i ne sity eer BAS ee he he . ® h hee ewes Sortie St cao x : .. .. . 2 ; 3 SE Pet tcenety om eg as ee ee z ' or . . x . ' F oe rs cag \ “ stevia es 2 = eh we : u. : A Cv STR BER TT - we ‘ yim tess ieee ‘ tee VO rites : an .. : Ro tes nen ae u. 5 on é ; ; . . i 297% j te wa 4 FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY ARME N 5 ie 4 a 123 | PER: Bl tia vie HR mes Me v Y Al my al es ae MN a | Ay SRS se ee Oe) eee BIN f ; as Era Be AE BA W REIT Lop u ON MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. ; Se EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, PROFESSOR IN HEIDELBERG. VIERZEHNTER BAND. MIT 26 TAFELN UND 54 FIGUREN IM TEXT. nn u - . — - LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1888. Be es NE baa hile ee Tre (conte aa aE: HM F ran IN ER Ane or WOOT RP ae ? zT ay \ ’ Ba Trap RD “08. Ee a ae 4ER er 4 RN Er 0” ... 223 Über Flabellum. Von G. von Koch. (Mit Taf. XIIl.).-.-.-.-. 329 Über die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. Von V. Graber. (Mit Taf. XIV—XV und 4 Holzschn.). .. - .»» =... 345 IV Drittes Heft. Ausgegeben am 13. November 1888. Seite Die Lobi optici der Teleostier und die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. Von 1; Auerbach“ (Mit Taf. XVI). ... .. “2. 373 + Über Polydactylie Wonil. Berenbaur. . 2 2... 12... oe . 394 Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. Von H. Klaatseh. (Mit Naf... XV a Va pace he Be a a Or 407 Anatomische Untersuchungen über die Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Von E. Gaupp. (Mit Taf. XIX.) 436 Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. Von A. NV EIBuRI ee a A ee ie iR 490 Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboscidier. Von K. A WESERDEBT. 22.8.2 ee. Delile ee as cena ce Pe 507 Viertes Heft. Ausgegeben am 31. December 1888. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. Von H. Rex. (Mit Taf. XX IR HIN.) sty ops tis er RN = Te ent ue ee ee as 517 Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. Von G. Killian. (Mit Taf. XXV und XXXVI, sowie 3 Fir am PR). RI re 5 1648 Beitrage zur Kenntnis der Wundernetzbildungen in den Schwimmblasen der Teleostier, Von H. K. Corning. Mit Tafel I und II. Einleitung. Die Wundernetzbildungen in den Schwimmblasen der Knochen- fische sind schon lange, wenigstens in ihrem makroskopischen Ver- halten, bekannt. Die Anordnung der Gefäße in der Schwimmblase von Esox lueius, Perca fluviatilis, Acerina cernua und vieler anderer unserer einheimischen Fische hat seit den Arbeiten von DE LA RocHE im Anfang dieses Jahrhunderts (1809) vielfach Erwähnung und Be- schreibung gefunden. Die Frage nach der Homologie der Schwimm- blase und der Lungen der höheren Vertebraten ließen diese For- schungen ein ganz besonderes Interesse gewinnen. DE LA RocHE und Andere nach ihm haben eine große Anzahl von Fischen in Bezug auf das Verhalten der Gefäße zu der Wandung der Schwimmblase untersucht und die verschiedenartigsten Bildungen und Variationen beschrieben, sowohl der Struktur des Organs, von den einfach- sten Formen mit glatten Wandungen und spärlicher Gefäßvertheilung, bis zu den Formen mit trabekulärer Wandung und reichlichen Ge- fäßen, als auch der Lagerung des Organs, seiner Beziehung zum Ge- hörorgan ete. Besonders zwei Bildungen haben eingehende Auf- merksamkeit auf sich gezogen, von denen beide eine wundernetz- artige Auflösung der Gefäße darstellen mit dem Unterschied, dass die eine lokal beschränkt auftritt und zu Zellen in Beziehung steht, während die andere diffus verbreitet vorkommt und eine Beziehung Morpholog. Jahrbuch. 14. 1 2 H. K. Corning zu Zellen nicht erkennen lässt. Die ersteren nannte man »rothe Körper« (der Name rührt von DE LA RocHE her) oder »Blutdrüsen «, oder »zellige Säume«, die zweiten Wundernetze im engeren Sinne. Man glaubte, dass sie sich in ihrem Vorkommen gegenseitig aus- schlössen. Wenigstens finde ich nirgends in der Litteratur eine An- gabe über Blutdrüsen und Wundernetze (im engeren Sinne) in der nämlichen Schwimmblase. Ferner fasste man die Wundernetze als eine Vorstufe der Blutdrüsen auf (s. Srannius: Anatomie der Wirbel- thiere. 1854. I. Theil. pag. 229). Ein Versuch, die verschiedenen Formen der bei Fischen in der Schwimmblase vorkommenden Wun- dernetze von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus zu ordnen, ist von JOH. MÜLLER gemacht worden in einer Abhandlung über Wun- dernetze (Archiv für Anatomie und Physiol. 1840. pag. 127). Er unterscheidet vier Formen und nennt als Vertreter derselben Karpfen, Hecht, Barsch und Aal. Beim Karpfen liegen die Wundernetze außerhalb der fibrösen Haut der Schwimmblase, beim Hecht liegen sie innerhalb derselben, beim Barsch sollen bloß rothe Körper oder Blutdrüsen vorkommen, aus großen Zellen bestehend, zwischen denen die Auflösung der Gefäße stattfindet. Beim Aal endlich kommen Wundernetze vor, deren Auflösung nach zwei Ebenen hin stattfindet. Sie sind von JoH. MÜLLER als amphicentrische Wundernetze be- zeichnet worden und sind ebenfalls unter dem Namen von Blutdrüsen bekannt, obgleich sie mit den Blutdrüsen von Perea nicht gleich- werthig sind. Diese von JoH. MÜLLER aufgestellte Eintheilung ist, so viel ich sehen kann, allgemein als richtig anerkannt worden. Wenigstens ward kein Versuch gemacht, auf Grund ausgedehnterer Untersuchun- gen eine andere Eintheilnng der fraglichen Gebilde aufzustellen. Von einer Untersuchung über die Struktur der »Blutdrüsen« und über die Anordnung der Wundernetze bei Perca ausgegangen, bin ich zu Ergebnissen gelangt, die auf kleinem Gebiet gewonnen und auf nur wenig Formen sich beziehend, Einiges an der Eintheilung von JoH. MÜLLER ändern. Ich habe zunächst die Struktur der Blut- drüsen und der Wundernetze festzustellen gesucht, sowie die Ver- hältnisse der Blutversorgung dieser beiden Organe. Ferner ob Blut- drüsen und Wundernetze im engeren Sinne zusammen vorkommen, wie sich der innere Epithelüberzug und die Wandung der Schwimm- blase überhaupt zu den Wundernetzen verhalte etc. Ich bin dabei von einer der einfachsten Formen ausgegangen, wie sie Salmo fario darstellt, indem ich hier eine Vorstufe der Verhältnisse bei anderen Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 3 Fischen zu finden hoffte. Im Laufe meiner Untersuchung habe ich viele der hier vorkommenden Fische injicirt, aber nur bei den wenig- sten Wundernetze oder Blutdriisen gefunden. Ich nenne Esox lu- cius, Perea fluviatilis, Lota vulgaris, Acerina cernua, Cyprinus carpio, Abramis brama, Barbus fluviatilis und Anguilla muraena. Die Ver- hältnisse bei Anguilla muraena habe ich leider nicht so vollständig untersuchen können, wie ich es gewünscht hätte, doch glaubte ich mich berechtigt, im Anhang einige eigene Beobachtungen mitzuthei- len, welche den eigenthümlichen Bau der Schwimmblase des Aals erklären und zu anderen Typen in Beziehung bringen. Bei Esox lucius, Perea fluviatilis, Lota vulgaris und Acerina cernua habe ich ein so übereinstimmendes Verhalten gefunden, dass ich mich berechtigt glaube, die Gefäßverbreitung in der Schwimm- blase dieser Fische als Typus für diejenige einer Anzahl von Fischen annehmen zu dürfen, bei denen nach DE LA RocHE und RATHKE Blutdrüsen vorkommen. Leider war es mir nicht möglich, Exem- plare von Gasterosteus aculeatus zu erhalten, bei dem RaruKe (Ab- handlungen zur Geschichte der Thierwelt. IV. Theil. pag. 106) ähn- liche Einrichtungen fand, wie sie bei Perca fluviatilis bestehen. Ich werde die Verhältnisse bei Perca fluviatilis, Esox lueius, Lota vul- garis und Acerina cernua nach jeder Richtung hin möglichst ein- gehend schildern. Wenn ich noch einige Bemerkungen über die Wundernetze in der hinteren Schwimmblase von Cyprinus carpio und anderen Cyprinoiden anreihe, so geschieht dies nicht etwa, weil ich im Stande wäre, die Lage dieser Wundernetze an der äußeren Oberfläche der Schwimmblase (unmittelbar unter dem Peritonealüber- zug derselben) zu erklären und mit derjenigen bei anderen Fischen in Zusammenhang zu bringen, sondern weil ich auf das Gemeinsame aller dieser Wundernetze, sowie auf einige Eigenthümlichkeiten bei Cyprinus aufmerksam machen wollte. Litteratur. Die Litteratur über Schwimmblasen ist eine große, doch habe ich nur sel- tene Notizen über diejenigen Einzelheiten, die ich zur Untersuchung gewählt hatte, gefunden. Der oben erwähnte Aufsatz von DE LA RocHE in den » An- nales du Muséum« T. XIV. pag. 188—217 und 245—289 enthält eine große Anzahl von Beobachtungen über die »rothen Körper« bei den verschiedensten Fischen, über die Form der Schwimmblase und iiber das Fehlen oder das Vor- handensein des Ductus pneumaticus ete. Die Beschreibung der rothen Körper ist selbstverständlich bloß eine makroskopische und in Folge dessen eine mangel- hafte. Am werthvollsten sind die Notizen über ihre Anordnung in den ver- 1* ART, H. K. Corning schicdenen Fischen, von denen DE LA RocueE eine große Anzahl untersucht hat (pag. 271 fi). Einige Notizen über die Schwimmblase von Gasterosteus aculeatus finden sich, wie schon erwähnt, in RATHK®’s » Beitriige zur Geschichte der Thierwelt.« Halle 1827. IV. Theil. pag. 107. Einzelnes enthält auch RATHKE’s Aufsatz: »Zur Anatomie der Fische.« Archiv fiir Anat. und Physiol. 1838. Ferner nenne ich noch BERLAK: »Symbola ad anatomiam vesicae natatoriae piscium.« Dissert. inaug. Regimont. 1834 und J. QUEKETT: »On a peculiar arrangement of bloodvessels in the air-bladder of fishes, with some remarks on the evidence they afford of the true function of that organ.« Transactions of the microscopical society of London. Vol. I. 1844. pag. 99. QUEKETT giebt mehrere Abbildungen der Wundernetze von Hecht und Aal, die ich, nach mei- nen eigenen Injektionspräparaten zu urtheilen, nicht als naturgetreu bezeichnen kann. Notizen über den Bau der Wandung bei Esox und einigen anderen Fischen giebt LeypiG (»Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere.« Frank- furt am Main. 1857. pag. 378), sowie STANNIUS (»Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere« Berlin 1854. J. Theil. pag. 224 seq.) und F. E. ScHULzE in STRICKER’s Lehrbuch der Gewebe. I. 485. Der Aufsatz von Jon. MULLER iiber Wundernetze im Archiv für Anatomie und Physiol. 1840. Einzelne andere Quellen werde ich im Laufe der Untersuchung erwiihnen. Technisches. a) Härtung der Präparate. Was die Technik angeht, so möchte ich Folgendes erwähnen: Ich habe injieirte und nicht injicirte Schwimmblasen unter- sucht. Letztere wurden an ihrem hinteren Ende angeschnitten, mit Chromessig- säure prall gefüllt und zugebunden. Die Chromessigsäure wurde zweimal in 24 Stunden erneuert. Da es bei Perca, Lota und Acerina cernua fast unmög- lich ist, die Schwimmblase ohne Verletzung ihrer äußerst dünnen Wandung herauszupräpariren, so legte ich den ganzen Fisch nach Entfernung der Leber und Abtragung der seitlichen Körperwandung bis zur Schwimmblase in Chrom- essigsiure. Die Behandlung mit letzterer dauerte 24—48 Stunden, je nach der Größe des Fisches. Darauf folgte Auswaschen in laufendem Wasser und Be- handlung mit Alkohol, zuerst 50/9, dann 70°/) ete. Die Schwimmblase wurde während des Auswaschens mit destillirtem Wasser angefüllt und zugebunden. Später jedoch, während der Behandlung mit Alkohol, wurden die Schwimm- blasen in der ventralen Medianlinie eröffnet, um dem Alkohol eine freiere Ein- wirkung zu gestatten. Die Anfüllung der Schwimmblasen mit Chromessigsäure war zur Erhaltung des inneren Epithelbelags unbedingt nothwendig. b) Injektionen. Was die Injektionen angeht, so habe ich mich vor Allem des Berlinerblaus in kalt gesättigter Lösung bedient. Dieselbe wurde vor dem Gebrauch durch Flanell filtrirt. Zur Darstellung der Wundernetze und der Gefäßvertheilung auf Flächenpräparaten und Serienschnitten ist diese Lö- sung vorzüglich. Ohne Ausnahme waren auch bei schwachem Injektionsdruck Arterien und Venen, letztere sogar auch bis in die größeren Stämme hinein, gefüllt. Ich machte die Injektionen der Arterien von der Radix Aortae aus; die der Venen vom Sinus venosus aus; die Präparate stellten sich kaum ver- schieden dar, mit dem Unterschied jedoch, dass bei Injektion von der Aorta aus die Arterien, bei derjenigen vom Sinus venosus aus die Venen praller ge- füllt und folglich dunkler gefärbt erschienen. Es war daher leicht, Venen Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 5 und Arterien zu unterscheiden. Die injicirten Präparate wurden im Weiteren genau so mit Chromessigsäure und Alkohol behandelt, wie die nicht injieirten. Für die Darstellung der makroskopischen Gefäßverzweigung bediente ich mich der Gelatineauflösung, mit Chromgelb gefärbt. Ich kochte die Gelatine 12—15 Stunden auf dem Wasserbad, und konnte sie dann ohne Weiteres in den frischen und nicht erwärmten Fisch injiciren. Die Gelatine blieb auf Ar- terien oder Venen beschränkt, je nach dem Ausgangspunkt der Injektion. . Die Präparate wurden in Alkohol konservirt. Salmo fario. © Lage der Schwimmblase. Die einfachsten Verhältnisse so- wohl in Bezug auf Form der Schwimmblase als auch auf Vertheilung der Blutgefäße finden sich bei Salmo fario.: Die. Schwimmblase zieht sich hier, in ihrem vordersten Abschnitt dem Vorderdarm eng angelagert, ventralwärts von den Nieren in der ganzen Ausdehnung der Peritonealhöhle als ein Sack hin mit durchsichtigen, spärlich von Blutgefäßen versorgten Wandungen. Von Blutdrüsen fand ich keine Spur. Weder im vordersten, mit der Darmwandung enger verbun- denen Abschnitt, noch im hinteren, vom Peritoneum überzogenen Theil zeigte sich irgend eine Differenzirung der Wandung in dem Sinne, dass dieselbe an keiner Stelle dieker oder dünner oder gar mit Wundernetzen versehen war. Der Peritonealüberzug der Schwimm- blase setzt sich an zwei Stellen von der Schwimmblase auf die ven- tralwärts zu beiden Seiten derselben gelagerten Ovarien oder Hoden fort. Diese Peritonealduplikaturen gehen etwas seitlich von der ven- tralen Medianlinie ab und erstrecken sich bis ans hintere Ende der Schwimmblase. Der Ductus pneumaticus ist vorhanden und geht an jener Stelle von der Schwimmblase ab, wo dieselbe in ihrem vorder- sten Abschnitt dem Darm eng anliegt. Die Abgangsstelle liegt etwas nach rechts, die Einmündungsstelle in den Darm fast genau in der Medianlinie. Um genaue Maße anzugeben, so hat bei einem Exemplar von 12 em Länge die Schwimmblase eine Ausdehnung von vorn nach hinten von 41/, cm, der Ductus pneumaticus eine Länge von 4 mm und sein Lumen einen Durchmesser von ca. 3/, mm. Die Einmün- dungsstelle des Ductus in den Darm liegt etwa */,; em caudalwärts von dem Anfang des Ösophagus, der bei mit Berlinerblau inji- eirten Präparaten durch die blaue Färbung der dicht neben einander liegenden Kapillaren besonders markirt ist. Eine feine Sonde lässt sich leicht vom Darm aus durch den Ductus pneumaticus in die Schwimmblase einführen. 6 H. K. Corning Dorsalwärts von der Schwimmblase liegen bekanntlich die Nie- ren; zwischen Schwimmblase und Nieren spannt sich eine derbe, aber elastische Membran aus, deren Fasern vorzugsweise eine zur Körperlängsacbse quere Richtung haben. Diese Membran ist äußerst gefäßarm:; sie besteht fast ausschließlich aus elastischen Fasern, ist hier und da von Gefäßen durchbrochen, welche zur Schwimmblase gehen, oder von derselben kommen. Die Arterien entspringen aus den Intercostalarterien; die Venen münden in die Intercostalvenen ein. Gefäßversorgung. Um gleich jetzt die Verhältnisse der Gefäßversorgung in der Forellenschwimmblase zusammenzufassen, so bemerke ich, dass außer den so eben genannten Gefäßen noch an- dere, aus dem Gebiete der Darmgefäße kommende an die Schwimm- blase gelangen. Von einer Arterie, welche die linke Seite des Ma- genblindsackes versorgt, geht ein Zweig mit dem Ductus pneumaticus an die Schwimmblase. Diese Arterie versorgt die Umgebung der Einmündungsstelle des Ductus in die Schwimmblase bis etwa 1 em caudalwärts von derselben. Einzelne Ästchen anastomosiren mit Arterien aus dem Gebiet der Aorta abdominalis, die, wie oben er- wähnt, eine dorsalwärts von der Schwimmblase gelegene Membran durchbrechen. Andere Anastomosen bestehen mit Ästehen, die von den Aa. spermaticae s. ovarii abgehen. Letztere liegen in den Pe- ritonealduplikaturen, die sich zu beiden Seiten der Medianlinie von der Schwimmblase zu den genannten Organen erstrecken. In den Peritonealduplikaturen verlaufen auch Gefäße zur Schwimmblase, welche die erwähnten Anastomosen mit den aus der Aorta abdomi- nalis und der Coeliaca stammenden Gefäßen bilden. Auch Venen verlaufen in der Peritonealduplikatur von der Schwimmblase zu den Hoden oder Ovarialyenen. Eine der vorderen Schwimmblasenarterie entsprechende Vene verläuft an den Vorderdarm und mündet in eine Darmvene, die ihrerseits zum Gebiet der Pfortader gehört. Struktur der Wand der Schwimmblase. Was die Struk- tur der Schwimmblasenwand angeht, so lässt sie sich leicht von der zwischen Niere und Schwimmblase liegenden Membran abziehen. Die Trennung der Wand der Schwimmblase in mehrere Schichten, wie dies bei anderen Fischen (so beim Aal und bei Perca) durch Zug mit Pincetten möglich ist, gelingt nicht. Vielmehr ist auch der Peritonealüberzug fest mit der Wand verbunden. Mikroskopisch lassen sich an der Schwimmblase zwei Abschnitte unterscheiden, je nach dem Charakter des die innerste Schicht der Wandung bildenden Epithels. Im hinteren und weitaus größeren Abschnitt ist das Epithel Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier, 7 kubisch, stellenweise auch ganz platt, im vorderen Abschnitt, der eine Länge von '/.—*%/, em hat, ist das Epithel hoch, cylindrisch, eben so auch im Ductus. Außerdem finden sich noch leichte Unter- schiede in der Dicke der Wandung und der Muskelschicht, die im hinteren Abschnitt mächtiger ist als im vordersten. Untersuchen wir zunächst einen Querschnitt des hinteren Ab- schnittes (Fig. 1), so haben wir folgendes Bild: Auf das Peritoneal- epithel, eine Schicht einfachen Plattenepithels (a), folgt eine Schicht von aufgefasertem und gequollenem Bindegewebe (4) und darauf nach Innen eine sehr mächtige Schicht von glatter Muskulatur (c und d), deren äußere Fasern (c) einen Längsverlauf haben, während die inneren Züge (d) als überwiegende Masse eine Ringmuskulatur dar- ‚stellen. Auf diese Muskelschicht folgt endlich der innere Epithel- belag der Schwimmblase (e), bestehend aus kubischen Zellen mit rundem, basalständigem Kern. Diese Zellen haben eine Höhe von 15 w und sind meist eben so breit. Doch gilt diese Beschreibung nicht für alle Zellen des Epithelbelags. Zwischen letzterem und der Muskelschicht sind auf den Querschnitten der Schwimmblase hier und da Gefäße in Quer- oder Schrägschnitt getroffen (f). Sie ver- laufen also unmittelbar unter, d. h. nach außen vom Epithel, wel- ches an diesen Stellen (f) höher ist, als im übrigen Umkreis der Schwimmblase; der Kern ist auch mehr basalständig, als bei den kubischen Epithelzellen. Solcher differenzirter Stellen kommen 2—3—4 im Querschnitt der Blase vor; die Cylinderzellen gehen allmählich in die kubischen Zellen über. Verhältnisse des Epithels im vorderen Abschnitt. Was den vordersten Theil der Schwimmblase angeht, so hat das Epithel durchweg einen cylindrischen Charakter. Bei Längsschnitten durch das ganze vordere Ende der Schwimmblase mit dem Ductus zeigt es sich, dass die muskulöse Wandung der Schwimmblase nach vorn hin an Mächtigkeit zunimmt. Auch am Ductus sind noch die nämlichen Schichten der Muskulatur zu erkennen, eine äußere Längs-, eine innere Ringmuskulatur. In der Wandung des Ductus, nach außen von der Muskelschicht, liegen die zur Schwimmblase gehen- den Arterien resp. Venen und Nerven. Der Ductus pneumaticus be- sitzt ebenfalls eine Auskleidung von Cylinderepithel. Vertheilung der Gefäße. Was die Vertheilung der Gefäße an die Blasenwand angeht, so lassen sie sich mikroskopisch am besten auf dem Flächenpräparat eines Stückes der Wand erkennen. Die Arterien verzweigen sich baumförmig und allmählich; nirgends B- | H. K. Corning findet sich eine plötzliche Auflösung in ein Wundernetz. Ganz ähn- lich verhalten sich auch die Venen. Letztere lassen sich leicht durch ihre größere Weite und bei Injektionen. von der Radix Aortae aus durch ihre hellere Farbe von den Arterien unterscheiden. Wir haben also in der Forellenschwimmblase sehr einfache Ver- hältnisse. Ein aus Bindegewebe und glatter Muskulatur bestehender Schlauch hat innen eine Epithelüberkleidung, die durch eine leichte Differenzirung zu den Gefäßen in Beziehung zu treten scheint. Das Epithel ist an der Einmündungsstelle des Ductus pneumatieus, sowie in letzterem selbst höher, als im hinteren Theil der Schwimmblase, ohne dass diese Veränderung an Gefäßverhältnisse geknüpft wäre. Ob diese einfachen Zustände als Vorstufe der bei Perea, Esox lucius. und anderen Fischen sich findenden Einrichtungen zu betrachten seien, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls finden sich aber schon bei der Forelle Beziehungen zwischen dem Epithel der Schwimmblase und deren Gefäßen, welche bei den jetzt zu betrach- tenden Formen eine weitere Ausdehnung und gewiss für die Funk- tion der Schwimmblase eine höhere Bedeutung gewinnen. Perca fluviatilis. Frühere Untersuchungen. Die Schwimmblase von Perca fluviatilis ist von manchen Autoren als ein Beispiel für eine ge- schlossene Schwimmblase angeführt worden. Der Ductus pneumati- cus ist gänzlich atrophirt, obgleich sich die Einmündungsstelle in den Darm und in die Schwimmblase mit großer Genauigkeit er- kennen lässt. Die eigenthümlichen Gebilde, die in der Litteratur unter verschiedenen Namen erwähnt sind, und die ich als »Blut- drüsen« bezeichnen werde, sind in Folge dieser genauen Unter- suchungen schon lange bekannt und wurden von DE LA ROcCHE, RaTHKE und am ausführlichsten von Jon. MÜLLER beschrieben. Letzterer giebt sogar wohl nach Flächen- und Macerationspräparaten viele Einzelheiten über die mikroskopische Struktur dieser merk- würdigen Organe. Über das Vorkommen von Wundernetzen im en- geren Sinne, die ich im Folgenden als einfache Wundernetze be- zeichnen werde, finde ich keine Angaben. Lageder Schwimmblase. Die Schwimmblase zieht sich bei Perea in der ganzen Ausdehnung der Peritonealhöhle ventralwärts von den Nieren hin. Vorn am breitesten, wird sie nach hinten allmählich schmächtiger und endet stumpf. Um die Verhältnisse durch Maße Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 9 zu veranschaulichen, erwähne ich, dass bei einem Barsch von 20 em Länge die Schwimmblase eine Länge von 6,2 cm hatte, und an der breitesten Stelle eine Breite von 1,8 em. Diese Stelle entsprach der Lage eines Punktes an der ventralen Wand der Schwimmblase, der 1,2 em von dem vorderen Ende entfernt war, und an dem sich ein von dem Vorderdarm zur Schwimmblase ziehender Strang ansetzte. In diesem Strang ließen sich mehrere, von den Darmgefäßen kom- mende resp. in dieselben einmündende Arterien und Venen erkennen. Beziehungen des Peritoneums zur Schwimmblase. Die ventrale, gegen die Leibeshöhle sehende Wand der Schwimm- blase ist vom Peritoneum überzogen. Letzteres geht als Fortsetzung des Peritoneum parietale s. costale auf die Schwimmblase über und zieht, dieselbe von beiden Seiten bis zur Medianlinie überkleidend, weiter zum Ovarium resp. zum Hoden. So kommt eine Membran zu Stande, welche die genannten Organe mit der Schwimmblase ver- bindet und welche von letzterer in der Medianlinie abgeht. In dieser Membran ziehen viele feine Astchen von den Ovarial- resp. Hoden- 'gefäßen zum Peritonealüberzug der Schwimmblase, welche eine im Ganzen ziemlich spärliche Gefäßverbreitung aufweist. Der Perito- nealüberzug verschmilzt vollständig mit der äußeren fibrösen Haut der Schwimmblase und lässt sich nieht von ihr trennen. | ‘- An den Peritonealüberzug der Rippen setzen sich, entsprechend jedem Myokomma, ein bis zwei sehnige Streifen fest, die, von der Schwimmblase herüberziehend, eine Verstärkung des Peritoneums bilden. Die Oberfläche der Schwimmblase ist in den hinteren Par- tien streifig glänzend, einzelne pigmentirte Stellen sind besonders an den Seiten zu erkennen. ‚Struktur der Schwimmblasenwandung. Die Wandung selbst ist. viel dünner als diejenige von Lota oder vom Hecht. Sie verhält sich zu letzterer wie 1:4 in ihrer Mächtigkeit. Bei frischen Präparaten, und noch leichter bei solchen, die mit Chromessigsäure gehärtet waren, ließen sich durch Präparation mit Nadel und Pincette zwei Schichten sondern. Die äußere ist derb und fibrös, ist mit dem Peritoneum verwachsen; die innere Schicht ist weit zarter und an ihrer, dem Blasenlumen zugekehrten Oberfläche glänzend weiß. Bei Chromessigsäurepräparaten waren diese Schichten stellenweise von einander abgehoben; bei frischen Präparaten genügt der Zug mit Pincetten, um eine Trennung zu bewirken. Auf Serien von Querschnitten zeigt sich Folgendes. Der Peri- tonealüberzug schließt gegen die Bauchhöhle hin mit einer Lage 10. H. K. Corning von Plattenepithelzellen ab. Auf diese folgt nach innen die fibröse Haut, die eine äußere ringförmige und eine innere Längsschicht unterscheiden lässt. Muskelfasern sind nicht nachzuweisen, dagegen finden sich, besonders gegen den innersten Theil der fibrösen Schicht, elastische Fasern, die jedoch keineswegs zu einer selbständigen Schicht entwickelt sind. Der Charakter des die fibröse Wandung zusammensetzenden Gewebes ist der von straffem Bindegewebe, das sich durch Seltenheit zelliger Elemente auszeichnet. Auf die fibröse Schicht folgt nach innen als Abschluss gegen das Blasenlumen noch eine Lage von Plattenepithel, das sich in nichts von dem Plattenepithel des Peritoneums unterscheidet. Ich werde später bei Besprechung der Flächenpräparate noch Gelegen- heit haben, einige Einzelheiten über dieses innerste Epithel, das auch bei Esox lucius, Perea und Acerina cernua den nämlichen Charakter besitzt, nachzutragen. Differenzirungen der Wandung. Beziehungen zu den Gefäßen. Die geschilderte Struktur der Wandung ist für die ganze Schwimmblase mit Ausnahme von zwei Stellen gültig. Da die an diesen Stellen auftretenden Eigenthümlichkeiten an die Verhältnisse der Gefäßversorgung und der Gefäßvertheilung geknüpft sind, so ist es nöthig, diese genauer ins Auge zu fassen. Denn es treten hier die Gefäße in nähere Beziehung zum Innenraum der Schwimmblase und geben so zur Entstehung jener Gebilde Veranlassung, die ich als Blutdrüsen und einfache Wundernetze bezeichnet habe. Gefäßversorgung im vorderen Abschnitt. Ganz eben so, wie die Forellenschwimmblase, erhält die Schwimmblase von Perca ihr arterielles Blut aus zwei verschiedenen Quellen, aus der Coeliaca und aus der Aorta abdominalis. Verfolgen wir zunächst diejenigen Gefäße, welche aus der Coeliaca entspringen. Auf Fig. 2 ist der Verlauf der Coeliaca, von ihrem Ursprung aus der Aorta, bis zur Abgabe der an den Darm gehenden Gefäße gezeichnet, mit Weglassung aller kleinen und für unseren Gegenstand unwesent- lichen Verzweigungen. Die Ansicht ist von rechts. Gemeinsam mit einer Arterie, welche die rechte Seite des Magens versorgt, ent- springt die zum vorderen Theil der Schwimmblase gehende Arterie (Art. ves. aer. anterior). Die Abgangsstelle der beiden Arterien von ihrem gemeinsamen Stamm liegt etwa 2 cm von ihrer Ursprungs- stelle aus der Coeliaca entfernt. Die Schwimmblasenarterie wendet sich ventralwärts und geht an den oben erwähnten Punkt, der 1,2 cm caudalwärts von dem vorderen Ende der Schwimmblase gelegen ist. Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 11 Hier zerfällt sie in drei Zweige, welche die Blutdriisen versorgen und sich in ihrem Verlauf folgendermaßen verhalten: Ein Zweig («) geht nach rechts und hinten; er verzweigt sich an zwei Blutdrüsen und sendet noch einen langen Ast zu einer dritten, entfernter liegen- den Blutdriise. Ein anderer Zweig (4) geht nach hinten links und theilt sich bald nach seinem Abgang von dem Hauptstamm in drei Ästehen, die an eben so viel Blutdrüsen gehen. Der letzte Zweig (c) geht nach vorn und rechts, ebenfalls an drei Blutdrüsen. Die Blutdrüsen. Ihrmakroskopisches Verhalten. Die Blutdrüsen bestehen, makroskopisch gesehen, aus fächer- oder tul- penförmigen Ausstrahlungen der Gefäße, die von dieken gelblichen Säumen umgeben sind. Bei starker Injektion sieht man mit BRÜckE- scher Lupe, dass auch in den Säumen Gefäße verlaufen, die jedoch nicht mehr fächerförmig angeordnet sind, sondern ein unregelmäßiges und ziemlich dichtes Netz bilden. Die Zahl und Lage der Blut- drüsen ist bei verschiedenen Exemplaren ziemlich konstant. Ihre Zahl übersteigt nie zehn (makroskopisch gesehen, denn bei mikro- skopischer Untersuchung zerfällt jede größere Blutdrüse in eine An- zahl kleinerer); meist sind es neun und die zehnte erscheint als Anhiingsel einer größeren Blutdrüse, oder kann auch ganz fehlen. Die Grenze der zelligen Säume gegen die Umgebung ist vollständig scharf; niemals finden sich inselförmige, abgesprengte Partien. Hier und da sind kleinere Gefäße zu erkennen, die von den Blutdriisen aus in der Schwimmblasenwandung nach hinten verlaufen und mit Zweigen aus dem hinteren Gefäßgebiet anastomosiren, doch sind diese Anastomosen selten, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die überwiegende Masse des zufließenden Blutes seine Vertheilung in den Blutdrüsen selbst findet und nicht darüber hinaus geht. Vene der Blutdrüsen. Die Vene, welche das Blut aus den Blutdrüsen sammelt, ist ebenfalls einfach. Sie zieht mit der Arterie gegen den Magen und mündet hier in eine Vene, die das Blut von der rechten Seite des Magenblindsackes sammelt. Diese Magenvene ihrerseits gehört zum Gebiet einer großen Vene, die sich kurz vor dem Hals der Gallenblase in die Leber einsenkt. Es ist also klar, dass die Venen der Blutdrüsen dem Pfortadersy- stem angehören und dass sich wenigstens dieser Abschnitt der Schwimmblase in Bezug auf seine Gefäßverhältnisse wie ein Darm- anhang verhält. Lage der Blutdrüsen in Bezug auf die »Häute« der Schwimmblase. Bei der Abpriparation der Wandung der 12 H.*K. Corning Schwimmblase und dem Versuch, die einzelnen Schichten wie an anderen Stellen zu trennen, zeigt es sich, dass, während die äußere oder fibröse Schicht sich ohne Weiteres abziehen lässt, die innere oder Plattenepithelhaut fest mit dem zelligen Saum verwachsen ist und sich nur über der fächerförmigen Gefäßverbreitung in großen Fetzen abziehen lässt. Diese Thatsache erklärt DE LA RocHE’s Auf- fassung der Blutdrüsen als einer »renflement de la membrane interne« (Annales du Muséum. T. XIV. pag. 204) und ihrer Lage als »plutot dans l’epaisseur de la membrane interne«, eine Ansicht, deren Un- richtigkeit JoH. MÜLLER nachgewiesen hat (Archiv für Anat. und Physiol. 1840. pag. 132). Vielmehr liegt, wie JoH. MÜLLER richtig bemerkt, die innerste Plattenepithelhaut über den Blutdrüsen, so dass dieselben mit ihren zu- und abführenden Gefäßen zwischen die bei- den »Häute« der Schwimmblase zu liegen kämen (loc. cit. pag. 138). Zugleich bemerkt Jon. MÜLLER, dass die übrigen Theile der Schwimm- blase ihr Blut aus ganz anderen Quellen beziehen als die Blutdrüsen. Mikroskopischer Bau der Blutdrüsen auf Flächen- präparaten. Bildung der Wundernetze. Zur ersten Orien- tirung über den mikroskopischen Bau und die Gefäßverhältnisse der Blutdrüsen dienen wohl am besten Flächenpräparate von injieirten Objekten, in der Weise hergestellt, dass die äußere fibröse Mem- bran über den Gefäßstämmen, sowie über den zelligen Säumen ab- gezogen, und die Gefäße selbst, mit den daran hängenden zelligen Säumen, auf dem Objektträger ausgebreitet werden. Betrachtet man ein solches Präparat mit schwacher Vergrößerung, z. B. mit HART- NACK II Oc. 3, so hat man folgendes Bild: Zu jeder Blutdrüse ver- laufen zwei Gefäße, die in einem Strang beisammen liegen, der aus Bindegewebe und sehr zahlreichen glatten Muskelfasern besteht. Auf Fig. 3 ist bloß die Arterie dargestellt; ihr Kaliber verhält sich zu demjenigen der Vene wie 1:2. An einer bestimmten Stelle (h Fig. 3), die wir als Hilus der Blutdrüse bezeichnen wollen, be- ginnt die Theilung der Gefäße. Sie ist eine gablige, und zwar in der Art, dass der ursprüngliche Stamm zuerst in zwei Äste zerfällt, diese wieder in je zwei etc. Auf diese Weise kommt, bei schwa- cher Divergenz der Ästehen, eine fächerförmige und ungemein dichte Gefäßverzweigung zu Stande. Genau eben so wie die Arterien, ver- halten sich auch die Venen, und zwar wechseln im Gefäßfächer Ar- terien und Venen mit einander in der Weise ab, dass jede Arterie zwischen zwei Venen oder jede Vene zwischen zwei Arterien liegt. Gegen die zelligen Säume hin hört die Theilung der feinen Astchen Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 13 auf; sie verlaufen, ziemlich häufige Anastomosen mit einander bil- dend, und nur schwach divergent, gegen die Säume. Die Stelle, wo sie dieselben erreichen, ist für die ganze Blutdrüse gleich weit von dem Eintrittspunkt der Gefäße, dem Hilus, entfernt, obgleich es auf dem Flächenpräparat scheint, als ob einige Gefäßbündel frü- her in den zelligen Theil des Organs eintreten, als andere. Dies ist dadurch bedingt, dass hier und da Gefäßbündel an der Eintritts- stelle in die Säume umbiegen und wieder gegen den Hilus verlaufen, wobei sie sich zwischen Zellen verzweigen, welche die vom Hilus eintretenden und sich gablig theilenden Gefäße eine Strecke weit überlagern. In keinem Fall jedoch erreicht dieser Theil der »Säume« den Hilus der Blutdrüse. Ich werde bei Besprechung von Schnitt- serien durch die Blutdrüsen auf diese Verhältnisse zurückkommen. Verzweigung der Blutgefäße zwischen den Zellen der »Siume« Mit dem Eintritt der Blutgefäße zwischen die Zellen ändert sich die Art der Verzweigung: Einzelne Gefäße verlaufen ziemlich gerade bis zur Grenze der »Säume« gegen den übrigen Theil der Schwimmblase. Die meisten Gefäße gehen jedoch in ein zwischen den Zellen liegendes Gefäßnetz ein, in dessen Anordnung keine Regelmäßigkeit zu erkennen ist. An der Grenze der Blut- drüsen bilden die Gefäße Schleifen, wobei die feinsten Arterien ohne Weiteres in feine Venen übergehen (Fig. 4). Bei verschiedener Ein- stellung des Mikroskops erkennt man noch, dass die Zellen keine einfache Schicht bilden, und dass sich folglich auch die Gefäße in mehreren Schichten verzweigen (Fig. 4 cc). Beschreibung der »zelligen Säume«. Die Zellen sind in Balken oder Strängen angeordnet, welche sich ganz atypisch zwi- schen die Blutgefäße einlagern. An vielen Stellen haben sie einen radiären Verlauf, wenn man die Blutdrüse als Segment eines Kreises und den Hilus als Mittelpunkt desselben annimmt. Neben diesen radiär verlaufenden Strängen kommen andere vor, welche, die erste- ren in verschiedenen Winkeln kreuzend, sich hier und da mit ihnen vereinigen. An der Eintrittsstelle der Gefäße in die zelligen Säume sind die Zellen in mehreren Schichten angeordnet, oft vier bis fünf, die gegen die Peripherie an Zahl abnehmen und schließlich an der Grenze der Blutdrüse bloß noch durch eine einzige Schicht darge- stellt sind, deren Grenze scharf und regelmäßig ist. Die Zellschicht sendet jedoch an einzelnen Stellen Zellbalken als Ausläufer in die Umgebung, welche sich ohne Ausnahme an jene schon mit BRÜCKE- scher Lupe erkennbaren Gefäße anschließen, die aus der Blutdrüse 14 H. K. Corning in das Gefäßnetz der übrigen Schwimmblase eintreten und Anasto- mosen mit den aus der Aorta abdominalis stammenden Gefäßen bil- den. Solcher Anastomosen sind jedoch nur wenige vorhanden; ich habe an den meisten Blutdrüsen bloß 2—3—4 gefunden, nirgends größere Äste. Der Gefäßbezirk der Blutdrüsen darf daher wohl als abgeschlossen gelten. Die Größe der Zellen ist ungemein verschieden. Bei « (Fig. 4) ist eine Zelle gezeichnet, die zwei Kerne besitzt und in der Richtung der Linie ad eine Ausdehnung von 40 u, in der darauf senkrechten, ebenfalls in der Ebene des Papiers liegenden Richtung eine Aus- dehnung von 20 u. Die Größe der auf der Figur im Flächenbild gezeichneten Zellen ist daraus leicht zu ersehen. Die Zellstränge bestehen meist aus zwei Zellreihen, doch kommt es hier und da vor, dass größere Zellen, wie bei a, den ganzen Raum zwischen den Gefäßschlingen einnehmen. Die Zellenlage bei e (Fig. 4) ist die letzte, die gegen die Peripherie der Blutdrüse zu erkennen ist. Links ist der Übergang eines Gefäßes in das Netz der übrigen Schwimmblase gezeichnet. Struktur der Blutdrüsen auf Schnitten. Mit den Flä- ehenpräparaten müssen Schnittserien kombinirt werden, um zu vollem Verständnis dieser Gebilde zu gelangen. Ich habe Radiär- und Querschnitte angefertigt. Die Radiärschnitte hatten die gleiche Rich- tung, wie die in die Blutdrüse eintretenden Gefäße, die Querschnitte trafen auch die Gefäße im Querschnitt. Endlich habe ich noch Quer- und Längsschnitte durch den vom Darm zur Schwimmblase verlaufenden Strang angefertigt, um festzustellen, ob von dem ma- kroskopisch nicht mehr zu erkennenden Ductus pneumaticus noch mikroskopisch nachweisbare Reste vorhanden seien und ob in diesem Strang neben den Gefäßen auch noch ein Ausführgang für die Blut- drüsen verlaufe. Die Radiärschnitte werden durch Fig. 5 und Fig. 6 veranschau- licht. In der ersten (Fig. 5) sind bei a zwei Gefäße gezeichnet, ein weiteres, weniger stark injieirtes, die Vene, und ein engeres, prall gefülltes, die Arterie. Sie sind von ziemlich straffem Gewebe, welches zahlreiche glatte Muskelfasern enthält, umgeben. Darauf folgt bei 5 die Stelle, .wo auf dem Flächenpräparat die Gefäße sich gablig theilen; die Gefäße sind natürlich im Schräg- und: Längs- schnitt getroffen. Die Dieke des so entstehenden Gefäßbündels ist leicht aus der Figur zu erkennen. Zwischen den sich theilenden Gefäßen liegen sehr zahlreiche glatte Muskelfasern, die mit Binde- Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 15 gewebe ein Geriist fiir die zahlreichen feinen Arterien und Venen abgeben. Die Venen sind bei arterieller Injektion strotzend mit Blutkörperchen gefüllt und zeigen keine Spur von Injektionsmasse. Diese Partie der Blutdrüse erstreckt sich bis zu dem Eintritt der Gefäße in den zelligen Saum und wird gegen denselben hin weniger mächtig, wobei zu bemerken ist, dass die Gefäße näher beisammen liegen und das Gerüst von glatter Muskulatur in Folge dessen we- niger entwickelt ist. Bei d treten die Gefäße zwischen die Zellen ein, hier und da begleitet von glatter Muskulatur, die sich noch eine Strecke weit zwischen die Zellbalken verfolgen lässt. Der Zellensaum besteht (Fig. 6), wie wir schon am Flächen- präparat gesehen haben, aus großen, ein- oder auch zweikernigen Zellen mit durchaus atypischer Anordnung. Weder Driisenlumen noch Ausführgang sind zu sehen. Die Dicke des Saumes nimmt gegen die Peripherie hin ab, schließlich besteht er bloß noch aus einer einzigen Schicht immer kleiner werdender Zellen. An der mächtigsten Stelle des Saumes, dort, wo die Gefäße eintreten, liegen manchmal sechs bis sieben Zellen über einander, doch können sich auch drei große Zellen über den gleichen Raum ausdehnen. Die Zellschichten sind nach dem Blasenlumen hin von Plattenepithel überkleidet, das sich kontinuirlich in die innere Plattenepithelschicht der Blase fortsetzt. Letzteres bedeckt auch nach innen die zur Blut- drüse tretenden Gefäße, sowie die aus ihnen entspringenden Äste. Die fibröse Haut zeigt über der Blutdrüse keinerlei Eigenthümlich- keiten. Die Querschnitte sind bloß bemerkenswerth wegen des merk- würdigen Bildes, das sie von den querdurchschnittenen Gefäßbündeln geben. Wie die Zellen einer Honigwabe wechseln Arterien und Ve- nen, zwischen ihnen überall das Gerüst der glatten Muskulatur. Die Zellbalken der Säume liegen in einem sehr spärlichen, die Gefäße enthaltenden Bindegewebsgerüst. Glatte Muskelfasern fehlen gänzlich in den peripheren Partien; einzelne treten mit den Gefäßen ein (bei d Fig. 6), lassen sich aber nur eine kurze Strecke weit verfolgen. Frage nach einem Ausführgang der Blutdrüsen. Die erste Frage bei der Entscheidung der Natur dieser eigenthümlichen Organe war natürlich die nach einem Ausführgang. Ein solcher findet sich weder auf den Querschnitten der »Blutdrüse« selbst, noch lässt er sich auf Querschnitten des zum Darm ziehenden Stranges erkennen. Letzterer ist vom Peritoneum überzogen und enthält neben 16 H. K. Corning den Gefäßen noch zwei starke Nervenstränge mit eingelagerten Gan- glienzellen, aber nichts, was sich als Ausführgang der Blutdrüsen oder als Ductus pneumaticus ansprechen ließe. Angaben von JOH. MÜLLER über Driisenlumina. Jou. MÜLLER giebt (Archiv für Anat. und Physiol. 1840. pag. 133) eine Schilderung der »Säume« als »durch und durch zelliger, mit dem Wundernetz verbundener Drüsen zur Ausscheidung der Luft der Schwimmblase«. »Die Büschel (von Gefäßen) dagegen bestehen ganz aus Garben gestreckter, arteriöser und venöser kapillaren Röhren«. Ferner sagt er: »Da eine überaus feine Fortsetzung der inneren Haut der Schwimmblase diese drüsigen Säume bedeckt, so begreift man nicht sogleich, wie die von den drüsigen Säumen abgesonderte Luft nach dem Inneren der Schwimmblase dringt, wenn nicht etwa feine Drüsenkanäle (von denen hin und wieder Durchschnitte ein undeutliches Bild geben) mit der Schleimhaut der Säume zusammenhängen. Die Existenz dieser Verbindung lässt sich nicht direkt an diesen Säumen nachweisen.« Ich habe weder von Drüsenkanälen, noch von Off- nungen auf der inneren, die drüsigen Säume überkleidenden Schicht der Schwimmblase etwas auffinden können. Einfache Wundernetze. Die zweite Stelle, an welcher sich eine Differenzirung der Wandung in Bezug auf Gefäße vorfindet, liegt im hinteren Drittel, an der dorsalen Wandung. Diese Bildun- gen sind nicht so leicht zu erkennen, wie die durchaus analogen einfachen Wundernetze im hinteren Theil der Hechtschwimmblase; doch sind sie bei injieirten Präparaten ohne Schwierigkeit aufzu- finden. Ihre Lage. Bei einem Barsch von 30 cm Länge (Injektions- präparat, in Chromessigsäure konservirt) zeigte sich an der dorsalen Wand im hinteren Drittel der Schwimmblase eine symmetrisch zur Medianlinie gelegene Stelle mit scharfer, ovaler Begrenzung, inner- halb welcher die Wand der Schwimmblase sichtbar dünner war als in der Umgebung, indem ein dorsal zwischen Schwimmblasenwandung und Nieren gelegenes Gefäßnetz durchschimmerte. Diese Stelle, die ich im Folgenden kurzweg als »das Oval« bezeichnen werde, hatte von vorn nach hinten eine Ausdehnung von 3,2 cm, und von links nach rechts eine solche von 2 em. Die Wandung vom Oval hatte sich, wohl in Folge der Einwirkung der Chromessigsäure, von ihrer Unterlage, dem Gefäßnetz, abgehoben. Ich suchte vergebens in der Litteratur nach Angaben über diese merkwürdige Bildung. Nur eine Notiz bei DE La Rocher, loe. cit. Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 17 pag. 272, scheint auf etwas Ähnliches bei Diodon rivularis hinzu- weisen; er sagt aber bloß: »La paroi supérieure de la vessie offre un repli circulaire de la membrane interne, repli dont j’ignore l’usage. « Als ich frische Präparate untersuchte, konnte ich es mir erklären, warum diese Einrichtung, die bei Lota vulgaris, Acerina eernua und gewiss auch bei vielen anderen Fischen vorkommt, unerwähnt ge- blieben war. Bei ganz frischen und nicht injieirten Präparaten war vom Oyal fast nichts zu sehen. Erst nach 1/,—1 Stunde trat es deutlicher hervor und zeigte die gleichen Verhältnisse wie beim in- jicirten und gehärteten Präparat. Ich beziehe diese Thatsache auf die eigenthümliche Struktur des Ovals und auf das Vorhandensein einer mächtigen glatten Muskulatur in der Umgebung desselben. Struktur der Wand der Schwimmblase im Oval. Bei Untersuchung des Ovals in situ mit Brücke’scher Lupe zeigt sich die Umgrenzung desselben aus zwei Gewebszügen gebildet, die an der breitesten Stelle des Ovals mit einander verschmelzen, dagegen am vorderen und hinteren Ende weit aus einander weichen und so eine doppelte Umgrenzung zu Stande kommen lassen. Die Wand der Schwimmblase ließ sich im Oval leicht abziehen und behufs mikroskopischer Untersuchung im Flächenbild ausbreiten. Dabei zeigte es sich, dass der fibröse Theil der Schwimmblasen- wand sich an die Begrenzung des Ovals ansetzt und nicht auf das Oval selbst übergeht. Die mikroskopische Untersuchung ergab für die Begrenzung des Ovals folgende Einzelheiten. Die beiden erwähnten Gewebszüge be- stehen aus glatter Muskulatur; der das Oval unmittelbar umgrenzende ist einheitlich und löst sich nicht in einzelne Züge auf, während der äußere, wie gesagt, an der breitesten Stelle des Ovals mit dem In- neren verschmilzt und sich gegen das vordere und hintere Ende des Ovals hin in eine Anzahl von Muskelbündeln auflöst, die, vielfach sich kreuzend, ein Netzwerk bilden. Im Ganzen halten diese Muskel- bündel eine das Oval umkreisende Richtung ein. Außer dieser Muskulatur finden sich noch andere Fasern, welche, die ersteren im rechten Winkel kreuzend, gegen die Mitte des Ovals verlaufen. Sie bilden eine weniger einheitliche Schicht als eine Menge von vereinzelten Muskelbündeln, die sich hier und da zwi- schen die Faserzüge der zuerst beschriebenen Bündel einschieben. Beide Schichten sind nach innen hin, d. h. gegen das Lumen der Schwimmblase, von dem Plattenepithel derselben überkleidet, das sich ganz unverändert auf das Oval selbst fortsetzt (Fig. 7). Außer dem Morpholog. Jahrbuch. 14. 2 18 H. K. Corning großen, polyedrischen Plattenepithel setzen sich von der Umgebung aus Muskelzellenbalken auf das Oval fort, welche, gegen die Mitte des Ovals verlaufend, ein unregelmäßiges Netzwerk bilden. Auch Züge von elastischem Gewebe lassen sich im Oval verfolgen; ihr Verlauf ist ebenfalls ein radiärer. Gefäße sind spärlich und schließen sich an die glatte Muskulatur an. Gefäßschicht der einfachen Wundernetze. Lage der- selbenzum Oval. Das Oval tritt in Beziehung zu einer eigenthüm- lichen Gefäßschicht, welche dorsalwärts davon, zwischen Schwimm- blase und Nieren gelagert ist. Ihre Arterien stammen in mehreren Zweigen aus der Aorta: die Venen gehen in die Cardinalvenen. — Nach Abpräparation der ganzen dorsalen Schwimmblasenwand (bei In- jektionspräparaten) ist ein ungemein dichtes Gefäßnetz zu erkennen, das, mit Brücke’scher Lupe betrachtet, als blaue Membran erscheint. Es entspricht genau der Stelle, über welche sich ventralwärts die dünne Membran des Ovals hinspannt. Nach vorn und hinten von dieser Stelle, eben so nach den Seiten hin, nimmt die Dichtigkeit des Ge- fäßnetzes rasch ab; schon 1,5 em proximalwärts von dem vorderen Ende des Ovals lässt sich fast nichts mehr davon erkennen. Nur schwer gelingt die Ablösung der Gefäßhaut, besonders gegen die Medianlinie hin, wo ihre Gefäße ein- resp. austreten. An einzelnen Stellen gelingt es, eine andere, dorsalwärts liegende Membran zu trennen, die spärliche Pigmentzellen enthält und mit dem Überzug der Nieren zusammenhängt. Typus der einfachen Wundernetze. Im Flächenbild dar- gestellt und mit Harry. II. Oc. 3. betrachtet, giebt das injieirte Ge- fäßnetz ein außerordentlich zierliches Bild (s. Fig. S). Zahlreiche größere arterielle und venöse Gefäße treten, von der Medianlinie kommend, in das Netz ein. Die größten Arterien und Venen ver- laufen neben einander: für ihre kleineren Verzweigungen ist dies nicht mehr der Fall. Die Verzweigung kann im Ganzen als eine baumförmige bezeichnet werden, doch ist bemerkenswerth, dass sich dies bloß auf die großen und mittelgroßen Gefäße bezieht. Jeder Zweig einer größeren Arterie oder Vene giebt in ziemlich gleichen Intervallen Ästehen ab, die sofort in zahllose büschelförmig aus ein- ander gehende Zweige zerfallen. Diese gehen vielfache Anastomosen ein und stellen ein dichtes Capillarnetz dar. Aus einem arteriellen Capillarnetz gehen dann Venen hervor, die sich im Verlaufe ganz ähnlich verbalten wie die Arterien. Doch ist zu bemerken, dass dieser Zerfall in fächerförmige Wundernetze, den wir als Typus für Bi ae Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 19 Perca, sowie fiir Lota und Acerina cernua annehmen können, an vielen Stellen dadurch verdeckt ist, dass zahllose feinere Astchen vom Stamm aus direkt in das Wundernetz eintreten, wodurch der Eindruck erweckt wird, als ob die Capillaren unmittelbar, auch mit den größten arteriellen und venösen Stämmen, in Zusammenhang stünden. — Die größten Gefäße liegen dorsalwärts im Gefäßnetz und nicht unmittelbar unter dem Epithel des Ovals. Neben den durch die Wundernetze dargestellten Verbindungen der Arterien und Venen giebt es auch direkte Übergänge von Ar- terien in Venen. Vielfach geht eine kleine Arterie, die fortwährend auf ihrem Verlauf Ästehen an die Wundernetze abgegeben hat. schließlich in eine kleine Vene über. Diese Thatsache, zusammen mit der ungemeinen Ausbreitung des Capillargebietes. erklärt wohl die vortreffliche Injektion auch der größeren Venen, die bei Injektion von der Radix Aortae aus immer vorhanden war. Die dichtesten Wundernetze liegen, wie gesagt, dorsalwärts vom Oval. Seitlich und nach vorn nimmt die Dichtigkeit der Gefäßver- breitung rasch ab und stellt dann bloß noch einen Übergang von Arterien in Venen durch spärliche Capillaren dar. Was die Struktur der Membran angeht, in welcher die Gefäße liegen, so besteht sie aus Bindegewebe mit spärlichen glatten Muskel- fasern, besonders in der Umgebung der größeren Gefäße. Pigmentzellen der Gefäßschicht. Von der Wundernetz- schicht lässt sich, wie schon erwähnt, eine dorsalwärts liegende Schicht trennen. Sie zeichnet sich durch eigenthümliche Pigment- zellen aus (Fig. 9), welche meist einen sternförmigen Umriss ha- ben (Fig. 9 a) oder sich als Pigmentkugeln mit kurzen, klumpigen Fortsätzen (Fig. 9 d) darstellen oder als einfache Pigmentflecke ohne Fortsätze (Fig. 9 c). Diese Chromatophoren stehen um das Zwei- oder Dreifache ihres Durchmessers von einander ab, sind also bloß spärlich vorhanden. Zum Vergleich habe ich auch eine Pigmentzelle des Peritoneum parietale abgebildet (Fig. 9 d), die sich in Größe und Form anders verhält. Ergebnis. Wir haben also in der Schwimmblase von Perea fluviatilis Vorrichtungen zweierlei Art, die sich beide auf die Ver- zweigung der Gefäße beziehen. Im vorderen Theil der Blase die Blutdrüsen, die dem Gefäßbezirke des Intestinaltractus angehören; im hinteren Theil einfache Wundernetze, die bloß durch eine Epi- thellage von dem Lumen der Schimmblase getrennt sind. Wir haben nun beim Hecht Bildungen ähnlicher Art zu betrachten, von denen )* 20 - H. K. Corning jedoch bloß die einfachen Wundernetze bekannt waren, indem die Blutdrüsen in Folge ihrer eigenthümlichen Lage verborgen blieben. Esox lueius. Bemerkungen von Jon. MÜLLER. Uber die Wundernetze der Hechtschwimmblase sagt Jon. MÜLLER (Archiv für Anat. und Physiol. 1840. pag. 127) Folgendes: »Im zweiten Fall (nämlich beim Hecht) bestehen die Wundernetze in ähnlichen diffusen Wedeln: (d. h. wie bei Cyprinus) ohne neue Sammlung, aber die Wedel zei- gen sich bloß an bestimmten Stellen der Schwimmblase, und das ist der erste Anfang der sog. rothen Körper oder Blutdrüsen. Die köhren der Wedel verästeln sich erst, wenn sie die Wedel ver- lassen, doch können sie schon vorher capillar sein. Aus der Um- gebung der Wedel geht das Blut wieder durch die venösen Röhren der Wedel zuriick.« JoH. MÜLLER hat also in der Schwimmblase von Esox bloß die Gefäßverzweigung in Form von Wedeln gesehen, welche wir als einfache Wundernetze bezeichnen. Von Blutdriisen oder zelligen Säumen sagt er nichts. Für die Bemerkungen von DE. LA RocHE über Esox verweise ich auf seine Abhandlung (Annales du Museum. T. XIV. pag. 288). Lage der Schwimmblase. Die Hechtschwimmblase bildet einen länglichen Sack, der von vorn nach hinten schmächtiger wird und stumpf endigt. Bei einem Hecht von 40 em Länge maf die Schwimmblase von vorn nach hinten 22 em; die größte Breiten- ausdehnung betrug 13/, em. Beim frischen Präparat ist sie prall mit Luft gefüllt; doch gelingt es durch leichten Druck, die Luft durch den Ductus auszutreiben. Hier und da schimmern an der ventralen Wand röthlich gefärbte Stellen durch, die eine unregel- mäßige, bei verschiedenen Exemplaren wechselnde Lage haben. Zwei Peritoneallamellen gehen von der Schwimmblase zu den Hoden oder den Ovarien; sie enthalten einzelne Gefäße, welche, von den Hoden oder Ovarialgefäßen ausgehend, den Peritonealüberzug der Schwimmblase versorgen, ähnlich wie bei der Forelle. — Die Schwimm- blase lässt sich leicht und ohne Verletzung ihrer Wandung von den dorsalwärts gelegenen Nieren abpräpariren, wobei viele von Aorta und Cardinalvenen ausgehende Gefäße durchschnitten werden. Ductus pneumaticus. Von dem vordersten Theil der Schwimm- blase, und zwar etwas nach rechts von der Medianlinie, geht der Ductus pneumaticus ab; er verläuft beim Hecht von 40 cm Länge Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 21 in einer Ausdehnung von 3 mm ventralwärts und nach hinten und mündet ebenfalls rechts von der Medianlinie in den Ösophagus, und zwar 1!/, em distalwärts vom Beginn desselben. Das Lumen hat bei Chromessigsäurepräparaten einen Durchmesser von annähernd 1 mm. Verschiedenes Verhalten der Wundernetze im vor- deren und im hinteren Abschnitt der Schwimmblase. Beim Aufschneiden der Schwimmblase in der ventralen Medianlinie lassen sich die Wundernetze in ihrer ganzen Ausdehnung überblicken. Und hier möchte ich gleich etwas bemerken, das für die Auffassung dieser Wundernetze von großer Wichtigkeit ist, und worüber ich bei Jou. MÜLLER (loc. cit. pag. 131) eine Andeutung finde. Die Art der Gefäßverzweigung im vordersten Theil der Schwimmblase, die JOH. MÜLLER sehr richtig als »Fundus« bezeichnet, ist gänzlich ver- schieden von dem Verhalten der Wundernetze im hinteren Abschnitt. Die Grenze beider Gefäßbezirke liegt (bei unserem Exemplar von 40 em Länge) etwa 1'/;—1?/, cm caudalwärts von der Mündungs- stelle des Ductus pneumaticus in die Schwimmblase. Jou. MÜLLER sagt: »Hier (d. h. im hinteren Abschnitt) bilden sie (d. h. die Ge- fäße) entlang den Seiten der Schwimmblase eine Menge zerstreuter, blutrother Wedel und Sterne von Büscheln.« ... . . » Viel merk- würdiger ist die große Menge von Wedeln im oberen Fundus der Schwimmblase, welcher von diesen Wundernetzen ganz roth ist und sich vom übrigen Theil der Schwimmblase markirt. Die rothe Stelle stellt ein in die Fläche ausgebreitetes, großes Wundernetz von sehr vielen diffusen Wedeln dar, deren zum Theil capillare Röhrchen erst unter dem Mikroskop sichtbar werden. Sie lösen sich aus den Gar- ben zuletzt ab und vertheilen sich ästig in Capillarnetze in der näch- sten Umgebung, so zwar, dass die Capillaren verschiedener Wedel anastomosiren und nicht auf Säume oder Höfe beschränkt sind.« Ich theile dieses Citat in extenso mit, weil es die makrosko- pisch sichtbaren Verhältnisse ganz richtig wiedergiebt. Kurz gesagt, besteht der Unterschied zwischen der Gefäßverzweigung im vorderen und hinteren Abschnitt darin, dass in letzterem die Gefäße sich stern- und baumartig verzweigen, und zwar von vielen Stellen an der Innenwand der Schwimmblase aus, während im vorderen Ab- schnitt die Gefäße, wie Jon. MÜLLER sagt, »garbenartig« verlaufen und zwar von einem Punkte aus, welcher der Einmündung des Duc- tus pneumaticus entspricht. Je weiter die Gefäße nach hinten ver- laufen, desto dichter wird ihre Verzweigung, bis sie die scharfe, 2). H. K. Corning 1!/,—13/, em caudalwärts von der Öffnung des Ductus gelegene Grenze erreichen, an welcher die stern- und baumförmigen Gefäße des hinteren Abschnittes beginnen. Eine genaue Beschreibung aller dieser Verhältnisse ist erst nach eingehender Berücksichtigung an- derer Punkte, besonders der Struktur der Wandung und der Her- kunft der Blutgefäße möglich. Vorläufig möchte ich nur hinzufügen, dass die Grenze zwischen den einfachen Wundernetzen der hinteren Partien der Blase und der »garbenartigen« Wundernetze des vorder- sten Abschnittes eine scharfe ist. Anastomosen zwischen beiden Be- zirken sind schon mit Brücke’scher Lupe aufzufinden, doch sind sie selten. Kein größeres Gefäß tritt aus dem vorderen Abschnitt in das Gewirr der Wundernetze des hinteren Abschnittes hinüber. Struktur der Wandung. Über die Struktur der Wandung ergiebt zunächst die Präparation mit Nadel und Pincette einige werth- volle Aufschlüsse. Zwei Schichten können getrennt werden, von denen die äußere von RATHKE und DE LA RocHE als Faserschicht bezeich- net wurde, während die innere, mit Wundernetzen versehene, sich als Gefäßschieht darstellt. Diese verhält sich in ihrer Mächtigkeit zu jener wie 1:3. Beiden lassen sich leicht von einander trennen, wo- bei im hinteren Abschnitte der Schwimmblase zahlreiche, von der fibrösen Haut in die Gefäßschicht eintretende Gefäße durchschnitten werden müssen. Sucht man ohne Zuhilfenahme des Skalpells oder der Schere die fibröse Haut von der Gefäßhaut abzuziehen, so blei- ben Fetzen der letzteren durch die Gefäße mit der ersteren verbun- den. Ganz anders verhält sich in dieser Beziehung der vordere Abschnitt. Hier treten keine Gefäße aus der fibrösen Haut in die Gefäßhaut ein, vielmehr erhält letztere ihre Gefäße aus Stämmen, welche mit dem Ductus pneumaticus die Schwimmblase erreichen. Folglich kann man hier durch Zug mit Pincetten die Trennung der Schichten hewerkstelligen. Bei Betrachtung der abgezogenen Gefäß- haut in durchfallendem Lichte ist der vordere Abschnitt undurch- sichtig und außerdem gelblich gefärbt, während der hintere Abschnitt mehr durchsichtig und grau erscheint. Die Faserhaut ist sehr derb und an feineren Gefäßverzweigungen außerordentlich arm. Sie ist mit ihrem Peritonealüberzug fest verwachsen. In diesem finden ein- zelne Verzweigungen der Hoden oder Ovarialgefäße eine spärliche Verbreitung. Blutversorgung der Schwimmblase. a. Im hinteren Ab- schnitt. Was die Herkunft der Gefäße angeht, so wurde sehr bald die Vermuthung, dass sie wie bei Perca aus zwei Quellen stammen, Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 23 bestätigt. Es ist merkwürdig, dass die vielfache Beachtung, welche die Wundernetze gerade beim Hecht gefunden haben, noch kein Licht in die groben Verhältnisse der Gefäßverbreitung gebracht hat. Nur bei BERLAK (l. e. pag. 26) finde ich die Angabe, dass die Ar- terien des hinteren Abschnittes der Schwimmblase Äste »Arteriarum vertebralium« seien. Ohne Schwierigkeit ließ sich die Existenz von zwei getrennten Gefäßbezirken in der Schwimmblase nachweisen. Der hintere Abschnitt wird von der Aorta in ihrem Verlauf längs der Wirbelsäule versorgt, und zwar durch Gefäße, die aus den In- tercostalarterien entspringen. Dem entsprechend gehen auch die Venen in die Cardinalvenen. Was die Arterien angeht, so lässt sich Folgendes feststellen: Die Aorta, welche zwischen den beiderseits der Wirbelsäule angelagerten Nieren nach hinten verläuft, sendet jedem Myocomma entsprechend Ästchen ab, die sich dorsalwärts von den Venae cardinales und den Nieren an die Körperwandung be- geben. An der Übergangsstelle des Peritoneum costale in den Pe- ritonealüberzug der Schwimmblase theilen sich diese Arterien in Intereostalarterien und in Arterien, welche an die Schwimmblase gehen. An dieser Stelle liegen die Arterien noch außerhalb der fibrösen Haut der Schwimmblase. Diejenige Arterie, welche die Schwimmblase an dieser Stelle versorgt, giebt zunächst einen feinen Zweig an ihren Peritonealüberzug ab, welcher, gegen die Median- linie verlaufend, mit anderen aus den Hoden oder Ovarialarterien entspringenden Gefäßen anastomosirt. Es bleibt noch die Arterie der Gefäßhaut übrig. Diese durchbohrt an der angegebenen Stelle die fibröse Haut und theilt sich in derselben oder gleich nach ihrem Austritt in eine große Anzahl feiner, parallel verlaufender Aste, die in einem Bündel an die Gefäßhaut herantreten und sich in die be- schriebenen Wundernetze auflösen. In der Regel verlaufen diese Bündel eine mehr oder weniger weite Strecke zwischen der fibrösen und der Gefäßhaut, bevor sie in letztere eintreten. Bloß ihre letzten Auflösungen, die Wundernetze, liegen in der Gefäßhaut, während die Gefäßbündel ohne Ausnahme außerhalb derselben, zwischen Gefäß- haut und fibröse Haut zu liegen kommen. Die größeren Gefäße und auch die kleineren, so lange sie parallel verlaufen, stehen in keiner Beziehung zu der Gefäßhaut, und dies erklärt die oben hervorge- hobene Thatsache, dass Gefäßhaut und fibröse Haut sich leicht von einander trennen lassen, nachdem die Gefäßbündel durchschnitten sind. Genau wie die Arterien verhalten sich auch die Venen; sie 24. H. K. Corning sammeln sich aus den Wundernetzen der Gefäßhaut und treten zwi- schen die Arterien der arteriellen Bündel ein in der Weise, dass jede feine Arterie zwischen zwei kleine Venen zu liegen kommt. Im Weiteren schließen sie sich an die Arterien an und münden in die Venae cardinales. Letztere sind fast ohne Ausnahme bei In- jektion mit Berlinerblau von der Radix Aortae aus ebenfalls injicirt. b. Im vorderen Abschnitt. Die Verhältnisse im vorderen kleineren Abschnitte der Schwimmblase sind einfacher. Die Arterie stammt aus der Coeliaca, die Venen münden in die Pfortader resp. in die rechte Magenvene, ganz wie beim Barsch. Beide schließen sich in ihrem Verlauf an den Ductus pneumaticus an. Die Arterie (Art. vesic. aereae anterior) durchbohrt an der Einmündungsstelle des Ductus die fibröse Haut und theilt sich in vier Zweige, welche rasch eine weitergehende Theilung erleiden. Die vier größeren Zweige versorgen vier Gefäßgebiete, von denen jedes einen »Gefäß- fächer« darstellt, mit dem Griff an der Eintrittsstelle der Art. vesie. aereae anterior. Die Gefäßverzweigungen werden nach hinten hin immer häufiger und das Gefäßnetz wird immer dichter, bis die - Grenze gegen den hinteren Abschnitt erreicht ist, wo der Typus der Gefäßverzweigung sich plötzlich ändert und die dem Gebiet der Aorta angehörenden stern- und baumförmigen Wundernetze auftreten. Noch möchte ich bemerken, dass die Gefäße des vorderen Abschnittes besser von der Außenseite der Gefäßhaut sich überblicken lassen, da zwischen ihnen und dem Blasenlumen eine diekere Gewebsschicht liegt als im hinteren Abschnitt. Die Venen halten den Typus der Arterienverzweigung vollkommen inne. Bau der Schwimmblasenwand auf Querschnitten. Wir sind nun an einem Punkt angelangt, wo die Verhältnisse der Wun- dernetzbildungen sich ohne vorhergehende Schilderung des mikrosko- pischen Baues der Schwimmblasenwand nicht weiter verfolgen lassen. Dieser ist bei Weitem nicht so einfach wie derjenige der Barsch- schwimmblase, was sich übrigens schon durch die größere Verbrei- tung der Wundernetze kund giebt. Eine Notiz über das Auftreten von glatter Muskulatur in der Wandung finde ich in F. E. ScHULZE’S Aufsatz über Schwimmblasen (Srricker’s Gewebelehre. I. Band. pag. 487). Ich gehe bei meiner Beschreibung von Schnittserien aus, die quer durch den hinteren Abschnitt der Schwimmblase gelegt wur- den. An diesen Querschnitten ließ sich Folgendes erkennen. Der Peritonealüberzug ist fest mit der fibrösen Haut verwachsen und hat om Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 25 sich bei Chromessigsäurepräparaten nicht von derselben abgehoben. Die fibröse Schicht besteht aus Zügen von sehr straffem Bindege- webe mit ziemlich zahlreichen zelligen Elementen. Diese Züge durchflechten sich besonders nach zwei Richtungen hin; Bündel von Ringfasern wechseln mit solehen von Längsfasern, deren Fasern, im Querschnitt getroffen, sich leicht von den Ringfasern unterscheiden lassen. Eine Sonderung der fibrösen Schicht in zwei Schichten, eine äußere längsverlaufende und eine innere ringfürmige, ist nicht zu erkennen. Vielmehr wechseln ringförmige mit längsgerich- teten Faserzügen in allen Theilen der Wandung ab. Sehr eigen- thümlich ist es, dass einzelne Faserzüge einen ganz hyalinen Cha- rakter haben. Wahrscheinlich entsprechen sie den von LEYDpIG (Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt 1857. pag. 379) geschilderten »pelluciden Plättchen«, welche bei vielen Knochen- fischen vorkommen. Auf die fibröse Schicht folgt nach innen zu eine Schicht von lockerem Bindegewebe, das durch die Behandlung mit Chromessig- säure stark aufgequollen ist und sich von der fibrösen Haut zum Theil abgelöst hat (Fig. 10 2). Die Grenze der fibrösen Haut gegen die Bindegewebsschieht ist eine durchaus scharfe; an keiner Stelle gehen die Fasern der einen Schicht in diejenigen der anderen über. Auf diese Bindegewebsschicht folgt endlich die Gefäßschicht (3). Sie besteht aus einer ringförmigen Schicht von glatter Muskulatur und einer Plattenepithellage (z), die den Abschluss der Wandung gegen das Lumen der Schwimmblase hin bildet. Die Verhältnisse der Wandung ergeben sich bei Injektionsprä- paraten noch durch die Anordnung der Gefäße komplieirt (Fig. 10). Einzelne unter dem Peritonealüberzug liegende Gefäße sind auf Quer- und Schrägschnitten getroffen. Die fibröse Haut ist sehr arm an feineren Gefäßverzweigungen; größere Stämme sind hier und da ge- troffen, allein sie durchsetzen die fibröse Haut und geben nur selten Zweige an sie ab. Dagegen ist die zwischen fibröser- und Gefäß- haut liegende Membran sehr reich an quer- und schrägdurchschnit- tenen Gefäßen, die sich zu Bündeln zusammenordnen. Diese Ge- fäße sind von etwas strafferem Bindegewebe umgeben, das keine deutliche Grenze gegen das lockere Bindegewebe erkennen lässt. In diesen Biindeln sind Arterien und Venen leicht zu unterscheiden, indem letztere weniger prall gefüllt sind. An einzelnen Stellen ist zu bemerken, wie von diesen neben einander liegenden Gefäßen Gefäßbüschel gegen die Gefäßhaut ver- 26 H. K. Corning laufen und in dieselbe eintreten. Natürlich sind diese Biischel in sehr verschiedener Weise auf dem Schnitte getroffen. An einzelnen Stellen ist ihr Zusammenhang mit den aus der fibrösen Haut aus- tretenden, parallel verlaufenden Gefäßen zu erkennen; an anderen ist diese Verbindung nicht mehr getroffen; an noch anderen ist bloß die Verbreitung in der Gefäßhaut selbst ersichtlich. In dieser selbst sind zwei Gefäßbezirke, die durch zahlreiche Anastomosen mit ein- ander in Verbindung stehen, zu unterscheiden, nämlich derjenige der Muskelschicht und derjenige, welcher sich unmittelbar unter der in- nersten Plattenepithellage, zwischen letzterer und der Muscularis ausbreitet. Die Gefäße der Muskelschicht liegen meist außerhalb derselben, doch dringen viele Gefäße in dieselbe ein, und viele durchsetzen sie und verbreiten sich unter dem Epithel. Die Gefäße der Muskelschicht wie diejenigen der Epithelschicht sind im Quer-, Längs- und Schrägschnitt getroffen. Die Schilderung der Struktur der Wandung ist nicht vollständig ohne Erwähnung eigenthümlicher Ansammlungen von rothen Blut- körperchen in der zwischen fibröser und Gefäßhaut liegenden Binde- gewebsschicht. Unmittelbar nach außen von der Muskelschicht lie- gen hier große Mengen rother Blutkörperchen, die keine scharfe Grenzen gegen das umgebende Bindegewebe zeigen, indem einzelne Stränge von Blutkörperchen sich bier und da noch zwischen Binde- gewebsfibrillen verfolgen lassen. Da ich diese Gebilde zuerst bei injieirten Präparaten beobachtete, so glaubte ich es mit Kunstpro- dukten zu thun zu haben. Doch zeigte sich die Unrichtigkeit dieser Annahme, als ich frische Präparate und auch solche, die nicht in- jieirt, aber in Chromessigsäure konservirt waren, untersuchte. Bei frischen Präparaten zeigen sich nämlich neben den stern- und baum- förmigen Wundernetzen des hinteren Abschnittes auch große rothe Flecken, von denen ich schon erwähnt habe, dass sie bei Betrach- tung der uneröffneten Schwimmblase durchschimmern. Selbst bei injieirten Präparaten sind diese Flecken noch zu erkennen, indem nur geringe Mengen der Lösung von Berlinerblau zwischen die Blut- körperchen eingedrungen sind. Über die Natur dieser eigenthüm- lichen Gebilde kann ich keine Vermuthung aufstellen. ‘Flächenpräparate der einfachen Wundernetze. Die Querschnitte werden erklärt und in Einzelnem auch ergänzt durch Flächenpräparate der injieirten Gefäßhaut. Dieselben werden durch Abziehen der Gefäßhaut von der fibrösen Haut nach Durchtrennung der größeren Gefäße erhalten. In Nelkenöl aufgehellt und in Ka- Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 27 nadabalsam gebettet, konnten sie selbst mit stärkeren Vergrößerun- gen untersucht werden. Färbung mit Boraxkarmin diente zum Her- vorheben der blau injieirten Gefäße. Zierliche Bilder ergab auch eine Injektion mit einer Lösung von Argentum nitricum (1 : 500). Besonders schön zeigte sich auch das Epithel an Argent. nitrie.- Präparaten, die mit Hämatoxylin nachträglich gefärbt waren. Es besteht aus großen polygonalen Zellen mit ovalen Kernen. Manche Zellen haben doppelte Kerne, doch ist dies im Ganzen selten. Typus der einfachen Wundernetze. Die Formen der un- ter dem Epithel siehtbaren Wundernetze sind ungemein verschieden. Die Variationen durch Zeichnungen zu erläutern, würde mehrere Tafeln in Anspruch nehmen. Doch glaube ich, dass sich alle auf denselben Typus zurückführen lassen. Fig. 11 zeigt die Verästelung eines Bündels parallel verlaufender Gefäße. Bei a ist es nahe an seiner Austrittsstelle aus der fibrösen Haut und noch außerhalb der Gefäßhaut durchtrennt. In die Gefäßschicht tritt es erst bei d, resp. mit einzelnen Zweigen bei J, ein. Von diesen Stellen aus geht die radiär verlaufende Auflösung der Astchen vor sich. Bemerkens- werth ist die Einschnürung des Bündels bei d,, sie ist nicht immer vorhanden, doch kann es als Regel angesehen werden, dass die Ge- fäße an derjenigen Stelle, von welcher sie ausstrahlen, enger zu- sammenliegen als vorher. Die Astchen verbreiten sich, unter Bil- dung sehr zahlreicher Anastomosen, nach allen Richtungen. Sie gehen mit anderen Wundernetzen Verbindungen ein, auch sehr viele mit dem epithelialen Gefäßnetz; besonders die kleineren Wunder- netze gehen ohne Weiteres in letzteres auf (Fig. 11 c) und gehören ihren Verzweigungen nach ganz dem oberflächlichen Gefäßnetz an. Offenbar liegen die eigentlichen Wundernetze außerhalb oder auch in der oben beschriebenen Muskelschicht, während ihre letzten Ver- zweigungen sich unmittelbar unter der innersten Epithellage der Schwimmblase verbreiten. Dieses subepitheliale Gefäßnetz stellt ein Maschenwerk von Gefäßen dar, die ringförmig und nach der Länge laufend, sich in vielen Knotenpunkten verbinden. Sehr häufig fin- den sich Erweiterungen der Gefäße, die dadurch ein varicöses Aus- sehen erhalten können. Diese Erweiterungen kommen theils an den Knotenpunkten der Gefäße, theils im Verlaufe derselben vor; sie be- schränken sich auch nicht auf das oberflächliche Gefäßnetz, sondern kommen auch in den Wundernetzen vor, wenn gleich nicht so häufig. Die Variationen im Typus der Wundernetze sind mannigfaltig, doch im Ganzen von geringerer Bedeutung. Das oberflächliche Ge- 98 H. K. Corning fäßnetz ist nicht überall gleich dicht: gegen den vorderen Theil der Schwimmblase ist es gewöhnlich weniger ausgebildet, als weiter nach hinten, doch bestehen in dieser Beziehung starke individuelle Schwankungen. Die Wundernetze treten nach vorn hin immer häu- figer auf, doch ist die Art ihrer Verzweigung die gleiche. Ungemein verschieden ist die Weite des Weges, den die parallel verlaufenden Astchen zwischen fibröser- und Gefäßhaut, bis zu ihrer Auflösung in Wundernetze zurücklegen, sowie auch die Zahl der von jedem System abgegebenen Wundernetze. Oft erfolgt die Bildung der letz- teren an einem Punkte der Gefäßhaut, welcher genau dem Aus- trittspunkt der betreffenden parallelen Gefäßästehen aus der fibrösen Haut entspricht; dann ist die Wundernetzbildung eine stern- oder quastenförmige. Oder das Röhrchensystem verläuft in einer größe- ren Ausdehnung zwischen fibröser- und Gefäßhaut, auf der ganzen Strecke kleine Systeme paralleler Astchen abgebend, die sich in Wundernetze auflösen. Blutdrüsen. Mit der Beschreibung der Wundernetze ist die Schilderung der Struktur- und Gefäßverhältnisse im hinteren Bezirk der Schwimmblase, die ihr Blut aus der Aorta abdominalis erhält, erschöpft. Wir wenden uns nun zur Betrachtung des vorderen Ab- schnittes, dessen Gefäßversorgung, sowie das Verhalten der Wun- dernetze ganz andere Verhältnisse darbietet, als der hintere Ab- schnitt. Auch die Struktur der Gefäßschicht, die noch nieht be- kannt zu sein scheint (denn die eitirte Stelle aus Jou. MÜLLER's Aufsatz bezieht sich bloß auf die Art der Gefäßverbreitung und kennzeichnet selbst diese nur unvollständig), weicht gänzlich von derjenigen des hinteren Abschnittes ab und lässt sich in keiner Weise auf denselben beziehen. Vielmehr liegen hier Gebilde vor, die in Bau, Gefäßversorgung und Gefäßvertheilung mit den Blutdrüsen der Barschschwimmblase übereinstimmen. Gefäßverzweigung an die Blutdrüsen. Wenn wir hier von der Art der Gefäßverzweigung ausgehen, so haben wir Folgen- des vor Augen: Die fibröse Haut lässt sich an dieser Stelle sehr leicht von der Gefäßhaut abziehen, da keine Gefäße, wie im hin- teren Abschnitt, aus der fibrösen Haut in die Gefäßhaut eintreten. Vielmehr kommen alle Gefäße von vorn, aus der Arteria vesicae aereae anterior, welche mit dem Ductus pneumaticus die fibrése Haut durchbohrt. Diese Arterie theilt sich in vier Zweige, welche in eben so viele fächerförmig ausgebreitete Gefäßbezirke übergehen. Diese Bezirke stehen durch nicht gerade seltene Anastomosen mit einan- Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 29 der in Verbindung. Im Flächenpräparat und bei durchfallendem Licht betrachtet ist die Gefäßverzweigung nur dann zu erkennen, wenn die innerste Schicht der Gefäßhaut fetzenweise abgezogen ist. Dabei zeigt es sich, dass diese Haut eine viel bedeutendere Dicke besitzt als die Gefäßhaut des hinteren Abschnittes. Beide verhalten sich etwa wie 3:1. Nachdem also diese Haut oder Schicht fetzen- weise abgezogen war, wobei einzelne Gefäße mit abgerissen wurden, hatte ich das Bild, welches Fig. 12 wiedergiebt. Die große Arterie eines fächerförmigen Gefäßbezirkes tritt bei « in denselben ein. Nachdem sie einige kleinere Ästchen entsendete, theilt sie sich bei b in eine Anzahl größerer Zweige, die sich ihrerseits bei d wieder theilen und ein dichteres Gefäßnetz zu bilden beginnen. Die Thei- lung ist durchweg eine gablige, d. h. ein Zweig theilt sich in zwei Äste, diese wieder je in zwei ete. So bilden sich mehrere Bündel von schwach divergent verlaufenden Gefäßen, die keine oder doch nur sehr seltene Anastomosen mit einander bilden. Dagegen gehen von Strecke zu Strecke Gefäßbündel von den größeren Bündeln ab (z. B. bei e), treten in die innere Haut der Schwimmblase ein und bilden hier ein Wundernetz, mit ungemein zahlreichen Anastomosen. Dass sie sich in der Substanz der innersten Schicht verbreiten, ist leicht daran zu erkennen, dass man beim Abziehen der Wundernetze von der Gefäßhaut auch Fetzen der letzteren mit abzieht. Die letz- ten Verzweigungen der großen caudalwirts verlaufenden Bündel ver- halten sich ganz eben so (bei f) bis zur Grenze gegen den hinteren Abschnitt, über welche hinaus nur spärliche Gefäße nach hinten verlaufen. Was die Venen angeht, so entsprechen sie durchaus in ihrem Verhalten den Arterien. Zwischen zwei Arterien liegt eine Vene, die in den wenigsten Präparaten vollständig injieirt ist, wie auch die Injektion der feinsten arteriellen Verzweigungen viel zu wünschen übrig ließ. Das Gewebe, zwischen welchem sich alle diese Gefäße verbrei- ten, zeigt auf dem Flächenbilde gesehen keine erheblichen Unter- schiede von demjenigen der Blutdrüsen beim Barsch. Zwischen den Röhrchen der gablig getheilten Arterien und Venen sind zahlreiche glatte Muskelfasern zu erkennen; die endgültige Verzweigung der Gefäße erfolgt zwischen Zellen, die wegen der größeren Dicke der Blutdrüse des Hechtes weniger leicht zu erkennen sind als bei Perca. Die Grenze der Zellen gegen den hinteren Abschnitt der Schwimm- blase ist eben so scharf, wie bei Perca, und genau in der gleichen oO. H. K. Corning Weise biegen die Gefäße an der Grenze schlingenförmig um. Na- tiirlich ist die Form dieser Blutdrüsen eine andere als der von Perea: - sie stellen Fächer dar, die gegen den Hilus zu mit einem spitzen Winkel endigen, ‘während der entsprechende Winkel bei Perca bis zu 180° betragen kann. Ich bezeichne den ganzen Fächer als Blut- drüse, ohne zu verkennen, dass sie aus einer ganzen Anzahl ein- zelner Wundernetze besteht (s. Fig. 12), die mit ihren zelligen Säu- men kleinere Blutdrüsen darstellen. Struktur der Blutdrüsen auf Längsschnitten. Längs- schnitte durch den vordersten Abschnitt der Schwimmblase bestätigen die oben ausgeführten Thatsachen (Fig. 13 und für feinere Details Fig. 14). Die fibröse Haut zeigt eine ähnliche Struktur, wie im hinteren Abschnitt. Lockeres Bindegewebe liegt zwischen ihr und der Blutdrüse, in welchem hier und da Gefäßbündel, im Quer-, Schriig- und Längsschnitt getroffen sind. Diese Gefäßbündel ent- sprechen in ihrer Struktur nicht vollständig den Gefäßbündeln des hinteren Abschnittes. Erstens bilden sie an vielen Stellen eine förm- liche Gefäßschicht, von welcher aus hier und da größere oder klei- nere Bündel an die Zellschicht verlaufen, um sich in derselben zu verzweigen. Zweitens liegen zwischen den einzelnen Gefäßen der Gefäßbündel zahlreiche glatte Muskelfasern, welche ein förmliches Gerüst für die Gefäße zu bilden scheinen. Auch hierin zeigt sich Übereinstimmung mit Perea. Der zellige Saum. Endlich folgt noch die Zellschicht selbst. Sie ist nach vorn hin am mächtigsten und besteht hier aus S— 10 Reihen von Zellen, die ohne ganz so groß zu sein, wie bei Perca, dennoch den gleichen Charakter besitzen. Gegen das hintere Ende der Blutdrüse bestehen die Zellen bloß noch aus einer einzigen Sehicht, die plötzlich aufhört. Zwischen den Zellen liegt ein feines Gerüst von Bindegewebe, in welchem die letzten Verzweigungen der Wundernetze liegen. Nach dem Blasenlumen hin ist die Zellschicht noch von jener aus glatten Muskelfasern und Plattenepithel bestehenden Schicht über- zogen, die ich im hintersten Abschnitt der Schwimmblase als Gefäß- haut bezeichnet habe. Nur zeigt sie hier bloß eine spärliche Gefäß- versorgung. Sie hat offenbar ihre Rolle als Gefäßschicht aufgegeben. Es stimmt also Alles mit der Annahme, dass die Zellschicht beim Hecht, wie die homologen Gebilde beim Barsch zwischen der inner- sten und der fibrösen Haut der Schwimmblase gelegen sind und keineswegs der Gefäßschieht des hinteren Abschnittes entsprechen. as 3 Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 31 Ergebnisse. Wir haben also bei Esox, genau wie bei Perca, zwei eigenthiimlich differenzirte Abschnitte der Schwimmblase zu unterscheiden: einen vorderen, in welchem die Gefäße zu einer zwi- schen den Häuten der Blase eingeschalteten Zellschicht Beziehung erlangt haben, und einen hinteren Abschnitt, in welchem die letzte Gefäßverbreitung unmittelbar unter dem Epithel der Blase stattfindet. Dass diese Wundernetze des hinteren Abschnittes sich bei Perea an einer bestimmten Stelle lokalisirt haben, während sie bei Esox diffus über die ganze Innenfläche vorkommen, ändert wohl nichts an der Homologie beider Gebilde. Hinweis auf die Entwicklung der Blutdrüsen. Es war mir leider nicht möglich, die Entwicklung der Blutdrüsen und der Wundernetze des hinteren Abschnittes der Schwimmblase genauer zu untersuchen. Nur eine Beobachtung möchte ich darüber anführen. Bei einem Hechtembryo von 12 mm Länge, den ich in Querschnitte zerlegte, war die Schwimmblase als ein vom Darm abgehender Sack angelegt, der sich ventralwärts von der Chorda und den Nieren in der Ausdehnung von etwa 1mm hinzog. Der Ductus hatte eine Überkleidung von Cylinderepithel, von 15 u Höhe, und die Epithel- auskleidung der Schwimmblase selbst stellte sich in den ersten 6— 7 Schnitten anders dar, als auf den übrigen, nach hinten fol- genden. Vorn war es etwa von der gleichen Höhe, wie das Epithel des Ductus, die Kerne dunkel gefärbt. In den nach hinten folgenden Sehnitten war das Epithel durchaus ein plattenförmiges. Über die Gefäßverhältnisse ließ sich leider nichts feststellen. Die Wandung bestand aus einer Schicht von straffem Bindegewebe, einer weiteren Schicht von lockerem Bindegewebe; ziemlich vielen glatten Muskel- zellen und schließlich einer Epithellage. Ob diese Verhältnisse auf eine Entstehung der Blutdrüsen aus dem Epithel der Schwimmblase hinweisen, vermag ich beim Fehlen anderer Beobachtungsreihen nicht zu entscheiden. Lota vulgaris. Ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Perea fluviatilis und Esox lueius finden sich auch bei Lota vulgaris und bei Acerina cer- nua. Am eigenartigsten verhält sich dabei Lota vulgaris (32 cm Körperlänge). Hier hat die Schwimmblase eine Länge von 10 em und an der breitesten Stelle eine Breite von 1?/, em. In der Mitte ist die Schwimmblase weniger breit als an ihrem vorderen und hin- 33 H. K. Corning teren Ende; sie zeigt am vorderen Ende zwei Hörner oder Ausstül- pungen, welche dorsalwärts und nach außen gerichtet sind. Lage der Schwimmblase. Auffallend ist bei Lota der große Gefäßreichthum des Peritoneum; sowohl im Peritoneum parietale als auch im Peritonealüberzug der Schwimmblase zeigen sich diehte Ge- fäßnetze, unter denen ich jedoch vergebens nach Wundernetzen ge- sucht habe. Die Gefäße, welche diese Netze versorgen, stammen aus den Intereostalarterien und Venen, von welchen an vielen Stellen Äste in den Peritonealüberzug der Schwimmblase verlaufen. Von der Schwimmblase gehen beim vorliegenden männlichen Exemplar drei Peritoneallamellen ab, zwei seitliche zu den Hoden und eine mittlere zum Darm. Diese mittlere Lamelle endigt an dem von der Schwimmblase zum Magenblindsack ziehenden Strang, und zwar in einem Bogen mit nach vorn gerichteter Konkavität. Dieser Strang enthält die zu den Blutdrüsen ziehenden Gefäße, von denen die Arterie aus der linken Magenarterie entspringt, während die Vene ganz wie beim Barsch dem Pfortadergebiet angehört. Viele Gefäße gehen in allen drei Peritonealduplikaturen von den Darm- und Hodengefäßen an den Peritonealüberzug der Schwimmblase und tra- gen hier zur Bildung jenes dichten Gefäßnetzes bei, welches ich oben erwähnt habe. Oval. Bei Lota finden sich wie bei Perea »Blutdrüsen« im vorderen Theil der Schwimmblase, an der ventralen Wand und im hinteren Theil, an der dorsalen Wand Wundernetze, die an einer oval begrenzten Stelle bloß durch eine Epithellage, unter welcher sich zahlreiche Balken von glatter Muskulatur zeigen, von dem Lu- men der Schwimmblase getrennt sind. Die Blutdrüsen hat schon DE LA ROCHE beschrieben (loc. eit. pag. 279): später hat Jon. MÜLLER die zelligen Säume bei Lota erwähnt (Archiv für Anat. und Physiol. 1840. pag. 132). Die Verhältnisse im »Oval«, sowie das Vorkommen einfacher Wundernetze scheinen unbekannt zu sein. Das Oval ist bei Lota kleiner als bei Perca. Bei unserem Exemplar vom 32 cm Länge hat es eine Länge von 1!/; cm, eine Breite von ?/, em. Sein hinteres Ende ist */,; em von dem hinteren Ende der Schwimmblase entfernt. Die Umgrenzung des Ovals wird durch einen etwa ?/,—1 mm breiten gelblichen Saum gebildet, der aus eirkulär gerichteten Zügen glatter Muskulatur besteht und mäch- tiger ist als die entsprechenden Schichten bei Perca. Auch lassen sich weniger querverlaufende Fasern erkennen, als in dem analogen Gebilde von Perca. Das hintere Ende des Ovals zieht sich in einen rte aS ee Bejtr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 33 zarten Sack aus, welcher zwischen die Wundernetze und die fibröse Wand der Schwimmblase zu liegen kommt. Dieser Sack hat eine Länge von etwa S mm und eine Breite von 3—4 mm. Seine Wan- dung besteht eben so wie diejenige des Ovals aus einer ganz feinen Plattenepithellage, unter welcher zahlreiche Züge glatter Mus- kelfasern verlaufen. Letztere zeigen keine bestimmte Anordnung, sondern durchflechten sich nach allen Richtungen, besonders in der Ausbuchtung. Im Ganzen erinnert die Struktur der Wandung auf- fallend an diejenige der Froschharnblase. Die Gefäßverbreitung am Oval ist eine spiirliche; die Gefäße zeichnen sich nur durch starke Schlängelung aus. Gefäßschicht. Nach Entfernung der dorsalen Wandung der Schwimmblase treten die Wundernetze der Gefäßschicht zu Tage. Sie ist dorsalwärts vom Oval am dichtesten und nimmt ganz allmäh- lich nach vorn und seitlich ab, während ihr nach hinten hin eine schärfere Grenze durch den Abschluss der Peritonealhöhle gesetzt ist. Proximal lassen sich in einer Entfernung von 5 cm von dem vor- dersten Ende des Ovals Andeutungen erkennen in Form einzelner aus den Intercostalgefäßen stammender resp. in dieselben zurück- kehrender Arterien und Venen, die sich stern- und baumförmig ver- breiten. An den seitlichen Theilen der Körperwandung gehen die Wundernetze bei unserem Exemplar links weiter hinauf als rechts, doch lässt sich dies nicht für alle (3) untersuchten Exemplare als Regel aufstellen. Typus der Wundernetze. Die mikroskopisch sichtbaren Ver- hältnisse der Wundernetze sind aus Fig. 15 zu ersehen. Arterien und Venen verlaufen auch in ihren größeren Stämmen nicht neben einander. Die Venen sind leicht bei arterieller Injektion von den Arterien zu unterscheiden, indem sie weniger prall mit Injektions- masse gefüllt sind, sich durch größere Weite auszeichnen und, we- nigstens in ihren größeren Stämmen, oft Maschenwerke bilden, die aus mehreren neben einander verlaufenden Ästen bestehen (Fig. 15). Arterien und Venen verzweigen sich in ihren großen und mittel- großen Stämmen baumförmig. Auf ihrem Verlauf geben sie kleine Zweige ab (Fig. 15), die sich sehr oft unmittelbar nach ihrem Ab- gang aus dem größeren Stamm erweitern und dann erst in Wunder- netze aufgehen. In anderen Fällen fehlt diese Erweiterung. Fast immer erfolgt jedoch die Wundernetzbildung sehr bald nach dem Ursprung der kleinsten Arterien. Aus den Capillargebieten sammeln sich die Venen in ganz ähnlicher Weise. Es kommt auch vor, dass Morpholog. Jahrbuch. 14. 3 34 H. K. Corning die Wundernetze unmittelbar durch feinste Verzweigungen in die größeren Stämme übergehen, doch bildet dies Verhalten eine Aus- nahme. Meist bleibt ein von den feinsten Gefäßverzweigungen freier Raum um die größeren arteriellen und venösen Stämme bestehen. Direkte Übergänge von Arterien in Venen habe ich bei Lota nicht nachweisen können, doch sind an manchen Stellen die Capillaren so weit und ihre Maschen so eng, dass ein Fehlen solcher Verbindun- gen mehr als ausgeglichen wird. Hervorheben möchte ich noch, dass Erweiterungen der Gefäße nicht auf die feinsten Verzweigungen beschränkt ist; besonders die größeren Arterien zeigen hier und da förmliche Aneurysmata, und sind oft bald eng, bald wieder weit. Solche Einrichtungen finden sich auch, wie wir später sehen wer- den, bei Cyprinoiden, sowie auch beim Aal. Blutdrüsen. Die Blutdrüsen liegen im vorderen Theil der Blase und zwar zu beiden Seiten der ventralen Mittellinie. Ihre Zahl ist verschieden und auch schwer genau anzugeben, da die großen Blutdrüsen in eine Anzahl kleinerer zerfallen. Doch kann man an- nehmen, dass in der Regel 9—10—12 größere Blutdrüsen vorhanden sind, die bei makroskopischer Betrachtung als Einheit auftreten. Sie sind kleiner und liegen dichter beisammen als die analogen Ge- bilde von Perea. Bei Untersuchung der Flächenpräparate mit schwa- cher Vergrößerung (HArTNAcK II, Oc. 3) war am besten eine Über- sicht über die Gefäßverbreitung zu gewinnen. Die zuführende Arterie zerfällt nach ihrem Eintritt in die Schwimmblasenwandung in vier Äste; diese wieder in mehrere Äste, welche zu den einzelnen Blut- drüsen treten. Jede Arterie ist von zwei Venen begleitet. Dann tritt eine sich wiederholende gablige Theilung ein, ganz wie bei Perca und Hecht, nach welcher die zahlreichen, dicht neben einander lie- senden Ästchen gegen die zelligen Säume ausstrahlen. In dieser findet dann die endgültige Verbreitung der Gefäße statt. Die zelli- gen Säume sind viel dicker als bei Perca, so dass sich die Anord- nung der Zellen nicht so genau erkennen lässt, doch zeigt sich an den Randpartien, wo bloß noch eine einzige Schieht vorhanden ist, dass sich der bei Perea auftretende Typus hier genau wiederholt. Unbedeutende Gefäße bilden auch hier Anastomosen mit den Ge- fäßen des hinteren Bezirks. Zur Feststellung der Natur der Zellen wurden wieder Radiär- schnitte durch die Blutdrüsen angefertigt. Die Zellen unterschieden sich bloß durch ihre Größe von den bei Perea beschriebenen. An der dicksten Stelle lagen 10—15 Zellen über einander: die Dicke Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 35 der Zellschicht nabm nicht so allmählich gegen die Peripherie ab, vielmehr war der Abfall schroff und steil. Fiir die Beschreibung der Struktur des zu den zelligen Säumen tretenden Gefäßbüschels kann ich ohne Weiteres auf das über Perca Gesagte verweisen. Acerina cernua. Noch enger als Lota schließt sich Acerina cernua an Perca an in Bezug auf die Struktur der Schwimmblase und die Verhältnisse der Gefäßvertheilung. Wie bei Lota und Perca, so fehlt auch bei Acerina der Ductus pneumaticus; die Schwimmblase hat genau die gleiche Form und Größe wie bei Perca. Einfache Wundernetze. Nur in einer Hinsicht finden sich bei Acerina cernua neue Verhältnisse. Das ganze stumpfe hintere Ende der Schwimmblase entbehrt der fibrösen Haut und entspricht folglich der Stelle, die wir bei Perca und Lota als Oval bezeichnet haben. Bei einem Kaulbarsch von 15 em Länge war diese durch- sichtige und zarte Membran in einer Länge von 1'/, cm die einzige Wandung der Schwimmblase. Ventral freilich ist sie vom Perito- nealüberzug überkleidet. In ihrer Struktur entsprach sie derjenigen Membran, die wir bei Lota im Oval und in dessen hinterer Aus- stülpung beschrieben haben — sie bestand aus Plattenepithel und zahlreichen glatten Muskelzellen. Ihre Grenze gegen vorn bildet ein gelblicher Saum von glatter Muskulatur. An diese eigenthümliche Membran schließen sich nach außen hin Wundernetze an, die natürlich, entsprechend der Ausdehnung der einfachen Epithellage, sich fast auf den ganzen Umfang des hintersten Endes der Schwimmblase ausgedehnt haben. Ihre Arterien entspringen aus den Intercostalarterien; ihre Venen gehen in die ent- sprechenden Intercostalvenen und gehören so in das Gebiet der Ve- nae cardinales. Die Gefäßhaut lässt sich nur schwer fetzenweise abziehen, wobei die größeren in sie eintretenden Gefäße durchschnit- ten werden müssen. Der Charakter der Wundernetze ist am besten aus der Fig. 16 zu ersehen. Dabei möchte ich bemerken, dass im Grunde genom- men der Typus kein anderer ist als bei Perca und bei Lota. Die größeren und mittelgroßen Arterien verzweigen sich baumförmig und geben auf ihrem Verlauf fortwährend Astchen ab, die sich sofort in Wundernetze auflösen. Aus diesen Wundernetzen gehen dann kleine Venen hervor. Eigenthümlich ist bei Acerina die ährenartige 3x 36 H. K. Corning Form der Wundernetze und ferner die Thatsache, dass die kleineren Gefäße nicht annähernd im rechten Winkel vom Hauptstamm ab- gehen, wie es bei Lota der Fall ist, sondern einen spitzen Winkel bilden (Fig. 16). Dorsal von der Gefäßschicht, dort wo sie zwischen Nieren und Schwimmblase liegt, finden sich einige jener Chroma- tophoren, die ich in Fig. 9 von Perca abgebildet habe. Blutdriisen. Die Blutdriisen des vorderen Abschnittes zeigen im Ganzen eine solche Ähnlichkeit mit denjenigen von Perea, dass eine genauere Beschreibung der Einzelheiten wohl entbehrlich ist. Als Unterschied hebe ich hervor, dass die Blutdrüsen bei Acerina enger zusammenliegen und weniger in die Fläche ausgebreitet sind als bei Perca. Ja an einem Exemplar waren die Drüsen so angeordnet, dass man den Eindruck erhielt, als ob bloß zwei vorhanden wären, symmetrisch zu beiden Seiten der Medianlinie. Cyprinus carpio. Die Ähnlichkeit der geschilderten Vorrichtungen bei Perea, Esox, Lota und Acerina cernua ist wohl ohne Weiteres ersichtlich. Ich habe auch in den einleitenden Bemerkungen die Ansicht aufgestellt, dass sie einen Typus vertreten, dem viele der von DE LA ROCHE untersuchten Fische anzugehören scheinen. In ganz ähnlicher Weise finden sich bei manchen Cyprinoiden Einrichtungen, welche uns be- rechtigen, auch für sie einen gewissen einheitlichen Typus anzu- nehmen. In wie fern sich dieser mit den zuerst betrachteten Ver- hältnissen auf eine Stufe stellen lässt, muss ich leider unentschieden lassen; doch glaube ich, dass an der Hand der Gefäßverhältnisse gewisse Vermuthungen darüber nicht unberechtigt sind. Die Schwimmblase der Cyprinoiden besteht bekanntlich aus einem vorderen und einem hinteren Abschnitt, die durch einen kurzen en- gen Kanal mit einander verbunden sind. Von der hinteren Abthei- lung geht der lange und enge Ductus pneumaticus ab, der in den Ösophagus einmündet. Die Wundernetze verbreiten sich an der Außenfläche der hinteren Schwimmblase, die wir kurzweg als hin- teren Abschnitt bezeichnen werden; die vordere Schwimmblase ent- behrt derselben vollständig. Mit der letzteren, die zum Gehörorgan besondere Beziehungen erlangt hat, werden wir uns nicht beschäf- tigen, da ihre Gefäßversorgung durchaus nichts Auffallendes dar- bietet. Ich habe die hintere Schwimmblase von Cyprinus carpio, Leu- Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 37 eiscus rutilus, Barbus fluviatilis und Leuciscus tinea (Tinca vulgaris Cuv.) untersucht und werde zuerst die Verhältnisse bei Cyprinus carpio, an welche sich diejenigen der übrigen Cyprinoiden leicht anschließen, genauer beschreiben. Form und Lage der Schwimmblase. Bei einem Karpfen von 3Scm Länge hatte die vordere Schwimmblase eine Länge von 5em, die hintere von 5!