinem Gefässnetz bedeckt ist: Ostrea, Myochama, Cochlodesma, Solen, Cardium, Chamostrea und am exquisite- sten Pinna. Ich füge diesen noch eine vierte Kiemenform bei, die 4) Coulissenkieme von Pecten. nn weitere Abhandlung von ALBANY Hancock?) ist für den ') On the branchial currents in Pholas and My a. With a Plate. in Annal. and Magaz. of nat. hist. 1851. 2) On the animal of Chamostrea albida. Mit 2 Tafeln in the Ann. and Mag. nat. hist. 1853. pag. 106. Morpholog. Jahrbuch. 3. 31 316 R. Bonnet . vorliegenden Zweck deshalb lehrreich, weil aus ihr hervorgeht, dass die mit Siphonen versehenen Lamellibranchier auch eine Falten- kieme besitzen. die denen der Asiphonen, wie es scheint in Allem gleicht. Hier wie dort ist der Eingang in den Interlamellarraum - und die Kiemenfächer durch Scheidewände am Insertionsrand scharf markirt. Seltsamerweise wird angegeben !), dass nur ein Kiemen- paar vollständig entwickelt sei und aus zwei Lamellen bestehe, das andere sei rudimentär und bestehe nur aus einer, gerade wie bei Myochama axomioides. Darin unterscheiden sie sich, aber sonst herrscht manche Uebereinstimmung. Die äussere Fläche ist nämlich bedeckt mit kleinen dichtstehenden querverlaufenden Falten, wie ich sie an Pinna abgebildet (Fig. 3). Die Fig. 3 auf Taf. IV der Auto- ren gibt davon ein vortreffliches Bild. Zwischen den Falten sind die Fenster für den Durchgang des Wassers; »die Falten tragen ein freies Gefiissnetz«. Die Verfasser zeichnen 7 feine Röhrchen von demselben Verlauf und derselben Anordnung, wie sie bei Pinna von mir dargestellt sind. Dieser Bau stimmt vollständig mit Mya und Pho- las, bei denen jedoch die Faltenbildung viel weniger entwickelt ist, weshalb ich sie oben unter 2) der Autoren anführte. Bei Myochama sind die Falten nach Angabe derselben noch nicht so zahlreich wie bei Chamostrea, weniger hoch gleiehen sie mehr jenen von Cochlo- desma. — G. P. Des Hayes?) enthält nichts, was bei dieser Arbeit besonders zu berücksichtigen wäre. Der Artikel ist, was Kiemen betrifft, viel zu allgemein gehalten. Aber das ist zu betonen, dass pag. 699 ein sehr guter Holzschnitt den Bau der Kieme in Bezug auf die Anordnung der Kiemenfächer und die fensterartigen Oeffnun- sen der Lamellen erläutert, besser als ich sie in irgend einem an- deren Werke gefunden. Weitaus am eingehendsten aber behandelt T. Wıruıams®) den Bau der Acephalenkieme, die er mit sehr scharfem Auge untersucht hat. Er stellt die Selbständigkeit, die völlige Trennung jedes Ge- fässrohrs der Kieme von dem anderen als oberste Regel hin. Diese Röhren reihenweise nebeneinander gelegt bilden das Kiemenblatt — meine Kiemenlamelle. — Zwei Kiemenblätter über einandergelegt bilden eine Kieme. Zwischen den Gefässröhren bleiben Zwischen- !) Ebenda pag. 287 und Taf. XI. , Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. 1. Art. Conchifera. ) Wirurams on the Mechan. of Aquatic Respiration in Interver tebrate Ani- mals in the Ann. a. Magaz. of nat. hist. Octob. 1854. Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 317 räume für den Durchgang des Wassers. Werden diese häufig unter- brochen durch Brücken des Kiemengewebes, so werden die spalt- förmigen Passagen für das Wasser in längliche Zugänge umgewan- delt, durch welche es in den Interlamellarraum dringt. Werden diese Brücken häufiger und massiger, so bleiben nur noch ovale Oeffnungen übrig. WILLIAMS urgirt mit solehem Nachdruck diese Auffassung, weil ihm ganz besonders daran lag, die Missverständ- nisse endlich aus der Literatur zu beseitigen, die ihm die Brauch- barkeit der einschlägigen Werke in so zweifelhaftem Lichte erschei- nen liessen !). Dieses Streben hat ihn vielleicht etwas zu weit geführt, und er hat die Complicationen vielleicht etwas weniger betont, als er es hätte thun sollen, aber abgesehen davon kann man die Arbeit geradezu fundamental nennen und sie verdient keineswegs die Ge- ringschiitzung, mit welcher sie in dem Werk von Bronn und dem Posner’schen Sehriftehen abgeurtheilt wird. Man hat namentlich seinen Abbildungen Unklarheit vorgeworfen. Dieser Vorwurf ist nur in sofern berechtigt, als der Schatten bisweilen am unrech- ten Platz sitzt und dadurch etwas verwirrt. aber das sind neben- sächliche Dinge. Versteht man erst selbst den Bau der betreffenden Kiemen einigermassen, so lernt man die Wahrheit seiner schemati- schen Darstellung vollkommen würdigen. So sind die Fig. 4, 5, 62) mit ganz geringfügigen Ausnahmen vollkommen zutreffend, und wenn sich mit Fig. 11, 12 und 13 ebenda nichts anfangen liess, so rührt dies wohl daher, dass sie verkehrt in die Tafel gesetzt wurden, um Raum zu sparen. Im Original als Fig. 17, 23 und 24 wirken die Schatten ganz correct. Wird aber eine solche Zeichnung auf den Kopf gestellt, so rächt sich die allzugrosse Sparsamkeit des be- messenen Raumes. Auch ein von Posner so schwer vermisster *) Querschnitt, und zwar einer Mytiluskiemenröhre, findet sich in Wır- LIAMS Abhandlung und kommt der Wahrheit viel näher als die von Posner abgebildeten Querschnitte desselben Thieres. Ja PosNER hat sogar in seinem kritischen Eifer die schönen Gewebsverbindungen bei Mytilus übersehen und manches andere, was Wırnıams ebenfalls naturgetreu abgebildet hat. ') Er beginnt seine Abhandlung mit den Worten: The mist upon this branch of natural history ete. 2) Bei Bronn, die Klassen des Thierreichs, zu finden Band III Taf. XXX. 9) a, a. O: pag. 35! 21* 318 R. Bonnet Von welch richtigen Prineipien Wıruıams bei der Beschreibung des feineren Kiemenbaues ausging mag folgendes Schema geben, das er an die Spitze seiner Ausführungen stellte. Er betrachtet: 1) »die parallelen Gefässe oder die Fäden, welche die Lamellen bilden, die Kiemenränder a) den Insertions- b) den freien Rand, 3) die queren Verbindungen zwischen den Roéhren, 4) die Wasseröffnungen und Röhren, welche’ zwischen die La- mellen führen, 5) das System der Flimmerzellen an den Kiemen. > Die Kiemenfäden sind ihm Röhren, deren Seiten verhältniss- mässig steif sind, die gegenüberliegenden Seiten der Röhre sind dureh einen Knorpel gestützt, sie stellen hohle Halbeylinder dar. Diese Röhren sind seitlich nicht durchbrochen. Die queren Verbin- dungen stellen bei Mytilus keine Gefässe dar... .« Bis hierher ist die Kieme einiger Formen haarscharf und tadellos gezeichnet. Nun aber reisst das Bestreben, diesen einfachen Typus zähe fest zu hal- ten, den Autor zu der Behauptung fort, es gebe keine Queranastomo- sen wie Hancock annimmt: was aber falsch ist. Bei Unio, Anodonta, Cardium ete. sind solehe injicirbar und schon vielfach injieirt. Wıruıams hat ferner gefunden, dass in einem Kiemenfaden zwei (sefässe nebeneinander laufen können, wie bei Pecten, Kellia, Area, Solen, Unio, Venus, was wenigstens für Arca vollkommen richtig ist, für Pecten, Unio und Venus aber freilich nur mit gewissen Mo- difieationen angenommen werden kann, die oben dargestellt und er- läutert wurden. fr. die betreffenden Stützgerüste. Bei WırLıams finden sich allerdings auch manche irrige Anga- ben, deren ausführliche Widerlegung jedoch zu weit führen würde und bei dem heutigen Stand der Dinge nicht in extenso nothwendig sein dürfte. Ich habe deshalb nur das Zutreffende seiner Beobach- tungen hervorgehoben. Aus demselben Gesichtspunct finden die fol- genden Sentenzen Platz, wie man die mit sichtlicher Erregung über den Erfolg niedergeschriebenen Sätze bezeichnen kann: Das Stützgewebe der Kieme tritt unter zwei Formen auf: |, als Stützgewebe zwischen den Kiemenfäden, um sie zur La- melle zu vereinigen, »the intervectal framework« ete. ~ Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 319 2) als Stützgewebe zwischen den Lamellen »the interlamellar framework«, unsere Septen und Septalgewebe. Bezüglich des ersteren kommt eine Fülle riehtiger Angaben. So z. B. »das Stützgewebe zwischen den Kiemenfäden ist einem grösseren Wechsel unterworfen, als das zwischen den Lamellen. Es scheidet in seinem Verlauf die Spalten zwischen den Kiemen- fäden und verwandelt sie in Oeffnungen oder längliche Parallelo- gramme. Fehlt dasselbe wie in Thracia, dann sind die Wasserspalten frei vom Insertions- bis zum freien Rand. Cfr. ähnliche Verhält- nisse, die ich bei Arca fand. Bei Mytilus bildet es fleischige Knötchen, bei Cardium ist es nahezu unsichtbar, bei Venus tritt es als flache Bündel auf, bei Pholas wird es membranös. In physiologischer Hinsicht ist es von höchster Bedeutung. Es bestimmt die Grösse der Wasserzugänge. Sind diese klein, so wird der Respirationsstrom bedeutend zertheilt, sind sie gross, so wirken sie im umgekehrten Sinne. Bis hierher ist jeder Ausspruch zutreffend; nun beginnt jedoch gleich wieder ein Angriff gegen die seit Langer’s Injeetionen zweifellose Thatsache, dass in diesem Stützgewebe bei vielen Formen Queranastomosen der Blutbabnen verlaufen. Ich kann heute darüber weggehen und auf meine Figuren 2, 3, 5 u. 6 verweisen. Die Mittheilungen über die ‚ Septen stimmen mit den geläufigen Auffassungen überein, doch ver- dient es Beachtung wie sehr WiLLiaMs die Contractilität gerade dieses Abschnittes des Kiemengewebes betont. Bei den marinen Formen hat man eben häufiger Gelegenheit dies zu sehen, cfr. Pinna, wäh- rend unsere Süsswasserformen kaum eine solche Fähigkeit errathen lassen. Sie werden wohl auch Contractilität besitzen, die Muskel- bündel in dem Septalgewebe sprechen ja dafür zur Genüge. Ich muss gestehen, dass, als ich nach Beendigung meiner Unter- suchung die Wirrrams’sche Abhandlung zur Hand nahm, ich sehr überrascht war eine so vielfache Uebereinstimmung mit meinen Re- sultaten zu finden. Ich war um so mehr darüber erfreut, als gerade diesem Manne häufig ein Vorwurf von Unklarheit und Unrichtigkeit gemacht wurde, der wohl nur aus einer oberflächlichen Kenntniss sei- ner Arbeit entsprungen ist. In wie weit sich meine Anschauungen von den seinen unterscheiden, dürfte aus den obigen Angaben zur Genüge klar geworden sein. Die Erfahrungen der angeführten Autoren ergänzen die Lücken meiner Untersuchungen wenigstens bezüglich der Morphologie in 330 R. Bonnet erfreulicher Weise so vollständig, dass durch ihre Angaben sich eine Reihe zusammenstellen lässt, in der sich für sämmtliche 10 Ordnun- gen der Acephalen, wie sie J. Vicror Carus aufführt, Repräsentan- ten finden. Ich will mit dem nachfolgenden Schema keineswegs bezwecken, dass die jede Ordnung repräsentirende Species als Ty- pus simmtlicher übriger Familien und Species betrachtet werde. Dass dem nicht so sei beweisen schon die zu einer Ordnung gehö- renden aber grundverschiedenen Typen von Mytilus und Pinna. Ich will nur die gewonnenen Resultate systematisch zusammengefasst zur Anschauung bringen, indem ich zuerst die untersuchten Reprä- sentanten dieser 10 Ordnungen aufführe und dann diese wieder nach ihrem Kiemenbau ordne. 1. Ordnung; Pholadacea . . . . . . Pholas dactylus, 2: - Myaceas Ns ihe hei lye: atenaua, Myochama axomioides, 3. = Tellinacea. . . . . . . %Cochlodesma, Solen, | 2 I. fVenus Chione, fe ee “ \Cardium edule, Dy - Chamacea. . . . . . . Chamostrea albida, 6. - Lieinacea niin aebnaiio.jalkellia, L Unio margaritifera. ae: sea. igh NR \Anodonta, 8. - Arcapeay ern Anes Noss Pinna nobilis 9. - 1 J ; a \Mytilus edulis, (Anomia, 10. - Ostracea . . . . . . . JPecten Jacobaea, a hippopus. (Area Noé, 1. Radenkieme u... ich sie sea eck war Mytilus edulis, Anomia, Serobieularia, 2. durchbrochene Kieme (Blattkieme) . . JAnodonta, (Unio, Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 531 erie Venus. Mya, Ostrea, ‚Dolen, ıMyochama, Cochlodesma, Chamostrea, Cardium, Pinna, Ae Goulissenkigmey) i) 3) 5 sl. .nansmlo-Peeten. 5 3. Faltenkieme Es erübrigt nur noch Einiges über den Flimmerepithelbeleg und das Stützgerüst anzuführen. Den Bau der den ersteren zusammen- setzenden Elemente habe ich im Allgemeinen schon beschrieben. Sein Zweck ist bei den sehr wenig beweglichen und obendrein meist in bedeutenden Tiefen und wenig bewegtem Wasser sich aufhalten- den Thieren einen constanten Wasserstrom durch die Kieme zu er- halten, der nach ALBANY HANcocKs interessantem Versuch vom In- sertionsrand durch die Kiemenfächer und den Interlamellarraum zum freien Rande geht. Von welch wichtiger physiologischer Bedeutung auf den Vorgang der Athmung diese Flimmerbewegung ist geht hier- aus wohl hervor. Eine andere hier jedoch nicht in Betracht kommende Function dieses Epithels ist die Fortschaffung der Eier beim Brut- geschäft. Vom Stützgerüst möchte ich die Consistenz und chemische Zu- sammensetzung noch flüchtig berühren. Ich fasse es als partielle Verdiekung der die Gefässwand darstellenden strueturlosen, elastischen Membranen auf, die in manchen Fällen und vielleicht nur bei Süss- wasserformen — Anodonta und Unio — kohlensauren Kalk einge- lagert zeigen. Man hat sie bisher mit dem allgemeinen Namen Chitin bezeichnet oder als eine Art Knorpel aufgefasst. KoLL- MANN!) hat jüngst gezeigt, dass keine dieser Bezeichnungen zutref- fend ist. Das Stützgerüst der marinen Formen, ebenso die kleinen ') J. KoLLMANN. Structurlose Membranen bei Wirbelthieren und Wirbel- losen. Sitz.-Ber. d. math. phys. Klasse d. k. b. Akademie der Wissenschaften. 1876. Heft I. 322 R. Bornnet Stäbehencanäle bestehen aus verdichtetem Gallertgewebe, das bei den Wirbellosen wie bei den Wirbelthieren bald in der Form von structurlosen Häuten auftritt, bald in plattenartigen massigeren An- _ häufungen. Siehe das complieirte Stützgerüst von Pecten (Taf. XVI, Fig. 25 u. 26), die einfacheren Platten bei Arca (Taf. XV, Fig. 8 und Taf. XVI, Fig. 14) oder jene von Venus (Fig. 18 SG), Pinna (Fig. 24 derselben Tafel). Alle gehören zur selben Gewebsform und sind Massen sogenannter structurloser Substanz — verdichteten Gallert- gewebes. ; Bei den Unionaceen hat dieses verdichtete Gallertgewebe noch kohlensauren Kalk aufgenommen, den es bei Anwendung von Säuren unter Aufbrausen verliert. | Was die Beschaffenheit der Blutbahnen betrifft, so kreist das Blut in der Acephalenkieme theils in glatten structurlosen mit Endo- thel ausgekleideten Gefässen, wie bei Mytilus, theils in einer Combi- nation von solehen endothelhaltigen Röhren und eingefügtem spon- siösem Gewebe — Area — das wahrscheinlich lacunär ist, d. h. interstitielle Lücken besitzt, wie es ja auch im Eingeweidesack die- ser Thiere als Uebergang von den wirklichen Capillaren zu den Venen vorkommt. Es ist übrigens durch den Nachweis des Endo- thels innerhalb der aus structurloser Substanz gebildeten zahlreichen köhren gezeigt worden, dass eine lacunäre Bahn bei gewissen For- men, wie z. B. Mytilus, in den Kiemen gar nicht existirt, sondern das Blut nur in wirklichen Gefässen strömt. In anderen Formen, Area, ist die lacunäre Bahn auf ein ganz kleines Gebiet beschränkt und kommt nur an der Basis und an der Umbiegungsstelle vor (Taf. XV, Fig. 9 u. 10). Auch bei Pinna ist der grösste Theil der Blutbahn in der Kieme aus zweifellosen Ge- fässen gebildet (Taf. XVI, Fig. 22, u. 23). Nur bei den Süsswasser- formen scheint die laeunäre Bahn grösser; wenigstens ist die Schwie- rigkeit, Endothelien nachzuweisen, für diese Formen noch nicht über- wunden. München, den !4. October 1876. Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche zuführende Blutbahnen sind blau, die abführenden roth dargestellt. Die Richtung des Blutstroms ist durch Pfeile angedeutet. Tafel XIV. Fig. 1. Mytilus. Vergr. 150. IR Insertionsrand. Sha Das grosse zuführende Gefäss oder Sinus branchialis afferens. Sbe Das grosse abfiihrende Gefiiss, Sinus branchialis efferens. IL Interlamellarraum. FR Freier Rand mit den Umbiegungsstellen der Kiemenröhrchen von einer Lamelle in die andere. QV Querverbindungen aus Gallertgewebe zwischen den Röhrchen einer Lamelle. QV, Solche zwischen den Röhrchen der beiden Lamellen, den Interlamellarraum durchsetzend. E Erhabenheiten zum Ansatze der obigen Verbindungen. Das zwischen Insertionsrand und freiem Rand liegende Stück ist durch einen beide Lamellen durchtrennenden Schnitt entfernt. Fig. 2. Venus Chione. Vergr. 150. Sbe Sinus branchialis efferens, geschlitzt, um die spaltförmigen Mündungen der Kiemenröhrchen zu zeigen. Das grosse zuführende Gefäss ist im Interesse der Deutlichkeit weggelassen, ebenso die die KG Kammgefässe umhüllenden Septa. KF Kiemenfach. QA Queranastomosen, welche in die Kiemenröhrchen münden. Siehe solche Miindungen unter ‚dem abgeschnittenen Röhr- chen. FR Freier Rand. Fig. 3. Pinna nobilis. Vergr. 150. Der freie Rand ist durch einen durch beide Lamellen geführten Schnitt abgetrennt. Die mediale Lamelle ist halb umgeschlagen, um ihre dem Interlamellarraum zugekehrte Fläche zu zeigen. Sba Das grosse zuführende Gefiiss. KG Kammgefässe. VA Ein den Interlamellarraum durchsetzender Verbindungsast. 324 R. Bounet LA Längs-\, | 3 e a OU Ouse j Anastomosen, beide zusammen bilden das zufiihrende respiratorische Netz. RL Respirationslöcher. F,F Falten auf der medialen Lamelle, in deren Basis die Längs- anastomosen des zuführenden respiratorischen Netzes verlaufen. LA, Längsanastomosen des abführenden Respirationsnetzes im freien Faltenrand. QAs Queranastomosen dieses Netzes mit den Mündungen in die ihnen aufliegenden Kiemenröhrchen. SC Sammelcanal in welchen sich das abführende respiratorische Netz ergiesst. A Anastomosey, welche diesen mit dem auf der Figur entfern- ten Sinus branchialis efferens in Verbindung setzen. SG In der Tiefe zwischen zwei Falten liegendes Stützgerüst. Siehe Taf. XVI Fig. 13 und 18. Fig. 4. Pecten Jacobaea. Vergr. 150. KT Kiementräger. Sha Das grosse zu- ) She Das grosse ab- § KL Kiemenlamelle, von welcher die Coulissen weggeschnitten sind. C Coulissen. IL Interlamellarraum. ZG, Die rechtwinklig vom Sinus branchialis entspringenden Ge- fässäste, welche sich in die FG Faltengefässe auflösen. SG Stützgerüst mit eingeschlossenem mäandrischen Canal. Siehe "Taf. XVI Pie320% KR Kiemenröhrchen. RS Röhrensporen. Der freie Rand ist auf der Figur durch einen durch die Mitte der Coulissen gelegten Schnitt entfernt. Fig. 5. Anodonta. Vergr. 150. Diese Figur bietet dieselben Verhältnisse wie Fig. 5 von Pinna. ML Die halb umgeschlagene mediale Lamelle. IS Insertionsrand. Sba Zu- fil 1 Gefi ; pee tee She Ab (führende grosse Gefässe. führende Gefäss. KG Zuführendes Kammgefäss. VA Verbindungsast von einem solchen Kammgefäss zum. andern. Sp Septum. LS sae Anastomosen, letztere häufig gabelig getheilt. Beide zusammen bilden das zuführende respiratorische Netz. . RL, Die engere in den Interlamellarraum führende Oeffnung der respiratorischen Caniile. QA, Quer- LA, Längs- RL Aeussere grössere ovale Oeffnung der Respirationscanäle. Anastomosen des abführenden respiratorischen Netzes. * Der Bau und d. -Circulationsverhiltnisse der Acephalenkieme. | 325 SC Stiibchencanal, der, wie in der Nähe von ZA, sichtbar, mit den Längsanastomosen des abführenden respiratorischen Netzes communicirt. S Chitinstiibchen. KG; Abfiihrendes Kammgefäss. Fig. 6. Querschnitt einer Anodontakieme, der in der (Vergr. 150.) , AL äusseren Lamelle die beiden Queranastomosen getroffen, in der IL inneren la ı'le unter ihnen durchgegangen ist und die RC Respirationscanäle eröffnet hat. TL Interlamellarraum. Sp Septum. VA Verbindungsast in einem Septum zur anderen Lamelle her- überziehend. KG Kammgefässe im Querschnitt. QA Queranastomose des zu- ) ,. : : QA, i ee OARS (führenden respiratorischen Netzes, beide durch gabelige Liingsanastomosen communicirend. Das Gewebe zwischen beiden ist mit rundlichen Kugeln von koh- lensaurem Kalk durchsetzt. S Stäbehenquerschnitte. MV Muskelverbindungen zwischen den Stäbchen. SC Querschnitte der Stiibchencaniile und ihre Verbindungen mit dem Quergefässe des abführenden Netzes. IL Zeigt die histologischen Elemente des Gewebes in Spindel- zellen und rundlichen Pigmentschollen eingezeichnet. Die Querschnitte der Stäbchencanäle sind weggelassen. Tafel XV. Fig. 7. Arca Noé. Schematischer Schnitt vom freien Rand gegen den In- sertionsrand senkrecht auf die Kiemenfläche durch beide Lamellen ge- legt. Vergr. 50. FR Freier Rand. IR Insertionsrand. ne Gefiisse im Querschnitt. 1 Querschnitt der medialen Lamelle ) 2 a =. lateralen N der inneren Kieme. 3 = - medialen - ae = rm ieme. 4 = - lateralen er ausseren eme 2 u. 3 aufsteigende | 1 u. 4 absteigende | RW Der gegen den Insertionsrand zu gelegene Randwulst im Querschnitt, unter welchem man in den IL Interlamellarraum gelangt. U Umbiegungsstelle mit schwach ; U, 5 i Ly deggie entwickelter Gefässfalte. Siehe Fig. 4. FB Flimmerbürsten. Siehe Fig. 4. Schenkel der Kiemenröhrchen. Fig. Fig. Fig. 10. Jeb ei Fig. 12. Fig. 13 Fig. Fig. 15: Fig. 16. Qe 14. R. Bounet ZWR Zwischenkiemenraum. Der Pfeil deutet die Richtung des durch die rostartigen Maschen der Lamellen fliessenden Wassers an. Querschnitt der Röhrchen von Arca Noé. Vergr. 200. SG Das gegen das Lumen vorspringende Stützgerüst, welches das ‚Röhrchen in einen zu- und abführenden Abschnitt theilt. E Endothelkerne. Faltige Ursprungsstelle der Kiemenröhrchen von Arca Noé. - Vergr. 150. ~ SG Pigmentirtes Stiitzgeriist. M Muskelziige, welche dasselbe an seiner Ursprungsstelle ver- binden. Arca Noé. Faltige Umbiegungsstelle der Röhrehen am freien Rand. Vergr. 150. R Rand der Umbiegungsfalte. RF Randfalte. FR Freier Rand. FB Flimmerbürste, Tafel XVI. Arca, Noé. Endothelzelle. Vergr. 300. Schematischer Schnitt durch die Mytiluskieme. In der- selben Weise wie Fig. 1. dM fe Sha | ee She | wie Fig. 1, IL QV, Gewebsverbindung zwischen zwei Röhrenschenkeln den Inter- lamellarraum durchsetzend. E Erhabenheiten zum Ansatz der Querverbindungen zwischen den Röhrchen einer Lamelle. Mytilus. Umbiegungsstelle am freien Rand. Vergr. 70. IL und E wie in Fig. 12. Mytiluskiemenröhrchen im Querschnitt. 3 in einer Lamelle liegend, deren eines durch eine Gewebsverbindung mit einem der an- deren Lamelle verbunden ist. Vergr. 300. SG Stützgerüst in Form von zwei halbrinnenförmigen Leisten. E Endothelkerne. QV, Gewebsverbindung. FE Flimmerepithelbeleg. Mytilus. Endothelien aus einem Kiemenröhrchen. Vergr. 300. Bs Venus Chione. Querschnitt. Vergr. 70. IL wie oben. S Septalgewebe. KS Kammgefäss. Die seitlich etwas comprimirten Röhrchen werden in der Höhe des Schnittes von einer Queranastomose durchsetzt. Taf XIV. Morphol. Jahrbuch Bd.M. xs ai; = u 8 > = Morphol. Jehrbuch Bd Ill Taf XV. > Fig 7. a Morphol. Jahrbuch Bd. iil. Der Bau und die Cireulationsverhältnisse der Acephalenkieme. 397 Fig. 17. Ostrea. Querschnitt. Vergr. 100. TER IL und $ wie auf Fig. 16, ebenso AG, letztere hier doppelt in jedem Septum. SG Halbrinnenförmiges Stützgerüst der Kiemenröhrehen. SG, Secundäre Stützleisten. SG, Tertiäre Stützleisten. G Gewebe, welches die einzelnen Röhrchen verbindet. Fig. 15. Ostreakiemenlamelle. Vom Interlamellarranm aus gesehen. Vergr. 150. Siimmtliche Zeichnungen wie Fig. 17. M Muskelfaserbrücken zwischen je zwei Stützleisten. GL Gliederung der letzteren. Fig. 19. Pinna nobilis. Querschnitt. Vergr. 150. Sämmtliche Bezeiehnungen decken sich mit denen der Fig. 3. Fig. 20. 3 Kiemenréhrehen von Pinna. Nach einem Zupfpräparat nach abgepinseltem Epithel. Vergr. 300. R Röhrchen. K Kerne in ihrer Wandung. FE Flimmerepithelreste. QA Queranastomose mit Endothel. Fig. 21. Pinna. Längsanastomose im freien Faltenrand. Nach einem Zupf- präparat. Vergr. 600. MF Aufliegende Muskelfasern. FE Flimmerepithelreste. QF Quer- LF Längs- fasern. Fig. 22. Pinna. Endothelien aus einer Längsanastomose. Vergr. 300. Fig. 23. Ebensolche aus einem Kiemenröhrehen. Vergr. 300. Fig. 24. Pinna. Stützgerüstquerschnitt. Vergr. 600. Fig. 25. Peeten Jacobaea. Querschnitt einer Kiemencoulisse. Vergr. 100. HC Halbeoulissen mit ihren Röhrchen. SG Stützgerüst. H Hufeisenförmiger vorderer Abschnitt desselben. X Xförmiger Abschnitt desselben. BS Bindesubstanz, welche beide zu einem verbindet. AC Gerader abführender Canal. AC, Gewundener abfiihrender Canal. FG Faltengefäss. Fig. 26. Stützgerüst und Röhrchen von PecténJacobaea, Vergr. 100. ACU, H, AC, und SG wie in Fig. 25. RS Röhrensporen Die fossilem Wirbel Morphologische Studien. Von }» Hasse. ( Aus dem anatomischen Institut zu Breslau. ) Die fossilen Squatinae. - Mit Tafel XVII u. XVIII. Die Güte meiner Herren Collegen ZıTTEL, FISCHER, GEINITZ, sowie des Direetors des Reichsmuseum in Leyden Dr. SCHLEGEL und des Herrn Dr. GRAEFFE in Triest hat mich in den Stand gesetzt meinen Untersuchungen über die Familie Squatina sowohl im ihren lebenden, als fossilen Repräsentanten eine solche Ausdehnung zu geben und die in der vorigen Arbeit niedergelegten Resultate so weit zu ergänzen, dass ich glaube den kommenden Forschungen über die ausgestorbenen Repräsentanten dieser Familie einen sicheren Boden bereitet zu haben.. Auf’ihnen fussend meine ich wird es nicht schwer sein, die etwa sich findenden Reste von Wirbeln bezüglich ihrer Zu- gehörigkeit zu den Squatinae zu prüfen, und ich fühle einstweilen die Berechtigung meine Untersuchungen über dieselben abzuschlies- sen und den übrigen Familien und Klassen in gleicher Weise meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Einmal ist es mir durch die nach- träglichen Funde gelungen vom oberen Jura angefangen bis zur jetzigen Periode Repräsentanten nachzuweisen, und dann hat es sich bei mangelndem Material namentlich aus älteren Perioden heraus- gestellt. dass es für's Erste nicht möglich sein wird über die Stammes- Die fossilen Wirbel. 399 und Verwandtschaftsverhältnisse derselben innerhalb der Gruppe der Haie etwas vollkommen Sicheres hinzustellen. Vielleicht werden die weiteren Untersuchungen der übrigen Familien mehr Anhaltspunete als bisher darbieten und am Schlusse dieser Arbeiten positivere Re- sultate in dieser Richtung zu erzielen sein, einstweilen vermag ich — nur zu sagen, dass der angenommene Uebergang der Squatinae von den Haien zu den Rajae eine noch näher zu begründete Vermuthung ist. Es handelt sich um eine alte, frühzeitig abgezweigte, eigenartig ausgebildete Haiform, die von dem Jura bis in die Jetztzeit variirte, die ferner wie das bei eigenartigen, an Arten wenig zahlreichen und an Zahl immer mehr abnehmenden Typen der Fall zu sein pflegt auf den Aussterbeetat gesetzt zu sein scheint und wohl in der Kreidefor- mation den Höhepunet ihrer Entwicklung erreieht haben möchte. Bei meiner ersten Arbeit über die fossilen Squatinae erschien es mir als ein fühlbarer Mangel, dass mir von lebenden Meerengeln nur junge Exemplare zur Disposition standen. Mittlerweile habe ich nun Gelegenheit gehabt ein bedeutend älteres, ausgewachsenes Exemplar mit Bezug auf die mikroskopische Natur der Wirbel der beiden Körperabschnitte, Rumpf und Schwanz, zu untersuchen, und ich muss gestehen, dass ich erst durch diese weiter fortgesetzten Beobachtungen lebender Exemplare zur richtigen Beurtheilung einer ganzen Anzahl fossiler Wirbel gelangt bin. Ich erlaube mir nun zunächst die Verhältnisse bei den erwach- senen, lebenden Squatinae zu schildern, weil daraus am einfachsten die Formverhältnisse bei den ausgestorbenen Thieren resultiren und freue mich, dass es mir mit Bezug auf Letztere durch meines Herrn Collegen ZırreL Güte möglich geworden ist zwei Wirbel eines Exemplares von Thaumas alifer histologisch zu untersuchen. Zunächst ist mir das richtige Erkennen der makroskopischen Formverhältnisse der lebenden Thiere im Laufe der Untersuchungen immer wichtiger erschienen, weil eine sichere Diagnose ausgestorbe- ner Formen nur mit der genauesten Kenntniss derselben möglich ist und sich aus ilınen vielfach ohne Zuhülfenahme der mikroskopischen Analyse richtige Schlüsse ziehen lassen. Ferner erschien mir die Darstellung derselben aus dem Grunde nothwendig, weil die bisheri- gen Abbildungen der Wirbel und Wirbelsäulenabschnitte sämmtlicher Familien der Plagiostomen, selbst die J. MÜLLER’s im grossen Acassız’schen Werke!) wenn auch im Allgemeinen richtig, dennoch ') Recherches sur les poissons fossiles. 330) C. Hasse im Detail so viel zu wünschen übrig lassen, dass ein getreues Bild derselben wohl am Platze, um so mehr, weil bei der ungemeinen Variabilität der Formverhältnisse manchmal das unscheinbarste Detail ausschlaggebend sein kann. Was für die Formverhältnisse der Wirbel höherer Klassen längst als nothwendig anerkannt ist, Treue der Dar- stellung, das muss auch auf dem Gebiete der Fische, vor allem der Knorpelfische zur Geltung kommen. Leider ist es mir nur möglich gewesen Squatina vulgaris weiter zu untersuchen. während ich trotz mancher Bemühungen der zweiten lebenden Form, Squatina fimbriata wicht habhaft werden konnte. Jedenfalls wäre es trotz der geringen Abweichungen in den äusseren Körperformen wichtig auch die Wir- belsäule dieses Thieres genau in Betracht zu ziehen. In meiner ersten Arbeit!) hob ich nach dem Vorgange von J. MÜLLER als characteristisches Merkmal der Squatinawirbel die dorsoventrale Abplattung hervor, freilich mit dem Bemerken, dass sich an den verschiedenen Körperstellen Unterschiede finden möchten, und dass dieselben auch anderen Familien zukämen. Nach der Un- tersuchung des erwachsenen Exemplares und nach Beobachtungen, die ich an Repräsentanten fast aller, selbst der seltensten Haifamilien über die Formverhältnisse der Wirbel anzustellen Gelegenheit hatte, muss ich hervorheben, dass der Grad der Abplattung der Wirbel bei Jungen Exemplaren nicht ausschliesslich den Squatinae zukommt, sondern sich auch in andern Haifamilien findet, dass sie aber bei erwachsenen Thieren eine so starke ist, wie bei keiner anderen Fa- milie (Fig. 3, 4). Sie bietet deshalb, wie wir alsbald sehen werden, bei der Beurtheilung der Zugehörigkeit fossiler Wirbel die werth- vollsten Anhaltspuncte. Auch die Unterschiede in der Abplattung der Rumpf- und Schwanzwirbel ist eine höchst bedeutsame. Sie nimmt von hinten nach vorn immer mehr zu. Schliesslich will ich noch auf einen wichtigen, characteristischen Unterschied zwischen den Wirbeln junger und erwachsener Thiere aufmerksam machen. Ich hob in der vorigen Arbeit als besonderes Merkmal an den von mir untersuchten Wirbeln die Gefässöffnungen an den Basen der Neurapophysen , die bereits J. MULLER?) gezeichnet hat, hervor. Dieselben sind jedoch nur den jungen Thieren eigenthümlich, wäh- rend sie dagegen den alten aus alsbald zu erwähnenden Gründen fehlen. Sie sind also werthvoll für die Altersbestimmnng fossiler Squatinawirbel. I) Morphol. Jahrb. Bd. II Heft 4. 2) Lic, Die fossilen Wirbel. 331 Bei der Betrachtung von der Seite (Fig. 1, 2) erscheinen die Wirbel der lebenden Squatina rechteckig mit grösserem Höhen- und geringerem Liingsdurchmesser. Die Verschmälerung im sagittalen Durchmesser in der Gegend der Neurapophysen erscheint nicht con- stant, sondern ein dorsal von hinten nach vorn verschmälerter Wir- bel wechselt immer mit einem an der ventralen Seite abgeplatteten ab. Die Wirbel sind an allen Stellen des Körpers dicht zusammen- gefiigt. Das Intervertebralgewebe erscheint somit in den Zwischen- wirbelräumen verhältnissmässig wenig entwickelt. Die vorderen und hinteren Ränder der Wirbel erscheinen an keiner Stelle des Körpers, wie bei so vielen anderen Haifamilien beträchtlich aufgeworfen, son- dern liegen namentlich an den Rumpfwirbeln in der Ebene der Sei- tenfläche, ja an den basalen Wirbeln des Schwanzes springt sogar die Mitte der Seitenfläche über die Ränder nach aussen vor. Dieser Umstand verleiht ihnen ein eckiges Aussehen, welches an den Rumpf- wirbeln deswegen nicht zu Tage tritt, weil die Haemapophysen oder unteren Bogen (Fig. 3) nur wenig unterhalb der Mitte der Seiten- fläche ihre Anheftung finden, während dagegen die unteren Bogen der Schwanzwirbel nahe der ventralen Mittellinie befestigt sind. Bei der starken dorsoventralen Abplattung der Wirbel des erwachsenen Thieres muss bei dem grösseren Abstande der Neur- und Haema- pophysen die Krümmung zwischen ihnen an der Seitenfläche bei den Schwanzwirbeln beträchtlicher sein, als bei denen des Rumpfes. Die Abplattung tritt am schönsten am isolirten Wirbel bei der Flächenbetrachtung vom Intervertebralraum aus zu Tage (Fig. 3) und ich kenne keinen Hai-, aber auch keinen Rochenwirbel, der eine solche ausgezeichnete längsovale Form besitzt, wie der eines erwachsenen Meerengels. An den Rumpfwirbeln besonders über- trifft der Breiten- den Höhendurchmesser um das Doppelte. Dabei erscheint die Mitte der ventralen und dorsalen Fläche an ihnen leicht vertieft (Fig. 3, 4), so dass dieselben namentlich auch auf dem Quer- schnitt (Fig. 4) eine Biseuitform besitzen, ein Merkmal, welches, wie wir sehen werden, für die Beurtheilung einiger fossiler Wirbel nicht ganz bedeutungslos ist. Die intervertebrale Aushöhlung erscheint nie- mals gleichmässig triehterförmig vertieft, weder an Wirbeln, bei de- nen das Zwischenwirbelgewebe erhalten ist, noch bei denen, an welchen dasselbe sorgfältig entfernt wurde. Bei einem Quer- schnitt überspannt das Zwischenwirbelgewebe die Peripherie als eine central kreisférmig durchbrochene Scheibe. Dieselbe besteht aus faserigem Bindegewebe. Da die centrale Durchbohrung, die seibst- Morpholog, Jahrbuch. 3. 22 339 C. Hasse verständlich zur Aufnahme der Chorda dient, kreisförmig ist, so muss die Scheibe in Folge der längsovalen Gestalt des Wirbels an den Seiten eine grössere Ausdehnung besitzen, als an den dorsalen und ventralen Wänden. Die Art und Weise, in welcher diese Binde- substanz die Chorda beeinflusst, tritt auf einem Längsschnitt!) durch die Wirbelsäule sehr gut zu Tage, und wurde bereits in der zweiten Tafel Fig. 8 der Abhandlung’, von KOLLIKER correct gezeichnet. Entfernt man das Intervertebralgewebe aus der Wirbelhöhlung, so erscheint diese nicht als eine am Wirbelrande beginnende, triehter- förmige Vertiefung, wie es bei vielen anderen Haifischwirbeln der Fall ist, sondern vom Rande springt ein dem Zwischenwirbelbande entsprechendes, seitlich mehr, als oben und unten vorragendes ebe- ues Feld gegen die Wirbelhöhlung vor (Fig. 3a) und dient den peri- pheren Theilen des Intervertebralgewebes zur Anheftung. Es beruht dasselbe auf einer Abplattung der peripheren Theile des centralen Doppelkegels, die ja bei den Bewegungen des Körpers von vorn herein dem grössten Druck ausgesetzt sind. Es ist das bereits in der Fig. 8 meiner ersten Abhandlung bei einem jungen Wirbel an- gedeutet. Auch dieser Randsaum der Wirbelhöhlung ist in diagno- stischer Beziehung werthvoll. Was die Verhältnisse der oberen und unteren Bogen betrifft, so erscheint die Zeichnung J. MÜLLER’s3) wenn auch im grossen Gan- zen, doch nicht im Einzelnen correct. Gerade aber mit Rücksicht auf die fossilen Wirbel ist es nothwendig auch hier genaue Angaben der Formverhältnisse zu machen, um so mehr, weil die Rumpf- und Schwanzwirbel wesentliche Verschiedenheiten zeigen. Letztere (Fig. If, g) sind durch hohe, mittelst Bandmassen verbundene, sonst isolirte Spinae neurales und kammartig zusammenhängende Spinae haemales ausgezeichnet, während erstere (Fig. 1c) geschlossen, und firstartig zusammenhängende obere Dornen besitzen. Die eigentlichen Neurapophysen oder Rückenmarksbogen erschei- nen sowohl am Rumpfe wie am Schwanze in wesentlich gleicher Gestalt (Fig. I d, 2a). Sie sind dreiseitig mit abgerundetem oberen Winkel und sitzen mit der Basis an der ganzen Ausdehnung des oberen Theiles der Seitenfläche der Wirbelkörper. Sie gehen ohne irgend welche Nahtverbindung in dieselben über, und man erkennt ', Morphol. Jahrb. Bd. II Taf. XXX Fig. 8. >, Verhandlungen der physikalisch medicinischen Gesellschaft in Würzburg Bd. X. 1860, 3) lees Die fossilen Wirbel. 333 die Grenze gegen den Körper nur an den Unterschieden in der Fär- bung. Jede Neurapophyse wird in der Nähe der Basis und zwar exeentrisch (Fig. I d, 2 ¢) in schräger Richtung von einem Nerven- canal durchsetzt und zwischen ihnen schieben sich an allen Theilen der Wirbelsäule (Fig. 1 e, 2 d) dreieckige mit der Spitze ventralwärts gekehrte Schaltstiicke. Der Raum zwischen denselben wird dadurch vollkommen ausgefüllt und sie sind unter einander nahtartig durch straffes Bindegewebe verbunden. Zwischen den Schaltstücken und den Spitzen der Neurapophysen bricht, jedoch in unregelmässiger Weise (Fig. 1 e, 2d) der zweite Nervencanal durch. Derselbe ver- lässt somit mehr dem Zwischenwirbelraum entsprechend den Rücken- markscanal, während sich der untere an den Bereich der Wirbelkör- per hält. Oberhalb der Rückenmarksbogen und deren Schaltstücke erhebt sich dann die Masse der Dornfortsätze, die in unregelmässiger Weise, durehaus nicht jedem Wirbelkörper entsprechend in unregel- mässig polygonale und dreiseitige, durch Bindegewebsmasse nahtartig verbundene Stücke zerfallen. An den Rumpfwirbeln (Fig. 2e) stellen sie wie erwähnt einen First dar. Am Schwanze (Fig. 1 f, g) erheben sich, aber auch nicht jedem Wirbel entsprechend, einige Stücke zu dolchartigen, abgeplatteten nach hinten spitz auslaufenden und übergebogenen Fortsiitzen, während andere dazwischen ge- legene Stücke der Dornfortsatzmasse kleinere, verschieden hohe, mehr senkrecht gestellte, platte, dreieckige Spitzenfortsätze zeigen (Fig. 1f). Die Haemapophysen oder unteren Bogen des Schwanzes (Fig. 1) entspringen nicht in der ganzen Breite der Unterfläche der Wirbel- körper und schliessen somit im Bereiche des Intervertebralraumes nicht mit ihren Basen aneinander. Immerhin ist die Form und das Verhalten derselben ein sehr gleichmiissiges. An der Basis verbrei- tert und nach vorn abwärts gerichtet verschmälern sich dieselben ventralwärts ziemlich gleichmässig. An der Spitze sind dieselben (Fig. Ic) zu breiten, verschieden grossen, rechteckigen Platten, die >pinae haemales ausgewachsen, welche nahtförmig, durch sparsames Bindegewebe mit einander verbunden einen unteren Längskamm dar- stellen. Mit den eigentlichen unteren, die Caudalgefässe umschlies- senden Bogen umgrenzen sie unregelmässig vierseitige, durch Binde- gewebe ausgefüllte Lücken. An den Rumpfwirbeln erscheinen die gespaltenen Haemapophysen als horizontal nach aussen und hinten gerichtete Rippen (Fig. 3), dieselben schliessen jedoch bei den Meerengeln so dicht aneinander Fig. 2 4, dass dieselben in ihrer 22" 334 C. Hasse Gesammtheit eine Längsleiste darstellen, welche an der dorsalen Fläche ausgehöhlt erscheint, und deren einzelne, in die Wirbelkör- per eontinuirlich übergehende Elemente (Rippen) durch Naht ver- bunden sind. Zwischen den Basen derselben, dem Zwischenwirbelraum entsprechend, findet sich eine Oeffnung, die offenbar zum Durehtritt dorsaler Gefässe dient. 3ezüglich des inneren Baues, habe ich mancherlei als Er- gänzung meiner ersten Arbeit nachzutragen und ich freue mich, dass dadurch die Beobachtungen KÖLLıker’s!) in vielen Puncten unterstützt werden. Vor allem ist das Verhalten der Gefässe er- wähnenswerth (Fig. 4) und stimme ich KÖLLIKER, der offenbar er- wachsene Exemplare untersucht hat, für diese vollkommen bei, dass eine grosse Anzahl Gefässe in radiärer Richtung, von der Peripherie bis zum centralen Doppelkegel eindringt. Da nun die Gefässe, wie wir wissen, von verkalktem Knorpel begleitet werden, so bekommt der Wirbel auf dem Durchschnitt, neben der eoncentrischen Lagerung verkalkter Knorpelschichten ein ausserordentlich zierliches, strahlen- förmiges Aussehen (Fig. 4), welches um so zierlicher erscheint, als die Gefässe bei der Betrachtung mit blossem Auge ziemlich gleiches Kaliber und gleiche Abstände von einander besitzen. Die beiden bei jungen Individuen ursprünglich an den Basen der Neurapophy- sen eindringenden Gefässe sind als solehe nicht mehr gegenüber den . übrigen zu unterscheiden. Mit der Zahl der in radiärer Richtung von allen Seiten her eindringenden Gefässe wird demnach das Cali- ber derselben allmälig bis zur Grösse der übrigen abgenommen ha- ben. Am wenigsten erscheinen dabei die Gefässe in der dorsalen und ventralen Mitte entwickelt und das erklärt das präponderi- rende Wachsthum der Seiten. Bei diesem Verhalten kann es nun auch nicht überraschen, dass die von mir als characteristisch er- wähnte Oeffnung an den Basen der oberen Bogen bei erwachsenen Thieren nicht mehr zu unterscheiden ist. Bezüglich der Gefässaus- breitung in die Tiefe habe ich dem früher Gesagten Nichts beizu- fügen und weiteren Untersuchungen namentlich der Injeetion muss es vorbehalten bleiben das nähere Verhältniss des Blutstromes nach- zuweisen. Den früheren Angaben über die mikroskopische Structur der den Wirbel zusammensetzenden Elemente habe ich nur hinzuzufügen, dass sich in den Lagen hyalinen Knorpels, die mit den verkalkten | Eure: £ Die fossilen Wirbel. 899 in so regelmässiger Weise abwechseln, in grösserer oder geringerer Ausdehnung zwischen den radiär gestellten Knorpelzellreihen Kalk- krümel ablagern (Fig. 5 a) und an der Grenze der verkalkten Lagen eine zusammenhängende Schicht bilden. Somit zeigen die hyalinen Abschnitte bei erwachsenen Thieren das erste Stadium ossifreirenden Knorpels. Wichtige Veränderungen sehen wir an der aus hyalinem Knorpel bestehenden. fortsatzbildenden Schicht auftreten. Einmal geht dieselbe, wenn auch in der dorsalen und ventralen Mittellinie weniger entwickelt als ringförmige Lage rings um den eigentlichen Wirbelkörper (Fig. 4a) und somit treten die Angaben KÖLLIKER’S in ihr Recht, und dann zeigt sich die oberflächliche Verkalkung an derselben sowohl, wie an den oberen und unteren Bogen resp. Rip- pen an allen Stellen des Körpers und nicht blos, wie KOLLIKER an- gibt, am Schwanze so stark und ausgedehnt, dass dadurch den Wir- beln fast ein knöchernes Aussehen verliehen wird. Die Verkalkung, welche sich bei jüngeren Thieren auf die Innen- und Aussenfläche der Bogen beschränkte, breitet sich bis zur Spitze der Neur- und Haemapophysen, resp. Rippen, so wie an der Wand des Canalis neu- ralis und haemalis resp. der Unterfläche der Rippen aus und bekleidet sowohl die Seiten, wie die dorsale und ventrale Fläche der Wirbelkör- per, wenn auch an letzteren in dünnerer Lage. Die oberflächliche Verkalkung ist aber keine gleichmässige, sondern erscheint in ein- zelnen Territorien und somit erklärt sich das zierliche Mosaik, wel- ches die Oberfläche der Wirbel bedeckt (Fig. 1, 2 a). Gehen wir nun zur Betrachtung der den Meerengeln angehöri- rigen fossilen Wirbel über, so ergibt sich, dass wenn der Arten- reichthum derselben in früheren Erdperioden auch kein sehr grosser zu sein scheint, derselbe dennoch weit beträchtlicher als jetzt ist, und ich zweifle nicht daran, dass auf Grund der vorliegenden Be- obachtungen weiter geführte Untersuchungen die Zahl der Funde bedeutend vermehren werden. Ich muss aber dabei ausdrücklich hervorheben, dass es in den meisten Fällen durchaus nicht genügt, so charakteristisch die äusseren Formverhältnisse der Wirbel leben- der Squatinae sind, sich bei der Untersuchung fossiler Wirbel an diese allein zu halten. Die Klarlegung der inneren Structurverhiilt- nisse ist durchaus nöthig. Es ergibt sich nämlich aus meinen bisherigen Beobachtungen, dass unter den fossilen Meerengeln zwei Arten zu unterscheiden sind, von denen die eine zahlreichere, die nächsten Verwandten und 336 C. Hasse Vorläufer unserer jetzt lebenden Squatina vulgaris enthält, während die andere sparsamer vertretene als ausgestorbene Form zu betrach- ten ist, wenn, was nicht gerade sehr wahrscheinlich, Untersucher, die sich in einer glücklicheren Lage als ich befinden, im Stande sein sollten nachzuweisen , dass Squatina fimbriata im Bau ihrer Wirbel Verhältnisse wie diese darbietet. Ich will dieselben, da es ja unmöglich ist sich ein Bild der Formverhältnisse des gesammten Körpers zu machen als Squatinae vert. oblong. und Squatinae vert. rotund. bezeichnen. Letztere sind mir nur aus zwei Fundorten, aus dem Pläner Kalk, Strehlen, und aus der Molasse, Pfullendorf (Bad. Seekreis) bekannt. Erstere finden sich in dem Museum zu Dresden, letztere in der Sammlung der Freiburger Universität und beide kommen ne- ben den Repräsentanten der ersteren Art vor. Eine Uebersicht der fossilen von mir untersuchten Squatinae er- gibt nun folgendes Resultat. Oberer Jura. Squatina acanthoderma (Nusplingen Beerathal) Museum München) Squatina alifer ‘Thaumas) (Solenhofen) (Museum München). Obere Kreide. Turon. Squatina vert. oblong. (Pläner Kalk, Strehlen) (Museum Dresden). Squatina vert. rotund. (Pläner Kalk, Strehlen) (Museum Dresden). Senon. Squatina vert. oblong. (Maestricht) (Museum Leyden) ( Museum Miinchen) . Squatina vert. oblong. (Ciply) (Museum München). Squatina vert. eblong. Aachen) (Museum Berlin). Die fossilen’ Wirbel. 337 Tertiärperiode. Oligocaen. Squatina vert. oblong. (Osterweddigen) (Museum Miinchen). Molasse. Squatina vert. oblong. \ Pfullendorf (Bad. Seekreis) (Museum Frei- Squatina vert. rotund. J burg). Soweit sich nun Schliisse aus Abbildungen ziehen lassen, ge- hören zu den Squatinae noch einige der von KIPRWANOFF!) und GEI- nitz?) beschriebenen Wirbel mit kreisförmigen Wänden: allein ob alle Wirbel, welche Grrnrrz dahin rechnet (Pliner, Strehlen, Weinböhla, Hundorf (Böhmen), Oppeln, Quedlinburg ete.) wirklich zu den Meer- engeln gehören, ist mir nach den Untersuchungen, die ich an dem mir gütigst aus dem dresdener Museum zur Disposition gestellten Materiale angestellt habe, im höchsten Grade zweifelhaft. Wenige Wirbel haben mir bei der Untersuchung solche Schwierigkeiten be- reitet, als gerade aus dem Pliner sowohl von Dresden, wie von Weinböhla, welch Letztere dem berliner Museum angehören. Abge- sehen von Ganoiden sind Wirbel von Lamnae zahlreich darunter ver- treten, und es ist namentlich bei den eigenartigen Stücken, die Reuss als Patella beschreibt und Grrirz*) abbildet, unzweifelhaft, dass die- selben der Familie Lamna angehören. Ich möchte nicht ohne die eingehendste eigene Untersuchung ein abschliessendes Urtheil über die Zugehörigkeit aller Wirbel mit kreisförmigen Wänden fällen. allein auf der anderen Seite nicht die Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne darauf aufmerksam zu machen, dass eine Revision des Materiaies auf Grund mikroskopischer Analyse durchaus nöthig ist. Es wird dadurch die Zahl der Squatinae jedenfalls vermehrt werden, wie ich es auch nicht für unmöglich halte, dass sich unter anderem auch unter den von GEINITZz im ersten Bande seines Werkes Taf. 65 Fig. 35 bis 41 aus dem unteren Pliner von Plauen und von Gamig- hiigel noch Squatinae verbergen. Weiterhin wird die Unterscheidung noch dadurch besonders schwierig, dass sich unter den Wirbeln aus dem Pläner Formen verbergen , die einer eigenen, wie es scheint 1) Fischüberreste im kurskischen eisenhaltigen Sandsteine. 2) Das Elbthalgebirge in Sachsen. Bil. e. ' Taf. 39 Fig: 3. 338 C. Hasse vollkommen ausgestorbenen Familie angehören, welche sich eben- falls durch kreisförmige Wände (GEINITZz, KIPRIJANOFF) auszeich- nen. Ich werde nicht verfehlen, sobald ich über die Stellung der Träger derselben vollkommen im Klaren bin, ausführlich auf diesel- ben zurückzukommen. Aus der äusseren Form der fossilen Wirbel lassen sich also, wie wir gesehen haben, nicht unter allen Umständen sichere Schlüsse auf die Zugehörigkeit zu den Squatinae machen, dagegen kann man aus den inneren Structurverhältnissen nicht unschwer ein allgemei- nes, characteristisches Merkmal ableiten und stelle ich dasselbe hier- mit an die Spitze. Die Wirbel bestehen aus concentrischen Lagen ver- kalkten Knorpels, zwischen denen im fossilen Zu- stande die Schichten hyalinen Knorpels fast vollkom- men ausgefault und durch Gesteinsmassen ersetzt sind. Diese concentrischen, durchgehenden Lagen werden in regelmässiger Weise von radiären Strahlen, den an den Wänden aus verkalktem Knorpel bestehenden Gefäss- ceanälen durchsetzt, welche bis an den compakten, cen- tralen Doppelkegel reichen und desto zahlreicher sind, je älter das Thier ist. Es findet sich im Inneren nie- mals eine Spur der der Familie Lamna, Carcharias ete. eigenthümlichen, vier keilförmigen und eine Kreuzfigur bildenden Lücken, welche im Leben zur Aufnahme der Basen der Neur- und Haemapophysen dienen. Die con- centrische und radiäre Streifung geht somit immer durch den ganzen Wirbel. Hat man es mit Wirbelbruchstücken zu thun, so muss die mi- kroskopische Untersuchung das Vorhandensein von mit Gesteins- massen erfüllten oder leeren, radiären Canälen nachweisen, da an- derweitig bei vorhandener radiärer und concentrischer Streifung eine Verwechslung mit Wirbeln aus der Familie Lamna möglich ist. Fehlt die radiäre Streifung und lässt die Grösse der Wirbel oder Wirbelbruchstücke es zweifelhaft, ob man es mit einem jungen In- dividuum zu thun habe, so ist der fast vollständige Mangel des or- ganischen Gewebes zwischen den concentrischen Lagen des verkalk- ten Knorpels für Squatina entscheidend. Ich hebe letzteren Umstand ausdrücklich hervor, weil sonst Verwechslungen mit den eigenartigen Wirbeln einer wahrscheinlich ausgestorbenen Familie vorkommen Die fossilen Wirbel. 339 können. Ich würde diese Familie bereits mit den Squatinae zusam- men abgehandelt haben, wenn ich nicht bis dahin der Möglichkeit der Untersuchung einiger seltener Haie, namentlich aber des Rhino- don beraubt gewesen wäre. Vielleicht darf ich hoffen, dass diese Zeilen einen oder den anderen meiner Herren Collegen veranlassen werden mir Rumpf- und Schwanzwirbel dieser seltenen Form behufs Untersuchung zur Disposition zu stellen. Unter allen fossilen Wirbeln nähern sich die aus der oberen Kreide von Maestricht, welche dem Reichsmuseum in Leyden ange- hören, am meisten denen von Squatina vulgaris. Sie sind sämmt- lich Rumpfwirbel und prachtvoll erhalten. Alle zeigen nicht unbe- deutende Reste der Neurapophysen und der Rippen. Die Wir- belhöhlung (Fig. 6c) zeigt in characteristischer Weise die dorsale und ventrale Einziehung und an der Peripherie das ebene Feld des cen- tralen Doppelkegels, welches den peripheren Theilen des Interverte- bralgewebes zur Anheftung dient. Dasselbe ist der Fall bei dem Wirbel aus dem Oligocaen (Osterweddigen) (Fig. 11 a). Die Wir- beloberfläche ist an den Seiten glatt mit nur unbedeutend aufgewor- fenen Rändern am Zwischenwirbelraum. Hier und da lässt sich deutlich die musivische Zeiehnung, der Ausdruck der Verkalkungs- territorien an der Oberfläche der fortsatzbildenden Schicht, erken- nen (Fig. 7a). Auch erscheinen an einzelnen Stellen feine Gefäss- öffnungen. An der dorsalen Fläche (Fig. 7 4) befindet sich eine flache, vierseitige Grube, deren seitliche Ränder mehr oder minder aufgeworfen sind und in deren Grunde zwei flache, vierseitige Felder erscheinen. Die aufgeworfenen Seitenränder sind die Reste der oberflächlichen Verkalkungen der Neurapophysen, die beiden Felder im Grunde der Ausdruck der hyalinen Knorpelmasse an der Basis der oberen Bogen auf dem eigentlichen oder chordalen Wirbelkör- per. Zwischen ihnen liegt derselbe grösstentheils unbedeckt von der verkaikten Masse der skeletogenen oder fortsatzbildenden Schicht, welche den Boden des Riickenmarkscanales bilden sollte. Dieselbe ist offenbar weggebröckelt und es finden sich nur mehr oder minder bedeutende Reste derselben vorn und hinten (Fig. 7 ¢). Nur an einem Wirbel (Fig. Se, gelang es mir auf dem Querschnitt in. der ganzen Ausdehnung zwischen den Basen der oberen Bogen die am Boden des Rückenmarkscanals befindliche verkalkte Lage der ske- letogenen Schicht nachzuweisen. Auch an der ventralen Fläche ist die oberflächliche, verkalkte Lage der fortsatzbildenden Schicht nur höchst unvollständig erhalten und auf unbedeutende Reste an 310 © Hasse der Peripherie beschränkt, so dass die untere Fläche des chordalen Wirbelkörpers mit ihren feinen Gefässöffnungen frei zu Tage liegt. Seitlich erheben sich dann die verkalkten Partien der Rippenwurzeln als kurze Fortsätze (Fig. 8 46). An dem Wirbel von Osterweddigen fehlte jede Spur der Bogen. Der mediane Querschnitt (Fig. 5) lässt die Structur des Squa- tinawirbels deutlich zu Tage treten, die sich in Nichts von der des lebenden unterscheidet, wie ein Blick auf die entsprechenden Figu- guren 8 und 4 lehrt. Besonders interessant ist bei diesen Wirbeln das Verhältniss der fortsatzbildenden, skeletogenen Schicht. Die hyaline Lage derselben ist ebenso vollständig, wie die unter der n elastica externa gelegene Schicht hyalinen Knorpels (siehe meine erste Arbeit) des eigentlichen Wirbelkörpers verschwunden und es zeigt sich somit zwischen dem eigentlichen Wirbelkörper und den verkalkten Partien der skeletogenen Schicht ein mit amorpher Kreide- masse erfüllter Raum , der an der Grenze des Wirbels gegen den Zwischenwirbelraum selbstverständlich sein Ende findet, da hier das periphere Ende des centralen Doppelkegels mit den verkalkten Par- tien der skeletogenen Schicht verschmolzen ist. Dadurch entstehen eben die leicht aufgeworfenen vorderen und hinteren Ränder des Wir- belkörpers. Der Wirbel aus dem Oligocaen (Osterweddigen) war abgesehen von dem Mangel der äusseren fortsatzbildenden Schicht in histiologi- scher Beziehung vielfach interessant. Einmal zeigte er sehr deut- lich die sternförmige Einschnürung der Chorda im Centrum (Fig. 12), wie ich sie in meiner ersten Arbeit von den Wirbeln lebender Squatinae beschrieben habe, ferner war auch bei diesem Wirbel die centrale an die elastica interna stossende, hyaline Knorpellage, wenn auch undeutlich in ihrer Structur nachweisbar (Fig. 13 5). Vor Allem aber war das Verhalten der Massen im Bereiche der concentrischen Lagen hyalinen Knorpels von Interesse. In den centralen Theilen des Wirbels zeigte sich die Knorpelmasse nicht vollständig von amorphen Gesteinsmassen verdrängt, sondern hin und wieder erschei- nen Inseln petrificirten Knorpels (Fig. 13 f) mit den Knorpelhöhlen in radiärer Richtung angeordnet. Es kann das nicht überraschen. da ich bereits von den Wirbeln erwachsener lebender Thiere hervor- sehoben habe Fig. 5) dass sich in der Zwischenzellsubstanz der hyalinen Knorpellagen in grösserer oder geringerer Ausdehnung Ab- lagerungen von Kalksalzen geltend machen. Das Gewebe wird da- dureh resistenzfäbiger uud leichter fossilisirt. Auch die Lagen von Die fossilen Wirbel. 94l Kalkkrümeln an der Grenze der verkalkten Knorpellagen lassen sich in der ganzen Dicke des Wirbels deutlich nachweisen (Fig. 14 d). An der Peripherie des Wirbelkörpers bieten im Uebrigen die Lagen, die im Leben durch Hyalinknorpel vertreten sind, ein anderes Bild dar, als im Centrum. Es kann das übrigens nicht überraschen, da dieselben jüngere Bildungen sind. Der Wirbel wächst ja durch immer neue Ablagerungen von Knorpel an der Peripherie und somit werden die jüngsten Schichten aus nicht verkalktem Hyalinknorpel bestehen, während sie gegen das Centrum hin immer reichlicher Kalksalze in die Zwischenzellsubstanz aufnehmen. Der fossile Wir- bel wird daher an der Peripherie zwischen den verkalkten Knorpel- lagen schwerlich Spuren hyalinen Knorpels zeigen, und so verhält es sich auch. Derselbe ist vollkommen ausgefault. Die Art und Weise aber der Ausfüllung der dadurch entstehenden Räume von Seiten der Versteinerungsmassen bietet ein äusserst zierliches Bild, das sich bei den fossilen Wirbeln der verschiedensten Thierklassen häufig findet. An der centralen, wie peripheren, der wie im Cen- trum mit Kalkkrümeln belegten Fläche der verkalkten Knorpel- schichten wird in concentrischen , wellig verlaufenden, glasklaren Lagen (Fig. 14c) Gesteinsmasse (Kiesel?) abgelagert, so dass schliess- lich im Centrum nur feine unregelmässige Spalträume übrig bleiben, die wie die Höhlen der Knorpelzellen hier und da mit schwarzen oder schwarzbraunen Substanzen gefüllt sind. Von dem eigenthüm- lichen Canalsystem, welches so besonders deutlich an dem Wirbel aus der oberen Kreide (Ciply) in den verkalkten Knorpellagen zu Tage trat, war weder bei diesem, noch bei einigen anderen Wir- beln von Squatina etwas zu sehen, dagegen liessen sich die von mir erwähnten Lagen des centralen Doppelkegels recht gut an allen nachweisen. Unserer jetzt lebenden Squatina nahestehend waren ganz ahge- sehen von Squatina acanthoderma und alifer jedenfalls auch die Träger der Wirbel aus dem Senon (Aachen), deren mikroskopischer Bau sich in Nichts von dem Wirbel aus dem Oligocaen unterschei- det, wie dasselbe auch mit den Maestrichter Wirbeln des münchener Museum der Fall ist. Die Wirbel von Squatina (Thaumas) alifer, deren Untersuchung ich der Güte meines Herrn Collegen Zrrren verdanke, gehören einem sehr jungen Thiere an und zeigten sich stark comprimirt, liessen jedoch mikroskopisch, wenn auch mit Mühe. die characteristi- 349 C. lasse sche Structur der Squatinawirbel erkennen und bestätigten auf diese Weise die von GIEBEL aus der allgemeinen Gestalt und von mir aus den Placoidschuppen gewonnene Diagnose. Die Zahl der concen- trischen Schichten ist eine sehr geringe 2—». Von der fortsatz- bildenden Schicht findet sich keine Spur. Wahrscheinlich ist aber während des Lebens des Thieres die Zahl der Lagen des eigent- lichen Wirbelkörpers eine grössere gewesen. Es mögen bei dem Ausfaulen der hyalinen Knorpelmasse und der Compression, die der Wirbel durch die Gesteinsmassen erfahren hat, wohl einzelne Lagen des verkalkten Knorpels so zusammengeschoben sein, dass sie unter dem Mikroskop als zusammenhängende Schicht erscheinen. Wahrhaft gigantische Thiere müssen die Träger der oblongen Wirbel aus der Molasse von Pfullendorf (Bad. Seekreis) gewesen sein, für deren Ueberlassung ich meinem Herrn Collegen FiscHER herzlich verbunden bin. Sie fanden sich neben den runden Squa- tinawirbeln, solchen die zur Familie Lamna gehören und ferner mit Wirbeln, deren Diagnose ich bereits an dieser Stelle richtig stel- len möchte. QuENSTEDT!) bildet die Gleichen auf Taf. XVI Fig. 4 und Taf. XXIV Fig. 2 beide aus der Molasse von Pfullendorf ab. Erste- rer trägt die Bestimmung als Galeus, letzterer die von Spinax. We- der der eine noch der andere ist aber ein Wirbel eines Plagiostomen, sondern gehört, wie ich später in dem betreffenden Absehnitte an der Hand der mikroskopischen Analyse zeigen werde, Ganoiden an und namentlich gehört der als Spinax bestimmte zu einem Ganoiden, welcher dem jetzt lebenden Polypterus nahe verwandt, wenn nicht gar selber ein fossiler Polypterus ist. Die freiburger Squatinawirbel waren unrichtig als Galeocerdo zugehörig bestimmt und gehören offenbar der Wurzel des Schwanzes an. Diese Wirbel (Fig. 9, 10) zeigen die oblonge Form in einer Weise ausgeprägt, wie kaum bei einem der übrigen Repräsentanten der Familie und namentlich lassen sie die starke, leistenartige Vor- ragung an der Mitte der Seitenfläche erkennen, auf die ich bereits bei den Schwanzwirbeln der lebenden Meerengel aufmerksam gemacht habe. Sie ist jedoch in einem solchen Grade ausgeprägt, dass ober- halb und unterhalb derselben der Wirbel förmlich eingeschniirt er- scheint (Fig. 10). Wie bei den Maestrichter Wirbeln des leidener Museum erscheint der Rand der Wirbel am Zwischenwirbelraum ') Handbuch der Petrefactenkunde. 2. Aufl. Tübingen 1569. Die fossilen Wirbel. 343 ‘ kaum aufgeworfen. Die Seitenflächen sind in der Weise der gewöhn- lichen Squatinawirbel marmorirt, mit zahlreichen Gefässöffnungen. In der Mitte der dorsalen und ventralen Fläche befinden sich flache Vertiefungen, die wie bei den Wirbeln der oberen Kreide beschrie- ben wurde, zur Einlagerung der korpeligen Basen der Neur- und Haemapophysen dienen und in deren Grunde der eigentliche Wirbel- körper (Fig. 10 6) zum Vorschein kommt. Von den oberen und unteren Bogen finde ich so gut wie gar nichts erhalten, wie über- haupt der Erhaltungszustand gerade dieser Wirbel kein sonderlicher ist. Sie erscheinen im höchsten Grade bröcklich. Das zeigt sich an dem mir vorliegenden Exemplare auch darin, dass auf der einen Seite der centrale Doppelkegel in der Wirbelhöhlung (Fig. 9 a) bis auf Theile im Centrum abgebrochen ist. Der Chordacanal ist, wie es oftmals an den Squatinawirbeln der Fall, excentrisch ge- lagert. So sehr nun die äusseren Formverhältnisse der Wirbel mit de- nen der unserer Squatina vulgaris am nächsten stehenden fossilen Repräsentanten der Familie übereinstimmen, so bietet doch der in- nere Bau eine solche Abweichung, dass die Träger wahrscheinlich eine besondere Stellung in der Familie beanspruchen können. Sie bilden meiner. Meinung nach ein Bindeglied zwischen den unseren lebenden Meerengeln nahestehenden Squatinae mit oblongen und den ihnen am fernsten stehenden mit runden Wirbeln. Damit soll nun aber nicht ohne Weiteres gesagt sein, dass diese sich aus jenen oder umgekehrt entwickelten, es ist recht wohl möglich, dass sie gleich- berechtigte Nachkommen einer Stammform sind, die in der älteren jurassischen Periode oder früher existirte. Ich finde die Vermittlung in der Form des eigentlichen oder ehordalen Wirbelkörpers (Fig. 102), die durchaus von der der jetzt lebenden Squatina und ihrer nächsten fossilen Verwandten abweicht, dagegen mit der übereinstimmt, welche die Squatinae mit runden Wirbeln darbieten. Bei Squatina vulgaris und deren nächsten Verwandten zeigt der chordale Wirbelkörper (Fig. 4, 8) im Ganzen die Form des ge- sammten Wirbelkörpers (eigentlicher Wirbelkörper und die Beleg- masse von Seiten der fortsatzbildenden oder skeletogenen Schicht). Er erscheint auf dem Querschnitt oblong mit nicht selten gut aus- ‚ geprägter dorsaler und ventraler Einbuchtung. Bei dem Pfullendor- fer Wirbel ist er jedoch rund, wenn auch an der ventralen Seite etwas breiter als an der dorsalen (Fig. 10). Die oblonge Form wird also wesentlich durch das seitliche Wachsthum der skeletoge- 344 C. Hasse nen oder fortsatzbildenden Schicht, die im Uebrigen durch das Aus- faulen der centralen hyalinen Knorpelmasse derselben wie bei den Wirbeln aus Maestricht scharf gegenüber dem eigentlichen Wirbel- körper getrennt ist, zu Wege gebracht. Dieses mächtige Auswach- sen derselben nach der Seite ist ja übrigens bei Squatina vulga- ris und deren fossilen Verwandten bereits angedeutet, da, wie ich früher hervorgehoben habe, die Stärke der skeletogenen Schicht an der Seitenfläche der Wirbel stets beträchtlicher ist als an der dorsalen und ventralen, und das findet, ja seine Erklärung in dem Herum- wachsen der fortsatzbildenden Schicht gegen die dorsale und ventrale Mittellinie während der Entwicklung. Die Bildung an den Seiten ist also der oben und unten zeitlich stets voraus. Der Bau des eigentlichen Wirbelkörpers (Fig. 10) bietet im Uebrigen nichts besonders Abweichendes dar und ich habe deswegen die mikroskopische Analyse unterlassen um so mehr, weil das spar- same Material die grösste Schonung erheischte. Sie wäre aber, so klar die Verhältnisse auch liegen, doch nicht überflüssig, namentlich mit Bezug auf die periphere, fortsatzbildende Schicht, die bereits bei der Betrachtung mit blossem Auge manches Interessante darbietet (Fig. 10 a). Sie ist natiirlich die miichtig entwickelte, verkalkte Lage dersel- ben (die centrale hyaline Schicht ist ausgefault) und zeigt eine ähn- liche Structur und somit ein ähnliches Wachsthum, wie der eigent- liche Wirbelkörper. Sie ist wie dieser concentrisch geschichtet, allein scheinbar nicht aus abwechselnd hyalinem und verkalktem Knorpel, sondern bei oberflächlicher Betrachtung gleichmässig aus letzterem be- stehend. Woher nun aber die regelmässige Aufeinander folge stärkerer, heller und schmälerer, dunklerer Lagen? Wenn ich auch glaube, dass es nur auf einem dichteren Gedrängtsein verkalkter Lagen und dem entsprechender Diekenabnahme hyaliner Schichten beruht so gibt darüber doch nur das Mikroskop Auskunft. Vielleieht wird durch eine solehe Untersuchung Lieht in die Art und Weise des Wachs- thums sowohl dieser Schicht, wie des eigentlichen Wirbelkörpers gebracht, Verhältnisse, die an den lebenden Thieren durchaus noch nicht Gegenstand sorgfältiger, entwicklungsgeschichtlicher Unter- suchungen gewesen sind. Wahrscheinlich werden hier Appositions- und Resorptionsvorgänge eine ähnliche Rolle, wie im Knochen spie- . len. Solche Vorgänge sind mit Bezug auf den Knorpel kaum Gegenstand der Forsehung geworden. Wie bei dem eigentlichen Wir- belkérper, so durchsetzen selbstverständlich die Gefässe, der Grösse Die fossilen Wirbel. 345 der Wirbel entsprechend, reichlich die Schicht in der bekannten ra- diären Richtung. Was nun diejenigen oblongen Wirbel, die dem Pläner Kalk bei Strehlen entstammen, und welche ich den Squatinae zuschreibe betrifft, so muss ich von vorn herein betonen, dass meine bisherigen Beobachtungen durchaus nicht den Anspruch auf Vollständigkeit er- heben und alle Strueturverhältnisse ausreichend ergründet haben. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass Untersuchungen an einem grösseren und besser conservirtem Material aus diesen Schichten man- cherlei neue Thatsachen zu Tage fördern werden, und wenn ich auch nicht zweifle, dass die jetzt zu schildernden Wirbel Squatinae angehören, so fragt sich doch immerhin, in wie weit nähern oder entfernen dieselben sich von denen der jetzt lebenden Meerengel. Auf diese Frage vermag ich nur unvollkommene Antwort zu geben und kommenden Forschungen mag es vorbehalten bleiben hier vollkom- men Lieht zu schaffen. Ich bin einstweilen geneigt auch in ihnen Uebergangsformen zu den Squatinae mit runden Wirbeln zu sehen, wenn die Uebergänge sich auch an andere Verhältnisse knüpfen, wie bei den Wirbeln aus der Molasse. Die Wirbel sind leider sämmtlich von hinten nach vorn stark eomprimirt und zugleich sind die Wirbelhöhlenflächen gegen einander verschoben und die zwischen den Wänden des centralen Doppelkegels sich ausspannenden concen- trischen Lagen verbogen und verworfen, wie das namentlich Quer- schnitte auf das deutlichste lehren. Dadurch wird die Reinheit der Beobachtung sehr getrübt. Die Form derselben ist also oblong, an den grösseren mit dor- saler und ventraler Einbiegung, die an einem kleineren Wirbel nicht merkbar erscheint. An diesem (Fig. 15 4) tritt jedoch der seitliche Vorsprung desto deutlicher hervor. Die Wirbelhöhlung zeigt an der Peripherie die Abplattung wie sie den lebenden Squatinae so ausge- prägt zukommt, wie auch den Wirbeln aus der oberen Kreide, allein die eigentliche trichterförmige Höhlung des stundenglasförmigen Wir- bels zeigt sich nicht wie bei den bisher betrachteten Squatinae glatt, sondern wie bei den Meerengeln mit runden Wirbeln und vor allem bei den Repräsentanten der Familie Lamna concentrisch gestreift. Dieses Verhalten findet seine Erklärung in der Structur des centra- len Doppelkegels. Derselbe erscheint wie bei vielen Lamnawirbeln lamellös geschichtet. Das bedingende eigenartige Verhalten der Knorpelzellen werde ich seiner Zeit in dem Abschnitte über die Familie Lamna erörtern. Im übrigen lassen sich an dem Doppel- 346 C. Hasse kegel die drei in meiner ersten Arbeit beschriebenen Lagen verkalk- ten Knorpels nicht unschwer nachweisen. Eigenthümlich erscheint bei der Grösse der Wirbel der gänz- liche Mangel von Andeutungen der oberen und unteren Bogen. Ob derselbe auf dem vollständigen Verschwinden der fortsatzbildenden, skeletogenen Schicht in Folge von ungenügender Verkalkung an der Peripherie beruht, oder ob die hyalinknorpligen Lagen nur unvoll- ständig den Wirbelkörper umgriffen, ein Verhalten, welches diese Form als eine der Stammform am nächsten stehende characterisiren würde, diese Frage wird sich nur bei grösserem, gut conservirtem Materiale entscheiden lassen. Ich finde keine Spur einer von dem eigentlichen Wirbelkörper geschiedenen, skeletogenen Schicht. Da- gegen ist es mir auffallend, dass die für die Squatinae so characte- ristischen, durch Hyalinknorpel getrennten Lagen verkalkten Knor- pels an der Peripherie so ausserordentlich dicht zusammengedrängt erscheinen, dass sie bei der Betrachtung mit blossem Auge eine zu- sammenhängende, periphere Lage verkalkten Knorpels darstellen (Fig. 15 a), die sich erst durch Hülfe des Mikroskops in ihre Ein- zelbestandtheile auflösen lässt. Uebrigens zeigen ja auch junge Exem- plare von Squatina vulgaris (siehe meine erste Abhandlung Fig. 9) einen geringeren Abstand der peripheren, verkalkten Lagen, als es im Centrum der Fall ist. Die radiären Gefässcanäle sind der Grösse des Wirbels entsprechend zahlreich und sie sowohl, wie die im Le- ben durch Hyalinknorpel ausgefüllten Räume zwischen den concen- trischen Lagen verkalkten Knorpels sind mit schönen Kalkspathplat- ten ausgefüllt. Die runden Wirbel aus dem Pläner Kalk, zu deren Beschreibung ich mich jetzt wende, bieten der histiologischen Untersuchung unge- meine Schwierigkeiten, weil der Erhaltungszustand der Elemente mit wenigen Ausnahmen ein ausserordentlich schlechter ist. Eine braunrothe Masse hat die Gewebe verändert, die verkalkte Intercel- lularsubstanz grösstentheils aufgelöst, die Knorpelhöhlen erweitert und so erscheint das verkalkte Knorpelgewebe mit Ausnahme des centralen Doppelkegels als braunroth gefärbtes, maschiges Netz- werk. Man könnte mir nun vielleicht entgegen halten, dass. ein solcher veränderter Zustand der Gewebe doch kaum einen Schluss gestatte, dass dieselben im Leben Knorpel gewesen seien, allein da- gegen ist einzuwenden, dass der Erhaltungszustand des centralen Doppelkegels und dessen Bau zeigt, dass auch in diesen Wirbeln Knorpel durchaus die Grundlage bildete. Derselbe zeigt die Lagen Die fossilen Wirbel. 347 verkalkten Hyalinknorpels, wie ich sie früher beschrieben habe. Mit dem Nachweis aber, dass es sich um Wirbel von Knorpelfischen handelt, ergibt sich dann auch aus den mikro- und makroskopischen Verhältnissen die Zugehörigkeit zur Familie Squatina. Immerhin wäre es bei der Eigenartigkeit der Wirbel sehr wünschenswerth die histio- logische Untersuchung an besser conservirten Exemplaren wieder auf- zunehmen. Die Wirbel sind durch ihre vollkommen kreisrunde, damenbrett- " artige Gestalt und durch den gänzlichen Mangel einer Spur von obe- ren und unteren Bogen characterisirt (Fig. 20). Die Wirbelhöhlung (Fig. 19) zeigt auch bei ihnen an der Peripherie das abgeplattete Feld für die Intervertebralgewebe und im Anschluss an dasselbe einige wenige breitere, concentrische Ringe (Fig. 19 4), die im Cen- trum der Aushöhlung nicht vollständig verschwinden, aber so fein und wenig vorragend sind, dass sie nicht besonders in die Augen fallen (Fig. 19). Diese Erscheinungen beruhen, wie mir scheint, auf Buchtungen des centralen Doppelkegels, die, wie vielleicht Unter- suchungen an besseren Exemplaren lehren werden, mit der ungleich- mässigen Ausdehnung der abwechselnden verkalkten und hyalinen Knorpellagen zwischen den inneren Wänden desselben zusammen- hängen. Aehnliches tritt auch bei Squatina acanthoderma (siehe meine erste Arbeit (Fig. 11]) zu Tage. Der Chordacanal liegt central. Die innere Structur des Wirbelkörpers, möge derselbe nur dem eigentlichen Wirbelkörper der übrigen Squatinae oder diesem und der fortsatzbildenden, peripheren Belegschicht desselben homolog sein (hoffentlich werden weitere Untersuchungen das klar stellen, wie ich ja bereits auf die einschlägigen Fragen aufmerksam gemacht habe), tritt auf den leicht entstehenden, vollständigen Bruchflächen zu Tage. ' Es zeigt sich eine periphere (Fig. 20 a) aus dicht gedrängten, con- centrischen Lagen bestehende, und eine centrale (Fig. 20 4) durch ihre von der ganzen Peripherie aus in gleichmässigen Abständen ausgehende, radiäre Strahlung ausgezeichnete Schicht. Die genauere Betrachtung lehrt jedoch, dass in der peripheren eine feine der cen- tralen entsprechende Richtung vorhanden ist, wie sich in der cen- tralen Zone concentrische, allein in weiteren Abständen stehende Lagen befinden. Ein mikroskopischer Dünnschhiff (Fig. 21) gibt so- fort die nöthige Auskunft. Wie bei jungen Squatinae vulgares und den oblongen Wirbeln aus dem Pläner stehen hier, nur noch viel ausge- Morpholog. Jahrbuch. 3. 253 348 C. Hasse € prägter im peripheren Drittel die eoncentrischen Lagen verkalkten Knorpels dicht gedrängt, während sie im Centrum im Leben durch Hyalinknorpel geschieden weit auseinander stehen. Die dicht gedrängt, in radiärer Richtung verlaufenden Canäle werden daher den centra- len Zweidritteln den strahlenförmigen Character geben, während da- gegen, in dem Maasse wie die concentrischen verkalkten Knorpel- lagen dichter zusammentreten, der zwischenliegende Hyalinknorpel sparsamer wird, der concentrische Bau überwiegt, der andere in den Hintergrund tritt. Bei dem colossalen runden Squatinawirbel aus der Molasse (Pfullendorf) (Fig. 16) tritt bei mikroskopischer Untersuchung der histiologische Character der Meerengelwirbel klar und deutlich zu Tage und wäre es überflüssig und nur eine Wiederholung hier noch einmal auf alle Einzelheiten des mikroskopischen Baues einzugehen, allein wie bei den Wirbeln aus dem Pläner sind auch bei diesen noch die wichtigen Fragen nach dem Antheil, den skeletogene Schicht und eigentlicher Wirbelkörper an dem fossilen Wirbel haben, zu lösen. Es handelt sich ja dabei wie wir wissen um Fragen, die für die specielle Verwandtschafts- und Stammeslehre der Squatinae von erheblicher Wichtigkeit sind. Das Material der freiburger Samm- lung war leider ein zu beschränktes, um darauf eine präcise Ant- wort geben zu können und doch wären bei der prachtvollen Conser- virung der Gewebe gerade diese Wirbel zur Lösung der Fragen be- sonders geeignet. Vielleicht birgt die tübinger Sammlung, die mir leider trotz wiederholten freundlichen Anklopfens verschlossen ge- blieben ist, Material, um zu entscheiden, in welchem Verhältniss während des Lebens die oberen und unteren Bogen zum Wirbelkör- per standen. Ob die grosse Oeffnung an der Seitenfläche des Wir- bels (Fig. 16) in irgend einer Beziehung zu ihnen steht, ich vermag es nicht zu entscheiden. Uebrigens zeigen die Wirbel bereits bei der Betrachtung von der Seite die Gestalt der Squatinawirbel na- mentlich der des Rumpfes. Sie sind rechteckig ohne aufgeworfene Ränder, mit zahlreichen Gefässöffnungen an der Oberfläche (Fig. 16). Das abgeplattete Feld der Wirbelhöhlung fehlt auch diesen Wirbeln nicht, während die concentrische Ringbildung in ihr undeutlicher wie bei den Wirbeln aus dem Pläner zu Tage tritt. Im Uebrigen tritt bei ihnen, wie bei denen aus dem Pliner die Verdichtung der con- centrischen verkalkten Knorpellagen im peripheren Drittel aufs deut- lichste zu Tage, und zwar in einem solchen Grade, dass nahe der Oberfläche nur äusserst sparsame Lücken vorhanden sind, die im Die fossilen Wirbel. 349 Leben mit Hyalinknorpel ausgefüllt waren. Interessant war mir, dass an diesen in histiologischer Beziehung prachtvoll erhaltenen Wirbeln das in der ersten Arbeit beschriebene Canalsystem wieder aufs Schönste zu Tage trat. Breslau, Januar 1877. Nachtrag. Ich verdanke es dem überaus liebenswürdigen Entgegenkommen meiner Herren Collegen in Belgien, dass es möglich geworden ist die Zahl der Funde fossiler Squatinae zu vermehren. Im Musée royal d’histoire naturelle, dessen reiche Schätze mir durch die Güte des Directors Herrn Dupont erschlossen worden, wofür ich ihm hiermit meinen herzlichsten Dank abstatte, fand ich neben einer Menge an- derer Plagiostomenwirbel, die noch der Bestimmung harren, eine grosse Anzahl fossiler Squatinawirbel aus der oberen Kreide (Ciply) mit denselben Characteren, wie die von mir in der ersten Abhand- lung von dem gleichen Fundorte aus der Münchener Sammlung be- schriebenen. Ferner befindet sich dort ein oblonger Squatinawirbel aus dem Crag von Antwerpen, welcher vollkommen dem von mir aus der Molasse (Pfullendorf) beschriebenen entspricht. Ebenso sah ich im Museum der Universität Lüttich aus der oberen Kreide von Mae- stricht einen mit No. 31 bezeichneten Squatinawirbel, der sich in Nichts von denen des Reichsmuseum in Leyden unterscheidet. Schliesslich habe, ich dann noch besonders hervorzuheben, dass sich den bisherigen Funden aus den verschiedenen Schichten das Pliocaen (Terrain rupelien) mit Squatina vert. obl. aus der Sammlung des Herrn Prof. van BENEDEN in Löwen an- schliesst. Die Wirbel unterscheiden sich in Nichts von denen aus der oberen Kreide (Museum Leyden) und dem Wirbel aus dem Oligocaen (Osterweddigen) und stehen somit unserer jetzt lebenden Squatina vulgaris am nächsten. Diese Wirbel sind, wie mir mein verehrter Herr College van BENEDEN, dem ich ebenfalls herzlichen Dank schulde, mündlich mittheilte, bereits von ihm selber als Squatinawirbel bestimmt und kann ich auch mit Bezug auf den mikroskopischen Bau die Richtigkeit der Bestimmung nur bestätigen. 23* Fig. Fig. 1 Erklärung der Abbildungen. mann Tafel XVII. Schwanzwirbel von Squatina vulgaris von der Seite gesehen. Natür- liche Gr. a. Wirbelkörper mit der Verkalkungsmosaik an der Ober- fläche. 6. Haemapophysen. c. Spinae haemales. d. Neurapophysen mit dem ventralen Nervencanal. e. Schaltstücke mit dem dorsalen Ner- vencanal. f. Kurze Dornen der Spinae haemales. g. Lange Dornen. Rumpfwirbel derselben Squatina von der Seite gesehen. Natürl. Gr. a. Wirbelkörper mit dem Oberfliichenmosaik. 5. Rippen. ce. Neura- pophysen mit dem unteren Nervencanal. d. Schaltstücke mit dem oberen Nervencanal. e. Spinae neurales. Rumpfwirbel derselben Squatina von der Wirbelhöhlung aus gesehen. Natiirl. Gr. a. Randsaum zur Befestigung der peripheren Theile der Intervertebralgewebe. Medianer Querschnitt durch einen Rumpfwirbel derselben Squatina. Gr. 2/;. a. Skeletogene oder fortsatzbildende Schicht (verkalkte Lage derselben). 6. Eigentlicher Wirbelkörper. e. Hyalinknorplige Lage, theils dem chordalen Wirbelkörper theils der fortsatzbildenden Schicht, angehörig. d. Rippe. e. Neurapophyse. f. Spina neuralis. Stück eines Querschnitts eines Rumpfwirbels von Squatina vulgaris. Gr. 300/,, a. Die Ablagerungen von Kalkkrümeln in den hyalinen Knorpellagen. 6. Die Kalkkrümelschicht an der Grenze der verkalk- ten Knorpelschicht e. Ein fossiler Squatinawirbel aus der oberen Kreide von Maestricht (Mu- seum Leyden). Natürl. Gr. a. Der Randsaum. 6. Die Reste der Neurapophysen. ce. Die dorsale Einziehung. Ein fossiler Squatinawirbel aus der oberen Kreide von Maestricht von der dorsalen Seite gesehen. Natürl. Gr. a. Das Oberfliichenmosaik. b. Die flachen Gruben für die Basen der Neurapophysen. c. Die Reste der skeletogenen Schicht am Boden des Rückenmarkscanals. d. Die Reste der Verkalkung an den Basen der Neurapophysen. Ein mittlerer Frontalschnitt durch einen fossilen Squatinawirbel aus der oberen Kreide von Maestricht. Natürl. Gr. a. Der eigentliche oder chordale Wirbelkörper. 6. Die Reste der verkalkten Partien der Rip- penwurzeln. ce. Die skeletogene oder fortsatzbildende Schicht. d. Die Reste der verkalkten Partien an den Basen der Neurapophysen: e. Die skeletogene Schicht am Boden des Rückenmarkscanals. f. Der nat.Or. Hasse ‚Hübner del Zah deste BA Funke Leipeia. Taf. XVII. nat Or Lah Ans B Fig. Fig. Fig. Fig. 12 Fig. Fig. 10. 14. 20. C. Hasse, Die fossilen Wirbel. ore theilweise mit Kreide gefüllte Raum zwischen eigentlichem Wirbelkör- per und fortsatzbildender Schicht. Ein Squatinawirbel aus der Molasse (Pfullendorf) von der Wirbelhöhlung aus gesehen. Natürl. Gr. a. Die Reste des centralen Doppelkegels. Ein mittlerer Querschnitt desselben Wirbels. Natürl. Gr. a. Die skeletogene fortsatzbildende Schicht. 6. Der eigentliche oder chordale Wirbelkörper. Tafel XVIII. Ein Squatinawirbel aus dem Oligocaen (Osterweddigen) von der Wirbel- höhlung aus gesehen. Natürl. Gr. a. Der Randsaum. Ein mittlerer Frontalschnitt durch denselben Wirbel. Gr. 2/;. Stück aus dem Centrum desselben Wirbels. Gr. 300/;. a. Gesteins- masse im Chordacanal. 6. Die hyaline Knorpelschicht. ce. Der cen- trale Doppelkegel. d Gefässcanal. e. Schicht verkalkten Knorpels. JF. Gesteinsmasse statt hyalinen Knorpels theilweise von petrifieirtem Knorpel durchsetzt. Stück aus der Peripherie desselben Wirbels. Gr. %/;. «a. Gefäss- canal. 6. Kalkkrümellage. e. Concentrische Lagen durchsichtiger Ge- steinsmasse (Kiesel?) an Stelle des hyalinen Knorpels. d. Die Spalt- räume zwischen denselben theilweise mit braunen oder schwarzen Mas- sen gefüllt. e. Verkalkte Knorpellage. Bruchfläche eines Squatinawirbels aus dem Pläner bei Strehlen (Mu- seum Dresden). Natürl. Gr. «. Die verdichtete Lage an der Peri- pherie. 4. Die seitliche Hervorragung. Squatinawirbel aus der Molasse (Pfullendorf) von der Seite gesehen mit ovalen Gefässöffnungen. Die Hälfte eines durch die Mitte gehenden Frontalschnitts durch den- selben Wirbel. Längsschnitt durch denselben Wirbel. «. Verdichtete periphere Lagen. b. Centraler Doppelkegel. ce. Centraler Theil des Wirbels. Runder Squatinawirbel aus dem Pläner von Strehlen von der Wirbel- höhlung aus gesehen. Natürl. Gr. a. Randsaum. D. Die concentri- schen Ringe. Vollständige Bruchfläche eines ähnlichen Wirbels aus dem Planer. Natürl. Gr. «. Die concentrischen peripheren Lagen. 5. Die radiären centralen Lagen. Stück eines Längsschnitts durch einen ähnlichen Wirbel aus dem Pläner. Gr. 2/,;. a. Die centralen Lagen. 6. Die peripheren, concentrischen verkalkten Lagen. c. Centraler Doppelkegel. Das Kopfskelet der Urodelen. Von Dr. Robert Wiedersheim, a. o. Professor und Proseetor zu Freiburg i. B. Mit Tafel XIX—XXII und 1 Holzschnitt. ; Kinleitung. Die Frage nach der Entstehung des Wirbelthierschädels war seit alter Zeit eines der Hauptprobleme der vergleichenden Anatomie und hat auch in den letzten fünfzig Jahren eine sehr verschiedene Beantwortung erfahren. Dies hatte seinen Grund in der Art und Weise der Untersuchung, die keineswegs, wie es vom heutigen Standpunet der Wissenschaft aus am natürlichsten erscheinen muss, mit den einfachsten Formen begann, sondern meistens den Säuge- thierschädel zum Ausgangspunet wählte. Was Wunder, wenn dureh Detailbeschreibung der höchsten Typen nichts erreicht wurde, als eine massenhafte Ansammlung von todtem Material, das unverstan- den in den Sammlungsschränken ruhte! Da sprang die GÖTHE- Oxen’sche »Wirbeltheorie«. ins Publikum und damit war wenigstens in sofern ein Fortschritt erreicht, als man anfing, den Schädel nicht mehr als einen dem übrigen Skelet fremdartigen Theil sondern als eine modifieirte resp. weiter entwickelte Wirbelsäule zu betrachten. Dieser Gesichtspunet war nun bis vor wenigen Jahren der massge- bende für alle Schädeluntersuchungen, welche sich nach und nach auf eine immer grössere Anzahl von Thierformen erstreckten. Während man aber hätte erwarten sollen, dass die »Wirbel- theorie« gerade durch die Verhältnisse der niederen Formen gestützt würde, machte man die gegentheilige Erfahrung und sah ein, dass hier vor Allem nicht allein mit den knöchernen, sondern auch mit den knorpeligen Theilen zu rechnen sei. Dieser neue Factor gelangte Das Kopfskelet der Urodelen. Bun} durch embryologische Studien zu immer grösserer Bedeutung und immer klarer stellte es sich heraus, dass die gerade bei den höch- sten Klassen am meisten in die Augen springende Achnlichkeit des Kopfes mit Wirbelsegmenten im Sinne von GörHE und OKEN eine nur scheinbare, dass sie ein Trugbild sei. Man sah ein, dass mit der Morphologie des Kopfskelets noch einmal von vorn anzufan- gen sei und dies geschah auch durch die Arbeiten Huxtey’s und GEGENBAURS. Durch letztere — und ich habe dabei in erster Linie diejenige über das Kopfskelet der Selachier im Auge — wurde zur Evidenz bewiesen, dass die aus dem Primorldialera- nium hervorgehenden Skelettheile »discrete Ossificationen eines stets continuirlichen Knorpelstücks« sind. »Sie sind angepasst an die Form jenes Knorpeleraniums und vergrössern sich entsprechend den Verhältnissen seines Wachsthumes.« GEGENBAUR geht dabei von der gewiss unbestrittenen Annahme aus, dass jener Zustand als der ursprüngliche angenommen werden muss, »in welchem das Knorpeleranium ohne Ossificationen bestand.« Dieser niedere Zustand findet sich.bei den Selachiern und diese sind deshalb vor- züglich geeignet, die Grundlage zu bilden, »auf welcher sich die vergleichende Anatomie des Kopfskeletes der Wirbelthiere sicherer erheben kann, als von bereits differenzirten Formen, wie es die knöchernen Cranien sind.« Dieser Satz wurde dadurch glänzend bestätigt, dass GEGENBAUR gestützt auf die Homologisirung von Kopf- (Vagus - Gruppe) und Spinal-Nerven eine Metamerie am chordalen Abschnitt des Knorpel- eranium der Selachier erschliessen konnte. Somit war die alte Wirbeltheorie, wenn auch nicht ad integrum restituirt, so doch insofern wieder zur Geltung gebracht, als wir Schädel und Wirbelsäule in morphoiogischer Beziehung von demselben Gesichtspunct aus aufzufassen haben. Auf diesem Boden nun stehen wir heute und meine eigenen Untersuchungen haben hier anzuschliessen. Dabei wäre selbstver- ständlich in erster Linie an das Kopfskelet der übrigen Fische, vor Allem an das der Ganoiden zu denken und daran würden sich dann die Teleostier anreihen. Mit den letzteren aber wären wir an einem Zweig des Thier- stammes angelangt, von wo aus kaum Ankniipfungspuncte an höhere Typen zu gewinnen sind, weshalb wir uns nach anderen, direeter zum Ziele führenden Wegen umzuschauen haben. 354 R. Wiedersheim Diese treffen wir bei den Chimären, an welche in ungezwunge- ner Weise die Dipnoer sich anschliessen. Letztere besitzen aber schon manche Eigenthiimlichkeiten der Amphibien, so dass ihnen von HuxLey mit vollem Recht ein »chi- märo-amphibienartiger Character« zugesprochen wird. Durch sie also werden wir zu den Urodelen geführt und diese treten uns in einer Formenreihe entgegen, deren einzelne Glieder sich grossentheils von einander ableiten, auseinander entwickeln lassen. Gerade dieser Umstand lässt das Studium dieser Thiergruppe als ein sehr interessantes erscheinen, zumal da uns in der Wirbel- thierwelt eine tiefere Einsicht in den Zusammenhang der Formen nicht allzuoft vergönnt, ja leider in sehr vielen Fällen ganz un- möglich gemacht ist. Wie viele Zwischenformen für uns unwiederbringlich verloren sind und wie viele noch durch die Hand des Paläontologen an’s Tageslicht gezogen werden, bleibt der Zukunft vorbehalten. Jeden- falls steht soviel fest, dass ein beträchtlicher Theil der jetzt leben- den Thierwelt nur die Endglieder einer unendlich grossen Reihe früher vorhandener Generationen darstellt. In wie weit dieser Satz auch auf die Amphibien sich bezieht, wird im Lauf dieser Untersuchungen klar werden. Die Urodelen. Nach der Beschaffenheit der Athmungswerkzeuge hat man diese Ordnung der Amphibien in drei grosse Abtheilungen zerfällt. Die unterste Stufe nehmen die sogenannten Perennibranchiaten ein, welche durch lebenslängliche Beibehaltung von Kiemen gewis- sermassen die niedrigsten Entwicklungsstadien der höheren Formen repräsentiren. Daran reihen sich die Derotremen, welche nach Abwerfung der Kiemen zeitlebens an jeder Seite des Halses ein Kiemenloch beibe- halten, somit einem höheren Entwicklungs - Stadium der dritten Gruppe entsprechen, die man mit dem Namen der Salamandri- den oder Myctodera zu bezeichnen gewöhnt ist. Letztere sind in völlig ausgewachsenem Zustand reine Lungenathmer. Will man diese auf der Beschaffenheit der Respirations-Organe basirende Eintheilung aufrecht erhalten, so geräth man in die miss- liche Lage, den japanesischen Riesensalamander nicht un- terbringen zu können. Derselbe besitzt im ausgewachsenen Zu- Das Kopfskelet der Urodelen. 355 stande weder Kiemenspalten noch Kiemenbüschel und wäre in alleiniger Erwägung dieses Umstandes zu den Salamandriden zu stellen. Vergleicht man aber seine Organisation genauer mit derjenigen der Fischmolche, namentlich von Menopoma, so wird man gewahr, dass, wenn man bei letzterem das Kiemenloch hinwegrech- net, beide die grösste Uebereinstimmung zeigen. Ich werde dies weiter unten noch genauer zu entwickeln Gelegenheit haben. Core!) hat die Unzulänglichkeit dieses Eintheilungsprineipes wohl eingesehen und deshalb eine auf der Osteologie des Schädels beruhende Classifieirung vorgeschlagen. Vom anatomischen Standpunete aus kann ich letzterer in Manchem beipflichten, ob- gleich sie, wie dies auch von A. Strauch (Revision der Salaman- driden - Gattungen 1870) sehr betont wird, für den Systematiker so lang zurückzuweisen ist, als andere, leichter wahrnehmbare Merk- male zur Eintheilung vorhanden sind. Solehe erkennt der Petersburger Gelehrte in der Abwesenheit oder geringen Entwicklung der Augenlider (Fischmolche inel. Crypto- branchus japon.) oder in der Anwesenheit derselben (sämmtliche Salamandriden). Als zweites Merkmal benützt Strauch die Stellung der Gaumenzähne. »Diese bilden bei den ausgewachsenen Salaman- driden zwei schmale, mitunter in der Mittellinie des Gaumens ver- einigte Streifen, die immer am Hinterrande der zu einem einzigen Knochen (?) verwachsenen Ossa palatina stehen und entweder den ganzen Hinterrand des Knochens einnehmen oder nur auf einen Theil desselben beschränkt sind, oder endlich am Innenrand zweier, nach hinten gerichteter, divergirender Fortsätze des Gaumenbeines sitzen: bei den Ichthyoiden hingegen zeigen die Gaumenzähne ent- weder genau dieselbe Anordnung in Haufen, welche bei den Larven der Salamandriden Norm zu sein scheint, oder aber sie stehen am Vorderrande der meist durch Naht miteinander vereinigten Ossa palatina und bilden einen Bogen, der in seiner Krümmung ziemlich genau demjenigen der Kieferzähne folgt: die erste dieser. beiden Anordnungen, wo nämlich die Gaumenzähne bürstenförmige Haufen bilden, ist im ganzen sehr selten und findet sich nur bei den (?) Arten der Gattung Siren L., die zweite dagegen kommt allen übrigen Fischmolehen, mit Einschluss der fossilen Gattung Andrias Tsch., gemeinschaftlich zu.« ') Journ. Acad. Philadelph. 2. ser. VI. 356 R. Wiedersheim Strauch hat wohl eingesehen, dass diese angeführten Unter- ~ scheidungsmerkmale nicht genügen, »sobald es sich um Larven han- delt, bei denen die Augenlider, ähnlich wie bei manchen Fisch- molehen, eine kreisförmige Falte darstellen, während die Gaumen- zähne eine bürstenförmige Anordnung zeigen.« Als drittes Merkmal wird von Strauch die Organisation des Zungenbein-Kiemenbogen-Apparates herbeigezogen, worauf ich mich aber jetzt nieht näher einlassen und dabei lieber auf diese Unter- suchungen verweisen will. STRAUCH hat es für nothwendig erachtet, sowohl die Abtheilung der Ichthyoidea, als die der Salamandriden noch einmal in zwei Tribus zu zerfällen, wobei er für die ersteren den Besitz von äusserlich sichtbaren resp. inneren Kiemen, für die letzteren die An- ordnung der Gaumenzähne der Länge (u7xog) oder der Quere und schrägen Richtung (Aéyevog) nach massgebend sein liess. Ich will diese Eintheilung hier folgen lassen und dabei immer diejenigen Gattungen, deren Vertreter mir entweder insgesammt, oder doch theilweise zur Untersuchung vorlagen, mit einem Sternchen be- zeichnen. A. Ichthyoidea. I. Phanerobranchiata. Siren *. Menobranchus *. Proteus *. II. Cryptobranchiata. Amphiuma*. Menopoma“. Cryptobranchus*. B. Salamandrida. I. Mecodonta. Salamandra *. Pleurodeles *. Bradybates. _ Triton *. Das Kopfskelet der Urodelen. 