/. Der Ductus pneumaticus verlief von dem vordersten Theil der hinteren Schwimmblase, ventralwärts von der vorderen Schwimmblase in der Ausdehnung von 5'/,em bis zu seiner Einmündungsstelle in den Ösophagus. Mit dem Duetus ver- läuft eine Arterie zur hinteren Schwimmblase, deren Ursprung und Lage auf Fig. 17 zu sehen sind. Die Ansicht ist von rechts: der Fisch liegt auf der linken Seite. Die Rippen sind rechterseits ab- getragen, die Leber mit dem Darm nach rechts hinübergeschlagen: der rechte Hoden ist entfernt. - Die Arterie der Schwimmblase ent- springt aus einem Aste der Coeliaca, welcher eine Leberarterie, so- wie die Arteria spermatica dextra und sinistra abgiebt. Mit letzterer bildet die Arteria vesicae aereae eine Strecke weit einen gemeinsamen Stamm. Später verläuft sie mit der Vene zusammen und etwas dorsalwärts vom Ductus pneumatieus, aber doch eng an ihn ange- schlossen, bis zu seiner Eintrittsstelle in die Schwimmblase. Hier theilt sich die Arterie in eine Anzahl feiner Astchen, welche biischel- förmig an der äußeren Wand der Schwimmblase nach hinten ver- laufend die erwähnten Wundernetze bilden. Bemerkungen von JoH. MÜLLER über die Wunder- netze. Von diesen Wundernetzen sagt JoH. MÜLLER (loc. cit. pag. 129): »Die einfachste Gestalt von Wundernetzen, wie sie bei Cyprinen vorkommt, ist, dass sich die Arterien und Venen schon auf der äußeren Oberfläche der Schwimmblase in bandartige Schweife vertheilen, welche dem bloßen Auge oberflächlich wie einfache, diekere Gefäße, bei genauer Untersuchung und bei bewaffnetem Auge als Züge mehrerer oder vieler paralleler Gefäße (Arterien und Venen abwechselnd) erscheinen ...... Das Verhältnis dieser Anordnung zu den eigentlichen Blutdrüsen der anderen Fische und zu den an- deren Wundernetzen überhaupt ist jedoch bisher nicht klar gewor- den... Der Unterschied von den Wedeln der rothen Körper liegt darin, dass sie (d. h. die Schweife bei Cyprinus) nicht auf eine ein- zelne Stelle beschränkt sind, dass die Röhren der Schweife wenig zahlreich, aber ungemein lang sind, während in jenen das Gegen- theil stattfindet. Hier und da sondern sich aus den bandförmigen 38 H. K. Corning Schweifen neue Biindel nach den Seiten ab; nach langen Ziigen verlassen diese Röhrchen ihren parallelen Verlauf und verästeln sich baumförmig in Capillargefäßnetzen auf der inneren Haut der Schwimm- blase. Diese Wundernetze verhalten sich zu den Wundernetzen der rothen Körper ganz so, wie die diffusen Wundernetze der Chorioidea zu den amphicentrischen Wundernetzen derselben in der Chorioi- dealdrüse. « Typus der Wundernetze. Mit Ausnahme der Angabe, dass sich die Wundernetze auch auf der inneren Oberfläche der Schwimm- blase verzweigen können, ist diese Beschreibung von JoH. MÜLLER vollkommen richtig. Die Gefäßbündel erinnern in ihrem Verhalten auffallend an die zu den Blutdrüsen gehenden Gefäßbüschel vom Hecht. Hier wie dort ist die Theilung der Gefäße eine gablige, sie entspringen alle aus einer mit dem Ductus pneumaticus eintretenden Arterie und geben genau wie jene auch auf ihrem Verlauf nach hinten kleinere Röhrensysteme ab, die sich in Wundernetze auf- lösen. Überall verlaufen, wie Jom. MÜLLER sagt, Arterien neben Venen. Die Gefäßbündel liegen in einer bindegewebigen Mem- bran, die einen zarten, und ziemlich zellreichen Charakter be- sitzt. Glatte Muskulatur ist sehr reichlich vertheilt; ihre Fasern verfolgen meist einen mit den Gefäßen parallelen Verlauf; doch kommen andere Züge vor, welche die ersten in rechtem Winkel kreuzen. Die Gefäßbündel liegen in einem strafferen Gewebe, des- sen Kerne sich mit Boraxkarmin dunkler färben als diejenigen der übrigen Membran. Die Auflösung der Gefäßbündel in Wundernetze ist eine plötz- liche. In den kleineren Bündeln geht die gablige Theilung der Gefäße immer weiter vor sich, doch kommen die Gefäße nie so dicht neben einander zu liegen wie beim Hecht. In der Regel ist es schwer, die Wundernetze von der fibrösen Haut der Schwimmblase abzuziehen; meist bleiben Fetzen derselben an der fibrösen Haut haften. Der Typus der letzten Verzweigungen ist im Wesentlichen derjenige der Garben im Fundus der Hechtschwimmblase. Natürlich erweckte diese Übereinstimmung die Vermuthung, dass auch bei Cyprinus zellige Elemente zu den Wundernetzen in Bezie- hung treten müssten. Ich habe nichts derart nachweisen können. Zwar wird diejenige Schicht, welche die Gefäße umgiebt, immer dichter gegen die Wundernetze hin, allein von Zellen, wie sie bei Perea, beim Hecht etc. sich finden, konnte ich nichts sehen. Ich möchte aber erwähnen, dass sich hier und da eigenthümliche Zellen Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 39 fanden, die sich jedoch nicht an die Gefäße, sondern an die Züge glatter Muskulatur anschlossen. Diese Zellen hatten bald eine runde, bald eine mehr spindelartige Form, ihre Größe war verschieden, von 20 » Länge und Breite an bis zu 44u Länge und Breite. Sie fanden sich einzeln oder in Gruppen zu 5—10—15 zusammen. Stel- lenweise durchzog ein Nerv eine solche Gruppe. Die Kerne waren sroß, rund, und besaßen einen deutlichen Nucleolus. Vermuthlich sind diese Gebilde Ganglienzellen. Serienschnitte durch die Wand der Schwimmblase lassen uns ebenfalls die Existenz von »Blutdrüsen« verneinen. Die fibröse Schicht besteht eigentlich aus zwei Schichten von derbem Bindegewebe, einer äußeren ringsverlaufenden und einer inneren längsverlaufenden. Die äußere Ringschicht ist entsprechend den außen ihr aufliegenden beiden größeren Gefäßbündeln verdickt und wölbt die innere Schicht nach dem Schwimmblasenlumen hin vor, so dass hier zwei Längs- leisten entstehen, die etwa */;mm weit ins Innere der Schwimm- blase vorspringen. Diese Verhältnisse sind desshalb interessant, weil sie bei anderen Cyprinoiden, so z. B. bei Barbus fluviatilis noch eine höhere Differenzirung genommen haben. Elastische Fasern sind in beiden Schichten der fibrösen Haut ziemlich häufig. Das Innen- epithel der Schwimmblase ist platt und zeigt keine Abweichungen von den für Esox beschriebenen Verhältnissen. Die Gefäßschicht nimmt an der äußeren Oberfläche der fibrösen Schicht ihre Verbreitung. Die Zweige der Wundernetze dringen oft gar nicht, oder doch nur auf eine kurze Strecke in die fibröse Haut ein, auch sind weder in letzterer noch zwischen ihr und der inner- sten Plattenepithellage Gefäße auf Quer- oder Schrägschnitt getroffen. Es bleibt also die Beziehung der Wundernetze zu dem Innern der Schwimmblase eine räthselhafte, da jene durch die ganze fibröse Wand von dieser getrennt sind. Leuciscus rutilus. Bei Leuciscus rutilus liegen die makro- skopisch sichtbaren Verhältnisse ähnlich wie beim Karpfen. Nur die Gefäßmembran zeigt einige Eigenthümlichkeiten, die eine kurze Erwähnung verdienen. Die einzelnen Gefäßbündel verhalten sich, was ihre Theilung angeht, ganz eben so wie bei Cyprinus. Doch sind sie etwas dichter und die Wundernetze häufiger. Sehr oft kommen auch unmittelbar vor oder nach der Theilung der Arterien Ausbuchtungen derselben vor, die vollständig dem entsprechen, was man in der pathologischen Anatomie als Aneurysma fusiforme be- zeichnet. Auch die kleineren Arterien zeigen diese Erscheinung. 40 H. K. Corning Sie erinnert an die bei Lota beschriebenen Erweiterungen der kleinen Arterien unmittelbar vor ihrem Zerfall in Wundernetze. Tinea vulgaris. Hier fehlen diese Erweiterungen. Ihre Ge- fäßbüschel und Wundernetze sind fast eben so dicht, wie diejenigen von Leuciscus rutilus. Barbus fluviatilis bietet den Typus der Cyprinoiden in äußerster Diirftigkeit. Zwei Gefäßbündel verlaufen in der Weise spiralig um die hintere Schwimmblase, dass sie 1'/, Windungen beschreiben. Diese größeren Bündel, welche sekundäre Bündel abgeben, bestehen aus 4—6 Gefäßen, Arterien und Venen. Die Seitenbündel verzweigen sich nur allmählich und lassen keine Wun- dernetze als letzte Verzweigung hervorgehen. Eigenthimlich ist, dass mehrere ins Innere der Schwimmblase vorspringende Leistchen zu bemerken sind, welche in Spiralen die innere Oberfläche um- ziehen. Ich führe diese Verhältnisse an, ohne eine Deutung dafür geben zu können. Ergebnisse. Wenn wir die in dieser Arbeit geschilderten Zustände über- blicken und zusammenfassen, so lassen sich daran einige Bemer- kungen knüpfen, welche vielleicht weiteren Forschungen zum Schlusse dienen können. Die Schwimmblase bei Salmo fario stellt einen einfachen Schlauch dar mit kontraktilen Wandungen, einem inneren Epithelüberzug und einer offenen Kommunikation mit dem Ösophagus. Der Einfachheit der Struktur entspricht auch die Einfachheit der Gefäßverhältnisse. Im vordersten Abschnitt verhält sich die Schwimmblase in Bezug auf ihre Blutversorgung wie ein Darmanhang; ihre Arterie ent- springt aus der Coeliaca, ihre Vene geht in die Pfortader. Der hintere Abschnitt steht zu den Intercostalgefäßen in Beziehung. Die feinste Verzweigung aller dieser Gefäße erfolgt nach dem ge- wöhnlichen Typus des Überganges von Arterien in Venen durch Capillaren. Diejenigen feinen Äste, welche unmittelbar unter dem innersten Epithel der Schwimmblase verlaufen, bedingen eine leichte Differenzirung der Epithelzellen, indem letztere über den Gefäßen höher sind und einen mehr cylindrischen Charakter annehmen. Außer dieser Differenzirung des Epithels ist noch eine andere vor- handen, wodurch der vorderste Abschnitt der Schwimmblase vom hintersten unterschieden ist. In dem Bereich der aus dem Gebiet Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 41 der Arteria coeliaca stammenden Arterie ist das Epithel höher als in dem hinteren Theil der Schwimmblase, die ihre Blutversorgung aus den Intercostalgefäßen erhält. Das Gemeinsame dieser einfachsten Verhältnisse mit den kom- plieirteren Einrichtungen bei Perca, Esox, Lota und Acerina cernua ist leicht zu erkennen. Auch bei diesen Fischen bildet die Schwimm- blase einen länglichen Sack mit kontraktilen Wandungen und in- nerem Epitheliiberzug. Auch bei ihnen lässt sich eine doppelte Quelle der Blutversorgung nachweisen. Auch bei ihnen verbreiten sich die Gefäße unter dem innersten Epithel, und letzteres hat im vordersten Abschnitt der Schwimmblase einen anderen Charakter als im hinteren. Allein es sind hier in einigen Beziehungen höhere Verhältnisse gegeben. Die Verbreitung der aus der Coeliaca stam- menden Arterie resp. der in die Pfortader einmündenden Vene er- folgt zwischen Zellen, von denen ich annehmen darf, dass sie dem Epithel der Schwimmblase entstammen (s. im Anhang die Bemer- kungen über den Aal). Diese zelligen Säume stellen also eine Lo- kalisirung der zu Blutgefäßen in Beziehung tretenden Zellen des vorderen Theiles der Schwimmblase dar. Im hinteren Theil der Schwimmblase verzweigen sich die Gefäße unmittelbar unter einem Plattenepithel, und zwar in Form von Wundernetzen, welche, bei oberflächlicher Betrachtung sehr verschieden, dennoch den gleichen Typus wahren. In Bezug auf die Lokalisirung dieser Wundernetze sind bei Esox andere Verhältnisse gegeben als bei Perea, Lota und Acerina. Bei Esox findet die Verzweigung im ganzen hinteren Ab- schnitt der Schwimmblase statt; es darf dies vielleicht als die ur- sprünglichere Einrichtung bezeichnet werden. Bei Perca, Lota und Acerina dagegen sind die Wundernetze auf einen bestimmten Ab- schnitt der dorsalen Wand beschränkt, in welchem die fibröse Haut der Schwimmblase fehlt, und wo die Gefäße unmittelbar unter dem Epithel zu liegen kommen. Diese Beschränkung in Ausdehnung wird durch eine entsprechend größere Dichtigkeit der Wundernetze bei den zuletzt genannten Fischen ausgeglichen. Ich glaube, dass diese Thatsachen dazu beitragen werden, die bisher angenommene große Mannigfaltigkeit in der Struktur und den Gefäßverhältnissen der Teleostierschwimmblase zu erklären und auf einfache Typen zurückzuführen. Ausgedehntere Untersuchungen wer- den es möglich machen, den Zusammenhang dieser Bildungen durch gemeinschaftliche morphologische Charaktere zu erkennen. Ich bin überzeugt, dass dies in weit höherem Grade möglich ist als man 42 H. K. Corning bis jetzt angenommen hat. Dass jedoch Vieles dabei unerklirlich bleiben wird, ist wahrscheinlich und ich möchte gerade hier auf die Wundernetze der Cyprinoiden hinweisen, die in ihrem Typus nieht wesentlich von den Wundernetzen des vorderen Abschnittes der Hecht- schwimmblase abweichen, obgleich sie keine Beziehungen zu Zellen besitzen und sich auch in ihrer Lage gauz anders verhalten, als die ihnen analogen Gebilde. Anhang. Bemerkungen über die Schwimmblase des Aals und über die Entwicklung der Lachsschwimmblase. Ich hatte beabsichtigt, auch die Schwimmblase des Aals, sowie die Entwicklung einer einfachen Schwimmblase in den Kreis meiner Untersuchung zu ziehen. Äußere Umstände haben mich an der Vollendung dieser Arbeit verhindert, doch glaube ich einige That- sachen festgestellt zu haben, die im Folgenden Erwähnung finden mögen. 1. Schwimmblase des Aals (Muraena anguilla). Die letzte von den vielen Arbeiten über die Schwimmblase vom Aal ist diejenige von A. PauLy unter dem Titel: » Beitrag zur Ana- tomie der Schwimmblase des Aals«. Habilitationsschrift. München 1882. Auf pag. 5 dieser Abhandlung ist die ältere Litteratur zu- sammengestellt. Am Werthvollsten fand ich die Abhandlung von RATHKE »über die Schwimmblase des Aals« in den »Beiträgen zur Geschichte der Thierwelt«. IV. Heft. pag. 110 sq. Eine vorzügliche Abbildung der Schwimmblase und der Blutdrüsen (von außen ge- sehen) giebt J. QuEKETT in dem schon früher eitirten Aufsatz (pag. 99). Seine Darstellungen der Wundernetze des Ductus pneumaticus und der Gefäßvertheilung in der Schwimmblase selbst (Plate XII Fig. 2 und 4) entsprechen jedoch nicht der Wirklichkeit. PAuLy giebt keine Abbildungen. Meine im Folgenden vorgeführten Beobachtungen beziehen sich auf drei Punkte. Erstens auf die Anordnung der Wundernetze im Ductus pneumatieus. Zweitens auf die Struktur der Blutdrüsen. Drittens auf die Beziehungen der Blutgefäße zu dem Epithel der Schwimmblase selbst. Daran werde ich einige Schlussbemerkungen reihen, welche Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der 'Teleostier. 43 darauf hinzielen, die Analogie der betreffenden Gebilde mit den Wundernetzen und »Blutdrüsen« von Perea. Esox ete. festzustellen. Makroskopische Verhältnisse der Aalschwimmblase. Letztere bildet, wie längst bekannt, einen langen, spindelförmigen Sack, der den Ductus pneumaticus nicht, wie die meisten anderen Schwimmblasen, vorn abgiebt, sondern etwa in der Mitte und zwar von der linken seitlichen Wand. Der Ductus stellt bei einem Exem- plar von 45 em Länge zuerst einen 7—S mm langen Kanal dar, welcher sich plötzlich erweitert und sich, der Schwimmblase links angelagert, noch vorn hinzieht. Das Lumen der Erweiterung des Ductus ist kaum geringer als dasjenige der Schwimmblase selbst. Bei unserem Exemplar von 45 em Länge erstreckte sich diese zweite Blase 1 cm weiter nach vorn als die Schwimmblase: von ihrem vordersten Ende geht ein feiner Kanal ab, der, nach vorn ziehend, in den Osophagus einmündet. Lage der »Blutdrüsen«. Diese viel besprochenen Organe liegen, von außen gesehen, zu beiden Seiten jenes Kanals, von dem ich so eben angab, dass er die Erweiterung des Ductus pneumaticus mit der Schwimmblase verbindet. Sie stellen bohnenförmige Körper dar, deren Längsausdehnung bei meinem Exemplar 8 mm betrug. Sie schimmern bei Injektionen mit Berlinerblau durch die fibröse Haut und liegen zwischen ihr und der innersten Haut des Ductus. Makroskopisch sichtbare Gefäßverhältnisse. Die Gefäße verlaufen nach PauLy (pag. 8) folgendermaßen. Die Arterie der Schwimmblase kommt aus einem Zweige der Coeliaca und ge- langt, an dem Ductus pneumaticus entlang verlaufend, zu den Blut- drüsen. Auf diesem Wege giebt sie zahlreiche, in Wundernetze sich auflésende Äste an die Erweiterung des Ductus pneumatieus ab. Die Blutdrüsen werden durch eine rasch erfolgende gablige Theilung der Endäste der Schwimmblasenarterie gebildet und zwar in der Weise, dass die Arterie am vorderen Ende der Blutdrüse in dieselbe eintritt und sogleich eine gablige Theilung eingeht. Die so entstehenden feinsten Arterien verlaufen eine kurze Strecke weit parallel gegen das hintere Ende der Blutdrüse, sammeln sich aber dann umgekehrt, um sich »in zwei Hauptstämmen und mehreren Nebenstämmen nach vorn und hinten an die innere Haut der Schwimmblase zu verbreiten« (PauLy). Die Venen verhalten sich in ihrem Verlauf genau wie die Arterien; die Venen der Schwimmblase treten von hinten her in die Blutdrüsen ein, theilen sich gablig, sammeln sich gegen vorn hin zu einem größeren Stamme, der, am vorderen Ende der Blutdrüsen 44 H. K. Corning austretend, das aus den Wundernetzen des Ductus kommende venöse Blut sammelt und sich in ihrem weiteren Verlauf an die rechte Cardinalvene anlagert, um schließlich in den Ductus Cuvieri einzu- münden (Paury). So käme ein kleiner Kreislauf im Luftgang zu Stande. Wundernetze des Ductus pneumaticus. Die Wunder- netze des Ductus bespricht PauLy auf pag. 8 seiner Arbeit. Er sagt ganz richtig, dass die Arterie auf ihrem Verlauf nach hinten rechtwinklig Astchen abgiebt, die sich an der inneren Oberfläche des Ductus, unter dem Cylinderepithel desselben, verbreiten. Ich möchte hervorheben, dass der Typus dieser Gefäßverbreitung, auch nach Berücksichtigung aller Eigenthümlichkeiten, dennoch mit jener der Gefäßmembran von Perca fluviatilis, Acerina cernua ete. über- einstimmt. Die Hauptarterie (von RATHKE als Arteria vesic. externa bezeichnet) giebt auf ihrem Verlauf nach hinten Aste ab, zwischen denen die mittelgroBen Venen ihre Entstehung nehmen, um sich in die große, von hinten her kommende Vene zu ergießen. Die große Arterie, sowie auch ihre mittelgroßen Äste, geben wieder in ziemlich gleichen Intervallen kleinste Ästchen ab, die sich bald nach ihrem Ursprung in ungemein dichte fächerförmige Wundernetze auflösen. Aus diesen gehen die venösen Capillaren, die venösen Wundernetze und schließlich die kleinsten Venen hervor. Arterien und Venen, besonders aber die letzteren, zeigen ganz erstaunliche Unregelmäßig- keiten im Lumen; sie werden plötzlich weit, dann wieder eng oder eine größere Vene zerfällt in einen förmlichen Plexus kleinerer Ve- nen, die sich ihrerseits im weiteren Verlauf wieder zu einem größe- ren Gefäß sammeln. Es ist schwer, sich von der Dichtigkeit des Gefäßnetzes eine Vorstellung zu machen; bloß die Gefäßmembran von Perea bot in dieser Beziehung ähnliche Verhältnisse. Eine schon von anderen Gefäßmembranen berichtete Eigenthümlichkeit findet sich beim Aale wieder, nämlich ein von feineren Gefäßver- zweigungen freier Raum längs der größten und mittelgroßen Gefäße. Diese Einrichtung, durch welche es bedingt ist, dass die feinsten Ästehen der Wundernetze mit den größeren Gefäßen nicht in Zu- sammenhang stehen, findet sich beim Aal in weit höherem Grade als bei irgend einem anderen der untersuchten Fische. Die Blutdrüsen. PAuLy hat die Zusammensetzung der Blut- drüsen aus Arterien und Venen ganz richtig beschrieben (pag. 10 und 11) und ich habe bei Besprechung der makroskopischen Gefäß- | verhältnisse seine Angaben im Wesentlichen wiederholt. Die soge- Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 45 nannten Blutdrüsen beim Aal enthalten keine zelligen Elemente. Sie bestehen (s. Fig. 18) bloß aus Arterien und Venen, deren Lu- mina in den mittleren Partien der Blutdrüse, wo die Gefäße parallel verlaufen, dicht neben einander gelagert ein honigwabenähnliches Aussehen darbieten. Arterien wechseln mit Venen, genau wie wir es schon für denjenigen Abschnitt der Barschblutdrüse festgestellt haben, der vor dem Eintritt der Gefäße in den Zellensaum gelegen ist und sich vom Hilus der Blutdrüse bis zum zelligen Saum aus- dehnt. Im Bau entsprechen sich beide Gebilde so genau, dass man den Querschnitt der Gefäßbündel bei Perca mit dem Querschnitt der Blutdrüse des Aals verwechseln könnte. Es entspricht also die Blut- drüse des Aals, welche durch gablige Theilung der Gefäße entsteht, bloß den ebenfalls durch gablige Theilung entstehenden Gefäßbündeln in den Blutdrüsen von Perea fluviatilis, Acerina cernua etc. Die Verbreitung in den zelligen Säumen bei den zuletzt genannten Fischen ist aber keine Wundernetzbildung mehr, sondern bloß ein Übergang von arteriellen Capillaren in venöse. Wenn wir nun aber die Ho- mologie der Aalblutdrüsen und der Barschblutdrüsen minus den zel- ligen Säumen aufrecht erhalten wollen, so ist die Frage berechtigt, ob beim Aal nicht auch Zellen vorhanden sind, die zu den aus den Blutdrüsen austretenden Gefäßen in Beziehung stehen. Und hier komme ich auf meinen letzten Punkt, das Verhältnis der Schwimm- blasengefäße zu dem Schwimmblasenepithel, zu sprechen. Das Epithel der Schwimmblase, und ihre Gefäßver- sorgung. Pauty hat das Epithel der Schwimmblase anscheinend bloß auf Flächenpräparaten untersucht. Er sagt (pag. 16): »Das Epi- thel der Schwimmblase ist ein hohes, derbes Epithel, mit etwas ovalen Kernen. Dasselbe ist leicht darzustellen; seine Zellen hän- gen so fest an einander, dass es von der macerirten inneren Haut in Fetzen abgezogen werden kann... . Betrachtet man solch ein isolirtes Epithelstiickchen von der Fläche, so bemerkt man an dem- selben ganz deutlich einen lichten Abdruck der Capillarmaschen: der über den Capillaren liegende Theil des Epithels verhält sich an- ders, als der die Gefäßinseln bedeckende. ... Die auf den Gefäßen stehenden Epithelzellen sind niedriger, als die daneben befindlichen, ein Verhältnis, welches mit dem Gasaustritt aus dem Blute in Be- ziehung zu stehen scheint und demselben jedenfalls günstig ist.« Diese Angaben sind, in so fern sie sich auf Flächenpräparate bezie- hen, zum Theil richtig, obgleich sie die Haupteigenthiimlichkeit die- ses merkwürdigen Epithels in keiner Weise berühren. 46 H. K. Corning Prüfen wir zunächst die Angaben Paury's an einem Flächen- präparat der Gefäßschicht. Dasselbe ist leicht herzustellen, denn die innerste Schicht der Schwimmblase, welche auch die Gefäße enthält, steht nicht durch eintretende Gefäße mit der fibrösen Haut in Verbindung, wie es z. B. bei Esox der Fall ist. Mit der Epi- thelschicht wird auch eine glänzend weiße Schicht von der Fibrosa abgezogen, die sich jedoch durch Pincettenzug entfernen lässt. So erhalten wir ein ziemlich durchsichtiges, und mit Boraxkarmin ge- färbt für die Verhältnisse des Epithels und der Gefäße in der Flä- chenansicht maßgebendes Präparat. Das Erste, was daran auffällt, ist das Verhalten der Gefäße. Diese zeigen nirgends in der Art ihrer Verbreitung den Charakter von Wundernetzen. Vielmehr ist durchweg bloß der gewöhnliche Übergang von Arterien in Venen durch Capillaren zu erkennen. Im Weiteren fällt auf, dass die Gefäße nicht alle in einer Ebene liegen; manche werden bei hoher, andere bei tiefer Einstellung sichtbar. Das Epithel zeigt kein einheitliches Verhalten. Auf bei- den Seiten der größten und der mittelgroßen Gefäße liegen dunkel gefärbte Zellstränge, von denen man schon mit Harty. IV erkennt, dass sie aus vielen über einander liegenden Zellen bestehen. Diese Zellstränge sind bei hoher Einstellung des Mikroskops zu erkennen. Daneben liegen vielfach Epithelzellen in einfacher Lage, die bei tiefer Einstellung zu sehen sind. Diese Eigenthümlichkeiten des Epi- thels hat Paury jedenfalls gesehen, er bezieht sie auf einen Unter- schied in der Höhe der Zellen und nimmt an, dass die auf den Gefäßen stehenden Epithelzellen niedriger seien, als die daneben befindlichen. Obgleich ich nicht leugnen will, dass die Zellen der Epithelschicht ungleich groß sein mögen, so glaube ich doch, dass die Verhältnisse, wie sie das Flächenpräparat darbietet, bloß durch die Annahme von Faltenbildungen des Epithels zu erklären sind. In diesen Falten liegen die größeren und die mittelgroßen Gefäße. Schnittserien sind zur Würdigung dieses eigenthiimlichen Ver- haltens unentbehrlich (Fig. 19«). Sie lassen sofort folgende That- sachen erkennen: Die Epithelüberkleidung bildet mit ihrer bindege- webigen Unterlage Falten, in welchen Gefäße verschiedener Größe verlaufen. Die Falten sind verschieden hoch; auf einer großen Falte können mehrere kleine Falten stehen, die wieder Gefäße ent- halten. Zwischen den Falten finden sich Einsenkungen des Epithels, die wir näher betrachten werden. Das Epithel selbst ist hohes Cylinderepithel, das je nach seiner Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 47 Lage große Verschiedenheiten zeigen kann. Auf den Kuppen der Falten ist es weniger hoch, als in den Thilern; es besitzt einen mehr kubischen Charakter und die Falten haben eine Höhe von vielleicht 17 u. Auf den Seiten der Falten sind die Zellen viel höher und weniger breit (32u—40y). In den Thälern zwischen den Fal- ten verändern die Zellen sehr vielfach ihren Charakter: es finden sich hier an vielen Stellen Einsenkungen von Zellen, welche förm- liche Stränge oder Nester bilden (Fig. 19d). In diesen Strängen ist kein Lumen zu sehen; die Zellen sind von sehr verschiedener Größe und zeigen in dieser Beziehung, sowie in ihrer atypischen Anordnung, große Ähnlichkeit mit den Zellen der Säume bei Perea ete. Nicht nur zwischen den Falten zeigt sich diese massige Ent- wicklung von Epithelzellen, sondern die Falten selbst können bloß aus Zellen gebildet sein, die ein kleineres oder größeres Gefäß ein- schließen (Fig. 19e). Alle Übergänge lassen sich in diesen Gebilden verfolgen, von einer einfachen Cylinderepithelschieht, bis zu Stellen, wo 3—4—5 Zellen über einander liegen. Der Charakter dieser Zellen ist der gleiche, wie derjenige der Zellennester in den Buch- ten zwischen den Falten. Die Gefäße stehen überall in enger Beziehung zum Epithel. Die größeren verlaufen, wie schon gesagt, iu den Falten und sind auf Querschnitten der Schwimmblase ebenfalls auf dem Querschnitt getroffen. Kleinste Verzweigungen finden sich um und in den Zel- lennestern der Buchten und der Falten selbst; ihre Anordnung lässt durchaus keine Regelmäßigkeit erkennen. Ergebnis. Wenn wir schließlich nach der Deutung aller dieser Einrichtun- gen beim Aal fragen, so ist von vorn herein zu bemerken, dass die Verhältnisse der Wundernetze im Ductus pneumaticus völlig ver- einzelt dastehen. Ihr Typus ist im Ganzen derjenige von jener Gefäßmembran, die bei Perea und Lota dorsal von der oralen Area gelegen ist. Doch lässt sich daraus durchaus nicht auf die Homologie der beiden Gebilde schließen. Was den zweiten Gegenstand unserer Betrachtung, die Blutdrüsen angeht, so entsprechen sie jener Wun- dernetzbildung, die sich in der Blutdrüse von Perca zwischen Hilus und zelligem Saum ausbreitet. Das Epithel der Schwimmblase selbst mit seinen eigenthümlichen, atypisch angeordneten Zellen und mit seinen zwischen den Zellen sich verzweigenden Blutgetäßen wird sich 48 H. K. Corning ohne Schwierigkeit als Homologon der »zelligen Säume« anderer Fische deuten lassen. Wenn wir das Gemeinsame der beiden Ge- bilde ins Auge fassen, so können wir sagen, dass beim Aal die aus den Blutdrüsen-Wundernetzen austretenden resp. in dieselben ein- tretenden Gefäße zu Zellen in Beziehung stehen, welche über die ganze innere Oberfläche der Schwimmblase verbreitet sind. — Bei Perca, Acerina ete. verzweigen sich die Gefäße der Blutdrüsen- Wundernetze zwischen Zellen, die an mehreren Stellen lokalisirt sind und hier die zelligen Säume bilden. Das Gemeinsame beider Einrichtungen ist wohl ohne Weiteres zu ersehen. Ihre Zusammen- stellung hat auch für die Erklärung der Herkunft jener die Säume bei Perca bildenden Zellen einen Werth. Sie sind offenbar epithe- lialen Ursprungs, indem sich, wahrscheinlich in einer frühen Ent- wicklungsperiode, Zellstränge von dem inneren Epithel der Blase abschnüren, zu Gefäßen in Beziehung treten und so jene Säume bilden. Der genauere Vorgang kann bloß durch Untersuchung jun- ger Entwicklungsstadien aufgeklärt werden. 2. Entwicklung der Schwimmblase beim Lachs. Die Entwicklung der Schwimmblase bei Teleostiern hat noch keine Bearbeitung mit den Hilfsmitteln der modernen Technik er- fahren. Einige ältere Notizen stammen von v. BAER und CARL Vosr. Ersterer hat für Perca fluviatilis nachgewiesen, dass die im ausgewachsenen Zustand einen Ductus entbehrende Schwimmblase aus dem Vorderdarm entsteht, ferner giebt derselbe (Entwicklungs- geschichte der Fische. pag. 32 und 33) einige Bemerkungen über die vordere und hintere Schwimmblase von Cyprinus, für die er einen verschiedenen Ursprung festgestellt haben will, indem die hin- tere Schwimmblase sich aus der rechten Seite des Verdauungskanals hervorstülpt und allmählich nach hinten rückt, während die vordere Schwimmblase sich später entwickelt, und zwar als ein hinter dem Gehörorgan liegendes Bläschen, das erst sekundär zu der vorderen Blase in Beziehung tritt. C. Voer (Embryologie des Salmones. pag. 177) hat die Entwicklungsvorgänge bei Coregonus palaea unter- sucht und kommt zu dem Schluss, dass die Anlage der Schwimm- blase sich als solider Zellenhaufen an der hinteren Osophaguswand, nicht weit vom Magen darstelle, in der sich eine Höhle bilde, vor- läufig ohne Kommunikation mit dem Darm. Erst später mache sich diese Verbindung bemerklich. BALrour sagt in seiner »Comparative pe ty Os Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 49 Embryology« II. Band. pag. 63: »The air-bladder is formed as a dorsal outgrowth of the alimentary tract, very slightly in front of the liver. It grows in, between the two limbs of the mesentery, in which it extends itself backwards. It appears in the Salmon, Carp and other types to originate rather on the right side of the median dorsal line, but whether this fact has any special significance is ra- ther doubtful. In the Salmon and Trout it is formed considerably later, than the liver, but the two are stated by von BAER to arise in the Carp nearly at the same time.« Zur Untersuchung der Entwicklung habe ich Salmo trutta ge- wihlt. Die Thierchen waren in Chromessigsiiure gehiirtet, mit Bo- raxkarmin oder Hämatoxylin gefärbt und in Paraffin eingebettet. Zur raschen Orientirung waren Sagittalschnittserien unerlässlich; über einzelne Details gaben Querschnitte Aufschlüsse. Bei einem Lachs von 12 mm Länge und 41 Tage nach dem Streichen war die Anlage der Schwimmblase schon zu erkennen ie. 20:2). Der Ösophagus ist noch ein solider Zellstrang, in welchen von der Mundhöhle aus ein triehterförmiges Lumen führt. Distal geht der Ösophagusstrang in ein triehterförmig sich erwei- terndes Lumen über, das mit Cylinderepithel ausgekleidet ist. Der Anfang dieses erweiterten Abschnittes entspricht annähernd dem fünften Myocomma, von vorn gerechnet. Das Epithel bildet in sei- nem Charakter einen entschiedenen Gegensatz zu dem kubischen Epithel der Mundhöhle; die Zellen sind etwa doppelt so hoch; ihre Kerne liegen mehr wandständig und färben sich mit Hämatoxylin viel dunkler als die Kerne der Mundepithelzellen. Auf dem kom- binirten Bild (Fig. 20) sieht man, dass der Darm distal von der geschilderten Erweiterung sich wieder verengt und dann als gerades Rohr zum After verläuft. Was die Darmwandung angeht, so besteht sie am Ösophagus oder am soliden Zellstrang, der in’ dieser Ent- wicklungsperiode den Ösophagus darstellt, aus einer äußeren Ring- und inneren Längsfaserschicht. Die Formelemente derselben sind glatte Muskelzellen in verschiedenen Stadien der Ausbildung. In der auf den Ösophagus folgenden Erweiterung ist an der Wandung des Kanals nicht so genau eine äußere und innere Schicht zu er- kennen. Längs- und ringverlaufende glatte Muskelzellen sind häufig, daneben ist die Wand sehr reich an rundlichen Zellen, die, dicht neben einander liegend, in einem lebhaften Theilungsprocess be- griffen scheinen. An der dorsalen Wand dieser auf den Ösophagus folgenden Morpholog. Jahrbuch, 14. 4 50 H. K. Corning Erweiterung zeigt sich nun die erste Anlage der Schwimmblase als eine leichte Ausbuchtung des Epithels, die sich dorsalwärts und nach hinten richtet. Entsprechend dieser Ausbuchtung ist die Wand des Darmes verdickt und nach außen vorgewulstet. Die Verdickung be- steht aus sehr zahlreichen runden und spindelförmigen Zellen; sie ist von einer Lage von Plattenepithel überkleidet, welches sich in den Überzug der dorsalwärts gelegenen Nieren fortsetzt und offen- bar das Peritoneum ist. Von der durch die Schwimmblasenanlage gebildeten Verdickung resp. Hervorwölbung der Darmwand geht ein Strang zu den Nieren hinüber, der aus Bindegewebe, einzelnen glat- ten Muskelfasern und Plattenepithel besteht und eine Peritonealdupli- katur darstellt. In diesem Strang zeigt sich das Lumen eines größe- ren Gefäßes, welches aus der Aorta entspringt. Diese Verhältnisse stellen sich alle noch klarer dar bei einem 48 Tage alten und 15 mm langen Lachs. Hier ist die Ausbuchtung, welche bei dem jüngeren Exemplar bloß angedeutet war, zu einem nach hinten und dorsalwärts gerichteten Trichter entwickelt. Der Ösophagus ist noch immer zum Theil solid. Am Darm zeigen sich etwa °/, mm distalwärts von der Schwimmblasen-Ausstülpung meh- rere Ausbuchtungen des Epithels, die jedoch nicht von einer Ver- diekung oder Ausbuchtung der Wandung begleitet sind. Diese Ge- bilde sind vielleicht als die erste Anlage der Pylorusanhänge zu betrachten. Das Epithel ist in diesem Abschnitt höher als an jener vorderen Erweiterung, welche die Schwimmblasenausstülpung ent- stehen lässt. Dort haben die Cylinderepithelzellen eine Höhe von etwa 22 u; hier sind sie höher (bis 35 u) und besitzen mehr wand- ständige Kerne. Ein noch späteres Stadium stellt sich auf Fig. 21 dar. Der Embryo hat eine Länge von 17 mm und ein Alter von 53 Tagen. Hier zeigt sich die Schwimmblasenausstülpung als ein Sack, der sich dorsalwärts und nach hinten hinzieht. Er hat eine offene Kommuni- kation mit dem Darmrohr; es bestehen also nicht, wie am Ösopha- gus, sekundäre Verwachsungen des Epithels zu einem soliden Zell- strang. Die Wand der Ausstülpung zeigt an ihrer Übergangsstelle in die Darmwand eine Differenzirung in eine innere Längs- und äußere Ringfaserschicht. Von einem eben so langen und eben so alten Embryo habe ich auch Querschnitte angefertigt. Diese begannen an jener Stelle, wo die Mundhöhle sich trichterförmig zum Ösophagus verengert. Zu- nächst war daran die Struktur des den Ösophagus darstellenden ee Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmblasen der Teleostier. 51 soliden Zellstrangs zu erkennen. Ich erwiihne dieses desshalb, weil man die im Zellstrang auftretenden Lumina leicht fiir die erste An- lage der Schwimmblase selbst halten könnte. Ähnliche Zustände hat DE MEURON für Amphibien beschrieben und abgebildet. — Der Zellstrang des Ösophagus ist abgeplattet und zeigt in seinem vor- dersten Theile keine Andeutung eines Lumens. Letzteres tritt zu- erst links von der Medianlinie auf; zwei Schnitte (Dicke 0,02 mm) weiter nach hinten zeigt sich ein drittes Lumen, nach rechts von der Medianlinie gelegen. Das Epithel des Ösophagus zeigt eine Scheidung in drei Stränge, einen medianen und zwei laterale. In den folgenden Schnitten nimmt das mittlere Lumen an Umfang zu; das nach rechts von der Medianlinie liegende schwindet, das linke vereinigt sich mit dem medialen, das zuletzt nach hinten hin allein bestehen bleibt. An dieses schließt sich dann der erweiterte Ab- schnitt des Darmes an, von welchem sich die Schwimmblasenanlage ausbuchtet. Diese zeichnet sich vor anderen Ausbuchtungen des Darmes, so- wie vor den so eben beschriebenen, nach rechts und links von der Medianlinie gelegenen Lumina des Ösophagus dadurch aus, dass sie auch eine Ausbuchtung der Darmwand bedingt. An diese Aus- buchtung setzt sich das von den Nieren kommende Mesenterium fest und in dieses hinein findet, wie BALFOUR ganz richtig angiebt, die Entwicklung der Schwimmblase statt. Die beschriebenen Beobachtungen bestätigen die Ansicht, dass die Schwimmblase als unpaare Ausstülpung der dorsalen Darmwand, und zwar nach rechts hin entsteht. Sie geht von einer Erweiterung des Darmes aus, die in frühen Stadien unmittelbar auf das Auftreten eines Lumens im Ösophagus folgt. Die Schwimmblasenanlage zeich- net sich vor anderen im gleichen Darmabschnitt sich findenden Aus- buchtungen dadurch aus, dass sie zugleich auch eine Ausbuchtung der Darmwand bedingt. Diese Untersuchung ist im Wintersemester 1886/87 im anatomi- schen Institut zu Heidelberg ausgeführt worden. Mein herzlichster Dank gebührt Herrn Geheimrath GEGENBAUR, sowie meinen Freun- den, Herrn Professor Rue und Herrn Dr. Fr. MAURER für ihre freundlichst gewährte Hilfe und Anleitung. Heidelberg, den 15. August 1887. Fig. ot Erklärung der Abbildungen. Tafel I und II. Querschnitt durch die Wandung der Forellenschwimmblase. a. Platten- epithellage, b. fibröse Schicht, e. Längsmuskelschicht, d. Ringmuskel- schicht, e. inneres Epithel der Schwimmblase, f. Blutgefäß. Ursprung und Verlauf der Arteria vesicae aereae anter. bei Perca fluviatilis. coel. Art. coeliaca, x. gemeinsamer Stamm der Art. vesi- cae aereae anter. und der rechten Magenarterie, gastr. dextr. rechte Magenarterie, y. Eintrittsstelle der Art. vesicae anterior in die Schwimmblase. a.b.c. Zweige der Art. vesic. ant. an die Blutdrüsen. Blutdrüse von Perca fluviatilis. Gefäßvertheilung im Flächenpräparat. h. Hilus der Blutdrüse, z. zelliger Saum. Gefäßschlingen am Rand des zelligen Saumes bei Perea. a. Große Zelle mit zwei Kernen, c. Gefäße der Schlingen, d. Anastomose mit dem hinteren Gefäßbezirk, e. Grenze des zelligen Saumes gegen die Peripherie zu. 1. Innere Epithelschicht der Schwimmblase, 2. Blutdrüse, 3. Binde- gewebsschicht, 4. fibröse Schicht. «a. Arterie und Vene der Blutdrüse, auf dem Schrägschnitt getroffen, 6. Stelle der stärksten gabligen Thei- lung der Gefäße, ec. Anfang des Zellensaumes gegen den Hilus hin, d. Eintrittsstelle der Gefäße in den Zellensaum, e. Grenze des Zellen- saumes gegen die Umgebung. Bezeichnung wie bei Fig. 5. Hintere Hälfte des »Ovals« bei Perea fluviatilis. ov. Oval; mit radiär verlaufenden Zügen glatter Muskulatur, a. glatte Muskulatur der Be- grenzung des Ovals. Arterielle Wundernetze der Gefäßschicht beim Barsch. a. Haupt- stamm, b.b.b. kleine Äste, die sich in Wundernetze auflösen. — Chromatophoren bei Perca. a.b.c. Chromatophoren der Gefäßschicht, d. Pigmentzellen des Peritoneum. Querschnitt durch die Wand der Hechtschwimmblase 1. fibröse Schicht, 2. Bindegewebsschicht mit Gefäßbündeln, 3. Gefäßschicht; bestehend aus glatter Muskulatur und Epithel, x. innerstes Platten- epithel der Schwimmblase. Einfache Wundernetze der Hechtschwimmblase. «a. Austrittsstelle des Gefäßbündels aus der fibrösen Haut, 0,, 5» Eintrittsstellen der Gefäß- bündel in die Gefäßhaut, c. kleines Wundernetz, das in das ober- flächliche, subepitheliale Gefäßnetz übergeht, d. oberflächliches, sub- epitheliales Gefäßnetz. eT EL Du a Do m a u a H K. Corning, Beitr. z. Kenntn. der Wundernetzbild. in den Schwimmbl. ete. 53 Fig. 12. Gefäßversorgung einer Blutdrüse beim Hecht a. Eintretende Arterie, b. Theilung derselben in mehrere Äste, c. Abgangsstelle eines kleinen Wundernetzes vom Hauptstamm, d. Anfang der dichten, gabligen Thei- lung der Arterien, e. Bildung parallel verlaufender Gefäßbündel, f. Verzweigung derselben zwischen den Zellen der Blutdrüsen, g. Grenze der Blutdrüsen nach hinten. x. Anastomose mit hinterem Gefäßgebiet. Fig. 13. Längsschnitt durch die Blutdrüse von Esox lucius. Gez. mit Harry. II. Oc. 3. a. fibröse Schicht, 5. Bindegewebsschicht mit Gefäßbündeln (e), d. Zellschicht, e. Muskelschicht und Plattenepithelschicht. Fig. 14. Detail aus der Zellschicht. Harrn. VII. Oc. 3. Bezeichnung wie in Fig. 13. Fig. 15. Gefäßschicht bei Lota vulgaris. Arterien und Venen. a.a. Arterien, v.v. Venen. Fig. 16. Gefäßschicht bei Acerina cernua. Arterielle Wundernetze. Fig. 17. Ursprung der Arteria vesicae aereae bei Cyprinus carpio. Fig. 18. Querschnitt der Blutdrüsen des Aals. Gez. mit Harry. II. Oc. 3 und Prisma. Details mit HArrn. IV. Oc. 3. a. Kanal zwischen Schwimm- blase und Erweiterung des Ductus, 0.6. Blutdrüsen, ec. Wundernetze im Kanal zwischen Schwimmblase und Ductus, d. Epithel der Schwimm- blase. Fig. 19. Epithelschicht der Schwimmblase des Aals. Gez. mit Prisma und Harrn. IV. Oc. 3. Ausgeführt mit Harrn. VII. Oc. 3. a. Epithel, b. Bindegewebsschicht zwischen Epithel und Faserhaut, ce. Faserhaut, d. Epithelzellennest. Fig. 20. Erste Anlage der Schwimmblase von Salmo trutta. Gez. mit Prisma und Harrn. IV. Details mit Harrn. VII. 41 Tage nach dem Strei- chen 12 mm Körperlänge. Oes. Solider Zellstrang des Ösophagus, x. erste Andeutung der Schwimmblasenanlage, a. Aorta, ch. Chorda. Fig. 21. Anlage der Schwimmblase bei einem 17 mm langen und 53 Tage alten Lachsembryo. x. Anlage der Schwimmblase, Oes. solider Zellstrang des Ösophagus, r, Niere, h. Leber. Als ich im August vorigen Jahres diese Abhandlung an den Herausgeber des Morphologischen Jahrbuches einreichte, war mir die Arbeit von CocGı (In- torno ai corpi rossi della vescica natatoria, erschienen in den » Mittheilungen der Zoologischen Station zu Neapel«, VII. Bd. am 12. September 1887) noch nicht bekannt. Erst als der Druck meiner Arbeit schon weit fortgeschritten war, erhielt ich davon Kenntnis. Ich kann folglich nur noch kurz an dieser Stelle darauf hinweisen. CocGı hat hauptsächlich die Zellen der Blutdrüsen unter- sucht und zwar an einer größeren Anzahl von Fischen. Abweichend von mir giebt er an, dass zwischen den Zellen der Blutdrüsen auch Drüsenlumina vor- kämen und dass sich das innerste Epithel der Schwimmblase nicht über die Blutdrüsen hinziehe. Doch giebt CoGei nicht an, ob er die Schwimmblasen der von ihm untersuchten Fische mit Alkohol gefüllt habe, was ich zur Erhaltung des inneren Epithelbelags für durchaus nothwendig erachte. Gefäßinjektionen hat CoGG1 mit einer Ausnahme nicht angestellt. Genf, den 28. April 1888. Die Morphologie der Prosobranchier, sesammelt auf einer Erdumsegelung durch die königl. italienische Korvette ,,Vettor Pisani’. Von B. Haller (Ungarn). Mit Tafel III—IX. I. Rhachiglossen. Durch Herrn Professor Anton DOHRN, diesen um unsere Wissen- schaft zweifach verdienten Förderer, zur wissenschaftlichen Bearbei- tung der durch die königl. italienische Korvette »Vettor Pisani« er- beuteten Chitonen, Patellen und Fissurellen ermuntert, suchte ich später bei der zur Vertheilung des Materials von der hochlöblichen italienischen Regierung bestimmten Kommission auch um die Er- laubnis nach, die übrigen Prosobranchier der inzwischen heimgekehr- ten Korvette bearbeiten zu dürfen. Meine Bitte wurde mir gütigst gewährt und das Material durch die Verwaltung der Zoologischen Station Professor Dourn’s mir übersandt. Endlich bin ich nan in der glücklichen Lage, mit vorliegender Arbeit beginnend, über die Ergebnisse meiner Studien über das mir anvertraute Material Rechenschaft abzulegen und zu gleicher Zeit für die gütige Überlassung dieses Materials behufs Bearbeitung der hochléblichen königl. italienischen Regierung, welche in ihrem be- währten hohen Sinne jene Erdumsegelung möglich machte, dann der zur Austheilung des Materials "bestimmten Kommission und insbeson- dere Herrn Professor DoHRN meinen innigsten Dank auszusprechen! Habe ich ihren Anforderungen vielleicht nicht entsprochen, so mögen sie dieses lediglich meinen Kräften und nicht meinem Fleiße zu- schreiben. Die Prosobranchier der Sammlung wurden durch Herrn Sehiffs- lieutenant G. CHIERCHIA gesammelt und sorgfältig konservirt, der u ie nt et ee Morpholog. Aig. if Taf Ov o ere Lith Anstox EA Funke, Leipzig ~ . pholog. Jahrb. Ba XIV. fig 7 j = r B N f EN | ee Atos: et) A‘ fig 9 T x 5 en: a Smp. \- ‘ Bi Fig. 7. SL c ov Walser EA Fake legug Morpholog: Fig.17 * art. sperm. dextr art hepat art. pesicae a ortf. duet . Taf. I. Ampulle d ductus } i a.weliaca | d vord. Schwimmblase ‚ort snermab.sirt. | Aorta | } © ' 24 + = en S ----- =-—- rentr. S | - | Ast zur Leber | | : 2 | Fig] =~ 2 | < OR 7 \ \ I TE 2 I Fig.20. | . | | | | | \ | O@S----- | +} - | : % | 5 4 | 7 F ee, ai | = te | Vb a E } 2 ae oe as 7 En i ea ch | F A R : 5 B ; : t a .- - A 2 Lim. E A Loipzia T Morpholog. Jahrb. Bi Taf M. Fig.ll. " art snerm dexir. art hepat aril, Auet dmpulte d ductus Wea a coetince Arh d word. Schmimmblase orks ap ermcch Aire ce a“ = sorta | - aaa in \ li} } h —_ INA aR | ss au N N Pe | BW AM ZA A = ES EAT — 4 Zi ee J FEN = bs . 4 rent. bz NY ‚Hoden a ä GT WwW Ast zur Leber id | Fig 21. Fig I9 ei Fig.20. wi | | i i Pe | AN FX 3 | he IN I; | Er Ft 4 ; At) GEE) 8 ? 4 ii ; | FS i ed — a | 7 a | al A | + » es = a en oe - = > Zu = ~ Gin hasty EA Fahne. ~ Verlagy Wilh Engelmann in Leip zig. —=—— se rn ee nn = = - “ Pl r PR, BR —— EEE Die Morphologie der Prosobranchier. 55 durch seine Thätigkeit auf jener Expedition um unsere Wissenschaft nieht geringe Verdienste sich errungen hat. Das Material ist im Ganzen gut konservirt, besonders gilt dies für die Chitonen, Patel- len, Fissurellen und jene Formen der Prosobranchier, bei denen das Gehäuse keine bedeutenden Windungen aufweist. Unter diesen Präparaten sind die meisten so wohl erhalten, dass selbst feine, tadellose histologische Präparate angefertigt werden konnten. Nur bei jenen Formen mit starker Windung konnte der Alkohol nicht gehörig eindringen und so sind öfter die sogenannte Leber und an- srenzende Theile angegriffen. In wie fern die einzelnen Formen bei der Bearbeitung verwerthet werden konnten, wird aus dem Texte dieser Arbeit ersichtlich. Die systematisch-geographische Bearbeitung dieser Prosobranchier wird durch Herrn Dr. O. BoETTGER in Frankfurt a. M. geschehen. Die einzelnen Abtheilungen wurden von mir nicht reihenweise nach ihrem phyletischen Alter bearbeitet, sondern ich begann mit den jüngeren Formen, mit den Rhachiglossen, und zwar aus dem Grunde, weil ich die Murieiden bereits früher in Arbeit hatte. Retesdorf bei Schässburg in “Siebenbürgen, im Juli 1887. A. Buccinides. Concholepas peruviana Lam. . Gehäuse und Fuß. Das Gehäuse mag hier desshalb kurz erwähnt werden, weil es in diesem speciellen Falle bei der Beurtheilung der Stellung des Thieres im System von einiger Bedeutung ist. Es ist, wie ja längst bekannt, bei Concholepas wie bei ihren nächsten Verwandten nicht vielfach aufgerollt, sondern zeigt vielmehr im Gesammthabitus einige Ähnlichkeiten mit dem niederer Prosobranchier. Chemnitz, der 1788 zwischen dem Gehäuse der Concholepas und der Patellen Ähn- lichkeiten zu finden glaubte, nannte darum erstere Conchopatella. KEFERSTEIN! charakterisirt sehr richtig das Gehäuse wie folgt: »Mündung sehr weit, Spira seitlich, fast verschwindend.« Diese Charakteristik könnte man folgendermaßen erweitern. Die weite Mündung (Fig. 88) ist oval und der linke Rand des Gehäuses um- 1 Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreiches. Mollusken 1862. pag. 1048. 4 ; 56 B. Haller geschlagen, wobei die längste Achse des Ovoids nicht mit der Längs- achse der Fußsohle zusammenfällt, diese (Fig. 88 ww’) vielmehr erstere unter spitzem Winkel schneidet. Auf der linken Seite, von der Spira angefangen, verläuft eine, auch dorsalwärts am Gehäuse sichtbare Rinne (Fig. r), welche dem rinnenförmigen Mantelsipho entspricht. Links von der Mündung dieser Rinne finden sich am rechten Gehäuserande zwei ganz konstante stumpfe Fortsätze vor (Fig. gg’). Die fast verschwindende Spira entsteht dadurch, dass das dorsalwärts stark aufgebuchtete Gehäuse sich am hinteren Ende von rechts nach links, dann abermals nach rechts biegt. Es ist so- mit an der kleinen höckerförmigen Spira (f) nur eine ganz geringe Nachrechtskriimmung zu beobachten. Das Gehäuse hat, von hinten gesehen, die größte Ähnlichkeit mit einer Jakobinermütze. Viel wichtiger für uns ist die innere Fläche des Gehäuses. Der dem Sipho entsprechenden Rinne wurde schon gedacht. Am Ende dieser Rinne und an seiner linken Seite beginnt ein rauher breiter Abdruck (Fig. 88 7m), der sich unter der Spira auf die rechtsseitige Hälfte des Gehäuses fortsetzt und auch hier, weit vom Rande des Gehäuses entfernt, gleich wie auf der linken Seite endet (rm). An seinen beiden Enden ist ein rauher Abdruck, der nichts Anderes als die Ansatzstelle des hufeisenförmigen Gehäusemuskels ist, abgerundet. Wichtig ist es, dass diese Ansatzstelle vom Gehäuserande entfernt liegt, wodurch eben ermöglicht wird, dass bei eintretender Kontrak- tion des Muskels die Gehäuseränder fest der Unterlage, auf welcher sich das Thier eben befindet, aufliegen und somit das durch das Gehäuse gänzlich bedeckte Thier vollständig geschützt wird. Durch diesen Umstand wird auch ein Deckel überflüssig. Die rauhe Ober- fläche dieser Ansatzstelle besitzt für gewöhnlich ein netzförmiges Relief, doch ist dieses oft sehr einförmig gebildet, so dass die Netz- form nicht mehr erkenntlich ist. Weiter wäre vom Gehäuse nichts zu berichten, was von unserem Standpunkte aus von Wichtigkeit wäre!. Der Fuß im kontrahirten Zustande, wie ich ihn Gelegenheit ! Nebenbei sei bemerkt, dass das Gehäuse mancher Individuen ähnlich wie oft bei Chitonen, Patellen, gewissen brachyuren Decapoden etc. der Fall ist, von Algen ganz iiberwachsen ist, ein Verhalten also, welches den Felsen bewohnenden Seethieren eigen ist und zur Maskirung des Thieres dient. Be- kanntlich wird das Gehäuse von Concholepas durch Cryptophialus minutus Darwin parasitisch bewohnt. Die obere Hälfte des Gehäuses erscheint bei älteren Thieren von diesem Cirripeden oft ganz zerfressen. Außerdem findet sich in oft sehr großer Zahl eine Balanide, die mir näher nicht bekannt ist, auf dem Gehäuse vor. ä ee I see Die Morphologie der Prosobranchier. 57 hatte zu untersuchen, hat eine leierförmige Gestalt (Fig. 79). Eine seichte Längsfurche theilt ihn in zwei bilateral symmetrische Hälften und etwa im vorderen Viertel dieser Furche mündet die Fußdrüse (e) ein. Das Epithelium auf der Fußsohle ist farblos, jenes auf den Seiten schwarzbraun pigmentirt. Auf der Seite des Fußes finden sich kleine höckerförmige Erhabenheiten vor, von pigmentlosem Epi- thel überdeckt; sie sind nicht reihenweise geordnet und haben mit den Seitentastern der niederen Prosobranchier nichts gemein. Der Fuß von Concholepas ist nicht im Stande, sich auf jene Weise zu kontrahiren, wie der seiner nächsten Verwandten, denn er hat diese Eigenschaft mit der Ausbildung des Schalenmuskels und also mit dem Rücktritt des Spindelmuskels gänzlich verloren. Der Spindel- muskel der Prosobranchier, wo er diesen Namen wirklich führen kann, ist etwas ganz Anderes als der hufeisenförmige Schalenmuskel. Letzterer stellt ein primäres Verhalten dar, aus ihm hat zwar durch einseitige Ausbildung der Spindelmuskel sich entwickelt, und dessen Ausbildung hat eine gänzliche Separirung der Fußmuskulatur hervor- gerufen. Denn in der That können wir den Schalenmuskel, wie er sich bei niederen Prosobranchiern, dann gewissen höher stehenden Formen, wie bei Concholepas und Capuliden sich vorfindet, nicht als einen einheitlichen Muskel auffassen. Ein Querschnitt zeigt uns die Fasern des Schalenmuskels, wel- cher jederseits an der Insertionsstelle (Fig. 49 om, dm) aus dicht gelagerten, auf die Sohlenfläche etwa unter 50° auffallenden Fasern besteht, die im Fuße divergiren und. auf diese Weise die horizontale Fußfläche erreichen. Dadurch, dass die Divergenz dieser Fasern von einer Fußhälfte medianwärts auf die andere übergreift und so an dieser Stelle in einer median durch den ganzen Fuß gelegten vertikalen Ebene sich kreuzen (JZ), wird eine einheitliche Wirkung des gesammten Schalenmuskels erreicht. Der Fuß enthält außer diesen Muskelfasern des Schalenmuskels noch Fasern, die sich nach allen Richtungen hin kreuzen und als den die Lokomotion bewirken- den Bewegungen des Fußes dienlich aufgefasst werden müssen. Wir könnten sie daher als Lokomotionsfasern bezeichnen. Ich habe bei dem kleinen Bilde, welches ja nur zur Illustration der Faser- richtung des Schalenmuskels dienen soll, diese Lokomotionsfasern nicht eingezeichnet. Betrachten wir weiter einen Längsschnitt durch das Hinterende des Fußes, welcher auch den Deckel getroffen hat, so erkennen wir Folgendes. Die Fasern des Schalenmuskels (Fig. 50 m), zu innerst im Fuße gelegen, verlaufen konvergirend zur Insertions- 58 B. Haller stelle (2). Die Locomotionsfasern wurden auch hier nicht einge- zeichnet. Von dem ganz außer Brauch gekommenen Deckel aus verlaufen Fasern nach zwei Richtungen hin in den Fuß. Erstens sind es Fasern, die von der Insertionsstelie divergirend im Fuße sich verlieren (6, c); dann finden wir Fasern, die von genanntem Orte zur Insertionsstelle des Schalenmuskels hinziehen (a). Bekanntlich besteht der Spindelmuskel dort, wo er ausgespro- chen vorkommt, aus Fasern (Fig. 62 8), die, von der Spindel ent- springend, in einem Bogen von hinten. nach vorn und oben und dann nach unten und hinten zum Deckel ziehen, um dort gleichfalls zu inseriren. Vergleichen wir nun diese Verhältnisse mit jenen, die wir so eben bei Concholepas betrachtet haben, so gelangen wir zu dem Resultate, dass diejenigen Fasern, die vom rudimentären Deckel aus in den Fuß ausstrahlen, diejenigen sind, welche beim Außergebrauchkommen des Deckels sich rückgebildet haben und jetzt nur noch in rudimentärem Zustande erhalten sind. Jene wenigen Fasern, die, vom Deckel entspringend, zur Insertionsstelle des Scha- lenmuskels hinziehen, besitzen zwar anscheinend ihre doppelte In- sertion, ob aber wirklich, müsste die histologische Untersuchung dar- thun. Sie sind aber wahrscheinlich funktionslos, denn ich kann mir nicht vorstellen, welche Bewegung des Deckels für das Leben von Concholepas noch nöthig wäre. Die Rückbildung der Fasern erfolgt somit nicht vom Deckel aus, sondern von der sich rückbildenden Spira. Dabei lässt es sich freilich nicht entscheiden, ob mit Beginn der äußeren Umformung von Concholepas zuerst der Fuß betroffen oder ob der erste Impuls dem Gehäuse mitgetheilt ward. Ich glaube vielmehr, dass bei dieser erfolgten Umformung sehr viele Momente mitgewirkt haben und dass die Ursachen, welche diese Umformung hervorriefen, sehr zahlreich waren. In dem engen Rahmen einer Monographie konnte es nicht meine Aufgabe sein, auf diese für die Erkenntnis der phylogenetischen Gesetze überhaupt wichtige Frage mich tiefer einzulassen. Ich für meinen Theil bin eher der Meinung, dass der erste Anstoß eben durch die durch das ausschließliche Fel- senleben hervorgerufene veränderte Lokomotionsweise dem Fuße ge- geben ward, und dass in allen ähnlichen Fällen bei den Prosobran- chiern das erste Studium dem Fuße gebührt, da wahrscheinlich durch seine Veränderung eine Umformung des Gehäuses eintritt. Durch das vergleichende Studium der Fußverhältnisse dürfte darum manche morphologische Frage betreffs der. Körpergestalt dem Verständnis näher geführt werden. 4 s Die Morphologie der Prosobranchier. 59 Ohne mir anmaßen zu wollen, solche Fragen hier zu lösen, die ja doch nur durch eine sehr große Reihe vergleichender Studien er- reicht werden können, möchte ich einige Daten betreffs der phyle- tischen Entwicklung des Spindelmuskels hier mittheilen, da sich ja bei Concholepas einige Anhaltspunkte dafür bieten und ich dadurch vielleicht zukünftigen Studien dieser Art an die Hand gehen könnte. Bei den Rhipidoglossen habe ich, so weit es mir dort für den spe- eiellen Zweck geboten erschien, diese Frage kurz erörtert! und durch vier halbschematische Abbildungen diese Verhältnisse illustrirt. Hier wiederhole ich im Ganzen dasselbe, was ich dort über diese Frage mitgetheilt habe, nur will ich in diesem Falle durch naturgetreue Abbildungen diese Verhältnisse genauer erörtern. Bei den Placophoren finden wir betreffs des Fußes die ursprüng- lichsten Verhältnisse in dem Zustande vor, in welchem sich der Fuß bereits ausgebildet hat, doch ist bereits ein sich zur weiteren Aus- bildung anschickender Fuß schon unter den Vorgängern dieser Thiere, den Neomenien, nachweislich, wie dieses aus Huprecut’s Arbeit? über Proneomenia Sluiteri Hub. ersichtlich ist. Auf dem Quer- schnitte, den Husrecur in Fig. 24 abgebildet hat, erkennen wir einen in der ersten Entwicklung begriffenen kantenförmigen Fuß, der von einem schönen flimmernden Cylinderepithel überdeckt ist, während sein Inneres von feinen, zerstreut liegenden Muskelfasern, sowie zum großen Theil vom Bindegewebe ausgefüllt wird. Von der Körperwand ziehen mehrere Quermuskeln jederseits von oben (bundles of transverse muscular fibres) nach unten zu in die un- tere Körperwand, und indem diese Muskeln von beiden Seiten mit einander oberhalb des Fußes sich kreuzen, setzen sie sich von jeder Seite in die anderseitige Körperwand fort. Diese Muskeln betrachte ich als diejenigen, die sich bei den Placophoren, Cyclobranchiern und Fissurellen, also Formen mit plattem, nicht sehr kontrahirbarem Fuße und ohne Deckel, zu den Schalenmuskeln ausbilden (Fig. 62, 65 8,8’). Bei letztgenannten Formen der Prosobranchier besteht der Schalenmuskel jeder Seite aus vertikal in den Fuß ziehenden Fasern. _ Unten im Fuße divergiren die Fasern und Faserbiindel und die in- nersten unter ihnen setzen sich auch auf die jenseitige Körperhälfte fort, wodurch dann jene, für dieses phyletische Stadium charakte- ! Dieses Jahrbuch. Bd. IX. pag. 39—41. 2 A. A. W. Husrecut, Proneomenia Sluiteri gen. et spec. n. etc. (Nie- derländisches Archiv f. Zoologie. Suppl. Bd. II.) 60 B. Haller ristische mediane Kreuzung (wz)! entsteht. Die Fasern dieser Mus- keln verlaufen bis nach unten in den Fuß und hören hier, sich zu- spitzend, ohne sich irgend wo zu inseriren, auf. Sie haben be- kanntlich den Zweck, die Schale resp. die Schalen bei erfolgter Kontraktion dem Körper fest anzuziehen.. Ohne in das Detail der Fußstruktur weiter einzugehen, sei nur noch erwähnt und zwar weil es uns bei Betrachtung der phyletischen Weiterentwicklung inter- essirt, dass man dort, wo die Fasern der beiderseitigen Schalen- muskulatur unten im Fuße aufzuhören beginnen, eine bei schwa- chen Vergrößerungen gekörnt erscheinende Struktur sich vorfindet (Fig. 62, 65 wf). Dieser Theil des Fußes besteht aus feinen Muskel- fasern, die sich nach allen Richtungen kreuzen, hauptsächlich aber aus Bindegewebe und aus Blutlakunen. Das Ganze hat den Cha- rakter und das Aussehen eines Schwellgewebes, dessen Funktion es auch vertritt. Das Bindegewebe findet sich in Form eines Netzes, dessen Zellen bei den Patellen, sehr auffallend bei Patella vulgata?, von Körnern schwarzen oder doch sehr dunklen Pigmentes erfüllt sind. Ferner finden sich auch Plasmazellen vor, die bei den Pa- tellen zum größten Theil oberhalb des Epithels gelegen sind und hier sogar einige ausgesprochene Schnitte bilden können. Lakunär ist aber dieses Gewebe durch und durch. Freilich findet sich Binde- gewebe auch zwischen den Fasern der Schalenmuskeln vor, doch nicht so massenhaft entwickelt als hier. Kontrahirt sich nun bei diesen Gasteropodenformen der Fuß, was sowohl durch die Wirkung der beiderseitigen Schalenmuskel, als auch der anderen, nach allen Richtungen im Fuße sich kreuzenden Muskelfasern erfolgt, so wird das Blut aus jenem Schwellgewebe im Unterfuße durch die laku- nären Kommunikationen zwischen den Schalenmuskeln mit der pri- mären Leibeshöhle, welche ich für die Placophoren beschrieben und welche JoyEux-LAFFUIE nachher bei den Oncidien richtig erkannte, in diese, die als ein größter venöser Sinus aufzufassen ist, gepresst, ohne freilich Wasser durch Poren nach außen, die als illusorische Bilder gewisser Autoren aufzufassen sind, entleert zu haben. Ich ! Siehe bei Chiton Fig. 29 in meiner Arbeit in: Arbeiten d. Zoolog. In- stitutes zu Wien. Bd. IV. 2 Bei Patella vulgata ist der Fuß voluminöser und im Querschnitte ab- weichender geformt als bei den abgebildeten Species. ALT 4 4 J. JOYEUX-LAFFUIE, Organisation et développement de 1'Oncidium celti- cum Cuv. (Arch. de Zoolog. experimentale et generale. Tom. X. Serie A.) Die Morphologie der Prosobranchier. 61 möchte jenen schwellgewebigen unteren Theil des Fußes, welcher freilich bei den Chitonen so ausgesprochen erscheint, als Unterfuß (Fig. 62—65 uf) bezeichnen. Bei den Haliotiden finden wir nun Umbildungen des Fußes vor, die mit der Ausbildung .der Spira Hand in Hand gehen, und zwar beginnen diese mit jenen Haliotiden mit sehr geringer Spirabildung, wie Haliotis tubereulata Lam., und setzen sich durch jene mit stär- kerer Spirabildung, wie Haliotis Roei Chemn. zur Gattung Padollus fort. Diese letztere Gattung würde sich dann aber wahrscheinlich als Übergang den Trochiden anschließen, die zu den höheren Proso- branchiern hinüberführen. Bei den Haliotiden finden wir nur noch im vordersten Körpertheile den linken Schalenmuskel erhalten (Fig. 65 AS), während er gleich weiter hinten (Fig. 65 BS) gänzlich fehlt. Der Unterfuß ist noch so entwickelt wie früher. Bei den Trochiden tritt eine sehr vollkommene Spirabildung auf und hierdurch wird ein Operculum zum vollkommenen Verschluss des Gehäuses nöthig. Der linke Schalenmuskel hat sich allein er- halten und entwickelt sich als ein mächtiges Organ zum Spindel- muskel. Als solcher ist er dadurch gekennzeichnet, dass er am oberen Ende an der Spindel des Gehäuses, am unteren Ende an der Innenseite des Opereulum, also an zwei fixen Punkten adhärirt (Fig. 62 8). Auf diese Weise hat er sich vom Unterfuße ganz ge- sondert (wf). Letzterer tritt von nun an als ein mächtig schwell- barer Körper auf und ist in äußerem Formenreichthum sowohl als Kriech- als auch ausschließliches Schwimmorgan unter den Prosobran- chiern vertreten. Als ein soleh mächtiger Schwellkörper ist er auch unter den Rhachiglossen anzutreffen, wo er unter den Oliven auch eine Ausbildung zu einem Schwimmorgan erfahren hat. Unter den Rhachiglossen hat sich der Fuß aber bei Concholepas auf frühere Stadien, wie wir es etwa bei den Fissurellen antreffen, zurückge- bildet, was eben durch die Anpassung an das ausschließliche Felsen- leben bedingt wurde. Das Nervensystem. Uber das Nervensystem von Concholepas existirt nur eine ganz kurze Darstellung von E. L. Bouvier!, der über den Schlundring 1 Die große Arbeit Bouvier’s (Systeme nerveux ect. des Gasteropodes Prosobranches. Paris. 1887) erschien zu einer Zeit, wo das Manuskript vor- 62 B. Haller sich folgendermaßen ausspricht!: »Les animaux qui font le sujet de cette Note sont tous, pour employer l’expression de IHERING, net- tement Chiastoneures comme le Cyclostome, avec cette différence que le ganglion sub-intestinal se rattache au ganglion commissural droit pas un connectif accessoire, trés court chez.la Pourpre, encore plus chez le Buccin et la Nasse, remplacé par une intime union chez le Concholepas. Ainsi se forme, dans la region proboscidienne, un groupe de centres antérieurs qui constituent trois colliers oesopha- giens ayant pour partie commune les deux ganglions cérébroides situés au-dessus de l’oesophage. Le collier le plus antérieur est fermé en dessous par les ganglions stomato-gastriques, le suivant par les ganglions pédieux, le dernier par les ganglions commissuraux unis au ganglion sub-intestinal. Tous ces centres sont trés rap- prochés. Les deux ganglions viscéraux sons rejetés loin en arriére au voisinage du coeur et sont places au-dessus de l’oesophage; ils sont situés sur la longue commissure viscérale, qui vient se ter- miner en ayant aux ganglions commissuraux, aprés avoir donné naissance, dans leur voisinage, aux ganglions supra-intestinal et sub- intestinal.« Dies Alles sind Thatsachen, welche mir bereits drei Jahre vor dem Erscheinen der Bouvizr’schen Mittheilung wohl be- kannt waren. Ich habe damals mitgetheilt, dass bei den Murieiden und Fusiden sich eine auffallende Koncentration des Centralnerven- systems einstelle und konnte in Anbetracht der Verhältnisse bei Fu- sus syracusanus mit Sicherheit voraussagen, »es werden sich gewiss nächste Verwandte der Muriciden auffinden lassen, wo auch das Su- praintestinalganglion mit dem rechten Pleuralganglion verschmilzt?«. liegender Arbeit schon lange in den Händen des Herrn Herausgebers war. Es ist mir hier somit unmöglich, BouviEr’s Buch zu berücksichtigen, dieses soll vielmehr in meinen nächstfolgenden Arbeiten über Prosobranchier geschehen, wo ich reichlich Gelegenheit haben werde, darauf zurückzukommen. 1K. L. BoUVIER, Sur le syst&me nerveux des Buccinidés et des Purpuri- des (Compt. rendus Ac. Sc. Tom. C. [No. 24] 1885. pag. 1509). 2 B. HALLER, Zur Kenntnis der Muriciden. (Denkschriften der Akademie der Wiss. in Wien. Math.-naturwiss. Kl. Bd. XLV. 1882. pag. 15 d. Separat- abdr.) Bouvier erwähnt meiner Ergebnisse mit keinem Worte. In so fern die Priorität in Frage kommt, könnte ich zu Bouvier’s Verfahren schweigen, denn mit ähnlichen, für die Wissenschaft ganz gleichgültigen Fragen habe ich weder Lust noch Zeit mich zu befassen, in so fern aber die Sache selbst durch dergleichen Versäumnisse leidet, möchte ich mein Wort dagegen abgeben. Bouvier erwähnt bloß der eingegangenen Verbindung zwischen Subintestinal- ganglion und rechtem Pleuralganglion, welche, wie ihm jedoch unbekannt zu Die Morphologie der Prosobranchier. 63 Bouvier’s Verdienst ist es nun, dieses vorausgesagte Stadium des koncentrirten Centralnervensystems der Prosobranchier bei Concho- lepas kurz beschrieben zu haben. sein scheint, bereits bei Formen auftritt, die kein in der Weise koncentrirtes Centralnervensystem besitzen, wie etwa Cassidaria echinophora L., wo sie be- reits durch SPENGEL beschrieben wurde. Die wirkliche Bedeutung dieser Ver- bindung, welche bei Concholepas so modificirend auf den Schlundring eingreift, kann aber eben nur durch Cassidaria ech. begriffen werden, fiir welche aber Bouvier keine Erklärung giebt, obgleich eine solche möglich ist und in der That von mir gegeben wurde. Es ist aber dem intelligenten Leser nicht gleich- gültig, ob ihm bloße Thatbestände vorgeführt werden oder diese auch erklärt werden. Warum führt denn Bouvier jene von mir hierfür gegebene Erklä- rung, die weiter unten in dieser Arbeit noch wiederholt werden soll (l. e. pag. 16, 17 d. Separatabdr.), nicht an? Dergleichen Versäumnisse sind nicht zu rechtfertigen, denn ist Bouvier mit jener von mir gegebenen Erklärung nicht einverstanden, so möge er sie widerlegen oder doch in geziemender Weise bestreiten, denn bloß durch ein solches Verfahren können eventuelle Irrthümer aus dem menschlichen Wissen beseitigt und das Ordnen unseres Wissens er- reicht werden, nicht aber durch das Todtschweigen ! Ein ganz ähnliches Verfahren schlägt Hexrı WEGMANN betreffs einer an- deren Frage ein, die zwar nicht direkt hierher gehört, doch der Berichtigung halber hier erörtert werden soll. WEGMANN in seiner Arbeit über Haliotis (Arch. d. Zool. exper. et gener. II. Serie. Tom. II), die, nebenbei gesagt, meh- rere Irrthümer enthält, geht auf jene Differenzfrage zwischen LACAZE-DUTHIERS und SPENGEL ein, ob der subpalleal gelegene gefranste Saum dem Mantel oder dem Fuße angehére. LACAZE-DUTHIERS, der die erste Ansicht vertritt, be- hauptet, dass im sogenannten Fußnerven (Pedalstrang, mihi) eigentlich zwei von einander getrennte Nerven vorlägen, der »grand nerf palléal inférieur«, diesen gefransten Saum, von LACAZE-DUTHIERS »manteau inferieur« genannt, inner- virt und der eigentliche Fußnerv, der »grand nerf pedieux postérieur«. SPEN- GEL weist nun die Behauptung, dass der Pedalstrang aus zwei neben einander liegenden Nerven bestände, zurück, was nach ihm ein »jeder beliebige Quer- schnitt« zu demonstriren im Stande ist. WEGMANN greift diese Controverse, welche meiner Ansicht nach heute ein überwundener Punkt sein sollte, aber- mals auf, indem er dabei LACAZE-DUTHIERS das Wort redet. Die Richtigkeit der LACAZE-DUTHIERS’schen Annahme, dass der Pedalstrang aus zwei neben einander verlaufenden Nerven bestehen soll, beweist WEGMANN sowohl durch die Abbildung eines verzerrten Totalpräparates als auch durch die (wohl sche- matische!) Zeichnung eines Querschnittes, welche in dieser Weise von keinem genauen Forscher als maßgebend angesehen werden könnte. SPENGEL’s Quer- schnittsmethode soll aber nach WEGMANN eine einseitige Untersuchungsweise und darum nicht genug beweiskräftig sein. Wenn ich nun auch der Meinung bin, dass wohl gelungene Totalpräparate, verglichen mit Querschnitten, die beste Bürgschaft für die richtige Erkenntnis abgeben, so meine ich doch, es gelte in diesem Falle auch nur ein einziger Querschnitt mehr als Tausende mangelhafter Totalpräparate, wie, nach der Abbildung zu urtheilen, jene Henri WEGMANN’s sein mussten, um von der Richtigkeit der SpENGEL’schen Behaup- 64 B. Haller Somit kann ich zur Mittheilung der eigenen Beobachtungen über- gehen. Der Schlundring, so wie er bei Concholepas uns vorliegt, ist, ohne vorherige Kenntnis jenes der Muriciden, ganz unverständlich. Darum habe ich den Schlundring der Murieiden weiter unten aber- mals ausführlich beschrieben und verweise somit diejenigen Leser, die den Schlundring der Murieiden noch nicht kennen sollten, auf jene Stellen, denn ich muss bei der Beschreibung des Schlundringes von Concholepas die Kenntnis jenes Schlundringes voraussetzen. Die Lagerung des Schlundringes ist unten bei Besprechung des Vorderdarmes genau erörtert, desshalb wir hier auf dieselbe Verzicht leisten können und den Schlundring so betrachten wollen, wie er uns aus dem Thiere herauspräparirt und, vom umhüllenden Binde- gewebe befreit, erscheint. Auf das periphere Verhalten der Nerven soll’hier eben so wenig wie bei den übrigen Rhachiglossen eingegangen werden, da dieses für die Murieiden in einer früheren Arbeit geschehen ist!. Dort habe ich die Ausbreitung der Nerven bis in feinstes Detail, so weit es sich ohne das Mikroskop verfolgen ließ, verfolgt und beschrie- ben. Nur durch die Kenntnis des peripheren Verhaltens der Nerven konnte der Schlundring der Murieiden richtig erkannt werden. Da nun durch die Kenntnis des Schlundringes der Muriciden jenes von Concholepas verstanden werden kann, andererseits aber die periphere Ausbreitung der Nerven sich bei allen untersuchten Rhachiglossen im Wesentlichen gerade so verhält wie dort, wovon ich mich über- zeugt habe, so hielt ich es, um Wiederholungen zu vermeiden, für gerathener, die detaillirte Beschreibung des Nervenverlaufes hier weg- zulassen, indem ich eben auf jene eitirte Arbeit über die Muriciden verweise. Das Cerebralganglion ist jederseits mit dem betreffenden Pleuralganglion ganz eng verbunden (Fig. 29, 30). Von oben be- . 4 trachtet, sieht man das linke Cerebralganglion (Fig. 29 Cg) sich tung sich zu überzeugen. SPENGEL's Querschnittbeweis wurde aber auch durch Totalpräparate später gestützt, deren Abbildung ich in diesem Jahrbuch (Bd. IX), anderthalb Jahre vor der WrEGMANN’schen Publikation, erscheinen ließ. WEGMANN kennt meine Arbeiten eben so wenig wie Bouvier. Sind doch meine diesbezüglichen Arbeiten in Fachblättern erschienen, wie das Mor- phologische Jahrbuch und die Denkschriften der Wiener Akademie, also in Fachblättern ersten Ranges, die doch gelesen werden sollten! 1 Denkschr. der Wiener Akademie. Bd. XLV. Die Morphologie der Prosobranchier. é 65 hervorwölben, doch ist diese Hervorwölbung, da mit der hinteren äußeren Hälfte des rechten Cerebralganglions ein anderer Theil des Schlundringes (Z) verschmolzen ist, auf dem rechtsseitigen Ganglion nicht vorhanden. Nach oben und vorn stellt die Oberfläche der Cerebralganglien jederseits ein nicht ganz tadelloses Kugelsegment dar. Medianwärts, wo die zwei Cerebralganglien sich berühren, sind sie so fest an einander gewachsen, dass dadurch äußerlich keine sichtbare Cerebralkommissur vorhanden sein kann. Von der inneren Fläche gesehen ist die Grenze des linken Cerebralganglions gegen- über dem mit ihm innig verschmolzenen Pleuralganglion durch die Grenze der Hervorwölbung, des rechten aber durch den inneren Rand jenes Schlundringtheiles (Z) gegeben, welcher mit ihm ver- wachsen ist. Ob jedoch dies die wirkliche Begrenzung der Cere- bralganglien gegenüber den Pleuralganglien ist, wird die an dem bearbeiteten Materiale nicht durchführbare histologische Untersuchung zu entscheiden haben. Nach außen zu ist die Grenze besser mar- kirt, wo zwischen Pleuralganglion und Cerebralganglion eine seichte Furche (Fig. 30) sich einstellt. Die Nerven der Cerebralganglien treten insgesammt aus deren oberen, vorderen Fläche ab. Zu oberst und innerst tritt der starke Nerv der Buecalmuskulatur (1) ab. Der diesem an Mächtig- keit gleich kommende Hautrüsselnerv (2) verlässt hier nicht, wie bei anderen Formen, dem früheren Nerven fest angelagert das Ganglion, sondern zwischen beiden ist ein kleiner Zwischenraum vorhanden und erst im Rüssel legen sich beide Nerven fest an ein- ander, ohne jedoch ihre Hüllen, wie bei vielen anderen rüsseltragen- den Prosobranchiern, mit einander zu verschmelzen. Zwischen den beschriebenen zwei Nerven, jedoch etwas median- wärts von ihnen gelegen, treten zwei feinere Nerven ab; der eine von ihnen ist der Rüsselmuskelnerv (4) und der andere der Fühlernerv (5). Nach außen vom Rüsselmuskelnerven tritt die sehr kurze Kommissur des vorderen Eingeweideganglions (eb) aus dem Cerebralganglion heraus. Auf sie folgt mehr. oder weniger nahe der Hörnerv (3), von dem der Augennerv (6) nicht sehr entfernt ist und in dem abgebildeten Falle sogar fest anliegt. Die Otocysten liegen somit auch bei Concholepas wie bei allen Rhachiglossen nicht auf dem Fußganglion, sondern vor dem Cere- bralganglion, von welchem ja überall ihre Innervirung ausgeht. Zu äußerst tritt der Kopfhautnerv (7) aus dem Ganglion ab, spaltet sich sofort in mehrere Äste und macht dadurch den Eindruck, Morpholog. Jahrbuch. 14. bs) 66 B. Haller als wiiren mehrere solcher Nerven jederseits vorhanden, was, wie wir auch von anderen Formen der Rhachiglossen wissen, nicht der Fall ist. Dieses sind die aus dem Cerebralganglion abtretenden Nerven. Sie gehören sämmtlich diesem Ganglion an, d. h. entspringen aus ihm mit einziger Ausnahme der Kommissur zu dem jederseitigen vor- deren Eingeweideganglion, welche, wie wir dieses durch die ältesten Formen der Prosobranchier, den Rhipidoglossen, sowie deren Stamm- formen, den Placophoren wissen, nicht aus dem Cerebralganglion, obgleich diesem angelagert sein kann, entspringt, sondern direkt aus dem Pleuralganglion, wo das eigentliche Centrum des Einge- weidenervensystems überhaupt zu suchen ist!. Sonderbarerweise lagert sieh diese Kommissur nur beiConcholepasin das Cerebralganglion ein, während sie bei allen anderen mir bekannten Rhachiglossen direkt vom Pleuralgan- glion abtritt. Bei Concholepas würde es sich somit betrefis dieser Einlagerung in das Cerebralganglion so verhalten wie bei jenen Formen, bei denen die vorderen Eingeweideganglien auf der Buccal- muskulatur gelegen sind (Doliden). Das Pleuralganglion jeder Seite (Fig. 29, 30 VV’) ist als eine einheitliche gangliöse Masse sowohl mit dem Cerebralganglion als auch mit dem Pedalganglion ganz innig verschmolzen?. Das links- seitige (Fig. 30 V’) ist nach außen stark vorgewölbt und von innen konkav. Es ist oben seiner ganzen Breite nach mit dem Cerebral- sanglion verwachsen und mit dem Pedalganglion durch einen dünnen sangliösen Abschnitt eng verbunden. Das ganze Pleuralganglion ist das eben beschriebene noch nicht. Bei dem Schlundringe der Mu- riciden habe ich bereits beschrieben, dass ein Theil der Pleuralgan- slien sich vom ursprünglich einheitlichen Pleuralganglion abgetrennt hat und nur durch eine auf der linken Seite sehr kurze dicke, auf der rechten Seite lange, dünne Kommissur mit diesem zusam- menhängt. Ich nannte jene abgetrennten Partien der Pleuralganglien bei den Murieiden Mantelganglien und motivirte meine Auffassung wie folgt: »Der Umstand nun, dass die Mantelnerven bei anderen i Vgl. meine Studien über Rhipidoglossen. ? Gerade dieses Verhalten, sowie das gleichförmige einheitliche Pleural- ganglion bei Murex tenuispina veranlassen mich, meine frühere Ansicht, als ob die vor der Cerebropedalkommissur gelegene gangliöse Masse bei den Murici- den dem Cerebralganglion angehörte, aufzugeben und genannten Abschnitt auch bei Murex truneulus, brandaris und den Fusiden dem Pleuralganglion beizu- rechnen. : Die Morphologie der Prosobranchier. 67 Prosobranchiern stets vom Pleuralganglion ihren Ursprung nehmen, hier jedoch von zwei als Mantelganglien bezeichneten, mit dem Pleu- _ ralganglion verbundenen Ganglien, dass ferner dem rechtsseitigen mächtigen Pleuralganglion nur ein schwaches Mantelganglion sich anfügt, während auf der linken Seite das Pleuralganglion nur schwach ausgebildet, das Mantelganglion jedoch mächtig ist, berech- tigt uns wohl zu der Annahme, dass die Mantelganglien von Murex nur eine gesonderte Partie der Pleuralganglien sind!«. Bei den Mu- rieiden nun finden wir, dass das linke Mantelganglion durch eine äußerst kurze, jedoch dicke Kommissur verbunden wird mit dem Sub- intestinalganglion, ‚welches wiederum durch eine kurze Verbindung mit dem rechten, sehr kleinen Mantelganglion zusammenhängt; dieses letztere verbindet sich dann abermals durch eine dünne, aber lange Kommissur mit dem rechten Pleuralganglion. Die Supraintestinal- kommissur verlässt das rechte Mantelganglion oberhalb des Abtrittes jener dünnen Kommissur, welche den größeren Abschnitt dieses Gan- glions mit seinem kleineren, dem Mantelganglion verbindet. Dadurch, dass die angeführten Ganglien auf diese Weise unter einander zusam- menhängen, entsteht ein Halbring, welcher unter dem Vorderdarme gelegen ist (Fig. 36), doch sind an diesem Halbringe die ihn bildenden Ganglienund Kommissuren äußerlich deutlich erkennbar. Bei Concholepas aber geht diese Koncentration des Halb- ringes, der am primitivsten bereits bei den Doliden, Naticiden und nach den Angaben von v. InERING’s bei den Capuliden nachweislich ist, noch viel weiter als bei den Murieiden. Denn an diesem Halb- ringe von Concholepas wird es nur durch die abtreten- den Nerven ermöglicht, dieeinzelnen Distrikte, wo die betreffenden Ganglien liegen, zu bestimmen, da dieser ganze Halbring ein gangliöses Gebilde vorstellt, an welehemäußerlichsichtbareKommissuren undbegrenzte Ganglien nicht mehr beobachtet werden können (Fig. 29). Dieser Halbring hängt bei seinem Beginne auf der linken Seite mit dem linken Pleuralganglion durch zwei sehr kurze Kommissuren zusammen (Fig. 30 p, p’), die vom oberen hinteren Ende des vier- eckigen Ganglions an der Furche zwischen diesem und dem Cere- bralganglion entspringen. Nach unten hängt der Halbring durch eine sehr kurze dieke Verbindung mit dem lirken Pedalganglion zusammen (Fig. 29, 30 7). Nach hinten zu nimmt diese nach rechts 1], ec. pag. 5 d. Separatabdr. 5* 68 B. Haller biegende, keilférmige linke Hälfte des Halbringes an Mächtigkeit ab, um dann, schmal geworden, allmählich sich in die rechtsseitige dicke Hälfte des Halbringes fortzusetzen. Diesen dünnen Theil im Halbringe (Fig. 29 e.sd) betrachte ich als denjenigen Theil des Gan- zen, wo ursprünglich bei den meisten Murieiden die kurze Sub- intestinalkommissur das linke Mantelganglion mit dem Subintestinal- ganglion verbindet (Fig. 36 ¢.sb) und wo auch jetzt noch diese Kommissur innerlich aufzufinden sein wird. Somit würde die eben beschriebene linke Hälfte des Halbringes bis zu diesem dünnen Theile das linke Mantelganglion der Murieiden (Fig. 35, 36 Z.mg) vor- stellen. Aus diesem Theile des Halbringes treten folgende, mit de- nen der Murieiden identische Nerven ab. Am oberen äußeren Rande verlässt den Halbring, mehr oder weniger der Verbindung mit dem Pleuralganglion genähert, ein kurzer Trunk (Fig. 29, 30 x), der sich sofort zu einem Ganglienzellen führenden Stämmehen verdickt und sich dann dichotomisch theilend, die zwei Nerven der lin- ken Nackenhälfte ($’ und 9’) abgiebt. Weiter nach hinten, dort wo die dem linken Mantelganglion ent- sprechende Hälfte des Halbringes liegt, treten zwei über einander liegende Nerven ab; es sind dies der Siphonalnerv (/2’) und der nach unten gelegene schwächere, der linke untere Mantel- nerv (70). Wie wir es bei den Murieiden kennen, hängt das linke Mantel- ganglion bloß durch eine kurze dicke Faserverbindung mit dem lin- ken Pleuralganglion zusammen, eine Verbindung jedoch zwischen ihm und dem Pedalganglion derselben Seite existirt nicht. Nun ist aber bei Concholepas auch eine Verbindung dieser letzteren Art vor- handen und es fragt sich, wie ist diese aufzufassen? Ganz gewiss ist diese Verbindung auch bei den Muriciden vorhanden und wird histologisch nachweisbar sein, nur hat sie sich an die andere Ver- bindung des linken Mantelganglions sehr fest angeschlossen. Wie wir aber wissen, tritt bei den Muriciden an jener Stelle, wo die Sub- intestinalkommissur sich mit dem gleichnamigen Ganglion verbindet, aus dem linken Mantelganglion ein starker Nerv (Fig. 36 77) ab, der zur Innervirung der Spindelmuskel dient. Dieser Nerv ist, wenn gleich zarter Form, auch bei Concholepas vorhanden und auch der rechtsseitige findet sich vor. Nun würden aber diese Spindelmuskel- nerven ohne Zweifel aus den Pedalganglien entspringen und durch bloße Einlagerung ihre Abschnittsstelle verändert haben, wie etwa der Hörmerv bei den Doliden z. B. Es würde somit jene Verbin- Die Morphologie der Prosobranchier. 69 dung zwischen dem linken Mantelganglion und dem Pedalganglion derselben Seite den Ubertritt der Fasern des linken Spindelmuskel- nerven vorstellen, dem freilich bei der starken Koncentration des gesammten Centralnervensystems die angrenzenden Ganglienzelllagen fester anlagern und ihm hierdurch eine besondere Dieke verleihen. Jene Stelle, welche (c.sb) wir als diejenige erwähnten, wo bei den Muriciden die Subintestinalkommissur gelegen ist (Fig. 36 c.sd), ist bei Concholepas keine einfache Kommissur, sondern es sind ihr nach außen Ganglienzellen angelagert, sie selbst ist somit zu einem nur histologisch direkt nachweisbaren inneren Nervenstrange gewor- den. Nur dadurch, dass diese Stelle des Halbringes dünner ist und keine Nerven abtreten lässt, wird die Lage jener Kommissur gekennzeichnet. Jenseits dieser Stelle wird der rechtsseitige Halb- ring allmählich dieker und erreicht an jener Stelle, wo er wieder von hinten nach vorn biegt, seine größte Dicke. Rechterseits verbindet sich der Halbring gleichfalls mit dem ent- sprechenden Pleuralganglion, doch viel inniger als linkerseits. Er ist mit dem rechten Pleuralganglion bis hinauf zum hinteren Rande des rechten Cerebralganglions verschmolzen (Fig. 29 Z). Die auf diese Weise erfolgte innige Verschmelzung des Halbringes mit dem rechten Pleuralganglion und Cerebralganglion lässt keine äußere Grenzbestim- mung mehr zu und auch an dem rechtsseitigen Halbringe lassen sich keine äußerlich abgegrenzten Ganglien unterscheiden. Von der äuße- ren Fläche des rechtsseitigen Halbringes treten gleich bei dessen Be- ginn zwei Nerven ab (Fig. 29 8, 9); sie sind mächtig bei dem männ- lichen Thiere, bei welchem sie die Penisnerven repräsentiren. Bei dem weiblichen Thiere sind sie bedeutend schwächer und inner- viren die dem Penis entsprechende Gegend des Halses. Etwas hinter diesen Nerven tritt ein etwas schwächerer Nerv ab, der sich bald darauf gabelt, dieses ist der rechte untere Mantelnerv (/0). Fast neben einander und am hinteren Ende des rechten Halb- ringschenkels tritt ein schwächerer vorderer und stärkerer hinterer Nerv ab. Der erste ist der rechte Spindelmuskelnerv (77), der stärkere der rechte obere Mantelnerv (22). Der rechte Schenkel des Halbringes biegt unter einem Winkel von etwa 95° in den hinteren Abschnitt über; gerade an diesem Winkel tritt nach außen ein sehr mächtiger Nerv aus dem Halbringe ab (Fig. 29 nr) und stellt die rechte Visceralkommissur dar. Ihr fest angelagert, jedoch nur nach erfolgter Maceration bei Lupen- 70 B. Haller vergrößerung erkennbar, ist der Nerv für die Samenrinne resp. den Uterus, also ganz so wie bei den Muriciden!, nur weiß ich nicht anzugeben, ob an der Abgangsstelle dieses Nerven von der Kom- missur jenes kleine Ganglion, das sich bei den Muriciden vorfindet, hier gleichfalls vorhanden ist, denn durch die angewendete Unter- suchungsmethode war er unkenntlich. An der Abgangsstelle der rechten Visceralkommissur wäre somit das noch bei Muriciden auch äußerlich sichtbare Subintestinalganglion zu suchen, welches aller- dings bei Concholepas äußerlich unkenntlich ist. Etwas weiter noch von der rechten Visceralkommissur tritt der linke Spindelmuskelnerv (7/7) ab. Aus dem hinteren Theile des Halbringes, und zwar von dessem hinteren Rande, tritt unweit des verengten kurzen Abschnittes, den wir als jene Stelle kennzeichneten, wo innerlich die Commissura subintestinalis liegt, ein starker Nerv (z/) ab. Bei seinem Abgange ist er zwar dünn, doch gleich darauf findet sich eine durch ihre gelbe Farbe schon als gangliös sich dokumentirende Anschwellung vor, aus welcher sich nachher, ohne enger zu werden wie diese An- schwellung ist, der Nerv fortsetzt. Verfolgen wir diesen Nerven im Thiere weiter, so finden wir, dass er anfänglich unter dem Vor- derdarme und dessen rechter Seite gelagert, gelegen ist, dann aber plötzlich von rechts nach oben und links biegt und den Vorderdarm der mittleren unpaaren Vorderdarmdrüse kreuzt (Fig. 31 Zn), ohne sich jedoch hier in ein Ganglion zu versenken. Aus dem Ver- folgen seines weiteren Verlaufes erkennen wir, dass er die rechte Visceralkommissur ist, von welcher sich später der Geruchsnerv ab- spaltet. Wir hätten hiermit alle von mir aufgefundenen Nerven jenes subintestinalen Halbringes besprochen und es erübrigt jetzt jenen Halbring, nachdem wir seine äußerlich erkennbaren Details kennen gelernt, in seiner Bedeutung näher zu würdigen. Durch die Vergleichung dieses Halbringes von Concholepas mit jenem der Murieiden, sowie mit den Verhältnissen, wie sie bei den Doliden vorliegen, werden wir über dessen Bedeutung auch ohne das Studium seiner histologischen Verhältnisse, wenn gleich deren Kenntnisse aus manchem Grunde erwünscht wären, sofort klar. Um 1], e. Fig. 1 Taf. 1 un. Gerade durch die Anlagerung dieses Nerven an die rechte Visceralkommissur resp. an das Subintestinalganglion wird jene Halb- ringbildung eingeleitet, wie ich dieses auf pag. 16, 17 eben citirter Arbeit er- örtert habe. Die Morphologie der Prosobranchier. IN mit einem bereits bekannten Falle zu beginnen, verkürzt sich die bei den Rhipidoglossen sehr lange Supra- und Subintestinalkommissur bei Cassidaria echinophora und die beiden entsprechenden Ganglien treten somit schon dem Schlundringe näher, während sie doch noch immer weit von ihm entfernt bleiben. Zu gleicher Zeit mit diesem Vorgange lagert sich der aus dem rechten Pleuralganglion entspringende und früher bei Natica bloß der rechten Visceralkommissur angelagerte Nerv der Samenrinne resp. des Uterus dem Subintestinalganglion von unten fest an und, indem an der Berührungsstelle die Nerven- hülle degenerirt, wobei der Nerv von den angrenzenden Ganglien- zellen überwuchert wird, gelangt er in das Innere des Ganglions, ohne, wie selbstverständlich, von dort Fasern aufzunehmen. Hier- durch erhält das Supraintestinalganglion scheinbar zwei vom Schlund- ringe kommende Kommissuren, eine richtige vom linken Pleural- ganglion und durch die eben erwähnte Anlagerung eine falsche aus dem rechten Pleuralganglion. Durch Übergänge, die zur Zeit noch unbekannt und für die Ableitung der Verhältnisse von jenen der Cassidaria nicht absolut nöthig sind, gelangen wir zu Zuständen, die sich als eine Koncentrationsbestrebung kund geben und in der Ver- kürzung der Supra- und Subintestinalkommissur sich ausprägen. Die Subintestinalkommissur verkürzt sich bei den Fusiden und gewissen Repräsentanten der Gattuv@ Murex (M. truneulus und brandaris) zu einer mehr oder weniger kurzen Verbindung, wobei die Verkürzung bei Murex tenuispina so weit gehen kann, dass die Kommissur äußer- lich gar nicht mehr wahrnehmbar wird und das Subintestinalganglion dem linken Mantelganglion, das einen Theil des gleichseitigen Pleu- ralganglions vorstellt, fest anliegt (Fig. 45). Die Supraintestinal- kommissur ist unter den Muriciden am längsten bei Murex brandaris, schon kürzer bei Murex trunculus (Fig. 36) und endlich ganz kurz bei Murex lingua-bovis (Fig. 45, 46) und den Fusiden (Fig. 35). Bei den Fusiden reicht ihre Länge gerade noch hin, um das Supra- intestinalganglion vom rechten Pleuralganglion zu trennen. Von die- sem Stadium an kann nun das Supraintestinalganglion nieht mehr links und über dem Vorderdarm liegen, und nur die Visceralkom- missur und der Nerv des SpENGEL’schen Geruchsorganes kreuzen von oben den Vorderdarm. Von diesen Verhältnissen werden wir zu jenen der Buceiniden geführt, wobei wir von den Verhältnissen, wie sie sich bei der Gattung Monoceros vorfinden, welche bloß von untergeordneter Be- deutung sind, einstweilen absehen wollen. Bei Concholepas ist nun 72 B. Haller die höchstmögliche Koncentration jenes subösophagealen Halbringes eingetreten. Äußerlich sind keine Kommissuren sichtbar, da nicht bloß die Subintestinalkommissur, die bereits bei Murex tenuispina in den Halbring einbezogen ward, äußerlich schwindet, sondern auch die Subintestinalkommissur gänzlich einbezogen wird. Dieser Vor- gang bedingt, dass die als gesonderte Ganglien aus peripher zer- streut in den Kommissuren liegenden Ganglienzellen (Haliotis, Tro- chiden) sich koncentrirten, Sub- und Supraintestinalganglion in dem Halbringe mit den anderen angrenzenden Theilen sich zu einem ein- heitlichen Ganzen verschmelzen und ihre auf diese Weise äußerlich unkenntlichen Distrikte, sowie die der anderen hier liegenden Cen- tra äußerlich bloß noch aus den abtretenden Nerven erschlossen werden können. Dabei ist die Verbindungsweise rechterseits mit dem Schlundringe eine Eigenthümlichkeit von Concholepas. Bevor wir auf die Beschreibung der Pedalganglien eingehen, wäre hier Einiges mitzutheilen, was zur Erklärung jener sonder- baren Thatsache dienen könnte, dass der Spindelmuskel, der, wie ja in dem vorigen Abschnitte gezeigt wurde, aus dem rechtsseitigen Schalenmuskel entsteht, in allen bekannten Fällen bei den Proso- branchiern sowohl einen rechten als linken Spindelmuskelnerven besitzt, wobei der linke Nery, dessen Vorhandensein bereits sonder- bar genug ist, sogar mächtiger ist als jener der anderen Seite. Denn es müsste in der That, im Falle der Spindelmuskel sich aus dem rechtsseitigen Schalenmuskel entwickelte, was aber bewiesen wurde mit der Riickbildung des linken Schalenmuskels, auch dessen Nerv sich rückgebildet haben. Obgleich mir nun heute die Histologie des Schlundringes dieser höheren Prosobranchier nur wenig bekannt ist und mir sich auch nicht so bald eine Gelegenheit bieten wird, diese Kenntnis zu erringen!, so glaube ich, es ließe sich doch jenes Ver- halten erklären, und das beiderseitige Vorhandensein der Spindel- muskelnerven, sowie die stärkere Entwicklung des linksseitigen mit der Thatsache in Einklang bringen, dass’ der Spindelmuskel aus dem ! Meine Studie über die Muriciden (Denkschr. der Wiener Akademie. Bd. XLV) betitelte ich als I. Theil und sagte, ich würde im II. Theile die Histologie des Schlundringes jener Thiere folgen lassen. Damals schon hatte ich Einiges über diese geweblichen Verhältnisse kennen gelernt, doch ging mir dann während meiner Heimkehr aus Wien sämmtliches hierauf bezügliche Ma- terial durch Verdunsten des Alkohols, was durch das Zerbrechen der Gläser erfolgte, verloren. Seither habe ich aber keine Gelegenheit gehabt, mir ent- sprechendes Material verschaffen zu können und habe auch, bis ich nicht wie- der an die See kommen werde, keine Aussicht auf ein solches. Die Morphologie der Prosobranchier. 13 rechtsseitigen Schalenmuskel der Zeugobranchier und der niederen Formen sich im Laufe der Phylogenie herausgebildet hat. Bei den Zeugobranchiern und Trochiden sind es die von mir als »Lateralnerven« bezeichneten oberen Nerven des Fußstranges, welche die Schalenmuskeln resp. den Spindelmuskel innerviren. Bei den Tro- chiden ist das erste Paar dreier Nerven besonders stark entwickelt. Dieses erste mächtige Paar der Lateralnerven wird zur Innervirung des Spindelmuskels bei den höheren Formen erhalten, während die übri- gen gleichnamigen Paare in die zu Ganglien koncentrirten Pedal- stränge sich zusammengezogen haben, wobei sie nun mit Hinblick auf den Schwund der Schalenmuskel zur ausschließlichen Inner- virung der zwischen Unterfuß und Spindelmuskel gelegenen Distrikte des Fußes dieser Formen dienen, jener Gegend also, wo die Seiten- taster resp. Epipodium der Rhipidoglossen gelegen sind. Uns würde jetzt nur das erste mächtige Paar dieser Nerven interessiren, Bei der Torsion des Körpers, welche bereits bei Fissurella be- ginnt?, wird bei den jüngeren Formen der Prosobranchier, wo die Torsion, wie wir ja dieses aus dem Verhalten der Eingeweidekom- missuren wissen, eine höhere Stufe erreicht, durch dieselbe auch der Spindelmuskel in Mitleidenschaft gezogen, wobei derselbe eine geringe S-förmige Krümmung, wie dies schematisch Fig. 61 vergegenwiirtigt, von links nach rechts und abermals nach links erleidet. Nun lagern sich die Nerven des Spindelmuskels, der rechte der Supraintestinal- kommissur, der linke der Subintestinalkommissur fest an, und da die vordere Krümmung des Spindelmuskels es mit sich bringt, muss der linke Nerv, um seinen bestimmten Eintritt in dew Spindelmuskel zu erreichen, sich verlängern. Aus diesem Vorgang würde ein Ver- halten resultiren, wie es auf Fig. 66 wiedergegeben ist, welches Schema, verglichen mit jenem’ auf Fig. 61, diesen Vorgang leicht vergegenwärtigen hilft. | In der That finden wir bei gewissen höheren Prosobranchiern mit noch wenig koncentrirtem Nervensysteme ein Verhalten vor, welches jenem Schema entspricht und unserer Annahme auch bis zur vollen Erkenntnis der histologischen Verhältnisse zur starken Stütze dient. Bei Cassidaria nämlich tritt der eine Spindelmuskel- 1 Dieses Jahrbuch. Bd. IX. 2 Ich will hier einstweilen nur konstatiren, dass bei Fissurella ein gewisser Grad einer Torsion vorhanden ist und abstrahire hier von der großen Torsion ihrer Larve (siehe hierüber L. Bouran, Recherches sur l’anatomie et le deve- loppement de la Fissurelle. Arch. zoolog. exper. 2. serie. ‘Tom. III). 74 B. Haller nerv aus dem Subintestinalganglion ab‘, während der Abgang des rechtsseitigen Spindelmuskelnerven überhaupt noch nicht beobachtet ward. Nun könnte man bei Cassidaria? sehr leicht einwenden, dass ja dem Subintestinalganglion der rechtsseitige Mantelnerv, aus dem diesseitigen Pleuralganglion entspringend, sich angelagert hat und, wie ich ja früher auch der Meinung war, auch der rechte Spindel- muskelnerv neben dem Mantelnerven und mit ihm fest verwachsen in das Subintestinalganglion gelangt. Da nun wegen dieses aller- dings nicht bewiesenen Einwandes und in Ermangelung der histo- logischen Daten, die Doliden für meine Annahme nicht beweiskräftig verwendet werden konnten, musste ich mich betreffs dieser Frage um solche Verhältnisse umsehen, die meine Annahme stützen könn- ten. Darum untersuchte ich auf diesen Punkt hin eine Reihe von Prosobranchiern und fand bei Sigaretus neritoides in der That eine Stütze für meine Annahme vor. Es zeigte sich dort (Fig. 55), dass in das Subintestinalganglion von links zwei Nerven eintreten, und zwar einer, den ich für die Commissura subintestinalis halte (c.sd) und ein anderer weniger mächtiger, dessen Bedeutung mir erst ganz klar wurde, nachdem ich die abtretenden des anderen Ganglionendes ansah. Ich hatte, was ich suchte, gefunden. Zwei Exemplare von Sigaretus ner. (in der ganzen Sammlung sind bloß drei Exemplare vorhanden) wurden untersucht; aus dem Subintestinalganglion traten zwei starke Nerven ab. Von diesen zwei Nerven war der hintere die rechte Visceralkommissur (vc) und der vordere (mn) der Spindel- muskelnerv. Jener schon oft genannte Mantelnerv (v) legte sich, ähnlich wie bei Natica, in dem einen Falle dem Spindelmuskelner- ven, im anderen aber dem Ganglion fest an. Ich bin nun in Anbetracht dieser Thatsache zu folgendem Schlusse gelangt. Das linke Pleuralganglion passirend, denn von dort tritt der linke Spindelmuskelnerv ab, lagert er an die Subintestinalkom- missur fest an und erreicht auf diese Weise das betreffende Gan- glion. Überwuchert von den Ganglienzellen tritt er bloß durch das- selbe hindurch. ! Vgl. meine citirte Murexstudie. Fig. 5 Taf. I. 2 Ich will Cassidaria echinophora als Beispiel nehmen, da bei Dolium diese Verhältnisse in so fern etwas komplicirter sind, als Nerven, die ursprüng- lich bei Cassidaria aus jenem wichtigen Mantelnerven, der hauptsächlich die Samenrinne resp. das Uterusende zu innerviren hat, sich abspalten, nun vom Subintestinalganglion direkt abtreten, was so zu verstehen wäre, dass diese Nerven sich noch innerhalb des Ganglions vom betreffenden Hauptstamme ab- zweigen. Die Morphologie der Prosobranchier. 