351 Chioglossa *. Salamandrina *. Il. Lechriodonta. Ellipsoglossa *. Isodaetylium *. Onychodactylus. Amblystoma (Axolotl) *. Ranodon *. Dicamptodon. Plethodon *. Desmognathus *. Anaides *. Hemidactylium. Heredia. Spelerpes *. Batrachoseps *. Wie vorstehende Tabelle zeigt, habe ich den Axolotl ohne Wei- teres zu den Amblystomen gestellt und ihn somit aus der Reihe der Ichthyoiden gestrichen. Derselbe ist bereits von Cuvier, BAIRD, Gray und Dum&rıL für eine Amblystomen-Larve erklärt worden und auch StrAucH scheint sich dieser Auffassung zuzuneigen. Wäh- rend man sich nun bis in die allerneueste Zeit mit der einfachen und absolut unerklärten Thatsache der Umwandlung abzufinden hatte, hat Weısmann (Ueber die Umwandlung des mexikanischen Axolotl in ein Amblystoma Z. f. w. Z. XXV. Suppl. B.) gezeigt, wie jene überhaupt zu denken sei. Für die Art seiner scharfsinnigen Auffas- sung sprechen zahlreiche von mir durch das Studium der Anatomie des Schädels gewonnene Thatsachen, die an der betreffenden Stelle ihre Erledigung finden werden. Was die geographische Verbreitung der Urodelen anbe- langt, so sind sie nach der übereinstimmenden Aussage von JÄGER und STRAUCH ausschliesslich auf die nördlich vom Aequator gelege- nen Gegenden beschränkt, kommen jedoch der östlichen wie der westlichen Hemisphäre in gleicher Weise zu. Ueber die Polargrenze ihres Verbreitungsbezirkes lässt sich bis dato nichts sicheres bestim- men, dagegen weiss man, dass sie auf der östlichen Halbkugel bis etwa zum 36° n. B. (Norden von Algier) und falls die Fundortsangabe >58 R. Wiedersheim von Amblystoma persimile sich als richtig erweisen sollte, bis zum 15° n. B. (Siam), auf der westlichen dagegen bis zum 5° n. B. (Neu-Granada) gegen den Aequator vordringen. STRAUCH, dem ich diese Notizen entnehme, knüpft daran folgende Bemerkung: »Dieser allerdings noch sehr mangelhaft umgrenzte Verbrei- tungsbezirk der Molche, der den grössten Theil der auf der nörd- lichen Hemisphäre vorhandenen Ländermasse umfasst und im Süden srösstentheils durch Meere oder durch wasserlose Wüsten natürlich begrenzt wird, entpricht zweien von den sechs gegenwärtig allge- mein angenommenen Faunengebieten, nämlich dem paläoarkti- schen und dem neoarktischen und lässt sich bei alleiniger Be- riicksichtigung der Salamandriden in vier scharf geschiedene und durch das Vorkommen von eigenthümlichen Arten characterisirte Bezirke eintheilen, von denen je 2 auf jedes der beiden genannten Faunengebiete entfallen. Die beiden Bezirke des paläoarktischen Gebietes werden durch die aralo-kaspischen Steppen von einander geschieden, und zwar ist die Scheidung eine sehr vollkommene, indem beide so getrennten Bezirke nicht blos keine einzige gemeinschaft- liche Species besitzen, sondern auch durch das Auftreten von völlig verschiedenen Gattungen ausgezeichnet sind; die Grenzscheide zwi- schen den beiden Bezirken des neoarktischen Gebietes hingegen wird vom Felsengebirge gebildet und ist bei Weitem nicht so vollständig, denn erstens kennt man zur Zeit bereits eine Art, Amblystoma mavortium, welche das Grenzgebirge überschreitet und sowohl im westlichen, als auch im östlichen Bezirke vorkommt, und zweitens sind die sieben für dieses Faunengebiet characteristischen Genera in ihren Arten nicht, wie auf der östlichen Halbkugel, auf einen der beiden Bezirke beschränkt, sondern drei unter ihnen besitzen zu bei- den Seiten des Felsengebirges Repräsentanten«. StRAUCH bezeichnet diese vier Bezirke mit dem Namen des circummediterranen, des asiatischen, des pacifischen und des atlantischen. Endlich noch ein Wort über die fossilen Formen der Uro- delen: Wenn man absieht von den paläozoischen Ganocephalen, so findet man nach einer an mich gerichteten, freundlichen Mittheilung Prof. Zrrrev’s und RivrieyeEr’s, eine vollständige Zusammenstellung der bis zum Jahr 1860 bekannten fossilen Urodelen in der Paläonto- graphica Vol. XII von H. v. Meyer. Es handelt sich im Ganzen um sechs mehr oder weniger deutlich getrennte Gattungen, die theils Das Kopfskelet der Urodelen. 359 den Ichthyoidea theils den Salamandriden angehört zu haben schei- nen. Sie stammen aus dem Mergel von Oeningen, aus der Braun- kohle des Niederrheines, aus dem Basalt-Tuff, der Braunkohle und dem Halb-Opal von Böhmen. Alle ohne Ausnahme gehören der Mo- lasse- oder Miocen-Zeit an und H. v. MEYER fügt die Bemerkung bei: »Aelter als tertiär sind die Batrachier überhaupt nicht.« Dieser Satz hat sich nach neueren Untersuchungen nicht bestä- tigt, was um so weniger befremdet, wenn man die niedere Organi- sationsstufe in Betracht zieht. In dem Bulletin de la société géolog. de France 3. série t. III. p. 299 theilt A. Gaupry mit, dass ihm Batrachier aus der »oberen Schicht der primären Formation«') einge- schiekt worden seien, welche ihrer ganzen Organisation nach »di minuent la distance, qui nous semblait séparer les Urodeles d’avee les Anoures«. Ich werde dieser Entdeckung ihrer ‘eminenten Bedeutung wegen später noch ein besonderes Capitel widmen; für jetzt soll es genü- gen, nur auf das Vorkommen von .Urodelen in geologisch so alten Formationen hingewiesen zu haben. Dieser in Frankreich (Saöne- et-Loire, und Millery bei Autun) gemachte Fund ist, wie aus der allerneuesten Zeit berichtet wird, nicht vereinzelt geblieben. So erfahre ich durch SANDBERGER und ZITTEL, dass derselbe Batra- chier in Thüringen (in der Dyas) »massenhaft« gefunden werde. GaupRY vermuthet, dass auch der in den Oelschiefern des Ohio (Wyman) vorkommende Raniceps (Pelion) Lyelli zu derselben Gat- tung zu rechnen sei. Somit lägen Spuren von Urodelen vor aus der Dyas von Frank- reich, Deutschland und Amerika. Es wiire fiir mich von hohem Interesse gewesen, die von Tag zu Tag sich in erstaunlicher Weise mehrenden Reste der Vorzeit Amerikas gerade auf Urodelen hin näher prüfen zu können, es mangelte mir aber die zugehörige Lite- ratur z. B. Cope’s Synopsis und andere Sammelwerke. Ich glaubte, bei dieser kurzen paläontologischen Betrachtung ganz absehen zu dürfen von den für diese Erdschichten characteri- stischen Ganocephalen, da letztere, wenn ihre Urodelen-Natur über- haupt sicher feststeht, immerhin noch durch eine ungeheure Kluft von den jetzt lebenden Formen getrennt sind. Jedenfalls sind sie meiner Meinung nach im Sinne einer fortlaufenden Reihe, deren Glieder sich auseinander entwickeln liessen, nicht zu verwenden. ') Genau genommen stammen sie aus dem »Unteren Rothliegenden«, wie mir SANDBERGER berichtet. 360 R. Wiedersheim I. Vom Cranium. Entwickelungsgeschichte. Allgemeiner Grundplan und Ossification. Ich habe hierüber wenig eigene Studien angestellt und was ich zu geben vermag, betrifft nur einige Formen der Salamandriden. Bedenkt man aber, dass der dem Schädel derselben zu Grund lie- sende Organisationsplan im Wesentlichen derselbe ist, wie er auch den Cryptobranchiaten zukommt, so lassen sich die gewonne- nen Resultate mit vieler Wahrscheinlichkeit auch auf letztere anwen- den. Somit blieben die Phanerobranchiaten davon ausge- schlossen, über deren Entwickelungsgeschichte noch gar keine Er- fahrungen vorliegen. Es ist dies um so mehr zu bedauern, als der Schädel derselben, namentlich in der Naso-ethmoidal-Gegend in sehr beträchtlicher Weise von den beiden andern Haupttypen abweicht und in jeder Beziehung eine viel niedrigere Stellung beansprucht, als jene. Eine genaue Entwicklungsgeschichte dieser Molche müsste — so viel kann ‘man jetzt schon mit Sicherheit behaupten — die werthvollsten Thatsachen liefern und eine in phylogenetischer Be- ziehung sehr fühlbare Lücke vielleicht ausfüllen können. Nachdem der Schädel aus der sogenannten Kopfbeuge mit sei- ner Längsaxe in die horizontale Stellung übergegangen ist, sieht man die nur eine kurze Strecke im hintersten Schidelabschnitt ver- laufende Chorda auf beiden Seiten von Knorpelstreifen umgeben. Diese wachsen dorsal- und ventralwärts über sie zusammen und bilden dadurch eine annähernd rechteckige, vorne halbmondförmig ausgeschnittene hyaline Basalplatte (Parachordal-Elemente: PARKER, Huxtey) (»Hüllmassen« RATHkE’s). Seitlich davon liegen die bereits deutlich entwiekelten Gehörbläschen, die noch keinen Knorpelüber- zug besitzen und zu der Basalplatte in rein appositionellem Verhältniss stehen (Paraneural-Elemente: PARKER). In der Vorwärtsverlängerung der beiden seitlichen Hörner des oben erwähnten ausgeschnittenen Vorderrandes erstrecken sich zwei in der Sagittal- Axe verlaufende Knorpelzüge, welche vor der Ge- send der späteren Lamina cribrosa von beiden Seiten zusammen- fliessen. Sie erzeugen dadurch eine mit der Concavität dem Vorderrand der Basal-Platte entgegenschauende hyaline Leiste, welche sich nach vorn in eine horizontal liegende Knorpelplatte fortsetzt. Das Kopfskelet der Urodelen. 361 Damit ist die Grundanlage, wenn ich so sagen darf, das Ge- rippe des Urodelenschädels gegeben und wir können jetzt schon an letzterem drei Hauptbezirke unterscheiden : 1) einen durch die Basalplatte repräsentirten, oceipitalen, 2) einen davon ausgehenden trabekularen, oder orbitalen, 3) einen durch die Concrescenz der Trabekeln zu einer Platte erzeugten ethmoidalen. An keiner Stelle dieses continuirlich fortlaufenden Knorpelgerüstes ist ein Zerfall in Metameren im Sinne einer Columna vertebralis zu bemerken. An der Grenze des Ueberganges vom oceipitalen in den orbitalen Abschnitt stossen wir auf das primordiale Suspensorium des Unter- kiefers, welches in seiner weiteren Entwicklung drei Fortsätze unter- scheiden lässt: 1) einen nach rückwärts schauenden, für die Anlagerung des Hyoid-Bogens, 2) einen nach vorn und einwärts am Grund der Or- bita gelegenen (Processus pterygo-palatinus) und endlich 3) einen zu demjenigen Theil des Trabekels sich erstreckenden Knorpelfaden, welchen man mit dem Namen des Alisphenoids zu bezeichnen ge- wohnt ist. Die anfangs sehr niedrigen Trabekel erheben sich mehr und mehr und erzeugen vorn im Verein mit ihrem sich gleichfalls er- hebenden zusammengeflossenen Abschnitt eine nischenartige Vertie- fung für das Vorderhirn, oder anders ausgedrückt: die erste Anlage einer hyalinen Lamina cribrosa. Zu gleicher Zeit wuchert auch die Ethmoidalplatte zum eigent- lichen Septum nasale empor und bildet nach vorn zu, mehr oder weniger eingekerbt, das knorpelige Widerlager des Zwischenkiefers. Ebenso wachsen davon aus die das Cavum nasale bald vollkommen bald nur theilweise umschliessenden häutig-hyalinen Nasenkapseln sammt dem die Choanen von rückwärts her begrenzenden Antorbi- talfortsatz. Endlich wäre noch ein, bei gewissen Arten wenigstens zu beobachtendes Rückwärtswachsen der hintersten äussersten Ecke des Nasensackes zu notiren. Diese von hier auswachsende Spange ist am besten als Ober- kieferfortsatz zu bezeichnen. Auch bei Anuren entwickelt sich der Oberkieferknorpel vom Nasengeriiste aus, wird aber nach den Untersuchungen von GÖTTE (Entwicklungsgeschichte der Unke 1875) im weiteren Verlauf der Entwicklung atrophisch und verschwindet endlich ganz, um dem mit 362 R. Wiedersheim dem Antorbital - Fortsatz innig verschmolzenen Gaumenflügelknorpel Platz zu machen. Sehr auffallend und zu der oben geschilderten Entwicklung des Uro- delenschädels im Gegensatz stehend erscheint die von BORN constatirte, von den Trabekeln unabhängige Entstehung der Nasenknorpel bei der Knoblauchkröte. Er sagt in seinem Aufsatz über die Nasenhöhlen ete. (Morph. Jahrb. II): »Die Nasenhöhlen liegen anfänglich nach aussen von den Trabekeln; ihre Knorpel entstehen ganz unabhängig von denselben ; das Septum ist eine sehr späte und sehr complicirte Bildung, die dadurch zu Stande kommt, dass bis zum Vorderrande der Choane die Trabekel von den Knorpeln der Nase überwachsen, dureh die sich ausdehnenden Höhlen nach unten verdrängt und dann resorbirt werden, während zugleich die frühere Decke der Nasenhöhlen aufgerichtet und zu einem Theile der Scheide- wand umgewandelt wird, welche sich im übrigen hinten aus den erhaltenen Theilen der Trabekel, vorn durch Verknorpelung des intertrabeeulären Schleimgewebes bildet. Beim Frosch liegen dage- gen die Nasenhöhlen von vornherein über den Trabekeln«. Letztere liefern das Septum, welches sich erst secundär mit den Eigenknor- peln der Nasenhöhle verbindet. Diese Thatsache hat auch GÖTTE (l. e.) ausdrücklich hervor- gehoben. Ich lasse hier, um den nur in kurzen Zügen entwickelten Grund- plan des Molch-Schädels zu illustriren, eine rein schematische Zeich- nung folgen und gehe zur Betrachtung der knöchernen Bestandtheile über. So, wie wir den Primordial-Schädel verlassen haben, bot er ungefähr das Aussehen eines oben und unten offenen Kahnes, der nach hinten in eine einfache horizontale, von der Chorda durchsetzte Lamelle auslief, während die Vorder- und Seitenwände durch die Trabecularia gegeben waren. Die oceipitale Basalplatte tritt nun mit ihren beiden Seitentheilen sowohl, als mit ihrem vorderen Ueber- gangsabschnitt in immer nähere Verbindung mit der einstweilen selbständig entstandenen hyalinen Gehörkapsel und fliesst schliess- lich vollkommen mit ihr zusammen. Beide Labyrinth-Hälften werden oben durch eine mehr oder we- niger breit ausfallende Knorpeleommissur (Oceipitale superius der Autoren) vereinigt. Dadurch sind die Grenzen für das Hinterhaupts- loch gegeben und wenn wir bei dem oben gebrauchten Vergleich stehen bleiben wollen, so communicirt jetzt das Schiff nach rück- Das Kopfskelet der Urodelen. 363 wärts dureh eine einzige (Foramen oeeip.) und nach vorwärts durch zwei Oeffnungen (Foramina olfaet.). | Die grosse, auf dem Boden klaffende Lücke wird nun durch eine ziemlich früh auftre- tende dünne Knochen- Fig. 1. lamelle, das Para- sphenoid abgeschlos- sen und von oben her dienen die sich ent- wickelnden Fronta- lia und Parietalia zum Verschluss des Cavum cranii. Wei- tere Deckknochen ent- wickeln sich in der Schnauzengegend. Es sind dies die Prae- maxillaria, an wel- che sich erst sehr spät von aussen her die Oberkieferbeine anschliessen. Am Bo- den der Nasenkapseln ist noch früher entstan- den der Vomer, und in seiner Riickwiirts- verlängerung treffen : wir das bis zum Sus- Chorda pensorium reichende Pterygopalatinum. Endlich wäre in der Reihe der Deckkno- chen noch zu gedenken des Praefrontale, des Nasale und des das Suspensorium schuppenartig von aussen deckenden Tym- panicum oder Squamosum. Auf die Hertwie’sche Theorie über die Entstehung der Schädel- knochen komme ich später zu sprechen. Alle diese von mir als»Deckknochen« des Schädels beschriebe- nen Gebilde entwickeln sich ohne Beeinflussung der unter ihnen liegen- den hyalinen Bezirke des Primordialschädels und ohne festere Verbin- dung mit demselben; sie sind in gewissem Sinne als Lückenbüsser desselben zu betrachten, wenn dies auch keineswegs für alle Fälle Morpholog. Jahrbuch. 3. 24 364 R. Wiedersheim seine Geltung hat. Sie stehen dadurch im Gegensatz zu einem an- dern Knochensystem, welches sich entweder auf einer oder auf bei- den Seiten des. die Trabekel und die knorpeligen Gehörblasen um- hiillenden Perichondrium’s entwickelt. Nie sah ich im Innern dieser Knorpelmassen Kalksalze primär auftreten, son- dern immer ging die Ossification wie eben erwähnt, von der Peripherie aus, wobei der innen liegende Knorpel immer mehr redueirt, gewissermassen todt strangulirt wurde, bis er sieh schliesslich vollständig verflüssigte, in Fett umwandelte und in dieser Form resorbirt wurde. Dann blieben lufthohle Räume zurück, in die das Knochengewebe einrückte und sie mehr oder weniger ausfüllte. Es ist dies somit ein rein peri- oder ectochondrostotischer Verknöcherungsprocess, gewissermassen eine Weiterbildung der ein- fachen Deckknochen- Entwicklung resp. ein Uebergang von der se- eundären zur primären Knochenbildung, wie er von GEGENBAUR und A. J. VroLık am Teleostier-Schädel zur Genüge an’s Licht gezogen worden ist. So sagt ersterer: »Die ganze Erscheinung der Differenzirung des knöchernen Schädels wäre somit auf eine An- passung der perichondralen Ossification an die vom knorpeligen Cranium gegebene Unterlage zurückzu- fiihren«. Wenn nun VROLIK durch seine Studien am Teleostierschiidel zu dem Fundamentalsatz gelangt: dass der perichondrostotische Zustand stets dem enchondrostotischen vorhergeht, so gibt uns das oben geschilderte und von mir an sämmtlichen unter- suchten Urodelenschiideln constatirte Verhalten einen deutlichen Wink für die phyletische Stellung der geschwiinzten Amphibien gegenüber den Teleostiern, resp. den Plagiostomen. Mit andern Worten: die Thatsache, dass bei manchen Knochenfischen (z. B. beim Salm) im ausgewachsenen Zustand des Schädels ausnahmslos vollständig en- ehondrostotische Knochen sich finden, während sich bei einer ganzen Reihe von Urodelen der perichondrostotische Zustand zeitlebens er- hält, diese Thatsache, sage ich, weist den geschwänzten Amphibien in skeletogener Beziehung eine deutliche Mittelstellung zwischen den beiden Hauptklassen der Fische an und stellt sie nicht, wie die alte Anatomie wollte, an das Ende der einen Abtheilung derselben, nämlich der Knochenfische. Einen der Hauptstützpunete dieses Satzes werde ich bei der Alisphenoidgegend geltend zu machen haben; jetzt darüber nur so viel, Das Kopfskelet der Urodelen. 365 dass diese Schädelregion bei den Teleostiern sehr spät ver- . knöchert. { Andererseits zeigt uns das Verhalten der Plagiostomen sowohl wie das mancher Knochenfische, dass auch die Urodelen sich aus Formen heraus entwickelt haben müssen, welche ein ganz knorpe- liges Schädeldach und einen ganz knorpeligen Schädelboden besessen haben werden, wo also die beiden phyletisch sehr alten Frontalia und das Parasphenoideum in ungleich lockererer Verbin- dung mit dem Schädelgehäuse gestanden haben, als wir dies jetzt beobachten. Dass diese Formen. in der Entwicklungsreihe der Thiere weit zurückliegen, beweist uns der Umstand, dass die postulirte Ausdeh- nung des Knorpeleraniums sich in der Ontogenese des Salamandri- den-Schädels nieht mehr geltend macht. Sehr wahrscheinlich kann hier die Entwickelungsgeschichte der Phanerobranchiaten und vielleicht auch der Cryptobranchiaten werthvolle Ergänzungen liefern. Während wir nach dem oben Mitgetheilten den Satz ausspre- chen konnten, dass die Verknöcherung der Trabekular- und Petroso- oceipital-Region auf perichondrostotischem Wege erfolgt, macht hier- von ein einziger Schädelbezirk eine Ausnahme. Ich meine denjeni- gen Theil des Kiefersuspensoriums, den wir mit Quadratum bezeich- nen. Hier sehen wir (beim Axolotl wenigstens) nämlich primär einen Ossificationspunct endochondral auftreten, was nicht befremden wird, wenn ich bei gleichzeitiger Erinnerung an die Abkunft des Suspensoriums vom Kiemenskelet behaupten kann, dass die Ver- knöcherung des letzteren bei allen von mir untersuchten Urodelen (ich habe in dieser Beziehung auch unsere einheimischen Tritonen im Auge) überhaupt auf enchondrostotischem Wege zu Stande kommt. Somit könnte man dem Visceralskelet auch in dieser Beziehung benchondrostotische Verknöcherung ist ein erworbener Zustand«) ein höheres Alter, als dem Cranium vindiciren! II. Vom Viseeralskelet. Die Pleuralelemente HuxLey’s componiren sich aus einem Sy- stem von sechs hyalinen Spangen, von denen die vorderste mit ihrem oberen Abschnitte ursprünglich zum Suspensorium des Unterkiefers, mit ihrem unteren zum Mandibulare wird. Letztere wird dann fernerhin von Belegknochen umgeben, die uns später beschäftigen - werden. 24* 366 R. Wiedersheim Die zunächst nach rückwärts liegende Spange gliedert sich eben- falls in zwei Abschnitte, von denen ich nach dem Vorgange der englischen Autoren, den oberen, zur Aussenseite der Labyrinthgegend sich aufkrümmenden mit Keratohyale, und den unteren im Boden der Mundhöhle eingebetteten mit Hypohyale bezeichnen will. Die Hälften beider Seiten, worin wir die Hyoidhörner zu erkennen ha- ben, werden durch kurzes, straffes Bindegewebe in der Mittellinie vereinigt. Ueber das in der vergleichenden Anatomie so vielfach discutirte Schicksal des oberen Endes vom Hyoidhorn resp. seine Beziehungen zur Fenestra ovalis will ich mich für jetzt noch nicht näher aussprechen, da ich diesen Verhältnissen ein besonde- res Capitel zu widmen gedenke. i Nach rückwärts vom Zungenbeinhorn liegen noch vier weitere mit zahnartigen Schleimhautpapillen besetzte Spangen, welche von vorn nach hinten stetig an Grösse abnehmen. Die zwei vorderen beste- hen aus einem ventralen (Keratobranchiale I u. II) und einem dorsa- len, oder vielmehr seitlich gelegenen Abschnitt (Epibranchiale I und II), während die beiden hinteren (Epibranchiale IH und IV) nur den letzteren besitzen. Eine Ausnahme davon macht Menopoma, worüber später Ausführlicheres. Diese vier hinteren Bogen liegen in der seitlichen Schlundwand eingebettet und die drei ersten, also Epibranchiale I—III tragen an ihrem lateralen Ende die büschelförmigen äusseren Kiemen. Das vierte Epibranchiale schliesst sich mit seinem lateralen Ende enge an seinen Vorgänger an, besitzt einen rudimentären Character und trägt keine äusseren Kiemen mehr. Die Bogensysteme beider Seiten werden zum Theil in der Mit- tellinie durch eine hyaline Commissur vereinigt, zum Theil bleiben sie unverbunden in der Schleimhaut liegen. Ersteres gilt für das Hyoideum und den ersten und zweiten Visceralbogen im engeren Sinne; letzteres betrifft das Epibranchiale III und IV. Die knorpe- lige Commissur besteht nur aus einem einzigen, ungegliederten Stück dem Basibranchiale I; es läuft nach hinten in einen sehr früh verknöchernden, gabelig sich theilenden Stiel aus, der von den Eng- ländern Basibranchiale Il genannt wird, obgleich er in frühen Em- bryonalstadien kein abgegliedertes individualisirtes Stück darstellt. Seine Loslösung von. dem vorderen Abschnitt ist ein secundärer Vorgang. Aus diesem sehr einfachen Verhalten des Copular-Apparates, den wir uns ursprünglich aus einer den Visceralbögen entspre- Das Kopfskelet der Urodelen. 367 chenden Anzahl von Einzelstücken entstanden denken müssen, geht deutlich hervor, wie gross die Reihe von Generationen gewesen sein muss, welche die in der Grundanlage des Cranium im engeren Sinn so viel Aehnlichkeit bietenden Plagiostomen von den Urodelen trennt. Dass diese Differenz gerade den Zungenbein- Apparat be- trifft, kann in Erwägung der functionellen Beziehungen desselben nicht befremden. Haben mir doch meine Studien gerade hierin eine Mannigfaltigkeit der Formen in der Amphibienwelt selbst aufgedeckt, wie man sie in ein und derselben Thierklasse kaum für möglich halten sollte; immer fanden sich dabei die wichtigsten, die Muskulatur und dadurch den ganzen Schleudermechanismus betreffenden correla- tiven Aenderungen. Alle diese sind in letzter Instanz von äusseren Einflüssen, von der Art der Nahrungsaufnahme ete. abhängig und zeigen gerade dureh die wahrhaft verschwenderische Differenzirung, welchem Wech- sel der, wie es scheint, bei allen Urodelen ursprünglich ziemlich gleichmässig angelegte, in obiger Weise geschilderte Apparat unterliegen kann. Die zwischen Mandibular- und Hyoidbogen gelegene Spalte wird bei den höheren Wirbelthieren zum tympano-eustachia- len Durchgang, ein Verhalten, das, wie ich später zeigen will, bei gewissen Urodelen schon vorbereitet. ist. Ili. Die Kopfnerven. Wie wichtig ihr Studium für die ganze Schidel- Organisation überhaupt ist, haben die obgenannten Untersuchungen GEGENBAUR’S über das Kopfskelet der Selachier zur Genüge bewiesen. Es war daher selbstverständlich, dass sie auch in den Bereich dieser Unter- suchungen zu ziehen waren und ich gebe hier ihre Vertheilung am ‘Urodelenschiidel, speciell an Siredon piseif. in den allgemeinsten Ziigen, wobei ich auf den schematischen Holzschnitt auf pag. 363 verweise. Da wo die knorpeligen Nasenkapseln von den in der Mitte zu- sammenstossenden Trabekeln entspringen, sind jene vom Olfacto- rius durehbohrt. Weiter nach rückwärts an der seitlichen Schädelwand (Orbi- tosphenoid) treten, von vorn nach hinten gerechnet, folgende Nerven aus: Trochlearis, Opticus und Abducens. Darauf folgt das 368 R. Wiedersheim Foramen für den Quintus an der Stelle, wo das sogenannte Ali- sphenoid in die prootische Region umbiegt. Der Facialis aus einer Wurzel mit dem in’s Labyrinth ge- langenden Acusticus entspringend tritt zwischen der medialen Cir- cumferenz des Quadratknorpels und der seitlichen Labyrinthwand zu Tage, wobei er mit dem Opereularband (siehe unten) in Berüh- rung tritt. Der Vagus endlich, verbunden mit dem Glossopha- ryngeus!) verlässt den Schädel durch eine grosse Oeffnung aus- wärts von den Condyli oceipitales. Ich brauche wohl kaum an das für die ganze Wirbelthierwelt typische Verhalten zu erinnern, dass zwischen Trigeminus- und Vagus-Austritt die Gehörkapsel zu liegen kommt. Der Hypoglossus wird durch den ersten und zweiten Spinal- nerven gebildet. Ich gehe nun zur speciellen Beschreibung der anatomischen Verhältnisse des Urodelenschädels über und zwar beginne ich mit der Abtheilung der Phanerobranchiaten als jener Gruppe, in der uns die primitivsten und somit einfachsten Formen begegnen. Nachdem ich die einzelnen Arten und Genera durchgesprochen, werde ich versuchen, die sich mir ergebenden Resultate unter einem einheitlichen Gesichtspunet zusammenzufassen, um daran endlich all- gemeine Reflexionen anzuknüpfen. Wenn ich dabei durchweg den Schädel in drei gesonderte Be- zirke, nämlich in einen petroso-occipitalen, einen orbitalen und endlich einen ethmoidalen zerfälle, so folge ich einfach einem durch den Gang der Entwicklungsgeschichte vorgezeichneten Princip. Specieller Theil. A. Phanerobranchiata. 1) Siren lacertina. Die Seltenheit des Thieres in den europäischen Sammlungen war wohl die Veranlassung, dass sich mit der Anatomie des Schädels !) Nur bei Siren lacertina findet sich eine besondere Oeffnung für den Glossopharyngeus. Das Kopfskelet der Urodelen. 369 nur ein einziger Forscher, nämlich Cuvier (Recherches sur les osse- ments fossiles t. X), etwas eingehender beschäftigt hat. Doch lässt auch seine Beschreibung, namentlich riicksichtlich des Chondroera- nium Manches zu wünschen übrig und so dürfte eine wiederholte Bearbeitung dieses Gegenstandes wohl am Platze sein. Leider hat mir nur ein einziges Exemplar zur Verfügung gestanden und diesem Umstand ist es auch zuzuschreiben, dass ich über einzelne Puncte nicht so, wie ich es wünschte, in’s Klare gekommen bin. a) Pars ossea cranii. Die Ossa petroso-occipitalia sind zwei starke, das hintere Dritttheil des Schädelraumes von oben, von der Seite, und von unten mehr oder weniger vollständig umschliessende Knochenbezirke, woran man demgemäss drei Flächen unterscheiden kann. Davon ist die obere (Fig. 11 Pet) weitaus die grösste und besitzt einen median- wärts tief ausgeschweiften und einen äusseren nur sanft eingebauch- ten Rand. Ersterer wird vom Parietale überlagert, während sich an letzteren der obere Rand des Squamosum 7» anlegt. Unter dem hintersten Ende der Parietalnath stossen beide Knochenhälften mit breitem Rande zusammen, und zwar vorn direct, nach hinten mit- telst einer dreieckigen Cartilago supra oceipitalis (Fig. 11 Os). Eine bogig geschwungene, von aussen und hinten bis zur höchsten Höhe emporlaufende Muskelleiste trennt beide Abschnitte von einander. Vor Os auf Fig. 11. Nach vorn kann man auf der Oberfläche des Knochens noch einen Rand unterscheiden, der uns wegen eines dort vorstehenden, dornartigen Fortsatzes beim Primordialschädel noch einmal beschäf- tigen wird. Der hinterste, äusserste Winkel der Oberfläche des Petroso-oceipitale ist messerartig zugeschärft (Fig. 12 Pet?) und trägt auf seiner obersten Spitze (Fig. 11 und 18+) eine knopfartige Vor- ragung, die sehr leicht von ihrer Unterlage abgeht, so dass ich bei- nahe geneigt bin, hierin ein Gebilde sui generis zu erblicken. Wo- hin es morphologisch zu stellen, und ob vielleicht an das Intercalare der Teleostier zu denken ist, wage ich nicht zu entscheiden ; jeden- falls ist das Knochenstückehen einer erneuten Untersuchung werth. Was die äussere Fläche des Petroso-oceipitale betrifft, so ist dieselbe durch eine scharfe Kante von der oberen abgesetzt. Am mei- sten in die Augen springend ist die an der Grenze zwischen der Aussen - und Unterfläche des Knochens liegende enorme Oeffnung, 370 R. Wiedersheim welehe der, allerdings durch eingelagerte Knorpelsubstanz in ihrer Grösse etwas reducirten Fenestra ovalis entspricht. Die Lücke setzt sich am macerirten Schädel unter plötzlicher Verjüngung auf die ganze Unterfläche des Petrosum fort und zerfällt diese dadurch in ein vorderes und hinteres Stück Fig. 12 Pet, Pet’. Dieser Zerfall der knöchernen Gehörkapsel in eine vordere und hintere Abtheilung wird uns bei einer ganzen Reihe von Urodelen wieder begegnen, doch zeigt sich bei letzteren das ganze Petrosum, also auch seine Oberfläche quer durchgeschnürt. Die auf Fig. 12 mit Pet bezeichnete vordere Abtheilung war durch eine Naht von demjenigen Bezirke der Unterfläche des Petrosum gesondert, welcher das Facialis- (Fac) vom Trigeminusloch (7) trennt. Ich habe dies Verhalten ausserdem sonst nirgends in der Urodelen-Welt beobach- tet. Ebenso war das mit Pet’ bezeichnete Stück von dem anstos- senden Abschnitte des Petroso-oceipitale abhebbar. Ich möchte diese auf bestimmte Ossificationscentren hinweisende und unter den Hux- LEY’schen Otica nicht unterzubringende Bildungen anderen Unter- suchern sehr zur Beachtung empfehlen; sie lassen sich ohne Quer- und Längsschnitte, wozu mir leider das Material fehlte, nicht genauer studiren. Die Unterfläche der Petroso-occipitalia stösst in der Mittellinie nicht zusammen, sondern wird durch eine breite Knorpelmasse ge- trennt, wovon ich beim Knorpelschädel handeln will. Alle diese Details, die ich an diesem Theil des Knochens beschrieben habe, lassen sich erst erkennen, wenn man das dieselben von unten be- deckende Parasphenoid bis zur Medianebene absprengt, wie es auf der Fig. 12 geschehen ist. An jenem Theile des Petrosum, welcher der prootischen Region entspricht, und an welche sich derjenige Abschnitt der hyalinen Schädelbalken anschliesst, welcher mit Ala magna bezeichnet zu werden pflegt, lassen sich zwei stark prominirende Knochenzapfen unterscheiden. Der eine liegt tief unten in der Ebene des Para- sphenoids, der andere weiter oben an der äussersten, vordersten Kante der Regio prootiea. Beide sind durch einen tief nach hinten ein- springenden Ausschnitt von einander getrennt und werden im Hin- tergrund desselben durch einen knöchernen Pfeiler verbunden, wel- cher nach vorn das Trigeminus-, nach hinten das Facialisloch begrenzt. Der obere wie der untere Knochenzapfen ist von einer Knorpelkappe überzogen und beide artieuliren mit der doppelten Wurzel des Suspensorium. Das Koptskelet der Urodelen. Sl Endlich habe ich noch eine tiefe Bucht zu erwähnen, welche sich am hinteren Umfang des Knochens findet und wodurch das Occipitale laterale scharf von der opisthotischen Region des Petro- sum abgesetzt wird; in ihrer Tiefe mündet das grosse Vagusloch. Die Scheitelbeine sind von solcher Länge, dass sie an der Herstellung aller drei Schädelregionen participiren. Man kann an ihnen drei Fortsätze unterscheiden, wovon sich einer Fig. 11 rück- wärts von P auf die Oberfläche des Petrosum hinerstreckt, während die beiden andern Pr’ und Pr? gegen das im Verhältniss zum Pa- rietale nur klein entwickelte Frontale hin gerichtet sind. Der erstere davon läuft ähnlich wie bei andern Phanerobranchiaten schwert- förmig sich verjüngend bis über eine Querlinie nach vorn, welche die beiden Foramina olfactoria mit einander verbindet, der zweite Pr* ist an seinem Vorderrand tief eingeschnitten und in den dadurch entstehenden Falz ist diehintere Circumferenz des Frontale eingelassen, ein Verhalten, das ich sonst nirgends zwischen Stirn und Scheitelbein beobachtet habe. Der hintere Rand der Parietalia ist, wie die Fig. 11 es zeigt, ausgeschweift und trägt eine auf der Abbildung nicht gut wiedergegebene Muskelleiste; das Occipitale superius tritt da- hinter in einer für Urodelen sehr ungewöhnlichen Weise breit hervor. Die Stirnbeine laufen unter immerwährender Diekenzunahme sehr weit nach vorn, allwo sie mit zwei von der Praemaxillargegend herkommenden Knochenlamellen durch dieht verfilztes Bindegewebe sehr fest verlöthet sind. An diesem ihrem Vorderrand sind sie in der Richtung von vorn und innen nach hinten und aussen abgeschrägt, wodurch sie ein schnabelartiges Aussehen erhalten. An eben dieser Stelle liegen sie dem Primordialschädel und weiter nach hinten der aus letzterem sich herausbildenden Lamina cribrosa resp. deren Rückwärtsverlängerung, dem Orbitosphenoid, direct auf. Weder die Stirn- noch Scheitelbeine schicken Orbitalfortsätze ab, wie wir dies bei andern Urodelen beobachten. In der Regio naso-ethmoidalis treffen wir bei vollständi- ger Maceration des Schädels nur sehr wenig knöcherne Gebilde und diese sind sowohl oben als unten auf die unmittelbare Umgebung der Medianebene beschränkt, diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die in die verschiedensten Werke übergegangene Cuvizr’sche Abbildung in der Vorderkopfgegend ein spiessartiges Rostrum besitzt und so dem Schädel einen Character verleiht, den er unter Berück- siehtigung des Primordialeranium keineswegs besitzt (Fig. 11). Al R. Wiedersheim Bei der Betrachtung von oben erscheint der Mittellinie zunächst eine vorn und hinten zugespitzte annähernd spindelförmige Knochen- lamelle, welehe sowohl ventral- als medianwärts gehöhlt ist und mit ihrem Hinterende weit nach rückwärts zwischen die beiden Fronta- lia hineinsticht (Fig. 11 Pace). In Folge der ebengenannten Aus- schweifung des medialen Randes liegt der Primordialschädel (Fig. 11 Pe) zwischen den Hälften beider Seiten eine Strecke weit frei zu Tage. Die vordere Spitze erstreckt sich genau so weit als der mit Pe bezeichnete Knorpelfortsatz des Primordialschädels und ist zugleich etwas nach vorn und abwärts gekrümmt. Nach aussen von dieser Knochenlamelle liegt eine ihr dicht an- gelagerte zweite, jedoch weniger weit: nach rückwärts sich er- streckende, spiessförmige Schuppe, welche wie die erstgenannte in eine schalenartige Vertiefung am Vorderende der Stirnbeine hinein- passt. Während aber jene nach vorn spitz zulief, verdickt sich diese mehr und mehr, krümmt sich gegen den Mundrand herab und schiekt dort medianwärts einen Alveolarfortsatz (Fig. 12 Pmz)\ ab, der aber mit seinem Gegenstück in der Mittellinie nicht zusammen- stösst, sondern durch den schon oben beschriebenen Knorpelfort- satz des Primordialschädels (Fig. 11 und 12 Pc) von ihm getrennt wird. Der Alveolarfortsatz trägt keine Zähne, sondern ist an seinem Unterrande nur fein gerieft. Trotzdem kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir hier ein, wenn auch nur rudimentäres Praemaxillare mit einem aufsteigenden und einem Kieferfortsatz vor uns haben. Von einem Cavum intermaxillare wie es den meisten übrigen Urodelen zukommt, kann hier keine Rede sein und dem entsprechend ist auch von einer Drüse nichts zu entdecken. Viel schwieriger als die Deutung jenes Stückes ist die des median- wärts davon gelegenen (Pacc), das weder in der Lage noch in der Configuration mit irgend einem der sonst in der Vorderkopfgegend der Molche liegenden Theile in Parallele gebracht werden kann. CuviEr scheint es als ein rudimentäres Nasale aufgefasst zu haben, eine Ansicht, der ich nicht beitreten kann. Seiner topographischen Beziehung nach könnte man viel eher an ein secundäres Abspaltungs- product vom Processus ascendens des Zwischenkiefers erinnert werden, oder liesse sich vielleicht an das Supraethmoid der Knochenfische denken. | Vom Oberkiefer und dem vorderen Stirnbein vermochte ich Das Koptskelet der Urodelen. 313 keine Spur zu entdecken, ein Verhalten, das bei den übrigen Phane- robranchiaten wiederkehrt. An der Basis eranii liegt das fischähnlich gestaltete mächtige Parasphenoid, welches sich von der Condylengegend des Hinter- haupts bis zur Praemaxillarregion erstreckt und eine mittlere plane Fläche und gewulstete Seitenränder unterscheiden lässt. Seine grösste Breitenausdehnung besitzt es in der Regio quadrata, schnürt sich dann in der Orbitalgegend etwas ein, um sich endlich im Bereich des später zu erwähnenden Antorbitalfortsatzes (Fig. 12 AZ) auf's Neue zu verbreitern. Darauf folgt eine die Basis des Interna- salseptum’s bildende, schnabelartige Verjüngung des Knochens (Fig. 12 Ps'), in Folge deren fast die ganze Unterfläche des knor- pelig-häutigen Riechsackes frei zu Tage liegt. Die dem Schädelrohr zugekehrte Fläche des Parasphenoids ist ganz flach ohne irgend welche Sculptur, so dass sich Siren auch hierin an die übrigen Phanerobranchiaten anschliesst. Am lateralen Rand des sich verjüngenden vorderen Abschnittes vom Parasphenoid liegen zwei plattenartige, eine gestreckt ovale Form darbietende Knochenstücke, welche mit hechelartigen Zähnen besetzt sind (Fig. 12 Vo und Pal. Letztere stehen in Querreihen und zwar zähle ich im vorderen grösseren Abschnitte 6—7, im hin- teren 4. Sämmtliche Zähne sind beweglich und lassen sich nach hinten umlegen. | Das vordere Stück ist der-bei den übrigen Phanerobranchia- ten sowie sämmtlichen Urodelenlarven in ganz ähnlicher Weise gelagerte Vomer, das hintere ist das Os palatinum. Diese beiden Abtheilungen des Gaumenbogens haben also eine embryonale Stellung beibehalten und dem entsprechend müsste man erwarten, dass sich das Palatinum nach rückwärts durch eine mit ihm gleichzeitig entstandene Pterygoidspange bis zum Qua-. dratum fortsetzt. Letztere fehlt nun ganz und gar, worauf auch von den verschiedensten Autoren aufmerksam gemacht wurde. Es liegt somit auf der Hand, dass es sich hier um eine Rückbildung handelt und dies ist auch von O. Herrwıc (Ueber das Zahnsystem der Amphibien ete. A. f. m. A. Bd. XI Sppl.) mit vollem Rechte betont worden. Diese Thatsache gebietet überhaupt bei Beurtheilung des Schädels nicht nur von Siren, sondern von sämmtlichen Phanerobranchiaten grosse Vorsicht zu beobachten. Man wird um so mehr dazu gemahnt, als auch die Anatomie der Wirbelsäule (vergl. GEGENBAUR) auf einen Reductionsprocess des 14 R. Wiedersheim Skeletes hinweist und ich brauche wohl kaum an die Bildung der Extremitäten von Proteus und Siren zu erinnern, um auch dadurch dieser Ansicht eine weitere Stütze zu geben. Die, beiden Knochen der Gaumenreihe nun sind nicht mit dem Parasphenoid, sondern mit den Vorderenden der Trabekel, also jenem Punct des Skelets, an dessen Unterseite sie sich in embryonaler Zeit entwickeln, durch Bindegewebe verbunden. Die Beschreibung der Schädelbalken sollte, da es sich bei ihnen um eine sehr starke und weit ausgedehnte Ossificationszone handelt, eigentlich mit in die Be- schreibung des knöchernen Schädels hereingezogen werden. Ich un- terlasse dies aber aus praktischen Gründen, die sich bei Behandlung des Primordialschädels von selbst ergeben werden. Der Aufhänge-Apparat des Unterkiefer’s ist ausschliesslich knor- pelig und es fällt somit nur das in enge Beziehungen zu ihm tretende Squamosum in den Bereich dieser Betrachtung. Dieser Knochen stellt eine schwach gekrümmte, an ihrer, der Labyrinthgegend zuschauenden Seite ausgehöhlte Knochenlamelle dar, welche von unten, aussen und vorn nach hinten und oben an der Aussenwand des Petrosum emporsteigt und sich eine ziemliche Strecke vor dem Hinterende des letzteren befestigt. Je mehr die La- melle nach oben steigt, desto mehr schärft sie sich zu (Fig. 18), während ihr unteres dickeres Ende so stark umgerollt erscheint, dass ein nur an seiner medialen Seite offener Hohlkegel entsteht, welcher die Cartilago quadrata zwingenartig und dabei so fest umschliesst, dass eine Trennung des einen von dem andern Gebilde ohne Ver- letzung kaum möglich: ist. Man erinnere sich dabei an das oben über die perichondrosto- tische Verknöcherung Gesagte, und ziehe ferner in Erwägung, dass innerhalb der Cartilago quadrata keine Spur von Kalksalzen .existirt! b) Pars cartilaginea cranii. Das Chondroeranium besitzt die denkbar einfachste Configuration und wenn es auch nicht in dem Umfange, wie bei Menobranchus, erhalten ist, so haben wir in ihm doch viel mehr das den übrigen Urodelen zu Grunde liegende, embryonale Verhalten zu erkennen. Die später folgende Beschreibung der Regio ethmoidalis von Meno- branchus wird dieses rechtfertigen. Abgesehen von dem oben erwähnten dreieckigen Knorpel an Das Kopfskelet der Urodelen. 379 derjenigen Circumferenz des Foramen oceipitale wo wir bei höheren Wirbelthieren von einem Occipitale superius sprechen können, stehen die übrigen Theile des Knorpelschädels in einem, nur an einer ein- zigen Stelle unterbrochenen Continuitätsverhältniss. Wir beginnen mit ihrer Betrachtung am besten in dem basalen Theil der Hinterhauptsgegend. Dort begegnen wir auf der cerebra- len Fläche des Parasphenoids einer breiten Knorpelplatte, welche, von dem Raum zwischen den beiden Occipitalia lateralia angefangen sich bis zu einer Querlinie nach vorn erstreckt, welche man durch die Mitte der Labyrinthe sich gezogen denken kann. Während nun diese auch bei andern Urodelen im fötalen und erwachsenen Zustand vorkommende Platte eine zusammenhängende die ganze Parasphenoidoberfläche zwischen den Petrosa bedeckende Masse ist, finden wir sie hier merkwürdigerweise in der Mitte von einer grossen, kreisrunden Oeffnung durchbrochen. Erwägt man, dass die Hypophyse genau in das Loch hineinpasst, so kann man hier mit vollem Recht von Sella tureica reden. Ich habe eine ähnliche Bildung früher auch von dem italienischen Brillensalamander und unserem einheimischen Triton helvetieus beschrieben, doch handelte es sich hier um das Parasphenoid und um keinen knorpe- ligen Keilbeinkörper , wie dieser Theil bei Siren lacertina zu nennen ist, wenn man die cerebralen Verhältnisse bei der Beurthei- lung als massgebend erachtet (Fig. 12 Od u. Hyp). Von dieser Knorpelmasse gehen nun nach zwei verschiedenen Richtungen Fortsätze ab; der eine durchsetzt als ansehnlicher Strei- fen die Labyrinthbasis in rein transverseller Richtung und verbrei- tert sich am Uebergang der letzteren in die Aussenwand zu einer mächtigen, ovalen Knorpelplatte , welche die hier befindliche, beim knöchernen Schädel beschriebene grosse Lücke zum Theil ausfüllt. Die übrig bleibende Oeffnung wird von dem ebenfalls hyalinknor- peligen, stumpf-kegelförmigen Opereulum geschlossen. Ich werde den Bandapparat in der retrosuspensorialen Gegend aller Urodelen in einem besonderen übersichtlich gehaltenen Capitel be- sprechen. Es gehört keine grosse Anstrengung dazu, um von dieser Seite des Petrosum aus das ganze häutige Labyrinth zu isoliren und in toto aus seiner, mit keiner Andeutung von knöchernen Bogengängen versehenen Kapsel herauszuheben. Der zweite Fortsatz der betreffenden Knorpelplatte (Fig. 12 Pea) geht nach vorn gegen die Augenhöhle und richtet sich dabei aus 276 R. Wiedersheim der horizontalen Lage auf und stellt die sagittal stehende hinterste Partie der Rarnke’schen Schädelbalken dar (Ala magna der Autoren) (As auf Fig. 12 u. 18). Vorn und hinten von 7g auf Fig. 11. Sie nimmt dabei die ganze Höhe der seitlichen Schädelwand zwischen Parietale und Parasphenoid ein und zeigt an ihrem nach rück- wärts gegen die Labyrinthbasis schauenden Rand einen weiten Aus- schnitt, welcher von jener zu einem grossen Loche ergänzt wird. Dieses wird durch einen von seinem vorderen und oberen Umfang ent- springenden (Fig. 18 + unter VF’) nach aussen und unten mit dem Quadratknorpel (Fig. 12 vor 7g) verschmelzenden Knorpelpfeiler in zwei Abtheilungen verwandelt, durch welche sowohl hinten (Ramus II als vorn (Ramus I, II) der Trigeminus tritt. Diesem Verhalten wer- den wir bei Amphiuma wieder begegnen und dass dasselbe Ver- halten bei manchen Selachiern zu beobachten ist, hat GEGENBAUR bewiesen. Der durch diesen Fortsatz mit der Ala magna zusammenhän- sende Quadratknorpel') sitzt mit zwei conischen Zapfen auf entspre- chend gebildeten schon oben besprochenen Protuberanzen in der prootischen Gegend artieulirend auf. Aus der hinteren Cireumferenz des einen (basalen) derselben entspringt ein ziemlich langer, nach hinten und aussen gerichteter, an seinem Ende keulenartig aufge- triebener Fortsatz (Fig. 11, 12, 18 HF), der andeutungsweise auch bei den andern Hauptgruppen ‘der Urodelen vorkommt. So z. B. bei Cryptobranchus, Menopoma, Siredon, sehr stark bei Ranodon, schwächer bei Salamandra u. A. m. Er wird bei Siren erst deutlich gesehen, wenn man ein zwischen dem Hyoideum und dem Quadratum ausgespanntes Ligament ent- fernt hat. 1) C. Hasse, Anatom. Studien Heft IV, macht über das Suspensorium von Siren eine Bemerkung, die ich mit meinen Befunden vergeblich in Einklang zu bringen bemüht bin. Er sieht nämlich den Schädel dieses Thieres deswegen höher entwickelt an »weil das Os quadratum sowohl, wie das Squamosum den ganzen Rest des über resp. unter ihnen gelegenen Knorpels ab- sorbirt hat und dass somit das Kiefersuspensorium vorzugsweise aus Knochen besteht, während es bei Siredon noch knorpelig erschien. Das ist in einem noch höheren Grade bei Proteus ang. der Fall« ete. Letzteres stimmt ebenso wenig mit meinen Resultaten überein, was ich später darthun werde. Man vergleiche vorläufig Fig. 14 Qu!. Sowohl das Exemplar von Siren als das von Proteus waren, wie sich mir durch die Untersuchung der Geschlechtsorgane ergab, ausgewachsene Indi- viduen, Das Koptskelet der Urodelen. 377 Wie nun in oben beschriebener Weise ein Fortsatz von dem basalen Wurzelstück des Quadratum ausgeht, so findet sich auch einer von dem dorsalen. Derselbe ist fingerförmig und liegt genau in der Ebene der Dorsalfliiche der prootischen Region; er schlägt die Richtung nach vorne und aussen ein und senkt sich zugleich unter sanfter Neigung in die Orbita herab (Fig. 11, 12, 18 bei VF). Seiner Richtung nach gleicht dieser Fortsatz dem Flügelknorpel der übrigen Urodelen, hat aber gewiss mit diesem, bei allen Urode- len ohne Ausnahme an der Basis und nicht am Dorsaltheil des Suspensorial- Apparates entspringenden Gebilde nichts zu schaffen. Er ist vielmehr, wenn ich mich nicht irre, im Sinne des für die Selachier so characteristischen Postorbital-Fortsatzes zu deuten und ich möchte zu diesem Zweck auf die Tafel I und II Fig. 1, 2,3 des GEGEN- BAuR’schen Selachier-Werkes verweisen. Die Aehnlichkeit, zumal in topographischer Beziehung (man beachte dabei das zweigetheilte Trigeminusloch!) springt am meisten in die Augen auf der Abbildung von Hexanchus auf Taf. I. Am Kopfskelet der Dipnoer finde ich hiervon keine Andeutung. Bei Siren kreuzt sich der in Frage stehende Fortsatz unter beinahe rechtem Winkel mit dem das Foramen Trigemini halbiren- den Knorpelpfeiler, der schon früher zur Sprache gekommen ist. In der ganzen übrigen Urodelenwelt ist mir Nichts begegnet, was diesem postorbitalen Fortsatz von Siren an die Seite zu setzen wäre. Die schwach gehöhlte Gelenkfläche des Quadratum ist ein Rechteck mit abgerundeten Winkeln, dessen Längsaxe von innen und hinten nach vorn und aussen schaut (Fig. 12 Qu). Wenige Millimeter vor dem Trigeminusloch beginnt scharf vom Knorpel sich absetzend die Ossificationszone des Schädelbalkens, oder wenn man den alten Namen beibehalten will, das Orbitosphenoid (Fig. 11 und 12 Os). Auf seiner Aussenseite führt eine vom Antorbitalfortsatz her- . kommende Furche in das dem dürftigen Bulbus entsprechende kleine Opticusloch (Fig. 18 Fopt). Die Oeffnungen für den Oculomotorius und Trochlearis vermochte ich nicht aufzufinden und ob letzterer überhaupt als besonderer Hirnnerv differenzirt ist, steht dahin. Auf seiner cerebralen Fläche ist der Knochen rinnenartig ver- tieft und verdickt sich nach vorn mehr und mehr. Dabei schlägt er eine nach vorn und medianwärts gehende Richtung ein; die Stelle seiner stärksten Anschwellung liegt an der Vordergrenze der Orbita und entspricht zugleich der Ablenkung des Knochens im ob- genannten Sinne. 373 R. Wiedersheim An der Aussenseite entdeckt man hier einen starken Knorren (Fig. 11, 12, 18 AF’), der an seiner Spitze eine knorpelige Apophyse trägt (X). Ueber die Ausdehnung der letzteren, welche unzweifelhaft dem » Antorbitalfortsatz« HuxtLey’s (Anatomie des Menobranchus- Schädels) und PARKER’s entspricht, kann ich keine genauen Angaben machen, da ich nicht sicher bin, ob ich nicht diesen Theil bei mei- nem einzigen Exemplar verletzt habe. Der fragliche Knochenzapfen ist nicht solid, sondern steht durch eine weite trichterförmige Communicationsiffnung mit dem Cavum cranii in Verbindung ohne dass jedoch ein besonderer Hirntheil ein- gelagert wäre. Die cerebrale Fläche des Knochens ist an ihrem vorderen, me- dianwärts gerichteten Bezirk sehr vertieft wobei sich der obere und untere Rand des Knochens bedeutend verbreitert, d. h. sich ventral- und dorsalwärts (kappenartig) über die Hemisphären herüber schiebt. Der obere Rand (Fig. 11 Eth) wird von dem unteren, welcher sich sogar am Boden der Nasenkapsel noch eine ziemlich weite Strecke nach vorn erstreckt, an Ausdehnung übertroffen. Zwischen beiden Rändern bricht der Olfactorius (Fig. 11 O/f) von der Schädel- in die Nasenhöhle durch (Fig. 18 Fo/f). Dieser einzig und allein durch Convergenz der seitlichen Schädel- wände zu Stand gebrachte Schädelabschluss und die dadurch be- wirkte, einfachste Herstellung einer Lamina cribrosa weist in ihrem primitiven Verhalten auf die Selachier zurück; andererseits sehe ich darin das Stehenbleiben des Organismus auf einer sehr niedrigen foetalen Stufe, wobei ich nur an die Grundzüge der Entwieklungs- geschichte des Urodelenschädels erinnern will. Auffallend ist dabei die starke ungewöhnlich weit medianwärts vordringende Ossification, die für den ventralwärts anliegenden Vomer und das Palatinum ein sehr festes Widerlager bildet und vielleicht gerade zu dem Kau- geschäft in Beziehung zu bringen ist. Doch darüber werde ich an einem andern Puncte zu berichten Gelegenheit haben. Wenn ich oben von einer Convergenz der seitlichen Schädelwände sprach, so ist dies dahin zu präcisiren, dass die Ossificationszonen beider Seiten in der Mittellinie . nicht unmittelbar zusammenstossen, es schiebt sich vielmehr eine von der Schnauzenspitze herkommende, schmale, hyalinknorpelige Commissur dazwischen, so dass man hier nicht, wie bei Amphiuma, Menobranchus, Proteus, Sala- mandrina und Triton viridescens von einem vollkommen knöchernen Abschluss des Cavum cranii sprechen kann. Das Kopfskelet der Urodelen. 379 Ehe wir uns zur Betrachtung der Nasenkapsel wenden, verfol- sen wir die Fortsetzung der Schädelbalken bis zur Schnauzenspitze. Wenige Millimeter vor der Olfaetorius-Oeffnung zeigt sich die starke Knochenmasse an ihrem (inneren) Rande gespalten und in dem da- durch entstandenen Falz ruht der nach vom zu mehr und mehr sich verschmälernde Knorpel (Fig. 11, 12, 18 ZS), der zusammen mit dem Vorderende des Parasphenoids die eigentliche , zwischen beiden Nasenkapseln ‚liegende Sehädelspitze repräsentirt. Anders ausgedrückt: Von diesem Punct an hört die Ossificationszone der Trabekeln auf und beide fliessen zu einer unpaaren keilförmigen Platte zusammen, welche dem Septum nasale vieler anderer Uro- delen gleich zu stellen ist. Der Vorderrand dieser Platte erzeugt drei spitze Fortsätze, welche durch zwei tiefe Incisuren von einander getrennt sind (Fig. 11, 12 Pe und Pe'). Der mittlere, unpaare und zugleich längste Fortsatz falzt sich zwischen die Alveolarfortsätze beider Zwischenkieferhälften ein und ist wohl mit dem von mir bei Anuren nachgewiesenen Strebepfeiler des Zwischenkiefers in Paral- lele zu bringen; vielleicht fallen die beiden seitlichen Fortsätze, welche sich ebenfalls durch Bindegewebe mit der Ventralseite des Awischenkiefers verbinden unter denselben Gesichtspunct. Mag dem nun so sein oder nicht, jedenfalls steht so viel fest, dass wir es mit secundiiren Auswiichsen der ethmoidalen Trabekularplatte zu thun haben. Nirgends machte sich mir der Mangel an geniigendem Material so sehr fiihlbar, wie bei der Darstellung der direct unter der Haut gelegenen kolbig aufgetriebenen Nasenkapseln (Fig. 11 NA). Was ich mit Sicherheit dariiber aussagen kann, ist Folgendes: Rings von der äusseren Circumferenz des Olfactoriusloches und dem dasselbe ‘ wie ein Sehirmdach überragenden Vorderende des Stirnbeines, fer- ner vom lateralen Umfang der zur Schnauzenspitze sich erstrecken- den, theils knöchernen, theils hyalinen Vorderenden der Trabekel entspringt jederseits eine mächtige Blase, deren Dach, wie ich be- stimmt angeben kann, durchaus aus hyalinem Knorpel (wie auch bei manchen andern Molehen) besteht. Welche Verbreitung der Hyalin- knorpel am Boden des Nasensackes besitzt, konnte ich nicht genau ermitteln, doch fand ich im eentralen Bezirk desselben viel Binde- gewebe und keine Spur von Knorpel, also ganz ähnlich wie bei den meisten Urodelen. Wie sich die Seitenränder in histologischer Be- ziehung verhalten weiss ich nicht und ebenso wenig kann ich dies von der Umgebung der Choane angeben. Uebrigens konnte ich die Morpholog. Jahrbuch. 3. 25 380 R. Wiedersheim Lage derselben (Fig. 12 CA) unmittelbar vor dem Antorbitalfortsatz genau angeben. Auf dieser Abbildung ist die Ausdehnung der Nasenkapsel nur mit punetirten Linien angegeben und zwar fin- den sich zwei Reihen derselben im hinteren Bereiche, um damit anzudeuten, dass ich über die Anheftung der hinteren Cireum- ferenz des Riechsackes nicht in’s Klare gekommen bin. Es mögen dies Andere sicher stellen. — Das äussere Nasenloch ist wie bei den übrigen Phanerobranchiaten und den Selachiern unterständig, d. h. an der Ventralfläche des die Oberlippe vorstellenden Haut- saumes gelegen; es ist auf den Abbildungen nicht angegeben. Bemerkenswerth ist eine, wie es scheint, rings von Knorpel umgebene, röhrenförmige Oeffnung auf der Oberfläche der Nasen- kapsel nicht weit von der Medianlinie (Fig. 11 und 12 * Rn). Es ist die Durehtrittsstelle des Ramus nasalis Trigemini, welcher von hier aus zur Haut der Schnauze gelangt. Der Unterkiefer (Fig. 13) besteht aus den der grössten Zahl der Urodelen zukommenden drei Stücken. Das Angulare ist auf- fallend lang (Fig. 13 Ang) und erreicht beinahe den Unterkiefer- winkel. Es ist an seinem hinteren Ende mit dem Kopf des (an dieser Stelle ossifieirten) Mecker’schen Knorpels fest, doch nicht untrennbar verlöthet. Das kräftige Dentale externum kehrt nach aussen seine convexe Seite und ist zugleich mit seinem oberen Rand so stark nach aussen geneigt, dass beide Unterkieferhälften zusam- men mit dem muskulösen und fibrösen Diaphragma oris eine tiefe Schale mit nach aussen geneigten Seitenwänden erzeugen. Aehn- liches finde ich bei Protopterus. Der obere, verdickte Rand des Dentale externum trägt nur feine wie gesägt aussehende Einkerbun- gen, keine eigentlichen Zähne, ein Verhalten, welches mit dem des Praemaxillare vollkommen übereinstimmt und als Rückbildung zu deuten ist (Fig. 13 De). Zwischen Angulare und Dentale liegt der fast bis zur Symphyse beider Unterkieferhälften sich erstreckende MECKEL’sche Knorpel (Fig. 13 MX) frei zu Tage. 2) Menobranchus lateralis und Proteus anguinus. Diese beiden Formen stimmen, abgesehen von dem viel schlan- keren speerspitzenähnlichen Habitus von Proteus, in den fundamen- talsten Puncten der Schädelanlage miteinander überein, so dass es Das Kopfskelet der Urodelen. 381 wohl gestattet ist, sie zusammen zu besprechen. Sie gehören be- kanntlich zu den best studirten Urodelen, was namentlich für den Primordialschädel von Menobranchus gilt, weleher erst in neuester Zeit von Huxuey: on the Structure of the Skull and of the Heart of Menobr. lat. Proc. of the Scientific Meetings of the Zool. Society — — eine ausgezeichnete Bearbeitung erfahren hat. Dennoch konnte ich eine wiederholte Aufnahme dieses Themas nicht für unnöthig er- achten, da man nur durch Querschnitte von entkalkten Präparaten über die in topographischer Beziehung oft sehr verwickelten Verhält- nisse vollkommen in’s Klare kommen kann und gerade Huxrey hat es unterlassen, solche anzufertigen. a) Pars ossea cranii. Die Petroso -oceipitalia zeigen viel schwächere Knochen- bezirke, als wir das bei Siren wahrgenommen haben und zwar beruht dies auf emer ungleich breiteren Entwickelung des auch beim letztgenannten Thier vorhandenen Querschlitzes, welcher sich über- dies nicht wie hier auf die Basis beschränkt, sondern an der Aussen- seite des Labyrinthes weiter laufend auch die ganze dorsale Fläche des Gehörsackes durchsetzt. Bei vollständiger Entfernung des Knorpels bekommt man daher zwei, theils auf die Oberseite, theils auf die Unter- seite vertheilte, durch eine weite Kluft getrennte Knochenbezirke, welche einerseits der Regio prootica, andererseits der Regio opisthotica, epiotica und oceipitalis lateralis entsprechen (Fig. 1u.2). Das von Huxuey unter- suchte Exemplar scheint älter gewesen zu sein, als das meinige, was aus der auf seiner Figur erscheinenden starken Verknöcherung der Labyrinthbasis zu schliessen ist. An der Aussenseite des Gehörsackes finden wir die ansehnliche, von einem Knorpelwall umgebene Fene- stra ovalis; sie wird von dem mit langem Stab (Columella, begabten gut verknöcherten Opereulum verschlossen. Sehr auffallend ist das weite Nachrückwärtsausspringen der Regio opisthotica und epio- tiea, was geradezu unter Bildung von conischen Fortsätzen geschieht (Fig. 1 und 2 *). Dieses Verhalten beobachten wir nicht allein, wie Huxtey meint, bei Menobranchus und Proteus, sondern auch und zwar in. sehr auffallender Weise bei Anaides lugubris (Fig. 104 *) und nicht viel schwächer bei Triton viridescens und suberistatus (Fig. 131, 140). An der Basis der prootischen Verknöcherung liegt das in der Mitte etwas eingeschnürte Loch für den R. II u. III des Trigemi- 25* 382 R. Wiedersheim nus (Fig. 2 7g). Die Oeffnung für den Ram. palatinus des Facialis, die nach J. G. Fıscmer (anatom. Abh. über Perennibranchiaten und Derotremen), getrennt von der hinter dem Squamosum gelegenen Durehtrittsstelle der Hauptportion des Facialis bestehen soll, ver- moechte ich nicht aufzufinden. Die Oceipitaleondylen sind sehr flach und springen kaum nach rückwärts aus (Fig. 1, 2 Coce). Die sich anschliessende laterale Occipital-Gegend wird vom Vagus durchbohrt (Fig. 2 Vg) und be- steht, gleichwie auch die hinterste mächtig verknöcherte Portion der medialen Labyrinthwand aus spongiöser Knochensubstanz, welche sieh bis in die opisthotischen Protuberanzen lateralwärts zieht, um sich dann hier zu einer grösseren Höhle auszuweiten. In diesem am meisten rückwärts liegenden Theil des Schädels (vergl. auch Proteus Fig. 14, 15, 19 *), welcher dadureh, wie HUXLEY mit Recht betont, an die Labyrinthodonten erinnert, erscheint im Quer- schnitt ein Theil des häutigen Labyrinthes. Von knöchernen Bogen- sängen ist weder bei Menobranchus noch bei Proteus etwas zu ent- deeken. Wie der spongiöse Knochencharacter auch der prootischen Schä- delregion eigenthiimlich ist, zeigt die Abbildung 46 bei Pet. Bei Proteus (altes Exemplar) finde ich die Occipitaleondylen mit dem Hinterende des Parasphenoids synostotisch vereinigt; auch tritt bei diesem Molch das Knochengewebe der Labyrinthgegend viel mehr in den Vordergrund und verdrängt den bei Menobranchus so mächtig ausgeprägten Knorpel bis auf ein schmales, querlaufen- des Ringband (Fig. 14 u. 19 Pea). Dieses theilt aber die Ohr- kapsel ganz in derselben Weise in eine vordere und hintere Portion, wie wir dies oben gesehen haben. Die Parietalia (Fig. 1 P) besitzen namentlich in ihrer hin- teren Hälfte eine wahrhaft monströse Dieke und zeichnen sich durch einen sehr zierlichen spongiösen Character aus. Die Knochenbälk- chen erzeugen unter reicher Arabeskenbildung, wie sie auch dem Parasphenoid, Frontale und Quadratum zukommt, die graeiösesten Figuren (Fig. 38, 40, 41, 42, 47, 50 F, P, Ps, Qu). Man kann an den Scheitelbeinen fünf Fortsätze unterscheiden, die ich auf der Abbildung 1 mit Pr!— Pr! bezeichnet habe. Der fünfte Fortsatz ist von der Oberfläche her nicht siehtbar und wird erst gut dureh Quer- schnitte (Fig. 40, 42, 46, 47 P') verstanden, aus welchen hervorgeht, dass er von der Unterfläche des Parietale schief nach abwärts ein- wärts sich erstreckt und mit dem Parasphenoid zusammenstossend Das Kopfskelet der Urodelen. 383 die seitliche Schädelwand bildet. Die Aehnlichkeit mit dem Ophi- dierschädel springt in die Augen, ohne dass ich damit irgend welchen genetischen Zusammenhang zwischen den beiden Formen postuliren will. Jener Orbitalfortsatz des Scheitelbeines, wie ich ihn heissen will, zieht weit nach vorn und begrenzt scharf ausgeschnitten von aussen her das Foramen olfactorium (Fig. 5 Pr' und Of). Die Lage der auf der Dorsalseite des Schädels sichtbaren Fort- sätze geht aus der Abbildung I Pr!—Pr! klar hervor und ich kann mir fiiglich eine detaillirte Beschreibung ersparen; erwähnen will ich aber, dass die Verhältnisse bei Proteus sich eben so stellen und dass auch sämmtliche Cryptobranchiaten den mit Pr! bezeichneten lateralen Fortsatz besitzen, wie er auf der Figur 1 wiedergegeben ist. (Man vergleiche damit Fig. 7, 21, 24 und auch den Schädel von Siren Fig. 11 Pr!.) Der Fortsatz Pr? Fig. 1 schiebt sich eine weite Strecke unter den Frontalia nach vorn, wie auch die Parietalia von Proteus auf eine lange Strecke von den Stirnbeinen (Fig. 14 FF) überlagert werden. Die Parietalia beider Thiere verbreitern sich in ihrer hinteren Hälfte sehr beträchtlich und bedeeken bei Proteus in Gemeinschaft mit dem hier sich weiter auf die Schädeloberfläche heraufschiebenden Squamosum (Fig. 14 7»! die dorsale Fläche der Labyrinthkapsel bis auf geringe Reste in der opisthotischen und epiotischen Region. Bei Menobranchus bleibt ein Theil der prootischen Gegend, sowie ein schmaler zwischen Squamosum und lateralem Parietalrand gele- gener Streifen der Labyrinthoberfläche frei; die opisthotische Portion wird hier durch den weiter vorspringenden Fortsatz (Pr! Fig. 1) in grösserer Ausdehnung bedeckt als bei Proteus. Die Frontalia (Fig. I und 14 F) schliessen sich bei Proteus in der Mittellinie in viel längerer Ausdehnung aneinander, als bei Menobranechus, wo sie nach hinten auf eine ziemlich weite Strecke divergiren, um das Parietale zwischen sich aufzunehmen; auch sind die Stirnbeine bei Proteus relativ viel breiter entwickelt, als bei jenem (vergl. die angeführten Figuren). Der Vordertheil der Stirnknochen bietet bei beiden Molchen ein sehr merkwürdiges Ver- halten dar, das ich zuerst von Menobranchus etwas genauer beschrei- ben will. Nachdem die Stirnbeine in einerdie beiden Antorbitalfortsätze (Fig. 1, 2 AF) verbindenden Querlinie ihre grösste Breitenausdehnung erreicht haben, verjüngen sie sich nach vorn ziemlich rasch und schieben sich scharf zugespitzt zwischen die aufsteigenden Fortsätze vom Zwi- 384 R. Wiedersheim schenkiefer (Fig. 1 u. 3 Pmz) und den Vomer (Fig. 2 Vo) ein, so dass sie beinahe die freie Schnauzenfläche erreichen. Seitlich be- merkt man eine grosse Oeffnung (Fig. 3 Folf u. Fig. 5 Olf) und innerhalb derselben erscheint der Knochen (Fig. 2, 5 Pru) haken- förmig umgerollt. Dieser Processus uneinatus sitzt mit breiter Fläche (Fig. 2 Pru) dem Vomer und dem Parasphenoid auf und steht zum Olfactorius in ähnlicher Beziehung wie die von mir schon früher beschriebenen Hakenfortsätze der Stirnbeine von Salamandrina d.h. er tritt hier vicarirend ein für die nicht von Seite der Trabekel (wie z. B. bei Siren) gelieferte Lamina cribrosa. Die durch den Hakenfortsatz von vorn her gebildete Incisur (Fig. 5 Pr) des Stirnbeines wird von aussen und hinten durch den obgenannten Fortsatz des Scheitelbeines (Fig. 5 Pr!) und von unten her durch den Trabekularknorpel (Tr!) zu einem vollkommenen Foramen olfactorium abgeschlossen. Eine gute Er- läuterung dieser complieirten Verhältnisse gibt der Querschnitt Fig. 41. In der Mitte sieht man das Cavum cranii von oben begrenzt durch die beiden Stirnbeine (F), von unten durch die Hakenfortsätze der- selben (7'), an welche sich von aussen der Trabekel (77) anschliesst. Zwischen diesen beiden basalwärts gelegenen Theilen einer- und dem dorsalen Stück des Frontale andrerseits bricht der Olfactorius aus der Schädelhöhle hervor und erreicht die weit lateralwärts lie- gende, aller knöchernen Bedeckungen baare Nasenkapsel (NA). Von unten her an F! schliesst sich das an seinem oberen Rand wie angenagt aussehende Parasphenoid (Ps) und weiterhin die Vo- mera (Vo). Die vordersten Enden der Frontalia legen sich nicht dicht an den Vomer und das Praemaxillare an, sonderh bleiben durch eine ziem- liche Menge straffes Bindegewebe von diesen Knochen getrennt. Die oben besprochenen Processus uncinati der Stirnbeine finden sich in ganz ähnlicher Weise bei Proteus, dagegen erreichen sie hier nicht den Vomer, sondern stossen auf den sich dazwischenschieben- den Schidelbalken, der bei diesem Thier im Gegensatz zu Menobran- chus frei zu Tage liegt und eine verkalkte Zone zeigt, auf die ich beim Primordialschädel noch einmal zurückkomme. Die Praemaxillarknochen (Fig. 1, 2, 3, 14, 15 Pmx) sind bei beiden Formen paarig und lassen einen aufsteigenden und einen zahntragenden Kieferfortsatz unterscheiden. Die ersteren ziehen sich bei Proteus viel weiter auf die Schädeloberfläche hinauf als bei M. und liegen in ihrem ganzen Verlauf eng einander an, während sie Das Kopfskelet der Urodelen. 385 bei Menobranchus nach hinten zu divergiren. Sie werden bei letz- terem Molch sowohl unter sich als von den unterliegenden Vomera durch eine starke Lage dicht verfilzten Bindegewebes von einander getrennt (Fig. 37 Bg, Pra), welches der Stelle entspricht, wo ich bei den übrigen Urodelen das Cavum intermaxillare zu beschreiben haben werde. Von letzterem so wenig als von einer eingelagerten Drüse lässt sich bei diesen beiden Urodelen Etwas nachweisen. Dadurch dass der Alveolarfortsatz des Zwischenkiefers unter sehr spitzem Winkel von dem aufsteigenden Fortsatz abgebogen ist, entsteht die für Proteus und Menobranchus so characteristische spitze Schnauze. Diese fällt in physiologischer Beziehung unter den- selben Gesichtspunet wie das sogenannte Rostrum der Rochen. Beide Bildungen dienen als »Wasserbrecher« und erlauben den Thieren ein leichtes und rasches Schwimmen. Im Gegensatz dazu steht der breite abgerundete Vorderkopf von Menopoma und Cryptobran- chus, namentlich aber vom Axolotl (vergl. Fig. 21, 24 u. 44). An der Schädelbasis treffen wir das mächtige Parasphenoid, das bei Proteus eine ganz ebene ventrale und dorsale Fläche besitzt, während die letztere bei Menobranchus in ihrem hinteren Bezirk eine tiefe Grube zeigt (Fig. 50 Ps +), welche an eine Sella tureiea er- innert; die ventrale Fläche ist an derselben Stelle nach unten aus- gebaucht. In der Mitte, genau an dem Punet, wo der von Ps aus- gehende Strich endet, wird man noch eine Spur von Chordagewebe gewahr. | Im vorderen Bezirk der Unterfläche des Parasphenoids liegt vom Kieferfortsatz des Praemaxillare vorn begrenzt, der ungefähr dreieckige mit einem kräftigen äusseren Zahnrand versehene Vomer. Während er bei Menobranchus nur ganz vorn mit seinem Gegenstück zusammenstösst (wodurch das Parasphenoid zwischen beiden Kno- chen frei bleibt, Fig. 2 Vo u. 38 Vo), findet bei Proteus (Fig. 15 Vo) eine viel ausgedehntere Berührung zwischen beiden Hälften statt. Der Querschnitt auf Fig. 37 und 38 Vo veranschaulicht sehr gut die Bedeutung dieses Knochens für den Aufbau des Schädels; durch seine starken Alveolarleisten erinnert er an die homologen Gebilde der Maxillaria von höheren Urodelen, welche bei Proteus und Menobranchus!) fehlen und ganz durch den Vomer ersetzt werden. t, Hyrtu |. c. will an dem von ihm untersuchten Exemplar eine rudimen- täre zahntragende Maxille gefunden haben. 386 R. Wiedersheim Sehr interessant waren mir die miichtigen, wie bei Urode- len-Larven mit einer Spitze versehenen Zähne, welche mit der eigentlichen Vomer-Platte zu einem Continuum verschmolzen sind, ohne dass man von Zahnsockeln ete. sprechen könnte. Sie bilden so sehr eine Masse mit dem Knochen, dass die Zahnhöhlen nur wie Spongiosa - Räume des letzteren erscheinen (Fig. 37 ZZ). Vergl. das weiter unten zu erwähnende Verhalten der sogen. Sphenoidal- zähne von Spelerpes. Ueber den Hinterrand des Vomer schiebt sich das an seinem abgerundeten Vorderrande zahntragende Pterygo-palatinum herüber und durch diesen Knochen, der bei Menobranchus ein sehr derbes Aussehen darbietet (Fig. 2 PP), wird bis zum Quadratum (Qu) jene Brücke fortgesetzt, welche den Selachiern zeitlebens, den übrigen Urodelen aber nur während ihres Larvenstadiums zu- kommt; man hat sie passend mit dem Namen »Gaumenbogen « im Gegensatz zu »Kieferbogen« bezeichnet (Oscar HErTwiG). Sie schlägt eine von hinten und aussen nach vorn und einwärts gehende Richtung ein, läuft also gerade entgegengesetzt dem bei höheren Urodelen auftretenden Pterygoidbogen. Bei Proteus stellt das Pterygo-palatinum eine gracile, mässig geschweifte Kno- chenlamelle dar, welche wie bei M. durch Bindegewebe mit Vomer und Quadratum verbunden wird. Nach aussen von ihr findet sich ein straffes Ligament (Fig. 2 Zgt), durch welches der letztgenann- ten Verbindung noch mehr Halt gegeben wird; ein ähnliches, nur viel stärkeres Band erstreckt sich zwischen dem Antorbitalfortsatz (AF) und der hintersten Spitze des Alveolarfortsatzes vom Zwischen- kiefer. In seinem hinteren Bezirk, kurz vor dem Antorbitalfortsatz ist es von der Choane durchbrochen (Fig. 3, 14 Zgt! bei Ch). Ueber die topographischen Beziehungen des Pterygo- palatinum zu den übrigen Schädelknochen möge man Fig. 40, 42 und 47 PP vergleichen; es geht daraus hervor, dass vor allem der Antorbital- fortsatz (AF), das Parasphenoid (7’s) und der knorpelige Theil des Quadratum (Qu!) in Betracht kommen. Auch das Pterygo-palatinum ist nicht frei von zelligen Spongiosa-häumen. Was endlich die kleine, am äussersten Ende des Quadratknor- pels auftretende Verknöcherung (Fig. 1, 2, 3 Qu) anbelangt, so ist dieselbe eine rein perichondrostotische, welche Art der Ossifieation überhaupt bei Menobranchus wenigstens einzig und allein in Frage kommt. Es lässt sich dies namentlich in der Labyrinthgegend aufs a in an Das Kopfskelet der Urodelen. =~ 387 Allersehönste studiren und nie habe ich bei den fünf von mir genau durchgemusterten Exemplaren eine primär auftretende, ceutrale Kalk- salzablagerung bemerkt. Das lamellöse Squamosum (Fig. I, 2 7») ist von HuxLey seiner Form wegen sehr passend mit einem Boomerang verglichen worden; an der Stelle, wo der an der seitlichen Labyrinthwand an- liegende Fortsatz unter leichter Knickung in den an der Aussenseite des Quadratum absteigenden übergeht, entspringt von der hinteren (concaven) Circumferenz des Knochens ein dornartiger Fortsatz und schlägt die Richtung gegen das Opereulum ein. Davon später bei Besprechung des Bandapparates dieser Gegend. Dass sich das Squamosum von Proteus weiter auf die Schädel- oberfläche (Fig. 14 7'p!) herauf erstreckt, dass es aber an Länge von demjenigen des Menobranchus übertroffen werde, habe ich schon oben erwähnt. b) Pars eartilaginea cranii. Der Knorpelschädel des Menobranchus hat unter allen Urodelen die grösste Ausdehnung und ist, wie dies auch HuxLey betont, der einzige unter sämmtlichen Amphibien, welcher vor der prootischen Region keine Ossificationszone im ganzen Lauf der Trabekel auf- weist. Dass die Labyrinthblasen entweder vollständig oder doch zum allergrössten Theil aus Hyalinknorpel bestehen, habe ich bereits bei Besprechung des knöchernen Schädels hervorgehoben und ich verweise deshalb bezüglich dieses Punctes nur noch auf die Figur 2 Pea. Wenn Huxuey behauptet, dass bei M. weder von einer supraoceipitalen noch von einer basioccipitalen Knorpelspange etwas zu entdecken, so muss ich demselben, gestützt auf die Befunde an (Juerschnitten, entschieden widersprechen. Letztere zeigen mir beide Gebilde, wenn auch in keiner starken Entwicklung. Was zunächst die supraoccipitale Knorpelmasse betrifft, so er- scheint sie im Bereich des hinteren Endes der Parietalia, ohne dass sie anfangs mit den beiden hyalinen Labyrinthblasen eine Verbin- dung eingeht. Dies ist erst weiter nach hinten der Fall, wo ihr von det oberen Kante der medialen Labyrinthwand jederseits immer mehr sich verlängernde Fortsätze entgegenwachsen , wodurch sie 388 R. Wiedersheim schliesslich die Rolle einer Commissur zwischen beiden Gehörblasen übernimmt (Fig. 50). Zugleich schiebt sich aus der Basis der me- dialen Labyrinthwand eine Knorpelplatte (* *) hervor, welche oberhalb des Parasphenoids (Ps) ihrem Gegenstück entgegenwiichst; beide Hälften bleiben durch die Sella tureica (+) von einander getrennt, hinter ihr vereinigen sie sich (Körper des Keilbeines). Weiter nach hinten tritt an der Stelle der supraoceipitalen Spange starkes Bindegewebe auf, welches sich zwischen beiden La- byrinthen strangartig herüberspannt. Seine Lage entspricht dem auf Fig. 1 mit Os bezeichneten Puncte und die Zeichnung lässt hier in- sofern zu wünschen übrig, als sie den Eindruck erweckt als wären beide Seitenhälften durch eine nicht abgegliederte knöcherne Spange continuirlich miteinander verbunden. Es sei dies hiermit richtig gestellt. Noch weiter rückwärts, unmittelbar am Hinterrand des Para- sphenoids stossen die Oceipitalia lateralia in der Mittellinie zusam- men und schliessen dort einen ovalen hyalinen Körper ein, dessen Mitte von den Resten des Chorda-Rohres eingenommen wird. In der oberen Hälfte dieses Körpers schlagen sich Kalksalze nieder; die unter der Chorda gelegene Abtheilung bleibt hyalin. Es kann dies Gebilde wohl nichts Anderes sein als ein Theil des Basi-occi- pital-Knorpels. Bei einem andern Exemplar, das seiner Grösse nach zu urthei- len, etwas jünger war, als das vorige, lief oberhalb der Occipital- condylen ein einfaches knorpeliges Querband von einer Seite zur andern herüber (Fig. 2 O2). Zur weiteren Verfolgung des Primordial-Schädels ist es nöthig, das Praemaxillare, den Vomer, das Pterygo-palatinum und das Para- sphenoid zu entfernen, worauf man gewahr wird, wie die auf Fig. 2 mit Pca bezeichnete basale Labyrinthwand continuirlich in den nach vorn und etwas nach auswärts laufenden Trabekel übergeht. Gegen die prootische Region hin, also in der Umgebung von 7g Fig. 1 und 2, zeigt sich der Schädelbalken von einer grossen Oeffnung durchbrochen, und man kann demgemäss an ihm ein oberes Stück (Fig. 46 *) und ein unteres (Tr) unterscheiden. Letzteres ist viel weiter lateralwärts ausgezogen und geht unmittelbar in das spongiöse Knochengewebe der prootischen Region über Pet. An diese schliesst sich nach aussen eng das Quadratum (Quw') und in weiterer Folge das Tympanieum oder Squamosum an (7p). Gegen die Mundhöhle Das Kopfskelet der Urodelen. 389 zu wird dieses ganze Gerüste von dem lateralwärts weit ausgewach- senen Parasphenoid (Ps u. Ps!) getragen; zwischen dem Abschnitt Ps! und der Unterfläche der prootischen Gegend findet sich zur Ausfüllung des durch die Incongruenz der Knochen erzeugten Spalt- raumes eine dicke Lage von Bindegewebe (By). Ein weiterer Bin- degewebszug erstreckt sich dachförmig vom äusseren, knopfartig aufgetriebenen Ende des Parietale (P) oberhalb von * zur prootischen Region (Pet) herüber (Bg'). Dadurch wird der zwischen der Orbi- tallamelle des Scheitelbeines (P'), der unteren Trabekelpartie (77) und der prootischen Gegend (Pet) gelegene Hohlraum von oben her abgeschlossen ynd- dient zur Einlagerung des I. Trigeminus der auf der Figur irrthümlich mit Fac statt mit 7'y bezeichnet ist. Weiter nach vorn (Fig. 47) sieht man die in der vorigen Abbildung mit ~ und 7r bezeichneten Abschnitte des Trabekels wieder ver- einigt (Fig. 47 Tr bei *) und zugleich wächst die dünne, bogenfér- mig geschwungene obere Partie desselben zu einem langen und star- ken Fortsatz aus, der unmittelbar in’s Quadratum übergeht (Qu! und (u). Ueber die grösste Circumferenz des Knorpelbogens legt sich schirmdachähnlich der mit Pr? bezeichnete Fortsatz des Parietale herüber (vergl. auch Fig. 1 Pr?); dieser ist daher, wenn man sich einfach auf die Präparation mit Loupe und Pincette beschränken wollte, auszubrechen, um eine klare Anschauung zu gewinnen. Un- terlässt man das, so gewinnt man nur den Anblick von Fig. 1 und 2°CC. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir in dieser Verbindungsbriicke zwischen Trabekel und Quadratum keine neue Bildung, sondern nur eine excessive Entwickelung des bei Siren (Fig. 18 mit +) unterhalb von As bezeichneten Fortsatzes erblicken ; eben dahin gehört auch der auf Fig. 17 mit + (hinter As) bezeichnete Knorpelpfeiler von Amphiuma. Hier wie dort schiebt sich diese hyaline Spange zwischen den I. Trigeminus einer und den II. und III. an- drerseits und ist in Erwägung dieser Thatsache mit vollem Recht mit einem Theil der Ala magna der höheren und höchsten Wirbel- thiere zu parallelisiren. Ich will nicht unterlassen zu bemerken, dass ich bei Proteus nichts von dieser Verbindungsbrücke aufzufin- den vermag. Die kegelförmig verbreiterte Basis des Trabekels (Fig. 47 Tr) ruht nach abwärts auf einem Fortsatz des Parasphe- noids (Ps!) und ist lateralwärts mit dem den Abschnitt (Qu!) von nnten her bedeckenden Pterygo-palatinum (PP) durch Bindegewebe Bg) verbunden. Aus derselben Abbildung, welche auch das Gehirn 390 R. Wiedersheim Ge) sehr schön in situ zeigt, geht hervor, dass die ganze Schädel- kapsel in dieser Gegend nur von Seiten des Parasphenoids (Ps) und der Parietalia {P, Pr?) gebildet wird und dass die hier sonst (mit Ausnahme von Amphiuma) allein in Betracht kom- menden Schädelbalken Raruke’s gänzlich davon ausge- sehlossen sind! Von einem bei den meisten übrigen Urodelen von der Ueber- gangsstelle des Quadratum in den Trabekel 'Alisphenoid) ausgehen- den knorpeligen Pterygoid ist bei Menobranchus und Proteus nichts zu entdecken; ob man die am Vorderrand des fraglichen Knorpels (Fig. 1 CC) sitzende schwache Protuberanz als letzte An- deutung desselben betrachten kann, wage ich nicht zu entscheiden. Vergl. hierüber Huxury |. e. Folgen wir nun den Trabekeln immer weiter in ihrem Lauf nach vorwärts, so sehen wir sie stets ihre Lage auswärts von dem Orbitalfortsatz des Scheitelbeins (Fig. 2 Tr und Fig. 40, 42 Tr) bei- behalten. Kurz nach dem in Fig. 47 besprochenen Verhalten tritt eine zweite Oeffnung in ihnen auf, wodurch sie in der auf Fig. 42 + durch die punctirten Linien angegebenen Art und Weise wie durehgeschniirt erscheinen. Ich habe versäumt, auf den durchtretenden Nerven ein genaueres Augenmerk zu richten, es kann sich aber wohl um keinen andern als den Opticus gehandelt haben. In dieser Region wird die Knorpelmasse nicht mehr so: weit von dem Parietale (Pr') überlagert, wie wir dies weiter hinten ge- - sehen haben, wohl aber tritt ein ähnliches Verhalten weiter nach vorn und zwar an der Stelle wieder auf, wo der auf Fig. 1, 2, 3 mit AF’ bezeichnete » Antorbital- Fortsatz« (Huxtey, PARKER) nach aussen sich erstreckt (Fig. 40 AF). So innig auch die Verbindung desselben mit der Trabecular-Masse bei der Präparation mit Messer und Pincette erscheint, so wird man doch durch Querschnitte belehrt, dass zwischen beiden kein organischer Zusammenhang sondern nur eine durch fibréses Gewebe erzeugte Verbindung statt hat; dasselbe silt auch für Proteus. Dazu kommt, dass sich dieser Fortsatz durch spärlicher angeordnete Intercellular-Substanz auch histologisch von der Trabekularmasse unterscheidet. Trotzdem ist a priori ein früher bestandener eontinuirlicher Zusammenfluss beider Theile anzunehmen; dafür sprechen die ent- wicklungsgeschichtlichen Thatsachen und ebenso die Befunde an dem für sämmtliche Urodelen typischen Verhalten des zum Antorbital- Das Kopfskelet der Urodelen. 391 fortsatz auswachsenden Trabekels. Zur weiteren Stütze sind die hierin sich genau ebenso verhaltenden Plagiostomen herbeizuziehen. Auf der Abbildung 40 sieht man nun auch das Frontale zur Umsehliessung der Schädelwand beitragen (7); zum grossen Theil kommt aber immer noch das Parietale in Frage und zwar ist es der äussere Theil der Schiideldecke und die sich immer schiefer rich- tende Seitenwand (/'), welche von ihm gebildet werden. Basalwärts liegen das breite Parasphenoid (7s) und aussen ab- wärts davon der Vomer (ist auf der Figur nicht näher bezeichnet) sammt dem Schädelbalken, sowie dem dem Antorbitalfortsatz zur Unterlage dienenden Pterygo-palatinum. Zugleich bemerkt man, dass der auf Fig. 42 noch senkrecht stehende Trabekel mehr- und mehr abgeflacht ist und allmälig ein vollständig platt gedrücktes Aussehen erhält (Fig. 40 u. 41 Tr). Von einer durch beide Antorbitalfortsätze gezogenen Linie an verlassen die Schädelbalken ihre bisherige Richtung und gehen un- ter plattenartiger Verbreiterung einwärts und vorwärts. Sie falzen sich dabei in eine tiefe Nische zwischen dem obgenannten Processus uncinatus des Stirnbeines (Fig. 2 Pru) und der Spitze (F) dieses Knochens fest ein (Fig. 5 Zr!) und werden im weiteren Verlauf vom Vomer und Parasphenoid von unten her gedeckt (Fig. 38 zwi- schen #, Vo und Ps Fig. 41). Dabei fliessen sie im Bereich eines durch die Hinterenden der aufsteigenden Zwischenkieferfortsätze ge- legten Querdurchmessers des Schädels von beiden Seiten zu einer unpaaren Platte (Fig.2 Zr'!, Fig. 38 Trda. Pl) zusammen, und erinnern dadurch an jenen, entwieklungsgeschichtlich so wichtigen Vorgang der Bildung einer basalen Ethmoidplatte. Dieser Zusammenfluss der Trabekel ist auch Huxrey nicht ent- gangen und ebenso wenig die nur durch fibröses Gewebe erzeugte Verbindung des Antorbitalfortsatzes. Von dieser basalen Ethmoidplatte tritt eine stielartige Fortsetzung des Trabekels in den Raum zwischen dem Alveolarfortsatz des Vomer, der Praemaxille und dem vordersten spitzen Ausläufer des Frontale (Fig. 2, 37 Tr2). Er schlägt an der Schnauzenspitze eine mediale Richtung ein, ohne dass ich jedoch mit Sicherheit an- geben kann !) ob er mit seinem Gegenstück ringartig zusammen- fliesst, oder ob beide durch eine Bindegewebslage von einander ge- trennt werden. ') Die ersten Querschnitte von der Schnauzenspitze her sind mir missglückt. 392 R. Wiedersheim Endlich noch ein Wort über die Anatomie des Cavum nasale, welches bei Menobranchus und Proteus durch einen, beim Ab- nehmen der Kopfhaut sehr leicht verletzbaren, wurstförmigen Sack zu Stande kommt (Fig. 1 NK). Die obere und die seitliche Wand des letzteren ist hyaliner Natur und von zahlreichen Oeffnun- sen durchbrochen, was bei der Betrachtung unter der Loupe einen zierlichen, netzartigen Eindruck hervorbringt. Für Proteus ist dies keine Neuigkeit, denn Leypia (Anat. histol. Untersuch. über Fische und Reptilien) lässt sich darüber folgendermassen vernehmen: »Geht man an die mikroskopische Untersuchung, so stösst man auf eine äusserst zierliche Bildung, von der ich in den mir zugäng- lichen Büchern nirgends eine Erwähnung finde. Der Geruchssack steckt nämlich in einem sehr schön gegitterten Knorpel- serüst, das in seiner Configuration an den knorpeligen Brustkorb der Cyklostomen erinnert (Fig. 185). Es besteht gewissermassen aus zwei Längsleisten, einer oberen und einer unteren, die aber keineswegs denselben Durchmesser behalten, im Gegentheile sich bald plattenartig verbreitern, bald auch wieder von grossen Oeffnun- gen durchbrochen sind: von ihnen zweigen sich zahlreiche quere Aeste ab, die um den Geruchssack herum laufend, von beiden Seiten zusam- menbiegen. Auf solche Art kommt ein gar elegantes knorpeliges Gitter- werk zu Stande, das den Geruchssack in sich trägt und von dem ich nieht weiss, ob es mit dem Skelet zusammenhängt oder was mir fast wahrscheinlicher ist, ganz von demselben isolirt ist.« Diese Beschreibung passt ziemlieh genau auch für Menobranchus, nur sind hier die Oeffnungen viel kleiner als bei Proteus, so dass die hyaline Substanz mehr zur Geltung kommt. Ferner ist der Knor- pelsack an seinem Hinterende blasig aufgetrieben und ist hier durch starkes Bindegewebe, aber nicht durch Knorpel sowohl mit dem Antorbitalfortsatz, als der seitlichen Region des Stirnbeines in- nig verbunden. Das schlitzartige äussere Nasenloch ist weit nach abwärts in die häutige Oberlippe verlegt, aus weleh letzterer der Nasensack überhaupt bei der Präparation förmlich herausgeschält werden muss. Ist das geschehen, so kann man ihn mit der Nadelspitze von der seitlichen Frontalgegend etwas abdrängen und wird dadurch gewahr, wie der fächerartig ausstrahlende Olfactorius (Fig. 1 O/f und Fig. 41 Olf) an 6— 8 verschiedenen Stellen seine mediale Wand durchbohrt. Sein vorderes verjüngtes Ende überragt die Praemaxil- largegend um ein gutes Stück und hat neben sich das Ende des Das Kopfskelet der Urodelen. 393 Ram. nasalis Trigemini (Zr). Es ist erstaunlich, wie gross die Nervenmasse ist, welche in der Circumferenz des Nasensackes unter der Haut getroffen wird. Sowohl an der medialen als lateralen Seite verlaufen zwei reichlich sich ramifieirende Aeste des I. und Il. Tri- geminus. Auf der Fiscner’schen Abbildung (l. e.) ist dies nur in sehr unvollkommener Weise und mit Verletzung einer Menge von Zweigen wiedergegeben. Ich sagte früher, dass der Nasensack oben und seitlich von hyalinen Elementen gebildet sei; es ist dies, allerdings mit gewis- ser Beschränkung, auch auf die Unterseite auszudehnen. Letztere wird nämlich in ihrer weitaus grössten Ausdehnung nur von jenem starken fibrösen Gewebe gebildet, welches die ganze innere Aus- kleidung des Riechsackes darstellt. Es ist auf Fig. 1 bei Rs sicht- bar und der auf Fig. 41 mitgetheilte Querschnitt belehrt eines wei- teren, dass von dem fibrösen Sack radienartige Verlängerungen in das Lumen hinein sich erstrecken (Bg), wodurch die dadurch empor- gehobene Riechschleimhaut bedeutend an Flächenausdehnung ge- winnt. Ein Blick in die von oben geöffnete Riechblase zeigt die Schleim- haut zu einem baumartig verästigten Relief erhoben (Fig. 1, rechte Seite) und erinnert dadurch, wie das auch Ruscoxt und Leynie für Proteus mit Recht betonen, an das Geruchsorgan mancher Knorpel- fische, mit welchem überhaupt der ganze Apparat durch seine stark seitliche Anordnung am Schädel übereinstimmt. Eine solche fin- det sich sonst nirgends in der ganzen Urodelenwelt und was seine Lagerung direct unter dem Integument anbelangt, so ist einzig und allein Siren lacertina zum Vergleich herbeizuziehen. Ueber die Genese dieses allen Knochenschutzes baaren Riech- organes, sowie über seine früher existirende oder nicht existirende Abhängigkeit von der Masse der Trabekeln resp. vom Antorbital- fortsatz, kann ich leider keine Auskunft geben, da es mir trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, Larven von Menobranchus oder Proteus zu erhalten. Dass beim erwachsenen Thier die Verbindung mit dem übrigen Schädel nur durch Bindegewebe erfolgt, dass also bei ihm von kei- nem organischen Zusammenhang mit den Trabekeln die Rede sein kann, habe ich oben schon betont. Was das Knorpelgerüst des Proteus-Schädels betrifft, so habe ich noch nachzutragen, dass bei ihm die Trabekelmasse nach rück- wärts mit dem Labyrinthknorpel in keiner Verbindung steht sondern 394 R. Wiedersheim einfach, wie bei den Spelerpes-Arten z. B. an das wohl verknö- cherte Petrosum (proot. Region) stösst. Nach vom von den Antor- bitalfortsätzen tritt eine kalkige Inerustation derselben auf, welche nur sehr locker den Knorpel umschliesst und mit der Nadel in zu- sammenhängenden Platten entfernt werden kann, wodurch jener frei zu Tage tritt. Diese perichondrostotische Verknöcherung fehlt Meno- branchus. Sehliesslich sei noch erwähnt, dass die gegen die Praemaxillar- gegend sich erstreckenden, vordersten Ausläufer der basalen Eth- moidalplatte, einfach zugespitzt (wie zwei Schneckenhörner) auslau- fen ohne eine Neigung zur Convergenz zu zeigen (Fig. 15 Tr). Der Unterkiefer besteht aus den vier Stücken, wie sie bei den Larven aller Urode- len wiederkehren, nämlich aus einem knorpeligen, der Cartilago Meckelii (Fig. 16 MAX) und drei knöchernen: 1) dem Dentale (De) 2) dem Angulare (Ang) und 3) dem Operculare (*). Nur das Dentale und Opereulare tragen einspitzige Zähne und ihre Lage, sowie die der übrigen nur lose verbundenen Theile geht aus der Abbildung hervor. B. Cryptobranchiata. 3) Amphiuma tridactylum. Der Schädel (Fig. 7, 9, 17) ist lang und schmal und erinnert insofern.an Proteus, obgleich er in seinem vorderen Bezirk lange nicht das spitze Aussehen zeigt wie letzterer. Was ihn aber sofort über die Phanerobranchiaten stellt, ist die mehr der transversellen genäherte Richtung des Suspensorium, welches bei jenen sowohl wie bei sämmtlichen Larven der Urodelen direet nach vorn und nur we- nig nach aussen gerichtet war. Dahin gehört auch noch eine Rich- tung des Pterygoidbogens und der zahntragenden Vomeropalatina, welche an die höheren Urodelenformen erinnert. Die Knochen sind derb, eompaet und zeigen nur sehr verein- zelt jene bei Menobranchus so reich entwickelten Markhöhlen (vergl. Fig. 52—63). Was den Schädel aber von demjenigen sämmtlicher andern Urodelen unterscheidet, das ist die enorme Länge und Das Kopfskelet der Urodelen. 395 zugleich die Schmalheit der Nasenhöhlen. Im übrigen besitzt er schon dieselbe Zahl der Knochen, wie der Schädel der andern Cryptobranchiaten und sogar mehr als der gewisser Salamandriden. Während ich es bei Betrachtung des Kopfskeletes der Phanero- branchiaten für angezeigt erachtet habe, die Pars ossea und cartila- ginea gesondert abzuhandeln, schlage ich bier, gezwungen durch die engen Beziehungen beider zu einander, einen andern Weg ein und beschreibe beide auf einmal. Es erweist sich dies auch schon aus dem Grunde als praktischer, weil der Knorpelschädel hier weit mehr redueirt und nicht als ein solch zusammenhängendes, für sich dar- stellbares Gebilde erscheint, wie dort. Die Petroso-occipitalia sind in ihrem hinteren und vorde- ren Bezirk gut verknöchert; am letztgenannten Puncte bleiben nur die beiden Articulationsstellen für den Quadratknorpel hyalin. Im Bereich des Operculum setzen sich alle Labyrinthwände aus Knor- pel zusammen, so dass man ganz den Anblick des Menobranchus- schädels (Fig. 50) bekommt. Nach rückwärts davon liegen die durch eine stattliche basi-oceipitale Knorpelplatte getrennten (Fig. 9 Ob), weit nach hinten ausspringenden Occipitaleondylen (Cocc) ; auswärts von ihnen, in der lateralen Occipitalgegend liegt das Vagusloch (Vg). Nach oben vom Hinterhauptsloch stossen die Petroso-oceipitalia mit breitem Rand zusammen und überragen so um ein Beträchtliches den Hinterrand der Parietalia. Ummittellbar unter der Stelle ihres Zusammenstosses liegt eine sehr ansehnliche hyaline Supraoceipital- spange, welche auf der Figur 7 von den beiden Knochen (Os) be- deckt wird, somit nicht sichtbar ist. Die Scheitelbeine (Fig. 7 P) stossen in der Medianebene unter Bildung einer scharf vorspringenden Kante zusammen; eine solche, nur in viel grösserem Massstab erhebt sich am Aussenrand dieser Knochen und erstreckt sich nicht nur über die vordere Hälfte der Labyrinthkapsel hin, sondern geht in gewaltigem Bogen in die Augenhöhle herab, wo sie wie ein stark gekrümmter Vogelschnabel den Orbitalfortsatz des Parietale nach hinten, gegen die prootische Gegend zum Abschluss bringt (Fig. 17 Prpa *). Medianwärts von dieser Crista findet sich auf der Dorsalseite des Scheitelbeines eine tiefe Furche, welche einem von der Nackengegend kommenden Muskel resp. dessen ausserordentlich starker Sehne zur Aufnahme dient. Diese erhält von Seite der vogelschnabelähnlichen Protube- ranz ihre Führung in die Augenhöhle herab und erreicht die Spitze des Angulare, documentirt sich somit als Kaumuskel (Temporalis? . Morpholog. Jahrbuch. 3. 26 396 R. Wiedersheim Abgesehen davon, dass sich die Parietalia durch einen starken Orbi- talfortsatz (Fig. 17 Prpa) an der Herstellung der seitlichen Schidel- wand betheiligen, schicken sie auch, ähnlich wie die Phanerobran- chiaten, einen das Stirnbein seitlich flankirenden Fortsatz am oberen Orbitalrand bis zum Präfrontale nach vorn (Fig. 7). Die Frontalia erstrecken sich sehr weit nach vorn und tragen auf ihrem hinteren Bezirk eine schräg von aussen und vorn nach hinten und einwärts ziehende Muskelleiste (Fig. 7) zwischen den beiden /. — Ueber eine an ihrer Unterseite als Lamina eribrosa fungirende knöcherne Ringbildupg will ich mich erst aussprechen, wenn ich die Topographie des Schädeleavums an der Hand von Quer-. schnitten behandle. In einen zwischen den Vorderenden der Stirnbeine befindlichen Schlitz ist die lange Pars ascendens des unpaaren Zwischenkiefers eingelassen (Fig. 7 Pmr). Nach auswärts von diesem liegen die Deckknochen der Nasenhöhle: das Präfrontale (Pf), das Na- sale (N) und nach aussen von diesen endlich das einen kräftigen Fortsatz nach rückwärts sendende Maxillare (M Fig. 7 und 17), welches überdies noch mit einem sehr grossen Nervenloch für den Trigeminus versehen ist (Fig. 7, 17 2’). Alle diese Deekknochen der Nasenhöhle begegnen uns beim Salamandridenschädel wieder und zwar stimmen sie damit in formeller wie in topographischer Beziehung fast vollkommen überein. Bei der Betrachtung von unten imponiren vor Allem die auf den Alveolarfortsätzen des Zwischen- und Oberkiefers sitzenden einspitzi- gen Zähne. Ihre Anordnung wird von den auf zwei langen, dünnen Lamellen sitzenden Vomero-palatin-Zähnen repräsentirt und so er- weckt der Kiefer- und Gaumenbogen den Eindruck zweier, ineinan- der steckender bezahnter Pfeilspitzen, die mit dem spitzen Ende nach vorwärts gerichtet sind (Fig. 9 M, Pmxz und Vop). Da wo die Vorderenden der Vomeropalatina (Vop) in der Mittellinie zusammen- stossen , ragt ein conisch gestalteter Knorpelzapfen vom Boden der Nasenhöhle in die Schleimhaut des Mundes herab, von welcher er einen Ueberzug erhält. Der Gaumenfortsatz des Oberkiefers liegt nicht in seiner ganzen Länge dem lateralen Rand des Vomero-palatinum dieht an, sondern ist nach hinten zu eine ziemliche Strecke von ihm abgebogen, wo- durch ein nach vorn spitz auslaufender Spaltraum entsteht, welcher auch schon Hyrru (Cryptobr. jap. Schediasma anat.) aufgefallen ist. Er lässt sich folgendermassen darüber vernehmen: »Praeterea mi- Das Kopfskelet der Urodelen. 397 rum hoc animal id sibi privum habet, quod aperturae narium pala- tinae, nullis palati ossibus eircumseribuntur, sed in ipsa illa mem- brana fibrosa collocatae sint, quae osssa pterygoidea cum ossibus maxillaribus superioribus conjungit«. Es hat also der Wiener Anatom ganz richtig gesehen, wenn er sagt, dass jener Spaltraum von fibrösem Gewebe erfüllt sei, nur hat er versäumt, hinzuzusetzen, dass nur die ventrale Cireumferenz der Choanen von fibrösem Gewebe gebildet werde, während sich an der dorsalen eine, wie ich weiter unten zeigen werde, von den Tra- bekeln abstammende Knorpelmasse befindet (Fig. 7, 9, 17 AF). Diese ist mit dem Antorbitalfortsatz der übrigen Urodelen homolog und ist von dem Nervus nasalis Trigemini durchsetzt. Der spitze Winkel, den die Vomeropalatina miteinander erzeugen, wird durch eine dolehförmige, spitze Knochenlamelle halbirt (Fig. 9 Pma'), welche dem Zwischenkiefer angehört. Es kommt also dieser Knochen bei Amphiuma noch eine grosse Strecke auf die Ventralseite des Parasphenoids zu liegen, ein Verhalten, das ich unter sämmtlichen Urodelen als einzig dastehend bezeichnen muss. Ich habe die Praemaxille deshalb noch extra von der Seite dargestellt und man wird erkennen, dass man an ihr einen zahntragenden, vom Nasenast des Trigeminus durchsetzten Alveolar- fortsatz und eine als Nasenseptum fungirende sagittale Lamelle unterscheiden kann (Fig. 20 Spo). Letztere zeigt sich von hinten her tief ausgeschnitten, wodurch sie in zwei nach rückwärts gehende Fortsätze zerfällt, wovon sich der eine auf die Schädeloberfläche zwi- schen beide Stirnbeine hinein fortsetzt, während wir den anderen an der Schädelbasis ventralwärts vom Parasphenoid getroffen haben (Fig. 9 Pmzx'). Der Ausschnitt in der Septalplatte wird am frischen Schädel von Hyalinknorpel ausgefüllt und nach unten davon (Fig. 20 *) schiebt sich das Parasphenoid ein. Letzteres (Fig. 9 Ps) ist ein grosser, ventralwärts schwach con- vexer, Jamellöser Knochen, der sich nach vorn stark verjüngt, wobei er sich in zwei feine Spitzen gabelt, welche seitlich und oben von dem Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers gelagert sind. An der Bildung des Foramen oceipitale betheiligt er sich so wenig als die Scheitelbeine und hört vielmehr vor dem basi-oeeipi- talen Knorpel quer abgestutzt auf, nachdem er zuvor in einer den Suspensorial- Apparat durchsetzenden Querlinie seine grösste Breite erreicht hatte. Diejenige Partie des Trabekels, welehe die Autoren mit Orbito- 26* 398 R. Wiedersheim sphenoid (Fig. 17 Os) bezeichnen, wird nur durch eine ganz kurze Ossificationszone repräsentirt, welche zwischen dem Orbitalfortsatz des Parietale und dem Parasphenoid gelagert ist. Sie ist hinten höher, betheiligt sich also hier stärker an der Herstellung der seit- lichen Schädelwand, als vom, wo sie sich keilartig zuspitzt, so dass ihr hier andere benachbarte Knochen bei der Herstellung des Schä- delrohres zu Hülfe kommen müssen. Es sind dies — mirabile dictu! — die Vomero-palatina, welche einen unter rechtem Winkel vom übrigen (Pars palatina) Knochen abgehenden Fortsatz am vorder- sten Bezirk der inneren Orbitalwand emporsenden. Dieser Pro- cessus orbitalis verbindet sich unter Bildung einer Schuppennaht nicht nur mit dem vordersten zugespitzten Ende des Orbitosphenoid’s, sondern, wie später noch klar werden wird, auch mit dem Stirn- beine. Auf der Figur 17 ist dies Alles nicht sichtbar, weil dort das Vorderende des Orbitosphenoids vom Antorbitalfortsatz (AF) überlagert wird; dagegen werden die später zu betrachtenden Querschnitte alles klar legen. Was endlich den Suspensorium - Apparat anbelangt, so ist er ganz nach demselben Typus construirt, wie er uns bei den übrigen Cryptobranchiaten und Salamandriden entgegentritt. Die starke Quadratverknöcherung (Fig. 7, 9, 17 Qu) stützt sich durch einen langen Knorpelpfeiler (Fig. 17 hinter 7p) auf die proo- tische Gegend. Dabei gabelt sich das proximale Ende in ganz ähn- licher Weise, wie bei den Phanerobranchiaten, so dass der eine Knorpelschenkel mit dem basalen, der andere mit dem lateralen Theil der prootischen Region in Verbindung tritt. Die Gelenkfläche des Quadratum für die Mandibel ist ein von wulstigen Lippen um- sebenes, ausgehöhltes Dreieck (Fig. 9 Qu). An den inneren Win- kel schliesst sich das säbelförmig geschwungene Pterygoideum osseum (Fig. 7, 9, 17 Pt) an; es ist dies ein sehr dünner Knochen, wel- cher den viel mächtigeren nach rückwärts mit der Pars hyalina des Quadratum zusammenhängenden eartilaginösen Theil des Flügel- bogens an Länge und Breite lange nicht erreicht (Fig. 7, 9, 17 Pte). Während nämlich letzterer mit seiner nach vorwärts auswärts schauenden Spitze sogar die hintersten Enden der Maxillarspangen noch überragt, erstreckt sich der knöcherne Theil des Pterygoids nur bis zur Mitte einer den Orbitalboden durchziehenden Längsaxe. Dass der knorpelige Flügelbogen in der Nähe seines breiten Ursprun- ses vom Quadratum mit demjenigen Theil des knorpeligen Schädel- Das Kopfskelet der Urodelen. 399 balkens, welchen man bisher mit dem Namen Alisphenoid oder Ala magna (Fig. 9. 17 As) zu bezeiehnen gewohnt war, durch einen auch bei den Phanerobranchiaten vorkommenden Knorpelpfei- ler Fig. 17 + hinter As) zusammenhängt, habe ich schon oben mit- getheilt; eben daselbst machte ich auch auf die Beziehungen dessel- ben zum Trigeminusloch aufmerksam. In dem Squamosum (Fig. 7, 9, 17 Zp) sehen wir einen die Quadratregion zum grössten Theil von aussen deckenden Knochen vor uns. An der seitlichen Labyrinthwand emporsteigend breitet er sich an der oben erwähnten lateralen Parietalerista schuppenartig aus und liegt ihr mit gezähntem Rand (Fig. 17 zwischen 7p u. P) dieht an. Dabei zieht sich die Lamelle nach hinten in einen langen Fortsatz aus (7'p'), welcher bis zur hintersten Kante der Regio opis- thotiea reicht und nur noch von den Occipitalcondylen nach rück- wärts überragt wird. Zur Erläuterung des bis jetzt über die Schädelverhältnisse von Amphiuma Vorgebrachten erachte ich es für passend, die dargestellten Quersehnitte Fig. 52 bis 63 einer kurzen Besprechung zu unterwerfen. Erst an der Hand der letzteren wird es möglich sein, von den in den Aufbau des Schädelrohres eingehenden Constituentien eine klare topographische Vorstellung zu gewinnen. Was zunächst die Figur 52 anbelangt, so sehen wir hier die dureh den homogenen, unpaaren Zwischenkiefer (Pnr) dargestellte internasale Septalwand, welche die ganze Schädelhöhe in sagittaler Richtung durchsetzt und ein schwächeres oberes und ein stärkeres unteres aufgetriebenes Ende besitzt. Die Mittelpartie ist sanduhr- förmig eingeschniirt und lässt keine Spur einer Intermaxillar-Höhle und -Drüse erkennen, wie wir dies bei allen Salamandriden ohne Ausnahme zu beobachten Gelegenheit haben werden. Am unteren Ende des Knochens treffen wir einen langen Knorpelzapfen (AZ), der dureh Bindegewebe mit jenem verbunden ist (By. Ueber seine Bedeutung später. Das Auftreten dieses Gebildes beweist uns, dass der Vorderkopf wenige Millimeter hinter seinem Schnauzenende in einer Querlinie getroffen ist, welehe kurz hinter die Stelle des Zu- sammenstosses der Alveolarfortsätze vom Ober- und Zwischenkiefer fällt (vergl. Fig. 9). In Folge dessen erscheint seitlich im Quer- schnitt die Maxille (7) mit ihrem Zahn- und Gaumenfortsatz, wäh- rend das Cavum olfactorium von oben her durch das Nasale (N) gedeckt wird. Die innere Auskleidung wird oben, aussen und unten 400 R. Wiedersheim von Hyalinknorpel hergestellt; medianwärts fehlt dieser und an sei- ner Stelle findet sich eine Drüsenlage (Dr). Zwei Querschnitte weiter nach hinten treffen wir die Verhält- nisse bis auf einen einzigen Punet unverändert. Dieser betrifft den basalen Knorpelzapfen, der sich nach oben napfartig ausgehöhlt und seitlich in zwei Fortsätze getheilt hat, mit welchen zwei, annähernd cubisch gestaltete Knochenstücke in sehr enge Verbindung getreten sind (Fig. 53 Vp). Es sind dies die knopfartig angeschwollenen Vorderenden der Vomeropalatina, vielleicht auch der Vomera allein. Zugleich hat sich der Knorpelzapfen (AZ) stark verbreitert und nimmt sich aus, wie ein für die Praemaxille bestimmtes Piedestal. Im nächsten Schnitt ist er verschwunden und die zwei Hälften der Vomeropalatina (Fig. 54 Vp) sind an beide Seiten des in sei- nem Mittelstück bedeutend verjüngten Zwischenkiefers (Pmz) gerückt. Nach aussen von ihnen treffen wir auf das oben erwähnte, schwarz gemalte Bindegewebe (By, welches ‘die Vomeropalatin-Bögen von den Gaumenfortsätzen der Maxillaria (WM) trennt. (Vergl. auch Fig. 9 Zgt.) Je weiter man mit den Schnitten nach hinten vordringt, desto mehr zeigt sich das Mittelstiick des Praemaxillare verjüngt, bis es endlich ganz durchgeschnürt wird (Fig. 55 Pmz *) und in ein dor- sales (Pmz) und ein ventrales Stück (Pmz') zerfällt. Einstweilen hat sich auch aussen davon der Nasenraum mit Knor- pelplatten umkleidet, welche von der Ventral- und Dorsalseite auswach- send anfangs an der Durchschnürungsstelle getrennt sind (Fig. 55), bald aber (Fig. 56) in der Mittellinie einander entgegenwachsen und so eine Xförmige Figur mit kürzeren oberen und längeren unteren Schen- keln darstellen. Die Verbindungsstelle beider Hälften des X dient zugleich auch als hyaline Commissur zwischen dem dorsalen und ventralen Stück des Praemaxillare (*). Wir befinden uns also be- reits in einer Region des Vorderkopfes, in der das Internasal - Sep- tum theils aus knöchernen theils aus knorpeligen Elementen sich aufbaut. Zugleich haben sich die Vomero-palatina (Vp) verbreitert und die Vorderenden der Frontalia schicken einen schräg zwischen dem Nasenbein und dem dorsalen Stück des Zwischenkiefers sich einkeilenden Fortsatz ab (Fig. 56 F). Man vergleiche damit auch Fig. 20, wo allerdings vom Knor- pel des Cavum nasale Nichts erhalten ist, als die Septalplatte (Sea). Auch stehen die Knochen in keinen ganz riehtigen appositionellen | Verhältnissen, insofern der mit (Spo!) bezeichnete Fortsatz des Stirn- 1 Das Kopfskelet der Urodelen. 401 beines (F) hinter die Kuorpelwand (Sea) geschoben sein sollte. In Folge davon würde dann auch der dorsale Abschnitt des Zwi- schenkiefers auf diejenige Seite des Stirnbeines zu liegen kommen, welche ich mit 7’ bezeichnet habe. Dass zwei Knochen bei Spren- gung des Schädels nur durch einen glücklichen Zufall in ihrer na- türlichen Lage bleiben, ist selbstverständlich und gerade bei meinem Präparat war dies nicht der Fall und so musste ich die topogra- phischen Verhältnisse nachträglich zu reconstruiren versuchen, was gerade keine leichte Aufgabe ist, wenn man nur einen einzigen Schä- del zur Verfügung hat. So hat sich denn der Irrthum auf Figur 20 eingeschlichen und die Abbildung war bereits lithographirt, als es mir ein halbes Jahr später gelang, noch ein zweites Exemplar von Amphiuma zur Verfügung zu erhalten. Durch die davon erhalte- nen Querschnitte bin ich nun in den Stand gesetzt, meinen Fehler im obgenannten Sinne wieder gut zu machen. Erwägt man nun, dass im vordern Nasenraum nur an der obe- ren und unteren Seite eine Knorpelauskleidung existirt, und dass sie weiter nach hinten erst da auftritt wo die Knochensubstanz des Zwischenkiefers mehr und mehr zu schwinden und sich endlich ganz abzuschnüren beginnt, so liegt der Gedanke nicht fern, dass man in letzterem Knochen eine Composition morphologisch ungleichwerthiger Elemente zu erblieken hat. Es ist eine von allen Seiten constatirte Thatsache, dass der Zwischenkiefer mit seinem aufsteigenden und seinem Alveolarfortsatz ein sehr früh auftretender Deekknochen ist; ferner habe ich das Auftreten einer basalen Ethmoidplatte als Pro- duct der Trabekel-Congrescenz, sowie die seeundäre Erhebung der- selben zu einem Internasal-Septum als für viele Urodelen characte- ristisch hingestellt. Hält man diese Thatsachen mit der Configuration des Zwischenkiefers von Amphiuma zusammen, so wird man mir wohl beipflichten, wenn ich denselben als aus Hautkno- chen (die aufsteigende, zwischen die: Vorderenden der Stirnbeine sich einlagernde Portion Fig. 7) und perichondrostotischen Knochen (nasale Verdiekung sammt Septum internasale) entstan- den ansehe. Mit andern Worten: der anfangs nur aus einer auf- steigenden und einer Alveolar-Portion bestehende Zwischenkiefer hat sich erst secundiir (durch perichondrost. Umwachsung) mit dem frü- her durchweg hyalinen Nasenseptum verbunden. Dieser Vorgang steht, wie die Vrouik’schen Untersuchungen am Teleostierschädel gezeigt haben, in der Anatomie des Schädels nicht vereinzelt und ich werde auf ein ganz ähnliches Vorkommniss bei Betrachtung der 402 R. Wiedersheim Stirnbene von Amphiuma und anderen Urodelen hinzuweisen haben. Sehen wir nun wie sich die Verhältnisse an den Querschnitten weiter nach hinten am Vorderkopfe gestalten : Das ventrale und dorsale Stück des Praemaxillare schwindet mmer mehr und der knorpelige Abschnitt der Nasenscheidewand gewinnt dadurch an Höhe (Fig. 56, 57, 58 *) während auf der an- dern Seite ein Schwund der knorpeligen Nasenkapsel zu constatiren ist. Am längsten erhält sich letztere noch auf dem Boden, bis sie schliesslich auch hier so weit gegen die Medianebene hin redueirt wird, dass der ganze Knorpelreichthum des Vorderkopfes in dieser Gegend nur durch ein mit gleich langen Schenkeln ausgestattetes X repräsentirt ist (Fig. 55 *). Gleich darauf tauchen unter erneuter Verbreiterung der unteren Schenkel des X rechts und links von dem immer mehr schwindenden Basalstück des Zwischenkiefers (Fig. 57 Pmz') die beiden vordersten Spitzen des Parasphenoidschnabels auf (Ps Ps). Sie liegen in dem starken fibrösen Gewebe (letzteres ist auf sämmtlichen Figuren nur schematisch dargestellt), das das Vomero-palatinum und die Praemaxille mit dem unteren Schenkel des X verbindet. Die Figur 57 zeigt fernerhin, dass die absteigenden Fort- sätze des Stirnbeines (F') immer weiter an der Aussenfläche des oberen jetzt schon stark reducirten Zwischenkieferstiickes nach ab- wärts wandern. Viel weiter gediehen sind sie schon in dem einige Millimeter wei- ter rückwärts liegenden Querschnitt (Fig. 59 S F), wo sie an Stelle des bis auf die ethmoidale Basalplatte (*) geschwundenen Septum treten, und gewissermassen eine neue Nasenscheidewand erzeugen. Mit letzterem, wie auch mit dem oberen Praemaxillarstück (Pmz) sind sie durch Bindegewebe verlöthet. Die Nasenhöhlenknorpel sind auf die auswärts von ihnen lie- genden kleinen Streifen reducirt. Zwischen der ethmoidalen Basal- platte und dem unteren Zwischenkieferstück (Pmz') sind die mit letzterem fibrös verbundenen Parasphenoidspitzen zu einer unpaaren, dünnen, von unten her stark eingebauchten Platte (Ps) zusanımen- gewachsen. Ich verhehle mir nicht, dass diese Lagebeziehungen zwischen der basalen Ethmoidalplatte einer- und dem durch das Parasphenoid von ihr getrennten unteren Praemaxillarstiick andrerseits sehr lebhafte Bedenken gegen die von mir oben versuchte Identifieirung des letz- teren mit einer ursprünglich weiter nach vorn gehenden basalen Das Koptskelet der Urodelen. : 403 Ethmoidplatte erwecken können. Es mag deshalb vielleicht gerecht- fertigter erscheinen, das fragliche Praemaxillarstück als Deckknochen des Mundhöhlendaches anzusehen und es mit den »Gaumenplatten« des Zwischenkiefers anderer Urodelen, der Tritonen #. B. in eine Parallele zu setzen. Damit ist dann aber der auf den ersten Querschnit- ten geschilderte Knorpelzapfen (Fig. 52, 53 AZ) um so unerklär- licher geworden, während er bei Aufrechterhaltung der zuerst ge- äusserten Ansicht einfach als ein von seinem Mutterboden d. h. dem Vorderende der basalen Ethmoidplatte, abgeschnürtes Gebilde aufge- fasst werden könnte. Ueber alle diese Zweifel kann nichts hinweghelfen als die längst ersehnte Entwicklungsgeschichte dieses Uryptobranchiaten. Glücklich wem das Material dazu zu Gebote steht! Weiter nach hinten verlängern sich die in Fig. 59 mit S F be- zeichneten Stimfortsätze immer mehr gegen das Parasphenoid hin- unter und bleiben schliesslich nur noch durch die sehr dünn gewor- dene ethmoidale Basalplatte von ihm getrennt. Beide Hälften wer- den durch straffes Bindegewebe so fest aneinander geheftet, dass nirgends ein Spaltraum zwischen ihnen existirt. Auf der Figur 59 ist dies Bindegewebe der Deutlichkeit wegen entfernt, was ich aus- drücklich bemerken will. Während sich das Parasphenoid nach hinten immer mehr ver- breitert, erscheint das untere Praemaxillarstiick (Pmx! Fig. 60) endlich nur noch als kleiner Punct; auch der obere Abschnitt des Kno- chens (Pm) ist sehr redueirt; zugleich ist der Nasenhöhlenknorpel auf das in der Figur 60 am Dach des Cavum nasale liegende Rest- chen reducirt. Zwischen den Querschnitten 59 u. 60 liegt nur ein einziger auf der Tafel nicht abgebildeter dazwischen, so dass man sehr erstaunt sein wird in der Figur 60 plötzlich ein weites, einzig und allein von den Stirnbeinen hergestelltes, vom Olfactorius dureh- setztes (07) Schidelrohr vor sich zu sehen. Hätte ich nicht Gelegenheit gehabt, vorher einen Schädel unter der Loupe zu präpariren resp. zu sprengen, so hätte ich mir, einzig und allein auf die Querschnitte angewiesen, dieses Phänomen nicht erklären können. Beide Untersuchungsmethoden completiren sich nun hierin in so vorzüglicher Weise, dass ich vollständig darüber in's Klare gekommen bin. Es handelt sich nämlich, wie am besten aus der Figur 20 F er- sichtlich ist, um eine an der Unterfläche der vorderen Stirnbeingegend 404 ; R. Wiedersheim auftretende Knochenzwinge, deren mediale Circumferenz (Spo!) vorn und einwärts, und deren laterale mehr nach hinten auswärts gela- gert ist (letztere ist auf der Figur hinter Fo/f dunkel schattirt). Beide stehen parallel zur Medianebene und sind unten gegen die Schädelbasis zu durch eine schmale knöcherne Commissur in Ver- bindung. Aus dieser eigenartigen Construction der Knochenzwinge wird sofort klar, dass auf keinem Querschnitt beide Wände derselben auf einmal getroffen sein können, sondern dass immer nur eine in Betracht kommen kann; demge- mäss wird dies, wenn man von der Schnauzengegend herkommt, zuerst die innere sein müssen (Fig. 59 SF). Kommt man, immer weiter rückwärts gehend, in den Bereich der vorderen (inneren) Circumferenz des auf Fig. 60 mit Folf be- zeichneten Loches, so hört plötzlich die mediale Wand der Zwinge (hinterster Theil des Nasenseptums) auf, und man steht vor einem weit geöffneten, vom lateralen Zwingenrand begrenzten Cavum. Es ist dies der vorderste Abschnitt der Schädelhöhle, welche hier einzig und allein vom Stirnbein begrenzt und wie schon erwähnt von den beiden Olfactorii (Fig. 60 OZ) einge- nommen wird. Ganz abgesehen von diesen morphologischen Eigenthümlichkei- ten des Schädelrohres ist es vor allem seine weite Ausdehnung zwi- schen beide Nasenhöhlen hinein, die mir bemerkenswerth erscheint und für die ich keine ähnliche Bildung in der Anatomie des Am- phibien- und Reptilienschädels aufzufinden vermag. Am meisten erinnert noch daran das im Larvenstadium sehr weit nach vorn ge- hende Schädelecavum aller Urodelen. (Vergl. auch Born |]. e.) Der vorderste Abschnitt der Hirnkapsel fungirt hier geradezu als ein mit einer geräumigen Höhle versehe- nes Septum nasale. Die in dieses gemeinsame Cavum eingelagerten Olfactorii wer- den erst weiter nach vorn, bei Beginn der medialen Zwingenwand (Fig. 59 5 F) von einander geschieden und strahlen in die zugehö- rigen Nasenkapseln aus. Basalwärts schliessen sich die Stirnfortsätze (äussere Wände der Zwinge, Fig. 60 EF! a u. a’) in der Mittellinie beinahe vollkommen zusammen und werden durch Bindegewebe (£9) mit der schon etwas eingeschnürten ethmoidalen Basalplatte (6) verlöthet, unter dieser findet sich das Parasphenoid und aussen davon die Vomero-palatina. Ken. Das Kopfskelet der Urodelen. 405 Bei der Bildung des Nasendaches kommt ausser der Maxille und dem Frontale auch noch das Praefrontale (Pf) in Frage. Die ethmoidale Basalplatte verbreitert sich nach hinten zu immer mehr, schnürt sich aber schliesslich in der Mitte dureh und die la- teralwärts rückenden Endplatten (Trabekel) derselben werden durch Bindegewebe verbunden. Zugleich dienen letztere den einstweilen ebenfalls lateralwärts gerückten senkrecht absteigenden Stirnfort- sätzen, wie hyaline Postamente, zur Unterlage. Bald aber rücken die Processus frontales noch mehr nach aussen und verkürzen sich zugleich so stark, dass sie für sich allein nicht mehr zur Herstellung der seitlichen Schädelwand ausreichen und von einer andern Seite her ergänzt werden müssen. Dies geschieht durch die emporwach- senden Vomero-palatina (Fig. 61 Vp). Die lateralen Theile der ethmoidalen Basalplatte (a und a’) sind nun ganz ausser Bereich des Frontale gerückt und werden von dem Orbitalfortsatz der Vomero- palatina von aussen her umgriffen. Erst mit dem Auftreten dieser Verhältnisse sind wir hinter den Nasenhöhlen im Bereich des vor- dersten Bezirkes der Augenhöhlen angekommen. Wir stehen hier also, ähnlich wie bei Menobranchus, vor der merkwürdigen Thatsache, dass das ganze Schädelrohr einzig und allein von Deckknochen aufgebaut wird, und zwar ist dies in einer Gegend der Fall wo sonst das sogenannte Orbito- sphenoid am allermeisten dabei in Betracht kommt. Von diesem ist nun hier gerade gar nichts zu erblicken und erst viel weiter nach hinten sehen wir es auf folgende sehr merkwürdige Art zu Stande kommen. Als rückwärts in die Orbita sich fortsetzender Ausläufer des letz- ten kleinen Restes der hyalinen Nasenkapsel (Fig. 60 unterhalb F und Pf) erscheint auswärts von dem senkrecht absteigenden Orbitalfortsatz des Stirnbeines (Fig. 61 7) ein auf dem Querschnitt oval erschei- nender Knorpelbalken (4/"'), der einen zweiten, ähnlich gestalteten auswärts vom Orbitalfortsatz des Vomero-palatinum liegenden neben sich hat (AF). Letzterer stammt nicht aus der Nasenkapsel sondern kommt erst von der vorderen Orbitalgrenze an unter das Messer; ich kann denselben seiner Lage zur Choane (Ch) nach für nichts anderes er- klären, als für einen Antorbital-Fortsatz im Sinne desjenigen aller übrigen Urodelen. In den 3—4 nächsten Quersehnitten sieht man nun, wie der Knorpelkérper- (AF'') immer näher gegen den absteigenden Fortsatz 406 R. Wiedersheim des Stirnbeines heranrückt, letzteren endlich von aussen her sogar dellenförmig eindrückt und schliesslich vollkommen durchschnürt, um nun selbst mit einer zarten Knochenrinde umgeben an seine Stelle zu rücken und sich mit dem Rest der ethmoidalen Basalplatte in Verbindung zu setzen. Um diesen hat sich einstweilen ebenfalls eine Ossificationszone gebildet und wir haben damit nun wieder die schönste Illustration eines perichondrostotischen Verknöcherungs- processes, welcher zur Herstellung jenes oben schon erwähnten keil- förmigen Orbitosphenoids führt. Dieses tritt nun an die Stelle des orbitalen Stirn- und Pflugschar-Gaumenbein- Fortsatzes und bildet auf eine ziemlich weite Strecke das einzige Knochenelement in der seitlichen Schädelwand. Dabei erhalten sich die auf Fig. 62 mit * ~ bezeichneten Knorpelmassen fast bis zuletzt und erst mit dem Ein- tritt des Parietale in die Begrenzung der seitlichen Schädelhöhle tritt eine am oberen Abschnitt beginnende Resorption derselben auf. Zugleich ist der Antorbitalfortsatz (Fig. 61 AF und 62 7 fF) immer näher gegen den nun knorpelfreien, basalen Abschnitt des Orbitosphenoids herangerückt (Fig. 63 +), hat schliesslich sogar die äussere Wand desselben eingedrückt und kommt schliesslich voll- kommen in’s Innere zu liegen. Somit gewinnt dieser Abschnitt des Schädelbalkens bald Knorpelelemente, bald verliert er sie wieder. Kommt man mit den Querschnitten in den Bereich derjenigen Partie der Schiidelbalken, welehe man mit Ala magna zu bezeichnen gewohnt ist, so tritt wieder die hyaline Substanz mehr und mehr in den Vordergrund. Ueber die bis zum Foramen oceipitale fallenden Querschnitte habe ich zu dem früher Gesagten Nichts beizufügen. Recapituliren wir kurz die durch die Querschnitte uns klar ge- wordenen Schicksale der Trabekular-Masse und fassen sie zu einem übersichtlichen Bilde zusammen! Nachdem die seitlichen Sehädelbalken in der vorderen Orbital- region angelangt sind, beginnt der äussere Rand des Stirnbeins einen senkreehten Fortsatz nach abwärts zu senden, welcher die am mei- sten nach vorn gelegene, nur in der Mitte ossificirte Partie des Tra- bekels unter sehr spitzem Winkel trifft und in ein unteres und oberes Stück auseinander wirft. Zugleich verschwindet jegliche Knochen- substanz des Trabekels; der untere Knorpel desselben legt sich jederseits dureh Bindegewebe mit seinem Gegenstück verbunden auf die Dorsalseite des Parasphenoids und zieht auf ihm nach vorn bis sich endlich beide Hälften zu einer unpaaren Platte unterhalb des Das Kopfskelet der Urodelen. 407 Zusammenflusses der senkrechten Stirnbeinfortsätze mit einander ver- einigen (Fig. 60 0). Von dieser Platte nun wächst weiter nach vorm ein sagittaler Knorpelbalken (Fig. 57 *) in die Höhe und gabelt sich in gleicher Weise , wie die ursprüngliche Knorpelplatte in zwei divergirende Schenkel. Während diese zwei Schenkelpaare das Cavum nasale in dorsaler und ventraler Richtung immer weiter umgreifen wird ihre sa- gittale Commissur von dem oberen und unteren Stück der Praemaxille (Fig. 56 Pmaz und Pmx') immer mehr durchwachsen und endlich ganz durchgeschnürt (Fig. 52). Dass auch der durch den senkrechten Stirnfortsatz abgeschniirte dorsale Knorpelabschnitt des Trabekels mit der knorpeligen Nasen- kapsel zusammenhängt, habe ich oben schon angeführt. Es bleibt mir nur noch zu bemerken, dass auch der Antorbital- fortsatz ein weit hinten schon abgehendes Auswachsproduct des Schä- delbalkens ist. Der Unterkiefer besteht, wie bei den Salamandriden aus den drei bekannten Knochen: dem Dentale, Angulare und Artieulare (Kopf des Mrckev’schen Knorpels). Letzterer ist stark verknöchert und ist, wie dies auch anderwärts vorkommt, mit dem Angulare synostotisch verbunden. Die im Dentale vorkommenden Zähne zeigen eine conische Form und sind einspitzig. 4) Menopoma Alleghaniense und Cryptobranchus japonicus. Diese beiden Molehe sind weit besser studirt als die andern, von mir bisher beschriebenen Formen. So finden sich Abhandlungen über Menopoma in der Isis, 1821 und 1832 von HArLAN, Barron, LEUCKART, Cuvier!) und MrrschitLL; weitaus die genaueste aber entstammt der Feder von A. F. J. C. Mayer (Analecten f. vergl. Anat.). Dennoch lassen die beigegebenen Abbildungen sowohl in technischer Beziehung als auch in Betreff ihrer Deutung Vieles zu wünschen übrig. Ungleich genauer studirt und beschrieben ist der Schädel von Cryptobranchus und hier sind in erster Linie die Arbeiten VAN I) Cuvier hat auch in den Oss. foss. Pl. 26 Fig. 3, 4, 5 eine gute Abbil- dung des Schädels gegeben. 408 R. Wiedersheim DER Horven’s und Hyrrr’s zu nennen. Letzterer macht mit vollem Recht auf die beinahe vollständige Uebereinstimmung beider Formen aufmerksam und deshalb habe auch ich sie zusammen als Ueber- schrift über dieses Capitel gesetzt. Ich habe übrigens zu bemerken, dass ich mich nur für die Uebereinstimmung der Pars ossea era- nii Beider verbürgen und über den Primordialschädel von Crypto- branchus nur so viel berichten kann, als ohne Sprengung der knö- chernen Hüllmassen davon sichtbar ist. Dagegen habe ich die Pars cartilaginea von Menopoma auf's Genaueste durchforscht. Was bei beiden Schädeln sofort in die Augen springt, ist die depresse Form und die breite Entwicklung der Regio naso-oralis und suspensoria. Erstere hat ihren Grund in der grossen Excursion, welche die Alveolarfortsätze des Zwischen- und Oberkiefers machen, letztere beruht auf der, besonders bei Cryptobranchus stark ausge- prägten Richtung des Suspensorium nach aussen und hinten, wobei es nur sehr wenig abwärts geneigt ist. Hierin stehen diese Thiere in scharfem Gegensatz zu den Phanerobranchiaten und den meisten Salamandriden, während sie sich den Anuren nähern. Im Uebrigen liegt in ihrem Schädelbau der Grundplan .des Salamandri- den-Cranium bereits vorgezeichnet, wie ein Blick auf Fig. 21—25 erkennen lassen wird. a) Pars ossea cranii. Die Gegend des Hinterhauptes und Labyrinthes zeigt nur drei sehr beschränkte Ossifications-Herde. Der grösste nimmt die Gegend. der Oceipitaleondylen also das Os oceipitale laterale ein (Fig. 25 Coce und Olat, und bleibt an der Basis eranii durch eine breite Knorpelplatte (Ob) von seiner gegenüberliegenden Hälfte weit ge- trennt. An der oberen Cireumferenz des Foram. magnum wachsen sich beide Hälften bis auf einen kleinen, ebenfalls durch Knorpel erfüllten Spaltraum entgegen (Fig. 24 Os). Es ist möglich, dass bei älteren Thieren an der Basis eranii eine grössere Annäherung der betreffenden Theile zu Stande kommt; das von mir untersuchte 22 Centim. lange Exemplar war offenbar noch nicht ganz ausge- wachsen. Ich erschliesse diese Möglichkeit aus dem Verhalten von Cryptobranchus, von dem mir ein 75 Centim. grosses Exemplar durch die bekannte Liberalität KÖLLIKERS zur Verfügung stand. Hier waren die Oceipitalia lateralia durch eine ausnehmend stärke Das Kopfskelet der Urodelen. 409 Knochenzone (Fig. 22 OÖ) verbunden, eine Thatsache, die mit den Hyrrv’schen Befunden in grossem Widerspruch steht. f Hykrs sagt nämlich : »partem basilarem osseam oceipitis abesse, vel festinata ossis inspeetio docet. Lacuna foraminis oceipitalis magni, ob partis basilaris absentiam oborta, a posteriori ossis sphenoidei margine omnino expletur«. — Ich kann mir diese Angabe nur dadurch erklären, dass die Ausdehnung das Hinterrandes vom Para- sphenoid bei Cryptobranchus möglicherweise grossen Schwankungen unterliegt. Dass es bei dem von mir untersuchten Exemplare eine weite Strecke vom Hinterhauptsloche getrennt bleibt, lehrt ein Blick auf die Figur 22 Ps. Bei Cryptobranchus wie bei Menopoma findet sich aus- wärts vom Condylus occipitalis das stattliche Vagusloch (lg). Der zweite Ossifications- Herd betrifft das Operculum (Fig. 22 bis 25 Op), worüber später Näheres. Der dritte findet sich an der basalen und dorsalen Seite der prootischen Region (Fig. 24 und 25 Pet); beide Hälften sind durch das Foramen Trigemini (79g) getrennt. Somit beschränken sich die Verknöcherungszonen auf den Be- reich der Nervenaustritte, eine Thatsache, welche durch die mit dem Opticus-Austritt verbundene Ossification des Trabekels (Os Fig. 24, 25) eine weitere Bestätigung des alt bekannten Satzes liefert, dass der Verknöcherungsprocess des Primordialschädels überhaupt stets an die Nervenlöcher geknüpft ist d. h. von ihnen aus seine erste Entstehung nimmt. Die Scheitelbeine (Fig. 24 P) sind mächtig entwickelt und ra- gen fast bis zum oberen Umfang des Foramen magnum nach rück- wärts (Pr2). Sie bedecken die Labyrinthgegend bis auf einen klei- nen Abschnitt einwärts vom oberen Rand des Squamosum. Auf der Figur 24 ist versäumt worden, demselben die Farbe des Knorpels zu geben, was ich hiermit berichtigen will. Ferner bleibt von ihnen frei die Regio opisthotica. Nach vorwärts schicken sie denselben, am oberen Rand der Orbita hinziehenden schwertformigen Fortsatz (Pr') ab, wie er sämmtlichen Formen der Phanero- und Cryptobran- chiaten zukommt. Er ragt bei Menopoma weiter nach vorn, als bei Cryptobranchus (Fig. 21 Pr!) und wird von den Praefrontalia von vorn her gedeckt (Pf). An der Aussenseite der unteren Parietalfliiche geht ein, von vorn nach hinten zu immer tiefer hinabgreifender Fortsatz gegen die Augenhöhle ab, welcher sich in ganz ähnlicher Weise wie uns dies von Amphiuma bekannt geworden ist, an der lateralen Begrenzung 410 R. Wiedersheim des Schädelrohres betheiligt. Von dem von Hyrtrn bei Cryptobran- chus beschriebenen Schaltknochen zwischen den Vorderenden der Scheitel- und den Hinterenden der Stirnbeine vermochte ich bei mei- nem Exemplar nichts zu bemerken. Die Frontalia kann man in zwei Abschnitte zerfällen, wovon der hintere (Z) seinem Gegenstück in der Medianlinie eng anliegt, während der vordere lateralwärts abgelenkt erscheint. Dieser ragt bei Menopoma viel weiter nach vorn und begrenzt das am mace- rirten Schädel sehr gross ausfallende Nasenloch; bei Cryptobran- chus wird er durch den Zusammenstoss des hier viel mächtiger ent- wickelten Nasale u. Maxillare davon ausgeschlossen (Fig. 21 MN). Wie sich das Vorderende der Stirnbeine bei dem japanesischen Molche verhält, kann ich nicht angeben, dagegen lässt sich bei sei- nem amerikanischen Verwandten folgendes interessante Verhältniss constatiren. Das Frontale schiebt sich nämlich hier an der ganzen Unterfläche des Nasale (N) nach vorn, neigt sich dabei etwas nach unten, medianwärts und kommt dabei in den vorderen Einschnitt zwischen den beiden hyalinen Nasensäcken, also in den Raum zu liegen, der von mir bei den Salamandriden als der von einer. Drüse ausgefüllte » Intermaxillar- Raum « beschrieben worden ist. Nun ist aber hier weder von einem Cavum intermaxillare noch von einer Drüse die Rede, sondern die beiden in der Medianebene eng ver- einigten und bei alten Exemplaren sogar synostotisch verschmolzenen Vomeropalatina (Fig. 25 Vop) wachsen zwischen beide Nasensäcke herein und erstrecken sich dabei so weit nach oben auf die dorsale Schädelfläche, dass sie mit den oben geschilderten Stirnfortsätzen eine äusserst innige Verbindung eingehen. Es handelt sich somit um einen völlig knöchernen Ausguss der vorderen Internasalgegend. Dieser Zusammenstoss zwischen Vomer und Frontale erinnert an das Verhalten von Amphiuma, noch viel mehr aber an dasjenige von Triton viridescens, der später zur Sprache kommen soll. Für jetzt will ich darüber nur so viel sagen, dass bei letzterem Thier der knöcherne Abschluss des Schädelrohres nach vorn ein direeter ist, während er bei Menopoma insofern nur ein indireeter genannt werden kann, als hier nach rückwärts davon eine die beiden Nasen- kapseln verbindende vor dem Cavum ceranii gelagerte ethmoidale Knorpelplatte existirt (Fig. 25 Eth). Das was von der Internasal- Lücke von Menopoma von Seiten des emporwachsenden Vomers nicht ausgefüllt wird, geschieht von Das Kopfskelet der Urodelen. 411 dem paarigen Praemaxillare (Pm), das an dem medialen Rand seiner Pars ascendens einen seinem Gegenstück aufs Engste anliegenden senk- rechten Fortsatz in die Tiefe schickt. Die Spitze der aufsteigenden Portion schiebt sich über das Nasale herüber und erzeugt bei beiden Molchen einen nach hinten offenen Winkel, in welehem das knorpelige Nasengerüst bei einem älteren, von mir ebenfalls untersuchten Exemplar von Menopoma frei zu Tage lag. Bei dem jüngeren Thier (Fig. 24) schlossen sich beide Nasalia mit ihren Innenrändern so eng aneinander, dass hiervon nichts siehtbar war. Von den auf der Hyerv’schen Figur mit = bezeichneten , im Intermaxillar-Winkel liegenden Schaltknochen kann ich nichts entdecken. Vielleicht handelte es sich in dem dortigen Fall um ein Zutagetreten der Vomero-palatinfortsätze? Noeh unklarer ist mir, was Hyrvw über einen von SIEBOLD beschriebenen, zwischen den Stirn- und Nasen- beinen von Menopoma und Cryptobranchus gelegenen Knochen be- richtet, welehem von S. der Werth eines »Os ethmoideum« zuertheilt wird. Ich habe hiervon so wenig als HyrruL bei Cryptobranchus und den drei von mir untersuchten Exemplaren von Menopoma eine Spur auffinden können. Die zahntragenden Alveolarfortsätze des Zwischenkiefers (Fig. 22, 25) schliessen sich an den Kieferfortsatz der Maxille 7. Aus den beiden Abbildungen ersieht man, dass der Oberkieferbogen bei Me- nopoma einen kleineren Radius besitzt, als derjenige von Cryptobran- chus, welcher eine mehr transverselle, die Orbita weit aussen um- spannende Richtung einschlägt. Dem entsprechend macht der Vorder- kopf des letztgenannten Molches einen viel breiteren, plumperen Eindruck und steht dadurch in bemerkenswerthem Gegensatz zu Proteus, Menobranchus und Amphiuma, welche so vortreff- lich zum Schwimmer eingerichtet sind. Diese Configuration des Vorderkopfes erinnert auffallend an die japanesischen Salamandriden (Fig. 64, 69) und die Amblystomen (Fig. 77); auch Salamandrina persp. und den ecalifornischen Triton torosus kann man zum Vergleiche herbeiziehen. Der Oberkiefer schickt eine bei Cryptobranchus breiter als bei Menopoma entwickelte Knochenschuppe (Fig. 21, 22 M) auf die Sehädeloberfläche herauf. Man kann sie mit Corpus maxillae bezeichnen; sie ist von einem oder mehreren Aesten des Trigemi- nus (Fig. 21 »') durehbohrt und stösst nach rückwärts auswärts an das Praefrontale (Pf), während sie medianwärts den äussersten Morpholog. Jalrbuch. 3. 27 412 R. Wiedersheim Ausliiufer des Frontale resp. den lateralen Rand des Nasale (Crypto- branchus) beriihrt, beziehungsweise deckt. Das Praefrontale schickt bei keinem der beiden Molche einen Fortsatz hinab in die Augenhöhle, sondern stellt eine einfache, glatte Knochenlamelle dar, die bei Menopoma eine säbelförmige Krümmung besitzt und bei beiden Formen von der knorpeligen Nasenkapsel gegen die Orbita herein weit überragt wird. Wie bei den meisten Urodelen verbindet sich die hinterste Spitze des Maxillar-Bogens mittelst eines derben knorpellosen Ligaments mit der ea Die im Zwischenkiefer stehenden Zähne sind zweispitzig, diejenigen in den übrigen Knochen habe ich auf ihre Form nicht näher untersucht, zweifle aber nicht daran, dass sie von jenen keine Ausnahme machen. Sowohl hinter en Zähnen des Gaumenbogens als denjenigen des Kieferbogens finden sich mehrere Reihen kleinerer in die Schleimhaut eingebetteter Re- servezähne (vergl. O. HERTWwIG |. e.). Die beiden Vomeropalatina (Fig. 22, 25 Vop) werden durch zwei in der Mittellinie ziemlich enge (bei Cryptobranchus findet sich dagegen ein Spaltraum zwischen ihnen) aneinander liegende Kno- chenlamellen repräsentirt, woran man bequem ein hinteres, der Me- dianlinie paralleles und ein vorderes bezahntes, dem Kieferbogen paralleles Stück unterscheiden kann. Ersteres kann man mit dem Stiel, letzteres mit dem nach aussen gewandten Kopf eines Hammers vergleichen. Diese bei Menopoma kräftiger als bei Cryptobranchus entwickel- ten Knochentafeln decken mehr als die Hälfte der an ihrer Unter- fliche weit offenen hyalinen Nasenkapseln zu und schieben sich nach rückwärts eine ziemlich weite Strecke über den Schnabel des Pa- rasphenoids (Ps) herüber. Letzteres ist ein bei Menopoma beinahe die untere Cireumferenz des Foramen oceipitale erreichender platter Knochen, der an der Basis der prootischen Region seine grösste Breite erreicht. Bei Cryptobranchus, der wie oben bemerkt, ein viel kürzeres Parasphenoid besitzt, findet sich an der eben bezeichneten Stelle eine tiefe Incisur, dureh die ein Gefäss (Carotis interna Fig. 22 @) in die Schädelhöhle tritt. Was endlich den Aufhänge-Apparat des Unterkiefers betrifft, so existirt eine Verknöcherung nur an dem vorderen Knorren der Cartilago quadrata (Fig. 21—25 Qu). Das Pterygoid stellt eine ausnehmend breite, an ihrem Vorderrand bei Cryptobranchus tief eingeschnittene Knochenlamelle dar, welche sich an ihrem me- Das Kopfskelet der Urodelen. 413 dialen Rand in zwei Lippen spaltet. Die untere davon ist länger und legt sich dem äusseren Rand des Parasphenoid’s dieht an (Fig. 22, 25 Pt: die obere, kürzere klemmt sich am Ali- und Orbi- tosphenoid fest und steigt eine kleine Strecke an diesen beiden Be- zirken empor, um hinter der Mitte des Orbitosphenoid (Fig. 23, 24 Os) zu endigen. Dadurch entsteht hier eine Oeffnung (Fig. 24 Fopt), welche in einen zwischen beiden Lippen und der bezüglichen Trabekelportion liegenden Canal führt und in diesem ruht der Opti- eus. So das Verhalten bei Menopoma. Derselbe Canal besteht nun auch bei Cryptobranchus, jedoch mit dem Unterschied, dass seine "Mündung ganz am Vorderrand des Pterygoids (Fig. 21 Opt getrof- fen wird. Ebenso erscheint die Cartilago pterygoidea bei diesem Thier ebenfalls erst am Vorderrand des Knochens (Pre), während sich bei Menopoma der für diesen Knorpel bestimmte Canal schon auf der Oberfläche schlitzartig öffnet (Fig. 24 vor Pi). Nach hinten und aussen zieht sich das knöcherne Pterygoid in einen langen, nach aussen umgerollten Fortsatz aus, der das Qua- dratum von unten her umwächst und ihm so zu einem sehr resisten- ten Widerlager dient (Fig. 22, 25). Die obere Seite wird durch das balkeuartige, an seinem oberen Ende in einen rückwärtsschauen- den Fortsatz ausgezogene Squamosum gedeckt; frei von ihm bleibt das knöcherne Quadratum und auch ein Theil der Knorpelmasse (Fig. 21—25 Tp). b) Pars eartilaginea cranii. Das Chondrocranium steht an Ausdehnung demjenigen der Phanerobranchiaten kaum nach und übertrifft sogar dasjenige von Amphiuma. Auf der Unterfläche der Petroso-oceipital-Gegend treffen wir eine fast das ganze hintere Drittel des Parasphenoids von oben her bedeekende Knorpelplatte (Fig. 25 Pea. Sie begrenzt nach rück- wärts (Ob) das Hinterhauptsloch und geht lateralwärts in einen brei- ten Fortsatz aus, welcher unter Aufnahme des Opereulum (Op) an der äusseren Labyrinthgegend (Fig. 23 Pea) emporzieht und schliesslich unter erneuter Verbreiterung ihrer Masse auf der Dorsal- seite desselben (Fig. 24 Pea) endigt. Beide Hälften stehen am obe- ren Umfang des Hinterhauptsloches (Os) in Verbindung, was von Hyrru für Menopoma bestritten wird. An derselben Stelle soll nach ihm bei Siredon und Siren eine Fontanelle statt eines Knorpels be- 27* 414 R. Wiedersheim stehen und bei Menobranchus soll eine fibröse Lamelle dafür eintre- ten. Ich brauche diese, auf ungenauer Untersuchung beruhenden Irrthiimer nach dem oben über diesen Punct Mitgetheilten nicht extra zu widerlegen. Das von demselben Forscher am Basilartheil des Hinterhauptes nachgewiesene »Ossieulum oceipitale accessorium novum» ist mir ganz unverständlich geblieben und ich vermochte an dem von mir unter- suchten Exemplar von Cryptobranchus Nichts derartiges aufzu- finden. Kehren wir nach dieser Abschweifung zum Primordialschädel zurück und eonstatiren zuvörderst, dass die basale und dorsale Knor- pelmasse der Labyrinthgegend, nachdem sie zur Bildung einer me- dialen Gehörkapselwand zusammengeflossen ist, nach vorn zum Schädelbalken auswächst (Fig. 21, 24 As). Da wo dieser in Gestalt des sog. Alisphenoids von der prooti- schen Region sich abhebt, geht von ihm ein zarter Knorpelfaden nach aussen und abwärts und verschmilzt mit dem Quadratknorpel (Fig. 24, 25 Qu!). Er liegt dabei in das, überall seine Composition aus zwei Platten documentirende Pterygoid eng eingefalzt und um- greift von unten her die Oeffnung für den Trigeminus (Fig. 24 7); derselbe Vorgang ist noch viel deutlicher auf Fig. 21 (As, Tg, Qu!) zu beobachten. Während ich bei den bisher behandelten Urodelen-Formen im- mer eine gabelige Theilung des proximalen Endes vom knorpeligen Suspensorium resp. eine basalwärts und dorsalwärts erfolgende Ar- tieulation desselben in der pröotischen Gegend eonstatiren konnte, finde ich hier auffallenderweise nur eine einzige dorsale Verbindungs- stelle dieses Knorpels. Da ich mit aller Vorsieht präparirte kann ich den basalen Theil nicht verletzt haben und die Sache bleibt so- mit ein Unicum. Nach auswärts rückwärts schwillt die Cartilago quadrata zu einer mächtigen, in zwei starke Fortsätze ausgezogenen Masse an. Den nach aussen gelegenen Fortsatz habe ich auf Fig. 24, 25 mit FF bezeichnet. Dieselbe Bezeichnung trägt der nach innen gelegene Fortsatz von Cryptobranchus (Fig. 21, 22). Mit diesen Protuberanzen setzt sich, wie ich später zeigen werde, das Hyoidband in Verbindung. Der Facialis verlässt den Schädelraum durch eine an der Basis der prootischen Region gelegene Oeffnung und zieht dann zwischen Suspensorium-Knorpel und der zum Squamosum ziehenden Opereu- larspange weiter (Fig. 24 Fac). Die sogenannte Orbitosphenoid- Das Kopfskelet der Urodelen. 415 gegend des Trabekels ist verknöchert und ganz hinten in der Nähe des Alisphenoids von dem Foramen nervi Optici durehbohrt; gegen die Schädelhöhle zu ist die stark gegen die Horizontalebene geneigte und deshalb von oben (Fig. 24) sichtbare Knochenlamelle tief aus- gehöhlt und sieht aus wie umgerollt. In der schon früher erwähnten schlitzartigen Oeffnung auf der Oberfläche des Flügelbeines liegt die dasselbe nach vorn und aussen weit überragende Cartilago pterygoidea (Fig. 21 Pie). Ihre Spitze ist durch fibröses Gewebe mit den Oberkieferspan- gen verbunden. Meine Vermuthung, sie möchte sich ähnlich wie bei den Salamandriden in einen Canal des Flügelbeines bis zu ihrem Mutterboden i. e. Suspensoriumknorpel nach rückwärts erstrecken, fand ich nicht bestätigt. Der Knochen zeigt sich vielmehr dieht da- hinter vollkommen compact. Das ziemlich kurze Orbitosphenoid wächst nach vorn zu zu jenem stattlichen Nasal-Geriist aus, wie wir es bei der Gattung Salamandra, Amblystoma, Speler- pes, Ranodon, Isodactylium, Ellipsoglossa im Wesent- lichen wiederfinden und wie ich es schon vor zwei Jahren von Sala- mandra mac. beschrieben und abgebildet habe. Es handelt sich dabei um zwei monströse Knorpelblasen (Fig. 24 NK), welche in der Mittellinie durch eine breite, compact hyaline Commissur (Fig. 24, 25 Eth) verbunden sind. Letztere bildet den vorderen Abschluss des Cavum eranii und trägt rechts und links ein von einer fibrö- sen Membran verschlossenes Loch für den Olfactorius, Dieser zerfällt schon, was ich sonst nirgends unter den Amphibien beobachtet habe, innerhalb der Schädel- höhle in eine Menge von Fäden, welche zusammen einen Kegelmantel beschreibend ringsum in der Nähe der Peripherie der obgenannten Membran in die Riechkap- sel durchbrechen. Wir haben also hier eine aus fibré- sem Gewebe bestehende Lamina cribrosa im eigent- lichen Sinne des Wortes und man hat somit einen intra- craniellen Zerfall des Olfactorius nicht erst in der Säu- gethierwelt zu erwarten. Während nun die knorpeligen Nasenkapseln auf ihrer Dorsal- seite mit Ausnahme der Apertura nasalis externa (Fig. 24 Apn) vollkommen geschlossen sind, findet sich an ihrer Unterfläche ein rundlich ovaler grosser Ausschnitt im Knorpel (Fig. 25 NK), wel- cher theils vom Vomero-palatinum, theils von einer derben Binde- gewebsmembran (Fig. 22 ZINK) verschlossen wird. Am meisten 416 R. Wiedersheim Knorpelsubstanz findet sich in der medialen Cireumferenz des obge- nannten Ausschnittes und zur Aufnahme derselben trägt die obere Spitze des Vomer eine buchtige Vertiefung. Erwähnenswerth ist vielleicht noch ein unter den Stirnbeinen gelegener zungenartiger Fortsatz, der aus dem dorsalen Rand der hinteren Ethmoidgegend nach rückwärts sich erstreckt (Fig. 24 ein- wärts von Eth). Der ventrale Rand (Fig. 25 Eth) ist gleichmässig concav. : Die in die Augenhöhle schauende Partie der Nasenkapsel zeigt eine schlitzartige Oeffnung fiir den Eintritt des Ram. nasalis Trige- mini (Fig. 21, 24, 25 »). Ihre untere Circumferenz wird durch einen Knorpelfaden gebildet, welcher seiner Lage nach mit dem Antorbital- Fortsatz der früher betrachteten Urodelen in vollkommener Ueber- einstimmung steht; in einem Puncte aber weicht er davon ab, in- sofern er nämlich lateralwärts nicht frei endigt, sondern mit dem äusseren Umfang der Nasenkapsel zusammenfliesst (Fig. 24, 25 AF). Ob sich Cryptobranchus (Fig. 21, 22 AF) hierin gerade so verhält, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben. Der Unterkiefer besitzt ein Knochenstiick mehr als derjenige der Salamandriden und zwar liegt dieses in einer Furche an der medialen Seite des Dentale externum (Fig. 23) unterhalb WA. Es ist spiessartig ausgezogen und umscheidet den die ganze Länge der Mandibel durchsetzenden MecKEv’schen Knorpel von aussen her, während letzterer von innen her durch das mit einem starken Processus coronoideus versehene Angulare gedeckt wird. An der Aussenseite des zahntragenden Dentale externum läuft eine tiefe Furche (Fig. 23 De), in deren Grund zahlreiche Löcher sichtbar werden. Aus ihnen treten feine Nervenfasern, welche dem Ill. Trigeminus und dem Facialis angehören. Die die beiden Vorderenden des Unterkiefers verbindende Symphyse besteht aus dieht verfilzten Bindegewebsbündeln, in denen knorpelige Inseln ein- gesprengt liegen. Das Kopfskelet der Urodelen. 417 C. Salamandrida. I. Lechriodonta. 5) Ellipsoglossa naevia und nebulosa. Diese japanesischen Formen stelle ich aus dem Grund an die Spitze der Salamandriden, weil sich bei ihnen das Chondrocranium in einer Ausdehnung erhält, wie sie sonst in dieser Tribus der Uro- delen nirgends mehr zur Beobachtung kommt. Es betrifft dies namentlich die Labyrinthregion und hierin schliessen sie sich un- mittelbar an die Phanero- und Cryptobranchiaten an. Wie sich in Beziehung auf diesen Punct der von Raruke (Zool. Atlas v. EscuscHhouLtz v. H.) beschriebene Triton ensatus aus Californien verhält, kann ich nicht entscheiden, da R. über diese Sehädelregion nur flüchtig hinweggeht und mir dieses Thier nicht selbst zur Verfügung stand. Ich werde übrigens noch öfter auf den Rarnke’schen Aufsatz zurückzukommen haben. Ich lasse nun zu- nächst die Beschreibung des knöchernen Schädels folgen und handle das Chondrocranium erst später in Gemeinschaft mit dem- jenigen aller übrigen Salamandriden ab. Sie alle bieten nämlich, wenn man von der Pars petroso-oceipitalis von Ellipsoglossa absieht, hierin so viel gemeinsames, dass eine jedesmalige speciel!e Schilderung nur ermüden würde. Pars ossea ceranii. Die Petroso-oceipitalia werden jederseits von zwei, oben und aussen durch eine breite Knorpelzone (Fig. 67 *, getrennte, an der Basis des Labyrinthes aber synostotisch verbundene Knochen- bezirke dargestellt. Der hintere umfasst die Regio oecip. late- ralis, und die Regio opisthotica, der vordere die Regio pro- otica. Das System der als deutliches starkgewölbtes Relief sich abhebenden halbeirkelförmigen Canäle erscheint am rein macerirten Schädel quer durchgeschnürt und erinnert dadurch auf’s Lebhafteste an das Verhalten von Menobranchus, Proteus, Menopoma und ande- ren Formen der beiden niederen Typen. Die .Condyli oceipitales springen ziemlich stark vor und sind weit lateralwärts vom Hinterhauptsloch gelegen (Fig. 64, 65, 67 Coce). Was die Scheitelbeine |?) anbelangt, so sind dies zwei breite,- glatte Knochenlamellen, welche nach hinten und aussen noch 418 R. Wiedersheim an Ausdehnung gewinnen und mit dem oberen Rand des Squamosum jederseits zusammenstossen. Dadurch wird die ganze Labyrinth- gegend mit Ausnahme der opisthotischen Portion vollständig zuge- deckt. Nach vorn schicken die Parietalia einen, wie bei Phanero- und Cryptobranchiaten am oberen Rand der Orbita hinlaufenden Fortsatz, der sich in den Winkel zwischen Orbitosphenoid (Os) und Stirnbein (F) einfalzt. Er ist jedoch bedeutend kürzer, als bei je- nen niederen Typen der Urodelen. Die Frontalia tragen an dem vorderen Bezirk ihrer Unter- fläche eine, schon bei Menopoma auftretende, mit ihrer convexen Seite nach vorn schauende Leiste, welche genau der Stelle entspricht, wo durch Zusammenfluss der beiden Trabekel eine knorpelige La- mina eribrosa zu Stande kommt. Da jene bei den meisten übrigen Salamandriden immer und im- mer wiederkehrt, so will ich sie ein für allemal mit dem Namen Crista ethmoidalis bezeichnen. In direeter Vorwärtsverlängerung der Frontalia liegen die wahr- haft monströsen Platten der Nasenbeine (Fig. 64 N). Sie stossen in der Mittellinie mit breitem Rande zusammen, ein Verhalten, wel- ches Ellipsoglossa naevia und nebulosa nur noch gemein hat mit Ranodon sibirieus, Salamandrella Keyserlingii und Wosnessenskyi. In der Gegend, wo bei den übrigen Sala- mandriden und sämmtlichen Cryptobranchiaten ein einziges Prae- frontale sich findet, liegen hier zwei kleine Knochenschuppen (Fig. 64 Pfu. Pf'); die vordere (Pf') trägt eine in die Nasenhöhle führende Oeffnung, und zeigt sich bei ganz jungen Exemplaren noch einmal in zwei Abschnitte getheilt, wobei dann die Trennungslinie gerade durch die eben genannte Oeffnung des Knochens geht. Letz- tere wird dadurch im Larvenstadium und auch wohl später noch von Seite der zwei, je einen Ausschnitt besitzenden Knochenschüpp- chen hergestellt. Ich glaubte einmal einen Drüsenschlauch hindurch passiren gesehen zu haben, doch habe ich versäumt, die Sache einer wiederholten Prüfung zu unterwerfen. Auch Ranodon, Salamandrella Keys. und Wosn. sowie Dicamptodon (Triton ensatus) besitzen zwei bis drei Praefrontal- Stücke sowie auch die eben beschriebene Oeffnung, von der ich übrigens nicht weiss, ob sie auch dem letztgenannten Molche zu- kommt. Raruke bildet sie nicht ab und erwähnt sie auch nicht in seiner Beschreibung, doch ist es wohl denkbar, dass sie von ihm ihrer Kleinheit wegen übersehen worden ist. Das Kopfskelet der Urodelen. 419 Keines dieser Stücke schickt einen Fortsatz herein in die Augen- höhle, alle liegen nur lose der oberen Wand der Nasenkapsel auf. Der Zwischenkiefer (Fig. 64 Pmx) ist paarig; er besteht aus einem breiten Alveolarfortsatz (Fig. 65 mz) und einem aufstei- genden Theil (Fig. 64 Pra), welcher unter enger Berührung mit seinem Gegenstück in einen schlitzförmigen Ausschnitt der Nasalia zu liegen kommt. Zwischen den letzteren und ihm selbst bleibt nur eine minimale Oeffnung als Eingang in das Cavum intermaxillare übrig (vergl. die Abbildung). Ich würde übrigens hier besser von einem Cavum internasale statt intermaxillare reden, da es sich um keine Spur von absteigenden Praemaxillar-Fortsätzen handelt. Bei Beschreibung des Knorpel-Schädels komme ich noch einmal darauf zurück. An den Alveolarfortsatz des Zwischenkiefers schliesst sich der- jenige des Maxillare an (Fig. 65 M). Beide zusammen dehnen sich weit nach aussen und lassen dadurch den Vorderkopf brei- ter erscheinen, als dies bei irgend einem andern Urode- len beobachtet wird. In Anbetracht der nur kurzen, die Orbita von vorn und aussen umgreifenden Maxillarspangen erscheint er wie ein grosser Halbmond, welcher nach rückwärts auf dem Schädelrohr wie auf einem Stiele aufsitzt (Fig. 65). Der seitlich am Schädel emporsteigende Fort- satz, das eigentliche Corpus maxillae stösst an das vordere Prae- frontale und das Nasenbein (Fig. 64 M). Es umschliesst das am macerirten Schädel sehr gross aussehende Nasenloch (Ap) von aussen und theilweise von unten her. Die andere Hälfte des Unter- randes dieser Oeffnung, sowie die mediale Circumferenz wird vom Praemaxillare, die obere vom Nasale gebildet. Von einem die Orbita nach vorn zu abschliessenden Fortsatz des Maxillare ist nichts zu bemerken, der knorpelige Antorbitalfort- satz (Fig. 64, 65 AF) liegt dort frei zu Tage. Ebenso wenig kann -man von Gaumenfortsätzen des Kiefers und Zwischenkiefers sprechen. Die Vomero-palatina (Fig. 65 Vop) bilden einen schönen Uebergang von der reinen Querstellung Ranodon, Amblystoma, Spelerpes) zur sagittalen, wie sie den Tritonen zukommt; d. h. sie schicken einen bis zur Mitte des Parasphenoids reichenden, spitz ausgezogenen Fortsatz nach hinten, welcher den Zähnen eine solide Grundlage bietet (Fig. 65 Vop!). Ich sage ausdrücklich solid, da jener Fortsatz meiner Ansicht nach nicht mit jener porösen, dem 420 R. Wiedersheim Parasphenoid der Spelerpes-Arten und Anderer aufliegenden, zahn- tragenden Lamelle (Fig. 74 Sph. Z) in eine Parallele gestellt wer- den darf. Die Zähne beginnen unmittelbar einwärts von der Choane, gehen anfangs eine kurze Strecke nach einwärts vorwärts und bie- gen dann plötzlich nach hinten ab, um an der Spitze der in der Medianlinie dicht zusammenliegenden Vomero - palatina von beiden Seiten her zu convergiren. Sie bilden dadurch ungefähr die Figur eines nach vorn offenen V und ich will noch hinzufügen, dass sie auf ihrem Lauf nach rückwärts anfangs in der Mitte der Vomero- palatin-Platte und erst später an ihrem äusseren Rande getroffen werden (vergl. Fig. 65 Vop!). Das Parasphenoid (/s) wird durch eine, auf der Ventralseite schwach convexe Lamelle dargestellt, welche bis zu dem Divergenzpunet der beiden Vomero-palatina (Fig. 67 Ps u. Vop) nach vorn läuft. Nach hinten zu schiekt es zwei, an die Basis der Flügelbeine anstossende, von einem Gefäss (G) durchbohrte Querfortsätze ab, und die dadurch erzeugte Verbreiterung des Knochens erinnert an das kreuzförmige Parasphenoid der Anuren. Ich habe diese Form in der jetzt leben- den Urodelen-Welt!; sonst nirgends getroffen; wie froschähnlich der bezügliche Knochen bei dem fossilen Protriton petrolei Gau- dry’s gebildet gewesen sein muss, erhellt aus der Abbildung 80 sph. Nach hinten zu ist der Knochen schnabelartig abgeknickt und bildet quer abgestutzt (wenn auch des basi-oceipitalen Knorpels wegen nur indirect) die untere Circumferenz des Foramen oceipitale. Das Squamosum besteht aus einer nach auswärts vor- wärts gerichteten starken Knochenlamelle, welche das Quadratum von aussen vollkommen deekt und proximalwärts mit einem starken Fortsatz die epiotische Region umgreift (Fig. 64 Tp). Die Quadratverknöcherung (Fig. 65 Qu) ist ebenfalls kräftig entwickelt und lehnt sich nach aufwärts an einen Knorpel- pfeiler (Fig. 65 Prop), welcher mit dem knöchernen Opereulum (Op) in Verbindung tritt. Von unten her wird die knöcherne und knorpelige Partie des Quadratum von einem breiten Fortsatz des Flügelbeines |*) gedeckt; ein anderer Fortsatz dieses Knochens (Fig. 65 * hinter As, stemmt sich gegen die Basalfläche der Regio prootica, mit welcher er durch eine schlaffe häutige Gelenkkapsel verbunden ist. Er überlagert 1) Selbst Dicamptodon steht, nach der Abbildung RATHkE’s zu urthei- len, hierin hinter Ellipsoglossa zurück. Das Kopfskelet der Urodelen. 421 den vom Pterygoidknorpel zur hyalinen Ala magna ziehenden Knor- pelfortsatz. Der dritte und zugleich ansehnlichste Fortsatz des Fliigelbeines - (Fig. 64, 65 Pt) zieht nach aussen und vorn und liegt am Boden der Augenhöhle. Seine Oberfläche ist zur Aufnahme des cartilaginösen Pterygoid’s (Fig. 64 Pte) eingefurcht und der Lauf des Knorpels ist auch auf Fig. 65 durch die punetirten Linien angegeben. Zwischen dem hinteren, das Suspensorium deckenden und dem eigentlichen Orbitalfortsatz findet sich ein tiefer Ausschnitt, welcher von einer starken, fibrösen Membran ausgefüllt ist; sie figurirt nicht in der Abbildung. Alle diese Verhältnisse des Flügelbeines zeigt das RATHkE’sche Bild von Dicamptodon noch stärker ausgeprägt. In Folge der grossen Ausdehnung der sogenannten Alisphenoid- knorpel fällt das knöcherne Orbitosphenoid sehr kurz aus (Fig. 65 Os) ; an der Grenze von beiden liegt das schlitzförmige Foramen opticum. Das Orbitosphenoid ist von sehr derber Struetur und namentlich nach vorn zu stark verdickt, allwo es sich in gleicher Weise, wie an sei- ner hinteren Circumferenz in zwei Schenkel spaltet. Es ist nicht wie bei den meisten Urodelen eine einfache, flache Lamelle sondern ist mit seinem parietalen und seinem sphenoidalen Rand gegen das Ca- vum cranii herein umgerollt; letzteres ist namentlich in seinem vorderen Bezirk stark ausgeprägt, indem es hier fast schnabelähn- lich nach einwärts gebogen ist und in der Medianlinie mit seinem Gegenstück beinahe zusammenstösst. Ich habe diese seine Lage auf dem Parasphenoid durch die punetirte Linie Os Fig. 67 angedeutet. Der Unterkiefer setzt sich aus den für die Salamandriden überhaupt characteristischen drei Stücken: dem Dentale, Angulare und dem Artieulare zusammen. Mit letzterem Namen belege ich den zur Articulation mit dem Qua- dratum bestimmten Kopf des Mecksv’schen Knorpels, welcher bei Ellipsoglossa die ganze Länge der Mandibel durchläuft und nirgends eine Verknöcherung zeigt. — Die Zähne tragen überall ein dunkles, fast schwärzliches Colorit, ähnlich wie wir es auch bei den Dipnoérn z. B. Protopterus finden. 422 R. Wiedersheim 6) Ranodon sibiricus, Salamandrella Keys. u. Wosn. Diese 3 Arten, welche in den zoologischen Sammlungen zu den grössten Raritäten gehören, verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Akademikers Herrn Dr. A. Strauch in St. Petersburg. Die erste davon, nämlich Ranodon stammt aus West-Asien, aus der Nähe von Semipalatinsk und Kopal in der Kirgisen-Steppe und kommt auch bei Chuldsha im nordöstlichen China vor. Die beiden Sala- mandrella-Arten bewohnen Ost-Sibirien und Kamtschatka. Alle drei besitzen in ihrem knöchernen Schädelbau so viel Uebereinstimmendes, dass ich sie füglich zusammen schildern kann. Pars ossea eranii. Ein Blick auf die Figuren 64, 65, 69, 70 belehrt uns, dass wir das knöcherne Cranium in manchen Puncten demjenigen von Ellip- soglossa an die Seite stellen können, während andererseits wieder bedeutende Abweichungen zu constatiren sind. Bei der Betrachtung von oben sieht man, dass der Schädel in seiner hinteren Partie durch die gerade nach aussen abwärts und ein wenig nach hinten gehenden Suspensoria sehr in die Breite ent- wickelt ist. Ich habe hierauf anlässlich der Beschreibung von Me- nopoma und Cryptobranchus schon früher aufmerksam gemacht. Das eigentliche Schädelrohr zwischen der prootischen und der Prae- frontalgegend ist sehr lang und erinnert dadurch an die Spelerpes- Arten, namentlich Spelerpes fuseus (Geotriton). Der Vorderkopf ist vorn, genau wie bei letztgenanntem Thier, quer abgestutzt und be- sitzt deshalb sowohl als auch wegen der länglich ovalen, weit nach vorn sich erstreckenden Orbitalhöhlen, ähnlich wie Ellipsoglossa, und Batrachoseps (Fig. 94 und 95) von vorn nach hinten einen nur geringen Durchmesser. Er steht dadurch namentlich im Gegensatz zu den Phanero- und Cryptobranchiaten und unter den Salamandri- den zu den Amblystomen (Fig. 76) und Tritonen (Fig. 131 u. 140). Wie Ellipsoglossa so besitzen auch die drei in Frage ste- henden Arten enorm breite Nasalia (Fig. 69 N), welche jedoch nieht wie dort mit ihren ganzen medialen Rändern sondern nur mit den vorderen zwei Dritteln derselben in der Mittellinie zusammen- stossen. Sie erstrecken sich weiter nach vorn, als bei irgend einem andern mir bekannten Molche und nehmen sogar Antheil an der Schnauzenbildung. Das Kopfskelet der Urodelen. 423 Ganz nach vorn divetgiren sie etwas und umschliessen die in ihrer vorderen Cireumferenz von den Alveolarfortsätzen der Praemaxille gebildeten Intermaxillar-Oeffnung von rückwärts. Letz- tere ist soweit nach vorn und abwärts an die Schnauzenspitze ge- rückt, dass man von oben her kaum noch den Anfang derselben erblickt. Die aufsteigenden Aeste des Zwischenkiefers betheiligen sich nicht an der Begrenzung dieser Oeffnung, denn sie liegen so weit auseinander (Fig. 69 Pmzx\, dass sich die Nasalia an ihrer me- dialen Seite weit gegen die Mittellinie vorschieben (N). Die Apertura nasalis externa wird von denselben Knochen be- grenzt wie ich sie bei Ellipsoglossa aufgezählt habe, jedoch kommt bei der oberen Cireumferenz der Oeffnung hier noch ein weiterer Knochen in Betracht: das zweite Praefrontale (Pf). Die- ses schickt einen langen Fortsatz zwischen Maxillare und Nasale hindurch und besitzt denselben, die Schädeloberfläche mit dem Cavum nasale verbindenden Canal (Fig. 69 x), durch den hier ein Gefäss hindurehpassirt. Ich will jetzt schon im Voraus bemerken, dass dieser Canal auch in dem einfachen Praefrontale des Axolotl und demjenigen vieler, ja vielleicht aller Spelerpes-Arten, sowie der Amblystomen (Fig. 76 rechts von Pf) vorkommt. Weder der Oberkiefer noch die beiden Praefrontalia schicken Orbitalfortsiitze ab und dem entsprechend liegt die knorpelige Nasen- kapsel eine grosse Strecke gegen die Augenhöhle herein blos. Die von der Maxille abgehenden die Orbita von aussen umspannenden Jugalfortsätze besitzen an ihrer inneren Seite eine zur Aufnahme von Knorpel. bestimmte tiefe Furche und erstrecken sich ziemlich weit nach hinten, ohne jedoch das knöcherne Flügelbein ganz zu er- reichen. Die Stirnbeine zeigen eine asymmetrische Entwicklung; ihr me- dialer Raum ist ausgezackt (Fig. 69 F) und greift mit seiner vor- deren Hälfte zahnradartig in den der andern Seite ein. Nach hinten zu aber erreichen sieh die medialen Ränder der Frontalia in der Mittel- linie nieht mehr, _gleichwie auch beide Scheitelbeine in ihrer gan- zen Länge durch eine weite Fontanelle getrennt bleiben (Fig. 69 P). Letztere wird von einer fibrösen Haut verschlossen. In ganz exces- siver Ausbildung treffen wir diesen fibrösen Verschluss des Schä- deldaches bei dem californischen Batrachoseps (Fig. 94). Sprengt man die Parietalia, welche hier im Gegensatz zu Ellip- soglossa nur einen kleinen Abschnitt der Labyrinthoberfläche bedecken, ab, so sieht man an der Stelle, wo bei letztgenanntem Thier das 424 R. Wiedersheim breite Knorpelband die Gehörkapsel in zwei Abschnitte trennt, eine feine Naht verlaufen. Wenn also hier auch der trennende Knorpel geschwunden ist, so bleibt doch die Zweithei- jung des Petrosum erhalten, was mir für die niedrige Orga- nisationsstufe resp für die nahe Verwandtschaft des Thieres mit Ellipsoglossa sehr bemerkenswerth däucht. Die Maxillaria und Praemaxillaria betbeiligen sich nicht am Aufbau des knöchernen Gaumendaches; dieses wird allein von den nach vorn und aussen mächtig verbreiterten Vomero-palatin-Platten gebildet (Fig. 70 Vop). Der bei Ellipsoglossa zwischen ihnen liegende Ansschnitt zeigt sich hier um mehr als das Doppelte aus- gedehnt und in seiner Tiefe erscheinen die knorpeligen Partien des Primordialschädels (AZ u. EtAN). Hinter den auf einer mit ihrer Convexität nach vorn gerichteten Querleiste‘ (T’op!) liegenden Vomero-palatin-Zähnen schiebt sich die Knochenplatte noch eine Strecke vor und endigt als zugespitzter Dreikant in der Nath zwischen Parasphenoid und Orbitosphenoid. Dieser Zahnstellung, welche an die von Dieamptodon und einiger Spelerpes-Arten erinnert, verdankt der eine von den drei asiatischen Molehen seinen Namen Ranodon; die beiden Salamandrella- Arten weichen hierin etwas ab, indem ihre Zahnreihen eine winklige Knickung zeigen (vergl. STRAUCH lI. c.). Das Parasphenoid verbreitert sieh in seinem hinteren Bezirk und schiebt seine zierlich eingekerbten Ränder (Fig. 70 Ps) eine ziemliche Strecke über den Boden des Labyrinthes hinüber. Im Vergleich zu demselben Theile bei Ellipsoglossa zeichnet sich das Parasphenoid von Ranodon durch einen gracilen, schlanken Ha- bitus aus und nähert sich dadurch demjenigen von Dieamptodon. Seine schiffartig gehöhlte Dorsalfläche zeigt keine Bildung, welche man mit dem Namen Sella tureica bezeichnen könnte. Die Orbitosphenoide sind noch kürzer als bei Ellipsoglossa und zeigen hinten und vorn denselben Ausschnitt wie dort: jedoch kommt hier das Foramen opticum ganz in Knorpelmasse zu liegen (Fig. 70 Fopt, Os). j Der Facialis verlässt den Schädel wie überall bei den Urodelen durch eine aussen und seitlich am Prootieum liegende Oeffnung, ge- langt dann in die vom Suspensorium und dem Flügelbein gebildete Bucht und tritt über die zum Quadratknorpel sich erstreckende Oper- eularspange (Fig. 70 Prop) hinweg nach aussen und hinten. Das Flügelbein zeigt von dem Verhalten bei Ellipsoglossa keine Das Kopfskelet der Urodelen. 425 wesentliche Abweichung; doch ist die Gelenkbildung am inneren, zur Basis der Regio prootica tretenden Fortsatz noch deutlicher aus- geprägt als dort. Diese Einriehtung scheint mir darauf berechnet, dem ganzen Suspensorial-Apparat beim Oeffnen des Unterkiefers, bei den Schlingbewegungen etc. einerseits eine federnde Unterlage, an- dererseits eine gewisse Verschiebungsfiihigkeit zu gewähren. An den vorderen Fortsatz des knöchernen Pterygoids schliesst sich ein, wie eine kleine Hohlrinne sich ausnehmendes Knochen- plättchen (Fig. 69, 70 OO); es überbrückt die zwischen Suspenso- rial- und Trabekel- (Alisphenoid-) Knorpel sich herüberspannende hya- line Brücke.” Seine Bedeutung ist mir unbekannt geblieben. Die ähnlich wie bei Ellipsoglossa gestaltete stattliche Qua- dratverknöcherung (Fig. 69, 70 Qu) wird von oben und aussen her durch das 7'formige Squamosum oder Tympanieum (7) theilweise gedeckt. Man kann an ihm seiner Form entsprechend einen abstei- genden mit scharfer Kante versehenen sowie einen vorderen und hinteren Fortsatz unterscheiden. Der Unterkiefer besteht aus den drei, sämmtlichen Salamandriden zukommenden Stücken, welche bei diesen drei Arten noch in viel lockererem Ver- bande stehen, als bei Ellipsoglossa naevia u. nebulosa. 7) Ich lasse nun die Beschreibung des knöchernen Kopfes einer ganzen Reihe von Salamandriden folgen, die hierin alle dieselben Grundzüge zeigen und somit auf eine gemeinsame Stammform zurück- weisen. Ihre Namen sind: Plethodon glutinosus \ N Spelerpes longicauda J - orculus - variegatus ; N var (?) exico. - var (?) - fuscus Italien, Sardinien (Spanien ?). Gyrinophilus porphyriticus, Carlisle. Alle diese aufgeziihlten Arten zeichnen sich durch einen zarten Schädelbau aus; die einzelnen Knochen besitzen theilweise eine ge- radezu glasähnliche Structur und zeigen in Folge ihres Mangels an 496 R. Wiedersheim Leisten und Höckern durchweg weiche Formen, wodurch sie zu den später zu besprechenden Tritonen in scharfem Gegensatz stehen. Die eine Form, nämlich den italienischen Spelerpes fuseus Geotriton), habe ich in meiner oben genannten Abhandlung über Salamandrina perspieillata einer genauen Beschreibung unterworfen, so dass ich mich in der Schilderung der Uebrigen kurz fassen kann Fig. 74). Was zunächst den Plethodon glutinosus anbelangt, so über- trifft er in seinem Schädelbau die italienische Art noch an Zartheit. besitzt auch. was bei letzterer nicht der Fall war, ein eigenes, wohl abgegliedertes Praefrontale. Letzteres besitzen auch noch einige amerikanische Spelerpes-Arten, aber nie geht von ihm und vom Oberkiefer ein Orbitalfortsatz ab, so dass die knorplige Nasenkapsel wie bei den oben geschilderten asiatischen Formen frei gegen die Augenhöhle hereinschaut — eine Eigenthümlichkeit, die auch allen Spelerpes-Arten ohne Ausnahme zukommt. Ebenso gehen bei allen aufgezählten Arten die Stirnbeine sehr weit nach vorn und die Pa- rietalia haben nur eine geringe Ausdehnung. Der Zwischenkiefer ist paarig und schickt keine senkrechten Fortsätze ab zur Bildung eines knöchernen Intermaxillar-Raumes. Das Squamosum wird durch eine einfache spiessförmige Lamelle dargestellt. welche das Suspensorium nur theilweise bedeckt; die Quadrat - Verknöcherung gelangt nie zu starker Entwicklung und ist an ihrem proximalen Ende meist in zwei Fortsätze gegabelt. Das Parasphenoid ist durchweg tief gehöhlt, jedoch ohne cireumscripte Sella turcica; es bedeckt nur einen kleinen Theil der Basalfläche des Labyrinthes, welches im übrigen eine homoge Kno- chenblase darstellt, ohne Andeutung eines Zerfalles in eine vordere und hintere Partie. Fast überall springen die halbeirkelförmigen Canäle deutlich hervor. Das Foramen optieum ist bald ganz, bald nur an seiner vorderen Cireumferenz von der Ossifieations - Zone des Trabekels Orbitosphenoid) umschlossen. Die Vomero-palatina sind durch zwei breite, in der Medianlinie durch einen gestreckt ovalen Ausschnitt (Fig. 74 und 99 Ci getrennte Platten repräsentirt (Vop). Sie bilden allein den Boden der Nasen- höhlen, da der Ober- und Zwischenkiefer entweder gar keine Fig. 74 M, Pmz oder doch nur sehr unbedeutende Processus pa- latini bildet. Einige interessante Abweichungen von dem eben. geschilderten Das Kopfskelet der Urodelen. 427 l Verhalten des Schiidels der übrigen Spelerpes-Arten bildet ein klei- ner mir aus Veracruz eingesandter minimaler Spelerpes, den ich nicht näher zu bestimmen vermochte. Die Länge des grössten Exem- plars misst von der Schnauze bis zur Schwanzspitze kaum 4 Centim. und der Schädel nur 4—5 Millim. Es gehört deshalb viel Mühe und Aufmerksamkeit dazu, letzteren genau zu studiren und ich kann nicht dafür bürgen, ob ich dabei Nichts übersehen habe. Bei aller Kleinheit jedoch zeigt nicht nur das Kopfskelet sondern auch die Extremitäten und die Wirbelsäule eine gewisse Derbheit und Knor- pelarmuth, die diesem Thier eine Ausnahmestellung zuweisen. So ist der Carpus und Tarsus gut verknöchert, während er bei sämmtlichen übrigen Spelerpes-Arten knorpelig bleibt; dazu kommt, dass zwischen dem Os intermedium und dem Ulnare eine so feste Verlöthung besteht, dass wenig zu einer eigentlichen Synostose fehlt. Dadurch würde sich die Zahl der Carpalia, wie. bei Salamandrina persp. auf sieben stellen. Ebenso sind an der Wirbelsäule, genau wie bei letzterem Molch, die wohl verknöcherten differenzirten Gelenkköpfe an der Vorderseite jedes Wirbelkörpers bemerkenswerth. Die Petroso-oceipitalia sind ebenfalls gut ossifieirt und die Bo- gengänge springen stärker hervor, als bei den übrigen Spelerpes- Arten; auffallend ist die an Batrachoseps (Fig. 94) erinnernde starke Verjüngung des Schädelrohres gegen die Ethmoidalgegend zu. Das Parasphenoid stellt eine hinten quer abgestutzte und nach vorn dolehförmig zugespitzte Knochenlamelle dar. Von einem Nasale und Praefrontale vermochte ich nichts zu entdecken, die knorpelige Nasenkapsel liegt in ihrer grössten Ausdehnung blos und wird nur seitlich von einer sehr schmalen Spange der Maxille (Corpus maxillae) und medianwärts von den aufsteigenden, merkwürdig geschwungenen Fortsätzen des Zwischen- kiefers bedeckt. Der Alveolartheil des letzteren ist unpaar und erinnert dadurch wieder an Batrachoseps; senkrechte Fortsätze zur Umschliessung der Intermaxillardrüse schickt er keine ab. Die Vomero-palatina verschliessen die Nasensäcke von unten her und stimmen mit denjenigen der übrigen Spelerpes-Arten voll- kommen überein. Was endlich den Gyrinophilus anbelangt, so unterscheidet er sich im Schädelbau durch folgende Merkmale von den übrigen Arten: Der Schädel ist in der Ethmoidalgegend viel stärker einge- schnürt und länger gestreckt, was namentlich auf Rechnung der lan- gen Frontalia und des Parasphenoids zu setzen ist. Morpholog. Jahrbuch, 3. 28 428 R. Wiedersheim Der Zwischenkiefer schickt senkrechte Fortsätze nach abwärts, wodurch also ein knöchernes Cavum in- termaxillare geschaffen wird. Die aufsteigenden Aeste kommen in zwei tiefe Furchen der Fron- talia zu liegen, an deren Unterfläche die Crista ethmoidalis stärker ausgeprägt ist, als bei den übrigen hierher gehörigen Arten. Die Vomero-palatina schieben sich genau wie bei Rano- don unter den ihnen zugehörigen Zahnreihen nach rückwärts (vergl. Fig. 99 u. 70) und besitzen auf ihrer Dorsalfläche einen die Choane zwingenartig umgreifenden Knochenwall. In naher Beziehung zu den eben beschriebenen Formen steht eine andere Gruppe von Salamandriden, die. so viel Abweichendes sie auch in ihrem Schädelgerüste von jenen zeigen, doch in Betreff ihrer Bezahnung auf denselben Typus zurückzuführen sind. Ich werde daher diesen Theil des Kopfskeletes erst später in zusammen- fassender Weise beschreiben. Die einzelnen Arten dieser neuen Gruppe weichen unter sich in ziemlich beträchtlicher Weise ab und so erachte ich es für nöthig Jeder derselben eine besondere Schilderung zu widmen. 8) Batrachoseps attenuatus (Californien). Die grösste Länge des Schädels beträgt 6—7 Mill., die grösste Breite 5 Mill. Was vor Allem an ihm auffällt, ist die starke Ein- schnürung hinter den Choanen und andererseits die mächtig verbrei- terte Labyrinthgegend mit den ganz excessiv entwickelten Bogen- gängen (Fig. 94 Bgg). Alle Schädelknochen sind von äusserst zarter Structur und sehr transparent. Auf der Oberfläche befindet sich die schon von RATHKE |. e. gewürdigte, über die ganze Länge der Parietalia und die hintere Hälfte der Stirnbeine sich erstreckende Fontanelle (Fig. 94 Font), durch welche hindurch man am rein macerirten Schädel das Para- sphenoid erblickt (Ps). Nach hinten zu ist sie am breitesten und wird von den in der Mittellinie durch eine knorpelige Commissur ist auf der Abbildung nieht wieder gegeben) verbundenen Supra- oceipitalspangen abgeschlossen; nach vorn läuft sie in die Sutura- frontalis aus. Das Kopfskelet der Urodelen. 499 Die Stirn- und Scheitelbeine sind-diinne langgestreckte Knochen- platten, was namentlich für die ersteren gilt, da sie sich noch ein gutes Stück unter dem Nasale und der aufsteigenden Partie des Zwischenkiefers nach vorn schieben. Von den letztgenannten Kno- chen erhalten sie an ihrem Vorderrand starke Eindrücke, wie sie ihrerseits in eine tiefe Delle des Parietale eingefalzt sind. Das Praemaxillare ist unpaar und im Verhältniss zu den sonst so zierlichen Dimensionen des Schädels geradezu monströs ent- wickelt (Fig. 94 Pma). Die aufsteigende Partie des Knochens ga- belt sich erst sehr weit oben auf der Oberfläche des Kopfes und zwar geschieht dies an derselben Stelle, wo die Stirnnaht nach vorn zu klaffen beginnt. Dadurch entsteht ein in das Cavum intermaxil- lare führender Spaltraum (C7). Wenn ich von einem Cavum in- termaxillare rede, so ist das nicht ganz genau, da die Masse des Zwischenkiefers durchweg eine compacte ist und keine Höhle einschliesst, sondern nur von einer von der Dorsalseite des Knochens in die Mundhöhle führenden Oeffnung (Fig. 94 Lo) durchsetzt ist. Was ich also mit obigem Namen belege, ist der Raum im hyalinen Nasal-Septum, welcher hier zur Aufnahme der von mir sog. Glan- dula intermaxillaris dient, einer Schleimdrüse, die in dem Schlitz zwischen beiden Vomero-palatin-Platten ausmündet. Sie wird spä- ter bei einer zusammenfassenden Beschreibung der Regio naso-oralis noch einmal zur Sprache kommen. Die a priori anzunehmende Doppelnatur des Zwischenkiefers ist also hier bedeutend verwischt, ja sogar noch mehr als bei den Tritonen, wo sie sich stets noch durch die paarigen Processus des- cendentes manifestirt. Rechnet man noch dazu die enorme, fast den ganzen Vorder- kopf umfassende Ausdehnung der Alveolarspangen dieses Knochens, so hat man einen Zwischenkiefer vor sich, wie kein zweiter in der Urodelen-Welt existirt, stark und fest, mit gewaltigen Zähnen be- waffnet und deshalb ganz dazu gemacht, das kleine Thierchen in den ihm angehörigen Jagdgründen zu einem sehr gefährlichen Räu- ber zu machen. Die Alveolarfortsätze greifen mit ihren hinteren Enden schup- penartig über die unbedeutenden Oberkieferspangen herüber, so dass diese nur in sehr lockerem Verbande damit sind. Viel fester ist die Verbindung des Zwischenkiefers mit den Vomero-palatin- Platten, über deren laterales , flügelartiges Ende (Fig. 95 Pop) er sich mit seinen Alveolarfortsätzen kapuzenförmig 28 * 430 R. Wiedersheim herüberspannt, während er mrt seinem Processus palatinus in dem Zwischenraum beider Vomero-palatina eingekeilt liegt. Ueber die letzteren Knochen ist den Spelerpes-Arten gegenüber nur das zu bemer- ken, dass ihr der Orbita zuschauender Hinterrand nicht so tief zur Choanenbildung ausgeschnitten ist, wie dort. Das Parasphenoid besitzt die Form einer florentinischen »Fiasca«, hat leieht eingekerbte Ränder und eine kahnförmig gehöhlte Ober- fläche ohne Andeutung eines Türkensattels. Der Hinterrand ist von der Hauptmasse des Knochens schnabelartig abgeknickt (Fig. 95 Ps vor Ob). Das Squamosum ist eine medianwärts leicht concave, dünne Kno- chenlamelle und die Quadrat-Verknöcherung ist absolut und relativ die kleinste unter allen mir bekannten Salamandriden. Sowohl die Hinterhauptscondylen wie auch der die Fenestra ovalis tragende kegelförmige Fortsatz springen, wie auch bei allen Spelerpes-Arten deutlich hervor (Fig. 95 Fov und Cocc). Vom Unterkiefer ist nur zu erwähnen, dass die Meckkr’sche Rinne von Seiten der Knochen nicht geschlossen ist, so dass der inliegende Knorpel in seinem ganzen Verlauf frei zu Tage liegt. 9) Anaides lugubris. Der Kopf des unpräparirten Thieres ist mandelförmig mit deut- lich vorspringenden Parotiden; in seiner hinteren Partie zeichnet sich das Muskel-Relief deutlich durch die Haut hindurch ab und die Schnauze springt wie geschwollen über den Unterkiefer vor. Das Thier besitzt relativ die grössten Kaumuskeln, die mir in der ganzen Amphibienwelt bekannt geworden sind, und dem entsprechend bestehen an gewissen Puncten des Schädels »Zugleisten« von ganz enormer Ausdehnung; so vor Allem am Dache des Labyrinthes, wo sich an der Stelle des Zusammenstosses vom vorderen (inneren) und äusseren Halbeirkelgang eine säbelförmig ge- schwungene Kante erhebt, welche nach hinten immer mehr an Höhe gewinnt und dabei der ganzen Oberfläche des äusseren Bogenganges aufsitzt. Letzterer wird .von ihr noch um ein Beträchtliches über- ragt, so dass wir in diesem Gebilde mit seiner hinteren, hoch auf- ragenden Spitze den am weitesten zurückliegenden Theil des ganzen Schädels überhaupt zu erkennen haben (Fig. 104, 106 **). Die Nische, welche diese merkwürdige Knochenlamelle mit dem äusseren Bogengang auf der Oberfläche der Gehörkapsel erzeugt, Das Kopfskelet der Urodelen. 431 dient den grossen Kaumuskeln zur Einlagerung ganz ähnlich, wie ich dies von Amphiuma geschildert habe. Da wo sich der untere Rand des Hinterendes der Knochenleiste frei vom Schädel absetzt, schliesst sich das obere Ende des spiessförmigen Tympanicum oder Squamo- sum an (Fig. 104 7p), wodurch letzteres ein festes Widerlager ge- winnt. Aehnlichen Leisten werden wir wieder in der Reihe der Trito- nen begegnen. Die Parietalia (?) sind ein paar kurze platte Knochen, welche sich mit ihren medialen Rändern nach vorn zu tief zwischen die Fron- talia (7) einkeilen. Am Zusammenstoss dieser beiden Knochenpaare zeigt sich das Schädelrohr etwas aufgetrieben. In Folge der übermässig gestreck- ten Stirnbeine besitzt letzteres eine Längen-Ausdehnung wie sie von allen anderen von mir untersuchten Urodelen nicht entfernt erreicht wird. Dabei ist es von einer Schmalheit, wie sie nicht einmal die schon sehr schlanke Schädelkapsel von Ranodon (Fig. 70) aufzu- weisen vermag. Nur ein geschwänzter Batrachier scheint zu existi- ren, der in Beziehung auf die Schmalheit des Schädelrohres Anai- des noch übertrifft, ich meine Dieamptodon ensatus; hier je- doch liegt die am meisten eingeschnürte Stelle ungefähr in der Mitte des Schädels, während wir sie bei Anaides im vorderen Bezirk der Augenhöhlen treffen. In Beziehung auf die Länge des Knochen- cylinders kann Dicamptodon mit Anaides lange nicht concurriren ; bei jenem erscheint die Labyrinth-Gegend des Schädels mit der Regio naso-ethmoidalis viel mehr zusammengestossen als hier, wo diese beiden Bezirke durch die langgestreckt ovalen Orbiten sehr weit von einander getrennt sind (Fig. 104, 106). Die paarigen Zwischenkiefer erstrecken sich bis zu einer die Vordergrenze der Augenhöhlen schneidenden Querlinie auf die Schädel- oberfläche herauf und zeigen gerade wie auch das Nasale, Praefron- tale und Maxillar& eine auf der Einlagerung von Drüsenschläuchen beruhende rauhe Oberfläche. Praemaxillare und Maxillare betheiligen sich durch starke Processus palatini am Aufbau des Gaumendaches (Fig. 106 M und Pmx). Die medianwärts gehöhlten Oberkieferspangen ragen sehr weit nach rückwärts und zeigen dabei eine Eigenthümlichkeit, welche in der Amphibienwelt als Unicum dasteht und erst in der Klasse der Reptilien (Chelonier und Crocodilier) eine Wiederholung finden. Sie verlaufen nämlich nicht, wie bei den übrigen Urodelen in einer 432 R. Wiedersheim Horizontalebene, sondern springen unter halsartiger Einschnürung am Ende der Zahnreihe winklig nach unten vor (Fig. 105 *) und wen- den sich von da an bogig geschwungen nach hinten und oben. Diese Configuration scheint mir eine sehr gute physiologische Bedeutung zu besitzen, die sofort klar werden dürfte, wenn man erwägt, dass die Oberkieferspange mit einem grossen Theil ihres unteren Randes (Fig. 105 *) genau so weit nach abwärts ragt, dass letzterer in das Niveau der Maxillar-Zähne zu liegen kommt. Wir werden in ihm also gewissermassen ein Hülfsorgan der nicht sehr weit nach rückwärts sich fortsetzenden Zähne (vergl. damit den Kieferbogen anderer Salamandriden, Fig. 99, 102, 111, 136, 141) erblicken dürfen, was uns um so weniger überraschen wird, da schon die oben erwähnte enorme Kaumuskulatur und wie ich erst jetzt er- wähnen will, die ausserordentliche Grösse der einspitzigen Zähne darauf hinweist, dass die Natur Nichts versäumt hat, um diesen Molch zu einem gefürchteten Raubthier in seiner Art zu ge- stalten. Die Abbildungen 105— 107 geben einen guten Begriff von der Monstrosität der Zahnbildungen im Ober- und Unterkiefer und zei- gen auch, dass Anaides hierin sämmtliche übrigen Amphibien, viel- leicht mit Ausnahme der Coecilien, weit hinter sich lässt. Im Unterkiefer zähle ich 11, im Oberkiefer 9 einspitzige Zähne jederseits, doch lege ich hierauf kein Gewicht, da Andere (z. B. Srraucu) hierin zu abweichenden Resultaten gelangt sind; es kön- nen ja hier Verletzungen , Altersunterschiede ete. mit unterlaufen. In einem andern Punct aber muss ich Strauch vollkommen bei- pflichten, wenn er nämlich angiebt, dass die Zähne von vorn nach hinten abgeplattet seien; ja man kann sie füglich mit einem Appa- rat von kleinen zweischneidigen Messern vergleichen, welche einem wohl abgegliederten Sockel aufsitzen. Ich will noch hinzufügen, dass die Vomero-palatin- und Sphe- noidalzähne ungleich kleiner gestaltet sind und mit den homologen Bildungen der Spelerpes - Arten und Anderer ziemlich überein- stimmen. Der Oberkiefer sowohl als das vordere Stirnbein schicken senk- rechte Fortsätze herab in die Augenhöhle, eine, wie wir sehen wer- den, für den Aufbau einer höheren Schädelform (Tritonen) sehr be- merkenswerthe Thatsache. Sie bilden bei Anaides jedoch noch keinen vollkommen knöchernen Abschluss der Orbita gegen die Na- Das Kopfskelet der Urodelen. 133 senhöhle herein, sondern werden durch den knorpligen Antorbital- fortsatz (Fig. 104, 106 AF’) ergänzt. Die Vomero-palatin-Platten sind ganz ähnlich gestaltet, wie bei Batrachoseps und umschliessen gemeinsam mit den Processus pala- tini des Zwischenkiefers die ovale Mündungsstelle der Intermaxillar- Drüse. Das Orbitosphenoid ist sehr ausgedehnt und umschliesst das Foramen opticum, welches von seinem Hinterrande ziemlich weit entfernt liegt (Fig. 106 Fopt). Das langgestreckte, nach vorn nur ganz allmälig sich ver- schmälernde Parasphenoid (Ps) besitzt an seinem Hinterrande eine starke Muskelleiste. Die Quadratverknöcherung verhält sich in ihrer Stärke und Configuration wie bei Spelerpes. 10) Desmognathus fuscus. Der Schädel dieses Molches hat mein Interesse im allerhöchsten Grade in Anspruch genommen, weil er einen merkwürdigen Collectiy- Typus repräsentirt, worin sich Elemente finden, welche theils zu den Eigenthümlichkeiten des Kopfskeletes der Tritonen theils zu denje- nigen der Spelerpes- und der beiden zuletzt beschriebenen Arten von Molchen gehören. Im Ganzen bekommt man den Eindruck eines festen derbknochi- sen Gefüges, worin der Schädel vielmehr an Anaides als an die Spelerpes-Arten erinnert. Fünf Puncte sind es. die bei der Dorsal-Ansicht desselben vor Allem in die Augen springen: 1) die ausserordentlich weit nach hin- ten sich erstreckenden Stirnbeine (Fig. 101 F), 2) die grosse Ver- breiterung des aufsteigenden Theiles vom Zwischenkiefer | Pra), 3) der anscheinende Mangel eines vorderen Stirnbeines, 4) das ungewöhnlich weit auf die Schädeloberfläche sich heraufziehende Corpus maxillae, welches sich bis in die Gegend erstreckt, wo man sonst das Praefrontale zu suchen gewöhnt ist (M), 5) die breite, nur mit den Verhältnissen von Amphiuma vergleichbare, die Schei- telbeine weit überragende Supra-oceipital-Spange (Os). Die kurzen Parietalia (?) sind hinten wie nach dem Lineal ab- geschnitten und dieser Hinterrand geht fast unter einem rechten Winkel in den Aussenrand des Knochens über, welcher in der Re- gio prootica seine grösste Breite gewinnt und hier einen senkrecht 434 R. Wiedersheim absteigenden, dornartigen Fortsatz in die Augenhöhle abschickt. Vergl. die Tritonen.) Die Fronto- parietal-Naht, sowie die Stirn- und Scheitelnaht verläuft in mäandrischen Windungen, so dass die betreffenden Knochen, ähnlich wie beim Menschen, zahnradartig in einander greifen und dadurch eine sehr bedeutende Festigung er- halten. Von Orbitalfortsätzen der Stirnbeine kann man kaum reden, auch ist die von mir so genannte Crista ethmoidalis an der Unter- fläche derselben sehr schwach ausgeprägt. Da wo das Parietale und Frontale am oberen Orbitalrand zusammenstossen, bemerke ich an letzterem einen minimalen dornartigen Fortsatz nach aussen ab- gehen. So klein und unscheinbar er sich auch ausnimmt, so wich- tig wird er in Beziehung auf die Ableitung der einzelnen Schädelfor- men von einander, ein Punct, den ich später noch einmal besprechen will. Für jetzt genüge es, darauf aufmerksam gemacht zu haben (Fig. 101 PF). Die Nasalia (N) sind kleine, unregelmässig dreieckige Knochen- schiippchen und schieben sich mit einem abgerundeten Fortsatz weit medianwärts über die Pars ascendens des Zwischenkiefers (Pra) heriiber. Letztere stellt, wie oben bemerkt, eine breite und zugleich langgestreckte unpaare Knochenlamelle dar, welche sich an ihrem Hinterende gabelig theilt. Bei jungen Exemplaren geht die Spal- tung weiter nach vorn und schneidet in das auf der Abbildung 101 deutlich sichtbare, länglich ovale Foramen intermaxillare ein. Die Aehnlichkeit in diesem Stadium mit dem Zwischenkiefer der Tritonen liegt auf der Hand, während mir andrerseits die beim erwachsenen Desmognathus vorliegende synostotische Vereinigung der aufsteigen- den Fortsätze hinter der Oeffnung ganz isolirt dazustehen scheint. Auffallend gross treffe ich die vor der Intermaxillar-Oeffnung liegenden Löcher für den Schnauzenast des Trigeminus; sie führen nicht, wie bei vielen Urodelen, zuerst in das Cavum intermaxillare und erst von da aus in die Nasenhöhle, sondern stehen mit letzte- rer in direeter Communication (Fig. 101 22). Auch von der Ventralseite her bietet der Vorderkopf und speeiell der Zwischenkiefer, sowie die Vomero-palatin-Platten ein sehr bemer- kenswerthes Verhalten. Vor Allem ist zu constatiren, dass sich so- wohl die Maxille wie das Praemaxillare durch so starke Processus palatini am Aufbau des Mundhöhlendaches betheiligt, wie wir ihnen nur bei den Tritonen wieder begegnen. Während nun aber bei die- sen nur ein einziges grosses, stets in der Mitte zwischen beiden Vomero-palatin-Platten liegendes Loch für die Ausmündung der Zwi- Das Kopftskelet der Urodelen. 435 schenkieferdrüse existirt (Fig. 136 Cc), bemerken wir bei Desmo- gnathus zwei hinter einander liegende grosse Löcher, wovon das hin- tere (Fig. 103 Cc) mit dem der Tritonen topographisch vollkommen übereinstimmt. Das vordere (Fig. 103 Ci!) liegt in der trichterartig ausgehöhlten Gaumenplatte des Zwischenkiefers, und wird nach hin- ten durch die zusammenstossenden Vomero palatina (Vop) abgeschlos- sen. Diesen Zusammenstoss der Pflugschar- Gaumen- beine konnten wir bei allen den bisher betrachteten Sa- lamandriden nirgends constatiren; überall handelte es sich vielmehr um eine bis zu den Alveolarspangen des Zwischenkiefers durchgehende Spaltung dieser Kno- chen (vergl. Fig. 65, 70, 74, 95, 99, 106), eine Eigenthüm- lichkeit, welche, wie ich gieich im Voraus bemerken will, auch die Gattung Salamandra, Chioglossa und Amblyo- stoma characterisirt. Um so mehr musste die Ausnahmestellung von Desmognathus meine Aufmerksamkeit erregen und mich auch zu einer Durchfor- schung der höhern und höchsten Schädelformen in der Urodelenwelt veranlassen. Diese bieten uns, wie ich in meiner Abhandlung über die italienischen Molche ausdrücklich hervorgehoben habe, die Tri- tonen und die Salamandrina perspicillata dar. Hier fin- det sich nun das durch den nordamerikanischen Desmo- snathus eingeleitete Verhalten fast zur ausnahmslosen Regel erhoben!) und hat durch den noch breiteren Zu- sammenschluss der Vomero-palatina vor der Inter- maxillar-Oeffnung (Fig. 136, 141) sogar eine Weiterent- wicklung erfahren. Nachdem ich dies einmal festgestellt hatte, war es selbstver- ständlich, dass ich auch für die vordere, im Gaumendach von Desmognathus (Fig. 103 0x!) liegende Oeffnung bei anderen Urode- len homologe Bildungen aufzufinden mich bestrebte und ich glaube, diese in dem von mir bei den Tritonen beschriebenen Canalis incisivus entdeckt zu haben (vergl. Taf. XII Fig. 83, 87 Fi mei- ner Arbeit über Salamandrina und Fig. 111 u. 141 F% dieses Auf- satzes). Dass dieser Canal im Zwischenkiefer bei den Tritonen viel klei- ner ist als bei Desmognathus, ja dass er sogar bei einigen, z. B. '! Nur der Triton helveticus (vergl. Taf XII Fig. 87 Z meiner Ar- beit über die Salamandrina persp. ete.) weicht davon ab. 436 R. Wiedersheim bei Tr. viridescens, ganz verschwinden kann, beruht einfach auf einer viel grösseren Ausdehnung resp. innigeren Conerescenz der Processus palatini des Zwischenkiefers zu einer unpaaren Platte Fig. 136, 141 Pmx). Dadurch wird die bei Desmognathus hin- ten noch etwas offene und dadurch auf einen früheren totalen Zerfall des Knochens in zwei Hälften hinweisende grosse Oeffnung auch noch an letzterem Puncte von Knochensubstanz umwachsen und immer mehr reducirt. Somit wäre für mich der bekanntlich nur bei Urodelen mit unpaarem Zwischenkiefer vorkommende Canalis inei- sivus der Ausdruck eines früher stattgehabten Zerfalles des Prae- maxillare in zwei gleiche Hälften. Diese Annahme wird bekanntlich durch die Entwicklungsgeschichte wesentlich gestützt, und wenn ich hinzufüge, dass bei ganz jungen Exemplaren von Desmognathus eine bis zum Zwischenkiefer durchgehende Spaltung der Vomero-palatina, genau wie bei allen, einen paa- rigen Zwischenkiefer besitzenden Urodelen zu consta- tiren ist, so haben wir eine sehr hübsche Parallele zwischen Phylo- und Ontogenese! Weitere Beziehungen des Desmognathus zu den Tritonen werde ich später bei der Besprechung der Zahnstellung zu entwickeln haben; für jetzt hebe ich nur hervor, dass sich die Hinterenden der Vomero-palatina auf dem Parasphenoid-Schnabel weiter nach rück- wärts schieben, als diejenigen aller übrigen Salamandriden mit Aus- nahme von Ellipsoglossa und den Tritonen. Die Dorsalfläche der Vomero-palatina erinnert durch die an dem medialen Rand jedes Knochens emporspringende Crista sehr an das Verhalten von Salamandrina persp. Hier wie dort läuft dieselbe den senkrechten, die Intermaxillarhöhle begrenzenden Fortsätzen des Zwischenkiefers entgegen, betheiligt sich also bei beiden Thieren in gleicher Weise am Aufbau der knöchernen Nasenscheidewand. Ja noch ein Umstand kommt hinzu, der die Aehnlichkeit zwischen bei- den noch frappanter macht: ich meine die zwischen den zusammen- stossenden Knochen übrig bleibende Lücke, wodurch die Nasal- und Intermaxillar-Höhle miteinander in Communication stehen. Erwäh- nenswerth ist auch vielleicht noch ein den Choanen-Ausschnitt dor- salwiirts umziehender Knochenwall (vergl. Gyrinophilus) . Das an seinem hinteren Rand zackig ausgeschnittene Parasphe- noid (Fig. 103 Ps) zeigt in der prootischen Gegend eine starke, flügelartige Verbreiterung und ist auf seiner cerebralen Fläche rin- Das Kopfskelet der Urodelen. 