75 Aus dem Verhalten bei Sigaretus ner. lässt sich jenes bei Cassi- daria und den Doliden überhaupt leicht konstruiren, wo der linke Spindelmuskelnerv der Subintestinalkommissur ganz fest anlagert. Ich glaube nun, die eben angeführte Thatsache wird jenes Schema, welches ich in Fig. 67 gegeben habe, besonders wenn der Abgang des rechten Spindelmuskelnerven aufgefunden sein wird, wie ich ihn in dem Schema angegeben habe und worüber ich nicht im ge- ringsten Zweifel hege, annehmbar machen. Nehmen wir aber einst- weilen dieses Schema als eine abgemachte Thatsache an, so kann man dieses Verhältnis bei den Rhachiglossen auf folgende Weise er- klären. Der aus dem linken Pedalganglion entspringende Spindel- muskelnerv (Fig. 67) tritt, wie bei den Doliden, durch das linke Pleuralganglion! und den getrennten Abschnitt, das Mantelganglion, bis zum Subintestinalganglion und nachdem er dieses durchsetzt hat, am rechten Mantelganglion ab (siehe u. A. Fig. 27, 35, 36, 45, 46). Dabei ist natürlich dieser Nerv bei dem großen Koncentrationsgrade von den Ganglienzellen der angrenzenden Ganglien überwuchert worden und wird somit in die Ganglien gleichsam eingebettet. So- mit behält er im Allgemeinen jene frühere Lage, welche er bei den Doliden und den Naticiden besessen hatte, bei. Der rechtsseitige Spindelmuskelnerv aber trennt sich von der Supraintestinalkommissur ab, lagert dem rechten kleinen Mantelganglion an und tritt so durch jene schon öfter erwähnte Verbindung zwischen rechtem Mantelgan- glion und Subintestinalganglion in das Supraintestinalganglion. Die- sen durchsetzend und dessen Kommissur bis zum linken Mantelgan- glion fest anlagernd, verlässt er an des letzteren rechtem Rande die Subintestinalkommissur. Auf diese Weise kreuzen sich die beiderseitigen Spindelmuskelnerven in der Commissura subintestinalis und der ursprünglich rechte Nerv, dessen Ursprung im rechten Pedalganglion liegt, wird anschei- nend zum linken Nerven, während auf dieselbe Weise der linksseitige den rechtseitigen Spindelmuskelnerven vortäuscht. Der ursprüngliche Spindelmuskelnerv ist bei den untersuchten Rhachiglossen, mit einziger Ausnahme von Concholepas, wo die bei- ! Obgleich bei Dolium Galea L. sonst absolut weiter keine Koncentra- tionsbestrebung am Nervensystem wahrnehmbar wird, so schwindet selbst die bereits bei Cassidaria echinophora sehr kurze Commissura pleurocerebralis und das Pleuralganglion ist jederseits mit dem Cerebralganglion ganz innig ver- schmolzen. 76 B. Haller derseitigen Nerven gleich breit sind, immer stärker als der ursprüng- lich linksseitige (Fig. 35, 36, 45, 46), was ja, da der Spindelmuskel sich aus dem rechtsseitigen Schalenmuskel entwickelte, ganz selbst- verständlich ist. Es frägt sich nun, warum der ursprünglich links- seitige, in meiner früheren Beschreibung rechtsseitige Spindelmuskel- nerv sich nicht gänzlich rückgebildet hat? Diese Frage lässt sich, glaube ich, genügend beantworten, wenn man bedenkt, dass bei den Mollusken überhaupt es nur sehr wenige Nervenstämme giebt, die ausschließlich nur centripetal oder nur centri- fugal leitende Nervenfasern besitzen. Im Ganzen sind es wenige Ausnahmen (z. B. der Hörnerv), wo ein Nervenstamm nicht beiderlei Fasern führt, denn selbst der Augennerv der Pulmonaten, wie dieses ja längst bekannt ist, giebt noch einen motorischen Ast ab, der den M. retraetor oc. innervirt und ähnliche Fälle könnten in Fülle an- geführt werden. So mochte es denn gekommen sein, dass auch der sogenannte Spindelmuskelnerv, welcher ja bei den Rhipidoglossen als »Lateralnerv « ein gemischter zat’ &oyry ist, jederseits diese gemischte Natur beibehält und mit seinen centripetalleitenden Fasern, nachdem die motorischen im Spindelmuskel zurückgeblieben sind, das Epithel der an den Spindelmuskel angrenzenden Theile innervirt. Die mo- torischen Fasern des ursprünglich linksseitigen Nerven bilden sich aber zurück und desshalb erscheint dieser Nerv stets schwächer als jener der anderen Seite, und nur bei Concholepas, wo ja die motorischen Fasern aus diesen bei- den Nerven zum größeren Theile schwinden, indem die Schalenmus- kulatur ihre Innervirung abermals direkt aus den Fußganglien be- zieht, sind sie gleich stark. Ob diese Erklärung stichhaltig ist, worüber ich heute keinen Zweifel hege, wird die histologische Untersuchung des Gegenstandes zu entscheiden haben. Hiermit hätten wir einen Theil der Ganglien des Eingeweide- nervensystems beendet und wollen, daran anknüpfend, die anderen mit diesen zusammenhängenden Ganglien besprechen. Als solche wären zu nennen die vorderen und die hinteren Eingeweideganglien. Die vorderen Eingeweideganglien (Buccalganglien aut.) sind durch viel kürzere Kommissuren mit den Cerebralganglien verbun- den als jene der übrigen Rhachiglossen mit den Pleuralganglien. Wie schon bemerkt, ist es eine Eigenthümlichkeit aller hier unter- suchten Rhachiglossen, dass die Kommissuren der vorderen Einge- weideganglien direkt aus den Pleuralganglien, aus welchen sie über- Die Morphologie der Prosobranchier. art all entspringen, abtreten; bei Concholepas jedoch, wo sie sich in Folge der größeren Koncentration des Schlundringes den Cerebral- ganglien wieder einlagern, müssen sie naturgemäß von ihrer Länge einbüßen!. Nicht in allen Fällen verhalten sich die vorderen Ein- geweideganglien bilateral symmetrisch zu einander und das Verhal- ten, wie ich es eben beschreiben will, habe ich in zehn Fällen acht Mal beobachten können. Beide Ganglien waren weder in der Größe noch in der Form einander gleich (Fig. 32). Das linke Ganglion hat von oben (dem Darme zugekehrt) betrachtet, eine viereckige Form und übertrifft etwas an Größe das rechte, welches eine drei- eckige Form besitzt. Die Kommissur (cd) tritt am äußeren Winkel in das linke Ganglion und gleich neben und vor ihr tritt der starke Ge- schmacksnerv (e) ab. Dieser theilt sich sofort in zwei Äste, von denen nur der äußere die Gegend der Geschmacksorgane hinter den Lippen erreicht; der innere tritt an den Rüsseldarm. Bei den Rhi- pidoglossen ist bekannt?, dass die Geschmacksnerven aus den Cere- bralganglien entspringen und somit sind wir auch bei den übrigen Prosobranchiern berechtigt, ihren Ursprung nicht in die Pleuralgan- glien, sondern in die Cerebralganglien zu versetzen. Bei denjenigen unter ihnen, bei welchen die Kommissuren der vorderen Eingeweide- ganglien von den Cerebralganglien abtreten, können wir uns etwa nach dem Verhalten von Fissurella leicht vorstellen, dass die be- treffenden Fasern für den Geschmacksnerven mit der Kommissur in das vordere Eingeweideganglion gelangen. Bei den untersuchten Rhachiglossen aber, mit einziger Ausnahme von Concholepas, begeben sich aber die Geschmacksfasern aus dem Cerebralganglion durch den vorderen Theil des Pleuralganglions bis zu jener Stelle, wo sie mit den Kommissuren der vorderen Eingeweideganglien gemeinsam ab- treten. Aber selbst dort, wo der Geschmacksnerv bis zu seiner Endverästelung gar keine Nerven abgiebt, wie dieses bei Murex z. B. der Fall ist, wird er auch noch Fasern aus dem vorderen Eingeweideganglion mitnehmen, welche dann offenbar zur Inner- virung der Mundhöhlendrüsen 3, mit Ausnahme der Buccaldrüsen, und Becherzellen dienen. Es muss dies daraus erschlossen werden, dass ı Die Einlagerung dieser Kommissuren bei Prosobranchiern mit langen Cerebropleural- und Cerebropedalkommissuren in das Cerebralganglion ist offen- bar aus einem anderen Grunde geschehen. 2 Siehe meine Rhipidoglossenstudien. I. II. 3 Siehe meine Rhipidoglossenstudie. I. 75 B. Haller der Geschmacksnerv an Breite nieht geringer ist als die Kommissur selbst. Bei Concholepas sind aber außerdem auch noch Fasern der Darmnerven beigemengt, die sich, wie eben angegeben wurde, als ein besonderer Ast dieses Nerventrunkes abtreten. Diesem Nerventrunk medianwärts fest angelagert tritt aus dem Ganglion ein anderer Vorderdarmnerv ab, der sich jedoch sehr bald in zwei Äste theilt (d). Von dem inneren oberen Winkel des linken Ganglion treten zwei Darmnerven ab (cb). Zu innerst von diesen liegt der Nerv der Radularscheide (77). Nach rechts wird das linke Ganglion durch eine kurze breite Kom- missur mit dem anderseitigen Ganglion verbunden. Mit seinem hin- teren Rande verbindet sich direkt ein Anfangs schmales, dann breiter werdendes und zum Schlusse spindelförmig in einen dicken Nerven (um) übergehendes Ganglion (w). Dieses Ganglion, dessen faserige Verlängerung nichts Anderes als der unpaare Vorderdarmnerv! ist (wm), fehlt am rechtsseitigen Ganglion. Aus ihm treten jederseits 3—4 Nerven in das Nervengeflecht um den Vorderdarm ab. Wir wissen- bereits von den Muriciden her, dass der unpaare Vorderdarm- nerv zwar aus der die beiden vorderen Eingeweideganglien mit ein- ander verbindenden Kommissur abtritt und somit seine Ursprungs- weise aus beiden Ganglien kundgiebt, doch ist er auch dort dem linksseitigen Ganglion genähert (Fig. 36 mr). Auch bei Concholepas ist das eben beschriebene Ganglion, das als Ganglion des unpaaren Vorderdarmnerven eine Eigenthümlichkeit dieses Thieres ist, nicht immer mit dem linken vorderen Eingeweideganglion verbunden, son- dern hängt bei manchen Exemplaren mit der verbindenden Kom- missur zusammen; auch dann ist es dem linksseitigen Ganglion ge- nähert (Fig. 33 um), lässt aber keine Seitennerven aus sich abtreten, sondern diese treten erst vom unpaaren Vorderdarmnerven ab. Das rechte vordere Eingeweideganglion ist dreieckig und an Volum dem linksseitigen nachstehend. Mit seinem hinteren Winkel verbindet sich die zwischen beiden Ganglien gelegene Kommissur, während dem vorderen inneren Winkel genähert, ganz so wie bei dem linken Ganglion die drei Nerven abtreten. Etwas anders ver- hält sich die äußere Seite des Ganglions. Bei ihrem Eintritt in das Ganglion ist die rechtsseitige Kommissur (cb) gangliös angeschwollen ! In meiner Murexstudie nannte ich unrichtig diesen Nerven »unpaaren Mitteldarmnerv« statt unpaaren Vorderdarmnerv. Die Morphologie der Prosobranchier. 79 und an der Stelle, wo auf dem linksseitigen Ganglion der Stamm, welcher auch den Geschmacksnerven in sich schloss, und jener Darm- nervy abtreten, tritt ein einheitlicher gangliöser Stamm ab und setzt sich allmählich im Nerven fort. Diese beiden gangliösen Anschwel- lungen sind gegen einander nicht abgegrenzt und bilden zusammen ~ ein äußerlich einheitliches, mit dem Ganglion an der inneren Seite verschmolzenes Ganzes (p). Jedenfalls wird die geringere Größe des rechten vorderen Eingeweideganglions dem linken gegenüber dieser gangliösen Anschwellung zuzuschreiben sein. In anderen Fällen sind beide vorderen Eingeweideganglien gleich groß (Fig. 33), nur die gangliöse Anschwellung ist auf beiden Seiten ähnlich wie es in dem vorher beschriebenen Falle am rechten Gan- glion war. Linkerseits (p’) trat neben dem dicken Stamme (e) noch ein anderer ab; rechterseits (p) verlassen drei getrennte Stämme die laterale gangliöse Verdickung. Hintere Eingeweideganglien sind zwei von gleicher Größe vorhanden, deren Nerven sich in jeder Beziehung so verhalten, wie ich es früher bei Murex beschrieben hatte. Zum Schlusse hätten wir hier noch der Pedalganglien zu gedenken (Fig. 29, 30, 31 P). Sie sind groß und jedes der beiden wird, wie dieses bei fast allen Prosobranchiern der Fall ist, durch einen seichten Einschnitt (Fig. 30 y), der sich in Form einer seich- ten Furche von außen nach innen auf der Unterseite des Ganglions fortsetzt, in eine vordere (Fig. 29, 30 x) und hintere Hälfte (x) ge- theilt. Die Nerven verlassen das Ganglion insgesammt von seiner unteren Fläche. Von der lateralen Fläche tritt bei Concholepas jeder- seits ein kleiner gangliöser Stamm ab, der sich alsbald in zwei Nerven spaltet (Fig. 30 A, A’). Die Bedeutung desselben ist mir unbekannt geblieben. Die Sinnesorgane habe ieh nicht untersucht, da weder das Ma- terial dazu besonders geeignet war, noch diese Aufgabe bei dem großen noch zu bearbeitenden Materiale geboten erschien. Es sei hier bloß bemerkt, dass die Otocysten, wie bei allen mir bekannten Rhachiglossen, nicht dem Pedalganglion aufliegen, sondern wie auf kurzen Stielen der Hörnerven vor den Cerebralganglien gelegen sind. Dies ist, so viel ich weiß, eine Eigenthümlichkeit der Rhachiglossen und wird aus dem großen Koncentrationsgrade des Schlundringes ab- zuleiten sein. 80 B. Haller Der Darmkanal und seine Drüsen. Der Darmkanal beginnt, wie bei allen Gasteropoden, mit einem weiten Abschnitte, der sich nach vorn in das Mundhöhlendach, nach unten und hinten in die Radulascheide fortsetzt. Die jederseitige Mündung der Ausführungsgänge der Bucealdrüsen bezeichnen dorsal- wärts die Grenze, zu welcher die ektodermale Mundhöhle reicht und wo der wirkliche Vorderdarm beginnt, was daraus erschlossen wer- den kann, dass das Vorkommen der Geschmacksbecher bis zu die- ser Stelle betseht, wie ich in meiner Arbeit über Rhipidoglossen gezeigt habe. Somit würde dieser Theil des Vorderdarmes sammt der Mundhöhle den Munddarm vorstellen. Er wird vorn und oben von einem starken Sphincter (Fig. 1 7m) umgeben, der sich am hinteren Rande der Unterlippe mit deren Muskulatur verwebt. Er liegt der Buccalmuskulatur stets oben auf und ist bei Concholepas von geringer Größe. Die Buccaldriisen sind zwei äußerst kompakte acinése Drü- sen (Fig. 1 dd) mit sehr langem Ausführungsgange. Beide Drüsen sind oben etwas konkav und die rechte etwas voluminöser als die linke. Der Ausführungsgang besteht aus einem vorderen dünneren (ag) und hinteren viel diekeren (ag’) Abschnitte. Letzterer, der viel- fach in Windungen gelegt ist, liegt so fest durch Bindegewebe ver- bunden dem vorderen und inneren Rande der Drüse an, dass er nur mit der Nadel freipräparirt werden kann. Die hintere Hälfte wird nicht allmählich dünner, um auf diese Weise in den vorderen Abschnitt überzugehen, sondern ihre Dicke hört dort, wo letzterer be- ginnt, plötzlich auf. Der Ausführungsgang wird von einem äußerst zarten, niedrigen Cylinderepithel (Fig. 77 c) ausgekleidet, dem, an meinen Präparaten wenigstens, keine Stoffwechselprodukte, welcher Art sie auch sein mochten, eingelagert waren. Eine Cuticula fehlt und auch Cilien beobachtete ich nicht, doch in Anbetracht des Um- standes, dass diese fast überall an dem Epithel der Ausführungs- gänge der Buccaldrüsen bei Gasteropoden beobachtet werden können, ferner dass die Zellen der Ausführungsgänge von Concholepas sehr zart sind, möchte ich annehmen, dass die Cilien im Leben bestanden und durch die Konservirung verloren gingen. Auf das Epithel folgt eine ziemlich kräftige Ringmuskulatur (m), welcher Blutlacunen eingelagert sind. Längsfasern kommen nur in der Nachbarschaft der Membrana basilaris und im Bindegewebe ober- halb der Ringmuskulatur vor, doch fragt es sich immerhin, ob sie Die Morphologie der Prosobranchier. 81 auch dort nicht bloß auf kurze Strecken von ihrer Bahn abgelenkte Ringfasern seien. Auf die Muskulatur folgt eine sehr mächtige Bindegewebsschieht (dq), die sich jedoch bis zu dem dünnen vor- - deren Abschnitte des Ausführungsganges erstreckt und dort plötzlich aufhört. Somit bildet dieses Bindegewebe den einzigen Grund der größeren Dicke des hinteren Abschnittes des Ausführungsganges und das Lumen ist überall gleich weit. Die Struktur dieses Bindege- webes ist ein engmaschiges Netz, dessen Knotenpunkte durch das Vorhandensein deutlicher Zellkerne als Zellen sich zu erkennen geben. Ausnahmslos werden alle Maschenräume von den sogenannten Plas- mazellen eingenommen. In den allermeisten Fällen wird ein Ma- schenraum von einer einzigen Plasmazelle ausgefüllt und nur selten sind sie so weit, dass sie zwei solche Zellen einschließen könnten (Fig. 77 4g). Andere Elemente führt dieses Bindegewebe nicht. — Das Epithel der Buccaldriisen ist ein kubisches (Fig. 80), doch fehlt ihm sowohl eine Cuticula als auch ein Wimperüberzug. Ob jedoch das Fehlen der Cilien nicht auch hier bloß durch die Kon- servirung verursacht wurde, wie dieses ja so oft bei den zarteren Wimperzellen der Fall ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Wenn man Schnittpriiparate, mit ammoniakalischem Karmin tingirt, bei genügender Vergrößerung betrachtet, wird man im ersten Augenblick leicht zu dem Glauben verleitet, als bestünde das Epithel aus mehre- ren Zellarten. In Wirklichkeit ist jedoch bloß eine Zellart vorhan- den, deren einzelne selbst in ein und demselben Acinus im verschie- densten Stadium ihrer Funktion sich befinden. Man gewahrt Zellen (Fig. 80 a), deren Leib sehr hell ist und das äußerst zarte Proto- plasma gleichmäßig vertheilt zeigt. In solchen Zellen konnte ich oft gar keine Stoffwechselprodukte auffinden, andere Male fanden sich aber einige wenige kleine Kérnchen vor, die im Gegensatze zum Zellleibe, der gegen Karmintinktion sich nicht empfindlich zeigt, eine leise Rosatinktion annehmen. Stellenweise fanden sich nicht recht begrenzte helle Stellen im Zellleibe, von denen nicht entschie- den werden konnte, ob sie ein Stoffwechselprodukt vorstellen oder bloß eine Stelle, an welcher die Protoplasmafiidchen gewichen waren; es scheint mir aber doch, als wenn wir es mit einem ziemlich dif- fusen Stoffwechselprodukte zu thun hätten. In der Zahl der sich färbenden Körnchen herrschte in den verschiedenen Zellen des eben beschriebenen Stadiums eine ziemliche Differenz vor, sie schwankte von drei bis dreißig und etwas darüber. Der Kern der Zelle war verhältnismäßig klein. Morpholog. Jahrbuch. 14. 6 89. B. Haller Weiter fand ich ein späteres Stadium des Funktionscyklus dieser Zellen, wo der, dem chemischen Verhalten nach dem erst beschrie- benen Stadium gleiche Zellleib, von den beschriebenen Körnern ziem- lich dieht erfüllt war (2). Die Körner selbst färbten sich intensiver mit Karmin wie im früheren Stadium, wo sie noch in geringer Zahl auftraten. Der Zellkern war zum Zweifachen seines vorigen Vo- lums angewachsen, ohne jedoch eine weitere Abänderung "erfahren zu haben. Mancher Fachgenosse, der diese zwei Stadien nach der Beschreibung beurtheilen wollte, möchte wohl in einigem Zweifel sein, ob nicht doch zwei verschiedene Zellarten vorlägen, wer jedoch die Präparate zu Gesicht bekommt, der wird meine Behauptung, dass nur verschiedene physiologische Zustände einer und derselben Zellenart vorliegen, kaum beanstanden. Denn in der That lie- gen in ein und demselben Acinus so viele Ubergangssta- dien, sowohl was die Zahl def Körnchen als auch die Größe des Zellkernes betrifft, zwischen diesen zwei Sta- dien vor, dass es unmöglich ist, den Gedanken an zwei verschie- dene Zellarten bei eigener Besichtigung der Präparate aufkommen zu lassen. | In einem dritten Stadium der Zelle fand ich nun Folgendes. Der ganze Zellleib war vom Karmin intensiv tingirt, wobei sich keine morphologisch bestimmten Stoffwechselprodukte vorfanden, bloß die Protoplasmafädchen waren bei genauer Betrachtung sichtbar. Der Zellkern war sehr groß und rund, ein Kernfadennetz bei dieser Art der Tinktion kaum noch erkennbar. Auch zwischen diesen Stadien und dem vorigen konnte ich einige Übergänge beobachten, indem gewisse Zellen des vorigen Stadiums stellenweise viele der erwähnten Körner zu einem sehr undeutlich begrenz- ten Ganzen verschmelzen ließen, während der übrige Theil der Körner noch deutlich begrenzt und klein war. Der Zellkern mit einem undeutlichen Kerngerüst war größer als zuvor und, was früher nicht der Fall gewesen ist, zu einer tadellosen Kugel abgerundet. Alle diese drei verschiedenen Stadien fanden sich selbst in ein und demselben Schlauche eines Acinus vor, wie ich dieses in Fig. 80 abgebildet habe. Freilich genügt ein einziger Schlauch eines Acinus nicht, um alle nur möglichen Übergänge beobachten zu können, sondern es muss wenigstens ein ganzer Acinus untersucht werden. Ich brauche wohl die Annahme, dass das Stadium, in dem der Zellleib fast gar keine Stoffwechselprodukte einschließt, jenes ist, Die Morphologie der Prosobranchier. —- 83 mit welehem der Cyklus der Sekretionsfunktion beendigt ist und die Zelle ihre Funktion von Neuem zu beginnen hat, oder, um STRICKER’s Worte! zu verwenden, die Drüsenzelle »entladen« ist, nicht weiter zu motiviren, obgleich eine Beobachtung als Beleg hierfür der Mühe werth wire. Wenn ich meine Präparate vorsichtig durchsuchte, musste es mir auffallen, dass in manchen der Zellen oder selbst in Gruppen solcher, die sich im ersten Stadium der Sekretionsfunktion befanden und in welchen Stoffwechselprodukte, Körncehen wenigstens, nicht vorhanden waren, die Zellkerne etwas gewachsen, dafür je- doch nicht mehr so scharf begrenzt erschienen und das Kerngerüst viel prägnanter hervortrat. Ich forschte nun diesem Verhalten wei- ter nach und fand in einem Falle eine indirekte Kerntheilung vor, wobei auch der Zellleib sich einzuschnüren begonnen hatte (Fig. a). “Es war das ein Stadium der Kerntheilung, welches, wie ähnliche, als »Tochterform« bezeichnet wird2. . In den meisten Fällen, wo Driisenzellen sich in der Sekretion befinden, wurde die Beobachtung gemacht, dass die Zellen nach eben erfolgter -Sekretion an Volum bedeutend -abnahmen, was besonders - in der Milchdrüse bei der Milchsekretion am prägnantesten zum Aus- druck kommt, von mir auch an den Zellen der großen Vorderdarm- ‘driise von Concholepas weiter unten beschrieben wird. Bei den Zellen der Buccaldrüsen tritt aber keine besondere Größendifferenz ein zwischen den Zellen, die zum letzten Akte der Sekretion vor- bereitet sind und denjenigen, die den Cyklus wieder zu beginnen haben. Dieses bedarf einer Erklärung. Es giebt Drüsen im Thier- reiche, die eine äußerst energische Sekretionsthätigkeit zu entfalten haben, d. h. solche, welche innerhalb kurzer Zeit im Verhältnisse zum geringen Drüsenlumen ungemein große Massen von Sekret pro- dueiren und wieder solche, die unter diesen Verhältnissen keine all- zu große Quantität liefern. Diese Bedingungen können aber mög- licherweise, je nach der größeren oder geringeren momentanen An- forderung an die betreffende Drüse, schwanken. Gesetzt den Fall, einer Drüse wären Bedingungen gegeben, durch die Größe der Drüse oder einen sonst leicht denkbaren Umstand, dass die Sekretion nicht allzu rasch zu erfolgen habe, so hat die Zelle nach Ausstoßung des Sekretes oder nach ihrer Entleerung Zeit genug, abermals die zum 1 S. STRICKER, Vorles. über allgem. und exper. Pathologie (Wien 1877). pag. 671, 2 W. FLemMinG, Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung. Leipzig 1882. 84 B. Haller Sekrete in der Zelle umzugestaltenden Substanzen aus der Blutflüssig- keit (bei den Wirbelthieren aus der Lymphe) aufzunehmen; die Zelle ist also nicht gezwungen, nach dem Momente der Sekretion oder selbst im extremsten Falle unter diesem Akte selbst, wieder rasch Rohmaterial aufzunehmen. Vielmehr kann dieses dann sehr langsam geschehen. Unter solehen Bedingungen wird die betreffende Zelle - nach erfolgter Sekretion naturgemäß auch an Volum bedeutend ein- büßen müssen. Im anderen Falle wird eine Drüse entweder durch ihre permanente Aufgabe, oder durch zeitweise äußere Umstände gezwungen, sich sehr energisch in Thätigkeit zu setzen, so werden die Zellen dieser Drüsen bereits mit beginnender Absonderung ver- anlasst sein, Rohmaterial energisch aufzunehmen, wodurch diese Zellen nach erfolgter Sekretion an Volum wenig oder vielleicht gar nicht einbüßen, da so viel als sie abgegeben wieder von ihnen auf- - genommen wird.- Von diesem Standpunkte aus betrachtet, ist die Volumabnahme des Zellleibes nach erfolgter Sekretion nicht ein ab- solutes Bedingnis. Um die Zellzustiinde der Buccaldrüsen besser zu verstehen, ist es aber erforderlich, auf das morphologische Wesen der Zellsekre- tion etwas genauer einzugehen, als es in einer Monographie, die sich nicht mit diesem Thema speciell beschäftigt, sonst geboten er- scheinen würde. So weit ich die einschlägige Litteratur zu überblicken vermag, sind über die Sekretion der Zellen zur Zeit zwei Theorien gang und gebe. Die eine rührt von HEIDENHAIN her und lautet folgender- maßen!. Aus dem Protoplasma (Kuprrer's) wird Paraplasma (Kupr- FER) und aus diesem wird das Sekret oder dessen Vorstufe gebildet und nun erfolgt die Sekretion der Zelle. Gleich darauf nimmt das Protoplasma der an Volum verkleinerten Zelle durch Aufnahme der nöthigen Rohstoffe aus der Lymphe (Wirbelthiere) an Masse bedeu- tend zu, worauf seine Umbildung in Paraplasma abermals beginnt. Durch Beobachtungen an der Parotis des Kaninchens u. A. m. wird ferner HEIDENHAIN zur Annahme gezwungen, dass auch der Zellkern bei der Sekretion an dem aktiven Vorgange sich betheiligt, indem er dabei eine chemisch nicht »näher. definirbare Umwandlung« er- fährt. | Eine zweite, freilich noch sehr unklare Auffassung speeiell ! Hermann’s Handbuch der Physiologie. Bd. V. Zweite Abtheilung. pag. 55 und ff. a Die Morphologie der Prosobranchier. 85 über die Thätigkeit der Becherzellen vertritt J. H. List. Lisrt, der ausführliche Untersuchungen über die Becherzellen angestellt hat, theilt mit, dass das Sekret dieser Zellen in der Theca aus einer homogenen Zwischensubstanz und einem Reticulum, einer Interfilar- masse und Filarmasse besteht, welche von einander nach dem Grade der Affinität der angewandten zahlreichen Färbemittel sich unter- scheiden. Diese Filarmasse, so weit ich es verstehe, soll aber mit dem Protoplasma, die Interfilarmasse. mit dem Paraplasma identisch sein. Aus dem oberen, in der Theca sich befindenden, schon ver- ändertem Zellleibe soll nun das Sekret entstehen. Ein Theil, der größte des Zellleibes, wird dann durch eine Art von Quellungspro- cess ausgestoßen, während ein ganz kleiner Theil des Zellleibes um den Kern herum, bei Zellen, welche überhaupt mit der Sekretion nicht zu Grunde gehen, im Fuße der Theca zurückbleibt und die Materialregeneration beginnt von Neuem. Einen chemischen Antheil des Kernes bei der Sekretion stellt List P. SCHIEFFERDECKER gegen- über in Abrede. Somit wurde von Lisr während der Sekretion der Becherzellen sowohl das Proto- als Paraplasma gleichmäßig in An- spruch genommen, so jedoch, dass die Filarmasse in die Interfilar- masse sich nicht auflöst, in diese nicht umgebildet wird. Jedenfalls wird die Sekretion aller nur möglichen Drüsenzellen einem allgemeinen Gesetze unterworfen sein müssen, und ich kann mir keinen darüber Nachdenkenden vorstellen, der nicht dem Gedanken huldigen möchte, dass Protoplasma, Paraplasma und Zellkern bei der Sekretion, möge diese auch Komplikationen chemischer Art auf- weisen, im Wesentlichen gleichmäßig betheiligt seien. Über die Betheiligung des Kernes bei der Sekretion, abgeschen von der angeblichen Zellkernvermehrung der Milchzellen während der Milchsekretion, die eigentlich nicht hierher gehört, bestehen so zahlreiche wohl verbürgte Angaben, dass es in der That eine un- fruchtbare Behauptung wäre, die Betheiligung des Kernes bei der Sekretion absolut zu verneinen. Ich sage »absolut«, denn es mag ja sehr leicht sein, dass diese Betheiligung nicht überall gleich in- tensiv ist. Die Beobachtungen beziehen sich entweder auf eine Form- veränderung und Größendifferenz oder auf die Empfindlichkeit gegen Farbstoffe der Kerne. Ein bisher alleinstehender, äußerst leicht zu beobachtender Fall von Veränderung des Zellkernes besteht in der 1 Uber Becherzellen. Arch. für mikr. Anat. Bd. XXVII. Über Struk- turen von Driisenzellen. Biolog. Centralbl. Bd. VI. 86 B. Haller Zelle der Zuckerdriisen der Chitonen, wo der Kern während der Sekretion bei gleichbleibender Größe und Form eine ziegelrothe Fär- bung ohne Farbstoffzusatz annimmt!. Ich glaube, es ist darum durchaus nicht gewagt, wenn wir mit HermeNHAIN- annehmen, dass der Zellkern während der Sekretion »eine chemisch nicht näher de- finirbare Umwandlung erfährt «. Es handelt sich nun darum, wie sich das Protoplasma während der Sekretion zum Paraplasma und beide zum Sekrete sich verhalten oder mit anderen Worten, wie verhält sich der Zellleib, mit Aus- schluss des Kernes, zur Sekretion. Hier müssen wir uns vor Allem klar legen, welches von den beiden Protoplasma oder Paraplasma das biologisch Wichtigere ist. | HEIDENHAIN, heute gewiss einer der besten Kenner des Drüsen- lebens, vertritt die Meinung, »dass das Protoplasma derjenige Theil der Zelle ist, von welchem ihre wesentlichen Lebensfunktionen aus- gehen«?. Dass es sich hier um das Protoplasma im engeren Kupr- rer’schen Sinne handelt, wird doch jedem Leser des HEIDENHAIN- schen Kapitels klar sein. Ich für meinen Theil schließe mich dieser Annahme unbedingt an, und habe mich in der That schon ein Jahr vor dem Erscheinen des HeıpenHain’schen Kapitels in HERMANN’S Handbuch der Physiologie bei Gelegenheit dahin ausgesprochen, dass das Protoplasma bei der Sekretion nur einen aktiven Theil hat, »es ‘ist der Chemiker, der die ihm gegebenen Körper zersetzt und aus ihren Ingredienzien neue Zusammensetzungen bewerkstelligt, die aus der Natur der Ingredienzien möglich sind und welche aus der spe- eifischen Energie der Zelle selbst folgen«°. Ich vertrete auch heute diese Ansicht, die, wie sie dasteht, obschon in der Betonung der Wichtigkeit des Protoplasma mit HEIDENHAIN übereinstimmend, doch in einem wichtigen Punkte davon abweicht. Während nämlich Her- DENHAIN glaubt, dass das Protoplasma bei der Sekretion in eine Vorstufe des Sekretes sich umbildet und somit gewissermaßen als Stoffwechselprodukt fungirt, nehme ich keinen Anstand zu be- haupten, dass das Protoplasma während der Zellfunktion nie sich in Sekret umbildet, sondern in allen Zellarten - zwischen gewissen Grenzen unverändert bleibt. Wie ich ! Siehe meine Arbeit: Organisation der Chitonen. I. Arb. aus dem Zool. Institut zu Wien. Bd. IV. pag. 21 d. Separatabdr. 21. c. 3 Organisation der Chitonen. I. Arbeiten aus dem Zoolog. Institut zu Wien. Bd. IV. pag. 22 d. Separatabdr. _ Die Morphologie der Prosobranchier. 87 bereits hervorgehoben habe, können die Protoplasmafädehen in den verschiedenen Stadien der Zellfunktion sich in verschiedenen Formen gruppiren! und auch in Drüsenzellen ist es mir bekannt, dass ver- schiedene Anordnungen in den verschiedenen Funktionsstadien statt- finden können. . Ich erinnere nur daran, dass in zahlreichen Drüsen- zellen der Mollusken in einer und derselben Zellart das Protoplasma einmäl in netzförmiger, ein ander Mal in stäbehenförmiger Anordnung und schließlich gleichmäßig in der Zelle vertheilt angetroffen werden kann. Selbstverständlich unter der Anwendung derselben Reagentien. Diese Anordnungsweisen des Protoplasma sind vom Kerne nur wäh- rend der indirekten Zelltheilung beeinflusst, sonst aber nicht. “Es ist hier aber weder der Ort, ausführlich auf die einschlägige Litteratur einzugehen, worin zahlreiche Belege für meine Auffassung anzutreffen sind, noch möchte ich durch Aufführung eigener Beob- achtungen vom behandelten Gegenstande weiter abschweifen 2. Nach dem so eben Mitgetheilten glaube ich, das an den Zellen der Buccaldriisen von Concholepas Beobachtete folgendermaßen deuten zu dürfen. Durch den direkten Einfluss des aktiv thätigen Protoplasma entstehen aus dem Paraplasma, welches zum größten Theile wenig- stens das aus der Hämolymphe aufgenommene Rohmaterial darstellt, jene Kügelchen, die, nachdem sie sehr zahlreich geworden sind, das Paraplasma aus seiner früheren Form ganz verdrängen, doch ist das Protoplasmanetz, in dessen Maschenräumen die Kügelchen liegen, zu beobachten. Diese Kügelchen verändern sich chemisch, was durch ihre verschiedene Reaktion auf das Karmin sich kund ‚giebt. Später verschmelzen diese Kügelchen in immer größere Ku- geln und, indem hier nun weiter sich ein Auflösungsprocess einstellt, lösen sie sich derart auf, dass die Zelle wieder bloß aus Proto- und Paraplasma zu bestehen scheint. Dieses Paraplasma aber, welches ein Endprodukt dieser Zellfunktion darstellt, unterscheidet sich von dem im Beginne der Zellthätigkeit dadurch, dass es sich mit Karmin sehr intensiv tingirt. Nun wird dieses Produkt als Sekret ausge- stoßen, indem sofort das Eintreten von Rohmaterial in die Zelle aus der Hämolymphe wieder beginnt. ! Beiträge zur Kenntnis der Nerven im Peritoneum von Doris tub. Lam. Arbeiten aus dem Zoolog. Institut zu Wien. Bd. V. 2 Auch die Beobachtungen Lisv’s wären meiner Ansicht nach so aufzu- fassen, dass wirkliches Protoplasma in den Becherzellen nur das um den Kern herumgelagerte sehr feinmaschige Netz ist, während das viel grob- maschigere innerhalb der Theca Stoffwechselprodukt darstellt und mit dem Protoplasma nichts zu schaffen hat. 88 B. Haller Der Munddarm beginnt sich hinter der Mündung der Buceal- driisen zu verengern und geht allmählich in einen dünnen Darmab- schnitt über, der den Rüsseldarm (Fig. 1 a) vorstellt. Seine Länge hängt natürlich von der des Rüssels ab, und da dieser hier keine besondere Mächtigkeit erreicht, haben wir es mit keinem allzu langen tüsseldarme zu thun. Doch wird der Riisseldarm nicht bloß aus diesem dünnen Abschnitte gebildet, vielmehr gehört auch noch eine birnförmige Erweiterung hinzu, die ihre Lage an der Wurzel des Riissels und vor dem Schlundringe hat (Fig. 1 5). Wir wollen sie ihrer Gestalt nach, unbekannt mit ihrer physiologischen Dignität, die birnförmige Erweiterung des Vorderdarmes bezeichnen. Nirgends in den Familien der Buceiniden und Murieiden habe ich sie so kräftig ausgebildet vorgefunden als hier. Der dünne Abschnitt des Rüsseldarmes erweitert sich nicht all- miihlich in die birnförmige Erweiterung, sondern diese beginnt plötz- lich (Fig. 1, 71), wodurch eben die mit ihrem breiteren Ende nach vorn gerichtete Birnform hervorgerufen wird. Ihr vorderes Ende bildet eine Scheibe, und der dünne Theil des Rüsseldarmes mündet in deren Mittelpunkt ein (Fig. 71 rd). Vom Scheibenrande an nach hinten zu verschmälert sich nun die birnförmige Erweiterung all- mählich, um dann an der Stelle, wo der Vorderdarm durch den Schlundring tritt, in einen dünnen Abschnitt des weiteren Vorder- darmes überzugehen. In Fig. 1 habe ich diese Erweiterung nach hinten zu so gezeichnet, wie sie sich von links nach rechts und hinten krümmt. Diese Krümmung ist jedoch keine permanente und wird nur bei eingezogenem Rüssel beobachtet. Auf die Struktur des Rüsseldarmes möge hier um so mehr aus- fiihrlich eingegangen werden, als die Exemplare von Concholepas die einzigen unter den Buceiniden und Muriciden der Sammlung waren, bei denen wenigstens der Vorderdarm durch die Schnitt- methode untersucht werden konnte. Öffnet man den dünnen Abschnitt des Rüsseldarmes vom Mund- darme an seiner Länge nach, so wird man auch hier, ähnlich wie bei den Rhipidoglossen!, eine am Munddach nach vorn bis zu den Kiefern reichende wulstartige Erhebung fast in der ganzen Länge des Munddarmes jederseits vorfinden. Diese Wülste werden durch hohes Epithel gebildet und an ihren vorderen Enden öffnen sieh die Gänge der Bucealdrüsen. Sonst ist die Oberfläche dieses Darmtheiles ! Siehe meine Rhipidoglossenstudie. I. Fig 26. Die Morphologie der Prosobranchier. sg glatt oder doch nur sehr zart längsgestreift, was stets durch ver- schieden hohes Epithel bedingt wird., Das Epithel wird aus mittel- hohen, 0,45—0,63 mm messenden Cylinderzellen gebildet. Diese führen oberhalb des großen ovalen Kernes, der in der Zellmitte ge- legen ist, orangefarbenes Pigment (Fig. 110), das in feinen Körn- chen den Zellkörper dicht erfüllt. Nie habe ich dieses Pigment unterhalb des Kernes gefunden. Das Protoplasma war äußerst zart. Andere Stoffwechselprodukte habe ich im Zellleibe nie gesehen. Außer diesen Zellen fand ich in geringer Zahl zwischen vereinzelt vorkommenden Becherzellen, die im Gegensatze zu dem der Nach- barzellen einen kugelrunden Kern im basalen, den aktiven Zellleib bildenden Ende der Zelle führten. - Eine äußerst dünne Cuticula überzog, mit Ausnahme der Becherzellen, die Oberfläche. Ob diese Zellfliche Cilien trägt, habe ich nicht zu ermitteln vermocht, doch falls sie solche im Leben führen sollte, wie ich anzunehmen geneigt bin, so müssen sie äußerst zart und nach dem Tode bei der Konser- virung leicht zerstörbar sein. Ich habe wenigstens nie vollständig erhaltene Cilien beobachten können, doch waren die Trümmer auf der Cuticula derart gestaltet, dass ich stets den Eindruck erhielt, als wären zerstörte Cilien (Fig. 110) vorhanden. Die auf die Membrana basilaris folgende Muskulatur erreicht Anfangs die zweifache Dicke der Epithellage, wird aber dann in der nächsten Nähe der birnförmigen Erweiterung bis 2,3 mm dick. Zu innerst und der Membrana basilaris anliegend, findet sich eine Längs- muskelschicht, der in gleicher Zahl Ringfasern eingestreut sind (Fig. 110 a). Auf diese folgt eine bedeutend dickere Schicht von Querfasern, denen nur spärlich Längsfasern untermischt sind oder doch wenigstens solche Fasern, die eine kurze Strecke der Längsachse des Darmes parallel verlaufen, um schließlich doch von dieser Bahn in die Quere des Darmes abzubiegen (Fig. 110 4). Auf diese Lage folgt eine andere dünne von Längsfasern, untermischt mit wenig Querfasern. Somit ist eine ganz reine Quer- oder Längsfaser- schicht nicht vorhanden und nur nach der Zahl der prävalirenden Faserrichtung kann man diese Schichten mehr oder weniger unter- scheiden. | In der Nähe der birnförmigen Erweiterung verdickt sich nun, wie eben erwähnt wurde, die Muskulatur des Darmes durch Zutritt neuer Fasern. Hier misst ihre Dicke 2,8 mm. Man erkennt (Fig. 110 rd), dass zwischen den zwei äußeren Lagen neue Fasern beiderlei Rich- tung sich eingeschoben haben (Fig. 110 f). 90 iB. Haller Eine Längsschnittserie, von der ich einen Medianschnitt in Fig. 71 abgebildet habe, erläutert die Strukturverhältnisse der birn- förmigen Erweiterung. Der Übergang des dünnen Rüsseldarmab- schnittes in die birnförmige Erweiterung wird auch durch das Epithel gekennzeichnet. Die Muskulatur verdiekt sich hier allmählich und am Eingange in die birnförmige Erweiterung bildet sich dadurch, dass das Epithel sich faltenartig erhebt, ein nach innen zu vorsprin- gender Ring (Fig. 71 of, of‘, of"), wobei die Muskulatur und das diese durchwebende netzförmige Bindegewebe dem Epithel zu einer polsterartigen Unterlage dient. Unten an der Anheftungsstelle ist dieser klappenartig vorspringende Ring (Fig. 71 of) schmal, ver- breitert sich aber nach oben zu von vorn nach hinten. Im Längs- schnitt erhält darum der untere Theil dieses Ringvorsprunges eine ambossförmige Gestalt. Nach oben am Dache wird dieser Ring da- durch, dass er sich in zwei Falten legt, von welchen die eine ge- rade am Eingange in die birnförmige Erweiterung (of’), die andere etwas höher (of”) gelegen ist, doppelt. Unten sind diese. Falten mächtiger. | Das diese muskulösen Vorsprünge überziehende Epithel über- kleidet sie nicht flächenartig, sondern bildet kleinere Berge und Thäler, d. h. es ist quergefaltet, wobei den Erhebungen die musku- löse Unterlage folgt. In der Form des Ringes kommen bei ver- schiedenen Individuen kleine Variationen vor. Seine Muskulatur ist vielfach verfilzt und wird von netzförmigem Bindegewebe durchsetzt. Das Epithel dieser Ringfalte unterscheidet sich von dem des dünnen Rüsseldarmabschnittes, da es auch viel höher (Fig. 112) ist. Seine Höhe beträgt bis 0,90—1,26 mm. Die einzelnen Zellen sind schmäler und die rundlich bis ovalen Kerne sind viel kleiner; außer- dem liegen sie nicht immer in der Mitte der Zelle, wenn gleich ihre überwiegende Zahl diese Lage besitzt, sondern sie nähert sich mit- unter der Zellbasis. Das Protoplasma ist viel feiner als jenes der Zellen des dünnen Rüsseldarmes und darum erscheint dieses Epithel auch heller. Die gelben Pigmentkörner sind auch hier vorhanden und liegen im freien Ende der Zellen. . Die mäßig langen Cilien dieser Zellen, die keine Cuticula zu durchsetzen haben, sind stets gut erhalten gewesen. DBecherzellen kommen in diesem Epithel nicht vor. Dadurch, dass dieser Ringwulst wegen seiner Unterlage keine Gestaltveränderung erfahren kann, d. h. sich nicht abflacht, bedingt er eben, dass das vordere Ende der birnförmigen Erweiterung sich Die Morphologie der Prosobranchier. 91 nicht einsenkt und stets,. selbst an Präparaten, ausgespannt ist. Dieser Ringwulst hat offenbar die Bedeutung, die im dünnen Ab- schnitte des Riisseldarmes sich vorfindende Nahrung nicht in be- liebiger Menge den Durchgang passiren zu lassen, indem er wahr- scheinlich durch die Wirkung seiner Muskulatur von innen abgeflacht wird und dann einen geräumigen Durchgang herstellt. Bekanntlich durchbohren viele Murieiden das Gehäuse von Muscheln und Schnecken behufs Aussaugung der flüssigen. Theile des Thieres und Murex brandaris L. ist aus diesem Grunde geradezu als ein gefährlicher Feind der Austernbänke berüchtigt. Von Concholepas wissen wir allerdings nicht, ob sie neben einer anderen auch diese Ernährungs- weise übt, doch in Anbetracht des Umstandes, dass diese birnför- mige Erweiterung allen hier untersuchten Rhachiglossen wie Concho- lepas, Monoceros, Purpura und Murex zukömmt und nur denjenigen fehlt, die als Raubthiere weniger berüchtigt sind, den Fusiden näm- lich, wäre es möglich, dass diese Darmerweiterung in der zuletzt geschilderten Weise als Saugapparat dient. Der übrige Theil des birnförmigen Organes war bei den selbst besser gehärteten Exemplaren etwas, wenn auch unbedeutend, ge- schrumpft. Die Muskulatur ist hier ziemlich dünn geworden und lässt weder eine Rings- noch Längsschicht von einander getrennt er- scheinen, vielmehr liegen in der 0,50 mm messenden Muskulatur Quer- und Längsfasern vermischt unter einander (Fig. 99 m). Auf- fallen muss die Höhe des Epithels, welches von der des Ringwulstes verschieden ist (Fig. 99 e) und eine Größe von 1,98—2,52 mm er- reicht. Die Epithelfläche ist auch hier nicht eben, sondern stellen- weise nach dem Princip der Flächenvergrößerung in Querfalten ge- legt. Letztere erscheinen auf dem Längsschnitte wie hügelige Er- habenheiten, denen stets ein Fortsatz. der Muskelschicht zur festeren Unterlage dient. Diese Wellungen sind jedoch nicht bedeutend und an manchen Stellen felilen sie gänzlich. Das Epithel besteht aus fadenförmigen langen Zellen (e), deren Oberfläche weder von einer Cutieula, noch von Cilien überdeckt wird. Die Zellkerne sind nicht allzu groß und von ovaler Form; sie lagern zum größeren Theil in einer Reihe im oberen Drittel der Zellen, zum geringeren Theile in der unteren Hälfte derselben. Der Zellleib führt ganz ähnlich wie die bisher betrachteten Zellen die orangefarbenen Pigmentkörnchen, welche in dem oberen Ende der Zellleiber und oberhalb der Kerne, aber in geringerer Zahl auch unterhalb des Zellkernes und im ba- salen Ende der Zelle lagern. Im übrigen Theil des Zellleibes habe 92 B. Haller ich sie stets vermisst. Von diesen Zellen lernte ich während der Präparation zwei ganz bestimmte und auffallende chemische Eigen- schaften kennen. Sie nehmen durch die gewöhnlich geübte Tinktion mit ammoniakalischem Karmin eine intensive Färbung an, gerade wie sonst die Kerne; zweitens besitzen sie ein ganz enormes Quel- lungsvermögen im Wasser, denn sowohl während der Karmintinktion als während des Auswaschens quollen sie zam Vier- bis Fünffachen der Schnittdieke auf, und sanken nachträglich bei der Alkoholbehand- lung wieder zur vorigen Dicke zurück. Sie besitzen einen wachs- artigen Glanz vor der Tinktion. Andere Zellen als die beschriebenen. führt diab Epithel nicht. Angrenzend an den nun folgenden Theil des Vorderdarmes werden die Elemente nicht allmihlich niedriger, verhalten sich vielmehr wie an der Grenze des Ringwulstes, d. h. es schließen sich diesen Zellen die viel kleineren der Nachbargegend dicht an (Fig. 71). Sowohl an der oberen als auch an der lateralen Wand des Darmes schließt sich dieses Epithel jenem des folgenden Vorderdarmtheiles direkt an, aber nach unten nicht, denn hier mündet eine kleine, runde Drüse (Fig. 71 2) in die birmförmige Erweiterung. Die. Muskel- — schicht der letzteren setzt sich kontinuirlich auf die Drüse fort, wo- bei sie jedoch an’ Dicke zunimmt. Die Drüse selbst besteht aus sieben bis neun Schläuchen, die mit einem gemeinschaftlichen kur- zen Gange in das hintere Ende der birnférmigen Erweiterung ein- mündet. An Totalpräparaten, die durch verdünnte Essigsäure auf- gehellt wurden, konnte ich mich von der Drüsennatur dieses Ge- bildes nicht überzeugen, da die einzelnen Schläuche nicht beobachtet werden konnten, vielmehr die ganze Drüse, da sie von Muskulatur umgeben wird, als ein kugeligoblonges Gebilde erscheint. Diese Drüse würde somit in der Darmwand liegen. Die Muskulatur setzt sich auch zwischen die Schläuche hinein fort, nur ist sie an diesem Orte locker und von netzförmigem Bindegewebe durchwebt (Fig. 70). Das Epithel der Drüse erreicht 1,53—1,80 mm und steht somit jenem der birnförmigen Erweiterung an Höhe nach. Der Zellkörper als solcher nimmt durch den erwähnten Farbstoff keine Tinktion an und nur die kleinen runden, zumeist ganz basalwärts oder doch in: der letzten Hälfte des Zellleibes gelegenen Kerne färben sich. Der Zellleib wird ganz durchsetzt von Kügelchen, die einen matten Perl- glanz zeigen (Fig. 70) und sich nicht tingiren. Am freien Ende des Zellleibes und in diesem gelegen, finden sich jedoch größere Massen vor, die sich durch Karmin etwas tingiren und bei flüchtiger Die Morphologie der Prosobranchier. 93 Betrachtung Zellkernen nicht unähnlich sehen. Es sind. jedoch keine Zellkerne, sondern bloß das bald zur Entleerung gelangende, aus den perlglanzigen Kügelchen durch deren Verschmelzung und che- mische Umwandlung hervorgegangene Sekret oder wenigstens die letzte Vorstufe desselben. Weder die orangegelben Pigmentkörnchen im Zellleibe noch eine Cuticula und Cilien oder wenigstens deren Trümmer konnte ich an diesen Drüsenzellen beobachten. Hinter dieser Drüse liegt der Schlundring. Nach dieser Besprechung des Rüsseldarmes möchte ich noch erwähnt haben, dass der Muskulatur mit Ausnahme der erwähnten spärlichen Stellen kein Bindegewebe beigemengt ist und auch die Hämolymphe findet in kleineren Lakunen ihren Platz, zumeist aber umfluthet sie die ganze Muskulatur gleichmäßig. Der aus der birnförmigen Erweiterung sich fortsetzende übrige Vorderdarm ist Anfangs eng (Fig. 1), wird dann anscheinend weiter; in Wirklichkeit nimmt aber sein Lumen, da in der unteren Fläche seiner Wand eine Drüse eingebettet ist, an Weite ab (Fig. 74, 75). In dieser Weise verläuft er bis an die große Vorderdarmdrüse (Fig. 1 D), dann biegt er an deren innerer Seite nach oben, dann auf der Drüse nach rechts und etwas nach hinten und bildet hier eine Schlinge (w), deren anderer Schenkel, neben dem vorigen und diesem knapp anliegend, nach links und vorn gerichtet ist. An der Stelle, wo der vordere Schenkel der Schlinge nach oben zu bog, biegt er unter rechtem Winkel nach hinten und verläuft auf diese Weise am linken Rande der großen Vorderdarmdrüse, von ihr getrennt durch die Aorta anterior, nach hinten. Wir hätten somit hier eine ganz ansehnliche ‘“ Schlingenbildung vor uns. So fand ich die Darmschlinge bei den meisten. Exemplaren, es giebt aber auch Fälle, wo diese Schlinge des Vorderdarmes kaum noch angedeutet vorzufinden ist (Fig. 72 w), ein Verhalten, welches bei der Gattung Monoceros zur Norm ward. Zwi- schen den zwei Extremen giebt es eine Reihe von Übergängen. Erst da, wo die große Vorderdarmdrüse aufhört, verschmälert sich der Vorderdarm etwas. Dieser dünnere Theil des Vorderdarmes biegt dann unter dem Perikardium (Fig. 1, 89) etwas nach links, er- reicht hier die Mitteldarmdrüse (sog. Leber), kommt unter einen Lap- pen derselben zu liegen und, indem er sich unter diesem nach rechts “ und hinten biegt, geht mit einer kleinen Rückwärtskrümmung in den sogenannten Magen und somit in den Mitteldarm über. Bevor wir die äußere Gestalt des Vorderdarmes weiter ins Auge fassen, halte ich es für angemessener, auf einem Querschnitte des 94 | B. Haller _ Vorderdarmes, vor der Stelle, wo jene schon erwähnte Darmwand- driise liegt; die Verhältnisse desselben zu erläutern. Aus diesem Querschnitte (Fig. 74)! geht hervor, dass die Mus- kulatur des Darmes von der birnförmigen Erweiterung an von einer sehr mächtigen Lage eines bei schwacher Vergrößerung schwammigen Gewebes überdeckt wird. Dieses netzförmige Bindegewebe soll erst am Schlusse histologisch näher betrachtet werden. Die Muskulatur hat sich bedeutend redueirt (Fig. 74 m); sie besteht aus einer mehr oder weniger lockeren Ringmuskulatur, zwischen deren einzelnen Fasern oder Faserbündeln Längsfasern vorkommen, welche da, wo jene dichter ist, an deren äußeren Seite anlagern. und zwar in nicht allzu großer Zahl. Die Schleim- haut zeigt auf dem Querschnitte zottenartige Erhabenheiten von verschiedener Höhe; in Wirklichkeit haben wir es jedoch nicht mit Zotten, sondern mit Längsfalten zu thun. Diese Längsfalten beginnen gleich hinter der birnförmigen Erweiterung, werden all- mählich höher, erreichen ihre größte Höhe etwas vor der erwähnten Drüse in der Darmwand, nehmen aber an der dorsalen Darmwand ‚an Höhe ab. Bei der Mündung dieser Drüse sowohl als auch weiter - nach hinten und auf der ganzen Länge der erwähnten Drüse finden sich in der dorsalen Wand des Vorderdarmes nur sehr niedrige Fal- ten (Fig. 75) und nur an der Drüsenmündung springen auf dem Querschnitte lateralwärts einige höhere Falten (7) klappenartig vor. Das Epithel trägt, wie man dies stellenweise, wo sie erhalten wurden, erkennen kann, einen Flimmerüberzug. Die Höhe der Epi- thelschicht ist je nach der Örtlichkeit ihres Vorkommens eine sehr verschiedene und variirt zwischen 0,07-—1,19 mm. Die höchsten Zellen finden sich stets auf dem Firste der Falten (Fig. 74), an den beiden Seiten der Falten nehmen sie allmählich an Höhe ab und werden schließlich zwischen je zwei Falten sogar kubisch (Fig. 104 a). Eine deutliche Cuticula wurde nicht beobachtet. Die Zeilkerne sind dort, wo das Epithel niedrig ist, rund, wo es höher wird oval. In den eylindrischen Zellen liegen sie stets etwas oberhalb der Zellhälfte und nur selten kann man Kerne in tieferer Lagerung beobachten. In den kubischen Zellen liegen sie in der Zellmitte. Dem Zellleib fehlen auch hier die orangefarbenen Pigmentkörn- ' 1 Die Fig. 74 und 75 sind aus Versehen nicht ganz bei derselben Tubus- höhe mit der Camera gezeichnet worden; Fig. 74 ist mit einem Viertel des Umfanges größer gehalten, wie Fig. 75, somit ist Fig. 74 um ein Viertel um- fangreicher! Die Morphologie der Prosobranchier. 95 chen im oberen Ende nicht. Außer diesen Pigmentkörnchen finden sich manchmal sehr feine, farblose Körner zwischen den Protoplasma- fädehen vor, welche jedoch schon den anstoßenden Zellen fehlen können; dann erscheint die Zelle, den diese Stoffwechselprodukte in sich bergenden Zellen gegenüber (Fig. 104 p), bei mittelmäßiger Ver- größerung heller. In keinem Falle konnte ich diese farblosen Körn- chen in soleher Zahl beobachten, dass die einzelnen Zellen dadureh an Volum bedeutend zugenommen hätten, wie dieses etwa bei vielen Driisenzellen vor erfolgter Sekretion der Fall ist. Das Epithel besteht hier somit lediglich aus einerlei Elementen. Die Falten sind nicht, wie bei anderen Repräsentanten unserer Thiere schmal, sondern ansehnlich breit; dieses kommt daher, dass die Falten von netzförmigem Bindegewebe ausgefüllt werden; dem- selben Gewebe, welches sich an diesem Theile des Vorderdarmes auch um die Muskulatur reichlich vorfindet. Ich habe erwähnt, dass der Vorderdarm sich zu verdicken be- ginnt, noch bevor er jene auf der großen Vorderdarmdrüse gelegene Schlinge bildet und dass dieses Breiterwerden durch die Einlagerung einer Drüse in die Darmwand bedingt sei, so dass kein weiteres Lumen bestehe, denn im Gegentheil ruft ee eingelagerte Drüse hier eine © auieiad Rann hervor. Schon während der Präparation unter Alkohol oder Wasser kann man die Beobachtung machen, dass die Darmwand unten und: lateral- wärts nicht so gleichmäßig begrenzt wird wie sonst (Fig. 1 /d), man bemerkt geringe Einschnürungen und sowohl die basale als die la- teralen Seiten sind im Gegensatze zur dorsalen Seite weißgelblich gefärbt. Präparirt man nun dieses Darmstück vorsichtig heraus und bringt es in ein tiefes - Uhrschälehen in verdünnte Essigsäure, so wird durch die erfolgte Aufhellung deutlich, dass hier der Darmwand ein drüsenartiges Gebilde aufliegt. Auf Querschnitten erkennen wir, dass diese Drüse ganz ähnlich wie jene an der birnförmigen Er- weiterung in der Darmwand liegt. Es ist nicht ganz leicht zu entscheiden, ob wir es hier mit einem Drüsenpaare oder mit einer unpaaren Drüse zu thun haben. Aus dieser Verlegenheit kann uns nur das Vergleichen mit dem gleichen Organe anderer Rhachiglossen, speciell mit gewissen Species der Gattung Murex helfen und diese Vergleichung bestimmt uns auch bei Concholepas, diese Drüse für unpaar zu halten. Ein in verdünnter Essigsäure aufgehelltes Totalpräparat, mit der Lupe untersucht, zeigt die weißgelblich gefärbte Drüse (Fig. 78, 79.Dr), 96 B. Haller einem langen vollrandigen Eichenblatte nicht unähnlich. Durch eine ‘der Längsachse des Darmes parallele Längsfurche (f) wird sie in zwei Hälften geschieden und jede dieser Hälften wird wieder durch Querfurchen in einzelne Lobi getheilt, die. geldrollenförmig hinter einander liegen. Von oben betrachtet sieht man, wie die.lateralen Ränder der Drüse den Darm auf Weniges einengen (Fig. 3, 75). Die Drüse begleitet den Darm bis zur Einmündung des großen Vor- _ derdarmdrüsenganges (Fig. 3), also bis zu der Stelle, wo der Darm auf dieser Drüse nach oben und rechts biegt (Fig. 1 p). . Dem Gange der großen Drüse liegt er fest an und kann sich sogar noch eine kleine Strecke fortsetzen, für gewöhnlich hört er aber hier auf. Wir wollen diese Drüse als die mittlere unpaare Vorderdarmdrüse bezeichnen. In Wirklichkeit liegt diese Drüse, wie erwähnt, nicht der Darmwand auf, sondern in dieser drinnen. Fig. 75 giebt einen Querschnitt, der gerade die Mündung der Drüse getroffen hat. Diese befindet sich etwas hinter dem Beginne der Drüse, also nach vorn und nicht etwa in der Mitte der Drüsenlänge, wie man a priori an- zunehmen geneigt wäre. Die Ringmuskulatur sowohl wie das sie bedeckende Bindegewebe setzen sich kontinuirlich auf die Drüse fort und zwei mächtige Septen (f, f’) des subepithelialen Bindegewebes trennen das Drüsengewebe vom Epithel des Darmes. Man kann beobachten, dass einzelne wenige Fasern aus dem Ringmuskel- schlauche abtreten, doch bilden diese an der ventralen Seite des Epithelrohres nur einen dünnen und unterbrochenen Überzug; solch ein Überzug von Ringfasern kommt auch der Drüsenwand zu. La- teralwärts stößt das Drüsengewebe, eben so wie der Darm dorsal- wärts, auf den gemeinsamen Ringmuskelschlauch. In den mit Essig-. säure aufgehellten Präparaten, wo das Bindegewebe sehr stark | durehsichtig gemacht wurde, haben wir auf der ventralen Ansicht gesehen, dass diese durch eine Längsfurche in zwei Lateralhälften getheilt wurde (Fig. 79 f). Diese Furche trennt zwar, wie Quer- schnitte es beweisen, die Drüse nicht in zwei ausgesprochene Hälften, denn die beiderseitigen Theile stoßen entweder dieht an einander oder werden doch stellenweise nur durch Bindegewebe von einander _ getrennt. Die äußerlich erkennbare Furche wird vielmehr dadurch hervorgerufen, dass die basalen Seiten der medianwärts zusammen- stoBenden Drüsenhälften die horizontale Richtung nicht beibehalten, sondern bei der jederseitigen Drüsenhälfte nach innen und etwas oben gerichtet sind, wodurch eine stumpfwinklige Furche hervor- gerufen wird (Fig. 75 7, 79 f). An der Stelle, wo die jederseitige = oe Die Morphologie der Prosobranchier. 97: Drüsenhälfte mit ihrer basalen Fläche diese Richtungsänderung be- ginnt, trennt sich die Ringmuskelschicht in zwei Lamellen, wovon die obere die Drüsenwand begleitet, während die andere ihren frühe- ren Lauf beibehält. Diese innere Lamelle der Ringmuskellage ver- webt sich an der inneren Seite jederseits mit dem von oben mitge- nommenen dünnen Muskeliiberzuge des Driisengewebes. Auf die angegebene Weise entsteht zwischen der Ringmuskulatur eine dreieckige Spalte, die auf dem Totalpräparate der langen Furche entspricht und diese wird durch das Bindegewebe ausgefüllt, wel- ches die größeren Nerven und Arterien der Drüse einschließt (gf.n). Nicht an allen Schnitten meiner zwei Serien stoßen die jederseitigen Drüsenhälften zusammen und in diesem Falle bleibt zwischen den beiderseitigen Theilen eine. kleine Spalte übrig, durch welche sich das die erwähnte Rinne ausfüllende Bindegewebe mit einem der bei- den, die jederseitigen Drüsenhälften vom Darme scheidenden binde- gewebigen Septen verband und hierdurch auch vn Durehtritt von E Arterien und Nervenästen ermöglicht. Fassen wir nun die beschriebenen topographischen Verhältnisse zusammen, so gelangen wir zu folgendem Resultate. Die mittlere un- paare Mitteldarmdrüse von Concholepas hat sich, wie selbstverständ- lich, dureh eine Ausstülpung der epithelialen Darmwand gebildet, wobei diese Ausstülpung zu einer acinösen Drüse eigener Art sich entwickelt; die Driise selbst hat sich jedoch von der epithelialen Darmwand in Ermangelung eines längeren Ausführungsganges nicht weiter entfernt, sondern wird von dem, das subepitheliale Binde- gewebe vorstellenden Gewebe beim vollständig entwickelten Individuum gleich der epithelialen Darmwand gleichförmig umgeben. Die innige Anlagerung dieser Drüse an den Darm spricht sich ferner darin aus, dass sie innerhalb der den epithelialen Darm umgebenden Ring- faserschicht liegt. Wir hätten es somit hier mit primären Verhält- nissen zu thun. Darauf weist nun auch das weitere Verhalten dieser Drüse direkt hin. Jede Drüsenhälfte ist eine isdekförmige Verlängerung, deren Wände größere oder kleinere Aussackungen besitzen, wie dieses ein Querschnitt (Fig. 75 Dr, Dr’) illustrirt. Nach hinten, wo die beiden. ‚Drüsenhälften an den Ausführungsgang der großen Mitteldarmdrüse anstoßen, hören sie neben der Mündung dieses Drüsenganges ent- weder auf (Fig. 2 Dr, Dr’) oder, indem sie nach rechts von jenem abbiegen, setzen sie sich auf eine sehr kleine Strecke weit auf der ventralen Darmseite fort. Ersterer Fall ist der häufigere. Hören aber Morpholog. Jahrbuch. 14. 7 98 4 B. Haller‘! die Drüsenhälften an angegebener Stelle auf, so weichen sie_ bei gleichzeitiger Erweiterung des Darmlumens aus einander und ge- winnen eine laterale Lagerung in der bindegewebigen Darmwand (Fig. 75). Diese Drüse besitzt also keinen längeren Ausführungs-. gang, sondern die beiderseitigen Hälften münden gemeinschaftlich direkt in der Mitte der ventralen Darmwand in das Darm- lumen (Fig. 75 m). Dabei geht das Epithel der Drüse direkt in das Darmepithel über. Die Driisenwand selbst besteht aus der erwähnten, nach der medianen Seite zu sehr spärlichen Muskelschicht, aus einer äußerst feinen Grenzmembran und aus dem Drüsenepithel. Letzteres aus 0,09- 0,18 mm hohen Elementen ist äußerst charakteristisch. Die Zellen färben sich durch die Tinktion mit ammoniakalischem Karmin gar — nicht und bloß ihre kugelrunden, sehr kleinen Kerne, die eine basale Lagerung inne hatten, nehmen ein zartes Rösa an. Sie haben Ähn- lichkeit mit den Zellen der vorderen Vorderdarmdrüse; gleich jenen tragen sie auch keine Cilien noch eine Cuticula. Die Lumina der einzelnen Aussackungen erscheinen , da die Drüsenoberflächen fest an einander stoßen, ganz Sehnde ich vermuthe aber, dass ich auf meinen Querschnittspräparaten einen Zustand der Drüse vor mir hatte, wo das Sekret aus der Drüse eben entleert wurde, sonst wüsste ich die feste Aneinanderlagerung der Drüsenoberflächen nicht zu erklären. Die Entleerung des Sekretes aus der Drüse wird in Ermangelung einer flimmernden Fläche jedenfalls durch die Wirkung der allgemeinen Ringmuskelschicht bewirkt. | Kehren wir zum Vorderdarm zurück, so bildet derselbe von der Stelle an, wo die eben beschriebene Drüse aufhört, eine nach rechts und hinten gerichtete Schlinge, welche entweder sehr mächtig ist (Fig. 1) oder bloß eine ganz geringe Rechtskrümmung des Darmes darstellt (Fig. 72 w). Welche Faktoren diese verschiedene Vergrößerung des Darmes hervorriefen, ist mir nicht bekannt, doch möchte ich hier darauf hingewiesen haben, dass ich die: mächtigsten Schlingen bei zwei großen. weiblichen Individuen gefunden habe, den zwei größten Exemplaren der ganzen Sammlung. Es mag sein, dass die zunehmende Körpergröße des Thieres eine relativ größere Darmfläche bedingt, jedoch scheint es mim nicht unmöglich, dass ein Faktor dieser Vergrößerung in der großen Eierproduktion des Weibchens liegt. Um diesen Satz mit Bestimmtheit auszusprechen, war die Zahl der untersuchten Exemplare zu klein. Jedenfalls ist der Vorderdarm, mit Ausschluss des Rüsseldarmes, zur Aufnahme von Nahrung be- Die Morphologie der Prosobranchier. - | 99 stimmt, worauf neben verschiedenen Innenflächenvergrößerungen noch ein anderer, später zu erörternder anatomischer- Umstand hinweist. Jene Flächenvergrößerungen werden theils durch die Schlinge selbst, theils durch das zu erörternde Verhalten erreicht. Wir sahen, dass bis zu der Stelle, wo die mittlere Vorderdarmdrüse ihren Anfang nahm, die Schleimhaut des Vorderdarmes in sehr hohe Längsfalten gelegt war und dass diese Längsfalten während der ganzen Länge der Drüse, mit Ausnahme einiger ventralen Längsfalten, sich sehr © reducirt hatten. Von dort an, wo die genannte Drüse aufhört und die große Mitteldarmdrüse in den Darm mündet und letzterer auf dieser gelegen nach aufwärts biegt, ist die Schleimhaut nicht in Längsfalten gelegt, sondern sie bildet mächtige Zotten, die, den früheren Längsfalten entsprechend, in Längsreihen geordnet sind. Diese Oberflächenvergrößerung ist der ganzen Darmschlinge eigen (Fig. 2 s) und nur von dort an, wo diese aufhört und der Vorder- darm an Volum abnimmt, stellen sich die Längsfalten abermals ein. Die größten Zotten finden sich gleich hinter der Mündungsöffnung der großen Mitteldarmdrüse, die nachfolgenden werden dann etwas kleiner, wobei auch in derselben Reihe zwischen großen kleinere sich vorfinden können und diese Größe bis zum letzten Viertel der Schlingenlänge beibehalten. Von hier an nehmen sie an Größe all- mählich ab, um endlich als ganz niedrige Zöttchen in die Längsfalten des dünneren Darmabschnittes (Fig. 2 e) überzugehen. Zwischen den Reihen großer Zotten finden sich aber gleichmäßig solche von ‘ geringer Höhe vor, wie an den Längsfalten des vorhergehenden Vor- derdarmabschnittes.. Somit unterscheidet. sich die Schlinge des Vor- .derdarmes vom übrigen Vorderdarm nicht bloß durch die Zunahme — der Darmweite, sondern auch durch Zottenbildung, die sich offenbar von einer Längsfaltung her entwickelt hat. Die Schlinge hat also anderen Theilen des Vorderdarmes gegenüber eine zweifache Flächen- ' vergrößerung erfahren. . Der übrige Theil des Vorderdarmes ist bis zum Beginn der Magenerweiterung ähnlich dem Abschnitte vor der Mitteldarmdrüse in Längsfalten gelegt. Betreffs der histologischen Zusammensetzung verhält sich die Schlinge gleich dem vor und hinter ihr gelegenen Darmstücke. Das Epithel wird von nur einerlei flimmernden Zellen gebildet und die Zotten gleich den Falten durch netzförmiges Bindegewebe aus- gefüllt. hi Die größte und mächtigste Drüse des ganzen Vorderdarmes, deren Mächtigkeit sogar der halben Größe der Mitteldarmdrüse (so- T7* 100 : B. Haller - genannte Leber) gleichkommt, ist die von mir als große Vorder- darmdriise genanntes Gebilde. Sie ist ein Organ, das bei Murex. schon von LEIBLEIN und von Quoy und GAIMARD entdeckt wurde, bei anderen Murex nahe stehenden Formen aber trotz ihrer Größe unberücksichtigt blieb. In der älteren Litteratur nach LeIBLEIN’s Zeit wird sie als LEIBLEIN’sches Organ angeführt. Sie kommt den Buceiniden allgemein zu, fehlt aber unter den Murieiden den Fusiden. “Öffnet man, um den Vorderdarm zu präpariren, bei Concholepas den Boden der Kiemenhöhle bis zur äußersten Mündung der Niere oder bis zum Perikardium durch einen Längsschnitt, so kommt bei vorgestrecktem Rüssel zunächst die grau- bis dunkelbraun gefärbte große Vorderdarmdrüse zum Vorschein (Fig. 89 Dr). Sie wird bei besonders großen, somit alten Exemplaren durch verfilzt aussehendes. fettglänzendes Bindegewebe an die obere und lateralen Seiten der Körperwand befestigt. Heben wir die Drüse- sammt dem Darme aus dem Körper und präpariren jenes Bindegewebe ab, so erhalten wir die große Vorderdarmdrüse, wie Fig. 1 sie von oben betrachtet möglichst naturgetreu darstellt. Um die äußere Gestalt der Drüse - recht kennen zu lernen, bedarf es vorsichtiger Auseinanderlegung. Zu diesem Zwecke wird der Vorderdarm etwas vor dem Beginne seiner Schlinge und hinter dieser durchschnitten und die so frei er- haltene Drüse sammt der Darmschlinge in sehr verdünnte Essigsäure . gebracht, wodurch das zusammenhaltende Bindegewebe gelockert _ und ein leichteres und vollständiges Auseinanderlegen ermöglicht wird. Fig. 2 vergegenwärtigt die auf diese Weise präparirte Drüse von ihrer ventralen Seite. Die Drüse ist sehr kompakt und zeigt, da das umhüllende Gewebe, die Muskelschicht, viel zu diek ist um durchscheinend zu sein, äußerlich weiter keine Abgrenzung in ein- zelne Lappen. Sie besteht aus einem vorderen, sehr mächtigen Kopf- theile («), einem Zwischenstück (8) und einem Endstück (y). Der Kopftheil, das ansehnlichste und dickste Stück der Drüse, erscheint unregelmäßig viereckig, wobei die vordere, etwas konvexe Seite die längste ist und die lateralen unter einander ziemlich gleichlangen nach unten konvergiren. Seine untere Fläche erscheint auf der rechten Hälfte etwas eingedrückt und der untere Rand der rechten Seite (p) erhebt sich kantenartig. Diese Kante hört dann nach unten, dort, wo das Zwischenstück beginnt, plötzlich auf. Linker- seits fehlt die kantenförmige Erhebung des ventralen Randes. Am unteren Drittel des linken Randes befindet sich auf der ventralen Die Morphologie der Prosobranchier. 101 Seite der Drüse der sehr enge und kurze Ausführungsgang (g), der, wie schon erwähnt, linksseitig hinter der mittleren Vorderdarmdrüse ventralwärts in den Darm mündet. Von oben betrachtet ist der Kopf- theil der Drüse von einer von vorn nach hinten mehr oder weniger konvexen, viereckigen Ebene begrenzt (Fig. 1 a), worauf dann nach unten die in situ an das Zwischenstück fest anlagernde untere Seite folgt. Der hintere Rand der unteren Seite wird durch einen spitzen. Einschnitt (Fig. 2 g) getheilt; an dieser Stelle setzt sich der Kopf- theil der Drüse in das linkerseits konkav, rechterseits konvex um- ränderte hohe, schmale Zwischenstück (ß) fort. Das nach hinten zu spindelförmig verjiingte Endstück der Drüse (y) ‚ist ein- von vorn nach hinten und von rechts nach links, linkerseits rinnenförmig aus- gehöhltes, konisches Gebilde. Auf der oberen rechten- und der un- teren Seite durchaus glatt, sind die Ränder an ihrer rinnenförmigen Aushöhlung etwas lappig eingeschnitten. Die Gestalt der Drüse wird durch die naturgetreue ‚Abbildung (Fig. 2) besser vergegen- wärtigt als ich sie beschreiben könnte. Die drei Theile der Drüse legen sich in situ fest (Fig. 1, 72 Dr) an einander, wodurch die Drüse im Leibesraume einen zu ihrer Größe verhältnismäßig geringen Platz einnimmt. Die untere Seite des Kopf- theiles («) legt sich fest der oberen, etwas konkaven Seite (%) des Zwischenstiickes (8), wobei sie dorthin genau hineinpasst, an und die obere Seite des Schwanztheiles lagert ganz fest an die untere . Seite des Zwischenstückes. ° Hierdurch entsteht nun eine krumme ‚Rinne, welehe an dem unteren Ausschnitt (g) des Kopftheiles be- -ginnt und an dem vorderen Theile (7) der linken konvexen Seite des Zwischenstückes sich in die Rinne des Schwanzstückes fortsetzt. Ist die Darmschlinge nur ganz klein, so liegt sie in der auf ange- gebene Weise gebildeten, Rinne (Fig. 72), ist sie jedoch groß, so legt sie sich zwischen den hinteren Rand der oberen Seite des Kopf- theiles und den oberen linken Rand. des Schwanztheiles auf die konvexe Seite des Mittelstückes, wobei sie diese Theile rinnenförmig eindrückt (Fig. 1). In der Rinne des Schwanztheiles liegt der Darm nicht direkt der Drüse anf, sondern rechts von ihr liegt die Aorta anterior (Fig. 1, 72 ao.) Die Aorta verläuft mit dem Darme bis zum’ Zwi- schenstück, krümmt sich hier zwischen der oberen Seite des Sch wanz- stückes und der unteren Seite des Zwischenstückes gelegen, nach rechts und oben, erreicht auf diese Weise hier den Einschnitt am unteren Rande der unteren Fläche des Kopftheiles und verlässt 102 B. Haller rechts vom Darme die Driise (Fig. 1 ao). Vorher jedoch giebt sie ihr zwei starke Aste ab, welche in das Zwischenstiick eindringen (Fig. 2 ao). | Die Drüse beschreibt somit eine Spirale, welche von links nach rechts und wieder links verläuft, von hier dann durch das obere Ende des Schwanzstückes abermals von links nach rechts. — Es erübrigt nun, auf die Struktur und Textur der großen Mitteldarmdrüse einzugehen. Wie schon erwähnt, zeigt die Drüse bei Concholepas gegenüber der gleichen Drüse der Murieiden ein sehr gedrängtes, kompaktes Gefüge. Durch die ganze Drüse hin- durch zieht sich in der angegebenen Spirale ein weites Lumen (Fig. 73 7), welches die zahlreichen Mündungen der vielfach ver- ästelten Drüsenschläuche aufnimmt. Nur im Kopftheile der Drüse, unweit vor dem Abgang des äußerlich sichtbaren Ausführungsganges, verengert sich dieses Lumen zu einem Gang (Fig. 76 dh), der, noch etwas enger als der äußerlich sichtbare Ausführungsgang, in diesen allmählich übergeht. Wir hätten somit eine mit zahlreichen Ver- ästelungen ausgestattete, sehr lange, doch äußerst kompakte Drüse vor uns, die ein weites Lumen und einen engen und kurzen Aus- führungsgang besitzt. Dieser mündet am Beginn der Vorderdarm- schlinge hinter das Ende der mittleren Vorderdarmdrüse von links in den Boden der Darmwand ein (Fig. 2). Die einzelnen Acini der Drüse liegen nicht lose im Leibesraume, sondern werden zusammen von einer dicken Muskelschicht umschlos- sen, welche auch Fortsätze zwischen die einzelnen Lappen sendet. Äußerlich kann man dem zufolge an der Drüsenoberfläche keine Lappenbildungen, wie es bei zahlreichen Drüsen der Fall ist, unter- scheiden, vielmehr repräsentirt sich die ganze Drüse in toto als ein kompaktes Ganzes, an dessen Oberfläche die sich durchfilzenden, weißglänzenden Muskelfasern deutlich erkennbar sind. Diese Mus- kulatur ist, wie eben gesagt, weder eine Längs- noch Ringmus- kulatur, sondern die Fasern und Fasergruppen durchweben sich nach jeder Richtung (Fig. 6 m). Das muskulöse Filzwerk setzt sich auch zwischen die einzelnen Lappen fort, ohne jedoch um den Drüsen- körper selbst, d. h. um das Epithel des Hauptlumens eine beson- dere Schicht zu bilden. Es bildet um das Drüsengewebe gewisser- maßen ein Gerüstwerk, welches dem Querschnitte ein eigenartiges Aussehen verleiht (Fig. 73 m). Netzförmiges oder sonstiges Binde- gewebe konnte ich in dem Filzwerke nicht auffinden, bloß Blut- lacunen finden sich vor. Netzförmiges Bindegewebe kommt ällerdings x . N EN eer aii — es ae ef Die Morphologie der Prosobranchier. . 103 stellenweise inselförmig vor, aber, nur in Begleitung größerer Ner- venstimmehen oder mit diesen verlaufender Arterien. (zz). Das Epithel- der Drüsenschläuche ist jenem des Drüsenkörpers nicht gleich. Jenes der Drüsenschläuche ist von mir in drei phy- siologischen Stadien beobachtet worden. Ich sah an meinen wenigen Präparaten, die von hellbraun bis semmelfarbig erscheinenden Drü- sen entnommen wurden, das Epithel niedrig eylindrisch (Fig. 106), wobei alle Zellen des Präparates gleichförmig waren. Der Zellleib zeigt ein äußerst feines Protoplasma, dem zufolge es hell erscheint; der Zellkern war groß, auch manchmal etwas oval und basalwärts gelegen und wurde durch ammoniakalisches Karmin intensiv gefärbt. Im Zellleibe waren außer sehr wenigen gelben Pigmentkörnern, die auf unserer Abbildung nicht eingezeichnet sind, nur wenige farblose, zumeist um den Kern gruppirte Kiigelchen eines. Stoffwechselpro- duktes vorhanden. Eine Cuticula konnte gleich Cilien nie über der Oberfläche beobachtet werden. Der Zellleib nahm nur nach sehr lange andauernder Einwirkung des erwähnten Farbstoffes eine ganz leichte Färbung an. Wie wir sehen werden, trägt das Epithel der- selben Drüse der Gattung Murex im Leben einen Flimmerüberzug, der aber mit der Konservirung zu Grunde geht; darum wäre ich geneigt, ein solches auch bei Concholepas anzunehmen, wenn gleich auch hier die Cilien zu den zartesten und durch die Konservirung leicht vergänglichen gehören mögen. Die Zellhöhe betrug 0,27 —0,36 mm. Bei Präparaten aus einer braungefärbten Drüse waren die Zellen hoch eylindrisch (Fig. 107) und hatten bei etwas großer Breite die zweifache ‚Höhe, d. h. 0,63—0,90 mm der Zellen des vorigen Präparates. Die Zellgrenzen waren sehr undeutlich, oft gar nicht zu erkennen und der Zellleib war dicht erfüllt von jenen farb- losen Kügelchen, die zuvor nur in spärlicher Anzahl zur Beobachtung kamen. Sie waren hier zu größeren, oft sogar ganz großen Kugeln verschmolzen. Im oberen Ende der Zelle waren die orangefarbenen Pigmentkörper zahlreich vorhanden; Cilien waren nicht zu erkennen. Der Zellkern zeigte sich wesentlich verändert, denn während er im "vorher beschriebenen Stadium des Epitheliums groß und rund bis oval war, ist er hier etwas kleiner, stets rund und nahm fast gar keine Färbung an, wesshalb er nur mit Mühe aufgefunden werden konnte (A). In einem anderen Stadium, welches -offenbar dem eben beschrie- benen folgt, waren die Zellen -ventladen«, das heißt sie befanden sich eben nach der Entleerung. Sie waren niedrig cylindrisch 104 . Be Haller (Fig. 111 de). Der Zellleib war frei von allen sichtbaren Stoffwechsel- produkten, erschien dem zufolge ganz hell; der Zellkern war sehr groß und färbte sich sehr intensiv mit Karmin. Die Lumina der Acini erfüllte ein etwas körniges, sich leise: tingirendes Sekret (s). Wir haben also hier den ganzen Thätigkeitscyklus dieser Drü- senzellen vor uns, welchen wir nach dem morphologischen Befunde etwa auf folgende Weise zusammenstellen können. Das im »ent- ladenen« Zustande von jedem sichtbaren Stoffwechselprodukte leere Epithel (Fig. 111 de) nimmt aus der Hämolymphe Stoffe auf, aus denen das Protoplasma farblose Kügelchen und orangefarbige Körner aus- scheidet eventuell bildet. Diese beiden Produkte oder vielleicht auch noch andere chemisch nachweisbare nehmen an Zahl zu, doch in größter Zahl die farblosen Körner. Dadurch vergrößert sich der Zellleib um Bedeutendes. Nachher entleert die Zelle ihren ‘Inhalt und der Zellleib erscheint wieder von jedem Stoffwechselprodukte | frei. Wie jedoch jenes Stadium eben vor der Sekretion aussieht, weiß ich nicht anzugeben, da ich ein solches nicht beobachtet habe, möglicherweise ein solches sich gar nicht oder wenigstens nach der ‘ angewandten einfachen Methode nicht konserviren lässt. Vielleicht kann es an lebensfrischen Zellen beobachtet werden. Außerdem konnte sichergestellt werden, dass der Zellkern an dem Sekretions- vorgange sich betheiligt, wofür neben der Änderung seines Umfanges seine verschieden intensive Empfindlichkeit gegen den angewandten Farbstoff spricht. Der Zellleib selbst zeigt aber keine verschiedene Empfindlichkeit für den Farbstoff. Wie kurz mitgetheilt, ist das Epithel des Empires Be: des Ausführungsganges der Drüse von dem beschriebenen Drüsenepithel verschieden. Wir finden an diesen Theilen ein hohes schönes Cylin- derepithel (Fig. 111 e) mit großen ovalen Kernen. Die Cilien, ohne zuvor eine Cuticula durchbohrt zu haben, sind sehr deutlich erhal ten. Stoffwechselprodukte innerhalb dieser Zellen habe ich nie be- obachten können. Wir haben viel Grund zur Annahme, dass dieses Epithelium keine drüsigen Funktionen verrichtet. Es erübrigt‘ noch den Ausführungsgang der großen Vorder- darmdrüse zu behandeln. Sein Epithel bildet öfter faltenartige Er- hebungen. Eine deutliche Ringmuskelschicht, welche bei der Ein- mündung in den Darm in dessen Ringmuskulatur sich fortsetzt, ist deutlich zu erkennen (Fig. 76 dg); unter dieser und über der Grenz- membran des Epithels findet man das netzförmige Bindegewebe oe bedeutend entwickelt. Die Morphologie der Prosobranchier. : 105 Wir wiren nun bei dem Vorderdarm bis zu der Stelle, wo er in den Mitteldarm übergeht, angelangt. Äußerlich lässt sich die Grenze, wo die Mitteldarmerweiterung (sogenannter Magen) beginnt, nicht feststellen, da der Vorderdarm allmählich in letzteren über- geht und keine plötzliche Erweiterung aufweist, wie dies bei ge- wissen anderen Prosobranchiern der Fall ist, wodurch schon äußer- lich die Grenze annähernd sich feststellen lässt. Nur bei geöffnetem Darm lässt sich erkennen, dass die kontinuirliche Längsfaltung des Vorderdarmes plötzlich aufhört (Fig. 5 ¢) und damit auch der Vor- derdarm endigt. Dieser ist äußerlich -knapp vor der unpaaren Mün- dung der großen Mitteldarmdrüse (Fig. 1 9). Von hier an beginnt die Mitteldarmerweiterung, welche bei Concholepas sehr ansehnlich ist. ~ Außer bei einigen Fissurellen, wo eine sehr ähnliche Mitteldarmerweite- ‘rung vorkommt 1, kenne ich keinen Prosobranchier, wo dieser Darm- theil voluminöser ausgebildet sich vorfände. Seine Gestalt kann länglich birnférmig genannt werden (Fig. 1). Er besteht aus einer sackförmigen Erweiterung (me) und einem zweiten, gegen den übri- gen Mitteldarm auch äußerlich abgegrenzten erweiterten Theil (7). Die Einmündung des Vorderdarmes und der, in den dünnen Abschnitt des Mitteldarmes sich fortsetzende Theil der Erweiterung liegen so fest an einander, dass ihre inneren Ränder unter spitzem Winkel an einander stoßen; die vordere Wand der Erweiterung besitzt somit eine sehr geringe Ausdehnung. Die Lage der Mitteldarmerweiterung auf der Mitteldarmdrüse ist derartig, dass ihre Längsachse mit der größten Achse der letzteren zusammenfällt (Fig. 89 me). Die Mittel- darmerweiterung liegt somit in Wirklichkeit mit ihrer Aussackung nicht von vorn nach hinten im Körper, wie dieses bei den übrigen Rhachiglossen mehr oder weniger der Fall ist, sondern den topo- graphischen Verhältnissen gemäß quer im Körper (Fig. 89 Z). Die Mitteldarmerweiterung, wie auch ein Theil des hier liegenden Vor- derdarmes, liegt nicht auf der Mitteldarmdrüse (Leber’, sondern ist zum größten Theil von dünnen Lappen derselben überdeckt (Fig. 1). Diese Verhältnisse sollen bei Beschreibung der großen Mitteldarm- drüse der sogenannten Leber zur Erörterung gelangen. Wir wollen nur -die Mitteldarmerweiterung von ihrer inneren Fläche betrachten. Öffnen wir zu diesem Zwecke sowohl den an- 1 L. Bouran (Recherches s. l’anatomie et le développement de la Fissu- relle. Arch. Zoolog. exper. et gener. 2. Serie. Tom. IIIbis) beschreibt den sogenannten Magen von Fissurella ziemlich richtig und mag darum vorläufig die Vergleichung mit den Angaben in jener Arbeit angestellt werden. 106 B. Haller grenzenden Vorderdarm wie die ganze Mitteldarmerweiterung von oben (Fig. 5), so erhalten wir einen allgemeinen Überblick über jene Schleimhautoberfläche. Die Längsfalten des Vorderdarmes endi- gen knapp vor der unpaaren Mündung der großen Mitteldarmdrüse (X) und mit ihnen auch der Vorderdarm. Wir haben somit zwischen Vorder- und Mitteldarm eine scharf bestimmte Grenze, wobei die Längsfalten des Vorderdarmes nicht in einer geraden Linie aufhören, sondern sie sind am längsten an der ventralen Wand und nehmen dann von dieser Stelle jederseits nach der Rückenseite zu etwas an Länge ab, wodurch die Begrenzungslinie in einen nach unten stum- pfen Winkel gebrochen wird. Hier beginnen die Falten des sack- förmigen Theiles der Mitteldarmerweiterung. Diese ziehen von vorn nach hinten in den Fundus der Erweiterung hin, sowohl dorsal wie _ ventralwärts sehr mächtig und übertreffen an Breite die Falten des Vorderdarmes selbst um das Dreifache. Bevor wir diese Verhältnisse erörtern, möge der Gang der großen Mitteldarmdrüse besprochen werden. Nachdem die drei bis vier größeren Äste der verzweigten Gänge sich vereinigt (Fig. 4 deh), bilden sie einen nicht allzu weiten gemeinschaftlichen Gang, der bald darauf als kurze Röhre direkt in den Darm einmündet. Die eben erwähnten, aus ihm sich verzwei- genden zwei bis drei Gänge sind äußerst kurz, so dass sie, da sie gleich nach ihrer Abzweigung sich abermals spalten und vom Drü- sengewebe sofort überdeckt werden, d. h. sich darinnen verlieren, äußerlich gar nicht zur Ansicht kommen. Durch die Kürze des Aus- führungsganges wird somit für diesen Punkt bei Concholepas ein älteres Verhalten gewahrt als bei den anderen Rhachiglossen, wo ‚stets ein längerer Ausführungsgang dieser Drüse sich vorfindet. Die Schleimhaut des kurzen Endganges ist bei dessen Mündung in den Darm in sehr feine Längsfalten gelegt, welche beim Anstoßen an die Falten- des Vorderdarmes diese unter rechtem Winkel treffen. Nach hinten zu finden wir. den Ausführungsgang durch eine wulstförmige Falte der Mitteldarmschleimhaut, die von dem subepi- thelialen Bindegewebe nach außen polsterartig gestützt wird, nach unten gegen die Aussackung des Darmes zu getrennt (Fig. 5 gf). Nach oben zu ist zwischen der Einmündung des Vorderdarmes und dem dünnen Theil der Mitteldarmerweiterung gleichfalls eine ähn- liche faltenartige Erhebung der Mitteldarmwand vorhanden, die (Fig. 4, 5 of) an die Mündung des Mitteldarmdrüsenganges stößt und, von hier nach links biegend, in der linken vorderen Wand der sackartigen Erweiterung allmählich sich verliert. (Fig. 4). Diese Die Morphologie der Prosobranchier. 107 über einander liegenden Falten (Fig. 4) können wohl dadurch, dass das subepitheliale Bindegewebe in seinen lakuniiren Spalten sich mit Hämolymphe füllt, was durch Muskelwirkung leicht erreicht werden könnte, sich schwellen und den Ausführungsgang leicht gegen die Mitteldarmerweiterung abschließen. Es könnte hier aber wohl auch ein anderer Fall bestehen, der mir wenigstens plausibler erscheint als der erst erwähnte. Es könnten nämlich die sich über einan- der legenden Falten zwischen ihren Rändern und der ventralen Darm- wand hierselbst eine geschlossene Rinne entstehen lassen, welche bei dem inneren Ende der unteren Falte mit der Mündung des Aus- führungsganges direkt kommunieirt, wofür sich in der ventralen Darmwand an dieser‘ Stelle eine kleine rinnenartige Bildung sich in der That vorfindet (Fig. 5). Diese Rinne würde dann das Sekret der Mitteldarmdrüse in den sackförmigen Theil der Erweiterung überführen und verhindern, dass dasselbe in den dünnen Abschnitt der Erweiterung überströmt. Bei manchen Exemplaren fand ich diese zwei Falten etwas anders geformt als ich sie eben beschrieben habe. Die untere Falte war lang (Fig. 6 gf) und unter der Mündung des Ausführganges_ setzte sie sich auf die entgegengesetzte Wand der Erweiterung fort; die obere Falte war schmal und lang. Diese Modifikation könnte immerhin die eben aus einander gesetzte Rinnen- bildung bewerkstelligen. Die Wand des sackförmigen Theiles habe ich stets auffallend dick gefunden. Schon KEFERSTEIN bemerkt mit vollem Recht, dass, wo diese sackförmige Erweiterung des Mitteldarmes der Prosobran- chier vorkommt, ihre Wand drüsig sein müsse. Ich selbst habe die bei Concholepas sehr ähnlich geformte Erweiterung der Fissurella ‘untersucht und gefunden, dass ihre Wand von schlauchförmigen Drüschen dicht durchsetzt ist, wie ich ausführlicher berichten werde. Der Fissurella nächststehende Formen, wie Haliotis und Turbo, zeigen aber, wie dieses für die erste Form von HENRI WEGMANN! unlängst nachgewiesen wurde, dass der Fundus der -sackformigen Erweiterung sich stark vergrößert und bei Raumersparnis etc. sich spiralig aufwickelt. Diese Erweiterung ist nun sowohl bei Haliotis als auch bei Turbo ein drüsiges Gebilde, indem ihre Wand aus- schließlich von kleinen tubulösen Drüsen gebildet wird. Gestützt auf die angeführten Thatsachen hatte ich bei vorliegender Unter- ı HENRI WEGMANN, Histoire naturelle des Haliotides. Arch. d. Zoolog. exp. et gen. 2. Serie. Tom. II. 108 B. Haller suchung die Absicht, die Drüsen auch im Fundus des sackförmigen Theiles der Mitteldarmerweiterung aufzusuchen, die ja aus theoreti- schen Gründen hier vorhanden sein mussten. Leider hatte ich we- der von Concholepas noch von den übrigen Repräsentanten der Rha- chiglossen der Sammlung Exemplare, bei denen der Mitteldarm schnittfähig gewesen wäre. Bei allen Thieren war, da sie nicht aus dem Gehäuse gehoben und bloß mit diesen in Alkohol konser- virt wurden, die Mitteldarmdrüse mehr oder weniger angegriffen, und so war auch der Mitteldarm für histologische Zwecke nur mangel- haft erhalten. Die Schwierigkeit, mit der diese Drüse gehörig ge- härtet werden kann und ihre nun bekannte physiologische Dignität erklären dieses leicht. Es musste somit daran gedacht werden, die Darmwand durch die einseitige Zupfmethode zu untersuchen und meine histologischen Untersuchungen ausschließlich auf das Auffinden der in Rede stehenden tubulösen Drüse zu beschränken. Obgleich ich nun diese überall auffand, so konnte ich sie doch am schönsten bei Monoceros muricatum beobachten, wesshalb dorthin verwiesen sein möge. Das hesultat war somit, dass der Fundus der Mittel- darmerweiterung tubulöse Drüschen in größerer Zahl trägt. Nach diesen Befunden bei Rhachiglossen und jenen bei den Rhipidoglossen möge über die Mitteldarmerweiterung der Prosobranchier Folgendes jetzt schon auszusprechen erlaubt sein. Die Mitteldarmerweiterung ist dort, wo sie ausgesprochen vorkommt, nicht ausschließlich und vielleicht gar nicht dazu bestimmt, eine Oberflächenvergrößerung zum Zwecke der Aufnahme der verdauten Nahrungsmittel! vorzustellen. Dafür spricht ja der Umstand, dass sie bei gewissen Prosobranchiern fast ganz (Dolium galea) oder ganz fehlen kann (Cassidaria echino- phora). Sie trägt vielmehr in ihrer Wandung am Fundus zu einem großen Theile dichtgestellte tubulöse Drüsen. Dort, wo ein größerer Aufwand dieser Drüsen beansprucht wird und wo diese tubulösen Drüsen am verbreitetsten vorkommen, erweitert sich der Fundus zu einem blindsackartigen Anhange (Haliotis, Turbo). Somit ist die größere oder geringere Entfaltung der Mitteldarmerwei- terung von dem größeren oder geringeren Bedürfnis nach den Drüsen des Fundus bedingt?. 1 Bei den Chitonen können Nahrungsmittel gar nicht in jene Erweiterung des Mitteldarmes gelangen und diese dient, da ihr auch die drüsige Wandung fehlt, bloß als Reservoir des Sekretes der Mitteldarmdrüse. 2 Zukünftige physiologische Untersuchungen über die Darmverdauung. bei den Mollusken werden uns hoffentlich mit der Funktion dieser Drüsen bekannt Die Morphologie der Prosobranchier. joan 109 Wir kehren nun zu dem Oberflichenrelief der Schleimhaut der Mitteldarmerweiterung zurück. Die mächtigen Falten des sackför- migen Theiles sind, genauer betrachtet, keine Längsfalten, sondern Ringfalten, da die einzelnen derselben naturgemäß in sich zurück- kehren. Ihr Lauf ist dem Querschnitte der sackförmigen Erweite- rung nicht parallel, sondern schneidet diese unter stumpfem Winkel. Unter ihnen findet sich auf der linken Darmwand eine besonders mächtige, die, unter dem oberen Wulst (Fig. 4 y) beginnend, sich später gabelt. Diese Falte ist in ihrer abgebildeten Form sehr konstant, doch weiß ich nicht, ob ihr eine speciellere Bedeutung zukommt. Mit den Falten des oberen Wulstes hören auch alle Ringfalten auf und dadurch ist gewissermaßen der sackförmige Theil der Mittel- darmerweiterung gegen den anderen Abschnitt gekennzeichnet. - Der letztere, schon äußerlich durch die plötzliche Verengung des darauf- folgenden Mitteldarmes von diesem abgegrenzt, lässt dies durch das Relief seiner Schleimhaut um so deutlicher hervortreten. Diesen Theil des Mitteldarmes auf Schnitten nicht untersuchen zu können, musste ich sehr bedauern, denn so bleibt an ihm so Manches ganz räthselhaft. Der Boden, also die ventrale Seite der Schleimhaut, ist in äußerst feine Längsfalten gelegt; diese gehen nach hinten an der Stelle, wo der Mitteldarm sich verengert und an der ven- tralen Wand eine kleine Ausbuchtung (/o) besitzt, allmählich in die bedeutend breiteren Längsfalten des auf die Erweiterung folgenden Mitteldarmtheiles über. Nach vorn bei dem oberen Wulst des sack- fürmigen Theiles verlieren sich diese Falten allmählich. In der unteren lateralen Wand daselbst findet sich jederseits bilateral sym- metrisch angeordnet ein sonderbares Schleimhautgebilde. Es sind zwei mit netzartigem Relief gezeichnete Längswülste (er, er’). Das rechte dieser Gebilde setzt sich nach hinten in eine stärkere Falte (7), selbst noch in den dünnen Mitteldarm fort, wo es, allmählich feiner werdend, die variköse Oberfläche verliert und zum Schlusse in eine gewöhnliche Längsfalte sich umwandelt. Der linksseitige Wulst reicht nicht gerade bis zur Grenze der Mitteldarmerweiterung vor und bloß sein verjüngtes, vielfach quergerunzeltes Ende erreicht dieselbe, ohne jedoch gleich dem rechtsseitigen auf den weiteren Mitteldarm sich fortzusetzen (s. Abild.). Nach unten, der ventralen Darmwand zu, sind die Wülste vermöge ihrer Höhe scharf begrenzt. machen und auch das Studium des blindsackartigen Anhanges der Mitteldarm- erweiterung der Cephalopoden nicht mehr unberücksichtigt lassen! 110 nei B. Haller An dem rechten Wulste, seinem unteren Rande entlang und mit ihm nach hinten innig verwachsen, läuft eine hohe Falte (p’), die den Wulst nach unten begrenzt. Diese Falte liegt dem Wulste fest an und verschmilzt bei seiner Endigung nach vorn abermals mit seinem inneren Rande. . Die Falte des linken Wulstes verhält sich etwas anders. Sie hängt nach hinten mit dem inneren Rande’ des Wulstes eng zusammen, doch ist sie während ihres ganzen Verlaufes von dem Wuiste etwas entfernt (p). Nach vorn angelangt, verschmilzt sie nicht mit dem Wulste, sondern setzt sich weiter auf den oberen Wulst des sackförmigen Theiles fort. Auf diesem theilt sie sich in zwei Arme, wovon sich der rechtsseitige auf den oberen Wulst fortsetzend, all- mählich zwischen den Falten desselben verliert (Fig. 5 »); die links- seitige, sich vielfach diehotomisch theilend (Fig. 4, 5 m), löst sich in die Ringfalten auf. Beide Längswülste sind vielfach wabenförmig eingedrückt, wo- durch sie ein eigenartiges Aussehen erhalten; während der rechts- seitige an der Grenze des sackförmigen Theiles sich allmählich ver- liert, endigt der linksseitige durch eine Querfalte (f), welche, auf die dorsale Darmwand übergreifend, dort ihr Ende erreicht. Die obere Lateralwand, wie auch die dorsale Wand dieses Theiles der Mitteldarmerweiterung, sind gleichfalls mit netzförmigen Falten gezeichnet, doch sind diese sehr RL und dadurch undeut- lich (Fig. 4, 5 w, w). Wir hätten somit dasjenige besprochen, was an dem zu histo- logischen Zwecken nicht geeigneten Präparaten kenntlich war, und wollen nun die Frage behandeln, was die eben zuletzt beschriebenen Längswülste mit dem wabenförmigen Relief vorstellen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass es sich hier um drüsige Gebilde handelt und dass die wabenförmigen Vertiefungen nichts Anderes als Mündungen von Drüsenkrypten sind. Wozu dienen aber hier drüsige Gebilde? Wir finden bei Fissurella in diesem Theile der Mitteldarmerweiterung sehr ähnliche Verhältnisse. An dieser Stelle ist es, wo die lange cylindrische Krystallwalze bei diesen Thieren im Darmlumen freiliegend angetroffen wird. Diesen gallertartigen Darmpfropf habe ich bei Concholepas nie auffinden können, wie mir dies auch an den konservirten Exemplaren der Gattung Fissurella nie gelang, obgleich er bei diesen Rhipidoglossen unzweifelhaft sich immer vorfindet. An frischen Exemplaren der adriatischen Fissu- rellen fehlte er in den Monaten März und April wenigstens nie. Dieses gallertartige Gebilde ist aber zweifellos dem Krystallstiel im Die Morphologie der Prosobranchier. - _ EET Pylorustheil des sogenannten Magens gewisser Bivalven oder im blinddarmartigen Anhange, wie u. A. bei Anomia gleich, von dem es fast sicher ist, dass er ein sich periodisch erneuerndes Ausschei- dungsprodukt des Darmepithels vorstellt, ein von Zeit zu Zeit sich auflösendes Gebilde!. Es kommt wahrscheinlich dieser Krystallstiel außer bei Fissurella noch bei vielen anderen Prosobranchiern vor, nur wurde er bis jetzt nicht beobachtet. Die zwei Längswülste nun, die zahlreiche Öffnungen ven Drüsen tragen, sind wohl dazu bestimmt, den Krystallstiel abzuscheiden. Dass ich ihn selbst nicht beobachten konnte, möge weniger "darin begründet sein, dass er periodisch vergeht und möglicherweise bei der-Jahreszeit, wo die Thiere gefangen wurden, fehlte, als mehr in dem Umstande, dass er bei ungenügender Konservirung des Darmes der Auflösung an- heimfiel. Der nun folgende Mitteldarm begiebt sich, auf der Mitteldarm- drüse gelegen, bis unter das Perikardium (Fig. 88), biegt dann hier unter die Niere und behält diese Richtung so lange, bis er, allmäh- lich sich erweiternd, in den Enddarm übergeht. Seine ganze Schleim- haut trägt ziemlich breite Längsfalten. i Der Mitteldarm besitzt bloß eine Drüse, die unpaarige mächtig entwickelte Mitteldarmdrüse oder sogenannte Leber. Diese in neuerer Zeit von mehreren’ Seiten bei den Gasteropoden histologisch untersucht, ist bei den Prosobranchiern in ihrem grob anatomischen Verhalten, was ja doch eben so wichtig zu kennen ist als ihre Phy- siologie, wenig berücksichtigt worden. Besonders sind es ihre Mün- dungsverhältnisse, worüber wir. noch wenig wissen und welche bei ihrer phylogenetischen Beurtheilung von großem Belange sind?. Die Mitteldarmdrüse von Concholepas weicht in ihrer äußeren Form von jener der übrigen Rhachiglossen ab und ihre Form wird, gleichwie bei anderen Prosobranchiern, von der Form des Gehäuses bedingt. Es ist somit nöthig, bezüglich der Form des Gehäuses, auf weiter oben Dargestelltes verweisend, die topographischen Verhältnisse des sogenannten Eingeweidekernes (Nucleus) näher zu betrachten. ı Dass der Krystallstiel die Bedeutung hätte, gleichsam ein elastischer . Darmpfropf, den Darmkanal zu verengen und dadurch den Durchgang des Darm- inhaltes zu verzögern, wie dieses KRUKENBERG anzunehmen geneigt ist, „ist ‘ jedenfalls sehr problematisch und hilft bloß bei dem Mangel einer befriedigen- deren Erklärung. 2 HENRI WEGMANN (I. c.) giebt, wie ich.dieses zu zeigen hoffe, kein rich- tiges Bild von der Mitteldarmdrüse von Haliotis und ihren Mündungsverhält- nissen. 