437 nenartig vertieft, olıne dass man jedoch von einer eigentlichen Sella tureica reden könnte. Bei ausgewachsenen Thieren trifft man hier und da eine synostotische Verlöthung des Parasphenoids mit der hinter dem knorpeligen Alisphenoid liegenden Partie der Regio prootica. . Man vergleiche damit meine Notiz über ein ähnliches Verhalten bei Salamandrina persp. Il. e. pag. 55 und den oben citirten Aufsatz Raruke’s über Ranodon (Dicamptodon) ensatus, wo es folgendermassen heisst: »Hintere Keilbeinflügel, die bei an- dern geschwänzten Batrachiern fehlen, sind hier deutlich vorhan- den. Sie sind aber viel kleiner, als die vordern, sind mit dem Körper des Keilbeins innig verschmolzen und stel- len zwei unregelmässig oblonge Platten dar, die nach oben, hinten und aussen aufsteigen, den Paukentheilen der Schläfenbeine an- liegen und beinahe bis an das äussere Ende dieser Theile hin- reichen.« Ich bin in Anbetracht der genetisch so verschiedenen Skelet- theile, wie sie das der Mundschleimhaut entstammende Parasphenoid einer- und der mit der Labyrinthkapsel sich verlöthende Trabekel Regio prootica«) andererseits doch sind, überzeugt, dass es sich bei Dieamptodon so wenig als bei Desmognathus und Salaman- drina um eine primäre Zusammengehörigkeit dieser Theile, son- dern einfach um eine secundäre Synostose derselben handeln kann. Betrachtet man diese, von allen Autoren bis jetzt als Unicum angestaunten Verhältnisse von Dieamptodon unter dem eben er- wähnten Gesichtspunct, so verliert das Thier, wenn auch nicht Alles, so doch Vieles von seiner Ausnahmestellung. Die Petroso-oceipitalia lassen auf ihrer Oberfläche nur un- deutlich das Relief der halbcirkelférmigen Canäle erkennen, erzeu- gen dagegen, ganz ähnlich wie Amphiuma, an ihrem dem Squa- mosum zugekehrten Aussenrand eine hohe, der Kaumuskulatur zur Einlagerung dienende Leiste. Auf ihrer Unterseite findet sich die weit lateralwärts gerückte Fenestra ovalis (Fig. 103 Foo); nach vorn von ihr das Facialis-Loch (Fac) und nach hinten die Oeffnung für den Vagus (Vg). Die Occipital-Condylen sind zu zwei ungewöhnlich langen Knochenzapfen ausgewachsen (Fig. 101, 103 Coce). Während die Petroso-oceipitalia an der oberen Cireumferenz des Hinterhauptsloches , wie oben erwähnt, mit breitem Rande zu- sammenschliessen , bleiben sie am Basal-Umfang desselben durch 438 R. Wiedersheim eine enge Spalte (Fig. 103 einwärts Ob) von einander getrennt. Der dieselbe am frischen Schädel erfüllende Hyalinknorpel ist auf der Abbildung nicht dargestellt. Das Squamosum (Fig. 101 Zp) weicht von demjenigen der Spelerpes-Arten in keiner Weise ab; um so mehr ist dies der Fall bei der Quadrat - Verknöcherung (Fig. 103 Qu), welche hier eine Ausdehnung erreicht hat, wie sie nicht einmal bei den Tritonen (Fig. 111 Qu) vorkommt. Hier sowohl, wie bei allen übrigen Uro- delen kann man es als Regel betrachten, dass dieser Knochen an seinem proximalen, in zwei Fortsätze zerfallenden Ende aus einer mehr oder minder ansehnlichen Knorpelmasse besteht (Fig 95, 99, 106 ete. Qu), welche die prootische Gegend von unten und aussen her gabel- artig umgreift. Diese Knorpelmasse ist nun beim erwachsenen Desmognathus sehr redueirt, und die obgenannte Knorpelgabel ist zu einer voll- kommen knöchernen geworden. Mit der einen Zinke (Fig. 103 s!) schiebt sie sich unter dem Squamosum an der Aussenseite der proo- tischen Gegend hinauf, während sie mit der andern (Fig. 103 s) die Stelle erreicht, wo das Parasphenoid mit seiner grössten Verbreite- rung der Basalfläche der Regio prootica anliegt. Der letztgenannte Fortsatz wirkt wie ein Strebepfeiler für die Gelenkpfanne des Qua- dratum. Die Quadrat - Verknöcherung erzeugt somit aus sich selbst heraus eine Einrichtung, welche bei anderen Urodelen /Ellipsoglossa ‘Fig. 65 * hinter As], Ranodon, Salamandra, Chioglossa, Ambly- stomen, Tritonen, Salamandrina) von Seiten des knöchernen Flügel- beins zu seinen Gunsten geleistet wird. Der Ausschnitt zwischen beiden Zinken der Knochengabel wird von einem kleinen Rest Hyalinknorpel erfüllt; er ist nur auf der Figur 101 Qu! dargestellt. Die Orbitosphenoid-Verknöcherung zieht sich auffallend weit nach hinten und trägt das Foramen optieum (Fig. 103 Fopt). Es bleibt mir noch übrig, auf ein merkwürdiges Verhalten des Praefrontale aufmerksam zu machen. Dasselbe liegt nämlich nicht an dem für die übrigen Urodelen gewöhnlichen Punct der Schädel-Ober- fläche, sondern nimmt genau jene Stelle ein, wo der von mir so genannte Processus orbitalis des vorderen Stirnbeins von Salamandrina und den Tritonen die Augenhöhle gegen das Cavum nasale zu zum Abschluss bringt. Wir hätten somit in dem Praefrontale von Desmognathus nur ein Theilstück des homologen Knochens der hö- heren Formen, ein eigentliches Lacrimale zu erblicken. Das Kopfskelet der Urodelen. 439 Jedoch, was das Merkwürdigste ist: die Knochenlamelle liegt nicht isolirt in der Augenhöhle, sondern hängt durch eine zarte Knochenbrücke mit dem vorderen, äusseren Win- kel des Hauptstirnbeins zusammen (Fig. 103 Pf *), docu- mentirt somit ihre Zusammengehörigkeit mit letzterem Knochen. Nach abwärts sitzt sie der zahntragenden, die Choane (CA) von rückwärts begrenzenden Querspange des Vomero-palatin’s ( Vop') satt auf, während sie von oben her durch den Hinterrand des Cor- pus maxillae (Fig. 101 M7) gedeckt wird; sie wird demgemiiss von den beiden Knochen förmlich in die Klemme genommen. In keinem Anschluss steht sie — und das unterscheidet sie von dem homologen Gebilde der Tritonen und von Salamandrina — mit der medianwärts gehöhlten und von Knorpel ausgegossenen Oberkieferspange sowie mit dem Vorderrande des Orbitosphenoids. Durch die mit letzterem erzeugte weite Lücke tritt ein grosses Gefäss und der Hauptstamm des Ramus nasalis Trigemini, während ein zarter Seitenast desselben in einer im Praefrontale selbst liegenden, feinen Oeffnaung verschwin- det. Letzteres ist der sonst erst im Cavum nasale vom Hauptstamm sich abgliedernde und später den Oberkiefer durchbohrende Ramus infraorbitalis. Am Unterkiefer ist nur der spitz ausgezogene obere Winkel des Angulare zu erwähnen. Er dient der starken Sehne eines Muskels zum Ansatz, welcher am Processus spinosus atlantis ent- springt und über die Labyrinth- und Scheitelbein-Gegend herüber sich erstreckt. Er wird schon auf der Schädeloberfläche sehnig und nach ihm hat wohl das Thier seinen Namen erhalten. Nachdem ich nun von den Schädeln einer ganzen Reihe von Urodelen die einzelnen Details geschildert habe, erübrigt mir noch, zwei Merkmale hervorzuheben, welche sämmtlichen Arten gemeinsam sind und deshalb auch gleichzeitig zur Sprache kommen sollen. Der eine Punet ist negativer, der andere positiver Natur; erste- rer betrifft den absoluten Mangel eines knöchernen Flü- gelbeins, letzterer die Bezahnung, die ich etwas eingehender betrachten werde. Zuvor jedoch fasse ich die Namen der hierbei in Betracht kommenden Urodelen noch einmal in übersichtlicher Weise zusammen. 440 R. Wiedersheim Die Gattung: Spelerpes in allen Arten, - - Plethodon, - - Gyrinophilus, - - Batrachoseps, - - Anaides, - - Desmognathus, - - Hemidactylium, - - Heredia. Die beiden letztgenannten Arten standen mir leider nicht selbst zur Verfügung und was ich darüber mittheile, habe ich dem STRAUCH- schen Werke entnommen. Alle diese Molche nun zeigen auf der Unterfläche des Parasphe- noids eine grössere oder kleinere Menge von bürsten- oder hechel- formig angeordneten Zähnen, welche auf zwei Platten von poröser, rauher Knochensubstanz stehen und einen gewissen Grad von Be- weglichkeit besitzen, d. h. nach hinten etwas umlegbar sind. Diese Eigenschaft theilen sie mit den Zahnbildungen gewisser Fische und Urodelen-Larven, worauf erst in neuester Zeit von O. Hertwie: Ueber das Hautskelet der Fische, Dieses Jahrb. Bd. 2 wieder aufmerk- sam gemacht worden ist. Die beiden zahntragenden Knochenlamellen stossen bei einigen Arten in der Mittellinie des Parasphenoids so eng aneinander, dass sie als eine einzige untrennbare Masse imponiren könnten; das wahre Verhalten nimmt man erst deutlich wahr, wenn man den Schädel eine Zeit lang in eine siedende schwache Aetzkalilösung setzt. Dies gilt für Plethodon (Fig. 74), Spelerpes, Batrachoseps Fig 95 Sph Z) und Anaides (Fig. 106 Sph Z). Bei den übrigen Arten der aufgestellten Liste handelt es sich stets um zwei wohl ge- schiedene Gruppen, die bei Desmognathus (Fig. 103 Sph Z) und Heredia nur mit ihren Vorderenden nahe beisammen liegen oder sich sogar berühren. Was die Ausdehnung der zahntragenden Platten anbelangt, so trifft man sogar in einer und derselben Gattung die grössten Schwan- kungen; so z. B. bei Plethodon (Fig. 74), wo sie unter vier von mir untersuchten Exemplaren bei dreien mit den Vomero-palatin- Zähnen unmittelbar zusammenstiessen und nur einmal durch einen kleinen Zwischenraum von ihnen getrennt blieben. Sie stellten stets zwei keulenförmige, hinten stark aufgetriebene und vorn sich verjün- gende Platten dar, auf welchen die Zähne in Querreihen angeordnet waren. Das Kopfskelet der Urodelen. 441 Ganz dasselbe gilt für vier von mir untersuchte Spelerpes-Arten, so dass ich gar nichts hinzuzufügen brauche. Es waren dies sämmt- lich ausgewachsene Thiere, so dass ich nicht beurtheilen kann, wie sie sich bezüglich dieses Punctes im Jugendzustand verhalten. Von Spelerpes fuscus (Geotriton) ist mir dieses zu ermitteln möglich gewesen und ich habe seiner Zeit (1. e.) darüber Mittheilung gemacht. Die Ergebnisse waren folgende: Das Parasphenoid wird von einer einzigen, zahntragenden Platte bedeckt, welche nach vorn bis an die Vomero-palatin-Zähne stösst. Beim Heranwachsen des Individuums erfolgt nun an eben dieser vordersten Stelle der Zahn- platte eine Resorption, welche allmälig nach hinten fortschreitet und schliesslich auch in der Median-Linie Platz greift. Daraus resultirt nun Zweierlei für den erwachsenen Schädel: erstens finden wir die Sphenoidalzähne stets durch einen ansehnlichen Zwischenraum von den Vomero-palatin-Platten getrennt und zweitens zeigt sich die zahn- tragende Knochenplatte in zwei symmetrische Seitenhälften gespalten. Bei Gyrinophilus ragen die zahntragenden Lamellen zeit- lebens bis an die Vomero-palatin-Zähne, welch letztere sich conti- nuirlich in die Sphenoidalzähne fortzusetzen scheinen. Sieht man aber genauer zu, so wird man gewahr, dass beide Zahnarten eine sehr verschiedene Unterlage besitzen; so handelt es sich in der Vomero-palatin-Gegend um die zwei bekannten festen Lamel- len, während die gleich dahinter beginnenden Sphenoidalzähne in der oben geschilderten, brüchigen und porösen Knochensubstanz stecken. Letztere ist hier auf zwei schmale, nach hinten zu etwas verbreiterte und zugleich etwas von einander divergirende Streifen re- dueirt, worauf die Zähne derartig angeordnet sind, dass man an jene mittelalterliche Waffe erinnert wird, die den Namen »Morgen- stern« trug. Sieht man davon ab und fasst nur die langen, schma- len Lamellen in's Auge, so könnte man bei oberflächlicher Betrach- tung des Schädels an die Salamandrida mecodonta erinnert werden. Ich komme darauf später noch einmal zurück. Die Zahnplatten von Anaides (Fig. 106 Sph Z) verhalten sich in ihrer Ausdehnung ungefähr wie beim erwachsenen Spelerpes fuscus, d.h. sie erreichen lange nicht die Vomero-palatina, haben also wie dort eine Reduction erfahren. Sie stehen jederseits in 12 schrägen Reihen und lange nicht so dicht, wie bei den übrigen Arten, sind jedoch wie überall mit ihrer Spitze nach rückwärts gebogen. Noch einer grösseren Reduction sind die Sphenoidal-Zähne von Desmognathus (Fig. 103 Spd Z) unterworfen, was mir, wie 449 R. Wiedersheim schon früher angedeutet, für die phylogenetische Stellung des Thie- res von grossem Belang zu sein scheint. Wir haben es hier offenbar mit dem allmäligen Er- löschen einer auf einen sehr grossen Thierkreis (Sela- chier, Teleostier, Urodelen) sich erstreckenden Erseheinung zu thun. Was von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt war, verschwin- det nun und zwar nicht auf einmal, sondern ganz allmälig, um an- deren Faetoren Platz zu machen, welche den Weg zu einem ganz neuen Typus anbahnen. Als solche sind vor allem die schon oben besprochenen, auf dem Parasphenoid weiter als irgendwo anders unter den lechriodonten Salamandriden nach rückwärts rückenden Vomero-palatina her- vorzuheben. Mit ihnen oder vielmehr auf ihnen werden die bei den Plethodonten, bei Gyrinophilus und den verschiedenen Spelerpes-Arten entweder ganz quer oder nur mässig schräg stehenden Vomero- palatin-Zähne unter einem nach vorn offenen Winkel nach rückwärts verschoben. Noch weiter ist dies Verhalten gediehen bei Ellipso- slossa und wenigstens angebahnt sehen wir es bei Batracho- seps!) und Anaides (Fig. 95 u. 106). Ob sich Heredia und Hemidactylium hierin an Desmo- enathus anschliessen, kann ich nicht entscheiden; jedenfalls wäre eine genaue Untersuchung dieser Arten von grossem Interesse und würde vielleicht zu sehr werthvollen Uebergangsformen verhelfen. Mag es sich nun um grosse oder kleine Zahnplatten an der Parasphenoid-Basis handeln, immer ist der Zusammenhang mit letz- terer ein sehr lockerer und manche Zahnlamellen lassen sich mit der Nadel ohne weitere Anstrengung von der Mundschleimhaut ab- heben, die ihr einziges Befestigungsmittel bildet. Derselbe lockere Verband besteht, wie ich schon an einem andern Orte berichtete, auch bei ganz jungen Spelerpes-Arten. Etwas fester finde ich ihn bei Batrachoseps, allwo die zwei ovalen, mit Zähnen förmlich ge- pflasterten Lamellen den grössten Theil des Parasphenoids bedecken (Fig. 95 Sph Z). Schabt man die Zähne sorgfältig von ihrer Unterlage ab, so er- hält man ein zierliches, aus Knochenbälkchen bestehendes Netzwerk mit runden und ovalen Maschenräumen. Ich habe dies in meiner ~ !) Bei diesem Molch stehen die Vomero-palatin-Ziihne in 3—4 Reihen hin- tereinander, wie bei Salamandridenlarven. Das Kopfskelet der Urodelen. 443 Arbeit über Salamandrina persp. etc. auf Taf. XVII, Fig. 140 dargestellt. Was endlich die feinere Histologie der Sphenoidal-Zahnplatten anbelangt, so haben mich meine Untersuchungen Folgendes gelehrt: Es handelt sich dabei nicht, wie ich friiher glaubte, um alveolen- artige Räume in die die Zähne eingelassen sind, auch nicht um eine ligamentöse Befestigung der Zähne auf sockelartigen Bildungen nach Art der von O. HErTwıG von den Panzerwelsen beschriebenen, son- dern Zahn und Zahnplatte bildet ein vollständiges Continuum. Man hat es also nicht sowohl mit wohl differenzirten Zähnen, als vielmehr mit einer von Hohlräumen durchzogenen ku- chenartigen Masse zu thun, welche gegen die Mundhöhle herein eine grössere oder geringere Anzahl von spitzen, zackigen Fortsätzen ent- wickelt. Je einer der obgenannten Hohlräume zieht sich in eine solche Zacke herab und ist von seinen Nachbarn durch Scheidewände von sehr schwankender Stärke getrennt Fig. 116 SpA Z. Im In- nern finden sich Odontoblasten in grosser Masse angehäuft und letztere bilden auch ein starkes Lager zwischen der Unterfläche des Parasphenoids und dem in Frage stehenden Gebilde. Sie sind auf der Figur nieht abgebildet. Diese zackigen Bildungen verhalten sich histiologisch ganz wie die von HERTWIG beschriebenen Zähne der Salamander und Tritonen, d. h. sie besitzen eine Doppel- spitze, Zahnröhrchen ete. Bei entkalkten Schädeln ist hiervon Nichts zu erblicken. Während sich das Parasphenoid wie alle übrigen Schädelknochen in Carmin intensiv roth färbt, zeigen jene subsphe- noidalen Zahnplatten kaum einen Anflug von rother Farbe und ste- chen von den eingelagerten Odontoblasten scharf ab. Wenn nun die zahnartigen Bildungen, trotzdem sie mit einer gemeinsamen Basalplatte continuirlich zusammenhängen, wie oben erwähnt, einen gewissen Grad von Beweglichkeit besitzen, so be- ruht dies auf der ihnen innewohnenden Elastieität: drückt man sie aber kräftig nieder, so brechen sie ab, man erhält jene früher sehon besprochene netzartige Lamelle. (Fortsetzung im 4. Heft. »Beziiglich der in vorstehendem Aufsatz citirten Figuren wird, insofern sie nicht auf den beigegebenen Tafeln enthalten sind, auf die zu Anfang des vier- ten Heftes des Morph. Jahrbuchs erscheinende Fortsetzung verwiesen.« Morpholog. Jahrbuch. 3. 29 Erklärung der für sämmtliche Tafeln gültigen Bezeichnungen. A. Bezeichnungen am Primordialeranium. NK Sept und JS Tr u. Tr? Ty Eth AF HNK KZ Trab. Platte Oss T7) Osc Pa. Me ry CC Qu! Pte Pea Ob Os Op Prop Coce As HF Mik GS I und 2 Nasenkapsel. Internasal-Septum. Vorderste Ausläufer der Trabekel. Trabekel. Lamina cribrosa (Ethmoid). Antorbital-Fortsatz. Häutige Nasenkapsel. Knorpelzapfen, eine Commissur bildend zwischen den bei- den ‘Vorderenden der Vomero-palatina von Amphiuma. Trabekular-Platte in der Regio ethmoidalis. Orbitosphenoid, vorderer Abschnitt des Trabekels. Vorderstes, hyalines Ende der Schädelbalken. Processus anterior des Nasengerüstes (Stützpfeiler für die Praemaxille). Knorpeliger Maxillarfortsatz des Nasengerüstes. Zweiwurzeliger Ursprung der Nasenkapsel vom Vorderrand des Trabekels. Processus quadrato-trabecularis. Quadratum cartilagineum. Pterygoideum cartilagineum Pars cartilaginea der Labyrinthkapsel. Basi-oceipitale Supra-oceipitale Operculum (Columella). Processus opercularis (Stiel der Columella). Condyli occipitales. Alisphenoid = hinterer Bezirk des Trabekels. Hinterer, mit dem Hyoidbogen durch ein Ligament verbun- dener Fortsatz des Quadratum. MecKEL’scher Knorpel. Proximales Ende des letzteren = Articulare. zwischen Qu und As bezeichnet die beiden Verbindungs- schenkel dieser Theile des Suspensorial- Apparates mit dem Pterygoid. Knorpelplatte. Pmx M TM Pf und, Pf! JE Pi_f4 Pet, Pet! u. 2 Tp Pdse tp!—tp3 Qu JE Et Ps SphZ Vo Pal Vp u. Vop Eth Os De Ang * Pru SF N Oss Prpa Olat Spo Sca Pra By ZZ . Wiedersheim, Das Kopfskelet der Urodelen. Aeussere Haut. Mundschleimhaut. Bindegewebe. Driisenschliiuche. Gelenkkopf. Bindegewebsmembran. Ligament. Atlas. Gefiiss Knorpel. Muschel. Flimmerepithel. Praemaxillar-Fortsatz der hyalinen Nasenkapsel. B. Bezeichnungen der Knochen. Praemaxillare. Maxillare. Frontale. Praefrontale I und II. Parietale. Fortsiitze des letzteren. Die verschiedenen Bezirke des Petroso-occipitale. Tympanicum (Squamosum). Pars descendens Verschiedene Fortsätze Quadratum osseum. Pterygo-palatinum. Pterygoideum osseum. Parasphenoid. Sphenoidal-Zähne. Vomer. Palatinum. Vomero-palatinum. des letzteren. Knöcherne Lamina cribrosa (Trabekel-Concrescenz). Knöcherner Schidelbalken. Dentale. Angulare. Operculare. Processus uncinatus. Senkrechte Fortsiitze. Nasale. Ossificationsstelle des Trabekels bei Proteus. Proc. orbitalis des Scheitelbeins bei Amphiuma. Occipitale laterale. Septum osseum. Septum cartilagineum. Processus ascendentes des Praemaxillare. Bogengänge. Vomero-palatin-Zähne. 29* 4! 446 PR) JEDER Pr. pal Pr. orb Fas. K R. Wiedersheim Processus postfrontalis. Hakenfortsätze des Stirnbeins. Processus palatinus. Processus orbitalis. Faserknorpel. C. Bezeichnungen der Höhlen, Oeffnungen und Nerven. Cav. cran Lab Cav. nas (CO, Fi Font Ch Apn n—n!—n? Olf Oc Opt Tg Face Vg Fopt Folf Fov Ge RS Cavum cranii. Labyrinth. Cavum nasale. Cavum intermaxillare resp. internasale. Foramen incisivum. Fontanelle. Choane. Apertura nasalis externa. Letzte Endäste des Ramus nasalis Trigemini. Olfactorius. Oculomotorius. Opticus. Trigeminus. Facialis Vagus (mit Accessorius und Glossopharyngeus). Foramen opticum. Foramen olfactorium. Fenestra ovalis. Gehirn. Riechschleimhaut. D. Bezeichnungen des Zungenbein-Kiemen-Bogen-Apparates. KeH Hp H BsH BhrsI LT Kebr L—III. Epbr I.—IV. Oth Sp Keratohyale. Hypohyale. - Basihyale. Erstes und zweites Basibranchiale. Erstes bis drittes Keratobranchiale. Erstes bis viertes Epibranchiale. Os thyreoideum. Knorpelspange. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX, Menobranchus lateralis; Schädel von oben. Das Dach der rechten Nasenkapsel ist abgetragen. fernt. Derselbe Schädel von unten. Das Parasphenoid ist zur Hälfte ent- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. : { Das Kopfskelet der Urodelen. 447 Vorderkopf von Menobranchus lateralis nach Entfernung der knorpeligen Nasenkapsel. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat desselben Thieres. Vorderkopf von Menobranchus lateralis von der Seite. Schädel eines jungen Axolotl von unten. Auf der einen Seite sind die Deckknochen der Mundhöhle entfernt, wodurch der Primordialschädel in seiner ganzen Ausdehnung blossliegt. Schädel von Amphiuma tridactylum von oben. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat desselben. Schädel desselben von der Unterfläche. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von Siren lacertina. Schädel von Siren lacertina von oben. Derselbe von unten. Unterkiefer von Siren lacertina von der Innenseite. Tafel XX. Schädel von Proteus anguinus von oben. Derselbe von unten. Der Unterkiefer von Proteus anguinus von der Innenseite. Seitenansicht des Schiidels von Amphiuma tridactylum. = = - - Siren lacertina. - - - - Proteus anguinus. Zwischenkiefer und Stirnbein von Amphiuma tridactylum. Schädel von oben. = = unten. von der Seite. Menopoma alleghaniense , von oben. ‚ von unten. Cryptobranchus japon. | Tafel XXI. Horizontaler Flächenschnitt durch den Vorderkopf von Salaman- drina persp. Ein eben solcher von Triton taeniatus. - - - - Axolotl. Horizontaler Flächenschnitt durch den Vorderkopf vom Axolotl, wenige Millimeter oberhalb der Mundschleimhaut. Frontalschnitt durch das Cavum internasale desselben Thieres. Totalansicht des Axolotl-Schädels von unten. Sagittalschnitte durch den Vordertheil desselben; Fig. 33 geht genau durch die Medianebene. Frontalschnitt durch das knorplige Nasengerüst desselben. - - die Schnauzengegend von Triton viridescens. - - den vordersten Abschnitt der Gehirnkapsel vom Axolotl. Erster und zweiter Frontalschnitt durch die Schnauzengegend von Menobranchus lateralis. Frontalschnitt durch die Schnauzengegend von Salamandrella. 448 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. R. Wiedersheim, Das Kopfskelet der Uredelen. 40. | Drei Frontalschnitte durch den Schiidel von Menobranchus. 42. | 43. Frontalschnitt durch die Schnauzengegend von Plethodon glu- tinosus. 44. Schädel des Axolotl von oben. 45. Frontalschnitt durch die Mitte der Regio internasalis von Spelerpes fuscus. 46. 47 Frontalschnitte durch den Schädel von Menobranchus lateralis. 48. Frontalschnitt durch die Internasal-Gegend eines mexicanischen Spe- lerpes (spec?). 49. Derselbe Schnitt von Plethodon glutinosus. 50. Frontalschnitt durch die Labyrinthgegend von Menobranchus. 51, Schnitt durch die Nasenscheidewand von Salamandrella. Tafel XXII. 52—63. Frontalschnitte durch den Vorderkopf von Amphiuma tri- dactylum. Fig. 52 beginnt in der Schnauzengegend und Fig. 63 endigt im vorderen Bereich der Hirnkapsel. Tafel XXIII. Schädel von oben. = von unten. 66. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat desselben Thieres. 67. Schädel von Ellipsoglossa mit einziger Erhaltung der Vomero- palatina, des Parasphenoids und der Petroso-oceipitalia. 68. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von Ranodon sibiricus. 69. Obere 0. Untere 1. Obere 2. Untere 73. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat eines jungen Axolotl. 4 6) 6 if 64. Ag Ellipsoglossa naevia Schädelansicht desselben Molches. Schädelansicht von Salamandra atra. Schädel des Plethodon glutinosus von unten. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von Amblystoma punctatum. 76.) Obere | Schädelansicht desselben Molches. Beide gehören verschie- 77.) Untere ) den alten Thieren an. ar in tye > u ee. Uh oe a, STE Morphol. Jahrbuch Bd, Vat XX a a ns Lith LA Holtmann Würzburg 4 bi — & = Bu _ P = = . nd a oe _ Morphol. Jahrbuch B dil. = Cav. cran Pmac_4 ieee Cav. eran. Trab, Platte BT run w KZ — 39 2 J ES) ae | u N Trab.Platte | \ = — ui Dr en ne Pına p l Ir m ua Rabus dWiedersheim del. Lith... A.Hofmann, Wirahurg. Ge Eph W. \ Oat Wy EybrT. | Fir MW fear Cnr ICI. Coce Rabus,del Lith. J.-A Hofmann ‚Würzburg. - an Ei ale Taf. XIX. ‘“Habus del | Lith. J. A. Hofmann, Würzburg. Morphol.Jahrbuch.Ba.Il Po Pra Pros Apn i ; Pet Coce Rabus dev " Lith. JA Hotmann, Wirzburg Bemerkungen zum Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asterien und Ophiuren '). Von Dr. Wichard Lange. Vorläufig nicht in der Lage, meine in diesem Jahrbuche ver- öffentliehten Untersuchungen fortzusetzen, will ich es wenigstens nicht unterlassen, den Bestand gewisser Thatsachen, welche von andrer Seite in Zweifel gestellt worden sind, hervorzuheben und einige Notizen nachzutragen. Ich gedenke zunächst der radialen Wassergefässe von Ophiura texturata (Forbes) und Ophioscolex glacialis (Müll. Trosch.) mit Hinblick auf das von Sımkorn über die Wassergefässe von Ophiac- tis virens (Sars) Beigebrachte. (Anatomie und Schizogonie der Ophiactis virens Sars. Ein Beitrag zur Kenntniss der Echino- dermen von Dr. Herwrich SımroTH. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. XXVII Hft. 4.) Abgesehen davon, dass sich die Weite der Hauptstiimme nach der Spitze der Arme zu allmälig verjüngt, variirt dieselbe bei den genannten Species regelmässig in engeren Grenzen. In der Mitte zwischen je zwei Wirbeln findet sich allemal der ge- ringste Durchmesser des Gefässes ; unter den Wirbeln, wo die Zweige zu den Saugfüsschen abgehen, ist der Durchmesser ein weit beträcht- licherer. Während des Verlaufes von einem Knotenpuncte zum an- dern verjüngt sich das Gefäss bei Ophioscolex glacialis ganz all- mälig bis zum Minimum, um ebenso allmälig wieder zum Maximum anzuschwellen, während bei der Ophiura texturata die Verjüngung plötzlicher vor sich geht, so dass die weiteren Theile ein sackartiges !) Morphol. Jahrb. Bd. II Heft 2. 450 W. Lange Aussehen erhalten. Der grösste Durchmesser des Gefässes betrug bei ausgewachsenen Thieren in den mittleren Armtheilen für Ophio- scolex glacialis 0,105 Mm., Ophiura texturata 0,14 Mm. ; der kleinste für Ophioseolex glacialis 0,03 Mm., Ophiura texturata 0,05 Mm. Der geringste Durchmesser eines zugehörigen Zweiges zum Saugfüss- chen maass bei Ophioscolex glacialis 0,02 Mm., Ophiura texturata 0.04 Mm. Die Zweige beginnen mit breiterer Basis, um sich all- mälig zu verjüngen und kurz ‚bevor sie mit keilférmigem Endstücke _ sich in das Saugfüsschen einsenken, wieder zu erweitern. Sowohl bei Ophiura texturata als auch bei Ophioscolex glacialis ist der Verlauf der Zweige nicht so complicirt, wie SIMROTH auf Grund seiner Beobachtungen an der Species Ophiactis virens vermuthet, sondern ein directer zum Saugfüsschen, wie ich ihn abgebildet habe. Bei Ophioscolex glacialis sind die Zweige dem Rücken etwas mehr zugekrümmt als bei der Ophiura texturata. Der histiologische Bau sowohl des Stammes als auch der Zweige ist — ebenfalls bei beiden Species — ein höchst characteristischer. Auf den ersten Anblick haben die Röhren in allen ihren Theilen ein vollkommen tracheenartiges Aussehen. Bei näherer Untersuchung, welche ich bei der Ophiura texturata anstellte, unterscheidet man eine starke: homogene äussere Membran, wie SIMROTH sie schildert. Dieser äusseren Membran liegen an der Innenseite regelmässig an- geordnete Reifen an, welche mit einer inneren feineren Membran in festem Zusammenhange stehen. In der letzteren liessen sich durch Färbung leicht zahlreiche Kerne aber keine Zellgrenzen nachweisen. Wir hätten also hier, was die Ringfasern anbetrifft, einen ähnlichen Bau vor uns, wie ihn Horrmann und TEUSCHER für die Ampullen, jener auch für die radialen Ambulacralgefässe der Echinen schildert. (Zur Anatomie der Echinen und Spatangen von Dr. C. K. Horr- MANN. Niederl. Arch. fiir Zool. Bd. I 1871. — Beiträge zur Ana- tomie der Echinodermen. Von Dr. REINHOLD TEUSCHER. Jenaische Zeitschr. für Naturwiss. Bd. X (IIL) Heft 3 u. 4.) Auch bei der Ophiura texturata hat der Querschnitt der lichten scharf contourirten Reifen eine rundliche Gestalt, wie man auf Längsschnitten durch das Gefäss wahrnimmt. Zugleich zeigt sich auf solchen Schnitten sowie an Zerzupfungspräparaten, dass die äussere Membran an der Innenseite rinnenférmige Vertiefungen enthält, in welche jene Reifen eingrei- fen. Vielleicht hat man es übrigens nirgends mit eigentlichen Ringen zu thun, da es mir gelungen ist einen Streifen der innern Membran spiralig abzurollen, welcher bedeutend länger als der Umfang des Bemerkung. zum Beitrag z. Anatomie u. Histiologie d. Asterien u. Ophiuren. 451 Gefässes vier getrennt neben einander verlaufende Fasern aufwies. Hinsichtlich der Anordnung der Reifen in den verschiedenen Theilen des radialen Wassergefässes sind folgende Unterschiede zu bemer- ken. In den weiten Theilen des Hauptstammes ist der Abstand je zweier Reifen weit bedeutender als in den engeren und in den Zweigen. Dort bestimmte ich denselben in der Nähe des Discus auf 0,005—0.009 Mm., hier auf 0,001—0,003 Mm. An Stellen wo sich der innere Schlauch sammt den Reifen von der äusseren Mem- bran durch Schrumpfung losgelöst hat, liegen die Reifen dicht neben einander und zeigen Faltungen und Krümmungen, welche wohl durch die bedeutendere Schrumpfung der Zwischenmasse hervorgerufen werden. Es wird schwer zn entscheiden sein, ob wir in diesen Ge- bilden Muskeln zu sehen haben, wie HOFFMANN für die Wassergefässe und Ampullen der Echinen und Smrorn für bestimmte Stellen des Hauptgefässes der Ophiactis virens annimmt, oder Bindegewebe, wie TEUSCHER für die Ampullen der Seeigel. In ersterem Falle würde jedenfalls der Grund, welchen Simrorn für die Beschränkung der Fasern bei Ophiactis virens angibt, hinfällig. Auch bei der Ophiura _ texturata färben sich die Reifen schwach oder gar nicht durch Car- min, sind manchmal durch feinere Querfasern verbunden und ragen aus abgerissenen Stücken der inneren Membran wie elastische Fä- den hervor. Jene characteristische doppelte Schrägstreifung, welche den Zwischenwirbelmuskeln der Ophiura texturata zukommt, fehlt, scheint aber auch nicht allen Muskeln des Thieres eigenthümlich zu sein. TEUSCHER bestreitet für die Ophiuren Ganglienmassen, welche der dorsalen Seite des Bandes aufgelagert sind. Ich kann darauf nur erwidern, dass bei der Ophiura texturata diese Ganglienmassen ganz unzweifelhaft und in solcher Ausdehnung vorhanden sind, dass man schlechterdings gar nicht anstehen kann, sie als Ganglienkno- ten zu bezeichnen, gleichviel ob die Fasermasse des Bandes die Längscommissuren bilde, ob nicht. In allen Metameren sind sie zu finden, wenn nur das Thier gut erhalten ist. Die Grösse der Gang- lienzellen ist eine ganz beträchtliche. Ich maass ovale Zellen aus der Mitte des Armes, deren längster Durchmesser 0,02 Mm. betrug mit Kernen von 0,007 Mm. und Kernkörperchen von 0,002 Mm. Durchmesser. Meine Lingscommissuren könnten, wie ich angedeu- tet (pag. 267) höchstens feinere Muskelnerven sein, welche aus den Ganglienknoten hervorgehend sich eine Strecke weit auf dem Bande hielten, um erst zwischen zwei Wirbeln dasselbe zu verlassen und 452 W. Lange, Bemerkung. zum Beitrag zur Anatomie und Histiologie ete. zu den Muskeln zu treten. Besonders die Stränge, welche die Zweige des Bauchgefässes kreuzen, gehen conisch aus den Gang- lienknaten hervor und liegen bis zu einer bestimmten Strecke sicher dem Bande an. Ich will hier zugleich nachholen, dass die Nerven im unversehrten Zustande nicht platt sondern cylindrisch erscheinen. Mit der Thatsache, dass es Ganglienmassen gibt, welche in das Lu- men der Nervencanäle hineingewölbt sind, wird man sich hier ein für alle Mal zu befreunden haben. Wie für die Ophioglypha texturata die Ganglienmassen, so kann ich für Asteracanthion rubens der Ostsee die gezeichnete Wölbung der Zellplatten, welehe TeuscHER in Frage stellt, nur nochmals con- statiren. In Betreff der von ihm beschriebenen Ganglienzellen des Bandes, welche den Hautzellen anliegend von mir vollkommen übersehen sein sollen, weise ich erstens auf die von mir erwähnten Liickenzellen ohne Stab hin (pag. 2553. Zweitens betone ich noch- mals, dass bei Asteracanthion rubens der Zellenleib und Kerne in verschiedener Höhe und Ausdehnung am Stabe befestigt sein und sich, wie angegeben , zwischen einander schieben können. Gerade an der Grenze zwischen Zelldecke und Fasermasse des Bandes finden sich sehr häufig grosse Kerne und Kernkörperchen am Stabe be- festigt, welche sich gut färben. Eine Verbindung der stabchenlosen Zellen mit der Fasermasse des Bandes habe ich ebenso wenig wie TEUSCHER gefunden. Die Varicosität der Stäbchen ist bei Asteracan- thion rubens der Ostsee nur im Augenkolben auffällig. Es scheint übrigens, als wenn die Stäbchenzellen Gebilde sind, welche bei ver- schiedenen Echinodermen auf sehr verschiedenen Stadien der Um- wandlung angetroffen werden. Die wahre Natur derselben erscheint mir aber durch den Vergleich, welchen ich mit anderm Epithel des Seesterns angestellt habe, völlig klargelegt. Schliesslich will ich noch erwähnen, dass bei der Ophiura texturata die Bauchplatten der Arme eine viel untergeordnetere Rolle als bei andern Ophiuren spielen. Fast in der ganzen Länge des Armes vereinigen sich die Seitenplatten auf der Bauchseite vermittelst einer Nath in der Mittellinie, so dass man an jeder Platte ein horizonta- les Bauchstück und ein fast rechtwinklig davon abgehendes ge- krümmtes Seitenstück unterscheiden kann. Die Bauchplatten kei- len sich zwischen die Bauchstücke der Seitenplatten als kleine Tafeln ein. Nur die ersten proximalen Paare von Seitenplatten vereinigen sich nicht mehr, indem nach dem Discus zu die Bauchplatten mächtiger werden und gleichsam die Seitenplatten aus den ventralen Fugen drängen. Die so entstehenden Lücken zwischen je zwei Seitenplatten werden nicht durch die Bauchplatten ausge- füllt, sondern nur durch einen Processus derselben in zwei kleinere Abschnitte getheilt, welche sich wie zwei starke Puncte ausnehmen. Bei grösseren Thieren zählte ich 7—10 soleher Lücken, bei kleine- ren 4—5. Kiel, 16. Januar 1877. Ueber das Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. Von Max Fiirbringer. Mit 1 Holzschnitt. Der Kopfknorpel (inel. Orbitalknorpel) der Cephalopoden ist bereits von einer grossen Reihe namhafter Forscher bezüglich seines histologischen Baues mehr oder minder eingehend untersucht wor- den!). Er setzt sich bekanntlich aus sternförmig verästelten Zellen zusammen, die durch eine verschiedengradig entwickelte, homogene oder streifige, Zwischensubstanz getrennt werden und die in dieser entweder isolirt liegen oder durch mehr oder weniger reich ausge- bildete Anastomosen ihrer Fortsätze unter einander zusammenhängen; !, Vergleiche: KÖLLIKER, A., Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich 1844. p. 76 und KÖLLIKER, Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. Leipzig. 1867. p. 69. LEBERT, H. u. Rosin, Cu., Kurze Notiz über allgemeine vergleichende Anato- mie niederer Thiere. MÜLLER's Archiv. Jahrgang 1846. pag. 130. BERGMANN, A., Disquisitiones, microscopicae de cartilaginibus in specie hyali- nicis. Diss. inaug. Dorpati 1850. pag. 29. Fig. 6. QUECKETT, Catalogue of the histological series in the Museum of the Royal College of Surg. 1850. vol. 1. pag. 102. pl. VI Fig. 1. (Mir nur durch KÖLLIKER Ss und RANVIER’s Citate bekannt.) Leypic, Lehrbuch der Histologie. Frankfurt a. M. 1857. pag. 164. Hensen, V., Ueber das Auge einiger Cephalopoden. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. XV. Leipzig 1865. pag. 159. Taf. XVII Fig. 61. BoLL, Fr., Beiträge zur vergleichenden Histiologie des Molluskentypus. Ar- chiv f. mikroskopische Anatomie. Bonn 1869. Supplement pag. 14. Taf. I Fig. 6 u. 7. KELLER, ConraD, Beiträge zur feinern Anatomie der Cephalopoden. Inaugu- raldiss. St. Gallen 1874. pag. 3. Fig. 1. Ranvier, L., Traité technique d’histologie. Paris 1575. pag. 288. Fig. 90. 454 M. Fürbringer die Angaben der Autoren weichen namentlich bezüglich des letzteren Punctes sehr von einander ab. | Angesichts dieser Differenzen und ausserdem angeregt durch die neueren Ergebnisse über den Bau des Knorpels der höheren Wirbel- thiere erschien mir eine erneute Untersuchung des Cephalopoden- knorpels nicht zwecklos. Zu diesem Behufe standen mir in Alko- hol conservirte jüngere Exemplare von Sepia, Sepiola und Loligo zu Gebote. welehe ich der Güte des Herrn Dr. G. von KocH in Darm- stadt verdankte. Eine oberflächliche Orientirung auf Querschnitten durch den gan- zen Kopfknorpel ergibt. dass derselbe keineswegs in allen seinen Theilen gleichmässig gebaut ist, sondern dass, wie dies bereits BERG- MANN andeutet, an ihm periphere und centrale Schichten, welche beide allerdings allmälig in einander übergehen, unterschieden werden müs- sen. Die peripheren Schichten setzen sich zusammen aus spin- delförmigen, linsenförmigen oder ovalen Zellen, welche bei der Unter- suchung ohne Reagentien in der Regel isolirt, ohne Ausläufer oder mit nur kurzen Fortsätzen versehen, in der Grundsubstanz liegen. wobei sie mannigfache Theilungszustände darbieten können und nur selten zu klei- neren Haufen von 2—4 Zellen vereinigt sind; die eentralen Schich- ten bestehen aus meist ansehnlicheren rundlichen Zellen, welche in grösserer Anzahl zu inselförmigen Gruppen gehäuft sind und von hier aus nach allen Richtungen radial abgehende, lange und sich verästelnde Fortsätze abschicken, welche untereinander, sowohl mit denen dersel- ben Zellengruppe als auch mit denen der benachbarten, anastomosi- ren. Die Zellen der letzteren Schichten sind es namentlich. welche die Aufmerksamkeit der Untersucher auf sich gelenkt haben und von den Neueren namentlich von BoLL und Ranvier genau beschrieben und trefflich abgebildet worden sind, während die der ersteren, der peripheren, Schichten nur von wenigen Autoren. von BERGMANN und HENSEN !, berücksichtigt wurden. . Gerade diese Zellen aber waren es, die mir von hervorragender Wichtigkeit erschienen. Eine einfache deductive Betrachtung, die sich an die anderweitig über die Entwicklung der Bindesubstanzen gemachten Beobachtungen anlehnte, legte nahe, dass diese einfachen !) BERGMANN a. a. O. pag. 29 und Fig. 6 und HENSEN a. a. O. pag. 159 und Fig. 61; vielleicht auch Bonu a. a. O. Fig. 6 aus dem Kopfknorpel von Octopus. BERGMANN und BoLL erwähnen und bilden auch vereinzelt Anasto- mosen der Fortsätze dieser peripheren Zellen ab, Angaben, die ich bestätigen kann. ‘ Ueber das Gewebe des Kopfkuorpels der Cephalopoden. 455 peripheren Zellen als die jüngeren Elemente des Cephalopodenknor- pels zu betrachten seien, aus ‘denen sich erst die viel complicirter gebauten centralen Zellgruppen herausdifferenzirten. Diese An- nahme wurde durch die vergleichende ontogenetische Untersuchung bestätigt, indem bei ganz jungen Exemplaren von Loligo, an denen noch Reste des Dottersackes persistirten, der Kopfknorpel durchweg aus Zellen zusammengesetzt war, die denen der peripheren Schicht glichen. Waren die ursprünglichen einfachen Beziehungen dieser letzteren erkannt, so konnte es keine Schwierigkeit bereiten, die höheren Differenzirungszustände der centralen zu verstehen. Oben erwähnte ich, dass die Zellen der peripheren Schichten ohne Anwendung besonderer Reagentien entweder gar keine Ausläu- fer zeigen, so dass sie sich von dem gewöhnlichen hyalinen Knorpel nicht unterscheiden, oder dass sie nur kurze und einfache Fortzätze aus- schieken. welche in der Regel nicht unter einander zusammenhängen und nur ausnahmsweise vereinzelte Anastomosen mit denen der be- nachbarten Zellen eingehen: hinzuzufügen bleibt noch, dass diese Fortsätze, wenn überhaupt vorhanden, nie mit grosser Deutlichkeit aus der homogenen Zwischensubstanz sich hervorheben. Etwas anders wird das Bild unter Einwirkung von Silber und Osmium '), in dem die Fortsätze schärfer hervortreten und nicht allein an Länge und Zahl zunehmen, sondern auch an ihren peripheren Enden vereinzelte Verästelungen zeigen. Eine Vermehrung der Anastomosen wurde indessen gar nicht oder nur als eine gering- sradige beobachtet. Der Gewinn durch die, anderweitig mit grossem Erfolge geübte, Imprägnationsmethode war also für den vorliegenden Fall, wo es sich auch nur um Spiritusexemplar handelt. kein grosser. Es galt deshalb. um über die Verhältnisse der Fortsätze ganz ins Klare zu kommen, andere technische Methoden aufzufinden, wobei namentlich nach dem Gesichtspunct zu verfahren war, unter möglichster Schonung des Gewebes die Zwischensubstanz einer chemisch-physikalischen Behandlung zu unterwerfen, durch welche auf die in ihr zu einem gleichen Brechungszustande vereinigten ver- schiedenen geweblichen Componenten eine möglichst verschiedenartige Einwirkung ausgeübt werden konnte. Hierbei war in erster Reihe an die Anwendung von Reagentien zu denken. mit deren Hülfe !) Die Imprägnation wurde in der üblichen Weise vorgenommen und zwar unter Einwirkung von möglichst schwachen Lösungen auf längere Zeit. Die Behandlung mit Gold ergab keine positiven Resultate, wahrscheinlich wegen des Conservationszustandes des Knorpels. 456 M. Fürbringer recht differente Färbungen, Fluorescenz und moleculare emulsive) Trü- bung erzielt werde. Zu dem Zwecke empfehlen sich vor allem Andern Methylgrün';. wasserlösliches Eosin und eine besondere Combination von wasserhaltigem Alkohol mit Nelkenöl und Canadabalsam. Nach verschiedenen Versuchen ergab sich eine technische Methode, die bei öfterer Wiederholung nie versagte. Dieselbe ist folgende. Die unter Alkohol geschnittenen Objecte kommen auf mehrere Minuten in Wasser, werden dann in der üblichen Weise mit Hämatoxylin gefärbt und hierauf wieder ausgewässert. Inzwischen ist eine gesättigte Lö- sung von wasserlöslichem Eosin und von Methylgrün, sowie ein Ge- fäss mit 35—50°/) Alkohol bereit zu halten. Die blau gefärbten und ausgewässerten Schnitte werden nun der suecessiven Einwirkung dieser drei Reagentien unterworfen, derart, dass sie zuerst auf eirca 1—2 Minuten in die Eosinlösung, hierauf ohne Weiteres auf circa 10—20 Minuten in die Methylgrünlösung eingetaucht und endlich ca. 3--5 Minuten lang in dem verdünnten Alkohol ausgewaschen wer- den. Noch nass kommen sie dann auf den Objectträger und werden hier mit Nelkenöl behandelt. Nach wenigen Secunden tritt die be- kannte emulsive Trübung ein, um nach und nach, wenn das Nelkenöl das ganze Gewebe gleichmässig durchdrungen , zu verschwinden. Kurz vor Ablauf derselben ist das Bild des Knorpels am schönsten ; die Grundsubstanz desselben und der Zellinhalt sind roth, die Zellkerne dunkelblau gefärbt. Schnelles Abtrocknen und Einlegen in sehr einge- diekten Canadabalsam ermöglicht eine bleibende Conservirung des Prä- parates; wenigstens besitze ich noch einzelne Schnitte in Canadabal- sam, die vor 10 Wochen angefertigt und unverändert geblieben sind. Der auf diese Weise behandelte Knorpel gewährt ein über- raschendes Aussehen, von dem der beigefügte Holzschnitt (Vergrös- serung HARTNACK Obj. VII., Ocular 2, ausgezogener Tubus) nur ein abgeschwächtes Bild darbietet. Von den spindelförmigen oder ovalen Zellen, die bald einfach sind (@), bald mannigfache Theilungszustände (+) darbieten, geht ein reiches System regelmässiger Ausläufer (ce) aus, die entweder !) Das angewendete Methylgrün ist in verdünnten Alkohol löslich und wohl zu unterscheiden von dem gewöhnlichen wasserlöslichen Methylgriin. Es kommt im Handel unter dem Namen »Methylgrün oder Vert en cristaux« vor, wurde mir zuerst durch die Güte des Herrn Dr. E. CALBERLA mitgetheilt und ist in hohem Grade durch eine sehr differente Färbungsfähigkeit ausgezeichnet, so dass bei geeigneter Behandlung der Gewebe die Kerne, der Zellinhalt, die Zwischensubstanz nach ihren verschiedenen Niiancirungen in abweichendster Weise gefärbt werden können. Eine eingehendere Beschreibung dieser Eigen- thümlichkeit wird Dr. CALBERLA noch geben und verweise ich deshalb auf des- sen demnächst erscheinende Mittheilung. Ueber das Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. 457 ohne Weiteres mit denen der benachbarten Zellen anastomosiren oder erst einfache Verästelungen eingehen, worauf dann die secundären Aeste sich mit denen der Nachbarzellen verbinden. Die mehr peri- pheren (auf dem Bilde links gele- genen) spindelförmigen Zellen zei- ' NAD € Aye gen eine etwas grössere Anzahl WWF =a von Ausliufern als die mehr cen- a = \ f I, 3 wk { WW er —e \ VER tralen (rechts sich befindenden) | ovalen Zellen; dahingegen sind ° ~ die Fortsätze der letzteren etwas länger und bieten reichlichere Ver- ästelungen dar, als die ersteren. Der Zellinhalt zeigt, in Folge der Einwirkung des Alkohols, die ver- schiedensten Beziehungen zu der Zwischensubstanz; meist ist er ° a. Einfache Knorpelzellen. 6. Knorpelzellen in etwas von dieser (der Knorpelkap- Theilung. c. Knorpeleanalehen. d. Leere Knor- sel) unregelmässig zurückgezogen. Pelkapsel Ba SOREB A) ¢- DEP ERBE aig: An Sehitten, bei denen der Zell- inhalt aus der Knorpelkapsel herausgefallen ist (d , gewährt diese ein ausserordentlich zierliches poröses Aussehen, wobei die einzelnen Poren den Ausmündungen der Ausläufer, die also hohl sind, ent- sprechen. In einigen wenigen Fällen war der Zellinhalt z. Th. sternförmig resp. zackig von der Kapsel zurückgezogen, derart, dass es mir schien, als ob einzelne Zellinhaltsfortsätze in die Poren ein- träten. Indessen bin ich dieser Beobachtung nicht sicher, zweifle aber nicht, dass mit frischen Objecten unter vorsichtiger Alkoholein- wirkung solche Bilder mit Sicherheit zu erhalten sind‘). Das ganze eben beschriebene Bild zeigt, so weit das optische Verhalten in Frage kommt, viel mehr Uebereinstimmung mit dem Knochengewebe als mitdem des hyalinen Knorpels. Die Knorpelzellen entsprechen in Gestalt und sonstigem Verhalten den Knochenzellen, die von ihnen ausgehenden Fortsiitze theilen sich und anastomosiren wie beim Knochengewebe, die Poren der 1!) Die Poren der Knorpelkapseln sind auch ohne besondere Reagentien zu sehen. Vorzüglichste Dienste zur Erkenntniss derselben leistete mir ausser der oben angegebenen Technik auch die Behandlung mit Indulin. Dieser neue Farbstoff, auf dessen Existenz ich durch Dr. CALBERLA aufmerksam gemacht wurde, ist leicht im Handel zu haben und dürfte für die mikroskopische Tech- nik eine Zukunft haben, insofern er sich bei geeigneter Anwendung dem obsolet gewordenen Bleu de quinoléine in seinem differenten Verhalten zu Zellkern, Pro- toplasma und Zwischensubstanz sehr ähnlich verhält. 458 M.-Fürbringer, Ueber das Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. Knorpelkapseln zeigen die grösste Uebereinstimmung mit denen der Knochenkapseln und die von diesen ausgehenden Knorpelcanälchen !) sind den Knochencanälchen gleich zu achten. Es ist damit eine morphologische Uebereinstimmung zwischen Knorpel- gewebe und Knochengewebe gegeben, wie sie kaum grösser gedacht werden kann und welche einen neuen Beitrag zur Lehre von der Zusammengehörigkeit der Bindesubstan- zen lierert. Das Verhalten der centralen Schichten des Kopfknorpels der Cephalopoden ist leicht von dem der peripheren abzuleiten. Durch interstitielles Wachsthum haben sich die Zellen vergrössert und sind zugleich Theilungen eingegangen, wodurch die gruppenförmige An- ordnung bedingt ist. Die Fortsätze sind ebenfalls verlängert und die bereits in den peripheren Schichten angedeuteten Verästelun- gen derselben haben sich zu einem hohen Grade der Ausbildung complicirt. Entsprechend dieser Ausdehnung der Zellen und ihrer Fortsätze musste sich die Anzahl derselben relativ vermindern, wie jeder mikroskopische Schnitt zeigt. Zu betonen ist, dass die bei Betrach- tung des frischen, mit Reagentien nicht behandelten Objectes gewon- nenen Bilder ebenfalls nicht das wirkliche Verhalten dieser Schichten erschöpfend wiedergeben; mit Hülfe der oben angewendeten Technik tritt zwischen den ohne Weiteres erkennbaren Fortsätzen eine, wenn schon beschränkte, Anzahl vorher nicht sichtbarer Ausläufer hervor, so namentlich solcher, welche eentralwärts die einzelnen Zellen der inselförmigen Zellgruppen direet verbinden, Ausläufer, die von den Autoren bisher geläugnet wurden. Weitere Folgerungen, namentlich hinsichtlich der ausgezeichne- ten Verwerthbarkeit des Cephalopodenknorpels für die Lehre vom interstitiellen (intra- und intercellulären | Wachsthum, übergehe ich hier, da die Ausführung derselben zu weit führen würde. Die vergleichenden Beziehungen zu den als Enchondrom bekann- ten pathologischen Knorpelvermehrungen, deren übrigens schon von früheren Autoren Erwähnung gethan worden, seien hier nur kurz angedeutet. Ebenso sei nur hingewiesen auf die Vergleichungs- punete mit den neueren Arbeiten über den Knorpel der Wirbelthiere von BUBNOFF. HEITZMANN, O. HERTWIG, COLOMIATTI. TILLMANNS, L. LöwE, HENocQUE, PETRONE, BABER, EwALD und KÜHne, Tun u. A., welche unter Anwendung der verschiedensten technischen Me- thoden die Erkenntniss des hyalinen Knorpels und seine Beziehun- gen zu den übrigen Bindesubstanzen wesentlich gefördert haben; be- sonders hervorheben möchte ich indessen die Aehnlichkeit der von HEITZMANN und PETRONE gewonnenen Ergebnisse über den Knor- pel der Vertebraten mit den hier am Knorpel der Cephalopoden er- zielten Resultaten. 1} Die Bezeichnung »Knorpelcanälchen« ist allerdings geeignet, bei unvor- sichtigem Gebrauche Verwechselungen mit den auch als »Knorpelcanäle«, be- zeichneten Gefässcanälen des Knorpels bei Beginn der Verknöcherung herbei- zuführen, war aber bei Aufrechterhaltung einer homologen Nomenklatur für Knochen und Knorpel nicht zu vermeiden. Das Kopfskelet der Urodelen. Von Dr. Robert Wiedersheim, a. o. Professor und Prosector zu Freiburg i. B. Mit Tafel XXIV—XXVII und 5 Holzschnitten. (Fortsetzung. ) II. Mecodonta. 11) Siredon pisciformis. Ich stelle diese Amblystomen-Larve an die Spitze der Gruppe, weil siimmtliche Mitglieder derselben nach meinen Erfahrungen ein- mal in ihrem Leben eine Entwicklungsstufe erreichen, welche mit jener des amerikanischen Molches fast bis ins Einzelne übereinstimmt. Zu diesem Ergebniss gelangte ich durch das Studium der Larve von drei verschiedenen Amblystomen-Arten, von Salamandra maculata und atra, Pleurodeles Waltli, Euproctus Rusconii und unseren vier einheimischen Tritonen. Ob die lechriodonten Salamandriden densel- ben Entwicklungsgang verfolgen, weiss ich nicht, neige aber in An- betracht des wenig abweichenden Grundplanes ihres Kopfskelets stark zu dieser Annahme hin. Auf Fig. 6 habe ich den Schädel einer sehr jugendlichen 6 Centim. langen Larve des Axolotl dargestellt. Der Suspensorial-Apparat ist noch mehr nach vorn gerichtet, als im späteren Alter Fig. 31), wo er sich mehr in die Quere streckt. Dem entsprechend ist der Unter- kiefer und das mit dem Hinterende desselben durch ein Band ver- löthete Hyoid noch sehr kurz. Die übrigen Differenzen zwischen den verschiedenen Altersstufen betreffen nur die viel grössere Verbrei- tung des Hyalin-Knorpels, während die knöchernen Schädeltheile noch sehr in den Hintergrund treten. Morpholog. Jahrbuch. 3. 30 460 R. Wiedersheim An der Basis cranii ist bereits das Parasphenoid in Form einer dünnen, glashellen Platte erschienen (Fig. 6 Ps), welche die Schä- delhöhle mit ihrem rechenartig eingeschlitzten Vorderrande nur um Weniges überragt; ferner erblickt man das vom Quadratknorpel aus- gehende, ein Continuum darstellende Pterygo-palatinum und. nach vorn davon den Vomer; beide tragen hechelartig angeordnete Zahn- gruppen (PP und Vo). Den Aussenrand der hyalinen Riechkapsel flankiren die Alveolar-Fortsätze des Kiefers und Zwischenkiefers (Mr und Pmz). Man sieht, dass Kiefer- und Gaumenbogen eine, sonst nur den Phanero- und Cryptobranchiaten zukommende parallele Rich- tung zeigen, welche auch von den älteren Axolotln (Fig. 31) beibe- halten wird. Ferner ist von knöchernen Bestandtheilen aufgetreten: das Squa- mosum (7p), die Parietalia, Frontalia und Praefrontalia, also sämmt- liche Hautknochen mit Ausnahme des Nasale. Knorpel-Ossificationen finden sich nur in den Occipital-Condylen (Cocc); die Labyrinthblasen, die Trabekel, die Regio quadrata und der Opercular-Apparat sind noch vollständig hyalin. Die Chorda ist an ihrem Vorderende keulig aufgetrieben und liegt in einer Rinne des Parasphenoids. Sie wird beim Abziehen der breiten, beide Labyrinthe basalwiirts ver- bindenden Knorpelplatte (Ob) abgerissen, oder doch aus der Pa- rasphenoid-Rinne herausgezerrt. Auf der Figur 31 und 44 haben die oben geschilderten Deck- knochen in jeder Richtung an Umfang gewonnen und der Primordial- schädel ist etwas in den Hintergrund getreten. Trotzdem zeigt er sich noch immer stärker entwickelt, als bei den fertigen, ausgewach- senen Formen der mecodonten Salamandriden. Die Abschnürung des Pterygo-palatinum in einen hinteren und vorderen Bezirk (Os pterygoideum und palatinum) hat sich noch nicht vollzogen ; diese tritt erst bei noch älteren Thieren auf. Dagegen zeigt der Trabekel schon eine ansehnliche Ossifications-Zone (Os) und die Petroso-oceipi- talia (Pet, Olat) sind die stärksten Knochenbezirke des ganzen Schä- dels geworden. Ebenso ist das Opereulum gut verknöchert. Es ist rücksichtlich der Parallele zwischen Phylo- und Onto- genese interessant, auf den das Frontale von aussen her begrenzen- den Fortsatz des Parietale (Fig. 44 P) und auf das unter doppelter Krümmung verlaufende Praefrontale (Pf) aufmerksam zu machen; die Aehnlichkeit mit den Cryptobranchiaten, speciell mit Cryptobran- chus und Menopoma liegt auf der Hand. Die Praemaxillaria bestehen nur aus einem Alveolarfortsatz Das Kopfskelet der Urodelen. 461 und einem aufsteigenden Theil (Pmx u. Pra); dasselbe gilt für die sehr rudimentär erscheinenden Maxillaria (WM , die so gut wie gar keine Spange zur Umschliessung der Orbita nach rückwärts schicken. Das Parasphenoid hat sich bis zur Spitze des Vomers. der jetzt nur noch eine Zahnreihe trägt, nach vorn ausgedehnt (Ps und ebenso hat die Basis des Pterygo-palatinum bedeutend an Ausdeh- nung gewonnen. Zwischen dem Aussenrand dieses Knochens und dem an der Herstellung der Gelenkfläche für den Unterkiefer sich betheiligenden Kopf des Squamosum (Fig. 44 Qx spannt sich ein straffes Ligament (Lgt) aus, welches auch anderweitig unter den Urodelen getroffen wird. Im Quadratknorpel (Qu!) ist ein Ossifica- tionspunct (Fig. 31 oss) aufgetreten. Die Squamosa Fig. 44 Tp) erstrecken sich sehr weit auf die Labyrinthgegend herauf und stossen mit den Parietalia unmittelbar zusammen. Im Uebrigen verweise ich, was die Configuration der Knochen anbelangt, auf die mit der grössten Sorgfalt ausgeführten Abbildun- gen, sowie auf die von GEGENBAUR und FRIEDREICH schon anno 1849 ausgeführte, gediegene Beschreibung des Axolotl-Schädels: Bericht der K. zootom. Anstalt zu Würzburg 1849. Ueberdies wird uns das Kopfskelet von Siredon anlässlich einer zusammenfassenden Schilderung des Chondroeranium der Salamandri- den noch einmal beschäftigen. Was den Unterkiefer betrifft, so passt auf ihn vollkommen die für dasselbe Gebilde von Proteus gelieferte Schilderung. 12) Amblystoma punctatum!). Der Schädel zeichnet sich durch eine ganz excessive Breiten- entwicklung in der Regio quadrata aus (Fig. 76), und besitzt, da ‚auch die Naso-oral-Gegend in jeder Richtung bedeutend entfaltet ist, im Allgemeinen einen vierschrötigen Habitus. Dieser wird noch ge- steigert durch das kurze, gedrungene, zwischen beiden Augenhöhlen liegende Schädelrohr. Es resultirt aus diesen Verhältnissen eine ge- wisse Aehnlichkeit mit dem Schädel von Salamandrina persp. und dem Triton torosus aus Californien. Der Grundplan des Schädels kommt mit demjenigen unseres ge- fleekten Landsalamanders vollkommen überein, was auch für die mäs- ') Die Abbildungen 76 u. 77 sind nach zwei, durch bedeutende Altersunter- schiede von einander getrennten Thieren gefertigt. 30* 462 R. Wiedersheim sig starke Knochenstructur im Allgemeinen aufrecht zu erhalten ist. Dies ist auch der Grund, dass ich dieses Thier, trotz der lechriodon- ten Zahnstellung zu den mecodonten Salamandriden ziehe. Ein Unterschied zwischen seinem Schädel und demjenigen von Sal. ma- culata beruht namentlich in dem an Dicamptodon erinnernden ausser- ordentlich breiten Processus ascendentes des paarigen Zwischenkiefers (Pra, und dem zwischen ihnen liegenden verschwindend kleinen Eingang in die Intermaxillarhöhle /C%); ferner in dem mächtigen Praefrontale (Prf), in welchem man die schon bei Ellipsoglossa und anderen erwähnte Oeffnung findet; es betheiligt sich wie bei Rano- don (Fig. 69) an der Begrenzung des Nasenloches. Die Alveolar- spangen des Zwischenkiefers erstrecken sich sehr weit nach aussen und hinten, erreichen aber doch nicht die Ausdehnung, wie bei Ba- trachoseps (Fig. 95 Pmx); senkrecht absteigende Fortsätze fehlen durchaus. Orbitalfortsitze fehlen sämmtlichen, die Orbita von oben her be- grenzenden Schädelknochen, was auch für Salamandra gilt. Die Stirnbeine senken sich mit ihren Vorderenden eine kleine Strecke in die Intermaxillar-Höhle hinab und schicken den beiden aufsteigenden Schenkeln des Zwischenkiefers starke Fortsätze ent- gegen. Nach hinten bilden sie mit den Scheitelbeinen eine gezackte Naht. Die Bogengänge des Labyrinthes treten mässig hervor, dagegen sieht man einen mächtigen Knorren an der Dorsalfläche der prooti- schen Region Tegmen tympani, Fig. 76 vor Pet). Auswärts legt sich daran das Squamosum, einwärts das Parietale. Das distale Ende des breit-spiessförmigen Squamosum ist mit der eylindrischen Quadrat- Verknöcherung synostotisch verlöthet. Die trabeculare Knochenzone (Orbitosphenoid Os) ist sehr kurz, ähnlich wie beim Axolotl und besitzt am hinteren Rand einen Aus- schnitt, welcher die vordere Circumferenz des Foramen opticum bil- det Fig. 77 Fopt). Das Fliigelbein (Pi) ist so massiv verknöchert, wie dies nur bei wenigen Tritonen getroffen wird; in seiner Configuration verhält es sich ganz wie bei Ellipsoglossa, Ranodon und Salamandra, so dass ich darüber hinweggehen kann. Das Parasphenoid bleibt in seinen vorderen zwei Dritttheilen ganz gleichmässig breit, dehnt sich in der Pterygoidgegend stark aus und verjüngt sich dann rasch ge- gen die Occipitalgegend zu Ps). Es ist auf seiner Oberfläche mässig concay und besitzt keinen Türkensattel. Das Kopfskelet der Urodelen. 463 Die Vomero-palatina (Yop) sind zwei breite nach vorn, wie bei den meisten lechriodonten Salamandriden leierförmig ausgeschnittene (Ci) Platten, welche auf ihrem Hinterrand jederseits eine kleinere laterale, die Choane (Ch) von hinten begrenzende und eine grössere, mediale, mit der der anderen Seite in der Mittellinie zusammenstos- sende Zahnleiste tragen. Eine deutliche Trennung an der Stelle * zwischen beiden wird man erst gewahr, wenn man das Präparat mit Kalilauge aufhellt. Ihre Befestigung auf den Vomero-palatin-Platten ist eine so lockere, dass sie bei etwas rascher Abnahme der Mund- schleimhaut stets mit abgehen. 13) Salamandra atra. Abgesehen von dem mecodonten Character in der Zahnstellung schliesst sich dieser Molch, welcher von dem gefleckten Landsala- mander nur wenig abweicht. in seinem knöchernen, wie knorpeligen Schädelbau sehr nahe an Amblystoma an. Schon in der äusseren Configuration zeigen diese beiden Gattungen die allergrösste Ueber- einstimmung, was auch für den Carpus und Tarsus gilt. Ich habe diesem Schädel (Fig. 71, 72) in meiner Arbeit über Salamandrina persp. eine ausführliche Beschreibung gewidmet, so dass ich mich auf wenige Angaben beschränken kann. Gegenüber von Amblystoma ist der schlankere Character des Schädels zu betonen: er beruht auf einem grösseren Abstand der Regio petroso-oceipitalis vom naso-oralen Bezirk und auf einer stär- keren Einschnürung des dazwischen liegenden Schädelrohres im enge- ren Sinn. Demgemäss sind die Stirn- und Scheitelbeine mehr in die Länge gestreckt und der ganze Orbital-Raum ist weiter und wird vorn und aussen von der langen Oberkieferspange (M) umzogen. Die schönste, mir bekannte Abbildung des Salamander-Schädels findet sich in dem bekannten elassischen Werke von Rusconr, wo- rauf auch Leypic (Die Molche der württemb. Fauna 1867) aufmerk- sam macht. 14) Chioglossa lusitanica. Der Schädel zeichnet sich durch einen sehr gracilen Habitus aus und die Scheitelbeine sind so dünn, dass sie die fingerförmig gelapp- ten Kalksäcke des endolymphatischen Apparates hindurchschimmern lassen. 464 R. Wiedersheim Ebenso sieht man unter dem Praefrontale eine Drüse vom vor- deren Winkel der Orbita in die Nasenhöhle eindringen; sie durch- bohrt unterhalb des im genannten Knochen liegenden Gefässloches die in die Augenhöhle vorschauende, knorpelige Hinterwand der Na- senkapsel. Dieser Befund hat mich um so mehr interessirt, als ich in einer neulich veröffentlichten Arbeit über die Kopfdrüsen der Urodelen (Z. f. w. Z. Bd. XXVII) die Frage offen lassen musste, ob die die Orbita erfüllenden Drüsenmassen bei diesem Thier sowohl als bei Plethodon, Batrachoseps und Anderen wirklich in die Nasenhöhle ge- langen, ob also andererseits eine Parallele mit der sog. »hinteren Na- sendrüse« der Reptilien zu ziehen sei. Der den Salamandern zu Grund liegende Organisations - Plan des Cranium ist auch hier festgehalten, nur findet sich durchweg eine grössere Schlankheit der Form. Abweichend verhalten sich nur die Nasenbeine und der Zwischenkiefer. Erstere sind noch gewalti- ger entwickelt, als bei Ellipsoglossa , stossen aber wie hier in der Medianlinie mit breitem Rande zusammen, und ragen sehr weit nach vorn, wobei sie sich unter die kurzen, kaum die Schädeloberfläche erreichenden Processus ascendentes des Zwischenkiefers hinunter- schieben. Letzterer ist paarig und sehr leicht in seine beiden Hälften zu zerfällen. Ein weiterer Unterschied von Salamandra beruht auf den sehr weit nach hinten gehenden, die Pterygoid-Spitzen noch um ein gutes Stück überragenden Oberkieferspangen; in noch grösserer Entwicklung sehen wir sie bei Salamandrina und Triton torosus. Die Zahnreihen der Vomero-palatina sind nicht so stark wellig gebogen, wie bei Salamandra und die Orbito -sphenoide schicken horizontale Fortsätze unter die Scheitel- und Stirnbeine hinunter, welche sich beim letztgenannten Molche nicht vorfinden. 15) Die Tritonen. Sie bieten in ihrem Schädelbau so viel Uebereinstimmendes, dass sie alle zusammen betrachtet werden können. Die von mir unter- suchten Arten sind: Triton viridescens (Nord-Amerika), - subcristatus (Japan), - platycephalus (Euproctus Ruse. Corsica), Das Kopfskelet der Urodelen. 465 Triton torosus Californien), - helveticus | se alpesiris Süd-West-Deutschland). - taeniatus | - eristatus - spe? (Nord-Amerika). Pleurodeles Waltli (Spanien). Allgemeine Charactere sind 1) die derbe Verknöcherung aller Schädelknochen und die bei vielen Arten stark ausgeprägten Leisten- und Höckerbildungen. (Vergl. Fig. 131, 136, 140.) 2) Der kräftige, unpaare, stets mit senkrechten Fortsätzen aus- gestattete Zwischenkiefer und die daraus resultirende, von knöcher- nen Wänden begrenzte Intermaxillar-Höhle. 3) Die stets in der Längsaxe des Parasphenoids verlaufenden, schmalen zahntragenden Vomero-palatina, mögen sie nun eine voll- kommen parallele Richtung einhalten oder mit ihren Hinterenden etwas divergiren. 4) Die senkrecht absteigenden Orbital-Fortsätze der Maxilla- ria, Praefrontalia, Frontalia und Parietalia. Durch die zwei ersteren wird die Nasenhöhle gegen die Orbita herein entweder vollkommen oder nur theilweise (Triton torosus) abgeschlossen. 5) Die kräftige Entwickelung resp. Verknöcherung des Suspen- sorial-Apparates incl. des Squamosum. Letzteres nimmt bei Pleuro- deles, Triton suberistatus, viridescens, helveticus, torosus und platy- cephalus eine Tform an und verbindet sich mittelst des nach vorn schauenden Querbalkens mit einem nach hinten, ihm entgegenwach- senden Fortsatz des Stirnbeines. Dieser dadurch gebildete Pseudo-Jochbogen ist bei Triton pla- tycephalus und helveticus noch sehr graeil (Fig. 135 PF u. tp) und gedeiht zu wahrhaft colossaler Entwickelung bei Triton virides- cens, wo eigentlich das ganze Stirnbein nach hinten auswächst (Fig. 131, PF, tp). Eine Mittelstellung nehmen hierin die übrigen Arten ein, wäh- rend wieder andere nur Andeutungen davon zeigen. (Vergl. meine Abhandlung über Salamandrina.) ; 6) Die meist sehr deutlich vorspringenden halbeirkelförmigen Ca- nile (Fig. 135, 140, 144 Bgg). 7) Die immer sehr kurz abgesetzten Oceipital-Condylen. 8) Die Anwesenheit einer gewöhnlich sehr tiefen Sella tureica im Parasphenoid. A66 R. Wiedersheim 9) Ober- und Zwischenkiefer betheiligen sich durch mächtige Processus palatini sehr wesentlich am Aufbau des Mundhöhlen- daches. Triton virideseens und suberistatus. Der Schädel dieser beiden Tritonen stimmt durch die äusserst derbe Ossification aller Theile überein, ja letztere erreicht einen so hohen Grad, dass wir nirgends in der übrigen Urodelen-Welt ein solch festes Gefüge im Kopfskelet antreffen; dabei tritt das Chondro- cranium in ganz ähnlicher Weise, wie ich es von Salamandrina persp. beschrieben habe, in den Hintergrund, und ist kaum noch spurweise vorhanden. In ihren äusseren Formverhältnissen zeigen sie sich ziemlich diffe- rent; während nämlich der Vorderkopf von Triton viridescens eine schnabelartige Verjüngung zeigt und dadurch an Triton taeniatus er- innert, ist derjenige des andern Thieres nach Salamander-Art ver- breitert und besitzt demgemäss weiter ausspringende Oberkieferbögen. (Fig. 131 u. 140). Bei beiden werden die aufsteigenden Fortsätze des Zwischenkiefers von den Nasalia (N) vollständig zugedeckt. Der Schädel des Triton suberistatus zeigt in der Scheitelbeingegend eine starke Einschnürung und die Parietalia und Frontalia selbst sind von einer Menge kleiner, dicht gedrängt liegender Vertiefungen (von eingelagerten Hautdrüsen herrührend) überzogen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Tr. viridescens auf der Oberfläche dieser Knochen um ein stark ausgeprägtes Leistensystem, das namentlich auf dem hinteren Bezirk der Stirnbeine und auf der ganzen Fläche der Schei- telbeine zu förmlichen Knochenwällen sich erhebt. Es sind eigent- liche Zugleisten, zu Stande gekommen unter dem Einflusse der star- ken Kaumuskulatur (Fig. 131 P). Bei jungen Thieren ist hiervon wenig zu sehen. Bei beiden Molchen erstrecken sich die Parietalia über einen grossen Bezirk der Labyrinthkapseln, welche bei der ja- panesischen Art mehr in die Breite entwickelt sind. Auch sind letz- tere hier, ganz ähnlich wie bei den Phanerobranchiaten, nach hinten und aussen in einen spitzen Fortsatz ausgezogen, welcher von dem hinteren Schenkel des Squamosum (Fig. 140 ¢p') in seiner ganzen Länge von aussen her flankirt wird. Bei dem amerikanischen Tri- ton ragt letzterer (Fig. 131 ¢p') nicht ganz bis zum hintersten Ende des Petrosum, welches überdies hier mehr abgerundet ist als dort (Fig. 1319). Das Kopfskelet der Urodelen. 467 Bei beiden Arten fehlt ein Canalis ineisivus, da die Processus descendentes des Praemaxillare auf eine grosse Strecke synostotisch verlöthet sind, somit alle Spuren einer früheren paarigen Anlage verloren haben. Vergl. damit das über Desmognathus Gesagte! Die vor der in die Mundhöhle mündenden Intermaxillar- Höhle (Fig. 136 Ci) von beiden Seiten zusammenstossenden Vomero-palatin- Platten sind bef diesen Thieren geringer als bei allen übrigen Uro- delen entwickelt und besitzen lateralwärts einen tiefen Ausschnitt zur theilweisen Begrenzung der mächtig ausgeprägten Choanen (Fig. 136 Vop u. Ch). Sie stehen dadurch zu den übrigen Uro- delen, z. B. zu Tr. platycephalus (Fig. 141 Vop u. Ch), Tr. erista- tus (Fig. 111 Vopu. Ch), und noch mehr zu den lechriodonten For- men in scharfem Gegensatz. Die nach rückwärts laufenden Spangen der Vomero-palatina sind mächtig entwickelt und weisen auf eine starke Kraftentfaltung beim Festhalten der Beute hin. Dafür spricht auch die stattliche Entfaltung des Kieferbogens und des ganzen Suspensorial-Apparates. Letzterer erhält nicht nur von aussen her durch das mit dem Post- frontal-Fortsatz gestützte und mit der Labyrinthwand innig verlöthete Squamosum (Fig. 131, 140 7p), sondern auch von unten her durch das mächtige Pterygoid einen kräftigen Strebepfeiler (Fig. 136 Pt. Alles wirkt zusammen um der derben Mandibularspange beim Schluss des Mundes ein genügend festes Widerlager entgegenzusetzen. Es ist mir unzweifelhaft, dass zu dieser ansehnlichen Entfaltung der Kiefertheile die fast ausschliesslich aus Käfern, Heuschrecken und Asseln bestehende Nahrung in direeter Beziehung steht'!). Ich habe auf Aehnliches auch in meiner schon öfters eitirten Abhandlung aufmerksam gemacht. Die Apertura lacrimalis an der Vorderwand wird genau wie bei andern Tritonen und auch bei Salamandrina durch eine Ineisur an den Orbitalfortsätzen des Praefrontale und des Oberkiefers erzeugt. Erwähnenswerth ist noch die durchaus asymmetrische Entwick- lung der auf der Dorsalseite des Schädels von Triton suberistatus liegenden Knochen ; sie sind durch schlangenförmig gekrümmte Suturen von einander getrennt (Fig. 140). | 1) Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich, wie RATHKE im Magen von Dicamptodon, so indemjenigen von Amblystoma tigrinum die Reste einer Spitzmaus vorfand, deren Haare den ganzen Darm- canal erfüllten. 468 R. Wiedersheim Bei beiden Thieren stellt die Fenestra ovalis nur eine im Verhältniss zu den lechriodonten Urodelen kleine Oeffnung dar. Das dolchförmige Parasphenoid besitzt die napfförmige Sella tur- cica in einer Tiefe, wie sie mir sonst nirgends unter den geschwänz- ten Amphibien begegnet ist. Ich habe schon oben erwähnt, dass bei Beiden in der vorderen Region des Praemaxillare eine synostotische Vereinigung der abstei- genden Fortsätze dieses Knochens zu bemerken ist, wodurch die Zwischenkieferhöhle bedeutend reducirt wird. Nach hinten zu ist nun diese compacte Knochenmasse als Andeutung ihrer paarigen Anlage eingefurcht und rechts und links in zwei kurze Fortsätze ausgezogen, welche sich mit den am medialen Rand der Dorsalseite der Vomero - palatina stark emporspringenden Leisten durch eine Sehuppennaht vereinigen. Was also hier am Aufbau des Cavum in- termaxillare von Seiten des Zwischenkiefers nicht geleistet wird, übernehmen die Vomero-palatina. Vergl. das Verhalten von Sala- mandrina. Am Aufbau dieses knöchernen Septum nasi betheiligen sich auch noch die Nasenbeine, welche klammerartig über die mediale Seite der senkrechten Fortsätze des Zwischenkiefers herabgreifen und sich ausserordentlich fest mit letzterem verlöthen. Dazu kommt ein sehr merkwürdiges, nur bei Tr. virides- cens zu’beobachtendes Verhalten. Es betrifft die Vorderenden der Stirnbeine, welche rechts und links von der Median-Linie einen schmalen, hakenförmig gekrümmten Fortsatz nach vorn und abwärts schicken und dadurch sich mit der obgenannten senkrechten Crista der Vomero-palatin-Platte verbinden (Fig. 97 F, Pr, Ver u. Fig. 109 F, Pr, Ver). Zwischen beiden Fortsätzen bleibt in der Mittellinie eine Spalte übrig (Fig. 97 Cc), wodurch das Cavum eranii und in- termaxillare mit einander communiciren. Es handelt sich also bei diesem Thier nicht wie beim Brillensalamander um einen vollkommen knöchernen Abschluss der Schädelhöhle gegen das Nasen-Cavum und ich glaube auch nicht, dass die von mir bei letzterem Thier nach- gewiesenen »Processus uncinati« ossis frontis mit den hakenförmigen Bildungen von Triton viridescens ohne weiteres zu parallelisiren sind. Gleichwohl bieten Beide viel Aehnliches, so vor Allem in Beziehung auf die Topographie des Foramen olfactorium, das hier wie dort innen und oben von den Stirnbeinfortsätzen, aussen von dem Vorderrand des Orbitosphenoids (Fig. 97, 109 Os) und unten von dem Vomero-palatinum (Vop, Pr!) begrenzt wird. Ebenso stimmen Das Kopfskelet der Urodelen. 469 beide Schädel in der durch die obigen Verhältnisse herbeigeführten wesentlichen Beschränkung des primordialen Ethmoid-Gerüstes, in- soweit es aus Hyalin-Knorpel besteht, überein. Wenn ich trotz alle- dem die Stirnfortsätze beider Molche nicht für homolog erkläre, so hält mich ‘davon ihr ganz verschiedener Ursprung an den Stirnbeinen ab. Während sie nämlich bei dem amerikanischen Thier die ein- fache Vorwärtsverlängerung der Hauptmasse des Frontale bilden und weit nach vorn von der auch hier, wie bei allen Tritonen stark aus- geprägten Crista ethmoidalis ossis frontis liegen, bilden sie gerade bei Salamandrina eine Weiterentwicklung der letzteren und krüm- men sich, statt zum Vomer zum Schnabel des Parasphenoids hinab. Dabei stellen sie keineswegs die letzten Ausläufer der Stirnbeine dar, welche wir vielmehr in den lateralwärts die Intermaxillar-Höhle mit begrenzenden und mit den Fortsätzen des Vomera-palatins in Verbindung tretenden vorderen Fortsätzen derselben zu erblicken haben. (Salamandrina persp. Fig. 39 7, g.) Will man also parallelisiren, so kénnten nur die letzteren und nicht die eigentlichen »Processus uncinatic in Frage kommen. Es wäre mir sehr interessant, zu wissen, wie sich in Beziehung auf diesen Punct der ausgewachsene, spanische Pleurodeles ver- hält. Was ich an einer grossen, mit langen Kiemenbiischeln ver- sehenen Larve ermitteln konnte ist Folgendes: Die Vorderenden der Stirnbeine sind ausserordentlich verbreitert und erstrecken sich in der Mittellinie dicht beisammen liegend fast bis zur Schnauzenspitze nach vorn. Dabei werden sie von den aufsteigenden Schenkeln des Zwischenkiefers theilweise bedeckt und liegen dem äusserst niedri- gen und breit entwickelten Knorpelseptum der Nasenhöhlen innig auf. Somit sind sie nur durch diese dünne Knorpelschicht von dem Parasphenoid-Schnabel getrennt, welcher ebenfalls bis zur Schnau- zengegend nach vorn sich erstreckt. Es ist nicht unmöglich, dass beide Knochen bei einer a priori zu erwartenden, später eintretenden Reduction des Chondrocranium in directe Berührung mit einander ge- langen. Sicher konnte ich dieses wegen Materialmangels nicht fest- stellen. | Mit der von Leisten und Höckern förmlich strotzenden äusseren Configuration des Schädels der beiden eben geschilderten Tritonen stimmt eine andere amerikanische Tritonen-Species, die ich nicht näher zu bestimmen vermochte, vollkommen überein. Der Türken- sattel ist auch hier ausnehmend tief und das Squamosum, sowie die 470 R. Wiedersheim Labyrinthkapseln geben an derbem, massigem Character denjenigen der obigen Thiere Nichts nach. Triton torosus. Der Schädel ähnelt, wie ich schon früher l. e. betont habe, durch seine breite gedrungene Form, vor allem aber durch die das Quadra- tum fast berührenden langen Oberkieferspangen unter allen Tritonen am meisten dem des italienischen Brillensalamanders (Fig. 144). Sieht man aber genauer zu, so erkennt man, dass er viel zartere. transparentere Knochen, ohne alle Höcker und Leisten besitzt und dass das Chondrocranium lange nicht in dem Maasse redueirt ist, wie bei jener Form. Ja bezüglich des letzteren Punctes muss er viel- mehr als eine sehr niedrige Form betrachtet werden, denn er besitzt noch, was mir von keinem andern Triton bekannt ist, kleine hyaline Alisphenoide. Ferner unterscheidet er sich von Salamandrina durch den unpaaren, mit einem Canalis incisivus versehenen Zwischenkie- fer, dessen aufsteigende papierdünne und nach hinten spitz auslau- fende Fortsätze (Fig. 144 Pmz) in tiefe Rinnen des Frontale | F) eingefalzt liegen und eine weite Intermaxillar-Oeffnung (C2) umschlies- sen. Die Crista ethmoidalis ossis frontis ist gut ausgeprägt: von »Processus uneinati« ist aber keine Rede. In der Bildung der cerebralen Fläche des Parasphenoids haben die beiden Thiere sehr viel Aehnlichkeit; hier wie dort handelt es sich um zwei hinter einander liegende, von lippigen Rändern um- säumte Gruben, wovon die hintere, kleinere als Türkensattel aufzu- fassen ist und auch aus dem Grund unser Interesse erweckt. weil sie an ihrem Aussenrand flügelartige Fortsätze zur Verbindung mit der Regio prootica abschickt. Der Suspensorial-Apparat ist durchweg zarter, als bei den übri- gen, einen Pseudo-Jochbogen besitzenden Tritonen, während die halb- eirkelförmigen Canäle sehr kräftig ausgeprägt sind. Salamandrina perspicillata. Dass diese Form nicht zu den Salamandern, sondern zu den Tritonen gestellt werden muss, glaube ich früher schon 1. e. zur Genüge bewiesen zu haben. An derselben Stelle habe ich gezeigt, wie der Schädel dieses Thieres erstlich wegen der grossen Reduction des Chondrocranium und dann vor Allem wegen der oben kurz er- Das Kopfskelet der Urodelen. 471 wähnten Configuration der Ethmoidal-Gegend als die höchst ent- wickelte Urodelenform zu betrachten sei. Ich will die damals gege- bene ausführliche Schilderung nicht recapituliren, sondern einfach auf meine schon oft eitirte Arbeit verweisen, wo man die genauesten Detail-Angaben und Abbildungen treffen wird. Bei der Besprechung der durch Quer- und Längsschnitte gewonnenen Resultate komme ich übrigens noch einmal darauf zurück. Das Chondrocranium der Salamandriden. Wir gehen dabei am besten von dem jungen Siredon piseiformis (Fig. 6) aus und finden hier den schon bei der entwicklungsge- schichtlichen Einleitung hervorgehobenen Grundplan im Allgemeinen wiedergegeben. Rechts und links von der Mittellinie liegen hinten die beiden mit der basalen Trabekular-Platte (05) schon vollkommen verwach- senen Gehörkapseln (GA) sammt dem hutförmigen Operculum (Op). Auch an der oberen Circumferenz des Foramen oceipitale ist ein Zusammenfluss von beiden Seiten erfolgt. Nach vorn hängen die beiden Labyrinthblasen mit den Trabe- keln continuirlich zusammen und nach aussen und vorn sitzt der mit ihnen nicht verschmolzene, sondern ihnen nur angelagerte Sus- pensorial-Apparat, an dem man einen Quadrat- und Pterygoid-Theil (Qu u. Pte) unterscheiden kann; an seiner hinteren Peripherie ragt ein kleines Knorpelspitzchen hervor, das auf der Abbildung mit kei- ner eigenen Bezeichnung versehen ist. Die Trabekel fliessen nach vorn zu der knorpeligen ethmoidalen Basal-Lamelle zusammen (Js Fig. 6), welche in ihrer Vorwärtsverlängerung sich zum Nasen- Septum verdickt und auch bei den ältesten Axolotin die ganze Höhe des Vorderkopfes durchsetzt. Sie besteht übrigens nicht durchweg aus hyaliner Knorpelsubstanz, sondern schliesst einen centralen Hohl- raum ein, der zugleich etwas basalwärts gerückt ist. Demgemäss erhält man bei von der Dorsal-Seite vordringenden Horizontal-Schnit- ten zuerst ein noch ganz homogenes, nur aus Knorpel bestehendes Nasen-Septum. Beim zweiten Schnitt aber schon stösst man genau in der Mitte desselben auf eine Stelle, wo der Knorpel resorbirt ist und wie ausgenagt erscheint (Fig. 28 Sept + u. Fig. 34 *). Auf der erstgenannten Abbildung sieht man die vordere und hintere Ex- cavation des Septum von Bindegewebe #g) erfüllt und nach hinten und aussen davon bricht der vom Vorderhirn (Ge, Ge) entspringende 472 R. Wiedersheim Olfactorius (O/f, unter pinselförmiger Ausstrahlung in die Nasenhöhle durch. Letztere ist in ihrer ganzen seitlichen Cireumferenz von Hyalinknorpel (NA) gebildet und besitzt hinten in der Richtung des Pfeiles bei n eine feine Oeffnung für den Ramus nasalis Trigemini. Sehr merkwürdig und für mich rein unerklärlich ist eine auch schon von J. G. Fiscuer |. e. bemerkte und abgebildete deutliche Anastomose zwischen dem Riechnerven und dem genann- ten Zweige des Quintus. Es steht eine solche Verbindung zwischen einem specifischen und ausser der Reihe spinaler Elemente liegenden Sinnesnerven und einem dem letzteren entschieden zuge- hörigen Theile in der vergleichenden Anatomie bis jetzt einzig da und ist wohl einer eingehenderen Untersuchung werth, als sie mir bei der vorliegenden Aufgabe möglich war. Dringt man mit den Schnitten mehr in die Tiefe, so sieht man die centrale Höhle immer weiter sich ausdehnen und bemerkt, dass sie von dicht verfilztem Bindegewebe und einer Unmasse von Capil- laren erfüllt ist (Fig. 29 Bg, Ci). Diese Ausfüllmasse ist noch viel stärker entwickelt bei ganz jungen Thieren, wo sie dorsalwärts von dem Septalknorpel gar nicht überwachsen ist, sondern frei unter den Frontalia zu Tage liegt (Fig. 30, 33 Bg |Ci]). Die in der Bindegewebs- masse eingestreuten Spindelzellen lassen auf’s Schönste ihre Abkunft von Knorpelzellen, die zuerst strahlig werden, erkennen. Dies gilt namentlich für die dem Septal-Knorpel zunächst liegenden Partien. Ist man endlich mit den Horizontal-Schnitten an der Ventralseite der Nasenscheidewand angekommen, so bemerkt man ganz vorn in der bindegewebigen Ausfüllmasse, unmittelbar am Abgang der aufsteigen- den Praemaxillar-Fortsätze (Pmz, Pra) einen kleinen von spärlichen Drüsenschläuchen eingenommenen Hohlraum (Fig. 29, 33 D). Ich werde auf ihre Bedeutung später noch einmal zurückkommen, für Jetzt sei nur so viel bemerkt, dass wir in der im Septum nasale gelegenen Höhle das Analogon des Cavum intermaxillare aller Sala- mandriden zu erkennen haben. Ein sehr intructives Bild über das Zustandekommen der Nasen- kapsel liefert ein Schnitt, welcher dieht neben dem Nasen-Septum in sagittaler Richtung durch den Sehädel geführt worden ist (Fig. 32). Es handelt sich um ein 6 Centim. langes Thier und demgemäss liegt die knorpelige Nasenkapsel (NA) an ihrer Oberfläche zwischen Stirn- bein (7) und der Praemaxille (Pmz) eine grosse Strecke weit blos und ist nur von der äusseren Haut bedeckt, die auf der Abbildung nicht dargestellt ist. Ebenso wird das Knorpelgerüst nach unten zu Das Kopfskelet der Urodelen. 473 zwischen Praemaxillare und dem Vomer (Voy) nur von der Mund- schleimhaut (MS) bedeckt, weiter nach hinten aber lehnt sich das Parasphenoid an dasselbe an (Ps). Die hyaline Nasenkapsel selbst wird an ihrer hinteren Cireumferenz vom Olfactorius durchschossen, welcher sich hier wie bei allen übrigen Salamandriden sofort nach seinem Eintritt in einen ventralen und dorsalen Ast spaltet (O/f *). Zur allgemeinen Configuration der Naso-ethmoidgegend ist noch Folgendes nachzutragen. Die beim ganz jungen Axolotl im Verhält- niss viel grösseren Choanen (Fig. 6 Ch) werden nach rückwärts von dem Antorbital-Fortsatz (AF) umsäumt. Letzterer liegt noch sehr eng der Nasenblase an und differenzirt sich erst später in der auf Fig. 44 AF angedeuteten Weise, und ist durch Bindegewebe (By mit dem Geruchsack verlöthet. Letzterer gewinnt mehr und mehr an Ausdehnung, baucht sich in der Umgebung der äusseren Nasenöffnung (Fig. 44 Apr, mächtig empor (NA) und treibt nach vorn einen dem Zwischenkiefer zum Widerlager dienenden Fortsatz (Pa). Da- durch erscheint die schon beim jungen Exemplar zu bemerkende Höhlung an der vorderen Cireumferenz des Nasen-Septum noch mehr vertieft (C2). Die ganze Nasenkapsel des Axolotl besteht somit aus Hyalin- knorpel und nur eine kleine, in der Umgebung der Choane Fig. 31 CA gelegene Stelle macht eine Ausnahme, insofern sie von einer Binde- gewebsmembran ausgefüllt wird (Bg). Auf der durch die Abbildungen 31 und 44 dargestellten Alters- stufe ist schon eine vollkommene Verschmelzung des Suspensorial- Apparates mit der übrigen Schädelmasse, vor allem mit derjeni- gen Stelle des Trabekels zu Stande gekommen, welche man mit Alisphenoid zu bezeichnen gewohnt ist (As). Zugleich hat das vor- her scharf zugespitzte Ende des Flügelknorpels (Pic) eine keulige Auftreibung erfahren und hat sich bis in die Nähe des Antorbital- Fortsatzes nach vorn gestreckt. Man kann somit zwischen der Qua- dratknorpelmasse und dem Flügelknorpel einer- sowie zwischen’ die- sem und dem Trabekel (Alisphenoid) eine continuirliche Verbindung constatiren, ein Verhalten, das auch sämmtlichen lechriodonten sowie auch einem Theil der mecodonten Salamandriden eigenthümlich ist. Ich hebe dies, um es nicht später wiederholen zu müssen, hiermit ausdrücklich hervor ynd mache auf die Figuren 65, 69, 71, 72, 74, 76, 95, 99, 106 aufmerksam. Wie schon aus dem osteologischen Abschnitt zu ersehen war, handelt es sich beim alten, ausgewachsenen Axolotl dem jungen gegen- 474 R. Wiedersheim über im Wesentlichen nur um eine Reduction des Knorpelschädels in der Labyrinth- und vorderen Trabekelgegend. Wenn man nun die Ausdehnung der die erstere betreffenden Ossificationszone in Er- wägung zieht, so ist man genöthigt, den Schädel von Ellipso- glossa (Fig. 64, 65, 67) in gewissem Sinn als auf einer niedri- geren Entwicklungsstufe stehen geblieben zu betrachten, als sie der geschlechtsreife Axolotl erreicht. Ich habe ja schon erwähnt, dass die Labyrinthgegend von Ellipsoglossa nach Art der Phanero- und Cryptobranchiaten durch einen queren, den Opercular-Apparat ein- schliessenden Knorpelgürtel in eine vordere und hintere Partie zer- fällt werde. An dem Puncte, wo die Pars ossea und hyalina vom Quadratum des letztgenannten Molches zusammenstossen, geht nach rückwärts ein ziemlich langer Knorpelstiel ab, welcher sich in ein Ligament verlängert, das sich mit dem Hyoid-Bogen verbindet ‘Fig. 65 HF). Ganz dasselbe Verhalten beobachten wir bei Ranodon und den beiden Salamandrella- Arten, nur dass hier der Knorpelstiel etwas kürzer ist (Fig. 69 HF). Im sonstigen Suspensorial-Apparat zeigt sich nur bei Ranodon eine Abweichung, die aber unser höchstes Interesse verdient. Nachdem nämlich der dünne spindelförmig aufgetriebene Pterygoidknorpel (Pfc) seinen Weg eine Strecke weit nach aussen und vorn verfolgt hat, hört er nicht, wie bei sämmtlichen übrigen Salamandriden und Cryp- tobranchiaten frei auf, sondern fliesst continuirlich mit derin der Rinne der Oberkieferspange liegenden, vom Nasal- Gerüst entspringenden Knorpelspange (Fig. 69 ++) zu- sammen. Ich habe dieses sonst nur bei Anuren vorkommende Verhalten bei keinem andern geschwänzten Batrachier wahrgenom- men und weiss nicht, wie es gerade bei diesem Molch zu Stande gekommen ist?! Nur so viel ist klar, dass es sich um einen secun- dären Process handelt, der erst nach Ablauf der Larvenperiode auf- getreten sein kann. Dies ist schon daraus zu entnehmen, dass der Pterygo - palatin-Bogen bei sämmtlichen Urodelen-Larven, wie schon oben erwähnt, nach vorn und einwärts geht und die nach aussen und vorn schauende Richtung erst nach und nach gewinnt: somit kann es sich auch erst nach Erreichung dieses Verhaltens um einen Con- tact des Oberkiefer- und Pterygoidknorpels gehandelt haben. Letzterer wird bei Ellipsoglossa durch einen äusserst zarten, wellig geschwungenen Knorpelfaden dargestellt Fig. 64 Pte), wel- cher mit den Spitzen der Oberkieferspangen beinahe zusammenstösst. Weder bei Ranodon noch bei Ellipsoglossa handelt es sich. Das Kopfskelet der Urodelen. 475 um einen von der Nasenkapsel frei abstehenden Antorbitalfortsatz, er ist vielmehr eng mit jener verschmolzen und stellt die hintere Lippe der Choane dar (Fig. 65, 70 AF, Ch. Die in die Orbita hereinschauende knorpelige Nasenkapsel besitzt zwei Oeffnungen, eine grosse laterale von einem Gefäss durchbohrte und eine jener an Grösse nicht viel nachstehende mediale, durch welche wie bei allen Urodelen der Ram. nasalis Trigemini tritt. Das nach vorn zu mehr oder weniger weit ausgedehnte knorpe- lige Alisphenoid streicht in seiner Rückwärtsverlängerung genau wie bei den Cryptobranchiaten an der Innenwand des Labyrinths vorbei und geht allmälig von der sagittalen in die horizontale Richtung über, wobei es sich, auf dem Parasphenoid aufliegend, mit dem der andern Seite verbindet und sich zugleich zwischen beide Oeceipital-Condy- len nach hinten einschiebt. Es sind dies die Parachordal-Elemente Parker's, welche nicht nur bei diesem Thier, sondern überhaupt‘ bei allen Salamandriden in grösserer oder geringerer Ausdeh- nung zeitlebens persistiren. In ganz gleicher Weise wie bei Rano- don und Ellipsoglossa verhalten sie sich bei Plethodon und allen Spelerpes-Arten, ebenso bei der Gattung Salamandra Fig. 71, 72 Ob), Amblystoma, Anaides, Chioglossa, und wahrscheinlich auch bei Ba- trachoseps. Nirgends aber erreicht die knorpelige Trabekular-Platte die den Cryptobranchiaten und Salamandriden-Larven Axolotl) zu- kommende Ausdehnung. Wie also an der Basis des Schädels in der unteren Cireumfe- renz des Foramen occipitale eine Knorpelmasse getroffen wird, so besitzen auch alle Salamandriden, oder wie ich richtiger sagen würde, alle Urodelen insgesammt, ein hyalines Knorpelstiick am oberen Umfang der genannten Oeffnung Fig. 69, 71). Dies ist stets von viel geringerem Umfang als das untere und liegt entweder frei zu Tage als Commissur zwischen den in der Mittellinie nicht vereinigten Oc- eipital-Spangen, oder rückt bei Vereinigung der letzteren an ihre untere Seite, wo es wie angekittet festhängt und sich auch noch in die Scheitelbeinregion erstrecken kann. Im letzteren Fall wird es gewöhnlich erst bei Anfertigung von Querschnitten entdeckt. Es gehört seiner Genese nach wohl zu den Labyrinthblasen (vergl. Fig. 24) und stellt eine dorsale Verwachsung derselben dar. Die Verhältnisse des knorpeligen Nasengerüstes lassen sich nur an Querschnitten richtig erkennen und ich gehe deshalb zuerst zur Besprechung derjenigen über, die ich an Salamandrella Keyser- lingii gewonnen habe. Morpholog. Jahrbuch. 3. ; 31 476 R. Wiedersheim Auf dem noch vor die äusseren Nasenöffnungen fallenden Schnitt (Fig. 39) erblickt man die mit Zähnen bewaffneten Alveolar-Fort- sätze des Zwischenkiefers (Pmz); dorsalwärts von ihnen und zugleich der Mittellinie etwas genähert liegen zwei hyaline Knorpelbalken (Tr), die, wie aus Fig. 88 prm zu ersehen, nach vorn und einwärts geschwungene Ausläufer der medialen Nasenkapselwände darstellen. Nach auswärts aufwärts von ihnen trifft man auf den rings durch Knorpel begrenzten vordersten Blindsack der Nasenhöhle (NA). Von oben her lagern sich die Processus ascendentes des Zwi- schenkiefers, an deren Unterfläche man (genau in ihrem Vereinigungs- punet in der Mittellinie) einen kleinen Knorpelkörper entdeckt, der sich weit rückwärts zu einem Balken auszieht und einen Ausläufer des hyalinen Daches vom Nasenseptum darstellt. Er entspricht dem auch bei Salamandra vorkommenden und von mir schon früher l. e. berücksiehtigten zungenförmigen Fortsatz (Fig. 71, 72, ZF): bei Ranodon (Fig. 70 AZ, ist er doppelt und man sieht hier sehr deut- lich seine Zusammengehörigkeit mit der dorsalen Knorpelplatte des Internasal-Raumes (Zth!). Der ganze zwischen den Alveolar- und aufsteigenden Fortsätzen des Praemaxillare einer- sowie den Nasen- kapseln andererseits liegende Raum wird von Drüsenschläuchen (D) erfüllt, welche sich auch noch auf dem zweiten Schnitt (Fig. SS D) bemerklich machen. Sie umwachsen hier jedoch nicht mehr die untere Cireumferenz der Nasenkapsel, sondern werden durch den schon oben erwähnten Fortsatz (prm) davon abgelenkt. An der medialen Seite der Nasenhöhle erscheint der Schnauzenast des Trigeminus (Fig. 85 7). Die beiden basalwärts liegenden Praemaxillar-Hälften (Pmz) sind auseinander gerückt und die Drüsenmassen werden in dem dadurch gebildeten Zwischenraum nur von der Mundschleimhaut (18) um- spannt. Auswärts von den Processus ascendentes (Pra) ist die vor- derste Spitze des Nasale (N) aufgetreten. Drei Querschnitte (Fig. 98) nach hinten bekommt man einen von Drüsenmassen (D) erfüllten, mit Ausnahme der unteren Wand, welche von Seiten der Mund- schleimhaut (378) gebildet wird, ganz von Knorpelplatten begrenzten Internasal-Raum. Die beiden Seitenwände desselben sind vom Ra- mus nasalis Trigemini (2) durchbrochen, welcher an dieser Stelle aus dem Riechsack in die Internasal-Höhle tritt. Gleich im nächsten Schnitt sind die Seitenwände wieder intact. Unterhalb der dicht zusammenschliessenden Processus* ascendentes des Zwischenkiefers (Pra) sind beide Nasenkapseln durch eine sanft gewölbte Knorpel- spange commissurartig verbunden. Das Cavum nasale ist hier noch Das Kopfskelet der Urodelen. 477 rings von Knorpel umschlossen, weiter nach hinten treten unterhalb des Nasale und oberhalb der medialen Hälfte der Vomero-palatin Platten Lücken in demselben auf. Je mehr man mit den Schnitten nach rückwärts geht, desto hö- her ‘werden die Nasenräume und das Spatium internasale. Letzteres wird zugleich immer enger bis es schliesslich, ganz ähnlich wie bei Amphiuma (Fig. 57 *), eine sagittal gestellte Knorpellamelle reprä- sentirt (Fig. 51 Sept), welche sich in zwei obere, fast rein trans- versell gestellte und in zwei untere, schräg nach abwärts auswärts gehende Fortsätze (aa, a'a! gabelt. Die unteren schliessen zusammt der Mundschleimhaut (JZS) einen pyramidalen Raum ein, in welchem die letzten, hintersten Ausläufer der oben geschilderten Drüsenmassen (D) liegen.. Weiter nach hinten verschwindet dieser Raum und man hat ein dünnes, oben und unten in zwei Querschenkel auslaufendes Nasen- Septum vor sich. Unterhalb des unteren Querschenkels. in dem Raum zwischen beiden Vomero-palatina, liegt ein dieker Ausfüh- rungsgang der obgenannten Drüsen (Fig. $5 DA). Rechts und links von der so gebildeten Nasenscheidewand ist von neuem ein Drüsenlager aufgetreten (DD). Am dicksten geschich- tet liegen die Schläuche gegen die Median-Ebene zu, während sie am Boden und der Decke der Nasenkapsel höchstens in zwei bis drei Lagen angeordnet sind (D’’D’). Durch fünf weitere Querschnitte hindurch bleibt das Drüsenlager eben so mächtig, ja gewinnt nach rückwärts zu sogar noch an Umfang; zugleich kommen auch die eine Strecke weit nur auf die Septal- und Oberkiefergegend be- schränkt gewesenen Knorpellamellen der Nasenkapsel wieder mehr zur Geltung. So sehen wir nur auswärts von den oberen Schenkeln der Nasenscheidewand (Fig. 85 aa) eine kleine Lücke im Knorpel und eine grössere in der Vomero-palatin-Gegend (D”). Somit wird die ganze Innen- und Aussenwand, sowie die Decke und ein kleiner Theil des Bodens der Nasenhöhle von Knorpel gebildet. Ueberdies geht an der Aussenwand ein in die Oberkieferspange sich hinein er- streckender langer Fortsatz ab (Fig. 85 Me). Am Dache des Vorderkopfes sind die aufsteigenden Praemaxil- larschenkel geschwunden und an ihre Stelle sind die vordersten Aus- läufer der Stirnbeine (7) und über diesen die Nasalia (N) getreten. Auswärts von letzteren liegt das II. Praefrontale. Der Oberkiefer ist entfernt. Noch weiter nach hinten findet man die Septallamelle bis auf ihren untersten Abschnitt geschwunden, dagegen hat sich die Basal- 31* 478 R. Wiedersheim lamelle ‘basales Ethmoidstück der Trabekel) mächtig verbreitert und bildet den knorpeligen Boden des vordersten Schädelraumes, an dem wir jetzt angelangt sind. Zwischen der knorpeligen Basallamelle (Fig. 75 Sept) und der Unterfläche der Stirnbeine (7) treffen wir einen von zwei grossen, gestreckt ovalen Oeffnungen (O/f) durch- bohrten Vorhang aus Bindegewebe (3gM), welcher das Cavum eranii nach vorn zum Abschluss bringt. Unterhalb der Basallamelle Sept), zwischen ihr und den Vomero- palatina (Vop) liegt der Schnabel des Parasphenoids (Ps). Die auf der vorigen Figur hauptsächlich längs der Medianlinie gelagerten Drüsenschläuche erscheinen hier (D) lateralwärts von der Olfactorius- Oeffnung gedrängt, liegen nach oben von den Choanen im hin- tersten Theil der Oberkieferhöhle und werden dabei von allen Seiten von Knorpel umspannt (Me). Diese Driisenmassen sieht man auf der Figur 78 sehr deutlich an der Stelle * den Oberkieferknorpel durch- wachsen und ein Schnitt noch weiter nach rückwärts belehrt uns Fig. 79 AD), dass sie aus dem vordersten Winkel der Augenhöhle stammen. Vergl. damit Chioglossa und Salamandrina. Auf der Abbildung 79 sieht man die ethmoidale Trabekular- Platte sehr ausgedehnt und an ihren äusseren Enden verdickt (r). Nach oben zu unter der lateralen Partie liegt ein Knorpelbalken (»’), der an seiner Unterfläche Spuren perichondrostotischer Verknöcherung zeigt (Oss). r und 7” sind die Enden des an seinem Vorderrand gespaltenen Orbitosphenoids. Vergleiche Fig. 69 + und Fig. 96 an, Fr.) Zwei Schnitte weiter nach rückwärts sieht man sehr deutlich die Zusammengehörigkeit der ethmoidalen Trabekular- Platte mit den von vielem Fett erfüllten und auch noch Knorpelreste einschliessen- den Orbitosphenoiden Os). Beide zusammen bilden einen von Binde- gewebe (6g, vergl. auch die vorige Figur bei Bg) ausgekleideten kahnförmigen Raum, dessen Boden von Seiten des Parasphenoids und der Vomero-palatina noch verstärkt und dessen Dach von den Frontalia gebildet wird (F Fig. 86). Nach hinten zu wird die basale Knorpelplatte immer dünner und schliesslich verschwindet sie ganz, um einer die Dorsalfläche des: Parasphenoids bedeckenden Bindegewebsschicht Platz zu machen; zugleich nehmen die Orbitosphenoide eine compactere Beschaffen- heit an. Aus dieser Darstellung wird man ersehen haben, dass das mit Ranodon sonst fast bis in’s Einzelne übereinstimmende Cranium Das Kopfskelet der Urodelen. 479 von Salamandrella in Beziehung auf die Configuration des Nasen- gerüstes ziemlich stark von jenem abweicht. (Man vergleiche die Fig. 69 NH). Ich reihe an diese Beschreibung von Salamandrella Key- serlingii diejenige des Schädels von Plethodon glutinosus. Unmittelbar hinter der Symphyse des Zwischenkiefers erhält man auf dem Querschnitt Folgendes: Zwischen den aufsteigenden Aesten der Praemaxille (Fig. 43 Pra) erhält man die auch bei Salamandrella Keys. beobachtete, von oben her nur von der äussern Haut bedeckte Drüsenmasse (D). Nach auswärts davon liegen die nur an ihrer oberen äusseren Seite offe- nen hyalinen Nasenkapseln (NA), welche an der Stelle des Zusam- menstosses der Processus aseendentes und alveolares des Zwischenkiefers medianwärts einen Fortsatz (* *) abschicken. Kurz dahinter (Fig. 100) sind die aufsteigenden Aeste (Pra) sehr redueirt und das Cavum internasale wird oben durch die äussere Haut, unten durch die Mundschleimhaut und seitlich von den knorpe- ligen Nasenkapseln (NK) abgeschlossen. Die medianwärts abgehen- den Fortsätze der letzteren (*) sind sehr zurückgebildet. Die ganze Nasenkapsel mit Ausnahme des gegen die Mittellinie zu gelegenen Theiles vom Dache wird von Knorpel gebildet, welcher nur an der Stelle unterbrochen ist, wo der Oberkiefer an das Nasen- bein anstösst. Weiter nach rückwärts wird der Internasal- Raum immer enger und der Knorpel schwindet auch am Nasenboden zum grössten Theil, während er sich in der eigentlichen Oberkieferhöhle eonstant erhält. Ferner schwinden die Mittelstücke der medialen Wände der knorpe- ligen Nasenblasen und werden durch Bindegewebe (Fig. 129 Bg) ersetzt; oben (Sep?) und unten davon liegen noch kleine Knopelreste, wovon die ersteren zu einer unpaaren Platte zusammengeflossen sind. Aus der Abbildung ersieht man, dass der Boden des Nasenraumes fast ausschliesslich von den Vomero-palatina {Vop), und die Aussen- wand vom Maxillare (M) gebildet wird. Oben liegen von aussen nach innen gezählt das Praefrontale (Pf), das Nasale (N) und die aufsteigenden Zwischenkieferfortsätze. Das im Internasal-Raum (Cv) liegende Drüsenlager ist sehr zusammengeschwunden (D). In dem nächsten Schnitt (Fig. 81) ist die zwischen beiden Na- 450 R. Wiedersheim senhöhlen liegende Knorpelmasse auf das dorsale Stück (Sept) re- dueirt; die basalwärts liegenden Reste auf der letzten Figur sind verschwunden und werden durch zwei in den bindegewebigen Boden der Nasenhöhle übergehende fibröse Vorhänge (Bg) ersetzt. Sie schlies- sen einen nach abwärts von der Mundschleimhaut (MS) begrenzten, pyramidalen Raum ein, in welchem die Drüsenschläuche (D) gela- gert sind. Am Boden der Nasenhöhle findet sich nur ganz aussen, oberhalb der Vereinigung des Maxillare (7) und des Vomero-pala- tinum (Vop) eine kleine Knorpelpiatte (Ar) und auch der die Maxil- lar-Höhle auskleidende Knorpel ist auf jene Stelle redueirt, wo der Oberkiefer mit dem vorderen Stirnbein zusammenstösst (Mu). Zu- gleich ist er aber hornartig in das Cavum nasale hereingewachsen und wird bedeutend verlängert durch ein mit hohen Flimmerzellen FIE) besetztes, weite, maschige Räume einschliessendes Binde- gewebe (Bg), welches auch seine Ober- und Unterseite überzieht. In seinen Maschen liegen zahlreiche, kleine Drüschen und der Nervus infraorbitalis Trigemini {z’). Wir haben in dieser Bildung, welche als lange Leiste fast an der ganzen äusseren Cireumferenz des Cavum nasale bis in die Choanengegend sich hinerstreckt eine Muschel- bildung von der vollkommensten Form zu erblicken. Somit tritt eine solche nicht erst, wie man bis jetzt annahm, bei den Anuren auf, sondern characterisirt schon die niedrigere Ordnung der Urode- len und man kann demgemäss im äusseren Bereich des Cavum na- sale mit vollem Recht von einem Meatus inferior und superior spre- chen. Ersterer verflacht sich nach hinten zu immer mehr, da die Concha mit dem Niedrigerwerden des Cavum maxillare hier mehr basalwärts rückt. Im nächsten Schnitt (Fig. 49) hat sich der in der vorigen Fi- gur mit Sept bezeichnete kegelförmige Knorpelzapfen sehr stark ver- längert und erreicht ein die beiden dorsalwärts emporgebogenen Vomero-palatina (Pop) kuppelförmig verbindendes Ligament, wäh- rend unterhalb der Kuppel die Drüsenschläuche zu Tage treten (D). ‚Letztere liegen bereits in einer taschenartigen Aussackung des Cavum orale und werden von unten her durch die Mundschleimhaut um- spannt. Das Knorpelseptum verlängert sich, je weiter wir nach rück- wärts gehen, immer mehr und stösst endlich mit den in der Mittel- linie abgeflachten und eng zusammenstossenden Vomero-palatina direct ohne intervenirendes Bindegewebe zusammen. In demselben Moment ist auch die Drüsenmasse und die Concha verschwunden; das Cavum “ Das Kopfskelet der Urodelen. 481 maxillare wird wieder, wie wir dies weiter. nach vorn beobachten konnten, von aussen unten und oben von Knorpel ausgekleidet, welch letzterer in ganz gleicher Weise wie bei Salamandrella Keyserlingii (Fig. 78 Me) einen langen Fortsatz in die Oberkieferspange hinein- sendet. Im hintersten Theil der Nasenhöhle angelangt (Fig. 82) begeg- nen wir einer unpaaren, mit Ausnahme der Mitte ihrer oberen Cireumferenz ganz aus Hyalinknorpel (NA), gebildeten Kapsel. Oben wird sie von den Stirnbeinen, unten von den Vomero-palatina bedeckt. Ihr Inneres ist beinahe ganz von jenen Drüsenmassen er- füllt, wie wir sie auch bei der vorigen Art (Fig. $5 D) kennen gelernt haben. In der Mitte derselben finden sich starke Blutgefässe (G) und nach auswärts davon die schon in einen dorsalen und ven- tralen Ast gespaltenen Olfactorii (O/f). Noch weiter nach hinten stösst man auf denselben bindegewebigen Vorhang, wie er in Fig. 78 BgM dargestellt ist; er bildet wie dort die Scheidewand zwischen Cavum cranii und nasale. Weder im Bereich der Trabekel noch in dem Basi- und Supra- oceipital- Knorpel und ebenso wenig in den Oceipital-Condylen fin- det sich eine primäre Kalksalzablagerung im Innern, sondern stets rückt die Ossification von der Peripherie gegen das Centrum vor. Es handelt sich somit hier ebenso gut, wie bei den Pha- nero- und Cryptobranchiaten um einen rein perichondrostotischen Verknöcherungsprocess. Ein sehr instructives Bild für diese Ver- hältnisse erhält man durch den Querschnitt auf Fig. 116, wel- cher gerade das Suspensorium (Qu!) durchsetzt. Oben und un- ten an demselben bemerkt man zarte Knochenauflagerungen (Qu Qu) und darüber liegt noch ein Stück des Squamosum (7p). Ferner er- kennt man sehr deutlich die doppelschenklige Verbindung des Sus- pensorium-Knorpels (* *) mit der Aussenwand des Labyrinths Za). Der untere Schenkel ist von letzterer abgegliedert bg), der obere continuirlich mit ihr verbunden. Die Petrosa (Pet; schieben sich unter den Scheitelbeinen (7) und oberhalb des Parasphenoids (Ps) \ sehr weit gegen die Mittellinie vor. An das eben geschilderte Verhalten von Plethodon glutino- sus schliesst sich dasjenige der Spelerpes-Arten ziemlich eng an, doch sind die die knorpligen Nasenkapseln durchbrechenden Lücken 482 R. Wiedersheim 2 im Allgemeinen nicht so gross und das Septum nasale erreicht eine viel massigere Entwicklung, wie ich sie auf Fig. 45 (Sept) von Spelerpes fuscus dargestellt habe. Nach unten davon finden sich bei D die früher schon erwähnten Drüsenmassen. Der Schnitt geht durch die Vorderenden der Stirnbeine, also ungefähr durch die Mitte der Nasenhöhlen. In welch intensiver Weise sich auch die senkrecht gegen die Mittellinie hin sich erhebenden Vomero-palatina an der Herstellung des Cavum internasale betheiligen können, zeigte mir ein mexicani- scher Spelerpes, dessen Species ich nicht näher zu bestimmen ver- mochte (Fig. 48 Vop). Beide Fortsätze werden von oben her von zwei in der Mittellinie verbundenen Knorpelspangen (Sept, umklam- mert und zwischen ihnen finden sich Drüsenmassen, welche nach abwärts von der Mundschleimhaut (MS) umspannt werden. Etwas weiter nach vorn ist die Knorpelmasse ganz verschwunden und die Spitzen der Vomero-palatina erreichen direct die Unterfläche der hier merkwürdigerweise unpaaren Pars ascendens ossis praemaxillaris. Somit existirt hier ein sonst nur für Desmognathus und die Tritonen characteristisches ganz knöchernes Cavum intermaxillare s. internasale. Die obgenannte Knorpelspange wächst in um so höherem Grade basalwärts gegen den Nasenboden, als wir mit den Schnitten weiter nach rückwärts gelangen: schliesslich beobachten wir ganz dasselbe Septum eartilagineum nasi wie bei Salamandrella Keys. und Pletho- don (Fig. 49, 85 Sept. Auch diesem Thier kommt eine deutlich ausgeprägte Concha zu. Eine weitere Illustration zu dem Verhalten des Nasengerüstes der Spelerpes - Arten gibt die Figur 108. Dieselbe ist dem Schädel des Spelerpes fuscus entnommen und man sieht von unten her durch die weiten Lücken im Boden der Kapseln in die beiden Na- senhöhlen Cav. nas. hinein. Vorn und aussen liegt die rings von Knorpel umschlossene Apertura nasalis externa (Apr) und von vorn her sind die beiden Nasenblasen durch einen tiefen Einschnitt ge- trennt (Cz). Die denselben erfüllenden Drüsenmassen sind auf dem Präparat entfernt. Nach rückwärts davon findet sich das Septum nasi (Sept, Eth), welches sich hinten über den Parasphenoidschnabel wegschiebt und zugleich eine starke Verbreiterung erfährt (vergl. die das Parasphenoid auf der Abbildung durchsetzende, geschwungene Querlinie). Seitlich davon hängt es durch zwei Knorpelspangen, (77") mit den beiden Schenkeln des Orbitosphenoids (Trabekels, 7’7’” und Fig. 96 7’7’’) zusammen. Dadurch entsteht ein Schlitz, durch Das Kopfskelet der Urodelen. 483 welchen der Ramus nasalis Trigemini (Fig. 96, 108 ») von der Or- bita in das Cavum nasale tritt. Die diese Oeffnung ventralwärts begrenzende Spange (7) ist der mit dem Hinterrand des knorpeligen Nasenbodens verschmolzene Antorbital- Fortsatz oder der »Gaumenfortsatz« der deutschen Autoren (AF). Bei Me setzt sich letzterer unter starker Zunahme seines Volums in Form eines schnabelartigen Hakens in die Ober- kieferspange hinein fort. Welchen Bezirk der bei den Spelerpes-Arten in hyalinem Zu- stand verharrende, hinterste, mit der prootischen Region zusammen- stossende Abschnitt des Trabekels einnimmt. ist sehr gut aus der Fig. 96 Lo zu ersehen. Der Knorpel ist vollständig herausmacerirt und so ist eine grosse nach rückwärts mit dem Trigeminusloch commu- nicirende Oeffnung entstanden, welche nach vorn vom Orbitosphe- noid (Os), nach rückwärts von der Regio prootica (Pet), nach oben vom Parietale (?, und nach abwärts vom Parasphenoid Ps) be- grenzt wird. Eine weitere Erläuterung für den Aufbau des Schädels der lechrio- donten Salamandriden geben die Figuren 69 (Ranodon) und 71, 72 (Salamandra). Bei beiden bemerkt man ein viel vollkommeneres, von keinen Lücken unterbrochenes Dach der Nasenkapseln (NA); auch der Bo- den (Fig. 72 NA) zeigt einen geringeren Ausschnitt, als bei Speler- pes fuscus. Ueberdies existirt auf der Aussenfläche der Knorpel-. blasen (Fig. 71 NA) eine kleine runde Oeffnung (x’) zum Durchtritt des Ramus infraorbitalis Trigemini. Bei Ranodon und Salamandra beobachten wir bezüglich des Antorbital-Fortsatzes genau das bei Spelerpes geschilderte Ver- halten. was auch in Beziehung auf die die Regio prootica ventral- und dorsalwärts umgreifenden Spangen des Suspensorium -Knorpels aufrecht zu erhalten ist. Was endlich meine am Tritonen-Schädel mittelst Querschnitten angestellten Studien betrifft, so haben mir diese bei Trit. virides- cens folgende Resultate ergeben: Auf dem ersten Schnitt (Fig. 35) bemerkt man in der Mitte zwischen beiden Nasenkapseln (NA), welch letztere unten, innen und oben hyaliner Natur sind, ein unpaares knöchernes Septum (Sept). 484 R. Wiedersheim Nach abwärts trägt es an einer etwas erweiterten Stelle eine haar- feine Oeffnung |”), schnürt sich darauf stark ein und breitet sich zu einer breiten das Mundhöhlendach begrenzenden Platte aus | Pmz, Pr.pal). Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass wir in die- sem Knochen die synostotisch vereinigten Processus descendentes und palatini des Zwischenkiefers zu erblicken haben. Die obgenannte feine Oeffnung ist der vorderste Ausläufer der Zwischenkieferhöhle, somit die Andeutung eines früheren Zerfalls des Knochens in zwei Hälften. Sie rückt, je weiter wir nach rückwärts gehen, immer weiter nach oben und dehnt sich zugleich nicht unbeträchtlich aus Fig. 117 *. Schliesslich bricht sie nach oben durch und fliesst mit der wesentlich von den senkrechten Fortsätzen der Nasalia (N) gebildeten Zwischenkieferhöhle zusammen. Zu gleicher Zeit ist die knorpelige Nasenkapsel auf die mit |N/A) bezeichneten Reste re- dueirt. Genau in die Rückwärtsverlängerung des nun in zwei Hälften getheilten Hinterendes der Pars descendens ossis praemaxillaris fallen die absteigenden Fortsätze der Frontalia (vergl. Fig. 109 F), und letztere stossen bekanntlich auch mit den Leisten der Vomero-pala- tina Fig. 109 Pr, Vop) zusammen. Alles dies wird sehr anschau- lich durch die Querschnitte 118, 119, 121, woraus zugleich hervor- geht, dass die Fortsätze der Vomero-palatina nach hinten zu immer weiter nach oben rücken und dass andrerseits die Processus fronta- les F) von den an ihrem unteren Rand gespaltenen Nasalia (N) förmlich in die Klemme genommen werden. Figur 121 zeigt uns die Stelle, wo die vorher nur zwischen Frontalia und Nasalia gelagerten Drüsenmassen (D) durch die aus- einander weichenden Stirn- und Pflugscharfortsätze durchpassiren und nach abwärts bis an die Mundschleimhaut (MS) gelangen. Es ist damit ein die ganze Höhe des Schädels durchsetzendes Cavum inter- nasale geschaffen, dessen Wände immer mehr in eine gegenseitige Parallelstellung gerathen und weiter nach hinten ganz verschwinden, um von den medialen Wänden der hyalinen Nasenkapseln ersetzt zu werden (Fig. 122 NA). Auf dieser Abbildung sind die Vomero- palatina und Nasalia (Vop u. N) schon dem Verschwinden nahe, während die hyaline Nasenkapsel an Ausdehnung wieder zugenom- men hat und nur am Boden durchbrochen ist (Ch). Nach aussen liegt der Oberkiefer (M). | Der von reichen Drüsenlagern erfüllte Internasal-Raum ist viel weiter geworden und wird unten von Knochen (Vop), seitlich von Das Kopfskelet der Urodelen. 485 den knorpeligen Nasenkapseln und oben von dem Integument (AH begrenzt. Ich habe noch nachzutragen, dass kurz hinter der Stelle, wo die Fortsätze der Frontalia und Vomero-palatina schwinden, der die Internasalhöhle begrenzende Knorpel jederseits eine weite Oeffnung besitzt, wodurch die .Drüsenschläuche massenhaft in das Cavum na- sale eindringen Fig. 120 *), kurz dahinter sind die Knorpelwände wieder geschlossen und verhalten sich in dem obigen Sinne. Kaum ist man jedoch um zwei Querschnitte weiter nach rück- wärts gelangt so schwinden die Knorpellamellen aufs Neue und wer- den mit Ausnahme ihres basalen Theiles (Fig. 124 77, durch bau- chig nach aussen getriebene Bindegewebslamellen (6g ersetzt. Das Verhalten des Vomero - palatinum , der Frontalia und Praefrontalia geht aus der Abbildung so deutlich hervor, dass ich nichts hinzuzu- fügen brauche. Bemerkenswerth ist die grosse, das ganze Lumen des Schädel- rohres erfüllende Drüsenmasse (D). Wir befinden uns auf diesem Schnitt in dem hintersten Bezirk der hier gewaltig verengten Nasenhöhlen (NA) und im nächsten Schnitt Fig. 126) ist von letzteren gar nichts mehr zu sehen. Wir sind nämlich bereits im vordersten Abschnitt des Cavum cranii an- gelangt und treffen auch hier die in grosser Menge eingewanderten, von den beiden noch ungespaltenen Olfactorii | O/f} durchsetzten Drüsenmassen 1). Seitlich liegen die hyalinen Vorderenden der Trabekel (Orbitosphenoide und zeigen eine continuirliche Verschmel- zung mit Praefrontale und Frontale (F u. Pf rechte Seite); nach unten stossen sie an die Vomero-palatina, zwischen welchen sich bei (MS) die Mundschleimhaut ausspannt. Die Abbildung 123 betrifft einen Querschnitt, welcher durch die Mitte der Stirnbeine geht. Man beachte die absteigenden Orbital- fortsätze dieser Knochen, sowie die topographischen Beziehungen der Orbitosphenoide, der Vomero-palatina und des Parasphenoids (Os, Vop u. Ps). Bemerkenswerth sind die selbst bei diesem hoch ent- wickelten Thiere erhaltenen theils lufthohlen, theils von Knorpel und Fett erfüllten Lücken im Stirnbein -und Orbitosphenoid (A, F, 1). Erst in der Nähe des Foramen opticum hört jede Spur davon auf. Noch mächtigere, unter rechtem Winkel von der Dorsalfläche abgeknickte Orbitalfortsätze erzeugen die Scheitelbeine (Fig. 127 Pr. orb). Sie stossen nach abwärts an den knorpeligen Theil der Rarake'schen Schädelbalken (48, Alisphenoide); die ich bei älteren 456 R. Wiedersheim Thieren von aussen her mit einer Knochenkruste überzogen fand; dasselbe gilt auch für Triton alpestris, doch sind hier die Knorpel- massen stets kräftiger ausgeprägt. Nach unten davon liegt das napfförmig erscheinende Parasphenoid (Ps. Der Schnitt auf Fig. 125 geht gerade durch den Anfang der prootischen Region. Der Orbitalfortsatz des Parietale (Prorb) stösst an die noch mit Knorpelspuren versehene obere Wand des Tri- geminuscanales (7g); die untere Wand (An) vereinigt sich mit dem Parasphenoid (Ps). Sehr klar liegen die Beziehungen des Suspensorium - Knorpels (Qx’) zum Petrosum (Pet u. Pet’) einer- sowie zum Os pterygoideum (Pi *) und dem Squamosum (7p) andrer- seits; namentlich deutlich ist das Artieulations-Verhältniss zwischen dem dorsalen Schenkel des Suspensorium (*) und dem anstossenden mächtigen Gelenkkopf der Regio prootica (GK). Unter ihm liegt ein kleines Gefäss (G). Auf dem nächsten Schnitt (Fig. 128) ist bereits die Labyrinth- höhle (Zab) eröffnet: für die übrigen Verhältnisse gelten die Be- zeichnungen der letzten Figur. Sehr instruetiv ist der Schnitt auf Fig. 130; er entstammt dem Schädel des Triton alpestris und zeigt sehr hübsch das Verhält- niss der Bogengänge (Bgg) und die natürliche Stellung des Opereu- lum (Op); die beiden anstossenden Ränder des Petrosum (Pet * *) sind mit Knorpel überzogen. Die Labyrinthöhle ist bedeutend er- weitert und gegen das Cavum cranii durch eine feste Knochenwand (Pet') abgeschlossen. Letztere geht nach abwärts in den dem Pa- rasphenoid aufgelagerten Boden der Petroso - oceipitalia über und stösst in der Mittellinie durch eine Knorpelcommissur (Od) mit der andern Hälfte zusammen. Es ist dies der letzte Rest der von mir schon zu wiederholten Malen mit dem Namen »basi-oceipitale Knor- pelspange« belegten hyalinen Masse. (Vergl. Fig. 12 Ob, Fig. 25 Ob, Fig. 69, 72 Ob ete.) Die mit f bezeichneten Bezirke des Knochens sind mit Fett gefüllt und waren jedenfalls dem Knorpelzustand noch nicht lange entwachsen. Weiter nach hinten (Fig. 83) sind Scheitelbeine und Parasphe- noid verschwunden und das Schiidelrohr wird nun einzig und allein durch die beiden Petroso-occipitalia dargestellt, welche sich ventral- wärts und dorsalwärts vereinigt haben. Dies geschieht in der erst- genannten Richtung durch die auf dem vorigen Schnitt schon er- wähnte, hier aber noch viel mehr in knorpeligem Zustand erhaltene Basi - oceipital-Spange (Ob). Auswärts davon liegen im Knochen Das Kopfskelet der Urodelen. 487 die oben erwähnten mit Fett, Luft und Knorpel erfüllten Hohl- räume (f, 2). Die dorsale Vereinigung der Petroso-oceipitalia geschieht durch die von mir früher sogenannte dieke Supra- occipital - Knorpelspange (Os). Auch seitlich von ihr finden sich in dem starken Knochen einzelne Knorpel - Inseln eingesprengt. Man vergleiche damit die Schilderungen und Abbildungen der Crypto- und Phanerobranchia- ten, sowie diejenigen der lechriodonten Salamandriden (Taf. XIX bis XXIII). Der letzte von mir angefertigte Schnitt am Schiidel des Triton alpestris zeigt einen Schwund des basi- und supra-oceipitalen Knorpels (Fig. 84 Fask und Bg). An die Stelle des ersteren ist Faserknorpel-, an die des letzteren reine Bindegewebsmasse getre- ten. Sehr hübsch sieht man den durch Seitenbänder (Fig. 83, 84 Zgt) in Suspension erhaltenen mittleren Fortsatz des ersten Hals- wirbels (42). Die Betheiligung der verschiedenen Gewebselemente an seiner Herstellung ist durch drei verschiedene Farbentöne dar- gestellt. Ferner ist auf der Abbildung 84 der Durchschnitt des Oeeipital- Condyls (Cocc) und die Lage des Vagus (Vg) in seinem weiten Ca- nale deutlich zu sehen. Zum Schlusse noch ein Wort über einige am Schädel der Sala- mandrina persp. gewonnene Schnitte. Es war mir namentlich darum zu thun, die gegenseitigen Beziehungen der Stirnbeine, des Zwischenkiefers und der Vomero-palatina ins richtige Licht zu stel- len. Ich habe deshalb auch horizontale Flächenschnitte und solche, die in sagittaler Richtung geführt wurden, zu Hülfe genommen. Die Fig. 133 stellt einen Querschnitt dar, der zwei Millim. hin- ter der Schnauzenspitze gewonnen wurde. Man sieht das mit Ausnahme seines Daches ganz vom Zwischenkiefer (Pmz, Pr.pal gebildete Ca- vum intermaxillare von vielen Drüsenschläuchen erfüllt (D) ; letztere werden von oben her durch das Integument zugedeckt (AH). Aus- ser der Praemaxille betheiligt sich an der Herstellung der knö- chernen Nasenkapsel das Nasale (N) und die Maxille (7). Abge- sehen von der dem letztgenannten Knochen entsprechenden Cireum- ferenz des Cavum nasale wifd dieses von einer continuirlichen Knorpelmasse ausgekleidet (NA), welche eine Art Duplicatur der betreffenden Knochen reprisentirt. Auf die Knorpellage folgt nach einwärts ein 1—2 schichtiges Drüsenstratum (D) und an dieses schliesst sich das in einem mit seiner Concavität auswärts schauen- 488 R. Wiedersheim den Halbmond angeordnete Riechepithel | REp) : auswärts liegt ge- wöhnliches Schleimhaut-Epithel (SEp). Drei Schnitte weiter nach hinten beginnt das Vomero-palatin (Fig. 132 Vop) sich an der Herstellung der Aussenwände des Ca- vum intermaxillare zu betheiligen. Die kürzer gewordenen Proces- sus descendentes des Zwischenkiefers werden von jenen und den Nasalia (N) in die Mitte genommen, bis sie endlich ganz verschwin- den, um von den hoch emporgewachsenen Fortsätzen der Vomero- palatina (Fig. 134 *) ersetzt zu werden. Diese erreichen in der Nähe der Schiideloberfliiche die Nasalia (N, (vergl. Fig. 46 zz meiner Arbeit über Salamandrina) und somit existirt eine Stelle im Schädel, wo die von den Drüsen erfüllte Zwischenkieferhöhle einzig und allein von den Ossa vomero-palatina gebildet wird. Von oben her kommt, wie auch bei den letzten Schnitten zu sehen war, die äussere Haut AH) zu Hülfe. - Die Knorpelkapsel (NZ) der Nasenhöhle ist sehr zurückgebil- det, sie findet sich nur noch am Boden, an der Innenwand und theilweise am Dache derselben. An die Stelle der senkrecht aufsteigenden Fortsätze der Vomero- palatina sehen wir auf der Abbildung 137 die mit ihren medialen Rändern in das Cavum intermaxillare herabwachsenden Stirnbeine (F, J) treten und finden sie durch eine Lücke von den ersteren ge- trennt. Dadurch communiciren beide Höhlen mit einander und der Ramus nasal. Trig. gelangt, wie ich friiher schon gezeigt habe, da- durch von der Nasen- in die Zwischenkieferhöhle. Als neuer Knochen ist das Praefrontale (Pf) in die Umgrenzung der Nasenhöhle eingetreten. Die knorpeligen Kapselstiicke (NA) sind auf die äussere und innere Cireumferenz des Cavum nasale beschränkt. Zwischen der inneren Wand des Oberkiefers und der anlagern- den Knorpellamelle entdeckt man den Thränennasengang (D’). Das auf der vorigen Figur schon eingeleitete Flacher- und Fla- cherwerden des Vomero-palatinum ist auf dem Querschnitt (Fig. 138 Vop) noch weiter gediehen. Zugleich hat es sich von den unteren Enden der Stirnbeine (Z *) noch mehr zurückgezogen, so dass die knorpeligen Nasenkapseln in den dadurch entstehenden Spaltraum hereinwachsen können. Sie erreichen sich erst auf der Fig. 139 vollkommen und werden vorderhand noch durch eine dünne Lage fihrösen Gewebes (6g) in der Mittellinie vereinigt. Wir haben es hier wieder, wie man leicht erkennen wird. mit der Das Kopfskelet der. Urodelen. 489 ethmoidalen Basalplatte der Trabekel zu schaffen (vergl. Fig. 30, su. 79). Diese Trabekularplatte wird im nächsten Schnitt (Fig. 143) von den beiden basalwärts mächtig ausgewachsenen und mit zangen- artigen Rändern (* *) versehenen Stirnbeinen in die Klemme ge- nommen und erscheint in ihrem Volum bedeutend redueirt. Zu- gleich haben die beiden Stirnbeinfortsätze (*, an ihrem oberen Ende einen medianwärts und aufwärts sich erstreckenden Auswuchs (+) getrieben, welcher die Drüsenschläuche (D) theilweise von oben her zudeckt. Lateralwärts, gegen die Nasenhöhlen zu liegt der mächtige zwi- schen die knorpeligen Kapseln (NX) eingefiigte Olfactorius | O/f) und nach unten zu schliessen sich an das ganze Gefüge die Vomero- palatina (Vop . Im nächsten Schnitt schon trifft man auf die von mir so genannten Processus uncinati ossis frontis (Fig. 112 HF, HF), welche einen vollkommen knéchernen Abschluss des Cavum era- nii nach vorn zu Stande bringen. Oben gehen sie in die Hauptmasse (7) des Stirnbeines über und seitlich von ihnen erheben sich die hier rein hyalinen Schädelbalken (Os [7r|), welche nach ab- wärts den Vomero-palatina (Vop) wie einem Postamente aufsitzen. Diese drei Elemente zusamınen erzeugen auf eine sehr merk- würdige Weise eine Lamina cribrosa, durch die der Olfactorius (O/f) in die Nasenhöhle tritt. Als weitere Illustration zu dem hier geschilderteu Verhalten der Regio ethmoidalis von dem italienischen Brillensalamander mag die Abbildung 114 dienen. Es handelt sich dabei um einen Sagittal- Schnitt seitlich von der Median-Ebene und man sieht den Proc. un- cinatus (HF [Eth]) des Os frontale (F) in weitem Schwunge das Vomero-palatin (Vop) erreichen und die Schädelkapsel abschliessen. Nach vorn davon liegt die ethmoidale Trabekular-Platte im Quer- schnitt und noch weiter nach vorn, bis zum Zwischenkiefer (Pmz) sich erstreckend, finden wir die oft besprochenen Drüsenmassen (D (Ci), welche von oben her vom Integument (4H) umspannt werden. Noch deutlicher erscheint dies Alles mit Zuhülfenahme des horizon- talen Flächenschnittes auf Fig. 26, wo ich dieselben Bezeichnungen gebraucht habe, wie im vorigen Fall, so dass es überflüssig wäre, darüber noch viele Worte zu verlieren. Ich mache nur auf die Lage des Gehirns (Ge) und des Olfactorius (O/f) aufmerksam. Ich habe absichtlich neben diese Abbildung von Salaman- 490 R. Wiedersheim drina diejenige eines Flächenschnittes des Vorderkopfes von Triton taeniatus gestellt Fig. 27). Es springt dadurch die Differenz im Organisationsplane Bei- der sehr in die Augen: dort der derbknochige Abschluss des Schä- _deleavum und die weit nach rückwärts sich erstreckende allseitig von Knochen begrenzte Intermaxillar-Höhle — hier die zarte, binde- gewebige Abgrenzung der beiden Höhlen, wovon die vordere ((%) nur etwa in zwei Dritteln ihrer Länge von Knochen flankirt wird Pmz, Sept, und nach rückwärts zu eine weite Communications- Oeffnung mit den beiden Cava nasalia erkennen lässt. Bei beiden sieht man den Ram. nasalis Trig. r, die hintere Nasenwand durch- bohren und bei Triton alpestris gesellt sich auch noch ein Gefäss (G) hinzu. Die Fig. 113 stellt einen Sagittalschnitt von Salamandrina seitlich vom Cavum intermaxillare dar. Die Nasenkapsel (NA) ist eröffnet und man sieht durch den Orbitalfortsatz (Pf, Pf!) des Prae- frontale einen Drüsenschlauch D *) in dieselbe von der Augenhöhle her eindringen. Ich habe diese Drüse schon früher (l. e.) aufgefun- den, konnte aber damals ihres Ausführungsganges nicht ansichtig werden. Dass eine solche, in die Nasenhöhle eindringende Drüse den verschiedensten allen?) Salamandriden zukommt, habe ich wei- ter oben anlässlich der Beschreibung des Schädels der Salamandrella und Chioglossa erwähnt. — Fig. 115 zeigt, dass auch bei Salaman- drina ein knorpeliges Alisphenoid, wenn auch in mmimaler Form Asc) und von aussen durch Knochensubstanz As) überlagert, vor- handen ist. Nach auswärts aufwärts davon liegt das Trigeminus- Loch Tg), was beweist, dass wir uns auf dem Querschnitt in der Regio prootica befinden. Ein von der Scheitelregion und zwar vom Processus orbitalis derselben ausgehender, nach auswärts und ab- wärts laufender Knorpelfaden A ist mir in seiner Bedeutung nicht klar geworden und erfordert deshalb eine neue Untersuchung. Zum Schlusse will ich noch einmal bemerken, dass allen Trito- nen ohne Ausnahme ein knöchernes Flügelbein zukommt, das in seinem Innern stets einen, wenn auch minimalen Rest einer Carti- lago pterygoidea einschliesst (Fig. 111 Pfe, Fig. 131, 136, 140, 144 Ptc). Zuweilen ist letzterer auch nur in einer Rinne auf der Dorsalseite des Knochens gelagert, stets aber hängt er nach rück- Das Kopfskelet der Urodelen. 491 wärts, genau wie bei den Cryptobranchiaten und den lechriodonten Salamandriden mit dem mehr oder minder entwickelten Quadrat- knorpel ‘Fig. 111) zusammen. Dass der bei den letztgenannten Grup- pen zum Alisphenoid ziehende Fortsatz der Cartilago pterygoidea unter gewissen Verhältnissen bei den Tritonen fehlen kann, ist selbst- verständlich. Die Figur 111, wo an der Stelle As eine derbe Ver- knöcherung aufgetreten ist, liefert ein solches Beispiel. Nachdem ich damit alle Detailverhältnisse des Craniums der Urodelen genau geschildert habe, gehe ich zur Beschreibung des Zungenbein-Kiemenbogen-Apparates über. Der Zungenbein - Kiemenbogen - Apparat. Dieser Theil des Kopfskelets ist viel leichter und bequemer dar- stellbar, als das eigentliche Cranium und darin mag wohl der Grund liegen, dass er von jeher eine eingehendere Berücksichtigung von Seiten der Anatomen erfahren hat. Das beste hierüber existirende Werk entstammt der Feder J. G. FiscHer’s ||. e.), leider verbreitet es sich aber fast ausschliesslich nur über die Phanero- und Cryptobranchiaten und die Salamandriden werden kaum berücksichtigt. Ganz dasselbe gilt für das oben ei- tirte Hyerr’sche Werk über Cryptobranchus, worin die höhere Uro- delengruppe ebenfalls sehr kurz abgespeist wird: Trotz der vorzüglichen Leistungen FıscHer’s sehe ich mich doch genöthigt, noch einmal von unten aufzubauen und auch die beiden niedersten Tribus der geschwänzten Amphibien mit in den Kreis die- ser Betrachtungen zu ziehen. Es ist dies um so mehr angezeigt, als wir hierin den ursprünglicheren Typus dieses Apparates zu er- kennen und somit hier den Schlüssel zu suchen haben, der uns das Verständniss der stark modifieirten Verhältnisse im Kiemenskelet der Urodelen eröffnet. Was zunächst Siren betrifft (Fig. 10 und Fig. 18), so tritt uns hier ein Bogensystem entgegen, das jederseits aus fünf Gliedern besteht, wovon nur drei die in der Mittellinie gelegenen zwei Copu- lae, das Basi-branchiale I u. I Bor J, IT, direct erreichen. Die zwei hintersten und zugleich kleinsten Bögen legen sich nach Art der »falschen« Rippen des Menschen immer nur an das proximale Ende ihrer Vorgänger an (Epbr III, IV). Morpholog. Jahrbuch. 3. 32 492 R. Wiedersheim Die Form des Basibranchiale I stellt einen Doppelkegel oder eine Art Sanduhr dar mit stärkerem Vorder- und schwiicherem Hin- terende; ersteres ist vorn kugelig abgerundet, letzteres quer abge- stutzt. Mehr stabartig und wie ein umgestürztes Kreuz mit schräg gegen die Längsaxe abgebogenen Querarmen erscheint das Basi- branehiale II. Der erste Kiemenbogen, das Hyoideum, oder wie ich ihn mit den englischen Autoren nennen will, das Keratohyale (Fig. 10, 1S KeH), ist weitaus der mächtigste Theil des ganzen Bogensystems ; er artieulirt vorn mit tief ausgehöhlter Gelenkfliche mit dem Basi- branchiale I. schnürt sich dann nach rückwärts stark ein, um sich gleich darauf wieder zu verdicken ; von dieser Stelle an verjüngt er sich ganz allmälig gegen sein Hinterende. Seine Richtung geht anfangs parallel dem Unterkiefer dann aber läuft die Spange hinauf zur Labyrinthgegend, wo sie in eine Parallele mit dem Squamosum zu liegen kommt und schliesslich noch das Hinterhaupt um ein Beträcht- liches überragt (Fig. 18 KeH). Die hier in Betracht kommenden Bandmassen werde ich in zusammenfassender Weise für alle Uro- delen erst bei Abhandlung des Opercular-Apparates beschreiben. Der erste eigentliche Kiemenbogen, das Keratobranchiale I, stösst mit seinem vorderen verjüngten Ende einerseits an die Hinterfläche des Basibranchiale I, andererseits an den vordersten Ausläufer des sehr dünnen Keratobranchiale Il. Beide Keratobranchialia zeigen sich in der Gegend ihres Zusammenstosses mit den zugehörigen Epibranchialia aufgetrieben. Sämmtliehe Epibranchialia bestehen aus Hyalinknorpel und übertreffen die knöchernen Keratobranchialia weitaus an Volum; auch das distale Ende des Keratohyale ist auf eine weite Strecke hyalin. Das vorderste Ende des letzteren, sowie dasjenige des Basibranchiale I besitzt ebenfalls einen knorpeligen Ueberzug, den man vielleicht mit dem Hypohyale (HpH) und dem Basihyale (BsH?) der Fische in eine Parallele stellen darf. Dass sich am Zusammenstoss des Hin- terendes vom Basibranchiale I und den Keratobranchialia I, II knorpelige Apophysen finden, lehrt ein Blick auf die Figur 10. Ohne jegliche knorpelige Elemente bleibt nur das Basibranchiale U. Eingliederig sind somit unter allen Kiemenbogen nur der dritte und vierte, welche durch die Epibranchialia Ill, IV hergestellt werden. An den Kiemen-Apparat von Siren lacertina schliesst sich nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, derjenige der übrigen Phanero- branchiaten, sondern derjenige der Cryptobranchiaten, vor allem der- Das Kopfskelet der Urodeien. 495 jenige von Menopoma und Cryptobranchus an. Beide be- sitzen eine grosse Aehnlichkeit, so dass ich mich darauf beschränken will, nur denjenigen des ersteren zu schildern (Fig. 23). Vor allem imponirt das wahrhaft monströs entwickelte Kerato- hyale (KeH), das nur eine kleine Knocheninsel in seinem proxi- malen Ende einschliesst. Die ganze übrige Masse ist hyalin und besteht aus drei Gliedern 1) dem eigentlichen Keratohyale, 2) dem Hypohyale (HpH) und 3) dem Basihyale (BsH). Letzteres schliesst sich in der Mittellinie eng an das der andern Seite an und erzeugt mit ihm einen nach hinten offenen Winkel. in dem ein klei- nes dreieckiges Knorpelstiickchen eingelassen ist. Ich betrachte dieses als die rudimentiire Copula des Zungenbeinbogens. FISCHER stellt diese Verhältnisse auf seiner Taf. I Fig. 6 wesentlich anders dar, was ich mir nicht erklären kann; möglich, dass bei sehr alten Thieren eine Reduction der Theile eintritt. Die beiden ersten Keratobranchialia und Epibranchialia zeigen in ihrenr Verlauf grössere oder kleinere Knochenzonen, welche auf dem vorderen Paar durch ein Versehen desLithographen durch kei- nen besonderen Farbenton hervorgehoben sind. Die beiden ersten Epibranchialia sind von ihren zugehörigen Keratobranchialia wohl ab- gegliedert und stossen nach vorn an eine breite schippenartige hyaline Copula (Bör T). Nun besitzt Menopoma noch ein drittes, wohl abgegliedertes Keratobranchiale (Fig. 23 JZ) in Form eines kleinen ovalen Knorpel- körpers, welcher sich an die Mitte der nach vorn folgenden Spange anlegt, also ausser Verband mit der Copula getreten ist. Daran schliesst sich das wieder mit einer deutlichen Knocheninsel versehene Epibranchiale III und nach hinten davon folgt das sehr rudimen- tire ganz’ hyaline Epibranchiale IV. Beziiglich der Zahl der Kiemenbogen schliesst sich an Meno- poma Amphiuma tridactylum an (Fig. Su. Fig. 17). Hier ist das säbelföürmig geschwungene, mit einer fadenartigen Knochenzone versehene Keratohyale eingliederig geworden, ein Verhalten, das bei manchen Salamandriden wiederkehrt (Fig. 8, 17 KeH). Ferner existirt bei diesem Thier nur noch ein Keratobranchiale (Kebr 7), welches ganz aus Knochensubstanz besteht und mit seinem zugehö- rigen Epibranchiale I (Zpdr 7) synostotisch verlöthet ist. Nach rückwärts davon liegen drei hyaline, äusserst rudimentäre, nur durch Bindegewebe aneinander geheftete Epibranchialia. Was das Fehlen des Keratobranchiale Il anbelangt, so zeigt sich hierin 32* 494 R. Wiedersheim Amphiuma sogar mehrreducirt, als alleSalamandriden, vor allem Ellipsoglossa und Ranodon (Fig. 66, 68). Dasselbe gilt auch für Proteus und noch mehr für Meno- branchus: bei welch letzterem das bezügliche Bogenstück bis zu jenem mit Aedr II bezeichneten ovalen Knorpelkörper zurückgebil- det ist (Fig. 4). Er legt sich an das vorhergehende Epibranchiale J an und hat somit allen Connex mit der Copula (Bör J) eingebüsst, ein Verhalten, das auch bei Proteus wiederkehrt, obgleich dieses Stück hier in etwas grösserer Ausdehnung (Fig. 19 Kedör II) erhal- ten ist und auch noch mit dem Keratobranchiale I in Contaet tritt. Das kurze Keratohyale besitzt bei Menobranchus an sei- nem distalen Ende noch ein Hypohyale (ZpH), welches seitlich an das Vorderende des Basibranchiale I (Bdr 7) herantritt und sich mit ihm durch Bindegewebe verlöthet. Bei Proteus ist es einglie- derig (Fig. 19 AeH) und noch kürzer geworden als dort. Beiden Molehen kommen nur drei Epibranchialia zu, wovon die zwei letzten an ihrem basalen Ende gabelartig zusammengeflossen sind ‘(Fig. 4, 19 Epér II, III). Proteus unterscheidet sich von Menobranchus hauptsächlich durch die fast alle Theile betreffende Verknöcherung, wobei nur noch die proximalen und distalen Enden in knorpeligem Zustand verharren; auch sind bei diesem Thier die Kiemenbögen, vor allem der erste länger gestreckt und stellen mehr oder weniger rundliche Knochenstäbehen dar, während es sich bei Menobranchus mehr um breite, flach gedrückte Knorpellamellen handelt. Sowohl Menopoma, als Cryptobranchus und Amphiuma besitzen nur die vorderste Copula, nämlich das Basibranchiale I; bei sämmtlichen Phanerobranchiaten findet sich noch ein zweites, das ich bei Siren in seiner Kreuzform schon näher geschildert habe, während ich von den beiden andern Arten noch seine einfach stabartige Form hervorzu- heben habe. Stets ist es wohl verknöchert (Fig. 4, 19 Bör IT) und trägt an seinem Hinterende eine kleine knorpelige Apophyse. Sehr merkwürdig ist ein an der Spitze des Basibranchiale von Amphiuma vorkommender Haufen von 13 kleinen Knorpelstück- chen (Fig. 8 BsH, HpH), die wohl aus einem Zerfall des Basi- und Hypohyale hervorgegangen sind. Den Kiemenbogen-Apparat der Salamandriden habe ich schon früher in meiner Arbeit über Salamandrina mit Beziehung auf die einheimischen Tritonen, die Gattung Salamandra, Salaman- drina und Spelerpes einer ziemlich genauen Berücksichtigung unter- zogen, weshalb ich mich in Vielem darauf beziehen kann. Das Kopfskelet der Urodelen. 495 Damals waren mir die asiatischen Salamandriden noch unbe- kannt und diese nehmen unbedingt die niederste Stellung nieht nur im Bau des Cranium, sondern auch ganz besonders in dem des Vis- ceralskeletes ein. Bevor wir aber zur Schilderung desselben übergehen, werfen wir zuerst einen Blick auf die Larven von Amblystoma, Pleurodeles, Salamandrina, Salamandra und den Tritonen. Allediegenann- ten zeigen in der Anlage des Kiemenkorbes die auffallendste Ueberein- stimmung, insofern es sich überall um die Anlage zweier Basibran- chialia (Bbr J, IT) eines zweigliedrigen, aus Hypo- und Keratobyale bestehenden Zungenbeinbogens (KeH, HpH\, zweier Keratobran- ehialia (Kedr J, IT) und vierer Epibranchialia (Hpbr J—IV) han- delt (Fig. 73). Es stimmt somit der Apparat fast bis ins Einzelne mit demjenigen überein, wie wir ihn bei ausgewachsenen Exemplaren von Siren lacertina (Fig. 10) kennen gelernt haben; die Aehn- lichkeit wird noch vermehrt durch das an seinem Hinterende gabelig sich theilende Basibranchiale I. Letzteres verknöchert sehr früh, schnürt sich bei sämmtlichen Salamandriden von dem ersten Basibranchiale ab, rückt nach hinten und kommt als die von SIEBOLD mit Os thyreoideum bezeichnete Knochenspange an der Schlundwand nach rückwärts in die Nähe des Pericards zu liegen. Am stärksten ausgeprägt finde ich diesen Theil bei Gyrino- philus (Fig. 102 Oth); stets ist er, mag er klein oder gross aus- fallen, gut ossifieirt und besitzt da und dort an seinen lateralen Enden kleine Knorpel-Apophysen (Fig. 75 Oth). Was nun den Kiemen-Apparat von Ellipsoglossa, Ranodon und den zwei Salamandrella-Arten anbelangt (Fig. 66, 65), so stimmen sie beinahe vollkommen miteinander überein. Ueberall han- delt es sich um einen eingliederigen Hyoidbogen, unser Keratohyale (KeH). Es ist dies eine an ihrem zur Labyrinthgegend aufge- krümmten Ende mässig verjüngte, nach vorn zu spindelförmig ver- breiterte Knorpellamelle, welche einen äusseren gewulsteten und in- neren, messerscharfen Rand besitzt. An ihrem Vorderende ist sie tief ausgeschnitten und die zwei Spitzen des Halbmondes ziehen sich bei Ellipsoglossa in zwei zierlich gekrümmte Hörner aus, wovon nur das laterale bei Ranodon und Salamandrella sich ähnlich verhält wie bei jener Art: das mediale ist kaum angedeutet. Das laterale Horn nun zieht sich zu einem langen Knorpelfaden aus, der im Kinnwinkel angelangt nach hinten umbiegt und sich unter Erzeugung einer regel- 495 R. Wiedersheim mässigen Ser- Tour mit dem der andern Seite zweimal kreuzt Fig. 66 o, o), um endlich an der Ventralseite des in zwei Hörner gegabelten Basibranchiale (Bör J*) mit jenem zusammenzufliessen. Der dadurch gebildete Knorpelbogen ist durch straffe Ligamente mit dem Basibranchiale verbunden. Dieser Zusammenfluss von beiden Seiten ist erst im späteren Leben des Thieres erworben und existirt noch nicht bei jungen Thieren, wo jeder Knorpelfaden für sich, wohl getrennt vom andern mit dem Zungenbeinkörper zusammen- fliesst. Die S-Form, welche die Knorpelfäden erzeugen, besteht nur in der Ruhelage und macht, sowie man die Zunge etwas erhebt, einer Parallel-Stellung Platz, wie ich sie bei Ranodon (Fig. 68) und Sala- mandrella immer getroffen habe. Jedenfalls handelt es sich um einen interessanten Mechanismus, der übrigens nur durch genaue Berücksichtigung der betreffenden Muskulatur ganz verstanden werden wird und dazu reichte die mir zugemessene Zeit nicht aus. Das Basibranchiale ist eine hohe, seitlich cgmprimirte Knorpelplatte und zeigt bei Ellipsoglossa und Ranodon ein etwas verschiedenes Verhalten, indem es sich hier an seinem Vorder- ende in zwei viel stärkere, an ihrem lateralen Bezirk zierlich gega- belte Hörner (Fig. 68 5dr I®, theilt, als dort, während andererseits der eigentliche Körper desselben ein geringeres Volum besitzt, und sich nicht in jene zwei starke Schenkel spaltet, womit das zweite Keratobranchiale von Ellipsoglossa (Fig. 66 Bbr I, Kebr II) conti- nuirlich verwachsen ist. Das Keratobranchiale I zeigt sich an seinem Hinterende verjüngt und verbreitert sich nach vorn zu einer starken Knorpelplatte, welche durch einen medialen Fortsatz in transverseller Richtung an der Ventralseite der Copula mit seinem Gegenstück so eng zusammen- stösst, dass sich ohne Anfertigung von mikroskopischen Schnitten, die ich leider unterlassen habe, nicht entscheiden lässt, ob ein con- tinuirlicher Uebergang beider Seitenhälften stattfindet oder nicht. Während alle von mir bis jetzt geschilderten Theile des Kiemen- apparates eine rein hyaline Structur besitzen, tritt plötzlich im Ke- ratobranchiale IL und wie ich gleich hinzufügen will, im Epibran- chiale II eine starke, bei Ranodon (Fig. 68 Kebr II, Epbr IT) viel stärker als bei Ellipsoglossa ausgeprägte Ossification auf. Dies ist um so merkwürdiger, als in allen übrigen Fällen, wo es sich in dem Kiemenapparat der Salamandriden um einen Ver- knöcherungsprocess handelt, letzterer fast ausnahmslos nur den vor- Das Kopfskelet der Urodelen. 497 dersten Kiemenbogen und das Zungenbeinhorn betrifft. Ebenso kön- nen wir bei den zwei niedersten Tribus der Urodelen um*so sicherer auf hyaline Elemente rechnen, je weiter wir in ihrem Bogensystem nach rückwärts gehen (vergl. Siren, Amphiuma ete.). Ausdriicklich betonen möchte ich das bei den asiatischen For- men vorkommende Epibranchiale II'), während uns von einem Epi- branchiale I keine Spur erhalten ist. Diese Thatsache steht unter allen übrigen Salamandriden, von welchen keine mir bekannte Gattung ein Epibranchiale II besitzt, ein- zig da und weist auf eine niedrige Organisationsstufe dieser Thiere, d.h. auf eine nähere Verwandtschaft der- selben mit den Phanero- und Cryptobranchiaten hin. Der in obgenanntem Sinne geschilderte Kiemen-Apparat reiht sich, nach der Abbildung von RATHKE (l. ec.) zu schliessen, an den- jenigen von Dieamptodon ensatus, wo ebenfalls jene vom Vorderende des Keratohyale zum Basibranchiale laufende Knorpel- Spange zu existiren scheint, während von einem zweiten Epibran- chiale nichts zu sehen ist. Die Zunge der asiatischen Urodelen ist keiner grossen Beweg- lichkeit fähig, sie ist nur an ihren beiden Seiten frei und an der Unterfläche längs der Mittellinie festgewachsen. Ihre obere Fläche besitzt genau wie die Zunge der Amblystomen ein radiäres Falten- system und sieht aus wie die Unterseite gewisser Pilze. Der Kiemenapparat der übrigen lechriodonten Salamandriden ist entweder ausschliesslich oder doch weitaus zum grössten Theile hya- lin und darauf berechnet, beim Fassen der Beute die Zunge entweder weit zur Mundhöhle hinauszustossen (alle Spelerpes- Arten) oder da wo sie mit ihrem vorderen Rand im Kieferwinkel befestigt ist, wie z. B. bei Plethodon, Desmognathus u. A. wenigstens rasch umzuklappen. Ich habe den bei Spelerpes fuseus hierbei in Frage kommenden interessanten Mechanismus aufs Genaueste früher schon (l. e.) erör- tert und namentlich auch die Muskulatur mit berücksichtigt. Ich verweise deshalb darauf und will jetzt nur bemerken, dass ich ganz dasselbe Verhalten bei allen Spelerpes- Arten constatiren konnte; immer handelte es sich um die characteristischen, eine enorme Länge besitzenden Epibranchialia I. welche seitlich den Nacken des Thieres umgreifen und mehr oder weniger weit auf den Rücken desselben ') Dasselbe ist bei jungen Exemplaren noch hyalin und scheint überhaupt sehr spät zu verknichern. 498 R. Wiedersheim zu liegen kommen. Dabei ruhen sie in einem mit Fett und Lymphe erfüllten Hohlraum und sind von Ringmuskeln umwickelt, kurz sie verhalten sich ganz wie bei der italienischen Art. Bei dem nicht näher bestimmbaren kleinen Spelerpes aus Mexico, von dem ich oben berichtet habe, überschreiten sie sogar die Suprascapula noch um eine beträchtliche Strecke (Fig. 87): dasselbe ist auch bei andern ameri- kanischen Spelerpes-Arten der Fall. Ungleich kürzer treffen wir sie bei Plethodon ‘Fig. 93), Desmognathus (Fig. 92), Gyri- nophilus (Fig. 102) und Anaides lugubris. Während wir nun bei vielen Spelerpes-Arten, z.B. bei Spelerpes fuseus, dem kleinen Mexicaner, Desmognathus und Gyrinophilus mit Ausnahme des stets verknöcherten Os thyreoideum keine Spuren von Kalksalzen im Hyalinknorpel aufzufinden vermögen, kommen solche bei andern vor und zwar entweder nur spurweise wie im Kerato- branchiale I von Plethodon (Fig. 93 Kebr I) oder auch in etwas stärkerer Verbreitung wie im Basibranchiale desselben Thieres sowie in den unter der Rückenhaut liegenden langen Epibranchialia der verschiedensten amerikanischen Spelerpes-Arten. Sehr grossen Schwankungen, sowohl nach Form, wie nach Grösse, unterliegen die sogenannten »kleinen Hörner« am Vorderende des Basibranchiale. Während sie bei Spelerpes fuscus ganz vermisst werden, treffen wir sie in minimaler Form und zugleich mit dem Basibranchiale innig verschmolzen bei der kleinen mexicanischen Art (Fig. 87 AH); frei abgegliedert und an ihrer Basis etwas verbrei- trert besitzt sie Plethodon glutinosus (Fig. 93 AA). Nach rück- wärts gebogen sind sie bei Desmognathus (Fig. 92 XH) und Anai- des, allwo sie sich übrigens viel stärker verbreitert und an ihren Enden keulig aufgetrieben zeigen. Von ausnehmender Breite ist stets das zur Labyrinthgegend sich aufkrümmende Hyoidhorn (Keratohyale), was namentlich für Ple- thodon und Gyrinophilus aufrecht zu erhalten ist. Bei allen den genannten Gattungen lechriodonter Urodelen steckt die Zunge in einer Scheide. Vergl. den Zungenmechanismus von Spel. fuseus (l. e.) und namentlich die Doppelhüllen des Basibran- chiale, welehe von Seiten der glatten und quergestreiften Muskulatur geliefert werden. Eine merkwürdige Ausnahmestellung nimmt der Zungenbein- Kiemenbogen- Apparat der Amblystomen ein. Auf Fig. 75 habe ich einen solchen von Amblystoma punctatum dargestellt. Nach aus- sen liegt das einen Knochenstreifen tragende, an seiner breitesten Das Kopfskelet der Urodelen. 499 Stelle wie abgeknickte Keratohyale: an seinem Hinterende ist es ab- geschnitten AeH). Das Basibranchiale (Bdr J) ist stark mit Kalk- salzen inerustirt und besitzt ungefähr die Form eines Pokals mit lang ausgezogenem Fuss. Mit letzterem artieulirt das ganz hyaline Kerotobranchiale II und dieses legt sich an das verknöcherte Epi- branchiale I; das mit ihm verwachsene, breite Keratobranchiale ist hyalin. Beide Kiemenbögen gleichen in ihrer äusseren Configuration denjenigen der Gattung Salamandra. Sehr eigenthümlich gestal- ten sich zwei Paare von kleinen Knorpelhörnern am Vorderende des Basibranchiale. Das hintere. einen Knochenkern einschliessende, artieulirt mit der breitesten Stelle des letzteren. Jede Seitenhälfte geht dann nach auswärts vorwärts. gibt eine kleine Seitensprosse (KH *) ab und läuft dorsalwärts durch das Fleisch der Zunge, um endlich wieder umzubiegen und mit der Knorpelspange der andern Seite zu einem ununterbrochenen Knorpelbogen (Sp zusammenzu- - fliessen. Das vordere Paar der kleinen Hömer AH! breitet sich, vom Vorderende des Basibranchiale I ausgehend, nach beiden Seiten flügel- artig aus und wird durch Bindegewebe an den vom hinteren Paar gebildeten Knorpelbogen (Sp) angeheftet. Wenn man mit diesen eomplieirten Formverhältnissen den auf Fig. 73 abgebildeten Kiemen-Apparat einer Amblystomen-Larve ver- gleicht, so geräth man in Erstaunen über die hochgradige Metamor- phose, welcher diese Gebilde unterworfen sind. Die Veranlassung dazu ist jedenfalls in den äusseren Lebensbedingungen, im Kampf ums Dasein zu suchen, denn dass die die Zunge durchwachsende Knorpelspange zu dem Herausklappen des Organs in enger Bezie- hung stehen muss, ist von vorn herein klar. Worin besteht aber nun diese Beziehung? Wird der Zunge dadurch einfach eine festere Stütze oder auch eine elastische Kraft verliehen? Wer will das ent- scheiden ? Eine solche Ringbildung von Seiten der sogenannten kleinen Hör- ner war übrigens auch schon Ducis (Rech. sur lostéologie et la myologie des Batraciens) bei den Tritonen bekannt. Man vergleiche damit auch die Abbildung von Triton alpestris in meiner oft eitirten Arbeit. Es liegen hier wenn auch nicht dieselben, so doch ganz ähnliche Verhältnisse vor, über deren allmäliges Zustandekommen nur ein aufmerksames Studium der Entwicklungsgeschichte Aufschluss geben kann. In Figur 89 und 91 gebe ich die Abbildung des Kiemen-Appa- 500 R. Wiedersheim rates von Triton viridescens und torosus. Ersterer besitzt ein, letzterer zwei Paare von kleinen Zungenbeinhörnern. Man sieht. dass die in schwarzem Ton gehaltenen Kalksalze bei Triton virides- cens (Fig. 89) eine viele grössere Verbreitung erfahren und dass bei beiden eine Verwachsung der hinteren Enden des Keratobran- chiale I und II eintritt. Schliesslich bemerke ich noch, dass Chioglossa lusitanica fast bis in’s Einzelne mit dem von mir schon früher ausführlich geschil- derten Verhalten von Salamandrina übereinstimmt; hier wie dort handelt es sich nur im Basibranchiale um Deposition von Kalksalzen, im Uebrigen bleibt Alles hyalin. Der Opercular-Apparat. Sämmtliche Urodelen besitzen bekanntermassen an der dem Saceulus entsprechenden äusseren oder unteren Seite des Labyrinthes eine grosse ovale, oder rundlich ovale Oeffnung, welche in das Innere der genannten Höhle hineinführt. Es ist dies die Fenestra ovalis der Autoren und längst weiss man, dass dieselbe von einem deckelartigen Gebilde aus Knorpel- oder Knochensubstanz , oder auch aus beiden Elementen verschlossen wird. Letzteres wurde daher mit dem Na- men Opereulum oder Columella belegt und in functioneller, wie morphologischer Beziehung mit dem Stapes der höheren Wirbél- thiere in eine Parallele gestellt. Was seine Genese anbelangt, so wurde dieselbe, wie es scheint, in der Ordnung der Urodelen bis dato nicht genauer studirt und so ist es beinahe traditionell geworden, die bei der ungleich besser’ studirten Entwicklungsgeschichte der Anuren über den Schallzuleitungsapparat gewonnenen Resultate ohne Weiteres auch auf die Urodelen auszudehnen. Darauf beruht die in die verschiedensten Abhandlungen und Lehrbücher übergegangene Behauptung: »das Operculum der Urodelen hat sich vom Hyoidbogen abgeschniirt.« Nach meinen Erfahrungen nun muss ich diesem Satz entschieden widersprechen. Ich habe zwar, wie ich noch einmal ausdrücklich erwähnen will, keine ausgedehnteren Studien über die. Entwicklungsgeschichte des Urodelenschiidels im Allgemeinen ange- stellt, aber riicksichtlich des genannten Punctes kann ich mit voller Sicherheit behaupten, dass es mir in keinem Entwicklungs- stadium von Triton alpestris und Amblystoma gelungen Das Kopfskelet der Urodelen. 501 ist, Beziehungen zwischen dem oberen Ende des Hyoid- bogens und der Labyrinthwand in obgenanntem Sinne nachzuweisen. Was ich über die Entstehung des Operculum be- obachtete, ist Folgendes: Kurz nach Verschmelzung der Parachordal- Elemente mit den Gehörblasen sieht man am äusseren Rand ihrer Unterfläche eine ringförmige Zone auftreten, welche bei genauerem Studium sich als eine eireuläre Verdünnung der Knorpelwand her- ausstellt. Letztere schreitet immer weiter fort und schliesslich hat sieh eine rundlich-ovale Knorpelscheibe aus der Labyrinthwand (Fig. 6 Fov, Op) herausgeschnürt, ein deutlicher Beweis, dass das Operculum der Urodelen ontogenetisch nicht vom Kiemen-Apparat, sondern von der &ehörkapsel selbst herzuleiten ist. Seine Verbindung mit den gleich zu besprechenden Bandmassen oder Knorpelspangen erfolgt erst secundär. Wie ich nachträglich sehe, ist auch PARKER zu ganz Ähnlichen Resultaten gelangt. Was nun zunächst den Menobranchus betrifft, so habe ich auf Fig. 2 (Op) das mit einem deutlichen Stiel und auf seiner Unter- fläche mit einer Knorpelplatte versehene Operculum dargestellt, die Bandmassen aber weggelassen, da dieselben schon von Huxtey (I. e.) auf's Genaueste beschrieben und abgebildet worden sind. Es handelt sich dabei um ein starkes, vom Stapes zur Mitte des Hinterrandes vom Suspensorium sich erstreckendes Ligament »L. suspensorio-stapediale«. Derselbe Punct des Suspensorium ist mit der Stelle des Keratohyale dureh ein Band verbunden, wo dessen oberes Drittel mit dem mitt- leren zusammenstösst. HUuxLEY nennt dieses »L. hyo - suspenso- riale«. Endlich existirt noch ein Ligament, ‘dass sich von dem genannten Puncte des Hyoidbogens zum Winkel des Unterkiefers erstreckt; das ist HuxLey's »L. mandibulo-hyoideum« (Interopereular- Element der Teleostier). Somit können wir nach dem Vorgange Hasse’s |]. e.) am Schä- del des Axolotl auch bei Menobranchus drei Abtheilungen an der Columella unterscheiden. eine hyaline, knöcherne und ligamentöse »pars interna, media, externay. Ganz dasselbe gilt auch für Proteus, wo wir auf Fig. 19 die im Verhältniss zum Schädel sehr grosse Opereular-Platte (Op) mit dem Ligt. suspensorio-stapediale (Prop) deutlich wahrnehmen. Ebenso besitzt der Schädel ein starkes aber sehr kurzes und hier (im Gegensatz zu Menobranchus) zur knorpeli- 502 R. Wiedersheim gen Spitze des Keratohyale gehendes Ligt. hyo-suspensoriale (Bd) und endlich existirt auch noch ein Ligt. mandibulo-hyoideum (Bd). Sehr verschieden davon zeigen sich die Verhältnisse bei Siren lacertina, wo sich keine Spur von Knochensubstanz in der Colu- mella findet; letztere wird vielmehr nur durch einen hyalinen mützen- förmigen Knorpel (Fig. 12 Op) dargestellt, welcher auf einem kup- pelförmig aus der Pars cartilaginea des Labyrinths vorspringenden Postament aufsitzt. Seine Richtung geht nicht wie bei den andern Phanerobranchiaten und den meisten übrigen Urodelen nach vorn, sondern nach aussen und hinten. Von einem zwischen der an ihrer Oberfläche wie glatt polirten Columella und dem Suspensorium aus- gespannten Band kann man bei Siren lacertina nicht reden, wohl aber trifft man eine starke Bindegewebsmembran, welche in dem Rahmen zwischen dem Hinterrand des Suspensorium, dem Oberrand des knorpeligen Theiles vom Hyoid und der Aussenfläche des Laby- rinths vorhangartig ausgespannt ist. Vergl. die Abbildung 18, um wenigstens die Grenzen der genannten Membran, welch letztere selbst sammt der Columella ausgeschnitten ist, nach der Beschreibung ab- stecken zu können. Ein eigentliches Band, in Form eines fibrösen Stranges, sehe ich von der Stelle des Zusammenstosses der Pars ossea und cartilagi- nea des Keratohyale zu dem schon früher beschriebenen hinteren Fortsatz des Quadratknorpels (Fig. 11, 12, 18 HF) sich erstrecken. Es entspricht dem Ligt. hyo-suspensoriale von Menobranchus. Auch bei Amphiuma existirt keine ligamentöse Vereinigung zwischen Suspensorium und Columella; sie ist hier dadurch unnöthig geworden, dass das cartilaginöse Operculum (Fig. 9 Op) zu einem kurzen ebenfalls knorpeligen Stiel auswächst (Prop), welcher sich an die benachbarte Innenfläche des Suspensorium (Qw) anstemmt und sich innig mit ihr verlöthet. Ein Ligamentum hyo-suspensoriale (Fig. 17 B!) ist vorhanden. Sehr leicht sind die betreffenden Verhältnisse bei Menopoma darstellbar. Auch hier (Fig. 233— 25) handelt es sich um kein eigentliches Suspensorio -stapediales Ligament, indem sich von der spitz kegelförmigen, gut ossifieirten Columella (Op) eine bogig ge- krümmte Knorpelspange (Prop) in dem Winkel ausspannt, den die hintere Circumferenz des Suspensorium mit der äusseren Labyrinth- wand erzeugt. Jene Knorpelspange schiebt sich auf die Dorsalseite des Quadratknorpels und verbindet sich dort mittelst kurzer, starker Bindegewebsfasern an der Unterfläche des Squamosum. Alles dies Das Kopfskelet der Urodelen. 503 liegt erst vollkommen klar, wenn man das gerade an dieser Stelle stark ausgedehnte und deshalb den Einblick störende Ligt. hyo-sus- pensoriale (Fig. 23 B!) entfernt oder so wie es auf der Abbildung dargestellt ist, mit der Scheere an seinem oberen Rand theilweise abgetragen hat. Erwähnenswerth ist noch das ausserordentlich starke Ligt. mandibulo-hyoideum (2). Was den Axolotl anbelangt, so hat Hasse |]. e.), wie oben bemerkt, hierüber sehr schöne Untersuchungen angestellt, auf die ich hiermit verweise. Während die ganz junge Larve (Fig. 6 Op) einen nur undeutlich vom Petrosum abgeschnürten hutförmigen Deckel auf der Fenestra ovalis sitzen hat, sehen wir denselben beim erwachse- nen Thier gut ossifieirt und zugleich mit einem deutlicheren Stiel versehen (Fig. 31, 44 Op). Daran befestigt sich das zum Suspen- sorium ziehende Ligament (Prop). Bei Amblystoma punctatum sehe ich die Columella (Fig. 77 Op) unverknöchert. Ganz ähnlich wie bei Amphiuma gestalten sich die Verhält- nisse bei Ellipsoglossa, Ranodon und den beiden Salaman- drella-Arten (Fig. 64, 65, 69, 70). Die Columella ist hier auf- fallend gross und zu einem hohen Knochenkegel (Op) ausgewachsen. Letzterer ist wie überall an seiner dem Sacculus zuschauenden basa- len Fläche mit Knorpel überzogen und deckt die unterliegende Pars cartilaginea ossis petrosi entweder nahezu vollständig (Ranodon) oder lässt neben sich noch eine grosse Fläche derselben frei zu Tage treten (Ellipsoglossa). Nun ist die bei Amphiuma und überhaupt bei den Cryptobranchiaten schon angebahnte Verschiebung des Suspensorial-Apparates in die transverselle Richtung bei diesen Thie- ren noch weiter gediehen, so dass eine ligamentöse Verbindung zwi- schen jenem und der Columella ebenso unnöthig, oder noch unnöthi- ger erscheint als dort. Demgemäss ist auch von keinem Band mehr die Rede, sondern das äussere Ende der Columella lehnt sich in voller Breite an einen von der hinteren Circumferenz des Quadrat- knorpels ausspringenden Fortsatz Prop) und verschmilzt mit dem- selben ohne jegliche Intervention von Bindegewebe. Dass auch ein Ligamentum hyo-suspensoriale besteht, habe ich schon oben erwähnt, will aber hier noch hinzufügen, dass dasselbe von der Spitze des hoch heraufgekrümmten Keratohyale ent- springt, um wenige Millimeter nach seiner Entstehung in den na- mentlich bei Ellipsoglossa sehr langen Knorpelfaden an der Hinter- fläche des Quadratum überzugehen. Ob im Larvenzustand vielleicht 504 R. Wiedersheim eine continuirliche Knorpelverbindung zwischen Keratohyale und Quadratum besteht kann ich nicht entscheiden, es scheint mir aber nieht unmöglich. f Endlich noch ein Wort über die Columella von Salamandra (Fig. 72 Op). Sie ist hier zeitlebens knorpelig und ruht, durch Bindegewebe aufgehängt, in dem von zwei dicken, wulstigen Lippen eingefassten Foramen ovale. Diese Lippen nun ziehen sich nach vorn und aussen in einen dünnen Knorpelstiel (Prop) aus und die- ser hängt mit der Cartilago quadrata zusammen — eine merkwür- dige Variation der oben geschilderten Verhältnisse. Es gilt ein für allemal als Regel, dass der Facialis bei allen Urodelen ohne Ausnahme seinen Weg über die suspensorio-stapediale Verbindung nach aussen nimmt, mag nun letztere aus fibrösem Ge- webe oder aus Knorpel bestehen. (Vergl. Fig. 24 Fue.) % a Allgemeiner Theil. Uebersichtliche a Sa es und weitere Betrachtungen. An der Hand der oben mitgetheilten, fast auf alle Gattungen der geschwänzten Amphibien sich erstreckenden Untersuchungen lässt sich ein Ueberblick über den dem Kopfskelet resp. dessen drei Hauptbezirken, des petroso-occipitalen, des orbitalen nnd des naso- ethmoidalen derselben zu Grunde liegenden Organisationsplan ge- winnen. Letzterer stellt sich in seinen Hauptzügen als ein einheit- licher heraus und fordert deshalb zu dem Versuche auf, durch lo- gische Verknüpfung der gefundenen Thatsachen die einzelnen Schä- delformen in gesetzmässiger Reihenfolge auseinander zu entwickeln. Es wird diese Aufgabe ihre Lösung finden, nachdem wir zuvor einen topographischen Ueberblick über die einzelnen Regionen des Schä- dels gewonnen und ihre einzelnen Componenten auf ihre morpho- logische Bedeutung hin näher geprüft haben werden. Ausgehend von der Regio petroso-oceipitalis der Phanero- und Cryptobranchiaten finden wir hier den Primordialschädel in grösster Ausdehnung erhalten. Die in Betracht kommenden Ossi- ficationszonen sind in eine vordere prootische und eine hintere opis- thotische deutlich geschieden. In letzterer haben wir zugleich das Das Kopfskelet der Urodelen. 505 Oeeipitale laterale zu erblieken. Ihre Beziehungen zu der Trigemi- nus- und Vagus-Gruppe sollen später deutlich gemacht werden, für jetzt nur so viel, dass zwischen diesen beiden Nerven die Labyrinth- kapsel eingeschoben liegt. Die Verknöcherung ist perichondrostotischer Natur, worunter und zwischen welcher sich die Gehörkapseln gröss- tentheils in knorpeligem Zustand erhalten zeigen. Sie liegen als solche zum grossen Theil unmittelbar unter den betreffenden Mus- keln und dem äusseren Integument und besitzen an dem hyalinen Theil ihrer Aussenfläche eine die Fenestra ovalis verschliessende knor- pelige oder knöcherne Columella. Beide Labyrinthblasen stehen durch eine mehr oder weniger breite Knorpelplatte sowohl basal- als dorsalwärts in Verbindung. Ich will diese beiden Commissuren mit dem Namen basi- und supraoceipitale Knorpelplatte bele- gen und will noch bemerken, dass die obere überdies dureh die beiden zusammenstossenden Labyrinthknochen gedeckt sein kann. Knöcherne Bogengänge sind nirgends vorhanden. Bezüglich des Besitzes zweier Articulationsflächen für das Quadratum an der Re- gio prootica macht nur Menopoma eine Ausnahme. Bei Proteus haben die beiden Ossificationszonen an Ausdehnung gewonnen und der sie noch trennende Knorpelgürtel ist dem ent- sprechend bedeutend reducirt. An dieses Verhalten schliessen sich die asiatischen Formen der lechriodonten.Salamandriden an, während alle übrigen Gattungen dieses Tribus ein- vollkommen geschlossenes gut ossifieirtes Labyrinth besitzen, an dessen Aussen- oder Unter- fläche man ebenfalls eine Columella unterscheiden kann. Die basi- und supraoceipitalen Knorpelplatten sind bei den lechriodonten Sala- mandriden noch in grösster Ausdehnung vorhanden, bei den meco- donten mit Ausnahme von Salamandra stark reducirt, aber nie ganz fehlend. Die prootische Gegend springt stets deutlich hervor und trägt wie bei den niedersten Urodelen- Formen zwei Gelenkflächen für das Suspensorium. Fast ausnahmslos finden sich stark vorsprin- gende, knöcherne Bogengiinge, die bei Batrachoseps, Salamandra und Salamandrina ihre Maximal-Entwickelung erfahren. In seltenen Fäl- len kann zwischen Regio prootica und dem Parasph. eine Synostose eintreten (Desmognathus und Salamandrina, Dicamptodon?). Bei vielen kommt es auf der Oberfläche der knöchernen La- byrinthkapsel zur Entwicklung von starken Leisten und Höckern, von welchen die Kaumuskeln entspringen. Je mehr wir von den niederen Urodelen nach oben gehen, ‚desto mehr begegnen wir einem Bestreben der dorsalen Labyrinth- 506 R. Wiedersheim fiche. sich von den benachbarten Deckknochen d. h. von den Pa- rietalia und dem Spuamosum frei zu machen und eine Lage direct unter der Kopfhaut zu gewinnen. Zugleich rundet sich die Regio opisthotica, welche bei den Phanerobranchiaten spitz vorspringt und den am weitesten nach hinten liegenden Schädelbezirk bildet, immer “mehr ab ‘Menopoma, lechriodonte Salamandriden) und erst bei den Tritonen finden sich wieder Anklänge an die niedersten Urodelen. Nach unten ruhen die Gehörkapseln aufdem breiten Parasphenoid, welches bei den Phanerobranchiaten nach vorn bis zur Praemaxille sich erstreckt und somit nicht allein den Boden des Cavum cranii bildet, sondern auch die Regio nasalis mit constituiren hilft. Dieser Knochen zeigt bei den zwei niedersten Tribus sowie auch bei den lechriodonten Urodelen kaum Andeutungen einer Grube fiir den Hirnanhang, während eine solche allen Tritonen ohne Ausnahme zuzukommen scheint. — In der Labyrinthgegend wird das Schädelrohr von oben her durch die Scheitelbeine geschlossen, zwei breite platte Knochen, welche um so mehr an Ausdehnung verlieren je weiter wir uns, in der Urodelenreihe nach oben gehend, von den Phanerobranchiaten entfernen. Was nun diese Knochen an Umfang verlieren, wird durch die immer mehr zur Entfaltung kommenden Frontalia wieder herein- gebracht. Zwei Fortsätze der Parietalia sind es, die unser Interesse im allerhöchsten Maasse in Anspruch nehmen, nämlich der am Aufbau der äusseren Schädelwand sich betheiligende Processus orbitalis und der den lateralen Rand des Os frontale flankirende, an der oberen Cireumferenz der Augenhöhle gelegene Processus externus. Was zunächst den letzteren anbelangt, so begegnen wir ihm in grösster Aus- dehnug bei Siren und Menobranchus; schon etwas schwächer wird er bei Proteus und den Cryptobranchiaten getroffen. Noch mehr zurück- gebildet ist er bei den niedersten Formen der lechriodonten Salamandri- den nnd bei allen übrigen Arten dieser Tribus scheint er nur noch im Larvenstadium |vergl. den Axolotl) zur Entwicklung zu gelangen, um dann weiterhin zu verschwinden. Spuren davon finden sich auch noch bei ausgewachsenen Exemplaren von Batrachoseps und Sa- lamandra. Im Gegensatz dazu vererbt sich der orbitale Fortsatz des Scheitelbeins und, wie ich gleich hinzufügen kann, des Stirnbeins durch die ganze Reihe der Molche fort bis hinauf zu den Tritonen und zu Salamandrina. Dabei ist die merkwürdige Thatsache zu constatiren, dass die kräftigste Entwicklung desselben gerade bei den beiden äussersten Gliedern der Formenkette getroffen wird, also. Das Kopfskelet der Urodelen. 507 bei den Phanerobranchiaten einer- und den Tritonen und Salaman- drina andererseits. Die dazwischen liegenden Gattungen der lech- riodonten Salamandriden besitzen diese Bildung entweder gar nicht oder doch nur in kaum nennenswerthen Spuren. Bei weitem die kräftigste Entfaltung derselben treffen wir bei Menobranchus, wo die betreffende Knochenplatte bis herab zum Parasphenoid sich er- streckt und somit eine Duplicatur für den hier ganz hyalinen Tra- bekel bildet. Daraus folgt, dass bei diesem Molch fast das ganze Schiidelrohr einzig und allein von Deekknochen gebildet wird und zwar unten vom Parasphenoid, oben und seit- lich vom Parietale: weiter nach vorn tritt auch noch das Frontale in die Bildung des Daches ein und in der Nähe des Foramen olfactorium wird das Schädelcavum all- seitig nur noch von den ganz absonderlich gestalteten Vorderenden der Stirnbeine umschlossen. Dahin gehört auch das Verhalten von Amphiuma, wo sich am Aufbau der seit- lichen Schädelwand ausser den oben bezeichneten Deckknochen auch noch das Vomero-palatinum betheiligt; jedoch auch bei diesem Thier existirt eine Stelle, wo das Cavum cranii einzig und allein von den Stirnbeinen gebildet wird. Abgesehen davon ist das Frontale schon deshalb einer der aller- interessantesten Schädeltheile, weil von den niedersten Formen her- auf an seinem Vorderende das Bestreben zu beobachten ist, für jenen Knochen vicarirend einzutreten, den man in der höheren Wirbelthier- welt mit Os ethmoideum bezeichnet. Ich will damit nicht sagen, dass sich für letzteren im Urodelenschädel kein Homologon finde, aber es ist doch immer im Auge zu behalten, dass er häufig kaum angedeutet oder rückgebildet, oder auch ganz verschwunden ist. Bleiben wir hierbei einen Augenblick stehen und constatiren, dass bei Menobranchus und Proteus in der Nähe der Schnau- zenspitze ein Zusammenfluss der beiden Trabekel zu der von mir so genannten unpaaren, ethmoidalen Trabekularplatte erfolgt. Letz- tere, die bei den genannten Molchen eine sehr depresse, kuchen- artige Configuration zeigt, hat sich bei Siren erhoben und zugleich weiter vom Vorderende des Schädels zurückgezogen. Durch letzte- ren Umstand findet gegenüber von den andern Phanerobranchiaten eine bedeutende Verkürzung der Schädelhöhle statt. Zugleich ist hier eine ausgedehnte Ossification der seitlichen Schädelbalken ein- Morpholog. Jahrbuch. 3. 33 508 R. Wiedersheim getreten und letztere stossen nach vorn zu in der Mittellinie bis auf einen kleinen Zwischenknorpel zusammen, so dass bei Siren nicht viel zur Herstellung einer Lamina cribrosa ossea fehlt. An der Stelle der Convergenz beider Trabekel bricht nämlich der Olfactorius durch letztere hindurch in die Nasenhöhle, ein Verhalten, das wir bei Menopoma und Cryptobranchus, sowie bei der Gattung Ranodon, Spelerpes, Salamandra und Chioglossa wieder- kehren sehen und das uns auch bei den verschiedensten Amblysto- men-Larven (Axolotl) entgegentritt. Bei andern Salamandriden stellt sich die Sache etwas anders. Wenn sich auch hier die beiden Schiidelbalken in der Mittellinie vereinigen, so geschieht dies nur in Form einer niederen ethmoida- len Trabekularplatte, welche basalwärts zwischen beiden Nasenhöh- len liegend nach oben zu einem Nasen-Septum auswächst, das nie- mals eine Dicke erreicht, wie sie nöthig wäre, um das Cavum era- nii vom Cavum nasale so abzuschliessen, wie dies bei den obgenannten Urodelen der Fall ist. Ich habe dies fälschlicherweise früher so aufgefasst, was auch von Born (l. e.) neulich mit Recht gerügt wor- den ist. Jetzt kann ich es mit voller Sicherheit aussprechen, dass der vordere Schädelabschluss bei vielen Molchen (Tritonen, Salamandrella, Plethodon , manche Spelerpes- Arten, Desmognathus, Anaides |?]) durch eine Bindegewebsmembran und nicht durch Hyalinknorpel zu Stande kommt. Auch Born hat dies für die Tritonen ausdrücklich hervor gehoben. Obgleich nun bei Menobranchus und Proteus, wie oben bemerkt, ebenfalls nur eine sehr dünne ethmoidale Trabekularplatte existirt, so findet hier doch das Schädeleavum keinen membranösen Abschluss, sondern die Frontalia treten durch eine merkwürdige Con- figuration ihrer Vorderenden dafür ein und sie selbst sind es, durch welche der Riechnerv in das Cavum nasale ge- langt. Somit begegnen wir hier zum erstenmal dem Bestreben des Frontale, sich am Abschluss des Cavum ceranii nach vorn zu bethei- ligen, ein Verhalten, das uns in sehr merkwiirdiger und einzig da- stehender Art und Weise bei Amphiuma wieder entgegentritt. Hier erzeugt nämlich jedes Stirnbein an seinem Vorder- ende eine bis zur Schädelbasis reichende und mit der- jenigen der andern Seite eng zusammenstossende Kno- chenzwinge, dureh welche der Riechnerv in die Nasen- höhle gelangt. Dass sich derselbe Knochen auch am Aufbau - Das Kopfskelet der Urodelen. 509 des hintersten Abschnittes vom Septum nasale betheiligt, habe ich früher zur Genüge dargethan. Eine auch bei den höheren und höchsten Gattungen der Urodelen wieder auftretende Beziehung der Frontalia zum Vomero-palatinum !) konnten wir bei Menopoma notiren. Beide stehen hier durch senkrecht auf- resp. absteigende Fortsätze in direeter Berührung, was am meisten an den amerikanischen Triton viridescens und Salam. persp. erinnert, wobei aber zu bemerken ist, dass bei letzterem Thier ausserdem noch ein Paar Hakenfortsätze vorkommt, welche sich bis zur Oberfläche des Parasphenoids nach abwärts krümmen und so einen vollkommen knöchernen Schädelabschluss nach vorn erzeugen. Dieses Verhalten tritt nicht plötzlich und unvorbereitet zu Tage, was uns ein Blick auf die von mir so genannte Crista ethmoidalis an der Unterfläche der Frontalia beweist. Wir begegneten ihr zum erstenmal bei Menopoma, von wo aus sie sich durch die ganze Reihe der Salamandriden bald unter stärkerer bald unter schwächerer Aus- prägung fortvererbt, bis sie endlich bei den Tritonen jene Stärke der Entwicklung zeigt, welche zu Salamandrina hinüberführt. Das Foramen olfactorium ist bei diesem Molch oben und einwärts be- grenzt vom Frontale, unten vom Vomero-palatinum, und aussen vom Trabekel. Aus alle dem geht hervor, dass das Frontale eine gewaltige Rolle im Aufbau des Schädels spielt, und dass es unter den allerverschie- densten Modificationen seines vorderen Endes einerseits das Cavum eranii zum Abschluss zu bringen, andererseits sich am Aufbau einer Art von Lamina cribrosa zu betheiligen resp. dieselbe einzig und allein durch seine eigene Masse darzustellen vermag. Das soeben betonte, allmälige Zustandekommen des vorderen Schädelabschlusses bei Salamandrina bringt mich noch auf einen andern Punct, woraus man ebenfalls aufs Deutlichste erkennt, wie der Entwicklungsgang der Thierformen ein sehr allmäliger, oft mit den unscheinbarsten Aenderungen beginnender ist. Ich meine das Auftreten jenes Bogens zwischen dem Os frontale und dem squamo- sum bei den höchsten Formen der Urodelen. Schon in meiner Ar- beit über Salamandrina habe ich darauf hingewiesen, damals aber wusste ich noch nicht, dass die ersten Anfänge schon bei den lech- riodonten Salamandriden vorliegen und zwar in Form jener kleinen ') O0. Hertwic spricht Menopoma und Plethodon kein Vomero-palatinum, sondern nur einen Vomer zu. 33* 510 R. Wiedersheim am hintersten Ende des Aussenrandes vom Frontale vorragenden Knochenspitze (Desmognathus). Nicht geringes Interesse erregt der allmälige, durch immer stär- kere Betheiligung von Seiten der Knochen des Vorderkopfes sich manifestirende Aufbau der Nasenhöhle. Ausgehend von Menobranchus und Proteus fanden wir hier die Riechsäcke in knorpelig-häutigem Zustand unmittelbar unter dem äusseren Integument gelagert und nicht bedeckt von einem Os nasale, maxillare und praefrontale (lacrimale) , welche Knochen bei diesen Molchen noch gar nicht zur Entwicklung kommen. Bemer- kenswerth ist die Lage des Riechorgans seitlich vom vordersten Abschnitte des Schädelrohres, was an das Verhalten gewisser Sela- chier erinnert: dieses tritt bei Siren lacertina schon etwas in den Hintergrund, indem sich die Knorpelblasen, welche auch hier noch von keinen Deckknochen überlagert werden, mehr vor das Ca- vum cranii hingeschoben haben. Noch mehr ist dies der Fall bei den Cryptobranchiaten, bei welchen schon ganz dieselbe Zahl der Deckknochen, wie bei den höchsten Urodelen als äusseres Schutz- mittel der Riechhöhlen in Frage kommt. Am vollständigsten liegen letztere bei Amphiuma von den Knochentafeln bedeckt, während ihr Knorpelgerüst bei Menopoma und Cryptobranchus noch grösstentheils frei zu Tage tritt. Es erinnert dies an die Larven (Axolotl) der Salamandriden, von welchen manche auch im erwach- senen Zustande noch ein ähnliches Verhalten zeigen (Ranodon, Sala- mandrella u. A.). Das bei der Nasenkapsel in Frage kommende Knorpelgerüst geht, wie ich schon im entwicklungsgeschichtlichen Theil dieser Ar- beit hervorgehoben habe, von den Trabekeln aus, ist als eine Wu- cherung derselben zu betrachten. Der Verband mit den letzteren wird entweder vollkommen gelöst (Menobranchus, Proteus) oder er bleibt das ganze Leben bestehen (alle übrigen Urodelen). Wäh- rend wir nun im fötalen Alter (Axolotl) fast die ganze Nasenhöhle von Hyalinknorpel ausgekleidet sehen, betheiligt sich im erwachse- nen Zustand an ihrem Aufbau eine grosse Menge von Bindegewebe, welches namentlich am Boden derselben eine bedeutende Ausdehnung gewinnt. -Doch findet es sich auch am Dache und an andern Stel- len, wie dies von Born vom Triton eristatus in sehr anschau- licher Weise beschrieben und abgebildet worden ist. Schon bei den Cryptobranchiaten (Amphiuma) begegnen wir einer sehr spärlichen Entwicklung des Knorpelgerüstes, was sehr auffällig ist, wenn man Das Kopfskelet der Urodelen. 511 die im übrigen Organisationsplan sich ausprägende niedere Stufe des Thieres in Erwägung zieht. Am Nasengerüst der verschiedensten Urodelen finden sich Fort- sätze, welche theils im vordersten, theils im hintersten Bezirke des- selben ihren Ursprung nehmen, und einerseits zur Stütze des Zwi- schenkiefers dienen, andererseits in der medianwärts gehöhlten Maxilla superior eingelagert sind. Eine von den niedersten bis zu den höchsten Typen sich fort- vererbende Bildung ist der vom Trabekel entspringende Gaumen- oder Antorbitalfortsatz. Derselbe steht entweder vom Schädel ab oder fliesst mit der Nasenkapsel continuirlich zusammen; stets aber umschliesst er die Choane von unten her. Auffallend bleibt, dass er gerade bei einer so niederen Form wie Menobranchus sich von seinem Mutterboden losgerissen hat und nur durch eine Bindegewebslage damit verbunden bleibt. Bei Siren zeigt er sich zum grossen Theil stark verknöchert und ist vom Ca- vum cranii her ausgehöhlt. Interessant ist das Auftreten einer ‘gut ausgebildeten Nasen- muschel bei Plethodon und manchen Spelerpes-Arten. Dahin ge- hört vielleicht auch der von Born beschriebene Wulst an der Aussen- wand des Cavum nasale der Tritonen (?). Eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit tritt uns im Aufbau jenes Knochen- oder Knorpelgerüstes resp. jenes Raumes entgegen. den Born mit dem passenden Namen »Internasal-Raum« belegt hat. Bei Menobranchus und Proteus liegen in dieser Beziehung ganz eigenthümliche Verhältnisse vor, an welche sich diejenigen der übrigen Urodelen nicht so ohne Weiteres anzureihen scheinen. Es handelt sich hier nicht um eine eigentliche Nasenscheidewand, son- dern der ganze Vorderkopf ist es, welcher sich zwischen beide Nasenblasen einschiebt. Es hat dies auf den ersten Blick etwas sehr Auffallendes, jedoch verlieren die beiden Thiere viel von ihrer Ausnahmestellung, wenn man in Erwägung zieht, welches die den Vorderkopf zusammen- setzenden Schädelelemente sind. Es kommt nämlich hierbei in Be- tracht: die ethmoidale Trabekular-Platte, der Zwischenkiefer, die Stirnbeine und die Pflugschaar, also genau dieselben Knochen, welche sich bei allen Urodelen ohne Aus- nahme am Aufbau der Regio internasalis betheiligen. Ja die Uebereinstimmung tritt noch klarer hervor, wenn man vollends an einer bestimmten Stelle, nämlich auswärts von der 512 R. Wiedersheim ethmoidalen Trabekular-Platte einen Zusammenstoss zwischen Fron- tale und Vomer constatiren kann. Auch auf jene zwischen den auf- steigenden Schenkeln der Praemaxille und der Dorsalfläche des Vo- mer liegende, dicht verfilzte Bindegewebsmasse möchte ich die Auf- merksamkeit lenken, da sie sich an jenem Puncte des Schädels befindet, wo uns bei allen Salamandriden ohne Ausnahme ein Hohl- raum entgegentritt, in dem die von mir so genannte Intermaxil- lar-Drüse (»Kieferdrüse«: Leypie) ihre Lage hat. Hiervon konnte ich weder bei irgend einem Phanero- noch Chryptobranchia- ten etwas entdecken und will, weil ich dieses Organ aus verschie- denen Gründen für sehr wichtig erachte, später noch einmal aus- führlicher darauf zurückkommen. Was Siren lacertina anbelangt, so ist, wie ich früher schon bemerkt habe, die Regio nasalis ebenfalls sehr von Knochen ent- blösst, und wo solche vorkommen, sind sie sowohl auf der Dorsal- als Ventralseite gegen die Mittellinie gerückt. Auf der ersteren liegen die zwei von der Schnauze kommenden schmalen Knochenlamellen, wovon ich die eine für das Praemaxillare erklärt habe. Beide lie- gen nach rückwärts in einer Furche des Frontale eingefalzt. An der Ventralseite erscheint der spitze Schnabel des Parasphenoids und unter diesem der Vomer. : Zwischen die letztgenannten Knochen und diejenigen der Dorsal- fläche schiebt sich nun die einen massiven Knorpelzapfen repräsen- tirende ethmoidale Trabekularlamelle ein und trennt beide Knochen- lagen vollkommen von einander, so dass man hier nicht von einem Zusammenstoss des Stirnbeines und der Pflugschaar reden kann. Kurz, man hat hier ein vollständig hyalines, aus dem Zusammenfluss bei- der Schädelbalken gebildetes Septum nasale vor sich. Da sich letzteres bis nach vorn zum Alveolarfortsatz des Zwischenkiefers er- streckt, so ist der Raum für eine Intermaxillar-Drüse nicht einmal andeutungsweise vorhanden. Eine ähnliche, aus der ethmoidalen Trabekularplatte gebildete Nasenscheidewand ist auch bei Menopoma und wahrscheinlich auch bei Cryptobranchus vorhanden. Sie reicht aber hier nur bis zur Hälfte der beiden Nasenhöhlen nach vorn und wird von da bis zum Zahnrand durch ein derbes Knochenlager fortgesetzt, welches zum grössten Theil von Seiten des Vomero-palatinum und des Stirnbeins, zum kleineren von dem Zwischenkiefer und dem Nasale gebildet wird. | Die von diesen Knochen ausgehenden Fortsätze stehen alle in Das Kopfskelet der Urodelen. 515 gegenseitiger Berührung und liefern, wie oben bemerkt einen voll- kommenen, keilförmigen Ausguss des Raumes, wo man bei den Sa- lamandriden jene Drüse anzutreffen gewöhnt ist. Bei letzteren handelt es sich um ein Internasal-Cavum, das oben und vorn von den aufsteigenden Theilen des Zwischenkiefers, unten theils von den Vomero- palatin-Platten theils von der zwischen den letzteren ausgespannten Mundschleimhaut, und seitlich von der me- dialen Circumferenz der knorpelig-häutigen Nasenkapseln begrenzt wird. In der eben geschilderten Weise verhält es sich bei vielen lechriodonten Salamandriden. Bei andern kommen absteigende- und Gaumenfortsätze des Zwischenkiefers bei der Umschliessung der In- termaxillar-Höhle in Betracht (Gyrinophilus, Desmognathus u. A.), oder kommt es gar zu einer synostotischen Vereinigung der beiden absteigenden Fortsätze der Praemaxille, ein Verhalten, an das sich Amphiuma anschliesst. Endlich spielt auch hier der rechts und links von der Medianebene sich erhebende Kamm des Vomero-palatinum eine sehr wesentliche Rolle bei der Bildung des Internasal-Raumes, ja er kann sogar auf eine gewisse Strecke ganz allein für sich, ohne Dazwischenkunft eines andern Knochens die Seitenwand dessel- ben zu Stande bringen. Bei Gyrinophilus und namentlich deutlich bei Desmognathus kommt es zu einem Zusammenstoss zwischen ihm und den absteigenden Fortsätzen des Zwischenkiefers, wie wir dies auch bei den Tritonen und Salamandrina wieder beobachten. Ebenso ist beiden gemeinsam eine das Cavum nasale und internasale ver- bindende Oeffnung für den Durchtritt des Schnauzenastes vom Tri- geminus. Die Glandula intermaxillaris wird übrigens nur bei Sala- mandrina persp. ganz von Knochen umspannt!), während sie bei allen den von mir untersuchten Tritonen in ihrem hintersten Bezirk sowohl rückwärts als seitlich nur durch Bindegewebe oder Knorpel gegen das Cavum cranii und die Nasenhöhlen abgesperrt wird. Eine viel ausgedehntere Verbreitung des Bindegewebes habe ich im Internasal-Raum der Plethodonten nachgewiesen. Aus dem Vorstehenden dürfte deutlich zu ersehen sein, dass bei allen drei Tribus der Urodelen ein knorpeliges (Siren, Axolotl, die verschiedensten lechriodonten Salamandriden) oder auch ein theils 1) Der hinterste Theil des Bodens besitzt in Form der ethmoidalen Trabe- kular-Platte noch eine hyaline Duplicatur. 514 R. Wiedersheim aus Knochen, theils aus Knorpel zusammengesetztes Septum nasale besteht (Amphiuma, Menopoma, Desmognathus, Batrachoseps), ohne dass man einfach von einem Internasalraum, wie Born meint, spre- chen darf. Letzterer Forscher spricht, gestiitzt auf die von ihm durch das Stadium der Gattung Salamandra und Triton gewonnenen Re- sultate die Ueberzeugung aus, der häutige Abschluss des Schädel- rohres gegen die Regio naso-ethmoidalis sei wohl das ursprüngliche Verhalten und der bei Salamandra und den Anuren auftretende In- ternasalknorpel erweise sich, da er erst spät in der Entwicklungs- geschichte sich herausbilde, als ein erworbener Zustand der Urode- len. Er fusst dabei, die Praefrontal-Lücke der Plagiostomen zum Vergleiche herbeiziehend, auf dem biogenetischen Grundgesetz. Ich glaube kaum, dass Born, wenn er seine Studien auch auf die niederen und niedersten Formen der Urodelen ausgedehnt hätte, sich zu dieser Auffassung würde hingeneigt haben. Dass der hier bei Siren, Menopoma, den Amblystomen-Larven und bei Ranodon allgemein durch Conerescenz der Trabekel zu Stande ge- brachte vordere Schädelabschluss, bei den Tritonen und bei Sa- lamandrina sich ontogenetisch nicht mehr repetirt, kann nicht befremden wenn man in Erwägung zieht, dass diese Thiere die letz- ten und zugleich höchst entwickelten Endglieder der ganzen Urodelen- Reihe darstellen. Was die Larven von Salamandra atra und maculata anbelangt, welche mir fast aus allen Entwicklungsstadien zur Verfügung stan- den, so konnte ich bereits bei 28 Mm. langen Exemplaren eine La- mina cribrosa cartilaginea constatiren. Bei 25 Mm. langen Thieren ist Born dieser Nachweis nicht gelungen und ich selbst kann hieriiber Nichts aussagen, da ich meine Untersuchungen auf keine jiingeren Stadien auszudehnen Veranlassung fand. Geniigte mir doch die That- sache, dass ein knorpeliger, durch die Concrescenz der Schädelbal- ken erzeugter Abschluss des Cavum cranii, wenn auch nicht in der allerersten Jugendzeit, so doch immerhin früh genug zu Stande kommt, um die leicht sich ergebenden Schlüsse über die Parallele von Phylo- und Ontogenese ziehen zu können. Auf die Vergleichung mit dem Selachier- und Dipnoérschidel komme ich später zu sprechen. Es erübrigt noch, auf die Oeffnungen und die Drüsenorgane der Regio nasalis einen Bick zu werfen. Was die ersteren anbelangt, so ist vor allem an dem am wei- Das Kopfskelet der Urodelen. 