112 B. Haller Der Eingeweidenucleus (Fig. 89 mit Farben) erscheint als ein ovales Gebilde, welches mit seiner linken Spitze (m) in der Spira gelegen ist; die Längsachse des Ovoids (Fig. 89 va) schneidet so- mit die Längsachse des Fußes (Fig. 88, 89 vv, ww’) unter spitzem Winkel und ist von hinten und links nach vorn und links gerichtet. Dieser »Eingeweidenucleus« wird vorn gebildet von der Niere (N) und hinten von der Geschlechtsdrüse. (0); zwischen beiden liegt die Mitteldarmdrüse (Z). Nach vorn ‚und links wird Br Ovoid durch ‘das Perikardium (p) vervollständigt. Wenn wir die Mitteldarmdrüse. mit dem gleichen Organe anderer höherer Prosobranchier und Lungenschnecken mit spiralem Gehäuse vergleichen, so ist die Mitteldarmdrüse von Concholepas kurz aber sehr breit. Dabei hat sie durch die feste Anlagerung der Niere nach vorn und der Genitaldrüse nach hinten eine ganz eigenthümliche Form erhalten. Sie ist breit, von vorn nach hinten stark plattge-. drückt {Fig. 1 Z, Fig. 7), mit einer schmalen oberen Fläche, auf welcher die Mitteldarmerweiterung, der sogenannte Magen, gelegen ist. Sowohl vorn als auch an der hinteren Fläche ist sie konkav und zwar um den konvexen Seiten der genannten zwei Drüsen Platz zu machen. -Nach links und hinten zieht sich die Mitteldarmdrüse in einen höckerförmigen stumpfen Lappen aus (Figg. 1, 7 m), der die geringe höckerförmige Windung der Spira (Figg. 51, 88 f) allein ein- nimmt. Hieraus dürfen wir schließen, dass dieser Theil der Mitteldarm- drüse dem hinteren großen aufgewundenen Theil der Mitteldarmdrüse (Fig. 9 m) anderer Rhachiglossen entspricht, bei welchen auf Kosten der Länge die Breite der Drüse abnimmt. Wir können somit auch annehmen, dass bei beginnender Aufrollung des Gehäuses die Mittel- darmdrüse .es ist, welche durch diesen Vorgang in nächste Mitleiden- schaft.gezogen wird und die Geschleehtsdrüse erst später dorthin mit aufgenommen wird. Denn obgleich Concholepas eine junge Form der schon unter den Prosobranchiern jungen Rhachiglossen vorstellt, wie ich weiter unten begründen werde, so hat sie doch von der ganzen Gruppe durch Anpassung an das Felsenleben in ihrer Kör- perform, hauptsächlich auch jener des Gehäuses und des Fußes Ver- hältnisse erworben, die geradezu an Haliotis und betreffs des Fußes sogar an Fissurella und Patellen erinnern. Wir können somit sagen, dass durch diese rückschreitende Umwandlung Stadien erreicht wur- den, die von den anderen mit einer Aufrollung des Gehäuses ver- sehenen Rhachiglossen einstens durchlaufen werden mussten. Von der anderen Seite betrachtet, erscheint zwar die Mitteldarm- Die Morphologie der Prosobranchier. 113 driise in Lappen zerlegt (Fig. 1), doch sind diese Lappen erst an . der hinteren Seite deutlich von einander getrennt zu sehen. Von der hinteren Seite aus zerfällt die Mitteldarmdrüse in mehrere Lap- pen, welche sich an der vorderen Seite fest an einander lagern und darum undeutlich sind. Wir können unterscheiden einen großen linksseitigen Lappen (Fig. 7 4), welcher den erwähnten Fortsatz (m) nach links und etwas hinten besitzt. Dieser größte Lappen unter allen anderen zerfällt äußerlich nicht in kleinere Lappen, sondern ist kompakt. Während der andere Theil dieses nicht erfährt, ist er an seiner rechtsseitigen Hälfte konkav eingedrückt. Auf der oberen Seite der Drüse, wo ihr die Mitteldarmerweiterung aufliegt, biegt dieser Lappen deckelartig nach vorn um und wird durch einen Einschnitt in zwei Theile getheilt. Der an die Mitteldarmerweite- rung herantretende Vorderdarm liegt hier diesem Lappen auf und wird in dieser seiner Lage von dem linksseitigen Theile der deckel- förmigen Umbiegung überdeckt (Fig. 1 y). Der hintere Theil dieses Deckels deckt den langen Abschnitt der Mitteldarmerweiterung nur zum Theil zu (v). Der von diesem Lappen nach rechts folgende (Fig. 7 ) ist gelappt, von unten stark konkav und zieht nach unten bis an den kleinsten Lappen (7) hin. Zwischen diesem und den vorher geschilderten Lappen besteht eine Stelle (p), wo nur eine ganz dünne Schicht Drüsensubstanz der hinteren Seite der Mittel- darmerweiterung aufliegt. Der rechtsseitige große Lappen (Fig. 1, 7 n) deckt mit einem dünnen Theile (x) die ihr anliegende Mittel- darmerweiterung zu. Dieser Lappen ist an der vorderen Seite von dem vorigen nicht getrennt. Unter ihm liegen noch andere Lappen, die von ihm und unter einander nach vorn wieder nicht getheilt sind, doch hinten eine bestimmte Abgrenzung erfahren. Der rechtsseitige dieser beiden Lappen (Fig. 1, 7 £) ist seiner Form nach ziemlich vollständig und hängt nur durch einen Isthmus mit dem unteren, nach innen stark gelappten (4) zusammen. Die beschriebenen Lappenbildungen waren bei allen untersuchten Exemplaren konstant und nur die sekundären Lappungen zeigten kleine Veränderungen. Des Ausführungsganges der Mitteldarmdrüse wurde bei Bespre- chung der Mitteldarmerweiterung gedacht. Er entspringt mit zwei, ohne Präparation nicht erkennbaren Ästen aus dem rechtsseitigen gro- ßen Lappen (Fig. 1 g) der Mitteldarmdrüse und mündet sofort in die Mitteldarmerweiterung ein. Das Übrige seines Verhaltens wurde schon mitgetheilt. Somit ist der Gang der Mitteldarmdrüse sehr kurz, Morpholog. Jahrbuch. 14. 8 114 B. Haller in welchem Verhalten ein wesentlicher Unterschied von dem der übrigen Rhachiglossen sich ausspricht, bei denen der zwar nie sehr lange unpaare Ausführungsgang sich stets in zwei mehr oder weniger längere und außerhalb der Drüse gelegene Äste gabelt. Die Mitteldarmdrüse war bei den Exemplaren der Sammlung nie so erhalten, dass man sie zu histologischen Zwecken hätte verwerthen können und bloß die Kapsel um die Drüse herum konnte auf Schnit- ten untersucht werden. Die einzelnen Lappen und Läppcehen der Mitteldarmdriise wer- den von netzförmigem Bindegewebe innig zusammengehalten, dem Plasmazellen fast ganz mangeln (Fig. 8 dg). Diesem Netze sind feine arterielle Gefäße (ag) und die Nerven der Drüse eingelagert. Zwischen den Maschen des Netzes findet man stellenweise das ve- nose Blut angesammelt (2). Nach oben, der Leibeswand zu, folgt auf das Bindegewebe eine Muskelschicht mit vielfach verfilzten Fa- sern (»), hierauf lakunäre Bluträume und zum Schlusse das Epithel der Leibeswand. Der auf die Mitteldarmerweiterung folgende Theil des Mittel- darmes ist sehr kurz, immerhin aber noch um etwas verhältnismäßig länger als bei den übrigen Rhachiglossen. Er erstreckt sich vom Ende der Mitteldarmerweiterung bis zum Beginn des weiten End- darmes (Fig. 1) und ist weder äußerlich noch durch die grobe Längs- faltung seiner Schleimhaut (Fig. 4 d) vom Enddarme abgegrenzt, es müsste denn sein, dass der histologische Bau der Schleimhaut eine Abgrenzung begründe, was ich zu ergründen nicht in der Lage war. Dieser Theil des Mitteldarmes liegt unter dem Herzbeutel Figg. 1, 88); nach rechts kreuzt er, über dem Ausführungsgange der Genitaldrüse gelegen, diese und geht beim Weibchen am hinteren Ende des Uterus, beim männlichen Thiere beim erweiterten Genital- gange in den weiten Enddarm über. Allmählich erweitert sich der Enddarm aus dem Mitteldarme zu einem nur wenig nach rechts oder außen konvex gebogenen Schlauche (Fig. 1, 89 ed). Dieser ist beim weiblichen Thiere auf dem Uterus gelegen und öffnet sich vor der Geschlechtsdrüse und nach rechts vor derselben (Fig. 89). Vor der Afteröffnung verengt sich der Enddarm etwas und macht eine kleine Krümmung nach innen (Fig. 1 9). Ob dem Enddarme eine ähnliche Analdrüse, wie sie LAcAZE-DUurTHIERS bei Murex! und ich in vorliegender Arbeit bei 1 H. DE LACAZE-DUTHIERS, Memoire sur la Pourpre. Ann. sc. nat. Tom. XII. 1859. Die Morphologie der Prosobranchier. 115 Purpura gefunden haben, zukömmt, habe ich nicht eruiren können, nehme aber schon der nahen Verwandtschaft halber an, dass sie sich vorfinde, jedoch durch die. feste Anlagerung an die Darmwand nur durch die Schnittmethode eruirbar sein werde. Ich hätte nur noch über das den Vorderdarm umgebende Binde- gewebe etwas ausführlicher zu sprechen, da sich an diesem Binde- gewebe einige. Daten feststellen ließen, die auf eine Aufnahme von verdauter Nahrung durch den größten Theil des Vorderdarmes hin- weisen. Zum näheren Verständnis der physiologischen Dignität des Vorderdarmes von Concholepas halte ich dieses Gewebe von Bedeu- tung und will es ausführlicher schildern. Wie bereits mitgetheilt, wird der Vorderdarm etwas hinter der birnförmigen Erweiterung über der Muskelschicht von einer sehr dicken Bindegewebslage eingehüllt, welches bis zur Mitteldarmer- weiterung hinzieht. Ob jedoch diese gleich dem übrigen Mitteldarme und dem Enddarme diesen Überzug besitzt, weiß ich nicht. Sehr mächtig ist dieses Bindegewebe vor der mittleren Vorder- darmdrüse (Fig. 74 dA), nimmt dann um den Darm ab, doch bildet es hier zwei mächtige Längsleisten, die sich zwischen den Darm und der Drüse einschiehen (Fig. 75 f, f'). Diese Leisten sind unter der Muscularis gelegen, denn wir haben gesehen, dass dieses Binde- gewebe sich auch als subepitheliales Gewebe vorfindet und die Fal- tungen und Zotten der Darmschleimhaut ausschließlich ausfüllt, ferner, dass das subepitheliale Bindegewebe, die Muscularis mit seinen Netzfäden und Zellen durchziehend, mit dem supramuskulären Bindegewebe zusammenhängt, so dass das gesammte Bindege- webe des Darmes ein Ganzes vorstellt. Es besteht allein aus dem weitmaschigen Netze verzweigter Zellen (Fig. 100), die in den Knotenpunkten der Maschen gelegen sind; ihre Größe variirt bei 0,045 mm Breite zwischen 0,045—0,405 mm Länge; zumeist aber sind es kleine, mit drei bis vier Ausläufern versehene Gebilde. Der Zellkern ist länglich, einen kugelrunden Kern konnte ich nie auffinden und auch ein ausgesprochenes Kernkörperchen war nicht sichtbar. Das Protoplasma erfüllt den Zellleib in Form einer großen Zahl äußerst zarter Fädehen, die jedoch nach meinen Beobachtungen zu keinem Netze sich anordnen. Man findet auch Zellen, die, ob- gleich noch einkernig, einen großen Zellleib besitzen. Manche dieser Zellen, deren Umfang nur so groß oder doch nur um ein Geringes größer ist, als der der größten einkernigen Zellen, besitzen zwei Kerne (t, f). Die größten dieser Zellen sind vermöge ihrer Mäch- ge 116 B. Haller tigkeit schon mit schwächeren Vergrößerungen zu erkennen. Diese (Fig. 100, 101 2, z', 2”) besitzen immer viele Ausläufer und zahl- reiche Kerne, im Wesentlichen sind sie aber von den kleineren Zellen durchaus nicht verschieden und ich hege die Überzeugung, dass sie durch Verschmelzung vieler kleiner einkerniger Zellen entstanden sind. Sie sind zwar von verschiedener Gestalt, doch stets lang und verhältnismäßig zu ihrer Länge schmal. Ihre Kerne, die an Größe und sonstigen Eigenschaften jenen kleineren Zellen durchaus gleichkommen, liegen fast immer in der nächsten Nähe der abtretenden Zellfortsätze und sollten sie ausnahmsweise auf dem Schnitte von solchen entfernter liegen, so mag dieses darauf zurückzuführen sein, dass an Schnitten nicht alle Fortsätze der Zelle erhalten sind. Aus diesem Grunde ist auch zu beachten, dass die beigegebenen Abbildungen die Vielkernigkeit dieser verschmol- zenen Zellen (oder Plasmodien in weiterem Sinne) nicht ganz vergegenwärtigen, sondern dass diesen in Wirklichkeit mehr Zell- kerne zukommen als abgebildet sind. Dass diese Gebilde aus der Verschmelzung mehrerer Zellen hervorgegangen sind, gründe ich darauf, dass man in der That Gebilde vorfindet (Fig. 101 p), in denen die einzelnen Abschnitte die Einzelzellnatur noch gerade im Beginne des Verschmelzens aufweisen. Außer diesen eben ver- schmolzenen Gebilden weist jedoch noch ein ganz gewichtiger Um- stand darauf hin, dass diese großen vielkernigen Elemente durch Verschmelzung vieler Einzelzellen entstanden seien. Wie schon oben erwähnt, befinden sich die Zellkerne in diesen Gebilden immer in nächster Nähe der Fortsätze, was gewiss darauf hinweist, dass die Einzelzellen mit einer ihrer Seiten an eine andere angewachsen sind. Man könnte sich diesen Vorgang folgendermaßen vergegen- wärtigen. In dem Netzwerke, wo drei oder mehrere Zellen durch eine gemeinsame physiologische Aufgabe in näherer Beziehung zu einander standen und sich in diesem bindegewebigen Netze anderen Zellen gegenüber gewissermaßen zu einer gewissen Arbeit angeschickt haben, die wir jetzt schon als eine Aufspeicherung gewisser Stoffe kennzeichnen wollen, sind zwischen diesen Zellen die längeren Anastomosen als solehe nicht mehr zweckentsprechend, da solche nur zur Leitung jener Stoffe in den engeren Zellleib dienen. Darum verkürzen sich diese Verbindungen, wie wir hierfür denn in der That schlagende Beweise haben (Fig. 101 y), aufs äußerste. Wir wollen zwar keinen morphologischen Gegensatz zwischen Zellleibern und ihren oft sehr langen Ausläufern aufstellen, denn ein solcher existirt Die Morphologie der Prosobranchier. 117 in der That nicht, da sie beide von Protoplasma und Paraplasma gebildet werden; es existirt zwischen Zellleib und seinen oft sehr langen Ausläufern in Netzgebilden aber eine gewisse Arbeitstheilung. Während nämlich in Netzgebilden die Zellleiber im en- geren Sinne eine bestimmte Funktion, mag dieselbe die Thätigkeit einer Aufspeicherung von Nährstoffen oder einer Leitung derselben der eigentlichen Erhaltung der Zelle selbst oder eine Nerventhätigkeit, also eine elek- trische Kraft sein, so sind die sich netzförmig mit Ausläu- fern anderer Zellen gleicher Art verbindenden Ausläufer immer nur berufen, das engere harmonische Zusammen- wirken aller dieser gleichartigen Zellen zu verwirk- lichen, gleichviel ob die Leitung eine Stoffe vermittelnde oder Kräfte mittheilende sei. Manchmal dürften beide Vermitte- lungen, sowohl die Stoffe leitende als die Kräfte vermittelnde in dem- selben Netze gegeben sein, wie dieses im Nervennetze des Centralner- vensystemes! der Fall sein wird. Auf diese Weise können wir uns erklären (was weiter unten noch durch einen konkreten Fall eine Stütze findet), dass mehrere der Zellen des bindegewebigen Netzes bei Concholepas sich zur Verrichtung gemeinsamer Funktion auch mor- phologisch sich vereinigten. Nur der Kürze halber will ich somit diese Gebilde als »die vielkernigen Zellen« bezeichnen?. Ob in den 1 Siehe darüber B. HALLER, Studien über marine Rhipidoglossen. II. Theil. Dieses Jahrbuch. Bd. XI und Über die sog. Leypic’sche Punktsubstanz im Centralnervensystem. Ibid. Bd. XII. 2 Diese Verhältnisse würden uns direkt an jene erinnern, die sich nach LAnnoıs (Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Wien und Leipzig 1883. pag. 338—339) in den Zotten des Dünndarmes der Wirbelthiere, hier speciell des Menschen, sich vorfinden sollen. LAnpoıs glaubt gleich His und BRÜCcKE Verbindungen, d. h. Anastomosen zwischen den basalen Enden der Zellen des Dünndarmepithels und den verzweigten Bindegewebszellen der sog. Stromazellen, die unter ihresgleichen sich wieder zu einem Netzwerk gleich wie bei Concho- lepas verbinden, gesehen zu haben und sagt weiter unten »Epithelzelleninhalt und anastomosirende Stromazellen sind die aktiven Fortbeweger der auf- genommenen Fettkörper«. Ob jene Verbindungen zwischen Darmepithelzellen und den Zellen des sog. adenoiden Gewebes in der That bestehen, lasse ich dahingestellt sein, so viel ist aber gewiss, dass dort in den anastomosirenden Zellen des letzteren Gewebes eine Leitung von Stoffwechselprodukten, in die- sem speciellen Falle von Fett, stattfindet, wie dieses außer LANDOIS auch noch von anderen Beobachtern konstatirt wurde. Siehe weiter hierüber auch Ermer, Neue und alte Mittheilungen und Fettresorption im Dünndarm und Dickdarm. Biolog. Centralbl. Bd. IV. 1885. 118 B. Haller Zellen, welche zwei Kerne besitzen, bereits eine Vereinigung zweier Zellen stattgefunden hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Mannigfaltigkeit des Abganges der Ausläufer von den Zell- leibern mag am besten aus den Abbildungen ersehen werden. Hier möge bloß erwähnt werden, dass in vielen Fällen der abtretende Fortsatz sich alsbald gabelt. Die Ausläufer selbst sind nicht allzu diinn und manchmal kann man sogar beobachten, dass sie platt und breit sind (Fig. 100 p), doch ist dieses Verhalten durchaus nicht die Regel. Die Maschen des Netzes sind sehr ungleich weit und für ihre Form lässt sich keine Regel feststellen (Fig. 100, 101). Ein- gelagert in dieses Gewebe findet man Blutzellen (5%), stellenweise auch geronnene Blutflüssigkeit, feine Arterien, feine Nerven und einzelne Nervenfädchen (Fig. 101 »). Die feineren Arterien, denen in den Zotten und Falten der Darmschleimhaut die Muskelschicht bereits fehlt, durchziehen, axial gelegen, die Falte (Fig. 74 Ag), um am oberen Randtheile derselben zu endigen; doch ist dies nicht die Regel und die feinen Arterien können sich in dem Bindegewebe der Falten bis nach oben verzweigen. Die Endigung dieser feinen Ar- terien findet durch eine trichterformige Erweiterung statt. An Fig. 105 bilde ich einen Fall ab, wo eine feine Arterie sich zuvor dichoto- misch theilt und ihre Äste dann trichterförmig zwischen je einem Maschenraum des bindegewebigen Netzes endigen lässt. Hier be- stehen diese Gefäße nur aus einer dünnen Membran, welcher nicht allzu zahlreich Kerne eingelagert sind. Eine Zellgrenze konnte selbst- verständlich durch die angewandte Methode nicht sichtbar gemacht werden. Die Ränder der trichterförmigen Öffnung waren an dem einen Endast (a) der Arterie sehr breit, jene des anderen schmäler. Größere, mit einer Ringmuskulatur versehene Gefäße.waren in der Schleimhaut nicht aufzufinden, solehe fanden sich vielmehr in dem oberhalb der Darmmuskulatur gelegenen Bindegewebe (Fig. 74, 75 gf), wo man auch dickere Nervenstämme beobachten konnte. Hier folgte auf die ziemlich kernreiche innere Schicht (Fig. 103 ex) des Endothels eine Ringmuskulatur (%s), der nach außen die Zellen des Bindegewebes (4) und ihre Verbindungen fest angelagert waren. Das Netz war unmittelbar auf der Gefäßmuskulatur oft sehr unan- sehnlich kleinmaschig, und die Maschenräume stets von dickeren, nicht zur Arterie gehörigen Muskelfasern ausgefüllt (gm). Immerhin findet man auf dem Querschnitte viele solche im Bindegewebe zer- streute Muskelfasern um das Gefäß herum gelagert (gm, Im, Im’). Oft sind sie auch radiär um das Gefäß gruppirt (Fig. 103 /m, Im’) und Die Morphologie der Prosobranchier. 119 ich glaube, sie wären dazu bestimmt, das Gefäß im lockeren Binde- gewebe gewissermaßen zu fixiren, doch kann dies bei dem Mangel an ausgesprochenen Fixationspunkten am anderen Ende der Faser nicht von großer Bedeutung sein. Ähnliche zerstreut liegende Mus- kelfasern finden sich auch einzeln, doch meist aber zu mehreren aus einander gelagert im Bindegewebe vor (Fig. 100 m, m’). Nach innen stößt das Bindegewebsnetz auf die Grenzmembran des Darmepithels direkt an. Die großen vielkernigen Zellen fehlen auch hier nicht (z). Zu einer zusammenhängenden Membran vereinigt sich das Binde- gewebe unter dem Darmepithel zwar nicht, doch sind die Maschen- räume so verschwindend eng, dass eine solche vorgetäuscht werden könnte. Dieses Verhältnis lässt sich am besten beobachten, wenn man an Flächenpräparaten das Epithel abpinselt und das Präparat so untersucht, dass unter der Grenzmembran die spaltförmigen Ma- schen deutlich werden. Das Bindegewebe der Schleimhaut bildet mit dem supramus- kulären ein zusammenhängendes Ganzes. Dies ist so zu verstehen, dass das bindegewebige Netz der Schleimhaut (Fig. 101 @) sich un- unterbrochen durch die Muscularis (c) in jenes über derselben (6) fortsetzt. Die Muskelbündel liegen dabei in mehr oder weniger wei- ten Maschenräumen dieses Netzes oder besser, das Netz umspinnt und durchsetzt die Muskelbiindel. Auch in der Muscularis finden sich jene großen vielkernigen Zellen vor (z’). Der supramusku- läre Theil des Darmbindegewebes, wie wir es hier nennen wollen, ist.sowohl, was Weite als was Form der Maschen betrifft, jenem Theil in der Schleimhaut ganz gleich gebaut. Die Zellen sind auch hier dieselben und die vielkernigen sind sogar in größerer Zahl vor- handen als dort. Die Dicke des supramuskulären Theiles des Binde- sewebes ist auch auf einem und demselben Querschnitte nicht über- all gleich diek, somit umhüllt dieses den Darm sehr ungleichmäßig. Die Begrenzung des Gewebes nach außen ist ziemlich ungleichformig und auf der Oberfläche finden sich mehr oder weniger tiefe Furchen vor (Fig. 74). Diese Furchen sind meist nicht lang und endigen, indem zwei neben einander verlaufende unter spitzem Winkel in ein- ander übergehen. Auf diese Weise und durch das Auftreten von Querfurchen auf der Oberfläche erscheint diese etwas gelappt, was auf durch Glycerin aufgehellten Totalpräparaten schon unter der Lupe zu erkennen ist. Bei stärkeren Vergrößerungen ist zu ersehen, dass dieses Bindegewebe nach oben ganz in derselben Weise aufhört, 120 B. Haller wie unter dem Darmepithel (Fig. 101), nur findet man hier auf dem Querschnitte durch den Darm häufig vielkernige Zellen die Begren- zung bilden (z, 2’). An der Begrenzungsstelle verengen sich die Maschen abermals so sehr, dass es fast zu einer geschlossenen Mem- bran kommt. In Karminpräparaten trifft man schon bei schwächeren Vergröße- rungen im supramuskulären Theil des Bindegewebes stark roth ge- färbte Körperchen (Fig. 74 gl) innerhalb des Gewebes liegen. Ihre Länge variirt zwischen 0,i180—0,630 mm bei 0,180—0,450 mm Breite und somit sind sie von ziemlich ansehnlicher Größe. Sie liegen zu- weilen einzeln, meistens aber zu mehreren beisammen; oft findet man sogar zehn bis zwanzig unweit von einander liegen. Manche unter ihnen färben sich sehr intensiv, andere nehmen nur eine leichte Färbung an. Solche für Karmintinktion empfindliche Körper finden sich aber auch zwischen der Ringmuskulatur und selbst in der Schleimhaut (97), hier aber zumeist beisammen gelegen. Ihre Form ist zwar äußerst verschieden, doch bei geringer Breite stets lang. Ihre Längsachse schien mir zumeist mit der Breitenachse des Darmes mehr oder weniger zusammenzufallen, ähnlich derjenigen der viel- kernigen Zellen des Bindegewebes. Betrachtet man nun solche rothe Körperchen bei stärkerer Vergrößerung, so wird ihre Bedeutung, die mir, bevor ich das netzförmige Bindegewebe genauer gekannt hatte, räthselhaft erschien, bald klar. Abgesehen von ihrer äußeren va- riablen Form erkennt man an diesen Körperchen (Fig. 112 A) Fol- gendes. Sie bestehen aus einer dünnen, oft geradezu feinen äußeren () Schicht und einem Kerntheile, der aus lauter kleinen glänzenden, sonst aber homogenen und ganz fest an einander gelagerten Kiigelchen besteht. Diese sind gegen Karmin sehr empfindlich und bedingen die rothe Färbung des Gebildes. Die äußere Schicht nimmt den Farbstoff nicht an, erscheint granulirt oder bei sehr starken Ver- srößerungen von sehr zarten Fäden durchsetzt und schließt stellen- weise ein ovales, rothes Körperchen in sich, welches sich in jeder Weise als ein Zellkern, den Kernen der Zellen des Bindegewebes durchaus gleich, erweist. Die farblose äußere Schicht dringt zwi- schen die roth gefärbten Kügelchen nicht ein, diese liegen vielmehr so dicht beisammen, dass sie ein Eindringen geradezu unmöglich machen. Von der äußeren Schicht treten gleichfalls Fortsätze ab, die mit dem Netze des Bindegewebes verschmelzen. Wir haben so- mit in diesen Gebilden nichts Anderes, als vielkernige Zellen des Bindegewebes vor uns, deren Leib jedoch durch Aufnahme jener Die Morphologie der Prosobranchier. 121 gegen Karmin empfindlichen, bei auffallendem Lichte milchweißen, glänzenden Kügelchen bedeutend vergrößert erscheint. Betrachtet man viele solcher vollgestopfter Zellen näher, so wird man, zwar nicht bei allen, doch besonders bei jenen, deren Kiigel- chen nicht die intensivste Aufnahme von Karmin verrathen (denn darum ergiebt sich ja bei diesen Zellen, wie schon erwähnt, eine kleine Abstufung), wahrnehmen, dass einer ihrer Fortsätze (v) oder doch ein Netzfaden, der, wenn gleich indirekt mit ihnen zusammen- hängt (v’), bedeutend angeschwollen erscheint und oft sogar die vier- bis fünffache Dicke eines gewöhnlichen Netzfadens erreicht. An dem verdickten Faden, der mit einem Fortsatze der vielkernigen Zelle in diesem speciellen Falle zusammenhing (v), konnte ich beobachten, dass er nach geradem Verlaufe von dem Antritte an der vielkernigen Zelle zwei Fortsätze abgab, wovon sich der nächstliegende mit einer anliegenden kleinen Zelle des Netzes verband. Der darauffolgende Fortsatz trat an einer Stelle des verdickten Fadens ab, wo ein Zell- kern gelegen war und wo sich somit eine kleine Bindegewebszelle (t) befand. Sowohl diese kleine Zelle, als der ganze verdickte Fort- satz waren innen von einer anscheinend homogenen Masse durch- zogen, die eine ganz blasse Rosafärbung annahm. Diese Substanz war von einem farblosen, sehr dünnen Saume begrenzt. Es durch- zog somit die kleine Zelle und den sich mit der vielkernigen Zelle verbindenden Faden eine durch Karmin nur wenig tingirbare und dadurch von der Zellsubstanz scharf abgegrenzte Substanz. Diese Substanz hörte an der Stelle auf (2), wo genannter Fortsatz sich mit der vielkernigen Zelle verband, allmählich spitz auslau- fend, und man konnte vor dieser Spitze und ihr fast anlagernd, lose in der Zellsnbstanz gelegene, stark roth gefärbte Kügelchen be- merken, die, perlschnurförmig aufgereiht, nicht fest an einander lagerten (v) und sich dann jenen der vielkernigen Zellen anschlossen. Sie waren mit diesen identisch. Es liegt somit auBer allem Zweifel, dass durch den Fortsatz der vielkernigen Zelle dieser eine Substanz zugeleitet wurde, welche als eine homogene Flüssigkeit mit Errei- chung der vielkernigen Zelle durch einen uns unbekannten chemi- schen Process gezwungen wurde, sich in Tropfen aufzulösen und in solchen sich abzulagern. Gleichzeitig erfuhr aber diese Sub- stanz in der vielkernigen Zelle jene chemische Veränderung, welche durch größere Affinität zur ammoniakalischen Karminlösung sich kund giebt. Ganz ähnliche Bilder, wie das eben beschriebene war ich noch 122 B. Haller in drei Fällen in’ der Lage zu beobachten, doch nie sah ich die fragliche Substanz längere Strecken von der betreffenden vielkernigen Zelle entfernt im Netze sich fortsetzen. Wie schon erwähnt, fehlen solche durch jene Substanz erfüllte Fortsätze an vielen dieser, durch die Substanz erfüllten vielkernigen Zellen, was man wohl so deuten könnte, dass die Zelle bereits die Substanz ganz in sich aufgenom- men habe. Ob eine vielkernige Zelle nur von einem Fortsatze aus gefüllt wird oder von mehreren, darüber besitze ich keine positiven Beobachtungen, doch scheint mir der letzte Fall wahrscheinlicher. Durch die mitgetheilte Beobachtung sind wir zur Annahme be- rechtigt, dass dem bindegewebigen Netze um den Darm herum außer seinem Beruf, als Stützsubstanz zu dienen, bei Concholepas und; wie ich gefunden habe, auch bei den Fusiden eine noch andere Eigen- schaft zukommt, die für den Stoffwechsel des Thieres von großer Bedeutung sein mag. Dass Zellnetze zur Erhaltung ihrer eigenen Existenz, sei es aus dem sogenannten Blute (Hämolymphe der Mollusken) oder bei den Wirbelthieren aus dem Blute durch die Vermittelung der Lymphe die nöthigen Stoffe aufnehmen und sie weiter leiten!, ist eine bio- logische Thatsache. Darum handelt es sich aber im vorliegenden Falle nicht. Es handelt sich vielmehr um die Ansammlung eines Stoffes?, dessen chemische Natur von mir freilich nicht festgestellt wer- den konnte, der direkt von dem Epithele des Vorderdarmes dem bindegewebigen Netze übergeben wurde. Um die volle Bedeutung dieses Gewebes bei Concholepas zu erfassen, weise ich auf die Ver- hältnisse des netzförmigen Bindegewebes bei Murex hin. Dieses Bindegewebe ist bei Murex um den Vorderdarm nur sehr spärlich entwickelt. Über der Muskulatur ist es nur eine fast verschwindende Schicht, hängt jedoch, ähnlich wie bei Concholepas, die Darmmusku- latur durchsetzend, mit dem der Schleimhaut zusammen. Das Binde- gewebe der Schleimhaut ist hier an Masse ungemein redueirt und 1 So viel mir bekannt, haben eine Strömung in einem Zellennetze aus einem Fortsatze in eine Zelle und aus dieser wieder in einen Fortsatz, zuerst J. NORRIS und STRICKER beobachtet, indem sie in einer entzündeten Cornea wahr- nahmen, dass Farbstoffpartikel aus einem Fortsatze des Netzes in eine Cornea- zelle und aus dieser wieder in einen Fortsatz wanderten. (S. d. STRICKER'S Studien aus dem Institute für exper. Pathologie in Wien. 1869. pag. 14 und STRICKER: Vorlesungen über allgem. und exper. Patholog. Wien, Braumüller 1877. pag. 282.) 2 Glycogens? Die Morphologie der Prosobranchier. 123 die oft sehr hohen Falten und Zotten der Schleimhaut werden durch enorm hohes Epithel hergestellt (Fig. 12). Vielkernige Zellen sind innerhalb des bindegewebigen Netzes nicht vorhan- den, wie ich an zahlreichen Präparaten feststellen konnte!. Nun muss ich auf einen sehr wichtigen Umstand aufmerksam machen. Bei Concholepas sind die Falten und Zotten des Vorderdarmes gleich denen von Murex sehr hoch, doch während dort die bindegewebige Schleimhaut an deren Bildung einen sehr wesentlichen Antheil hat und es sich auch um die Muskulatur mächtig ausgebildet vorfindet, sind die Epithelien nicht allzu hoch und somit auch an Volum nicht bedeutend. Bei den Muriciden nun tritt im Vorderdarme dieses netzförmige Bindegewebe ganz bedeutend zurück, dafür ist aber das Epithel desselben an Volum sehr mächtig entwickelt. Ein anderer Umstand bei Murex liegt darin, dass die sonst gleichförmigen Epithelzellen mit einem sowohl an Glanz als in der großen Affinität zur Karmintinktion mit dem Stoffwechselprodukte in den vielkernigen Zellen des Bindegewebes bei Concholepas übereinstimmenden Mate- riale dicht erfüllt sind (Fig. 12). Wenn ich auch in den gleichen Epithelien von Concholepas zerstreute Körper von Stoffwechselpro- dukten auffinden konnte, so waren diese Zellen von einem solchen nie so erfüllt wie bei Murex. Ich will nun durchaus nicht behaupten, die Identität jenes Stoffes im Vorderdarmepithel von Murex mit dem in den vielkernigen Zellen des Bindegewebes bei Concholepas nach- gewiesen zu haben, aber die angeführten Umstände sind sehr zu er- wägen. Ohne meine Meinung als ganz abgemacht hinstellen zu wollen, komme ich bezüglich der Funktion der vielkernigen Bindegewebs- zellen des Mitteldarmes von Concholepas zu folgender Annahme. Im Vorderdarme der untersuchten Prosobranchier findet eine Verdauung statt, was Angesichts der Thatsachen nicht bezweifelt werden kann, und es wird vom Epithel desselben eine Stoffaufnahme bewerkstelligt. Bei Murex werden die Stoffwechselprodukte aus dem Epithel direkt von dem sog. Blute abgeführt. Bei Concholepas wird einer der aufgenommenen Stoffe? aus uns nicht bekanntem Grunde aufgespeichert. Darum geben die Epithelien den aufgenommenen Stoff nicht ganz an die Hämo- lymphe ab, sondern ein momentan für den Organismus nicht nöthiger 1 Meine sehr gut gefärbten Präparate stellte ich von Murex brandaris L. und M. truneulus L. vor Jahren selbst an der Adria zu Triest her. 2 Ich sage »einer«, denn es ist ja nicht bewiesen, dass der Vorderdarm nur einen bestimmten verdauten Stoff absorbire. 124 B. Haller Theil desselben wird dem bindegewebigen Netze anvertraut, welches aus diesem Grunde eine massige Entfaltung erfährt. Dabei ist es wahrscheinlich, dass dieser Stoff innerhalb der vielkernigen Zellen des Bindegewebes eine chemische Veränderung erfährt. Habe ich nun auch weiter nichts beweisen können als die That- sache, dass im Vorderdarme der Rhachiglossen Verdauung und Stoff- aufnahme stattfindet, so glaube ich doch, dass diese Angaben bei einer systematisch durchgeführten wissenschaftlich physiologischen Bearbeitung des Vorderdarmes der Prosobranchier und seiner Drüsen wichtig genug sind, um nicht mit Stillschweigen übergangen zu werden. Die ursprüngliche Aufgabe des bindegewebigen Netzes war und ist ja theilweise noch als Stützgewebe zu dienen, während eine Auf- speicherung von Reservestoffen daselbst in den Plasmazellen ge- schieht, die in den engen Maschen des Netzes eingebettet liegen. In vielen Fällen mag das Bindegewebe auch bei den Mollusken lediglich als Stützgewebe dienen, doch ist dasselbe im großen Che- mismus des Stoffwechsels gewiss nicht so unthätig wie man von Alters her anzunehmen geneigt ist. Freilich verliert diese Ansicht, besonders in Anbetracht der zahlreichen Angaben über die intensiven pathologischen Veränderungen desselben, sehr an Boden. Das binde- gewebige Netz ist in einer oder der anderen Form bei allen Mollus- ken sehr verbreitet, doch findet es sich ohne Beimengung anderer bindegewebiger Elemente! bis jetzt nirgends vor als um den Vor- derdarm, besonders bei Concholepas. Es besteht hier ohne Bei- mischung fibrillärer Elemente um die hintere Hälfte des Buccaldriisen- ausführganges und um die großen Arterien, aber die multinucleoliren Zellen fehlen hier und die engen Maschen werden durch Plasmazellen ausgefüllt (Fig. 77). Gerade so ist es der Fall am Enddarme der Muriciden (Fig. 54), wo das so zusammengesetzte Bindegewebe sehr ansehnlich entwickelt vorkommt, wie überhaupt an den Eingeweiden. Nun scheint es aber, dass bei Concholepas die Plasmazellen im Bindegewebsnetz des Vorderdarmes durch die vielkernigen Gebilde des Netzes substituirt sind, und von diesen Plasmazellen wissen wir, dass sie in den meisten Fällen Reservestoffe beherbergen. 1 Siehe besonders J. BROCK. 2 Siehe u. A. die zahlreichen Abhandlungen Fr. LeyviG’s und die J. Brocr’s (l. ¢.), ferner J. LArFuie's über Oncidium (1. c.). Die Morphologie der Prosobranchier. 125 Die Niere. Die Niere von Concholepas schließt sich in ihrer Form jener von mir bei Cassidaria echinophora und Dolium Galea beschrie- benen! an, nur findet sich bei den Rhachiglossen eine, der ganzen Abtheilung eigenthümliche Modifikation, wie ich dieses auch schon für die Gattung Murex mitgetheilt habe. Diese besteht bei allen von mir untersuchten Rhachiglossen darin, dass der rechte Lappen der Niere, der in Vergleichung mit der Niere ältester Formen der Prosobranchier als der hintere Lappen sich herausstellte, nicht aus zwei Theilen besteht, wie dieses bei etwas älteren Formen der Prosobranchier, z. B. bei Doliden, der Fall, sondern zu einem ein- heitlichen Ganzen verschmolzen ist. Dieses Verhalten wurde von mir bereits für die Muriciden dargelegt, auf welche frühere Arbeit 2 ich auch bezüglich der Phylogenie der Prosobranchierniere hinweise. Die Niere von Concholepas liegt als ein äußerlich sackförmiges Gebilde im Körper vor der sogenannten Leber (Fig. 89 N) dieser mit seiner hinteren Wand fest an. Dabei nimmt sie in der Körper- höhle eine nicht bei allen höheren Prosobranchiern anzutreffende Lagerung ein, welche in der Art wie bei Concholepas, so weit meine Erfahrungen reichen, sich nirgends vorfindet, denn bei Anderen liegt der Vorderlappen etwas nach links, bei den Fusiden sogar ganz nach links, der Hinterlappen aber nach rechts. Bei Concholepas ist ihre Lagerung eine von jenen verschiedene, denn der Vorder- lappen bildet die vordere Wand, der Hinterlappen die hintere Wand des Nierensackes. Der Vorderlappen ist auch in der Färbung vom Hinterlappen verschieden, denn während letzterer (Fig. 85 2) braungrau gefärbt ist, besitzt ersterer eine ledergelbe Färbung (7). Diese verschiedene Färbung der Nierenlappen kennen wir auch bei den Doliden und bei der Gattung Murex?. Der Vorderlappen ist im Verhältnis zum Hinterlappen klein; er hat eine nach außen konvexe, nach innen, dem Nierenlumen zu, konkave Form und ist dabei schmal und lang (Fig. 85 /). Er öffnet sich mit zahlreichen schlitzförmigen Öffnungen (6) in das Nieren- lumen. Sein feinerer Bau wurde, wegen Mangel an brauchbarem 1 B. Hauer, Beiträge zur Kenntnis der Niere der Prosobranchier. Morph. Jahrbuch. Bd. XI. 21. c. pag. 40—48. 31, ec. pag. 29, 30. 126 B. Haller Material, eben so wenig, wie jene der ganzen Niere untersucht; dass er jedoch, gemäß der phyletischen Entwicklung, gleich wie bei den Doliden vom Hinterlappen, verschieden ist, kann ich versichern. Diese verschiedene Entwicklung wird durch das Prineip der Arbeits- theilung hervorgerufen, wobei sich die Nierenlappen auf eine inter- essante Weise geweblich von einander sondern. Während nämlich die Niere von Haliotis und den Trochiden zweierlei excernirendes Epithel ziemlich gleichmäßig in allen Lappen gemischt führt, son- dert sich dieses Epithel bei den höheren Prosobranchiern auf die zwei Hauptlappen und darum findet sich im Vorderlappen ein vom Epithel des Hinterlappens verschiedenes Epithel vor!. Diese Ver- schiedenheit der Elemente prägt sich im chemischen Verhalten und in der Größe ihrer Zellkerne morphologisch aus. Es liegt somit der Gedanke nahe (auf welchen ich schon früher hingewiesen habe), dass auch in der Funktion der beiden Nierenlappen eine physiolo- gische Sonderung eingetreten sei und es wäre in der That eine sehr erwünschte Leistung, wenn bei jenen Prosobranchiern, wo man der Niere vermöge ihrer Größe makrochemisch leicht ankommen kann, wie bei Dolium Galea, die Nierenlappen chemisch untersucht würden. Der mächtige Hinterlappen ist zwar durch starke Einkerbungen von dem gleichnamigen Theil der Niere der Murieiden verschieden, doch wird er nicht in zwei Theile getheilt wie bei den Doliden, sondern ist gleich wie bei den Muriciden ein einheitlicher Lappen (Fig. 85 2). Nach hinten stößt er dieht an die Mitteldarmdrüse (Fig. 89 =). Nach vorn zu ist die Niere durch mehrere starke Ein- kerbungen in mehrere in Form und Lage bei allen untersuchten Exemplaren konstante sekundäre Lappen zerlegt. Vorn, hinter und über der äußeren Mündung der Niere theilt ein breiter Einschnitt dieselbe in einen vorderen und einen mächtigen, mittleren (a) Abschnitt, welcher letztere wieder durch einen tiefen Einschnitt von dem hinteren Abschnitt (8) getrennt ist. Der vordere wie mittlere Ab- schnitt werden wieder durch minder mächtige recht tiefe Einschnitte in kleinere Läppchen zerlegt. Diese größeren Lappenbildungen erstrecken sich jedoch nicht über den ganzen Hinterlappen der Niere, sondern dieser stellt nach rechts ein einheitliches Ganzes dar, dessen Faltenbildungen (7) von vorn nach hinten ziehen. In situ liegt der Theil, den wir als den vorderen Abschnitt be- zeichneten, nach oben und rechts, der mittlere und hintere Abschnitt EN et OF Die Morphologie der Prosobranchier. 127 nach hinten der Mitteldarmdriise eng an. Somit schneidet der nach oben gelegene Theil des Hinterlappens den nach unten und hinten gelegenen unter einem spitzen Winkel, was in der angeführten Figur nicht abgebildet werden konnte. Diese Faltung findet in einer nach innen vom Nierenlumen zu konkaven Linie statt, welche, am Ende des ersten Einschnittes beginnend, sich nach hinten bis zum Lappenende erstreckt. Als mächtigste Masse des hinteren Nieren- lappens ist der nach rechts von dieser konkaven Linie gelegene Theil (2). Der hintere Theil des Hinterlappens ist weniger dick und an jener Stelle, wo die Niere fest an die Mitteldarmdrüse anstößt (Fig. 89 =) und mit diesem durch Bindegewebe eng ver- bunden ist, scheint die Drüsensubstanz auf einem ganz bestimmten Platze des Hinterlappens ganz geschwunden (Fig. 85 7). Immer- hin glaube ich aber, dass sie hier nicht gänzlich fehlt, sondern durch eine einfache Epithelialbekleidung histologisch nachweisbar ist. Diese Reduktion des Drüsengewebes an einer ganz bestimmten Stelle, welche bloß durch eine dünne Gewebsschicht der Mittel- darmdrüse vom Magenfundus getrennt ist, lässt sich dadurch er- klären, dass bei dem äußerst gefräßigen Concholepas sowohl Urin- kammer als auch Magen stets gefüllt sind und durch den Druck des letzteren der Drüsenkörper weniger nachzugeben in der Lage ist. Der Gang des engen Trichters (Fig. 86 tm) der Niere öffnet sich in die Urinkammer hinter der äußeren Nierenöffnung und von dieser entfernt (Fig. 85 y). Der Geschlechtsapparat. Obgleich man seit Langem her gut weiß, dass sowohl der weib- liche als auch männliche Geschlechtsapparat der Prosobranchier sehr einfach gebaut ist, so hat man meiner Meinung nach die Anhangs- gebilde desselben viel zu wenig berücksichtigt. Gerade die Ein- fachheit des Apparates mag die Schuld tragen, dass außer der männ- lichen Geschlechtsdrüse, in der ja, wie bekannt, zuerst von Lrypie¢! bei Paludina, in neuerer Zeit von Max von Brunn? die doppelte Form der Samenfäden beobachtet und bei den meisten Formen der ! Über Paludina vivipara. 2 M. v. BRUNN, Untersuchungen über die doppelte Form der Samenkörper von Paludina vivipara. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXIII; und »Weitere Funde von zweierlei Samenkörperformen in demselben Thiere«. Zool. Anzeiger. 1884. pag. 546. 128 B. Haller Prosobranchier von dem Letztgenannten bestätigt wurde, alles Übrige so wenig Berücksichtigung fand. Bei Concholepas habe ich nun, so weit möglich, außer der äußeren Form, die ja für die Proso- branchier nichts bisher Unbekanntes bietet, auch einige histologische Daten mitzutheilen. Der männliche Geschlechtsapparat besteht aus dem Ho- den und dem Ausführungsgange, an welchem keine Anhangsgebilde vorkommen. Der ziemlich ansehnliche, ganz kompakte Hoden (Fig. 96 H) liegt, ähnlich wie das Ovarium (Fig. 89 O), im hinter- sten Theile des Eingeweidesackes, mit seiner Längsachse von hinten und links nach vorn und rechts gerichtet. Er ist hinten konvex (Fig. 96) und liegt mit seiner vorderen konkaven Seite der Mittel- darmdrüse, gleich dem Ovarium, innig an. An seiner hinteren Seite wird er durch tiefere Einschnitte in drei bis vier größere Lappen getheilt (Fig. 96), welche jedoch eng an einander lagern. Wenn man den Hoden zuerst untersucht, werden die inselförmig zwischen die Lappen der vorderen Seite eingekeilten weißen, an- scheinend von einander isolirten und drüsig erscheinenden Gebilde ‘d) auffallen, welche außer ihrer weißen Farbe, die von der mehr gelblichen des Hodens absticht, sich noch durch ihre Struktur aus- zeichnen. Diese Gebilde sind von verschiedener Größe, bei den verschiedenen Individuen in der Form verschieden und nur eines der- selben ist in seiner Form ganz konstant; frei aus dem Hodengewebe hervorragend, legt es sich als längliches Gebilde (Fig. 96 d) dem Ausführungsgange (de), ihn im Beginne umfassend, nach oben auf und ist mit ihm durch Bindegewebe fest verbunden. Als ich den Hoden noch nicht aus einander gelegt hatte, mach- ten diese sonderbaren Gebilde ganz den Eindruck eines drüsigen Organes und erst, als ich sie von dem Hoden gelöst, erkannte ich, dass sie nicht aus mehreren Theilen bestehen, sondern ein zusam- menhängendes Ganzes sind. Wir haben es eben hier mit nichts An- derem zu thun als mit einem sehr langen, engen und darum vielfach geschlingelten Sammelgang des Hodens, dessen Windungen, fest zusammenhaltend, das Innere und die vordere Fläche (Hilus) des Hodens einnehmen. Dabei sind sie an der vorderen Fläche von Hodenlappen vielfach freigelassen und täuschen darum hier, aus dem eigentlichen Hodengewebe inselförmig hervorragend, eine Viel- zähligkeit vor. Ein Stück dieses Sammelganges, in Glycerin isolirt, ist in Fig. 97 dargestellt. Es ist dieses gerade die Stelle, wo der Sam- Die Morphologie der Prosobranchier. 129 melgang in den viel weiteren Ausführungsgang (de) mündet. Fast bis zu dieser Einmündung münden überall kleine Hodenläppchen ‘s, s’, s’) in denselben. Der vielfach gewundene Sammelgang nimmt das Hodeninnere ein und so können wir uns leicht das rechte Bild auch ohne mikroskopische Schnitte vergegenwärtigen. Die äußer- lich einheitlich kompakte Hodendrüse besteht aus einer rindenförmigen Drüsenmasse und aus einem central ge- legenen, seiner Länge gemäß in vielfache Windungen ge- legten Sammelgang, in welchen die aus radiär gestellten Tubuli bestehenden Läppchen einmünden. Schon das einfache Auseinanderbrechen eines gehärteten Hodens zeigt die Zusammensetzung des corticalen, mächtigeren Theiles der Drüse aus radiär gerichteten Schläuchen. Diese Einzelschläuche verzweigen sich aber, wie gesagt, nicht, sie sind echte Tubuli und münden oft zu sehr vielen in einen engen kurzen Abschnitt, welcher sich direkt in den Sammelgang öffnet (Fig. 97 s, s’, s”). Die auf unserer Abbildung gezeichneten Läppehen sind sehr kurz, solche finden sich nur mehr im Inneren vor, denn die bis zur Oberfläche der kompakten Hodendrüse reichenden, wo sie an das den Hoden be- srenzende Bindegewebe anstoßen, sind von bedeutender Länge und übertreffen die abgebildeten an Länge um das Vierfache, wodurch die ganze Topographie ihre Erklärung findet. An isolirten Glycerinpräparaten, denen etwas Essigsäure zuge- setzt wurde, fand ich den Sammelgang aus einer feinen, mit dem umgebenden Bindegewebe fest zusammenhängenden Membrana limi- tans und einem inneren Plattenepithel (Fig. 98 d) bestehend. Ob jedoch dieses Epithel flimmert, weiß ich nicht. Stets war der Sam- melgang mit Spermatozoen erfüllt. Zwischen den einzelnen Schlin- gen findet sich Bindegewebe vor, das ganz den Typus des oben schon beschriebenen führt. Es besteht aus einem Netzwerk ver- zweigter kleinzelliger Zellen, in deren Maschen sogenannte Plasma- zellen liegen. Die Einmündung des Sammelganges in den weiten Ausführungs- gang findet tief im Inneren des Hodens statt. Der Ausführungsgang ist etwa um das Achtfache weiter als der Sammelgang und öffnet sich in die zum Penis führende Samenrinne. Nebendrüsen kommen an demselben nicht vor. j Der weibliche Geschlechtsapparat ist relativ wie absolut etwas voluminöser als der männliche, denn in der That waren die allergrößten Exemplare der Sammlung stets weiblichen Geschlechtes.. Morpholog. Jahrbuch. 14. 9 130 B. Haller Das Ovarium ist eine große, gleich dem Hoden nach hinten aus- gebuchtete, nach vorn ausgehöhlte Drüse (Fig. 9) O). Nach rechts ist es abgerundet, nach links läuft es in zwei, durch einen drei- eckigen Ausschnitt getrennte abgerundete Enden aus. Zwischen die- sen zwei rechtsseitigen Lappenenden beginnt der Hilus ovarii, der sich nicht über die ganze Drüse fortsetzt, sondern in der Drüsenmitte sein Ende findet. Aus ihm tritt der Anfangs dendritisch verzweigte Eileiter hervor, der bei seinem Abgange von der Drüse noch einen starken Ast aus dem unteren Lappen aufnimmt. Somit ist die Drüse sehr kompakt und zeigt mehrere, durch kleinere Lappen der Mittel- darmdriise verursachte Eindrücke an seiner derselben fest anliegen- den konkaven Seite. Seine größeren Lappen werden erst sichtbar, wenn man den Eingeweidesack und das der Drüse fest anliegende und zwischen ihren Lappen sich fortsetzende Bindegewebe abprä- parirt oder mit Essigsäure ganz durchsichtig gemacht hat. Der Bau des Ovariums ist bis auf das Keimepithel dem des Ho- dens ziemlich gleich, nur mit dem Unterschiede, dass nicht ein gerader, unverzweigter, durch zahlreiche Windungen diesen Mangel ersetzen- der Sammelgang die Drüsensubstanz durchsetzt, sondern dass jener, sich dendritisch theilend, die Drüsenläppchen aufnimmt. Diese be- stehen aus mehreren sehr langen Einzelschläuchen, welche sich in ihrer Lage nicht krümmen, sondern durch ihren zur Hauptachse der Drüse radiären geraden Verlauf dieser eine radiäre Struktur verleihen. Die Einzelschläuche (Fig. 91 7) vereinigen sich in einen verhältnis- mäßig engen Gang zu je einem Läppchen, welcher Gang an Dicke die Einzelschläuche nicht übertrifft und bald hierauf in einen Sam- melgangast einmündet (d). Dieser die Schläuche aufnehmende Gang ist länger als jener des Hodens und legt sich in Folge der Kom- paktheit des Ovariums in eine Schlinge. Dadurch nun, dass die kurzen Gänge der Lippchen fest an einander gelagert sind, entsteht in der Drüse folgende Strukturanordnung, die an einem größeren Lappen eines gehärteten Ovariums bei dessen Auseinanderbrechen oder beim Durchschneiden mit der Lupe erkannt werden kann. Zu äußerst besteht eine dicke, oft sehr mächtige Schicht radiär ange- ordneter Stäbehen, die Schläuche, dann folgt eine dünne Schicht, die wie gekräuselt erscheint, was wieder durch die an einander ge- lagerten kurzen gekrümmten Gänge der Läppehen entsteht und zu innerst endlich der Ast des Sammel- oder Ausführungsganges. Nachdem der Eileiter das Ovarium auf diese Weise verlassen, zieht er von links nach rechts und vorn (Fig. 89 ve), um zum Schlusse Die Morphologie der Prosobranchier. 131 in den Uterus zu miinden. So ziemlich auf halbem Wege erweitert er sich in eine ovoide Aussackung (Fig. 89 rs, 90). Ob diese Er- weiterung jener hinter der Mündung des Eileiters in den Uterus bei Littorina morphologisch entspricht, welche durch KEFERSTEIN! als Samentasche gedeutet wurde, lasse ich, da ich jene nicht aus eigener Anschauung kenne, unentschieden. Auch lasse ich in Mangel an eigener Beobachtung dahingestellt sein, welcher Art Homologie zwi- schen diesem Gebilde von Concholepas, der sogenannten Samen- tasche und Einweißdrüse der Paludina bestehen. Homolog werden sie jedoch bei den ferner lebenden Prosobranchiern mit jenem von Neritina fluviatilis sein, worüber CLAPAREDE? Folgendes sagt: »Ad latus dextrum partis illius (nämlich des Eileiters H.) intumestentia quaedam repetitur, parva, que cum tuba communicat et nihil aliud est ac dilatatio tubae ipsius.« Denn in der That liegt diese Erweite- rung zwar entfernter vom Uterus als es CLAPAREDE bei Neritina abbildet, jedoch gleichfalls an der rechten Seite des Eileiters. Diese Aussackung bei Concholepas ist nicht etwa eine runde Driise, die mit einem unpaaren Gange in den Eileiter mündet, sondern eine bloße Erweiterung desselben, in die derselbe ein- und ausmündet (Fig. 94). Die dicke Wand dieser Erweiterung, obgleich histologisch nicht weiter untersucht, ist gewiss drüsiger Natur. KEFERSTEIN giebt im Eileiter bei Prosobranchiern ein Flimmer- epithel an, worüber ich aus Mangel geeigneten Materiales nichts be- richten kann. . Es ist möglich, dass die Befruchtung der Eier im Receptaculum seminis eintritt und die Eier bereits befruchtet in den Uterus treten, wo sie ihre separate (?) oder gemeinschaftliche (?) Umhüllung er- halten. Der Uterus ist ein mächtig birnförmiges Gebilde (Fig. 90 U). Nirgends fand ich ihn bei den Prosobranchiern so kolossal entwickelt als bei Concholepas. Dieser gewaltige Umfang rührt jedoch nicht von einem weiten Lumen, sondern von seinen dicken Wandungen her. Letztere ist nicht muskulös, wie KEFERSTEIN für. gewisse For- men der Prosobranchier angiebt, sondern von drüsiger Beschaffenheit. Zu seiner äußeren Form habe ich weiter nichts hinzuzufügen, denn am besten wird sein Wesen durch einen Längsschnitt erkannt, der ibn median getroffen. An einem solchen (Fig. 92) sehen wir, dass die Dieke der Wandung des Uterus nicht überall gleich ist, wobei 1 Broxn’s Klassen und Ordnungen des Thierreiches. Bd. III. pag. 990. 2 C'LAPAREDE, Cyclomatis elegantis anatome. (Berolini.) pag. 20. Q* 132 B. Haller ganz konstant die dorsale Wand viel dicker ist als die ventrale. Vollkommen vergegenwärtigt werden uns diese Verhältnisse, wenn wir mit dem Längsschnitt einen Querschnitt mit in die Betrachtung ziehen. Ein solcher (Fig. 93) zeigt, dass die dorsale wie die la- terale Wand selbst um das Zehnfache dicker ist als die ventrale; doch variirt die Dicke, besonders der lateralen Wände, zwischen ge- wissen engen Grenzen, wobei ziemlich unkonstante Eindrücke und Auftreibungen auf ihren Oberflächen entstehen (Fig. 92). Zugleich erkennen wir einen auffallenden Farbenunterschied zwischen Dorsal-, Ventral-, Vorder- und Hinterwand einerseits und den beiden latera- len Wänden andererseits, wäbrend die ventralen Wände von hell- gelbbraunem, wachsfarbenem Kolorit sind (Fig. 92 p), sind die an- deren genannten Wände ganz weiß gefärbt. Besonders ist diese verschiedene Färbung auf dem Querschnitte auffallend (Fig. 93). Da die Uteruswiinde von drüsiger Beschaffenheit sind, so- schließe ich aus der verschiedenen Färbung der Wände auf Drüsen von zweierlei Funktion. In Unkenntnis der Funktion der beiderlei Drü- sen des Uterus wollen wir sie ihrer Farbe nach als gelbe und als weiße unterscheiden. Die beiden, das gelbe Drüsengewebe führenden Lateralwände sind von einander durch das weiße vollständig getrennt. Letzteres überzieht den ganzen Uterus in seiner Längsachse ring- artig und umgiebt sowohl die Mündung des Eileiters wie die nach außen fiibrende Öffnung des Uterus (Fig. 92 w) vollständig. Somit kommt das Ei zuerst mit der weißen Drüsensubstanz in direkte Be- rührung. Die Einmündung des Eileiters ist so eng wie sein früheres Lu- men. Die Öffnung des Uterus nach außen ist ein in der Quere ge- legener Schlitz, der von hinten nach links und etwas vorn gerichtet ist Fig. 92 m). Auf dem Längsschnitte sehen wir die weiße Drüsen- substanz an der oberen Wand unweit der Uterusöffnung abgerundet aufhören und hier die Dorsalwand bloß von einer sehr dünnen, mir geweblich weiter nicht näher bekannten Decke gebildet; das weiße Gewebe setzt sich an der unteren Wand bis zur Öffnung fort, die- selbe allseitig umgebend. Hierdurch entsteht in der oberen Wand, gleich hinter der Uterusöffnung, eine kleine Nische (Fig. 92 =), welche möglicherweise bei der Begattung eine Rolle spielt. Im Prineip zwar gleich bleibend, ist die weiße Drüsensubstanz bei den Monoceriden etwas anders vertheilt, während die Muriciden das gleiche Verhalten zeigen wie Concholepas. Ich führe dies hier bloß an, um zu zeigen, dass diese Anordnung einem ganz bestimmten Die Morphologie der Prosobranchier. 133 Gesetze unterworfen ist. Bei Monoceros imbricatum umzieht. die weiße Drüsensubstanz gleichfalls den Uterus seiner Länge nach ring- förmig, doch ist sie sowohl dorsal wie ventral bloß eine dünne Schicht (Fig. S2, S3). Die geringe Dieke der dorsalen Wand wird gewisser- maßen dadurch aufgewogen, dass die weiße Drüsensubstanz rechter- seits auch etwas weiter lateralwärts sich fortsetzt und hier, mächtig entwickelt (Fig. 82 =', an die gelbe Drüsensubstanz direkt anstößt. Letztere, in Gemeinschaft mit der weißen Substanz, springt hier etwas wulstartig vor (Fig. 83 w,, und diesem Wulste entspricht auf der linken Seite ein Eindruck. Von der oberen Wand setzt sich die weiße Drüsensubstanz noch eine gute Strecke (Fig. 83 7’) weiter der Einmündung des Eileiters fort, so dass das Ei noch länger zwischen weißer Drüsensubstanz verweilen kann wie bei Concholepas. Leider konnte ich bei keiner zur Sammlung gehörigen Form der Rhachiglossen zu histologischen Zwecken brauchbares Material aus dem Uterus erhalten. Es war überall hart, allein ganz brüchig und zeigte an der Bruchstelle eine deutliche radiäre Struktur in beiden Drüsensubstanzen. Zum Glück verfertigte ich noch vor Jahren zu Triest gute Präparate aus dem Uterus von Murex trunculus L., aber es wurde dabei, aus welchem Grunde kann ich mich nicht mehr er- innern, bloß die gelbe Drüsensubstanz geschnitten. Da die Präpa- rate sehr gut erhalten sind, darf ich das an ihnen Beobachtete mit- theilen. In ihrer ganzen Mächtigkeit bestand diese Substanz aus immens langen, bis 1,820 mm erreichenden, ohne Zwischengewebe fest an einander gelagerten Tubuli, die jedoch, bevor sie die dünne Umhül- lung des Uterus erreicht hatten, sich in Windungen legten (Fig. 84). Die Tubuli selbst bestanden. aus sehr hellen, großen kubischen Zellen, deren Kern sich sonderbarerweise gar nicht gefärbt hatte; auch der Zellleib färbte sich nicht. Die Windungen (w) bestanden abwechselnd aus diesen Zellen und solchen, die zwar von gleicher Form waren, jedoch mit ammoniakalischem Karmin und Pikrokarmin sich intensiv färbten. Sämmtliche Tubuli waren mit einem zähen, auch über die Uterusinnenfläche sich ausbreitendem Sekret erfüllt, das mit den angewandten Tinktionsmitteln sich intensiv färbte. Die- ses Sekret fehlte in den Windungen der Tubuli. Die sich intensiv tingirenden Zellen in den Windungen zeigen bei Vergrößerungen mit dem Immersionssystem (W. I. XI. REICHERT) ein deutliches homogenes Netzwerk (Fig. 95 p). das in den Knoten- 134 B. Haller punkten Verdickungen aufweist und sich intensiv tingirt. Es war über den ganzen Zellleib ganz gleichmäßig vertheilt. Der Kern (2), der bei genauer Betrachtung zwar in manchen Zellen aufzufinden war und dort eine Membran zeigte, war so arm an Chromatin, dass er sich fast gar nicht färbte. Beobachtete ich die sehr feinen Prä- parate längere Zeit aufmerksam, so konnte ich, mit dem vorigen Netze verschlungen, ein anderes, nur wenig tingirtes Netz erkennen, welches sich stellenweise auch in den hellen Zellen zeigte. Dieses Netz war fein gekörnt (Fig. 85 s) und stellenweise waren die Körn- chen massenhaft angesammelt. Die zwischen den Netzen sich fin- dende Substanz bietet gar keine Tinktion. Nach meiner Überzeu- gung haben wir es in dem feingekörnten Netze mit dem Protoplasma zu thun, während das sich intensiv tingirende homogene Netz das Sekret oder doch dessen Vorstufe vorstellt. Ein in Netzform sich anordnendes Sekret kommt ja bekanntlich auch in anderen Drüsen- zellen, so z. B. in vielen Becherzellen vor. In den Tubuli fand ich nie diese mit Sekret erfüllten Zellen. In der dünnen Umbüllung des Uterus fand sich absolut keine Muskulatur vor. Die Hülle bestand aus netzförmigem Bindegewebe (w), dem die sogenannten Plasmazellen fehlten, und war direkt mit dem Ektoderm (e) verbunden. An diesem Orte will ich die Verhältnisse des Uterus der unter- _ suchten Rhachiglossen, wie wir sie oben betrachteten, mit jener ferner stehenden Prosobranchier vergleichen, und zwar speciell mit den Verhältnissen bei Paludina. Bekanntlich mündet der Eileiter bei Paludina vivipara nach Angabe der Autoren nicht direkt in den Uterus, sondern vorher in eine hinten gelegene Erweiterung des- selben (Fig. 60), die gewöhnlich als ein aus dem Uterus gebildetes Receptaculum seminis erwähnt wird. Hinter dieser Erweiterung kommt eine etwas platte halbmondförmige weiße Drüse vor (gad), die der eben beschriebenen Aussackung fest anlagert. Weiter reichen leider die Angaben der Autoren nicht. | Das sogenannte Receptaculum seminis bei Paludina vivipara fasse auch ich als eine, vielleicht ganz drüsenlose Erweiterung des Uterus auf. Die als »Eiweißdrüse« bezeichnete Drüse hinter dieser Aus- sackung dürfte sich jedoch gleichfalls aus dem Uterus differenzirt haben und nichts Anderes vorstellen, als die weiße Drüsensubstanz der Rhachiglossen, so dass dann bei Paludina neben anderen spe- ciellen Einrichtungen bloß die gelbe Drüsensubstanz im Uterus selbst anzutreffen wäre. Die Morphologie der Prosobranchier. 135 Kieme und Herz. Dieser Organe habe ich nur mit wenigen Worten zu gedenken, denn ausfiihrliche Studien konnte ich bei der Unzuliinglichkeit des Materiales zu Schnitten nicht anstellen. Die Kieme ist sehr groß und langgestreckt, d. h. ihr oberer Rand, die Linie, welche die spitzen Enden der Kiemenblättchen in Form einer konvexen Linie verbindet, ist weniger konvex als bei ferner stehenden Prosobran- ehiern; somit waren also die mittleren Kiemenblättchen um nicht Vieles höher, wie die an den Enden der Kiemen sich vorfindenden. Nur gerade die allerletzten Endblättchen sind sehr klein. Die einzelnen Kiemenblättchen sind, wie bei allen höheren Proso- branebiern und somit auch im Gegensatze zu den Zeugobranchiern einfach befiedert. Unter den Rhipidoglossen !, deren Kiemenblättchen in so mancher Beziehung noch an jene der Placophoren? erinnern, tritt aber bekanntlich eine einfach befiederte Kieme bei den Trochi- den auf, die sich von hier an forterhält. Bei jenen doppelt gefiederten Kiemen tritt sowohl aus der Kie- menvene wie aus der Kiemenarterie, welche unten an der Befesti- gung der Kieme an dem Boden der Kiemenhöhle liegt, je ein Ast in den jederseitigen Theil des Kiemenblittchens. Bei den jüngeren Prosobranchiern ist aber der linksseitige Flügel des Kiemenblättchens gänzlich geschwunden, und die Kieme ist längs des ganzen Ver- laufes der beiden Kiemengefäße an den Boden der Kiemenhöhle be- festigt (Fig. 60). Demgemäß giebt auch jedes Gefäß nur einen Ast in das Kiemenblättchen ab. Stets ist bei den Rhachiglossen die obere Seite des dreieckig platten Kiemenblättchens kürzer als die entgegengesetzte, wodurch das Blättchen die Form eines ungleich- seitigen Dreieckes erhält. Das äußerst kräftige Herz hat im kontrahirten Zustande eine etwa birnförmige Gestalt (Fig. 86 7). Nach vorn tritt aus dem Herzen ein kurzer und von diesem scharf abgesetzter Gefäßstamm ab, der bald darauf sich theilt und nach rechts zur Körpervene wird (Fig. 86 2), während der gerade und nach vorn verlaufende Ast plötzlich sich zu einem weiteren muskulösen Theil erweitert (r). Diese Erweiterung verengert sich allmählich, verliert die muskulöse 1S. H. WeaMann, L’histoire nat. d. Haliotides. Arch. d. Zool. Exper. et gener. 2. Serie. Tom. II. 1884. 2 B. HALLER, Organisation der Chitonen d. Adria. II. Theil. Arbeiten aus dem Zoologischen Institut zu Wien. Bd. V. 1883. 136 B. Haller Wand und wird zur Kiemenvene. Es bestehen somit bei Concho- lepas für den Vorhof eigenartige Verhältnisse, denn während näm- lich sonst aus einem weiten muskulösen Vorhofe die beiden Venen abtreten, tritt hier die Körpervene zuvor ab und erst später erweitert sich der Vorhof zu einem muskulösen Rohre. Man könnte diese Verhältnisse vielleicht richtiger so auffassen, dass von der Musku- latur des Vorhofes bloß ein Theil sich forterhielt, der andere aber sich größtentheils riickbildete. An guten feinen Längsschnitten aus dem Vorhofe von Murex trunculus habe ich die bereits für Placo- phoren! und Rhipidoglossen? von mir beschriebenen Ganglienzellen gesehen, wenn gleich ich sie nicht wie dort ihrem ganzen Zusammen- hange nach habe studiren können. Was ich gesehen habe, waren große Ganglienzellen (Fig. 48), deren Eigenschaft als solche höch- stens von Sachkennern nicht bestritten werden kann. Sowohl der sehr typische Kern (zs) als auch die morphologische Natur der Fort- sätze sind sichere Beweise dafür. Der Zellkern war sehr groß, oval und zeigte neben einem deutlichen Kernkörperchen in dem abge- bildeten Falle noch ein anderes, weniger deutliches. Im Zellleibe fanden sich größere blasigglänzende Gebilde vor (p, yp’), die ich als durch die Reagentien veränderte Stoffwechselprodukte auffasse. Ich konnte seltener mehr als zwei Fortsätze erkennen, oft waren aber gar keine vorhanden; dies kann uns, da ich bloß Schnitte unter- suchte, nicht im geringsten wundern. Im abgebildeten Falle war ein starker Fortsatz (a) und in entgegengesetzter Richtung ein feinerer (d) vorhanden, der später sich dichotomisch theilte. Ich führe diese Beobachtung der Ganglienzellen im Murexherzen an, weil meine früheren ausführlichen Beobachtungen über die Inner- virung des Prosobranchierherzens weder von jenen Forschern, die über die morphologische Innervirung des Vertebratenherzens, noch von denjenigen, welche die Physiologie des Molluskenherzens nach dem Erscheinen meiner Arbeiten geschrieben haben, einer Berück- sichtigung gewürdigt worden sind; wahrscheinlich geschah dies, weil sie jene Beobachtungen gar nicht kannten. Und doch wäre es zur Erlangung eines weiteren Gesichtspunktes sowohl den mit der Histo- logie des Vertebratenherzens sich Beschäftigenden als den Physiologen zu rathen, die Vergleichung beziehungsweise die Heranziehung des morphologischen Befundes bei physiologischen Studien im Interesse der Sache nicht zu vernachlässigen. 1 B. HALLER, Org. der Chitonen der Adria. I. Theil. ? B. HALLER, Studien über mar. Rhipidoglossen. I. Theil. Die Morphologie der Prosobranchier. 137 Besonders ist es eine morphologische und eine physiologische Arbeit, die uns hier näher interessiren. Aus ersterer ersehen wir, dass die Verhältnisse der feineren Herzinnervirung bei Vertebraten, abgesehen von topographischen Verhältnissen, mit denen der Mollus- ken auffallend übereinstimmen; aus letzterer aber, dass die physio- logischen Befunde an dem Molluskenherzen meine morphologischen Angaben bestätigen helfen. Es sind dies die Arbeiten von Nicrra Lawbowsky! und WıLH. BIEDERMANN?. Meine eigenen schon bekannten Resultate über diesen Gegen- stand waren folgende: Das Herz der Prosobranchier wird, ähnlich wie das der Vertebraten von den Herzästen des Vagus und Sym- pathieus, von zweierlei Nerven, die aus zwei gesonderten und weit von einander entlegenen Gebieten stammen, versorgt. Dieses ward sowohl bei den Muriciden? als auch bei den Rhipidoglossen mit völli- ger Sicherheit beobachtet. Nach diesen Beobachtungen wurde das Herz von einem unpaaren Aste aus dem linken Eingeweideganglion und bei den Muriciden und Trochiden von einem aus der linksseitigen Kommissur zu den hinteren Eingeweideganglien, bei den sogenannten Zeugobranchiern jederseits von einem Nerven aus den jederseitigen Branchialganglien innervirt. Ersterer tritt stets an die Kammer, letz- terer resp. letztere an den Vorhof. Histologisch fand ich sowohl im Vorhofe bezw. den Vorhöfen wie in der Kammer ein bei den Placophoren mit wünschenswerthe- ster Sicherheit nachweisbares Netz, das aus Ganglienzellen und Ner- venfasern bestand. Bei diesen Thieren konnte ich sogar feststellen, dass aus den Ganglienzellen des Netzes abtretende feinste Äste sich, vielfach theilend, zu einem noch subtileren Netze mit anderen an- derer Zellen sich verbanden. Aus diesen Ganglienzellen gingen Fort- sätze direkt an viel größere Ganglienzellen als sie selbst waren, welche letztere sich mit ihren anderen Fortsätzen direkt in der un- mittelbaren Nähe eines Muskelkernes mit dem Sarcoplasma sich ver- band. Ja, diese Verbindung war so nahe von dem jeweiligen Mus- kelkern gelegen, dass ich früher sogar glaubte, die Nervenfaser 1 N. Lawpowsky, Uber die Fortsätze der Nervenzellen in den Herzgan- glien. Mitgetheilt von Prof. C. ARNSTEIN. Arch. für mikr. Anat. Bd. XXIX. 1887. 2 W, BIEDERMANN, Beiträge zur allgemeinen Nerven- und Muskelphysio- logie. 14. Mittheilung. Uber das Herz von Helix pomatia. Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Bd. LXXXIX. 1881.. 3 B. HALLER, Zur Kenntnis der Muriciden. Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Bd. XLY. 138 B. Haller verbinde sich direkt mit ihm, was ich, besonders nach den neueren Untersuchungen über motorische Nervenendigungen, nicht mehr an- nehmen möchte, sondern der Ansicht huldige, dass bei der motori- schen Nervenendigung das Protoplasma der Nervenfaser mit dem des Sarcoplasma und das Paraplasma des ersteren mit dem des Sarcoplasma ohne Grenzen verschmilzt, was mit der heutigen Zellen- lehre allein vereinbar ist. Denn auch die Nervenfaser oder »Ner- venprimitivfaser« besteht aus Proto- und Paraplasma gleich der Ganglienzelle oder der centralen Nervennetze, von wo sie abtritt. Dieses habe ich früher dargethan ' und meine Ansicht findet eine Stütze in den Arbeiten von J. PoIRIER?, der bei den Trematoden die breiten, direkt aus Ganglienzellen sich fortsetzende Nervenfasern aus feinen, mit einander sich nicht verbindenden Fädchen, die in Längsreihen angeordnet sind, erfüllt findet und in einer Arbeit Kupr- FERS®, der durch Vergoldung in den »Primitivfaserbündeln« eine Längsstreifung beobachtete, welche nur von Protoplasmafädehen ge- bildet sein kann. Die größeren Ganglienzellen, die ich »Endzellen« nannte, fand ich immer bipolar, wobei der centrale Fortsatz sich mit dem Kerne der Ganglienzelle direkt verband. Der andere Fortsatz aus dem Zellleibe trat an die Muskelfaser. Diese Zellen besaßen eine binde- gewebige Umhüllung, die, wie ich hinzufügen möchte, sich vom Nervenstamme hierher fortsetzte. Die Ganglienzellen waren in der ganzen Herzwand zwischen und auf den Muskelbündeln gleichmäßig vertheilt, nur hier und da lagen mehrere neben einander, ohne durch eine gemeinsame Umhüllung zusammengehalten zu werden. Lawpowsky fand multi- und bipolare Ganglienzellen im Herzen des Frosches. Nach seinen Abbildungen sind die multipolaren Zellen größer als die bipolaren. Die größeren Zellen besitzen eine binde- gewebige Umhüllung und in Fig. 2 wird deutlich gezeichnet und im Texte durch ARNSTEIN erwähnt, dass der centrale, von dem Nerven- bündel abtretende Fortsatz sich direkt mit dem Kern der Ganglien- zelle verbindet. Entweder treten periphere Fortsätze der Ganglien- 1 B. HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Nerven im Peritoneum von Doris tuberculata Lam. Arbeiten aus dem Zoolog. Institut zu Wien. Bd. V. 1884. 2 J. PoIRIER, Contribution a l’'histoire des Trematodes. Arch. de Zool. exper. et générale. 2. Serie. Tom. III. 1885. ; 3 C. Kuprrer, Uber den »Achsencylinder« markhaltiger Nervenfasern. Sitzungsber. der baierischen Akademie der Wissenschaften. Math.-phys. Klasse. 3. 1883. Die Morphologie der Prosobranchier. 139 zellen direkt an eine Muskelfaser, wo allerdings Lawpowsky sicher keine motorische Endigung auffinden konnte, welche aber ohne allen Zweifel vorhanden ist, oder sie bilden ein äußerst subtiles Netz. Es ist auffallend, wie nach diesen Hauptresultaten Lawpowsky’s die feineren histologischen Verhältnisse beim Frosch und bei den Proso- branchiern übereinstimmen. Betreffs der Gruppirung und Lagerung sind natürlich die Verhältnisse andere, aber von nebensächlichen Ver- schiedenheiten abgesehen liegen die Verhältnisse einander gleich. BIEDERMANN, der meine zwei Jahre vorher erschienene Publi- kation nicht gekannt zu haben seheint, hat nur flüchtige Beobach- tungen am Helixherzen angestellt und gleich Foster die Nerven und Ganglienzellen nicht aufzufinden vermocht, welch’ letztere bei Helix und Bivalven J. DogıeL vor der Fosrer’schen Äußerung gesehen hat. BIEDERMANN’s Untersuchungen, in denen der DocıEr’schen Mittheilung nicht gedacht wird, sind somit rein physiologischer Art und ich will daraus nur dasjenige anführen, was meine morphologischen Befunde an anderen Schnecken stützt. Was vor Allem die äußere, extracar- diale Innervirung betrifft, die Fosrer und BIEDERMANN gleichfalls nicht aufzufinden im Stande waren, so erkannte BIEDERMANN, dass ein »leichtes Streichen des Perikards und dessen nächster Um- gebung mit einem Pinsel hinreicht, um das vorher ganz regelmäßig schlagende Herz für einige Zeit in diastolischen Stillstand zu ver- setzen. Andererseits kann man mit ziemlicher Sicherheit die rhyth- mische Bewegung wieder hervorrufen, wenn man mit einer stumpfen Spitze die Gegend der dem Herzen benachbarten Eiweißdrüse reibt«. Durch seine und hauptsächlich FostEr's negative Beobachtung irre geleitet, mochte er die eben angeführte Beobachtung nicht einer, direkten Abhängigkeit des Herzens vom Nervensysteme zuschreiben, »immerhin« setzt er aber hinzu, »lässt sich nicht leugnen, dass man vielfach den Eindruck erhält, als bestände in der That eine der- artige Abhängigkeit«. Diese Beobachtung mit den anatomischen Befunden an dem Pro- sobranchierherzen erwogen, ließe sich bei Helix nur so erklären, dass man bei dem Bestreichen des Perikards und dessen Umge- bung denjenigen Nerven erregt, welcher den Vorhof von links zu innerviren hat, also bei Prosobranchiern den Herznerven aus der Kommissur und den hinteren Eingeweideganglien, beziehungsweise aus den Branchialganglien. Durch die Erregung dieses Nerven wird eine auf die Herzbewegung hemmende Wirkung ausgeübt, ganz ähnlich wie durch die Vagusäste (aus dem Plexus pulmonalis an- 140 B. Haller © terior) durch die Reizung des Vagus! der Wirbelthiere, und das Herz geräth, da der Reiz offenbar verhältnismäßig ein starker war, in einen diastolischen Stillstand. Wird nun in der Gegend der Ei- weißdrüse gereizt, so geräth jener Nerv in vermehrte Thätigkeit, welcher, bei Prosobranchiern aus den hinteren Eingeweideganglien stammend, die Herzkammer versorgt. Dieser Nerv ist aber, wie die Nervi cardiaci des Sympathicus der Wirbelthiere, von acceleratorischer Funktion und auf dessen Reizung hin geräth das Schneckenherz in rasche rhythmische Pulsation. Hierauf weist auch jene Beobach- tung BIEDERMANN’S hin, dass jede Zerrung des Herzens beim Her- ausschneiden zu vermeiden ist, da in diesem Falle »eine mehr oder minder große Reihe von rhythmischen Zusammenziehungen ausgelöst wird«. Da man nun beim Herausschneiden des Herzens das Peri- kardium und so auch dessen linken Rand, wo der Nervus retardens eintritt. rasch durchschneidet, so kommt jene ganz momentane Wir- kung wahrscheinlich kaum zur Beobachtung und hört sofort nach dem Durchschneiden auf, in so fern man etwa den peripheren Ner- venstamm künstlich nicht weiter reizt. Wird aber das Herz in seiner Lage gezerrt, dann treten jene rhythmischen Zusammenziehungen als vermehrte Schläge auf. Indem nun BIEDERMANN’s Beobachtungen meine anatomischen Befunde stützen, ergänzen sie dieselben, indem sie uns darüber aufklären, welcher Herznerv der acce- lerirende und welcher der retardirende ist. Was die Ganglienzellen im Herzen betrifft, so genügt folgende Beobachtung BIEDERMANN’s. Er fand, dass einzelne im Blut auf- bewahrte Stückchen aus der Ventrikelwand sich zuvor kontrahirten, worauf in vielen Fällen ihre vollkommene Erschlaffung eintrat. Öfter beobachtete er nun an solchen Herzstückehen nach der Er- schlaffung eine wieder auftretende rhythmische Pulsation, die bei nie- derer Temperatur stundenlang andauerte. Er fährt dann weiter fort: »Auch diese Thatsachen scheinen zu Gunsten der Meinung Foster's zu sprechen, dass automatische Nervencentren dem Schneckenherzen thatsächlich fehlen, man müsste denn annehmen, dass in je- dem Stückchen der Ventrikelwand Ganglienzellen vor- handen sind, wofür die anatomische Untersuchung keinerlei An- haltspunkte gewährt.« In der That gewährt sie aber solche, wie ! Bekanntlich hören, wenn der Vagus etwa auf die Wrser’sche Weise gereizt wird, die Herzschläge plötzlich auf, indem das Herz in der Diastole verbleibt. Die Morphologie der Prosobranchier. 141 dies aus meinen Untersuchungen iiber das Herz der Prosobranchier ersichtlich ist! Die Stellung von Concholepas in der Abtheilung der Rhachiglossen. Nach der Beschreibnng der anatomischen Verhiltnisse von Con- cholepas ist es angezeigt, die wichtigsten Resultate zusammenfassend, die Stellung, die das sonderbare Genus, denn als solches muss Con- cholepas bezeichnet werden, im Systeme vertritt, zu besprechen. Dass Concholepas zu den Rhachiglossen und unter diesen zu den Bucciniden zu rechnen sei, diese Annahme der Alten begriindet seine Anatomie und braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Unsere Aufgabe ist nur, die Stellung dieses Genus innerhalb der Rhachiglossen näher zu erörtern. Wenn ich auch weiß, dass auch andere nach dem Lesen dieser Schrift zu denselben Schlüssen, zu denen ich gelangt bin, gelangen werden, so möchte ich eben dieses hier erörtern. Concholepas zeigt in Betreff des Fußes, des Gehäuses und des Spindelmuskels und somit in der äußeren Körpergestalt Verhältnisse, welche eine große Ähnlichkeit mit älteren Prosobranchiern verräth. In der That waren die älteren Forscher vor TROSCHEL, der, scharf- sichtig genug, selbst ohne Kenntnis der Anatomie der Prosobranchier, die Radula für das System verwerthbar erkannte, der Ansicht, dass Concholepas mit den Patellen verwandt sei. So geschah es denn, dass CHEMNITZ 1788 diesem Genus den Namen »Conchopatella« gab und uns in der neuesten Zeit E. L. Bouvier mit ziemlicher Naivität versichert, dass »L’innervation du pied ne rapelle en aucune facon linnervation du pied de la Patelle«!. In das Bestreben, im Centralnervensysteme centrale Theile mög- lichst zu koncentriren, finden wir ein junges Verhalten ausgeprägt, das sich fast in allen Abtheilungen der Mollusken kund giebt. Bei den Pteropoden finden wir ein solches Bestreben bei Cymbulia, noch mehr aber bei Carolinia vertreten?. Bei den diesen Formen ver- wandten Pulmonaten ist ein solches Bestreben gleichfalls allgemein und findet sich am wenigsten ausgesprochen bei Limnaeus, während der höchste Grad dieser Koncentration bei Arion und Limax erreicht ! E. L. Bouvier, Sur le systeme nerveux des Buceinides et Purpurides. Comptes rendus. 1885. pag. 1512. 2 P. PELSENER, Recherches sur le systeme nerveux des Pteropodes. Arch. de Biologie. Tom. VII. 1886. 142 B. Haller wird. Unter den Hinterkiemen tritt die nur größtmöglichste Kon- centration bei Tethys ein. Diese Thatsachen sind viel zu bekannt, als dass sie einer weiteren Erörterung bedürften. Bei den Prosobranchiern ist eine Koncentration bei den Rhachi- glossen ausgesprochen, unter denen sie mit Murex trunculus und brandaris beginnt und bis zu Concholepas mit Übergängen verfolgt werden kann, wo sie eben ihren höchsten Grad erreicht. Durch das stark koncentrirte Centralnervensystem verräth Con- cholepas, dass sie unter den auch sonst jungen Formen der Prosobranchier, den Rhachiglossen, diejüngste Form ist. Hierauf weist der gewichtige Umstand hin, dass Concholepas peruviana eine zwar sehr individuenreiche Art ist, denn wie bekannt. ist sie an der chilenischen und peruvianischen Küste so zahlreich vorhanden, dass die Gehäuse zum Kalkbrennen Verwendung finden !, aber die einzige bis jetzt bekannte lebende Art der Gattung ist fossil nur in einer recenten und einer miocenen Art vertreten?. Das geo- logisch junge Auftreten spricht dafür, dass es keine im Aussterben begriffene Form ist. Ist dem aber so, wie lässt sich mit diesem Thatbestande die an ganz primäre Verhältnisse erinnernde Fußsoble, das Gehäuse und der mit dessen Form eng zusammenhängende huf- eisenförmige Spindelmuskel vereinigen, die doch Verhältnisse sind, wie sie die ältesten Formen nur darstellen können? Concholepas stellt eine junge Form der Rhachiglossen dar, hat je- doch, wenn gleich die Anatomie mit der der anderen Rhachiglossen übereinstimmt, betreffsder Fußsohle und durch diese in Betreff des Gehäuses einen Rückschlag auf ganz primäre Verhältnisse durch die äußere Anpas- sung erhalten. Dieses Rückschreiten auf primäre Verhältnisse wird aber sehr leicht erklirlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Concholepas ein Felsenthier x7’ 220y7v ist. Durch die Anpassung an den steten Aufenthalt auf Felsen wird ihm bei äußeren Angriffen das sich Zurückziehen in das Gehäuse allmählich überflüssig, das Thier entgeht vielmehr nach Art der Fissurella ete. dadurch der ge- wöhnlichen Verfolgung, dass es sich an den Felsen als Unterlage anheftet und das Gehäuse fest anzieht. Hierdurch entfaltet sich der Gehäuserand beträchtlich, ein hufeisenförmiger Gehäusemuskel tritt 1 J. Leunis, Synopsis der Naturgeschichte des Thierreiches (Zoologie). Ilannover 1860. pag. 770 und 827. ? K. A. Zirret, Handbuch der Paläontologie. München und Leipzig 1882. Bü: I. spag:, 26% Die Morphologie der Prosobranchier. 143 wieder auf und der nun außer Gebrauch gekommene Deckel wird rückgebildet, in welcher sehr redueirten Form er in der That aufzu- finden ist. Wissen wir doch, dass bereits bei den Fissurellen und sogar Patellen das Gehäuse nicht ein primäres Verhalten darstellt, son- dern bloß ein auf solches oder doch ähnliches sich rück- beziehendes, wie dieses in allerneuester Zeit die entwicklungsge- schichtlichen Arbeiten W. Parren’s! und L. Bouran’s? zeigen. Ein ganz primäres Gehäuse, das auch durch die Ontogenie als solches sich dokumentiren würde, wäre bei Formen zu suchen, die eine Mittelstellung zwischen Placophoren und Patellen einnehmen. Monoceros. (Monoceros? Lam., Unicornis, MONFORT; Acanthina, FriscHer v. WALDH.; Rudolphia, Scuum?.) Nervensystem. Verdauungsapparat und Niere. Untersucht wurden Monoceros muricatum Chenu® und M. im- bricatum Lam.; letztere Art jedoch nur auf wenige Punkte. Die Be- schreibung des Centralnervensystemes bezieht sich auf M. muricatum. Der Schlundring ist, gleich wie bei sämmtlichen Vertretern der Rhachiglossen, äußert koncentrirt (Fig. 34) und der zweite untere Halbring, die Eigenheit dieser Gruppe, zeigt einige Abweichungen von Concholepas, obgleich sich auch hier ein größerer Koncentra- tionsgrad ausprägt wie bei den Muriciden, selbst Murex tenuispina nicht ausgenommen. Somit ist es hauptsächlich das Centralnerven- system, worin die Buceiniden von den Murieiden sich in so fern un- terscheiden, als der für die Rhachiglossen charakteristische zweite untere Halbring ein Resultat größeren Koncentrationsbestrebens, bei den Bucciniden einen höheren Grad der Koncentration erreicht hat. 1 W. Parren, The Embryologie of Patella. Arbeiten aus dem Zool. In- stitut zu Wien. Bd. VI. 1885. 2 L. Bouran, Recherches s. l’anatowie et le développement de la Fissu- reile. Arch. d. Zool. exper. et gener. 2. Serie. Tom. IIIbis (Suppl.). 3 Diese Bezeichnung ist die üblichere, obgleich ziemlich schlecht gewählt, da sie zugleich der Name eines Säugethieres (Narwal) und Fisches (Naseus Com. im rothen Meere) ist. 4 Siehe darüber R. A. Puinippr, Handbuch der Conchiologie und Malaco- zoologie. Halle 1853. pag. 146—147. 5 Siehe darüber J. C. Cuenu; Manuel de Conchologie ete. pag. 169. Fig. 828. 144 B. Haller Eine Vermittelung in diesem speciellen Punkte wiirde hen = den zwei Abtheilungen Murex tenuispina gewähren. Die Cerebralganglien sind oben etwas abgeplattet und ver- schmelzen nach außen innig mit den Pleuralganglien. An letzter Stelle sind die Verhältnisse ganz gleich denen bei Concholepas auf der rechten Seite. Links setzt sich das Pleuralganglion nach hinten in einen einheitlichen dicken Theil (2) fort, aus welchem dann die beiden Nerven der linken Nackenhälfte (8’, 9") abtreten. Etwas weiter nach hinten von dieser Stelle biegt nun dieses Gebilde nach rechts, um mit den schon bekannten nervösen Theilen der rechten Seite verschmelzend, den zweiten unteren Halbring zu bilden. Vorerst aber theilt er sich in eine obere (4) und untere (A’) Hälfte, die jedoch in ihrem ganzen Verlaufe über einander liegen und an der Berührungsstelle mit einander innig verwachsen. Der obere Theil (4) läuft allmählich in einen dicken Nerven (/7’) aus. Dieser ist der linke Spindelmuskelnerv, jedoch nicht ausschließlich, denn ihm sind noch Nerven angelagert, von denen ein bald abtretender (70 +12’) starker sich gabelt und den linken unteren Mantelnerven + Siphonal- nerven vorstellt. Der untere Theil des linksseitigen unteren Halbringes ist mäch- tiger als der obere, zeigt jedoch keine, wenn noch so kurze äußere Kommissuren, sondern ist äußerlich ein gangliöses Ganzes; nur nach rechts weist es in einer seichten Einschnürung und darauf folgenden kleinen Ausbuchtung die Lage des Subintestinalganglions (p.sd) an. Dieses verbindet sich rechterseits durch eine kurze, nach außen von Ganglienzellen überlagerten Brücke (v) mit dem rechten Pleuralgan- slion. Folgende Nerven treten aus diesem Halbringe ab. Nach links, der mächtigste von allen, ist die rechtsseitige Kommissur zu den hin- teren Eingeweideganglien (zr), darauf folgt der rechte innere Mantel- nerv (/2). Der rechte untere Mantelnerv (/0) und rechte Spindel- muskelnerv (7/7) treten, fest an einander gelagert, an der Stelle ab, wo die rechtsseitige Verbindung (v) liegt und bilden nach rechts mit diesem einen stumpfen Winkel (7). Eine Commissura supraintestinalis giebt es äußerlich hier nicht mehr, vielmehr ist das Supraintestinalganglion (g.sp) innig mit einem nach hinten verlängerten Theile (a) des rechten Pleuralganglions (7) verschmolzen. Vergleichen wir nun diesen zweiten unteren Halbring mit dem der übrigen Buceiniden und der Muriciden andererseits, so ist Fol- gendes hervorzuheben. Die Morphologie der Prosobranchier. 145 Bei den Purpuriden und Murex lingua-bovis Foss. Basterot, ist die Kommissur des linken Mantelganglions, sowie die Commissura subin- testinalis bereits einbezogen worden und beide Ganglien lagern fest _ an einander (Fig. 45, 56); die Grenze des linken Mantelganglions ist aber noch dem linken Pleuralganglion gegenüber markirt. Bei Mono- ceros muricatum geht nun die Koncentration weiter und es stellen sich Verhältnisse ein, die, abgesehen von untergeordneten, durch die Gattung selbständig. erworbenen Eigenheiten an Concholepas an- schließen. Beide oben genannten Ganglien verschmelzen unter ein- ander und eine Abgrenzung des linken Mantelganglions vom linken Pleuralganglion ist nicht mehr vorhanden. Eben so ist rechterseits die bei Fusiden sehr kurze Supraintestinalkommissur einbezogen worden. Wenn man die Verhältnisse bei dem Monoceros (Fig. 34) mit jenem bei Concholepas (Fig. 29) vergleicht, so wird man sich über- zeugen, dass es nur noch eines weiteren Schrittes bedarf, um jene der ersteren Form in das von Concholepas zu verwandeln. Die Pedalganglien sind gedrungen und etwas rundlich (Fig. 37), sonst zeigen sie nichts Besonderes. In Betreff des Darmkanales und seiner Adnexen schließt sich Monoceros eng an Concholepas an. Die Erweiterung des Rüsseldarmes auf der Buccalmasse ist ent- ' sprechend der letzteren länger als bei Concholepas, sowie der ganze Rüsseldarm (Fig. 19 A, «) um etwas länger ist als dort. Dieses entspricht wieder dem längeren Rüssel. Die birnförmige Erweite- rung (b) ist kleiner und geht nicht so allmählich in den darauf fol- genden Theil des Vorderdarmes über wie bei Concholepas. Ob an seinem hinteren Ende die kleine Drüse vorkommt, weiß ich nicht anzugeben. Die Stelle, wo der Schlundring lagert, ist durch eine kleine Krümmung (¢) gekennzeichnet. Von hier an beginnt der Vorderdarm allmählich sich zu erweitern und bildet auf der großen Vorderdarm- drüse eine ähnliche kleine Schlinge (Fig. 19 A) wie bei gewissen (wohl männlichen) Exemplaren von Concholepas. ° Zu Beginn dieser Schlinge mündet die große Vorderdarmdrüse in den Darm (Fig. 19 B, eg). Ob die mittlere Vorderdarmdrüse, die bei Concholepas an dieser Stelle ihre Lagerung hatte, sich hier vorfindet, bin ich aus dem Mangel an geeignetem Materiale nicht im Stande zu entschei- den. Äußerlich ist nichts davon zu sehen. Die Buccaldrüsen sind nicht groß (dd.r), jedoch ziemlich kom- pakt, wenn auch nicht in der Weise wie bei Concholepas. Ihre Morpholog. Jahrbuch. 14. 10 146 B. Haller Ausführgänge bestehen, gleich wie dort, aus einem hinteren, viel- fach gewundenen (ag’) diekwandigen Abschnitte und einem geraden vorderen (ag), der hier relativ länger ist. Es scheint so, als ob bei Verlängerung des Rüssels, wie bei Monoceros, bloß der dünnwandige Abschnitt jenes Ausführganges betheiligt sei. Die große Vorderdarmdrüse (Fig. 19 A, D, Fig. 19 C) ist kompakter als bei Concholepas. Dieses spricht sich hauptsächlich in der Kürze des Schwanzstückes der Drüse aus (y). Der Vorderlappen ist kleiner und die ganze Drüse hat, besonders von unten gesehen (Fig. 19 C), eine konische Form. Das Ende des Schwanzstückes ist zugespitzt und lagert entweder dem Darme parallel an (A) oder biegt von links nach rechts (C’) etwas unter diesem. Von der Schlinge an bleibt der Vorderdarm bis zu seinem Ein- tritt in die Mitteldarmdrüse gleich weit. Die Mitteldarmerweiterung ist klein, rund (me) und hat nicht mehr jene ausgesackte Form wie bei Concholepas. Ein gegen den übrigen Mitteldarm zu erweiterter Theil ist nicht vorhanden und die Mitteldarmerweiterung geht ohne kenntliche Grenzen in den übri- gen Mitteldarm über. Jener besondere Abschnitt der Mitteldarm- erweiterung, der in Bezug auf seine Schleimhautoberfläche bei Con- cholepas charakteristische Bildungen zeigt und wo offenbar unter ganz ähnlichen anatomischen Verhältnissen wie bei Fissurellen ein sog. Magenpfropf liegen würde, fehlt also hier. Außer einigen wenigen sehr undeutlichen Eindrücken auf der Schleimhaut kann ich weiter nichts erkennen (Fig. 15 vd). Vielleicht ließe sich histologisch eine Grenze bestimmen, doch hierzu fehlte mir das Material. An der Stelle, wo der besprochene Theil der Mitteldarmerweite- rung äußerlich in die Aussackung der Erweiterung übergeht, findet sich eine konstante mächtige Falte vor (Fig. 15 w), welche die bei- den Abschnitte von einander trennt. Diese Falte dürfte hier die- selbe Aufgabe erfüllen wie der sogenannte Magenpfropf der Fissu- rella und Concholepas und der, ähnlich wie jener »Kıystallstiel« der Bivalven, auch bei Bythinia nach Moquin-Tanpon! und bei Strom- bus, Trochus turritus und Pteroceras nach HuxLey? vorkommen soll. Eben so, wie jene reine Verzögerung der zu verdauenden Nahrung in der Mitteldarmerweiterung herbeiführt, ist diese hier berufen, auf andere mechanische Weise dieselbe physiologische Aufgabe zu er- füllen. Hinter dieser ist der Boden der Aussackung drüsig (z) und 1,2 Citirt nach KEFERSTEIN. Die Morphologie der .Prosobranchier. 147 wird, wie bei Concholepas, von sehr mächtigen Tubuli gebildet (Fig. 16). Der übrige Theil der Aussackung besteht aus gröberen Längsfalten, welche von feineren Längsfalten des Vorderdarmes gut abgegrenzt sind (ed). Die Mitteldarmdrüse hat, entsprechend der Aufrollung, an Länge zugenommen (Z). Ein vorderer Lappen (v/) ist von dem hinteren, in den in die Spira des Gehäuses sich fortsetzenden (n), durch einen tiefen Einschnitt (w) abgegrenzt, die gröber als jene des nun folgenden Mitteldarmtheiles gegen diese (ed) wie abgegrenzt erscheinen. Der Enddarm ist, wie bei allen höheren Prosobranchiern (ed) weit. Eine Enddarmdrüse war äußerlich kaum sichtbar, ist jedoch als ein kleiner, weiter, vielfach ausgebuchteter Sack vor- handen und lagern von oben und rechts dem Uterus auf (Fig. 82 adr). Sie mündet unweit des Afters. | Die Niere von Monoceros schließt sich in jeder Beziehung der von Concholepas an. Der Vorderlappen ist jedoch noch geringer als dort. Der Hinterlappen besitzt hier wie dort mehrere Abschnitte, welche in Lage und Form durchaus denen des Concholepas gleichen; ja, sogar die dünne drüsenlose Stelle am Hinterlappen ist in ge- ringerem Maße vorhanden. Die Mündung in das Pericardium ist gleichfalls eng, doch lässt sie sich bei einiger Vorsicht, da ihre Ränder etwas aufgetrieben sind, leicht auffinden. Purpura. (Purpura, BRUGNIERES: Microtoma, SWAINSON.) Untersucht wurden P. persica Lam. und planospira Lam. Im Centralnervensystem dokumentirt sich Purpura sofort als echte Bucci- nide. Betreffs der Cerebralganglien und deren Verhalten zu den Pleu- ralganglien schließt sie sich eng an Concholepas an, während sie andererseits betreffs des zweiten, für die Rhachiglossen eigenen Halb- ringes große Ähnlichkeit mit Murex lingua-bovis zeigt. Die Cerebral- ganglien stoßen als zwei von unten nach oben etwas zusammenge- drückte, oben konvexe Gebilde fest an einander (Fig. 56, 57 V). Nach hinten und unten verschmelzen sie ohne äußere Grenzen mit den Pleuralganglien (7 und »). Wie weit die Pleuralganglien hier nach oben reichen, ist also äußerlich nicht bestimmbar. Linkerseits setzt sich das Pleuralganglion ganz kontinuirlich in das linke Mantel- ganglion fort (Fig. 56, 57 Img), welches seinerseits wieder mit dem Subintestinalganglion (g.sb) verwachsen ist, ohne dass jedoch ihre 10* 148 B. Haller Begrenzung dabei verloren ginge (Fig. 56). Aus dem linken Mantel- ganglion treten der Nerv der linken Nackenhälfte (5°), der linke untere Mantelnerv (/0'), ferner der sehr mächtige Siphonalnerv (/2’) ab. Der linke (nach meiner hypothetischen Annahme pag. 72 der rechte) Spindelmuskelnerv war an der sonst so charakteristischen Stelle, am rechtsseitigen Rande des linken Mantelnerven, nicht auf- zufinden. Das Supraintestinalganglion ist durch eine kurze, äußerlich deut- liche Kommissur (c.sp) mit dem rechten Pleuralganglion verbunden. Hierdureh schließt sich Purpura den Murieiden an. Ziemlich weit von einander treten die linke Kommissur zu den hinteren Eingeweidegan- glien (22) und der Geruchsnerv (4) aus dem Supraintestinalganglion ab. Aus dem mit dem rechten Pleuralganglion eng verwachsenen Subintestinalganglion treten zwei sehr mächtige Nerven, und zwar einer nach oben (7), der andere nach hinten (v7) ab. Der letztere, der hier schon aus mehreren, jedoch fest an einander liegenden Bün- deln besteht, ist die rechte Kommissur zu den hinteren Eingeweide- sanglien. Seine zwei inneren Bündel treten in das rechtsseitige hintere Eingeweideganglion und das äußere Bündel spaltet sich ziemlich weit von dieser Stelle als Nerv der Samenrinne resp. des vorderen Uterustheiles ab. Letzterer Nerv ist ein Theil jenes Bün- dels, der, durch seine Anlagerung an das Subintestinalganglion aus dem rechten Pleuralganglion entspringend, phyletisch eine so wich- tige Rolle erhalten hat. Der obere, aus dem Subintestinalganglion abtretende Nerv (%) ist sehr mächtig, da er den linken Muskelnerven, der sich bis hier- her zwischen dem Gewebe des Subintestinalganglions aus dem linken Mantelganglion begeben hat, den rechten inneren Mantelnerven, den rechten Spindelmuskelnerven und den rechten unteren Mantelnerven in sich fasst. Die beiden Penisnerven (8, 9), resp. beim Weibchen die Nerven der rechten Nackenhälfte, treten wie überall aus dem die Stelle des linken Mantelnerven kennzeichnenden Theile des rech- ten Pleuralganglions ab, der bei den Bucciniden in jenes Ganglion einbezogen wurde. Ein ähnliches Verhalten wie hier findet sich auch bei jüngeren Formen der Prosobranchier, bei Formen, wo die Bildung des zweiten unteren Schlundringes zuerst eingeleitet wird, den Natieiden nämlich. Bekanntlich entspringt bei Dolium! (anscheinend wenigstens) der linke Spindelmuskelnerv neben der Commissura subintestinalis aus if 1B. HALLER, Zur Kenntn. d. Muriciden. Dehkschr. d. Wiener Akad. Bd. XLV, Die Morphologie der Prosobranchier. 149 dem Pleuralganglion, und beide aus dem linken Mantelganglion der Rhachiglossen, welches Ganglion ja, wie ich schon früher nachge- wiesen habe!, einen abgeschniirten Theil des linken Pleuralganglions vorstellt. Bei Sigaretus neritoides L. nun begiebt sich der linke Spindelmuskelnerv noch bis zum Subintestinalganglion, diesem sich nach unten anlagernd (Fig. 55 r.mn); nachdem er dieses passirt, legt er sich auf einer kurzen Strecke einem Nerven fest an (v, 2’), der bei Natica gleichfalls diesen Platz einnimmt, bei Doliden jedoch bereits in das Subintestinalganglion einrückt und die erste Bildung des zweiten unteren Schlundringes einleitet. Dieser Nerv ist, wie wir wissen, die Summe von mehreren Einzelnerven, nämlich vom rechten Mantelnerven und dem rechten Spindelmuskelnerven?. Bei den Rhachiglossen im Allgemeinen haben sich die letztgenannten Nerven bis auf wenige Fasern, die mit der rechten Commissur gegen die hinteren Eingeweideganglien verlaufen. zur Innervirung der Sa- menrinne beziehungsweise des Vordertheiles des Uterus abgespalten, nur bei Purpura und Murex tenuispina lagern sie, ähnlich wie bei den Doliden, dem Subintestinalganglion an. Dieses Verhalten würde aber für meine Annahme auf pag. 72 ete. sprechen. Die Pedalganglien sind groß und in der Form jenen der Muri- eiden ähnlich. Erwähnen möchte ich noch, dass ich, gleich wie bei Concho- lepas, den unpaaren Vorderdarmnerven (Fig. 57 mx) aus dem hinte- ren Rande des linken vorderen Eingeweideganglions abtreten sah. Der Darmkanal ist ganz ähnlich wie bei Monoceros und auch die Drüsen zeigen keine äußeren Verschiedenheiten. Hinter der birnförmigen Erweiterung des Rüsseldarmes konnte aber die kleine Drüse so wenig wie vor der großen Vorderdarmdrüse die mittlere Vorderdarmdrüse äußerlich erkannt werden. Damit soll aber durch- aus nicht gesagt werden, dass sie auf Schnitten mit dem Mikroskope nicht nachweisbar wären. Die Ausführungsgänge der Buccaldriisen zeigen den hinteren vielfach gewundenen, dickwandigen und den vorderen geraden, dünn- wandigen Theil, wie bei den früheren Repräsentanten der Buceiniden. _ Die große Vorderdarmdrüse (Fig. 25), an der der Vorderdarm nur noch die bloße Andeutung einer Schlingenbildung aufweist, be- sitzt eine noch geringere Größe als bei Monoceros, was hauptsächlich durch das fast gänzliche Schwinden des Schwanztheiles bedingt wird. 1 Ibid. 2 Ibid. 150 B. Haller Die Mitteldarmerweiterung ist weiter als bei Monoceros und etwas lang gestreckt, doch konnte ich mich bei den ziemlich ange- griffenen kleinen Exemplaren iiber das Verhalten der Schleimhaut- oberfläche nicht informiren. Eine lange braune Analdrüse kommt bei beiden untersuchten Arten vor; sehr lang ist sie bei P. persica (Fig. 68 ad), wo sie sich rechts vom Darme in Form eines langen braunen Schlauches mit zahlreichen kleinen Aushuchtungen weit nach hinten erstreckt. Beim männlichen Thiere oberhalb und auswärts vom weiten Sammelgange gelegen, kann sie leicht Veranlassung zu Missverständnissen geben, indem sie einen Gang vortäuscht. Sie mündet unweit des Afters. Hier möchte ieh auch darauf aufmerksam machen, dass die Hy- pobranchialdrüse, die nach den Untersuchungen LACAZE-DUTHIERS! bei Murex den Purpursaft absondert, bei Purpura eine Differenzirung in zwei gut gesonderte Theile zeigt, in einen unteren mit gröberen Falten (Fig. 68 pd) und einen oberen (Ad). In wie weit hier eine Funktionstheilung stattgefunden hat, kann ich nicht angeben. Über die Niere habe ich wenig zu sagen, sie ist in jeder Be- ziehung der der zwei anderen beschriebenen Vertreter der Buceiniden gleich, nur fehlt die dünne Stelle am Hinterlappen und dieser Lap- pen ist etwas kompakter, welches Verhalten an die Muriciden er- innert. Diese Form der bei Concholepas ausführlich beschriebenen Niere ist somit für die Buceiniden charakteristisch. B. Murieides. Murex. Was hier über das Nervensystem von Murex brandaris L. und trunculus L. gesagt werden soll, ist durchaus nicht neu und ich habe an meiner hier oft eitirten Beschreibung weder etwas zu korrigiren noch zu erweitern, vielmehr darf ich nach einer gründlichen und, wie ich glaube, unbefangenen Nachuntersuchung meinerseits meine früheren Angaben vollinhaltlich aufrecht erhalten. Ich könnte somit auf meine früheren Angaben hinweisen. Der Vollständigkeit halber und um bei der Vergleichung den Leser nicht unnöthigerweise durch das Nach- schlagen in meiner früheren Arbeit zu molestiren, habe ich hier die dortige Abbildung über den Schlundring von Murex trunculus repro- ducirt, schon desshalb, weil dort die Abbildung durch den dilettant- haften Lithographen sehr mangelhaft wiedergegeben war. Eben so 1 Mémoire s. 1. Pourpre. (Ann. des sc. nat., Tom. XII.) Die Morphologie der Prosobranchier. 