515 testen zurückliegenden Theil der Nasenkapsel die Choane und vorn gegen die Schnauze zu die Apertura nasalis externa zu nen- nen. Ferner gehört hierher die Communications -Oeffnung zwischen Nasenhöhle und dem Cavum internasale und ebenso die Oeffnungen im Oberkiefer für einige Zweige des Trigeminus. Endlich würde es sich in der in die Orbita hereinschauenden Wand der Capsula nasalis um zwei Oeffnungen handeln; durch die eine tritt der Ramus ophthal- micus des Trigeminus und ein Gefäss (constant?), durch die andere passirt ein Drüsenschlauch, den ich bei Salamandrina, Chio- glossa, Salamandrella deutlich nachzuweisen vermochte. Kommt es, wie dies bei den meisten Tritonen und bei Sala- mandrina persp. der Fall ist, zu starken Orbitalfortsätzen der Praefrontalia und Maxillaria, so tritt der Ramus ophthalmicus sowohl, wie auch der Thränennasengang durch eine in der Naht zwischen den beiden genannten Knochen liegende Oeffnung. Ich habe den Verlauf die- ses Canals im knöchernen Schädel unter dem Namen Ductus naso- lacrimalis bis ins Einzelnste schon in meiner Arbeit über Salaman- drina von letzterem Thier sowohl als von Triton taeniatus und helveticus beschrieben, nur war ich damals über seine Ausmündungsstelle im Cavum nasale noch nicht recht im Klaren. Ich hebe dies deshalb ausdrücklich hervor, da Born (l. e.) diese Stelle meines Aufsatzes übersehen zu haben und sich als den ersten Entdecker des Thränen- nasenganges unserer einheimischen Urodelen zu betrachten scheint. Ich komme endlich zur Darlegung der Drüsenorgane im Vor- derkopfe der Urodelen. Das wichtigste davon ist die von mir früher schon (Z. f. w. Z. XXVII) in einer besonderen Abhandlung ausführ- lich gewürdigte und von mir so genannte Glandula inter- maxillaris. Ich zeigte damals, dass sie für die Art der Nahrungsaufnahme den Thieren vom allergrössten Nutzen sein müsse, indem das von ihr gelieferte Secret die Zunge wie eine Art von Fliegenleim be- netze, woran dann die zu erhaschenden Insecten sehr leicht kleben bleiben. Dass ich dieses Organ bei keinem einzigen Phanero- und Cryptobranchiaten aufzufinden vermochte, wird nicht befremden, wenn man im Auge behält, dass diese Molche ausschliesslich auf das Wasserleben angewiesen sind, wobei sie einen derartigen Appa- rat gar nicht verwenden könnten. Wie gelangt nun der Axolotl, wenn er im Sinne der echten Phanerobranchiaten betrachtet wird, zu jenem Drüsenapparat? — Darauf wird Jedermann die Antwort schuldig bleiben müssen. Ganz 516 R. Wiedersheim anders, wenn man ihn als atavistische Form betrachtet. Dann wird man kecklich behaupten dürfen, dass das Organ bei der Ambly- stoma-Stammform seiner Zeit eben so kräftig, d. h. den ganzen Internasalraum erfüllend, entwickelt war, wie bei allen übrigen Am- blystomen. — Nun wurden die Thiere in der Diluvial-Zeit zum con- stanten Wasserleben gezwungen und das Organ, überflüssig geworden, erfuhr eine bis auf wenige Drüsenschläuche sich erstreckende Re- duction. Interessant ist, dass sich gerade bei jungen Axolotln eine geräumige, von Bindegewebe erfüllte Internasal- Höhle findet, die bei heranwachsenden Thieren mehr und mehr von Knorpel ausgefüllt wird. Somit legt sich im Jugendzustand genau derselbe Raum an, der, wie wir oben gesehen haben, in der Anlage des Vor- derkopfes aller Salamandriden eine so grosse Rolle spielt und stets von jenem Secretionsorgan erfüllt wird. Hält man daneben das bezüglich dieses Punctes über die Phanero- und Cryptobranchiaten Mitgetheilte, so liegt auf der Hand, dass da- durch die WEısmann’sche Auffassung der Umwandlung des Axolotl in ein Amblystoma aufs Entschiedenste gestützt wird. WEISMANN, dem ich schon im vergangenen Sommer hierüber Mittheilung machte, hat dies auch selbst (Stud. z. Descendenztheorie II) in der zweiten Bearbeitung dieses Themas klar genug ausgesprochen. Ein zweites sehr ansehnliches, auch von Born bemerktes Drü- senlager findet sich in der Nähe der Choanen im hinteren Bezirk des Nasenraumes. Ich habe dasselbe früher schon auch bei Sala- mandrina persp. aufgefunden. Am mächtigsten ausgeprägt ist es bei Salamandrella und Plethodon, wo es in grossen Massen rechts und links vom Septum nasale, im Oberkiefer und in dem Raum unmittelbar vor dem membranösen Schädelhöhlen-Verschluss angetroffen wird. Derjenige Abschnitt desselben, welcher die Maxillar-Höhle erfüllt, ist von der Orbita her eingewandert. Born spricht überall in seiner Arbeit von einem Thriinencanal, aber nirgends finde ich die Erwähnung einer Thränendrüse. Dass man als solche das von mir bei S. persp. (Fig. 127) auf- gefundene Organ betrachten kann, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ich wüsste wenigstens sonst von keinem andern vom Orbitalraum in die Nasenhöhle mündenden Secretions-Organ. Damit stimmen aber nicht die zwei von Born am inneren (vorderen) Augenwinkel be- schriebenen Thränenröhrehen überein, denn ich finde immer nur einen einzigen Driisenschlauch. Es bedarf dies also einer wiederholten Untersuchung. Das Kopfskelet der Urodelen. 517 Ich verlasse nun die Gegend des Vorderkopfes und unterwerfe diejenigen Resultate einer übersichtlichen Betrachtung , welche sich mir beim Studium des Suspensorial-Apparates ergeben haben. Mit Ausnahme von Siren lacertina, wo es zu einem voll- kommenen Schwund der Pars pterygoidea gekommen ist, com- ponirt sich der Aufhängeapparat des Unterkiefers aus einer Knorpel- masse, woran man eine Pars quadrata, pterygoidea und trabecularis unterscheiden kann. Unter letzterer verstehe ich denjenigen Fort- satz, welcher sich zur sogenannten Ala magna herüber erstreckt. Diese drei Theile stehen in continuirlicher Verbindung, bei Menopoma (Cryptobranehus?) aber ist es zu einer vollständigen Abschnürung der Cartilago pterygoidea gekommen. Bei Meno- branchus und Proteus ist sie sogar ganz geschwunden und man kann hier nur von einem Pterygoideum osseum reden. Entsprechend der ausgedehnten Erhaltung des Primordialschä- dels der Phanero- und Cryptobranchiaten dürfen wir auch hier a priori eine starke Entfaltung des hyalinen Theiles des betreffenden Schädelabschnittes erwarten. Was aber dabei den Salamandri- den gegenüber vor Allem erwähnenswerth erscheint, das ist die Art und Weise, wie sich die Knorpelbrücke vom Quadratknorpel zum Trabekel herüber spannt. Sie liegt nämlich vor der prootischen Region und nicht in derselben wie bei jenen höheren Formen, zu welch letzteren übrigens Menopoma und Cryptobranchus be- reits den Uebergang bilden. Am stärksten entwickelt finden wir sie bei Menobranchus!), während sie bei Amphiuma und Siren zu einer schlanken Knorpelsäule zurückgebildet ist. Dass wir die- ses Gebilde schon bei den Plagiostomen angelegt finden, habe ich oben schon erwähnt und an derselben Stelle habe ich auch auf seine wichtigen Beziehungen zum Trigeminus aufmerksam gemacht. Meine Erwartung, es möchten sich Spuren von dieser Anordnung der Knorpeleommissur im fötalen Schädel der Salamandriden erhal- ten haben, sah ich nicht bestätigt, was übrigens auch nicht befrem- den kann, wenn man erwägt, dass wir es mit einem Schädeltheil zu schaffen haben, welcher schon bei den Phanerobranchiaten eine bedeutende Rückbildung erfahren und sieh nicht einmal mehr auf alle Cryptobranchiaten fortvererbt hat. 1) In Anbetracht der nahen Verwandtschaft dieses Thieres mit Proteus muss es sehr auffallend erscheinen, dass bei letzterem keine Spur davon zu entdecken ist. 518 R. Wiedersheim Bei den lechriodonten Salamandriden und unter den mecodonten auch noch bei der Gattung Salamandra und Chioglossa stehen die drei Theile des knorpeligen Suspensorial- Apparates durch sehr breite Commissuren in Verbindung; bei der Gattung Triton und Salamandrina sind letztere auf äusserst dünne, mitunter kaum wahrnehmbare Knorpelfäden reducirt. Bei allen Urodelen, mit Ausnahme von Menopoma, ist, was ich noch einmal ausdrücklich betonen will, das obere Ende der Car- tilago quadrata in zwei Schenkel gespalten, welche die Pars prootica ventral- und dorsalwärts umspannen und da und dort mit derselben (Salamandriden) durch ein vollstiindiges Gelenk verbunden sind. Bemerkenswerth ist die bei Ranodon stattfindende Verschmel- zung des Pterygoidknorpels mit der im Oberkiefer liegenden Riick- wärtsverlängerung des Antorbitalfortsatzes. Mit dem soeben geschilderten Knorpelgerüste des Suspensorium setzen sich Knochen in Verbindung, die ihm erst die nöthige Resi- stenz dem Unterkiefer gegenüber verleihen. Es sind dies das Squa- mosum und das knöcherne Flügelbein. Beide nehmen die Cartilago quadrata, die bei allen Urodelen mit Ausnahme von Siren an ihrem unteren Ende auf eine grössere oder kleinere Strecke ossifieirt ist, zwischen sich. Ich will auf ihre specielle Configuration nicht noch einmal eingehen, sondern nur hervorheben, dass ein knöchernes Pterygoid allen leehriodonten Salamandriden, welche Sphenoidalzähne besitzen, abgeht, während es allen übri- gen ohne Ausnahme zukommt. Am mächtigsten entwickelt fin- den wir es bei Menopoma und Cryptobranchus, wo es sich sogar an der Bildung des Opticus-Canales betheiligt. Das Squa- mosum, welches bei den Phanerobranchiaten und auch noch bei Amphiuma eine enorme Länge besitzt und bis zum hintersten Ende der Regio opisthotica sich erstrecken kann (Menobranchus), geht in- teressante Beziehungen zum Quadratknorpel ein, insofern es für letzteren, im Fall er selbst nicht verknöchert, eine kegelmantelartige Umhüllung erzeugt (Siren). Auch eine Synostose zwischen Quadrat- knochen und Squamosum kommt nicht selten vor z. B. bei der Gat- tung Amblystoma. Endlich kann das Squamosum sich auch in ausgedehnter Weise an der Bildung der Gelenkpfanne für den Unterkiefer betheiligen (Axolotl). Sehr bemerkenswerth ist die schon von den verschiedensten Autoren betonte Verschiedenheit in der Richtung des Suspensorium Das Kopfskelet der Urodelen. 519 zur Längsaxe des Schädels. Während es bei Menobranchus und noch mehr bei Proteus mit letzterer einen sehr spitzen Winkel er- zeugt, d. h. eine beinahe ganz gerade nach vorn und nur mässig nach aussen gehende Richtung besitzt, ist es bei Siren und Amphiuma schon in stärkerem Grade von der Median-Ebene abgelenkt und diese Ablenkung erreicht ihre höchste Ausprägung bei Menopoma, Dicamptodon, Ranodon und am meisten bei Cry ptobranchus, wo wir schon an das Verhalten bei den Anuren erinnert werden. Bei diesen Molchen nimmt nämlich das Suspensorium nicht nur eine quere, sondern sogar eine nach rückwärts gehende Stellung an. Unter den Salamandriden beobachten wir eine fast vollkommene Querstellung bei der Gattung Salamandra, Salamandrina, Ambly- stoma, vielen Spelerpes-Arten und manchen Tritonen. Gewiss mit vollem Recht ist als Grund für diese Verschieden- heit die Griéssenentwicklung des Bulbus und die Kaumuskulatur an- gesehen worden. Je mehr das Auge und die Muskelmassen an Aus- dehnung gewinnen, desto mehr musste das Quadratum sich der Querstellung nähern, woraus dann als weitere Folge eine immer wei- ter nach hinten gehende Mundspalte resultirt. Man vergleiche z. B. den Kopf eines Proteus mit dem eines Spelerpes oder Salamanders, so wird man eine gute Illustration dieser verschiedenen Verhältnisse gewinnen. Wie bedeutend auch die Entwicklung des Auges die ganze Con- figuration des Fisehschädels beeinflusst, hat VRoLIK 1. e. auf’s Klarste hervorgehoben. Dass die Salamandriden-Larven in der Stellung des Suspenso- rium mit den Phanerobranchiaten übereinstimmen, ist eine alte Er- fahrung und es mag genügen, darauf aufmerksam gemacht zu haben. Ganz dasselbe gilt auch für die Stellung des Gaumenbogens und speciell derjenigen des Flügelknorpels, welcher anfangs eine nach einwärts und vorn und erst später eine nach aussen und vorn ge- hende Richtung annimmt. Man vergleiche den Schädel des jungen Axolotl mit demjenigen von Proteus und Menobranchus. Was endlich den zur Fenestra ovalis in Beziehung stehenden Knochen- resp. Knorpel- und Bandapparat anbelangt, so konnten wir hierin durchaus einheitliche Verhältnisse eonstatiren, insofern es sich überall um eine theils durch Ligamente, theils durch Hyalin- knorpel erzeugte Verbindung zwischen Columella und Suspensorium handelte. Das Verhalten von Ranodon und Salamandrella gibt viel zu denken, wenn man erwägt, dass die knöcherne Columella sich 520 R. Wiedersheim mit breiter Fläche mit dem unteren Ende des Quadratum ohne in- tervenirendes Bindegewebe fest verlöthet. Es muss somit bei jedem Oeffnen und Schliessen des Unterkiefers, namentlich aber beim ener- gischen Festhalten der Beute eine Erschütterung der Columella und dadurch auch des Labyrinthwassers erfolgen. Ganz dasselbe wird bei allen Cryptobranchiaten der Fall sein müssen. Man sieht den physiologischen Zweck davon um so weniger ein, als man vielmehr eine wesentliche Beeinträchtigung des Gehörapparates aus diesen Verhältnissen ableiten zu dürfen glauben könnte. C. Hasse (l. e.) hat mit Recht den Raum, in welchen die Colu- mella bei allen Urodelen zu liegen kommt, in morphologischer Be- ziehung als Vorläufer eines Cavum tympani betrachtet, welch letzte- res bekanntlich erst bei den Anuren zur eigentlichen Entwickelung kommt. Wir sehen den Raum nach aussen abgegrenzt durch das Suspensorium resp. die von der Labyrinthaussenfläche zu letzterem ausgespannte Bindegewebsmembran (vergl. Siren) und die äussere Haut; nach innen käme in Betracht die äussere Labyrinthwand, nach vorn die vor dem Suspensorium liegenden Kaumuskeln, nach hinten der Kiemenapparat und nach abwärts die Mundschleimhaut. Dabei sei noch an den in diesem Cavum liegenden Facialis erinnert. Nä- heres lese man bei Hasse nach. Es mag hier am Platze sein die Kopfnerven unter einem ein- heitlichen Gesichtspunet noch einmal zusammenzufassen und da möchte ich in erster Linie die grosse Constanz der Lage der Ner- venöffnungen bei allen Urodelen betonen. Ueberall handelt es sich auswärts vom Condylus oceipitalis um den Vagus-, resp. Glosso- pharyngeus-, nach einwärts vom Suspensorium um den Facialis- und am Uebergang der Regio prootica zur Alisphenoid-Gegend um den Trigeminus- Austritt. Dass der II. und III. Ast desselben durch jene Knorpelspange von dem I. getrennt werden, habe ich oben erwähnt. In dem zwischen Gehör und Nasenkapsel gelegenen Bereich des Trabekels (Orbito- und Alisphenoid) brechen durch: der Oculomo- torius, Opticus und da wo sie vom Trigeminus differenzirt sind, auch noch der Abducens und Trochlearis. Eine merkwürdige Modification des Optieus-Canales ergibt sich bei Menopoma und Cryptobranchus, wo er merkwiirdigerweise theilweise in dem doppelblätterigen Os pterygoideum verläuft. Für den Olfactorius lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen. Bald liegt, wie wir gesehen haben, sein Canal einzig und allein im Frontale (Menobranchus Das Kopfskelet der Urodelen. 521 Proteus, Amphiuma), bald zwischen Stirnbein einer- und dem Trabekel und Vomero-palatinum andrerseits (Salamandrina, Triton viridescens). Wieder in andern Fällen ist es dureh Zusammenfluss der beiden Trabekel zu einer das Cavum cranii abschliessenden, theils knöcher- nen (Siren lacertina), theils hyalinen Lamina cribrosa gekommen (Axolotl, Ranodon, Salamandra, Menopoma, Cryptobranchus). End- lieh kann es sich von Seite des Riechnerven um Durchbrechung einer nur membranösen, Schädel- und Nasen-Cavum von einander trennenden Scheidewand handeln (die verschiedensten lechriodon- ten Salamandriden und Tritonen). Der Hypoglossus wird ent- weder vom I. und II. oder vom II. und III. Spinalnerven gebildet. Letzteres ist z. B. bei Menobranchus der Fall. Die von GEGENBAUR bei Untersuchung der Kopfnerven der Se- lachier gewonnenen und im Sinne eines ursprünglichen Zerfalles des Schädels in Metameren so fruchtbar verwertheten Resultate liessen es mir als Pflicht erscheinen, auch auf die Ausbreitung der betref- fenden Nerven in der Urodelen -Welt ein genaueres Augenmerk zu richten. Die vortrefflichen Fıscner’schen Untersuchungen kamen mir dabei sehr gut zu Statten und ich kann dieselben im Wesent- lichen bestätigen. Was zunächst den Trigeminus betrifft, so entspringt er bei allen von mir untersuchten Salamandriden mit Ausnahme von Ellip- soglossa nebulosa, wo sich zwei Wurzeln zeigen, mit einem Stamm und schwillt noch innerhalb des Canales zum Ganglion an. Bei Menobranchus entspringt er mit 4 Wurzeln, wovon eine aus dem Facialis-Gebiet stammt; ob zwei von den andern im Sinne eines Abducens und Trochlearis zu deuten sind, dies zu entscheiden, ist mir ebenso wenig gelungen, wie FISCHER. Aus dem Ganglion Gass. entspringen gewöhnlich drei Haupt- nerven, zu welchen sich in manchen Fällen (z. B. beim Axolotl) noch ein vierter, selbständiger Stamm gesellen kann. Er sowohl wie der Ramus ophthalmicus geben Zweige zur Stirnhaut ab und werden darin bei Menobranchus noch durch einen feinen Ausläufer des Ramus maxillaris unterstützt. Der Augenhöhlenast dringt in die Nasenhöhle, gelangt zum Oberkiefer und der Schnauze, hat also z. Th. denselben Verbreitungsbezirk wie der Ramus maxillaris. Ich habe dies oben schon näher auseinandergesetzt. Der stärkste Ast des Trigeminus, der R. mandibularis tritt, nachdem er den M. temporalis und masseter versorgt, in den Canalis alveolaris und 522 R. Wiedersheim endigt schliesslich in der Haut des Mundhöhlenbodens und dem M. mylohyoideus. Der Facialis schickt, nachdem er einen Verbindungsfaden an das Ganglion Gasseri abgegeben hat, durch eine eigene Oeffnung seinen R. palatinus ab. Dieser läuft am lateralen Rand des Daches der Mundhöhle hin und endigt in der Mucosa oris der Praemaxillar- gegend. Der Hauptstamm zerfällt in einen vorderen und hinteren Zweig, wovon der erstere in den Alveolarcanal tritt, während der letztere an der vorderen Circumferenz des Hyoidbogens verläuft. Nach rückwärts steht dieser von FISCHER so genannte R. jugularis mit dem Glossopharyngeus in Verbindung. Letzterer Nerv findet sich nur bei Siren in discreter Form, bei allen übrigen Urodelen stellt er die vorderste Partie des Vagus dar und beniitzt gemeinschaft- lich mit ihm die im Occipitale laterale gelegene Oeffnung zum Austritt aus dem Cavum cranii. Der Vagus entspringt dann in diesem Falle mit drei Wurzeln, wovon die vorderste als Glossopharyngeus, die hinterste als Accessorius zu deuten ist. Die mittlere, oder eigent- liche Vaguswurzel zerfällt nach Fiscner wieder in »mehrere Bün- del«. Von der Vagusgruppe treten drei, unter sich in schlingenförmi- ger Verbindung stehende Zweige herab zu den drei Kiemenbüscheln resp. an die Stellen der seitlichen Halsgegend, wo jene bei Crypto- branchiaten und Salamandriden, im Fall ihres Vorkommens, liegen müssten. Mit dem Ramus palatinus des Trigeminus ist der von FISCHER auf- gefundene Ramus trachealis des Facialis von Amphiuma in eine Paral- lele zu stellen. Ebenso gehört dahin der constante R. pharyngeus vom Glossopharyngeus, sowie verschiedene Schlundäste, die dem eigent- lichen Vagus entstammen. Der stärkste, die eigentliche Fortsetzung des Vagus bildende Ast ist der R. intestinalis und kurz erwähnen will ich noch den R. lateralis superior und inferior. Das wenige hier Mitgetheilte dürfte genügen um die fast völlige Uebereinstimmung mit den Kopfnerven der Selachier darzuthun. Ja man kann, wenn man absieht von den den Urodelen mangelnden so- genannten »vorderen Wurzeln des Vagus« (GEGENBAUR) , geradezu er- klären, dass die oben gegebene Darstellung ebensowohl für irgend einen Notidaniden ihre Anwendung finden könnte. Hier wie dort der mehrwurzelige Ursprung des Vagus und auch noch des Trige- minus, ebenso der bei Haien wie bei Urodelen gleichsinnige Verlauf der Vagus- resp. Glossopharyngeus-Zweige am Kiemenskelet im engeren Sinn, derjenige des Facialis im Bereich des Hyoid- und Das Kopfskelet der Urodelen. 523 Mandibular-Bogens resp. am Gaumendach und endlich der mit seinen zwei Ventralzweigen und seinem Dorsalast {Ramus ophthalmicus ) einerseits auf die Unter- und Oberkieferspange, andererseits auf die Regio naso-frontalis angewiesene Trigeminus. Wenn man dazu noch die Ramuli pharyngei resp. ihre Homologa in Gestalt der Gaumen- äste des Facialis rechnet, so liegt die Uebereinstimmung zwischen den Kopfnerven beider Thierklassen auf der Hand. Untenstehender Holzsehnitt soll dies illustriren. ee 9%, ph. & Vag. \ | R.lat.s u sistent SS D | 4 fp Ritat inf EP ya ye Ro mae. N Lt jug. Dass der Unterkiefer bei Crypto- und Phanerobranchiaten theils aus vier (Menobranchus, Proteus) theils aus drei Stücken (Siren und alle drei Cryptobranchiaten) gebildet wird, ist ebenso bekannt, wie die Thatsache, dass alle Salamandriden in ihrer Larvenperiode ebenfalls vier und im erwachsenen Zustand ausnahmslos drei Stücke im Unterkiefer besitzen. Hier wie dort ist das vierte Stück das Operculare, worauf ich später noch einmal zurückkomme. Ehe ich nun auf das Zahnskelet der Urodelen im Allgemeinen zu sprechen komme, werfe ich noch einen Blick auf den Zungenbein- Kiemenbogen-Apparat. Es tritt uns hier das merkwürdige Phaenomen entgegen, dass Menopoma, trotzdem es sich bei diesem Thier um keine Kiemenathmung mehr handelt, einen ursprünglicheren Typus in seinem Visceralskelet bewahrt hat. als Siren lacertina und vollends als die beiden andern Phanerobranchiaten. Wenn sich auch bei Menopoma und Siren dieselbe Bogenzahl (5) findet, so besitzt doch nur jener Molch ein drittes Keratobranchiale, während dieses nach Morpholog. Jahrbuch. 3. 34 524 R. Wiedersheim meinen Erfahrungen weder bei Siren noch bei irgend einem an- dern geschwänzten Batrachier auftritt'). Dazu kommt bei Meno- poma eine eigene Copula für den Hyoidbogen, ein Gebilde, das ausserdem nur noch bei dem nahe verwandten Cryptobranchus und bei Amphiuma auftritt. Letzteres Thier besitzt zwar ebenfalls noch fünf Bogen, wir treffen sie aber stark rückgebildet und die drei letzten sind beim erwachsenen Thier nur in Form der drei Epi- branchialia vorhanden. Somit steht Amphiuma in gewisser Bezieh- ung niederer als die Salamandriden, bei welehen durchweg ein II. Keratobranchiale und bei manchen (Ranodon, Salamandrella, Ellip- soglossa) auch noch ein Il. Epibranchiale zur Entwicklung kommt. Bezüglich der Grössenentfaltung des II. Keratobranchiale stehen so- gar Proteus und Menobranchus weit hinter den Salamandriden zurück ; überhaupt macht ihr nur mit drei Epibranchialia ausgestattetes Kie- menskelet einen sehr verkümmerten Eindruck, was vor Allem für den fast zwerghaften Hyoidbogen aufrecht zu erhalten ist. Unter allen Kiemenskeleten der Phanero-. und Cryptobranchiaten zeigt sich dasjenige von Cryptobranchus bekanntlich am meisten reducirt. Es besitzt nämlich genau wie Ranodon und seine Verwandten nur zwei Kiemenbögen, wovon der erste ein- der letzte zweigliederig ist, was um so mehr in Erstaunen setzt, wenn man die doppelt so hohe Kiemenbogenzahl des sonst so nahe verwandten Menopoma in Be- tracht zieht. Was aber beide miteinander gemein haben, das ist die deutlich entwickelte Copula der Hyoidhörner. Sehliesslich erwähne ich noch, dass im Larvenstadium aller von wir darauf untersuchten Salamandriden nie mehr als fünf Bogen angelegt werden. (Vergl. Siren und die Cryptobranchiaten. ) Indem ich nun zu einer übersichtlichen Betrachtung des Zahn- 1) Zu andern Resultaten ist FISCHER (l. e.) gekommen, der auf pag. 20 seines Werkes, über Amphiuma Folgendes bemerkt: »Auch der dritte Kie- menbogen besitzt zuweilen ein besonderes, von ihm abgegliedertes Ventralseg- ment«. Es ist ein »kleines Knorpelstiickchen von länglich eiförmiger, vorn zu- gespitzter Gestalt« und stösst an den hakenförmigen Fortsatz am Zusammenstoss des I. Kerato- und Epibranchiale, welchen FISCHER im Sinn eines »rudimentä- ren Ventralsegmentes des II. Kiemenbogens« d. h. als Keratobranchiale II auffasst. Demnach würde Amphiuma, wenn auch nur vielleicht im Jugendzustand, be- züglich des conservativen Characters seines Kiemenskelets auf einer Stufe mit Menopoma stehen. Das Kopfskelet der Urodelen. >25 skelets der Urodelen übergehe, verbinde ich damit zugleich die Be- antwortung der Frage nach der morphologischen Bedeutung der Schädelknochen im Allgemeinen. Ich habe schon verschiedenemale im Laufe dieser Arbeit Gele- genheit gehabt, auf die schönen Untersuchungen von O. HERTWIG über das Zahnsystem der Amphibien aufmerksam zu machen. Ausgehend von der Thatsache, dass nach Anlegung der primi- tiven Schädelbalken die Zähne die ersten Hartgebilde sind, welchen wir in der Mundhöhle der Urodelen begegnen, gelang es diesem Forscher nachzuweisen, dass aus einer Concrescenz des Zahneements das Gaumenbein, der Vomer und das Operculare entstehen. Indem er die an den drei genannten Knochen der Mundhöhle gewonnenen Ergebnisse weiter ausdehnte, versuchte er auch für die zahntragenden Theile der Maxillaria und Praemaxillaria, sowie für das Pterygoid und das Parasphenoid, d. h. für sämmtliche Knochen der Mundhöhle eine Entwicklung aus Zähnen als wahrscheinlich zu bezeichnen. Dieser Satz erfuhr durch die Vergleichung des Mundhöhlenske- lets der Fische mit dem der Urodelen eine wesentliche Stütze, indem die hier auftretende reichere Bezahnung als das ursprüngliche Ver- halten hingestellt werden und zu der wohlbegründeten Annahme führen konnte, dass wir uns eine Urform der Urodelen zu denken haben, wo das ganze Kopfskelet nur aus dem Primordialschädel, homolog dem der Selachier bestand. Darauf folgte ein Zustand, wo höchstwahrscheinlich alle Deekknochen der Mundhöhle inelusive dem theilweise aus dem äusseren Integument sich bildenden Maxil- lare und Intermaxillare über und über mit Zähnen bedeckt waren. Somit wäre die geringere Bezahnung, wie wir ihr namentlich bei den höchst entwickelten Formen der Urodelen begegnen, als ein secundirer Zustand — als eine Rückbildung anzusehen, wie man sie in der Ontogenese aller Molche aufs Deutlichste beobachten kann. Immer geht ein Resorptionsprocess mit einer Apposition von neuer Knochensubstanz Hand in Hand. Gegen die Annahme Herrwia’s, es möchte uns in dem Vomer und Palatinum von Siren und dem Parasphenoid von Plethodon glut.') jener oben angedeutete, ursprüngliche Zustand erhalten sein, habe ich schon vor zwei Jahren Einsprache erhoben, indem ich von 1) Dass nicht nur, wie HErTwıG anzunehmen scheint, diesem Molche, son- dern einer ganzen Reihe von lechriodonten Salamandriden Sphenoidalzähne zu- kommen, ist bekannt. 34* 526 R. Wiedersheim jungen Spelerpes-Arten nachwies, dass die Entstehung des wichtig- sten Deckknochens der Mundhöhle, des Parasphenoids, mit jenen das ganze Leben persistirenden Zähnen nichts zu schaffen hat und es möge deshalb genügen, auf jene Stelle meiner Abhandlung -über Salamandrina zu verweisen. Nichts destoweniger lässt sich hier sowohl wie an den Vomero-palatinzähnen von Menobranchus (vergl. die Querschnitte) der Zusammenfluss der Zahnsockel zu einer gros- sen zusammenhängenden Platte aufs allerschönste demonstriren, nur ist diese eben nicht das Parasphenoid selbst, sondern eine secundäre Bildung, die ich, wie ich gleich zeigen werde, in correlativem Sinn zu deuten geneigt bin. Für das Parasphenoid selbst nehme ich in Uebereinstimmung mit H. eine, wenn auch ontogenetisch nicht mehr zum Ausdruck kommende Entwicklung aus Zahnsockeln an, während ich die das sanze Leben persistirenden, subsphenoidalen Zahnplatten im Sinne einer zu der Entwicklung der übrigen Deckknochen der Mundhöhle in engster Beziehung stehenden Bildung auffasse. Ich bin mir dabei wohl bewusst, dass ich von meiner früher (I. e.) geiiusserten Ansicht über die Genese des Parasphenoids wesentlich abweiche, denn damals hatte ich keinen einzigen Vertreter der lech- riodonten Salamandriden, ausser Spelerpes fuscus zur Verfügung, so dass ich auch die Bedeutung der subsphenoidalen Zahnplatten voll- ständig dahin gestellt sein lassen musste. Nun aber kann ich die Behauptung aussprechen, dass allen mit Sphenoidalzähnen begabten lechriodonten Sala- mandriden constant ein Os pterygoideum fehlt, während ihnen eine dünne spiessförmige Cartilago pterygoidea zukommt. Dies musste mir natürlich auffallen und ich glaube nicht zu irren, wenn ich einerseits den Mangel, andrerseits das Vorkommen der betreffenden Knochen in ein gegenseitiges Abhängigkeits-Verhält- niss bringe. Es liegt auf der Hand, dass die die Horizontalebene des Para- sphenoids nach abwärts stets überragenden knöchernen Flügelbeine der nicht mit Sphenoidalzähnen ausgerüsteten Urodelen mit der in die Mundhöhle gebrachten Beute sofort in Berührung kommen, nachdem letztere die Vomero-palatin-Zähne passirt hat. Diese, sowie der ganze bezahnte Alveolarrand sind nur dazu da, um das mit der Zunge eingefangene Insekt im ersten Moment, wo es in die Mundhöhle gelangt, zu fixiren. Darauf rückt es nach hinten Das Kopfskelet der Urodelen. 527 und wird durch Hebung des Hyoidbogens resp. des ganzen Dia- phragma oris nach oben gegen das Dach der Mundhöhle gedrückt und damit ist die erste Schlingbewegung vorbereitet. Es ist klar, dass es dabei mit dem Parasphenoid in direete Berührung kommen müsste, falls es nicht von den beiden.am Boden der Augenhöhlen gelegenen, knöchernen Lamellen der Flügelbeine davon abgehalten würde. Wie nachtheilig dies für das Wohlbefinden des betreffenden Molches in doppelter Beziehung wäre, wird sofort klar, wenn man erwägt, dass das über dem hier und da kaum papierdicken Para- sphenoid liegende Gehirn sowie der Bulbus oculi von Seiten des oft sehr resistenten Bissens (Asseln, Myriapoden, Heuschrecken) einen grossen Druck auszuhalten hätte. Fehlen nun jene knöchernen Flügelbeine, so müsste der letztere Fall unfehlbar eintreten und dies wäre gerade bei den dabei in Be- tracht kommenden Molchen um so gefährlicher, als sich ihre Schädel- knochen im Allgemeinen , wie das Parasphenoid insbesondere, be- kanntlich durch eine ganz excessive Zartheit und glasartige Transpa- renz auszeichnen. Nun reagirt die Gaumenschleimhaut sehr kräftig gegen den mit ihr in Berührung kommenden Bissen und entfaltet zum zweitenmal jene Produetionskraft, welche in vielleicht nicht so gar lange hinge- schwundenen Geschlechtern zum Aufbau des eigentlichen Parasphe- noids geführt hat. Mit andern Worten: es bilden sich zum zweiten- mal in der Mundschleimhaut eine Unmasse von zweispitzigen Zähnen, die mit ihren Sockeln zusammenfliessend eine dicke Duplieatur für das Parasphenoid erzeugen. Dadurch wird ganz derselbe Effect er- zielt, wie er von Seiten der übrigen Urodelen durch das knöcherne Flügelbein ausgeübt wird, d. h. das Gehirn erhält eine weitere und zwar ziemlich ansehnliche Schutzlage aus Knochensubstanz und gerade durch diese Verdiekung des Parasphenoids springt letzteres so weit in das Cavum oris herein, dass es der einzige Knochen ist, welcher mit dem eingebrachten Bissen in Berührung kommt und ihn festzuhalten vermag. Dadurch wird er von dem in höherem Niveau liegenden Boden der Augenhöhlen ganz abgelenkt und die feinen, federnden Knorpelspiesse der Pterygoide weichen nach oben aus, ohne einen störenden Druck nach irgend welcher Seite auszu- üben. So denke ich mir die Entstehung der Subsphenoidal-Platten und ich bin dadurch auf den Gedanken gekommen, ob es nicht möglich wäre, durch Ausbrechen der knöchernen Pterygoide 528 R. Wiedersheim z B. der Amblystomen) und der lang nach hinten sich erstreckenden Vomero-palatinspangen der mecodonten Salamandriden den von Seiten der Nahrung auf die Mundschleimhaut ausgeübten Reiz in bestimmter Weise auf einen gewissen Punct d. h. die Unterfläche des Pa- rasphenoids zu localisiren und dadurch die Bildung jener zahntragenden Subsphenoidal-Platien hervor- zuruten,,, Man müsste es bei einem derartigen Versuch mit allen Alters- stadien der Urodelen versuchen und ich glaube nicht, dass er in An- betracht der allbekannten, besonders die Zähne betreffenden Repro- ductionskraft dieser Thiere von vorn herein als unmöglich von der Hand zu weisen sein wird. Würde er aber sogar vollkommen gelin- gen, so hätte man dadurch einen weiteren, schlagenden Beweis für die unmittelbare, plötzlich erfolgende Reaction des thierischen Orga- nismus auf einen äusseren Reiz und zugleich einen werthvollen Bei- trag zur mechanischen Auffassung der Natur überhaupt gewonnen. Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Zahnstellungen der Urodelen zu geben, halte ich für höchst überflüssig, da sich von jeher Systematiker und Anatomen bei Bearbeitung dieses Capitels der scrupulösesten Genauigkeit befleissigt haben. Dennoch glaube ich, dass es nichts schaden kann, wenn in das aufgestapelte Mate- rial durch den Versuch, die Art der Bezahnung im Sinne der Ablei- tung einer Gattung von der andern zu verwerthen, Leben hineinge- bracht wird. Ich “sehe dabei ganz ab von den Phanero- und Crypto- branchiaten, wo es sich bekanntlich mit Ausnahme von Siren um jenen, auch den Salamandriden-Larven zukommenden Doppel- bogen handelt, der einerseits durch den bezahnten Kiefer und Zwi- schenkiefer, andrerseits durch das Gaumen- und Pflugschaarbein erzeugt wird. Es herrschen hierin unter den verschiedenen Gattungen so grosse Differenzen, dass man mit alleiniger Ausnahme von Proteus und Menobranchus') an keine directe Ableitung derselben von einander denken kann. Anders verhält es sich mit den Salamandriden und zwar lassen sich die beiden Arten der Zahnstellungen, nämlich die lechriodonte und die mecodonte, von einander ableiten. ') Cryptobranchus und Menopoma kann man bezüglich des Zahnskelets für identisch erklären. Das Kopfskelet der Urodelen. 529 Erstere stellt das primitive, letztere das secundär erworbene Verhal- ten dar und zwar handelt es sich hier, wie ich es auch von vielen andern Puncten hervorzuheben Gelegenheit hatte, um keine sprung- weise sondern um eine oft ganz unscheinbar beginnende, später aber zu grosser Bedeutung gelangende Aenderung. Wir haben dabei von dem Verhalten der Amblystomen aus- zugehen, da es sich hier um eine vollkommen transverselle Zahnstellung handelt. Von den vier Querleisten sitzen die zwei la- teralen !) auf der Unterfläche des theilweise ossifieirten Antorbital- fortsatzes. die medialen auf dem Hinterrand der Vomero-palatina. Letztere zeigen nicht die geringste Neigung, aus ihrer Querstellung gegen die Längsaxe des Schädels abzuweichen, wie wir dies bei den Spelerpes-Arten und bei Batrachoseps, wo sie mehrreihig stehen, zum erstenmal beobachten. Hier erzeugen sie in der Mittellinie einen nach vorn offenen stumpfen Winkel, sitzen aber immer noch unmit- telbar dem Hinterrand der Vomero-palatina auf. Eine Abweichung von dieser Regel macht Gyrinophilus und daran schliesst sich Ranodon, sowie die Salamandrella-Ar- ten. Bei allen diesen beginnen die Vomero-palatin-Platten unter der ihnen aufsitzenden Zahnleiste sich nach rückwärts auf die Unter- fläche des Parasphenoids zu schieben, ein Verhalten, das bei Anai- des und Desmognathus (Heredia und Hemidactylium ?) eine Wei- terentwicklung erfährt. Bei Ellipsoglossa hat dieses Auswachsen der Vomero-palatina in der Längsaxe des Schädels seinen höchsten Grad erreicht, indem sich die Fortsätze bis zur Mitte des Parasphenoids nach rückwärts erstrecken. Dabei ist die wie ein Hirtenstab gekrümmte Zahnleiste ebenfalls nach hinten gewandert und zum grössten Theil in die Sa- gittalaxe gerückt. Sie liegt jedoch dem inneren Rand der Basal- platte nicht unmittelbar an sondern wird von letzterer nach aussen und innen hin bedeutend überragt. Dieser Punct allein ist es, wel- cher noch keine vollkommene Gleichstellung des Zahnskeletes von Ellipsoglossa mit demjenigen der mecodonten Salamandriden als zulässig erscheinen lässt. Jedenfalls aber ist es kein grosser Sprung mehr dazu, wie ein Vergleich der betreffenden Abbildungen am be- sten beweist. Ich glaube, durch diese Schilderung des Zustandekommens der langen Fortsätze der Vomero-palatina bei den mecodonten Salaman- 1) Ich fasse diese als Palatinzähne auf. 530 R. Wiedersheim driden gezeigt zu haben, dass es sich nicht etwa, wie Huxury (1. e.) anzunehmen scheint, beim Aufbau derselben um Verwendung des bei Spelerpes-Arten und Andern in Form der subsphenoidalen Zahn- platten aufgehäuften Knochenmateriales handelt, so sehr man auch durch das Verhalten von Gyrinophilus im ersten Augenblick da- für eingenommen sein könnte. Wir können vielmehr constatiren — und dadurch gewinnen wir eine weitere Stütze für die oben geäus- serte Deutung der subsphenoidalen Zahnplatten —, dass mit der immer deutlicher sich herausbildenden, sagittalen Zahustellung und dem damit verbundenen Nachrückwärtsrücken der Vomero-palatina ein Schwund der Sphenoidalzähne resp. ihrer Basallamellen stets Hand in Hand geht. Die beste Illustration hierzu liefert Anaides, Des- mognathus und wahrscheinlich auch Hemidactylium und Heredia. Endlich noch ein Wort über die morphologische Bedeutung des Suspensorial- Apparates, als jenes Schädeltheiles, der von jeher bis auf den heutigen Tag die allerverschiedensten Auslegungen erfah- ren hat. GOrre (l. e.) sieht im Quadratum der Batrachier das Hyo- mandibulare und Symplecticum der Knochenfische. Diese zwei Knochen leitet er vom Unterkiefer ab und betrachtet die beiden Wurzeläste des Pterygo-palatin-Bogens der Amphibien als das Qua- dratum, Keto-, Meta- und Entopterygoid der Teleostier. Der Qua- dratknorpel soll nach G6rre ursprünglich mit der prootischen Region continuirlich verbunden sein und sich erst später davon ab- lösend nach hinten rücken, um dann bleibend mit dem Schädel zu verschmelzen; er geht also nicht, wie REICHERT will, aus dem obe- ren Abschnitt des Hyoidbogens hervor. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu derjenigen von GEGEN- BAUR und Hasse, welche in völliger Uebereinstimmung mit einander behaupten, dass das Hyomandibulare und Symplecticum der Knochenfische auf den Suspensorial-Apparat der Urodelen gar nicht mehr fortvererbt werde und dass das Quadratum der letzteren ein- zig und allein demjenigen der Fische entspreche, also keinen andern Theil des Teleostierschädels in sich schliesse. Bezüglich des am Urodelenschädel sich documentirenden, ursprünglichen Zusam- menhanges zwischen dem Quadratknorpel: und ‘der prootischen Ge- Das Kopfskelet der Urodelen. def gend stimmen also GEGENBAUR und GörrE mit einander überein und ich selbst kann mich ihnen hierin anschliessen. Ich betrachte also die Loslösung des Kieferstiels bei den geschwänzten Amphibien als einen seeundären Vorgang, wenn ich auch mit GEGENBAUR eine getrennte, auf den Mandibularbogen zurückzuführende Entstehung des- selben aus phylogenetischen Gründen als das primäre Verhalten be- trachten muss. Ob letzteres im Jugendzustand der Phanerobranchiaten noch zur Ausprägung gelangt, kann ich nicht entscheiden, doch be- rechtigen die Chimären und Dipnoér nicht sehr zu dieser An- nahme, da wir bei ihnen bekanntlich schon einer Verwachsung zwi- schen den betreffenden Theilen begegnen. Demnach müsste man init GEGENBAUR diese Verbältnisse im Urodelenschädel als »aus frü- heren Zuständen ererbte« ansehen. Wie sich PARKER (l. e.) in der Beurtheilung dieser Frage ver- hält, geht aus seinem Aufsatz über den Axolotl-Schädel nieht recht klar hervor, doch scheint er die Abschnürung des Quadratknorpels aus dem Mandibularbogen als ontogenetisch noch zum Aus- druck kommend anzusehen. Das Squamosum betrachtet jener Forscher als homolog dem Praeoperculum der Teleostier, ohne jedoch irgend welche Stütze für diese Ansicht beizubringen. Nach GEGENBAUR entspricht es »vielleicht« dem gleichnamigen Knochen der Fische , während es Hasse mit letzterem nicht in eine Parallele gestellt, sondern als »Homologon des Os squamosum, der Squama ossis temporum der hö- heren Thiere« aufgefasst wissen will. Hasse begründet dies dadurch, dass er sagt: »Das Squamosum tritt hier zum ersten Male als Beleg- knochen des Palatoquadratknorpels auf, während das Os squamosum der Teleostier am Schädel selbst gebildet wird, ja durch das Hyo- mandibulare und Symplecticum, die nicht dem Palatoquadratum zu- gehörig, von dem eigentlichen Kiefersuspensorium getrennt iste. Ich bin überzeugt, dass Hasse damit das Richtige getroffen hat, wenn ich auch nicht seiner Behauptung beitreten will, dass sich das Os squamosum von den Perennibranehiaten bis zu den Anuren hin Hand in Hand mit der Grössenzunahme des Quadratum und zwar ganz allmälig reducire. Ich brauche dabei nur auf die lechriodonten Salamandriden, sowie auf die mit einem Pseudo-Jochbogen ausge- statteten Tritonen zu verweisen. Gegen die Deutung des zweiten Deckknochens am Suspensorial- Apparate, nämlich des Os pterygoideum oder besser: Processus 532 R. Wiedersheim pterygoideus im Sinne des Eeto-, Meta- und Entopterygoids der Teleostier wird nicht viel einzuwenden sein, wenn sich auch nie eine Differenzirung dieses Knochens bei den Urodelen in drei Abschnitte bemerklich macht. Ich habe mich oben gegen die in allen Lehrbüchern verbreitete Ansicht ausgesprochen, dass sich die Columella der Urodelen durch Abschniirung des proximalen Endes vom Hyoidbogen entwickle. Genau genommen verhält es sich damit jedoch wie mit dem Quadrat- knorpel, der wie wir oben gesehen haben, in der Ontogenese auch nieht mehr als Theilstück eines Visceralbogens und zwar des ersten erscheint. Trotzdem erweist er sich an der Hand der Phylogenese un- „weideutig als ein soleher und ganz dasselbe ist der Fall mit der Columella, in der wir dasjenige Differenzirungsproduct des Hyoid- bogens der Fische zu erkennen haben, welches man mit dem Namen Hyomandibulare zu bezeichnen pflegt. Daran schliesst sich ein zweites kleines Knöchelehen, nämlich das Symplecticum und dieses sehen wir bei Teleostiern in sehr nahe Beziehungen (oft findet eine förmliche Einkeilung statt: Bachforelle) zum Quadratum treten. In- dem dieses sowohl wie das Hyomandibulare bei den Knochenfischen stets über den letzgenannten Knochen seine Lage hat, sehen wir beide bei den Selachiern nach rückwärts von dem direct mit der Labyrinthgegend sich verbindenden Palatoquadratum rücken und somit schon eine ganz ähnliche Lage einnehmen, wie wir sie von der Columella und deren zum Suspensorium sich erstreckenden Band oder Knorpel d. h. dem Homologon des Symplecticum kennen. Auf diese Verhältnisse hat zum erstenmal Hasse (l. e.) und nach ihm TRAUTMANN (Arch. f. Ohrenheilkunde 1876) aufmerksam ge- macht und letzterer wies mit Recht darauf hin, wie wir die bei den Säugethieren so stark transformirte Kette des schallleitenden Appara- tes bei Menobranchus z. B. zwar noch in ihrem primitivsten Ver- halten aber in morphologischer Beziehung doch schon vollkommen deutlich und characteristisch ausgeprägt antreffen. Hier wie dort handelt es sich um eine Knochenkette, wovon das erste Glied den MeEcker’schen Knorpel (Hammer der Säugethiere),, das zweite das (Juadratum (Ambos), das dritte und vierte endlich das Ligt. suspensorio- stapediale (Sympleeticum == Os lenticulare) sowie die Columella (Hyomandibulare = Stapes) vorstellt. Dass Amphiuma, Ellipsoglossa, Ranodon und Sala- mandrella durch die unmittelbare Verbindung der Columella mit einem Fortsatz des Quadratum, welch letzteren viele Urodelen, Das Kopfskelet der Urodelen. 533 wenn auch oft in geringerer Ausprägung besitzen, eine viel tiefere fischähnliehere Stufe einnehmen, glaube ich in dem speciellen Theil dieser Arbeit zur Genüge dargethan zu haben. Unerklärlich ist mir dabei geblieben: jener bei Siren, Meno- poma, Cryptobranchus, Ellipsoglossa, Ranodon, Salamandrella, Am- blystoma und einigen Tritonen vorkommende, auf den betreffenden Abbildungen mit Z// bezeichnete Fortsatz an der hinteren Cirewn- ferenz des Gelenkendes vom Quadratum. Da sich mit ihm constant das proximale Ende des Hyoidbogens durch Bandmasse verlöthet, so könnte man sich zu der Annahme verleitet fühlen, in ihm eine von letzterem abgetrennte und mit dem Quadratum secundär verbundene Portion zu erblicken. Da jedoch keine anderen Differenzirungspro- ducte des Zungenbeinbogens bekannt sind, als das Sympleetieum und das Hyomandibulare, so wäre an diese beiden, oder vielleicht nur an das erstere davon zu denken. Obgleich es mir nun viel wahrscheinlicher däucht, dass wir diese Knochen in dem oben beschriebenen schall- leitenden Apparat zu erblieken haben, so sind mir doch hin und wieder Zweifel darüber gekommen und ich möchte deshalb die Auf- merksamkeit der Fachgenossen ganz besonders auf den betreffenden Fortsatz des Quadratum lenken und ihn zu weiterem , namentlich entwieklungsgeschichtlichem Studium empfehlen. Bei Beschreibung der Labyrinthkapseln habe ich es womöglich immer vermieden, von einem Os prooticum , opisthoticum ete. im Sinne Huxtey’s zu reden und habe dafür absichtlich immer den Na- men Regio prootica ete. gebraucht. Ich wollte damit ausdrücken, dass sich diese Knochenzonen nicht als eigentliche, gut individuali- sirte Knochen auffassen lassen, sondern dass es sich nur um zwei Ossificationscentren in hyaliner Grundsubstanz handelt, wovon das eine vom Foramen Trigemini, das andere vom Foramen Vagi aus- geht. In ersterem’ haben wir das Os prooticum , im letzteren das Os opisthotieum (epiotieum?) und Oceipitale laterale der Teleostier zu erblicken. Ein Os oceipitale basilare und supraoccipitale (Squama ossis oceipitis) existirt nicht bei den Urodelen; an ihrer Stelle findet sich, wie oben erwähnt, nur eine dorsale und ventrale Knorpeleommissur, für die ich ihrer topographischen Verhältnisse hal- ber den Namen basi- und supraoceipitale Knorpelspange vorschlagen möchte. In der ersteren ist jedenfalls das basi-sphenoidale Element des Schädels der anderen Wirbelthiere mit vereinigt. Dass der Name Orbito- und Alisphenoid nichts besagen will, als Regio anterior und posterior der Raruke’schen Schä- 534 R. Wiedersheim delbalken, ist längst bekannt und ich brauche darüber keine weite- ren Worte zu verlieren. An eine directe Parallelisirung dieser Be- zirke mit dem Kopfskelet der Säugethiere ist nicht zu denken, da es sich bei der Lage der hier durchbrechenden Hirnnerven um die- selbe Inconstanz handelt, wie bei dem Olfactorius, der, wie wir gesehen haben, bei seinem Durchtritt zu den allerverschiedensten Schädelelementen in Beziehung treten kann. — Dass die Deekkno- chen der Schädeloberfläche in letzter Instanz genetisch ebensogut auf eine Concrescenz der Sockel von Hautzähnen zurückzuführen sind, wie’ diejenigen der Mundhöhle auf eine solche von Schleim- hautzähnen, hat O. Herrwie (l. e.) erst neulich aufs Schlagendste bewiesen. Zwischen ihnen und den gleichnamigen Bildungen der höheren Thier-Typen lassen sich viel leichter Homologieen erkennen, als dies bei den obgenannten Schädelregionen der Fall ist. Die histologischen Verhältnisse der Zähne, sowie des ganzen Koptskelets der Urodelen sind von O. HerrwiG in so vor- trefilicher Weise berücksichtigt, dass es überflüssig wäre, auch nur ein einziges Wort hinzuzufügen. Dagegen möchte ich nicht unter- lassen, eine kurze Bemerkung über diejenigen der Wirbelsäule bei- zufügen. Chorda und Columna vertebralis. Seit man gelernt hat, den Schädel nicht als eine Bildung sui generis, sondern als eine Summe von Metameren im Sinne von Wir- beln zu betrachten, ist es Aufgabe jedes Forschers, der sieh mit der Anatomie desselben beschäftigt, auch der Columna vertebralis seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Damit hat GEGENBAUR für die Amphibien und Reptilien den Anfang gemacht und konnte für die ersteren speciell folgende Grund- züge feststellen: Während bei den Phanero- und Cryptobranchiaten der interver- tebrale Knorpel nur eine sehr geringe Entwicklung zeigt, so dass die Chorda wie bei den Fischen von ihm nur wenig oder auch gar nicht eingeschnürt wird, kommt letzterer bei den Salamandern und Tritonen zu immer stärkerer Entfaltung. Die Folge davon ist, dass man bei den letzteren von einem intravertebralen, bei den ersteren von einem intervertebralen Wachsthum der Chorda sprechen kann. Im Larvenstadium handelt es sich jedoch auch bei den höheren Das Kopfskelet der Urodelen. 939 Formen der Urodelen um eine intervertebrale Ausdehnung der Chorda. Während es sich bei Phanero- und Cryptobranchiaten um keine intervertebrale Gelenkbildung handelt, beobachten wir eine solehe bei den Salamandern und Tritonen, obgleich letztere noch keine vollkommene genannt zu werden verdient, »indem nur an einzelnen Stellen sich eine Trennung der Gewebe bemerklich macht, an den übri- gen aber Pfanne und Gelenkkopf durch die Grundsubstanz des sie bildenden Knorpels zusammenhängen« Weit vollständiger ist die Gelenkbildung der Anuren, wo wie bei Salamandern und Tritonen die Chorda intravertebral persistirt, falls sie nach längerem Bestande nicht endlich ganz schwindet. Meine eigenen, allerdings nur nebenbei angestellten Studien über die Wirbelsäule der Urodelen haben mir ergeben, dass wir auch unter den erwachsenen Salamandriden Formen begegnen, welche eine Erhaltung der Chorda zeigen, die derjenigen der Pha- nero- und Cryptobranchiaten nicht nur ‚gleichkommt, sondern sie an massiger Anlage noch übertrifft. Ein Blick auf den Holzschnitt A, weleher einen Längsschnitt durch die Wirbelsäule von Ranodon, oder, was wegen der absoluten Uebereinstimmung zwischen beiden Thieren gleich viel heissen will, durch diejenige von Ellipsoglossa darstellt, lehrt uns, dass die Chorda als beinahe ganz gleichförmig breites Band dureh die Wirbelsäule hindurchzieht. Eine er kaum bemerkenswerthe Einschnürung findet sich "| zwischen dem äusserst dünnen Intervertebralknor- | K pel (/vA), eine stärkere, aber lange nicht derje- | MN nigen der Coecilien, der Phanero- und Crypto- branchiaten gleichkommende existirt intraver- = tebral. An derselben Stelle finden sich einige X > : : . PK Knorpel- und Fettzellen, die aber gewöhnlich kein N .. . . a . . PE A vollständiges, den Wirbelkörper in zwei Hälften i A 02% =z cS trennendes Querband erzeugen, wie man dies bei den Coecilien und den zwei niedersten Tribus der Urodelen beobachtet (CZ). In der Mitte zeigt die Chorda, ganz ähn- lich wie dies GEGENBAUR von Menobranchus be- schrieben und abgebildet hat, ein streifiges Aussehen, was darauf beruht, dass die Zellen an dieser Stelle wie gedrückt erscheinen und 536 R. Wiedersheim in Folge dessen ein abgeplattetes, spindelförmiges Aussehen be- sitzen. Die der Chorda in grosser Strecke direct aufliegenden Knochen- hülsen (A) der Wirbelkörper sind, abgesehen von dem Ursprungs- punct der Rippen, papierartig dünn, wie dies sonst nirgends in der Amphibienwelt beobachtet wird. In Folge der nur geringen intra- vertebralen Einschnürung tritt die den Phanero- und Cryptobranchia- ten-Wirbeln zukommende Doppelkegelform sehr in den Hintergrund. Die so beschaffene Wirbelsäule, die ich nur an ganz ausgewachse- nen, geschlechtsreifen Thieren studirt habe, muss eine eminente Weichheit und Elasticitiit besitzen und man begreift kaum, wie ein ‚solches Axenskelet Thieren von der Grösse eines Ranodon eine ge- nügende Stütze gewähren kann. Die mit Ranodon und Ellipsoglossa im Allgemeinen so nahe verwandte Gattung Salamandrella zeigt merkwürdigerweise schon eine viel stärkere Beschränkung des Chorda-Wachsthumes und stimmt am meisten mit dem Axolotl überein. Zwischen diesen eben beschriebenen Formen und den eigentlichen Salamandern und Tritonen bildet das Verhalten der Chorda der übrigen lechriodonten Urodelen ganz allmälige Uebergiinge. Man kann hier, genau genommen, weder von einem inter- noch intra vertebralen Wachsthum der Chorda sprechen, vielmehr handelt es sich an bei- den Puneten um eine sehr bedeutende Einschnürung derselben, und die aufgetriebenen Stellen liegen dazwischen. Am schönsten ausge- prägt zeigt sich dieses Verhalten bei der Gattung Amblystoma, die mich hinsichtlich ihrer Stellung zu Siredon pisciformis in ganz besonderem Grade interessirt hat. Der Hauptunterschied zwischen beiden liegt in der viel stärkeren Entwicklung des intervertebralen Knorpels einer- und der viel bedeutenderen intravertebralen Ein- schnürung der Chorda von Amblystoma andrerseits. Ersteres bildet einen Uebergang zu den Salamandern, Tritonen und Anuren, wäh- rend Letzteres das Verhalten der Phanero- und Cryptobranchiaten sogar in typischerer Ausprägung zeigt, als dies beim Axolotl der Fall ist. Der Holzschnitt B stellt einen Längsschnitt durch die Columna vertebralis eines ausgewachsenen Amblystoma tigrinum dar und man sieht bei /v/ den Intervertebralknorpel und bei 5 die intraverte- brale Einschnürung der Chorda, welch letztere an dieser Stelle ein strei- figes, faseriges Ansehen gewinnt, ohne dass von einer Knorpelentwick- lung etwas zu entdecken wäre. Der Intervertebralknorpel greift als Das Kopfskelet der Urodelen. 537 eontinuirliche Masse immer auf je zwei Wirbel über; von einer Dif- ferenzirung desselben in zwei Abschnitte, als Ausdruck einer begin- nenden Gelenkbildung ist nichts wahrzunehmen. Diesem Verhalten begegnen wir erst bei Gyrinophilus, allen Plethodonten und Spe- lerpes - Arten sowie bei Fig. 4. Fig. 5. Anaides. Ich habe dies von Gyrinophilus auf dem Holzschnitt © dargestellt und man erblickt den ersten, zweiten und den Anfang des dritten Wirbels I, II, II. Der Intervertebralknor- pel (Iv/:) hat eine sehr be- deutende Ausdehnung er- reicht und die Chorda ist in Folge dessen viel stärker eingeschnürt, als bei den Ainblystomen ; zugleich zieht sich die Knorpellage bis zur Mitte des Wirbelkörpers her- ein, so dass es sich nirgends mehr um eine directe Be- rührung zwischen der äus- serst dünnen Knochenwand (X) und der Chorda han- delt. Die intravertebrale Einschnürung der letzteren ist kaum etwas stärker als dies GEGENBAUR vom Axolotl abgebildet hat und hier wie dort zeigt sich eine Umwandluug des Chorda- Gewebes in grosszelligen Hyalinknorpel (CZ). Die Durchschnürung des Inter- vertebralknorpels zur Differenzirung eines Gelenkkopfes und einer Pfanne ist noch keine ganz vollständige; überall bleibt ein Zusam- menhang in Form eines schmalen Knorpelbandes (* *) bestehen. Auch dieses schwindet endlich bei Salamandrina persp., Holzschnitt D, so dass man nicht erst, wie man bis jetzt annehmen zu müssen glaubte, in der Reihe der Anuren einer wirklichen Ge- lenkbildung d. h. einer vollständigen Vertheilung des intervertebralen Knorpels auf zwei Wirbel begegnet. Ebensowenig bleibt bei dem italienischen Molch wie bei den un- geschwänzten Batrachiern irgend eine Spur der Chorda im interverte- y ) g 7 Z| X 538 R. Wiedersheim bralen Knorpel resp. in dem aus diesem hervorgegangenen Gelenk- knorpel bestehen. Eine weitere Aehnlichkeit mit den Anuren besteht in dem bei- nahe vollständigen zu Grundegehen der Chorda, welehe sieh nicht wie bei allen übrigen Formen der Urode- len in Knorpel umwandelt, sondern einer zerklüfteten Markraumbildung Platz macht, von welcher der ganze Wirbel durchsetzt wird (Mh). Nur intravertebral zeigen sich einige, ihrem vollständigen Zerfall nahestehende und nur schwer noch zu erkennende Chorda - Reste. Auch von ihnen vermochte ich an einigen Wir- beln Nichts mehr zu entdecken. Zur. wei- Pie. 6. teren Vervollkommnung der freien Gelenkbil- dung treten deutliche Intervertebral-Ligamente (Ligt) auf. “Wie dieses Verhalten nicht nur zu den Anuren, sondern auch zu den Reptilien und Vögeln hinüberleitet, hat GEGENBAUR zur Evi- denz bewiesen und die von mir schon früher geäusserte phylogenetische Auffassung von Sa- lamandrina erfährt dadurch eine weitere Recht- fertigung. In Anbetracht der bei den Urodelen im Allgemeinen auf sehr primitiver Stufe verhar- renden Chorda einer- und-des eine niedrige Stufe documentirenden Schädelcharacters an- dererseits muss es sehr befremdlich erscheinen, dass es mir nur bei Menobranchus gelang, Spuren von jener zwischen Parasphenoid und dem basi-oceipitalen resp. basi-sphenoidalen Knorpel nachzuweisen. Von dem Auftreten der Chorda im Schädel der Urodelen-Larven habe ich GEGENBAUR gegenüber nichts Weiteres zu erwähnen und ich führe deshalb seine eigenen Worte an: »Hinsichtlich des Ver- haltens der Chorda im Schädel finde ich, dass sie bei Jüngeren Larven vom hinteren Theil des Basilarknorpels an, sich allmälig ver- diinnend bis in die Mitte zwischen beiden Felsenbeinen verläuft, wo sie etwa dem vorderen Rande der letzteren entsprechend zugespitzt endet'). 1) Hier und da begegnete ich einer keulenförmigen Auftreibung des Vor- deren.les. Das Kopfskelet der Urodelen. 539 Scheide und Zellen sind von der nämlichen Beschaffenheit, wie am Rückgrate. Bemerkenswerth ist, dass mit dem Entstehen einer ho- mogenen Knochenlamelle an Ktickgratwirbeln auch die gesammte Schädelehorda von einer solehen umschlossen wird. Im hinteren Sehädeltheile der Chorda, jenem, welcher in dem zum Oceipitale basilare sich gestaltenden Knorpel eingebettet ist, entwickeln sich Knorpelzellen, wie in den Körpern anderer Wirbel: einzelne treten auch vorn auf. Der Verlauf der Chorda erfolgt nicht in geradliniger Richtung, sondern bildet einen nach oben zu etwas convexen Bogen. Die Chorda tritt nämlich, nachdem sie im Occipitale basilare in der Mitte liegt und eine diekere Knorpellage eher über sich als un- ter sich liegen hat, allmälig nach oben und liegt dann im Sehiidel- cavum in einer erhabenen Rinne des Knorpels, die nach hinten wie nach vorn sich vertieft und durch letzteres die Chorda wieder in den Knorpel sich einsenken lässt. Das vordere Ende der Chorda ist so wieder seitlich und unten von Knorpel begrenzt, verliert aber nach und nach die untere Knorpelumwandung und wird schliesslich oben und unten nur von einer dünnen Bindegewebsschicht überdeckt, seit- lich und vorn aber vom Knorpel umschlossen. Es entspricht dieses Verhalten dem nach vorn verdünnten Pri- mordialschädel, dessen Diekendurchmesser vorn nicht mehr hinreicht, die Chorda auch nur von einer Fläche her zu überdecken. Das Ende des Schädelrestes der Chorda wird theils durch Re- sorption, theils Ueberführung in Knorpel, und damit allmälige Assi- milirung mit dem benachbarten Gewebe des Primordialeraniums herbeigeführt. Dabei spielt auch das Wachsthum des Schädels selbst eine Rolle, indem dadurch die Chorda immer weiter nach hinten gedrängt wird. Im Sehädel ausgebildeter Salamander und Tritonen war die Chorda spurlos verschwunden « Allgemeine Ergebnisse und Reflexionen. Die auf den vorliegenden Blättern geschilderten anatomischen Verhältnisse des Kopfes der geschwänzten Amphibien sind wohl dazu geeignet, den Zusammenhang der einzelnen Glieder sowohl unter einander als auch ihre Stellung im Wirbelthierreich etwas näher zu präeisiren. - Versucht man die einzelnen Urodelen-Formen von einander ab- Morpholog. Jahrbuch. 3. 35 540 R. Wiedersheim zuleiten, so sieht man bald ein, dass dies keine so einfache Aufgabe ist, ja dass gerade zwischen den zwei niedersten Tribus und der höchsten eine Kluft besteht, die man vergeblich mit den heute leben- den Repräsentanten dieser Ordnung auszufüllen bestrebt sein wird. Wenn sich auch in vielen Stücken eine Aehnlichkeit zeigt, so ist man doch nicht im Stande, gerade die charakteristischsten Glieder der Phanero- und Cryptobranchiaten auf eine einzige Stammform zurück- zuführen. Man ist vielmehr gezwungen, drei vollständig von einander getrennte Wurzeln des Urodelenstammes anzunehmen und diese in einer hypothetischen Urform zu vereinigen, welche zwischen den Dipneu- sten und Holocephalen die Mitte hält. Eine solche ist uns aber nicht erhalten; wir können sie deshalb nur in Gedanken construiren und ihre Auffindung in den Schichten unserer Erdrinde als pium deside- rium bezeichnen. Von den drei von mir angenommenen Wurzeln führt die eine zu Menobranchus und Proteus, die zweite zu Amphiuma und beide endigen auch damit. Diese zwei Typen zeigen in ihrem Schädelbau so viel Besonderes, dass sie sich weder auf einander, noch auch auf Siren und die beiden andern Cryptobranchiaten be- ziehen lassen. Anders verhält es sich mit der dritten Wurzel, wo- bei Siren in Frage kommt. Wenn wir auch von hier aus an keine directe Ableitung von Menopoma, Cryptobranchus und den Salamandriden denken können, sondern noch eine oder mehrere Zwischenformen postuliren müssen, so finden wir doch bei Siren viel eher die Grundzüge ausgeprägt, wie sie uns auch im Kopfskelet der obgenannten Urodelen entgegen treten. Von Menopoma und Cryptobranchus resp. von dem mit letzterem identischen Andrias Scheuchzeri (Oeningen) an lässt sich der Hauptstamm bis zu den höchst entwickelten Salamandriden hinauf mit geringen Unterbrechungen weiter verfolgen. Zunächst den eben genannten Cryptobranchiaten steht Ellipso- glossa und daran reiht sich Ranodon, Salamandrella und wahrschein- lich auch Dieamptodon. Als Seitensprossen gehen davon ab: die Amblystomen, die Gattung Salamandra und Chioglossa. Nun fehlt im Hauptstamm wieder das Bindeglied zu den Spelerpes-Arten und Plethodon; sind letztere aber einmal erreicht, so ist man im Stande durch Anaides, Gyrinophilus und Desmognathus hindurch einen ganz allmäligen Uebergang bis zu den Tritonen und Salamandrina hin zu verfolgen. Das Kopfskelet der Urodelen. Salamandrina m Triton (Pleurodeles ?) — (Hemidactylium?) Desmognathus (Heredia? i 5 a he eas Gyrinophilus | Anaides — — | ‚ Batrachoseps Plethodon, | Spelerpes = Salamandra (Chioglossa) ? % - Amblystoma — |— a? En (Dicamptodon?) Ranodon, Salamandrella zum —, | Ellipsoglossa — [ee Cryptobranchus, Andrias Scheuchzeri Menopoma a a eee ? a Amphiuma Siren Menobranchus, Proteus N £ ib = L Sh we # „7 > Wh HA Hypothetische Urform zwischen Dipnoern und Holocephalen. 35* 541 542 R. Wiedersheim Wie alle Salamandriden in letzter Linie auf einen Ursprung von Urodelen zurückweisen, die in ihrem Schädelbau die Eigenthiimlich- keiten der Phanerobranchiaten besitzen, oder besessen haben, ersieht man am besten aus der Entwicklungsgeschichte. Man kann behaup- ten, dass in keiner Wirbelthierklasse das biogenetische Grundgesetz eine solch ausgedehnte und fruchtbare Anwendung findet, wie in der der Amphibien. Man denke an die Stellung des Suspensorium, die Ossifieations-Weise des Labyrinths und der Schädelbalken, an das Zahnskelet in seiner Stellung am Schädelgrund, an die ein- resp. zweispitzige Form der Zähne, die paarige Anlage des Zwischen- kiefers u. s. w. Dahin gehört auch noch das in der Ontogenese und Phylogenese in gleicher Weise sehr spät auftretende Maxillare, Prae- frontale und Nasale, sowie endlich die ursprünglich in der Vierzahl angelegten Knochen des Unterkiefers und der Kiemenapparat mit seinem fünffachen Bogensystem. Die nahen Beziehungen der Phanerobranchiaten zu den Pla- giostomen und Dipneusten beruhen namentlich auf der ausgedehnten Erhaltung des Primordialschädels, der Stellung des Suspensorium und Gaumenbogens, der seitlichen Stellung der direet unter der Haut liegenden Nasenkapseln, der unterständigen Nasenöffnungen, und dann vor Allem auf der Vertheilung der Kopfnerven, welche gestat- tet, die von GEGENBAUR am Selachierschädel gewonnenen Resultate direet auf die Urodelen zu übertragen. Dazu kommt als weitere, bedeutende Stütze für das hohe Alter dieser Thiergruppe die Thatsache, dass gerade bei den nieder- sten Formen nicht nur ein Theil, sondern das ganze Schidelrohr von der phylogenetisch ältesten Knochen- form, nämlich von Deckknochen auf eine grössere oder kleinere Strecke einzig und allein gebildet sein kann. Demselben Verhalten begegnen wir auch bei Protopterus, wo das Fronto-parietale in gleicher Weise innerhalb der ebenfalls ganz hyalinen, mit dem Palato-quadratknorpel verschmolzenen Tra- becularia senkrechte Fortsätze zum lateralen Parasphenoid - Rand hinabschickt, wie wir dies bei Menobranchus und Proteus constatiren konnten. Eine weitere Aehnlichkeit zwischen den Dipneusten und Menobranchus liegt in der Vereinigung der Vorderenden der seitlichen Schädelbalken zu einer ethmoidalen Basal-Platte, welche sich hier Jedoch weiter nach vorn mit dem keilartigen hyalinen Nasenseptum vereinigt. Im letztgenannten Puncte weichen also beide Thiere von einander ab, was auch namentlich für die Configuration des Parasphe- BEE ae > De ann ‘ Das Kopfskelet der Urodelen. 543 noids aufreeht zu erhalten ist. Während nämlich letzteres bei Me- nobranchus und allen übrigen Urodelen eine in gleichmässiger Hori- zontalebene verlaufende oft weit in den ethmoidalen Schädelbezirk sich hinein erstreekende Knochenlamelle darstellt, finden wir es bei Protopterus schon weit hinter der vorderen Vereinigungsstelle der Palato-quadrata quer abgestutzt. Der zwischen den letztgenannten Knochen und seinem Vorderrand gelegene Raum wird von der eth- moidalen Trabekular-Lamelle (Praesphenoid) ausgefüllt und zwar ist diese unter scharfem Winkel von der Ebene des Parasphenoids ab- gekniekt und erstreckt sich nach vorn und aufwärts. In dieser »Basalecke« (GEGENBAUR) erkennen wir einen von den Selachiern vererbten Zustand, der sich auf die Amphibien nicht fortsetzt. Die Petroso-oeeipital-Gegend mit ihrer basi- und supraoceipita- len Knorpellamelle sammt dem ganz hyalinen Labyrinth!) zeigen mannigfache Uebereinstimmungen mit den Verhältnissen der Phanero- branchiaten; es ist aber durch die discrete Anlage einer Anzahl von oberen Bogenstücken viel deutlicher der Zerfall in Metameren aus- gedrückt, als wir dies selbst bei Selachiern beobachten. Ich hoffe, dies in einer besonderen Arbeit weiter verfolgen zu können. Ich möchte noch einmal an dieser Stelle auf die für alle Uro- delen ohne Ausnahme geltende Art der Ossification, welche ich, weil vom Perichondrium ausgehend. als eine perichondrostotische bezeich- net habe, aufmerksam machen. Ich glaube zur Anwendung dieses Namens aus den in der Einleitung dargelegten Gründen berechtigt zu sein und kann darauf gestützt, einen weiteren Beleg für die GEGEN- BAUR’sche Ansicht beibringen, dass eine Grenze zwischen primären und secundiren Knochen im Sinne KÖLLIkeEr’s nicht zu ziehen ist. Zum Schluss noch ein Wort über die fossilen Reste einiger Urodelen. Im Mergel von Oeningen sind ausser dem von TscHupI und vielen Andern ausführlich beschriebenen Andrias Scheuchzeri noch drei Urodelen gefunden worden: Polysemia ogygia, Tri- ton noachicus und die zu den Proteiden gehörige Orthophyia. Der Schädel des ersteren ist gut, der des letzteren schlecht er- ') Eine mediale Knorpelwand fehlt jedoch der Gehörkapsel. Vergl. die Teleostier. 544 R. Wiedersheim halten. Beide sind echte Tritonen, wofür bei jenem ein wohlausge- bildeter Tympano-Frontalbogen, bei diesem der deutlich ausgeprägte opisthocoele Wirbeltypus spricht. H. v. MEYER sieht Polysemia für einen »Proteiden« an, was ich nach dem oben Mitgetheilten entschie- den bestreiten muss. Er scheint sich dabei auf den nicht erhaltenen Carpus und Tarsus zu stützen, der wohl aus Hyalinknorpel bestan- den haben mag. Letztere Thatsache kann ich aber nicht als mass- gebend betrachten, da ich auch bei Triton torosus diese Theile unverknöchert finde, während andrerseits bei gewissen Spelerpes- Arten (»Spelerpes minimus: Spengel) Ossificationen im Hand- und Fusswurzelskelet vorkommen. Unerklärlich sind mir bei Polysemia zwei weite, hinter den äusseren Nasenlöchern liegende Oeffnungen; vielleicht beruhen sie auf einem Mangel des Praefrontale. Was für beide Schädel characte- ristisch ist, das ist die ausserordentliche Breite des Schädels und die rein transversell gestellten Suspensoria; der Schädel erhält da- durch etwas Krötenartiges. Polysemia ist nur halb so gross wie unser gefleckter Landsalamander und kommt nach H. v. MEYER zusammen mit dem Palaeobatrachus Goldfussi vor. Der Tri- ton noachicus mochte etwa die Hälfte der Körperlänge unseres Kammsalamanders erreichen; er besass ausnehmend lange Rippen mit jenen Hakenfortsätzen, die ich von Salamandrina beschrieben habe. Einen noch breiteren Schädel als diese beiden Arten besass die in der Braunkohle des Nieder-Rheines sich findende Salamandra laticeps. Auch hier stehen die Suspensoria weit nach aussen und neigen sich zugleich nach hinten, und der Carpus und Tarsus sind wohl verknöchert. Eine genaue Beurtheilung des Schädels wird durch die schlechte Erhaltung desselben unmöglich gemacht. Von dem im Basalt-Tuff Böhmen’s entdeckten Triton basal- ticus ist der Schädel nicht erhalten; die enormen Processus spinosi der Wirbel lassen auf einen doppelt so hohen Ruderschwanz schlies- sen, als ihn unser Triton cristatus besitzt. Interessanter und besser erhalten ist der im März 1875 von A. Gaupry beschriebene und neuerdings auch, wie oben bemerkt. in Thüringen massenweise aufgefundene Protriton petrolei aus dem »Roth-Todtliegenden«. Ich habe ihn auf Fig. 80 und 90 nach der Abbildung Gaupry’s copirt in vergrössertem!) Maassstab, ') Die grössten Exemplare messen nicht über 35—45 Millimeter. Das Kopfskelet der Urodelen. 545 indem ich meinen Wunsch, die betreffenden Steinplatten zu eigener Untersuchung zu erhalten, bis jetzt nicht befriedigen konnte. Was bei Betrachtung dieses merkwürdigen Thieres vor Allem in die Augen fällt, ist der breite Kopf und die verkümmerte Wirbel- säule, welche den Rumpf nur um wenige Millimeter überragt. In ersterem erkennen wir fast bis in’s Einzelnste den Habitus des Anu- renschädels, das kreuzförmige Parasphenoid, das Quadrato-jugale, das Pterygoid ete. und auch die enorm breite!) hinten beinahe ganz quer abgestutzte Form des Schädels im Allgemeinen weist auf’s Ent- schiedenste darauf hin. Der Vomer erinnert, was GAUDRY mit Recht hervorhebt, viel mehr an denjenigen der Urodelen. Alles dieses ist an der von Gaupry nach acht Individuen construirten theoretischen Figur 80 deutlich zu erkennen. Becken- und Schultergürtel blieben ihrer schlechten Erhaltung wegen ganz unberücksichtigt. Das -Aussehen der in der Zahl 29 vorhandenen Wirbel weist auf einen sehr primitiven Zustand hin, in welchem ursprünglich das Chorda- und Knorpelgewebe eine grosse Rolle gespielt haben mag. Differenzirte Rippen sind nicht vorhanden, man bemerkt vielmehr nur äusserst feine, wie bei den Anuren mit den Wirbeln synostotisch verlöthete Seitenspangen — Processus transversi. Ich begreife deshalb nicht, warum GAupry von »salamanderähnlichen« Rippen spricht. Seine Abbildungen berechtigen nicht dazu. Vorder- und Hintergliedmassen stimmen fast vollständig mitein- ander überein und messen 10 — 12 Mm. in der Länge; ihre Knochen sind sehr einfach und es existirten wohl früher bedeutende Knorpel- Apophysen, wie auch das Fehlen von versteinerten Carpal- und Tarsal-Elementen darauf hinweist, dass diese Theile knorpelig angelegt waren. Interessant ist die an Salamandrina, Batrachoseps, Salamandrella, Hemidactylium und Menobranchus erinnernde Vier- zahl der Zehen. Wir sehen uns somit in diesem Thier einen Sammeltypus erhalten, der für die Descendenztheorie einen nicht zu unterschätzenden Werth besitzt, indem er uns die bis dato vergeblich gesuchte Brücke zwi- schen den beiden Hauptordnungen der Amphibien und Urodelen vor Augen führt. Wo wir den Abgang dieses Seitenzweiges an dem oben aufgestellten Stammbaum der Urodelen zu suchen haben,. wage ich nicht zu entscheiden. So viel aber kann ich mit Bestimmtheit !) Der Schädel misst von rechts nach links 10, von vorn nach hinten 7 Millimeter. 546 R. Wiedersheim, Das Kopfskelet der Urodelen. erklären, dass wir dabei nicht an die Spelerpes- und Tritonen-Arten, sondern vielmehr an die Gattungen Ranodon oder Amblystoma zu ‘denken haben. Dafür spricht die ganze Anlage des Schädels, wie auch die der Wirbelsäule. Mag es sich damit so oder so ver- halten, jedenfalls lernen wir daraus die goldene Regel, in Aufstel- lung von Stammbäumen d. h. in Ableitung der Thierformen von einander die ‚äusserste Vorsicht und Gewissenhaftigkeit zu beobach- ten und dabei nicht zu vergessen, dass ein einziger palaeontologischer Fund im Stande sein kann, das in übergrosser Eile aufgeführte, luf- tige Gebäude umzustürzen. Einer fernen Zukunft erst mag es vor- behalten sein, die Tausende von begrabenen Organismen an’s Tages- licht zu ziehen und sie nach strenger Prüfung in die unendliche Kette der Thierformen richtig einzufügen. Erst wenn dieser Schluss erreicht ist, mag Vieles, was wir bis jetzt kaum hypothetisch er- schliessen, ja oft nur ahnen können, in seinem vollen Umfang er- fasst, verarbeitet und begriffen werden. Freiburg i. B., im Januar 1877. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 81. 82. 83.) 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. ot 92. 93. 94. 95. 96. Ir 98. 32. 100. 101. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIV. Frontalschnitt durch den Vorderkopf von Salamandrella wodurch genau die Grenze der Ethmoidal-Region getroffen ist. Der nächste Frontalschnitt nach hinten zu. Restaurirter Protriton petrolei. Copie nach A. GAUDRY, dessen Bezeichnungen der einzelnen Schädelknochen ich beibehalten habe. Sie erklären sich von selbst. Links von der Lendenwirbelsäule ist ein Stück der Wirbelsäule von der Seite dargestellt, woran man leicht die biconcave Natur der einzelnen Wirbel erkennt. Frontalschnitt durch die Regio nasalis von Plethodon gluti- nosus. Frontalschnitt durch den Kopf desselben Thieres weiter nach rück- wärts, unmittelbar vor dem ethmoidalen Bindegewebsvorhang. Frontalschnitte durch den hintersten Bezirk der Labyrinthgegend von Triton alpestris. Frontalschnitt durch die Regio nasalis von Salamandrella. Frontalschnitt durch den Beginn der Hirnkapsel desselben Thieres. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von einem mexicanischen Speler- pes (spec?). Frontalschnitt durch die Schnauzengegend von Salamandrella. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von Triton viridescens. Protriton petrolei von oben. Stark vergrössert. Copie nach A. GAUDRY. Triton torosus Desmognathus fuscus ; Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat. Plethodon glutinosus | Tafel XXV. Obere Untere Seitliche Ansicht des knöchernen Schädelrohres von Plethodon glutinosus. Zusammenstoss der Frontalia und Vomeropalatina von Triton vi- ridescens. Ansicht von vorn. Frontalschnitt durch den Internasal-Raum von Salamandrella. Untere Schiidelansicht von Gyrinophilus porphyriticus. Frontalschnitt durch die Internasal-Gegend von Plethodon. Obere Schiidelansicht von Desmognathus fuscus. Schädelansicht von Batrachoseps attenuatus. 548 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. R. Wiedersheim, Das Kopfskelet der Urodelen. . 102. Zungenbein-Kiemenbogen-Apparat von Gyrino philus. . 103. Untere Schädelansicht von Desmognathus fuseus. 104. Obere - - Anaides lugubris. . 105. Seitliche = & Be == 106. Untere - - u - 107. Unterkiefer desselben Thieres von der Innenseite. . 108. Knuorpeliges Nasengerüst von Spelerpes fuscus von unten gesehen. g. 109. Zusammenstoss des Frontale und Vomeropalatinum von Tri- ton viridescens. Rechte Schädelhälfte von innen gesehen. . 110. Obere Y e : 3 aliere Schädelansicht von Triton eristatus. Tafel XXVI. . 112. Frontalschnitt durch die Regio ethmoidalis von Salamandrina perspicillata. . 113. Sagittalschnitt durch die Nasenhöhle desselben Thieres. . 114. Sagittalschnitt durch das Cavum intermaxillare von Salamandrina perspieillata. . 115. Frontalschnitt durch den Schädel desselben Thieres. g. 116. Frontalschnitt durch die Regio quadrata des Schädels von Pletho- don glutinosus. . 117— 128. Frontalschnitte durch den Schädel von Triton viridescens; an der Schnauzengegend beginnend bis zur Regio quadrata. Das Nähere ergibt sich aus der Buchstabenerklärung. . 129. Frontalschnitt durch die Regio nasalis von Plethodon gluti- nosus. . 130. Ein ebensolcher Schnitt durch die Labyrinthgegend von Triton alpestris. Tafel XXVII. . 131. Obere Schädelansicht von Triton viridescens. . 132. Frontalschnitt durch das Cavum intermaxillare von Salaman- drina persp. 133. 134 | Eben solche Schnitte, wobei auch die Nasenhöhle in Betracht kommt. . 135. Obere Schidelansicht von Triton platycephalus (Euproctus Rusconii) . . 136. Untere Schädelansicht von Triton viridescens. 5 Bie un. Frontalschnitte durch das Cavum intermaxillare von Sala- mandrina persp. 139. 140. Obere Schädelansicht von Triton suberistatus. 141. Untere - - Triton platycephalus. . 142. Seitliche - - Triton suberistatus. . 143. Frontalschnitt durch den hintersten Bezirk des Cavum interma- xillare von Salamandrina. 144. Obere Schädelansicht von Triton torosus. ’ i’ Way At, y ae é f Ber A mr LA bis Has wy + ip f [4 he ee Morphol.Jal wbuch.Bd.M. Cav.cran. Cav.cran As U ao N )) + Trab, Platte KebrIl = a a = = Rye Lend = | Kybr] en = s | iv me an | Sy w $ Di tte = q no © = fi a Soe ee at as x in Ri 7 > Fe 1 Kebrll Oth KebrIl \ EnbrT. Lith A Hofmann Würzburg he SS ee Rabus 2 Wiedersheim (de!. FE IE ER Pe 2 ß 7 3 Morphol. Jahrbuch Ball. "ie 5; \ Olat Rabus dsl. Lith,J.A.Hufmann, Würzburg wecken ne a ae 2 +i les ; Can. eran. HE (Eth) Lih.AHofmann,Wiirzburg. : | —— © EN RR. ar De » at *y ie lorphol. J: ahrbuch Bd Il. Apr. Pm = Ann Pma: be ae Tabus © Wiedershäm del, LithHofmann Würzburg % Ueber die Knospung der Salpen. Von Prof. W. Salensky, in Kasan. Mit Tafel XXVIII—XXX. 1. Einleitung. Die morphologischen Erscheinungen bei der ungeschlechtlichen Vermehrung der Thiere überhaupt wurden bis jetzt viel weniger be- riicksichtigt als die bei der Entwicklung der Thiere aus dem Ei vor sich gehende. In den zahlreichen Arbeiten über Embryologie ver- schiedener wirbelloser Thiere findet man nur wenige Angaben über die Knospung oder über den Theilungsprocess der sich ungeschlecht- lich vermehrenden Thiere. Nur in der letzten Zeit ist Dank den Untersuehungen über die Knospung einiger Bryozoen (NITSCHE) und Ascidien (KOWALEVSKY, METSCHNIKOFF, GIARD ete.) die Entwicklung der inneren Organe der knospenden Thiere etwas genauer erforscht worden. Frühere Angaben betreffen hauptsächlich die äusseren Ver- änderungen, welche meistens an frischen Exemplaren ohne irgend welche Behandlung des Objects beobachtet wurden, und, obgleich diese Methode mitunter werthvolle Resultate gibt, kann sie ebenfalls Irrthümer veranlassen. Die Sorgfalt der Technik ist bei embryolo- gischen Untersuchungen eine der wichtigsten Bedingungen eines gu- ten Erfolges, und die Fortschritte der Embryologie während der letz- ten Decennien verdanken wir hauptsächlich den verschiedenen tech- nischen Manipulationen, denen das Object unterzogen. wurde und besonders der Untersuchung von Schnittserien. Eines von den Objecten, an denen die Schnittmethode vortreffliche Resultate gibt, ist der Keimstock (stolo prolifer) der Salpen, an wel- 550 W. Salensky chem die Proliferation der Salpenketten vor sich geht. Derselbe stellt im ausgebildeten Zustande einen cylindrischen oder schnurför- migen Strang dar, welcher auf seiner ganzen Länge aus verschieden entwickelten paarig gestellten Salpenindividuen besteht. Die letztern sitzen wie bekannt quer dem Keimstocke auf und sind in den ersten Stadien ihrer Entwicklung im vordern Theile des Keimstocks so innig mit einander verbunden, dass sie keineswegs durch einfache Präparation von einander isolirt werden können. In diesem oberen Theile spielen sich jedoch die wichtigsten Bildungvorgänge ab. Alle Organe der Kettensalpen differenziren sich in den Wänden des Keim- stocks und die dabei hervortretenden complicirten histologischen Ver- änderungen können nur bei der Betrachtung gefärbter Querschnitte des Keimstocks verfolgt werden. Der complicirte Bau des Keimstocks lässt diese Veränderungen bei der Beobachtung frischer Salpenexem- plare oder des isolirten Keimstocks in toto keineswegs wahrnehmen. Indem ich hier die Wichtigkeit der Schnittmethode für die Un- tersuchung der Knospung von Salpen besonders hervorhebe, will ich damit keineswegs die Bedeutung der frichen Exemplare als Unter- suchungsobjeete vollkommen in Abrede stellen. Im Gegentheil; sehr viele Erscheinungen, z. B. die Cireulation des Blutes im In- nern des Keimstocks ete., können nur an frischen Objeeten stu- dirt werden. Ausserdem können durch solehe Untersuchungen sehr viele wichtige Thatsachen constatirt werden, was auch in der That durch bekannte Beobachter wie LEUCKART, ESCHRICHT, HUXLEY, Voer und andere geschehen ist. Zu den Arbeiten dieser Forscher wol- len wir nun übergehen, um aus den dabei sich ergebenden Fragen unsere Aufgabe kennen zu lemen. Fast alle Beobachtungen über die Knospung der Salpen traten in dem sechsten Decennium unseres Jahrhunderts hervor. Wir ver- danken unsere Kenntnisse über die Entwicklung der Kettensalpen denselben Beobachtern, welche auch viel für die embryonale Ent- wicklung der Salpen geleistet haben. Es sind namentlich EscH- RICHT, LEUCKART, HuxLey, Voer, H. MÜLLER, KroHn und Kowa- LEVSKY, welchen das Verdienst gebührt die Knospung der Salpen erforscht zu haben. Die ersten Angaben über die Knospung der Salpen rühren von EscHrRicHT her, während die früheren Beobach- ter wie Cuvirr, CHAMISSO, Quoy, GAIMARD und MEYEN die wirkliche Bedeutung des Keimstocks nicht erfasst hatten. Escuricur war der erste, welcher nicht nur den Keimstock als knospenbildendes Organ der Salpen erkannte, sondern auch eine in Ueber die Knospung der Salpen. 551 manchen Beziehungen richtige und sehr sorgfältige Beschreibung des Keimstocks und selbst des Knospungsprocesses gab. Leider war mir die EscnricHr'sche Abhandlung wegen sprachlicher Hindernisse in Ori- ginalschrift nicht benutzbar, daher verweise ich auf die deutsche Ueber- setzung dieses Werkes '). Das Hauptgewicht der Escuricur’schen Un- tersuchungen liegt in dem Nachweise eines Rohres, welches die Ver- bindung der Keime untereinander vermittelt. In den Wänden dieses Rohres unterscheidet Escuricur zwei Hüllen, von welchen er die äussere als vergängliche bezeichnet und die innere als quergestreifte. Die einzelnen Keime lässt Escuricnr durch Vereinigung von zwei Stücken entstehen, welche er als Knospen bezeichnet: einer Kugel- knospe und einer Kernknospe; diese Angaben finden wir ausführ- licher auch in späteren Untersuchungen. In der Kugelknospe bildet sich nach Escuricut das Ganglion, die Kernknospe entspricht ihrer Lage nach dem hinteren Theile des Keimes und soll das Material für die Ausbildung desselben geben. Was die Entwicklung der Or- gane betrifft, so sei hier nur bemerkt, dass die Höhle des Stamm- rohres nach Escuricurs Angaben mit den Athemhöhlen einzelner Salpenfötus in Verbindung stehen soll, — eine Angabe, welche ich nicht bestätigen kann. Die Untersuchungen von KROHN?) sind speciell der Fortpflan- zungs- und Entwicklungsgeschichte der Salpen gewidmet. KROHN gebührt das Verdienst zuerst die allerjiingsten Keimsticke der Salpen beobachtet zu haben. Er hat nachgewiesen, dass der Keimstock schon bei den auf geschlechtlichem Wege entstandenen Salpenembryo- nen sich entwickelt und dort in Form eines Rohres auftritt, auf welchem später die einzelnen Knospen während des selbständigen Lebens der solitären Salpe sich herausbilden. In den Untersuchungen Huxrey's®) begegnen wir einer Beschrei- bung und Abbildung der ersten Anlage des Keimstocks beim Salpen- embryo sowie genauen Angaben über die Structur des Stammrohres. Nach Hvxrter sind die Salpenfötus durch ein eylindrisches doppel- wandiges Rohr mit einander verbunden, welches auf seinem vorderen resp. inneren Ende mit dem Sinussystem in Verbindung steht. Er bestätigt somit die Ansicht, welche früher von Kroun ausgesprochen wurde und betrachtet das Stammrohr als ein Diverticulum des Sinus- system. Nach den Untersuchungen des berühmten englischen For- ') Isis v. OKEN. 1842. *) Ann. des sc. nat. 3me Serie T. VI. pag. 110. 3) Philosoph. Transact.. 1851. Bd. I. pag. 567. 952 W. Salensky schers soll das Stammrohr durch eine Scheidewand in zwei Canäle getheilt werden, welche in der hinteren Spitze des Keimstocks zu- sammenhängen. Diese letztere Angabe stimmt vollkommen mit den Escuricut’schen Abbildungen überein, wo die Scheidewand, obgleich nicht vollkommen richtig, doch sehr deutlich abgebildet ist. Die Anlagen des einzelnen Fötus treten nach HuxLeY ebenfalls in Form von zwei Erhebungen hervor, welche er als Anlagen der Körper- abtheilungen betrachtet. Die innere von diesen Erhebungen ist die Anlage des Nucleus resp. des hinteren Körpertheiles, die äus- sere des Ganglions resp. des vorderen Körpertheiles; — diese Anla- gen sind jedoch von Anfang an mit einander verbunden. Die Untersuchungen von C. Vogt!) geben wenig Aufschluss über den feineren Bau des Keimstocks. Er beschreibt den Keim- stock gleichfalls als ein hohles Rohr, dessen Lumen durch zwei lon- gitudinale Wülste getheilt ist, und unmittelbar vom Herzen das Blut empfängt. Die Entwicklung der Organe einzelner Salpen soll nach Voar durch die Differenzirung der zuerst unförmigen Masse der An- lage vor sich gehen. Nach Vogt, in Uebereinstimmung mit HuxLrey sollen die beiden sogenannten Knospen (Kernknospe und Kugel- knospe ESCHRICHT’s) von ihrer Entstehung an mit einander verbun- den sein. Fast gleichzeitig mit den beiden letzten Arbeiten erschienen die Untersuchungen von LEUCKART?) , welche in manchen Beziehungen von beiden sich unterscheiden und eine ziemlich ausführliche Beschrei- bung der Knospung darstellen. Nach den Angaben dieses Forschers, welchem wir über den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Sal- pen so viel verdanken, entsteht der Keimstock in Form eines buckel- förmigen Vorsprungs der äusseren Zellenschicht des Mantels und ist in dem Winkel zwischen dem Herz und dem »Oelkuchen« gelagert. Er stellt ein hohles hakenförmiges Gebilde dar und »nimmt in seiner Höhle den Blutstrom auf«. Der Blutstrom und die Vereinigung des Keimstockslumen mit dem Lacunensystem des Mutterthieres ist von LEUCKART ganz übereinstimmend mit den frühern Beobachtern be- schrieben. Aber in Bezug auf die Structur des Keimstocks weicht LEUCKART von den Angaben der anderen Beobachter bedeutend ab, da er annimmt, dass der Keimstock (das Keimrohr) nur aus einer 4) Recherches sur les animaux inférieurs de Ja mediterranee Mém. de l'Institut Genevois. T. II. *) Zoologische Untersuchungen. Zweites Heft. Giessen 1854. Ueber die Knospung der Salpen. 553 einzigen Zellenschicht (»Substanzlage«) besteht. Er hielt auch die Angabe von Huxtey, dass das Keimrohr der Salpen durch eine Scheidewand in zwei nebeneinander liegende Gänge getheilt ist, für unrichtig. Dagegen bestätigt LEUCKART die Angaben von Escu- RICHT in Bezug auf die Entstehung der Kettensalpen aus zwei iso- lirten Anlagen und stellt als Regel auf, dass »die Salpen durch die Verschmelzung von je zwei Knospen an dem Keimrohr der Ammen ihren Ursprung nehmen«. Das Verhältniss der beiden LEUCKART’schen Knospen zu den sich später herausbildenden Körpertheilen der Sal- pen bleibt dasselbe, wie von Escuricur nachgewiesen wurde. Was die Entwicklung der Organe anbetrifft, so hält LEUCKART das Gehirn und die Kieme für die frühesten Organe, welche bei den Embryonen zum Vorschein kommen. = In manchen wichtigen Puncten die Angaben aller genannten Forscher ergänzend, sind die Untersuchungen von KOWALEYSKY!), die leider bis jetzt nur in Form einer sehr kurzen vorläufigen Mit- theilung erschienen sind. Da dieselben sehr bündig dargestellt sind, so muss ich die Ergebnisse dieses Forschers fast wörtlich wieder- geben. Der Keimstock der Salpen stellt nach Kowaurevsky ein sehr zusammengesetztes Gebilde vor. Er enthält fast alle Anlagen der Organe, welche wir im fertigen Salpenleibe antreffen und besteht aus folgenden Theilen: »1) der äusseren Haut (Fortsetzung der Haut des Embryo), 2) dem Darmrohre (Fortsetzung des Darmes des Em- bryo, 3) den zwei Kloakalröhren (den Fortsetzungen der beiden hin- teren Enden der Kloake des Embryo), 4) einem Haufen von Zellen, welcher sich allmälig in die Länge zieht, die Form eines Stranges annimmt und weiter durch Ausbildung einer Höhle zu einem Rohre (Eierstocksrohr) wird und 5) ein Rohr, welches in der Mitte zwischen den beiden Kloakalröhren und ganz entgegengesetzt wie die Eier- stocksröhre, dem Darmrohre dieht anliegt — dies ist das Nervenrohr. Das Nervenrohr entsteht aus den Zellen des mittleren Blattes anfangs in Form eines festen Stranges, welcher bald durch Bildung einer Höhle zu einer Röhre wird« (Kow. loc. cit. pag. 412). Die Ent- wicklung der einzelnen Salpen und deren Organe wurde von Ko- WALEVSKY nicht beschrieben; er bemerkt jedoch, dass fast alle Or- gane des Salpenfötus »aus entsprechenden Organen des Mutterthieres abstammen«. 1) Nachrichten von der K. Ges. der Wiss. zu Göttingen 1868. No. 19. pag. 411—415. 554 W. Salensky Ich habe die Ergebnisse der KowaAa.evsky’schen Untersu- chungen mit eigenen Worten des Verfassers wiedergegeben, da wir zum ersten Male hier die Entscheidung der wesentlichsten Frage hin- sichtlich der Entstehung der Organe finden. KowALevsky hat nicht nur den anatomischen Bau des Keimstocks in kurzen Worten be- schrieben, sondern auch die Behauptung aufgestellt, dass die Ent- wieklung der Organe der Salpenknospen aus den entsprechenden Organen des Mutterthieres vor sieh geht — eine Behauptung. welche sich nach unseren Untersuchungen nur in gewissen Grenzen als rich-- tig herausgestellt hat. Nachdem meine Arbeit beendigt und selbst zum Theil schon niedergeschrieben war, habe ich zufällig erfahren, dass inzwischen zwei neuere Arbeiten über die Entwichgungsgeschichte der Salpen erschienen, die ich während meiner Untersuchungen nicht benutzen konnte. Eine davon, von Prof. Toparo stellt ein umfangreiches Memoire über die embryonale Entwicklungsgeschichte und Knospung der Salpen (hauptsächlich der Salpa prolifera) dar, und ist bereits im Jahre 1875 erschienen !) ; die andere, welche ebenfalls die beiden Arten der Salpenentwicklung behandelt, rührt von dem amerikani- schen Forscher Dr. Brooks her, und wurde erst im Anfang des Jah- res 1876 publieirt ?). Auf eine Kritik beider Untersuchungen werde ich weiter unten zurückkommen, hier will ich nur die Hauptergebnisse derselben her- vorheben. Der Keimstock der Salpen entsteht nach der Angabe von Toparo in Form einer Ausstülpung des Ectoderm oder der Haut und Entoderm (der Athemhöhle) und stellt einen papillenförmigen, zwi- schen dem Elaeoblast (»glandula germinativa« TODARO) und der Placenta liegenden Körper dar. Die beiden Keimschichten des Keimstocks resp. Eetoderm und Entoderm der Mutter sind nur am vorderen Ende des Keimstocks vereinigt, in der rechten Seite desselben sind sie aber durch einen dreieckigen Raum von einander gesondert, welcher mit seiner breiten Basis dem Elaeoblast zugewendet ist. In diesen Raum dringt nun eine der Zellen des Elaeoblastes, welche wahr- scheinlich der Gruppe von Zellen angehört, die in der sog. mem- brana germoblastica der Placenta ursprünglich gelegen sind. Die ! Toparo, Sopra lo sviluppo e l’anatomia delle Salpe in »Atti della Reale Academia dei Lincei. Bd. 11. 2) Wu. K. Brooks, The development of Salpa in: Bulletin of the Museum of comparative Zoologie No. 14; »Embryologie of Salpa« in: Proc. of the Boston Society of Natural History. Vol. XVII. Ueber die Knospung der Salpen. 555 Zelle theilt sich nach und nach und bildet endlich einen Zellenhau- fen, welcher von Toparo als »eumulo cellulare primitivo« bezeichnet ist, und endlich den ganzen Raum zwischen dem Eetoderm und En- toderm ausfüllt. Also aus den drei genannten Theilen 1) der Ausstülpung des Eetoderm, 2) der Ausstülpung des Entoderm und 3) dem cumulus primitivus ist nach TopAro der Keimstock der Salpen in seinem jugendlichen Zustande zusammengesetzt. Die Theilnahme dieser Theile bei der Bildung der Salpenketten ist von TopAro mit folgen- den Worten characterisirt, welche das Hauptergebniss der gesamm- ten Untersuchung über die Knospung der Salpen vorstellen: »bei der Entwicklung der Kettensalpen sind weder die Elemente der äusseren Schicht, noch die der inneren Schicht thitig...... Die Salpen bilden sich aus den Knospen der mittleren Schicht. welche letztere ihrerseits ein Product des zuerst entstehenden cumulus primitivus ist. « ‘Toparo loc. cit. pag. 69). Aus dem beigefügten Citate von Toparo ist ersichtlich, dass die Hauptergebnisse der Untersuchungen dieses Forschers eine grosse Differenz im Vergleich mit denen von KowALEvsky darbieten und ich kann Toparo nicht beistimmen, wenn er behauptet, dass er »in den Hauptpuncten bezüglich des primitiven Baues der Stolo« mit KowALEvsKkyY übereinstimmt (ToDAro 1. e. pag. 54). Während nach KowArEvsky der Keimstock aus lauter Fortsetzungen mütterlicher Organe besteht, ist er nach den Toparo’schen Angaben nur aus Eetoderm, Entoderm und dem sogen. cumulus primitivus zusammen- gesetzt. Der »cumulus« ist ausschliesslich der Theil des Keimstocks, von dem die Entwieklung der Knospen ausgeht; aus diesem Theile bilden sich sämmtliche Organe, deren Entstehung ein Auftreten der Keimblätter vorausgehen soll. Da diese mittlere Schicht aus einer Zelle entstehen soll, welche von der »Keimdrüse« (glandola germina- tiva) abstammt und von Toparo als »primo germoblasto« bezeichnet ist, so erhält der ganze Process der Proliferation bei den Salpen einen ganz eigenthümlichen Character. Die Proliferation der Salpen trägt nach Toparo den Character einer parthenogenetischen Ver- mehrung, während sie bis jetzt als Knospungsprocess aufgefasst wurde. Wir werden noch später die Toparo’sche Arbeit etwas ein- gehender besprechen; hier muss ich jedoch bemerken, dass die Querschnitte , welche Toparo in seiner Abhandlung anführt und hauptsächlich diejenigen, welche die ersten Entwieklungsstadien be- treffen, mit den meinigen vollkommen übereinstimmen; nur gibt der Morpholog Jahrbuch. 3. 