151 habe ich die dortige Abbildung des Schlundringes von Fusus syra- cusanus (L.) Brug. hier wieder gezeichnet, da ich mich überzeugte, dass es sich bei den anderen Fusiden eben so verhält. Natürlich soll hier bloß über das Centralnervensystem gesprochen werden. Die Kenntnis des peripheren Nervensystems von Murex, wie ich es an genannter Stelle beschrieben, setze ich hier eben so voraus, wie ich das bei Beschreibung des Schlundringes der Bueciniden that, denn nur durch das periphere Verhalten konnte, natürlich mit Be- nutzung der Vergleichung. der sonst unverständig bleibende Schlund- ring der Rhachiglossen enträthselt werden. Es soll also hier, be- züglich der Details genannte Arbeit voraussetzend, der Schlundring von Murex trunculus noch einmal kurz beschrieben werden. Die Cerebralganglien stoßen dieht an einander (Fig. 36 Cg): ihre Nerven treten aus der oberen vorderen Fläche ab. Durch eine ganz reine Kommissur sind diese Ganglien mit dem Pedalgan- glion jederseits verbunden (c). Die Kommissur selbst liegt zwischen zwei Ganglienmassen, und zwar einer vorderen (v) und einer hin- teren (2), die mit dem Pleuralganglion nach unten innig verschmolzen sind. Ich hatte früher die vordere Masse dem Cerebralganglion zu- gerechnet, bin aber heute der Überzeugung, dass dieses irrig war und dass wir es hier mit einem Theile des Pleuralganglion zu thun haben. Die übrigen Formen der untersuchten Rhachiglossen berech- tigen uns zu der Annahme, dass das Pleuralganglion mit seiner vorderen Hälfte von innen her dem Cerebralganglion eng anlagert und nach oben mit ihm sich verschmolzen hat, auch später die Cere- bropedal-Kommissur, die ja bei den beiden Murexarten noch äußer- lich deutlich sichtbar war (c), von außen überwuchert. Dieses in seiner Art freilich modifieirte Stadium findet sich bereits bei Murex lingua-bovis, dann aber schön bei den Fusiden vor. Zu Gunsten der eben dargelegten Auffassung sei mitgetheilt, dass ich mich in letzter Zeit davon überzeugen konnte, dass die Cerebropedal-Kommissur der zwei genannten Murexarten von der inneren Seite des Schlundringes, also der Darmwand her, in der That nicht wahrnehmbar ist, indem dort bloß eine kontinuirliche Ganglienmasse sich vorfindet. Der hintere Theil der Pleuralganglien ist nicht jederseits gleich- mäßig. Links (plg) ist er weniger mächtig als rechts (p/g’) und hängt dort durch eine dicke, kurze, äußerlich gangliöse Brücke mit dem linken, sehr mächtigen Mantelganglion (rmg) zusammen. Rechts ist dieser hintere Theil des Pleuralganglions mächtiger (p/g’) und reicht hoch auf das betreffende Cerebralganglion hinauf; er hängt 152 B. Haller durch eine kommissurale Verbindung (d) mit einem kleinen, unan- sehnlichen Mantelganglion zusammen. Dieses kleine, rechte Mantel- ganglion wird aber im Laufe der phyletischen Entwicklung bei den Buceiniden einbezogen, welches Verhalten bereits bei Murex lingua- bovis sich einstellt. Dass diese Mantelganglien, Eigenheiten der Muriciden und Buceiniden, besondere abgeschnürte Theile der Pleu- ralganglien sind, dafür sprechen außer den oben angeführten Ver- hältnissen der Muriciden noch ihre Nerven. Oberhalb der Verbindung des rechten Pleuralganglions mit dem gleichseitigen Mantelganglion tritt aus ersterem die Commissura su- praintestinalis (c.sp) ab. Sie ist von beträchtlicher Länge bei Murex brandaris, kürzer bei M. trunculus und endlich ganz kurz bei Murex lingua-bovis (Fig. 36, 46, 47). Aus dem Supraintestinalganglion (9.sp) tritt nach vorn der Nerv des SpENGEL’schen Geruchsorganes und nach hinten, diesem fest angelagert, die linke Kommissur zu den hinteren Eingeweideganglien. | Das Subintestinalganglion (g.sp) hängt linkerseits mit dem lin- ken, rechterseits mit dem rechten Mantelganglion durch je eine kurze, aber deutliche Kommissur zusammen. Zukünftige Untersucher mache ich auf eine Anomalie aufmerk- sam, die ich in einem Falle bei Murex trunculus beobachtete. Be- kanntlich tritt aus dem Geruchsnerven eine Verbindung zum Sipho- nalganglion, das sich speciell bei Muriciden vorfindet. In dem anomalen Falle (Fig. 58) traten aus dem etwas kleinen Suprain- testinalganglion der Geruchsnery und. die Kommissur normal ab, ersterer aber spaltete sich alsbald diehotomisch und verband sich mit seinem hinteren Aste (rt) durch eine kurze Anastomose mit der Kommissur zu den hinteren Eingeweideganglien. Der vordere Ast (y) trat zu einem der in diesem Falle paarigen Siphonalganglien (seg). An dem gemeinschaftlichen Stamm (n/) des Geruchsnerven und der Kommissur war ein kleines Ganglion (x) angelagert und erst weit hinter diesem trat der Geruchsnerv (2) von der Kommissur ab. Diese Anomalie ist als eine Art Rückschlag auf primärere Verhältnisse aufzufassen, denn bekanntlich tritt die Verbindung zum Siphonalnerven bei Cassidaria aus dem Supraintestinalganglion direkt ab!. Das kleine Ganglion (r) aber wäre als ein abgeschnürter Theil des Supraintestinalganglions aufzufassen. Die Pedalganglien sind groß und jeder zerfällt durch einen Die Morphologie der Prosobranchier. 153 seichten Einschnitt von unten in einen vorderen und hinteren Theil, von denen die Nerven des Vorder- und Hinterfußes abtreten. Der Schlundring von Murex radix (GMELIN) schließt sich dem von den angefiihrten zwei Arten in jeder Beziehung an. Ganz an- ders verhält es sich mit dem Schlundringe von Murex lingua-bovis (Foss. Basterot.!), der in seinem unteren zweiten Halbringe die größte Ähnlichkeit mit den Purpuriden aufweist und in diesem anatomischen Punkteein Übergangsglied von Muriciden zu den Buceiniden vorstellt. Außerdem zeigt es einige durch die Art erworbene Eigenthümlichkeiten. Das Cerebralganglion hat eine von vorn nach hinten plattge- drückte Form, wie wir diese sonst nicht antreffen und eben hierin spricht sich eine Eigenthümlichkeit aus. Von vorn betrachtet (Fig. 47 V) sind dieselben von der lateralen Seite aus etwas eingeschnitten und haben so eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Biskuitform. Me- dianwärts stoßen sie fest an einander und nur nach unten divergiren ihre Ränder, wo sie denn auch dem Rüsseldarme (oe) aufliegen. Sie sind, von vorn betrachtet, stark abgeflacht und nur ihre äuße- ren Ränder wölben sich etwas aufwärts. Mit ihrer unteren Hälfte liegen sie dem oberen vorderen Theil der Pedalganglien auf (Fig. 46). Die Cerebralnerven verlassen das Ganglion sämmtlich an seinem lateralen Rande, wodurch eben jeder Zweifel davon ausgeschlossen ist, dass wir es hier lediglich mit dem Cerebralganglion und nicht mit einer Verschmelzung von Cerebralganglion mit einem Theile des Pleuralganglions zu thun haben. Das Cerebralganglion hat sich so- mit bei diesem Murex nach unten mächtig entfaltet und dadurch gleichzeitig an Dicke eingebüßt; es hat eine sehr tiefe Lagerung “ am Schlundringe eingenommen. Eine Cerebralkommissur ist selbst- verständlich hier nicht sichtbar. Nach hinten lagert rechterseits das große rechte Pleuralganglion innig dem rechten Cerebralganglion an (Fig. 46 rpg) und überragt dieses nach oben. Bei Aufhellung in einem verdünnten Gemisch von Essigsäure und Glycerin schimmert eine Kommissur hindurch, wohl die Pleuropedalkommissur. Das rechte Mantelganglion ist ganz einbezogen und nur der Abgang der rechten Mantelnerven (10, 12) kennzeichnet seine Lage. Der rechte (ursprünglich linke) Spindelmuskelnerv tritt gemeinsam mit dem anderseitigen aus dem Subintestinalganglion ab (A). 1 CHENU, Manuel d. 1. Conchyliologie ete. Fig. 573. 154 B. Haller Von dem oberen Rande des rechten Pleuralganglions tritt die kurze Supraintestinalkommissur an das gleichnamige Ganglion (gsp). Dieses hat in so fern eine bezeichnende Gestalt, als die Ganglien- masse die Nervenfaserung nicht ganz in sich schließt, sondern dieser gleichsam anliegt. Das linke kleine Pleuralganglion ist mit dem linken großen Mantelganglion (Fig. 45 Zmg) eng verschmolzen. Letzteres, dessen (Grenzen zwar dem Subintestinalganglion gegenüber markirt sind, schließt sich diesem so eng an, dass eine Subintestinalkommissur äußerlich nicht mehr sichtbar wird. Das linke Mantelganglion ver- lassen ein, gleich bei seinem Abgange in einen äußeren dünneren und inneren sehr mächtigen Stamm zerfallender unterer Mantelnerv (10°) und der ebenfalls mächtige Siphonalnerv (/2'). Einen Spindel- muskelnerven konnte ich an dem linken Mantelganglion nicht ab- treten sehen, er vereinigt sich vielmehr im Subintestinalganglion mit dem der anderen Seite, von wo sie als ein mächtiger Stamm (Fig. 45, 46 h) gemeinsam abtreten. Hier würde man somit eben so wenig wie bei Purpura jene muthmaßliche Kreuzung der beiden Spindel- muskelnerven am rechten Rande des linken Pleuralganglions, even- tuell in der Subintestinalkommissur histologisch nachweisen können. Nach unten verlässt das Subintestinalganglion die rechte Kom- missur zu den hinteren Eingeweideganglien (Fig. 45, 46 nr). Die Pedalganglien haben dieselbe Form wie bei den anderen Murexarten und, obgleich jener untere seichte Einschnitt, der sich bei den anderen untersuchten Murexarten vorfindet, hier nicht auf- tritt, so ist doch durch die Divergenz der abgehenden Pedalnerven gezeigt, welche unter ihnen dem Vorder- und welche dem Hinter- fuße angehören. Nachträglich sei erwähnt, dass die Nerven auch am Schlund- ringe von dieser Murexart bis in ihr Endgebiet verfolgt wurden. Der Verdauungsapparat der Gattung Murex ist bisher noch nicht beschrieben worden. Einige kurze Angaben bezüglich seiner Drüsen sind allerdings vorhanden, sie sind aber nicht zutreffend. So ist z. B. die große Mitteldarmdrüse bei Murex brandaris von LEIBLEIN und jene von M. inflatus von Quoy und GAIMARD gesehen und kurz beschrieben worden, doch geben sie irrthümlich zwei Aus- führungsgänge davon an!. Eben so war die mittlere Vorderdarmdrüse 1 Citirt nach KEFERSTEIN aus Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thier- reichs. Bd. III. pag. 957—958. Die Morphologie der Prosobranchier. 155 von diesen Autoren gesehen worden. Die große Vorderdarmdriise nannte LEIBLEIN »Organ am Schlunde«, wurde auch später als LerBLein’sches Organ erwähnt. Ich selbst bildete den Verdauungs- apparat bei Beschreibung der Darminnervirung in meiner eitirten Arbeit über das Nervensystem von Murex ab, ohne ihn jedoch zu beschreiben. Die nun folgende Beschreibung des Verdauungsapparates der Gattung Murex bezieht sich auf die Arten M. truneulus, brandaris, radix und lingua-bovis. Der von den zwei erstgenannten Arten ist übereinstimmend und jener der anderen zwei Arten weicht nur in wenigen Punkten ab. Aus diesem Grunde führe ich den Verdau- ungsapparat von M. trunculus vor, indem ich die Besonderheiten der anderen Arten dabei berücksichtige. Der Rüsseldarm (Fig. 9) beginnt, gleich wie bei den Buceiniden, mit einem weiten Buccaltheil, der allmählich in den dünnen Ab- schnitt übergeht. Der letztere erweitert sich plötzlich und ganz ähnlich wie bei den Bucciniden, notorisch aber bet Concholepas, zu dem hinter dem Schlundringe gelegenen birnförmigen Organ (6). Ob diesem die kleine Drüse nach hinten zukommt, kann ich nicht angeben. Das weite birnförmige Organ geht allmählich in einen dünnen Abschnitt über, in welchen die mittlere Vorderdarmdrüse mündet. Diese erscheint bei Murex trunculus und M. brandaris (Fig. 9 2) einer Aussackung ähnlich, stellt aber in Wirklichkeit eine kompakte Drüse vor. Bei Murex radix ist sie eine sehr kompakte kleine, rundliche Drüse, die mit einem engen Gange in den Vorder- darm mündet und einer kurzgestielten Beere ähnlich sieht (Fig. 11 7). In situ ist sie fast ganz in die Lappen der großen Vorderdarmdrüse eingebettet. In anderer Form tritt diese Drüse bei Murex lingua- bovis auf und erinnert in ihrer Form etwas an Concholepas. Hinter der birnförmigen Erweiterung (Fig. 41 5) ist der Vorderdarm eng, erweitert. sich aber allmählich, und diesem erweiterten Darmtheile — lagert weiter gegen die große Vorderdarmdrüse zu die mittlere Vor- derdarmdrüse seiner ganzen Länge nach unten und auf seinen beiden Seiten, ähnlich wie bei Concholepas, in etwas lockerer Weise (Fig. 41 /) an. An den Ausführungsgang der großen Mitteldarmdrüse gelangt, setzt sie sich sogar auf dieser (g) weiter fort. Die Drüse ist hier somit sehr ausgedehnt und lagert, wie bei Concholepas, in der mus- kulösen Darmwand. Dass sie auch hier eine unpaare Mündung besitzt, geht schon daraus hervor, dass eine solche überall, wo die Drüse vorkommt, gefunden wurde. Bei den anderen Murexarten 156 B. Haller ist die Mündung sogar äußerlich erkennbar, besonders bei M. radix. Bei diesen Arten hat sich die Drüse sehr koncentrirt, ob sie dabei an Drüsengewebe eingebüßt hat, ist mir sehr unwahrscheinlich. Die Buccaldrüsen sind von sehr lockerem Gefüge (Fig. 9 dr), so dass sie bei nur geringem Auseinanderziehen die acinöse Struktur zeigen. Verschieden sind außerdem diese Drüsen von. jenen der Buceiniden noch dadurch, dass ihre Ausführungsgänge nicht mehr so lang sind, indem der hintere Theil derselben, der dort dicke Wände besaß und neben der Drüse sich in zahlreiche Windungen legte, bei den Murieiden fehlt und der Ausführungsgang nur aus einem langen, jederseits dem Rüsseldarme angelagerten dünnen Gange besteht. Bei Murex trunculus, brandaris und radix beschreibt der Vorder- darm auf der großen Vorderdarmdrüse keine als Schlinge zu be- zeichnende Krümmung, nur eine schwache Biegung scheint die bei Concholepas mächtige Schlinge, die auch bei den Buceiniden deut- lich gekennzeichnet ist, noch anzudeuten (Fig. 9, 11). Auch bei Murex lingua-bovis ist dies so. Die histologische Zusammensetzung des Vorderdarmtheiles von der birnförmigen Erweiterung bis zur Mitteldarmerweiterung wurde aus vergleichenden Rücksichten schon bei Concholepas erörtert. Die große Vorderdarmdrüse (Fig. 9 D) ist bei Weitem nicht so kompakt wie bei den Bucciniden, und besonders bei lebensfrischen Thieren, wie ich solche vor Jahren von M. truneulus und brandaris zu beobachten Gelegenheit hatte, ist sie als eine große acinöse Drüse mit weniger kompakten Lappengruppen, die durch Zwischengewebe unter einander locker zusammengehalten werden, erkennbar. Im Allgemeinen ist diese Drüse eben so gebaut wie bei den Bucciniden und hauptsächlich bei Concholepas. Ein mächtiger Vorderlappen (a) wird durch ein Zwischenstück (8) mit dem Hinterlappen verbunden. Letzterer läuft in ein dünnes Schwanzstück aus (x), welches sich an seinem Ende knopfförmig verdickt (siehe auch Fig. 11). Dieses Schwanzstück des Hinterlappens ist eigentlich der letzte Lappen je- nes größeren Theiles und zeigt ein Querschnitt von M. radix (Fig. 26), dass die Einzelläppchen, ohne vom Bindegewebe zusammengehalten zu werden, fest an einander gelagert in der gemeinsamen Umhül- lung liegen. Diese Umhüllung besteht hier nicht wie bei den Buc- ciniden hauptsächlich aus Muskelfasern, welche außerdem durch Sep- ten, die mit einander sich verbinden, der Drüse als Gerüst dienen, sondern aus einer die Läppchengruppen umgebenden zarten Membran. Am kompaktesten ist die Drüse bei Murex radix (Fig. 11), doch war Die Morphologie der Prosobranchier. 157 auch hier keine derbe Umhüllung vorhanden. Der verhältnismäßig . sehr dünne Ausführungsgang (Fig. 9 dm) kommt aus dem vorderen Lappen und mündet gleich hinter der mittleren Vorderdarmdrüse in den Darm. Sonst besitzt die Drüse, ähnlich wie bei den Buceiniden, ein weites Sammellumen, welches die Offnungen der Lappen und der Einzelliippchen aufnimmt. Das secernirende Epithel der Drüse habe ich nur in einem Stadium seiner Funktion an guten Schnitten beobachtet. Es sind hohe, nach oben etwas keilförmige Zellen (Fig. 108) mit oberem abgerundetem Ende. Die großen Kerne la- gen basalwärts. Der Zellleib wurde von gelben Kügelchen durch- setzt, die sich am oberen Ende der Zelle anhäufen, ohne jedoch das von feinkörnigem Protoplasma eingenommene Ende ganz zu errei- chen. Diese Kiigelchen gruppirten sich zu sieben und acht zu einem rosettenförmigen Gebilde, welches nach oben von einem hellen pro- toplasmafreien Hofe umgeben wird. Diese gelben Kügelchen sind während des Lebens der Zelle grün, wie ich an lebenstrischen ab- geschnürten oberen Zellenden, an denen auch die Cilien deutlich waren (Fig. 109), beobachtete. Sie ändern ihre Färbung offenbar unter dem Reagenseinflusse. Bei M. lingua-bovis verhält sich diese Drüse ihrer Gestalt nach etwas anders, wie bei den aufgeführten Arten. Das verdünnte Schwanzstück hat sich hier auf ein kurzes kompaktes Stück redueirt (Fig. 42, 43 und Fig. 44 y), wobei an der Stelle, bei der bei anderen Arten das Zwischenstück gelegen hatte, sich ein mächtiger Lappen entwickelt (Fig. 44 3), wodurch die Drüse ausgebreitet eine wesentlich andere Form erhält. Die Mitteldarmerweiterung (Fig. 9 M, Fig. 10) ist größer als bei Monoceros und Purpura, doch erreichte sie die enorme Größe von Concholepas auch relativ nicht. Ihre Ringmuskulatur giebt ihr eine sonderbare Oberfläche. Der Gang der Mitteldarmdrüse mündet nach unten vom Vorderdarme und ist also, mit der der Buceiniden verglichen, etwas nach unten gerückt. Die Mitteldarmerweiterung geht kontinuirlich in den übrigen Mitteldarm über, doch weiß ich über das Relief der Schleimhaut, da das Material zu sehr verwest war, nichts anzugeben. Durch einen kleinen Lappen (x) der Mitteldarmdrüse wird die Mitteldarmerweiterung an ihrer kleineren Curvatur bis zur Hälfte verdeckt. Diese Drüse zeigt weiter in ihrer äußeren Form nichts Besonderes. Ihre sehr langen zwei Gänge, aus den beiden Hälften der Drüse kommend, vereinigen sich und münden so mit einem un- paaren Endgang in die Mitteldarmerweiterung. 158 B. Haller Der Enddarm (Fig. 9 ed) ist weit und geht kontinuirlich aus dem Mitteldarme hervor. In ihn miindet bei allen untersuchten Arten die von LACAZE-DUTHIER’s entdeckte! dunkelbraune Analdrüse (adr). Diese ist äußerlich anders gestaltet als bei den Bucciniden. Als eine schöne acinöse Drüse führt sie in ihrer Mitte den Ausführungs- gang, wobei der nach vorn ragende Theil der Drüse etwas kleiner als der hintere ist. Die Niere von Murex trunculus wurde von mir bereits be- schrieben und abgebildet?, auf welche Beschreibung ich hinweise. Die Niere von Murex lingua-bovis (Fig. 37) ist im Wesentlichen von der von M. trunculus nicht verschieden und besitzt nur Eigenthüm- lichkeiten untergeordneter Natur. Vor Allem ist hervorzuheben, dass der Vorderlappen (/) etwas voluminöser ist als dort. Der Hinter- lappen erscheint nach Art einer Kieme der Prosobranchier, jedoch doppelt gefiedert (2) und biegt dieser Lappen etwas gegen die äußere Mündung zu nach unten (f). Die einzelnen Acini ragen nach außen zu etwas vor (Fig. 37, 39 2), was ich sonst nicht ge- sehen habe. Die Struktur des Hinterlappens lässt sich durch das in Fig. 38 gegebene Schema am besten versinnlichen. Nach innen würde die Urinkammer sich in Falten (f) legen, in deren Wände nach allen Richtungen die Lappen münden würden. Fusus Lam. und Pyrula Lam. Nervensystem, Verdauungsapparat, Niere. Das Nervensystem der Fusiden wurde von mir in der Arbeit über die Muriciden gleichfalls beschrieben und zwar von Fusus sy- racusanus (L.) Brug. Hier untersuchte ich Pyrula tuba?, Fusus pro- boseidiferus Lam. und Fusus spec.? Überall fand ich die gleichen Verhältnisse vor wie bei Fusus syracusanus. Indem ich die schon publieirte Abbildung des Schlundringes von F. syracusanus hier re- 1 Mémoire sur la pourpre. Annal. des Scienc. nat. (4) Zoolog. XII. 1859, 2 Beiträge zur Kenntnis der Niere der Prosobranchier. Dieses Jahrbuch. Bd. XI. pag. 39—40. Fig. 24. Diese Arbeit scheint den jungen französischen Autoren ganz unbekannt geblieben zu sein, wenigstens wird sie von keinem erwähnt. Und doch lässt sich die Niere wie jedes andere Organ für die Er- kenntnis der phyletischen Verhältnisse verwerthen, wie ich dieses in einer fol- genden Arbeit zu zeigen hoffe. 3 Es ist dasselbe Thier, das in Bronn’s Klassen und Ordnungen, Bd. III auf Taf. 85 Fig. 1 abgebildet wird. CHENU bildet das Gehäuse gleichfalls auf Fig. 615 seines citirten Werkes ab. Die Morphologie der Prosobranchier. 159 producire (Fig. 35), sei hervorgehoben, dass bei den Fusiden die Cerebropedalkommissuren, die bei der Gattung Murex noch äußerlich sichtbar sind, schon durch das Pleuralganglion überwuchert wurden. Die Mantelganglien und das Subintestinalganglion verhalten sich wie bei der vorigen Gattung!, Das Supraintestinalganglion hat sich je- doch bis fast zur Unkenntlichkeit verkürzt, so, dass das Suprain- testinalganglion (g.sp) fast an das rechte Pleuralganglion anstößt und es braucht in der That nur noch eines Schrittes, das Supraintestinal- ganglion in das rechte Pleuralganglion übergehen zu lassen. Dies ist das Bemerkenswertheste an dem Schlundringe der Fusiden. Sonst verhält sich Alles wie bei der Gattung Murex. Der Verdauungsapparat der Fusiden weicht in mancher Beziehung von dem sonst so gleichförmigen der Buceiniden und dem der Gat- tung Murex ab. Hauptsächlich ist es der Vorderdarm, der sich durch den Mangel der bei jenen Thieren beschriebenen Drüsen auszeichnet. Der Rüssel der Fusiden ist bekanntlich sehr lang und bei F. proboscidiferus, wo er wohl die größte Länge erreicht, diente er La- MARCK sogar zur Benennung der Art. Sowohl hierdurch, wie durch einen viel zu wenig betonten Umstand, dass nämlich bei den Fusi- den eine starke Verlängerung des Nackens auftritt (Fig. 27), welche bei anderen Rhachiglossen fehlt (Fig. 28, 39), wird der Riisseldarm enorm verlängert (Fig. 20, 21 a) und legt sich bei eingezogenem Rüssel in diesen und mit ihm in die in Fig. 20 getreu wiederge- gebenen Windungen. Der Rüsseldarm ist weit, aber hinter dem Schlundringe verengert sich der Vorderdarm bei F. proboseidiferus um Beträchtliches, während dies bei Fusus spee.? und Pyrula tuba nicht so ausgesprochen ist, ja bei F. spee.? kaum noch bemerkbar wird. Dieser verdünnte Vorderdarm mündet dann plötzlich in einen weiten Abschnitt. Bis hierher sind an dem Vorderdarme, mit Aus- nahme der Buccaldrüsen, keine äußerlich erkennbaren Drüsen vor- handen und es fehlt an ihm nicht nur die birnförmige Er- weiterung, sondern auch die mittlere Vorderdarmdrüse. Bei Fusus spec. ? kommt allerdings eine kleine Erweiterung vor jener großen eben erwähnten vor (Fig. 21 w), welche möglicherweise der mittleren Vorderdarmdrüse homolog ist, sie ist aber bloß eine all- seitige Erweiterung des Darmes, die allerdings an, der Stelle liegt, ! Pyrula von Fusus als eine besondere Gattung abgrenzen zu wollen, wie dieses nach dem Gehäuse‘, einem innerhalb enger Grenzen ganz unzulässigen Kennzeichen von Seiten der Conchyliologen geschehen ist, ist durchaus ver- nunftwidrig. : 160 B. Haller wo bei den Bucciniden und der Gattung Murex jene Drüse sich findet. Von dem birnförmigen Organe besteht nicht einmal eine Andeutung. Die Bucealdrüsen! sind, ähnlich wie jene der Murieiden, von sehr lockerem Gefüge, da eben kein mächtigeres Verbindungsgewebe auftritt. Hierin sowohl wie auch in jenem Umstande, dass der Aus- führungsgang, ähnlich wie bei der Gattung Murex, nicht aus zwei Abschnitten besteht, wovon der hintere durch seine dicke bindege- webige Wand und zahlreiche Windungen sich auszeichnet, wäre dann wieder eine Verschiedenheit der Buceiniden von den Muriciden be- gründet. Jedenfalls hängt die größere Gedrängtheit des Drüsenge- webes von der mächtigeren Entwicklung des interstitiellen Bindege- webes, welche wahrscheinlich mit Verhältnissen des Stoffwechsels zusammenhängt, ab, welches bei den Bucciniden überall so mächtig auftritt, und von diesem wird wieder die dicke Wand des hinteren Theiles des Ausführungsganges gebildet. | Wie erwähnt, bildet der Vorderdarm gerade an der Stelle, wo bei den Buceiniden und bei Murex die große Vorderdarmdrüse ge- legen war, einen weiten Abschnitt, der nach vorn zu sackartig aus- gebuchtet ist (Fig. 20 D). Bei Fusus proboscidiferus ist diese Aus- buchtung abgerundet, bei Fusus spec.? und Pyrula abgestutzt (Fig. 21 D). Nach hinten zu verengert sich dieser weite Darmabschnitt all- mählich zu dem in den Mitteldarm übergehenden Theil. Geöffnet (Fig. 22) zeigt die sackartige Erweiterung ihre Schleimhaut in zahl- reiche sehr feine Längsfalten gelegt. Der vordere dünne Vorder- darmabschnitt (vd) mündet mit enger Öffnung in diese Erweiterung, deren Längsfalten kontinuirlich in jene des darauffolgenden Vorder- darmtheiles übergehen. Bei Pyrula tuba ward die Erweiterung von KEFERSTEIN gesehen und richtig abgebildet?. Leider habe ich über den histologischen Bau dieses Abschnittes in Ermangelung geeigne- ten Materiales nichts ermitteln können. Da sie jedoch ganz genau an der Stelle gelegen ist, wo die große Vorder- darmdrüse der Buceiniden und der Gattung Murex, so leidet es keinen Zweifel, dass sie ein Homologon der- selben ist. Selbst wenn wir die drüsige Natur dieses erweiterten Vorderdarmabschnittes bei den Fusiden, welcher bei den Naticiden ! Irrthümlich führt KEFERSTEIN an, dass die Buccaldrüse bei Pyrula tuba Lam. unpaar sei; doch giebt er einen doppelten Ausführungsgang an. 2]. c. Taf. 85 Fig. 7 oe. Die Morphologie der Prosobranchier. 161 und Cypreaen entschieden drüsiger Natur ist, nachweisen könnten, so wird es ohne weitere Kenntnisse von Übergangsstadien kaum zu entscheiden sein, ob wir hier die Rückbildung einer Drüse oder deren beginnende Entfaltung vor uns haben. Es ist dieses jedenfalls eine schwierige Frage, und wenn sich Jemand doch dafür ausspreche, dass es sich hier nur um primäre Verhältnisse der großen Vorder- darmdrüse handele, so müsste dieses nur mit der größten Reserve geschehen. Die Mitteldarmerweiterung, die KEFERSTEIN vom morphologi- schen Standpunkte aus mit vollem Rechte als Magen bezeichnete, beschreibt derselbe! bei Pyrula tuba als eine nach hinten blindsack- artig sich verlängernde Erweiterung, und hat ganz richtig die drüsige Natur jenes Blindsackes bei vielen Prosobran- chiern erkannt. Gleich wie bei Pyrula tuba ist die Mitteldarm- erweiterung auch «bei F. proboscidiferus nach hinten ausgesackt (Fig. 20 A.me und Fig. 20 B). Der Gang der Mitteldarmdriise miindet auch bei den Fusiden an derselben Stelle wie bei der Gat- tung Murex. Die zwei langen Aste des Ausfiihrungsganges, welche fiir die Muriciden den Fusiden gegeniiber charakteristisch sind, miin- den in den nicht allzu kurzen Endgang, welcher nahe am Vorder- darme von unten sich in die Mitteldarmerweiterung öffnet (Fig. 20 A, lg und Fig. 21 /gl, /gr). Allmählich verengt sich die Mittel- darmerweiterung in den dünnen Mitteldarmtheil. Bei Fusus spec.? sind diese Verhältnisse in so fern andere, als sich hier keine große Aussackung vorfindet (Fig. 21 me), dafür aber der in den übrigen Mitteldarm sich fortsetzende Abschnitt (y) etwas geräumiger erscheint. Die Mitteldarmdrüse ist vorn breit (Fig. 20 A, C) und durch einen Einschnitt in zwei Zipfel gespalten, aus denen je einer der beiden zum Endgange sich einigenden Sammelgänge (Fig. 20 C, Ig.l, lg.r) hervortritt. Geöffnet zeigt die Mitteldarmerweiterung Folgendes. Die Längs- falten des Vorderdarmes (Fig. 18 vd) gehen kontinuirlich in die gröberen Falten der Mitteldarmerweiterung über, so dass hier am Relief der Schleimhautoberfläche zwischen Vorder- und Mitteldarm eine Grenze nicht angegeben ist. Die Falten der Aussackung sind grob und fassen die Drüsenmündungen zwischen sich. Vom Vorder- darme aus und oberhalb der Mündung der Mitteldarmdrüse (sog. Leber) bilden sehr hohe Falten einen starken Wulst. Dieser ist i}. c. pag. 956. Morpholog. Jahrbuch. 14. 11 162 B. Haller nach oben nicht ringförmig abgeschlossen. Durch diese Falte (AZ), die eben so wie bei Purpura, doch bedeutend niedriger ist, dürfte eine gewisse, wenn auch sehr beschränkte Retardirung der Nahrungs- stoffe in der Mitteldarmerweiterung stattfinden. Der sonstige Mitteldarm ist in sehr feine Längsfalten gelegt (md). Jedenfalls ist die Stelle, wo bei Concholepas der Magenpfropf liegt, hinter der Querfalte zu suchen, da diese aber sehr gering ist, so würde sie somit bei den Fusiden über. die Schleimhautoberfläche ver- theilt sein, also nicht gesondert bestehen. Der Enddarm (ed) erweitert sich im Gegensatze zu den früher betrachteten Formen plötzlich und ist somit dem Mitteldarme gegen- über auch äußerlich gekennzeichnet. Die Niere schließt sich in jeder Beziehung jener der Gattung Murex an (Fig. 24). Der Vorderlappen (7) ist klein, wogegen der braungraue Hinterlappen einheitlich mächtig und, wie man sich auszudrücken pflegt, »schwammig« ist. Der Trichtergang (?) geht aus der Urinkammer etwas weiter von der äußeren Mündung ab, als bei Murex (Fig. 37 2). | Was die Lage der Niere betrifft, so wendet sie sich noch mehr von rechts nach links als bei Murex, so dass hierdurch die Lappen mit ihrer Längsachse nicht mehr von hinten nach vorn und rechts gerichtet sind (Fig. 39), sondern von hinten nach vorn (Fig. 23). Wollte man somit die Niere der Fusiden ohne Rücksicht der phy- letischen Zustände der Rhipidiglossen beschreiben, so würde der Hinterlappen als rechter und der Vorderlappen als linker Lappen zu bezeichnen sein. Die Verschiedenheiten der Anatomie zwischen Buceiniden und Muriciden zeigen nur zu sehr, wie diese Formen allmählich in ein- ander übergehen und ich machte es mir zur Aufgabe, diesen kon- tinuirlichen Übergang der Formen in einander für eine große Ab- theilung der Mollusken, die Prosobranchier, zu zeigen. Diejenigen, die gern selbst zwischen kleineren Gruppen. syste- matische Charakteristiken entdecken wollen, werden gewiss mit der Zeit das Operculum zwischen Murieiden und Fusiden argumentarisch verwenden. Es giebt in der That einen Unterschied, denn indem der Deckel der Fusiden eine mehr oder weniger koncentrische Schichtung aufweist (Fig. 69), zeigt jener der Muriciden ein schich- tenweise horniges Gefüge (Fig. 48), doch giebt es hier deutliche Übergänge. “hae 4 4 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ji Die Morphologie der Prosobranchier. : 163 Erklärung der Abbildungen. Tafel III. Concholepas peruviana. Verdauungsapparat. ol Oberlippe, 7m Sphincter oris, de Buccalmasse, m Retractor der Buccalknorpel, r Radulascheide, rt Retractor radulae,. 6d./ linke, bd.r rechte Buccaldriise, ag dünner, ag’ dicker Abschnitt des Ausfiihrganges der Buccaldriisen, a Riissel- darm, 6 birnförmige Erweiterung des Vorderdarmes, /d, dr unpaare Vorderdarmdrüse, w Vorderdarmschlinge, ao, ao’ Aorta anterior, D große Vorderdarmdrüse, a oberer, 8 mittlerer,.y unterer Lappen der- selben, v Sulcus für den Darm in der Drüse, Z Mitteldarmdrüse (sog. Leber), g deren Endgang (sonst siehe die Beschreibung dieser Drüse), me Mitteldarmerweiterung (sog. Magen), ed Enddarm, V, V' bezeichnet die eigentliche Richtung der längsten Achse der Mitteldarmdrüse in situ. Conch. per. Die Vorderdarmschlinge rechts ihrer Länge nach ge- öffnet, links die größe Vorderdarmdrüse, g Gang der letzteren, ö dessen Mündung in den Darm, Dr, Dr’ unpaare Vorderdarmdrüse, s Schlinge, e Vorderdarm hinter der Schlinge (sonst wie auf Fig. 1). Conch. per. Der Vorderdarm an der Stelle, wo die große Vorder- darmdrüse (a) in ihn mündet, (ö) vorn oben und rechts geöffnet, v, v’ unpaare Vorderdarmdrüse. ; Conch. per. Die Mitteldarmerweiterung (sog. Magen) von oben durch einen Längsschnitt geöffnet. d Vorderdarm, hohe Längsfalte, die mit dem rechten Wulste (er’) im engen Theile der Mitteldarmerweiterung kontinuirlich zusammenhängt, er linker Wulst d. Mitteldr., Jo Aus- sackung am Beginne des Mitteldarmes, S weiter Theil der Mitteldarm- erweiterung, dch Ausführgang der Mitteldarmdrüse, oe dünner Theil des Mitteldarmes (sonst siehe Beschreibung). Conch. per. Mitteldarmerweiterung, von oben sammt dem hinter die- sem gelegenen Abschnitte des Mitteldarmes (oe) von oben geöffnet. Bezeichnungen wie in der vorigen Figur. Conch. per. Diinnerer Theil der Mitteldarmerweiterung sammt dem vorderen Abschnitte der Aussackung von oben geöffnet. Bez. wie in der vorigen Figur. Conch. per. Die Mitteldarmdrüse von hinten gesehen (sonst siehe die Beschreibung). Conch. per. Schnitt durch die Bedeckung der Mitteldarmariise (d), ag feine Arterie, dg netzförmiges Bindegewebe, ¢ vendse Lacune, m Muskelschicht, v venöse Lacunen unter dem Ektoderm ep. (Vergr. 8/2 REICHERT). 14° Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 3 Fig. Fig. Fig. Fig. 19: 20. 21. 22. 23.- 24. B. Haller Murex trunculus. Verdauungsapparat. 7 unpaare Vorderdarmdriise, L Mitteldarmdriise, adr Enddarmdrüse (sonst wie auf Fig. 1). M. trune. Mitteldarmerweiterung. vd Vorderdarm, d, d’ die zwei Endäste des unpaaren Ausführungsganges der Mitteldarmdrüse, ed Mitteldarm. Murex radix. Große Vorderdarmdrüse (Bez. wie auf Fig. 1). M. trunc. Schnitt aus dem Vorderdarm an der Stelle, wo die große Vorderdarmdrüse liegt. «a gefüllte, ce leere Epithelzelle, z Blutzelle, bb' netzförmiges Bindegewebe. (Vergr. 8/4 REıchH.) M. trunc. Schnitt wie vorher. (Vergr. 6/3 REICH.) M. trunc. Querschnitt aus der Wand der Aorta anterior. n netz- förmiges Bindegewebe, z sog. Plasmazellen, m Muskelschicht, e Endo- thel, 5% Blutzellen. (Vergr. 8/2 REICH.) Monoceros muricatum. Mitteldarmerweiterung von oben und links geöffnet. ed engerer Theil derselben, w Querwulst, » drüsiger Theil der Erweiterung, Lg Gang der Mitteldarmdrüse, oe dünner Mitteldarm. Monoc. muric. Tubulöse Drüsen aus dem drüsigen Theil der Mittel- darmerweiterung. (Glycerinpräparat. Vergr. 8/2 REICH.) Monoe. muric. Tureica propria der vorherg. Drüsenschicht. (Glycerin- präparat. Vergr. wie zuvor.) Fusus proboseideus. Mitteldarmerweiterung von oben und rechts ge- öffnet. oe Vorderdarm, gg Öffnung des Mitteldarmdrüsenganges, kl Falte zwischen Mitteldarmerweiterung und Mitteldarmende 4. Tafel IV. Monoc. muric. A Verdauungsapparat. 2 Vorderdarmschlinge. C große Mitteldarmdrüse von unten. Bez. wie auf Fig. 1. Fusus proboscideus. A Verdauungsapparat. 2 Mitteldarmerweiterung. C Mitteldarmdrüse nach Wegnahme der Mitteldarmerweiterung. Jg.7, !g.! Drüsengänge. Bez. wie zuvor. Fusus spec.? Verdauungsapparat. Bez. wie zuvor. Fusus probosc. Die Vorderdarmerweiterung, die der großen Yo darmdrüse der Buceiniden und Muriciden homolog ist, von oben ge- öffnet. Fusus spec.? Nach Wegnahme des Gehäuses von oben’gesehen. s Si- pho, pe Pericardium, 1 vordere, 2 hintere Lappen der Niere, sm Spin- delmuskel, fr Fuß. Fusus spec.? Niere von oben geöffnet, am Mündung nach außen, i Trichtergangmündung, ar, ar’ Nierenarterie, 1 Vorder-, 2 Hinter- lappen der Niere, » Darmlage unter der Niere. Purpura planospira. Große Vorderdarmdrüse von oben gesehen. Murex radix. Querschnitt der unpaaren Vorderdarmdriise. Fusus spec.? Kopftheil. Purpura planosp. Kopftheil. Conch. per. Schlundring von hinten gesehen. Cy, Cg’ Cerebralgan- glien, oc Otocyste, v.eig. vordere Eingeweideganglien, e Geschmacks- nerv, V, V’ die Stelle, wo die Pleuralganglien früher gelegen sind, img linkes Mantelganglion, g.sb Verschmelzung des Sub- mit dem Su- praintestinalganglion, J linke, nr rechte Intestinalkommissur (Kom- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 30. 31. 40. 41. 42, 43. 44, 45, 46. 47. 48. 49." 50. 52. Die Morphologie der Prosobranchier. 165 missur zu den hinteren Eingeweideganglien), P Pedalganglien, = hin- --terer, % vorderer Abschnitt derselben, 8, 9 Penisnerven. 8’, 9’ Nerven der linken Nackenhälfte, 11 rechter, 11’ linker Spindelmuskelnerv, 10’ linker unterer Mantelnerv, 12° Siphonalnerv, 12 rechter innerer Mantelnerv. Conch. per. Schlundring von links gesehen. I Nerv der Buccalmus- kulatur, 2 Hautrüsselnerv, 3 Hörnerv, 4 Rüsselmuskelnerv, 5 Fühler- nerv, 6 Augennery, 7 Nerven der Kopfhaut, Az Hautnerven, e Ge- schmacksnerv, d Darmnery. Sonst wie auf voriger Figur. Conch. per. Schlundring, den Darm umgreifend. /r linke Intestinal- kommissur (Kommissur zu den hinteren Eingeweideganglien), oe Rüssel- darm, D unpaare Vorderdarmdrüse. Sonst wie auf voriger Figur. , Conch. per. Vordere Eingeweideganglien. cd, cb’ ihre Kommissuren, e Geschmacksnerv, d, c.b Darmnerven, nr Nerv der Radulascheide w, Ganglion der unpaaren Vorderdarmnerven mn. Conch. per. Andere Form derselben Ganglien. Monoceros muricatum. Schlundring von hinten gesehen. Bez. wie auf Fig. 29, Fusus syracusanus. Schlundring von hinten gesehen. Bez. wie zuvor. Murex trunculus. Schlundring von hinten gesehen. Bez. wie zuvor. Murex tenuispina. Niere von oben geöffnet. Bez. wie auf Fig. 24. Schema der Nierenstruktur des hinteren Nierenlappens der Rhachi- glossen. Murex tenuisp. nach Wegnahme des Gehäuses von oben gesehen. pe Perikardium, 7 vorderer, 2 hinterer Lappen der Niere. Tafel V. Murex trune. Ganglienzelle aus dem Vorhofe der Herzens. (Vergr. imm. XI/2 ReEIcH.) Murex tenuisp. Vorderdarm. 5 birnförmige Erweiterung, /, /’ unpaare Vorderdarmdrüse, g Ausführungsgang der großen Vorderdarmdrüse. Murex tenuisp. Große Mitteldarmdrüse von oben. oe Darm. Murex tenuisp. Dasselbe von unten. Murex tenuisp. Dasselbe aus einander gelegt. Murex tenuisp. Schlundring von hinten gesehen. g.sp Ganglion supra- intestinale, r.mg rechtes Mantelganglion. Sonst wie auf Fig. 29. Murex tenuisp. Schlundring von rechts. Bez. wie zuvor. Murex tenuisp. Schlundring von vorn. D Darm. Bez. wie zuvor. Purpura persica. Deckel sammt dem Hinterfuße. Conch. per. Querschnitt. %% Kiemenhöhle, 7 Kieme, go Geruchsorgan, sd Eiweißdrüse, ed Enddarm, U Uterus, » dessen Befestigung, vd Vor- derdarm, x Aorta, vdr. große Vorderdarmdrüse, rm rechte, Im linke Ansatzstelle des Schalenmuskels, x Kreuzung seiner Fasern, x Binde- gewebe, f Fußrinne. Conch. per. Längsschnitt durch den hintersten Theil des Fußes. m Schalenmuskel, a, c, 5 rudimentäre Muskelbündel des Deckelmus- kels (Spindelmuskels), op Deckel. Conch. per. Gehäuse von oben. / Spira. Conch. per. Querschnitt aus der der Leibeshöhle zugekehrten Fläche 166 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 66. 67. 68. 69. B. ‘Haller des Fußes. Zhe Epithel der Leibeshöhle, 3 Arterie, m Muskelfasern. Vergr. 6/4 REICH.) Murex trunc. Querschnitt gegen das Ende der großen Verde drüse v.dr, vd Vorderdarm, aa Aorta, m Bindegewebe. Murex trunc. Bindegewebe um den Darm ete. (Vergr. 8/2 REICH.) Sigaretus neritoides. Subintestinalganglion. c.sb Commissura subin- testinalis, 2, mn Spindelmuskelnerv, vv’ Nerv der Samenrinne resp. Endtheil des Uterus. Purpura persica. Schlundring von hinten. Bez. wie ri (Fig. 29). Purpura persica. Schlundring von vorn. Murex trunc. Ein anomales Verhältnis des N sara g-sp, b Verbindungsast mit einem Paar Siphonalganglien sig, 12’ Si- phonalnerv, x accessorisches Ganglion, ¢ Geruchsnerv, ve Kommissur zu den hinteren Eingeweideganglien. Schema eines Kiemenblattes eines höheren Prosobranchiers. Paludina vivipara. Geschlechtsapparat. Vordertheil des Uterus «t weggelassen. rs Recept. seminis, gal Eiweißdrüse, ov Ovarium (nach BOUDELOT aus Bronn’s Klassen und Ordnungen). Schema des Spindelmuskels (schraffirt). Turbo. Längsschnitt über den Fuß und die Kiemenhöhle. S Spindel- muskel, «wf Unterfuß, o Operculum, fs Fußstrang, bm befestigende Buccalmuskeln, 5 Buccalknorpel, 7 Lippe, d Vorderdarm, K Kieme, mr Mantelrand. Patella spec.? Querschnitt durch den Fuß,. S, S’ Gehäusemuskeln, w Kreuzung ihrer Fasern, wf Unterfuß. Fissurella spec.? Querschnitt durch den Fuß. S’ Gehäusemuskel, st Seitentaster, uf Unterfuß, fs Fußstränge. Haliotis. Querschnitte A mehr vorn, B weiter hinten. S rechter, 5’ linker Schalenmuskel, mr Mantelrand, st Lappen am Fuße, uf Un- terfuß, 4k Kiemenhöhle, vd Vorderdarm. Schema des Verhaltens der Neryen zum Spindelmuskel bei einer Do- lidee (ält. Prosobranchiers). C Cerebral-, ¢ Pleural-, P Pedalganglien. S Supra-, S’ Subintestinalganglien, % hinteres Eingeweideganglion, rm rechter, /m linker Spindelmuskelnerv, p Nery zur Samenrinne etc. Dasselbe einer Rhachiglosse. Bez. wie zuvor. Purpura persica. Rechte Seite der Kiemenhöhle von oben: geöffnet. ‘ed Enddarm, sg Samengang, sr Samenrinne, rd Enddarmdrüse, pd Pur- purdrüse, Ad Hypobranchialdrtise, »m Mantelrand. Pyrula tuba. Deckel A von der Ansatzstelle g des Muskels, B von der Oberfläche. Tafel VI. Conch. per. Schnitt aus der vorderen unpaaren Vorderdarmdrüse (Fig. 71 t). (Vergr. 6/4 REICH.) Conch. per. Längsschnitt durch die birnförmige Erweiterung des Vorderdarmes. rd Rüsseldarm, of, of’, of’ ringförmige Falte beim Eingange in dieselbe, A Mitteltheil, ¢ vordere unpaare Vorderdarm- drüse. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 76. eT. . 84. 85. 86. 87. 88. 89. Die Morphologie der Prosobranchier. | 167 Conch. per. Große Mitteldarmdrüse mit geringer Schlingenbildung w des Vorderdarmes. > Conch. per. Querschnitt durch die untere Hälfte der großen Mittel- darmdrüse. A Driisenlumen, e Epithel derselben, w netzförmiges Binde- gewebe, n Nerv, m Muskulatur. Conch. per. Querschnitt durch den Vorderdarm zwischen der birn- förmigen Erweiterung und der Mündung der mittleren unpaaren Vor- derdarmdrüse. w Darmlumen, kg Arterie in einer Darmfalte, bh peri- intestinales Bindegewebe, gf Arterie in demselben, g/, gi’ gefüllte Bindegewebszellen, m Muskulatur. Conch. per. Querschnitt an der Mündung m der mittleren unpaaren Vorderdarmdrüse Dr, Dr’. L Darm, & große Falte, f bindegewebige Vorsprünge zwischen Darm und Drüse, x Nerven, gf Arterie. Conch. per. Linker Theil eines Querschnittes unweit der Mündung der großen Vorderdarmdrüse Dr. dh Ausführungsgänge derselben, s venöse Höhle zwischen Darm D und Drüse, bg netzförmiges Binde- gewebe, v linker Theil der mittleren unpaaren Vorderdarmdriise. Conch. per. Querschnitt durch den dicken hinteren Abschnitt des Ausführungsganges der Buccaldrüsen. dg Bindegewebe, m Ringmuskel- schicht, e Epithel. Conch. per. Die mittlere unpaare Vorderdarmdrüse Dr sammt dem Darme a, d von oben. Conch. per. Dasselbe von unten. f Medianfurche, g Ausführungs- gang der großen Vorderdarmdrüse. Conch. per. Querschnitt aus einem Acinus der Buccaldriise. (Sonst siehe Beschreibung. Vergr. 8/2 REıcH.) Conch. per. Zellen aus der Bucealdriise. (Vergr. 8/4 REıcH.) Monoe. muric. Querschnitt durch den Uterus U, = weißes Drüsen- gewebe, ed Enddarm, adr Enddarmdrüse. Monoe. muric. Dasselbe median geöffnet. e Eileiter, nn’ weißes Drü- sengewebe, ¢ Überzug, ö Öffnung nach außen. Tafel VII. Murex trunc. Querschnitt aus dem braunen Drüsengewebe des Uterus. a Drüsenschläuche, w deren Windungen, x Bindegewebe, e Ektoderm, s Sekret. Conch. per. Die Niere von oben und links geöffnet. am äußere Mündung, g Mündung in das Perikardium P, 1 Vorder-, 2. Hinter- lappen, ¢ dünne Stelle an letzterem. Conch. per, Perikardium von oben geöffnet. H Herz, r muskulöse Erweiterung, tm Nierentrichter, am Nierendffaung, K Kieme, dr Hy- pobranchialdrüse, es Eingeweidesack, m Schalenmuskel, mr Fußrand. Conch. per. A der rudimentäre Deckel op sammt dem Fuße f. B Fuß von unten gesehen. e Öffnung der Pedaldrüse. Conch. per. Gehäuse von unten gesehen. f Spira, Im, rm Ansatzstelle des hufeisenförmigen Schalenmuskels, s Rinne für den Sipho. Conch. per. Thier von oben geöffnet. rs Rüssel, sr Schlundring, bd, bd' Buccaldriisen, Dr große Vorderdarmdrüse, p Perikard, N Niere, 168 ig. 90. Fig. 79: 1192. . 93. 94. pions +96. te 98. ig. 99. ig. 101. . 100. . 102. . 103. . 104, . 105. 106. . 107. . 108. . 109. B. Haller Z Mitteldarmdrüse, O Ovarium, me Mitteldarmerweiterung, rs Recep- taculum seminis, n Uterus, ed Enddarm, In, rm Schalenmuskel, mr Mantelrand, K Kieme, go Geruchsorgan, r ‚die Stelle, an welcher der dünne Theil des hinteren Nierenlappens liegt. Conch. per. Weiblicher Geschlechtsapparat. © Ovarium, p Eileiter, rs Receptaculum seminis, Ränder des Überzuges vom Ektoderm. Conch. per. r Ovarialschläuche, » deren Sammelgiinge, d Sammel- gang der Drüse (Lupenvergrößerung). Conch. per. Uterus median geöffnet. d Eileiter, w, w’ weiße, p braune Drüsensubstanz. Conch. per. Querschnitt des Uterus. w weiße, p braune Driisensub- stanz, ed Enddarm. Conch. per. Längsschnitt des Receptaculum seminis. Murex trunculus. Sich stark färbende Zellen, aus einem Schlauche der braunen Drüsensubstanz des Uterus. (Vergr. imm. XI/2 Rercu.) Conch. per. Männlicher Geschlechtsapparat. H Hoden, d dünner, vielfach geschlängelter Sammelgang, de Ductus ejaculatorius. Conch. per. Glycerinpräparat aus dem Hoden. s, s’, s” kleinste Hoden- läppchen, d geschlängelter Sammelgang, de Ductus ejaculatorius. Conch. per. d Sammelgang des Hodens, dg Bindegewebe. (Vergr. 8/2 REıcH. Glycerinpriparat.) Tafel VIII. Conch. per. Längsschnitt aus dem Mitteltheil der birnförmigen Vor- derdarmerweiterung. m Muskelschicht, e Epithel, eh Überzug des Leibeshöhlenepithels. (Vergr. REıca. 8. 6. Oc. 3.) Conch. per. Schnitt aus dem periintestinalen Bindegewebe. z große vielkernige Zelle, m Muskelquerschnitte. (Vergr. HARTNACK S. 8. Oc. 4.) Conch. per. Dasselbe Gewebe, den innigen Zusammenhang (y) mit dem gleichen Gewebe in den Darmfalten demonstrirend. 2 Nervenfaser, — b Längsmuskulatur, ce Ringmuskulatur des Darmes, d Gewebe in der Darmfalte (Vergr. wie zuvor). 5 Conch. per. Aus demselben Gewebe. 4 gefüllte Bindegewebszelle, y Zellleib, v zuleitende Faser (Vergr. wie zuvor). Conch. per. Querschnitt einer Arterie im periintestinalen Bindege- webe. en Endothel, ks Ringmuskelschicht, /m, gm Längsmuskelfasern (Vergr. wie zuvor). Conch. per. Dasselbe Bindegewebe unter dem Darmepithel p. 5A Blut- zellen /Vergr. wie zuvor). Conch. per. Offene Endigungen a, a’ einer feinen Arterie gf im netz- förmigen Bindegewebe. 5A Blutzellen (Vergr. wie zuvor). Conch. per. Schnitt aus der großen Vorderdarmdrüse (Vergr. wie zuvor). Conch. per. Sekreterfülltes Epithel der großen Vorderdarmdriise (Vergr. wie zuvor). Murex trune. Schnitt aus der großen Vorderdarmdrüse (Vergr. wie zuvor). Murex trunc. Ein aus den lebenden Zellen abgeschnürter Theil aus der großen Mitteldarmdrüse (Vergr. wie zuvor). ets KLEE. g2 er “i SEE Tas EAS Oe SS, Ge <ı Sn ET: == al 1? | u { Ei , | Morpholog Jahrbuch Bd. Pr Lith. Ansıv.WerneraWinter, Frankfart3M fee ae ln ee er 1m | u Fig. 29. Fig 20 c wl lgr Verlag vRith Engelocnh, Lei Fig. 67 SS K z. ith Änst:v Werner& Winter Prankfirt M. a B.HHaller dei. Lith. Ansty. | i Vert: we ae jth, Er gadis Orr vs Li ‚Ze 12 „ul; 4 Ae , ick Morpholog. Jahrbu Lith Ansty. Werner & Winter Frankfurt 2M. ook % holog. Jahrbue FiGg.88 _ Pr, P 3 \ x \ en Per = = = > “ Jahrbuch’ Ba. XN ; | Tal. Vl. - ; a mute on i Fig. 88 Fig. 85 a : dw Fig.92 7 an ta H Fig. SC, bed pr ' { Gr | Fiy.87B. Jy | iy | | | / i I) 5 = IS, rs = 8 Ce i S 3 3 N ke Er = x Ss In N ‘ rs Mompholog. Jahrbuch Bax \ ; \ N sige a | ( | ur re ¢ N /\ > A Fig. er x: Um“ — Figd02 se A Verl = NER Sapna, heinzig bs Fig. al VN ai _ Die Morphologie der Prosobranchier. aie i 5 Fo = Ps Fig. 110. Conch. per. Längsschnitt aus dem Rüsseldarme, knapp vor der birn- - ule förmigen Erweiterung. a Ringmuskeln, e Epithel der sek. Leibes- er höhle (Vergr. Retcu. S. 6. Oc. 2). ‘Fig. 111. Conch. per. Querschnitt durch den Ausführungsgang der großen Vor- derdarmdriise. e dessen Epithel, m Ringmuskeln, bs Blutlacune, de = Driisenepithel (Vergr. Reıcn. S. 6. Oc. 3). Fig. 112. Conch. per. Längsschnitt durch den ringförmigen Wulst in der birn- . “4 förmigen Erweiterung des Vorderdarmes (Vergr. Rercu. 8. 6. Oc. 2). : i. ay Pa’ R + B . 3 ia R; > EEE a j ER Kleinere Mittheilungen. Bemerkungen über die Entwicklungsgeschichte von Musca. | Von 0. Bütschli. Mit 3 Abbildungen im Text. In den letzten Jahren (1885 u. 1887) beschäftigten sich zwei meiner Schüler, die Herren CH. MAURICE und H. Dezus, vorübergehend mit der Embryologie der SchmeiBfliege. Leider wurden die Untersuchungen in beiden Fällen durch Hindernisse unterbrochen, gegen welche ich machtlos war. Was daher in diesen Untersuchungsreihen, besonders der ersteren, von MAURICE beobachtet wurde, sind Bruchstücke. Wenn ich dennoch glaube, über eine dieser Beob- achtungen berichten zu sollen, so veranlasst mich hierzu Zweierlei. Einmal der Umstand, dass es sich nach meiner Ansicht um einen für die Keimblätterbildung der Insekten wichtigen Punkt handelt, welcher selbst in dem unfertigen Zustand, in welchem ich denselben darlegen kann, ein gewisses Interesse beansprucht. Zweitens bestimmt mich hierzu die Unmöglichkeit, in absehbarer Zeit den Gegenstand genauer zu verfolgen und die Unsicherheit, dies etwa unter Mit- hilfe eines Schülers durchzuführen, nachdem derartige Versuche schon zweimal scheiterten. Dass ich nun auf das interessante Stadium in der Entwicklung der Fliege hinweise — dass dies nicht von Herrn CH. MAURICE geschieht, welcher. dasselbe mit mir zuerst beobachtete, beruht darauf, dass Herr M., wie es scheint, den Gegenstand ganz verlassen hat und ich s. Z. an seinen Prä- paraten zuerst die Deutung und Bedeutung des betreffenden Stadiums bemerkte. Da, wie gesagt, wenig Aussicht besteht, dass ich den Gegenstand direkt oder indirekt weiter verfolgen kann, hoffe ich durch das Mitzutheilende Anregung zu geben, dass dies von anderer Seite geschehe. Wie bemerkt, ist es nur ein frühzeitiges Stadium des Embryo, auf welchäl ich hier aufmerksam machen möchte. Leider kamen die betreffenden Unter- suchungen nicht wesentlich über dasselbe binaus, was natürlich die Beurtheilung des Beobachteten erschwert. Nach den Angaben GRABER’s und KOWALEVSKY’s ! taxire ich das Alter des betreffenden Embryo auf 6—S Stunden nach der Ei- ablage. 1 V. GRABER, Die Insekten. II. Theil. 1877. pag. 403. — A. KOWALEVSKY, Zur embryonalen Entwicklung der Musciden. Biolog. Centralblatt. Bd. VI. 1886—87. p. 49—54. Kleinere Mittheilungen. 171 Die kurze Schilderung der Verhältnisse schließt sich am besten der sche- matischen Rekonstruktion eines solchen Embryo (Fig. I) nach einer Querschnitts- serie an. Der Embryo ist in linksseitiger Ausicht gezeichnet; der orale Pol oben, der aborale unten. In der Hauptsache wurde der mediane Längsschnitt gezeichnet; nur wenige außerhalb der Medianebene gelegene Dinge sind ein- getragen. Die radiär schraffirte äußere Schicht des Embryo ist das Ekto- derm (e), dessen relative Dickenverhältnisse durch Vergleichung des medianen Längsschnittes mit den beiden Querschnitten a und 5 leicht zu erschließen sind; d. h. das Ektoderm ist beträchtlich verdickt in dem Bereich des bandförmigen Keimstreifen («—%'), welcher von der vorderen Dorsalregion über die ganze Bauchseite, um das Hinterende herum bis nahezu auf die Mitte des Rückens reicht. Es sind dies bekannte Verhältnisse aus der Embryologie der Insekten; wenn auch das Hinterende des Keimstreifens gewöhnlich nicht so weit auf der Dorsalseite nach vorn emporsteigt, wie bei der Fliege. Längs der ganzen 172 Kleinere Mittheilungen. -_ Mittellinie des Keimstreifens, mit Ausnahme des vordersten, dorsal gelegenen Theils, hat eine Einstiilpung stattgefunden, welche zur Bildung des Meso- derm (M) führte. Diesen Vorgang hat schon KowALEvsKY (l. e.) klar be- schrieben. Er wiederholt sich bekanntlich bei den Insekten allgemein und wurde von KowALeEvsky und mir früher (1870) gleichzeitig entdeckt. Am spä- teren Kopftheil des Embryo breitet sich diese Mesodermeinstülpung ansehnlich aus. Die hier bestehenden Verhältnisse wurden nicht genügend aufgeklärt; sie sind recht schwierig zu verstehen. Wahrscheinlich haben hier schon weitere Entwicklungsprocesse begonnen; da der Sachverhalt nicht hinreichend er- kannt wurde, verweile ich nicht länger dabei. Dagegen nehmen die Verhältnisse am hintersten Ende des Keimstreifens unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch; sie sind es auch, welchen diese Zeilen gelten. Zweierlei Momente treffen zu- sammen, um hier eine Komplikation hervorzurufen. Einmal, dass die Einstülpung hier überhaupt anders gebildet ist, und zweitens die Entwicklung der schon von KowALEvsky beschriebenen Amnionfalte. Letztere (af) hat sich direkt aus dem vorderen Rande des hinteren Endes des Einstülpungsspaltes (Blastoporus) erhoben, dann seitlich und nach hinten am Rande des Keimstreifens ausgedehnt und ist mäßig weit nach hinten herabgewachsen. Auf Fig. I giebt die Linie af die äußere Grenze der Amnionfalte an (natürlich nur der linken Hälfte); so muss sie demnach bei seitlicher Flächenbetrachtung des Embryo erscheinen. Nach hinten läuft die Falte schließlich ganz seicht aus und verstreicht nach und nach ganz. Die punktirte Linie af! giebt dagegen den Grund der Falte an (also auch die seitlichen Ränder des Keimstreifens in der Region der Falte), so dass der Abstand zwischen beiden Linien (af und af’) die Höhe, resp. Tiefe der Falte deutlich erkennen lässt. Betrachten wir jedoch lieber gleich den Querschnitt a, welcher in der Region der punktirten Linie «a (Fig. I) geführt ist, also ein klein wenig hinter dem queren Theil des äußeren Randes der Amnionfalte. Auf diesem Schnitt müssen die beiden seitlichen Theile der Amnionfalte gesondert getroffen sein (af, af), resp. zwei noch ungeschlossene Amnionfalten auftreten. Die davor gelegenen Schnitte zeigen ein geschlossenes, aus zwei Zellschichten bestehendes Amnion, wie es GRABER auf s. Fig. 118, pag. 403 (l. s. ce.) ab- bildet. Weiterhin bemerkt man auf dem Querschnitt « nach innen von der Amnionfalte den Keimstreifen (A”), in dessen Seitenränder das innere Blatt der Amnionfalte umbiegt. Das äußerste Hinterende des Keimstreifens ist näm- lich, so weit es von dem queren vorderen Theil der Amnionfalte überdacht wird (von 5 Fig. I an), in die Tiefe gesunken. Die Mittellinie dieses hintersten Theils des Keimstreifens nimmt in seitlicher Ansicht ungefähr den Verlauf der Linie #’ auf Fig. I. Auf diesem überdachten Theil des Keimstreifens ist der Einstülpungsspalt (sp) noch offen, wie es der Querschnitt Fig. a zeigt. Auf dem gesammten freien Theil des Keimstreifens dagegen ist er schon ge- schlossen und die Einstülpung (M) hat sich von dem Ektoderm abgelöst, wie es auf der Ventralseite des Embryo (Fig. a) zu sehen ist. Untersuchen wir nun den ein wenig weiter nach hinten geführten Querschnitt 6, der in der Höhe der punktirten Linie 5 (Fig. I) gemacht wurde. Die allgemeinen Verhältnisse sind wesentlieh dieselben, nur hat sich aus dem Stiel der Einstülpung nach rechts und links eine Ausstülpung entwickelt (M’). Die Abbildung ist einem Präparat entnommen, wo der Schluss des Einstülpungsspaltes gegen das Ektoderm des Keim- streifens an dieser Stelle höchst wahrscheinlich schon vollzogen war. Ich glaube mich jedoch bestimmt zu erinnern, dass unter den Präparaten von MAURICE, welche mir nicht mehr zu Gebote stehen, auch solche waren, wo die Bildung Kleinere Mittheilungen. 173 der beiden Ausstülpungen M’ bei noch offenem Einstülpungsspalt klar zu ver- folgen war. Wenige Querschnitte weiter nach hinten lösen sich die beiden Säcke M von der Einstülpung # (s. Fig. I). Eıstere fließen nun zu einem einzigen queren Sack (auf dem Querschnitt) unter dem Ektoderm des Keimstreifens zu- sammen und setzen sich direkt in die Einstülpung fort, welche sich in der gan- zen Ausdehnung des Keimstreifens entwickelt hat, also in das Mesoderm des Embryo (s. Fig. IM—M). Der abgetrennte innere Theil Z der hinteren Einstülpung lässt sich noch ‚ziemlich tief in die Hinterregion des Embryo hinab verfolgen; er dringt als ein blind geschlossenes Rohr ziemlich tief in den Dotter (D) ein und erscheint daher auf den weiter hinten geführten Querschnitten als ein plattgedrücktes Rohr, das keinen Zusammenhang mehr mit dem Mesoderm M’ besitzt. Demnach führt die Einstülpung am hintersten Ende des Keimstreifens zu zwei verschiedenen Erzeugnissen. Einmal zu einem tiefer im Inneren des Embryo liegenden Rohr E und zu zwei seitlichen Ausstülpungen, welche sich als Fort- setzungen des Mesoderms erweisen. Nehmen wir es nun für richtig an, dass der tiefere Theil der Einstülpung (Z) das spätere Entoderm sei (oder doch ein Theil desselben), so stehen die beiden seitlichen Ausstülpungen (M’, Fig. 5) zu demselben genau in demselben Verhältnis wie zwei Cölomdivertikel solcher Me- tazoenformen, welche deren Bildung deutlich aufweisen (Sagitta, Brachio- poden etc.). Ob nun aber das Rohr Z das Entoderm liefert, wurde nicht festgestellt. Dennoch muss ich dies für sehr wahrscheinlich halten; d. h., dass zum mindesten der hintere Theil des entodermalen Darmes der Larve aus demselben hervor- geht. KOWALEVSKY theilte mit (l. s. e.), dass das Entoderm von Musca so entstehe, dass durch die Einstülpungen des Enddarmes und des Schlundes die beiden Endpartien der ursprünglichen Einstülpung des Keimstreifens (von deren besonderen Verhältnissen am Hinterende er nichts beschreibt) abgetrennt würden. Diese beiden abgelösten Theile seien die Anlagen des Entoderms. Sie um- wachsen hierauf den Dotter von vorn und hinten her allmählich und vereinigen sich schließlich mit einander. In der Voraussetzung, dass diese Angaben im Wesentlichen richtig sind, vermuthe ich, dass das Rohr EZ den hinteren Theil des Entoderms darstellt, welches demnach nicht einer Abtrennung durch den einwachsenden Enddarm, sondern einer Differenzirung des hinteren Theiles der allgemeinen Einstülpung seine Entstehung verdankte. Das Einzige, was aus dem Rohr E allenfalls noch hervorgehen könnte, wäre der Enddarm; doch halte ich dies für überaus unwahr- scheinlich. Dagegen spricht seine frühzeitige anselinliche Ausbildung, wie auch der Zusammenhang mit dem Mesoderm. — Schließt man sich meiner Ansicht an, dass das Rohr Z das Entoderm des Hinterendes sei und hält gleichzeitig KowWALEVSKY's Angabe der doppelten Anlage des Entoderms für zutreffend, so dürfte wahrscheinlich sein, dass auch die vordere Entodermanlage einen ähn- lichen Bildungsgang besitzt. Doch konnte ich, wie gesagt, die Verhältnisse am Vorderende nicht genügend aufklären. Von einem deutlichen Rohr wie am Hinterende findet sich jedoch auf diesem Stadium vorn sicher nichts. Nehmen wir für einen Augenblick die Richtigkeit der Auffassung, welche ich entwickelte, an, so folgte aus derselben, dass das Mesoderm von Musca mit dem Entoderm nach Art zweier Cölomdivertikel verbunden ist. Der Unter- schied von anderen Metazoen mit ähnlicher Mesodermentwicklung würde der sein, dass bei Musca die langausgedehnte Gastrulaeinstülpung sich nur an 174 Kleinere Mittheilungen. ihrem Hinterende (resp. den beiden Enden, wenn die KowALEvsky'sche Dar- stellung richtig ist) in Entoderm und Mesoderm differenzirt, in ihrer größten Ausdehnung dagegen nur dem Theil des Entoderms entspricht, welcher die Célomdivertikel bildet. KOWALEVSKY machte schon einen Versuch, die von ihm beobachtete Ent- stehung des Ento- und Mesoderms von Musca auf die Verhältnisse bei Sagitta zurückzuführen. So weit ich diesen Versuch nach der kurzen vorläufigen Nach- richt beurtheilen kann, hat er viel Ähnlichkeit mit dem von mir Dargelegten. Der Vorgang der Entodermablösung von der primären Einstülpung, wie ihn, KOwALEVSKY beschreibt, scheint aber weniger mit einer solchen Ableitung zu harmoniren, wie der hier beschriebene Modus; vorausgesetzt, dass die Beziehung des Rohres E auf das hintere Entoderm richtig ist. Nicht unbetont darf ich © jedoch lassen, dass die kurze Nachricht KowALevsky's ohne die Abbildungen natürlich schwer verständlich ist; wozu noch kommt, dass sie durch viele Druckfehler sehr entstellt ist!. Möglich daher, dass seine Beobachtungen sich mit den hier kurz erörterten, die unabhängig und vor der Publikation der seinigen gemacht wurden, inniger decken, als dies aus der bis jetzt vorliegenden Be- schreibung ersichtlich ist. Heidelberg, den 18. April 1888. Zur Erläuterung der Figuren diene außer dem im Text Bemerkten noch Folgendes: Auf der Oberfläche des Embryo sind noch jederseits zwei etwas schief von vorn nach hinten ziehende Falten (f—f’—f”) zu bemerken. In ihrem hinteren Theil werden diese Falten doppelt (s. Fig. 5 bei f’). Möglicherweise darf das Faltensystem f—/” als eine Fortsetzung der Amnionfalte betrachtet werden, obgleich hinten ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Systemen auf den Schnitten nicht festzustellen war. Mit dem Faltensystem f—/” steht ferner eine quere, ziemlich breite Ein- faltung f’’’ im Zusammenhang, welche iiber den Dorsaltheil des Embryo herum- greift. Auf dem Medianschnitt durch den rückenseitigen Theil des Blastoderms hätte in der Region f’’’ diese Einfaltung eigentlich angegeben werden müssen; durch ein Versehen ist es unterblieben. A—%—%'' der verdickte Theil des Ektoderms, die Ausdehnung des sog. Keimstreifens angebend; 4’’ der hinterste Theil des Streifens, von dem queren vorderen Theil der Amnionfalte (af’’) überdacht. Auf dem genauen Medianschnitt würde diese Linie nicht erscheinen, da ja hier der Einstülpungsspalt (sp) noch offen ist, der Schnitt also durch den- selben ginge. af.der freie, äußere Rand der Amnionfalte; derselbe würde demnach auf dem Medianschnitt gleichfalls nicht sichtbar sein. af’ der Grund der Amnionfalte. .Z der tiefere, röhrenförmige Theil der Einstülpung am hin- teren Ende des Keimstreifens. M’ Mesoderm in der hintersten Region, wo es mit der Einstülpung EZ im direkten Zusammenhang steht. M das Mesoderm der Bauchseite, schon vom Ektoderm des Keimstreifens abgetrennt; die spalt- artige Einstülpungshöhle in der größten Ausdehnung des Mesoderms noch deut- lich (späteres Cölom). D der Dotter. 1 Es ist dies ein Mangel, welcher leider den Aufsätzen ausländischer Au- toren im Biolog. Centralblatt häufig anhaftet und dessen Verhütung durch die Redaktion wohl allseitig dankbar anerkannt würde. EE Die Kiemen und ihre Gefäfse bei anuren und urodelen Amphibien, und die Umbildungen der beiden ersten Arterienbogen bei Teleostiern. Von Dr. F. Maurer. Mit Tafel IX und X sowie 4 Figuren im Text. I. Die Kiemen und Kiemengefäfse bei Anuren und Urodelen. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Larven der Anuren in Bezug auf ihren Kiemenapparat zwei verschiedene Zustände durch- laufen, während die Urodelenlarven die zuerst gebildeten Kiemen bis zur Metamorphose behalten. Bei Anurenlarven entwickeln sich in früher Larvenperiode von drei Kiemenbogen jederseits ausgehende äußere Kiemen. Dieselben bestehen nur kurze Zeit. Es wächst von dem Hyoidbogen, welcher keine Kiemen trägt, sehr frühzeitig der Kiemendeckel als Haut- duplikatur nach hinten. Indem derselbe die äußeren Kiemen über- deckt und mit der Seiten- und Bauchwand des Körpers verwächst, bringt er jene Kiemen zur Rückbildung. Gleichzeitig damit bildet sich ein neuer Kiemenapparat, welcher von vier Kiemenbogen sich entwickelnd, in der durch den erwähnten Kiemendeckel abgeschlos- senen Kiemenhöhle liegt. Diese letzteren Kiemen werden im Gegen- satz zu den erst vorhandenen äußeren als innere Kiemen bezeichnet. Während die äußeren Kiemen von den dorsalen Enden der Kie- menbogen ausgingen, sitzen die inneren der ganzen Länge der vier Kiemenbogen an deren lateral- und ventralwärts gerichteter Kon- vexität an. — Bei Urodelen entwickeln sich. in sehr früher Larvenperiode gleich- falls von drei Kiemenbogen ausgehende äußere Kiemen. Diese sitzen Morpholog. Jahrbuch. 14. 12 176 F. Maurer ebenfalls den dorsalen Enden der Kiemenbogen an. Sie bleiben während des ganzen Larvenlebens als respirirende Organe bestehen (von Perennibranchiaten sei hier Abstand genommen). Es kommt zwar auch zur Bildung eines Kiemendeckels, welcher, wie bei Anu- ren, vom kiemenfreien Hyoidbogen aus sich entwickelt, derselbe bleibt aber mit seinem hinteren und ventralen Rande stets frei. Er bedeckt die vier Kiemenbogen, deren hinterer Konvexität je eine große Kiemenplatte ansitzt. Es fehlt somit den Urodelen stets ein den inneren Anurenkiemen homologer Apparat. Bei Erwägung der angedeuteten Thatsachen drängt sich die Frage auf, ob die Anuren- und Urodelenkiemen wirklich ganz heterogene Bildungen sind, oder ob sie nicht vielmehr auf einander bezogen wer- den können. so dass die eine Form aus der anderen abzuleiten sei. Um dieser Frage näher zu treten, ist zunächst zu untersuchen, ob die Art und Weise der ersten Bildung der großen Arterienbogen und die Art, wie diese mit der Herzanlage in Verbindung treten, gleichartig ist. Erst in zweiter Linie ist zu bestimmen, in welcher Weise die Bildung von Kiemen vor sich geht. . Es handelt sich dann darum, ob ein Sta- dium nachweisbar ist, in welchem die Anlagen der Kiemen bei Anuren und Urodelen homologe sind. Man kann diese Frage dahin präeisiren, dass man untersucht, ob die in früherer Larvenperiode bei Anuren vorübergehend auftretenden äußeren Kiemen homolog sind den eben- falls sehr früh sich entwickelnden, bleibenden, äußeren Urodelen- kiemen. Wenn sich dies als richtig herausstellen sollte, so würden die Urodelenkiemen als die primäre Form der Amphibienkiemen auf- zufassen sein, während die inneren Anurenkiemen als sekundär aus diesen hervorgegangene Bildungen zu betrachten wären. Zuvor ist natürlich festzustellen, in welcher Weise aus dem früheren Zustande sich die inneren Kiemen der Anurenlarven entwickeln. In Anschluss daran sind die Umbildungen der Gefäßbogen bei der Rückbildung der Kiemen während der Metamorphose zu berück- sichtigen. Zur Beurtheilung der Homologie gewisser Gefäßstreeken können uns einige zu den Kiemenbogen in Beziehung stehende Ge- bilde wichtige Anhaltspunkte geben. Ich erinnere hier speciell an die Carotidendrüse und die Epithelkörper in ihrer Lagerung und ihrer Entwicklung. Bei Anuren legen sie sich schon in sehr früher Larven- periode an, während sie bei Urodelen erst zur Zeit der Metamor- phose zur Ausbildung kommen. Bei Anuren liegen sie am ventralen Ende der Kiemenbogen, während sie bei Urodelen weiter dorsal- wärts der Konvexität der Arterienbogen anlagern. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 177 Nach Vergleichung der Kiemenbildungen bei Urodelen- und Anurenlarven ist zu erwägen, ob diese Einrichtungen bei Amphibien mit den Kiemen der Fische in Beziehung gebracht werden dürfen und welcher Kiemenform sie überhaupt zugerechnet werden müssen. Historisches: Die Arbeiten, auf welche ich mich beziehen will, sind in erster Linie diejenigen von Boas!. Es sind dort die Kiemengefäße bei der Urodelenlarve und deren Metamorphose genau geschildert. In den diesbezüglichen Angaben fehlen nur Untersuchungen über die erste Entwicklung der Arterienbogen, die Bildung der Kiemenarterie und -Vene, sowie über die Bildung der direkten Anastomosen zwischen Kiemenarterie und Vene. Eben so ist die Entwicklung der Arteria earotis externa und ihr eigenthümlicher Ursprung aus der Vene des ersten Kiemenbogens, die bei ihrem absteigenden Verlaufe mit der Arterie des gleichen Bogens mehrfach anastomosirt, in seiner Ent- stehung nicht untersucht. Die jüngsten Larven, die Boas unter- suchte, waren solche von Salamandra maculata, welche gerade ge- boren waren. Dort sind die Gefäßverhältnisse schon die der vollkom- men entwickelten Larve und verändern sich bis zur Metamorphose nur unwesentlich. Diese Stadien gestatteten schon Injektionen. Bei Anuren schilderte Boas nur die Zustände bei der älteren Larve, die schon die inneren Kiemen besitzt. Es werden sowohl die Blutgefäße der Kiemen, sowie der Filtrirapparate und deren Umbildungen bei der Metamorphose genau beschrieben. Es fehlen in den Schilderungen von Boas die Verhältnisse der Blutgefäße in den erst vorhandenen äußeren Anurenkiemen, sowie die erste An- lage der Gefäßbogen in den Kiemenbogen vor der Ausbildung von Kiemen. Gerade diese Verhältnisse sind es aber, deren Kenntnis vor- ausgesetzt werden muss, um ein Urtheil über die Beziehungen zwi- schen Anuren und Urodelen in Betreff des Kiemenapparates zu be- kommen. Die Entwicklung der ersten Kiemen bei Anurenlarven schildert Rusconi? in seinem klassischen Werke: »Developpement de la gre- nouille«, Milan 1826. Doch weiche ich in sehr wesentlichen Punkten ! Boas, Uber den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. Morpholog. Jahrbuch, Band VII, 1881. — Boas, Beiträge zur Angiologie der Amphibien, Morpholog. Jahrbuch, Band VIII, 1882. 2 Rusconi, Développement de la grénouille commune, Milan 1826, 127 178 F. Maurer von den im Allgemeinen sehr werthvollen Angaben Ruscont’s ab. Die Untersuchungen mit der Lupe, an lebenden Froschlarven ange- stellt, sind bei den pigmentirten Thieren entschieden nicht mit der nöthigen Sicherheit zu machen, besonders, was das Verhalten der Gefäße innerhalb des Kiemenbogens betrifft. Die histologischen Vor- gänge bei der ersten Bildung der Gefäßbogen fehlen bei Rusconi, eben so sind Gefäßkommunikationen an einigen Punkten beschrieben, wo solche sicher auszuschließen sind. Auf das Thatsächliche werde ich bei der Besprechung der Befunde eingehen. Auch die Angaben Gorre’s in der »Entwicklungsgeschichte der Unke« (Leipzig 1875) waren zu berücksichtigen. Dort ist speciell die erste Anlage der Gefäßbogen beschrieben (pag. 498 ff.). Auf die Bildungsvorgänge an den Gefäßen in den Kiemenbogen und Kiemen geht GÖTTE nicht ein; er bezieht sich dabei auf Rusconr. Die Angaben GörtE's be- treffs des dritten und vierten Arterienbogens und ihres Verhältnisses zur Aortenwurzel und Arteria pulmonalis sind bereits von Boas wider- legt und kann ich die Beobachtungen Boas’ nur bestätigen. RATHKE! ist in seiner Abhandlung über den Kiemenapparat und das Zungenbein der Wirbelthiere nicht auf die uns speciell inter- essirenden thatsächlichen Verhältnisse eingegangen. Sehr werthvolle Angaben über die ersten Kiemenverhiltnisse bei Anurenlarven finde ich in Ecker’s Icones physiologicae. Doch ist auch hier, wie bei Ruscont, eine Gefäßkommunikation in einem Stadium angegeben, wo dieselbe schon geschwunden ist. Es handelt sich bei Beiden darum, dass die Kiemenarterie des einzelnen Bogens sich beim Eintritt in ihren Bogen in zwei Äste theilen soll. Dies ist aber nur der Fall, ehe sich die inneren Kiemen der Froschlarven bilden. Ecker und Ruscont haben es noch abgebildet bei Larven mit entwickelten in- neren Kiemen. Eine genau durchgeführte Vergleichung zwischen Urodelen- und Anurenkiemen fand ich nirgends. Die Schilderungen der Anuren- larvenkiemen in den Lehrbüchern sind alle dem erwähnten Werke von Rusconi entlehnt. Befunde: Um Anuren und Urodelen in Betreff ihres Kiemenapparates ver- gleichen zu können, ist es vor Allem nothwendig, die erste Bildungs- geschichte der Arterienbogen genau zu studiren. 1 RATHKE, Anatomisch philosophische Untersuchungen über den Kiemen- apparat und das Zungenbein der Wirbelthiere. Riga und Dorpat 1832. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 179 a. Anuren. Da in Folge der Kleinheit der Objekte (es handelt sich um Larven von 4—7 mm Länge) Injektionen der Gefäße unausführbar sind, musste ich den Versuch machen, an guten Schnittserien die Gefäße in ihrer ersten Bildung, sowie in ihrem Verlaufe zu unter- suchen. Es war dies bei gut konservirten Objekten vollkommen sicher möglich, wenn es auch einige Zeit und Übung erforderte, das Gesehene richtig zu kombiniren. Ein Versuch, die einzelnen Kie- menbogen gesondert herauszupräpariren und durch Nelkenöl aufzu- hellen, um die Gefäße in Zusammenhang darin verfolgen zu können, schlug fehl, in so fern ich dabei nichts deutlich unterscheiden konnte. Aus Schnittserien ließen sich die Verhältnisse mit Sicherheit kom- biniren. Bei den so gewonnenen Abbildungen, welche sämmtlich mit der Camera gezeichnet sind, ist nur auf die wesentlichen Dinge Rücksicht genommen. So sind z. B. die Kiemenbüschel nicht sämmt- lich eingezeichnet, weil dieselben zu dicht stehen und die Übersicht- lichkeit des Bildes beeinträchtigen würden. Auch auf die Kapillar- verbindungen in den Kiemenfransen und den Endläppchen der Büschel konnte ich nicht eingehender achten. Dagegen sind die Kommunika- tionen der großen Gefäße genau den Thatsachen entsprechend ange- geben. Es war mir möglich, mit Sicherheit nachzuweisen, dass die innere Kiemenvene mit der Kiemenarterie des gleichen Bogens nur in der ersten Zeit nach ihrer Bildung ventral kommunicirt, nach der Ausbildung der inneren Kiemen dagegen nur durch die Kiemenkapil- laren mit ihr in Verbindung steht. Eben so ist eine dorsale Kommuni- kation zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene völlig ausgeschlossen. In den folgenden Befunden sind zunächst die drei ersten Stadien wichtig, indem sie uns die erste Bildung der großen Arterienbogen und die Differenzirung der äußeren Kiemen bei Kaulquappen vor Augen führen. Diese Stadien sind Kaulquappen von Rana esculenta entnommen, welche eine Länge von 4, 5 und 6 mm besitzen. (Sie entsprechen den Fig. 18, 19 und 20 auf Tafel II in Ruscont, De- veloppement de la grénouille.) Ich unterlasse es eine genaue Schil- derung der äußerlich sichtbaren plastischen Verhältnisse an Kopf und Hals einer Froschlarve in diesem Stadium zu geben. Es genügt zu wissen, dass bei Larven von 4 mm Länge Kiemenstummel noch nicht bestehen (Taf. IX Fig. 1). Bei Larven von 5 mm Körperlänge sind die äußeren Kiemen des ersten und zweiten Kiemenbogens in Gestalt kleiner einfacher Höckerchen vorhanden, am dritten Bogen besteht noch keine Kiemenanlage (Taf. IX Fig. 2, 3 und 4). 180 _ F. Maurer Bei Larven von 6 mm Länge sind die Anlagen der drei äußeren Kiemen jederseits ausgebildet. Die Kieme des ersten Bogens zeigt sich bereits in drei fingerförmige Zapfen getheilt, die des zweiten läuft in zwei Zapfen aus, während die dritte Kieme noch einfach fingerförmige Gestalt besitzt (Taf. IX Fig. 5, 6 und 7). Das Herz ist im erstgenannten sm noch ein gerade ge- streckter Schlauch, während es bei Larven von 5 und 6 mm Länge S-fürmig gekrümmt ist. Bei Larven von 6 mm Länge treten in seinem Lumen sowie im Inneren der großen Gefäße zum ersten Male Blutkörperchen auf. Die ersten Anlagen von Gefäßen in den Kiemenbogen finde ich bei Kaulquappen von Rana esculenta, die 4 mm lang sind. Von äußeren Kiemen ist, wie erwähnt, noch keine Spur zu sehen. Es bestehen drei Arterienbogen jederseits. Von diesen nimmt der erste einen sehr eigenthümlichen Verlauf. Er stellt ein äußerst feines Gefäß dar, welches, vom vorderen Herzende ausgehend, beiderseits in den ventralen Schenkeln des Hyoidbogens lateral- und etwas dor- salwärts verläuft, um dann, nach vorn umbiegend, in den Kiefer- bogen überzugehen und in diesem weiter dorsalwärts und dann nach hinten verlaufend noch spitz ausgezogen im Bindegewebe, dorsal vom Darmrohr, blind zu endigen. Es ist nach diesem Verlauf nicht zu entscheiden, ob das Gefäß dem Zungenbein- oder dem Kieferbogen angehört. Es wird in der Folge als Arteria hyo-mandibularis bezeichnet werden. Der geschil- derte Verlauf wird verständlich, wenn man die Verhältnisse der Schlundtaschen und Schlundbogen in Rechnung zieht. Es bestehen in diesem Stadium vier Schlundtaschen. Die erste findet sich zwischen dem Kiefer- und dem Zungenbeinbogen. Diese Tasche erreicht jetzt und auch später das Ektoderm nicht, bricht niemals zu einer offenen Spalte durch. In Folge dessen hängt das mesodermale Gewebe des Kiefer- und Zungenbeinbogens zwischen dem blinden Ende der Sehlundtasche und dem Ektoderm direkt zusammen und es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass ein Blutgefäß vom einen in den anderen Bogen verläuft. Es wäre dies allerdings eine Thatsache von großer Tragweite und es ist nicht anzunehmen, dass dies bloß eine willkürliche Einrichtung bei Froschlarven sei. Es sind vielmehr die anderen Wirbelthierklassen darauf hin zu untersuchen, ob der vorderste Arterienbogen eine Sonderstellung gegen die hinteren Ge- fäßbogen in Bezug auf die Art seines Verlaufes einnimmt. Bei den Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 181 später folgenden Schilderungen dieser Verhältnisse bei Urodelen und Knochenfischen werde ich auf diese Frage zurückkommen. Hinter der Kiefer-Zungenbeinfalte finden sich in dem genannten’ ersten Stadium der Froschlarven noch drei Schlundtaschen. Dieselben erreichen gerade das Ektoderm und grenzen somit den Zungenbein- bogen gegen den ersten Kiemenbogen, sowie die drei ersten Kiemen- bogen so von einander ab, dass dieselben nur dorsal und ventral mit einander zusammenhängen. Der vierte Kiemenbogen ist vom dritten noch nicht gesondert, in ihm fehlen aber auch noch Gefäßanlagen. Knorpelige Bogenanlagen sind in diesem Stadium noch nicht differenzirt. Die Schlundbogenanlagen stehen noch senkrecht und bilden mit der Längsachse des Körpers einen rechten Winkel, so dass man auf Querschnitten die einzelnen Bogen hinter einander bequem durchmustern kann. Selbstverständlich sind aber auch Sa- gittal- und Horizontalschnitte durch den Kopftheil des Embryo uner- lässlich. In Folge des eigenthümlichen Verlaufes des vordersten Arterienbogens zeigt der dorsale Schenkel des Hyoidbogens keine Gefäßanlage. Die Verbindung, welche dieser vorderste Arterienbogen (Arteria hyo-mandibularis) mit dem Herzschlauche an dessen vor- derem Ende eingeht, besteht nur ganz kurze Zeit. Der zweite Arterienbogen findet sich in der Anlage des späteren ersten Kiemenbogens. Er stellt einen sehr weiten buchtigen Kanal dar, welcher keine differenzirte Wandung besitzt. Er wird auf Schnitten von einfach abgeplatteten Bindegewebszellen begrenzt, die unmittelbar mit den Zellen des umgebenden embryonalen Bindege- webes zusammenhängen (Taf. IX Fig. 1). Vielfach springen solche Zellen auch in das Lumen des Kanales vor und verleihen ihm seine buchtige Form. Einige zarte Fortsätze der Bindegewebszellen durch- setzen noch strangartig das Lumen, woraus geschlossen werden darf, dass die Kanäle, welche sich späterhin zu den Blutgefäßen differen- ziren, als unregelmäßige Spaltenbildungen im embryonalen Binde- gewebe sich anlegen. Dies wird durch Vergleich mit jüngeren Stadien bestätigt, wo der erste Kiemenbogen nicht von einem zu- sammenhängenden Kanale durchzogen wird, sondern nur unregel- mäßige Lücken zwischen dem Schleimgewebe aufweist. Während innerhalb des ersten Schlundbogens der Gefäßkanal, welcher durch Zusammenfließen der Gewebslücken entstanden ist, ein sehr weiter ist, wird am dorsalen, sowie am ventralen Ende des Schlundbogens sein Lumen ein äußerst feines. Dorsal geht es fein auslaufend in die Bindegewebszellen über, ventral hat es sich mit dem vorderen 182 F. Maurer Herzende verbunden. Das Herz ist ein noch gestreckter Schlauch. Weder in seinem Lumen noch in dem der Gefäßbogen befinden sich Blutkörperchen. Der dritte Arterienbogen, im späteren zweiten Kie- menbogen verlaufend, ist noch nicht mit dem Herzen in Verbindung getreten. Er stellt noch nicht einmal einen einheitlichen Kanal dar, sondern besteht aus einigen großen Lücken zwischen den Bindege- webszellen des Schlundbogens. Das Verhalten des zweiten Gefäß- bogens, der späteren ersten Kiemenarterie, ist auf Taf. IX Fig. 1 gegeben. Dieselbe ist aus drei Schnitten kombinirt. Die Aorta ist in diesem Stadium noch nicht gebildet. In Betreff des zweiten Arterienbogens haben wir hier den Zustand des einfachen primären Gefäßbogens vor uns. Der erste Arterienbogen nimmt durch die Art seines Verlaufes eine Sonderstellung ein. Der dritte Arterienbogen stellt ein jüngeres Stadium als der zweite Bogen dar, indem er noch nicht mit dem Herzen in Zusammenhang getreten ist. Er stellt noch keinen kon- tinuirlichen Kanal dar, sondern besteht aus mehreren unregelmäßigen Gewebslücken. Dieser Zustand ist von sehr kurzer Dauer, indem sich sofort weitere Differenzirungen anschließen. Ehe ich hierin fortfahre, müssen einige Angaben früherer Auto- ren angeführt werden: Zunächst macht BALFOUR! die Angabe, dass der vorderste Ge- fäßbogen der Amphibien der Arteria hyoidea der Fische entspreche, dass eine Arteria maxillaris nicht mehr zur Anlage komme. Darauf kann ich erst nach Besprechung der Verhältnisse bei Teleostiern eingehen. Rusconi? und später GÖTTE? geben an, dass die Arterie des späteren ersten Kiemenbogens zuerst angelegt werde. RuscoxI er- wähnt keine vor diesem gelegene Arterienbogen bei Rana esculenta. GöTTE beschreibt bei der Unke vor dem Arterienbogen des ersten Kiemenbogens zwei Gefäßbogen. Der vorderste wird als Arteria temporo-maxillaris, der zweite als Arteria hyoidea bezeichnet. Diese beiden Gefäßbogen bilden sich nach GÖTTE später, als die Arterie des späteren ersten Kiemenbogens. Obgleich G6rrE angiebt, dass wenigstens die Arteria hyoidea 1 BALFOUR, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsch von VETTER, Jena 1881. 293..09 0% 3a. a. 0. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren ‚und urodelen Amphibien etc. 183 in der gleichen Weise sich bildet, wie die Aortenbogen des ersten bis dritten Kiemenbogens, bestreitet er doch ihre Gleichwerthigkeit mit Aortenbogen, indem er rein physiologische Gesichtspunkte als maßgebend hinstellt. Da die betreffenden beiden vordersten Gefäß- bogen in ihrer Kontinuität vorübergehende Bildungen sind und niemals Blut in die Aorta führen, so sollen sie auch keine Aortenbogen dar- stellen. Zunächst war es mir nicht möglich bei Rana zwei Arterienbogen vor dem Gefäßbogen des ersten Kiemenbogens nachzuweisen. Ich konnte stets nur den einen erkennen, welcher den oben genannten eigenthümlichen Verlauf zeigt. Dass dieses Gefäß morphologisch einem Arterienbogen homolog ist, geht schon daraus hervor, dass es vom vorderen Herzende entspringt und den Schlund umgreifend dorsal mit der Arterie des ersten Kiemenbogen sich zu einer Aortenwurzel vereinigt. Noch deutlicher wird dies nachgewiesen, wenn man Urodelen und Teleostier in Vergleichung zieht, bei welchen gerade dieser Arterienbogen in früher Zeit eine wichtige funktionelle Bedeu- tung hat als die erste einzige Kommissur zwischen dem ventralen Herzen und der dorsalen Aorta. Ferner muss ich betonen, dass der vorderste Gefäßbogen (Art. hyo-mandibularis) sich bei Anuren gleich- zeitig mit der Arterie des ersten Kiemenbogen anlegt. Letztere Arterie besitzt aber von vorn herein ein bedeutend weiteres Lumen. In dem folgenden Stadium, welches ich Kaulquappen von 5 mm Länge entnehme, sind bereits vier Gefäßbogen mit dem Herzen in Verbindung getreten und zwar ist der vorderste die Arteria hyo- mandibularis. Der Zusammenhang derselben mit dem vorderen Herz- ende ist derart, dass dieses Gefäß nicht aus der Theilungsgabel der Arterien des ersten Kiemenbogens hervorgeht, sondern erst von dieser Arterie jederseits entspringt. Bei der Bildung der Carotis externa, die erst im folgenden Stadium klar zu Tage tritt, komme ich auf den vordersten Gefäßbogen zurück. Von den drei übrigen mit dem Herzen in Verbindung stehenden Gefäßen zeigt der dritte, als der zuletzt gebildete noch das einfache Verhalten eines primären Gefäßbogens (Taf. IX Fig. 4). Am zweiten (Fig. 3) beginnt schon eine Differenzirung. An den beiden vorderen Kiemenbogen besteht äußerlich je ein kleines Höckerchen als erste Anlage einer äußeren Kieme. In das hintere dieser Höckerchen hat sich der zweite Gefäßbogen ausgebuchtet. Durch diese Ausbuchtung, die eine stumpfwinkelige Knickung des Gefäßbogens in seiner Mitte verursacht, zerfällt dieser in einen ventralen und einen dorsalen 184 F. Maurer Schenkel. Diese Sonderung wird noch dadurch bedeutend vermehrt, dass an der Stelle der Knickung von der medialen Wand des Ge- fiBes ein bindegewebiger Sporn in sein Lumen herein entstanden ist (Taf. IX Fig. 3). Zugleich aber hat sich von der Stelle aus, wo der Arterienbogen mit der Herzanlage sich vereinigt hat, ein feines Gefäß gebildet, welches hinter dem ventralen Schenkel des primären Gefäß- bogens im gleichen Kiemenbogen nach oben verläuft, aber bevor es den Winkel des Gefäßes erreicht im Bindegewebe blind endet. Die spätere erste Kiemenarterie (Taf. IX Fig. 2) hat sich schon weiter entwickelt. Das vom Herzen aus gebildete zweite Gefäß, wel- ches im ventralen Schenkel des Kiemenbogens hinter dem primären Gefäß verläuft, hat das Kiemenhöckerchen erreicht und geht in eine Gefäßschlinge über, die gerade an der stumpfwinkligen Knickung in den primären Gefäßbogen mündet (Fig. 2). An dieser Stelle, wo der dorsale und der ventrale Schenkel zusammentreffen, entsteht die äußere Kieme. Die späteren Differenzirungen innerhalb des einzel- nen Kiemenbogens vollziehen sich alle am ventralen Schenkel des- selben, während der dorsale Schenkel des primären Gefäßbogens keine weiteren Komplikationen mehr erfährt. In dem Stadium, in welchem sich die spätere erste Kiemen- arterie bei der 5 mm langen Kaulquappe befand, haben wir den Zustand vor Augen, welchen Rusconi sah, als er angab, dass in jedem Kiemenbogen zwei Arterien verlaufen. Ehe ich zum folgenden Stadium übergehe, ist noch daran zu erinnern, dass, sobald der primäre Arterienbogen mit dem Herzen in Verbindung getreten ist, zwei Vorgänge sich abspielen. Es ist dies einmal die Knickung des Gefäßbogens lateralwiirts. Dieselbe kommt durch die Vergrößerung der Kopfdarmhöhle zu Stande, ver- bunden mit dem Auftreten der äußeren Kiemenstummel. Durch diese Knickung des Gefäßbogens entsteht ein dorsaler und ein ventraler Gefäßschenkel. Der zweite Vorgang ist die Bildung einer zweiten Arterie hinter dem ventralen Schenkel der primären Arterie. Jene ent- steht vom Herzen und zwar von der Stelle aus, wo die primäre Arterie sich mit dem Herzen vereinigte. Der Herzschlauch ist zu dieser Zeit schon $-förmig gekrümmt, es fehlen aber noch Blutkörperchen sowohl in seinem Lumen, als auch in demjenigen der Arterien. Bei Larven von 6 mm Länge haben sich die Kiemen und ihre Gefäße von vorn nach hinten fortschreitend weiter entwickelt. Auf die vorderste Arteria hyo-mandibularis komme ich später zu sprechen. Am ersten Kiemenbogen hat sich der äußere Kiemenhöcker in Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 185 vier Stummel getheilt; am zweiten Bogen bestehen zwei Stummel, die äußere Kieme des dritten Bogens ist ein kleiner einfacher Höcker, wie es die beiden vorderen Kiemen im vorher beschriebenen Stadium . waren. Der dritte Bogen zeigt demgemäß auch die gleichen Ver- hältnisse, wie der erste Bogen des vorigen Stadiums. Man kann die- sen Befund so ausdrücken, dass mit der Bildung des Kiemenstummels der Gefäßbogen eine Schlinge in die Kiemenanlage hineinschickt mit Erhaltung einer direkten primären Anastomose (Taf. IX Fig. 7). Dabei muss man freilich im Auge behalten, dass der ventrale Theil dieser Schlinge sich vom Herzen her bildet und zwar von der Stelle aus, wo der primäre Arterienbogen sich mit der Herzanlage ver- einigt hat. Der dorsale Schenkel der Kiemenschlinge verläuft hori- zontal medialwärts und tritt gerade an dem Winkel in den primären Bogen ein. Von dieser Stelle aus bildete er sich. Am zweiten Bogen dieses Stadiums (Taf. IX Fig. 6) zeigt sich die Kiemengefäßschlinge bedeutend entwickelt auf Kosten vom ventralen Schenkel des pri- mären Gefäßbogens. Der vom Herzen ausgehende Arterienstamm dieses Bogens theilt sich, gerade ehe er in den Bogen eintritt, noch in zwei Äste. Der vordere, den ventralen Schenkel des primären Gefäß- bogens darstellend, verläuft dorsalwärts und geht an dem Winkel des Bogens in den dorsalen Schenkel über. Der ventrale Schenkel ist schwächer geworden und zeigt ein bedeutend feineres Lumen als der dorsale Schenkel. Auch ist dies Lumen nicht mehr gleich- mäßig rund, sondern wieder unregelmäßig buchtig geworden, durch Wucherung des umgebenden Bindegewebes. Im Gegensatz zu die- sem in Rückbildung begriffenen primären ventralen Gefäßschenkel hat sich der dahinter verlaufende sekundär vom Herzen aus gebildete Gefäßstamm, der zweite Theilungsast der zweiten Kiemenarterie, kräftig entwickelt und zeigt glatte Wandung. Sein Lumen ist aber noch nicht weiter, als das des vor ihm verlaufenden erstgenannten Astes. Der sekundäre Ast begiebt sich hinter dem primären dorsal- wärts verlaufend in die äußere Kieme, wo er durch zwei Gefäß- schlingen in die äußere Kiemenvene übergeht. Diese vereinigt sich am Winkel des Gefäßbogens mit dem ventralen Schenkel des pri- mären Arterienbogens zur gemeinsamen Kiemenvene, welche den dorsalen Schenkel des primären Gefäßbogens darstellt. Am ersten Kiemenbogen (Taf. IX Fig. 5) findet sich dasselbe weiter ausgebildet. Der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens ist noch weiter in der Rückbildung fortgeschritten, er besitzt ein feineres Lumen als die sekundäre Kiemenarterie, geht aber mit dieser noch 186 F. Maurer aus einem gemeinschaftlichen Stamm hervor. Die sekundäre Arterie geht durch vier Schlingen in die äußere Kiemenvene über, die sich mit dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens vereinigt. Hierin ist das Stadium gegeben, wo die äußeren Kiemen der Anurenlarven übereinstimmen mit denäußeren Kiemen der Urodelen (Fig. 5). Es geht vom Herzen aus nicht alles Blut durch die äußeren Kiemen, sondern ein Theil des Blutes geht direkt durch die Anastomose, welche durch den ventralen Schenkel des primären Arterienbogens gebildet, wird, in die Kiemenvene über. In diesem Stadium finden sich Herz und Gefäße zum ersten Male mit Blutkörperchen gefüllt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens direkt mit dem Herzen in Verbindung tritt: und eben so wenig ist es zweifelhaft, dass von der Vereinigungsstelle der vier primären Gefäßbogen mit der Herzanlage aus ein sekundäres Gefäß sich bildet, welches sich aber nur bis in die äußeren Kiemen erstreckt, d. h. nur dem ventralen Schenkel des Kiemenbogens und den am Winkel des Bogens auftretenden äußeren Kiemen zukomnt. Im ventralen Schenkel jedes Kiemenbogens verlaufen somit zwei Gefäße, die aber aus einem gemeinsamen Stamm hervorgehen. Zu der Zeit nun, wo die rothen Blutkörperchen im Lumen des Herzens auftreten, und von da in die Gefäße gepumpt werden, fällt einem sofort auf, dass in dem sekundären Gefäße bedeutend mehr Blut- kérperchen sich befinden, als in dem primären, obgleich doch beide Gefäße aus einem Stamme entspringen. Es ist dies die Folge der begonnenen Rückbildung des primären Gefäßes, die dahin führt, dass das ventrale Ende dieses Gefäßes sich von der Verbindung mit dem Herzen wieder löst. Und in diesem Stadium komme ich wieder auf den zuerst geschilderten vordersten Gefäßbogen, die Arteria hyo- mandibularis, zurück. Dieses Gefäß erhält in seinem ventralen Schenkel keine begleitende sekundäre Arterie. Wenn es sich aus seiner Verbindung mit dem Herzen löst, so bleibt es in Verbindung mit der gleichfalls sich lösenden primären ersten Kiemenarterie, aus welcher, wie sich ergeben wird, die erste innere Kiemenvene ent- steht. So ergiebt sich aus diesen Entwicklungsvorgängen die Ent- stehung einer ventralen Fortsetzung der ersten Kiemenvene, d. i. der späteren Arteria carotis externa. Diese Vorgänge sind schon vollzogen bei Kaulquappen von 9 mm Länge. Zu dieser Zeit sind aber.auch schon innere Kiemen in der Bildung begriffen (Taf. IX Fig. 8). Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 187 Die Riickbildung des ventralen Schenkels vom primären Gefäß- bogen hatte schon begonnen bei Larven von 6 mm Länge. Es zeigte sich, dass die vorher bereits glatt gewesene Gefäßwand sich sekundär wieder allenthalben in das Lumen vorbuchtete. Hierdurch wurde sowohl das Gefäß verengert als auch sein Lumen unregel- mäßig buchtig (Taf. IX Fig. 5 apo). Der Haupt-Impetus der Herzaktion geht schon, ehe die Tren- nung des primären Gefäßes vom sekundären vollzogen ist, in dies letztere hinein. Dies erkennt man an der bedeutend stärkeren Fül- lung des letzteren mit Blutkörperchen. Es bilden sich nun auch von diesem sekundären Gefäße aus Ausbuchtungen, die aber nicht mit einer Verengerung dieses Gefäßes Hand in Hand gehen. Dieselben treten an der Strecke seines Ver- laufes im ventralen Schenkel des Kiemenbogens auf bis zur Ein- trittsstelle in die äußere Kieme. Die Ausbuchtungen setzen sich in Verbindung mit dem engen buchtigen Lumen der primären Arterie. Während also der primär vorhandene, ventrale, weite Zusammenhang der beiden im ventralen Schenkel des Kiemenbogens verlaufenden Gefäße sich rückbildet, entwickeln sich sekundär in ihrem Verlauf durch den ventralen Bogenschenkel zahlreiche Anastomosen, die aber von vorn herein kurze Schlingen darstellen (Fig. 8). Alle diese Schlingen bilden sich gleichzeitig mit kleinen Höckerchen, welche der Konvexität des ventralen Kiemenbogenschenkels aufsitzen, und erstrecken sich in diese hinein. Die Höckerchen stellen die erste Anlage der inneren Kiemen dar und sind bereits entwickelt ehe ein Kiemendeckel sich stärker ausgebildet hat. Wenn wir den Blut- strom in diesem Stadium betrachten, so zeigt sich, dass vom Herzen aus das Blut in die sekundäre Arterie strömt (Fig. 8 ab). Von dieser gelangt es größtentheils direkt in die äußeren Kiemen (aA), ein Theil aber fließt dureh die inneren Kiemenanlagen in den ven- tralen Schenkel des primären Gefäßbogens (vd). Dieser ist hier- durch zur inneren Kiemenvene (Vena branchialis interna) geworden. Dieselbe vereinigt sich am Winkel des Kiemenbogens mit der aus der äußeren Kieme tretenden äußeren Kiemenvene (vde,) zur Vena bran- chialis communis /vde,) des betreffenden Bogens, die dem dorsalen Schenkel des primären Gefäßbogens entspricht und in ihrem weiteren Verlauf eine Aortenwurzel darstellt. Wir finden diesen Zustand bei Kaulquappen von 9 mm Länge und zwar gilt er ohne Weiteres für die drei ersten Kiemenbogen. An dem ersten Kiemenbogen besteht die ventrale Fortsetzung der 188 F. Maurer inneren Kiemenvene, auf deren Entstehungsweise ich bereits oben hingewiesen habe. Der Gefäßbogen des vierten Kiemenbogens bildet sich bei Larven von 7 mm Länge. Er stellt dann einen einfachen primären Arterien- bogen dar, welcher von der dritten Kiemenarterie sich abzweigt. Eine äußere Kieme kommt hier nicht zur Entwicklung, dagegen bildet sich später die Arteria pulmonalis und Art. cutanea von diesem Ge- fäßbogen aus, gleichzeitig mit der Entstehung der inneren Kiemen dieses Bogens. Letztere sind bei 9 mm langen Larven noch frei, nicht vom Kiemendeckel bedeckt. Hier kommt es nicht zur scharf kenntlichen Differenzirung eines dorsalen und ventralen Bogenschen- kels, doch entwickeln sich die inneren Kiemen sehr tief, d. h. ven- tral (vgl. Fig. 10 rechts), so dass sie jedenfalls nur im Bereich der ventralen Hälfte des Bogens zur Ausbildung kommen. Vom Filtrir- apparat fand ich bei 9 mm langen Larven noch keine Anlage, es fehlen also auch die ihn ernährenden Gefäße. | In der Folge entwickeln sich nun kurze Zeit die inneren und äußeren Kiemen gleichmäßig weiter. Es besteht in jedem der drei ersten Kiemenbogen nur eine Kiemenarterie. Dieselbe giebt bei ihrem Verlauf im ventralen Kiemenbogenschenkel zahlreiche Ästchen für die inneren Kiemen ab und tritt am Bogenwinkel in die äußere Kieme ein. Aus den inneren Kiemen sammelt sich das Blut in der inneren Kiemenvene, welche vor der Arterie im ventralen Kiemen- bogenschenkel verläuft. Beide Gefäße lagern dicht zusammen, kom- munieiren aber weder ventral noch dorsal direkt mit einander. Aus den äußeren Kiemen sammelt sich das Blut in der äußeren Kiemen- vene, welche dorsal aus jeder äußeren Kieme austritt, um sich so- fort mit der inneren Kiemenvene zur Vena branchialis communis zu vereinigen. Rusconi gab an, dass im Kiemenbogen zwei Arterien verliefen, welche aus einem gemeinsamen Stamm hervorgehen. Er nennt die eine artere permanente; diese entspricht dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens (innere Kiemenvene). Die andere bezeichnet Rusconi als artére transitoire; diese stellt die sekundäre Kiemen- arterie der Larve dar. Beide Gefäße vereinigen sich nach RuscoxI auch wieder, ehe sie in die äußere Kieme eintreten. ECKER lässt ebenfalls die beiden Gefäße im Kiemenbogen aus einem gemeinsamen Stamme hervorgehen. Eine dorsale Vereinigung, ehe sie in die äuße- ren Kiemen eintritt, giebt er bereits nicht‘ mehr an. Eine dorsale Vereinigung ist nie vorhanden, dagegen bestelit Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 189 allerdings eine ventrale, d. h. die beiden Gefäße entspringen in früher Zeit aus einem gemeinsamen Stamm. Dies ist aber nur ein vorüber- gehender Zustand, bei Larven von 7—8 mm Länge ist der primäre Gefäßbogen an seinem ventralen Ende bereits von der sekundären Arterie gelöst. In der späteren Zeit findet sich dann keine direkte Kommunikation zwischen Kiemenarterie und Kiemenvenen. Alles Blut muss die Kiemen passiren, wie Boas! schon beschrieben hat. Ich gehe zur Schilderung der Veränderungen an den Kiemenge- fäßen über, welche sich an die Ausbildung des Kiemendeckels knüpfen. Wenn sich der Kiemendeckel bildet, ein Vorgang, der schon häufig geschildert wurde, so gelangen die äußeren Kiemen in den Kiemensack, und atrophiren. Damit muss auch die Fortsetzung der Kiemenarterie in die äußere Kieme, sowie die äußere Kiemenvene obliteriren. Um ein Stadium zu geben, welches den Kiemensack noch nicht ganz geschlossen zeigt, verweise ich auf die Fig. 9 und 10 Taf. IX. Die Abbildungen sind Kaulquappen von 13 mm Länge entnommen. Es sind hier bei noch offenem Kiemensack die äußeren Kiemen noch stark entwickelt und die inneren stellen auch schon reich verzweigte Bäumchen dar. Fig. 9 zeigt beiderseits den ersten Kiemenbogen. Die Kiemen- arterie (ab) verläuft vom Herzen aus zu diesem Bogen und giebt sofort Ästehen ab, welche zu den inneren Kiemenbäumchen (2h) treten. Häufig entspringen die Arterien für mehrere Kiemenbäumchen in gemeinsamem Stämmehen aus der Arterie. Die Thatsache, dass an den drei ersten Kiemenbogen je zwei Reihen von Kiemenbäum- chen sitzen, findet in der Anordnung der Arterien keinen Ausdruck, d. h. die beiden Reihen werden in unregelmäßiger Weise aus dem einfachen Arterienstamm versorgt. Nachdem die Arterie unter all- mählicher Abnahme ihres Lumens 12—20 Paare solcher Bäumchen versorgt hat, tritt sie in die äußere Kieme (aA) ein. Diese liegt noch wie früher an dem Winkel des ursprünglich primären Gefäß- bogens. Dieser hat sich mit dem Kiemenbogen etwas nach hinten umgelegt, so dass er nicht mehr senkrecht auf die Längsachse des Körpers steht, sondern mit ihr einen nach hinten offenen spitzen Winkel bildet. Die beiden Kiemenvenen, verhalten sich verschieden. Die innere beginnt am ersten Bogen nicht mit der Vene des am weitesten ventral gelegenen Kiemenbäumchens, sondern sie setzt sich ventral in die nach vorn verlaufende Carotis externa (ce) fort. Gerade medial von der am weitesten ventral gelegenen Kieme liegt zwischen 1.2.0. 190 F. Maurer dieser Vene und der Kiemenarterie die Anlage der Carotidendriise (ed) in Form eines soliden Epithelknötchens. Dieselbe habe ich schon früher genauer besprochen. Die äußere Kiemenvene ist am ersten Bogen auf der rechten Seite bereits schwächer als die innere Kiemenvene, weil ihre äußere Kieme schon im Kiemensack, der auf ‘ der rechten Seite sich bekanntlich früher schließt, ganz eingeschlossen ist. Sie beginnt schon zu atrophiren. Auf der linken Seite, wo die äußere Kieme noch frei und völlig entwickelt ist, findet man die äußere Kiemenvene noch stärker als die innere. Am zweiten und dritten Kiemenbogen finden sich unter einander gleiche Verhältnisse (Fig. 10 links). Die äußeren Kiemenvenen sind noch stärker als die inneren. Die inneren Kiemenvenen beginnen mit der Vene des am weitesten ventral gelegenen Kiemenbäum- chens. Sie kommunieiren an ihrem ventralen Ende nicht direkt mit der Kiemenarterie. Diese giebt gerade ehe sie in ihren Bogen eintritt einen dorsalwärts verlaufenden Ast ab, welcher zum Filtrir- apparat (af) verläuft. Die Vene (vf), die aus dem gleichen Ge- biet zurückkommt, ergießt sich in die Vena jugularis externa. Ich war nicht im Stande die Gefäße für den Filtrirapparat in diesem Stadium weiter zu verfolgen als es auf Fig. 10 angegeben ist. Man erkennt, dass die betreffende Arterie sich in zwei Äste theilt, von welchen der eine zu den Filterkämmen, der andere zum Velum tritt. Der letztere Ast theilt sich sofort wieder in einen lateralen und einen medialen Zweig. Der vierte Kiemenbogen zeigt sich auch weiter differenzirt und es finden sich in ihm schon alle für ihn charakte- ristischen Gefäße gebildet. Auf Fig. 10 sind auf der rechten Seite die Verhältnisse dieses Bogens dargestellt. Die inneren Kiemen sind hier noch frei und sitzen in der ventralen Hälfte des Bogens. Die ontogenetischen Entwicklungsvorgänge sind hier einfacher, als an den Gefäßen der vorhergehenden Bogen, da eine äußere Kieme fehlt. Im Wesentlichen stimmt aber die Bildung der Kiemengefäße hier mit dem Modus der vorderen drei Bogen überein. Es besteht zu- erst ein primärer Gefäßbogen. Wenn dessen ventrales Ende mit der Arterie des dritten Bogens sich verbindet, so entsteht zugleich ein zweites Gefäß von dieser Vereinigungsstelle aus und dieses ent- wickelt die Gefäßschlingen für die inneren. Kiemen. Von der Kiemenvene dieses Bogens aus entwickeln sich die Arteria cutanea (ac) und die Arteria pulmonalis (ap), von welchen letztere im vorliegenden Stadium bereits zur Anlage der Lunge (p/) verfolgbar ist. In der nächsten Entwicklungsperiode bilden sich unter Verschluss des Kie- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 191 mensackes bis auf den linksseitigen Porus die äußeren Kiemen zurück und sind bei Larven von 17 mm Linge nur noch als kleine stark pigmentirte Stummel nachweisbar (Fig. 11 aA). Damit ist auch die distale Hälfte der Kiemenarterie rückgebildet und mit ihr die äußere Kiemenvene. Es besteht nur noch die proxi- male Hälfte der Kiemenarterie, welehe nunmehr in dem am weitesten dorsal gelegenen inneren Kiemenbäumchen endigt. Die Arterie des zweiten und die des dritten Bogens geben, ehe sie in ihren Bogen eintreten, je eine Arterie für den Filtrirapparat (af) ab. In diesem Stadium konnte ich die Zweige bis in die einzelnen Kämmchen ver- folgen, eben so die Venen nachweisen, welche sich in die Vena jugu- laris externa ergießen. Die innere Kiemenvene ist jetzt zur alleinigen Kiemenvene geworden. Sie setzt sich direkt in die frühere Vena branchialis communis fort. Es ist hierdurch schon in diesem Stadium der primäre Gefäßbogen, .dessen ventraler Schenkel in früheren Sta- dien einmal der Rückbildung nahe war, wieder zu einem einheit- lichen starken Gefäße geworden. Es fehlt ihm aber noch der ven- trale Zusammenhang mit dem Herzen, den er in den frühesten Stadien besessen, dann aber verloren hat. Die innere Kiemenvene beginnt an den drei hinteren Bogen mit der Vene des am weitesten ventral gelegenen Kiemenbiumchens. Am ersten Bogen besitzt sie eine ventrale Fortsetzung in der Carotis externa. Die Verhältnisse, wie sie nach der völligen Rückbildung der äußeren Kiemen bestehen, sind bereits von Boas genau geschildert und kann ich seine Beobachtungen durchaus bestätigen. Das Wesent- liche, was hier noch angeführt werden muss, ist die Thatsache, dass bei der Metamorphose die Kiemenvene an ihrem ventralen Anfange wieder in offene Verbindung mit der Kiemenarterie tritt, so dass sie zum bleibenden Arterienbogen wird. Die Kiemenarterie der Larve, die sich sekundär bildete, obliterirt, verschwindet mit der Rückbil- dung des Kiemenapparates. Der primäre Gefäßbogen wird auch zum bleibenden Arterienbogen. : Fassen wir, ehe wir zur Schilderung der Verhiiltnisse bei Uro- delen iibergehen, nochmals die Vorgiinge, die sich ontogenetisch beim Frosch an den Gefäßen eines Kiemenbogens abspielen, kurz zusammen, so ergiebt sich, dass in -früher Larvenperiode (Larven von 4 mm Länge) zuerst ein einfacher primärer Gefäßbogen ange- legt wird. Derselbe entwickelt sich unabhängig vom Herzen, tritt aber sofort nach seiner Bildung mit diesem in Verbindung. Mit der Ausbildung von äußeren Kiemenstummeln, die lateral Morpholog. Jahrbuch. 14. 13 192 | F. Maurer in der Mitte der drei ersten Kiemenbogen sich anlegen, buchtet sich der Gefäßbogen aus und besteht nun aus einem ventralen und einem dorsalen Schenkel. Die weiteren Differenzirungen vollziehen sich aus- schließlich im Bereich des ventralen Schenkels und der an dessen oberem Ende sitzenden äußeren Kiemen. Es bildet sich nämlich sekundär vom Herzen aus, und zwar genau an der Stelle, wo das ventrale Ende des primären Gefäßbogens sich mit der Herzanlage verband, ein zweites Gefäß. Dasselbe verläuft parallel dem ven- tralen Schenkel des primären Gefäßes dorsalwärts, liegt etwas ven- tral und hinter diesem Gefäß und begiebt sich zur äußeren Kieme. Dieses zweite, sekundäre Gefäß ist die einzige Kie- menarterie der Froschlarve. Der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens ist niemals Kiemenarterie, viel- mehr versieht dieses Gefäß kurze Zeit den Dienst einer direkten Anastomose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene. Es ist zwei- fellos, dass die beiden Gefäße, welche im ventralen Schenkel des Kiemenbogens verlaufen, eine kurze Zeit lang aus einem gemein- samen Stamme hervorgehen (Larven von 5—6 mm Länge). Der ~ dorsale Schenkel des primären Gefäßbogens wird mit der Ausbildung äußerer Kiemen zur äußeren Kiemenvene. Zur Zeit, wenn äußere und innere Kiemen zusammen bestehen (Larven von 8—13 mm Länge), ist er als Vena branchialis communis zu bezeichnen, da in ihm die innere und äußere Kiemenvene sich vereinigen. Nach der Rückbildung der äußeren Kiemen stellt er endlich die direkte Fort- setzung der inneren Kiemenvene dar, um bei der Metamorphose in den dorsalen Schenkel des bleibenden Gefäßbogens überzugehen. Der ventrale Zusammenhang zwischen Kiemenarterie und ven- tralem Schenkel des primären Gefäßbogens, derart dass beide aus einem gemeinsamen Stamm hervorgehen, wird sehr früh rückgebildet. Der primäre Gefäßbogen erleidet in seinem ventralen Schenkel eine kückbildung in dessen ganzer Länge. Diese Rückbildung ist aber nur unvollständig und vorübergehend. Indem von dem Stamme der eigentliehen Kiemenarterie Gefäßsprossen nach der Konvexität ihres Kiemenbogens hin sich ausbilden, treten diese mit den buchtigen Gefäßräumen, welche den Rest des ventralen Schenkels vom pri- mären Gefäßbogen darstellen, wieder in Verbindung. Hier entstehen die inneren Kiemen (Larven von 7—9 mm Länge). Nun entwickeln sich innere und äußere Kiemen eine Zeit lang neben einander (Lar- ven von 9—13 mm Länge). In dieser Zeit hat die Kiemenarterie eine proximale und eine distale Hälfte. Die proximale versorgt die inneren Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 193 Kiemen und setzt sich in die distale Hälfte fiir die äußeren Kiemen fort. Aus den inneren Kiemen sammelt sich das Blut in der inneren . Kiemenvene, welche sich aus dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens entwickelt hat. Diese verbindet sich mit der aus den äußeren Kiemen kommenden äußeren Kiemenvene, welche sich von dem Winkel des primären Gefäßbogens ausbildete. Die innere und äußere Kiemenvene vereinigen sich zur Vena branchialis communis. Zu dieser Zeit hat der Kiemendeckel sich bereits gebildet (Larven von 13—17 mm Länge). Dann ist der distale Theil der Kiemenarterie und die äußere Kiemenvene mit der Rückbildung der äußeren Kie- men obliterirt und verschwunden. Es besteht nur der proximale Theil der Kiemenarterie für die inneren Kiemen, aus welchen sich die einzige innere Kiemenvene sammelt. Diese stellt in ihrer ganzen Länge den primären Gefäßbogen dar. Derselbe geht bei der Meta- morphose auch vollkommen in den bleibenden Arterienbogen über, indem er an seinem ventralen Ende wieder mit dem Kiemenarterien- stamme in offene Verbindung tritt. Die Kiemenarterie der Larve obliterirt und verschwindet. Aus den vorhergehenden Schilderungen ergiebt sich, dass bei Froschlarven in frühen Stadien (5—6 mm Länge) ein Zustand betreffs der Kiemen besteht, welcher dem bleibenden Kiemenapparate der Urodelen entspricht. Es erstreckt sich diese Gleichartigkeit nicht nur auf die Anordnung der äußeren Kiemen und ihre Ausbildung an den drei vorderen Kiemenbogen, sondern auch das Verhalten der Blutgefäße ist ein ganz übereinstimmendes. Gleichwohl wäre es . übereilt, wenn wir aus dieser Übereinstimmung auf eine vollkommene Homologie schließen würden. Um hierzu eine Berechtigung zu haben, muss zuerst untersucht werden, ob die Entwicklung der Kiemen und ihrer Gefäße bei Urodelen in gleicher Weise erfolgt, wie bei Anuren. b. Urodelen. Zur Feststellung des Entwicklungsmodus der Urodelenkiemen und der großen Arterienbogen benutzte ich vollständige Entwicklungs- serien von Triton taeniatus und Siredon pisciforme. Untersucht man einen Embryo von Triton taeniatus, der 15 Tage lang im Ei sich entwickelte, so zeigen sich äußerlich an der Seite des Kopfes folgende Gebilde: Gerade hinter dem Auge, das als deutliches rundes Relief zu erkennen ist, sitzt ein Höckerchen, etwas ventral. Dasselbe stellt zu dieser Zeit die mächtigste Prominenz am Kopfe dar. 198 194 F. Maurer Durch einen größeren Abstand von diesem Höckerchen getrennt finden sich weiter hinten drei schwach angedeutete, dorsoventral und von hinten oben nach vorn unten leicht geneigt verlaufende Wiilste, welche durch seichte Furchen von einander getrennt sind. Diese drei letztgenannten Wülste liegen sehr dicht zusammen und stellen, wie auf Horizontalschnitten zu sehen (Fig. 12), die drei ersten Kiemenbogen in ihrer Anlage dar. Der vordere stärkste Höcker sitzt der Kieferbogenanlage an und ist durch die Anlage des Zun- genbeinbogens vom ersten Kiemenbogenwulst getrennt. In diesem Stadium verlässt der Embryo das Ei. Zwei Tage später, nachdem die Larve zwei Tage lang sich frei im Wasser bewegt hat, erkennt man, dass das vorderste, hinter dem Auge gelegene Höckerchen ventral unter das Auge gerückt und zu einem längeren Fortsatz ausgewachsen ist. Auch die drei Kiemen- bogenwülste haben sich verändert, in so fern an jedem von ihnen die Anlage einer äußeren Kieme in Form eines fingerförmigen Zapfens, der eine leichte nach oben konkave Krümmung zeigt, hervorgesprosst ist. Die Entfernung der drei dicht zusammenstehenden äußeren Kie- men von dem vorderen Faden ist noch beträchtlicher geworden. Zwei bis vier Tage später, bei Larven, die 4—6 Tage ausgeschlüpft sind; hat sich ein Kiemendeckel gebildet. Der vordere Faden ist noch an seiner Stelle ventral vom Auge zu finden. Er hat einen verjüngten Stiel und ein kolbiges Ende. Er sitzt dem Kieferbogen gerade an dessen Winkel an. Die äußeren Kiemen sind weiter dorsalwärts gerückt, so dass sie dem oberen Ende der betreffenden Kiemenbogen ansitzen. Sie sind noch einfach, ohne weitere Kiemenfortsätze. In den folgenden S—14 Tagen schrumpft und verschwindet der Kiefer- bogenfortsatz, während die äußeren Kiemen sich mächtig entfalten und die Kiemenplatten längs der lateralen Konvexität der vier Kie- menbogen sich ausbilden. Fertigt man Horizontalschnitte von dem jüngsten geschilderten Stadium an (Triton 18 Tage im Ei, 3,8 mm lang, Fig. 12), so er- kennt man, dass die Mundbucht noch nicht mit dem Vorderdarm ver- einigt ist. Die Kopfdarmhöble besitzt ein weites Lumen und von diesem erstrecken sich die vier vorderen Schlundtaschen lateralwärts gegen das Ektoderm. Da sie dieses noch nicht erreichen, bestehen noch keine Schlundspalten, dagegen sind durch die Falten doch bereits vier Schlundbogen abgetheilt, welche den Kiefer-, den Zun- genbein- und die beiden ersten Kiemenbogen darstellen. Das sie zusammensetzende Gewebe besteht noch aus undifferenzirten meso- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 195 dermalen Bildungszellen. Von Knorpel ist noch keine Spur vor- handen, eben so fehlen noch Gefäße in den beiden hinteren Schlund- bogen, d. h. den späteren ersten und zweiten Kiemenbogen. Dem Kieferbogen sitzt der oben beschriebene äußere Fortsatz an, während die hinteren Bogen nur durch seichte Furchen von einander getrennt sind, aber dabei eine gemeinsame Prominenz am Halstheil des Em- bryo bilden. Die drei vorderen Schlundtaschen gehen von der Schlundhöhle in einem zur Längsachse des Körpers rechten Winkel ab, die vierte ist schräg nach hinten gerichtet. Achten wir auf die Herzanlage, so zeigt sich folgender Be- fund: Das Herz stellt einen gekrümmten Schlauch dar, dessen Lumen 0,05 mm weit ist. Einzelne Abschnitte sind noch nicht differenzirt. Das vordere Herzende liegt dem Epithel der ventralen Schlundwand genau zwischen der Anlage der Hyoidbogen jeder Seite an. Hier theilt sich der Herzschlauch und giebt jederseits ein starkes Gefäß von 0,03 mm Weite ab (ahm Fig. 12). Beide Gefäße divergiren in einem Winkel von 140° und verlaufen lateral- wärts zuerst eine Strecke im Hyoidbogen. Während dieses Ver- laufs liegen die Gefäße dicht hinter der ersten Schlundtasche, also ganz vorn im Zungenbeinbogen. An der Stelle, wo der Höcker dem Kieferbogen ansitzt, treten die Gefäßbogen jeder Seite nach vorn in den Kieferbogen über. In diesem Bogen verlaufen sie dorsalwärts nach Abgabe eines gleich zu besprechenden Astes und theilen sich auf jeder Seite in zwei Äste, nachdem sie die Dorsalfläche des Schlundrohres erreicht haben. Der eine Ast geht nach vorn zu Gehirn und Auge und anastomosirt mit dem gleichen Ast der an- deren Seite, der zweite Ast biegt nach hinten um und geht in die Aortenwurzel über. Eine Aorta besteht bereits in diesem Stadium. Weder in der Anlage des ersten noch in der Anlage des späteren zweiten Kiemenbogens findet sich eine Spur von Gefäßbogenanlagen. Das Herz pulsirt bereits, besitzt aber bloß eine bogenförmige Kommissur mit der Aorta, und dieser erste Gefäßbogen verhält sich in seinem Verlauf genau wie die erste bei Anurenlarven geschilderte Anlage der Arteria hyo-mandibularis. Sie gehört sowohl dem Zun- genbein- wie dem Kieferbogen an, nimmt aber im ventralen Schen- kel des Hyoidbogens einen ganz anderen Verlauf, wie die Arterien- bogen später in den Kiemenbogen verlaufen. Sie liegt ganz vorn im Hyoidbogen, direkt hinter der ersten Schlundfalte. Hier bei Tritonen, und eben so verhält es sich bei Siredon, kommt aber diesem ersten Gefäßbogen eine wichtigere Funktion zu, 196 F. Maurer als dies bei Froschlarven der Fall war. Bei letzteren war es stets ein schwaches Gefäß und bestand schon während das Herz noch gestreckt war und noch keine Aorta bestand. Die sofort auftreten- den Arterienbogen im ersten und zweiten Kiemenbogen übernehmen gleich die Funktion von starken Kommissuren zwischen dem ven- tralen Herzen und der dorsalen Aorta. Kehren wir zu der Schilderung der Arteria hyo-mandibularis bei dem 3,8 mm langen Triton zurück, so giebt dies Gefäß noch einen wichtigen Ast ab. Dem Kieferbogen sitzt, wie oben erwähnt, genau am Winkel des Bogens um diese Zeit der kurze, aber dicke Höcker an, welcher zu dieser Zeit die stärkste Prominenz am Kopfe bildet. Er ist von einem zweischichtigen Epithel überzogen. Die Arteria hyo-mandibularis giebt nun gerade da, wo sie vom Zungenbein- in den Kieferbogen eintritt, und an der Basis des Kieferfortsatzes vor- beiläuft, einen starken Ast in diesen Fortsatz ab. Derselbe ver- läuft bis zum Ende des Fortsatzes, biegt dort um und verlässt vor dem zutretenden Ast den Fortsatz, um in die Körpervenen überzu- gehen. Er verläuft sicher nicht zu dem dorsalen Schenkel der Ar- teria hyo-mandibularis zurück (vgl. Holzschnitt Fig. I). Überall, wo dieser Fortsatz erwähnt wird, wird er als gestieltes Tastorgan bezeichnet (BALFOUR u. A.). Es ist auffallend, dass an seinem Epithelüberzug nirgends differenzirte Sinneszellen nachweisbar sind. Das ganze Innere des Fadens wird von der Gefäßschlinge ausgefüllt. Daher legte ich mir die Frage vor, ob wir in diesem Gebilde nicht vielleicht eine Kieme des Kieferbogens erblicken müssen. Dagegen spricht, dass der Epithelüberzug nicht aus platten, sondern aus kubischen Zellen besteht. Ferner spricht dagegen, dass der rückläufige Schenkel der Gefäßschlinge nicht in die Aortenwurzel übergeht, sondern in die großen, noch unregelmäßigen venösen Blut- räume, die zwischen den Elementen des Unterkiefers bestehen. Wenn wir aber daraus entnehmen müssen, dass dies Gebilde keine respiratorische Bedeutung mehr hat, so ist noch nicht erwiesen, dass es solehe nicht früher gehabt hat. Auffallend muss bleiben, dass der Fortsatz bei seiner Bildung genau an der Stelle sitzt, wo an den hinteren Bogen die äußeren Kiemen sitzen und dass er vom ersten Arterienbogen zu einer Zeit, wo sonst noch keine Arterien außer der Aorta gebildet sind, ein mächtiges Gefäß bezieht. Hier muss ich noch bemerken, dass der Kieferfortsatz bei Triton taeniatus, alpestris, helveticus und eristatus zur Ausbildung kommt, bei Siredon pisciformis in der Regel fehlt. Unter 60 Exemplaren Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete, 197 von Siredon hatte ich eines, welches die Kieferfortsätze zeigte. Dort waren sie aber relativ schwächer entwickelt, wie bei den Tritonen. In dem dorsalen Schenkel des Hyoidbogens, sowie in dem ersten und zweiten Kiemenbogen fehlten bei Triton von 3,8 mm Länge noch Gefäßanlagen. Nicht einmal unregelmäßige Gewebslücken, wie ich sie als Vorläufer der primären Arterienbogen bei Froschlarven schil- derte, sind vorhanden. Das folgende Stadium (Fig. 13) entnehme ich einer Tritonlarve von 4,4 mm Länge. Sie ist vor zwei Tagen ausgeschliipft. Am Kiemenapparat haben sich wich- tige Differenzirungen vollzogen. Es bestehen bereits sämmtliche fünfSchlundtaschen. Sieerreichen sämmtlich das Ektoderm, ihre Blätter sind aber noch nicht aus einander gewichen, so dass noch keine offenen Spalten bestehen. Die vorderste Schlundtasche er- reicht nur in dem dorsalen Schen- kel das Ektoderm. Im ventralen Schenkel erreicht sie es nie ganz. Sie bildet sich niemals zu einer a a.hm. offenen Spalte aus. Der Fortsatz des Kieferbogens rset! Auch den vorigen Kopi sine ist in die Länge gewachsen. Der höhle; th Schilddrüsenanlage; ahm Arteria hyo- a ei En er Fortsatzbildung, während an den ~ drei folgenden, dem ersten bis dritten Kiemenbogen, die Anlage äußerer Kiemen in Form einfacher, leicht gekrümmter fingerförmiger Fort- sätze bestehen. Dieselben sitzen zur Zeit ihrer ersten Bildung eben so wie bei Anurenlarven an dem Winkel, den der dorsale mit dem ven- tralen Schenkel des Bogens bildet, d. h. zu dieser Zeit lateral an der prominentesten Stelle des noch einheitlich konvexen Bogens. Ein vierter Kiemenbogen: hinter der fünften Schlundtasche ist noch nicht differenzirt. Die erste und zweite Schlundtasche verlaufen noch ziemlich senkrecht auf die Körperlängsachse lateralwärts, während die drei hinteren schräg nach hinten lateralwärts gerichtet sind. Mit der Ausbildung des Kiemenapparates hat sich auch die ganze Kiemenregion des Kopfes bedeutend in die Länge ausgedehnt. Im vorigen Stadium war sie bei 3,8 mm Körperlänge 0,35 mm lang; 198 F. Maurer nun beträgt ihre Länge 0,6 mm, bei 4,4 mm Körperlänge. In Folge dieser Volumsentfaltung des ventralen Kiemenapparates hat sich der obere Kopftheil der Larve gehoben, so dass wir auf Horizontal- schnitten durch die Mitte der Kiemenbogen nicht mehr die Augen treffen, die weiter dorsalwärts liegen, sondern die Nasengruben. Hierdurch werden die Figg. 12—14 in ihrer Verschiedenheit ver- stiindlich. Der Fortsatz des Kieferbogens liegt nicht mehr hinter dem Auge, sondern ist ventral unter demselben zu finden. Am Herzen und den großen Gefäßen haben sich ebenfalls be- deutende Weiterbildungen vollzogen. Der Herzschlauch hat sich weiter gekrümmt und um seine Längsachse gedreht. Aus der am weitesten ventral gelegenen Ventrikelanlage geht ein kurzer Conus arteriosus hervor, der sich in einen gekrümmten Truncus fortsetzt. Aus diesem gehen drei Gefäße nach jeder Seite ab. Das dritte Gefäß theilt sich kurz nach seinem Austritt nochmals, so dass wir vier Paar Arterienbogen nachweisen können. Das vorderste Paar sind die bereits im vorigen Stadium allein vorhandenen Arteriae hyo-mandi- - bulares (Fig. 12 und 13 ahm), welche noch genau wie dort vom Hyoid- in den Kieferbogen verlaufen. Hinter diesem Gefäß, das noch immer das mächtigste darstellt, haben sich die drei folgenden Ge- fäßbogen entwickelt (ad,— ), welche in den drei ersten Kiemen- bogen dorsalwärts verlaufen. Die Arterien für den zweiten und dritten Bogen entspringen mit gemeinsamem Stamm; eine Arterie für den vierten Bogen fehlt noch. Das Lumen des Conus arteriosus be- trägt 0,064 mm. Der Truncus, in welchen sich der Conus fortsetzt, ist 0,09 mm weit. Von den abgehenden Arterien besitzen die Artt. hyo-mandibulares als die weitesten ein Lumen von 0,03 mm. Die | drei folgenden Arterien messen: die des ersten Kiemenbogens 0,016 mm, die des zweiten 0,02 mm und die des dritten 0,015 mm im Durchmesser. Es ist somit die Arterie des späteren zweiten Kiemenbogens von den drei hinteren die stärkste. Der dorsale Schenkel des Hyoid- bogens entbehrt eines Gefäßes. Die vorderste Theilungsgabel des Herzens liegt genau wie im vorigen Stadium zwischen den Hyoid- bogen jeder Seite. Die aus dem Truncus arteriosus abgehenden Gefäße verlaufen: die Art. hyo-mandibularis stark nach vorn diver- girend, fast ganz lateralwärts, die Arterie des ersten Kiemenbogens direkt lateralwärts, die des zweiten und dritten Bogens schräg nach hinten, gemäß der Anordnung des Herzens (vgl. Fig. 13). Wie aus dieser Schilderung im Vergleich mit dem ersten Stadium er- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 199 sichtlich, ist es mir nicht gelungen bei Tritonen die erste Anlage der primären Gefäßbogen, ehe sie mit dem Herzen in Verbindung treten, zu beobachten. Es mag dies darin seinen Grund haben, dass diese Gefäßbogen sich ontogenetisch relativ später entwiekeln als bei Anuren. Sie bilden sich erst zu einer Zeit, wo das Herz seine Pul- sationen schon begonnen hat und in dem vordersten Gefäßbogen der Arteria hyo-mandibularis bereits einen Abzugskanal nach vorn besitzt. Es bilden sich dann bei Urodelen die bei Anuren als primärer Gefäßbogen und sekundäre Kiemenarterie beschriebenen Gefäße zu gleicher Zeit, und zwar gerade in diesem Stadium, bei Tritonlarven von 4,4 mm Länge (Holzschnitt I). Die ventralen Enden der primären Arterienbogen (ape) im ersten bis dritten Kie- menbogen haben sich aber noch nicht mit den Fig. II. sekundären Kiemenarterien (as) vereinigt. Letztere sind hier wie bei Anurenlarven vom Herzen, d. h. vom Truncus arteriosus aus entstanden und erstrecken sich in die äußere Kiemenanlage. Das der primären Arterie der Anurenlarve entsprechende Gefäß ist in seinem ventralen Schenkel sehr schwach entwickelt und endigt ventral noch im Binde- gewebe des ersten bis dritten Kiemenbogens spitz ausgezogen. Es geht an dem Winkel Schematische Darstellung der Ge- ° des betreffenden Kiemenbogens in den dor- ae ee ieee ee salen Schenkel {apd) über. Dieser ist schon ler Schenkel des primären Gefäßbogens ; apv ventraler Schen- sehr mächtig, da er durch die Kiemen- kei desselben; as sekundäre Kie- gefäßschlinge (ak) schon mit der sekundären "tie; re Homer: Arterie in Verbindung getreten ist. Dass das erwähnte noch blind endigende feine Lumen im ventralen Bogenschenkel dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens bei Anurenlarven homolog ist, ergiebt sich u. A. daraus, dass es am Winkel des Kiemenbogens mit dem dorsalen Schenkel des Gefäßes stets in primärer offener Verbindung ist, während der ventrale Zu- sammenhang mit der sekundären, vom Herzen ausgebildeten Arterie erst später erreicht wird. Es fand sich dies bei Anurenlarven in ähnlicher Weise. Was die Verhältnisse dort anders erscheinen lässt ist nur der Umstand, dass diese Dinge bei Anuren früher sich ausbilden und sich rascher abspielen als bei Urodelen. Es mag dies einmal darin begründet sein, dass diese Verhältnisse bei Anu- -ren viel rascher komplicirteren Einrichtungen weichen müssen. Ein 200 F. Maurer sehr wesentliches Moment ist aber ferner das Verhalten des vorder- sten Gefäßbogens, der Arteria hyo-mandibularis. Warum dieses Ge- fäß eine so viel wichtigere Funktion in frühen Zeiten bei Urodelen, als bei Anuren besitzt, weiß ich nicht zu entscheiden. Im ersten bis dritten Kiemenbogen bestehen zu dieser Zeit die Gefäßverhält- nisse, wie sie auf Holzschnitt II gegeben sind. In einem folgenden Stadium, das einer Tritonlarve von 4,5 mm entnommen ist, zeigt sich schon eine Andeutung, dass der vorderste Gefäßbogen (Arteria hyo-mandibularis) sich auch an seiner Austritts- stelle aus dem Truncus arteriosus schärfer von den hinteren wahren Kiemenarterien ab- setzt. Der vordere Theil des Truncus hat sich etwas in die Länge gezogen, so dass wir an ihm zwei Abschnitte unterscheiden können. Aus dem hinteren mächtigeren gehen drei Arterien jederseits für die späte- ren drei ersten Kiemenbogen ab. Er besitzt ein Lumen von 0,08 mm und setzt sich in den vorderen, nur 0,03 mm weiten kurzen End- abschnitt fort. Aus diesem gehen die Ar- Schematische Darstellung der Ge- teriae hyo-mandibulares ab. Dieselben sind er ee 0,015 mm weit. Die Arterie des ersten Kie- apd dorsaler Schenkel des pi- menbogens besitzt ein Lumen von 0,02 mm, an ag die des zweiten Bogens ist 0,022 mm weit, sekundäre Kiemenarterie; ak die des dritten bloß 0,015 mm. er Fr Im Vergleich zum vorigen Stadium haben somit die Arteriae hyo-mandibulares bedeutend an Lumen abgenom- men, während die Kiemenarterien sich fortentwickelt haben. Die zweite ist noch die stärkste. Die Lagerung des Herzens hat sich nicht geändert. In dem zweiten und dritten Kiemenbogen haben sich die Gefäße in so fern weiter gebildet, als die direkte Kommissur zwischen Kiemenarterie und Vene sich hergestellt hat (Holzschnitt II). Das ventrale Ende des primären Gefäßbogens (apv) hat sich mit der sekundären Arterie (as) vereinigt. Bei’ Larven von 5,2 mm Länge, welchen die Fig. 14 entspricht, hat die Rückbildung der Art. hyo-mandibularis (ahm) bedeutende Fortsehritte gemacht. Außerdem hat sich nun- mehr eine vierte Kiemenarterie gebildet. | Die zwei Abschnitte des Truncus arteriosus sind viel prägnanter geworden, indem der vordere Theil. welcher eben die Art. hyo- Fig. II. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 201 mandibulares hervorgehen lässt, als schmächtiges Stämmehen dem hinteren Abschnitt ansitzt. Der Fortsatz am Kieferbogen ist noch in die Länge gewachsen. Der Zungenbeinbogen zeigt noch keine An- deutung eines Kiemendeckels. Die drei äußeren Kiemen jederseits sind gleichfalls länger geworden. Die beiden vorderen zeigen schon kurze Fransen. Die Lage des Herzens hat sich nieht ver- ändert, so dass die Arterie des ersten Kiemenbogens (ab,) direkt lateralwärts verläuft, die zweite bis vierte (ab,—,) aber sehr weit nach hinten verlaufen müssen. Das vordere Ende des Conus arteriosus liegt zwischen den beider- seitigen ersten Kiemenbogen, der Conus hat ein Lumen von 0,08 mm. Der hintere Abschnitt des Trun- cus, aus welchem die vier Ar- Fig. IV. terien für die vier Kiemenbogen hervorgehen, ist 0,1 mm weit, während der vordere Abschnitt, der gemeinsame Stamm der Ar- teriae hyo-mandibulares, nur 0,015 mm weit ist. Die beiden Äste, in die er sich theilt, sind 0,01 mm weit. Das Lumen der Arterie des ersten Kiemenbogens beträgt 0,03 mm, das des zwei- Gefäße des ersten Kiemenbogens und Carotis ten 0,032 mm. Der dritte misst externa durch Vereinigung der ersten Kiemen- 3 vene (apv) mit der Arteria hyo-mandibularis 0,024 mm und der vierte 0,015 mm entstehend (Tritonlarve 5 mm lang). ai—a, die im Querdurchmesser. ap Man ersieht hieraus, dass der mären Arterienbogens; apd dorsaler Schenkel in früherer Zeit bei Tritonen o vi“ a ee BRATEN: wichtige vorderste Arterienbogen, der früher die einzige Kommissur zwischen dem ventral gelagerten Herzen und der dorsalen Aorta gebildet hat, mit der Ausbildung der hinteren vier Kiemenarterien seine Bedeutung verliert und eine Rückbildung erleidet. Doch verschwindet er nicht ganz. Vielmehr tritt er auch hier (wie bei Anurenlarven in friiherer Periode) mit dem ventralen Schenkel des primären Arterienbogens in Kommuni- kation und lässt den Anfang des Stammes der Arteria carotis externa aus sich hervorgehen. Am ersten Kiemenbogen zeigte sich schon bei Larven von 4,5 mm Länge, dass der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens sich abweichend von dem zweiten und dritten Bogen nicht bloß mit der sekundären Arterie ihres Kiemen- 202 F. Maurer bogens in Verbindung setzt, sondern sich auch weiter ventral fort- setzte und viel tiefer in ihrem Kiemenbogen noch blind endete. Ihr Zusammenhang mit der ersten sekundären Arterie ist ein unregel- mäßiger, in so fern sie eben nicht mit ihrem ventralen Ende, son- dern an mehreren Stellen ihres Verlaufes mit derselben in Verbin- dung tritt. Bei Larven von 5—6 mm Länge zeigt sich das ventrale Ende des primären Gefäßbogens im ersten Kiemenbogen mit der Arteria hyo-mandibularis jeder Seite in Verbindung getreten, während der gemeinsame Stamm der letzteren, welcher aus dem Truncus arterio- sus hervorging, sich rückgebildet hat und gänzlich verschwunden ist. (Holzsehnitt IV zeigt das frühere Stadium, wo der Stamm der Arteria hyo-mandibularis noch besteht.) So geschieht es, dass auch hier, wie bei Anuren, die ventrale Fortsetzung der ersten Kiemen- vene die Carotis externa darstellt. Bei Teleostiern komme ich auf diese merkwürdigen Gefäßbeziehungen zurück. In Bezug auf die späteren Kiemengefäßverhältnisse, sowie über die Aortenwurzeln der Art. pulmonalis und die Verhältnisse der vierten Kiemenarterie habe ich den Beobachtungen von Boas’ nichts hinzu- zufügen. Nur in Bezug auf die Kiemenplatten bleibt noch Einiges zu bemerken. Es war mir vollkommen unmöglich auf Schnitten Äste, welche von der Kiemenarterie während ihres Verlaufes längs des knorpeligen Bogens in die Kiemenplatte einträten, in frühen Sta- dien nachzuweisen. Erst bei älteren Larven sieht man solche Äste. Dieselben sind äußerst fein und unregelmäßig, zeigen aber keinerlei Anordnung, die sich auf Ähnlichkeit mit den komplieirten Gefäßbildungen der inneren Anuren beziehen ließe. Nach der Meta- morphose werden sie dadurch bedeutsam, dass sie zuweilen die Epithel- körperchen versorgen, welche sich bei Urodelen erst um diese Zeit unter Verschluss der Kiemenspalten und Aneinanderlegen der Kiemen- platten bilden. Die Epithelkörper hängen dann den Gefäßbogen an durch einen Stiel, welcher durch ein kleines direkt von dem be- treffenden Bogen abgehendes Gefäßchen gebildet wird. Die Kiemenplatten dienen somit, wenn auch in geringem Grade, der Athmung, wie schon Boas beschrieben hat. Doch muss ich hier bemerken, dass die Venen, welche aus dem oberen Ende hervor- gehen, sich nicht in die Anastomose zwischen Arterie und Vene er- gießen, sondern die Kiemenvene, ehe dieselbe den anastomotischen Ast aufnimmt, erreichen. Am vierten Bogen, wo die äußere Kieme Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 203 fehlt, geht in die Kiemenplatte ein stärkeres Gefäßnetz ein. Boas hat dies bereits abgebildet. Vergleichung der Anuren- und Urodelenkiemen. Nachdem im Vorhergehenden die Art und Weise der ersten Ent- wicklung der Arterienbogen und der Kiemengefäße bei Anuren und Urodelen geschildert wurde, fragt es sich nun, ob wir die äußeren Kiemen, welche sich in früher Larvenperiode bei Anurenlarven bil- den, für homolog halten dürfen den äußeren Kiemen, welche bei Urodelen während des ganzen Larvenlebens als Respirationsorgane bestehen. Die Unterschiede, welche in der ersten Entwicklung sich geltend machen, sind meines Erachtens nicht derart, dass sie die Homologisirung unmöglich machen. Als erstes gleichartiges Moment ist anzuführen, dass die äußeren Kiemen bei beiden Amphibien- klassen an den drei ersten Kiemenbogen als ektodermale Bildungen auftreten. Ferner treten Gefäße in sie ein, welche vom Herzen aus als sekundäre Arterien sich entwiekelt haben. Die Vene der äußeren Kieme ergießt sich an dem Kiemenbogenwinkel, welchem die äußere Kieme ansitzt, in den dorsalen Schenkel eines primären Gefäßbogens. Der ventrale Schenkel des letzteren Gefäßbogens bildet eine Anasto- mose zwischen sekundärer Arterie und Kiemenvene. In diesen wesent- lichen Thatsachen stimmen die äußeren Kiemen beider Ordnungen überein. m Die Unterschiede, welche bestehen, sind folgende. Bei Anuren legen sich die primären Arterienbogen deutlich nachweisbar einige Zeit vor den sekundären Kiemenarterien an. Bei Urodelen erfolgt ihre Entwicklung gleichzeitig. Der vorderste Gefäßbogen, den ich als Arteria hyo-mandibularis bezeichnet habe, hat bei beiden Klassen den gleichen Verlauf, verhält sich aber in seiner Beziehung zum Herzen verschieden. Bei Anuren giebt er seine Verbindung mit dem Herzen rasch auf, noch ehe das Herz zu pulsiren beginnt, bleibt aber mit dem ventralen Ende des primären Arterienbogens des ersten Kiemenbogens in Verbindung. Bei Urodelen stellt dieser vorderste Gefäßbogen eine Zeit lang die einzige Kommissur zwischen Herz und Aorta dar und besteht als solche längere Zeit. Er ist ein mächtiges Gefäß und wird erst all- mählich mit der Ausbildung der hinteren Kiemenarterien rückgebildet. Dann setzt er sich ebenfalls mit dem ventralen Ende des primären Gefäßbogens vom ersten Kiemenbogen in Verbindung und lässt wie 204 F. Maurer bei Anuren den Stamm der Art. carotis externa aus sich hervor- gehen. Bei Anuren ist von vorn herein die Art. hyo-mandibularis ein schwaches Gefäß und die erste Kiemenarterie ist die mächtigste, welche mit dem pulsirenden Herzen in Verbindung tritt. Ihr folgen die zweite und dritte sofort nach. Da bei Urodelen die Art. hyo-mandibularis eine Zeit lang als einzige mächtige Kommissur zwischen Herz und Aorta fungirt, bilden sich die hinteren bleibenden Arterienbogen erst zu einer Zeit, wo das Herz schon pulsirt und stellen nicht wie bei Anuren weite buchtige Räume dar, sondern treten als äußerst feine Kanäle auf. Zugleich bilden sich vom Herzen aus die sekundären Arterien, welche sich sofort erweitern und mit Blutkörperchen erfüllt sind. Da sich zu gleicher Zeit auch die äußeren Kiemen gebildet haben, und in diese durch die Herzaktion das Blut sofort eintritt, so bildet sich die starke Kiemenvene aus, welche sich in den dorsalen Schenkel des primären Gefäßbogens ergießt. Dieser wird in Folge dessen auch sofort sehr erweitert, während der ventrale Schenkel sehr dünn bleibt. Der- selbe tritt erst später mit der sekundären Arterie in Verbindung. Bei Anuren vollziehen sich die Vorgänge in so fern schneller, als die funktionelle Bedeutung der Art. hyo-mandibularis wegfällt. Es beschränken sich die Verschiedenheiten auf die zeitliche Folge, in welcher die einzelnen Abschnitte der Gefäße sich ausbilden. Das Resultat aber ist das gleiche, indem bei Anurenlarven von 6 mm Länge sich vollkommen gleiche Kreislaufverhältnisse in den Kiemen finden, wie sie bei Urodelen dauernd bestehen. Wir können also sagen, dass bei Urodelen, entsprechend der verschiedenen Ausbildung der Kieferregion und des Mundes die erste Ausbildung der großen Gefäßbogen und der Kiemengefäße in den ein- zelnen Kiemenbogen, im Vergleich zu den Verhältnissen bei Anuren etwas modifieirt erscheint, dass wir aber nicht die Berechtigung haben, darin etwas wesentlich Verschiedenes zu erblicken. Aus alledem ergiebt sich somit, dass die Anuren in früher Larven- periode einen Kiemenapparat besitzen, welcher dem bis zur Meta- morphose bestehen bleibenden bei Urodelen homolog ist. Da aus diesem Apparat bei Anuren sich ein sekundärer anderer entwickelt, so stellen die.Urodelenkiemen im Vergleich mit den inneren Anuren- kiemen einen primitiven Zustand dar. Es fragt sich nun, an welcher Stelle der Urodelenkieme die inneren Anurenkiemen sich entwickeln. Es ergab sich schon bei der Schilderung der Entwicklung der Anuren- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 205 kiemengefäße, dass der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens, welcher bei Urodelen die direkte Anastomose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene bildete, bei Anuren die innere Kiemenvene dar- stellt. Es folgt hieraus, dass die inneren Anurenkiemen an der Verlaufsstrecke der erwähnten Anastomose zur Ausbildung kommen. Dabei fragt sich nun ferner, in welchem Verhältnis dazu die Kiemen- platten der Urodelen stehen. Ich verweise bei der Besprechung dieser Dinge auf die Figg. 15—19. Fig. 15 stellt ein Schema einer Uro- delenkieme mit ihren Gefäßstämmen dar. Von den Gefäßen der Platte ist als unwesentlich hier Abstand genommen. Hier findet sich etwa in der Mitte der Kiemenplatte (4p) die Abgangsstelle des anasto- motischen Zweiges von der Kiemenarterie (z). Derselbe mündet bei y in die Kiemenvene (vd). Fig. 16 stellt den Zustand der äußeren Anurenkieme dar. Hier ist die Strecke, welehe die Anastomose von z—y durchläuft, bedeutend länger als bei Fig. 15. Eine Kiemen- platte fehlt. Der Konvexität des Bogens sitzen die inneren Kiemen- stummel an. Ventral von diesen findet sich eine Epithelknospe (e), welche bei Fröschen sich zwischen erstem und zweitem, sowie zwischen dem zweiten und dritten Kiemenbogen bildet!. Auch im vorderen Bereich des ersten Kiemenbogens entwickelt sich eine solche Knospe, die sich an der Bildung der Carotidendrüse be- theiligt. Alle diese Gebilde treten bei Froschlarven schon in früher Larvenperiode auf, zur Zeit, wenn sich die inneren Kiemen zu ent- wickeln beginnen. Ihr weiteres Verhalten wurde früher ausführlicher geschildert. Die Knospe (e) schnürt sich sehr bald von ihrem Mutter- boden ab und bildet ein Epithelkörperchen. Gehen wir zu Fig. 18 über, die einem Triton nach der Meta- - morphose entspricht, so sehen wir, dass der anastomotische Ast (7z—y), welcher dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens entsprach, zum mittleren Theil des bleibenden Arterienbogens geworden ist. Ferner lagert der Stelle z, welche die frühere Abgangsstelle der Anastomose von der Kiemenarterie darstellt (vgl. Fig. 15), ein erst zur Zeit der Metamorphose gebildetes Epithelkörperchen an. Dasselbe bildete sich aus den mit einander verklebten Flächen der Kiemen- platten beim Verschluss der Kiemenspalten. Es ist eben so, wie die Carotidendrüse der Anuren derjenigen der Urodelen homolog ist, das Epithelkörperchen(e) der Urodelen homolog dem Epithelkörper bei Anu- ren. Da dies Gebilde bei Urodelen aus den Kiemenplatten hervorgeht, so müssen wir annehmen, dass homologe Bildungen dieser Platten bei 1 MAURER, Schilddrüse, Thymus u. Kiemenreste d. Amph. Morph. Jahrb. Bd. XIIL 206 F. Maurer Anuren in früher Larvenperiode sich nur in Rudimenten anlegen und dass die inneren Anurenkiemen dorsal davon entstehende Neu- bildungen sind. Es drückt sich dies auch im Verhalten während der späteren Lebenszeit aus. Bei Anurenlarven lag das Körperchen e am ventralen Ende des Kiemenbogens. Diese Lage behält es auch bei älteren Larven und nach der Metamorphose in seiner Beziehung zum Arterienbogen bei (Fig. 19), lagert aber auch hier der Stelle z an, welche dem früheren Abgang der Anastomose von Kiemenafterie zu Kiemenvene, vor dem Bestehen innerer Kiemen, entspricht. Die Strecke von z—y der Fig. 15 hat sich bei Anurenlarven mächtig aus- gedehnt und lateralwärts ausgebuchtet zum Zweck der bedeutenden Entfaltung innerer Kiemen (Fig. 17 2—y, ik). Der ganze Apparat der inneren Kiemen kommt somit an einer intermediären Zone der Urodelenkieme zur Entwicklung, d. h. zwischen äußerer Kieme und Kiemenplatte. Die äußere Kieme der jungen Anurenlarven liegt dorsal von ihnen, wohingegen das Rudiment der Urodelenkiemenplatte, das wir im Epithelkörperchen (e) erblieken müssen, ventral vom Apparat der inneren Anurenkiemen gefunden wird. Für die drei ersten Kiemenbogen stimmen diese Beziehungen zwischen Anuren und Urodelen genau überein. Es bleibt nur noch übrig betreffs des vierten Kiemenbogens bei beiden einige Worte hinzuzufügen. Der vierte Kiemenbogen entwickelt bei Urodelen be- kanntlich keine äußere Kieme, dagegen eine Kiemenplatte, welche hier sich in höherem Grade an der Athmung betheiligt, als die drei vorderen Platten. Bei Anuren fehlen an diesem Bogen gleichfalls äußere Kiemen, dagegen kommen innere Kiemen zur Entwicklung. Es muss mit dem Fehlen der äußeren Kiemen eine direkte Anasto- mose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene fehlen und dieselbe ist doch nach dem Vorstehenden zur Bildung der inneren Anuren- kiemen, sowie zum Schluss des bleibenden Arterienbogens bei der Metamorphose nothwendig. Es kommen aber am vierten Bogen eben so gut wie an den vorhergehenden ein primärer Gefäßbogen und eine sekundäre Kiemenarterie zur Ausbildung und damit sind alle Erfordernisse erfüllt. Bei Anuren bildet die sekundäre Arterie die Arterie der inneren Kiemen, der primäre Gefäßbogen dagegen bildet mit seinem ventralen Schenkel die innere Kiemenvene und wird bei der Metamorphose zum bleibenden Arterienbogen, resp. dem Stamm der Pulmonalis. Bei Urodelen bildet die sekundäre Arterie das starke Gefäßnetz in der Kiemenplatte, während der primäre Bogen Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 207 lings des Knorpelbogens verliuft. Auch hier bleibt bei der Metamor- phose das letztere Gefäß erhalten. Vergleichung der Kiemen von Amphibien und Fischen. Zum Schlusse fragt es sich, wie wir die Kiemen der Amphibien aufzufassen haben im Vergleich zu den Kiemenbildungen der Fische. Die Kiemen der Fische sind sämmtlich entodermale Bildungen. Auch wo äußerlich sichtbare Kiemen bestehen, wie bei Selachierembryonen, sitzen diese Fäden stets in der Tiefe der Kiemenspalten fest, sind somit entodermaler Natur. Es besteht also bei Fischen stets eine wirkliche Vorderdarmathmung. Im Gegensatz dazu sehen wir bei Urodelenlarven und im frühesten Larvenzustand der Anuren ektodermale Kiemenfransen an drei Kiemenbogen auftreten. Es wird dies Verhältniss leichter verständlich, wenn wir be- denken, dass bei Fischen, z. B. bei Teleostiern, in früher Zeit eine sehr ausgebildete Dottersackathmung besteht, und demgemäß zur Zeit der Ausbildung der Schlundkiemenhöhle für genügende Athmung gesorgt ist. Anders bei Amphibien, die eines Dottersackes entbehren. Hier sind in früher Zeit, wo die Kiemenspalten noch nicht geöffnet sind und die Mundkiemenhöhle noch in der Entwicklung begriffen ist, bereits Organe für die Athmung nothwendig. Naturgemäß bilden sich solche da, wo die großen Gefäßbogen in den Anlagen der Schlundbogen nahe dem Ektoderm verlaufen, von diesem aus. Es stellen diese Kiemen somit eine lokalisirte Hautathmung dar, die nur an dem Punkte, wo sich die äußeren Kiemen bilden, auftreten kann, weil bloß hier starke Blutgefäße nahe der Haut verlaufen. Bei Urodelen bleibt dieser Zustand während der ganzen Larvenperiode erhalten. Es bildet sich ventral von den äußeren Kiemen eine Kiemenplatte, welche entodermaler Herkunft ist, da sie aus dem Epithel der Schlundtaschen entsteht, nachdem deren Blätter aus ein- ander gewichen sind. Bei Anurenlarven ist der Zustand der äußeren Kiemen nur ein vorübergehender. Zwischen äußerer Kieme und Kie- menplatte, die nur im Rudiment als Epithelkörper auftritt, bildet sich eine neue sekundäre Kiemenform. Ich stehe nicht an diese sekun- dären, inneren Anurenkiemen gleichfalls als ektodermale Kiemen aufzufassen (gleich GörTE). Ontogenetisch lässt sich freilich ihre ektodermale Herkunft sehr schwer nachweisen. wie dies schon in Morpholog. Jahrbuch. 14. 14 208 F. Maurer einer früheren Arbeit betont wurde. Sie bilden sich nach den dortigen Ausführungen gerade an der Stelle, wo die entodermale Schlundtasche mit dem Ektoderm zusammentrifft und bei der Öffnung der Kie- menspalten verschmilzt. Es wurde aber damals schon darauf hin- gewiesen, dass die Betheiligung des Ektoderm an diesen Kiemen- bildungen die wahrscheinlichere ist. Es sitzen nämlich sehr viele Kiemenbäumchen auf der freien lateralwärts gekehrten Oberfläche der Kiemenbogen, die sicher von Ektoderm überzogen ist. Wenn auch bei Kiemenbildungen die mesodermale Grundlage mit den Gefäßen dem überziehenden Epithel gegenüber das Wichtigere ist, so handelt es sich doch hier darum, ob wir in der Einrichtung der inneren Anurenkiemen eine Hautathmung oder eine Darmathmung erblicken müssen. Nach dem vorher Angeführten bin ich der An- sicht, dass die inneren Kiemen der Anurenlarven Hautkiemen dar- stellen, die in so fern einen höheren Zustand als die ersten äußeren Kiemen und als die äußeren Kiemen der Urodelenlarven darstellen, als sie sekundär mit dem Vorderdarm in Beziehung getreten sind durch die Ausbildung des Kiemensackes. Die ersten Arterienbogen der Knochenfische und die Arterie der Pseudobranchie. Das eigenthümliche Verhalten im Verlauf des vordersten primären Arterienbogens bei Amphibien veranlasste mich, meine Präparate, die ich von niederen Entwieklungsstadien der Forelle und des Hechtes von der Bearbeitung von Pseudobranchie, Schilddrüse und Thymus her noch zur Hand hatte, auf die Bildung der ersten Arterienbogen bei diesen Teleostiern zu durchmustern.‘ Es ist mir gelungen Einiges zu finden in Betreff der Umbildung der vorderen Arterienbogen, was bis jetzt wohl noch nicht bekannt geworden ist. Schon Jon. MÜLLER! und Hyrru? haben den eigenthiimlichen Ursprung und Verlauf der Arteria hyoidea zur Pseudobranchie erkannt und festgestellt, dass bei Teleostiern mit freien Nebenkiemen die Arterie für letztere als ven- trale Fortsetzung der Vene des ersten Kiemenbogens entspringt, nach Durchbohrung des ventralen Endes des Hyoids längs der Vorderfläche 1 Jou. MÜLLER, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden (Abhandl. der königl. Akademie der Wissenschaften. Berlin 1839. pag. 213 u. ff.). 2 Hyrrt, Beobachtungen aus dem Gebiete der vergleichenden Gefäßlehre. Medicinische Jahrbücher des österreichischen Staates. Bd. 24. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 209 des Hyoidknorpels dorsalwärts verläuft und dann, das Hyomandibulare durehbrechend, zur Pseudobranchie tritt. Wie sich diese eigenthiim- liche Ursprungs- und Verlaufsweise entwickelt, ist bei Knochenfischen noch nicht geschildert. Wenn die Arterie der Pseudobranchie seither stets als Art. hyoidea bezeichnet wurde, so wurde ihr Verlauf im Hyoidbogen, der ganz verschieden ist von der Art des Verlaufs der vier hinteren Kiemenarterien in ihren resp. Bogen, stillschweigend hingenommen, ganz abgesehen davon, dass man über die Art, wie diese Arteria hyoidea dazu kommt aus einer Kiemenvene hervorzu- gehen, nichts wusste. Die Art. hyoidea durchbohrt an zwei Stellen ihres Verlaufs Knorpelspangen. Erstens kurz nach ihrem Abgang aus der ersten Kiemenvene das ventrale Ende des Hyoidknorpels, zweitens höher oben, ehe sie zur Pseudobranchie tritt, das Hyo- mandibulare. Während die Arterien der vier hinteren Kiemenbogen stets hinter den Knorpelspangen ihres resp. Bogens verlaufen, meist in Rinnen dieses Knorpels eingelagert, verläuft die Art. hyoidea vor dem Hyoidknorpel. Unter diesen Umständen fragt es sich, ob die Art. hyoidea in früherer Periode der ontogenetischen Entwicklung einmal vom Herzen resp. dem Kiemenarterienstamm abging und wie sie dann mit der ersten Kiemenvene in Verbindung kommt. Ferner fragt es sich, wie der abweichende Verlauf des Gefiibes im Zungenbeinbogen verständlich wird. Zur Klarlegung dieser Verhältnisse beginne ich mit der Schilde- rung von Zuständen, wie ich sie bei Forellenembryonen gefunden habe. Bei Forellenembryonen, die 35 Tage nach dem Streichen der Eier aus diesen genommen und konservirt waren, fand ich auf Hori- zontalschnitten Folgendes: Der $-förmig gekrümmte Herzschlauch theilt sich an seinem vor- deren Ende und lässt jederseits ein starkes Gefäß abgehen, welches den Darm umgreifend dorsal in die Aorta übergeht. Dieser primäre Gefäßbogen nimmt einen eigenthümlichen Verlauf, wie er keinem einzigen in der Folge auftretenden Arterienbogen eigen ist. Wir finden hier dieselben Verhältnisse, wie ich sie bei Urodelen ge- schildert habe. Es bestehen außer dem Kiefer- und Hyoidbogen bereits drei Kiemenbogen in der ersten Anlage. Die letztere trennen- den Schlundtaschen erreichen zwar das Ektoderm, ihre Epithellamel- len schließen aber zusammen, so dass noch keine Spalten bestehen. Die erste Schlundtasche, zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen er- 14* 210 F. Maurer reicht das Ektoderm nicht, in Folge dessen hängen diese beiden Schlundbogen mit ihrem mesodermalen Gewebe direkt zusammen. Die Tasche zwischen Hyoid- und erstem Kiemenbogen ist bereits als Spalte durchgebrochen, was nicht allein auf das Auseinanderweichen ihrer Epithellamellen zu schieben ist, als vielmehr auf eine starke ektodermale Einsenkung zwischen dem Hyoid- und ersten Kiemen- bogen. Dieselbe mag durch das mächtige Wachsthum des Hyon bogens zu dieser Zeit bedingt sein. Knorpel ist noch nirgends differenzirt. Zwischen dem dorsalen Schenkel des Hyoidbogens und dem ersten Kiemenbogen liegt das voluminöse Gehörbläschen, wodurch die vorn gelegenen Kiefer- und Zungenbeinbogen von den hinteren wahren Kiemenbogen getrennt werden. In den drei hinteren Kiemenbogenanlagen sind noch keine Spuren von Arterienbogen zu erkennen. Es besteht nur ein einziger Aorten- bogen und in seiner Theilungsgabel liegt die Anlage der Schilddrüse. Der Verlauf des einzigen Aortenbogens dieser Zeit ist genau wie der- jenige des ersten Aortenbogens bei Urodelen. Da durch die erste Sehlundspalte Kiefer- und Zungenbeinbogen nicht von einander ge- trennt werden, so besteht die Möglichkeit, dass ein Arterienbogen aus dem einen in den anderen Bogen verläuft. Die vordere Theilungs- gabel des Herzschlauches liegt in der ventralen Mittellinie, zwischen Zungenbein und erstem Kiemenbogen jeder Seite. Von dieser Stelle aus verläuft der erste Gefäßbogen lateralwärts und etwas nach vorn im ventralen Schenkel des Zungenbeinbogens derart, dass er gerade an der Grenze zwischen beiden Bogen verläuft, da er direkt hinter der epithelialen Einsenkung, welche die Trennung des Maxillar- und Hyoidbogens andeutet, liegt, so gehört er zum Zungenbeinbogen. An dem Übergang des ventralen in den dorsalen Schenkel des Hyoid- bogens angekommen, biegt aber der Gefäßbogen etwas nach vorn um und gelangt somit in den dorsalen Schenkel des Maxillarbogens. In Folge dessen fehlt dem dorsalen Schenkel des Hyoidbogens, welcher dicht unter der vorderen Hälfte des Gehörbläschens liegt, ein Gefäß. Am hinteren Rande des Kieferbogens, in dessen dorsalem Schenkel, verläuft die Arterie weiter, um sich dorsal vom Darmrohr in zwei Äste zu theilen. Der stärkste biegt nach hinten um und vereinigt sich mit dem andersseitigen zur Aorta, der schwächere zieht nach vorn zur Anlage des Gehirns und des Auges. Nach dieser Schilderung gehört hier der erste Aortenbogen eben so wie bei Anuren uud Urodelen sowohl dem Zungenbein- als dem Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 211 Kieferbogen an. Er hat aber auch wie bei Urodelen in der ersten Zeit allein die Verbindung zwischen Herz und Aorta herzustellen. Funktionell ist er also wichtiger als bei Anuren. Es fragt sich nun, wie sich dieses Gefäß im weiteren Verlauf der Entwicklung verhält. Bei einem Forellenembryo, der 41 Tage nach dem Streichen der Eier konservirt war, fand sich auf Horizontal- und Sagittalschnitten Folgendes: Hinter dem Zungenbeinbogen sind vier Kiemenbogen entwickelt. Die Schlundtaschen beginnen gerade zu Spalten aus einander zu weichen. Die knorpeligen Bogen sind bereits angelegt, indem die mesodermalen Zellen an den Stellen, wo sich im nächsten Stadium ein deutlicher Knorpel zeigt, bedeutend dichter stehen und einen ab- gegrenzten Komplex darstellen. Das vordere Herzende zeigt noch die Theilung wie im vorigen Stadium an der gleichen Stelle. Es gehen aber hinter dem mäch- tigen vordersten Arterienbogen noch fünf weitere Gefäßbogen jederseits von der kurzen Anlage des späteren Kiemenarterienstammes ab. Die beiden letzten entspringen mit gemeinsamem Stamm. Es bestehen demnach jederseits sechs Arterienbogen. Die vier hinteren, welche den späteren vier Kiemenbogen angehören, ver- laufen alle gleich, und zwar hinter der Anlage der Kiemenbogen- knorpel. Diese vier Arterien jederseits besitzen nur ein sehr ge- ringes Lumen. Der mächtigste Bogen ist immer noch der erste, während der zweite ein äußerst feiner Kanal ist. Der erste Bogen durchsetzt die knorpelige Anlage des Zungenbeinbogens, die sich in seiner Um- gebung zu differenziren beginnt und verläuft vor dieser Knorpel- anlage im ventralen Schenkel des Hyoidbogens. Der zweite Gefäß- bogen verläuft ebenfalls im Hyoidbogen, aber hinter dem Knorpel. Er zeigt demnach eine Anordnung wie sie auch die hinteren Kiemen- arterien in ihren Bogen zeigen. Ich stehe daher nicht an, diese Arterie als die Arteria hyoidea zu bezeichnen. Dass die vorderste Arterie den Knorpel durchbohrt, ist nunmehr auch ohne Weiteres ver- ständlich: da sie bereits vor der Anlage von Knorpel bestand, konnte letzterer nur um sie herum sich bilden. Nachdem der vordere Gefäßbogen den Winkel des Hyoidbogens erreicht hat, nimmt er die hintere Arteria hyoidea auf und der ge- meinsame Stamm durchsetzt die Anlage des Hyomandibulare, um wie im letzten Stadium nach vorn in den dorsalen Schenkel des Kiefer- 912 F. Maurer bogens zu treten. Er theilt sich dann in einen schwachen nach vorn zu Gehirn und Auge verlaufenden Zweig und in die nach hinten gehende mächtige Aortenwurzel. Da zu dieser Zeit noch keine Spur von Kiemenanlagen besteht, so stellen die sechs Aortenbogen glatt durch die Bogenanlagen verlaufende Kanäle dar, welche sich alle dorsal über dem Darm zur Aorta ver- einigen. Die beiden ersten Arterienbogen nehmen den vier hinteren gegenüber eine Sonderstellung ein. Sie verhalten sich auch im Ver- lauf der weiteren Entwicklung sehr eigenthiimlich. Diese ersten Gefäßverhältnisse lassen sich auch leicht an lebenden Embryonen nachweisen. Allerdings kann die eigenthümliche Verlaufsweise des vordersten Gefäßes nur auf Schnitten erkannt werden, da die Grenze zwischen Hyoid- und Kieferbogen bei den glashellen Thierchen nicht zu sehen ist. Bei Forellen von 56 Tagen, welche seit acht Tagen das Ei ver- lassen haben, sind unter der Ausbildung von Kiemenstummeln die vier hinteren Arterienbogen bedeutend weiter geworden. Die Kiemen- bogen sind nun aus einander gerückt und der Kiemenarterienstamm hat sich unter dem Zurückweichen des Herzens in die Länge gestreckt. Die beiden vordersten Bogen sind im Gegensatz zu den vier hinteren ganz schwache Gefäße. Der erste hat an Lumen bedeutend ab- genommen, während der zweite nicht weiter geworden ist. Auf der Fig. 20, welche diesem Stadium entspricht, erkennt man den Kiemen- arterienstamm AD, welcher in seinem hinteren weiten Abschnitt die vier Arterien (@d,__,) für die vier Kiemenbogen (7—IV) abgiebt. Die beiden letzten entspringen mit einem gemeinsamen Stamm, die zweite dicht davor. Aus der Theilungsgabel in die Arterien des ersten Kiemenbogens setzt sich der Kiemenarterienstamm in seinen schmächtigen vorderen Abschnitt fort. Derselbe theilt sich, hinter dem ventralen Ende des Hyoidbogens angekommen, indem er zwei Äste nach jeder Seite abgiebt. Der eine (ah) bleibt hinter dem Hyoid- knorpel und verläuft längs desselben dorsalwärts, während der vordere («Hm) den Hyoidknorpel (Av) durehbohrt und dann vor demselben dorsalwärts verläuft. Am dorsalen Ende des Hyoidknorpel ange- kommen, wendet sich die hinter dem Knorpel verlaufene Art. hyoidea nach vorn und vereinigt sich mit der Art. hyo-mandibularis. Der gemeinsame Stamm der beiden ersten Arterienbogen wird zur Arterie der Pseudobranchie. Dies Gefäß muss, um zur Anlage der Neben- kieme zu gelangen, das Hyomandibulare durchbohren. So bewahrt der vorderste Gefäßbogen auch in diesem Stadium seinen eigen- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 213 thümlichen Verlauf. Er ist das einzige Gefäß, das vom vorderen Herzende abging zu einer frühen Zeit, wo noch keine Knorpelanlagen der Kiemenbogen bestanden. In Folge dessen bildet sich da, wo das Gefäß an Strecken verläuft, die in späterem Knorpelgebiet liegen, der Knorpel um das Gefäß herum, d. h. das Gefäß durchbohrt dann den Knorpel. Der charakteristische Verlauf dieses ersten Gefäßes findet sich aber nicht bei Teleostiern allein, sondern in gleicher Weise bei Amphibien. Bei Urodelen hatte er auch die gleiche funk- tionelle Bedeutung in früher Periode, bei Anuren war er stets un- bedeutend, aber doch auch*das zuerst gebildete Gefäß. Dass das dort beschriebene Gefäß nicht der Art. hyoidea, welche bei der Forelle hinter dem Hyoidknorpel verläuft, entspricht, geht aus seiner Anordnung im ventralen Schenkel des Zungenbeinbogens hervor. Auch bei Triton verläuft er, gerade wie bei der Forelle die vorderste Arterie, im vorderen Theile des Hyoidbogens dicht hinter der ersten Schlundfalte, welche den Zungenbeinbogen vom Kiefer- bogen trennt. Dieser vorderste Aortenbogen richtet sich in seinem Verlaufe nicht nach einem einzelnen Schlundbogen, wie es die hinteren Arte- rien thun, sondern besteht bereits früher, als diese differenzirt sind und lässt ihre Knorpel, die später auftreten, sich nach ihm richten. Wir dürfen daher in diesem Gefäße nicht einfach einen den übrigen Arterienbogen serial homologen Aortenbogen erblicken, sondern müssen durch Vergleichung mit dem Verhalten der ersten Aortenbogen bei anderen Vertebraten festzustellen suchen, ob wir in diesem Gebilde nicht eine Kommissur zwischen ventralem Herzen und dorsaler Aorta vor uns haben, welche phylogenetisch älter ist, als die hinteren Kiemenarterienbogen. Zunächst will ich aber an das zuletzt ge- schilderte Stadium der Forelle anknüpfen, und nehme ein drei Wochen älteres, 2 cm langes Exemplar zur Hand. Um diese Zeit haben sich die Kiemen schon mächtig entwickelt. Die Arterienbogen sind da- durch in Kiemenarterien und Kiemenvenen gesondert worden. Auf die feineren Vorgänge dabei achte ich hier nicht weiter, möchte nur darauf aufmerksam machen, dass wir in den Kiemenarterien und Kiemenvenen, da sie aus einem einfachen Gefäßbogen sich differen- zirt haben, nicht so verschiedene Gebilde erblicken dürfen, wie es z. B. Arterien und Körpervenen sind. Diese Andeutung mag ge- nügen, um die folgende auffallende Erscheinung verständlicher zu machen. In dem früheren Stadium bekam die Pseudobranehienanlage das 214 F. Maurer gleiche Blut, wie die hinteren Kiemenarterien, da ihr Gefäß eben so wie diese aus dem Kiemenarterienstamm hervorgeht. Es ist ge- mischtes Blut, da es aus den Körper- und Dottervenen kommend, das Herz passirt hat. In dem uns vorliegenden Stadium (Fig. 22) besteht nun eine ventrale Fortsetzung der Kiemenvene des ersten Kiemenbogens (vd,), welche sich direkt mit der vorderen Art. hyo- mandibularis vereinigt. Diese Vereinigung findet gerade da statt, wo die genannte Arterie eben durch das ventrale Ende des Hyoid- knorpels (%2) durchtreten will. In Folge dessen bekommt nun die Pseudobranchie Blut von zwei Seiten zugeführt. Da die Dotterath- mung nur noch gering ist, kommt aus der Fortsetzung des Kiemen- arterienstammes venöses Blut, die ventrale Fortsetzung der ersten Kiemenvene führt ihr arterielles Blut zu, da dieses den Kiemenkreis- lauf bereits passirt hat. Im Übrigen hat sich an den Arterienbogen nur so viel geändert, dass die Arterien für die vier Kiemenbogen stärker geworden sind. Aus der Gabel der Arterien für den ersten Kiemenbogen jeder Seite setzt sich der Kiemenarterienstamm als viel schwächeres Gefäß fort. Dasselbe theilt sich in der gleichen Weise wie früher, indem es jederseits zwei Gefäße abgiebt. Die hinter dem Hyoidknorpel verlaufende Art. hyoidea erhält kein Blut aus der ventralen Fortsetzung der ersten Kiemenvene. Es führt sein venöses Blut aber auch der Arterie der Pseudobranchie zu, da es sich am oberen Ende des Hyoidknorpels mit der vorderen Arterie vereinigt, ehe dieselbe das Hyomandibulare durchsetzt. Bei einer gleichalterigen Forelle fand ich an Horizontalschnitten, dass der Kiemenarterienstamm nach seiner Theilung in die Arterien des ersten Kiemenbogens sich nicht aus der Gabel heraus fortsetzte, sondern dass das schwache Stämmehen, welches die beiden vorder- sten Arterienbogen jeder Seite abgiebt, von der linken. ersten Kiemen- arterie abging (Fig. 21). Von diesem zuletzt geschilderten Zustande ist es nur noch ein Schritt zu den bleibenden Verhältnissen. Diese zeigen sich bereits gebildet bei Forellen von 2,5 em Länge, also wenige Wochen später, als das letzte Stadium. Diesem Zustande entspricht Fig. 23. Der Kiemenarterienstamm (AB) endigt mit der Gabelung in die Arterien für die beiderseitigen ersten Kiemenbogen. Die Fortsetzung ihres Stammes ist obliterirt und mit ihr die hinter dem Hyoidknorpel verlaufende Art. hyoidea in ihrem ventralen Anfang (ah der Fig. 20 bis 22). Die Arteria hyo-mandibularis, welche nach Durehbohrung des Hyoidknorpels vor diesem dorsalwärts verläuft, erhält nur arte- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 215 rielles Blut. Sie geht direkt aus der ventralen Fortsetzung der ersten. Kiemenvene hervor, während ihr primärer Ursprung aus dem Kiemen- arterienstamm rückgebildet ist. Die Arteria hyo-mandibularis, d. h. die Arterie der Pseudo- branchie, giebt, bevor sie das Hyomandibulare durchbohrt, einen Ast ab, welcher zum Opercularapparat tritt. Dieser Ast ist das dor- sale Ende der früher hinter dem Hyoidknorpel verlaufenden Arteria hyoidea. In diesem Gefäß hat sich die Richtung des Blutstromes während der ontogenetischen Entwicklung umgekehrt. Früher ver- lief dieser Gefäßbogen, in dessen Bereich es nie zur Ausbildung von Kiemen kommt, vom Herzen aus dorsalwärts, und vereinigte sich stets als schwaches Gefäß mit dem vorderen Gefäßbogen am dorsalen Ende des Hyoidknorpels zur Arterie der Pseudobranchie. Mit der Rückbildung des vorderen Abschnittes vom Kiemenarterienstamm und der Obliteration des ventralen Ursprungsstückes der hinteren Arteria hyoidea geht dies Gefäß nicht mehr in die Arterie der Pseudobranchie ein, sondern geht von dieser Arterie ab, stellt einen Ast derselben dar: die Arteria opercularis, welche, wie erwähnt, gerade ehe jene das Hyomandibulare durchsetzt, von ihr sich abzweigend zum Kiemen- deckel tritt. Es ist bemerkenswerth, dass diese merkwürdigen Um- bildungen an den vordersten Arterienbogen sich in der Ontogenie erst so spät vollziehen. Die Pseudobranchie bekommt allerdings niemals venöses Blut, wird also auch nie als Kieme fungiren. Ganz eben so vollziehen sich auch die Veränderungen am Kiemenvenensystem, be- sonders am vordersten Abschnitte des Cireulus cephalicus, erst spät und die für die Teleostier mit Pseudobranchien so charakteristische Blutversorgung des Auges durch die Vene der Pseudobranchie allein, ist gleichfalls ein erst später sieh ausbildender Zustand. Leider bin ich noch nicht im Stande an den mir vorliegenden Serien genau die Art und Weise dieser Umbildung festzustellen. Ich muss mich daher damit begnügen, darauf hingewiesen zu haben, dass bei Forellen, die gerade ausschlüpfen, das Auge noch direkt vom Cireulus cephalicus aus mit Blut versorgt wird. Nach der Schilderung dieser Vorgänge bei der Forelle bleibt noch übrig, die Entwicklung dieser Gefäße bei anderen Teleostiern zu vergleichen. Es handelt sich dabei besonders um die Zustände der Pseudobranchie. Es ist bekannt, dass dies Gebilde bei Knochenfischen nicht immer von der ventralen Fortsetzung der ersten Kiemenvene versorgt wird, sondern bei vielen Teleostiern direkt aus dem Circulus cephali- 216 F. Maurer cus ihr Blut erhält (Esox). Bei anderen erhält sie Zufluss von beiden Seiten (Gadus). Ich will mich darauf beschränken, die Zustände beim Hecht zu schildern. Dort bestehen bekanntlich verdeckte Pseudo- branchien, die nur vom Cireulus cephalicus einen Ast erhalten. Hier- bei kann ich einfach auf die Fig. 20—23 verweisen, so weit sie die beiden vordersten Arterienbogen (aim und ah) betreffen. Beim Hecht bestehen in früher Periode nicht nur diese Bogen genau wie bei Salmo, sondern sie gehen auch dieselben Umbildungen ein, so dass auch das Stadium der Fig. 23 nachgewiesen werden konnte. Dabei bleibt es aber nicht, sondern das vor dem Hyoidknorpel verlaufende Gefäß unterliegt auch einer Rückbildung, so dass die ventrale Fort- setzung der ersten Kiemenvene sich später nur auf die Versorgung des Zungenkörpers und des Kiemendeckels beschränkt. In einer früheren Arbeit betonte ich schon, dass beim Hecht in Jugendzu- ständen die Arteria hyoidea auch bestehe und sich erst ontogenetisch zuriickbilde. Das Vorstehende giebt das genauere Verhalten. Es erübrigt endlich noch, diese Thatsachen zu überblicken und mit dem seither Bekannten in Beziehung zu bringen. Die Forelle besitzt, wie alle Knochenfische, bekanntermaßen sechs Arterienbogen in der Anlage. Die erste sollte dem Kieferbogen, die zweite dem Zungenbeinbogen angehören, während die vier hinteren im ersten bis vierten Kiemenbogen verlaufen. Die Arterie der Pseudo- branchie wurde stets als Arteria hyoidea bezeichnet, da sie in der That im Hyoidbogen, d. h. in dessen ventralem Schenkel verläuft. Es würde somit dies Gefäß dem zweiten Arterienbogen entsprechen, während die Arteria maxillaris, das vorderste Gefäß, eine Rück- bildung erlitten hätte. So verhält es sich indessen nicht. Die seither als Arteria hyoidea bezeichnete Arterie der Pseudobranchie bei Knochenfischen ist der vorderste der sechs Arterienbogen. Nicht sie, die vor dem Hyoidknorpel verläuft, sondern die zweite, welche hinter diesem Knorpel verlief, erleidet eine Rückbildung. Letztere verlief genau wie die Arterien der vier Kiemenbogen, während die vordere einen eigenthümlich abweichenden Verlauf nimmt. Sie ging in ihrem dorsalen Schenkel in den Kieferbogen über. Daher bezeichnete ich sie als Arteria hyo-mandibularis. Es soll damit angedeutet werden, dass sie sowohl dem Hyoid-, als dem Kieferbogen angehört. C. Voer! giebt in seiner Embryologie des Salmones verschiedene Abbildungen der Gefäßbogen bei jungen Lachsen. Der von mir als Arteria hyo- 1 Agassiz, Histoire naturelle des poissons d’eau douce. Neuchatel 1842. Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien ete. 217 mandibularis geschilderte erste Arterienbogen findet sich in den Figg. 46 u. 52 gegeben. Dagegen hat Vogr den hinter dem Knor- pel des Hyoidbogens verlaufenden zweiten Arterienbogen nicht ab- gebildet. Bei späteren Stadien zeichnet er im Hyoidbogen ein großes Gefäß eben so wie in den vier Kiemenbogen ohne Angabe der knorp- ligen Bogen. Auch ist Voer auf die Gefäße der Pseudobranchie nicht weiter eingegangen, so dass ich seiner Abhandlung für die soeben besprochenen Verhältnisse nichts Wesentliches entnehmen konnte. / DoHurn! hat in seiner VII. Studie zur Urgeschichte des Wir- belthierkörpers bei Selachiern die Bildungsvorgänge der ersten Gefäß- bogen beschrieben und schildert dort Ähnliches vom ersten Gefäß- bogen. Derselbe wurde zuerst als Arteria mandibularis, später als Arteria thyreoidea bezeichnet. Auf pag. 7 der Studie VII schildert DoHRN wie die Arteria thyreoidea kurz nach ihrem Ursprunge mit allerhand Bluträumen gemeinsame Sache macht und sich mit diesen zu einem beträchtlichen Gefäße vereinigt. Was das für Bluträume sind, woher sie ihr Blut beziehen, erfahren wir nicht. An einigen Serien von jungen Acanthiasembryonen konnte ich mit Sicherheit nach- weisen, dass, eben so wie bei Teleostiern, eine ventrale Fortsetzung der ersten Kiemenvene sich mit dem vordersten Arterienbogen ver- einigt. Dabei war leider das Spritzloch schon so weit gebildet, dass eine epitheliale Schlundfalte zwischen Unterkiefer und Hyoidknorpel nicht mehr besteht. Daher ist auch nicht zu entscheiden, ob das Gefäß im Kieferbogen hinter dem Unterkiefer, oder im Zungenbein- bogen vor dem Hyoidknorpel verläuft, wie Letzteres bei Teleostiern von Anfang an der Fall ist. Mit der Kenntnis dieser Gefäßverhältnisse wird auch die Beur- theilung der Pseudobranchie der Knochenfische im Verhältnis zu der Spritzlochkieme und Kiemendeckelkieme bei Selachiern und Ganoiden eine andere. Denn es ist klar, dass die hinter dem Hyoidknorpel im Zungenbeinbogen verlaufende Arteria hyoidea bei Forellen dem- jenigen Gefäß entspricht, an welchem sich bei Ganoiden die Kiemen- deckelkieme entwickelt und bei Selachiern die vordere Kiemenblätt- chenreihe der ersten Kiemenspalte zwischen Hyoid- und erstem Kiemenbogen. Dann muss man allerdings auch anerkennen, dass die Pseudobranchie der Teleostier homolog ist der Spritzlochkieme 1 DoHRN, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers (IV. Mit- theilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel. Bd. V). VII. eod. Bd. VI. 218 F. Maurer bei Selachiern und Ganoiden. Dies war aber aus den seitherigen Angaben DoHrn’s noch nicht erwiesen. Der wesentliche Grund dieser Homologisirung liegt darin, dass eben die Pseudobranchie der Teleostier nicht von der eigentlichen Hyoidarterie versorgt wird, sondern von einem vor derselben liegenden Gefäßbogen: der Arteria hyo-mandibularis, die dem Zungenbein- und Kieferbogen angehört, jedenfalls den vordersten der sechs Gefäßbogen bei Teleostiern dar- stellt. | Zur Schilddrüse steht die vorderste Arterie in keinem wesent- lichen Verhältnisse. Die Schilddrüse der Teleostier ist ein in sehr viel Drüsenpackete zertheiltes Organ und wird von Gefäßen um- sponnen, die schon HyrrL! beschrieben hat. Es sind dies ventrale Fortsetzungen verschiedener Kiemenvenen, die nicht nur das Herz versorgen, sondern auch die Organe, die in der Umgebung des Kie- menarterienstammes liegen. Zum Schlusse möchte ich noch darauf aufmerksam machen, wie die vordersten Arterienbogen der Amphibien aufzufassen sind, im Vergleich mit denjenigen der Teleostier. Bei Amphibien konnte ich nur fünf Arterienbogen finden. Diese verhalten sich zu denjenigen der Teleostier so, dass die Arteria hyoidea, die schon bei letzteren ein schwaches unbedeutendes Gefäß war, nicht mehr zur Anlage kommt. Es hat dies auf die Gesammtheit der Arterienbogen keinen Einfluss. Die vierte Kiemenarterie der Amphibien, welche die Ar- teria pulmonalis bildet, ist trotzdem homolog der Arterie des vierten Kiemenbogens, d. h. dem sechsten Gefäßbogen der Forelle. Die kürzlich erschienene Mittheilung von Boas? über die Ar- terienbogen der Wirbelthiere (Morphol. Jahrbuch Bd. XIII) bleibt daher vollkommen zu Recht bestehen mit dem Vermerk, dass der Arterienbogen 2 bei Fig. 2—4 nicht nur ontogenetisch sich rück- bildet, sondern hier nicht zur Anlage kommt. Es ist diese Rück- bildungserscheinung bei Amphibien natürlich bedeutungslos für die höheren Wirbelthiergruppen. Er ar Tin 2 Boas, Uber die Arterienbogen der Wirbelthiere. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIII. pag. 115. ” Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 219 Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. Cb Anlage des Centralnervensystems, ası--3 erste bis dritte sekundäre Kie- au Gehörbläschen, menarterie, ‘ Darmlumen, Schenkel des pri- ce Herzanlage, apı—;3d dorsaler mären ersten bis pe Perikardialhöhle, apı— sv ventraler | dritten Gefäß- ak äußere Kiemen, bogens, ik innere Kiemen, vbe Vena branchialis externa, op Kiemendeckel, vbi - - interna, o Auge, vbe - - communis, cl Riechgrube, m Kieferbogen, ap,;—3 erster bis dritter primärer Ge- H Zungenbeinbogen, fäßbogen, I—IV die vier Kiemenbogen, Fig. 1. A Aortenwurzel. Tafel IX und X. Querschnitt durch den Kopf einer 4 mm langen Kaulquappe von Rana esculenta. Aus drei Schnitten kombinirt zur Darstellung des zweiten primären Arterienbogens, entsprechend dem späteren ersten Kiemen- bogen. ; Fig. 2, 3 und 4. Querschnitte durch hinter einander gelegene Kopfabschnitte einer 5 mm langen Kaulquappe von Rana esculenta. Jede Figur aus vier Schnitten kombinirt. © Fig. 4 zeigt das Gefäß des späteren dritten Kiemenbogens im Zu- stand eines primären Gefäßbogens. Fig. 3 entspricht dem zweiten Kiemenbogen. Der primäre Ge- fäßbogen ist in einen dorsalen und ventralen Schenkel getheilt. Am Winkel ist er in die Anlage der äußeren Kieme (ak) ausgebuchtet. Medial ein bindegewebiger Sporn (sp) ins Lumen einspringend. Fig. 2. Sekundäre Kiemenarterie im ersten Kiemenbogen schon gebildet. Nur dem ventralen Schenkel des Kiemenbogens zukommend. Bestehen einer einfachen Gefäßschlinge im äußeren Kiemenhöcker (ah). as; und apıv gehen aus einem gemeinsamen Gefäßstamm hervor. Fig. 5, 6 und 7. In gleicher Weise kombinirte Querschnitte durch den Kopf einer Kaulquappe von Rana esculenta von 6 mm Länge. Fig. 7. Dem dritten Kiemenbogen entnommen, zeigt den glei- chen Zustand wie Fig. 2. Fig. 6. Den zweiten Kiemenbogen darstellend. Die sekundäre Arterie im ventralen Bogenschenkel (as) stärker als der ventrale 220 Fi = 3 Fig. 11. Fig. 12. F. Maurer Schenkel des primären Gefäßbogens (apsv), welcher sich rückzubilden beginnt. Außere Kiemen (ah) enthalten zwei resp. drei Gefäßschlingen. Der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens dient als direkte Anastomose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene (wie bei Urodelen). Fig. 5. Dem ersten Kiemenbogen entnommen. apıv noch weiter rückgebildet wie in Fig. 6. Äußere Kiemen weiter entwickelt. Der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens (ap,v) fungirt noch als direkte Anastomose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene (wie bei Urodelen). Querschnitt durch den Kopf einer 9 mm langen Kaulquappe von Rana esculenta. Aus vier Schnitten kombinirt. Stellt die Gefäßverhältnisse des zweiten Kiemenbogens dar. Der ventrale Schenkel des primären Gefäßbogens stellt keine direkte Anastomose zwischen sekundärer Kie- menarterie und Kiemenvene mehr dar, sondern hat sich an ihrem ven- tralen Ende von der sekundären Arterie gelöst und ist mit der Aus- bildung innerer Kiemenanlagen zur inneren Kiemenvene geworden (vbt2). Äußere Kiemen stärker entwickelt als innere. g. 9 und 10. Kombinirte Querschnitte durch den Kopf einer 13 mm langen Kaulquappe von Rana esculenta. Fig. 9. Den ersten Kiemenbogen darstellend. Auf der rechten Seite sind die äußeren Kiemen (ak) durch den bereits erfolgten Ab- schluss der Kiemenhöhle in diese eingeschlossen, beginnen sich rück- zubilden. Links ist der Kiemensack noch offen, äußere Kiemen noch frei und stark entwickelt. ab, erste (sekundäre) Kiemenarterie. vb, erste innere Kiemen- vene, aus dem ventralen Schenkel des primären Gefäßbogens hervor- gegangen. ce Carotis externa, deren ventrale Verlängerung, aus der Arteria hyo-mandibularis gebildet. cd Carotidendriise. F Anlage des Filtrirapparates. Fig. 10. Linke Seite der Figur, den zweiten Bogen darstellend. Aus zehn Schnitten kombinirt. Äußere und innere Kiemen mit ihren Gefäßen. Von inneren Kiemen nur einige gezeichnet. af Arterie des Filtrirapparates. vf Vene desselben Apparates. ! Anlage eines Epithelkörperchens. Rechte Seite der Figur, den vierten Kiemenbogen darstellend. Seine inneren Kiemen sind noch frei; auf die ventrale Hälfte des Bo- gens beschränkt. pl Lungenanlage. ap Arteria pulmonalis. ae Ar- teria cutanea. kv 3 und 4 dritte und vierte Kiemenvene. Kombinirter Querschnitt durch den Kopf einer 17 mm langen Kaul- quappe von Rana esculenta. Kiemensack geschlossen. Äußere Kie- men bis auf geringe stark pigmentirte Reste (ak) rückgebildet. Gefäße der inneren Kiemen des zweiten Kiemenbogens. F Filtrirapparat, af seine Arterie, xf seine Vene. e& zweites Epithelkérperchen in der Anlage. Kombinirter Horizontalschnitt durch das vordere Drittel des Körpers eines 3,8 mm langen Embryo von Triton taeniatus. Der Schnitt des Körpers ist etwa der Mitte des dorsoventralen Durchmessers ent- nommen. Das Herz (c) ist seiner Lagerung nach genau eingezeichnet. Es theilt sich an seinem vorderen Ende nur in jederseits ein Gefäß, Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien etc. 294 die Arteria hyo-mandibularis. Sie liegt in ihrer ersten Verlaufsstrecke im Hyoidbogen H. km Anlage des Fortsatzes am Kieferbogen. J, II erste und zweite Kiemenbogenanlage, noch ohne Gefäße. Hintere Bo- gen noch nicht differenzirt. Fig. 13. Die gleiche Zeichnung eines späteren Stadiums. Triton taeniatus von von 4,4 mm Länge (ausgeschlüpft). Es bestehen jederseits vier Kie- menarterien, die vorderste ist die stärkste (aim). Sie verläuft zuerst im Hyoidbogen, geht dann in den Kieferbogen, wo sie in den Fort- satz km einen starken Ast abgiebt. Fig. 14. Die gleiche Zeichnung eines späteren Stadiums (Triton taen. 5,2 mm lang). Es bestehen fünf Arterienbogen. Der erste verläuft vom Hyoid- zum Kieferbogen. Der dorsale Schenkel des Hyoidbogens enthält keinen Arterienbogen. Der vorderste Arterienbogen ist schmächtiger geworden und setzt sich schärfer vom vorderen Ende des Kiemenarterienstammes ab. Das Gefäß des ersten Kiemenbogens (ad) ist am stärksten. = Fig. 15—19. Schematische Übersicht des Kiemenkreislaufs in einem Kiemen- bogen bei Anuren und Urodelen, sowie die Zusammensetzung eines Bogens nach der Metamorphose. Fig. 15. Urodelenkieme. ak äußere Kieme, Ap Kiemenplatte, ab Kiemenarterie, giebt bei x einen Ramus anastomoticus (ra) direkt zur Kiemenvene, bei y einmündend. vb Kiemenvene, A Aortenwurzel. Fig. 16. Erste äußere Kieme einer Anurenlarve. Bezeichnungen wie in Fig. 15. ik Anlagen der inneren Kiemen längs der Verlaufsstrecke von ra, dem Ramus anastomoticus, welcher hier eine größere Strecke des Kiemenbogens einnimmt als bei Urodelen. e Anlage eines Epithel- körpers, die bei Urodelen während des Larvenzustandes fehlt. ra ist der Ramus anastomoticus, welcher aus dem ventralen Schenkel des primären Arterienbogens hervorgeht und später zur inneren Kiemen- vene wird. Fig. 17. Innere Anurenkieme, späteres Larvenstadium als Fig. 16. Im Verlauf der Anastomose z y haben sich die inneren Kiemen ge- bildet. Äußere bis auf unansehnliche Reste (ak) verschwunden. ap Kiemendeckel, e Epithelkörper. Fig. 18. Arterienbogen nach der Metamorphose eines urodelen Amphibiums. Fig. 19. Arterienbogen nach der Metamorphose eines anuren Amphibiums. In beiden Fällen wird der Ram. anastomoticus zum blei- benden Arterienbogen. Bei Anuren bedeutend länger als innere Kie- menvene der Larve, bei beiden durch x y bezeichnet. Bei beiden liegt direkt unter x ein Epithelkörper, welcher bei Anuren schon zur Larvenzeit, bei Urodelen erst nach der Metamorphose sich bildet. Fig. 20, 22 und 23. Der Kiemenarterienstamm mit seinen Ästen; von einer Jungen Forelle in drei verschiedenen Stadien. Fig. 20. Jüngstes Stadium (Forelle 16 mm lang, seit acht Tagen ausgeschliipft). Es bestehen sechs Arterienbogen jederseits. Die zwei vordersten «Hm und ah verlaufen im ventralen Schenkel des Hyoid- bogens, die erste vor, die zweite hinter dem Zungenbeinknorpel. Erstere durchsetzt den Knorpel. AD Kiemenarterienstamm. 222 F. Maurer, Die Kiemen u: Gefäße bei anuren u. urodelen Amphibien etc. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Ein abnormer Befund bei einer Forelle von 17 mm Länge. Die Fort- setzung des Kiemenarterienstammes ist auf die linke erste Kiemen- arterie ab, gerückt. Älteres Stadium als Fig. 20. (Forelle von 2 em Länge.) Fortsetzung des Kiemenarterienstammes, nach Abgabe der beiden ersten Kiemen- arterien bedeutend schmächtiger geworden. Eine ventrale Fortsetzung der Vene des ersten Kiemenbogens ergießt sich in das vorderste Ge- fäß ahm gerade, wo es den Hyoidknorpel durchsetzt. Dies Gefäß bekommt somit Blut von zwei Seiten. Älteres Stadium (Forelle von 2,5 em Länge), zeigt den Zustand des Erwachsenen. Es bestehen nur noch vier Kiemenarterien jederseits. Von den beiden vordersten ist bloß ahm als die Arterie der Pseudo- branchie erhalten. Sie erhält ihr Blut nur von der ersten Kiemenvene. Die Fortsetzung des Kiemenarterienstammes nach Abgabe der beiden ersten Kiemenarterien ist völlig obliterirt und damit auch die hinter dem Zungenbeinknorpel verlaufende Arteria hyoidea ah der Fig. 20—22. ex B nn ee rn irn re EP 2 PERF >; . od Leth Aust werner a Wier, Prades S N & iS § S i S x rd S Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmafsen. Von Gustav Tornier. Mit Tafel XI und XII. Vorliegende Arbeit wurde unternommen, um nachfolgende Fragen zu lösen oder, so weit wie möglich, der Lösung nahe zu bringen: 1) Besitzen die homologen knöchernen Elemente des terminalen Hintergliedmaßensegmentes der Landwirbelthiere in den einzelnen Säugethiergruppen neben den Charakteren, welche ihre Homologie beweisen, specifische Charaktere? Ist es möglich, mit Hilfe solcher speeifischen Charaktere die verschiedenen Fußformen der Säugethiere (z. B. plantigrade, digitigrade, Kletter-, Ruderfüße ete.) auch ana- tomisch zu charakterisiren 1? 2) Ist es möglich, unter Berücksichtigung der specifischen Cha- raktere der einzelnen Fußkomponenten zu bestimmen, welche phylo- genetische Entwicklungsstufen das ganze terminale Hintergliedmaßen- segment der einzelnen Säugethiergruppen durchlief, indem es seine _ specifischen Charaktere erwarb? 3) Welchen physiologischen Ursachen verdanken die specifischen osteologischen Charaktere der Fußkomponenten ihre Entstehung? Ins- besondere : Ist die osteologische Phylogenese des Fußes der Säuge- thiere durch Veränderungen in seiner jeweiligen Muskulatur bedingt und hervorgerufen, wie Herr Prof. GEGENBAUR in seinem Werk: »Carpus und Tarsus« als Vermuthung ausgesprochen hat? 1 Die Begriffe »Fuß« und »terminales Segment der hinteren Gliedmaßen werden von mir als gleichwerthig angesehen. Morpholog. Jahrbuch. 14. 15 224 G. Tornier 4) Ist diejenige osteologische und myologische Umwandlung des Fußes der niederen Säugethiere, welche zur Entstehung des mensch- lichen Fußes führt, bedingt oder hervorgerufen durch die während der Säugethierphylogenese gradweise sich steigernde, im Menschen ihren Abschluss findende Anpassung des Säugethierorganismus an den bipeden Gang? Die vorliegender Arbeit zu Grunde liegende Untersuchungsme- thode ist bereits früher von mir in der Abhandlung »Über das Ell- bogengelenk der Säugethiere« (Morphol. Jahrbuch. Bd. XII) ver- wendet worden. Es wird zuerst konstatirt, wie ein und dieselbe Gelenkfläche resp. wie ein bestimmter Gelenkflächenkomplex in den verschiedensten Säugethiergruppen morphologisch beschaffen ist, welche _ Gelenkflächencharaktere jenen Gruppen gemeinsam, welche jeder einzelnen Gruppe specifisch sind. Es wird dann festgestellt, welche Bewegungen in dem untersuchten Gelenk möglich, welche gemein- sam, welche specifisch sind. Dann wird zu ergründen gesucht, ob den specifischen morphologischen Abweichungen von der Urform der Gelenkfläche modifieirte Gelenkbewegungen entsprechen. Zum Schluss folgt die Beantwortung der Fragen, ob einer dieser parallelen Ent- wieklungsvorgänge als Folge des anderen aufzufassen ist, welchen Einfluss ihr Entstehen auf die Struktur des Gesammtorgans ausübt, und welche physiologischen Ursachen der ganzen Entwicklung zu Grunde liegen. Das mir zur Untersuchung vorliegende thierische Material war ein ungemein reiches, für einzelne Säugethiergruppen fast überreich: zur Untersuchung überlassen wurde mir das Reservematerial des Berl. Museums für vergleichende Anatomie; die reiche Sammlung des Zoo- logischen Museums; die als Material für wissenschaftliche Arbeiten aufs vortreffliehste vorbereitete, an bereits zerlegten Skeletten reich- haltige zoologische Sammlung der Landwirthschaftlichen Hochschule, beide zu Berlin, sowie Theile der Paläontologischen Sammlung daselbst. Den hochgeehrten Herren Direktoren dieser Institute Geheimrath Prof. WALDEYER, Prof. Dr. K. Mésrus, Prof. Dr. NEHRING und Prof. Dr. Dames zu Berlin sage ich hiermit meinen herzlichsten Dank für das Wohlwollen und die große Bereitwilligkeit, mit der sie meinen Bitten und Wünschen entgegengekommen sind. Mit größter Hochachtung gedenke ich besonders des nimmer ermüdenden Eifers, mit welehem Herr Prof. NEHRING bestrebt ist, wissenschaftliche Untersuchungen zu fördern, und bekenne in aufrichtigster Dankbar- keit, dass auch ich von dieser Seite bei Beschaffung des selteneren Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 225 Materials und in sonstigen, meine Arbeit betreffenden Dingen weit über das gewöhnliche Maß hinaus aufs förderlichste unterstützt wor- den bin. In gleicher Weise zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. K. Mösıus gegenüber, sowie den Herren Dr. ANTON REICHENOW, Custos am Zoologischen Museum und Dr. ERNST SCHÄFF, Assistent an der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Endlich konstatire ich noch, dass Herr Rentier Louıss WAGEN- MANN in Moabit und Herr Max ScHÜTTHOF, Kandidat des höheren Lehramtes zu Berlin, durch photographische Herstellung der vorlie- genden Zeichnungen an der Entstehung dieser Arbeit wesentlichen Antheil haben !. Für den rein osteologischen Theil dieser Untersuchungen giebt es eine große Anzahl von Vorarbeiten, die, von hochbedeutenden Autoren stammend, theils über die Phylogenese einzelner Säuge- thiergruppen handeln und dabei auch die Entwicklung der Hinter- gliedmaßen der betreffenden Gruppen berücksichtigen, theils als Mo- nographien über die Anatomie einzelner Säugethierarten Auskunft geben; aber selbst in vielen höchst umfangreichen Schriften wird von den Autoren einfach konstatirt, dass gewisse Gelenkflächen in einer untersuchten Säugethiergruppe vorhanden sind oder fehlen; mit der Form der einzelnen Gelenkflächen beschäftigen sich nur sehr wenige Forscher in wirklich eingehender Weise, und dann fast im- mer ohne Rücksicht auf die homologen Gelenkflächen anderer Säuge- thiergruppen, so dass diese Angaben für meine Untersuchungen ge- wöhnlich nicht ausreichend sind. . Angaben über die Bewegungen in den Gelenken, über Eintreten, Aufhören, Verlauf und Ergiebigkeit der einzelnen Gelenkbewegungen des Fußes fehlen außerdem ganz, oder finden sich nur in den Werken einzelner Anthropotomen, so dass man für diesen Theil der Arbeit von Vorarbeiten kaum sprechen kann. So weit das vorhandene Schriftenmaterial für meine Unter- suchungen werthvoll ist, wird es natürlicherweise in der Arbeit Ver- wendung finden. Zur Vergleichung mit den Extremitäten der Säugethiere habe ich diejenigen der Crocodilinen herangezogen; es fragt sich mit welchem 1 Die dem Zoologischen Museum entnommenen Materialien sind mit Z.M., die aus der Landwirthschaftlichen Hochschule mit Z.H., und die aus dem Paläontologischen Museum mit P.M. bezeichnet. Das Reservematerial des Ana- tomischen Museums war nummerlos und hat daher keine Bezeichnung. 15* 226 G. Tornier Recht? Vor Allem verwahre ich mich hier bereits ausdrücklich vor der Unterstellung, dass ich die Crocodilinen als Vorfahren der Säugethiere angesehen wissen will. Die Vergleichung ist einzig und allein ge- schehen, weil das terminale Hintergliedmaßensegment der Crocodilinen eine Anzahl Komponenten besitzt, welche Homologa in dem ent- sprechenden Extremitätentheil der Säugethiere aufzuweisen haben, gegen die Vergleichung homologer Theile wird aber wohl Niemand etwas einzuwenden haben. Homolog sind, wie allbekannt, der Femur der- Reptilien und Säugethiere, dessgleichen deren Tibia und Fibula. Es finden sich dann im Tarsus der Crocodilinen zwei unter einander und mit der Tibia resp. Fibula artikulirende Knochen, welche, wie CuvIEr (Oss. foss.), GEGENBAUR (Carpus und Tarsus) und BRÜHL (Skelett der Crocodilinen p- 36) allerdings ohne Beweisführung ausgesprochen haben, zweifellos homolog sind dem Cal. und Ast. der Säugethiere. Gegenüberstellung der betreffenden Tarsalelemente der Artiodactylen und Crocodilinen lehrt das sofort!: 1 Die Artiodactylen sind desshalb von mir zur Vergleichung mit den Cro- codilinen herangezogen worden, weil ihrem Ast. und Cal. zahlreiche Charaktere zukommen, welche mir für die Lösung der Frage, ob die proximalen Fußwurzel- abschnitte der Crocodilinen und Säugethiere homolog sind, äußerst verwendbar erscheinen. Schon hier eine Aufzählung dieser Charaktere zu geben, halte ich für überflüssig, dieselben werden im Verlaufe der Untersuchung für den auf- merksamen Beobachter klar zu Tage treten. — Ferner bemerke ich noch Fol- gendes: Die in dieser Arbeit verwendeten technischen Begriffe sind die von HENLE in die Anatomie eingeführten, von HARTMANN in seinem Lehrbuch der mensch- lichen Anatomie gebrauchten und allen Anatomen geläufigen. Einige von mir zusammengestellte Kombinationen dieser Begriffe bedürfen jedoch der Erklä- rung. Für Ortsbezeichnungen am Fuß verwende ich die Ausdrücke: proximal, distal, medial, lateral, dorsal, plantar. Das proximale Ende des Fußes wird durch die Hacke, das distale durch die Zehenspitzen gebildet; die mediale Seite des Fußes ist diejenige, an welcher die große Zehe, die laterale Seite des Fußes diejenige, an welcher der Digitus; gelegen ist. Knochentheile, Gelenkflächen- ränder ete., welche nach einer oder der anderen dieser Fußseiten gewendet sind, werden als proximale oder laterale oder mediale Knochen- resp. Gelenk- flächentheile bezeichnet. Eine Gelenkbewegung verläuft proximalwärts, wenn sie gegen die Hacke gerichtet ist ete. Verbinde ich zwei, mit der Endung »al« versehene Ortsbezeichnungen durch einen Bindestrich, so zeigt dies an, dass die beiden Begriffe kombinirt gedacht werden müssen, es.bezeichnet z. B. der Ausdruck: »die distal-laterale Ecke der Gelenkfläche« diejenige Ecke der Gelenkfläche, welche durch den Zusam- menfluss ihres distalen und lateralen Randes gebildet wird. Vermittels des Ausdruckes: die Bewegung verläuft in distal-lateraler Richtung wird gesagt, Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 227 1) Nicht nur im Großen und Ganzen sondern sogar in sekundären Charakteren hat der Cal. der Crocodilinen Säugethierform (Fig. 12 Cal —+ Ast des Krokodils). Wesentlich sind an ihm Körper und Hacke. An der Hacke beider Thiergruppen findet sich ein Tuberculum laterale (Fig. 12 2) und ein Tubereulum mediale (Fig. 12 tm), zwischen diesen beiden der Suleus cal. (Fig. 12 se). 2) An die Tubereula der Hacke und zum Theil in und durch den Suleus cal. verlaufen in beiden Thiergruppen die wesentlichsten Streckmuskeln der Fußwurzel, über deren Homologie später be- richtet wird (Fig. 16, Cal des Krokodils). 3) Die Cal. beider Thiergruppen besitzen drei homologe Gelenk- flächen für den Ast. (Fig. 20—23 Artiodactylen-Cal.): eine auf dem Körper des Cal. liegende, unmittelbar die fibulare Fläche des Kno- chens (f) berührende »laterale« Fläche (7); eine als Anhang am Körper des Cal. und zwar auf dessen Medialseite erscheinende »mediale« Fläche (m); und eine an der distal-medialen Ecke des Cal. befind- liche Gleitfläche für den Kopf des Ast., die »vordere« Fläche (v). 4) Die Stellung der drei Gelenkflächen des Cal. zu einander ist bei Crocodilinen und Artiodaetylen im Wesentlichen dieselbe; die mediale Fläche liegt nahezu vertikal, ihr Plantarende weicht nur ein wenig distalwärts von der senkrechten ab. Auf ihr artikulirt derjenige Abschnitt des Ast., welchen ich den »medialen« Theil desselben nenne!. Die Längsachse der lateralen Fläche des Cal. die Bewegung verläuft in einer Richtung: welche resultirt aus dem Zusammen- wirken der distalen und lateralen Bewegung des Knochens. Wird dagegen die erste Ortsbezeichnung durch die Endung »o« mit der zweiten verbunden, so soll dadurch einfach die Richtung der Bewegung angegeben werden, z. B. »der Knochen bewegt sich in disto-medio-proximo-lateraler Richtung« heißt: der Knochen bewegt sich aus distaler Lage zuerst medianwärts, dann proximal- wärts, dann lateralwärts. . Die sonst gebrauchten Kombinationen der technischen Begriffe sind nach obigen Auseinandersetzungen ohne Erklärung verständlich. 1 Die hier erwähnten Charaktere des Ast. studirt man am besten in den Fig. 7—11 und 14—15; dieselben stellen durch Naturselbstdruck gezeichnete Transversalschnitte durch den Ast. und Cal. verschiedener Landwirbelthiere dar; und zwar sind die Schnitte, so weit das überhaupt möglich ist, durch ho- mologe Theile jener beiden Knochen gelegt. Natürlicherweise kann die Homo- logie dieser Schnitte nur eine bedingte sein, denn Ast. und Cal. ändern in den einzelnen Säugethiergruppen so wesentlich ab, dass es oft vollständig unmöglich wird, Schnitte durch dieselben so zu legen, dass genau dieselben homologen Theile getroffen werden, denn mit der Veränderung der Knochen verschieben sich die einzelnen Theile derselben gegen einander, wenn sie nicht gar voll- ständig atrophiren. Trotzdem erfüllen diese Querschnitte ausgezeichnet, ihren 228 G. Tornier liegt in beiden Thiergruppen parallel der Längsachse des Cal. - Körpers und parallel der Längsachse der vorigen Fläche; auf ihr artikulirt der Abschnitt des Ast., welchen ich den lateralen Theil des Ast. nenne. — Die vordere Fläche des Cal. liegt in beiden Thiergruppen vertikal an der medialen Seite des distalen Endes des Cal., ihre Längsachse weicht mit ihrem unteren Ende proximalwärts von der durch ihren Dorsalendpunkt gelegten Senkrechten ab. Sie verbindet bei den Crocodilinen (Fig. 16 v) die einander zugekehrten Ecken des Distalrandes der lateralen und medialen Fläche ihres Knochens. An ihr bewegt sich der Kopf des Ast. mit einer auf seiner lateralen Seite liegenden Facette. Die drei Gelenkflächen schließen bei den Crocodilinen eine nicht artikulirende Grube ein: Fossa inter- artieularis cal., die in modifieirter Form bei den Artiodactylen gleich- falls vorhanden ist (Fig. 16 i, Fig. 21 7). 5) Unter der medialen Facette des Cal. verlaufen in beiden Thiergruppen homologe von der Tibia kommende Zehenstrecker. . 6) Eine der wichtigsten Ubereinstimmungen im Fuß der Croco- dilinen und gewisser Säugethiere, die nach demselben Modus statt- findenden Gelenkbewegungen zwischen Ast. und Cal. vorläufig über- gehend, wende ich mich unmittelbar dem Ast. beider Thiere zu: Der Ast. der Crocodilinen weicht gestaltlich so wesentlich von dem- jenigen der Artiodactylen ab, dass es zum Beweise der Homologie dieser Knochen eines sehr eingehenden Studiums derselben bedarf. Leichter gestaltet sich dieser Nachweis, wenn man, wie dies später geschehen soll, den Ast. der Beutelthiere als Zwischenglied be- trachtet, da dieser dem Ast. der Crocodilinen weit näher steht. — Den drei Gelenkflächen, welche bei den Artiodactylen und Croco- dilinen am Cal. für den Ast. vorhanden sind, entsprechen drei gleich- namige Facetten am Ast.: eine laterale, eine vordere und eine mediale Zweck, und machen viele sonst nur sehr schwer wahrnehmbare Entwicklungs- charaktere des Ast. und Cal. mühelos klar. Die Schnitte sind so durch Ast. und Cal. gelegt, dass sie, sowohl die laterale (2) wie die mediale (m) Fläche der Knochen schneiden, der Zwischen- raum zwischen beiden Flächen (in) stellt eine nicht artikulirende Grube zwischen den Gelenkflächen dar, die Facies interarticularis der Knochen, die in gewis- sem Sinne mit dem Sinus tarsi des Menschen identisch ist. Denjenigen Theil des Ast., welcher median von dieser Fossa interarticularis und über der m-Fläche liegt, nenne ich den »medialen« Abschnitt des Ast., denjenigen, welcher lateral von ihr, über der /-Fläche liegt, den » lateralen« Abschnitt des Ast. Die Linie ab stellt den vertikalen Durchmesser des me- dialen, a’d’ den vertikalen Durchmesser des lateralen Ast.-Abschnittes dar. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 229 Fläche; außer diesen treten jedoch am Ast. der Crocodilinen, Beutel- thiere, Artiodaetylen und anderen Säugethieren noch vier Gelenkflä- chen auf. Von diesen sind bei Crocodilinen und Säugethieren zweifel- los homolog die jeweilige Facette des Ast. für die distale Epiphyse der Fibula (f der Fig.), eben so die Gelenkflächen des Ast. für die distale Epiphyse der Tibia (4b der Fig.). — Alsdann findet sich am Ast. der sämmtlichen Säugethiere die Gelenkfläche für das Nav. (nav). Bei den Crocodilinen fehlt dieser Tarsalknochen bekanntlich, oder ist wenigstens nicht selbständig vorhanden, dafür artikulirt die ent- sprechende Gelenkfläche mit dem mcp, (Fig. 6 und 12 mep,). Es hat nun aber diese mcp,-Fläche des Ast. der Crocodilinen eine so frappante Formgleichheit mit der Nav.-Fläche des Ast. der Beutelthiere und nimmt so genau dieselbe Stelle am Ast. ein, dass diese mcp,-Fläche des Ast. der Crocodilinen zweifellos homolog der Nav.-Fläche der Beutel- thiere und damit auch homolog ist der Nav.-Fläche des Ast. der übrigen Säugethiere. Am Ast. der Artiodactylen sämmtlicher Beutelthiere und an- derer Säuger ist endlich noch eine höchst wichtige Facette vorhanden, welche in einer Gelenkfläche artikulirt, die ihr vom Rücken des Cuboids der betreffenden Säuger geboten wird, die »Cub.«-Fläche des Ast. (Fig. 3—5 ce). Sie hat folgende charakteristische Lage: Sie findet sich am Kopf des Ast. lateral von dessen Fläche für das Nav. und stößt mit dieser unmittelbar zusammen; mit ihrem Dorsal- rand reicht sie ganz nahe an die Tibia-Facette des Ast.; am oberen Theil ihres lateralen Randes inserirt das sogenannte Lig. intertarseum (Fig. 4, 5 und 6 lig. int), an den unteren Theil dieses Randes stößt die vordere Fläche des Knochens (Fig. 3 und 4 v); mit ihrem Plantarrande berührt jene Cub.-Fläche des Ast. der Säuge- thiere endlich die mediale Fläche ihres Ast. und bildet gewisser- maßen nur eine Fortsetzung desselben. — Am Ast. der Crocodilinen findet sich nun eine Gelenkfläche, welche genau dieselbe Lage hat (Fig. 6 und 25 c): sie berührt die laterale Seite der mcp,-Flache des Ast., reicht dorsalwärts bis zur Tib.-Fläche dieses Knochens ; an ihrer lateralen Seite inserirt das Lig. intertarseum und stößt an sie die vordere Fläche des Ast.; endlich auf der Plantarseite des Knochens liegt mit ihr in Kontakt die mediale Fläche desselben (Fig. 25 m). — Die so bezeichnete Facette des Ast. der Croco- dilinen artikulirt auf dem Rücken eines selbständigen Tarsal- knochens, der von den Autoren fälschlich für homolog dem 7, der Säugethiere gehalten wird, in Wahrheit, wie in Abschnitt II dieser »! 230 G. Tornier Arbeit sehr ausführlich bewiesen werden soll, ein ¢; nicht sein kann. Dieses angebliche ¢, des Tarsus der Crocodilinen liegt in der Aus- höhlung eines anderen Tarsalknochens, dessen distale Gelenkfläche mit dem Cal. artikulirt und homolog der Gelenkfläche ist, die an dem Cub. der Säugethiere für das Cal. vorkommt, was sich ohne Schwierigkeit sofort ergiebt, wenn man bei Crocodilinen und Beutel- thieren die beiden Flächen vergleicht. Jene beiden Knochen, ver- wachsen unter sich zu einem gemeinsamen Knochen, dem Cuboid der Säugethiere, müssen also dem Z, und Z, des von GEGENBAUR charak- terisirten Urlandwirbelthierfußes entsprechen, und zwar ist der nur mit dem Cal. artikulirende Knochen das ¢,, der mit Ast. artikuli- rende das 44. Es ist nach dem oben Gesagten die bezeichnete Gelenkfläche am Ast. der Crocodilinen homolog der Cub.-Fläche des Ast. der Säugethiere. 7) Bänder an der Fußwurzel der Crocodilinen und der Säuge- thiere, speciell der Artiodactylen!. Dass der proximale Theil der Fußwurzel (Ast. und Cal.) der Crocodilinen homolog ist dem entsprechenden Theil des Säugethier- fußes wird endlich zweifellos klar, sobald man die Ligamente dieses Körpertheils in Betrachtung zieht. Eine genaue Kenntnis der Fuß- wurzelbänder ist aber auch für unsere osteologischen Untersuchungen unerlässlich. weil die osteologische Vergleichung homologer Knochen nur dann ein sicheres Resultat ergiebt, wenn man nicht nur die Gelenkflächen derselben, sondern in gleicher Weise auch Verlauf, Ansatzstellen und Reibflächen der an ihnen befestigten oder vorüber- ziehenden Bänder, Muskeln und Muskelsehnen in Berücksichtigung zieht. — a) Bänder auf der lateralen Seite des Säugethierfußes als Bei- spiel: Fuß der Artiodaetylengattung Sus. Die laterale Seite des Cal. der Schweine schickt zwei Bänder aus: I. Lig. caleaneo-fibulare. Entspringt an der lateralen Seite des Cal. unmittelbar unter dessen fibularer Gelenkfläche und ungefähr 1 Die hier in Betracht kommenden Bänder der Fußwurzel des Schweines sind ohne Ausnahme auch an dem Fuß des Menschen vorhanden, jedes Lehr- buch der menschlichen Anatomie oder der Anatomie der Haussäugethiere giebt die nöthigen Abbildungen. Die dieser Arbeit beigegebenen Abbildungen des Cal. und Ast. der Crocodilinen zeigen die Ansatzstellen der entsprechenden Bän- der durch Punkte markirt. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 231 in der Mitte derselben von einem deutlich markirten rundlichen Tu- berkel. Es verläuft am Cal. eine sehr deutliche Reibfläche erzeugend, schräg dorsal-distalwärts, setzt sich an die Distal-lateral-Ecke des distalen Endes der Fibula an und strahlt bis zur Beugeseite des distalen Tibiarandes aus. Hinter seiner Insertion an der Fibula liegen die Gruben und Scheiden für die Sehnen der M. peronei; © diese Sehnen kreuzen daher in ihrem Verlauf zur Fußwurzel das betreffende Band. II. Lig. cal.-ast.-laterale sive »Lig. talo-calcaneum interosseum « der Anthropotomen, welches nach letzteren im »Sinus tarsic des Menschen verläuft. Es nimmt beim Schwein (Fig. 4 /. int.) seinen Ursprung am distalen Ende des Cal. vom Rücken und der medialen Seite desselben. In ihm sind mehrere relativ selbständige Fascikel zu unterscheiden. Inserirt an der ganzen lateralen Seite des Halses des Ast. neben der Cub.-Fläche desselben. Auch bei den Crocodilinen entspringen auf der lateralen Seite des Cal. zwei den vorigen zweifellos homologe Bänder: 1) Lig. eal.-fib. entspringt unmittelbar unter der fibularen Fläche des Cal., ungefähr in der Mitte derselben, erzeugt eine sehr deut- liche Reibfläche am Cal., zieht schräg dorsal-distalwärts und setzt sich an die distal-laterale Ecke der Fibula, bis zur Mitte des dista- len Dorsalrandes der Tibia ausstrahlend !. 2) Lig. cal.-ast.-laterale (interosseum). Bei den Crocodilinen ein. sehr starkes Band, verläuft in mehreren, sehr locker mit ein- ander verbundenen Fascikeln, entsprechend denjenigen des Schweines. Fascikel I von der lateralen Seite des Distal-Dorsalrandes des Cal. an die lateral-distale Seite des Ast., inserirt am höchsten von allen. Fascikel II (Fig. 6 m) etwas tiefer und mehr am lateralen Rande des Ast. inserirend, entspringt vom Distalrand des Rückens des Cal. dort, wo seine Fib.- und Cub.-Fläche an einander stoßen. Fascikel UI (Fig. 6 o), die bemerkenswertheste, inserirt am tiefsten am Ast., und hat an demselben eine kleine Reibfläche, klemmt sieh als Meniscus zwischen den dorsalen Theil der Gelenkfläche ein, welche durch den Cal. und das ¢; gebildet wird; bewirkt, dass sich dieser Theil der beiden Flächen sehr deutlich von den anderen Theilen 1 Die Reibfläche für das Lig. cal.-fib. der Crocodilinen besitzt an deren Cal. ganz so wie bei den Artiodactylen die Form einer mit Bindegewebe aus- gepolsterten Grube, dieselbe markirt sich deutlich als Einschnitt in den late- ralen Rand der Fib.-Fläche des Cal. auf dem Dorsum dieses Knochens (Fig. 6 und 16 7). 232 G. Tornier derselben abgrenzt, zieht dann um den ganzen Lateral- und Plantar- rand des ¢; herum und setzt sich an die Unterseite (Plantarseite) des- jenigen Knochens des distalen Fußwurzelabschnittes, welcher mit dem Ast. artikulirt und von mir als ein Z,, von anderen Autoren als 2, gedeutet wird!. Ich mache bereits hier auf eine osteologische Eigenthümlichkeit des Ast. der Crocodilinen aufmerksam (Fig. 6 Jam), es befindet sich nämlich an diesem Ast. zwischen seinen drei Gelenkflichen für das 2, der Autoren (¢, mihi), für Tibia und Fibula auf der einen Seite und seiner lateralen und vorderen Fläche auf der anderen Seite eine Knochenplatte von beträchtlicher Ausdehnung, an welche sich das eben besprochene Lig. interosseum ansetzt. Diese Fläche spielt in der Phylogenese des Ast. eine bedeutende Rolle; ich nenne sie »La- mina lateralis ast.«; den über ihr liegenden Theil der Tibia-Facette des Ast., welcher von der Fibula-Fläche des Knochens bis zu dessen Kopf reicht, nenne ich »den lateralen«, den Rest dieser Gelenkfläche ihren »medialen« Abschnitt. Die Lamina lat. ast. liegt also lateral- wärts vom Kopfe des Ast., dessgleichen der laterale Abschnitt der Tibia-Gelenkfläche des Knochens, während der mediale Abschnitt dieser Fläche über dem Kopfe des Ast. liegt. III. Lig. ast.-cal. plantare. Beim Schwein nur äußerst schwach, bei Hippopotamus besser, bei Ursus vorzüglich entwickelt, entspringt dieses Lig. am Cal. zwischen den einander zugekehrten Ecken seiner vorderen und medialen Gelenkfläche (Fig. 21 p), inserirt am Ast. in einer zwischen der eub.-nav. und der medialen Fläche dieses Knochens befindlichen Grube. Von beiden Ansatzstellen und vom ganzen Band sehen Fasern an die Plantarfläche des Cub. und ein relativ starkes Fascikel verläuft an die plantar-laterale Ecke des Nav. Dieses bei den Artiodaetylen relativ schwach entwickelte Band besitzt bei den Crocodilinen eine sehr beträchtliche Stärke: sein Ur- ! Bei den Suiden finde ich noch ein Band, welches von der lateralen Seite des Cal. zur lateralen Seite der Fib. geht, nämlich am Cal. von der Ansatz- stelle der Sehnenscheide der Peroneusmuskeln seinen Ursprung nimmt und an der proximal-lateralen Ecke des distalen Endes der Fib. inserirt. Es kreuzt in seinem Verlaufe das Lig. calcaneo-fibulare, über dasselbe hinwegziehend, und scheint mir ursprünglich nur ein verstärkter Theil der Sehnenscheide der Pe- roneusmuskeln zu sein. Es findet sich in vorzüglicher Ausbildung bei den Kän- guruhs und nahezu eben so gut entwickelt bei allen Artiodactylen und den Vertretern der Gattung Lepus; scheint also nur bei extremen Lauf-Organismen vorzukommen, denn bei anderen Säugethieren fand ich es bis jetzt nicht. Den Crocodilinen fehlt es auch. ee Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 232 sprung und Verlauf ist derselbe. Es entspringt bei ihnen (Fig. 16 p) zwischen und neben der vorderen und cub. Fläche ihres Cal., dann ferner am ganzen distalen Rand der medialen Fläche ihres Cal., und zwar über dem Gelenkflächenabschnitt, welchen dieser Rand für das 4 besitzt (Fig. 16 cud’), ein Gelenkflächenabschnitt, dessen Homologon den Artiodaetylen fehlt, beim Wombat aber als medialer Abschnitt der cub. Fläche des Cal. (Fig. 5 8) noch eben so stark entwickelt ist, wie bei den Crocodilinen und den ganzen distalen Rand der me- dialen Fläche des Cal. bedeckt (das 7, der Crocodilinen ist im Cub. der Säugethiere bekanntlich enthalten). Das Lig. cal.-ast.-plantare der Crocodilinen inserirt an dem Ast. dieser Thiere (Fig. 25 p) in einer Grube, welche zwischen dessen medialer Fläche und seiner mit der cub. Fläche des Ast. der Säugethiere homologen 7,-Facette (Fig. 25 c) liegt. Von beiden Ansatzstellen, sowie vom ganzen Lig. strahlen starke Fasern aus und inseriren-an der ganzen Plantarfläche des ¢, mihi (¢, der Autoren). Es ist dies Verhalten des Lig. wie- derum ein Beweis dafür, dass das ¢, der Crocodilinen im Cub. der Säugethiere enthalten ist. Ein zweiter Faserstrang dieses Lig. ver- läuft an die plantar-distale Ecke des mcp,. IV. Die von der Plantarseite des Cal.-Körpers und von der Plan- tarseite des distalen Randes der medialen Fläche des Cal. bei den Crocodilinen an die Plantarflächen des mcp,, t, und Z, gehenden, bei den Artiodactylen an das homologe Cub. verlaufenden Bänder übergehe ich bis auf Weiteres, da die ihnen zu Grunde liegenden osteologischen Verhältnisse erst klar gelegt werden müssen. V. Tibia und Ast. sind sowohl bei den Artiodactylen wie Croco- dilinen durch eine Gelenkkapsel verbunden. Die Gelenkkapsel be- steht auf ihrer Beugeseite in beiden Thiergruppen aus relativ schwa- chen Fibrillen, dagegen sind die Fasern, welche von der Medialseite der Tibia ausgehen, bei den Artiodactylen enorm verstärkt und man unterscheidet in diesem Bandkomplex bei guter Präparation leicht mehrere, allerdings durch Zwischenfasern mehr oder weniger stark verwachsene Bänder: a) Lig. tib.-ast.-med. (Lig. laterale internum articulationis pedis s. deltoides s. trapezoides der Anthropotomen) verläuft mit sehr star- ken Fasern von der Mitte der medialen Seite des Distalendes der Tibia zum Proximalende der medialen Seite des Ast., inserirt dort an dem bekannten starken Tuberkel: Tuberositas medialis ast. — ß) Lig. tib.-cal.-nav. Dieser Fibrillenkomplex entspringt von der Medial- distal-Ecke des distalen Endes der Tibia, verläuft mit dem vorigen 934 G. Tornier Band durch Zwischenfasern verbunden an den Proximal-medial-Rand der medialen Fläche des Cal. (des Sustentaculum tali des Menschen). Von diesem Band und von seiner Ansatzstelle am Cal. strahlen starke Bandmassen an die plantar-mediale Seite des Nav. aus. Es hat eine buckelartig hervortretende Reibfliche an der medialen Seite des Ast. — ») Lig. ast.-nav. mediale, entspringt in der Mitte der Medial- seite des Kopfes des Ast. von einer daselbst befindlichen Tubero- sitas und geht an eine an der medialen Seite des Nav. gelegene Tuberositas. Genau dieselben Binder lassen sich bei den Crocodilinen nachwei- sen, nur dass bei diesen Thieren an Stelle des Nav. das mcp, getreten ist. Auch bei ihnen findet sich ein Lig. tib.-ast. med. Es verläuft wie dasjenige der Artiodactylen von der Medialseite des Distalendes der Tibia zu einer sehr starken Tuberositas med. ast. (Fig. 12 Zub) und bewirkt wegen seiner enormen Festigkeit und Stärke, dass der Ast. der Crocodilinen nahezu unbeweglich mit ihrer Tibia verbunden ist. Von der Medialseite der Tibia der Crocodilinen gehen ferner starke Bandmassen an den Proximal-med.-Rand der medialen Fläche ‘des Cal. Von diesem Band und seiner Ansatzstelle am Cal. strahlen Fibrillen in Masse an das mcp, aus; also ist auch hier ein Lig. tib.- cal.-nav. (mcp,) vorhanden; auch findet sich die Reibfläche dieses Bandes am Ast. (Fig. 12 und 25 ¢). Endlich verläuft auch bei den Crocodilinen (Fig. 12 a») von der Mitte der medialen Seite ihres Ast.-Kopfes ein starkes Band an des mcp, mediale Seite, ist also das Lig. ast.-nav. mediale. -— Auf der Streckseite des Fußes der Ar- tiodactylen setzt sich die Gelenkkapsel, welche Tibia und Ast. ver- bindet, ohne deutlich markirte Ansatzstelle unmittelbar an den proxi- malen Rand der tib. Fliche des Ast.; bei den Crocodilinen ist dies nicht der Fall, denn hier dient ihr (Fig. 12 crc) eine sehr starke Knochenwulst als Ansatzstelle, welche von dem Dorsal-proximal- Rande der fib. Fläche des Ast. bis zu dessen Tuber. med. hinüber- zieht, die letztere zum Theil sogar mit umfasst. Ich nenne diese Ansatzstelle der Gelenkkapsel die Crista caps. des Ast. der Croco- dilinen. Zwischen ihr und der tib. Fläche des Ast. dieser Thiere (Fig. 12 fd) liegt eine tiefe Grube: Fossa dorsalis ast., in deren Mitte ein starkes Erniihrungsloch in den Knochen eindringt. Eingeschlossen von der Crista caps., der Tuber. med. und der Reibfliche fiir das Lig. tib.-cal.-mcp, auf der einen Seite (Fig. 12) und dem proximalen und medialen Rand der medialen Fläche des Ast. auf der anderen Seite (Fig. 12 m), umzieht bei den Crocodilinen Er: Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 235 eine tiefe Aushöhlung (Fig. 12 s) die ganze Proximal- und Medial- seite ihrer Ast.-Planta, am Proximalrand der vorderen Fläche be- ginnend bis zum Plantarrand der Nav.-Fläche. Dieselbe spielt eine nicht unwichtige Rolle während der Phylogenese des Ast. und mag daher Sulcus plantaris des Ast. heißen. Ein solcher Suleus plantaris zeigt sich auch bei den Artiodactylen auf der Plantarseite des Ast. in guter Ausbildung. Aus der Vergleichung des Ast. und Cal. der Säugethiere mit den gleichnamigen Knochen im Tarsus der Crocodilinen ergiebt sich, dass sämmtliche Charaktere dieser Fußelemente in beiden Thier- gruppen vorhanden sind; die Übereinstimmung ist oft eine über- raschende. Es sind in beiden Thiergruppen an den verglichenen Knochen dieselben Gelenkflächen vorhanden, dieselben Lig. verbin- den die Knochen unter sich und mit den benachbarten Fußkompo- nenten, dieselben Muskeln verlaufen an sie oder gehen unter ihnen entlang. Kein Zweifel daher, dass der Ast. und Cal. der Crocodi- linen homolog sind den gleichnamigen Knochen im Fuße der Säuge- thiere. Aus dieser Thatsache erwächst uns aber die Berechtigung, den Cal. und Ast. der Crocodilinen bei Erforschung der Phylogenese des Säugethierfußes in Mituntersuchung zu ziehen. a. Osteologische Untersuchungen. Specifische Charaktere im terminalen Hintergliedmafsensegment einiger Landwirbelthiere. Mehrere Charaktere, welche für den menschlichen Fuß specifisch sind, d. h. nur ihm zukommen und ihn daher von dem Fuß der niederen Placentalthiere und sämmtlicher unter ihm stehender Land- wirbelthiere unterscheiden, beruhen in der eigenthümlichen Stellung seiner knöchernen Komponenten. Liegt ein normal gestalteter menschlicher Fuß in Ruhestellung dem Boden. auf, d. h. befindet er sich in der Mittellage zwischen extremer Beugung und Streckung, so ist Folgendes an ihm charak- teristisch: 1) Er berührt, wie allbekannt, nur mit der Ferse und den Köpfen der mts; und ; den Boden. Starke Gangschwielen an der Planta machen diese Stützpunkte leicht wahrnehmbar. Es tritt mit- hin im Menschenfuß eine Sohlenwölbung in dessen Längsachse auf, deren Scheitel, wie an Präparaten ersichtlich ist und später ausführ- lich beschrieben werden soll, in dem Doppelgelenk Ast.-cal.-nav.- 236 G. Tornier cub. gelegen ist. Die Liingsachse des menschlichen Cal. hat in Ruhestellung eine annähernd horizontale Lage, doch liegt ihr proxi- males Ende dem Boden auf, während das distale sich ein wenig von demselben erhebt. 2) Während der Ruhestellung hat die Fibula- Gelenkfläche des menschlichen Ast. eine vertikale Lage, während die laterale Seite des Cal. durch einen Zwischenraum von dem dista- len Ende der Fibula getrennt ist. Der Ast. ruht vollständig auf dem Cal. (Fig. 7), der Kopf des Ast. nahezu senkrecht über der Kopf- fläche des Cal. (Fig. 1), daher die Nav.-Fläche des Ast. nahezu senkrecht über der Cub.-Fläche des Cal. (Fig. 1), und in Folge dessen befindet sich auch das Nav. nahezu senkrecht über dem Cub. Daraus ergiebt sich ferner, dass die Basen der mts, welche mit dem Cub. verbunden sind, und speciell die mts,-Base viel tiefer gestellt sind wie die drei Keilbeine und die mit ihnen verbundenen Basen der mts;_,. Und zwar liegt von diesen die mis, -Base am höchsten. Das zeigt sich am nicht enthäuteten menschlichen Fuß darin, dass die Sohle desselben mit ihrem lateralen Rande nahezu den Boden berührt, während zwischen dem medialen Fußrand und der Erde ein so bedeutender Zwischenraum bleibt, dass man bequem von dieser Seite aus die Hand zwischen die Fußsohle und den Erdboden schie- ben kann. Lägen die Längsachser aller nis parallel der Längsachse des Fußes, so würde höchstens der mts;-Kopf den Boden berühren, wäh- rend die Köpfe der sämmtlichen anderen mis und besonders der mts,-Kopf in die Luft ragen müssten. Ein solcher Zustand des mensch- lichen Fußes findet sich bei Neugeborenen; eine Thatsache, die be- reits von GUSTAV JÄGER beschrieben, aber phylogenetisch falsch ge- deutet worden ist. Die betreffenden Angaben JAceEr’s lauten (Über das Längenwachsthum der Knochen. Jenaische Zeitschr. Bd. I. pag. 1 ff.): »Der menschliche Fuß unterscheidet sich von dem der vierfüßigen Sohlengänger durch einige wesentliche Merkmale: 1) durch die Schief- stellung der Fußwurzel, die er bereits bei der Geburt mitbringt, und 2) darch die Niederrollung der Mittelfußknochen, d. h. durch die Senkung der mts- Köpfe bis sie den Boden berühren. — Von der Niederrollung der mts ist nämlich beim Kinde nichts zu sehen, sie liegen parallel einander; der Sohle mangelt desshalb die charakte- ristische Gewölbebildung, sie ist glatt und liegt nicht horizontal, sondern bildet einen Winkel von nahezu einem halben rechten mit der Horizontalen. Die Niederrollung der mts ist zuerst eine ganz vorübergehende. Sitzt oder liegt das Kind, so fehlt sie gänzlich, Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 237 erst im Moment, wo es sich auf die Füße stellt, nimmt es sie durch einen Akt freiwilliger Muskelbewegung vor, indem es die mts-Köpfe auf den Boden drückt, und je häufiger dies geschieht, um so un- vollkommener kehren die Knochen in die angeborene Parallel- stellung zurück.« JÄGER übersieht in diesen durchaus richtigen An- gaben, dass nicht alle mis-Köpfe des erwachsenen Menschen, sondern nur diejenigen der mts; und , dem Boden aufliegen, während die mts,, 3, 4 beständig in der ererbten Parallelstellung verharren und daher den Boden nicht berühren. Die »Niederrollung« des mis; ist ferner Null oder nahezu Null, weil dieser Knochen dem Boden bereits sehr nahe liegt, dagegen ist diejenige des mts, allerdings sehr be- trichtlich. Wir können daher sagen: Der Fuß des erwachsenen Menschen liegt so am Unterschenkel, dass seine Planta dauernd der Medianebene des Körpers zugekehrt ist. Diese Einwärtskehrung der Fußsohle wird aber maskirt durch die »Niederrollung« des mis,- Kopfes, wodurch zugleich die durch Lig. verbundenen mts-Képfe veranlasst werden, den für den Menschen charakteristischen Trans- versalbogen auf ihrer Plantarseite zu bilden. Als drittes Specifikum des ausgebildeten menschlichen Fußes ist zu betrachten, dass seine Medianebene parallel der Medianebene des Körpers liegt und in dieser Lage auch annähernd während der Beugung und Streckung der Gliedmaße verharrt, so dass die Fußsohle sowohl bei der Ruhelage als auch bei Beuguug und Streckung als pronirt bezeichnet werden kann. Viertens ist zu bemerken, dass die Längsachse des Unterschenkels beim erwachsenen Menschen während der Ruhelage senkrecht auf der Längsachse des Fußes steht. Beim neugeborenen Menschen liegt die Medianebene des Fußes nicht parallel des Längsachse des Körpers sondern bildet mit ihr einen, auf der Bauchseite des Körpers geöffneten spitzen Winkel, d. h. der Fuß schaut mit seinen Zehenspitzen mehr auswärts, wie beim Erwachsenen, ferner hat die ganze Hintergliedmaße des Neugeborenen um ihre Längsachse eine Rotation von innen nach außen erfahren, wodurch die Fußsohle in der Mittellage nicht mehr pronirt sondern einwärts gekehrt erscheint. Endlich liegt beim Neu- geborenen in der. Mittellage die Tibia nicht mehr senkrecht auf der Längsachse des Fußes, sondern bildet mit ihr einen spitzen, nach der Bauchseite des Körpers geöffneten Winkel. An die Gruppirung der knöchernen Komponenten im plantigraden Fuß der niederen Placentalthiere z. B. in demjenigen der Ursina, 938 G. Tornier des Igels, der Ratte ete. ist Folgendes typisch: die Gangschwielen an der Planta des Fußes haben eine wesentlich von der mensch- lichen Anordnung abweichende Lage: Es findet sich keine Gang- schwiele an der Ferse, dagegen eine sehr starke, dem menschlichen Fuß fehlende, zuweilen zweilappige Schwiele unter dem Cub., ferner je eine unter den Köpfen sämmtlicher 5 mis; doch ist die ganze Sohle bis zur Hacke unbehaart, ein für phylogenetische Untersuchungen wichtiges Vorkommnis. Liegt der plantigrade Fuß niederer Placen- talthiere dem Boden auf, so berührt er die Stützfläche nicht mit der Ferse, die letztere ist vielmehr in die Luft erhoben, sondern mit dem Cub. und den Köpfen sämmtlicher 5 mis. Ferner liegen Ast. und Cal. nicht mehr wie beim Menschen senkrecht über einander, da der Ast. vom Cal. scheinbar medianwärts herabzugleiten beginnt, sondern mehr neben einander (Fig. 8 Canis, 9 Ursus, 10 Sus, 14 Tapirus, 15 Equus), was von Einfluss auf die Stellung der Fibula-Fläche des Ast. geworden ist, die nicht mehr eine völlig senkrechte, sondern eine etwas schräg dorso-plantarwärts geneigte Stellung hat; auch ist der Cal. (wenigstens beim Igel) nicht mehr durch einen Zwischenraum von der Fibula getrennt, sondern hat eine Gelenkfläche an derselben, ist ihr also bedeutend genähert; und ferner liegen die Köpfe beider Knochen nicht wie beim Menschen senkrecht über einander, sondern nahezu in einer Horizontalebene neben einander (Fig. 2 Canis, 3 Ursus, 4 Sus). Folglich müssen auch ihre Nav.- und Cub.-Facetten (Fig. 2, 3, 4) und dessgleichen das Nav. und Cub. neben einander gelagert sein. Da im Fuß der niederen Placentalthiere Nav. und Cub. nahezu horizontal neben ein- ander liegen, fällt auch der Grund für die gradweise Erhebung der mts-Basen fort, dieselben liegen daher in gleicher Höhe neben ein- ander, eben so die mts-Kérper und in Folge dessen stützen sich sämmtliche mts-Köpfe mit Gangschwielen auf den Boden. Als Gesammtresultat unserer Untersuchungen über den planti- sraden Fuß der niederen Placentalthiere ergiebt sich in Bezug auf denselben: 1) Die Längsachse seiner Hacke und diejenige seines mit den mts-Kipfen verbundenen distalen Fußwurzelabschnittes bil- den auf ihrer Plantarseite einen konvexen Winkel, dessen Scheitel- punkt in dem Gelenk Ast.-nav. gelegen ist, während der entsprechende Winkel beim erwachsenen Menschen zwar größer wie ein rechter, aber doch ein konkaver Winkel ist. — 2) Die am Fuß des er- wachsenen Menschen auftretende Transversalwölbung unter den Köpfen der mts fehlt sowohl dem Fuß der neugeborenen Menschen wie dem Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siiugethier-HintergliedmaBen. 239 der plantigraden Placentalthiere. 3) Während beim erwachsenen Menschen der Fuß nicht nur in der Mittellage, sondern auch während der Streckung und Beugung als pronirt betrachtet werden kann, steht er bei Neugeborenen und plantigraden Placentalthieren so, dass die Fußsohle einwärts gegen die Medianebene des Körpers schaut und zwar bei den Placentalthieren relativ stärker wie bei neuge- borenen Menschen, weil bei diesen Thieren nicht nur die Zehen stärker nach außen gedreht sind, sondern auch die ganze Extremität um ihre Längsachse stärker von innen nach außen rotirt ist. — 4) Bei den niederen Placentalthieren steht der Unterschenkel mit seiner Längsachse nicht wie beim erwachsenen Menschen senkrecht auf der Längsachse des Fußes, sondern bildet mit derselben . wie beim Neugeborenen auf der Beugeseite des Fußes einen spitzen Winkel. — Bei den Sohlengängern unter den Beutelthieren (Fig. 5 Wombat) und bei den ausnahmslos plantigraden Reptilien (Fig. 6, 11, 12 Krokodil) finden sich sämmtliche typischen Charaktere des Fußes der niederen Placentalthiere in extremer Ausbildung. Man kann sagen, bei ihnen liegen Ast. und Cal. ganz neben einander und be- rühren sich nur in gewissen Gelenkflächen (Fig. 5, 6, 11, 12). Die Facette des Ast. für die Fibula liegt bei allen Beutelthieren, besonders aber bei den plantigraden und kletternden, eben so bei den Reptilien sehr schräg (Fig. 5, 6 fi). Die Fibula-Fläche des Cal. ist groß, bei den Crocodilinen sehr groß (Fig. 5, 6 f); die Köpfe ihrer Ast. und Cal. sowie deren Gelenkflächen für das Cub. und Nav. liegen in ein und derselben Horizontalebene neben einander (Fig. 5 und 6 nav, mep,, cub). ‘Der Fuß ist ganz platt, die Hacke hoch vom Boden erhoben. Der gegen die Beugeseite des Fußes geöffnete Winkel zwischen der Medianebene des Körpers und der Längsachse des Fußes hat beträchtliche Größe, es sind desshalb die Zehen- spitzen sehr stark lateralwärts gerichtet, und da außerdem die Ro- tation der ganzen Extremität von innen nach außen (medio-dorso- lateralwärts) sehr beträchtlich ist, so ist die Fußsohle in der Ruhe- lage ganz medianwärts gedreht. — Die Längsachse der Tibia steht beim erwachsenen Menschen senkrecht auf der Längsachse des Fußes, bei den niederen Placentalthieren bilden diese beiden Achsen einen gegen die Beugeseite des Fußes geöffneten spitzen Winkel, welcher bei den Beutelthieren und Crocodilinen noch spitzer wird. | Während bei den Menschen die Streck- und Beugebewegungen des terminalen Hintergliedmaßensegmentes gegen den Unterschenkel im Wesentlichen in dem vom Ast. auf der einen, von Tibia- Fibula Morpholog. Jahrbuch. 14. 16 240 G. Tornier auf der anderen Seite gebildeten Sprunggelenk ausgeführt werden, wogegen bei diesen Thieren die Streck- und Beugebewegung im Cal.-Ast.- und Ast.-Nav.-Gelenk sehr geringfügige sind, findet bei den Crocodilinen gerade das umgekehrte Verhalten statt; es ist bei ihnen, wie bereits früher erwähnt wurde, der Ast. durch Lig. so fest mit Tibia und Fibula vereinigt, dass das von diesen Knochen gebildete Gelenk nur ganz geringe Bewegungen auszuführen vermag, dagegen ist die Exkursionsfähigkeit in ihrem Cal.-Ast.- und Ast.- Nav.-Gelenk eine so ungemein große, dass sämmtliche Bewegungen zwischen Unterschenkel und Fuß der Crocodilinen in diesen Ge- lenken nahezu lokalisirt erscheinen. Diese Thatsache ist bereits von Prof. GEGENBAUR in »Carpus und Tarsus« hervorgehoben worden; es finden nach ihm bei den Reptilien die Streck- und Beugebewe- gungen des terminalen Hintergliedmaßensegmentes gegen den Unter- schenkel in einem »Intertarsalgelenk« statt. Dieses Intertarsalgelenk GEGENBAUR’S liegt bei den Crocodilinen in den Gelenkflächen, welche der Ast. für Cal. und mep, besitzt. Erster Abschnitt: Das Cal.-Ast.-Gelenk. a) Das Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen'. Der Gelenkflächenkomplex, in welchem der Ast. der Crocodilinen seine Bewegungen am Cal. ausführt, ist, wie bereits nachgewiesen wurde, homolog demjenigen der Säugethiere. Er besteht aus drei Facetten: der lateralen, der medialen und der vorderen Fläche des Cal. resp. Ast. Die laterale Gelenkfläche des Cal. der Crocodilinen (Fig. 16 /) stößt mit ihrem distalen Ende unmittelbar an die Cub.-Fläche des Knochens und endet proximalwärts ungefähr in der Mitte desselben. Sie hat die Form eines Kugelabschnittes, dessen Mittelpunkt nahezu 1 Wenngleich ich mir die redlichste Mühe gegeben habe, die Gelenkbe- wegungen klar zu beschreiben und die Zeichnungen instruktiv zu gestalten, muss ich doch dringend bitten, die Lektüre dieser Arbeit durch Autopsie mög- lichst zu unterstützen. Die Beschaffung des nothwendigsten Materials wird Jedem gelingen. Tarsen von Menschen, Hunden, Schweinen, Pferden sind mühe- los zu haben, die Beschaffung eines für vorliegende Untersuchungen ungemein wichtigen Bären-Tarsus macht auch nur .wenig Schwierigkeit, da man den- selben in Wildprethandlungen größerer Städte kaufen kann, als höchst mangel- hafter Ersatz desselben könnte vielleicht, mit größter Vorsicht verwendet, der Tarsus einer Katze gebraucht werden. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 241 senkrecht unter der Gelenkfläche im Inneren des Cal. liegt. Weil sie einen Kugelabschnitt bildet, ist sie eine dorsalwärts doppelt- konvex gekrümmte Fläche. Ihre Hauptkrümmung verläuft parallel der Längsachse des Cal., also proximo-distalwärts. Der Scheitel dieser Konvexkrümmung befindet sich in der Mitte der Gelenkfläche. Ihre zweite Konvexkrümmung besteht in einer mit Konvexität ver- bundenen Abdachung von ihrer lateralen zur medialen Seite; der laterale Rand der Gelenkfläche liegt in Folge dessen am höchsten, der mediale am tiefsten. Die zur lateralen Gelenkfläche des Cal. gehörige Facette des Ast. (Fig. 24 2) ist in ihrer Längsachse (disto-proximalwärts) unge- fähr ein Drittel kürzer wie erstere und in dieser Richtung schwach konkav gekrümmt. In ihrer Querachse bietet sie gleichfalls eine schwache Konkavität, die mit einer starken Abdachung von ihrer lateralen zur medialen Seite verbunden ist. Die mediale Fläche des Cal. der Crocodilinen (Fig. 16 m) besitzt eine nahezu senkrecht stehende Artikulationsfläche, deren dorsal- proximaler Rand mit dem Medialrand der lateralen Fläche kurz vor deren proximaler Endigung am Cal. zusammenstößt. Ihre Oberfläche besteht aus zwei konkaven, in dorso-plantarer Richtung proximo-distal- wärts verlaufenden Hälften, die durch eine in der Mitte der Fläche zwischen ihnen liegende Erhebung getrennt werden. Die zugehörige Gelenkfläche des Ast. (Fig. 25 m) setzt sich aus zwei plantarwärts konvexen, disto-proximalwärts verlaufenden Abschnitten zusammen, die durch eine in der Mitte der Fläche hinziehende Aushöhlung ge- schieden sind. Von diesen konvexen Abschnitten ist der mediale bedeutend größer wie der laterale. Sie artikuliren in den entspre- chenden Konkavitäten der medialen Fläche des Cal. Die vordere Facette des Cal. (Fig. 16 v) ist eben, liegt nahezu senkrecht am Körper des Cal., denn sie weicht nur um ein Minimum in disto-proximaler Richtung von dieser Lage ab. Die ihr am Ast. entsprechende Gelenkfläche ist eben und hat die Form einer mit der Schneide dorsalwärts gerichteten Sichel (Fig. 24 v). Betrachtet man die drei Gelenkflächen des Ast. für den Cal. von der lateralen Seite des Knochens, so sind nur die laterale und vordere Gelenkfläche vollständig sichtbar, von der medialen sieht man- auf dieser Seite nur den lateralen Rand, da diese Fläche zu den vorigen nahezu senkrecht liegt!. Die vordere und die laterale 1 In Fig. 24, welche den Ast. des Krokodils von der lateralen Seite zeigt, 16* 242 . G. Tornier Fläche des Knochens hängen durch eine Gelenkbrücke zusammen und die laterale Fläche liegt senkrecht über der vorderen und me- dialen Fläche des Knochens, wenn die Längsachse der lateralen Fläche, wie dies normal ist, horizontal liegt. Da der Ast. der Crocodilinen ein starres Gebilde: ist, dessen einzelne Theile fest mit einander verbunden sind, so ruft jede Be- wegung eines Ast.-Theils äquivalente Bewegungen der sämmtlichen übrigen Ast.-Theile hervor; da ferner die Gelenkflächen des Ast. nur modifieirte Partien seiner Oberfläche sind, so muss die Ursache, welche eine Gelenkfläche des Cal.-Ast.-Gelenks in Bewegung setzt, äquivalente Bewegungen in den anderen, dieses Gelenk konstituiren- den Facetten hervorrufen, die Bewegung der das Cal.-Ast.-Gelenk konstituirenden Gelenkflächen findet daher gleichzeitig statt und die in denselben zurückgelegten Wegstrecken sind proportional. Es wurde bereits früher aus einander gesetzt, dass die Streckung und Beugung des Fußes gegen den Unterschenkel bei den Crocodi- linen im Cal.-Ast.-Gelenk stattfinden. In diesem Fall bewegt sich der Cal. an dem mit der Tibia fest vereinigten Ast. Denken wir uns aber, der Bequemlichkeit wegen, den Fuß feststehend und zwar so, dass derselbe platt dem Boden aufliegt und die Längsachse des Cal. horizontale Lage hat, so bewegt sich im Cal.-Ast.-Gelenk der Ast. am Cal., während die mit dem Ast. fest verbundene Tibia passiv dessen Bewegungen folgt, und zwar neigt sie sich während der Beugung gegen die Zehenspitzen, und entfernt sich bei der Streckung genau auf demselben Wege, aber in umgekehrter Rich- tung von .denselben, bis sie im Maximum der Streckung mit der Längsachse des Cal. einen rechten Winkel bildet. Diese Bewegung lässt sich genauer so definiren: Es bewegt sich die Längsachse der Tibia in einer sagittalen Ebene und zwar bei der Beugung in einem Winkel von 90° gegen die Zehen, während der Streckung entfernt sie sich auf demselben Wege eben so weit von denselben. Da die Tibia keine eigene Bewegung am Cal. hat, sondern passiv den Be- wegungen des Ast. am Cal. folgt, so ergiebt sich, dass eigentlich der Ast. diese Bewegungen ausführt. Während die Tibia ihre Beuge- und Streckbewegung in der Sagittalebene ausführt, rotirt sie aber zugleich um ihre Längsachse, und zwar während der Streckung in ist die mediale Fläche des Knochens durch Verstärkung des Plantarrandes der vorderen Fläche (v) ausgedrückt, mehr ist von ihr auch in natura auf der late- ralen Seite des Ast. nicht zu sehen, Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 943 entgegengesetzter Richtung wie bei der Beugung. Es rotirt also auch der mit ihr fest verbundene Ast. während der Streckung und Beu- gung um seine Längsachse. Die sagittale Kreisbewegung des Ast. am Cal. wäh- rend der Streckung. Jeder Punkt der lateralen Fläche des Ast. bewegt sich auf der zugehörigen Facette des Cal. in einem Kreis- bogen mit dorsalwärts gerichteter Konkavität disto-proximalwärts (Fig. 16 7 in der Richtung des Pfeiles'), jeder Punkt der medialen Gelenkfläche des Ast. auf der zugehörigen Fläche des Cal. entgegen- gesetzt der vorigen Richtung proximo-distalwärts von oben nach unten (Fig. 16 m Pfeil), und endlich jeder Punkt der vorderen Ge- lenkfläche des Ast. am Cal. proximo-distalwärts nahezu senkrecht von unten nach oben (v). Betrachtet man die Richtung dieser Bewe- gungen unter Berücksichtigung der Krümmungsverhältnisse der Ge- lenkflächen (sie verläuft am Cal. in einem plantarwärts offenen Kreis- bogen disto-proximalwärts, von dem Endpunkt desselben in einem mit der Konkavität dorsalwärts gerichteten Kreisbogen dorso-plantar- wärts, und von dem Endpunkt dieses Kreisbogens in einem dorsal- lateralwärts geöffneten Bogen planto-dorsalwärts bis zu dem Punkte, von welchem die Bewegung ausging), so kommt man sofort zu dem Schluss, dass der Ast. der Crocodilinen als Einheit betrachtet, wie aus der Bewegung seiner Gelenkflächen hervorgeht, bei der Streckung am Cal. einen vertikal stehenden Kreis beschreibt, dessen Achse, wie aus der Zeichnung leicht ersichtlich ist, durch die Fossa inter- articularis des Cal. geht (Fig. 16 2). Da die laterale Fläche des Ast. während seiner vertikalen Kreis- bewegung auf der Gelenkfläche des Cal. parallel deren Längsachse disto-proximalwärts gleitet, diese Längsachse aber parallel der in einer Sagittalebene liegenden Längsachse des Cal. verläuft, so steht auch der vom Ast. am Cal. während der Streckung beschriebene Kreis in einer Sagittalebene des Fußes. 1 Die Pfeile, welche in die schraffirten Gelenkflächen der Figuren einge- zeichnet sind, bezeichnen den Weg, welchen die entsprechende Gelenkfläche des Ast. resp. Cal. auf den bezeichneten Gelenkflächen einschlagen, wenn das Cal.-Ast.- Gelenk des betreffenden Thieres Streckung resp. Beugung erfährt. In Fig. 16, Cal. des Krokodils, zeigt die Richtung der Pfeile den Verlauf der Streckbewegung des Ast. Die Krümmung der Pfeile zeigt, dass die Bewegung in diesen Gelenkflächen keine einfache, von einem Bewegungscentrum aus- gehende, sondern eine aus zwei Bewegungen des Ast. zusammengesetzte ist, man muss daher beim Nachweis des Verlaufes der Sagittalbewegung des Ast. von der Krümmung dieser Pfeile absehen. 944 G. Tornier Die horizontal legende Achse, um welche rotirend der Ast. seinen Sagittalkreis am Cal. ausfiihrt, und um welche er in seiner Gesammtheit eine Kreisscheibe beschreibt, verläuft (Fig. 11 «), wie bereits erwähnt wurde, durch die Facies interarticularis (z) des Cal., dann durch den Suleus plantaris und den medialen Theil des Ast.-Körpers latero-medianwärts. Daraus folgt, dass alle diejenigen Theile des Ast., welche auf der Dorsalseite des Knochens, d. h. oberhalb einer durch die erwähnte Rotationsachse gelegten Horizon- talebene sich befinden, bei der Streckung, wie die laterale Fläche des Knochens, disto-dorso-proximalwärts, die auf der Plantarseite des Knochens liegenden dagegen proximo-planto-distalwärts bewegt wer- den müssen. Während der Beugung beschreibt der Ast. am Cal. um dieselbe latero-medianwärts liegende Horizontalachse einen Kreis in entgegen- gesetzter Richtung wie bei der Streckung; also proximo-dorso-disto- plantarwärts; in Folge dessen verläuft auch die Bewegung in den Gelenkflächen auf demselben Wege, aber in entgegengesetzter Rich- tung: in der lateralen Fläche des Cal. proximo-distalwärts, in der vorderen von oben nach unten proximalwärts und in der medialen Fläche von unten nach oben proximalwärts. Die Bewegung des Ast. am Cal. aus extremer Beugung zu ex- tremer Streckung umfasst einen Winkel von 90°. Die jeweilige Bewegung hat ein Ende, wenn bei der Streckung der proximale Rand der lateralen Fläche des Ast. mit dem gleichen Rand der la- teralen Fläche des Cal. zusammenfällt; bei der Beugung: sobald umgekehrt die distalen Ränder jener Flächen auf einander liegen. Ich nenne diejenige sagittale Kreisbewegung des Ast., welche wäh- rend der Streckung eintritt, die streckende (extendirende), die ent- gegengesetzte die beugende (flektirende) sagittale Kreisbewegung des Ast. Die sagittalen Kreisbewegungen des Ast. am Cal. sind es, welche die Sagittalbewegung der mit dem Ast. fest vereinigten Tibia her- vorrufen. Da deren Gelenkfliche dem Dorsum des Ast. angehört, so bewegt sich die Tibia, entsprechend ihrer Gelenkfläche, in einer Sagittalebene bei der Streckung aus horizontaler zu senkrechter Stel- lung disto-proximalwärts, bei der Beugung umgekehrt aus der letz- teren zu ersterer proximo-distalwärts, dadurch entfernt oder nähert sie sich den Zehenspitzen. Während der Ast. am Cal. seine streckende resp. beugende Sagittalkreisbewegung um eine Horizontalachse aus- führt. erleidet er zugleich eine. Horizontalbewegung um eine nahezu Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 245 vertikal stehende, in dorso-plantarer Richtung medio-lateralwärts ab- steigende Achse (Fig. 11 yd), welche durch die Grenzlinie zwischen dem lateralen und medialen Abschnitt der. Tibia-Fläche des Ast. (Fig. 11 &) durch den Körper des Ast. und hart über der Mitte des lateralen Randes der medialen Fläche des Ast. und Cai. verläuft (Fig. 11 und 16 y). In den Facetten des Cal. kommt diese Be- wegung in folgender Weise zum Ausdruck !!: Sobald der Ast. am Cal. aus extremer Beugestellung in Streckung übergeht, gleitet die laterale Fläche des Ast. auf der lateralen Fläche des Cal. nicht nur rein disto-proximalwärts und senkt sich dabei mit ihrem proximalen, hebt sich mit dem distalen Ende, wie es sein müsste, wenn die Bewegung nur in der Sagittalebene in einem Kreis- segment verlaufen würde, sondern ihr proximales Ende erleidet zu- gleich eine Bewegung medianwärts, während das distale eben so viel lateralwärts abgelenkt wird. Die mediale Gelenkfläche des Ast. gleitet nicht nur in der Sagittalebene proximo-distalwärts und zu- gleich dorso-plantarwärts, sondern ihr proximales Ende bewegt sich zugleich medianwärts, während ihr distales eben so viel lateralwärts fortschreitet. Die vordere Fläche des Ast. presst sich fest an die vordere Fläche des Cal. und steigt dann in ihr empor. Bei der Beugung ist die Bewegung eine umgekehrte: Die la- terale Gelenkfläche des Ast. bewegt sich aus ihrer extremen Streck- stellung proximo-distalwärts; ihr distales Ende senkt sich, während das entgegengesetzte sich hebt; zugleich aber erleidet das distale Ende eine Bewegung medianwärts, während das entgegengesetzte eben so viel lateralwärts gedreht wird. Die vorderen Flächen sind nicht mehr fest an einander gepresst, und die Bewegung in der vorderen Fläche des Cal. verläuft dorso-plantarwiirts. Die Bewe- gung der medialen Fläche des Ast. geht in planto-dorsaler Rich- tung disto-proximalwärts, wobei die distale Seite der Fläche median- wärts abgelenkt wird, was eben zur Folge hat, dass die vorderen Flächen von einander entfernt werden, das proximal-laterale Ende der medialen Fläche des Ast. nähert sich dagegen stark der me- dialen Seite des Cal.-Körpers. 1 An den Pfeilen, welche in die Gelenkflächen der Fig. 16 eingezeichnet sind und den Weg angeben, welchen eine Gelenkfläche des Ast. in der entspre- chenden Gelenkfläche des Cal. bei der Streckung zurücklegt, bezeichnet die Krümmung der Pfeile, den Einfluss der Horizontalbewegung auf die Bewegung des Ast. und giebt zugleich an, in welcher Weise diese Horizontalbewegung den Weg der betreffenden Gelenkfläche des Ast. beeinflusst. 246 G. Tornier Der Ast. der Crocodilinen beschreibt also während der Streckung des Gelenks nicht nur seinen streckenden Sagittalkreis um seine horizontal liegende Achse, sondern zugleich eine horizontale Kreis- bewegung um eine nahezu vertikal stehende Achse (yd), und zwar in latero-proximo-medio-disto-lateraler Richtung. Bei der Beugung des Gelenks ist die Bewegung des Ast. am Cal. eine umgekehrte, aber auch aus zwei Bewegungen kombinirt, also: beugende Sagittal- und zugleich Horizontalbewegung in latero- disto-medio-proximo-lateraler Richtung. Da es für spätere Untersuchungen erforderlich ist, dass die bei- den um eine gemeinsame Achse stattfindenden, aber entgegengesetzt verlaufenden Horizontalbewegungen des Ast. leicht und sicher von einander unterschieden werden können, so benenne ich sie nach - ihren Hauptwirkungen. Die mit der streckenden Sagittalbewegung des Ast. verbundene Horizontalbewegung desselben drückt die Köpfe des Ast. und Cal. in ihren vorderen Gelenkflächen fest an einander, sie mag desshalb die »adducirende« (kopfandrückende), die mit der beugenden Sagittalbewegung verbundene dagegen die »abdueirende« (abrückende) Horizontalbewegung des Ast. heißen. Die Bewegung des Ast. am Cal. findet also der Theorie nach um zwei Achsen in vier verschieden gerichteten Kreisen statt. Es ist jedoch nicht möglich, eine dieser Kreisbewegungen des Ast. un- abhängig von allen anderen auszuführen; immer finden zwei der- selben gleichzeitig statt. Absolut unmöglich ist es z. B., die streckende Sagittalbewegung des Ast. allein ohne die mit ihr ver- bundene adducirende Horizontalbewegung (eben so wenig letztere ohne die erstere) hervorzurufen: entweder werden beide Bewegungen gleichzeitig ausgeführt, dann tritt diejenige Bewegung im Gelenk ein, welche wir die »Streekung.« desselben nennen, oder das Gelenk verharrt, obgleich »eine« bewegende Kraft auf es einwirkt, auch fernerhin in der von ihm bis dahin eingenommenen Stellung. Auf dieselbe Weise sind die beugende Sagittal- und die abducirende Horizontalbewegung des Ast. beständig kombinirt. Die »Streckung« resp. »Beugung« des Ast. am Cal. ist daher das Resultat seiner Bewegung um zwei Achsen, und seine dabei stattfindende specifische Bewegung in den Gelenkflächen resultirt aus zwei kombinirten Kreis- bewegungen um jene Achsen. Es ist noch zu erwähnen, dass die sagittalen die horizontalen Kreisbewegungen des Ast. am Cal. an Ergiebigkeit bedeutend über- treffen ; die letzteren gewissermaßen nur modifieirend auf die ersteren Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 247 . einwirken, Das geht schon aus der Stellung der Gelenkfliichen des Cal. unwiderleglich hervor. Die mediale Fliche desselben springt in horizontaler Richtung medianwärts aus dem Körper des Cal. her- aus. Mit ihrer Oberfläche bilden die Fossa interartieularis und die vordere Fläche des Knochens einen rechten Winkel, da sie senkrecht stehen. Wäre nun selbst in der medialen Fläche des Cal. eine stärkere Horizontalbewegung möglich, so würde sie doch nicht zur Geltung kommen, weil die laterale Seite des Ast. bei jeder stärkeren Horizontalbewegung sofort gegen die senkrecht aufsteigende Medial- seite des Cal. stoßen würde (bei der Streckung an die vordere Fläche, bei der Beugung mit der proximo-lateralen Ecke gegen die Fossa interarticularis des Cal.); auf diese Weise würde jedes Fortschreiten der horizontalen Bewegung des Ast. unterdrückt werden. Um die Horizontaldrehung der lateralen Fläche des Ast. am Cal. zu verstehen, nehmen wir an, der Kreis abcd Fig. 13 repräsentire den Weg, den der Ast. bei seiner adducirenden Horizontalbewegung am Cal. beschrieben hat; ac sei derjenige Durchmesser des Kreises, der parallel der Längsachse des Cal. zu liegen kommt. Es befinden sich alsdann die Peripheriepunkte « und c im Durchmesser selbst. Bewegt sich der Punkt c in der Peripherie des Kreises in der Rich- tung des Pfeiles fort, so entfernt er sich mehr und mehr vom Durch- messer, bis er, nach J gelangend, das Maximum dieser Abweichung erreicht; sein Abstand vom Durchmesser beträgt alsdann die Hälfte der Länge desselben. Schreitet der Punkt e von 5 aus weiter, so nähert er sich wieder dem Durchmesser, bis er zuletzt bei a in den- selben fällt. Ähnlich verhält sich die Bewegung auf der anderen Hälfte der Kreisperipherie. Bewegt sich der Kreisbogen cd auf der Kreisperipherie in der Richtung des Pfeiles fort, so wird dessen Endpunkt 5 sich dem Durchmesser nähern, während c sich von dem- selben entfernt; diese synergische Bewegung schreitet so lange fort, bis 6 in @ seine größte Annäherung und c in 5 das Maximum seiner Entfernung vom Durchmesser erreicht. Es leuchtet ein, dass jeder Punkt des Bogens cb, so lange er nicht bis 4 gelangt ist, seinen Abstand vom Durchmesser vergrößert, unmittelbar hinter 4 denselben . aber zu verkleinern beginnt, d. h. in 5 befindet sich ein Drehpunkt für den Bogen de. Ist der bewegte Bogen größer wie ein Quadrant, also etwa ct, so bewegt sich ¢ und jeder Punkt des Bogentheils ?# gegen den Durchmesser hin; jeder Punkt des Bogentheils d¢’ rückt über den Drehpunkt hinaus, vergrößert also zuerst seinen Abstand vom Durch- 248 G. Tornier messer, dann verkleinert er ihn. Der Bogentheil 52’ hat die Größe des Bogens ta, aus dem einfachen Grund, weil der Punkt ¢ nur bis a rückt und dabei den Weg fa beschreibt, alle anderen Theile des Bogens te ihm aber eben so weit nachzurücken gezwungen sind. Der Bogentheil ¢’c bewegt sich nur vom Durchmesser fort. Der Theil #2 und ?'c des Bogens bewegen sich also nur in einer Rich- tung, die sämmtlichen Punkte des Bogentheils 52’ in zwei Richtun- sen gegen den Durchmesser. Gleitet Ze von a aus zurück, so findet die entgegengesetzte Be- wegung statt, die Verhältnisse selbst ändern sich nicht. Der Bogen abe entspricht der lateralen Fläche des Cal. der Cro- codilinen, ¢c der auf ihr gleitenden lateralen Fläche des Ast., denn erstere ist nur um !/, kürzer wie letztere (I 19 mm; II 13'/; mm). Aus obiger Darstellung lässt sich ersehen, warum bei der Streckung des Ast. am Cal. die proximale Ecke der lateralen Fläche des Ast. medianwärts bewegt wird, während ihre distale Ecke sich eben so weit lateralwärts bewegt, die laterale Fläche des Ast. ist größer wie die halbe laterale Fläche des Cal., sie entspricht daher dem Bogen ¢c, dessen Endpunkt ¢ bei der Bewegung des Bogens gegen a hin sich dem Durchmesser nähert, während sein Endpunkt ce sich von demselben entfernt. Sowohl bei der lateralen Fläche des Ast. ‘wie bei der des Cal. liegt der Indifferenzpunkt in der Mitte. Die Tibia- und Fibula-Fläche des Ast. nehmen an den Bewegungen des Ast. am Cal. Theil und da sie dem Dorsum des Ast. angehören, bewegen sie sich bei der streckenden Sagittalbewegung des Gelenkes um seine horizontale Achse («ß) in. einer Sagittalebene disto-proxi- malwärts, wobei sich der ganze Proximalrand des Ast.-Rückens senkt, sein Distalrand erhebt. Beide Bewegungen schreiten so lange fort, bis die laterale Fläche des Ast. am proximalen Ende der zugehörigen Fläche des Cal. angelangt ist!. Würde die Streckung noch ein wenig weiter gehen, würde der proximale Rand der lateralen Fläche des Ast. über denjenigen des Cal. hinausgehen, so würde die auf der Proximalseite des Ast.-Rückens stark vorspringende Crista caps. auf den Proximalrand der medialen Fläche des Cal. stoßen und da- mit natürlicherweise ein weiteres Fortschreiten der Streckbewegung unmöglich machen. Eine so starke streckende Sagittalbewegung des Cal.-Ast.-Gelenks der Crocodilinen kommt aber niemals vor, denn ! Zu vergleichen Fig. 12. Der Ast. schreitet in der Richtung des in der lateralen Fläche (J) befindlichen Pfeiles fort. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 249 die proximalen Ränder der lateralen Flächen des Ast. und Cal. gehen eben niemals über einander hinaus. Es bleiben daher bei den Cro- codilinen die Unterseite der Crista caps. und der proximale Rand der medialen Fläche des Cal. auch bei extremster Streckung von ein- ander durch einen Zwischenraum getrennt. Die Tibia-Fläche des Ast. liegt bei extremer Beugung des Cal.-Ast.-Gelenks mit ihrem proximo- distalen Durchmesser senkrecht, bei normaler Streckung vollständig horizontal. Aus ihren Stellungen lassen sich ohne Schwierigkeit die jeweiligen Stellungen der mit dem Ast. fest vereinigten Tibia herleiten. Aber nieht nur den sagittalen, sondern auch den mit diesen ver- bundenen horizontalen Kreisbewegungen des Ast. folgt die Tibia- Fläche dieses Knochens und mit ihr die Tibia selbst: und zwar be- wegt sich dabei die Tibia-Fläche des Ast. um den in ihr liegenden Punkt der vertikal stehenden Drehachse des Ast. in einem Horizontal- kreis (Fig. 11.2): bei der Streckung medio-disto-latero-proximalwärts, bei der Beugung in umgekehrter Richtung. Die Folge davon ist, dass bei der Streckung alle diejenigen Theile der Tibia-Fläche, welche lateral vom Drehpunkt liegen, proximal-medialwärts, die auf der me- dialen Seite desselben liegenden distal-lateralwärts gedreht werden. Die Tibia-Fläche des Ast. nimmt daher im Verlauf der Streekung folgende, aus der Einwirkung ihrer beiden kombinirten Bewegungen _ resultirende Stellungen ein. Bei extremer Beugung liegt ihr Proximo- distal-Durchmesser senkrecht, ihr Latero-medial-Durchmesser in einer Horizontalebene. Sobald der Ast. in extreme Streckstellung gelangt, stellt sich der Sagittaldurchmesser und mit ihm die ganze Tibia-Fläche horizontal, und es müsste, wenn keine addueirende Horizontaldrehung des Ast. stattfände, der Latero-medial-Durchmesser der Tibia-Fläche in einer Transversalebene des Fußes liegen. Das thut er aber nicht, denn durch die addueirende Horizontalbewegung des Ast. ist sein lateraler Endpunkt bedeutend proximal und etwas medianwärts be- west, “während sein medialer Endpunkt gar keine Proximalbewegung erhält, sondern nur etwas lateralwärts rückt, daher schneidet er die durch den Achsenpunkt der Fläche (e) gelegte Transversalebene in einem spitzen Winkel. Es ist bereits gesagt, dass bei extremster Streckung des Cal.- Ast.-Gelenks die Crista caps. auf den oberen Rand der medialen Fläche des Cal. stoßen könnte. Würde dabei keine adducirende Ho- rizontaldrehung des Ast. stattfinden, so müsste nahezu die ganze Crista sich jenem Rand auflegen, die adducirende Horizontalbewegung würde aber bewirken, dass alsdann nur der laterale Theil der Crista, der 350 G. Tornier unmittelbar an die laterale Fläche des Ast. stößt, mit dem proxi- malen Rand der medialen Fläche des Cal. in Berührung treten würde. Da Tibia und Fibula mit dem Ast. nahezu unbeweglich vereinigt sind, nehmen sie passiv an allen Bewegungen des Ast. Theil, und zwar führen sie dieselben Bewegungen aus wie die Gelenkflächen, welche der Ast. für sie besitzt. Bei extremer Beugung des Gelenks be- rühren sie fast das Dorsum des Fußes und ihre Beugeseite schaut -ohne Drehung gegen den Fußrücken. Sobald der Ast. in Streckung übergeht, bewegt sich die Fibula stärker proximal- und medianwärts als die Tibia, der mediale Rand der Tibia außerdem distal- und lateral- wärts. Es erleidet dadurch die Beugeseite des Unterschenkels eine Abduktion, d. h. sie schaut gegen die laterale Seite des Fußes. Es bedarf jetzt noch eines Blickes auf die Bewegung der Fibula in der Fibula-Fläche des Cal. Die letztere stößt in ihrer ganzen Aus- dehnung unmittelbar an die laterale Fläche des Cal. (Fig. 16 f), verläuft parallel dieser und eben so weit distal- und proximalwärts. Da die Fibula keine selbständige Bewegung am Ast. besitzt, sondern passiv an den Bewegungen des Ast. Theil nimmt, so finden die Be- wegungen der lateralen Fläche des Ast. und die der neben ihr lie- genden Fläche der Fibula für den Cal. gleichzeitig und um dieselben Achsen statt, daher legen beide Knochen auch in ihren Flächen am Cal. proportionale Wegstrecken zurück, sie kommen z. B. gleich- zeitig an dem distalen resp. proximalen Endpunkt ihrer Gelenk- flächen an. Steht der Ast. der Crocodilinen fest und geht der Cal. an dem- selben aus extremer Beugung in das Maximum der Streckstellung über, so sind die Bewegungen im Cal.-Ast.-Gelenk entgegengesetzt gerichtet denjenigen, welche entstehen, wenn der Ast. am feststehen- den Cal. bewegt wird: in Folge dessen beschreibt der Cal. um die Horizontalachse des Gelenks einen Sagittalkreis, wobei sein distales Ende plantarwärts an dem Kopf des Ast. hinabgleitet, während sein proximales Ende dorsalwärts emporsteigt. Hierbei wird in Folge der adducirenden Horizontalbewegung der Kopf des Ast. fest an den Kopf des Cal. gedrückt, während die Hacke in der Horizontalebene stark lateralwärts bewegt wird. Bei der Beugung gleitet der Kopf des Cal. an dem Kopf des Ast. dorsalwärts empor, doch liegen die vorderen Flächen der beiden Knochen nur lose an einander; die Hacke sinkt plantarwärts hinab und erleidet zugleich eine Horizontal- bewegung latero-medianwirts. Wirkung von Gebrauch und Nichtgebrauch auf die Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 251 Form der Gelenkflächen. In einer der genialsten osteologischen Arbeiten, in seinen »anatomischen Studien an Extremitiiten-Ge- lenken Neugeborener und Erwachsener« (VircHow’s Archiv 25, 26, 29) hat Hirer auf Grund seiner Untersuchungen das Gesetz aufgestellt, dass diejenigen Theile einer Gelenkfläche, welche für längere Zeit außer Kontakt mit Theilen der zugehörigen Facette liegen, ihren Gelenkflächencharakter verlieren, die in Kontakt bleibenden da- gegen ihn beibehalten. Von Dr. ALBERT Mor ist dieses Gesetz auch experimentell (VırcHow’s Archiv 1886: Experimentelle Unter- suchungen über den anatomischen Zustand der Gelenke bei andau- ernder Immobilisation) bewiesen worden. »Bei gesunden Kaninchen, deren eine Hinterpfote in Extensionsstellung des Knie- und Fuß- gelenks immobilisirt war, die andere zur Vergleichung frei gelassen wurde, tritt zuerst eine durch Muskelverkürzung bedingte Beweglich- keitsbeschränkung in den Gelenken auf. Später wird auch die Kapsel ein Hindernis der freien Bewegung. Ungefähr gleichzeitig hiermit tritt an der Oberfläche des hyalinen Gelenkknorpels Binde- gewebe auf. Theilweise ist es aus Knorpel lokal entstanden und fest mit ihm verbunden, theilweise ist es über ihn hingewachsen und ihm lose aufgelagert. Die Umwandlung des Knorpels in Binde- gewebe kann Vertiefung der Oberfläche zur Folge haben, wenn das neu entstandene Bindegewebe einen kleineren Raum einnimmt als sein Muttergewebe, der Knorpel. Alle diese Veränderungen treten nur an Stellen des Knorpels auf, die während der Immobilisirung keinem gegenseitigen Kontakt ausgesetzt waren, da hingegen, wo dieser stattfand, bleibt der Knorpel durchaus normal. Dem Auge erscheinen diejenigen Theile der Gelenkfläche, die andauernd in gegenseitigem Kontakt gestanden haben, glänzend, während die anderen in großer Ausdehnung trüb und glanzlos sind. Es findet aber bei Immobilisirung der Pfote nicht nur die Umbildung der vor- handenen Gelenkflächen, sondern auch Neubildung solcher statt. Die Patella verlässt nämlich bei extremer Streckung des Kniegelenks ihre eigentliche Gelenkgrube und legt sich mehr proximal am Femur an. Es bildet sich für sie an dieser Stelle eine neue Gelenkfläche aus und zwar durch einen Wucherungsprocess in dem sie umgeben- den Bindegewebe, das allmählich am Grunde der Fossa in Knorpel- gewebe übergeht.« — Uber diese Knorpelneubildung und sonstige Veränderungen an den immobilisirten Flächen sind nähere Angaben in der Originalabhandlung vorhanden. | Die Richtigkeit der obigen Beobachtungen wird auch durch meine 252 G. Tornier Untersuchungen tiber die Phylogenese des Ellbogengelenks nachge- wiesen, denn im Verlauf dieser Entwicklung erlangen urspriinglich ganz gering entwickelte Gelenkflichentheile enorme Ausbildung, während gleichzeitig die weniger gebrauchten Theile an Größe und Ausdehnung abnehmen und zuletzt ganz atrophiren. Resultat: Gelenkflächen oder Theile derselben, welche von den zugehörigen Facetten längere Zeit hindurch nicht berührt werden, veröden und verlieren ihren Gelenkflächencharakter, umgekehrt nehmen diejenigen Theile der Gelenkflächen, welche starken gegenseitigen Druck aushalten, an Größe zu. Bindegewebspartien, die an ein- ander unter beträchtlichem Druck gleiten, nehmen Gelenkflächen- charaktere an. Kehren wir jetzt zu. den Crocodilinen zurück, und konstatiren zuerst, welche Theile der zusammengehörigen Gelenkflächen ihres Cal.-Ast.-Gelenks bei extremer Flexion und Extension bedeckt und unbedeckt sind !. Bei extremer Beugung liegt die laterale Fläche des Ast. der Crocodilinen so auf derjenigen des Cal., dass ihre beiden distalen Ränder zusammenfallen. Da die laterale Fläche des Ast. in der Längsachse kürzer ist wie die des Cal. (I 13'%, II 19 mm) und da ferner der Ast. durch seine abducirende Horizontalbewegung sich mit dem distalen Ende seiner lateralen Fläche medianwärts, mit dem proximalen lateralwärts gedreht hat, so bleibt bei extremer . Beugung das proximale Ende der lateralen Fläche des Cal. und besonders dessen medialer Rand unbedeckt und der Ast. drückt nur auf den disto-medialen Theil der Gelenkfläche des Cal. Begiebt sich aus dieser Lage der Ast. in extreme Streckstellung, so fallen die proximalen Ränder der beiden lateralen Flächen in einander, zugleich hat sich die laterale Fläche des Ast. mit ihrem proximalen Ende medianwärts, mit ihrem distalen Ende lateralwärts gedreht, wobei das erstere stark auf den Cal. drückt. In Folge dessen wird während der Streekung die laterale Fläche des Cal. an ihrem di- 1 In den Gelenkflächen des Cal. der Crocodilinen (Fig. 16) sind diejenigen Theile der Gelenkflächen, welche im Verlaufe der Streckung des Gelenks frei werden, durch Doppelstrichelung besonders markirt; die einfach schraffirten Gelenkflächentheile sind oder werden während der Streckung von den Gelenk- flächen des Ast. bedeckt. Bei der Beugung ist das Umgekehrte der Fall, als- dann sind die einfach schraffirten Gelenkflächentheile unbedeckt. Aus der Rich- tung des Pfeiles ergiebt sich übrigens von selbst, welche Gelenkflächentheile des Knochens während der Streckung resp. Beugung frei werden und welche bedeckt bleiben. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 253 stalen Ende von der medialen Seite aus gradatim frei gelegt, und zwar an ihrem medialen Rand stärker wie am lateralen; den Haupt- druck erhält die laterale Fläche des Cal. während der Streckung des Gelenks in ihrem proximo-medialen Theil. Da die laterale Gelenkfläche des Ast. in der Längsachse kürzer und überhaupt kleiner ist, wie die des Cal., so verlässt sie weder bei der Beugung noch bei extremer Streckung des Cal.-Ast.-Gelenks mit einem ihrer Ränder die zugehörige Fläche des Cal. Dagegen erhebt sich bei der Beugung etwas ihr proximal-medialer Theil, der- Druck liegt alsdann in ihrem disto-medialen Theil; bei der Streckung umgekehrt im proximo-medialen Theil der Fläche, während der distale Theil sich, besonders mit seinem medialen Rand, erhebt. Da die Fibula in ihrer Gelenkfliiche am Cal. sich parallel der lateralen Fläche des Ast. bewegt, so liegt die Fibula während der Beugung im distalen, während der Streckung dagegen im proximalen Abschnitt ihrer Gelenkfläche am Cal. und zwar drückt im ersteren Fall ihre Beuge-, im letzteren ihre Streckseite auf den Cal., während sich die entgegengesetzten Seiten jedes Mal erheben. Die mediale Fläche des Cal. und Ast. weisen folgende Größen- verhältnisse auf: der laterale Rand der medialen Fläche des Cal. hat 14, der des Ast. 18 mm, der erstere ist also kleiner; der mediale Rand der medialen Fläche des Cal. hat 12, der des Ast. 9 mm. Der erstere ist also größer als der letztere. — Im Maximum der Beugung ragt das proximale Ende der medialen Fläche des Ast. in seiner ganzen Ausdehnung über den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. frei hinaus und zwar liegt der mediale Rand der medialen Fläche des Ast. wegen seines beträchtlichen Größenüber- gewichtes über den zugehörigen Theil der gegnerischen Fläche des Cal. viel weiter aus der lateralen Fläche des Cal. heraus, wie der laterale Rand der lateralen Fläche des Ast., von welchem nur ein sehr geringer Theil sichtbar wird. — Bei beginnender Streckung gleitet gradatim das proximale frei hervorragende Ende der medialen Fläche des Ast. in die mediale Fläche des Cal. hinab und zwar verschwindet zuerst und gleitet am tiefsten hinab die proximal-la- terale Ecke der medialen Fläche des Ast., weil diese am wenigsten proximalwärts emporgehoben war. Dieses Hinabgleiten des proxi- malen Randes der medialen Fläche des Ast. in die gegnerische Fläche des Cal. geht so weit, dass eine Strecke des proximalen Endes der medialen Fläche des Cal. unbedeckt hervortritt (Fig. 16 m) und zwar, wie aus der Bewegung des Ast. hervorgeht, an seiner 254 G. Tornier lateralen Ecke ein größeres Stück als an der medialen. — Während der Ast. beim Übergang in Streckung gradatim den proximalen Theil seiner medialen Gelenkfläche mit derjenigen des Cal. in Berührung bringt, verlässt ein eben so großer Theil ihres distalen Endes die mediale Fläche des Cal. und tritt unbedeckt hervor. In Kontakt bleiben daher nur der distale Theil der medialen Fläche des Cal. und der proximale Theil der medialen Fläche des Ast. Den stärksten Druck erhalten diese Kontaktstellen in ihren lateralen Partien, weil die adducirende Horizontalbewegung des Ast. diese fest an einander presst. Die vordere Fläche des Ast. ist fast noch einmal so lang wie diejenige des Cal. (Fig. 16 und 24 v). Bei extremer Beugung wird diese Gelenkfläche des Cal. von der distalen Sichelhälfte der vor- deren Fläche des Ast. eingenommen, während die proximale Sichel- hälfte unbedeckt bleibt. Bei der Streckung gleitet der distale Sichel- abschnitt aus der vorderen Fläche des Cal. dorsalwärts über dieselbe hinaus, der proximale hinein. Von der vorderen Fläche des Cal. kann daher bei extremer Streckung höchstens der unterste (plantarste) Theil freigelegt werden, während ihr oberster (dorsalster) Theil in Kontakt mit dem proximalen Sichelabschnitt des Ast. bleibt und an denselben angepresst wird. Es ist aber wegen der Größe der vor- deren Fläche des Ast. wahrscheinlich, dass die vordere Fläche des Cal. an keiner Stelle frei wird. Denken wir uns, es verliere der Ast. der Crocodilinen in seinen Gelenkflächen am Cal. schrittweise an Flexionsfähigkeit, während seine Streckfähigkeit intakt erhalten bleibt, so würde dies nach dem Gesetz des Gebrauchs und Nichtgebrauchs der Gelenkflächen folgen- den Einfluss auf die gegnerischen Facetten des Ast. und Cal. haben müssen: 1) Die Exkursion in diesen Gelenkflächen würde geringer werden, denn der Ast. würde am Cal. mehr und mehr eine Streck- stellung einnehmen und aus dieser alsdann in das Maximum der Streckung übergehen; 2) alle diejenigen Theile der Gelenkflächen, welche nur bei extremer Beugung bedeckt sind, im Übergang zur Streckung und beim Fortschreiten derselben aber frei hervortreten, würden atrophiren, dagegen würden diejenigen Facettentheile, welche hierbei in Kontakt mit einander und unter stärkeren Druck gerathen, an Größe und Entwicklung zunehmen. Die Beschränkung der Flexions- fähigkeit in den Gelenkflichen des Cal. und Ast. könnte so weit fortschreiten, bis die Knochen das Maximum ihrer Streckstellung per- manent beibehalten. Dies ist erreicht, wenn die proximalen Ränder e Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siugethier-HintergliedmaBen. 255 ihrer lateralen Fläche dauernd in einander liegen und die Crista eaps. des Ast. permanent den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. berührt. Die gradweise Verminderung der Flexionsfähigkeit des Ast. am Cal. würde folgende Veränderung der Gelenkflächen am Cal. hervor- rufen!: Die laterale Fläche des Cal. würde an ihrem distalen Ende vom medialen Rande aus und zwar besonders stark an diesem selbst atrophiren, dagegen müsste sie an ihrem proximalen Ende, und be- sonders an dessen medialer Seite an Größe zunehmen, da hier der Druck intensiver und dauernder würde. Die mediale Fläche des Cal. würde an ihrem proximalen Ende von dessen lateraler Seite aus und an dieser besonders stark atrophiren, dagegen in ihrem distalen Abschnitt und besonders an dessen lateraler Seite an Größe zunehmen. Die vordere Fläche des Cal. würde an ihrem plantaren Ende, wenn überhaupt, atrophiren, dagegen an ihrem dorsalen Ende zunehmen, oder doch die ursprünglichen Größenverhältnisse beibe- halten. Die laterale Fläche des Ast. würde ihre ursprünglichen Größen- verhältnisse beibehalten, aber an ihrem proximalen Ende etwas an Ausdehnung zunehmen. Die mediale Fläche des Ast. würde an ihrem distalen Ende und besonders an dessen medialem Rande atro- phiren, dagegen am proximalen Ende und besonders an dessen la- teralem Rande an Größe zunehmen. Die vordere Fläche des Ast. würde ihren distalen Sichelabschnitt verlieren, dagegen den proxi- malen beibehalten, eventuell vergrößern. Die Fibula-Fläche des Cal. endlich würde parallel der lateralen Fläche des Cal. in ihrem dista- len Theil atrophiren, im proximalen erhalten bleiben, die gegnerische Fläche der Fibula würde, da sie bedeutend kleiner ist, an Größe eine Zeit lang erhalten bleiben. 3) Das Cal.-Ast.-Gelenk der Ursina im Vergleich zu dem der Crocodilinen und Caniden. N Der Cal. der Ursina (Fig. 17) hat dieselben drei Gelenkflächen für den Ast. wie der Cal. der Crocodilinen; die auf seinem Kör- per liegende »laterale« Fläche (7), die an dessen Kopf als Reibfläche erscheinende »vordere« (v) und die medianwärts als Anhang an 1 Die in Fig. 16 (Cal. der Crocodilinen) kreuzweise schraffirten Gelenk- flächen würden atrophiren. Morpholog. Jahrbuch. 14. 17 256 G. Tornier demselben hervortretende »mediale« Fläche (m). Die Stellung dieser Flächen am Knochen und zu einander, die Bewegungen des Ast. in denselben zeigen auf den ersten Blick, dass der Cal. der Ursinen demjenigen der Crocodilinen homolog sein muss, wenn gleich an- dererseits höchst charakteristische Merkmale diese beiden homologen Cal. scharf von einander trennen. Während bei den Crocodilinen die laterale Fläche des Cal. bis zum Dorsalrand der Cub.-Fläche dieses Knochens reicht und an ihrem Distal-medial-Rand mit dessen vorderer Fläche zusammenstößt, ist dies bei den Ursinen nicht der Fall. Bei diesen Thieren findet sich zwischen dem Distal-medial-Rand der lateralen Fläche des Cal. und dem Dorsalrand der Cub.-Fläche des Cal. ein bedeutender, nicht artikulirender Knochentheil: der »Hals« des Cal., der übrigens von den Monotremen an bei sämmtlichen Säugern vorhanden ist. Der proximale Rand der lateralen Fläche des Cal. der Ursina reicht da- gegen nicht weiter proximalwärts am Knochen wie derjenige der Crocodilinen, d. h. er endet kurz hinter dem proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. Zieht man noch in Erwägung, dass die laterale Fläche des Cal. der Ursinen gestaltlich dem »proximalen« Ende der lateralen Fläche der Crocodilinen aufs genaueste entspricht, so wird man zweifellos anerkennen müssen, dass die laterale Fläche des Cal. der Ursinen nur dem proximalen Ende der lateralen Fläche des Cal. der Crocodilinen homolog ist, während das distale Ende der Fläche dieser Thiere den Ursinen fehlt. Die Krümmung der lateralen Fläche des Cal. ist in beiden Thier- gruppen qualitativ dieselbe: einmal dorsalwärts konvex in disto-proxi- maler Richtung, dann dorsalwärts konvex in der Transversalachse des Fußes mit Abdachung nach der Medianseite desselben, doch ist diese Abdachung der lateralen Fläche bei den Ursinen nicht so steil wie bei den Crocodilinen; ihre Fläche liegt in dieser Richtung mehr horizontal !. Auch die mediale Fläche des Cal. der Ursinen bietet frappante Homologien mit der gleichnamigen Fläche des Cal. der Crocodilinen. 1 Die von den Crocodilinen bis zum Menschen allmählich fortschreitende Verminderung der Medianabdachung der lateralen Fläche des Cal., die beim Menschen einer völligen Horizontalstellung dieser Fläche weicht, und das spä- ter erwähnte Hinaufrücken deı medialen Fläche des Cal. am Körper dieses Knochens wird durch die Fig. 11—7 ete. aufs schönste klar gelegt (Fig. 11 Cal. + Ast. der Crocodilinen, 9 der Ursinen, 7 des Menschen; u. Sustentaculum tali mit medialer Fläche des Cal.). Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 257 Gemeinsam ist beiden: Sie liegen mehr plantarwärts am Körper ihres Knochens wie dessen laterale Fläche, verlaufen schräg distal- wärts in dorso-plantarer Richtung mit folgendem Unterschied: wäh- rend die betreffende Fläche der Crocodilinen nahezu senkrecht steht, liegt diejenige der Ursinen durch Erhebung ihres distalen Endes mehr horizontal; auch ist sie am Körper des Cal. stark dorsalwärts em- porgerückt (Fig. 11 und 9 w). Ferner unterscheiden sich die me- dialen Flächen der Cal. beider Thiere noch dadurch von einander: Bei den Ursinen trägt der proximale Rand dieser Fläche eine Reib- fläche für die Crista caps. des Ast. (Fig. 17 cr), welche den Croco- dilinen fehlt, und dann verläuft dieser Rand nicht wie bei den Cro- eodilinen nahezu geradlinig zur lateralen Fläche des Cal., sondern er besitzt zwischen seiner Reibfläche für die Crista caps. und dem medialen Rand der lateralen Fläche des Cal. eine bedeutende Ein- kerbung, daher stößt er bei den Ursinen auch nicht unmittelbar an diesen Rand, was bei den Crocodilinen der Fall ist, sondern setzt sich unterhalb desselben fest. Die vordere Fläche des Cal. der Ursinen steigt wie die der Croeodilinen in proximo-distaler Richtung planto-dorsalwärts empor, doch ist ihr Plantarende stark dorsalwärts gehoben, d. h. die ganze vordere Fläche des Cal. der Ursinen liegt viel mehr horizontal wie die der Crocodilinen (Fig. 3 vo); außerdem ist sie gewöhnlich von der medialen Fläche des Cal. durch eine nicht artikulirende Grube getrennt. Bisweilen stoßen jedoch diese beiden Flächen des Cal. der Ursinen unmittelbar an einander, alsdann lässt sich leicht nach- weisen, dass diese Vereinigung der beiden Flächen bewirkt wird durch Verlängerung des distal-lateralen Randes der medialen Fläche des Cal. | Die Bewegungen, welche der Ast. der Ursinen in den Gelenk- flächen ihres Cal. auszuführen vermag, finden genau nach demselben Modus wie die Bewegungen des Ast. im Cal.-Ast.-Gelenk der Cro- codilinen statt. Auch im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen giebt es sa- gittale Kreisbewegungen des Ast. um eine horizontale Achse und mit diesen kombinirte horizontale Kreisbewegungen des Ast. um eine vertikal stehende Achse. Auch bei den Ursinen setzt sich die Streckung des Cal.-Ast.-Gelenks aus der streckenden Sagittal- und adducirenden Horizontalbewegung des Ast. zusammen, während die Beugung durch die mit der abducirenden Horizontalbewegung des Ast. verbundene beugende Sagittalbewegung desselben zu Stande kommt. In Folge dieser kombinirten Bewegungen gleitet während Vie 958 G. Tornier der Streckung des Gelenks der Ast. der Ursinen mit seiner latera- len Fläche auf der gegnerischen des Cal. disto-proximalwärts (Fig. 17 Richtung des massiven Pfeiles), während gleichzeitig sein proximales Ende unter Medianwärtsdrehung plantarwärts bewegt, sein distales dorsal-lateralwärts gleitet. Diese Bewegung findet so lange statt, bis die proximalen Ränder dieser beiden lateralen Flächen in ein- ander fallen. In der medialen Fläche des Cal. der Ursinen verläuft die Streck- bewegung des Ast. in proximo-distaler Richtung dorso-plantarwärts und zugleich bewegt sich das distale Ende der medialen Fläche des Ast. lateralwärts, ihr proximales Ende medianwärts. Die Bewegung wird sistirt, wenn die Crista caps. des Ast. auf den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. stößt. In der vorderen Fläche des Cal. gleitet der Ast. in proximo- distaler Richtung dorsal-lateralwirts. Beide Facetten pressen sich dabei fest an einander. An den Bewegungen seiner Gelenkflächen nimmt natürlicher- weise der ganze Ast. der Ursinen Theil, daher wird während der Streckung sein Kopf dorsal-lateralwärts fortbewegt ete. Alle diese Bewegungen lehren, dass das Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen genau denselben Bewegungsmodus hat, wie das der Crocodilinen und dass das Bewegungscentrum des Gelenks wie bei den Crocodilinen in der Fossa interarticularis liegt (Fig. 17 z). — Auch das Maximum der Streckfähigkeit des Gelenks ist in beiden Thiergruppen dasselbe. Dies ergiebt sich aus der Thatsache, dass die laterale Fläche des Cal. der Ursinen am Knochen proximalwärts nicht weiter reicht wie diejenige der Crocodilinen und die Bewegung des Ast. nieht über den proximalen Rand dieser Fläche hinausgreift. Die Beugung des Ast. am Cal. findet in beiden Thiergruppen auf dem Wege der Streckung, aber in umgekehrter Richtung statt, also verläuft auch diese Bewegung bei den Ursinen und Crocodilinen nach demselben Modus; dagegen ist allerdings die Quantität die- ser Beugebewegung in beiden Thiergruppen verschieden. Bei den Ursinen nämlich ist sie viel weniger umfangreich wie bei den Crocodilinen, was sich am klarsten aus dem Nachweis ergiebt, dass die laterale Fläche des Cal. der Ursinen nur homolog dem proxi- malen Theil der entsprechenden Fläche der Crocodilinen ist. Halten wir die eben erwähnte Thatsache mit derjenigen zu- sammen, dass bei den Ursinen am Cal. das distale Ende der la- teralen Fläche, das proximal-laterale Ende der medialen Fläche, das Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siugethier-HintergliedmaBen. 259 Plantarende der vorderen Fläche verschwunden sind, während sich der lateral-distale Rand der medialen Fläche nicht selten vergrößert, und rufen wir uns ins Gedächtnis, dass genau analoge Veränderun- gen in dem Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen nothwendig eintreten müssen, wenn in demselben die Beugefähigkeit gradatim erlischt, so kommen wir zu dem Schluss, dass das Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen aus einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich demjenigen der Crocodilinen phy- logenetisch hervorgegangen sein kann. Dies geschah folgendermaßen: Ein Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen erlangte allmäh- lich Ursinencharaktere dadurch, dass seine Beugefähigkeit theilweise erlosch, während seine Streckfähigkeit und der Modus seiner Ge- lenkbewegungen in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten blieben. Zwei specifische Charaktere im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen sind jedoch auf keinen Fall durch quantitative Verminderung der Beugefähigkeit des Stammgelenks entstanden, sondern haben andere Entwicklungsursachen: Während bei den Crocodilinen die Gelenkknorpel der medialen und vorderen Fläche des Cal. einen Halbkreis mit einander bilden, auf und an welchem der kugelige mediale Abschnitt des Ast. sich bewegt; während bei ihnen ferner die laterale Fläche des Cal. dorsalwärts sehr stark konvex gewölbt, so dass die Oberflächen dieser drei Facetten Theile eines mit der Längsachse horizontal lie- genden Cylinders darstellen, an und auf welchem der Ast. sich be- wegt, ist bei den Ursinen die laterale Fläche des Cal. nicht mehr so stark medianwärts abgedacht wie bei den Crocodilinen (Fig. 11 und 9 7), die mediale und vordere Fläche ihres Cal. liegen viel mehr horizontal wie bei den Crocodilinen, die erstere ist außerdem sehr stark am Körper des Cal. dorsalwärts emporgerückt (Fig. 11 und 9 u). — Daraus geht hervor, dass bei den Ursinen die Streckbewe- gung des Ast. nicht mehr vorwiegend Sagittalbewegung sein kann und auch thatsächlich nicht ist. Die Ursache, welche diese auffällige Veränderung der Stellung der drei Flächen des Cal. bei den Ursinen hervorruft, liegt im Wesentlichen darin, dass bei den Ursinen die vertikale Achse des medialen Theils des Ast. (Fig. 9 ab) im Vergleich zur vertikalen Achse ihres lateralen Ast.-Theils (Fig. 9 ad’) bedeutend kürzer ist wie die entsprechende Achse (a5) unter denselben Bedingungen im Ast. der Crocodilinen (Fig. 11 «a’5’). Eine Folge davon ist, dass bei den Crocodilinen wegen der verhältnismäßig sehr bedeutenden Länge des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils die 260 G. Tornier mediale Fliiche des Ast. viel tiefer liegt wie die laterale; dass bei den Ursinen wegen der Verminderung der Liingendifferenz jener beiden Durchmesser die mediale Fliiche des Ast. nur noch ein wenig tiefer liegt, wie die laterale Fläche des Knochens, während beim Menschen, wo beide Durchmesser nahezu gleiche Länge haben, die mediale und laterale Fläche des Ast. in ein und derselben Horizontal- ebene liegen. Es lässt sich leicht nachweisen, dass bei den höheren Land- wirbelthieren das allmähliche Verschwinden des Längenunterschiedes der beiden vertikalen Durchmesser des Ast. durch Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils und nicht durch Verlängerung des lateralen Ast.- Theils hervorgerufen wird: dies seht schon aus der Thatsache hervor, dass der Umfang des medialen Ast.-Theils bei den Crocodilinen von sehr beträchtlicher Größe, bei den Menschen verhältnismäßig am geringsten entwickelt ist, es wird noch klarer, wenn man bedenkt, dass das durch die Reihe der Land- wirbelthiere bis zum Menschen gradatim sich steigernde Dorsalwärts- rücken des Sustentaculum tali am Körper des Cal. nur möglich ist, wenn der vertikale Durchmesser des darüber liegenden Ast.-Theils sich um eben so viel verkürzt. Während der vertikale Durchmesser des medialen Ast. -Theils von den Crocodilinen bis zum Menschen an Länge abnimmt, behält der proximo-distale Durchmesser dieses Knochentheils bei allen Land- wirbelthieren die ursprüngliche Länge bei, dies ergiebt sich einmal daraus, dass bei den Ursinen trotz des Atrophirens des distalen Endes der lateralen Fläche ihres Cal. der Rest dieser Fläche nicht an die Cub.-Fläche des Knochens heranrückt, sondern dass der Knochen- kern des atrophirten Theils im Großen und Ganzen als »Hals« des Cal. erhalten bleibt. Dazu kommt zweitens, dass bei ihnen das proximale Ende der lateralen Fläche des Cal. dieselbe Lage am Knochen hat, wie das der Crocodilinen, so dass die Entfernung des proximalen Randes der lateralen Fläche des Cal. von der Cub.-Fläche dieses Knochens in beiden Thiergruppen dieselbe ist. Drittens behält auch der proximale Rand der medialen Fläche des Cal. seine ur- sprüngliche Lage am Knochen bei; damit ist bewiesen, dass die disto-proximale Achse des medialen Ast.-Theils bei Ursinen und Crocodilinen genau dieselbe relative Länge hat. Der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils ist nun aber zugleich der senkrechte Durchmesser des sagittalen Bewegungs- kreises des Ast. am Cal., und der disto-proximale Durchmesser des Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 261 medialen Ast.-Theils der horizontale Durchmesser des sagittalen Be- wegungskreises dieses Knochens (Fig. 16 und 24), beide Durch- messer sind bei den Crocodilinen ungefähr gleich lang, daher ist die Sagittalbewegung des Ast. am Cal. der Crocodilinen eine Kreis- ‚bewegung. Bei den Ursinen ist dagegen der vertikale Durchmesser dieses Bewegungskreises verkürzt. Wenn von zwei auf einander senkrecht stehenden Durchmessern eines Kreises der eine (hier der vertikale) an seinen beiden Enden gleichmäßig an Länge abnimmt, der andere dagegen unverändert bleibt, so entsteht aus dem Kreise bekanntlich eine Ellipse. Daraus ergiebt sich theoretisch, dass der mediale Theil des Ast. der Croco- dilinen einen Kugelabschnitt bilden, der mediale Theil des Ast. der Ursinen die Form eines Ellipsoids haben muss, dessen Längsachse disto-proximalwärts d. h. horizontal liegt. Dies ist, wie Autopsie lehrt, am Ast. der betreffenden Thiere wirklich der Fall. Der Ast. der Ursinen beschreibt daher bei seiner Sagittalbe- wegung am Cal. nicht mehr eine vollkommen geschlossene Kreis- scheibe wie bei den Crocodilinen, sondern eine Fläche in Form einer mit der Längsachse disto-proximalwärts liegenden Ellipse, welche dadurch entsteht, dass der ellipsoide Ast. um den Mittelpunkt seiner kurzen, vertikal stehenden Achse in der Sagittalebene rotirt. Während der Phylogenese des Cal.-Ast.-Gelenks der Ursinen aus einem homologen Gelenk von Crocodilinen-Form hat also der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils der Stammform bei den Nachkommen (den Ursinen) eine beträchtliche Verkürzung er- fahren, während der horizontale Durchmesser des medialen Ast.- Theils der Stammform bei den Nachkommen intakt erhalten blieb. Die Folge davon ist, dass die Sagittalbewegungen des Ast. am Cal. bei den Ursinen keine Kreisbewegungen sind, sondern in der Form von Ellipsoidbewegungen ausgeführt werden. Die Längenabnahme des vertikalen Durchmessers des sagittalen Bewegungskreises und die Umwandlung des medialen Ast.-Theils aus der Kugelform in ein Ellipsoid bewirken, wie aus der Form der Ellipse mit Evidenz hervorgeht, dass im Cal.-Ast.-Gelenk der Ur- sinen die Sagittalbewegungen des Ast. weit weniger ergiebig sind, wie im homologen Gelenk der Crocodilinen. Wenn in einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen die vertikale Achse des medialen Ast.-Theils und damit die vertikale Achse des sagittalen Bewegungskreises verkiirzt wird, was zu einer Beschränkung der Sagittalbewegung des Gelenks führt, ist diese 262 G. Tornier Verkiirzung jenes Durchmessers ganz ohne Einfluss auf die vertikal stehende Achse des horizontalen Bewegungskreises des Gelenks und auf die Bewegung selbst, d. h. natiirlicherweise nur so lange ohne Einfluss, so lange die übrigen Faktoren des Gelenks unverändert bleiben. Da im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen nur der vertikale. Durchmesser des sagittalen Bewegungskreises verändert wird, die anderen Faktoren des Gelenks (die Gelenkbewegungen z. B.) in facto unverändert bleiben, so bleiben die horizontalen Bewegungs- kreise in diesem und im homologen Gelenk der Crocodilinen von gleichem relativem Werth, d. h. sie haben relativ dieselbe Größe, was sich am besten aus der in beiden Thiergruppen relativ gleichen Transversalanordnung der Gelenkflächen des Cal. resp. Ast. klar ergiebt; aber im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen kommt die Horizontal- bewegung weit besser zum Ausdruck, weil die Sagittalbewegung des Gelenks bei ihnen eine bedeutende Reduktion erfahren hat, und in Folge dessen die erstere viel weniger Beeinflussung erfährt: Also im Cal.- Ast.- Gelenk der Ursinen wird die Sagittalbewegung des Ast. bedeutend von der Horizontalbewegung dieses Knochens an Ergiebig- keit übertroffen; es ist aber wichtig zu wissen, dass dieses Über- wiegen der Horizontalbewegung im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen phylogenetisch entstanden ist durch Verminderung der Sagittalbewe- gung des Gelenks und nicht, wie der Augenschein vermuthen lassen könnte, durch Zunahme jener Horizontalbewegung selbst. Auch aus rein anatomischen Charakteren des Cal. resp. Ast. der Crocodilinen und Ursinen ergiebt sich als zweifellos, dass die Ver- kürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils Be- schränkung der Sagittalbewegung und größere Freiheit für die Hori- zontalbewegung im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen zur Folge hat. Bei den Crocodilinen ist die Sagittalbewegung des Ast. am Cal. nur desshalb möglich, weil die laterale Fläche ihres Cal. beträchtlich höher dorsalwärts am Körper des Cal. liegt wie die mediale Fläche des Knochens (Fig. 16). Je höher die mediale Fläche am Körper des Cal. emporrückt und je geringer dadurch der vertikale Abstand zwischen ihr und der lateralen Fläche des Knochens wird, desto geringer muss nothwendigerweise die Sagittalbewegung des Ast. werden, sie wird sogar ganz aufhören, wenn beide Flächen in ein und derselben Horizontalebene liegen, wie dies beim Menschen an- nähernd der Fall ist. Zweitens: Obgleich der Theorie nach der Ast. der Crocodilinen um seine vertikal stehende Achse eine ge- schlossene horizontale Kreisbewegung auszuführen vermag, beschreibt Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 263 er in facto mit seinen einzelnen Theilen nur Bruchstiicke dieses Kreises, weil bei den Crocodilinen die mediale Seite des Cal. mit der Fossa interarticularis vertikal steht und mit der medialen Fläche des Knochens einen rechten Winkel bildet, so dass ihr Ast. bei dem Versuch seine Horizontalbewegung etwas vollkommener auszuführen sofort mit seiner lateralen Seite an die mediale Seite des Cal. stößt, wodurch jede fernere Horizontalbewegung des Ast. unmöglich wird. Je mehr die mediale Fläche des Cal. am Körper des Knochens em- porrückt und je mehr dadurch die drei Gelenkflächen des Cal. für den Ast. in eine Ebene zu liegen kommen, desto besser und voll- kommner kann der Ast. seine horizontale Kreisbewegung am Cal. ausführen, und wenn die drei Gelenkflächen des Cal. für den Ast. in ein und derselben Horizontalebene liegen, ist der Ast. im Stande seinen horizontalen Bewegungskreis vollkommen zu schließen (dies ist annähernd beim Menschen der Fall). Genau dasselbe Resultat ergiebt die Betrachtung der entsprechen- den anatomischen Charaktere des Ast. der beiden Thiere. In der Umwandlung des medialen Ast.-Theils aus der Kugelform bei den Crocodilinen in ein Ellipsoid bei den Ursinen liegt endlich die Ursache für die bisher noch nicht erklärte Entstehung der Reibflächen der Crista caps. der Ursinen. Es wurde von mir bereits früher aus einander gesetzt, dass bei den Crocodilinen die Crista caps. des Ast. selbst im Maximum der Streckung des Cal.- Ast.-Gelenks nicht auf den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. stößt, sondern von ihm durch einen Zwischenraum ge- trennt bleibt, weil die laterale Fläche des Ast. nicht über den proximalen Rand der lateralen Fläche des Cal. hinausgehen kann, was nothwendig wäre, damit jene Berührung eintreten könnte. — Obgleich nun bei den Ursinen die laterale Fläche des Cal. an diesem Knochen proximalwärts nur eben so weit reicht, wie diejenige der Crocodilinen, und auch bei ihnen die entsprechende Fläche des Ast. niemals über jenen proximalen Rand hinausgeht, stößt bei ihnen dennoch die Crista caps. auf den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal.; wesshalb? Durch die Umwandlung der Kugelform des medialen Ast.-Theils der Crocodilinen in ein Ellipsoid bei den Ur- sinen sind die vertikal über einander liegenden Punkte und Theile des medialen Ast.