36 556 W. Salensky italienische Forscher eine Erklärung derselben, welche von der mei- nigen durchaus verschieden ist. Die Angaben von Brooxs, welche ebenfalls den histologischen Bau des Keimstocks und der Entwicklung der inneren Organe der Kettensalpen betreffen, unterscheiden sich bedeutend von den TODARO- schen, wie auch von den KowAuevsky’schen. Nach den Untersuchun- gen des amerikanischen Forschers tritt der Keimstock zuerst in Form einer beeherförmigen Ausstülpung (cup-like protrusion) des äusseren Mantels auf, welche auf der Haemalseite des Embryonalleibes ge- genüber dem Herzen liegt und im Innern eine Höhle enthält, die als ein Diverticulum des Sinussystem erscheint. Ist einmal eine solche Anlage des Keimstocks gebildet, so treten in derselben weitere Com- plicationen dadurch auf, dass im Innern einige neue Theile erschei- nen. Es tritt namentlich zunächst von Seite des Pericardiums her ein Rohr auf, welches eine unmittelbare Fortsetzung des Pericar- diums darstellt und im axialen Theile des Keimstocks wuchert; es theilt die Höhle des Keimstockhügels resp. die Sinusse in zwei Ca- näle, welche die beiden bekannten Blutgefässe des Keimstocks re- präsentiren. »Wir müssen also im Querschnitte des jungen Keimstocks von Salpen folgende Theile finden: 1) das äussere Rohr, welches vom äusseren Mantel des Mutterthieres abstammt, 2) im Innern desselben eine Kammer, welche mit dem Sinussystem des Mutterleibes in Com- munication steht und 3) im Innern dieses letztern das zweite Rohr, welches vom Pericardium abstammt ete.« (BRooKs loc. cit. pag. 327). Zu allen genannten Theilen des Keimstocks tritt später noch ein vier- ter; es ist namentlich eine haufenförmige Masse von Protoplasma (club-shaped mass of protoplasma), welche im Innern der beiden Blutsinus des Keimstocks zum Vorschein kommt. Dieselbe stellt nichts anderes dar, als die Anlage der Eierstöcke, welche also nach den Angaben von Brooks in Form zweier Protoplasmaanhäufungen in beiden Sinus resp. in beiden Seiten des Keimstocks erscheinen. Diese vier Theile sind, nach den Angaben von Brooks, die, welche bei der Entwicklung der Salpenkette thätig sind. Die Wandungen des äusseren Rohres bilden die äussere Mantelschicht der jungen Zooide, deren Leibeshöhlen aus den Divertikeln des Sinussystem entstehen sollen. Die Athemhöhlen und die Ganglien einzelner Kettensalpen sollen aus den Divertikeln des inneren Rohres (tubular chamber) ihren Ursprung nehmen. Der Artikel von Brooks ist mit mehreren in den Text eingedruckten Figuren versehen, welehe leider sämmtlich sehr schematisch aussehen, Ueber die Knospung der Salpen. 557 so dass sie als Beweise der im Text beschriebenen Thats achen nicht vollkommen genügen. Vergleichen wir die Untersuchungen der drei letztgenannten Forscher (KOWALEVSKY, Toparo und Brooks) so treten bedeutende Widersprüche in allen Angaben hervor. Um sich über die Verschie- denheit dieser Ergebnisse zu orientiren fassen wir hier die Haupt- momente der Entwicklung der Salpen, wie sie sich nach den ver- schiedenen Angaben darstellt, in kurzen Worten zusammen. Die Divergenz der Meinungen kann namentlich auf die verschiedenen Ansichten desselben bezüglich des inneren Baues des Keimstocks zurückgeführt werden. Da aber die richtige Auffassung des Baues des Keimstocks der wesentlichste Moment für das richtige Verständ- niss der Knospung darbietet, so ist es nicht überflüssig hier ein kurzes Resumé ihrer Angaben über die Zusammensetzung des Keim- stocks zu geben. Nach den Angaben von KowALevskY besteht der Keimstock der Salpen aus 5 verschiedenen Gebilden: äusserer Haut. Darmrohr, Kloakalröhren, Eierstocksrohr und Nervenrohr, welche die Anlagen der verschiedenen Organe des Salpenfötus darstellen und seinerseits zum grössten Theile aus den entsprechenden Organen des Mutterleibes entstehen. Nach Toparo soll der Keimstock viel einfacher zusammengesetzt sein, indem er nur aus der äusseren Haut aus der Ausstülpung der Athemhöhle und aus dem sog. eumulus primitivus besteht; von allen diesen Theilen soll nur der letztere bei der Bildung der Kettensalpen thätig werden. Aus den Unter- suchungen von Brooks erfahren wir endlich, dass der Keimstock aus vier Theilen (äusserer Haut, Sinussystem, Pericardialrohr und zwei Eierstocksanlagen) besteht, welche Theile sammt und sonders an der Entwicklung der Kettensalpen theilnehmen. Bei meinen Untersuchungen hatte ich hauptsächlich den Zweck die Entwicklung der inneren Organe zu verfolgen und, so weit mir das Material es erlaubte, die Beziehung der inneren Organe des Mutter- thieres zu denen der Knospen zu erläutern. Bei diesem Studium habe ich mich hauptsächlich der Schnittmethode bedient, über welche ich hier einige Worte hinzufüge. Das Material, mit dem ich arbeitete, lieferten mir einige conser- virte Exemplare von solitären Formen der Salpa maxima, S. pinnata und S. democratica. Die letzteren wurden in Owen’scher Flüssigkeit conservirt und ungeachtet dessen, dass sie ungefähr neun Jahre in dieser Flüssigkeit lagen, boten sie dennoch ein ausgezeichnetes Un- tersuchungsmaterial, mit welchem ich hauptsächlich arbeitete, da sie 36* 558 W. Salensky mir in grösster Zahl zu Gebote standen. Ausser diesen vollkommen entwickelten solitären Formen hatte ich Gelegenheit einige Exem- plare von Salpenembryonen zu untersuchen und somit den Keimstock in seiner ersten Bildung zu studiren. Das beste Material für diesen letzten Zweck stellen die Embryonen von Salpa africana dar, bei denen der Keimstock in seiner ersten Anlage ziemlich gross und deshalb für die Anfertigung der Schnitte am besten verwend- bar ist. Da die Keimstöcke von Salpen für die Querschnitte in reiner Form nieht vollkommen bequem sind, musste ich die Objecte einzu- betten versuchen. Von allen Einbettungsmassen, welche in der letz- ten Zeit in sehr grosser Zahl vorgeschlagen wurden, muss ich einer den Vorzug geben, welche besonders für diesen Zweck zubereitet, eine in manchen Beziehungen ausgezeichnete Masse darstellt!). Die Färbung der Objecte kann vor oder nach der Einbettung vorgenommen werden. Das hängt natürlich von der Art der Objeete ab. Die Keimstöcke der Salpen habe ich vor der Einbettung gefärbt, da die Kleinheit derselben solche Behandlung zuliess. Wenn das ') Die von mir benutzte Einbettungsmasse ist von dem Laboranten des hiesigen zoologischen Instituts, Herrn PÖLZAM, erfunden und da sie sich von den bekannten Seifenmassen unterscheidet, so will ich hier einige Worte über die Zubereitung derselben sagen. Man bereitet sie aus der gewöhnlichen K®rnseife indem man diese zuerst in feinere Stücke schneidet und einige Tage am Son- nenlicht trocknen lässt, bis sie eine weisse Farbe bekommt; hernach werden die Stücke zu feinem Pulver zerrieben und mit Spiritus vermischt, bis sie eine breiförmige Masse bilden. Aus dieser Masse kann man durch Zusatz von Al- kohol und Glycerin eine vollkommen transparente Einbettungsmasse erhalten. Man nimmt 10 Theile (nach dem Gewichte) der Seife, 22 Theile Glycerin und 35 Theile 900/, Alkohol und lässt die Masse sieden bis man eine vollkom- men transparente, syrupähnliche, etwas gelbliche Flüssigkeit erhält, mit welcher das Untersuchungsobjeet nun übergossen werden kann. Das letztere soll vorher, je nach seiner Dicke, einige Zeit in Spiritus liegen, um nachträgliche Schrum- pfung zu vermeiden. Nach der Abkühlung der Masse kann man sie aus dem Uhrgläschen herausschütten und sogleich zu Schnitten verwenden, besser aber thut man, wenn das Präparat einige Stunden in der Masse liegen bleibt, bis letztere vollkommen hart wird. Um sie schneller trocknen zu lassen schneidet man sie nach der Grösse des eingeschlossenen Objects zu. Die in der beschriebe- nen Weise zubereitete Einbettungsmasse besitzt mehrere vorzügliche Eigenschaf- ten: 1) sie ist so transparent, dass man die Lage des Objects ohne Mühe er- kennt, 2) sie adaptirt sich an das Object so, dass dasselbe nie herausfällt und 3) sie lässt sich sehr gut schneiden. Ich habe die beschriebene Masse an meh- reren besonders embryologischen Objeeten geprüft und immer gute Erfolge ge- habt. Die dem Schnitt anhaftende Einschlussmasse kann sehr bequem durch Wasser oder sehr verdünnten Spiritus entfernt werden. Ueber die Knospung der Salpen. 559 Object in Schnitten gefärbt werden soll, muss es einige Minuten vor- her in Spiritus liegen. Mit Carmin und Hämatoxylinlösungen färben sich die aus der Einbettungsmasse herausgenommenen Präparate sehr gut. Sie wurden trocken eingeschlossen. Aus jeder der drei genannten Salpenspecies konnte ich nicht alle Entwieklungsstadien der Knospen beobachten; es mangelte mir das Material dazu. Die Entwicklung des Keimstockes bei den noch im Mutterleibe sich befindenden Embryonen konnte ich bei Salpa africana verfolgen. An den Exemplaren von Salpa demoeratica und Salpa pinnata habe ich die Entwickelung der Knospen untersucht. Bei allen genannten Species besteht übrigens der Keimstock, bevor er die Knospen treibt aus ziemlich denselben Theilen. Da der äus- sere Bau des Keimstocks von früheren Forschern bereits beschrieben ist, so werde ich denselben nur in so weit berücksichtigen, als es für die Beschreibung der inneren Vorgänge nöthig ist. 2. Ueber den Bau des Keimstocks und über die ersten Ent- _ wicklungsvorgänge in demselben. Der Keimstock der Salpen bildet sich in einer sehr frühen Zeit des Embryonallebens. Man trifft denselben schon bei Embryonen, bei welchen die Differenzirung der Muskelreifen kaum begonnen hat (s. LEUCKART, KOWALEVSKY und meine Untersuchungen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVI Heft 2). Nach den Angaben von Kowa- LEVSKY erscheint die erste Anlage des Keimstocks in Form einer kleinen Ausstülpung der Wandungen der Kiemenhöhle schon zu der Zeit da die primitive Embryonalanlage in den eigentlichen Embryo und die Placenta sich theilt. Ich habe darauf gezeigt, dass die von früheren Forschern angegebene Theilung der Embryonalanlage nie- mals geschieht und somit der von KowALEvsKY bezeichnete Zeitpunet hinfällig ist. Zur Orientirung über die Bildung des Keimstocks müssen einige Bemerkungen über die Organe, welche in der Nähe der Bildungs- stelle des Keimstocks liegen, vorausgeschickt werden. Der Keimstock bildet sich auf der rechten Seite des Körpers dem Herzen gegenüber. Die Stelle, an der die Bildung dieses Organs vor sich geht, besteht, wie es aus der embryonalen Entwicklungsgeschichte hervorgeht, aus folgenden Theilen: 1) aus der äusseren Haut, die eine Lage von eylindrischen Zellen darstellt, 2) aus einem Zellenhaufen, welcher den Ueberrest der den Elaeoblast bildenden Zellen repräsentirt und 560 W. Salensky 3) aus der Athemhöhlenwand, welche ebenfalls aus cylindrischen Zellen besteht. Alle drei genannten Zellenschichten sind bei der Bil- dung des Keimstocks thätig. In gewissen Entwicklungsstadien des Salpenembryo ist der Keim- stock von aussen leicht bemerkbar. Er erscheint in Form eines kleinen Höckers an der oben erwähnten Stelle des Embryonalleibes und lässt schon bei gefärbten und aufgehellten Embryonen in ana- tomischer Beziehung Einiges beobachten. Im Innern eines solchen in Situ sich befindenden Keimstocks bemerkt man einige Höhlen und Zellenhaufen von der äusseren Hülle umschlossen, welche letztere als eine Fortsetzung der Haut des Embryo sich erweist. Macht man einige Schnitte aus solchen Präparaten, so bekommt man ein ziem- lich deutliches Bild von der inneren Structur des Keimstocks und des Verhältnisses seiner inneren Organe zu denen des Mutterthieres. Zwei solche auf einanderfolgende Querschnitte des Körpers sind auf Fig. 1 und 2 abgebildet. Sie sind einem ungefähr 15 Mm. langen Embryo von Salpa africana entnommen. Die obere Körperwand, die anliegende Muskelschicht und die oberen Theile der Athemhöh- lenwand sind weggelassen. Man sieht auf Fig. 1 nur den unteren Theil des Querschnittes mit einer Hälfte des Elaeoblastes. Der Keim- stock (4) erscheint in Form eines conischen Zapfens, an dem wir alle Haupttheile der inneren Organisation leicht erkennen können. Der Keimstock liegt dem Herzen dicht an, von aussen durch eine zellige Hülle bedeekt, welche eine unmittelbare Fortsetzung der Haut darstellt. Nach innen von der äusseren Hülle bemerken wir eine zweite Hülle (Fig. 1 B), welche aus abgeplatteten Zellen besteht. Diese letzte Hülle, welche wir als Gefässhülle bezeichnen können, ist etwas von der äussern entfernt und kann eine Strecke ausserhalb des Keimstocks verfolgt werden. Man überzeugt sich daraus, dass sie zwischen der Haut und der Athemhöhlenwand des Embryo ihren Ur- sprung nimmt. Aus den späteren Entwicklungsstadien erkennt man, dass diese Hülle sich in die sogenannten Bluträume des Keimstocks verwandelt. Die geräumigste von den Höhlen des Keimstocks ist die, welche in der Mitte derselben liegt und eine Fortsetzung der Athemhöhle der Mutter darstellt (Fig. 1 und 2 AA). An beiden von mir abgebildeten Lingsschnitten bemerkt man sehr deutlich den Zu- sammenhang derselben mit der Athemhöhle; die Communications- öffnung liegt im oberen Theile des Keimstocks. Von hier ab er- streckt sich die Athemhöhle, welche wir als Athemrohr bezeichnen können, nach unten und endet blind in der Nähe des Keimstocks. Der Ueber die Knospung der Salpen. 561 histologische Bau des Athemrohrs unterscheidet sich keineswegs von dem der Athemhöhlenwand der Mutter. Am unteren Ende sind die Zellen derselben etwas höher als in den übrigen Theilen Rechts von dem Athemrohr auf der äusseren Seite des Keimstocks bemerkt man eine längliche Blase, welche die Gestalt eines Rohres besitzt und aus ziemlich platten, gekernten Zellen besteht (Fig. 1 u. 2 N). Spätere Entwicklungsstadien lehren uns, dass jene Blase die gemein- schaftliche Anlage des Nervensystems aller am Keimstocke knospen- den Salpen darstellt. In der Innenseite des Keimstocks, [gerade gegenüber der Nervenanlage findet sich ein von der Fläche gesehen oval gestalteter Zellenhaufen, welcher aus runden Zellen besteht, die mit sehr kleinen Kernen versehen sind (Fig. 1 E). Wir können diesen Zellenhaufen als Entoderm bezeichnen, da aus diesem der Eierstock und die Athemhöhle mit dem dazu gehörigen Darmeanale und der Kieme hervorgeht. Wir haben gesehen, dass der Keimstock mit seinem vorderen Ende dem Herzen ziemlich dicht anliegt (Fig. 1). Das Herz des Embryo bleibt bei der Bildung des Keimstocks auch nicht unthätig und spielt selbst eine sehr wichtige Rolle. Es ist namentlich das Pericardium, welches in die Zusammensetzung des Keimstocks ein- geht. Dasselbe gibt zwei röhrenförmige Fortsätze ab, welche zu beiden Seiten des Athemrohrs im Keimstocke verlaufen und in der Spitze des letzteren blind endigen. Die beiden Fortsätze sieht man auf Fig. 1 und 2; auf dem in der Fig. 2 abgebildeten Querschnitte ist der Zusammenhang des Pericardialfortsatzes mit dem Pericardium deutlicher als auf der vorangehenden. Beide Pericardialröhren, — wie sie bezeichnet werden können — bestehen aus ziemlich grossen rundlich viereckigen gekernten Zellen. Die weitere Entwicklung des Keimstocks äussert sich zunächst im Längswachsthum. Es ist schon zur Genüge bekannt, dass der hügelförmige Keimstock bei seinem Wachsthum eine eylindrische Gestalt annimmt und nach oben resp. nach der Rückenseite des Embryo sich krümmt. Wir treffen einen solchen Keimstock bei den- jenigen Embryonen von Salpa africana, welche zum Ausschlüpfen bereit sind. Bei den Embryonen von Salpa democratica ist die Ent- wicklung des Keimstocks noch nicht so weit fortgeschritten. Bei den ganz reifen Embryonen dieser Species erscheint er noch in Form eines kleinen Zapfens, obgleich er, wie wir weiter sehen werden, seinem Bau nach dem Keimstocke von Salpa africana vollkommen gleich ist. 562 W. Salensky Fig. 3 und 4 stellen Querschnitte eines 17 Mm. langen Keim- stocks dar, welcher einem 40 Mm. langen Embryo von Salpa afri- cana entnommen ist. Der erste Blick auf die beigefügten Abbildun- gen lässt schon die einzelnen Theile des Keimstocks ziemlich leicht erkennen. Wir finden im Querschnitt dieselben Organe, welehe wir schon in den früher untersuchten Längsschnitten kennen gelernt ha- ben. Der Deutlichkeit wegen werden wir den Theil des Querschnit- tes, wo das Nervenrohr (N) liegt als Neuralseite, den entgegen- gesetzten als Hämalseite des Querschnittes bezeichnen, die beiden von den eben genannten seitlich gelegenen Theile — als Rücken- seiten. Die letzteren entsprechen den Rückentheilen der künftigen Salpenknospen. Die äussere Umhüllung des Keimstocks (Fig. 3 7) stellt die Fortsetzung der Haut des Embryo dar. Es ist bemerkens- werth, dass auf dem vorderen Ende des Keimstocks, auf dem, welches unmittelbar mit dem Mutterleibe zusammenhängt, diese äussere Zel- lenschicht sehr wenig entwickelt ist. Man kann namentlich nur an - den Seitentheilen des Querschnittes die deutlichen viereckigen mit Kernen versehenen Zellen der Haut entdecken; am oberen und hin- teren Theile sind sie äusserst zart, so dass man sie kaum unter- scheiden kann. Eine solche Structur der Haut ist eine Eigenthüm- lichkeit des Keimstocks von Salpa africana: bei den anderen Species konnte ich ähnliches nicht beobachten. Die innere Höhle des Keim- stocks ist von einem geräumigen Rohr eingenommen, in welchem wir bald nach der Analogie mit den früher betrachteten Längsschnit- ten das Athemrohr erkennen. Es besteht aus grossen gekernten Zellen, welche ebenfalls in den Rückentheilen viel grösser, als in der Neural- und Haemalseite des Querschnittes sind. Nach vorn vom Athemrohr bemerken wir das Nervenrohr (Fig. 3 N), welches aus viereckigen Zellen besteht. Die Kerne des letzteren färben sich sehr gut mit Hämatoxylin. Der Zellenhaufen, welcher in der Haemalseite des Querschnittes liegt (Fig. 3 E), ist das Entoderm. Er zeichnet sich von den übrigen Theilen durch seine Grösse, so wie durch seinen feineren Bau bedeutend aus. In den jüngsten Theilen des Keim- stocks ist das Entoderm anschaulicher als in den älteren, wie aus der Vergleichung der Fig. 3, 4, 5, 6 für Salpa maxima und aus den entsprechenden Abbildungen für die anderen Salpenarten leicht ersichtlich ist. Im Entoderm sind schon sehr frühzeitig zwei histo- logisch verschiedene Theile wahrnehmbar: ein peripherer, welcher aus viereckigen gekernten Zellen besteht und ein centraler, mit sphärischen zelligen Elementen. Die viereckigen Zellen nehmen in Ueber die Knospung der Salpen. 963 dem frühesten Entwicklungsstadium (Fig. 3) nur den hinteren Theil des Entoderm ein; die ganze vordere Hälfte ist durch kugelige Zel- len eingenommen, welche zusammen die Form eines grossen, im Querschnitte ovalen Zellenhaufen darstellen. Die hervorgehobene Verschiedenheit der zelligen Elemente des Entoderms ist besonders wichtig für die weitere Entwicklung der Knospen und bei allen von mir untersuchten Arten tritt diese Verschiedenheit schon sehr früh- zeitig auf. Bei Salpa democratica konnte ich die weitere Entwick- lung der genannten Theile weiter verfolgen, und will hier nur bemerken, dass von dem vorderen Theile des Entoderms das Ei und die Kieme sich entwiekeln, während der hintere Theil zur Anlage der Athemhöhlenwand dient. Nervenrohr und Entoderm sind vom Athemrohre durch eine Zel- lenlage geschieden (Fig. 3 Bs), welche nichts anderes, als die von uns früher gesehene und zwischen der Haut und Athemhöhle gela- gerte Gefässhülle darstellt. Da das Nervenrohr von dem Athemrohre ziemlich weit absteht, so bildet diese Hülle, welche dem Athemrohr dicht anliegt, die Wand einer besonderen Höhle, welche das Nerven- rohr umgibt. Sie ist der vordere Blutraum — ein Gebilde, welches schon von früheren Beobachtern gesehen wurde und bei der Untersuchung frischer Keimstöcke, wegen der beständigen Blutbewegung, leicht er- kennbar ist. Im hinteren Theile des Querschnittes zwischen Ento- derm und Athemrohr bemerken wir in den jüngeren Entwicklungs- stadien auch eine äusserst kleine spaltförmige Höhle, welche auch von der Gefässhülle bekleidet ist. Die bisherige Betrachtung des Querschnittes des Keimstocks von Salpa africana führt uns zur Bestätigung der KowaALryskyschen Angaben in wesentlichsten Puncten. Wir kennen aus den Unter- suchungen dieses Forschers, dass in die Zusammensetzung des Keim- stocks eigentlich fünf verschiedene Gebilde eingehen. Von diesen durch KowaLEvskY zuerst angedeuteten Organanlagen haben wir bis jetzt nur eine, nämlich die sogenannte Kloakenröhre nicht näher betrachtet. Jene Fortsetzungen der mütterlichen Kloakenhöhle, welche Kowauevsky als »Kloakenröhren« bezeichnet. gibt es im Keimstocke entschieden nicht und zwar schon aus dem Grunde, weil bei den Salpen überhaupt keine besondere Kloakenhöhle existirt. Wir finden aber an Querschnitten sehr leicht die Bildungen, welche ihrer Lage nach vollkommen den Kowarzvsky’schen Kloakenröhren entsprechen. Es sind namentlich zwei röhrenförmige Gebilde zu beiden Seiten des Athemrohrs, zwischen denen Nervenrohr und Ento- 564 W. Salensky derm gelegen sind Fig. 3, 4, 5 u. w. Pr). Fragt man nach der Natur dieser Organe, so kann man aus der Vergleichung der beige- fügten Figur mit dem von uns eben betrachteten Längsschnitte des embryonalen Keimstocks (Fig. 1 und 2) die Frage leicht beant- worten. Es sind nämlich zwei vom Pericardium des Mutterleibes ausgehende röhrenförmige Fortsätze, welche wir oben schon berück- sichtigt und als » Pericardialröhren « bezeichnet haben. Wir treffen diese Gebilde im oberen Theile des Keimstocks alier Salpenspeeies, und zwar von ziemlich einfacher Structur. Sie bestehen nur aus einer Lage viereckiger gekernter Zellen. Die Rolle, welche die Pe- ricardialröhren in der Entwicklung der Salpen spielen, lässt sich schon in den jüngsten Theilen des Keimstocks ziemlich leicht be- stimmen. Auf der Fig. 3 sieht man von den Pericardialröhren einige nämlich vier) Zellen sich abtrennen (Ms), welche zwischen dem entsprechenden Pericardialrohre (auf der Fig. 3 sieht man das nur auf einer Seite des Querschnittes) und dem Athemrohre in Form einer aller- dings jetzt nur dünnen Schicht gelagert sind. Dass diese Zellen in der That von den Pericardialröhren und nicht von dem Athemrohr abstammen, davon kann man sich aus ihrer vollkommenen Ueber- einstimmung mit denen der Pericardialröhren leicht überzeugen. Als Beweis dafür können auch einige Präparate dienen in denen die Zellen bei Anfertigung des Schnittes aus ihrer früheren Lage vorge- schoben sind; sie bleiben dann immer mit dem entsprechenden Pe- ricardialrohr im Zusammenhange, wie es z. B. Fig. 4 Ms zeigt. Die Bildung einer Zellschicht aus der Pericardialröhre bedingt die hohe Bedeutung dieser Organe für die Entwicklung der Knospen. Während in den jüngsten Theilen des Keimstocks die Zellenvermehrung in diesen Theilen nur in sehr geringem Grade auftritt, geht sie in spä- teren Stadien in sehr ausgedehnter Weise vor sich. Die Zellenabkömm- linge häufen sich in den Seitentheilen der Knospe an und geben somit den Ursprung für eine besondere Schicht, aus welcher später die Mus- keln und das Herz der Knospen sich entwickeln. Deswegen will ich das ganze Gebilde: die Pericardialröhren sammt den von ihnen sich bildenden Zellen in den späteren Stadien, wo das Zusammenfliessen beider Gebilde auftritt, als Mesoderm bezeichnen ; bevor aber beide Gebilde sich sondern, werde ich Mesodermschicht nur die von den Pericardialröhren abgetrennte Zellenschicht (Fig. 3 u. 4 Ms) nennen. Weitere Knospenstadien von Salpa africana stellen schon einige Veränderungen der eben besprochenen Anlagen dar. Obgleich ich nicht Gelegenheit hatte die ganze Entwicklungsgeschichte des Salpa Ueber die Knospung der Salpen. 565 africana zu verfolgen, will ich die von mir untersuchten jüngsten Entwicklungsstadien etwas näher besprechen, da sie als Ausgangs- punet für die weitere Schilderung der Knospung anderer Salpenarten dienen können. Das Stadium, zu dem wir zunächst uns wenden ‘Fig. 4), zeigt schon einige Veränderungen im Bau der Blutgefäss- räume und des Entoderm. Erstere sind weiter geworden und ent- halten Blutkörperchen, welche sehr leicht durch eine sternförmige Figur im Innern erkennbar sind. Man trifft sie gruppenweise im Lumen der Gefässe. Die wichtigen Veränderungen im Entoderm bestehen hauptsächlich darin, dass die früher hervorgehobene Ver- schiedenheit zwischen centralen und peripheren Zellen nun noch schärfer hervortritt. Das Entoderm hat dabei auch seine Form etwas verändert (vergl. Fig. 3 und 4 En). Die centralen kugelförmigen Zellen mit feinkörnigem Inhalte sammeln {sich nun an der einen, dem Athemrohr zugekehrten Seite des Entoderm und lassen zwischen sich und den peripheren Zellen eine kleine Höhle entstehen. Die peripheren Zellen bleiben im Vergleiche mit dem vorhergehenden Zustande beinahe ohne alle Veränderung. Im Gegentheil, in dem nächstfolgenden Stadium treffen wir in diesem letzteren Theile des Entoderm bedeutende Veränderungen (Fig. 5 En). Der auf der Fig. 5, sowie auch auf der Fig. 7 dargestellte Schnitt stammt von einem anderen Keimstock, als die beiden früher beschriebenen. Die beiden Schnitte sind dem Keimstock einer ausgewachsenen Salpa africana entnommen, während die beiden vorhergehenden einem dem Mutter- leibe entnommenen Embryo angehören. Der Umfang des Keimstocks hat zugenommen, wie es aus der Grösse des Schnittes folgt. Das obere Keimblatt resp. die Umhüllung des Keimstocks tritt jetzt in Form einer aus grossen cylindrischen Zellen bestehenden Schicht auf. Von den inneren Organen scheint nur das Entoderm einige beachtenswerthe Veränderungen erlitten zu haben, welche als Fort- setzung der früher hervorgehobenen sich erweisen. Die kugelförmi- gen Zellen rücken immer nach der inneren Seite des Entoderm und haben dabei an Zahl sich bedeutend gemindert. Ich bin geneigt zu glauben, dass hier ein Zerfall der erwähnten Zellen stattfindet, wo- für auch das Auftreten einer grossen Menge kleiner Körner im In- nern der Entodermhöhle spricht. Die Form der peripheren Zellen des Entoderm ist gleichfalls verändert; sie zeigen nunmehr eine cy- lindrische Gestalt und sind dabei bedeutend in die Länge gewachsen. Von den anderen Organen muss ich hier nur das Nervenrohr er- wähnen, welches in diesem Stadium seine Gestalt sowie die Struetur 566 W. Salensky etwas geändert hat. Es erscheint nun (Fig. 5 N) in Form eines Ringes und besteht aus grossen eylindrischen Zellen. Alle bisher betrachteten Querschnitte sind.dem Theile des Keim- stocks entnommen, weleher noch keine Spuren von Querfurchen an seiner Oberfläche besitzt. Fig. 7 stellt uns einen Querschnitt des Keimstocks dar, aus dem Theile, an welchem die Gliederung eben begonnen hat. Das Wesentlichste, was man von den inneren Verände- rungen in dieser Zeit bemerkt, ist das Wachsthum der Rückentheile des Keimstocks, welche nun in Form von kleinen Hügeln vorsprin- gen. Das Wachsthum dieser Theile ist hauptsächlich dureh die Vermehrung der Mesodermalzellen bedingt, welche die Pericardial- röhren vollkommen umwachsen (Fig. 6 Ms). Die Pericardialréhren selbst bleiben bis jetzt ziemlich unverändert und bilden neue Meso- dermzellen. Auf der linken Seite des Querschnittes sieht man noch zwei solcher Zellen, welche sich eben von dem entsprechenden Pe- ricardialrohr abgetrennt haben. Die Veränderungen, welche im Entoderm nun bemerkbar sind, können aus den früher hervorgehobenen abgeleitet werden. Das Entoderm ist in ein Rohr verwandelt, in welchem wir leicht zwei Theile unterscheiden, welche als äussere und innere bezeichnet wer- den können. In dem ersteren, der äusseren Umhüllung des Keim- stocks zugewandten Theile erkennen wir bald die etwas veränderte, früher hervorgehobene äussere Schicht des Entoderms; sie ist aus cylindrischen nach Innen allmälig verjüngten Zellen zusammengesetzt und stellt im Querschnitte einen Ring dar, welcher durch Zellen des inneren Theiles abgeschlossen wird. Diese Zellen (Fig. 6 #), deren wir jetzt nur zwei finden, sind klein und rund; sie stellen nur den Ueberrest des früher zellenreicheren inneren Theiles des Ento- derms dar. Mit diesem eben erwähnten Stadium schliessen wir unsere Be- trachtung des Keimstocks von Salpa africana. Obgleich es mir nicht gelungen ist die weiteren Entwicklungsstadien dieser Species zu un- tersuchen, konnte ich doch wenigstens die ersten Vorgänge der Knos- pung so weit verfolgen, dass ich zu der Schlussfolgerung berechtigt zu sein glaube, dass die ersten Vorgänge der Entwicklung bei die- ser Species genau in derselben Weise wie bei allen andern von mir untersuchten Salpenarten vor sich gehen. Bevor wir zur Betrachtung des Keimstocks anderer Salpenarten übergehen, müssen wir auf die in Bezug auf Salpa africana hervor- gehobenen Thatsachen näher eingehen, um die morphologische Be- Ueber die Knospung der Salpen. 567 deutung einzelner Theile des Keimstocks zu priicisiren. Die Organe, welche den sehr complicirt gebauten Keimstock der Salpen zusam- mensetzen, können nach der Art ihrer Abstammung in zwei Reihen angeordnet werden. Die einen erscheinen als unmittelbare Fort- setzungen der entsprechenden Mutterorgane, die anderen müssen als Neubildungen betrachtet werden. Die meisten der Keimstocksorgane -gehören zur ersteren Kategorie; als Vertreter der zweiten tritt uns das Entoderm und Nervenrohr entgegen. Die Abstammung der Haut, der Blutsinuse, der Pericardialröhren und des Athemrohres von den entsprechenden Theilen des Mutterleibes, glaube ich oben zur Genüge bewiesen zu haben. Die Entstehung des Nervenrohres ist mir leider unbekannt geblieben und wenn ich dasselbe als Neubildung hervor- hebe, so geschieht es aus dem Grunde, dass es nicht von dem ent- sprechenden Ganglion des mütterlichen Körpers abstammt. Es stellt schon in den jüngsten Keimstöcken ein blind. geschlossenes Rohr dar. Was das Entoderm anbetrifft, so entsteht dasselbe aus dem Ueberreste der Entodermzellen der Mutter, welche im hinteren und unteren Theile des Embryo sich anhäufen. Bei der Literaturübersicht habe ich schon hervorgehoben, dass es KowALEwsky’s Verdienst ist, zuerst die innere Organisation des Keimstocks aufgedeckt zu haben. Meine Beschreibung des Keim- stocks von Salpa africana und der ersten Veränderungen, welche in demselben vor sich gehen, bestätigen zum Theil die Angaben von KOWALEVSKY. Er geht aber in seinen Schlüssen viel weiter als ich; er sagt nämlich, dass »fast alle Organe des Salpenfötus aus entspre- chenden Organen des Mutterthieres abstammen« Mit diesen Aeus- serungen des ausgezeichneten Forschers kann ich aber nicht über- einstimmen und zwar aus dem Grunde, dass 1) nicht alle Organe, welehe sich im jüngsten Keimstock des Salpenfötus befinden, in den Leib der Kettensalpen übergehen und 2) dass einige Fortsetzungen der mütterlichen Organe sich nicht in die entsprechenden Organe des Keimstockfötus, sondern in einige vollkommen abweichende Ge- bilde verwandeln. Das letzte gilt in Bezug auf die Pericardialröhren (Kloakalröhren KowAL.), welche wie ich oben hervorhob und weiter genauer zeigen werde, als Anlagen für das ganze Mesoderm dienen. Das Verhältniss der mütterlichen Organe zu denen des Kettenfötus wird von uns im nächsten Capitel näher auseinandergesetzt werden, wo wir auch zeigen werden, dass einige Theile des jungen Keim- stocks, namentlich das Athemrohr und die beiden Blutsinuse gar keine Rolle bei der Ausbildung der jungen Kettensalpen spielen. Wenn 568 W. Salensky wir die Beziehung anderer Organe des Keimstocks zu denen des Mutterleibes näher betrachten, so bemerken wir eine gewisse Ge- setzmässigkeit in der Bildung des Keimstocks. Sie erscheint jedoch nicht im Sinne von KowALEvSKY und äussert sich nicht in der Abstammung der Fötalorgane von den mütterlichen Organen, sondern in einem Zusammenhang zwischen den Fötalorganen und den Keim- blättern resp. Derivaten derselben im Mutterleibe. In die Zusammen- setzung des Keimstocks der Salpen gehen ausser dem bei der Bil- dung des Salpenfötus nicht theilnehmenden Blutsinus und des Athem- rohres folgende Gebilde ein: 1) die Haut, 2) zwei Pericardialröhren, 3) das Entoderm und 4) das Nervenrohr. Die Haut des Keimstocks ist eine unmittelbare Fortsetzung der mütterlichen Haut resp. der Derivate des äusseren Keimblattes des Mutterleibes. Die vom Pe- ricardium abgehenden Pericardialröhren repräsentiren das mittlere Keimblatt des Mutterthieres. Das Entoderm nimmt seinen Ursprung von Zellen, die als Ueberreste der Elaeoblastzellen erscheinen, und kann als Repräsentant des Entoderms des Mutterthieres dienen. Wir sehen daraus, dass die Derivate aller drei Keimblätter der solitären Salpen (der Mutterthiere) in die Zusammensetzung des Keimstocks eingehen. Sie dienen als Anlage für die Organe der Kettensalpen. Die Art und Weise in welcher die Entwicklung der Organe aus diesen An- lagen geschieht, werden wir an den Keimstöcken von S. democratica verfolgen. Vordem müssen wir aber die Structur des Keimstocks dieser Salpen, so wie jenen von Salpa pinnata kennen lernen. Beginnen wir die Betrachtung des Keimstocks der Salpa demo- eratica von dem Zustande, in welchem er bei den noch im Mutter- leibe eingeschlossenen Embryonen auftritt. Fig. 7 stellt einen Quer- schnitt aus solehem Keimstocke dar, und zeigt schon auf den ersten Blick, dass die Theile des Keimstocks der Salpa democratica genau dieselben sind, welche wir in dem embryonalen Keimstock von Salpa africana gesehen haben. Die äussere Wand des Keimstocks bildet eine Schicht der Epithelialzellen, welche eine unmittelbare Fortsetz- ung der äusseren Haut des Embryo darstellt. Sie bildet eine Hülle in der die andern Organe in derselben Ordnung wie bei Salpa afri- cana eingelagert sind. Unmittelbar nach innen von der äusseren Wand treffen wir die beiden Seitengefässe, welche aus einer spär- lichen Zahl etwas flachgedrückter im Querschnitt ovaler Zellen be- stehen. Am vorderen Ende des Querschnittes befindet sich das Nervenrohr, welches unmittelbar der äusseren Bedeckung anliegt: an der entgegengesetzten resp. hinteren Seite des Querschnittes ist Ueber die Knospung der Salpen. 569 das Entoderm gelagert, welches in Form eines compacten Zellen- haufens auftritt und einen inneren und äusseren Theil unterscheiden lässt, von denen der erste aus rundlichen gekernten Zellen besteht. der zweite durch eine Lage cylindrischer Zellen dargestellt ist. Die Mitte des Querschnittes ist durch ein aus eylindrischen Zellen bestehendes Rohr eingenommen, in welchem wir bald das Athemrohr (Ar) erkennen. Das letztere ist in seinem mittleren Theile, wo es aus etwas abgeflachten Zellen besteht, so zusammengedrückt, dass es eine oo-Form darstellt; in den Seitentheilen des Athemrohrs sind die Zellen bedeutend grösser. als in dem mittleren Theile desselben. Zu beiden Seiten des Athemrohres liegen die beiden Pericardialröh- ren, die bei Salpa democratica mehr flachgedrückt als bei Salpa africana erscheinen. In Bezug auf letztere Organe muss ich bemer- ken, dass sie von denen der Salpa africana durch ihren Bau und ihre weiteren Veränderungen etwas verschieden sind. Der Unter- schied besteht hauptsächlich darin, dass sie viel früher ihre Höhle verlieren und an die Mesodermzellen heranrücken, als es bei Salpa africana der Fall ist. Die weiteren Entwicklungsstadien sind natürlich nur an den Keimstöcken ausgewachsener Individuen von Salpa demoeratica zu beobachten. Berücksichtigen wir vorerst den jungen Keimstock in toto. Fig. 8 stellt einen solchen von Salpa democratica vor, in welchem die Bildung einzelner Glieder eben angedeutet ist. Es wurde schon oben hervorgehoben, dass in diesem Keimstock zwei Theile unterschieden werden können: der obere, welcher noch eine ungefähr cylindrische Gestalt und eine glatte Oberfläche hat, und der untere, an welchem wir schon Runzelungen bemerken, welche die Theilung des Keimstocks in einzelne Fötus andeuten. Ausser diesen beiden Theilen bemerkt man am hinteren Ende des Keimstocks noch einen dritten Theil, welcher in Form eines conischen Zapfens dem letzten Glied des Keimstocks anliegt. Der Keimstock ist dem Beobachter mit der Oberfläche zugewendet, in welcher die Anlage des Entoderm liegt. Hält man sich an diesen letzteren Theil, so kann man sich leicht über die innere Organisation des Keimstocks orientiren. Die Ränder des Keimstocks in Fig. 5 stellen die Seiten- theile (Rückentheile) der Glieder. dar; die an der rechten Seite des Keimstocks befindlichen dem Entoderm entgegengesetzt gelagerten Zellenstreifen (N, repräsentiren das Nervenrohr. Im Innern des Keimstocks unterscheidet man leicht das Athemrohr und theilweise auch die Seitengefiisse. Am besten bemerkt man die beiden letzt- 570 W. Salensky genannten Theile am hinteren Ende, wo man auch einen Uebergang beider Seitengefässe in einander beobachten kann. Die Verbindung der Seitengefässe geschieht hinter dem Athemrohr, welches an seinem hinteren Ende blind geschlossen ist. Wir werden uns nun mit der Betrachtung des oberen Theiles des Keimstocks beschäftigen, welcher noch eine vollkommen glatte Oberfläche hat. Die ersten Veränderungen, welche im Keimstocke von Salpa democratica vor sich gehen, sind denen der Salpa afri- cana vollkommen ähnlich. Sie unterscheiden sich jedoch durch einige Eigenthümlichkeiten in Bezug auf die Bildung der Mesodermschicht und die Entwicklung des Entoderms. Im Mesoderm bemerkt man ein sehr frühzeitiges Verschwinden der Pericardialréhren; was das Ento- derm betrifft, so zeichnet sich dasselbe vor dem der Salpa africana durch eine ziemlich frühe Differenzirung der Eizellen aus. Die eben hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten treten schon in den jüngsten Theilen des Keimstocks hervor. In dem auf Fig. 9 abgebildeten Querschnitte, welcher aus dem vordersten Theile des Keimstocks stammt, können die Pericardialröhren als solche nicht mehr unterschieden werden. Sie treten vielmehr in Form von soli- den, aus zusammengedrängten Zellen bestehenden Strängen auf ‘Fig. 9 Pr) und liegen den beiden Seiten des Athemrohrs dicht an. Das Athemrohr zeigt nichts Bemerkenswerthes; dasselbe gilt auch für das Nervenrohr, welches, wie früher, aus denselben eylin- drischen Zellen zusammengesetzt ist. Die beiden Bluträume (Fig. 9 Br) liegen nach vorn und hinten vom Athemrohre; man kann an dem Präparate sich leicht überzeugen, dass Nervenrohr und Ento- derm nach aussen von den Bluträumen lagern; der vordere Blut- raum befindet sich zwischen dem Nervenrohr und dem Athemrohr, der hintere zwischen der Entodermanlage und dem Athemrohr. Das Entoderm unterscheidet sich von seinem früheren Zustande durch seinen Umfang, der sich bedeutend minderte — eine Erscheinung, welche wir schon bei Salpa africana bemerkt haben. An den Totalansichten des Keimstocks kann man diese Veränderung des Entoderms auch der Länge nach sehr gut verfolgen. Ausserdem ist auch das Entoderm in seinem histologischen Bau modifieirt; es ist nun aus einer Lage (Fig. 9 AA) peripherer und einer geringen Zahl centraler Zellen (Fig. 9 E) zusammengesetzt. Die ersteren sind an der äusseren Wand des Entoderm viel grösser als an der inneren und dienen als Anlagen der Athemhöhlenwand. der Kieme und der Eiumhüllungen; die eentralen Zellen, welche wir im früheren Sta- Ueber die Knospung der Salpen. 571 dium in sehr grosser Zahl angetroffen haben, sind jetzt durch zwei srosse Zellen repriisentirt, von denen eine die Anlage der Eizelle darstellt. Die Vermehrung der Mesodermzellen und die Differenzirungs- vorgänge im Entoderm gehen in den jüngsten Theilen des Keimstocks sehr schnell vor sich. Auf den unmittelbar folgenden Quersehnitten (Fig. 10 und 11) treffen wir diese Vorgänge schon weiter vorge- schritten, während die andern Organanlagen. keine wesentlichen Ver- änderungen in ihrem Bau zeigen. Das Mesoderm zeigt in beiden Figuren (10 und 11) einen und denselben Bau, unterscheidet sich jedoch in beiden durch seinen Umfang. Während es auf dem jünge- ren Querschnitte (Fig. 10) noch immer die Seitentheile des Quer- schnittes einnimmt, breitet es sich im folgenden Stadium (Fig. 11) nach vorn und hinten weiter aus, und reicht schon auf einer Seite bis an das Nervenrohr hin. In der Mitte des Keimstocks sind beide Theile der Mesodermanlage viel dicker geworden und liegen wie in dem früheren Stadium dem Athemrohr ganz dicht an. Nach vorn und hinten nimmt die Mesodermschicht an Mächtigkeit ab, so dass sie endlich in der Nähe des Nervenrohres nur aus einer Lage von Zellen. besteht. In dem dickeren mittleren Theile des Mesoderms, welcher dem Athemrohr anliegt, bemerkt man in beiden Schnitten eine durch scharfen Contour von anderen anliegenden Zellen sich ab- grenzende Zellengruppe, die ihrer Lage nach vollkommen den frü- heren Pericardialröhren entspricht. Ich glaube berechtigt zu sein, dieselbe als Ueberrest der Pericardialröhren zu betrachten. Später verschwindet auch die Grenze zwischen der genannten Zellengruppe und den übrigen Theilen des Mesoderms bis sich beide Zellenlagen vollkommen mit einander ausgleichen und zusammen eine einzige Mesodermschicht bilden. Was den histologischen Bau des Meso- derms anlangt, so besteht diese Schicht aus dicht zusammengedräng- ten vier oder fiinfeckigen mit Kernen versehenen Zellen. Nach dem bei Salpa africana und S. democratica Erkannten, können wir uns leicht im Bau des Keimstocks von Salpa pinnata orientiren. Der Keimstock dieser letztgenannten Species unterscheidet sich in keiner Beziehung von den früher besprochenen, wovon man durch Vergleichung der Querschnitte sich leicht überzeugen kann. Einzelne Eigenthümlichkeiten derselben sind von sehr untergeordneter Bedeu- tung und können aus der specifischen Verschiedenheit der Salpen erklärt werden. Der Querschnitt Fig. 26 entspricht der Fig. 3 von S. afri- cana und Fig. 9 von S. demoeratiea, und stellt eines der jüngsten Morpholog. Jahrbuch, 3. 37 572 W. Salensky Entwicklungsstadien des Keimstocks von S. pinnata dar. Er unter- scheidet sich von dem entsprechenden Zustande der Salpa africana (Fig. 3) durch eine mehr vorgeschrittene Differenzirung des Entoderms, sonst finden wir in demselben nicht nur die gleichen Theile, sondern auch denselben histologischen Bau, wie im Keimstocke der Salpa africana. Von aussen ist der Keimstock durch die äussere Haut (7) begrenzt, welehe, wie in beiden vorhergehenden Fällen, eine Fort- setzung der äusseren Haut des Mutterleibes darstellt. Das innere Rohr, oder das Athemrohr (Ar) besteht aus eylindrischen Zellen, welche jedoch an den Seitentheilen bedeutend grösser sind, als es bei den anderen Salpen der Fall ist. Am hinteren und vorderen Ende des Querschnittes können wir leicht das Entoderm und das Nervenrohr erkennen; das letztere besteht, wie bei anderen Salpen, aus eylindrischen Zellen, in dem Entoderm erkennen wir bald einen peripherischen aus cylindrischen Zellen bestehenden Theil und einen centralen, in welchem schon die Anlagen der Eier in Form einiger mit bläschenförmigem Kern und glänzenden punctförmigen Kernkörper- chen versehenen Zellen hervortreten. Die beiden Bluträume nehmen im Querschnitt ihre gewöhnliche Lage an und unterscheiden sich in ihrem Bau gar nicht von denen der Salpa democratica und S. afri- cana. Was endlich die Pericardialröhren und die Anlage des Meso- derm anlangt, so nähern sie sich ihrem Character nach mehr den Verhältnissen bei Salpa democratica als denen der S. africana, indem das Lumen der Pericardialröhren bei unserer Salpe ebenso wie bei S. democratica sehr frühzeitig mit Zellen ausgefüllt wird. Ich brauche kaum auf die Beschreibung der folgenden Entwick- lungsstadien (Fig. 27 u. 28) näher einzugehen, da dieselben ohnehin durch Abbildungen erläutert werden. Die Veränderungen, welche man in diesen Stadien bemerkt, betreffen hauptsächlich das Meso- derm und Entoderm. Die ersteren bestehen in der Vermehrung der - Zellen, die letzteren in weiteren Differenzirungsvorgängen der Anla- gen des Eierstocks und der Athemhöhle. Nachdem wir nun mit der Vorführung unserer Beobachtungen ziemlich zu Ende sind, können wir zum Schluss des ersten Theiles dieses Aufsatzes die Angaben der früheren Beobachter in Bezug auf den Bau des Keimstocks etwas näher besprechen. Ungeachtet des- sen, dass die Angaben in dieser Beziehung sehr widersprechend sind, stimmen sie doch darin überein, dass der Keimstock von Anfang an in Form eines kleinen Hügels auftritt, dessen obere Wand eine un- mittelbare Fortsetzung der äusseren Haut des Mutterthieres darstellt. Ueber die Knospung der Salpen. 573 Die in diesem Hügel eingeschlossenen Organe resp. die Organanlagen der Kettensalpen sind von verschiedenen Forschern in verschiedener Weise gedeutet. Ich muss gestehen, dass es keine leichte Aufgabe ist, aus den hier bestehenden Widersprüchen eine riehtige Ansicht über die Knospungsvorgänge der Salpen zu gewinnen. Es ist um so schwerer, als einigen der Arbeiten gar keine oder nur schema- tische Abbildungen beigefügt sind und somit die Controle im höch- sten Grade erschwert ist. Aus dieser Ursache kann ich die Resultate meiner Untersuchungen mit denen von KowArLekvsky nicht vollkom- men in Einklang bringen, obgleich die von mir gewonnenen Ergebnisse denjenigen von KOWALEVsKYy am nächsten stehen. Ich konnte, wie oben gesagt, alle von KowAuevsky beschriebenen Theile auffinden. bin aber in Bezug auf die ihnen gegebene Deutung nicht ganz ein- verstanden. Die von KowAueEvskyY beschriebenen Kloakalröhren entsprechen vermuthungsweise meinen Pericardialröhren; man kann natürlich diese Uebereinstimmung nur muthmasslich annehmen. da wir noch keine genaue Beschreibung des Keimstocks von Kowa- LEVSKY besitzen. Der zweite Punct, in welchem unsere Ansichten abweichen, ist die Bedeutung jenes Theiles des Keimstocks, welchen KowaLeysky als Eierstocksrohr bezeichnet; ich habe gefunden, dass aus diesem Theile nicht nur der Eierstock, sondern auch die Athem- höhle sich entwickelt; deswegen habe ich diesen Theil als Entoderm bezeichnet, da er dem embryonalen Entoderm der Salpen und ande- rer Thiere vollkommen entspricht. Endlich muss ich bemerken, dass KOwALEVSsKY die beiden Bluträume oder Seitengefiisse gar nicht erwähnt. Die Untersuchungen von Toparo sind durch so schön ausge- führte Abbildungen veranschaulicht, dass wir in letzteren eine gute Grundlage seiner Verallgemeinerungen haben und deswegen können wir seine Untersuchungen sehr leicht mit den Angaben anderer Forscher sowie mit den unserigen vergleichen. Das grosse Verdienst der Toparo’schen Untersuchungen besteht darin, dass er die aller- Jüngsten Entwicklungsstadien des Keimstocks ziemlich genau unter- sucht hat, und somit im Stande war die erste Entwicklung: einiger Organe zu beobachten. So ist von ihm die erste Bildung des Ento- derm (des Eierstocksrohrs, Kow.) beschrieben. Obgleich er dasselbe irrthümlich für den von ihm genannten »cumulus primitivus« hält, welcher die wesentlichste Rolle bei der Bildung der Knospen spielen soll, so bleibt doch ein wichtiges Ergebniss seiner Untersuchungen, dass nämlich der cumulus primitivus aus den Zellen des Elaeoblastes 3 * 574 W. Salensky entsteht, unangefochten. Während es .den früheren Beobachtern, wie auch mir nicht gelungen ist, die erste Anlage dieses Theiles zu beobachten, gibt Prof. Toparo eine Reihe von Längsschnitten (siehe seine Figuren 45—48 loc. cit. Taf. V), welche eine genaue Uebersicht der Entwicklung des Entoderms darstellen, obgleich er dieselben in einer abweichenden Weise deutet. Toparo theilt die ganze Entwicklung der Salpen in 7 Stadien. Die Abbildungen, welche er für die ersten Stadien anführt, sind ausgenommen Fig. 50) vollkommen richtig, und man kann ohne Mühe die entsprechenden von mir beschriebenen Theile in ihnen auffinden. In Fig. 50 gibt er einen Querschnitt, dessen Richtigkeit ich bestreiten muss. Man sieht an demselben einen Zustand, in wel- chem der eumulus primitivus ausgewachsen ist, indem er den Zwi- schenraum zwischen der Haut des Keimstocks und dem Athemrohr vollkommen ausfüllt und vier Zellenhügel (cumuli cellulari) bildet. Ein solches Stadium ist mir nie zur Beobachtung gekommen, obgleich ich die ersten Stadien, von dem von Toparo in Fig. 48 abgebilde- ten angefangen, genau studiren konnte. Dass das Vorkommen eines solchen Stadiums auf einem Missverständniss beruht, ist schon aus der Vergleichung der Fig. 50 mit Fig. 51, welche ein unmittelbar folgendes Stadium repräsentirt, ersichtlich. Wie kann man das Auf- treten der vier Röhren, welche in den sogen. lateralen und blasto- dermischen Knospen (bottoni laterali und bottoni blastodermiei) von Toparo erscheinen und von einem schönen eylindrischen Epithel begrenzt sind, erklären ? TODARO äussert sich darüber ganz einfach, indem er sagt, dass in der Mitte jeder der vier Knospen eine Keim- höhle oder Furchungshöhle der neueren Formation erscheint, während die Furchungshöhle, welche sich in dem primitiven Keimhügel ge- bildet hat, plötzlich verschwindet (Toparo loc. cit. pag. 58). Er verweist dabei auf seine Fig. 51. Ich muss gestehen, dass ich we- der die primitive Furchungshöhle, noch die seeundäre auf TopaRro- schen Abbildungen sehe. In dem Stadium, in welchem die primi- tive Furchungshöhle dargestellt sein muss, ist keine Höhle abgebildet, obgleich die Stelle, wo sie existiren muss, durch Buchstaben bezeich- net ist (Fig. 48 es loc. eit. Taf. V). Was die secundäre Furchungs- höhle anbetrifft, so ist das Vorkommen derselben in den Figuren von Toparo gar nicht angegeben. Wir haben in den Abbildungen keine Beweise dafür, dass eine solche Höhle wirklich existirt. Wir finden aus dieser Zeit nur zwei Stadien bei Toparo abgebildet; in einem davon (Fig. 50 1. e.) stellt der eumulus primitivus eine solide, den Ueber die Knospung der Salpen. 575 Zwischenraum zwischen der Haut und dem Athemrohr ausfüllende Masse dar, das andere (Fig. 51 1. e.) repräsentirt den cumulus in Form von vier Knospen (bottoni), welche die Höhlen einschliessen. Ein Zwischenstadium, welches gerade als Begründung der Toparo- schen Ansichten am wesentlichsten erschiene, ist nicht vorhanden; deswegen bleibt eine sehr wesentliche Frage über die Entstehung der wichtigen Theile des Keimstocks offen. Diese Frage klärt sich jedoch leicht auf, wenn man darauf achtet, dass in den jüngsten Stadien des Keimstocks, in denen nämlich, welche der Fig. 48 von Toparo entsprechen, schon alle Theile des Keimstocks, die man auf der Toparo’schen Fig. 51 sieht, existiren. Man braucht nur die Längsschnitte mit den Querschnitten zu vergleichen um eine richtige Ansicht von der Entstehung der Keimstockstheile zu gewinnen. Um sich beim Vergleich der Toparo’schen Angaben mit den unserigen leichter zu orientiren, muss ich die Bezeichnung hervor- heben, welehe Toparo und ich einem und demselben Theile des Keimstocks geben. TOopARO unterscheidet vier Knospen (bottoni), welche bei der Entwicklung des Salpenkörpers eine vorzügliche und selbst ausschliessliche Rolle spielen. Dieselben Theile konnte ich selbst in allen Querschnitten unterscheiden. Die Blastodermknospen (bottoni blastodermici) entsprechen ihrer Lage nach den Theilen des Keimstocks, welche ich als Mesodermanlagen bezeichnet habe; unter den Lateralknospen (bottoni laterali) versteht Toparo die Theile, welche ich als Anlage des Nervensystems und als Entoderm bezeich- net habe und zwar »bottone laterale che dä la materia nutritiva« entspricht vollkommen meinem Entoderm (man sieht selbst an den Abbildungen von Toparo die Eieranlagen) ; »bottone laterale origi- nario dello stoloblasto« stellt die Anlage des Nervensystems resp. des Nervenrohrs dar. Das zweite Stadium von Toparo ist durch die Entwicklung der Blutgefässe und Veränderungen der Blastodermknospen characterisirt. Die Bildung der Blutgefässe geschieht nach Toparo dadurch, dass die vier Lacunenräume, welche zwischen den vier Knospen des Keimstocks nach der Bildung der letzteren entstehen, mit den nahe- liegenden Blutgefässen des Mutterleibes in Verbindung treten. Die in solcher Weise entstehenden Bluträume sollen durch den beständigen Blutzufluss so viel erweitert werden, dass die früher dem Athemrohr naheliegenden Lateralknospen in Folge des Blutdruckes von dem letzteren sich lostrennen und nun der äusseren Wand des Keimstocks anliegen sollen. Die Verbindung der beiden Seitengefässe am hin- 576 W. Salensky teren Ende des Keimstocks soll durch die Zusammenziehung des Athemrohres geschehen, in Folge dessen ein Raum entsteht, durch welchen das Blut von einem Gefäss. ins andere übergeht. Die eben eitirten Toparo’schen Angaben über die Entwicklung der Blutgefässe im Keimstocke weichen von denen, welche ich in diesem Capitel auseinandergesetzt habe, bedeutend ab. Von den an- deren Angaben von TopAaroO muss ich hervorheben, dass derselbe die Gefässe erst ziemlich spät beobachtet hat, während ich dieselben schon in sehr jungen Keimstöcken unterscheiden konnte. Die Frage über den Zeitpunet, in welchem die Blutgefässe entstehen, erscheint als eine sehr wichtige, weil sie die Differenz unserer Ansichten in Bezug auf die ersten Entwicklungserscheinungen erklären kann. Sind die Gefässe einmal so früh angelegt, wie ich es angebe, so kann man nicht das von Toparo hervorgehobene Wachsthum des eumulus primitivus und die Ausfüllung des ganzen Keimstocks anneh- men. Jedenfalls muss ich die Entscheidung dieser Frage späteren For- schern überlassen und gehe nun zur Betrachtung der Angaben Brooks, soweit dieselben die ersten Entwicklungserscheinungen betreffen. Die Hauptergebnisse der Brooxs’schen Untersuchungen sind schon oben auseinandergesetzt und es bleibt nur übrig dieselben mit unseren Angaben zu vergleichen. Aus der oben eitirten Stelle ist ersichtlich, dass die BROoKs’sche Auffassung der Anatomie des Keim- stocks von der anderer Forscher bedeutend abweicht. In der Zu- sammensetzung des Keimstocks gehen nach Brooks die äussere Haut der Mutter, das Pericardialrohr, zwei Seitengefässe und zwei Eierstocksanlagen ein. Der Unterschied von allen anderen Angaben besteht 1) darin, dass Brooks kein Athemrohr gesehen hat und 2) dass er zwei Eierstocksanlagen annimmt. Was den ersteren Pynet anlangt, so erklärt sich die Sache sehr leicht, wenn man die Abbil- dungen von BROOKS etwas näher ansieht. Man überzeugt sich bald, dass das Pericardialrohr von Brooks nichts anderes ist als das Athem- rohr anderer Beobachter. Es liegt in der Mitte des Keimstocks und theilt den ganzen Sinusraum in zwei Hälften, welche nur am hinte- ren blinden Ende des Keimstocks in Verbindung treten. Die Lage die- ses Rohres im Keimstocke, sowie die Verhältnisse desselben zu den anderen Organen lässt keinen Zweifel übrig, dass es in der That das Athemrohr und nicht das Pericardialrohr ist. Die Verbindung des Brooxs’schen Pericardialrohrs mit dem Pericardium ist auf sei- nen Abbildungen nicht dargestellt. Es ist etwas schwer die Dupli- cität der Eierstocksröhren in den Broors’schen Untersuchungen zu Ueber die Knospung der Salpen. 577 erklären. An Querschnitten kann man sich sehr leicht überzeugen, dass die Anlage des Eierstocks in Form eines einzigen Stranges auf- tritt und es ist meiner Meinung nach das einzige Mittel sich von der Wahrheit dieser Thatsache zu überzeugen, da man bei der Betrach- tung des Keimstocks in toto in dieser Beziehung sehr leicht in einen Irrthum verfallen kann. Es scheint mir sehr möglich zu sein, dass das Nervenrohr, welches von Brooks gar nicht erwähnt ist, für die Eierstocksanlage genommen wurde. 3. Ueber die Entwicklung des Salpenkörpers am Keimstocke. Die in dem vorhergehenden Capitel beschriebenen Zustände können als vorläufige Gruppirung des Materials betrachtet werden, aus dem die Organe der einzelnen Salpen sich entwickeln. Wir haben den Bau des Keimstocks und die Veränderungen, welche in demselben vorkommen bis zu der Zeit verfolgt, wo die erste Spur seiner Theilung in einzelne Salpenindividuen eintritt und gehen nun von diesem Zeitpuncte aus. Die Entwicklungsvorgiinge, zu denen wir jetzt übergehen, sind durch die Differenzirung der vorgebildeten Organanlage und die Bildung der Organe characterisirt. Es wurde schon oben bemerkt, dass die Bildung der einzelnen Salpenkörper am Keimstocksrohr von mehreren früheren Forschern beobachtet und beschrieben wurde, so weit dieselbe von aussen beobachtet werden kann. Der genannte Process beginnt bekanntlich mit dem Auftreten querer ringförmiger Furchen, welche allmälig tie- fer und tiefer in die innere Masse des Keimstocks greifen und end- lich dieselbe in eine Anzahl von Salpen theilen. Die Untersuchung des Keimstocks in toto gibt auch hier keine vollkommen richtigen Ergebnisse in Bezug auf die Form der Querfurchen, so wie in Be- zug auf die Lagerungsverhältnisse der Salpenreihen im Keimstocke. Die Ringfurchen, welche als solche bei der Untersuchung der ganzen Keimstöcke sich darstellen, haben bei der genaueren Untersuchung der Querschnitte nicht vollkommen ringförmige Gestalt, welche sie bei der oberflächlichen Betrachtung des Keimstocks scheinbar besitzen. Die Bildung der Furchen geht selbst auf dem ganzen Umfang des Querschnittes nicht gleichzeitig vor sich, sondern in der vorderen (neuralen) Seite des Keimstocks treten die Furchen viel früher als in der entgegengesetzten (haemalen) auf. Alle diese Verhältnisse sind von nicht geringer Bedeutung für das Verständniss der Zusammen- setzung der Salpenkette in ihrem ausgebildeten Zustand, so wie für 578 W. Salensky das Verständniss unserer weiteren Beschreibung der Quersehnitte. Deswegen halte ich für zweckmässig, vor der Untersuchung weiterer . Stadien die Form der Querfurchen und die Lage der Salpenindivi- duen in der Kette etwas genauer zu berücksichtigen. Die Querfurchen bilden sich zuerst an den Theilen des Keim- stocks, welche wir als Seitentheile bezeichnet haben und die den Riickentheilen der späteren Salpenindividuen entsprechen. Sie ver- breiten sich sehr bald von dieser Stelle zuerst nach vorn hin und erst später bemerkt man sie auch in den hinteren Theilen des Quer- schnittes, wo das Entoderm sich befindet. An beiden letztgenannten Stellen laufen die Querfurchen an einander vorbei und gerade hier kann man sich überzeugen, dass sie zusammen keinen vollständigen Ring bilden, sondern in einander greifen. Zuerst sieht man das an der neuralen und später an der haemalen Seite des Querschnittes, welcher eine gemeinschaftliche Anlage eines Salpenpaares darstellt. Die Formverhältnisse der Furchen werden durch die beigefügten Figu- ren ziemlich genau erläutert. Die erste von den drei Figuren stellt den Beginn, die beiden letzteren den Schluss der Abtrennung eines Salpenpaares dar. a Fig. 1, 2, 3. Schematische Darstellung dreier Querschnitte des Keimstocks aus der Zeit der Bildung der Querfurchen. mn, Neuralseite, kh, Haemalseite des Keimstocks, A, Athemrohr. Ist die Bildung der Furchen so weit vorgeschritten, dass die beiden Salpen in einem Querschnitte als getrennte Gebilde erschei- nen, so können die weiteren Formveränderungen, in Folge deren die beiden Individuen immer mehr und mehr auseinander rücken durch den Wachsthumsprocess der gebildeten Individuenanlagen er- klärt werden. Das Wachsthum geht am meisten in den Rücken- und hinteren (haemalen) Endtheilen der Anlagen vor sich, indem die dem sogen. Stammrohr anliegenden Bauchtheile verhältnissmässig feiner werden. In Folge des Wachsthums der hinteren Theile der Salpenindividuen wird das sog. Stammrohr resp. Athemrohr und die Seitengefiisse immer nach vorn geschoben, was wir bei der Betrach- tung der Quersehnitte genauer kennen lernen werden. Stellt man alle nun hervorgehobenen Verhältnisse zusammen, so kann man die Ueber die Knospung der Salpen. 579 Lagerung der Salpenindividuen und das Verhältniss derselben zum Stammrohr .ganz gut durch folgendes einfaches Schema verdeutlichen. Dasselbe stellt einen schematischen Längsschnitt des Keimstocks mit den daran hängenden Salpenindividuen vor. Die letzteren sind durch quere Linien bezeichnet (2), indem das im Innern des Keim- stocks liegende Dreieck (A) das Stammrohr vorstellt. Das letztere ist im vorderen Theil des Keimstocks von Salpa democratia (nicht aber der anderen Salpenspecies) viel breiter als im hinteren, wo es, wie wir später sehen werden, vielmehr eine zwischen den Seiten- gefässen liegende lamellenförmige Scheidewand darstellt. Das Ver- hältniss der Salpenknospen zum Stammrohr kann aus dem Schema sofort ersehen werden; man sieht nämlich, dass in den vorderen Theilen das Athemrohr den grössten Theil des Querschnittes ein- nimmt, während es in dem hinteren Theil nur sehr klein erscheint. Nach dieser vorläufigen Uebersicht der äusseren Bauverhältnisse des Keimstocks wenden wir uns zur Betrachtung der Querschnitte und zwar zunächst jener, an welchen die Bildung der Salpenindivi- duen eben beginnt (Fig. 12, 13 und 14). Wir haben den Keimstock in einem Stadium verlassen, in welchem die Anlagen der verschie- denen Organe in jedem Querschnitte in der Einzahl und nicht dop- pelt erscheinen (Fig. 11). .Als doppelt tritt nur in diesem Stadium das Mesoderm auf, welches schon vom Beginn der Entwicklung in Form von zwei symmetrisch gelagerten Zellenhaufen und Röhren (Pericardialröhren) entsteht. Es ist aber bekannt, dass in jedem Querschnitte zwei Salpenindividuen sich befinden und deswegen be- stehen die nächsten Veränderungen in der Verdoppelung der eben erwähnten Anlagen im Keimstocke. In Fig. 12 treffen wir schon sehr wichtige Fortschritte im Bau des Keimstocks an. Der Querschnitt stellt das Stadium dar, in dem die Querfurche, welche die Grenze zwischen den zwei Kettengliedern bezeichnet, schon das vordere Ende des Querschnittes erreicht und dasselbe in zwei hintereinander liegende Abschnitte getheilt hat. Die typische Form der Furche und namentlich die Kreuzung der Enden derselben sind aus der Abbildung zur Genüge ersichtlich. 580 W. Salensky Die nächste Folge der Theilung offenbart sich im Bau der im vor- deren Theile liegenden inneren Organe und zwar vorerst in dem des Nervenrohres. Auf dem Querschnitte (Fig. 12) sieht man nur den oberen Abschnitt des Nervensystems, welcher dem oberen Individuum gehört; die Anlage des Nervenganglions des nach unten liegenden Individuums bemerkt man nicht; das hängt davon ab, dass der un- tere Abschnitt des Nervenrohres vom oberen beinahe vollkommen bedeckt wird. Man kann jedoch aus der Lage des oberen Ab- schnittes und aus dem Verhältniss desselben zu anderen Organen, namentlich aus seiner schiefen Stellung im Querschnitte schliessen, dass das Nervenrohr nun keineswegs ein gerades Rohr darstellt, son- dern in Folge der Furchenbildung in eine Anzahl (in jedem Quer- schnitte zwei) von Abschnitten abgeschnürt ist. Im folgenden Sta- dium (Fig. 13) sieht man diese Veränderungen in intensiverer Weise ausgeprägt, indem hier die beiden Abschnitte in Form von geschlossenen Blasen in beide Individuen des Kettengliedes über- gegangen sind (Fig. 13 N). Während im neuralen Theile des Keimstockgliedes die eben hervorgehobenen Veränderungen vor sich gehen, bleibt die haemale Seite desselben noch ungetheilt. Im Innern des haemalen Theiles bemerkt man jedoch sehr wichtige Veränderungen, welche als Fort- setzungen der schon früher erwähnten Differenzirungen des Entoderms betrachtet werden müssen. Wir haben gesehen, dass in letzterem allmälig zwei Theile sich bilden: ein peripherischer, aus eylindri- schen Zellen bestehender Theil, welchen wir nun als Anlage der Athemhöhle bezeichnen können, und ein anderer nach Innen liegen- der Theil, welcher die Anlage des Eierstocks darstellt. Der peri- pherische Theil zeigt in den auf Fig. 12 und 13 abgebildeten Quer- schnitten sehr wichtige Veränderungen, indem er sich in ein Rohr verwandelt. In Fig. 14 sieht man den Beginn dieser Umwandlung. Die Zellen, welehe am Rande des schichtenförmigen äusseren Thei- les der Entodermanlage stehen, wachsen nach der Eierstocksanlage zu, in Folge dessen die Anlage der Athemhöhle in diesem Stadium die Form einer Rinne bekommt. Im folgenden Stadium (Fig. 13) ist diese Umwandlung noch weiter vorgeschritten, indem sich die Rinne in Folge des Zusammentreffens ihrer Ränder in ein geschlos- senes Rohr verwandelt (Fig. 13 4A). Im zweiten Theile des Entoderms, resp. in der Anlage des Eier- stocks, bemerkt man keine wesentlichen Veränderungen. Es ist nur zu bemerken, dass die im Inneren desselben liegende Zelle — die Ueber die Knospung der Salpen. 581 Eizelle — in diesem Zustande immer mehrere Kerne (2—3) enthält, von denen, — vorläufig bemerkt —, nur einer sich in ein Keim- bläschen verwandelt, die anderen aber, welche wir als » Nebenkerne« bezeichnen, später verschwinden. Ist die Athemhöhle einmal gebildet, so gehen die Veränderungen im haemalen Theile der Keimstocksglieder in analoger Weise mit denen der vorderen (neuralen) vor sich. Sie bestehen namentlich darin, dass die Furche, welche vorn die zwei Salpenanlagen sondert, nach hinten sich fortsetzt und hier dieselbe Sonderung bedingt. Es ist aber sehr schwer einen guten Querschnitt von diesem Stadium zu erhalten; ich glaube darum, weil dieses Stadium sehr rasch in das nächste übergeht. Wenigstens konnte ich aus mehreren von mir untersuchten Keimstöcken nur einige Querschnitte bekommen, die aber nicht vollkommen senkrecht zur Keimstocksaxe geführt waren. Einen davon habe ich in Fig. 14 dargestellt; obgleich der- selbe nicht ganz symmetrisch ist, kann er doch im Zusammenhange mit weiteren Entwicklungsstadien (Fig. 15 u. folgende) die nun her- vortretenden Veränderungen genügend erklären. Der Querschnitt (Fig. 14) ist bei einem Individuum des Keimstocksgliedes durch den vorderen, bei dem anderen durch den hinteren Theil geführt, was aus der oben hervorgehobenen Form der Furche und aus der Lage der Individuen in der Salpenkette leicht verständlich ist. In den späteren Stadien, in welchen die Sonderung der Salpenindividuen noch weiter vorgeschritten ist, kann man keine Querschnitte mehr bekommen, welche durch ein und denselben Theil beider Indivi- duen durchgehen; man sieht immer einige Organe in einem Indivi- duum, andere in dem anderen, und nur wenn es gelingt einen Schnitt gerade durch die Furchen zu führen, welche ein Glied der Kette be- grenzen, wie man es z. B. auf Fig. 15 sieht, bekommt man alle Organe beider Individuen zu Gesicht. Man kann aber ein solches Bild nur aus den Stadien bekommen, in welchen die Individuen schon ziemlich weit von einander gerückt sind, so dass sie nur in dem mittleren Theile mit einander verbunden erscheinen. Fertigt man aber einen solchen Querschnitt aus jüngeren Stadien, wie es z. B. Fig. 14 repräsentirt, so wird der Bau beider Individuen nicht ganz _ klar, weil die in der Mitte des Querschnittes liegenden Organe — Athemhöhle, Eierstock — , welche noch beinahe übereinander liegen, im Schnitte einander decken. Wie gesagt, stellt der Querschnitt (Fig. 14) die vordere Hälfte eines Individuums und die hintere des anderen dar. Da die letztere . 582 W. Salensky uns nun besonders interessirt, so gehen wir zur Betrachtung dersel- ben über. Die wichtigsten in diesem Theil bemerkten Veränderun- gen bestehen in der vollkommenen Sonderung des Entoderms in zwei Theile Athemhöhle und Eierstocksanlage) , welche in die beiden in der Bildung begriffenen Individuen übergehen und dort die geson- derten Anlagen der gleichnamigen Organe bilden. Da die Querfurche von der Peripherie aus zur Mitte des Keimstokrohres eindringt, schnürt sie zuerst die peripherischen Theile der Entodermanlage resp. die Anlage der Athemhöhle ab, welche wir im Querschnitte in Form einer Blase etwas seitwärts von der Mittellinie des Querschnittes antreffen (Fig. 14 Ah). Was den histologischen Bau derselben be- trifft, so ist derselbe sehr wenig verändert. Die Wand der Athem- höhlenblase besteht, wie vorhin, aus eylindrischen Zellen. Die Son- derung der Eierstocksanlage ist viel weniger ausgesprochen als die der Athemhöhle. Der Eierstock ist nur in seiner Peripherie getheilt; im centralen Abschnitte, in welchem nämlich die Kerne liegen, sind noch die beiden einzelnen Anlagen so übereinander gelagert, dass sie zu- sammen einen ungetheilten Strang darstellen. Die Form der Eier- stocksanlage kann nun mit einer Gabel verglichen werden, deren beide Zinken nach der Peripherie des Querschnittes auseinander ge- hen. Die letzteren liegen nun zwischen der Athemhöhle und der Mesodermanlage (Fig. 14 *). Die weiteren Entwicklungsstadien können durch die definitive Ausbildung der eben besprochenen Organanlagen und durch die Di- vergenz der beiden Individuen im Kettengliede characterisirt wer- den. In dieser Entwicklungsperiode geht die Ausbildung der Form einzelner Individuen vor sich, welche auch mehrere Veränderungen in der gegenseitigen Lage der Organe mit sich führt. Wir gehen nun zur Betrachtung dieser Entwicklungsvorgänge über und zwar zunächst zu denen, welche auf den Figuren 15, 16 u. 17 dargestellt sind. In dieser Reihe von Querschnitten sieht man den Anfang des Sonderungsprocesses der Salpenindividuen; sie zeigen uns, dass ein Theil der von Anfang vom Mutterleibe in den Keimstock eintreten- den Organe, nämlich Athemrohr und Seitengefässe, keinen Antheil an der Bildung der Salpenindividuen nehmen. Im Querschnitte Fig. 15 sehen wir die beiden Individuen des Kettengliedes noch so innig mit einander verbunden, dass der Bauch- theil des oberen Individuums den gleichnamigen Theil des unte- ren noch vollkommen deckt. In Folge dessen können wir bei einer gewissen Focaleinstellung nur eine Athemhöhle und einen Eierstock Ueber die Knospung der Salpen. 583 scharf unterscheiden. Der Deutlichkeit halber habe ich die beiden Individuen mit verschiedenen Farben gezeichnet. Vergleicht man dieses Stadium (Fig. 15) mit dem vorhererwähn- ten (Fig. 14), so kann man sich leicht überzeugen, dass die Diver- genz beider Individuen in diesem Zustande durch das Wachsthum der Riickentheile beider bedingt ist. Was Vorder- und Hinter-Theil der Individuen anlangt, so kann man nun auch ein Ueberwiegen des letzteren dadurch bemerken, dass das Stammrohr (Seitengefässe und Athemrohr) mehr nach vorn vorgerückt ist, ein Verhältniss, welches in späteren Stadien progressiv wird. Die wichtigsten Veränderungen im Bau beider Individuen betreffen hauptsächlich die Eierstocksan- lage und die Athemhöhle. Die erstere ist nun vollständig in den früher angedeuteten Raum zwichen Mesoderm und Athemhöhle aus- gewandert und stellt einen birnförmigen Körper vor, dessen breite- res Ende gegen die Peripherie des Individuenkörpers, der zugespitzte Theil gegen die Höhle des Stammrohres gerichtet ist. Mit den zuge- spitzten Enden sind die Eierstöcke beider Individuen noch mit einander verbunden. Einen sehr wichtigen Fortschritt stellt der Eierstock in diesem Zustande im Vergleich mit dem vorherbetrachteten in histo- logischer Beziehung dar. Er enthält nämlich nur einen einzigen Kern und stellt somit, wie im ausgebildeten Zustande, nur eine einzige Zelle — die Eizelle — dar, welche in der Eihülle eingeschlossen ist. Auf welche Weise das Verschwinden dey anderen Kerne (Ne- benkerne) vor sich geht, konnte ich nicht nachweisen. Der bleibende Kern erscheint als ein Bläschen, in welchem man schon feinkörnige Stränge leicht unterscheiden kann. Auch der den Kern umgebende Protoplasmahof unterscheidet sich keineswegs von dem der ausge- bildeten Eier. Die Athemhöhlenblase (Fig. 15 Ad’) stellt einen ovalen Sack dar, liegt gerade unter dem Eierstock und besteht aus denselben eylindrischen Zellen, die wir schon im vorhergehenden Stadium ge- sehen haben. Der Unterschied besteht in einer Grössenzunahme der Athemhöhle und noch darin, dass dieselbe nun nicht unmittelbar der Haut anliegt, sondern von derselben durch eine Zellenlage ge- trennt ist. Diese Zellenlage gehört dem mittleren Keimblatte an, welches von der Rückenseite des Individuums nach der Bauchseite sich fortsetzt. Ueber das Verhalten des mittleren Keimblattes erhält man eine gute Vorstellung, wenn man Längsschnitte des Keimstocks anfertigt und damit die Querschnitte der einzelnen Salpen beobachtet. Man überzeugt sich dann (Fig. 23, 24 und 25), dass das mittlere 584 W. Salensky Keimblatt auch in späteren Stadien im hinteren Theile des Indivi- duums das untere Keimblatt resp. die Athemhöble vollkommen umhüllt, während es in der Mitte des Körpers nur den oberen und die seit- lichen Theile bedeckt und bis zur Basis der Bauchfalten reicht. Ich muss hier vorläufig bemerken, dass dieses Verhalten nur bei der ungeschlechtlichen Entwicklung der Salpen auftritt, bei der Entwick- lung aus dem Eie finden wir nichts ähnliches vor. In den darauf folgenden Entwicklungsstadien (Fig. 16 u. 17) tritt ein sehr scharf ausgeprägtes Wachsthum der hinteren Theile der Individuen hervor, welches eine allmälige Divergenz der Indi- viduen in ihren vorderen Theilen bedingt. In Folge des letztge- nannten Prozesses geschieht das schon oben erwähnte Heraustreten des Stammrohres, welches in allen früheren Stadien im Innern des Keimstocks lag, in allen folgenden aber nach aussen von diesem - liegt. Das Heraustreten des Stammrohres erfolgt allmälig und in Fig. 16 u. 17 sehen wir dasselbe nur mit seinem oberen Theile zwi- schen den beiden Individuen hervorragen, während es in den weite- ren Stadien ein gesondertes, schon von früheren Beobachtern beschrie- benes Rohr darstellt. Vergleicht man eine Reihe hintereinander folgender Querschnitte einer sich bildenden Salpenkette, wie solches z. B. an Fig. 15—19 dargestellt ist, so kann man die allmälige Ausbildung des Stammrohres ziemlich genau verfolgen und sich überzeugen, dass digser Process hauptsächlich dem Wachsthum der hinteren Körpertheile der Kettensalpen parallel läuft und von dem letzteren bedingt ist. Das Stammrohr bildet sich aus drei Theilen: dem äusseren Epithel, den Seitengetiissen oder Bluträumen und dem Athemrohre. Die beiden letztgenannten Organe sind schon von dem ersten Beginn der Keimstockbildung vorhanden; die epitheliale Um- hüllung kommt aus dem gemeinsamen Epithel des Keimstocks, wel- ches in Folge des Heraustretens der Bluträume und des Athemrohres denselben dieht anliegt und sie umhüllt. Was den Bau dieser drei genannten Theile anlangt, so bieten zwei davon: das Epithel und die Seitengefässe keine besonderen Veränderungen dar; nur ist zu be- merken, dass das äussere, unmittelbar in das des Salpenkörpers über- gehende Epithel, im Vergleich mit letzterem sehr dünn erscheint. Obgleich die Abplattung der Epithelialzellen des Stammrohres plötz- lich geschieht, kann man doch an der Uebergangsstelle des vorde- ren Theiles des Salpenkörpers und des Stammrohres verschiedene Stadien der Abplattung beobachten (Fig. 16 u. 17). Das in der Mitte des Stammrohres gelagerte Athemrohr (Fig. 16 Ar) stellt je- Ueber die Knospung der Salpen. 585 doch bedeutende und sehr wichtige Veränderungen dar. Man kann dieselben schon in früheren Stadien bemerken, wo sie in einer Ver- dünnung der Wände des Athemrohres und in dem allmäligen Ver- schwinden der Höhle bestehen. Dieses Verschwinden kann man schon auf Fig. 13 sehen, in einem Stadium also, in welchem die Bildung der Individuen eben begonnen hat. In weiteren Stadien geht diese regressive Entwicklung immer weiter vor sich, so dass sich endlich das Athemrohr in eine zwischen beiden Seitengefässen liegende Scheidewand verwandelt, wie wir es auf Fig. 16, 17, 18 und fol- genden antreffen. Escuricur hat schon diese Scheidewand bemerkt und sie abgebildet, jedoch nicht näher beschrieben. HuxLey war der erste, welcher sowohl die Scheidewand, als auch das Athemrohr erkannte, er nennt dasselbe »central tube«, hat aber, wie es scheint. die wahre Natur dieses Gebildes nicht erkannt. KowALEvsky hat endlich das Athemrohr vollkommen richtig gedeutet; nach ihm soll es aber bei der Entwicklung der Salpenkörper theilnehmen. Ich muss gegen diese Annahme hervorheben, dass das Athemrohr, sowie die Seitengefässe vollkommen provisorische Ge- bilde sind und sich in keiner Weise bei der Bildung des Salpenkörpers betheiligen. Die inneren Veränderungen in den eben betrachteten Stadien sind ziemlich beachtenswerth, da wir nun schon einige weitere Dif- ferenzirungen der beschriebenen Organanlagen antreffen. Was zuerst die Haut betrifft, so erscheint dieselbe etwas verdickt, was von dem Längswachsthum der sie zusammensetzenden Zellen herrührt. Das Nervenganglion, welches während aller von uns betrachteten Stadien allmälig wächst, erreicht jetzt eine verhältnissmässig enorme Grössen- entwicklung und nimmt (Fig. 17 N’) beinahe die Hälfte des ganzen Körpers ein. Bei diesem Wachsthum ändert sich der histologische Bau des Ganglions, indem seine Wand nun nicht mehr aus einer Schieht Cylinderzellen besteht, sondern mehrschichtig, und in Folge dessen viel dicker als früher geworden ist. Wir treffen die ersten Zeichen dieser Verdickung und der Massenzunahme des Ganglions schon auf Fig. 16, wo die Vermehrung der Zellen scheinbar begon- nen hat, indem die peripheren Zellen des Ganglions noch eylindrisch. die centralen — polyedrisch sind. Im Mesoderm bemerkt man eine Sonderung von zwei Zellengruppen — eine beinahe in der Mitte der Körperoberfläche, und eine andere am vorderen Theile des Körpers. Beide sind die Anlagen der ringförmigen Muskeln, welche die In- gestions- und Egestionsöffnungen umgeben. In der Athemhöhle finden 586 W. Salensky wir schon die Anlage des Darmtractus (Fig. 17 D), welche, wie bei der embryonalen Entwicklung!) in Form eines hohlen Vorsprungs der Athemhöhle zum Vorschein kommt. Unter der Athemhöhle be- merkt man einen Zellenhaufen (Fig. 17 Hz), welcher nichts anderes ist, als die Anlage des Herzens. Dass dieselbe hier compact er- scheint, während sie in Wirklichkeit hohl ist, rührt von der Richtung des Schnittes her, welcher durch den Rand des Pericardialschlauches ging. Endlich muss ich bemerken, dass die sogen. Kloakalhöhle in diesem Stadium ziemlich weit ausgebildet ist. An Querschnitten kann man sich leicht überzeugen, dass dieselbe keine besondere Höhle, sondern nur die Fortsetzung der Athemhöhle darstellt (s. Fig. 23, 24 und 25) und, da sie von der letzteren in Längsschnit- ten durch den eylindrischen Kiemenstrang abgetrennt erscheint, so tritt sie daselbst in Form einer scheinbar besonderen Höhle auf. Die Kieme, welche nun in Form eines Zellenstrangs erscheint (Fig. 17 X), entsteht, wie wir schon oben gesehen haben, aus dem Theile des Keimstocks, welchen wir als Eierstocksanlage bezeichnet haben. Der hintere Theil dieser Anlage, in welchem die Eizelle liegt, verwandelt sich später in den Eierstock,, der vordere bedeu- tend grössere Theil erweist sich als Kieme. In der Anlage der Kieme können wir nun eine peripherische Lage von eylindrischen Zellen und eine innere Masse von kugelförmigen Zellen unterschei- den. Der Eierstock (Fig. 17 E) stellt nun ein kleines aus plat- ten Zellen bestehendes Bläschen dar, welches im Innern das ziemlich ausgebildete Ei enthält und der Athemhöhlenwand von der Rücken- seite dicht anliegt. Wir haben nun die Anlagen aller Organe des Suipenkörpehl betrachtet und können zur Besprechung der Literatur über die Bil- dung der Salpenorgane übergehen. Zunächst müssen wir die Angabe von ESCHRICHT und LEUCKART betrachten, welche schon oben von uns erwähnt wurde und darin besteht, dass jeder Salpenkörper in Form von zwei Knospen angelegt sein soll, von denen eine als die Anlage des vorderen, die andere als Anlage des hinteren Körper- theiles dient. Wir wissen, dass diese Angabe aus der Beobachtung des Keimstocks in toto, nicht an den Querschnitten angestellt wurde, und dies allein genügt schon um den Irrthum zu erklären. Ich brauche kaum hervorzuheben, dass in der That keine solche Bildung der Anlagen für zwei Knospen zur Ausbildung des Salpenindividuums ') Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. XXVII Hft. 2. Ueber die Knospung der Salpen. 587 vorkommt. Man kann aber sehr leicht, wenn man den Keimstock nur von der Oberfläche beobachtet, solche Knospen annehmen und zwar darum, weil in gewissen Stadien die vorderen und hinteren Theile der in der Bildung begriffenen Salpenindividuen wirklich über die Oberfläche des Keimstocks sich buckelförmig erheben. In den späteren Stadien werden diese Erhebungen ausgeglichen und es scheint bei der oberflächlichen Betrachtung des Keimstocks, als ob die in Form von buckelförmigen Knospen angelegten Theile des Salpenkörpers miteinander zusammengeflossen seien. Wenn man aber diese Beobachtungen durch Querschnitte controlirt, so über- zeugt man sich sogleich von der Irrthümlichkeit jener Annahme. Man sieht nämlich dass die muthmasslichen Knospen keine selbst- ständigen Gebilde vorstellen, dass sie hingegen von Anfang an mit- einander verbunden sind. Die erste ausführliche Darstellung der Entwicklung der Salpen- organe treffen wir in der Abhandlung von Toparo, die wir nun besprechen wollen. Ich habe schon oben gezeigt, dass meine Ab- bildungen von denen Toparo’s in Bezug auf die ersten Entwicklungs- stadien sehr wenig, selbst gar nicht verschieden sind. Ungeachtet dessen differiren doch unsere Ansichten in Bezug auf die Entwick- lungsvorgänge im höchsten Grade. Die Hauptdifferenz besteht darin, dass die Entwicklung der Salpenorgane nach Toparo aus einer undiffe- renzirten Zellenmasse den sog. bottoni blastodermiei (mittlere Zellenlage) vor sich geht, während nach meinen Angaben dieselbe aus präexisti- renden, aus den Theilen des Keimstocks entstehenden Anlagen sich bil- det. Nach Toparo sollen alle Theile des Keimstocks, welche ich als Anlage des Nervensystems, als Entoderm, Eetoderm bezeichnet habe, theilweise verschwinden (Ectoderm), theilweise in Nahrungsmasse (das Entoderm) oder in den Stoloblast (die Anlage des Nerven- systems) übergehen. In Folge dessen entstehen die Organe der Sal- pen nach Toparo’s Angaben in ganz verschiedener Weise, als ich es beobachtet habe. So entsteht z. B. die Athemhöhle zuerst in Form einer Schicht, welche ähnlich der Bildung des Darmcanals bei Vertebraten durch Zusammenwachsen ihrer Ränder zu einer Höhle sich schliesst. Sie soll durch die Nahrungsmasse ausgefüllt werden. Die Entstehung des Nervenganglions wurde von ToDARo nicht beob- achtet. Er hebt nur hervor, dass in einem gewissen Stadium das Nervenganglion in jedem Individuum vorhanden sei. Die übrigen Organe entwickeln sich durch die Differenzirung der drei Keimblät- Morpholog. Jahrbuch. 3. 38 588 W. Salensky ter, welche aus den bottoni blastodermici entstehen. Ueber die Ent- stehungsweise dieser Organe finden wir bei Toparo sehr wenige Angaben vor. Indem ich die Frage über die Richtigkeit unserer so differenten Ergebnisse weiteren Untersuchungen überlasse, kann ich doch nicht umhin, einige Ungenauigkeiten der Toparo’schen Untersuchung her- vorzuheben. Es scheint mir, dass jene höchst originelle Ansicht von Toparo hauptsächlich dadurch sich bildete, dass 1) dieser For- scher sehr viele Zwischenstadien durchaus nicht beobachtet hat und dass er 2) seine Studien mit eigenthümlichen vorgefassten theoretischen Ansichten begonnen hatte. Vergleicht man nämlich das von TODARO in Fig. 55 abgebildete Stadium mit dem folgenden (loc. eit. Fig. 56 Taf. V), so bemerkt man gleich, dass zwischen den beiden eine grosse Lücke besteht; in der Zwischenzeit, welche dieser Lücke entspricht, geht bei Salpa democratica die Entwicklung der meisten Organe vor sich. Die Wichtigkeit dieser Lücke bei der Beobachtung der Ent- wicklung geht schon daraus hervor, dass alle von Toparo aufge- stellten Sätze: über das Verschwinden des Eetoderms, über die Ver- wandlung der beiden bottoni laterali in die Nahrungsmasse und in Stoloblast durchaus unbegründet erscheinen. Man sieht aus den Ab- bildungen Nichts, was auf diese Verwandlungen hinweist und des- wegen scheint es, wenigstens mir, als ob diese Angaben mehr aus theoretischen Gründen, als aus positiver Beobachtung abgeleitet seien. Toparo bemüht sich zu beweisen, dass die Entwicklung der Salpen nach dem Typus der Wirbelthierentwieklung vor sich gehe, und, wie in manchen von diesen letzteren, die Keimblätter in Form von ein- oder mehrschichtigen Zellenlagen auftreten, so sollten sie auch bei den Salpen diese Form besitzen. In derselben Weise, wie die Toparo’schen Angaben, muss ich auch die Brooxs’schen für unerwiesen halten. Brooxs hat keine Querschnitte des Keimstocks gemacht: ohne Querschnitte kann je- doch eine genaue Untersuchung des Baues des Keimstocks und der Entwicklung der Salpenorgane kaum unternommen werden. Die Abbildungen von BROOKS sind so schematisch, dass es bei der Ver- gleichung derselben mit den Querschnittspräparaten sehr schwer ist die Theile, welehe BROoKs beschreibt, auf dem Präparate zu finden. So konnte ich z. B. keine Präparate auffinden, welche mir die Brooks’sche Annahme über die Entwicklung des Nervensystems und des Nahrungscanals erklären könnten. Brooks gibt namentlich an, dass diese Organe aus einer und derselben Anlage (nämlich aus dem Ueber die Knospung der Salpen. 559 inneren Rohr) entständen. Die zum Beweise dieser Annahme beige- fügten Abbildungen entsprechen keineswegs ihrem Zwecke. Die definitive Entwicklung der Organe, welche nach der Differenzirung der Salpenindividuen beginnt und zu der wir nun übergehen, geht vollkommen in derselben Weise vor sich, wie es bei der embryonalen Entwicklung der Salpen von mir beschrieben wurde. Deswegen werde ich zur Vermeidung von Wiederholungen nur auf die Hauptmomente der Entwicklung aufmerksam machen. Zunächst müssen wir uns zu der Ausbildung der Körper- form wenden und die Verhältnisse etwas näher berücksichtigen, in welchen die Salpenkörper zum Stammrohr in den letzten Entwick- lungsstadien stehen. Wir werden dabei auch die Leibeshöhle näher betrachten, welche namentlich in den letzten Stadien am meisten sich entwickelt, und, wie es auch bei der embryonalen Entwicklung der Fall ist, während der Celluloseausscheidung durch Cellulosemasse ausgefüllt wird. Was die Veränderungen der äusseren Körperform anlangt, so sind diese den von mir bei der embryonalen Entwicklung beschrie- benen vollkommen identisch. Sie bestehen namentlich im starken Wachsthum des hinteren Körpertheils, welches mit dem Wachsthum der Athemhöhle parallel geht. Es führt zu der Ausbildung der de- finitiven Körpergestalt der Salpen. Während der ganzen Zeit, in welcher diese Veränderungen vor sich gehen, ändert sich auch das Verhältniss der Salpen zum Stamm- rohr und es bilden sich im Innern der Salpen die provisorischen Höhlen, welche bei den ganz entwickelten Thieren nicht mehr zu beobachten sind. Das Verhältniss der Salpen zum Stammrohr ist schon bei der ersten Andeutung der Salpenknospen resp. bei der Bildung der ersten Querfurchen am Keimstocke präeisirt (Fig. 13). Da die Bildung der Querfurchen vorn beginnt und da die Rücken- seite der Knospe mehr als die Bauchseite verdickt erscheint, so nimmt das Stammrohr in Folge dieser Bauverhältnisse eine mehr einseitige Lage an. Es wird namentlich etwas nach vorn und gegen die Bauchseite jedes Individuums vorgeschoben. Dasselbe Verhält- niss treffen wir in den weiteren Entwicklungsstadien (Fig. 14, 15, 16, 17 ete.), nur bewegt sich das Stammrohr immer weiter und weiter nach vorn, was, wie schon oben bemerkt, durch das Wachs- thum der hinteren Körpertheile der Salpenindividuen bedingt ist. Während dieser Lageveränderungen nimmt das Stammrohr an Stärke ab und die Verbindungsstelle desselben mit den Salpenindividuen 36* 590 W. Salensky wird immer enger und enger. In den auf Fig. 16 und 17 abgebil- deten Stadien liegt das Stammrohr mit dem grössten Theile seines Umfangs noch in der Höhle des Salpenkörpers, während es schon auf Fig. 19 beinahe vollkommen aus dem Körper herausgeschoben ist. Im folgenden Stadium (Fig. 20) treffen wir das Stammrohr nur vermittelst eines kleinen und ziemlich engen Canals mit dem Salpen- körper verbunden. Es hat dabei an Grösse bedeutend abgenommen und zeigt schon alle Erscheinungen der begonnenen Rückbildung. Man kann nun kaum die Zellen in den Bluträumen unterscheiden; was das Athemrohr anlangt, so bildet dasselbe eine lamellenförmige Scheidewand zwischen den beiden Bluträumen. Die erwähnte Lageveränderung des Stammrohres geht Hand in Hand mit der Schliessung der Salpenkörper. Die letztere vollzieht sich, wie man an einer Reihe von Querschnitten sich überzeugen kann (Fig. 16—20), indem die obere und die hintere Wand des Körpers mit einander verwachsen. Ich muss deswegen das von Toparo her- vorgehobene Verwachsen der Seitenränder, als ein Hauptmoment der Schliessung des Salpenkörpers, vollkommen in Abrede stellen. Während der Entwicklung der Knospen bilden sich in den letz- teren zwei Höhlen, welche ihrer Entstehung und Lage nach morpho- logisch verschieden sind. Eine von diesen Höhlen (Fig. 13—20 KA) tritt schon sehr frühzeitig auf und stellt eigentlich nichts anderes vor, als einen Zwischenraum, welcher schon bei der Bildung des Keimstocks zwischen dem Eetoderm und den Bluträumen sich her- ausbildete und die Pericardialröhren enthält. Die Höhle, welche wir als Knospungshöhle bezeichnen können, wechselt in den späteren Stadien ihre Lage und tritt in dem Stadium, in welchem der vordere Theil der Knospen schon angedeutet ist, zwischen dem Mesoderm und den Seitengefässen auf. Bei den Verände- rungen des hinteren Körpertheiles der Salpenknospen, nament- lich beim Wachsthum desselben, wird diese Höhle immer kleiner und kleiner, bis sie endlich beim Schluss der Körperwandungen voll- kommen nach vorn geschoben wird und dort in Form eines kleinen Zwischenraumes erscheint. Später verschwindet sie vollständig. Die zweite Höhle tritt erst in späteren Stadien auf und ist ihrer Lage nach der Leibeshöhle ') homolog. Ich habe gezeigt, dass wäh- rend der embryonalen Entwicklung der Salpen zwischen Ectoderm und Mesoderm eine Höhle erscheint, welche ich als Leibeshöhle !) S$. meine »Embryonale Entwicklungsgeschichte der Salpen« in Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XXVII Hft. 2. Ueber die Knospung der Salpen. 591 bezeichnet habe; während der Entwicklung der Cellulose füllt sich diese Höhle mit der letzteren vollkommen aus und ist bei den aus- gebildeten Salpen durch die sogen. Blutgefässe repräsentirt, welche nichts anderes, als die Ueberreste einer Leibeshöhle darstellen. In den knospenden Salpen kommt dieselbe Höhle (Fig. 18 — 20 LA) erst bei verhältnissmässig hoch ausgebildeten Knospen zum Vorschein und stellt wie die Leibeshöhle der Embryonen ebenfalls einen zwischen dem Meso- und Eetoderm gelagerten Raum dar. Bei den ausgebil- deten Salpen konnte ich diese Höhle nicht mehr auffinden und glaube daher, dass sie denselben Umwandlungen wie die erwähnte Leibeshöhle der Embryonen unterliegt. Die Entwicklung der Haut geht in derselben Weise vor sich, wie sie von mir bei Salpenembryonen beschrieben wurde. Das ganze Ectoderm verwandelt sich auch hier in die Haut und scheidet, wie dort, eine homogene Celluloseschicht aus, in welche einige Zellen einwandern. Das Nervenganglion erreicht in gewissen Entwicklungsstadien eine enorme Grösse und nimmt beinahe eine ganze Hälfte des Körpers ein. Es enthält eine Höhle, welche, wie bei der embryonalen Entwick- lung in drei Blasen zerfällt und in den letzten Entwicklungsstadien mit der Athemhöhle in Verbindung tritt. Zur Erläuterung dieser Entwieklungsvorgänge dient Fig. 21, welche den vorderen Theil einer ziemlich weit entwickelten Knospe darstellt. Das Mesoderm gibt Ursprung denselben Organen, welche aus der gleichnamigen Schicht der Salpenembryonen sich entwickeln, namentlich dem Herzen und den Muskeln. In Bezug auf letztere kann ich nichts besonderes zu dem von mir früher beschriebenen 's. Z. f. w. Z. Bd. XXVII Hft. 2) hinzufügen. Was aber das Herz an- langt, so muss ich meine frühere Angabe in Bezug auf dieses Organ etwas corrigiren. Das Herz entsteht als Einstülpung des Pericardium- schlauches (Fig. 19 Hz‘) und nicht als spiralförmige Umrollung der Wände desselben. Ich glaube, dass bei der geschlechtlichen Ver- mehrung der Salpen die Entwicklung des Herzens in derselben Weise vor sich geht. Wenigstens kann man sich davon an Querschnitten der Embryonen von Salpa afrieana (Fig. 1 Hz) leicht überzeugen. Ausser diesen beiden Organen entwickelt sich aus dem Meso- derm noch der Elaeoblast, welcher bei der embryonalen Entwieklung aus dem Entoderm entsteht (Z. f. w. Z. Bd. XXVII Hft. 2 p. 193). Die erste Anlage des Elaeoblastes erscheint in Form einer Zellenlage, welche unter der Athemhöhle liegt; bei den weit entwiekelten Em- 592 W. Salensky bryonen (Fig. 22 £7) tritt schon der Elaeoblast in Form eines aus grossen saftigen Zellen bestehenden Haufens auf. Ich behalte für dieses Organ den Namen Elaeoblast wegen der unzweifelhaften Ana- logie desselben mit dem gleichnamigen Organ der auf geschlecht- lichem Wege entstehenden Salpenembryonen. VogTr bezeichnet das- selbe mit dem Namen »stoloblast«!) ; seiner Meinung nach soll dasselbe der Placenta entsprechen. Er sagt dabei: »on le voit encore quel- que temps apres la separation des jeunes chaines et il ne dispa- rait completement que lorsque le tésticule commence A se former.« Wahrscheinlich diente dieser Zusammenhang in dem Verschwinden des Elaeoblastes und dem Auftreten der Hoden als Beweggrund für die Brooxs’sche Annahme, nach welcher der Elaeoblast die Anlage der Hoden darstellen soll. Wenigstens konnte ich in der Brooxks- schen Arbeit dafür keine weiteren Beweise finden. Er bezeichnet ganz einfach den Elaeoblast mit dem Namen »Hoden« und beschreibt ihn als eine compacte globuläre Zellenmasse. Leider habe ich bis jetzt die Entwicklung der Hoden nicht eingehender zu studiren ver- mocht, ich hoffe jedoch in kurzer Zeit diese Lücke auszufüllen und die Angaben von Brooks, so wie seine Meinung über Salpenvermeh- rung eingehender zu prüfen. Als Entoderm haben wir den Theil des Knospenstockes bezeich- net, weleher als Anlage der Athemhöhle und des Eierstocks dient. Die Athemhöhle erscheint in Form einer aus cylindrischen Zellen bestehenden Blase und gibt sehr bald einen hohlen Fortsatz nach hinten ab, welcher als Anlage des Darmeanals dient?). Die weitere Entwicklung dieser Anlage besteht darin, dass sie sich nach unten krümmt und allmälig die definitive Form des Darmecanals annimmt. Diese Veränderungen unterscheiden sich gar nicht von denen, welche ich früher bei solitären Salpen beschrieben habe. Dasselbe kann ich auch in Bezug auf die Entwicklung anderer, in der Athemhöhle auf- tretender Organe: der Bauchfalten, der Seitenbögen und der Kieme, bemerken. Zur Erläuterung der Ausbildung dieser Organe können die Fig. 23, 24 u. 25 (für Bauchfalten), Fig. 29 (für Seitenbögen) und Fig. 16, 17, 18, 19 und 20 (für die Kieme) dienen, auf die ich hiermit verweise. Wir haben oben erwähnt, dass die Ausbildung der Eizelle sehr 1) VoerT loe, cit. pag. 47. 2) C. Voar lässt den Darmcanal in Form eines soliden Cylinders entste- hen — eine Angabe, welche durchaus nicht gerechtfertigt werden kann. Ueber die Knospung der Salpen. 593 früh : auftritt. Sie nimmt schon zur Zeit des Erscheinens der Quer- furche im hinteren Ende der Knospen ihre definitive Gestalt an. Hier müssen wir nur ein paar Worte über die Ausbildung der Eihülle hinzufügen. Die letztere bildet sich durch Differenzirung der Zellen- masse, welche die Eizelle umgibt und hauptsächlich in den mittle- ren Theil der Kieme sich verwandelt. Auf Fig. 19 treffen wir schon die Eizelle von allen Seiten von einem Epithel umgeben, welches als Anlage des Oviducts dient und der Athemhöhle anliegt. Die weite- ren Differenzirungen, welche in der Verlängerung des Oviduets und in der Ausbildung der Geschlechtsöffnung bestehen soll,_konnte ich nicht beobachten. 4. Vergleichungen und Folgerungen. Wollen wir die von uns eruirten Thatsachen mit den analogen Erscheinungen anderer Abtheilungen in Zusammenhang bringen, um den morphologischen Werth einiger Salpenorgane zu bestimmen, so müssen wir uns zunächst zu den Ascidien wenden, welche mit den Salpen zusammen eine sich ziemlich scharf von anderen Wirbellosen unterscheidende Gruppe bilden. Obschon gerade in der letzten Zeit die Knospung der Ascidien von mehreren Forschern untersucht wurde, haben wir doch wenige Arten, die in dieser Beziehung uns als Anhaltspuncte für die Ver- sleichung dienen könnten. Am meisten widersprechend erscheinen die Angaben der Beobachter in Bezug auf Ort und Stelle wo die Bil- dung der Knospen vor sich geht und in Bezug aufdie ersten Entwick- lungserscheinungen bei der Knospung der Ascidien. Das kann theils durch einige Abnormitäten in der Entwicklung der Knospen, theils durch die Beobachtungsmethode erklärt werden. Wir müssen zunächst aus unserer Betrachtung die beiden von KOWALEVSKY und GANIN unter- suchten Didemnumarten ausschliessen, da sie sich bedeutend von allen übrigen Arten unterscheiden. Didemnum gelatinosum, dessen Entwicklung durch Ganry’s Untersuchungen!) bekannt geworden ist, zeichnet sich von allen übrigen Ascidienarten dadurch aus, dass es in Form von zwei Knospen angelegt sein soll. Wir treffen in keiner Aseidie eine Entwicklung aus zwei Knospen und zwar in solchen Verhält- nissen zu einander, wie es von GanIn beschrieben wurde. Nach Ganin’s Untersuchungen soll z. B. der Darmcanal aus der Bauch- !} Nachrichten der Warschauer Universität 1870 Bd. 4 und Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XX. 594 W. Salensky knospe, die Athemhöhle aus der Brustknospe entstehen, — Organe, welehe nicht nur bei Aseidien, sondern bei allen Tunicaten von ih- rem Anfang an in Zusammhang stehen. Wir kennen ja jetzt viele Beispiele von differenter Entwicklung nahestehender Arten, doch ist die Verschiedenheit dort nicht so eclatant als im Falle von Didemnum. Jedenfalls, meine ich, um eine solch sonderbare Entstehung der Or- gane zu begründen, muss der Gegenstand möglichst eingehend unter- sucht werden, da in der Annahme zweier Knospen bei der Bildung eines Individuums die Möglichkeit eines Irrthums nahe liegt. Ein beweisendes Beispiel dafür stellt die Entwicklung der Salpenknos- pen dar, welche letztere nach mehreren früheren Beobachtern auch aus zwei Knospen entstehen sollten; doch erweist sich diese Annahme als vollkommen irrthümlich, wie man sich an Querschnitten sehr leicht überzeugen kann. Dasselbe wird sich möglicher Weise auch bezüglich der Annahme von GAnIn wiederholen, wenn man die Ent- wicklung der Knospen bei Didemnum gelatinosum an Quer- oder Längsschnitten studirt. Die zweite Art von Didemnum, Didem. styliferum Kow., welche von KOwALEVskY!) untersucht wurde, zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Knospen durchaus unabhängig von den Individuen der Colonie entstehen. KOWALEVSKY hat immer die jüngsten Knospen weit von den ausgebildeten Thieren gefunden. Er zweifelt aber selbst daran, dass die von ihm als »jüngste« bezeichneten Knospen wirkliche Knos- pen sind und betrachtet als »unzweideutig« nur die Knospe, welche bereits die Anlagen der Athemhöhle, des Eierstocks und der sogen. Fettzellen besitzt. Die weiteren Entwicklungsstadien sind von Ko- WALEVSKY sehr genau untersucht; ich will daraus einige Thatsachen besonders hervorheben, da sie in gewisser Beziehung zur Knospung der Salpen stehen. Erstens muss ich darauf aufmerksam machen, dass in den Eierstöcken des Didemnum styliferum nur ein einziges Ei zur Ausbildung kommt, — ein Verhältniss, welches wir nur bei den Salpen und den Pyrosomen beständig antreffen. Zweitens ist hervorzuheben, dass die Knospen von Didemnum styliferum durch Theilung sich zu vermehren im Stande sind. Diese merkwürdige von KowALEvskY constatirte Thatsache hat eine grosse morphologi- sche Bedeutung, indem sie uns eine Uebergangsform zwischen dem stolo prolifer der Salpen und der gewöhnlichen Knospenbildung der Ascidien darstellt. 1) Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. X. Ueber die Knospung der Salpen. 595 Von allen Knospungsarten, welche von GIArD!) angegeben wur- den: palleale, ovariale, pylorische und stoloniale Knospung, ist die letztere Bildungsart am besten erforscht und wir wenden uns des- wegen zu dieser. Die genauesten Untersuchungen über die Knos- penbildung verdanken wir KOwALEVSsKY, welcher unter anderem eine ausgezeichnete und detaillirte Beschreibung der Knospung bei Amaroecium, Pyrosoma und Perophora Listeri darstellte. Obgleich die Bildung der Knospen bei diesen Aseidien in einigen Einzelheiten sich unterscheidet, kann man doch bemerken, dass die Hauptmomente der Entwicklung bei ihnen in ziemlich analoger Weise vor sich ge- hen. In den Knospen resp. Keimstöcken dieser Ascidien finden wir immer einige Theile, welche bei allen erwähnten Arten beständig vorkommen, während andere fehlen können. Von den ersteren, welche als wesentlichste Theile des Keimstocks sich erweisen, muss man die Haut und das Athemrohr hervorheben, die als Fortsetzun- gen der gleichnamigen Theile des Mutterthieres beständig in Asci- dienknospen vorhanden sind. Diese Beständigkeit des Vorkommens beider genannten Organe ist von besonderer morphologischer Wich- tigkeit, wenn wir darauf achten, dass diese beiden Theile von zwei verschiedenen Keimblättern des Embryo hervorgehen. Wir finden also als Haupttheile der Ascidienknospen die Repräsentanten der beiden Keimblätter des Mutterthieres: das Entoderm und Eetoderm. Zwischen diese beiden Theile sind bei verschiedenen Ascidien verschiedene Gebilde gestellt und nach der Natur dieser letzteren können wir die erwähnten Ascidien in zwei Gruppen thei- len, von denen eine dem Bau ihres Keimstocks nach am meisten den Salpen sich nähert, die andere denselben ferner steht. Zur ersten Gruppe können wir die Pyrosomen stellen (zu dieser wird wahrschein- lich auch Didemnum gehören), zu der anderen — Perophora und Amaroecium. Die beiden letztgenannten Arten zeichnen sich durch viel einfachere Bauverhältnisse ihrer Knospen aus. Bei Perophora Lis- teri besteht die Knospe aus zwei Blättern?) — Ectoderm und Ento- derm, zwischen welchen eine Art Blutsinus vorhanden ist, welcher vom Blutsinus der Stolonen in die Knospe eindringt. Bei Amaroe- cium3) finden wir dieselben Verhältnisse; nur sind zwischen den 1) Arch. de Zoologie experim. T. 1. pag. 570—5$4. 2) KowaLevsky. Ueber die Knospung der Perophora Listeri in den La- piski der Naturforschenden Gesellschaft zu Kiew Bd. I. (S. auch die Uebersetzung von GIARD in der Revue.) 3) Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. X. pag. 456—1469. 596 W. Salensky beiden Hauptblättern wie KOwALEVSKY angibt, Muskeln und Binde- gewebe eingeschaltet. Die letzteren bilden zu beiden Seiten des Athemrohres zwei Röhren, welche denen der Seitengefässe ähnlich sind. Die zweite Gruppe, der wir Pyrosoma beizählen, unterscheidet sich von der ersteren dadurch, dass bier die Anlage des Eierstocks sehr früh in der Knospe resp. der Keimstocksanlage auftritt und deswegen nähert sich diese Gruppe mehr den Salpen, bei welchen, wie oben hervorgehoben wurde, die Eier sehr früh angelegt sind. Bei den Pyrosomen ist die Analogie mit den Salpen noch stärker, da bei ihnen die Anlage des Nervensystems in Form eines Nerven- rohres vorhanden ist. Vergleicht man einen Querschnitt vom Keim- stock der Salpen mit dem des Pyrosoma, so ist diese Analogie auf- fällig, da wir ausser allen erwähnten Theilen noch zu beiden Seiten des Athemrohrs zwei Röhren (Perithoracalröhren Kow.) finden, welche den Pericardialröhren der Salpen ihrer Lage nach entsprechen. Wir finden also bei der Vergleichung des Baues des Keimstocks von Ascidien und Salpen eine gewisse Aehnlichkeit, welche so for- mulirt werden kann, dass der Keimstock beider Tunicatenordnungen aus den Derivaten der Keimblätter des Mutterthieres entsteht. Setzt man aber die Vergleichung fort und stellt man die Frage: geht die Ausbildung der Organe in diesen beiden Ordnungen in einer und derselben Weise vor sich, oder nicht? so muss man auf diese Frage eine verneinende Antwort geben. Die Hauptdifferenz zwischen Asei- dien und Salpen in Bezug auf die weitere Ausbildung der Organe besteht darin, dass bei Ascidien die Knospenorgane zum grössten Theil aus den entsprechenden Mutterorganen sich entwickeln, wäh- rend es bei Salpen nicht der Fall ist. Hauptsächlich bezieht sich diese Differenz auf das Athemrohr, welches bei Salpen ein vollkom- men provisorisches Gebilde darstellt, während es bei Ascidien zur Bildung der Athemhöhlen der Knospen dient. Die Athemhöhlen der Salpenknospen sind Neubildungen, welche in Form von Zellen- haufen auftreten; die Rolle des Athemrohrs ist hier durch einen be- sonderen Theil ersetzt, welcher wahrscheinlich der Eierstocksanlage der Salpen homolog ist und wie das Athemrohr ein Derivat des un- teren Keimblattes des Mutterthieres darstellt. Die Vergleichung der Knospung der Ascidien mit der der Sal- pen gibt uns einige Anhaltspuncte für die Verwerthung der Salpen- organe. Deswegen erlaube ich mir hier etwas näher in die Betrach- tung einiger Organe einzugehen. um die verschiedenen Modificationen derselben in der Classe der Tunicaten hervorzuheben. Ich werde Ueber die Knospung der Salpen. 597 mich mit der Athemhöhle und ihrer Beziehung zur Nervenhöhle be- gnügen, da namentlich erstere ein morphologisch sehr wesentliches Organ darstellt, welches in seiner Entwiekelung mehrere interessante Beziehungen zu den anderen Typen zeigt. Wir beginnen unsere Betrachtung mit den Ascidien, welche in den niedersten Formen die einfachsten Verhältnisse des Athemsackes besitzen, in den höheren jedoch einen sehr eomplieirten und in meh- reren Beziehungen von den Salpen abweichenden Athemsack aufwei- sen. Die ziemlich complicirten Verhältnisse der Athemhöhle der Ascidien sind von KOWALEVSKY in ausgezeichneter Weise erklärt. Bei der Gelegenheit der Beschreibung der Knospung gibt dieser For- scher einen Querschnitt einer weiter entwickelten Knospe von Didem- num, welcher für das Verständniss der Lage der Kieme und der Beziehung der letzteren zu der Kloaken- resp. Perithoracalhöhle von grossem Werthe ist. Der Kiemensack resp. die Kieme von Didemnum ist von der Riickenseite durch eine Höhle umgeben, welche einen Perithoracalraum darstellt und nach aussen durch die sog. Egestionsöffnung mündet. Die innere Wand der Perithoracal- höhle ist mit der Kiemenwand verwachsen und von den Kiemenspal- ten durchbohrt; die äussere Wand liegt an der Stelle der Egestions- öffnung der Haut an. Der Kiemensack hat an seiner Bauchseite die sog. Bauchfalten und liegt dieser Seite der Haut an; die Kloaken- höhle reicht nur bis zur Bauchseite des Kiemensackes und lässt die letztere unbedeckt. Man muss noch bemerken, dass die Entwick- lung der Kloakalhöhle in zweierlei Weise vor sich geht. Bei der embryonalen Entwicklung entsteht dieselbe in Form von zwei Ein-. stülpungen der äusseren Haut, welche sich später verbinden und zusammen eine einzige Höhle bilden. In den Knospen bildet sich diese Höhle in Form von zwei Aussackungen der primitiven Darm- höhle, welche zusammentreffen und gemeinschaftlich durch eine Oeff- nung nach aussen münden. Der Athemsack oder die Kieme der Ascidien ist der primitiven Darm- höhle vollkommen homolog, da sie bei den Embryonen aus der primiti- ven Einstülpung der Gastrula entsteht. Diese einfachsten Verhältnisse des Kiemensackes treffen wir bei den Appendicularien, bei denen bekanntlich die Kiemenhöhle keine Spalten besitzt und die primitive Form einer Schlundhöhle conservirt. Was man als zwei Kiemen- spalten der Appendicularien bezeichnet ist gewiss den Kiemenspalten anderer Ascidien nicht homolog, indem dieselben weder ihrer Lage, noch ihrer Entstehung nach denselben entsprechen. Die Kiemen- 598 W. Salensky spalten der Appendieularien bilden sich als zwei Einstülpungen der äusseren Haut und sind schon deshalb der Kloakalöffnung vollkom- men homolog. In der schönen Monographie über die Appendieula- rien sagt FoL!): »Ces fentes (fentes branchiales) se forment chez la larve par deux invaginations croissant de l’extérieur 4 la rencontre du pharynx«. Wir treffen bei demselben Forscher eine noch wich- tigere Angabe, welche zeigt, dass bei der Bildung der sog. Kie- menspalten der Appendicularien die beiden Bildungsweisen der Kloa- kenhöhle vorkommen. Fou sagt darüber Folgendes: »Le pharynx produit lui méme deux culs-de-sac; les invaginations se rencontrent chacune avee un des culs-de-sac, se soudent, la soudure se perce dans son centre, et l’anneau vibratile marque le point ou le perce- ment a eu lieu« (loc. cit. pag. 5). Es geht also hier bei der Bildung der sog. Kiemenspalten oder besser Kloakenöffnungen, die Einstül- pung so gut wie die Aussackung vor sich. In der Athemhöhle der Appendicularien kommen wie bei den übrigen Ascidien das Endostyl und die Bauchfalten vor. Das Vorkommen des Endostyl in der Athemhöhle der Tunicaten ist ein gutes und beständiges Merkmal, welches wir zur Entschei- dung der Frage ob eine Höhle als Athemhöhle zu gelten habe oder irgend einem anderen Gebilde homolog sei, benutzen können. Einen Fall, in welchem dieses Merkmal gute Dienste leisten kann, stellen uns die Salpen dar. Die Athemhöhle der Salpen zeichnet sich be- deutend von jener der Ascidien aus. Erstens unterscheidet sie sich von der letzteren dadurch, dass sie keineswegs durch den Peritho- ‚racalraum umgeben ist; es kommt kein Perithoracalraum resp. Kloa- kenhöhle bei Salpen zum Vorschein. In der Athemhöhle der Salpen befindet sich der sog. Kiemenbalken, welcher diagonal von unten nach oben die Athemhöhle durchzieht und obgleich er durch seinen Bau vom Athemsacke der Aseidien verschieden ist, stellt er doch ein dem letzteren in physiologischer Beziehung analoges Gebilde dar. Mor- phologisch sind aber die beiden Athmungsorgane: der Kiemenbalken der Salpen und der Athemsack der Ascidien verschieden, worüber man sehr leicht schon aus den anatomischen Verhältnissen des En- dostyls sich überzeugen kann. Das Endostyl der Salpen befindet sich nicht in dem Kiemenbalken, sondern in der Athemhöhle und deswegen kann man schliessen, dass die durch Ingestions- und Egestionsöffnungen mündende Athemhöhle der Salpen dem Athem- ') For, H. Etudes sur les Appendieulaires du détroit de Messine. pag. 5. Ueber die Knospung der Salpen. 599 sack der Ascidien entspricht. Es ward diese Differenz zwischen den Athmungsorganen der Ascidien und Salpen schon von früheren Beobachtern, und zwar aus rein anatomisch-physiologischen Gründen ‚hervorgehoben. HuxreyY'!) hat schon im Jahre 1851 gesagt, dass die ganze Athemhöhle der Salpen und nicht ausschliesslich der Kiemen- balken die Function der Athmung verrichtet. GEGENBAUR äussert sich später in demselben Sinne in seinen vortrefflichen »Grundzügen der vergleichenden Anatomie« (pag. 252). Ich kann aber nicht mit GEGENBAUR in Bezug auf die Deutung des Kiemenbalkens überein- stimmen. GEGENBAUR sagt, dass der Kiemenbalken der Salpen dem medianen, keine Athemspalten tragenden Theil der Ascidienkieme entspricht. Wenn man auf die embryologischen Thatsachen sich stützt, so erscheint der Kiemenbalken vielmehr als Neubildung und namentlich als Verdiekung der Rückenseite der Athemhöhle, derjeni- gen, welche bei Ascidien die Athemspalten trägt. Stellt man nun die Frage: kann man in beiden Formen der Athmungsorgane der Tunicaten eine primitive und eine secundäre unterscheiden? so kann man antworten, dass die beiden zwei ver- schiedene Anpassungsformen darstellen, welche von einer gemein- schaftlichen primitiven Grundform — der primitiven Darmhöhle ent- standen sind. Da bei den Salpen keine Kloakalhöhle auftritt, so stellt die Athemhöhle derselben in ihrem ausgebildeten Zustande ein mehr einfacheres Verhältniss dar, als die der Ascidien. Dennoch ist sie ebenfalls, wie die der Ascidien aus der primitiven, der Athem- höhle der Appendicularien ähnlichen Form entstanden und an ge- wisse Lebensverhältnisse angepasst. Die Kloakalhöhle der Aseidien stellt ebenfalls wie der Kiemenbalken der Salpen eine secundäre Erscheinung dar, was ganz gut dadurch erwiesen werden kann, dass beide Gebilde erst in späteren Entwicklungsstadien zum Vorschein treten und gewisse Complicationen der einfachsten sackförmigen Athemhöhle repräsentiren. Aus der Entwicklungsgeschichte der Flimmergruben erweist sich, dass bei Kettensalpen eime Verbindung der Nervenhöhle mit der Athemhöhle in derselben Weise vor sich geht, wie es von uns für die solitären Salpen gezeigt wurde. Diese unmittelbare Verbindung des Nervencentrums mit der Athemhöhle ist wahrscheinlich mehr verbreitet als ich geglaubt?). Ich habe damals ausser Acht gelassen, dass eine solche Entstehungsweise der Flimmergrube von KEFERSTEIN !) Philos. Trans. 1851. pag. 570. ?) Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XXVII Hft. 2. 600 W. Salensky und Euters!) für Doliolum bereits erwiesen war. Obgleich die- ses Verhältniss des Nervensystems zu der Athemhöhle bei den Asci- dien noch nieht unmittelbar constatirt ist, haben wir doch viele hier- auf bezügliche Andeutungen. Nach Fou?) verläuft die Flimmergrube der Appendieularien zum Nervenganglion. Die Verbindung des Ner- venganglions mit der Flimmergrube konnte jedoch For nicht nach- weisen. Nach den Angaben von Ganin?) soll die Flimmergrube bei Didemnuum aus dem vorderen Theile des Nervenrohres entstehen; nach ihm geht aber eine völlige Abtrennung der Flimmergrube von der Nervenanlage vor sich. Die Abbildungen, auf die er verweist, können keineswegs diese Abtrennung beweisen /s. seine Fig. 19—23 Taf. III). Auf Grund dieser Untersuchungen über Ascidien, wo die unmittelbare Verbindung der Nervenhöhle mit der Athemhöhle sehr wahrscheinlich und denjenigen, wo sie schon erwiesen ist (Salpen, Pyrosomen und Doliolum) , kann man annehmen, dass die Flimmer- grube bei allen Tunicaten durch Verwachsen der Nervenanlage mit der Athemhöhle entsteht, und dass sie überall eine unmittelbare Ver- bindung beider genannter Organe vermittelt. Bei den Ascidien geschieht die Verbindung der Athemhöhle mit der Nervenhöhle während ihrer Entwicklung zwei Mal (s. Kowa- LEVSKY, Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. IX). Das erste Mal tritt sie am hinteren Körpertheile bei der Ausbildung des Nervenrohres auf und kommt durch die Gastrulaöffnung zu Stande. Diese Verbindungs- art hat einen hohen morphologischen Werth, da sie auch bei vielen Wirbelthieren (Axolotl, Plagiostomen, Ganoiden, Amphioxus ete.) von KOWALEVSKY, BALFOUR, BOBRETZKY nachgewiesen wurde. Das zweite Mal tritt diese Verbindung im vorderen Theile der Athemhöhle auf. Diese letztere Verbindungsart stellt eine erworbene Eigenthüm- lichkeit der Tunicaten dar, indem dieselbe nur bei diesen Thieren vorkommt und zur Ausbildung der Flimmergrube führt. Die Entwicklung der Flimmergrube bei Salpen stellt ein sehr wichtiges Moment in der Embryologie dieser Thiere dar, indem es uns erlaubt den Character der embryonalen Entwicklung der Salpen im Vergleich mit dem der Ascidien näher zu bestimmen. Bei den Salpen kommt keine hintere Verbindung der Athemhöhle mit der Nervenhöhle vor, was dadurch bedingt ist, dass bei diesen Thieren kein Nervenrohr und keine Chorda sich ausbildet. Das ganze Ner- I) Zuologische Beiträge. pag. 62. Taf. X. 2) loc. cit. pag. 14. 3) loc. cit. pag. 419. Ueber die Knospung der Salpen. 601 vensystem der Salpen ist nur dem vorderen Theil des Nervensystems der Ascidien homolog. Die Ausbildung des ganzen hinteren Theiles, welche bei den Ascidien in der ersten Zeit der Entwicklung vor sich geht, ist bei den Salpen übersprungen. Infolge dessen sind auch die ersten Entwicklungserscheinungen der Salpen im Vergleich mit denen der Ascidien bedeutend verschieden und zwar erweist sich dieser Unterschied in der Abwesenheit einiger frühesten morphologi- schen Processe. Auf Grund dieser Thatsachen können wir die Entwicklung der Salpen als eine Verkürzung der Ent- wicklung der Ascidien betrachten. Kasan, 9/21. December 1876. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVIII-XXX. Km = Keimstock. N = Nervenrohr. H = Haut (Ectoderm). N' = Nervenanlage. En = Entoderm. Dr = Bluträume. Ms = Mesoderm. Bl = Blutkörperchen. Ah = Athemhöhle. Bf = Bauchfalte. Ar = Athemrohr. Sr = Stammrohr. P = Pericardium. Fg = Flimmergrube. Pr = Pericardialrohr. M = Muskeln. Hz = Herz. Kh = Knospungshöhle. K = Kieme. ED — Darm: El = Elaeoblast. Lh = Leibeshöhle. C = Celluloseschicht. Cl = Kloake. Fig. 1. Querschnitt eines 15 Mm. langen Embryo von Salpa africana. Fig. 2. Querschnitt durch einen eben so grossen Embryo von Salpa africana, an welchem die Verbindung des Pericardialrohres mit dem Pericardium deutlicher als auf der vorangehenden Figur ist. Fig. 3u.4. Zwei aufeinanderfolgende Querschnitte des oberen Theiles des Keim- stocks von Salpa africana. Fig. 5u.6. Zwei Querschnitte aus dem oberen Theile des Keimstocks derse!- ben Salpenspecies zur Zeit der Differenzirung des Mesoderm und En- toderm. Fig. 7—25 gehören zu der Entwicklung der Salpa democratica-mucronata. Fig. 7. Querschnitt durch den embryonalen Keimstock. W. Salensky, Ueber die Knospung der Salpen. 8. Ein junger Keimstock von Salpa mucronata, in welchem die Salpen noch nicht ausgebildet sind. 9, 10 u. 11. Drei aufeinanderfolgende Querschnitte vom oberen Theil des Keimstocks (Salpa mucron.). .12. Querschnitt aus dem Theil eines Keimstocks, in welchem die Theilung der neuralen Seite in zwei Anlagen begonnen ist. ‚13. Querschnitt des Keimstocks an der Stelle, in welcher die Theilung der neuralen Seite bereits vollendet und das Entoderm in die Eierstocks- anlage und in die Athemhöhle differenzirt ist. 14. Die Theilung der haemalen Seite in zwei Salpenanlagen. 15—20. Verschiedene Stadien der Differenzirung der beiden Individuen eines Kettengliedes. ‚21. Vorderes Ende einer ziemlich weit entwickelten Knospe um die Bil- dung der Flimmergrube zu zeigen. .22. Hinteres Ende desselben Embryo, um den Elaeoblast zu zeigen. .23—25. Drei Querschnitte einer Knospe; Fig. 23 stellt den Querschnitt durch den vorderen, Fig. 24 durch den mittleren und Fig. 25 durch den hinteren Theil dar. .26—28. Drei Querschnitte aus dem oberen Theil des Keimstocks von Salpa pinnata. rs Taf XXVUI. Lith Anst.v. 1G Bach, Leipzig. a Morphol. Jahrbuch. Bd. M. Taf, XXIX. geb, fs eDo0! Salensky gez “ fith Anety.J.G. Bach, Leipzig ip oem ~ bE 5 Os) Pu ERSTATTET R er K Oe — yw. Die letzten spinalen Nerven und Ganglien, Von A. Rauber, ao. Professor in Leipzig. Mit Tafel XXXI. Der physiologische Werth des terminalen Abschnittes des Riicken- marks der Wirbelthiere ist fast gleich 0 zu setzen. Er ist bei der Vertheilung der Functionen über den Körper offenbar zu kurz weg- gekommen. Man kennt nicht einmal eine Sensibilität an ihm. Letz- tere ist zwar, in so weit es sich aus bestimmtem anatomischen That- sachen erschliessen lässt, ohne jeden Zweifel vorhanden und würde mittelst Durchschneidungen oder unblutigen Reizungen an geeigneten Thieren leicht nachzuweisen sein. Derselbe Abschnitt des Rückenmarks ist jedoch nicht ohne morphologischen Werth. Letzterer hängt zusammen mit der entwicklungsgeschichtlichen Stellung des hinteren Rumpftheiles im ‚Allgemeinen, des Hinterendes des Medullarrohrs im Besondern. Vordertheil und Hintertheil des Medullarrohrs nämlich sind ur- sprünglich bis auf einen gewissen Grad einander morphologisch gleichwerthig. Sie stehen, wie sich klar herausgestellt hat, in dem Verhältniss einer inelompleten Homotypie zu einander, indem sie sich aus Theilen der entgegengesetzten Schlussbogen der Embryonalanlage herausbilden. Das Hinterende des Rückenmarks soll ausserdem, einer von KowALEwSKY begründeten Anschauung zufolge, dem Gehirn zunächst der Anneliden morphologisch entsprechen. Wer immer dieses Forschers hierauf bezügliche Abhandlung gelesen hat, erinnerte sich vielleicht, zunächst gleichviel ob in zustimmender oder verneinender Morpholog. Jahrbuch. 3. 39 604 A. Rauber Richtung, einiger Besonderheiten des terminalen Rückenmarks, welche bei mehreren Wirbelthieren beschrieben worden sind. So z. B. der caudalen Anschwellung des Rückenmarks einiger Knochen- fische, welche durch E. H. WEBER und STILLING genauer bekannt geworden ist und gleichsam den Eindruck einer Art Caudal-Hirn machen könnte; der letztere bezieht wenigstens die bewusste plötz- liche Anschwellung auf eine beträchtliche Zunahme gallertartiger, grauer Substanz mit daraus entspringenden Nervenwurzeln. Auch an dem menschlichen Rückenmark wurden in der Gegend des Ueber- ganges des Conus medullaris in das Filum terminale von mehreren Anatomen (HUBER, HALLER, SOEMMERING und Anderen) Erhabenhei- ten beobachtet, welche durch seichte Einschnürungen von einander getrennt sind. Hierzu kommt, dass in neuerer Zeit von W. KRAUSE ein echter Ventrikel im terminalen Rückenmark nachgewiesen und ausserdem selbst eigenthümliche Längsfaltungen der Gesammt- wand des menschlichen Medullarrohrs in demselben Abschnitt auf- gefunden worden sind, welche in mehrerer Beziehung an die Falten- bildungen des Vorderendes, des Gehirns, erinnern. Mehr als dieser Andeutungen scheint es gar nicht zu bedürfen, um unsere Aufmerksamkeit auf das terminale Mark zu erregen und erneute Beobachtungen wünschenswerth zu machen. Aber auch in anderer Beziehung sind unsere bezüglichen Kenntnisse noch unvoll- ständig. So ist die Endigungsweise der vorderen und hinteren grauen Säulen nicht genügend beobachtet. Es wäre denkbar, dass hier, wie es am entgegengesetzten Ende der Fall ist, die graue Substanz in Form eines Schlussbogens endigte, in welchem die sensible Zone die motorische umfasste. Die Frage des untersten Spinalnerven- paars des Menschen, des Nervus coceygeus, tritt hiermit in ein an- deres Licht, um so mehr, als von SCHLEMM Vermehrungserscheinun- gen der Nerven hierselbst vor längerer Zeit beobachtet wurden. Sollte in der That an diesem, dem Anschein nach so sterilen Ort noch etwas verborgen liegen, was dem Scharfblick so vieler Forscher entgangen ist? Nicht gänzlich nnbefriedigt hoffe ich we- nigstens den geneigten Leser die folgenden Blätter enden lassen zu können, wiewohl ich selbst dem Gehirn der Gliederthiere nicht das hintere Rückenmarksende der Wirbelthiere, sondern deren Ge- hirn für homolog erachte und demzufolge etwaige Riickbleibsel cerebraler Art am terminalen Rückenmark der Wirbelthiere nicht annehme. Nach dem angegebenen Plane vorzugehen beabsichtigend ward Neurologische Beobachtungen. 605 ich bald gewahr, dass zur Erreichung eines vollständigen Abschlusses des zu Erledigenden ausgedehntere Arbeiten zu unternehmen wären, als ich für den Augenblick dem Gegenstand widmen mochte. Meine bisherigen, im Folgenden auseinanderzusetzenden Beobachtungen be- ziehen sich 1) auf die Nerven des Filum terminale des Menschen und eini- ger Säugethiere, 2) auf die an diesen Nerven befindlichen Ganglien, 3) auf die caudale Anschwellung des Fischmarkes. Der Darstellung dieser drei Puncte geht eine historische Ausein- andersetzung voraus. Historisches. Es verdient eine grössere Reihe bemerkenswerther Angaben aus älterer und neuerer Zeit unsere eingehendere Berücksichtigung. Das Filum terminale ward in früherer Zeit bekanntlich Nervus impar genannt. Im Gegensatz zu dieser Bezeichnung sagt HALLER") ausdrücklich von demselben »nihil habet nervei« und bemerkt, er sei blos eine aus der Gefässhaut des Markes gebildete Scheide, welche eine Arterie und eine Vene zum unteren Ende des Steissbeins be- gleite. GALL2) pflichtet dem Ausspruch von CHAUSSIER und CUVIER bei, dass das Rückenmark in einen sehnigen Faden auslaufe, durch welehen es an das Ende des Rückgrateanals befestigt werde. BurpacH®) zeigt einerseits, dass schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts die bis dahin geltende Meinung, der Endfaden sei ein Nerv, bestritten worden ist; andererseits glaubt er darauf aufmerksam machen zu müssen, dass die Pia mater nichts Selbstständiges, son- dern um des Rückenmarks willen da sei, dass sie also auch ohne Rückenmark gar nicht vorhanden sein könne. Er bemerkt ferner, es widerstreite aller Analogie, dass die Arteria spinalis, die Haupt- arterie eines wichtigen Organs, an ganz fremden Gebilden sich, ver- zweigen solle. In Betreff des oberen Theils des Endfadens schliesst er sich darum der schon von GALEN geäusserten Meinung an, dieser 1) HALLER, Elementa physiologiae. T. IV. pag. 254. 2) GALL et SPURZHEIM, Anatomie et physiologie du systeme nerveux. Paris 1810. Tome I, pag. 56. 3) BuRpAcH, Vom Bau und Leben des Gehirns. Leipzig 1819. Bd. I. pag. 266. 39 * 606 A. Rauber Faden sei als Rückenmark selbst oder als Riickenmarksnerv zu be- trachten. Den unteren Theil des Fadens erklärt BurnAacH dage- gen als Schwanznerven , in welchen der obere Theil sich fort- setze. Hi Die Annahme einer nervösen Natur des Endfadens fand indess zunächst keine Anerkennung. So ist nach E. H. WEBER, C. KrAUSE, ArnoLp und Anderen das Filum nichts Anderes, als eine Fortsetzung der Pia mater und enthält keine Nervensubstanz, indem das Steiss- nervenpaar ihm nur anhängt. Dagegen bezeichnete es REmAK!) als einen Irrthum der meisten Anatomen, indem sie den Endfaden nur aus Bindegewebe und Ge- fässen bestehen liessen. Er nennnt den Faden einen zarten Canal, behauptet, er bestehe aus gelatinöser Substanz, welche im unteren Ende des Markes ebenso wie im oberen so sehr an Ausdehnung ge- winne, dass die spongiöse Substanz ganz verschwindet und nur ge- latinöse übrig bleibt. Beim Schwein und Schaf, bei welchen Thie- ren er den Endfaden weiter verfolgte, soll dieser gelatinöse Fort- satz des Markes, nachdem er bis zu den bogenlosen Wirbelkörpern gelangt ist, jenseits der Körper derselben zwischen den Muskeln und Sehnen des Schwanzes sich zu verzweigen beginnen, ohne dass es ihm übrigens gelang, das äusserste Ende des Fadens zu erreichen; wiewohl er ihn bis auf einen Zoll von der Schwanzspitze verfolgt hatte. REMAK vermuthet, dass bei Säugethieren die wirklichen Nervenfasern des Filum alle in seitliche Aeste übergehen. In den Kernen der Zellen des Filum findet er bis auf drei und mehr Nucleoli; ausserdem eigenthümliche, durchsichtige, kernlose Körperchen. Letztere wurden später von KÖLLIKER?) als Corpora amylacea nachgewiesen. Nach diesem Forscher enthält der Endfaden so weit er noch hohl ist, eine graue, weiche Masse, die vorzüglich aus run- den, grossen, kernhaltigen blassen Zellen besteht. Ausserdem finden sich im oberen Theil desselben zwischen den Zellen noch wirk- liche dunkelrandige Nervenröhren von verschiedenen, meist ge- ringen Durchmessern; ferner feine blasse Fasern, die vielleicht feinste Nervenfasern oder Fortsätze von Zellen sind. Die Untersuchungen von BiDDER und KUPFFER?°) erstrecken sich auf das Mark aller Wirbelthierklassen. Bei Fischen verschmälert 1) REMAK, Observationes microscopicae. Berol. 1838. pag. 14. 2) KÖLLIKER, Mikroskopische Anatomie. Bd. II. 1. Hälfte. pag. 423. 3) BIDDER und Kuprrer, Untersuchungen über die Textur des Riicken- marks. Leipzig 1857. pag. 69. 7; = EN Neurologische Beobachtungen. 607 sich das Rückenmark beträchtlich und reicht bis an das äusserste Ende des Wirbelcanals, während es bis hierher mit unveränderter Regelmässigkeit seine Nervenwurzeln zu den nächsten Zwischen- wirbellöchern entsendete. Eine cauda equina und ein Filum termi- nale ist nicht zu finden. Bei Fröschen dagegen, bei Vögeln und Säugethieren sind die wesentlichen anatomischen und histologischen Verhältnisse dieselben. Kein einziges wesentlich nerviges Element ist im Endfaden anzutreffen. Was man hier für Nervenfasern und Nervenzellen gehalten hat, sind nur Streifen und Fasern der inter- cellulären Bindegewebsmasse oder Ausläufer der Zellen, welche die wesentliche Grundlage des sich entwickelnden Bindegewebes abge- geben haben. LuscHkA!) wiederum unterscheidet beim Menschen ein Filum terminale externum und internum. Jenes liegt frei in der Scheide der Dura mater und ist beim erwachsenen Menschen durchschnittlich 16 Cm. lang. In seinem ersten Drittel enthält es noch einen mehr oder minder deutlichen, von Flimmerepithel ausgekleideten Central- canal, an welchen sich eine Schicht in eine Molecularmasse einge- streuter, runder, blasser, kernhaltiger Zellen schliesst. Ausserdem finden sich Nervenröhren, die sich in wechselnder Zahl durch die andern zwei Drittel nach abwärts erstrecken und hier zum Theil in Zellstoffbündeln liegen, die nach Einwirkung von Essigsäure ring- und spiralförmig von elastischen Fasern umwickelt erscheinen. Der zweite Abschnitt, das Filum terminale externum ist 8 Cm. lang, stellt die fadenartige Verlängerung der Rückenmarksscheide dar und erstreckt sich vom Körper des zweiten Kreuzwirbels bis herab zum Körper des zweiten Steissbeinstückes. An der Dorsalseite dieses Knochens findet unter spatelartiger Verbreiterung oder unter Zerfal- len in mehrere feine Fäserchen der Uebergang in das periostale Gewebe statt. Ohne Ausnahme lassen sich hier nach Behandlung mit Essigsäure einzelne, 3—4 leicht varicés werdende Nerven wahr- nehmen, welche sich in der Knochenhaut an der Rückenseite des Steissbeins verlieren. Eine Reihe bemerkenswerther Angaben machte STILLING?), sei es bezüglich der Beschaffenheit des hinteren Markendes bei Thieren, oder der Verhältnisse des Nervus coccygeus des Menschen: 1) LUSCHKA, Hirnanhang und Steissdrüse. Berlin 1860. pag. $1. 2) STILLING, Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks. Kas- sel 1859. pag. 1105. 608 A. Rauber Letzterer Nerv entspringt mit seiner hinteren Wurzel am unte- ren Ende des Markkegels mit mehreren kleinen Fibrillen, die sich gleich nach dem Austritt aus dem Rückenmark zu einem Stämmehen vereinigen. Selten sieht man ein diekeres und ein dünneres Stämm- chen in längerer Strecke von einander deutlich getrennt. Die Aus- trittsstelle befindet sich 7—8 Mm. oberhalb des Endes des Conus medullaris, welcher hier 4 Mm. dick ist. Unterhalb der Austritts- stelle sind noch alle Elemente des Marks, weisse und graue Sub- stanz, vorhanden. Die hintere Wurzel ist !/, Mm. stark und etwa dreimal dicker als die vordere. Jene Wurzel ist mit dem Filum terminale während ihres Verlaufes in dem Sacke der Dura mater durch die Arachnoidea und subarachnoidales Zellgewebe verbunden, doch nie so enge, wie die vordere Wurzel, und lässt sich leicht vom Filum trennen. Die vordere Wurzel entspringt mit mehreren, meist zwei Bün- deln aus der vorderen Fläche des unteren Endes des Markkegels, das oberste Wurzelbündelchen fast in gleicher Höhe mit der hinteren Wurzel, das unterste Wurzelbündel 3—4 Mm. tiefer, aber immer noch 3—4 Mm. oberhalb des unteren Endes des Markkegels, der dort noch 2!,—3 Mm. dick ist. Die beiden vorderen Wurzelbündel je einer Seite vereinigen sich entweder zu einem einzigen Stämmchen oder verlaufen getrennt bis zur Durchbohrungsstelle der Dura mater. Häufig verläuft auch diese, wie die sensible Wurzel, gesondert vom Filum abwärts. Nicht selten geht nur die vordere Wurzel der einen Seite dicht neben dem Filum herab, während die der andern Seite sich dicht an die gleichseitige hintere Wurzel anlegt. Vordere und hintere Wurzel treten jederseits dieht neben dem Filum durch den Sack der Dura mater hindurch. Nicht allein im Endtheil des Conus, sondern auch noch in der oberen Hälfte des Filum ist weisse Substanz enthalten. Selbst ge- nuine Nervenzellen kommen in der oberen Hälfte des Filum vor, doch vereinzelt und von sehr kleinen Formen. Dass einzelne Ner- venfasern bis zum untersten Ende des Filum verlaufen, ist STILLIN& deshalb wahrscheinlich, weil eine auffallend grosse Arterie nebst einigen kleineren Blutgefässen nicht füglich ohne Nervenfasern ge- dacht werden kann. Unterhalb der Mitte besteht das Filum ausser jenen Gefässen noch aus dem Gewebe der Pia mater. Bei den Säugethieren erstrecken sich nach STILLING die nervö- sen Elemente des Markes bis tief in die Schwanzwirbel hinein; beim Rind und Pferd konnte das Filum bis zum siebenten Schwanz- Neurologische Beobachtungen. 609 wirbel verfolgt werden. Bei den Vögeln begibt sich das Mark bis in den letzten Schwanzwirbel. Bei der Taube ist es hier 1/, Mm. dick, mehr gallertig als weiss, ähnlich dem Filum der Frö- sche, und können in beiden Endfäden Nervenfasern nachgewiesen werden. Am auffallendsten sind seine Angaben über das Fischmark. Bei Petromyzon gelang es, das Mark bis 1'/, Mm. vom Rande der Schwanzflosse zu bemerken, wo es zugespitzt endigt. Nahe über dem Ende ist es 1/, —!/, Mm. breit. Aehnlich verhält es sich mit dem hinteren Theil des Rückenmarkes von Raja torpedo. Bei der Barbe findet sich nicht allein kein Filum terminale sondern das Mark endet in eine kugelförmige Anschwellung, welche sich in dem letzten Schwanzwirbel. befindet. Sie ist bei einem 1'/, Fuss langen Thier fast 2 Mm. dick. Bei der Loupen-Untersuchung sieht man, dass die hintere Längsspalte des Markes an jener Stelle in der Länge von 4—6 Mm. auseinanderweicht und von einer gal- lertartigen Substanz ausgefüllt wird, wie der Sinus rhomboidalis des Vogelmarkes, d. h. die weissen Stränge weichen auseinander und zwischen ihnen ist die gallertige Substanz eingelagert. Diese Substanz besteht aus äussert feinen Fasern und kleinen Zellen. Von der Anschwellung gehen sicherlich eine grosse Anzahl von feinen Nervenfasern in die Schwanzflosse und zu deren Muskeln. Das Mark des Hechtes verdünnt sich, je näher dem Schwanze, allmiilig mehr. Im letzten Schwanzwirbel schwillt es wieder auffal- lend an, spindelförmig, wird 1 Mm. dick bei einem 1'/, Fuss langen Thiere; die Anschwellung ist 10 Mm. lang und läuft nach rück- wärts und aufwärts in einen Endfaden aus. Frühere Angaben über diesen Knoten des Fischmarkes finden sich insbesondere von E. H. WEBER), welcher den des Karpfens beschreibt und richtig abbildet. Er kennt auch jenen der Aalraupe und des Welses, ohne sich über seine Bedeutung auszusprechen. Späterhin hat QuaTREFAGES?) bei Amphioxus lanceolatus eine am hinteren Markende gelegene ampullenartige Erweiterung des Cen- traleanals beschrieben, welche das 0,05 messende Filum um das Vier- fache an Dicke iibertreffe. Sie fehlt indessen an 2 Thieren von 3 Cm. Länge, wie ich finde. 1!) E. H. WEBER, Knoten und unpaarer Faden, mit dem sich das Rücken- mark einiger Fische endet, namentlich bei Cyprinus carpio. MEcker's Archiv 1827. 2) QUATREFAGES, Annales des sc. nat. 3. Série Zool. T. IV. 1545. 610 A. Rauber “ Aus den Beobachtungen von W. Krause!) über den terminalen Ventrikel des Riickenmarks ist an dieser Stelle zu bemerken, dass bei den Säugethieren in der Höhe des Ventrikels die weissen Stränge eontinuirlich untereinander verschmolzen gesehen wurden. Die grauen Hörner existirten noch und die vorderen enthielten deutliche multipolare Nervenzellen von 0,014 Mm. Dicke. Die von Früheren bemerkten Ansch wellungen des menschlichen Conus medullaris sind auf die Verhältnisse des V. terminalis zurückzuführen. Ich schliesse diese historische Darstellung mit der Erwähnung eines von SCHLEMM?) geschilderten Falles der Vermehrung der Zahl der Rückenmarksnerven des Menschen von 31 auf 32 Paare. Die Vermehrung betraf das untere Markende, in dem ausser den fünf Kreuznerven noch jederseits zwei Steissbeinnerven vorlagen. Der Nervus coceygeus secundus dexter entsprang mit einer hinteren und vorderen Wurzel, ging dicht am Filum herab und bildete ein Ganglion von !/, Mm. Länge zwischen dem Ausgang des dritten und vierten Lendennerven aus der harten Hirnhaut. Der Nerv tritt zwischen dem Filum und dem ersten Steissnerven durch eine besondere Oeff- nung nach aussen. Auf der linken Seite entspringt der Nerv gleich- falls mit zwei Wurzeln und bildet sein 1!/, Mm. langes Ganglion gegenüber der Durchtrittsstelle des zweiten Sacralnerven. Jenseits des Ganglion, an welches die vordere Wurzel sich dicht anlegt, spal- tet sich der Nerv in drei Fäden, von welchen zwei sich an den Coceygeus primus derselben Seite anlegen und bei ihm verbleiben, während der dritte als Coceygeus secundus dicht neben dem Filum herabzieht. Das Ganglion des ersten Steissnerven liegt linkerseits dem des zweiten gerade gegenüber, rechterseits etwas tiefer. Neue Beobachtungen. a) Nerven und Ganglien des Filum terminale. Wenn man auch nach dem Vorausgehenden kaum wird im Zwei- fel sein können, dass in der That Nervenfasern innerhalb des Filum terminale in den verschiedenen Höhen seines Verlaufes vorkommen, so 1) W. Krause, Der Ventriculus terminalis des Riickenmarks. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XI. H. 2. 1875. 2) SCHLEMM, Anatomische Beobachtungen über die Anzahl der Steissbein- nerven. MÜLLER’s Archiv. 1834. pag. 91. — Observationes neurologicae. pag. 5. Neurologische Beobachtungen. 611 weichen doch selbst die bejahenden Angaben beträchtlich von ein- ander ab und es tritt eine grosse Unbestimmtheit und Unsicherheit zu Tage nicht allein bezüglich der Zahl, der Beschaffenheit und La- gerung der fraglichen Nervenfasern innerhalb des Endfadens, sondern auch hinsichtlich der Beurtheilung der Bedeutung dieser Nerven- fasern. In Bezug auf letzteren Punet schwanken die Meinungen wesentlich darüber, ob wir es dabei mit Gefässnerven oder Periost- nerven zu thun haben; schlimmer noch als mit der systematischen Stellung sieht es aber mit der einfachen Topographie jener Ner- ven aus. Nach beiden Richtungen hin macht sich zunächst der Mangel der Verwendung geeigneter Querschnitte aus versehiedenen Höhen des Filum bemerklich. Durch diese erhält man sofort eine bestimmte Kenntniss sowohl über die Zahl, Anordnung und Lage der zu suchen- den Nerven, als auch über einige histologische Verhältnisse, welche an Zerzupfungspräparaten von Längsstücken schwieriger zu se- hen sind. Zu diesem Zweck wurde das untere Drittel von Rückenmarken sammt seinen Hüllen in flache, mit verdünnter Chromsäure gefüllte Gefässe eingelegt, die fibröse Markhaut der Länge nach aufge- schlitzt, das Mark blossgelegt und bei passender Befestigung ge- härtet. Für die Untersuchung ist der jenseits des Sackes der fibrösen Hülle gelegene Theil des Filum, das von LuscHhkA sogenannte Fi- lum externum, mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt worden: es lohnt sich die hierauf verwendete Sorgfalt durch den Gewinn der belehrendsten Schnitte. Während nämlich in weiter oberhalb gele- genen Strecken nicht selten kleinere oder grössere Ungleichheiten der Nervenvertheilung auf den symmetrischen Hälften wahrzunehmen sind, treten die zu einander gehörigen Nervenbündel in der nächsten Umgebung der Durchtrittsstelle in schönste Ordnung zusammen. Zur Behandlung des Filum internum ergab sich ausserdem als das Zweckmässigste, gleich anfangs innerhalb der zur Härtung an- zuwendenden Flüssigkeit alle Sacralnerven zu entfernen, den Ner- vus coceygeus selbst jedoch bei dem Filum zu belassen, wenn er mit demselben irgend enger verbunden war. Loupen-Untersuchung des frischen Organs ist selbstverständlich nicht auszuschliessen, sondern dient im Gegentheil sehr wohl zur ersten Orientirung der Verhältnisse des ersten Steissnervenpaares und sei- ner Beziehungen zum Filum. Man bemerkt bei dieser Betrachtungs- 612 A. Rauber weise im günstigen Fall schon von vornherein, dass unterhalb der Ausstrittsstellen der Wurzelbündel des Coceygeus I noch andere feine Bündel zum Vorschein gelangen, welche am unteren Ende des Conus medullaris und am Filum allerdings dichter anliegen als die vorher- gehenden und ohne weitere Prüfung möglicherweise auch mit binde- gewebigen Filamenten verwechselt werden könnten, welche letz- tere selbst gleichzeitig vorhanden sein können. Um sich aber zu vergewissern, ob solche Nerfenfädchen nicht etwa dem ersten Steissnervenpaar angehören, ist es nothwendig, letzteres bis zu sei- ner Durchtrittsstelle durch den Sack der Dura zu verfolgen. Zunächst handelt es sich also um die Beschreibung einer Reihe von Querschnitten, welche aus dem Endfaden des Markes gewonnen worden sind. Erster Fall. Mark des Menschen. Das Steissbeinnervenpaar war völlig getrennt vom Filum terminale und ist vor der Härtung entfernt worden. 1) Schnitt durch das Filum, 1 Cm. unterhalb der Spitze des Conus medullaris (Fig. 1). Der Centraleanal hat die Form eines gleichschenkligen Drei- ecks mit hinterer Basis, vorderer, stark ausgezogener Spitze. Um das Epithel des Centraleanals befindet sich noch eine dünne, zu- sammenhängende Zone gefässreicher schwammiger Substanz mit häu- figen, rundlichen kleinen Zellen. An sie schliesst sich nach aussen eine rückwärts schmälere, seitlich und vorn etwas breitere Schicht weisser Substanz, mit echten markhaltigen Nervenfasern, eine Fort- setzung, vielmehr der Beginn der Markstränge. Auf beide Substan- zen gehe ich hier nicht genauer ein. Diese Bildungen liegen eingeschlossen in einem Gürtel dichten fibrillären Bindegewebes, welches zum grössten Theil in Längsbün- deln geordnet und demgemäss sich quer durchschnitten zeigt. An seine vordere Begrenzungslinie ist die vordere Spinalarterie als klei- neres und die entsprechende Vene als sehr weites Gefäss locker an- geheftet. Durchschnitte kleinerer Gefässe liegen an verschiedenen anderen Stellen innerhalb jenes Bindegewebes. Innerhalb des letzteren, in der Nähe seiner seitlichen Peripherie und mehr nach den hinteren Theilen des Filum gerückt sind aber ausserdem einerseits die Querschnitte einiger verschieden grosser Bündel markhaltiger Nervenfasern wahrzunehmen (Fig. 1 »), welche, Neurologische Beobachtungen. 613 es sind diejenigen einer Seite, stärker vergrössert in Fig. 2 wieder- gegeben sind. Die entsprechenden Bündel der andern Seite liegen nicht innerhalb des Filum, sondern sind dicht an dasselbe angehef- tet, so dass sie an der Begrenzungslinie desselben nach aussen vor- springen. Ausser diesen in Bündeln liegenden markhaltigen Nervenfasern, deren jederseits gegen 70 gezählt werden können, von verschiede- nem, in der Abbildung deutlich zu Tage tretendem Durchmesser, finden sich an verschiedenen Stellen der Bindesubstanz noch einzelne zerstreut liegende derselben Beschaffenheit. 2) Schnitt durch dasselbe Filum, 2 Cm. unterhalb der Spitze des Conus. Ein Theil dieses Schnittes ist in Fig. 3 abgebildet. Der Centralcanal hat dieselbe Form. Spuren grauer und weis- ser Substanz noch immer vorhanden. Die umschliessende Binde- gewebsmasse hat denselben Umfang. In dem grösseren der links- seitigen Nervenbündel war ich nicht wenig überrascht, zwei der schönsten Nervenzellen zu sehen, welche an Grösse und Beschaffen- heit genau mit den Zellen der Spinalganglien übereinstimmen (Fig. 3 g). Da nur von Strecke zu Strecke Querabschnitte gewonnen worden waren und nur wenige Schnitte aus derselben Höhe übrig blieben, kann ich nicht angeben, ob in derselben Gegend noch mehr Nerven- zellen vorhanden gewesen sind. Es ist aber zu vermuthen, da ich im folgenden Falle, auf dieselbe Stelle achtend, mehr solche aufge- funden habe. 3) Sehnitt durch dasselbe Filum, aus der Mitte seiner Länge (Fig. 4). Aeusserlich zeigte hierselbst das Filum eine nicht unbeträcht- liche, spindelförmige, dem Anschein nach von einem weiten, blutge- füllten Gefässe herrührende, 1!/; Cm. lange Anschwellung; dies be- stätigte die genauere Untersuchung. Von einem Centralcanal ist keine Spur mehr vorhanden. Die Substanz des Filum zeigt das blut- gefüllte Lumen der erweiterten, schon oben bemerkten Terminalvene. Der Querschnitt der Arterie und einiger kleinerer Gefässe ist in der Figur zu bemerken. Hier und da zerstreute Fettzellen machen sich bemerk- lich; ausserdem mehrere, theils kleinere, theils grössere Nervenbündel. Die grösseren derselben finden sich nur auf der einen Seite; es ist zu schliessen, dass die entsprechenden der andern Seite sehr locker an- geheftet gewesen und von dem Schnitte alsdann abgefallen sind; an den erhaltenen können zusammen gegen 48 Nervenfasern gezählt werden. Die kleineren Stämmehen enthalten zusammen gegen 28. 614 A. Rauber 4) Schnitt durch dasselbe Filum, kurz vor seinem Austritt aus dem Sack der Dura (Fig. 5). Die im vorhergehenden Schnitt sehr vergrösserte Vene zeigt ein sehr reducirtes Lumen. Im Uebrigen ist die wesentliche Anordnung dieselbe geblieben. Es fehlt noch immer das stärkere Nervenbün- del auf der einen Seite, wohl aus derselben Ursache wie zuvor. Dass man nicht die im Innern des Filum gelegenen feinen Bün- del als aus der Zerstreuung des seitlichen Convolutes hervorgegangen betrachten könne, zeigt die Untersuchung des Filum externum. 5) Sehnitt durch dasselbe Filum, unmittelbar nach seinem Durch- tritt (Fig. 6). Die Querschnitte der Arterie und Vene sind deutlich wahrnehm- bar innerhalb eines von Fettzellen etwas stärker durchsetzten, dich- ten Bindegewebes. Zu beiden Seiten, noch innerhalb der Binde- gewebsinasse zeigen sich einerseits ein grösseres, andererseits zwei kleinere Nervenbündel. Weiter im Innern sind noch sechs kleine quergetroffene Stämmehen zu bemerken, die zum Theil nahe bei- sammen liegen. Beiderseits können gegen 78 und 60, in den inneren Theilen gegen 32 Nervenfasern gezählt werden. Zweiter Fall. Mark des Menschen. Der Nervus eoceygeus ist jederseits entfernt. 1) Schnitte durch den oberen Theil des Filum, etwa 2 Cm. un- terhalb der Spitze des Markkegels (Fig. 7, 8 u. 9). Form des Centraleanals und nächste Umgebung entspricht dem vorgehenden Filum in gleicher Höhe. Selbst was die Nerven be- trifft, herrscht grosse Aehnlichkeit, indem die Zahl der Fasern, die Lage der Bündel nahezu dieselben Verhältnisse zeigen. Auch in diesem Falle liegt nur auf einer Seite das betreffende Nervenbündel innerhalb der Substanz des Filum, während dasjenige der andern Seite durch Bindegewebe angeheftet ist. Fig. 7 zeigt bei stärkerer Vergrösserung den querdurchschnittenen Nerven der einen Seite mit 2 Spinalganglienzellen; Fig. 8 einen folgenden Schnitt bei schwächerer Vergrösserung. Es zeigen sich hier 6 Ganglienzellen, deren Gegenwart den Umfang des Nervenquerschnitts beträchtlich vergrössert. Ueber diese Zahl von Zellen geht es in einem Querschnitt nicht hinaus, sondern es folgen solche mit 5, 4, 3, 2 und schliesslich einer einzigen Zelle, welche an der Seitenwand des Nervenstämmchens anliegt (Fig. 9). Neurologische Beobachtungen. 615 Alle diese Ganglienzellen besitzen einen grossen bläschenförmi- gen Kern mit einem bis zu drei Nueleolen. Das Protoplasma der Zellen ist fein granulirt. Ausläufer sind keine wahrzunehmen. Jede Zelle wird von einer kernhaltigen Scheide umhiillt. 2) Schnitt durch dasselbe Filum, 5 Cm. unterhalb der Spitze des Markkegels (Fig. 10 u. 11). Der Centralcanal ist auf einen querliegenden Spalt reducirt, der von einem einfachen Epithelkranz eylindrischer Zellen umgeben wird. Ein Lumen ist streng genommen nicht zu sehen, vielmehr liegen vordere und hintere Epithelwand dicht aneinander. Seine Lage ist ganz hinten, nur wenig Bindegewebe grenzt ihn nach rück- wärts ab. Einige Schnitte weiter nach abwärts ist vom Centraleanal und seinem Epithel nichts mehr zu sehen. Wir befinden uns also am hintersten Ende des Rückenmarks und es ergibt sich, dass das- selbe als ein dorsoventralwärts comprimirter Epithelkranz endigt, ein Verhältniss, welches in derselben Weise bei dem Frosch und den Knochenfischen sich vorfindet. Abgesehen von dieser Abplattung ist demnach das hintere Markende dem embryonalen Markrohr am ähnlichsten geblieben (Fig. 10). Ausserdem bemerkt man an diesem Schnitte die quergetroffenen grösseren Gefässe, insbesondere aber jederseits im Inneren der Sub- stanz des Filum, nahe seiner Peripherie, ein stärkeres Nervenstiimm- chen, weiter im Innern einzelne kleine Bündel. In Fig. 11 ist ein Bündel bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet und lassen sich etwa 56 Nervenfasern jederseits zählen. 3) Schnitt durch dasselbe Filum, kurz vor dem Durchtritt. Vom Centraleanal nichts mehr vorhanden. Die übrigen Verhält- nisse wesentlich ganz dieselben wie vorher. Dritter Fall. Mark des Menschen. Die vordere Wurzeldes Nervus eoceygeus einer Seite ist an mehreren Stellen fester als gewöhnlich mit dem unge- wöhnlich starken Filum verbunden und wurde darum nicht entfernt. Die grössere Dicke des Filum beruht wie die Schnitte zeigen, auf einer bedeutenden Durchsetzung der Bindegewebssubstanz mit Fett- zellen. Von letzterem Filum besitze ich nur Präparate der unteren Hälfte, sowie des jenseits des Durchtritts gelegenen Theiles. 1) Schnitt durch die Mitte des Filum Fig. 12). Reichliche Gegenwart von Fettzellen. An einzelnen Stellen, in 616 A. Rauber der nächsten Umgebung der Gefässe und Nerven ist das Bindegewebe in etwas dichteren Zügen angeordnet; ebenso verdichtet sich dasselbe rings in der Peripherie des Endfadens. Arterie und Vene vorhan- den, jede Spur des Centralcanals fehlt. Rings um die dünne Wand der weiten Vene befinden sich, wie in Fig. 4, Spalträume, die in gewissen Abständen durch mit der Adventitia der Vene zu- sammenhängende Bindegewebszüge unterbrochen werden. Dieselben sind wohl als Lymphräume aufzufassen. Im Ganzeu können 7 Nervenquerschnitte gezählt werden, je ein Stämmcehen mit 0,12; 0,048; 0,072; 0,06 Mm. ; drei mit je 0,024 Mm. Durchmesser, die einen in der Nähe der Peripherie liegend, die an- deren im Innern zerstreut. 2) Sehnitt durch dasselbe Filum , jenseits des Durehtritts. (Fig. 13). | Es lässt sich zwar das Filum externum von seiner Umgebung unschwer losschiilen, dies wurde jedoch mit Absicht vermieden, um zugleich den Nervus eoceygeus in den Schnittbereich zu bringen. Wie die Fig. 13 zeigt, grenzt sich die Substanz des Filum deut- lich gegen seine nächste Umgebung von gleichfalls dichtem fibrillären Bindegewebe ab. Dies beruht theils auf der Gegenwart von Spalträumen, theils auf der anderen Richtung der Fibrillenzüge der nächsten Umgebung, welche überwiegend quere Faserung besitzt, während die des Filum wesentlich senkrecht absteigt. In der theilweise noch fetthaltigen Substanz des Filum selbst finden sich 5 kleine Nervenstämmchen, zum Theil nahe bei einander. Ausserdem sind die Blutgefässe zu bemerken. Zu beiden Seiten, einerseits schon ausserhalb der Sub- stanz des Filum gelangt, zeigen sich je zwei etwas ansehnlichere Stämmehen. Es sind dies diejenigen, welche in den früheren Fällen in oder an der Peripherie des Filum sich vorfanden. Die Zahl von Ner- venfasern beträgt im Ganzen etwa 180. Weiter nach rückwärts blickend (denn das Filum nimmt die vor- dere Seite des Präparates ein) bemerken wir die Querschnitte sowohl der starken sensiblen (s), als auch der schwächeren motorischen Wurzeln ‘(m) des jedseitigen Nervus coceygeus. Die sensible Wur- zel der einen Seite zeigt zerstreute Nervenzellen (9) und haben wir demnach das Spinalganglion des Coceygeus I vor uns; ein Fall, der wiederum daran erinnert, aus welchem Grunde früherhin das öftere Fehlen dieses Ganglion behauptet werden konnte. Die Stämme s’ und m’ sind bereits unterhalb des zugehörigen Ganglion getroffen. Neurologische Beobachtungen. 617 3) Schnitt durch dasselbe Filum externum, 2 Cm. weiter ab- wärts. Auch hier wurde der ganze Strang durchsehnitten, welcher das Filum und das Steissnervenpaar enthielt. Innerhalb der Stämme des letztern sind keine Ganglienzellen mehr wahrzunehmen. Eine Thei- lung der Stämme in mehrere Aeste hat noch nicht stattgefunden ; viel- mehr besteht das Steissnervenpaar jederseits noch aus zwei Stäm- men, einem grösseren, am meisten lateralwärts gelegenen, und einem kleineren, der Medianlinie näheren. Vor diesen, in einer queren Reihe und in grösseren Abständen als zuvor nebeneinanderliegenden Stämmen ist das Filum als deutlich abgegrenztes Bündel zu bemer- ken. Sein Fettreichthum hat etwas zugenommen, die Gefiissquer- schnitte sind deutlich. Sämmtliche Nervenbündel innerhalb seiner, die im weiter aufwärts gelegenen Theile mehr unregelmässig zer- streut waren, sind nunmehr seitlich symmetrisch geordnet und zei- gen sich einerseits zwei, andererseits drei Bündel, indessen mit un- gefähr gleicher Vertheilung der Nervenfasern auf beiden Seiten. Ausser diesen innerhalb des Filum gelegenen sind endlich noch die in der Figur 12 mit ¢’ bezeichneten Stämmehen zu bemerken, doch haben dieselben gleichfalls schon stärkeren seitlichen Abstand vom Filum erhalten. Vierter Fall. Mark des Kalbes. Vom Filum des Kalbes, welches sich bekanntlich weit in die Sehwanzwirbelsäule hineinerstreckt, gilt bezüglich seines Nerven- gehaltes ein Aehnliches, wie beim Menschen. An einem Querschnitt, welcher von einer weit unterhalb der Austrittsstellen der letzten Nervenwurzeln aus dem Mark und jenseits des Centralcanals befind- lichen Strecke genommen ist, lassen sich nicht weniger als 15 quer- getroffene Nervenstämmehen nachweisen, die sämmtlich innerhalb der Substanz des Filum liegen. Letzteres hat hier einen Durchmes- ser von 1'/, Millimeter. Hierzu kommt, dass auch an diesen Ner- ven einzelne echte Ganglienzellen von 25 bis 30 Mikren zu se- hen sind. Dass das Filum an seiner glatten Aussenfläche von einem Endo-, besser Mesothel bekleidet sei, war schon von vornherein zu er- warten. Mesothel, da es dem Mesoderm entstammt. 618 A. Rauber Systematische Stellung der beschriebenen Nerven. Es scheint nach der vorausgehenden Schilderung der Nerven- vertheilung im Filum terminale nicht mehr nothwendig zu sein, die Meinung zu widerlegen, diese Nerven seien als Gefässnerven zu be- trachten, dazu bestimmt, die Gefässe des Filum zu versorgen. Eine solche Meinung konnte nur so lange bestehen, als die betreffenden Nerven nur ungenügend bekannt und zweifelhaft waren. Sie ent- sprang offenbar mehr dem Bedürfnisse Derjenigen, welche Nerven- fasern im Filum gesehen hatten, diesen irgend eine Funetion zuzu- weisen, als der Nothwendigkeit und einer gründlichen Ueberlegung ; man wusste eben nichts Besseres damit anzufangen. Unter den gegenwärtigen Umständen aber dürfte es nicht schwer sein, die Ansicht zu begründen, dass die Gegenwart jener Nerven als der Ausdruck der untersten Nervengliederung erscheine und dass jene Nerven die untersten Spinalnerven darstellen. Werfen wir einen Rückblick auf die gegebenen Verhältnisse, so wurde schon bei der Beschreibung der Beobachtungen die Bemer- kung hervorgehoben, dass man bei der Präparation der unteren Wurzeln der Rückenmarksnerven mitunter freien Auges, leichter mit- telst der Loupe, Filamente nervöser Beschaffenheit, die unterhalb der letzten Wurzelbündel des Steissnervenpaares aus dem Ende des Markkegels austreten, beobachten könne. Diese bleiben in der Re- gel dem Filum in seinem ganzen Verlauf innerhalb des Sackes der harten Markhaut beigesellt, entweder in die Substanz des Filum peripherisch eingeschlossen, oder seiner Aussenfläche durch Binde- gewebe angefügt. Von ihnen würde es sich ohne Weiteres schwer sagen lassen, ob man sie für sensible oder motorische Wurzeln hal- ten müsse, oder ob sie beide Elemente in sich vereinigt enthalten; man wird aber nicht umhin können, diese aus den Seitentheilen des Markes stammenden Nervenfäden von vornherein für spinale Wurzel- bündel zu erklären. Ausser diesen mehr oberflächlich gelegenen Bündeln finden sich, gleichfalls in der bindegewebigen Umgürtung der oberen Hälfte, und in der Bindesubstanz der unteren Hälfte, anfänglich zerstreut lie- gende, später zu zarten Bündeln sich sammelnde Gruppen von Ner- venfasern. Man könnte im Zweifel sein, ob dieselben als Aeste der vorhergenannten Wurzelbündel, oder selbstständig vom Mark ent- springende Nerven zu betrachten seien. Ich glaube mich letzterer Neurologische Beobachtungen. 619 Ansicht zuneigen zu müssen. Denn die peripheriewärts an oder innerhalb des Filum herablaufenden Nerven verbleiben schliesslich auf ihrer anfänglichen Stärke. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass die tiefer gelegenen Nervenbündel niemals an die Aussenfläche des Filum nach geschehenem Ursprung hinaustreten, dass sie also Aus- trittsstellen am Mark, wie sie allen übrigen Nervenwurzeln zukom- men, gar nicht besitzen, sondern innerhalb der Spitze des Conus medullaris entspringen und innerhalb des Filum herablaufen. Diese Form des Verlaufs würde indessen dem Begriffe von Nervenwurzeln, als welche ich auch diese Nervenbündel auffasse, gewiss nicht wi- derstreiten. Ich wüsste nicht, in welcher anderen Weise die Ge- genwart dieser tieferen Nervenbündel mit Grund erklärt werden könnte. Ob bei letzteren eine Scheidung in motorische und sensible Wurzelfasern vorhanden sei, lässt sich nicht beobachten. Bei den stärkeren, an der Peripherie des Filum befindlichen Wurzelbündeln dagegen besteht ein Anhaltspunet, welcher für eine solche Scheidung spricht. Es ist der, dass das stärkere Bündel in ein Ganglion an- schwillt, während daneben befindliche Wurzelfasern jenseits der Scheide des Ganglion liegen bleiben; letztere Fasern werden für die schwächere motorische, das stärkere Bündel für die stärkere sensible Wurzel zu erachten sein. Gerade die Gegenwart des Spinalganglion an der einen Wurzel ist aber ein gewichtiger Grund für die Richtigkeit der angegebenen systematischen Stellung der genannten Nerven. Auch allgemeinere Betrachtungen drängen zu einer solehen Ent- scheidung. Jedem Metamer, wie wir wissen, gehört ein Nervenpaar ursprünglich zu. Man ist deshalb von vornherein berechtigt, für jedes Glied der Körpergliederung nach dem entsprechenden Nervenglied zu suchen. Es kann nun zwar eines oder mehrere dieser Art durch Zusammenziehung mit einem zunächst oberhalb gelegenen Abschnitt zu einem einzigen verschmelzen und wird man im Anblick des scheinbaren Rückzuges des Säugethiermarkes in den Wirbelcanal an Zusammenziehungen im Bereich der hinteren Nervengliederung zu denken sehr geneigt sein: in wieweit aber eine Zusammenziehung thatsächlich vorhanden sei, ist für jeden einzelnen Fall immer zu untersuchen. So verlaufen in unserem Fall die letzten Spinalnerven, wie klein sie sein mögen, nicht in der Bahn des ersten Steissnerven- paars, sondern in disereten Gebieten. Ob dieselben, dem Zwischen- Morpholog. Jahrbuch. 3. 40 620 A. Raubeı raum zwischen zweitem und drittem, drittem und viertem Steisswirbel ursprünglich angehörig, thatsächlich zwischen diesen Wirbeln aus- treten oder dem ersten Steissnervenpaar von unten her genähert, vermag ich nicht anzugeben. Wohin sie schliesslich peripheriewärts laufen, lässt sich zwar vermuthen, doch mühsam verfolgen. Anknüpfend an den SCHLEMM'schen Fall erblicke ich also auch in dem Vorkommen eines zweiten Steissnervenpaares keine ausnahms- weise sondern eine regelmässige Erscheinung, nur insofern unge- wöhnlich, als dort das betreffende Nervenpaar stärker entwickelt war. Ist die vorausgehende Ueberlegung begründet, so haben wir auf alle Fälle die letzten Spinalnerven vor uns. Sie sind am späte- sten gefunden worden; in der Folge werden keine weiteren mehr zu beobachten sein. Statt 31, würden 33 Paare zu zählen sein. Hieran knüpfen sich einige Bemerkungen über den Endfaden und b) die caudale Anschwellung des Fischmarkes. Eine Abbildung der fraglichen Anschwellung, vom Rückenmark des Karpfens, in ihrer Lagebeziehung zur Wirbelsäule, gibt E. H. WEBER (a. a. O.). Einen Querschnitt durch die Anschwellung des- selben Rückenmarks habe ich in Fig. 14 abgebildet. Dem äusseren Ansehen nach macht dieses Gebilde einen eigen- thümlichen Eindruck. Um mich über seine Verhältnisse zu unter- richten, untersuchte ich zunächst das Mark der Barbe, von wel- chem SrtıLLıngG die auffallende Angabe gemacht hatte, dass es mit einem Knoten endige und dass nervöse Elemente an dem Aufbau des Knotens betheiligt seien. Das später hierauf geprüfte Mark des Karpfens zeigte, wie zu erwarten war, übereinstimmende Verhält- nisse. Der Knoten findet sich vielleicht bei allen Fischen mit hetero- cerker Schwanzwirbelsäule. Er liegt in dem nach oben offenen Ein- knickungswinkel der Wirbelsäule. Seine Entwicklung geht verhältnissmässig sehr spät vor sich; selbst an 2 Centimeter langen Forellen-Embryonen ist er noch nicht vorhanden. Bei der Barbe und dem Karpfen ist das Organ zweilappig und hängt mit der ventralen Fläche des hier schon sehr verdünnten Mar- kes innig zusammen , mit demselben in gemeinsame Hülle einge- schlossen. Es ist frisch von gallertigem Ansehen, mit den von WEBER und STILLING angegebenen Dimensionen. Auch bei der Barbe schliesst Neurologische Beobachtungen. 621 das Mark mit diesem Knoten nicht ab, sondern entwickelt ein voll- ständiges Filum terminale, welches die Aufwärtskrümmung des En- des der Wirbelsäule mitmacht, um erst im längerem Verlauf, aufs Höchste verdünnt, zu endigen. Ueber seine Bedeutung hat blos STILLING sich ausgesprochen. Was den Bau des Organs betrifft, so ergibt sich, dass weder an den Rest eines electrischen Organs, noch an eine sogenannte Steissdrüse, noch an eine Zunahme grauer Rücken- markssubstanz zu denken ist. An Querschnitten bemerkt man zunächst, dass die Fortsetzung des Rückenmarks aufdem Rücken des Organs liegt, in einer leich- ten muldenförmigen Vertiefung desselben. _Es überwiegt an Umfang bedeutend gegenüber dem Rückenmark. Beide sind durch eine un- vollständige horizontal gespannte, fibröse Scheidewand von einander getrennt. Eine senkrecht stehende, gleichfalls nicht in der Gesammt- ausdehnung des Organs vorhandene fibröse Platte scheidet das Or- gan selbst unvollständig in 2 Lappen. Die Scheidewände gehen von der gemeinsamen fibrösen Hülle aus. Fassen wir zuerst das Rückenmark in das Auge, so ist die Form und das gegenseitige Verhältniss der grauen und weissen Substanz, welche beide noch vorhanden sind, ein anderes geworden, als es von weiter vorwärts gelegenen Strecken des Fischmarkes be- kannt ist. Der erweiterte Centralcanal ist aus seiner gewöhnlichen Lage an die dorsale Oberfläche des Markes gerückt. Die Reste der grauen Substanz, zu beiden Seiten und vor dem Centraleanal gele- gen, bestehen aus gewöhnlicher Spongiosa mit zahlreichen grösseren und kleineren, grosskernigen Nervenzellen. Die weisse Substanz ist auf 2 Bündel jederseits reducirt, von welchen eines zur Seite der Medianlinie und des Septum anterius, das andere in der lateralen Ecke jeder Seitenhälfte gelagert ist. Die beiden lateralen Stränge entwickeln sich erst während des Verlaufs des Markes über das Organ, ohne aus ihm selbst Nerven zu beziehen; an weiter rück- wärts gelegenen Abschnitten des Markes sind nur mehr die medialen Stränge vorhanden; diese aber auch noch hinter dem Organ, im eigentlichen Filum terminale, wo sie sich allmäligwerlieren, vielmehr zu sammeln beginnen; auch spärliche Nervenzellen finden sich noch im Anfangstheil des Filum (Fig. 15a). Der Austritt von Nervenwurzeln ist mit dem Beginn des Organs noch nicht abgeschlossen. Dieser Austritt erfolgt aber nicht aus dem Organ selbst, sondern aus dem Rückenmark, an den seitlichen Ecken desselben. 40* 622 A. Rauber, Neurologische Beobachtungen. In der Substanz des Organs fällt zunächst ein grosser Reich- thum an Blutgefässnetzen auf, während stärkere zuführende Gefässe nieht bemerkt werden. Das Gefässnetz besteht aus weiteren und engeren polygonalen oder rundlichen Gefäss-Maschen, welche gleich- mässig innerhalb der Substanz verbreitet sind. Mit der Adventitia der Capillaren und grösseren Stämmchen in direetem Zusammenhang steht nun das eigentliche Gewebe des Organs, ein sehr feines binde- gewebiges Reticulum, welches Kerne in den grösseren Knotenpuncten, Serum in den Lücken besitzt. Hierzu kommen hier und da zerstreute Lymphkörperchen. Das Retieulum steht andererseits nicht nur in Verbindung mit den Scheidewänden und der fibrösen Hülle, sondern auch mit der Spongiosa des Markes selbst, innerhalb der Strecken, in welchen die horizontale Scheidewand fehlt oder vielmehr in der Bildung des Reti- culum untergegangen ist. Von hier ausstrahlende Längsbündel, die also zwischen Mark und dem Organ liegen, könnten den Anschein ausstrahlender Nervenfasern einigermassen vortäuschen: ich «habe jedoch einen wirklichen Uebergang von Nervenfasern aus dem Rücken- mark in das Organ oder umgekehrt, nicht wahrgenommen. Ebensowenig kommen Nervenzellen in letzterem vor; dagegen seltene, vielfach ramifieirte, an den Aesten öfter kolbig angeschwol- lene echte Pigmentzellen. Das Filum terminale endigt als ein dorsoventralwärts abgeplat- teter Epitheleylinder (Fig. 155). Das beschriebene Organ ist dem- nach bindegewebiger Art und könnte seiner Lage nach höchstens die Function besitzen, dem Rückenmark gegenüber den Bewegungen der Schwanzflosse an einer ausgesetzten Stelle als schützendes Pol- ster zu dienen. Leipzig, im März 1877. Fig. 1. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. enn. Tafel XXXI. An allen Figuren bedeutet: a = Arterie. 6 = Bindegewebe. e = Centralcanal. e = Epithel. F = Fettgewebe. Jt = Filum terminale. g = Ganglienzelle. gf = Gefiiss. gr = Graue Substanz. m, m’ = Motorische Wurzel. n = Nervenbiindel. p = Pigmentzelle. r = Reticulum. 8, s‘ = Sensible Wurzel. sp = Spalt, vermuthlich Lymphspalt. v = Vene. w — Weisse Substanz. Querschnitt durch das Filum terminale des Menschen, 1 Cm. unterhalb der Spitze des Conus medullaris, °2/;. Peripherisches Nervenbiindel der einen Seite des Querschnittes Fi- gur 1. 256). Peripherisches Nervenbündel mit 2 Ganglienzellen, aus einem 2 Cm. unter der Spitze des Conus geführten Querschnitt durch dasselbe Filum. Aus der Mitte desselben Filum. */;. Von demselben Filum, vor seinem Durchtritt durch den Sack der Dura mater. 3!/. Von demselben Filum, nach geschehenem Durchtritt. 32. Ein peripherisches Nervenbündel des Filum terminale eines andern menschlichen Markes, mit 2 Ganglienzellen. 26/;. Von demselben Nerven ein weiter abwärts gelegener Schnitt, mit 6 Ganglienzellen. 8°/;. Von demselben Nerven noch weiter abwärts, mit einer Ganglien- zelle. 89/,, 624 Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15a. Fig. 15 6. A. Rauber, Neurologische Beobachtungen. Filum terminale eines dritten menschlichen Markes, 5 Cm. unterhalb der Spitze des Conus medullaris. Der Centralcanal ce, ein querliegender, von Cylinderepithel umsäumter Spalt, endigt unmittelbar darauf. %2/;. Ein peripherisches Nervenbündel des vorhergehend abgebildeten Schnit- tes. 26/1. Von der Mitte eines sehr fettreichen menschlichen Filum. Von dem Centraleanal ist keine Spur mehr vorhanden. Filum externum desselben Markes, mit den rück- und seitwärts lie- genden Querschnitten des ersten Steissnervenpaares. s, m, die sensible und motorische Wurzel des Coceygeus der einen Seite, in der Höhe des Ganglion (g) der sensiblen Wurzel, welches demnach in die- sem Fall ausserhalb des Sackes der Dura mater liegt. s’, m’, die Stämme des Coceygeus I der andern Seite, unterhalb seines Gan- glion. 32/1. Querschnitt durch die Mitte des Schwanzorgans des Markes des Kar- pfens. Auf der einen Seite ist das Gefiissnetz (gf), auf der andern das bindegewebige Reticulum (r) des Organs dargestellt. 3%/ı. Von demselben Mark, jenseits des Schwanzorgans. 22/;. Ende desselben Markes, in Form eines dorsoventralwärts abgeplatte- ten Epithelcylinders. 150). Ein Beitrag zur mikroskopischen Technik. Von Ernst Calberla. Diese Zeilen bezwecken die Fachgenossen mit zwei neuen Farb- stoffen bekannt zu machen, deren Verwendung zum Färben von Gewebstheilen, insbesondere wenn es sich um die Herstellung von Demonstrationspräparaten handelt, sehr zu empfehlen ist. Der zuerst zu nennende Farbstoff ist eine unter dem Namen Methylgrün mit verschiedenen Nüancen in den Handel kommende blau-grüne Theerfarbe. Ich erhielt dieselbe zuerst im Frühjahr 1874 aus der chemischen Fabrik von M. B. Voce. in Leipzig unter dem Namen »Vert en cristaux«. Färbeversuche, die ich im Sommer 1874 mit diesem Farbstoff an Schnitten von. menschlicher Haut anstellte, ergaben folgendes Resultat: »Die Kerne der Zellen des Unterhautbindegewebes sowie der Gefässe und Nervenscheiden wurden rosa-roth, die Zellen des Corium, insbesondere deren Kerne, wurden rothviolett und die Ele- mente der Epidermis nahmen eine grünblaue bis rein blaue Färbung an. Die grünblaue Färbung beschränkte sich auf die Zellen und die Intercellularsubstanz im Stratum Malpighi, während die blaue Fär- bung die Intercellularsubstanz des übrigen Theiles der Epidermis deutlich machte.« Ende Sommer 1874 war ich gezwungen diese Versuche zu un- terbrechen und kam erst im Frühjahr 1876 dazu, sie wieder aufzu- nehmen. Inzwischen hatte ich durch obengenannte Firma neue Quantitä- ten dieses Farbstoffes erhalten. Versuche mit diesen neuen Proben ergaben, dass das Verhalten gegen menschliche Haut meist das nämliche war wie bei den ersterwähnten Farbstoffproben; es stellte 626 E. Calberla sich aber auch heraus, dass die Färbung nicht immer haltbar, und dass manchmal auch der Erfolg ein ungleicher oder ungenügender war. Vielleicht war die Zusammensetzung oder die Bereitungsweise des Farbstoffes nicht mehr die gleiche, doch konnte ich hierüber nichts genaues in Erfahrung bringen. Daneben hatte ich weitere Versuche mit genanntem Farbstoff angestellt: »Erstens hatte ich die Farbe benutzt, um Gewebsschnitte, nachdem sie mit ammoniakalischer oder saurer Carminlösung, mit Hämatoxylin oder mit Pikrinsäure gefärbt worden waren, nachzufär- ben,« und zweitens: »hatte ich das Methylgrün mit geringen Quan- titäten des von FISCHER!) in die mikroskopische Technik eingeführten Eosin, im Verhältniss von 1 Theil Eosin auf 60 Theile Methylgrün, versetzt, das Gemisch in warmem Alkohol von 30°/, gelöst und damit Schnitte von gehärteten Geweben direct oder nach vorheriger Fär- bung mit Carmin oder Hämatoxylin behandelt. Bei allen diesen Versuchen leitete mich das Bestreben, eine Farbe oder eine Färbungsmethode zu finden, die bei leichter An- wendungsweise die einzelnen Gewebselemente in prägnanter Form zur Darstellung bringt, die insbesondere Epithelial- und Binde- gewebsgebilde, durch etwaige Doppelfärbung, scharf characterisirt. Diese Versuche ergaben, dass das Gemisch von Methylgrün und Eosin, wurde es direct oder als Nachfärbungsmittel angewendet, wenn es auch nicht alle Bedingungen erfüllte, sich doch als ein sehr brauchbares Färbungsmittel erwies. Eigenthümlich ist es, dass gerade diese Combination mit Eosin wenigstens zum Theil in ihrer Wirkung jener ersten im Sommer 1874 erhaltenen Probe von Methyl- grün gleichkam. Ich bemerke hierbei (es gilt dies auch für den weiter unten angeführten neuen blauen Farbstoff), dass die angestellten Versuche nicht im Entferntesten als umfassende, das ganze Gebiet erschöpfende, zu betrachten sind. Ich habe nur eine geringe Zahl von Geweben und nur wenige in dem Verhalten gegen diese Farbstoffe genauer untersuchen können , allein soviel ergab sich immerhin, dass eine Mittheilung der gefundenen Thatsachen berechtigt sein mag. Der teihe nach wurden folgende Gewebe mit diesem Farbstoffgemisch behandelt: Haut, Darm, Speicheldrüsen, Lymphdrüsen, Harncanäl- chen, ferner Knorpel-, Muskel- und Sehnengewebe und Cuticular- 1) Ernst FISCHER, Eosin und seine Verwendbarkeit in der mikrosk. Tech- nik. Archiv für mikr. Anat. Bd. 12 pag. 349. Ein Beitrag zur mikroskopischen Technik. 627 gebilde. Diese Gewebe wurden theils direct mit dem Farbstoffge- misch oder mit demselben nach vorheriger Fiirbung mit Carmin oder Hämatoxylin behandelt. Die Färbung selbst geschah in der Weise, dass die Gewebsschnitte aus Alkohol oder Wasser in die Lösung von Methylgrün und Eosin gebracht wurden. Nach 5—10 Minuten wurden die Schnitte aus der Farbstofflösung entfernt, nun schnell erst mit schwachem, dann mit starkem Alkohol ausgewaschen und hierauf in Nelkenöl und Balsam oder in Glycerin gebracht. Das Gemeinsame der Behandlung mit Methylgrün-Eosin ist eine rothviolette bis blaue Färbung der Kerne der Epithelialgebilde, ein grün bis grünblau werden der Kerne des Bindegewebes und eine Rosafärbung des gesammten Zellinhaltes, insbesondere der Zellen des Bindegewebes. Cuticularbildungen wurden stets grasgrün, dage- gen Lymphzellen stets blau bis blaugrün gefärbt. Quergestreifte Mus- kelfasern färbten sich stets roth bis rosa, ihre Kerne grün, dagegen wurden die glatten Muskelfasern grün und ihre Intercellularsubstanz roth. Besonders günstige Resultate ergab die Färbung von Schnit- ten durch Speicheldrüsen mit oder ohne vorherige Behandlung dersel- ben mit Carmin, und von Sehnen-, Quer- und Längsschnitten. Auf Schnitten der Ersteren wurden die Zellen der Ausführungsgänge blau, die Drüsenzellen roth und die Zellen des umgebenden Bindegewebes grün bis grünblau gefärbt. Bei den Sehnen nahmen die die Bündel umspannenden Binde- gewebsfasern eine schwache grüne, deren Kerne aber eine intensiv grüne Farbe an, so dass die einzelnen Bündel sehr deutlich hervor- traten. Auch die Ranvier'schen Sehnenkérperchen wurden grün gefärbt, wogegen das Stroma der Sehnenbündel selbst eine rosen- rothe Farbe annahm, so dass die einzelnen Gewebstheile auf das Deutlichste sichtbar gemacht wurden. Der zweite anzuführende Farbstoff ist die unter dem Namen Indulin!) seit kurzer Zeit in den Handel kommende dunkelblaue Farbe. Ich erhielt dieselbe im Herbst 1876 von derselben oben genannten chemischen Fabrik in Leipzig. Das Indulin löst sich leicht in warmem Wasser mit dunkelblauer Farbe. Auch in ver- dünntem Alkohol ist es löslich. Zum Färben verdünnt man die con- 1) Diese Farbe ist jetzt, sowie auch das Methylgrün, durch jede grössere chemische Waarenhandlung, wie z. B. SCHÄFER in Darmstadt, zu beziehen. 628 E. Calberla centrirte wässerige Lösung mit dem sechsfachen Volum Wasser. Zu färbende Schnitte von Geweben werden 5—20 Minuten in die dünne Farbstofflösung gebracht und hierauf in Wasser und Alkohol ausge- waschen und in Nelkenöl oder Glycerin aufgehellt. Das Eigenthümliche dieses Farbstoffes besteht darin, dass er nie die Zellkerne, dass er nur den Zellinhalt oder noch öfter | nur die Intercellularsubstanz blau färbt. Auch mit diesem Farbstoff habe ich Schnitte von Haut, Knorpel, durch Theile des Verdauungstractus, von Speichel- und Lymphdrü- sen, sowie des Urogenitalsystems, von Sehnen- und Muskelgewebe gefärbt. Die Resultate sind folgende: Die Epithelien werden nie- mals, dagegen ihre Intercellularsubstanz stets gefärbt. In gleicher Weise wird die Intercellularsubstanz der glatten Muskelfasern und der Drüsenzellen tingirt. Das Bindegewebe wird blau ohne deutliche- res Hervortreten der Kerne gefärbt. Diese letztere Eigenschaft ist besonders zur Demonstration von Muskelquerschnitten gut zu ver- wenden indem hier die querdurchschnittenen Muskelfasern nicht, dagegen das dieselben umgebende Bindegewebe sehr schön gefärbt wird. Beim Knorpel nimmt nur die Intercellularsubstanz eine blaue Farbe an.‘ Als ganz besonders characteristisch ist das Verhalten des Indu- lins gegen Sehnengewebe anzuführen. Das Stroma der Sehnenbündel wird schön blau, das die Bündel umgebende Bindegewebe gar nicht oder nur ganz lichtblau, die Ran- vieR’schen Sehnenkörperehen niemals gefärbt. Letztere erscheinen daher als weisse sternförmige Figuren auf blauem Grunde. Das In- dulin wirkt also gerade umgekehrt wie das Methylgrün auf das Seh- nen- und die meisten anderen Gewebe. In seiner Wirkungsweise ähnelt es sehr dem von RANVIER!) angeführten Bleu de quinoléine, welches jetzt nicht mehr im Handel zu erhalten ist. Das verschiedene Verhalten der einzelnen Gewebsbestandtheile gegen Farbstoffe spricht für eine verschiedene Anziehungskraft die- ser Elemente zu den Farbstoffen, es wohnen also den Gewebsthei- 1) Ranvier, Traité technique d’histologie. Paris 1875. pag. 58 und 283 ff. Ein Beitrag zur mikroskopischen Technik. 629 len verschiedene chemische Kräfte bei, denn die Verwandtschaft der Gewebe zu Farben und deren etwaige Fixirung beruht sicher- lich auf chemischen Vorgängen. Ich glaube, dass durch methodische Anwendung besonders characteristischer Farbstoffe auch für die che- mische Natur der einzelnen Gewebstheile sich wichtige Aufschlüsse erlangen lassen, gerade so wie jetzt schon durch die verschiedenen Färbungsmethoden für die Kenntniss der morphologischen Verhält- nisse der Gewebe schöne Resultate gewonnen worden sind. Die beiden angeführten Farbstoffe zeichnen sich durch ihr auf- fällig verschiedenes Verhalten gegen einzelne Gewebstheile in so hervorragender Weise aus, dass die Mittheilung dieser Färbungsmit- tel sicherlich berechtigt war. Ueber Neubildung von Kiemen bei Siren lacertina. Von Dr. R. Wiedersheim, a. 0. Professor und Prosector zu Freiburg i. B. Im 27. Band der Zeitschr. f. wiss. Zoologie theilte Frin. Marte VON-CHAUVIN die interessante Thatsache mit, dass sich bei einer Larve von Salamandra atra, nachdem die Kiemen geschrumpft und endlich ganz verloren gegangen waren, aufs Neue Kiemen, ob- wohl in abnormer Form, bildeten. Damit lebte das Thier noch 15 Wochen fort und entwickelte sich kräftig. Man wird dadurch an die Dumerıv'schen Versuche an Axolotln erinnert, worauf v. SIEBOLD (an demselben Orte) mit Recht aufmerksam macht. Es mag nicht ohne Interesse sein, auf ähnliche Erfahrungen, welche Corre (Journ. of the Acad. of nat. scien. Philad. VI. 1) an einem Exemplar von Siren lacertina gesammelt hat, aufmerksam zu machen. Der amerikanische Forscher sah das fast 10 Zoll lange Thier — es war mitten im Winter — in einem Aquarium und ver- mochte zu dieser Zeit keine Spur von Kiemen an ihm zu entdecken. Es kam öfter an die Oberfläche, um Luft zu schnappen, welche zum grossen Theil durch die Kiemenlöcher entwich, wobei in der Umgebung der letzteren eine convulsivische, zitternde Bewegung, verbunden mit immerwährendem Oeffnen und Schliessen der Kiemen- spalten zu bemerken war. Zugleich sog das Thier Wasser durch die äusseren Nasenlöcher ein (!). Wie die Kiemen verloren gegangen waren, ob durch allmälige Resorption oder ob sie von den im Aquarium befindlichen Fischen !) !) Dahin gehört auch eine Beobachtung ERBER’s (Versammlung der zool. botan. Gesellsch. vom 6. Decbr. 1876. Wien) an einem vier Zoll langen leben- Ueber Neubildung von Kiemen bei Siren lacertina. 631 abgefressen wurden, lässt Cope unentschieden, jedoch scheint er mehr zu letzterer Ansicht hinzuneigen. Allmälig wuchsen an Stelle der verlorenen Kiemen neue hervor, ohne dass sie, wie es scheint, in ihren Formverhältnissen von den früheren abgewichen wären. Das Thier hatte im Ganzen über zwei Monate ohne Kiemen existirt. Endlich erwähnt Cope noch ein Exemplar von Siren striata, dessen Kiemenbiischel stark verdickt waren und mit ihren drei Hauptiisten der Liinge nach der Nackenwand zwischen den Kiemen- spalten fest anklebten. Dabei waren sie »entirely abortive« und theilweise atrophisch. Also auch in diesem Fall konnte von keiner Function derselben die Rede sein. Alles dieses fordert auch bei Siren zu Umwandlungsversuchen auf, wie sie beim Axolotl auf Anregung!) von WEISMANN von Frln. von CHAUVIN mit so grossem Erfolg durchgeführt worden sind. Die Wahrscheinlichkeit des Gelingens selcher Versuche wird meiner Ansicht nach noch durch Folgendes unterstützt. Einmal ist von englischer Seite die Beobachtung gemacht worden, dass der in Frage stehende Kiemenmolch stundenlang ausserhalb des Wassers zu leben im Stande ist, was wohl seine Erklärung findet in den die ganze Leibeshöhle bis zur Cloake durchziehenden Lungen, welche grösser entwickelt sind, als bei den übrigen Kiemenmolchen. Dazu kommt, dass sie vom Aditus ad laryngem aus zu gewaltigen Säcken aufgeblasen werden können, was nach meinen Erfahrungen bei Proteus und Menobranchus nur selten, meistens aber gar nicht gelingt, wie die Organe dieser letztgenannten Thiere überhaupt den Siren, welchem sechs amerikanische Tritonen die Extremitäten sowohl als auch die Kiemen abgefressen hatten. Beide ergänzten sich nach und nach. Dasselbe lässt sieh auch, wie allgemeiner bekannt sein dürfte, bei Axolotin constatiren. 1) Ich sage ausdrücklich: »auf Anregung WeiIsMANN’s«, da sich fast in allen den durch WEISMANN’s Mittheilung hervorgerufenen, dasselbe Thema behandelnden Schriften das Bestreben kundgibt, den Namen dieses Forschers entweder gänzlich todt zu schweigen oder doch in den Hintergrund zu drän- gen. Dagegen wird keine Gelegenheit versäumt, den Namen voN CHAUVIN ins hellste Licht zu stellen, so dass diejenigen, welche mit dem wahren Sach- verhalt nicht vertraut sind, nothwendigerweise irre geleitet werden müssen. Ich will damit durchaus nicht sagen, dass sich Frin. von Cuauvin keine Verdienste erworben hätte, im Gegentheil, ich erkenne ihre Hingebung an die Sache und ihre feine Beobachtungsgabe in vollstem Umfang an, glaube aber doch im Hinblick auf die geistige Autorschaft der betreffenden Arbeit den Freunden des Frin. von CHauvin ein: Fiat justitia! zurufen zu dürfen. 632 R. Wiedersheim, Zur Fortpflanzungsgeschichte des Proteus anguinus. einen sehr rudimentären Eindruck machen. Endlich wäre noch an den Schädel zu erinnern, von dem ich jüngst (Dieses Jahrbuch. Bd. IT) gezeigt habe, dass sich von ihm aus viel leichter Anschlüsse an die höheren Urodelen gewinnen lassen, als von dem Kopfskelet der übrigen Kiemenmolche. Freiburg i. B., im Mai 1877. Zur Fortpflanzungsgeschichte des Proteus anguinus. Von Dr. R. Wiedersheim, a. 0. Professor und Prosector zu Freiburg i. B. Im vergangenen Jahr erschien in der Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVI. III. ein Aufsatz von F. E. SCHULZE, worin es als aus- gemachte Thatsache hingestellt wurde, dass der Olm zu den ovi- paren Amphibien zu stellen sei. Nach den den SCHULZE’schen Untersuchungen zu Grunde liegenden Anhaltspuncten konnte auch nicht mehr der leiseste Zweifel darüber existiren und ich selbst, der ich bis heute keine eigenen Erfahrungen darüber zu sammeln Gelegenheit hatte, nahm die Sache als feststehend an. Die Wichtigkeit der Fortpflanzung des uns in seiner Entwick- lung noch völlig dunkeln Ichthyoden veranlasst mich jedoch auf einen, wie es scheint, im Laufe der Jahre ganz in Vergessenheit gerathenen Aufsatz von MICHAHELLES aufmerksam zu machen. Derselbe wurde in der Isis 1831 veröffentlicht und verdient, ganz abgesehen von sei- nem wissenschaftlichen Werth, schon seiner originellen Fassung wegen unser Interesse. Nachdem sich der Verfasser über die Fundorte, die Lebensbe- dingungen, die Farbe und den Fang des Thieres ausführlich ver- breitet hat, theilt er über den Gebär-Act desselben ein förmliches Protocoll mit, auf welches ich hier aufmerksam zu machen mir er- lauben wollte. Freiburg i. B., im Mai 1877. Notiz über das Vorkommen der Purkinje’schen Fäden. Von C. Gegenbaur. Die bekanntlich von PurRKINJE im Endocard der Wiederkäuer- Herzen entdeckten, nach diesem Autor benannten Fäden sind seitdem bei einer grossen Anzahl von Thieren nachgewiesen worden. Diese finden sich in Krause’s Handb. d. menschl. Anatomie III. Aufl. I. Bd. pag. 302 verzeichnet. Bei anderen sind jene Fäden vermisst worden. W. Krause führt darunter den Menschen auf, indess sie einerseits auch beim Menschen, wenigstens in den ersten Lebens- monaten bestehend, angegeben werden (HENLE, Handb. der menschl. Anat. (Gefässlehre II. Auflage pag. 63). Von einem anderen Vor- kommen als im Endocard scheint nichts bekannt geworden zu sein. Deshalb dürfte eine Beobachtung bemerkenswerth sein, die das Vor- kommen der gleichen Bildungen auch im Innern des Myocards zum Gegenstande hat. Es betrifft das Herz eines 15 jährigen Men- schen. Hier waren an mehreren Stellen der rechten Ventrikelwand zwischen den Querschnitten der Muskellamellen Reihen jener Zel- len zu sehen, welche die Grundlage der PurkınJE'schen Fäden bilden. Umgeben erschienen sie von derselben dünnen Schicht quergestreifter Fäden, die von den Strängen im Endocard bekannt ist. Ich enthebe mich einer ausführlichen Beschreibung, wenn ich den ganzen Befund mit dem im Wiederkäuerherzen mir längst wohlbekannten Endocard- gebilden als gleichartig anführe. An einigen Stellen bildeten diese Zel- len zwei ja drei Reihen, an anderen war nur eine Reihe vorhanden, jedesmal sehr auffällig von den benachbarten Durchschnittsbildern der Muskeln hervortretend. Auch in der Axe eines Fleischbalkens desselben Ventrikels wurden sie beobachtet. . 634 €. Gegenbaur, Notiz über das Vorkommen der Purkinje’schen Fäden. Das Vorkommen dieser Gebilde im Myocard hat nichts be- fremdliches, wenn man sie als in eigenthümlicher Richtung ent- wickelte Elemente des Herzmuskels ansieht, wie das ja die verbrei- tete Auffassung ist. Nur möchte ich sie nicht einfach als »in ihrer Entwickelung aufgehaltene Muskelzellen« gelten lassen. (RANVIER, technisches Lehrbuch der Histologie. Deutsche Uebersetzung pag. 504.) Das eigenthümliche ist an ihnen nicht blos die geringere Entfaltung der den Zellkörper umkleidenden in Faserzügen angeordneten contracti- — len Substanz, sondern vielmehr die Vergrösserung des Zellkörpers selbst. Dadurch wird eben der Mantel contractiler Substanz, der an den Myocardzellen das Protoplasma sammt dem Kern umgibt, und bei allmäliger Verminderung des Protoplasma den bei weitem grössten Theil des Volums der Muskelzelle bildet, aneinandergedrängt, zu einer dünnen, hin und wieder durch breite Lücken unterbrochenen Sehieht. Wenn man den einer Zelle eines PuRKINJE’schen Fadens zukommenden Antheil von Muskelsubstanz mit dem Volum einer aus- gebildeten Myocardzelle vergleicht, so erscheint ersterer nicht sehr viel geringer. . Dagegen ist das sonst im Innern einer normalen Myocardzelle reducirte Protoplasma hier durch sein bedeutendes Vo- lum das Auffallende an den in Rede stehenden Gebilden. Anstatt mit Differenzirung einer contractilen peripherischen Schicht eine Abnahme zu zeigen, ist eine Vermehrung der indifferenten Zellsub- stanz, und damit auch eine Vergrösserung des Kerns erfolgt, und das ist für den Gesammtbefund jener Gebilde keineswegs völlig untergeordnet. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. eae SE Di Ly h ed Bu im ih i x aon: a ve. iD SAS eee BE - N Su u 7 u ‘ 5 : u Morphologisches jal BEE AA x ap aa Hie, & or. Ar is Bude PIISI HE a Ped he hie ite we hee Pe ia iret ee TE OB Fn rq ees SALE Pee av N draht Ta diay N 2}, urarasäche MET “t ed BR Bene, dates Hr os ares rer rar cache mine EUÄSOSLEH EN Karte TEE FRPP AT! : A Ar wor u I x Eye ner; Wht ec "heh pb ese N \