-Theils des Stammgelenks in dem phylogenetisch abgeleiteten Ursinengelenk einander bedeutend genähert, wegen der Verkürzung der vertikal stehenden Achse dieses Körpertheils. Es nähert sich daher die Crista caps. des Ast. dem proximalen Rand 264 G. Tornier der medialen Fläche des Ast., indirekt wird dadurch auch der proxi- male Rand der medialen Fläche des Cal. jener Crista genähert, und die Folge davon ist, dass jetzt Rand und Crista an einander stoßen können, ohne dass die laterale = des Ast. proximalwärts die- jenige des Cal. verlässt. Die Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils bei den Ursinen, welche, da der Durchmesser ihres lateralen Ast.-Theils seine ursprüngliche Lage beibehält, dazu führt, dass von beiden Durchmessern der mediale nur um ein Geringes länger ist wie der laterale, während bei den Crocodilinen diese Differenz zu Gunsten des ersteren sehr beträchtlich ist, hat für die Stellung des Cal. beider Thiergruppen nachstehende Folgen: Denken wir uns, die Tibia eines Ursinen und Crocodilinen seien so gestellt, dass die Längsachsen beider Knochen senkrecht stehen, und die vertikalen Durchmesser ihrer medialen und lateralen Ast.-Theile auch vertikale Stellung haben, alsdann wird, weil bei den Crocodilinen der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils viel länger ist wie der ihres lateralen Ast.-Theils, die mediale Fläche des Cal. dieser Thiere in der Transversalebene des Fußes viel tiefer plantarwärts liegen wie die laterale Fläche des Knochens, und der Cal. wird in Folge dessen so stehen, dass seine Plantarseite schräg lateralwärts schaut, d. h. in permanenter Abduktion sich befindet. Bei den Ursinen hat dagegen der Durchmesser des medialen Ast.-Theils beträchtlich an Länge abgenommen, in Folge dessen ist die mediale Fläche des Cal. der Ursinen gegenüber derjenigen der Crocodilinen in der Trans- versalebene beträchtlich dorsalwärts erhoben, während die laterale Fläche ihre ursprüngliche Lage beibehält. Die Folge davon ist, dass bei den Ursinen die Planta des Cal. nicht mehr in Abduktion sondern in permanenter Adduktion oder doch wenigstens in horizontaler Lage steht; wir können daher sagen: der Cal. der Ursinen hat um die Längsachse seiner lateralen Fläche in der Transversalebene des Fußes einen Kreisbogen beschrieben planto- medio-dorsalwärts, da- durch ist seine mediale Fläche in vertikaler Richtung stark erhoben worden, während die laterale ihre ursprüngliche Lage annähernd beibehält und die Planta des Cal. in permanente Adduktion geräth. Es wurde bereits bei der Einleitung in den osteologischen Theil dieser Arbeit aus einander gesetzt, dass bei den niederen Placental- thieren im Gegensatz zu den Crocodilinen der proximale Abschnitt der Fußwurzel in beständiger Horizontalstellung oder geringer per- manenter Adduktion sich befindet. Aus obigen Auseinandersetzungen Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siiugethier-HintergliedmaBen. 265 geht hervor, dass dieser Charakter von jenen Thieren dadurch er- worben ist, dass der vertikale Durchmesser ihres medialen Ast.-Theils beträchtlich an Länge verlor. Die Vergleichung des Cal.-Ast.-Gelenks der Ursinen mit dem der Crocodilinen ergiebt folgendes Gesammtresultat: 1) der Modus der Bewegung des Stammgelenks (Crocodilinen) ist in demjenigen der Nachkommen (Ursinen) unverändert beibehalten ; dessgleichen ist 2) die Streckfähigkeit in beiden Gelenken dieselbe geblieben; dagegen hat 3) die Beugefähigkeit in dem phylogenetisch höher stehenden Gelenk eine quantitative Verminderung erfahren; 4) die Gelenkbewegung hat jedoch auch eine qualitative Veränderung erfahren. Die ursprünglieh sehr ergiebige sagittale Kreisbewegung des Ast. ist durch Verkürzung der Vertikalachse dieses Kreises in die Bewegung einer Ellipse verwandelt und dadurch wesentlich be- schränkt worden. In Folge dessen tritt «) die Horizontalbewegung des Ast. stärker hervor; entsteht 3) die Crista caps. und y) die ge- nannte Plantaradduktion des Cal. DieHyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen. Wenn der Ast. der Ursinen am Cal. das Maximum der phylogenetisch ererbten Beugung erreicht hat, haben die gegnerischen Flächen der beiden Knochen folgende Lage: Die distalen Ränder ihrer lateralen Flächen fallen zusammen, während die proximal-mediale Ecke der lateralen Fläche des Cal. freigelegt ist. Eine weitere Beugung des Ast. in der ererbten Richtung etwa bis zur Gelenkfläche des Cub. wie bei den Croco- dilinen ist nicht möglich, weil bei den Ursinen der für eine solche Bewegung nothwendige distale Abschnitt der lateralen Fläche des Crocodilinen-Cal. atrophirt ist. Die medialen Flächen beider Knochen fallen mit ihren distalen Rändern in einander, in Folge dessen liegt das proximale Ende der medialen Fläche des Ast. frei, und die Crista caps. hat sich dorsalwärts weit von der entsprechenden Reibfläche am Cal. entfernt. Die beiden vorderen Flächen endlich liegen voll- ständig und genau in einander. — Wie schon gesagt wurde, ist eine Weiterbeugung des Ast. der Ursinen in der phylogenetisch ererbten Richtung nicht möglich, trotzdem tritt nun im Ast. -Cal.- Gelenk der Ursinen bisweilen eine weitere Beugung ein in folgender Weise: ‚Im Maximum der ererbten Beugung presst sich der distale Rand der lateralen Fläche des Ast. der Ursinen auf die nicht artikulirende Stelle des Halses des Cal., welche unmittelbar vor dem distalen Rand der gegnerischen Fläche liegt; oder anders ausgedrückt: die 266 G. Tornier distalen Ränder beider Gelenkflächen pressen sich fest auf einander. Die Druckstellen sind bei den Ursinen bereits überknorpelt und mögen die distalen Randflichen der Knochen heißen (Fig. 17 und 26 A). Um diese distalen Randflächen als Mittelpunkte führt nun der ganze Ast. eine Kreisbewegung am Cal. aus und zwar, wenn man die vordere Fläche des Cal. als Ausgangspunkt betrachtet, in proximo- latero-distaler Richtung (Fig. 17, Richtung der punktirten Pfeile), zugleich wird dabei die proximale Seite des Ast. stärker wie bei der phylogenetischen Beugung in der Sagittalebene dorsalwärts erhoben; in anderen Worten: es bewirkt diese Bewegung eine Beugung des Ast. über das Maximum der phylogenetischen Beugung hinaus; ich nenne sie daher eine »Hyperbeugung«, und die phylogenetisch ererbte Beugung des Gelenks im Gegensatz dazu die »normale« Beugung desselben. Dass die Hyperbeugung des Gelenks eine echte Beugebewegung ist, lehrt Folgendes: sie entsteht aus einer sagittalen beugenden Kreisbewegung des Ast., die mit einer horizontalen abdu- cirenden Kreisbewegung dieses Knochens kombinirt ist wie die Au- topsie lehrt. Der wesentliche Unterschied zwischen normaler und Hyperbeugung des Gelenks ist also folgender: Die erstere verläuft in einem Sagittalkreis, dessen Mittelpunkt in der Fossa interartieu- laris liegt. Verbunden ist diese Sagittalbewegung des Ast. mit einer entsprechenden horizontalen abducirenden Kreisbewegung desselben um die bei den Crocodilinen angegebene horizontal stehende Achse. Die Hyperbeugung besteht darin, dass der Ast. aus dem Maximum der phylogenetischen Beugung um das in den distalen Rändern der lateralen Flächen liegende Centrum einen Vertikalkreis beschreibt, der mit einer der vorigen analogen Horizontalbewegung des Ast. ver- bunden ist. Die Lage des Centrums der Bewegung ist also das Maßgebende. Die Hyperbeugung des Gelenks schreitet so lange fort, bis die stark plantarwärts über die Plantarseite des Ast. hin- ausragende Tuberositas des Lig. tib.-cal.-nav. (Fig. 26 ¢) an den distal-medialen Rand des Sustentaculum stößt, sich gegen diesen Rand presst und so die weitere Bewegung des Ast. verhindert. Diese Hyperbeugung des Gelenks legt folgende Gelenkflächentheile frei: Da der Ausgangspunkt der Bewegung das Maximum der phylogene- tischen Beugung ist, bewegt sich die vollständig in der gegnerischen Fläche liegende vordere Fläche des Ast. proximal- und ein wenig lateralwärts, in Folge dessen wird der ganze distale Rand der vor- deren Fläche des Cal., besonders im Dorsalabschnitt frei; von der vor- deren Fläche des Ast. der ganze Proximalrand besonders plantarwarts. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 267 Die Bewegung in der medialen Fläche des Cal. geht proximal-late- ralwiirts; Folgen davon: an der medialen Fliche des Cal. wird der ganze distale Rand besonders median, am Ast. aber der proximale Rand besonders im lateralen Theil bloßgelegt. Die Crista caps. entfernt sich weit von ihrer Reibfläche. Es gleitet die laterale Fläche des Ast. auf derjenigen des Cal. distal-lateralwärts, dadurch wird der ganze mediale Rand der Cal.-Fläche besonders proximal- seits, am Ast. der laterale Rand besonders proximalseits unbedeckt. Die eigenthümliche Form der lateralen Fläche des Ast. der Ursinen, deren proximale und distale Ecke tiefer plantarwärts reichen wie ihre Mitte, bewirkt, dass bei der Ausführung der Hyperbeugung nur diese, beiden Eeken auf der gegnerischen Fläche des Cal. gleiten, während die Flächenmitte von derselben emporgehoben wird und nicht arti- kulirt. Bei der Hyperbeugung wird also auch noch ein durch die Mitte der lateralen Fläche des Cal. und Ast. medio-lateralwärts ziehender Flächenstreifen außer Artikulation gesetzt. In Betreff der Vertheilung des Flächendruckes bei Hyperbeugung ist zu bemerken, dass derselbe in den vorderen und medialen Flä- chen an den bedeckt bleibenden Stellen liegt und in der Richtung der Bewegung am stärksten ist. In der lateralen Fläche wirkt er bei Hyperbeugung besonders intensiv auf die Hyperfläche der beiden distalen Ränder, während die distale Ecke der lateralen Fläche des Ast. nur ganz lose auf dem Cal. gleitet, die proximale Ecke ziemlich fest an denselben angedrückt, dann aber bei extrem- ster Hyperbeugung emporgehoben wird. Geht der Ast. aus dieser Stellung in extreme Streckung über, so presst sich umgekehrt die proximale Ecke seiner lateralen Fläche fest auf den entsprechenden Theil des Cal., während die Hyperfläche des Ast. von derjenigen des Cal. emporgehoben wird und der distale Theil der lateralen Fläche des Ast. die normale Streckbewegung ausführt. Es wurde bereits aus einander gesetzt, dass bei einzelnen Ur- sinen die mediale und vordere Fläche des Cal. in einander fließen und eine einzige Fläche bilden; dasselbe geschieht auch mit der vorderen und medialen Fläche ihres Ast. Da dieses Ineinander- fließen jener Flächen beim Menschen nahezu regelmäßig eintritt, so ist es wichtig zu bestimmen, auf welehe Weise und unter welchen Ursachen die Überknorpelung der zwischen ihnen liegenden Knochen- partie stattfindet !. 1 Um Zeichnungen zu sparen, habe ich in den Abbildungen des mit drei 268 G. Tornier Die überbrückende Stelle am Cal. der » Ursinen mit verwachsenen Flächen« ist im Verhältnis zu den ursprünglichen Gelenkflächen von geringer Ausdehnung, daher kommt es, dass die nunmehr einheitliche Fläche jener Ursinen das Aussehen einer Flasche erhält: Der Kopf dieser Flasche wird gebildet durch die ursprüngliche vordere Fläche, die an der Cub.-Fläche des Knochens genau so hoch emporsteigt, wie bei den Ursinen mit nicht getrennten Flächen: dann folgt eine halsartige Verengung: die frisch überknorpelte Stelle und dann ein medianwärts stark ausgebuchteter Theil, die ursprüngliche mediale Fläche des Cal. Die mediale Fläche des Ast. der Ursinen mit drei Flächen am Ast. wird. in ihrem distalen Rande von einer nicht artikulirenden Grube umfasst (Fig. 26 p), einer Grube, welche homolog ist derjeni- gen, in welcher bei den Crocodilinen das Lig. ast.-cal.-cub.-plant. liegt, das auch hier noch in Spuren vorhanden ist. Die distal-me- diale Grenze dieser Grube wird gebildet durch ein, unmittelbar an die distal-mediale Ecke der medialen Fläche des Knochens anstoßendes Tuberkel, auf welchem die Bandmasse inserirt, welche das Nav. mit Ast. verbindet (Fig. 26 ¢); weiter lateralwärts folgt als distale Grenze jener Grube die Facette des Ast. für das Nav.; dann die Cub.-Fläche des Ast., eine dreieckige, mit der Spitze der Grube zugekehrte Fläche; dann endlich auf der lateralen Seite die vordere Fläche des Ast. Diese vordere Fläche reicht tiefer hinab wie die Cub.-Fläche und umfasst dieselbe proximalwiirts, von ihr läuft ein kleiner Knochenwulst (x) zu dem distal-lateralen Rand- der medialen Fläche. Bei den Ursinen mit verschmolzenen Flächen finden sich genau dieselben Verhältnisse. am Ast., nur hat sich der erwähnte Knochenwulst mit Gelenkknorpel überzogen. Dieser Gelenkknorpel hat an dem mir vorliegenden Thier noch nicht die Oberflächenhöhe wie die umgebenden Facetten, ein Beweis dafür, dass er erst in der Entstehung begriffen ist. Die distale Grenze der medialen Fläche des Ast. ist deutlich als erhöhter Rand wahrnehmbar, eben so sind die Grenzen der Cub.-Fliche scharf Flächen versehenen Bären-Cal. und -Ast. (Fig: 17 und 26) die speciellen Cha- raktere des Bären-Cal. mit verwachsenen medialen und vorderen Flächen durch Punkte angedeutet und mit griechischen Buchstaben bezeichnet. Der Gelenk- knorpel, welcher bei den Ursinen mit verwachsenen Flächen die mediale und vordere Fläche verbindet, ist punktirt und mit 7 bezeichnet, die Verlängerung des proximal-medialen Randes der lateralen Fläche des Cal. durch p. Am Ast. wit verwachsenen Flächen ist der punktirte Abschnitt von w und p durch Ge- lenkknorpel überzogen ; bei den Ursinen mit drei Flächen ist er frei. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 269 markirt, dagegen sind die vordere und die neu entstandene Fläche des Ast. untrennbar mit einander vereinigt. Der Ursinen-Cal. mit verwachsener medialer und vorderer Fläche bietet noch folgende bemerkenswerthe Charaktere: die Reibfläche der Crista caps. am proximalen Rand seiner medialen Fläche ist etwas kleiner wie diejenige der Bären mit getrennten Flächen, und seine laterale Fläche reicht proximal-medialwärts mit einem zungenartigen Vorsprung tiefer, wie bei den Ursinen mit drei Gelenkfacetten. Das Letztere ist sehr wichtig, denn es lehrt, dass in dem Cal.-Ast.-Gelenk mit verwachsenen Flächen die Streckung ein wenig stärker sein muss als in dem homologen Gelenk mit getrennten Flächen. Da die Be- wegungen des Cal.-Ast.-Gelenks in allen drei Flächen des Cal. mit derselben Energie ausgeführt werden, so muss, wenn in einer dieser Flächen die Streckung zunimmt, dieselbe auch in den beiden anderen Flächen um ein gleiches Quantum zugenommen und daher analoge Entwicklungen dieser Flächen hervorgerufen haben. Es muss sich daher nach dem Schema die mediale Fläche des dreiflächigen Cal. lateral-distalwärts vergrößert, die vordere medial-plantarwärts verringert haben. Es geht daraus hervor, dass am Cal. mit ver- wachsenen Flächen die Überbrückung zwischen den vereinigten Flä- chen durch Vergrößerung der medialen Fläche entstanden ist; wäh- rend am Ast. mit verwachsenen Flächen jene Überbrückung umge- kehrt dadurch hervorgerufen worden ist, dass ihre unter normalen Verhältnissen nicht überknorpelte Ursprungsstelle bei der extremen Streckung des Gelenks auf die vordere Fläche des Cal. zu liegen kommt und Gelenkflächencharakter annimmt. Bewegt man bei den Ursinen mit verwachsenen Gelenkflächen den Ast. am Cal., so ersieht man 1) dass zwar die mediale Fläche des Ast., aber niemals dessen überbrückte Stelle auf der Brücke des Cal. gleitet; 2) dass die Gelenkbrücke des Ast. niemals die mediale Fläche des Cal., wohl aber während der Streckung die vordere Fläche des Cal. berührt. Es ergiebt sich aus dieser Thatsache dasselbe Re- sultat in Betreff der Entstehung jener Überbrückungen wie aus der vorigen Betrachtung. Am klarsten lassen die Caniden erkennen, welche Ursache die Überbrückung am Ast. veranlasst hat. Bei diesen Thieren sind nämlich die vordere und mediale Fläche des Cal. immer durch eine Lücke von einander getrennt (Fig. 19), die vordere und mediale Fläche des Ast. dagegen durch neu entstandenen Gelenkknorpel mit einander vereinigt (Fig. 28 vv’). Bei einem starken Hunde hat der 270 G. Tornier distale Rand der medialen Fläche des Ast. folgende Begrenzung. An seine distal-mediale Ecke stößt (Fig. 28 ¢) die tuberkelartige In- sertionsfläche des Lig. tib.-cal.-nav.: weiter lateralwärts folgt ein kleines Griibchen (Fig. 28 p), welches homolog ist der Fossa des Lig. cal.-ast.-plantare der Crocodilinen (Fig. 25 p) und der Ursinen (Fig. 26 p). Lateralwärts von diesem Griibchen springt die distal- laterale Ecke der medialen Fläche des Ast. ein wenig distalwärts vor. Der ganze distale Rand der medialen Fläche des Ast. der Ca- niden ist scharf markirt und deutlich sichtbar. An die distal-laterale Ecke der medialen Fläche des Ast. der Caniden (Fig. 28 vv’) grenzt der mit der vorderen Fläche des Knochens (v) vereinigte neu entstandene, den Zwischenraum zwischen beiden Flächen über- brückende Zwischenknorpel (v’). Liegt der Ast. der Caniden am Cal. in Streckstellung (siehe Schema), so ragt das Dorsalende der vorderen Fläche des Ast. aus der vorderen Fläche des Cal. dorsal- wärts empor. Das Plantarende der vorderen Fläche des Ast. und seine überbrückende Stelle (v’) liegen dagegen in der vorderen Fläche des Cal. Das distale Ende der medialen Fläche des Ast. reicht dabei über den distalen Rand der gegnerischen Fläche des Cal. distalwärts hinaus. Während der Streckung kann also von einer Berührung der überbrückenden Stelle des Ast. mit der medialen Fläche des Cal. nicht die Rede sein. Geht der Ast. in Beugestellung über, so gleitet allerdings der untere Theil seiner vorderen Fläche (v) und die überbrückende Stelle (v’) gegen die mediale Fläche des Cal. hin und der distale Abschnitt der medialen Fläche des Ast. verschwindet in der gegnerischen Fläche des Cal.: aber die Beugebewegung geht nur so weit, bis die beiden distalen Ränder der medialen Flächen zusammenstoßen, eine weitere Beugung ist nicht möglich, denn der Tuberkel des Tib.-cal.-nav.-Ban- des, der unmittelbar an den distalen Rand der medialen Fläche des Ast. srenzt (Fig. 28 ¢), stößt gegen den distalen Rand der medialen Fläche des Cal., an welchem er sogar eine kleine Reibfläche hat (Fig. 19 7), und verhindert so jede weitere Fortbewegung des Ast. am Cal. Da- her tritt die überbrückte Stelle des Ast. auch während der Beugung nicht in Berührung mit der medialen Fläche des Cal., sondern liegt in der Lücke zwischen dieser und der vorderen Fläche des Cal.; sie kann daher nur durch Zunahme der Streckfähigkeit des Gelenks entstanden sein. Das Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen mit verwachsenen Flächen und besonders das der Caniden unterscheidet sich also von demjenigen der Ursinen mit drei Flächen durch stärkere Streckfähigkeit. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 271 Das Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden (Fig. 19 und 28). Die laterale Fläche des Cal. der Caniden zerfällt in vier Abschnitte und natürlicherweise eben so die gegnerische Fläche ihres Ast. Der distalste Abschnitt der lateralen Fläche ihres Cal. (Fig. 19 2) liegt nahezu horizontal und ist, wie ohne Weiteres aus Lage, Funk- tion und Stellung hervorgeht, die bereits bei den Ursinen vorhan- dene, bei den Caniden aber bedeutend vergrößerte Druckstelle am distalen Rand der lateralen Fläche. Eine entsprechende Fläche findet sich auch an dem distalen Rande der lateralen Fläche des Ast. (Fig. 28 A). Sie mögen die »distalen Randflächen« jener Knochen heißen. Der folgende zweite Abschnitt der lateralen Fläche des Cal. der Caniden (d) erhebt sich in planto-dorsaler Richtung proximalwärts und stößt mit dem in planto-dorsaler Richtung distalwärts aufsteigen- den dritten Abschnitt der Cal.-Fläche (pr) in einem konvexen Dorsal- winkel dachartig zusammen, so dass an den Berührungsstellen der Flächen eine scharf hervortretende, medio-lateralwärts hinziehende Firste entsteht. Diese dachartig in einer Firste zusammenstoßenden Abschnitte der lateralen Fläche der Caniden sind homolog der ho- mogenen lateralen Fläche der Ursinen. Der vierte und proximalste: Abschnitt der lateralen Fläche des Cal. der Caniden (Fig. 19 ss) liegt wiederum fast horizontal, ist eine Neubildung, die bei den Ursinen nicht vorkommt und ist, wie aus der Betrachtung des zugehörigen Ast. (Fig. 28 ss) hervorgeht, dadurch erzeugt worden, dass der proximale Rand der bei den Ursinen ho- mogenen lateralen Fläche des Ast. fest auf den entsprechenden Rand der lateralen Fläche des Cal. gepresst wurde, worauf beide Ränder Gelenkflächencharaktere annahmen. Die so entstandenen Gelenkflä- chen der beiden Knochen mögen ihre »proximalen Randflächen « heißen. Die mediale (m) und vordere Fläche (v) des Cal. und Ast. der Caniden sind, wie bereits aus einander gesetzt wurde, homolog den- jenigen der Ursinen. Die Crista caps. ihres Ast. (cr) stößt unmittel- bar an die mediale Fläche des Knochens und hat eine Reibfläche für sich auf dem proximalen Rand der medialen Fläche ihres Cal. (er). Die Beugebewegung im Ast.-Cal.-Gelenk der Caniden geschieht folgendermaßen: Es pressen sich die distalen Randflächen (7) der Knochen fest auf einander, und um diese Flächen als Mittelpunkt dreht sich der ganze Ast. (Riehtung der Pfeile) einmal in einem Hori- zontalkreise disto-medio-proximo-lateralwärts und zugleich in einem Vertikalkreis disto-planto-proximo-dorsalwärts. Jeder Punkt der la- teralen Fläche des Ast. bewegt sich auf der gegnerischen des Cal. um Morpholog. Jahrbuch. 14. 18 272 G. Tornier das Bewegungscentrum (in den distalen Randflächen) in einem Bogen lateral-distalwärts von unten nach oben; bei extremer Beugung gleitet selbst die distale Randfläche des Ast. in derselben Richtung ein wenig fort. In der medialen Fläche des Cal. ist die Bewegung um das- selbe Centrum proximal-lateralwärts von unten nach oben und in der vorderen proximal-medianwärts von oben nach unten. Vergleicht man diese Beugebewegung mit den im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen möglichen, und bedenkt dabei, dass der Unterschied zwi- schen der phylogenetisch ererbten, normalen und der Hyperbeugung jenes Gelenks darin bestand, dass während des Verlaufes der ersteren das Centrum der Bewegung in der Fossa interarticularis des Cal., bei der Hyperbeugung in den distalen Rändern der lateralen Fläche (dista- len Randflächen des Knochens) liegt, so ist kein Zweifel möglich, dass die Beugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden eine Hyperbeugung ist. Es ist bereits aus einander gesetzt worden, wann die Hyperbeu- gung im Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden ihr Maximum erreicht, dann nämlich, wenn die Tuberositas des Lig. tib.-cal.-nav. (2) gegen den dista- len Rand der medialen Facette des Cal. (¢) stößt. Diese Tuberositas des Ast. reicht plantarwärts tiefer hinab wie das Niveau der Ober- fläche der medialen Fläche des Ast. Dies hat zur Folge, dass jene Tuberositas, sobald sie durch die Hyperbeugung des Ast. gegen die mediale Fläche des Cal. geführt wird, nicht auf der letzteren entlang gleitet, sondern sich enterhakenartig vor den senkrecht stehenden distalen Rand des Sustentaculum tali legt und so jede fernere Hyper- beugung des Ast. verhindert. Eine kleine Reibfliiche am medial-distalen Rande der medialen Fläche des Cal. der Caniden (Fig. 19 2) bezeichnet den Punkt, wo die Berührung des Sustentaculum tali mit jener Tuberositas stattfindet. Da der Ast. der Caniden nicht die Fähigkeit besitzt eine nor- male Beugung am Cal. auszuführen, sondern immer sofort aus der Streckung in Hyperbeugung und umgekehrt aus letzterer in erstere übergeht, was sich ohne Weiteres aus der dachartigen Form der lateralen Flächen erkennen lässt, und da außerdem wegen der ana- tomischen Ausbildung des Gelenks die Hyperbeugung von den Ca- niden in einem viel vollkommeneren Grade ausgeführt werden kann, wie von den Ursinen, so folgt einmal, dass die Caniden Thiere mit extremer Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk sind, und zweitens dürfen wir, da die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der ver- glichenen Thiergruppen genau dieselbe ist, und auch kein anato- mischer Charakter in den verglichenen Gelenken dagegen spricht, Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 273 schließen, dass ein Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Ursinen durch extreme Ausbildung seiner Fähigkeit in Hyperbeugung a o sich in das der Caniden umgewandelt hat. Die Form der lateralen Flächen der Caniden ist sehr charakte- ristisch, vor Allem die dachartige Erhebung ihrer mittleren Abschnitte (d—pr), während bei den Ursinen die diesen mittleren Abschnitten homologen lateralen Gelenkflächen einfach konkav resp. konvex ge- staltet sind. Es wurde bei den Ursinen darauf hingewiesen, dass wegen der eigenthümlichen Form der lateralen Fläche ihres Ast. — es reichen die proximale und distale Ecke dieser Fläche tiefer plantarwärts hinab wie deren Mitte — während der Hyperbeugung in ihrem Cal.-Ast.- Gelenk nur jene beiden Ecken der lateralen Fläche des Ast. auf der lateralen Fläche des Cal. gleiten, die Flächenmitten aber außer Kontakt gesetzt werden, so dass während der Hyperbeugung ein durch die Mitte der lateralen Flächen des Cal. und Ast. medio-lateralwärts ziehender Flä- chenstreifen nicht artikulirt; und ferner wurde bereits bemerkt, dass bei der Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen nur die distale, bei der Streckung die proximale Ecke der lateralen Fliche des Ast. fest auf die entsprechenden Theile der lateralen Fläche des Cal. gepresst werden. Es ist wohl kein Zweifel, dass die dachartige © Erhebung der beiden Hälften der eigentlichen lateralen Flächen der Caniden ihren Ursprung den oben geschilderten Formverhältnissen der lateralen Fläche eines ursinagleichen Cal.-Ast.-Gelenks verdankt, denn einmal lehrt Autopsie, dass bei den Caniden während der Hyper- beugung nur die distalen Randflächen (%) und die distalen Abschnitte der lateralen Flächen (d), bei der Streckung umgekehrt nur die proximalen Randflächen (ss) und die proximalen Abschnitte der late- ralen Flächen (pr) fest in einander liegen, andererseits finden wir, dass bei den Ursinen der laterale und mediale Rand der lateralen Fläche des Cal. an ihren proximalen Enden nur eine sanfte Einbuch- tung besitzen (a), während bei den Caniden an den Endpunkten der Firste des Cal. sehr starke Einbuchtungen der Gelenkflächenränder tief in die Gelenkfläche einschneiden (a). Aus der Form dieser Ein- buchtungen und aus der Beschaffenheit des ihnen benachbarten Ge- lenkknorpels, der nicht glänzend ist und deutliche Spuren von Atro- phie aufweist, erkennen wir, dass diese Einbuchtungen entstanden sind durch Atrophie der hier liegenden Flächentheile. Entsprechende Einkerbungen finden sich am Ast. (a). Die lateralen Flächen der Caniden zeigen also Charaktere, die in den homologen Gelenkflächen 18* 374 G. Tornier der Ursinen auftreten müssten, wenn in diesen extrem Hyperbeugung ausgeführt würde; und wir dürfen daher wohl annehmen, dass in einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Ursinen, das extrem Hyper- beugung ausführen musste, die Mitte der lateralen Fläche des Cal. wegen mangelnden Gebrauchs theils atrophirte, theils an Masse ver- lor, dass desshalb die beiden stärker gebrauchten Ecken der Flächen an einander rückten und dass auf diese Weise die dachartige Erhebung der Flächenhälften in der Gelenkfläche der Caniden entstand. Während am Ursinen-Cal. der hinter dem proximalen Rande der medialen Fläche liegende Abschnitt des Medialrandes der lateralen Fläche nur eine ganz geringe medianwärts gerichtete Ausbuchtung trägt, ist dieser Theil jenes Medianrandes bei den Caniden zungen- artig entwickelt und erstreckt sich sogar über einen Theil der Ober- fläche des proximalen Randes der medialen Fläche des Cal. Eine eben so starke Vergrößerung zeigt der entsprechende Rand des Ast.: Bei den Ursinen bildet der mediale Rand der lateralen Fläche des Ast. im Wesentlichen eine gerade Linie, bei den Caniden aber weist derselbe an der Firste eine starke, durch Atrophirung der dort lie- senden Theile entstandene Einziehung (a) auf, sein proximales Ende springt dagegen auffällig weit medianwärts vor. Aus der Fortentwicklung, welche bei den Caniden die lateralen Flächen des Cal. und Ast. in ihren medial-proximalen Abschnitten erfahren, geht nach dem Bewegungsschema des Cal.-Ast.-Gelenks mit unzweifelhafter Sicherheit hervor, dass im Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden die Streckfähigkeit eine stärkere geworden ist wie bei den Ursinen. Zu demselben Schluss kommen wir, wie erinnerlich, bei der Untersuchung über die Entstehungsursachen der Verbindungs- brücke zwischen medialer und vorderer Fläche des Ast. der Caniden. Es wurde konstatirt, dass dieselbe nur durch Zunahme der Streck- fähigkeit des Ast.-Cal.-Gelenks der Caniden entstanden sein kann. Die obigen Auseinandersetzungen liefern mithin einen zweiten Be- weis für die Richtigkeit dieser Anschauung. Es wurde bereits früher aus einander gesetzt, dass im Cal.-Ast.- Gelenk der Ursinen die horizontale Kreisbewegung des Ast. die sa- gittale bedeutend an Extensität übertrifft, und dass dies in letzter Instanz Folge der Verkürzung des senkrecht stehenden Durchmessers des medialen Ast.-Theils sei. Auch im Cal.-Ast.-Gelenk der Ca- niden wird bei Weitem die Sagittalbewegung des Ast. von der Hori- zontalbewegung an Ergiebigkeit übertroffen, Autopsie lehrt nämlich, dass bei diesen Thieren selbst im Maximum der Hyperbeugung der Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siiugethier-HintergliedmaBen. 275 von den Disto-proximal-Achsen des Ast. und Cal. gebildete, proxi- malwärts geöffnete Winkel nur ein spitzer ist und im extremsten Fall ungefähr 45° beträgt, während andererseits die starke Krüm- mung der Sagittalachsen sämmtlicher Gelenkflächen des Cal.-Ast.- Gelenks der Caniden das Überwiegen der Horizontalbewegung im Cal.-Ast.-Gelenk dieser Thiere deutlich erkennen lässt. y) Das Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen (Fig. 7, 18, 27) im Vergleich zu den bisher untersuchten homologen Gelenken: gelenkfortbildende, gelenkumbildende Thiergruppen. Da es für die Vergleichung des Cal.-Ast.-Gelenks der Ursinen mit demjenigen des Menschen wichtig ist zu wissen, welche Gelenk- flächentheile des Ast. und Cal. der Ursinen bei extremer phyloge- netischer Streckung bloßgelegt werden, seien dieselben hier kurz erwähnt mit dem Bemerken, dass die Bloßlegung bei den Ursinen nach denselben Prineipien wie bei den Crocodilinen geschieht, eine nochmalige Erklärung dieses Prineips daher nicht mehr nothwendig ist (Fig. 17 und 26 Schraffirung): Von der lateralen Fläche des Cal. wird der medial-distale Rand frei, von der lateralen Fläche des Ast. nichts, da diese Fläche kleiner ist, wie die entsprechende des Cal. und proximalwärts nicht über dieselbe hinausgeht; die mediale Fläche des Cal. bleibt ganz bedeckt, weil die Crista caps. ein tieferes Hinabgleiten der entsprechenden Ast.-Fläche verhindert; von der medialen Fläche des Ast. tritt der distal-laterale Rand, von der vorderen Fläche des Cal. der Plantartheil, von der vorderen Fläche des Ast. der Dorsaltheil frei hervor. Der Gelenkflächendruck nimmt in den bedeckt bleibenden Theilen der Fläche zu. Die mediale Fläche des Ast. stößt mit ihrem lateral-distalen Rand an den Plantar- rand der vorderen Fläche des Cal. — Für den Ast. besitzt der Cal. des Menschen die drei typischen Gelenkflächen (Fig. 18): die auf seinem Körper liegende laterale Fläche (2), an seiner medialen Seite als Anhang die mediale Fläche (m) und als Reibfläche für den Kopf des Ast. an der medialen Seite seines Kopfes die vordere Fläche (v). Auch die Anordnung der drei Gelenkflächen zu einander ist am menschlichen Cal. entsprechend derjenigen der bis jetzt untersuchten Thiere. — Am nächsten steht der Mensch von den bis jetzt untersuchten Thieren den Ursinen, doch trennen ihn von denselben fundamentale Unterschiede, als wichtigster folgender: Während bei den Ursinen die laterale Fläche des Cal. 276 G. Tornier eine ziemlich beträchtliche Abdachung nach ihrer medialen Seite hat (Fig. 9), die mediale Fläche des Cal. bedeutend mehr plantarwärts liegt und proximo-distalwärts von oben nach unten geneigt ist, und endlich die vordere Fläche dieses Knochens ziemlich steil distalwärts in planto-dorsaler Richtung aufsteigt, liegen am Cal. des Menschen sämmtliche drei Gelenkflächen im Wesentlichen in ein und derselben Horizontalebene (Fig. 7). Die laterale Fläche des Knochens zeigt keine Abdachung nach der medialen Seite hin (Fig. 7), die mediale Fläche ist gegenüber derjenigen der Ursinen bedeutend erhoben, und liegt, wenigstens mit ihrem proximalen Ende, in derselben Ebene wie die laterale Fläche des Knochens, mit ihrem distalen senkt sie sich allerdings ein wenig plantarwärts. Die vordere Fläche des menschlichen Cal. hat gleichfalls im Wesentlichen horizontale Lage doch ist ein geringes Ansteigen nach der lateralen Seite bei ihr nicht zu verkennen. Die Ursache für diese höchst wichtige Verschiedenheit in der Stellung der drei Gelenkflichen am Cal. des Menschen und der Ur- sinen liegt in der beträchtlichen Kürze des vertikalen Durchmessers des menschlichen medialen Ast.-Theils: bei den Ursinen ist der Verti- kaldurchmesser des medialen Ast.-Theils länger wie der entsprechende Durehmesser des lateralen Ast.-Theils; beim Menschen sind beide Durchmesser ungefähr gleich lang. Diese Längendifferenz jener beiden Durchmesser bewirkt ferner, dass am menschlichen Ast. die drei Gelenkflächen für den Cal. in einer Horizontalebene liegen, während bei den Ursinen die von jenen gebildete Ebene medianwärts gegen die Horizontalebene eine beträcht- liche Senkung zeigt. — In Folge dieser beträchtlichen Kürze des Vertikaldurchmessers des medialen Ast.-Theils des Menschen muss ferner, so können wir schließen, im Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen die Horizontalbewegung des Ast. enorm dessen Sagittalbewegung übertreffen. Das ist in der That der Fall. Die Bewegung des Ast. am Cal. geschieht beim Menschen genau nach demselben Modus wie in den homologen Gelenken der Croco- dilinen und Ursinen, vorausgesetzt, dass in letzterem die phylogenetisch ererbten, normalen Bewegungen ausgeführt werden. Bei der Streckung des menschlichen Cal.-Ast.-Gelenks (Fig. 18, Pfeile) gleitet jeder Punkt der lateralen Fläche des Ast. auf der lateralen Fläche des Cal. proxi- malwärts und das proximale Ende der lateralen Fläche des Ast. außerdem noch medianwärts und ein wenig plantar, das distale la- teralwärts und ein wenig dorsal. Die Bewegung in der medialen Fläche des Cal. verläuft distal-lateralwärts zugleich etwas plantar, Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 277 in der vorderen im Wesentlichen lateralwärts und etwas dorsal. — Die Beugung im Gelenk geschieht auf demselben Wege aber in ent- gegengesetzter Richtung. Wie Autopsie lehrt, sind sowohl Beugung wie Streckung im menschlichen Cal.-Ast.-Gelenk nahezu reine Hori- zontalbewegungen, was am einfachsten daraus erkannt wird, dass selbst im Maximum der Beugung des Gelenks der proximale Rand der medialen Fläche des Ast. sich kaum dorsalwärts von dem glei- chen Rand der medialen Fläche des Cal. entfernt. — Die Streckung und Beugung des menschlichen Cal.-Ast.-Gelenks finden statt um ein in der Fossa interarticularis gelegenes Centrum (Fig. 18 2). Im Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen ist die Streckfähigkeit eben so groß wie in dem der Ursinen und Crocodilinen, das lehrt die la- terale Fläche des menschlichen Cal., über deren proximalen Rand der gleiche Rand der lateralen Fläche des Ast. auch beim Menschen nie- mals hinausgeht, und welcher unmittelbar hinter dem proximalen Rand der medialen Fläche des Knochens endet, genau so wie bei den Ursinen und Crocodilinen. Wichtige Formunterschiede in den Gelenkflächen der Menschen und der Ursinen sind folgende: Zwar reicht, wie bereits erwähnt wurde, die laterale Fläche des menschlichen Cal. am Knochen proximal- wärts nicht weiter wie bei den Ursinen, und ferner besitzen beide Thiere am Cal. einen beträchtlichen Hals zwischen dem distalen Rand ihrer lateralen und dem dorsalen Rand ihrer Cub.-Fläche, aber die laterale Fläche des Cal. hat bei den Ursinen an ihrem distalen Ende einen bedeutend längeren Transversaldurchmesser wie an ihrem distalen Ende, während beim Menschen das Verhältnis jener Durchmesserlänge ein gerade umgekehrtes ist: der Transversaldurchmesser am distalen Ende der Fläche ist hier kürzer als der am proximalen Ende. An einem wohl entwickelten menschlichen Cal. zeigt außerdem die proximal-me- diale Ecke der lateralen Fläche außerordentliche Entwicklung, sie rückt gewissermaßen über den Körper des Cal. medianwärts hinaus auf den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. Es entsteht dadurch eine nicht zu bezweifelnde Homologie zwischen dem Cal. des Menschen und der Caniden, bei denen jener Rand in ähnlicher Weise verlängert ist. Diese Anologie wird noch dadurch bedeutend vermehrt, dass beim Menschen an der proximal-lateralen Ecke der lateralen Fläche des Cal. (Fig. 18 und 27 ss), ähnlich wie bei den Caniden, eine Reibfläche für den proximal-lateralen Rand der lateralen Fläche des Ast. ent- standen ist. — Das distale Ende der lateralen Fläche des Cal. hat beim Menschen im Vergleich zu dem der Ursinen bedeutend an 278 G Tornier Breite abgenommen, und zwar dadurch, dass die bei den Ursinen stark abgerundet hervorspringende distal-mediale Ecke der Fläche verschwunden, gleichsam abgeschnitten ist. Da beim Menschen die laterale Fläche des Cal. an ihrer proximal-medialen Ecke an Größe und Ausbildung zugenommen, an ihrer distal-medialen Ecke daran eben viel verloren hat, müssen wir der Theorie nach schließen, dass im menschlichen Cal.-Ast.-Gelenk die Beugefähigkeit geringer ist, wie bei den Ursinen und der Theorie nach liegt die Möglichkeit vor, dass die laterale Fläche des Menschen aus einer gleich derjenigen der Ursinen dadurch entstanden ist, dass in letzterer die Beugefähig- keit allmählich geringer wurde. Formunterschiede bieten auch die medialen Flächen des mensch- lichen und Ursinen-Cal. Diejenige des Menschen ist im Verhältnis zu jener der Ursinen auffällig klein, das wird besonders klar, wenn man Individuen vergleicht, deren mediale und vordere Fläche ver- wachsen sind, was beim Menschen Regel zu sein scheint. Alsdann bildet die Gesammtfläche beim Menschen nahezu ein Rechteck (ähnlich wie ‘bei den Caniden) (Fig. 18), während dieselbe bei den Ursinen wegen der Größe der ursprünglichen medialen Fläche das Aussehen einer bauchigen Flasche erhält. Die Ursache dieser Veränderung kann erst später dargelegt werden. — Eben so wichtig ist, dass beim Menschen ausnahmslos die Crista caps. am proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. und am Ast. selbst fehlt, d. h. auf Null redueirt ist, was ich gleichfalls später beweisen werde. Ähnlich wie bei den Ursinen ist auch beim Menschen im Cal.- Ast.-Gelenk eine Hyperbeugung möglich. An einem mir vorliegenden menschlichen Cal. findet sich sogar ähnlich wie bei den Ursinen am distal-medialen Rand der lateralen Fläche des Cal. eine Hyperfläche. Dass diese Hyperbeugung beim Menschen eigentlich nur eine ver- stärkte abducirende Horizontalbewegung des Ast. ist, lehrt die ana- tomische Beschaffenheit des Gelenks. Sobald die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen ausgeführt wird, entfernt sich der Kopf des Ast. sehr weit von dem Kopf des Cal. Die ganze vordere Fläche des Cal. wird frei, in sehr beträchtlichem Maße auch der proximal-mediale Theil der lateralen Fläche des Cal., dessgleichen der proximal-laterale Theil der lateralen und der proximale Theil der medialen Fläche des Ast. Eben so treten der mediale Abschnitt der proximalen Randfläche des Cal. und der laterale Abschnitt der gleichen Fläche des Ast. unbedeckt hervor. Würde aus einem Menschen ein Individuum mit extremer Hyperbeu- Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 279 gung im Cal.-Ast.-Gelenk entstehen, so wiirde die morphologische Veränderung des Gelenks durch Atrophie der nicht artikulirenden und stärkere Ausbildung der in Connex bleibenden Gelenkflächen- theile hervorgerufen werden. Die Vergleichung des Cal.-Ast.-Gelenks des Menschen und der Ursinen ergiebt also: 1) Die Grundform des Gelenks und der Modus der Bewegung in demselbeh sind in beiden Thiergruppen dieselben: 2) die Streckfähigkeit ist in beiden Gelenken von derselben Ergiebig- keit: 3) die Beugefähigkeit ist im menschlichen Gelenk geringer; 4) die Hyperbeugung ist in beiden Gelenken möglich, aber in keinem extrem ausgebildet; 5) die Qualität der Gelenkbewegungen ist eine verschiedene (im Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen überwiegt weit mehr wie bei den Ursinen die horizontale über die sagittale Bewegung des Ast. wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Kürze des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils des Menschen). Es wurde bereits aus einander gesetzt, dass die laterale Fläche des menschlichen Cal. von einer homologen Fläche gleich derjenigen der Ursinen abstammen kann. Diese Möglichkeit gilt für das ganze Cal.-Ast.-Gelenk des Mensehen, denn es unterscheidet sich von dem- jenigen der Ursinen nur durch die geringe Beugefähigkeit und durch eine Reihe von Charakteren, die ihren Ursprung in der verhältnis- mäßig geringen Länge des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils des Menschen haben. Würde im Cal.-Ast.-Gelenk der Ur- sinen die Beugefähigkeit abnehmen und der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils eine Verkürzung erfahren, so müsste zweifellos ein Gelenk gleich dem des Menschen daraus entstehen; wir können daher annehmen, dass auf diese Weise durch Beschränkung der vor- handenen Beugefähigkeit und Längenabnahme des vertikalen Durch- messers des medialen Ast.-Theils das menschliche Cal.-Ast.-Gelenk aus einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Ursinen entstanden ist. Da, wie bereits früher nachgewiesen wurde, das Cal.-Ast.-Ge- lenk der Caniden seinen Ursprung aus einem Gelenk gleich dem der Ursinen nimmt, Menschen und Caniden also von einer gemeinsamen Stammform ausgehen oder wenigstens ausgehen können, empfiehlt es sich, die Entwicklung der Gelenke der beiden Thiere zu vergleichen. Eine solche Untersuchung ergiebt: 1) die Streckfähigkeit ist in bei- den Gelenken von gleicher Ergiebigkeit. 2) Gemeinsam ist dem Ge- lenk der Caniden und der Menschen der Entwicklungscharakter, dass während seiner Entstehung der vertikale Durchmesser des sagittalen Bewegungskreises des Gelenks oder, was dasselbe sagen will, der 280 G. Tornier vertikale Durchmesser des betreffenden medialen Ast.-Theils an Länge abnimmt. 3) Total divergent zeigt sich die Entwicklung der beiden Gelenke in ihrem Verhalten zu der ererbten Beugefähigkeit. Während nämlich die ererbte Beugefähigkeit im menschlichen Gelenk eine Beschränkung erfährt, bleibt sie bei den Caniden nicht nur von derselben Ergiebigkeit wie in der Stammgruppe, sondern sie wird bei denselben außerdem noch durch extreme Ausbildung der Hyper- beugung beträchtlich vermehrt. Je bessere Ausbildung diese Hyper- beugung erfährt, desto weiter entfernen sich die Caniden von den Ursinen und auch von den Menschen. Die Hyperbeugung ist für das Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden specifisch, eben so wie die Abnahme der Beugefähigkeit für dasjenige der Menschen, daher bilden die Ca- niden keine Zwischenstufe zwischen Menschen und Ursinen, sondern schlagen eine eigene selbständige Entwicklungsrichtung ein; und die dem Cal.-Ast.-Gelenk des Menschen und der Caniden gemeinsame Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils ist nicht auf gemeinsame, sondern auf Parallelentwicklung zurück- zuführen. Resultat: Menschen und Caniden gehen von einem gemeinsamen Entwicklungscentrum aus, aber, trotzdem sie in gewissen Charakte- ren parallele Entwicklung zeigen, weichen sie in den specifischen Entwicklungscharakteren um so mehr von einander ab, je besser sie diese Charaktere ausbilden. Die Entwicklung der Caniden und Men- schen ist daher eine Entwicklung durch Divergenz, die durch Pa- rallelentwicklung gewisser Charaktere gemildert wird. Vergleicht man die Ursachen, durch welche das menschliche Cal.- Ast.-Gelenk aus dem der Ursinen entstanden ist (Abnahme der Beuge- fähigkeit und Abnahme der Länge des Vertikaldurchmessers des me- dialen Ast.-Theils), mit den Ursachen, welche zur Entstehung des Ursinengelenks Aus einem gleich dem der Crocodilinen geführt haben (Abnahme der Beugefähigkeit und Verkürzung des vertikalen Durch- messers des medialen Ast.-Theils), so finden wir, dass die Ursachen dieselben sind; wir können daher auch sagen: Ein Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen hat sich in dasjenige des Menschen ver- wandelt dadurch, dass es erstens an Beugefähigkeit beträchtlich ver- lor, und dann eine Reihe von Charakteren dadurch erwarb, dass der Durchmesser seines sagittalen Bewegungskreises, oder was dasselbe sagt, der Vertikaldurchmesser seines medialen Ast.-Theils beträcht- liche Verkürzung erfuhr. — Wären diese kombinirten Veränderungen sprungweise auf einmal vor sich gegangen, so würde der Mensch in Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 281 seinem Cal.-Ast.-Gelenk der unmittelbare Nachkomme jener Saurier mit einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen sein; es giebt aber in der Natur keine sprungweise Entwicklung, sondern die Veränderungen erfolgen schrittweise von Stufe zu Stufe; daher ent- standen aus jenen Sauriern zuerst Individuen, bei denen im Cal.-Ast.- Gelenk die Beugefähigkeit nur um ein Winziges an Ergiebigkeit, der Vertikaldurchmesser des medialen Ast.- Theils ein entsprechendes Minimum an Länge abnahm. Aus diesen Individuen entstanden an- dere, bei denen die Beugefähigkeit im Gelenk noch ein wenig mehr abnahm und der Vertikaldurchmesser entsprechend an Länge verlor: Individuen, die sich also weiter von den Crocodilinen entfernten und um eben so viel den Menschen näher rückten. Diese Entwicklung ging Stufe für Stufe nach demselben Modus fort, bis endlich im Cal.- Ast.-Gelenk des Menschen ihr Gipfelpunkt erreicht wurde. Auf diese Weise entstanden zahlreiche Zwischenformen zwischen den Menschen und jenen Sauriern, von denen eine durch ein Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Ursinen repräsentirt wird. Allen diesen Zwischenformen ist das gemeinsam, dass sie das von ihren Eltern ererbte Cal.-Ast.-Ge- lenk in der Richtung zum Menschen hin fortentwickeln und zwar nach demselben Modus, durch welchen das Gelenk ihrer Voreltern aus dem jener Saurier mit einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen hervorgegangen ist. Ich nenne diese Zwischenformen zwischen den Menschen und jenen Sauriern »die das Cal.-Ast.-Gelenk fortbil- denden Gruppen«. Es ist bereits an dem Beispiel der Caniden gezeigt worden, dass nicht alle Säugethiere eine Entwicklung zum Menschen hin verfolgen, sondern dass es Individuen giebt, welche, von gelenkfortbildenden Gruppen ausgehend, eine selbständige Entwicklungsrichtung einschla- gen und sich um so weiter vom Menschen und denjenigen Zwischen- formen, welche zu demselben aufsteigen, entfernen, je besser die specifischen Charaktere der Gruppe ausgebildet werden. Diese spe- cifischen Charaktere entstehen dadurch, dass jene Individuen eine Funktion des ihnen als Ausgangspunkt dienenden Cal.-Ast.-Gelenks einer gelenkfortbildenden Gruppe, die ich daher ihre »Stammgruppe« nennen möchte, extrem ausbilden (die Caniden, z. B. die im Ursinen- gelenk bereits vorhandene Hyperbeugung), während sie dabei die Fähigkeit verlieren, andere in den Stammgruppen vorhandene Be- wegungen auszuführen (die Caniden verlieren in ihrem Cal.-Ast.-Ge- lenk die Fähigkeit, die phylogenetisch ererbte normale Beuge- und Streckbewegung auszuführen). Ich nenne diese Gruppen»abgezweigte 9832 G. Tornier oder gelenkumbildende« und verweise in Betreff derselben auf dasjenige Kapitel meiner Arbeit iiber die Fort- und Umbildung des Ellbogengelenks der Säugethiere (Morph. Jahrbuch. Bd. XII. 1886), welches iiber die Entstehung des Ellbogengelenks der extremen Lauf- organismen berichtet. 6) Entstehung und Fortentwicklung des Cal.-Ast.-Gelenks der Artiodactylen durch Hyperbeugung und zunehmende Horizontalbewegung in demselben. Abstammung des Gelenks der Artiodactylen. Der Cal. des Hippopotamus (Fig. 20) besitzt die drei, bei Ursinen und Crocodilinen vorhandenen Gelenkflächen für den Ast. in folgen- der Stellung und Form: Die laterale Fläche des Knochens (/) liegt höher wie die beiden anderen Flächen und auf dem Körper des Cal., während die mediale Fläche (m) als seitlicher Anhang, die vordere Fläche (v) als Reibfläche am Kopf desselben sich darstellen und da- durch ihre Homologie mit den entsprechenden Flächen der Ursinen und Crocodilinen dokumentiren. Die laterale Fläche des Cal. des Hippopotamus stößt distalwärts nicht an den Dorsalrand der Cub.- Fläche ihres Trägers, sondern ist von derselben durch einen beträcht- lichen »Hals« geschieden. Eben so weit reicht distalwärts die in dieser Thiergruppe vorhandene Fibula-Fläche des Knochens (f'. Beide Flächen sind aber sehr kurz und endigen vor dem proximalen Rand der medialen Fläche; dadurch unterscheidet sich der Hippopo- tamus-Cal. sowohl von dem der Ursinen wie Crocodilinen, bei denen die betreffende Fläche erst hinter jenem Rande schließt. Die late- rale Fläche des Cal. des Hippopotamus selbst liegt mehr vertikal wie diejenige der Crocodilinen und besteht ferner aus zwei, in einer Firste unter stumpfem Winkel dachartig zusammenstoßenden Abschnit- ten (d und pr). Die mediale Fläche des Cal. ist sehr stark distal- wärts geneigt, steht nahe senkrecht in dorso-plantarer Richtung und ist schwach konkav. Ihr proximaler Rand zeigt eine kleine Reib- fläche für die Crista caps. (er) und zweitens geht er nicht geradlinig gegen den medialen Rand der lateralen Fläche des Knochens, son- dern ist durch eine tiefe Grube von diesem getrennt. Die vordere Fläche des Cal. führt steil planto-dorsalwärts und distalwärts empor und ist von der medialen Fläche des Knochens durch einen weiten Zwischenraum getrennt. Die Fossa interarticularis des Cal. (7) liegt senkrecht. Wegen seines Halses, wegen der Reibfläche der Crista caps. auf Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 283 dem proximalen Rand der medialen Fläche, wegen der Unterbrechung dieses Randes zwischen jener Reibfläche und der lateralen Fläche des Knochens steht der Hippopotamus den Ursinen näher wie den Croeodilinen. Wegen der Stellung seiner Flächen zu einander, was besonders in der Lage der lateralen Fläche am Cal., der starken Neigung der medialen und der starken Erhebung der vorderen Fläche und in dem Senkrechtstehen der Fossa interarticularis des Knochens zu erkennen ist, steht der Cal. des Hippopotamus demjenigen der Crocodilinen näher; man kann daher mit Recht behaupten, wegen dieses schwankenden Verhaltens seiner Charaktere nehme der Cal. des Hippopotamus eine Mittelstellung zwischen den homologen Ele- menten der mit ihm verglichenen Thiergruppen ein. Dies wird noch klarer, wenn man einen Sagittalschnitt durch den medialen Theil des Ast. des Hippopotamus macht, oder es ge- nügt auch die Betrachtung des Ast. des Hippopotamus von seiner lateralen Seite (Fig. 29), alsdann erkennt man sofort, dass der me- diale Ast.-Theil dieses Thieres, im Gegensatz zu dem kugeligen der Crocodilinen (besonders am Plantarrande seiner lateralen Seite ist dies wahrnehmbar), die Gestalt eines wohl gebildeten Ellipsoids be- sitzt, dessen Vertikaldurchmesser allerdings bedeutend länger wie derjenige der Ursinen ist, so dass auch in diesem Charakter der Hippopotamus zwischen Crocodilinen und Ursinen steht. (Man vgl. den Transversalschnitt durch Ast. und Cal. von Sus, Fig. 10, mit Fig. 11 und 9.) Aus schon früher klar gelegten Gründen ist die Ellipsoidform des medialen Ast.-Theils auch bei Hippopotamus die Ursache dafür, dass seine Crista caps. auf den proximalen Rand der medialen Fläche des Cal. stößt und dort eine Reibfläche bildet. Also das Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus steht in einer Reihe von Charakteren in der Mitte zwischen dem der Ursinen und Crocodilinen: aber es hat außerdem noch eine Anzahl von Charak- teren, die keiner dieser beiden Thiergruppen zukommen; es sind 1) die Verkürzung der lateralen Fläche des Cal. an ihrem proxi- malen Ende; 2) die Entstehung dieser Fläche aus zwei dachartig in einer Firste zusammenstoßenden Hälften und 3) ihre extreme Ab- dachung nach der medialen Seite, die so steil ist, dass sie sogar diejenige der Crocodilinen übertrifft. Die mediale Fläche des Ast. des Hippopotamus bildet die Plantar- seite des Knochens. Stellt man dieselbe horizontal (Fig. 29), dann stehen die vordere und laterale Fläche des Knochens nahezu vertikal und 284 G. Tornier befinden sich auf dessen lateraler Seite im Wesentlichen in ein und derselben Ebene. Die laterale und Plantarseite des Ast. des Hippo- potamus bilden ferner einen rechten Winkel mit einander (wie in Fig. 10), so dass auf der lateralen Seite des Knochens von dessen medialer Fläche nur der laterale Rand sichtbar wird. Diese Stellung der drei Gelenkflächen des Cal. und der Plantar- und lateralen Seite des Knochens zu einander erzeugt eine frappante osteologische Über- einstimmung in dem Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus und der Crocodilinen; und aus dieser resultirt die auffällige Übereinstimmung in den Bewegungen der Cal.-Ast.-Gelenke dieser beiden Thiere, nämlich das beiden Gelenken gemeinsame Überwiegen der sagittalen Bewegung des Ast. über dessen Horizontalbewegung. Der ganze Plantarrand der lateralen Seite des Ast. des Hippo- potamus wird gebildet durch den lateralen Rand der medialen Fläche des Ast. (Fig. 29 m). An die proximale Ecke dieses Randes stößt die Crista caps. (cr), deren Reibfläche als unmittelbare, nur durch eine scharfe Linie abgezweigte Fortsetzung der medialen Fläche des Knochens erscheint. Die vordere Fläche des Ast. liegt am distalen Rande seiner lateralen Seite und ist von seiner medialen Fläche durch einen nicht artikulirenden Knochenstreifen geschieden, welcher pilasterartig aus dem Niveau der Knochenoberfläche hervortritt und den ich desshalb die Columna plantaris lat. des Ast. nenne. Die laterale Fläche des Ast. des Hippopotamus ist in dorso-plantarer Richtung disto-proximalwärts gerichtet, sie besteht aus zwei Hälften, aus einer distal-dorsalen (d), welche mit ihrem ganzen Dorsalrand an die Fi- bula-Fläche (f) des Knochens stößt und einer proximal-plantaren (pr), die sich gegen den lateralen Rand der medialen Fläche des Knochens erstreckt, denselben aber nicht erreicht; beide Hälften jener Fläche bilden einen stumpfen Winkel mit einander in einer scharf markirten Linie, welche die Mitte der Fläche von deren Dorsal- zum Plantarrand schräg proximo-distalwärts durchzieht. Die laterale Fläche des Ast. des Hippopotamus als Einheit betrachtet, liegt ungefähr in der Mitte der lateralen Fläche des Ast., unmittelbar proximal-dorsal- wärts über ihr erhebt sich am Knochen ein starker Tuberkel, die Ansatzstelle des Lig. ast.-fib.-laterale (af). Die Fibula-Fläche des Ast. umfasst den ganzen Dorsalrand der lateralen Seite des Knochens und bildet an ihrem Plantarrand, unmittelbar über dem Tuberkel des Lig. ast.-fib.-laterale eine weit plantarwärts vorspringende Gelenk- zunge. Rufen wir uns nun den Unterschied zwischen der normalen und Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siugethier-HintergliedmaBen. 285 Hyperbeugung des Cal.-Ast.-Gelenks ins Gedächtnis: die normale Beugung des Ast. verläuft in einem Sagittalkreis, dessen Mittelpunkt in der Fossa interarticularis liegt, verbunden ist diese Sagittalbe- wegung des Ast. mit einer entsprechenden abducirenden Horizontal- bewegung desselben. Die Hyperbeugung besteht darin, dass der Ast. aus dem Maximum der normalen Beugung um das in dem distalen Rand seiner lateralen Fläche liegende Centrum eine neue Sagittalbewegung beschreibt, die mit einer der vorigen analogen weiteren abdueirenden Horizontalbewegung des Ast. verbunden ist. Bei Hippopotamus liegen, sobald das Cal.-Ast.-Gelenk extrem gestreckt ist, die laterale Fläche des Cal. und Ast. vollständig in einander, die mediale Fläche des Ast. ruht so in derjenigen des Cal., dass die Crista caps. auf ihrer Reibfläche am Cal. liegt, während von der medialen Fläche des Ast. der ganze distale Theil und nahezu der ganze laterale Rand unbedeckt sind. Von der vorderen Fläche des Ast. bleibt der dorsale Theil, von der des Cal. der plantal-proxi- male Theil frei. — Aus dieser Lage vollzieht sich die Beugung des Ast. in folgender Weise: Es presst sich die distale Ecke der lateralen Fläche des Ast. (A), die gebildet wird durch den Zusammenstoß des lateralen und medialen Randes dieser Fläche, auf die distale Ecke der lateralen Fläche des Cal. (A), die homologen Ursprung zwischen den erwähnten Rändern ihrer Fläche hat. Diese Punkte bilden das Centrum der beginnen- den Kreisbewegung des Ast. und bleiben während der ganzen Beugung fest auf einander liegen, nur im Maximum der Beugung verschiebt sich der Drehpunkt des Ast. (4) etwas lateral-distalwärts am Cal. Alle anderen Punkte der lateralen Fläche des Ast., gleich in welcher Hälfte der Fläche sie gelegen sind, beschreiben um das erwähnte Centrum (Fig. 20 Pfeil) dorsal-distalwärts eine Kreisbewegung. Die Folge davon ist, dass der Dorsal-Rand der lateralen Fläche des Ast. und entsprechend viel vom Plantar-Rand der lateralen Fläche des Cal. bloßgelegt werden. — Um dasselbe Centrum (h) bewegt sich die mediale Fläche des Ast. im Wesentlichen in einem Kreis- bogen planto-proximo-dorsalwärts auf derjenigen des Cal. Die Be- wegung des proximalen Randes der medialen Fläche des Ast. ver- läuft zuerst proximal, dann dorsal-distalwärts; man sieht, die Be- wegung würde weiter schreitend einen sagittalen Bewegungskreis hervorrufen; aber es wird während dieser Bewegung der proxi- male Theil des Ast. zugleich ein wenig lateralwärts bewegt, das ist die Wirkung der abducirenden Horizontalbewegung des Ast., daher 286 G. Tornier ist auch die Bewegung der medialen Fläche des Ast. keine reine Sagittalbewegung, sondern das Produkt dieser und der mit ihr ver- bundenen abducirenden Horizontalbewegung des Ast.; doch ist die letztere im Verhältnis zur ersteren, wie aus der ganzen Bewegung des Knochens hervorgeht, sehr gering. Wegen der abdueirenden Horizontalbewegung des Ast. bewegt sich die mediale Fläche und der proximale Rand der lateralen Seite des Ast. während der Beugung nicht in einer reinen Sagittalebene, sondern werden aus derselben gegen die mediale Seite des Körpers des Cal. hin abgelenkt. — In Folge der Beugung wird der ganze proximale Rand der medialen Fläche des Ast., von der medialen Fläche des Cal. der ganze distale Rand bloßgelegt. — Die vordere Fläche des Ast. bewegg sich während der Beugung auf der gegnerischen des Cal. gleichfalls um das er- wähnte Centrum und zwar plantar- und sehr stark proximalwärts, die Folge davon ist, dass nun von der vorderen Fläche des Cal. der dorsale und der ganze distale Saum, von der gegnerischen des Ast. der plantar-proximale Saum unbedeckt ist. Vergleicht man die Beugung im Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopo- tamus mit derjenigen im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen, Ursina und Caniden, so leuchtet sofort ein, dass beim Hippopotamus die Beugung des Gelenks eine Hyperbeugung ist, denn dieselbe findet nicht um einen in der Fossa interarticularis des Cal. liegenden Punkt statt, sondern um ein Centrum in den distalen Enden der lateralen Flichen; das ist aber das specifische Merkmal der Hyperbeugung. Auch ist bei Hippopotamus die Befähigung zur Hyperbeugung des Cal.-Ast.-Gelenks bereits extrem ausgebildet, da die Befähigung zur Ausführung der normalen Beugung des Gelenks dem Hippopotamus bereits giinzlich fehlt. Wegen dieser extremen Ausbildung der Hyper- beugung des Cal.-Ast.-Gelenks steht der Hippopotamus auf einer ähnlich extremen Entwicklungsstufe wie die Caniden. Die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus unter- scheidet sich aber von derjenigen der Ursinen und Caniden erstens dadurch, dass beim Hippopotamus die Bewegungscentra nicht in den Rändern der lateralen Flächen der Knochen liegen, wie dies bei den Ursinen und Caniden der Fall ist, sondern in den lateralen Flächen selbst, d. h. in deren distalen Ecken gelegen sind; zweitens dadurch, dass die Hyperbeugung beim Hippopotamus im Wesentlichen eine Sagittalbewegung des Ast. ist, die nur durch eine mit ihr ver- bundene, verhältnismäßig geringfügige abducirende Horizontaldrehung dieses Knochens modifieirt wird; während im Cal.-Ast.-Gelenk der Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siiugethier-HintergliedmaBen. 287 Ursinen und Caniden bei der Hyperbeugung umgekehrt die Horizon- talbewegung des Ast. bei Weitem die Sagittalbewegung desselben überwiegt. Es ist dies eine Folge des Umstandes, dass der Vertikal- durchmesser des medialen Ast.-Theils beim Hippopotamus verhältnis- mäßig viel länger ist als der der Ursinen und Caniden (vergleiche Fig. 10). — Die Streckung im Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus geschieht wie in allen homologen Gelenken auf dem Wege der Beugung aber in einem entgegengesetzt gerichteten Kreise. — Sowohl bei der Streekung wie bei der Beugung übertrifft bei Weitem die sagittale die horizontale Kreisbewegung des Ast.; vorhanden ist aber die letztere in beiden Fällen, und es bewegt sich daher während der Hyperbeugung der proximale Theil der lateralen Seite des Ast. gegen die mediale Seite des Körpers des Cal. hin, während umge- kehrt bei der Streckung des Gelenks der distale Theil der late- ralen Seite des Ast. gegen die mediale Seite des Körpers des Cal. bewegt und mit seiner vorderen Fläche sogar fest an denselben an- gepresst wird. Dabei ist für das Gelenk des Hippopotamus dem- jenigen der anderen Artiodactylen gegenüber charakteristisch: 1) dass es selbst bei extremster Beugung nicht möglich ist, den proximalen Theil der lateralen Seite des Ast. an die mediale Seite des Körpers des Cal. zu pressen; es bleibt zwischen beiden Rändern immer ein wenn auch geringer Zwischenraum; 2) stößt die distal-laterale Ecke der medialen Fläche des Ast. des Hippopotamus in keinem Stadium der Gelenkstreckung an die mediale Seite des Körpers des Cal.; auch im extremsten Stadium der Gelenkstreckung geschieht dies nicht; 3) bleiben im Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus sowohl bei der Hyperbeugung wie bei der Streckung die beiden Hyperbeugungs- centra fest auf einander gedrückt, beständig in derselben Lage. Vergleicht man den Cal. der Sus scrofa domestica (Fig. 21) mit demjenigen des Hippopotamus, so erkennt man sofort, dass die proxi- male Hälfte der lateralen Fläche des Schweine-Cal. (pr) an ihrem Plantarrande bedeutend an Ausdehnung zugenommen hat, und fast an den lateralen Rand der medialen Fläche des Cal. stößt; dem ent- sprechend hat auch der proximale Theil der lateralen Fläche des Ast. an Größe zugenommen (Fig. 30 pr), reicht jedoch auch nicht bis an den lateralen Rand der medialen Fläche seines Knochens heran. Die vordere Fläche des Cal. des Schweines scheint etwas höher dorsalwärts am Knochen emporzusteigen wie bei Hippopotamus. Die Hyperbeugung und Streckung im Cal .- Ast.- Gelenk des Morpholog. Jahrbuch. 14. 19 288 G. Tornier Schweines verläuft genau so wie in dem homologen Gelenk des Hippopotamus, die laterale Seite des Ast. stößt weder mit ihrem proximalen Theil während der Hyperbeugung, noch während der Streckung mit der distal-lateralen Ecke des lateralen Randes der medialen Fläche des Knochens an die mediale Seite des Körpers des Cal., sondern bleibt in beiden Fällen von derselben durch einen schmalen Zwischenraum getrennt und die beiden Bewegungscentra des Gelenks (7) bleiben während des Verlaufs der beiden Bewegungen fest auf einander gepresst. Das Rind (Fig. 22 und 31) bildet die specifischen Formen der Gelenkflächen des Hippopotamus und der Suiden beträchtlich fort. Bei ihm hat sich die proximale Hälfte der lateralen Fläche des Cal. (pr) noch stärker gegen den lateralen Rand der medialen Fläche des Knochens verlängert und da dieser Rand durch Verbreiterung ihm gleichsam entgegengewachsen ist, so stoßen sie beide zusammen. Dagegen hat die distale Hälfte der lateralen Fläche des Cal. (d) be- deutend an Ausdehnung verloren und persistirt nur noch als ein schmaler, an der Fläche für die Fibula (f) entlang laufender Saum. In dem distalen Ende dieses Saumes liegt das Hyperbeugungscentrum des Knochens (A). Die vordere Fläche des Cal. der Boviden steigt eben so hoch dorsalwärts empor wie diejenige der Suiden. Unmittelbar unter ihr und mit ihr zusammenstoßend ist eine kleine Fläche am Cal. neu entstanden: die »distale Fläche« dieses Knochens (d2). Noch eigenthümlicher ist der Ast. des Rindes gestaltet: Die proximale Hälfte der lateralen Fläche dieses Knochens (Fig 31 pr) ist von sehr beträchtlicher Länge, verläuft dorso-plantar-, proximo- distalwärts und stößt mit ihrem Plantarende in beträchtlicher Aus- dehnung an den lateralen Rand der medialen Fläche des Knochens. Die distale Hälfte der lateralen Fläche des Ast. der Broviden (d) ist verhältnismäßig noch viel stärker redueirt wie die homologe Fläche ihres Cal., von ihr ist nur ein ganz geringer Zipfel an der distal- medialen Ecke. der Fibula-Fläche des Knochens zurückgeblieben, der das Bewegungscentrum (A) trägt, die anderen Theile sind atro- phirt, so dass bei den Boviden eine weite Lücke zwischen der proxi- malen und distalen Hälfte der bei Hippopotamus und den Suiden einheitlichen lateralen Fläche des Ast. gähnt. — Endlich tritt an der distal-lateralen Ecke des lateralen Randes der medialen Fläche des Ast. der Boviden (di) eine kleine neu entstandene »distale Fläche« des Ast. auf, welche in der ihr entsprechenden, unter der vorderen Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 289 Fläche des Cal. liegenden »distalen Fläche« des Cal. bei extremer Streckung gleitet. Bei extremer Streckung des Cal.-Ast.-Gelenks der Boviden ruht die vordere Fläche des Ast. so in der gleichnamigen Fläche des Cal., dass der Dorsaltheil der ersteren und der Plantartheil der letzteren unbedeckt sind; die »distalen« Flächen der beiden Knochen liegen in einander; dessgleichen die distalen Hälften ihrer lateralen Flächen (d), in Folge dessen sind die beiden Bewegungscentra der Knochen (A) fest auf einander gepresst; von der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. liegt ungefähr die Hälfte und zwar der dorsal-proxi- male Theil in dem Plantarabschnitt der proximalen Hälfte der late- ralen Fläche des Cal., deren Dorsalabschnitt unbedeckt ist. Von der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. bleibt mithin der plan- tar-distale Abschnitt während der Streekung unbedeckt. Dieses Fak- tum ist von sehr bedeutendem entwicklungsgeschichtlichen Werth. Wenn man untersucht, welchem Punkt der medialen Seite des Cal.-Körpers im Maximum der Gelenkstreckung der distalste Punkt der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. gegenüber liegt, findet man denselben etwas proximalwärts vor dem Plantarrand der vorderen Fläche des Cal. (2). Die Crista caps. des Ast. ruht während der Streckung des Gelenks auf ihrer Fläche am proximalen Rande der medialen Fläche des Cal. Sobald der Ast. um die Bewegungscentra des Gelenks die Hyperbeugung auszuführen beginnt, gleitet seine vordere Fläche in derjenigen des Cal. so außerordentlich stark plantar-proximalwärts fort, dass beide Flächen, die des Ast. von ihrem Plantar-, die des Cal. von ihrem Dorsalrand aus nahezu bloßgelegt werden und am Ast. der die vordere und Cub.-Fläche des Knochens trennende Rand in die »distale Fläche« des Cal. hinabgleitet. Die distale Fläche des Ast. verlässt nämlich während der Hyperbeugung die distale Fläche des Cal. und gleitet, eben so wie der Plantartheil der vorderen Fläche des Ast., völlig frei werdend proximal-dorsalwärts. Die proxi- male Hälfte der lateralen Fläche des Ast. gleitet in der gleichnami- gen Flächenhälfte des Cal. proximal-dorsalwärts, so dass nun ihr, während der Streckung frei liegender plantar-distaler Abschnitt in Ar- tikulation mit der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Cal. kommt, während ihr oberer Abschnitt aus derselben heraustritt. — Die Crista caps. des Ast. entfernt sich während der Hyperbeugung weit von dem proximalen Rande der medialen Fläche des Cal. Da der plantar-distale, an den lateralen Rand der medialen 19* 290 G. Tornier Fläche des Ast. anstoßende Theil der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. im Stadium der Streckung des Gelenks unbedeckt ist, dagegen bei extremer Hyperbeugung mit der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Cal. in Artikulation tritt, so ist nach dem Gesetz vom Gebrauch und Nichtgebrauch der Gelenkflächen kein Zweifel, dass dieser bei den Suiden nicht vorhandene plantar-distale Theil der proxi- malen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. der Boviden der Hyperbeu- gung des Gelenks seine Entstehung verdankt, und da durch ihn die proximale Hälfte der lateralen Fläche des Ast. sehr bedeutend verlän- gert wird, so ergiebt sich daraus, dass bei den Boviden die Hyperbeu- sung im Cal.-Ast.-Gelenk bedeutend umfangreicher und ausgebildeter sein muss, als bei den Suiden. Das ist thatsächlich der Fall; bei den Suiden steht die proximal-distale Achse des Ast. im Stadium extremster Hyperbeugung des Cal.-Ast.-Gelenks senkrecht auf der proximal- distalen Achse des Cal., beim Rind ist dagegen unter gleichen Um- ständen der proximal-dorsalwärts geöffnete Winkel zwischen jenen beiden Achsen größer wie ein rechter, das proximale Ende des Ast. der Boviden ist also bei extremer Hyperbeugung des Gelenks nicht nur extrem vertikal erhoben, sondern außerdem noch sehr ausge- sprochen distalwärts übergekippt. Am besten wird die Zunahme der Hyperbeugung im Cal.-Ast.- Gelenk der Boviden durch die Charaktere der Plantarseite ihres Ast. bewiesen, auf die ich später zurückkomme. — Aber nicht nur durch umfangreichere Hyperbeugung in ihrem Cal.-Ast.-Gelenk unterscheiden sich die Boviden von den Suiden, sondern eben so sehr dadurch, dass ihr Ast. befähigt ist, weit stärkere Horizontalbewegungen wie der der Suiden gegen den Cal. zu führen. Bekanntlich stößt bei letzteren weder bei extremer Streckung noch im Maximum der Hyper- beugung des Gelenks der laterale Rand der medialen Fläche des Ast. an die mediale Seite des Körpers des Cal. Bei den Boviden geschieht dies im Verlauf beider Bewegungen: Während der Streckung des Gelenks berühren sich beide Knochen in ihren distalen Flächen (di) und da diese Flächen nur bei extremer Streckung in einander liegen, so ist kein Zweifel, dass sie dadurch entstanden sind, dass der Kopf des Ast. bei der Streckung durch starke lateralwärts ge- richtete adducirende Horizontalbewegung an die mediale Seite des Cal.-Körpers angepresst wurde. Die adducirende Horizontalbewegung des Ast. der Boviden ist also weit ergiebiger wie die der Suiden, da bei diesen Thieren die lateral-distale Ecke der medialen Fläche des Ast. unter keinen Umständen an den Körper des Cal. stößt. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 291 Aber auch während der Hyperbeugung des Gelenks wird bei den Boviden die laterale Seite des Ast. und der laterale Rand seiner medialen Fläche gegen die mediale Seite des Körpers des Cal. ge- presst, indem nämlich der plantar-distale Abschnitt der proximalen Hälfte der lateralen Fläche ihres Ast. sich in dem gleichnamigen Abschnitt der lateralen Fläche des Cal. fortbewegt. Der den Boviden zukommende, den Suiden fehlende Fortsatz der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. ist bei ersterer nicht, wie man ver- muthen könnte, durch Verlängerung des plantar-distalen Randes der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. entstanden, sondern nimmt seinen Ursprung durch Neubildung, indem die laterale Seite des Ast. während der Hyperbeugung an die mediale Seite des Cal.- Körpers angepresst wird und an demselben resp. in dem proximalen Abschnitt seiner lateralen Fläche entlang gleitet, wie aus der Be- trachtung der beim Kamel und der Giraffe vorhandenen höheren Entwicklungsstufen dieses Flächenabschnittes erkennbar ist. Mit am besten wird durch das Verhalten der Hyperbeugungs- centra (4) des Gelenks bewiesen, wie stark die horizontale Bewegung im Cal.-Ast.-Gelenk der Boviden zugenommen hat. Bei Hippopo- tamus und Sus bleiben, wie bereits erwähnt worden ist, die beiden Hyperbeugungscentra des Gelenks während jeder Gelenkbewegung fest auf einander gepresst in derselben Lage. Bei den Boviden ist dies nicht der Fall, sobald bei ihnen die Hyperbeugung im Gelenk beginnt, gleitet zuerst die distale Hälfte der lateralen Fläche des Ast. in derjenigen des Cal. dorsalwärts, verlässt dann (und mit ihr das von ihr eingeschlossene Bewegungscentrum des Ast.) dorsalwärts jene Fläche ganz und steigt in einem Bogen: dorsal- distalwärts empor, macht mit anderen Worten die Hyperbeugung des Ast. mit; bei der Streckung des Gelenks nähert sie sich und das Bewegungscentrum des Ast. auf demselben Wege aber in umgekehrter Richtung wieder dem distalen Abschnitt der lateralen Fläche des Cal., legt sich in denselben, wobei die Bewegungscentren des Gelenks fest auf ein- ander gepresst werden. Bei genauerem Studium der Bewegungen des Bewegungscentrums des Ast. bemerkt man aber, dass dieselben nicht in einer reinen Sagittalebene verlaufen, sondern dass während der Hyperbeugung das aufsteigende Bewegungscentrum des Ast. zu- gleich ein wenig medianwärts abgelenkt wird, bei der Streckung mithin um eben so viel lateralwärts fortschreitet. Der Weg, den das Bewegungscentrum des Ast. während der Hyperbeugung, resp. Streckung des Gelenks zurücklegt, resultirt also aus einer Sagittal- 992 G. Tornier bewegung des Ast., die mit einer Horizontalbewegung desselben ver- bunden ist. Vor Allem ist zu bemerken, dass das Fortgleiten des Ast. von seinem Stiitzpunkt am Cal. nicht mit dem Princip der Hyperbeugung in Widerspruch steht. Bei den Ursinen und Caniden sahen wir be- reits, dass bei extremster Hyperbeugung ihres Cal.-Ast.-Gelenks das Bewegungscentrum des Ast. seinen Stützpunkt am Cal. verlässt und einen Bogen in der Richtung des jeweiligen Hyperbeugungs- kreises beschreibt. Das Hyperbeugungscentrum des Ast. der Boviden thut nichts Anderes: es beschreibt einen Kreis in der Richtung seines Hyperbeugungskreises hin und zurück. Es ist mithin in dieser Be- wegung nur ein neuer Beweis dafür enthalten, dass in dem Cal.-Ast.- Gelenk der Boviden die Befähigung zur Ausführung der Hyperbeugung sehr viel entwickelter ist wie bei den Suiden und dem Hippopotamus. Der Umstand aber, dass bei den Boviden während der Hyperbeu- gung des Gelenks das Bewegungscentrum des Ast. von demjenigen des Cal. medianwärts fortbewegt, bei der Streckung lateralwärts demselben eben so viel genähert wird, ist nur dadurch zu erklären, dass der distale Theil des Ast. der Boviden (und zu diesem gehört das Bewegungscentrum des Knochens) im ersteren Fall eine starke Horizontalbewegung medianwärts (d. h. eine stark abdueirende Ho- rizontalbewegung), bei der Streckung eine solche lateralwärts (d. h. eine stark abducirende Horizontalbewegung) ausführt. Camelus (Dromedarius L.) hat ein Cal.-Ast.-Gelenk mit typi- schem Artiodaetylencharakter und steht in allen speeifischen Charak- teren entweder auf einer gleichen oder extremeren Entwicklungsstufe wie das Rind. Beim Kamel stoßen die proximale Hälfte der late- ralen Fläche des Cal. (Fig. 23 pr) und der proximal-laterale Rand der medialen Fläche des Cal. wie beim Rind zusammen; dagegen ist die distale Hälfte (Fig. 23 A) der lateralen Fläche des Cal. beim Kamel bis auf einen ganz kleinen Anhang an der distal-medialen Ecke der Fibula-Fläche des Knochens atrophirt; in ihr liegt das Bewegungscentrum des Ast. Man könnte daher sagen, von der gan- zen distalen Hälfte der lateralen Fläche des Cal. ist beim Kamel nur das Bewegungscentrum übrig geblieben. In diesem Charakter geht also das Kamel über die Boviden hinaus. Die »distale Fläche« des Cal. (di), die beim Rind nur eine ganz kleine Reibfläche war, hat sich beim Kamel zu einer ansehnlichen, nahezu horizontal liegen- den Fläche verbreitert. — Die vordere Fläche des Cal. steigt bei ihm eben so hoch dorsalwärts auf wie diejenige der Suiden und des Rindes. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 293 Eben so extrem wie der Cal. ist der Ast. des Kamels (Fig. 32) gestaltet. Die proximale Hälfte der lateralen Fläche dieses Kno- chens (pr) ist nicht nur von sehr beträchtlicher Länge, verläuft dorso-plantar-, proximo-distalwärts und stößt mit ihrem Plantar- ende in beträchtlicher Ausdehnung an den lateralen Rand der me- dialen Fläche des Knochens, sondern sie reicht an dem lateralen Rande der medialen Fläche des Knochens noch weiter distalwärts wie beim Rind. . Dies zeigt sich in Folgendem: Am Ast. des Rin- des endet der Distalrand der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Knochens ungefähr in der Mitte der lateralen Seite desselben. Distalwärts vor ihr liegt die »distale Fläche« des Knochens (di), dieselbe stößt nur an den lateralen Rand der medialen Fläche des Knochens, sonst liegt sie gänzlich frei. Beim Kamel ist die distale Fläche des Ast. (di) entsprechend derjenigen des Cal. bedeutend vergrößert und stößt nicht nur an den lateralen Rand der medialen Fläche des Knochens, sondern wird an ihrem dorsal-proximalen Rand völlig von der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Knochens umgeben, liegt also gewissermaßen zwischen dieser und der medialen Fläche des Knochens. Damit dies eintreten konnte, musste sich die proximale Hälfte der lateralen Fläche des Rinder- Ast. beim Kamel um ein beträchtliches Stück distalwärts verlängern. Ein zweiter Beweis: Beim Rinde liegt der distale Endpunkt der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. bei extremster Streckung des Gelenks einem Punkt des Cal.-Körpers gegenüber, welcher proximalwärts vom Proximal-dorsal-Ende der vorderen Fläche des Cal. gelegen ist (Fig. 222). Beim Kamel ragt bei der Gelenk- streckung das distale Ende der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. in den Proximal-Theil der vorderen Fläche des Cal. hin- ein (Fig. 23 2), ungefähr bis zu deren Mitte, aber nicht ganz so weit wie die distale Fläche des Cal. an diesem distalwärts reicht. Da beim Kamel weder die vordere noch die distale Fläche des Cal. eine bemerkbare Verschiebung am Knochen erfahren hat, so folgt, dass bei ihm die proximale Hälfte der lateralen Fläche des Ast. um das in der vorderen Fläche des Cal. gleitende Stück zu- genommen haben muss. — Die distale Hälfte der lateralen Fläche des Ast. (4) ist beim Kamel noch stärker reducirt wie die des Rindes, von ihr ist nur ein ganz geringer, kaum bemerkbarer, aber das Be- wegungscentrum des Ast. (A) tragender Zipfel an der distal-medialen Eeke der Fibula-Fläche des Knochens (5) zurückgeblieben ; die Lücke zwischen der distalen und proximalen Hälfte der lateralen 994 G. Tornier Fläche des Ast. ist bei ihm dadurch noch größer geworden wie beim Rind. — Es wurde ferner bei Betrachtung des Cal.-Ast.-Gelenks der Boviden aus einander gesetzt, dass der die vordere und Cub.-Fläche ihres Ast. trennende Rand ihres Ast.-Kopfes im Stadium extremer Hyperbeugung in die distale Fläche des Cal. hinabgleitet, beim Kamel findet sich nun statt dieses einfachen Randes eine scharf markirte Facette zwischen jenen beiden Flächen, die während der Hyperbeugung in die distale Fläche des Cal. hinabgeht; sie ist ohne Zweifel durch Verbreiterung jenes bei den Rindern einfachen Randes des Ast.-Kopfes hervorgegangen. Die starke Verlängerung des plantar-distalen Endes der proxi- malen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. beim Kamel, das starke Atrophiren der distalen Hälfte der lateralen Fläche seines Ast. und Cal., die bedeutende Vergrößerung seiner distalen Flächen an beiden Knochen, und die Verbreiterung des Randes seines Ast.-Kopfes zu einer besonderen Gelenkfläche weisen mit Entschiedenheit darauf hin, dass das Cal.-Ast.-Gelenk des Kamels in der Entwicklung der specifischen Artiodactylencharaktere noch extremer geworden ist wie dasjenige des Rindes. Es ist in ihm einmal die Befähigung zur Hyperbeugung ergiebiger geworden (Verlängerung des plantar-dista- len Endes der proximalen Hälfte der lateralen Fläche des Ast. und Verbreiterung des Randes des Ast.-Kopfes zu einer Fläche) und zweitens hat die horizontale Bewegung des Ast. in dem Gelenk noch mehr zugenommen (starke Vergrößerung der distalen Flächen der Knochen ete.). Das Erstere wird, wie ich später zeigen werde, zur Gewissheit erhoben bei der Betrachtung der medialen Fläche der Knochen, das Letztere wird außerdem bewiesen durch das Verhalten der beiden Bewegungscentra des Gelenks: Bei extremer Streckung des Gelenks liegen die Bewegungscentren fest auf einander gepresst; sobald nun der Ast. am Cal. die Hyperbeugung beginnt, verlässt sein Centrum das des Cal. und beschreibt wie beim Rind in der Richtung des Hyperbeugungskreises einen Bogen, der sich aber sehr wesentlich von demjenigen des Rindes dadurch unterscheidet, dass er das Centrum des Ast. viel stärker medianwärts führt. Diese starke Medianwärtsbewegung des Bewegungscentrum des Ast. wäh- rend der Hyperbeugung und eben so starke Lateralbewegung des- selben während der Streekung ist ein Beweis dafür, dass im Cal.- Ast.-Gelenk des Kamels die Horizontalbewegung des Ast. eine stär- kere geworden sein muss, wie in demjenigen der Boviden. Dies ergiebt sich auch aus folgender Betrachtung: Es wurde bereits bei Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 295 den Ursinen nachgewiesen, dass die Abnahme der vertikalen und Zunahme der horizontalen Bewegung im Ast.-Cal.-Gelenk eine Folge der Verkiirzung der vertikalen Achse des medialen Theils des Ast. sei. Wenn nun die horizontale Bewegung im Cal.- Ast.-Gelenk der Artiodactylen zunimmt je extremer dasselbe wird, dann muss bei den extremen und extremsten Artiodactylen eine bemerkliche Ver- kürzung der vertikalen Achse ihres medialen Ast.-Theils einge- treten sein. Das ist thatsächlich der Fall. Ein Blick auf die la- terale Seite des Ast. der verschiedenen Artiodactylen lehrt das sofort: Der Ast. des Hippopotamus bildet ein eiförmiges Ellipsoid mit nahe an einander liegenden Brennpunkten, der Ast. des Rin- des ist bereits viel gestreckter, besonders aber überwiegt in dem Ast. des Kamels der disto-proximale Durchmesser den vertikalen des Knochens in höchst auffälliger Weise. Es nimmt also während der Entwicklung des Cal.-Ast.-Gelenks der Artiodactylen der Verti- kaldurchmesser des medialen Ast.- Theils im Verhältnis zu dessen disto-proximalem Durchmesser an Länge ab, und desshalb die hori- zontale Bewegung des Ast. zu. Genau auf derselben Entwicklungsstufe wie das Kamel steht Camelopardalis giraffa L. Die untersuchten Artiodactylen bilden die Glieder einer thieri- schen Entwicklungsreihe, deren Ursprung im Hippopotamus, deren Endpunkt in dem Kamel und der Giraffe zu suchen ist. Jedes Individuum dieser Reihe, welches sich weiter von der Ursprungs- gruppe entfernt als ein anderes, bildet die specifischen Artiodactylen- charaktere der niedriger stehenden Individuen um ein Beträchtliches fort. Durch diese Fortbildung der specifischen Artiodactylencharak- tere wird bewirkt, dass die bereits bei den ältesten Repräsentanten der Gruppe in beträchtlichem Grade vorhandene Hyperbeugungsfähig- keit des Cal.-Ast.-Gelenks einem Maximum der Entwicklung zu- geführt wird. Die extremsten Artiodactylen besitzen also die am meisten hyperflexionsfähigen Cal.-Ast.-Gelenke. Es ist hochwichtig. dass die Entwicklung im Cal.-Ast.-Gelenk der Artiodactylen nach genau denselben Gesetzen erfolgt wie in dem entsprechenden Gelenk der Caniden, das analog durch extreme Entwicklung der Hyper- flexionsfähigkeit entstanden ist. In beiden Thiergruppen bleibt die ererbte Streckfähigkeit des Gelenks erhalten; die Quantität der er- erbten normalen Beugefähigkeit dessgleichen; wird aber außerdem noch durch die extreme Ausbildung der Hyperbeugung bedeutend ver- stärkt, und zwar nimmt die Hyperbeugungsfähigkeit des Gelenks zu, 296 G. Tornier je extremer die Artiodactylen und Caniden werden; endlich nimmt im Cal.-Ast.-Gelenk der beiden Gruppen der vertikale Durchmesser des sagittalen Bewegungskreises des Gelenks, d. h. der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils an Linge ab, und wiederum um so mehr, je weiter die Individuen sich von dem phylogenetischen Ausgangspunkt der Gruppe entfernen. Es wurde bereits bei Betrachtung des Cal.-Ast.-Gelenks der Caniden aus einander gesetzt, dass in einer Säugethiergruppe, deren Cal.-Ast.-Gelenkentwicklung durch die Tendenz beherrscht wird, die Hyperbeugungsfähigkeit des Stammgelenks ins Maximum zu stei- gern, die Entwicklung des Gelenks niemals zur Ausbildung solcher Gelenkformen führt, welche als Vorstufen des homologen mensch- lichen Gelenks angesehen werden dürfen, dass die von einer sol- chen Entwicklung betroffenen Individuen also keiner gelenkfortbil- denden Gruppe den Ursprung geben, sondern im Gegentheil von einer solchen ihre Abstammung herleiten und eine selbständige Ent- wicklungsrichtung einschlagen, die von der zum Menschen führenden mehr und mehr divergirt. Es wird dies um so wahrscheinlicher, wenn wir bedenken, dass in einem Cal.-Ast.-Gelenk, welches die Befähigung zu extremer Hyperbeugung besitzt, die Befähigung, die normale Beugung des Gelenks auszuführen, erloschen ist. Es wurde ferner bewiesen, dass die gelenkumbildende Gruppe der Caniden aus einer Stammgruppe mit ursinagleichem Cal.-Ast.-Gelenk hervorge- gangen sein kann; von welcher gelenkfortbildenden Gruppe stammen die Artiodactylen ab? Etwa von derselben Stammgruppe wie die Caniden ? Das Letztere ist nicht der Fall aus folgenden Gründen: Bei Be- ginn der Betrachtung des Cal.-Ast.-Gelenks der Artiodactylen wurde aus einander gesetzt, dass dasjenige des Hippopotamus, also das des niedrigst stehenden Artiodactylen in einer Anzahl von Charak- teren eine eigenthümliche Mittelstellung zwischen dem der Ursinen und Crocodilinen einnehme. Es weicht von dem der Ursinen in folgenden Punkten ab und nähert sich darin den Crocodilinen: An seinem Cal. hat der mediale Rand der lateralen Fläche eine sehr starke Abdachung plantarwärts, die mediale Fläche des Knochens steht nahezu senkrecht, ist jedenfalls sehr stark in dorso-plantarer Richtung geneigt; die vordere Fläche des Knochens steigt nahezu senkrecht von der Planta zum Dorsum des Knochens empor; die Fossa interarticularis liegt senkrecht. Die mediale Fläche des Ast. des Hippopotamus hat horizontale Lage und bildet die Plantarseite Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 297 des Knochens; die vordere und laterale Fläche des Ast. des Hippo- potamus dagegen stehen vertikal und befinden sich auf seiner la- teralen Seite. Die laterale und plantare Seite dieses Knochens bil- den einen rechten Winkel mit einander, so dass auf der ersteren nur der laterale Rand der medialen Fläche des Knochens sichtbar wird. Diese Stellung der Knochenseiten und der Gelenkflächen des Ast. des Hippopotamus verursacht eine frappante Übereinstimmung zwischen dem Cal.-Ast.-Gelenk des Hippopotamus und dem der Croco- dilinen. Aus dieser Stellung der Gelenkflächen des Ast. und Cal. bei Hippopotamus resultirt ferner die außerordentlich äbnliche Bewegung in dem Cal.-Ast.-Gelenk dieses Thieres und der Crocodilinen, näm- lich das Überwiegen der Sagittal- über die Horizontalbewegung des Ast. Alle diese Charaktere sind aber in letzter Instanz Folgen der Thatsache, dass bei Hippopotamus der vertikale Durchmesser des me- dialen Ast.-Theils verhältnismäßig bedeutend länger ist wie der gleiche Durchmesser des homologen Ursinengelenks (Fig. 10 und 9). In letzter Thatsache liegt der Beweis dafür, dass das Cal.-Ast.-Ge- lenk der Artiodactylen unmöglich von einem solchen gleich dem der Ursina abstammen kann: Bei Betrachtung der gelenkfortbildenden Gruppen wurde bereits bewiesen, dass von zwei Thiergruppen mit verschiedener Länge des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils immer diejenige phylogenetisch am niedrigsten steht, deren Vertikaldurchmesser der längste ist; es stehen also die Artiodac- tylen phylogenetisch niedriger wie die Ursinen. Man könnte hier einwerfen, es sei eine Riickentwicklung der Ursinen möglich, d. h. es habe der kurze Durchmesser des medialen Ast.-Theils der Ur- sinen an Länge wieder zugenommen, und auf diesem Wege seien die Artiodactylen entstanden, dagegen spricht aber, abgesehen von mehreren anderen Erwägungen, die Entwicklung der Artiodactylen selbst auf das allerentschiedenste: Während der Entwicklung je- der Thiergruppe, welche extrem die Charaktere der Hyperbeugung in ihrem Cal.-Ast.-Gelenk ausbildet, nimmt der Vertikaldurchmesser des medialen Ast.-Theils an Länge ab, dies geschieht auch bei den Artiodactylen, daher kann deren Cal.-Ast.-Gelenk nicht von einem gleich dem der Ursinen abstammen, weil in diesem Falle seine Ent- wicklung gerade entgegengesetzt seiner wirklichen Phylogenese ver- laufen müsste. Die gelenkfortbildende Gruppe, von der die Artio- dactylen abstammen, steht also den Crocodilinen phylogenetisch näher wie die Stammgruppe mit einem Gelenk gleich dem der Ursinen. Wenngleich die Stammgruppe der Artiodactylen phylogenetisch 398 G. Tornier den Crocodilinen nahe steht, so steht sie doch mit ihnen nicht auf derselben Entwicklungsstufe: Wegen seines Cal.-Halses, wegen der Reibflache der Crista caps. auf dem proximalen Rand der medialen Fläche des Cal., wegen der Unterbrechung dieses Randes zwischen jener Reibfläche und dem medialen Rande der lateralen Fläche des Cal. und wegen der geringeren Länge des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils nähert sich der Hippopotamus den Ursinen und Menschen und weicht eben so weit von den Crocodilinen ab. Diese Charaktere beweisen: 1) dass bei den Artiodactylen, sowie auch in der Stammgruppe derselben die Quantität der ererbten nor- malen Beugung des Cal.-Ast.-Gelenks geringer ist wie bei den Crocodilinen (denn im Cal.-Ast.-Gelenk der Thiere mit extremer Hyperbeugung bleibt die von ihnen durch die Stammgruppe ererbte normale Beugefähigkeit des Gelenks erhalten, ist dieselbe daher in dem Gelenk der Descendenten gering, so war sie auch in der Stammgruppe gering), 2) beweisen jene Charaktere, dass bei den Artiodactylen im Cal.-Ast.-Gelenk die sagittale Bewegung des Ast. gegenüber der horizontalen Bewegung desselben an Ergiebigkeit ge- ringer ist wie bei den Crocodilinen; dass mit anderen Worten die Artiodactylen und ihre Stammgruppe sich um einige Entwicklungs- stufen dem Menschen genähert haben. Es stehen also die Artiodac- tylen und die Stammgruppe derselben auf einer, zwischen derjenigen der Crocodilinen und Ursinen liegenden Entwicklungsstufe. Es wäre nun noch zu eıklären, warum bei den Artiodactylen der proximale Rand der lateralen Fläche des Cal. vor dem proxi- mal-dorsalen Rand der medialen Fläche des Knochens liegt, während dies bei sämmtlichen bisher untersuchten Thieren nicht der Fall ist. Die Ursache liegt, wie mir scheint, in der Entstehung der Firste dieser Fläche. Es wurde von mir bereits früher bei Betrachtung des Cal.-Ast.-Gelenks der Caniden darauf hingewiesen, dass. dieselbe entstanden sei, weil die Mitte der bei der Stammgruppe der Caniden in disto-proximaler Riehtung dorsalwärts kugelig gewölbten lateralen Fläche des Cal. wegen mangelnden Druckes bei der Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Nachkommen, der Caniden, atrophirt sei, und dass in Folge dessen die Endabschnitte der Fläche gegen ein- ander rückten. — Da die Hyperbeugung eines Cal.-Ast.-Gelenks aus dem Maximum seiner normalen Beugung ihren Ursprung nimmt, so bleibt bei extremer Ausbildung der Hyperbeugung des Gelenks das distale Ende der lateralen Fläche des Cal. (wie aus der Entstehung der distalen Randflächen der Caniden ersichtlich ist), in facto in seiner Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 299 urspriinglichen Lage erhalten, es wird daher die Firste in der late- ralen Fläche des Cal. der Nachkommen nur durch Distalwärtsrücken des proximalen Endes der lateralen Fläche des Stammgelenks er- zeugt, wodurch allerdings deren beide Gelenkflächenränder einander genähert werden. | In ähnlicher Weise wie im Cal.-Ast.-Gelenk der Caniden ist zweifellos die Firste der lateralen Fläche am Cal. der Artiodactylen entstanden: auch hier ist das distale Ende der Stammfläche in seiner ursprünglichen Lage erhalten worden, weil es das Centrum für die Hyperbeugung trägt. Da die Stammgruppe der Caniden phylogenetisch höher steht wie die der Artiodactylen, d. h. in der ersteren die normale Beugefähigkeit des Gelenks geringer ist wie in der letzteren, muss die laterale Fläche des Cal. der Stammform der Caniden kürzer gewesen sein, wie die laterale Fläche am Cal. der Stammgruppe der Artiodactylen, in Folge dessen ist bei den Caniden ein kürzeres Mittelstück dieser Fläche atrophirt wie bei den Artiodactylen, woraus dann hervorgeht, dass der proximale Rand der lateralen Fläche am Cal. der Artiodactylen stärker distalwärts fortgerückt sein muss, wie an dem der Caniden. Auf diese Weise lässt sich, glaube ich, die auffällige Thatsache, dass der proximale Rand der lateralen Fläche am Cal. der Artiodactylen vor dem proximal- dorsalen Rand seines Sustentaculums liegt, aus positiven Thatsachen ohne Zwang befriedigend erklären. <) Das Cal.-Ast.-Gelenk der Perissodactylen. Bei Equus caballus besitzt der Cal. (Fig. 34), gleich demjenigen aller bisher untersuchten Thiere, drei Gelenkflächen für den Ast. Die Stellung dieser Gelenkflächen am Knochen und zu einander ist die normale: es liegt die laterale Fläche des Knochens auf dem Körper desselben, seine mediale Fläche tritt als Anhang an seiner medialen Seite und seine vordere Fläche als Reibfläche an der me- dialen Seite seines Kopfes auf. An diesen Gelenkflächen des Cal. ist Folgendes charakteristisch: Der distale Rand der lateralen Fläche und der Dorsalrand der Cub.-Fläche des Knochens stoßen nicht an einander, sondern sind durch einen beträchtlichen Hals von einander geschieden, in Folge dessen berühren sich auch die vordere und laterale Fläche des Cal. nicht, sondern sind durch einen Zwischenraum von einander getrennt; ferner endet die laterale Fläche des Cal. proximalwärts 300 G. Tornier unmittelbar hinter dem proximalen Rand der medialen Fläche des Knochens; dieser Rand stößt außerdem nicht geradlinig wie der der Crocodilinen an den medialen Rand der lateralen Fläche des Knochens, sondern ist von demselben durch eine Einsenkung getrennt; und endlich findet sich zwischen der medialen und vorderen Fläche des Cal. der Pferde eine nicht artikulirende Grube. Diese Charaktere sind nicht für den Cal. des Pferdes specifisch, sondern finden sich in ähnlicher Weise bei sämmtlichen bisher untersuchten Säugethieren; sie beweisen, dass im Cal.-Ast.-Gelenk des Pferdes, ähnlich wie in dem homologen Gelenk aller bisher untersuchten Säugethiere, die aus einem Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen ererbte normale Beugefähigkeit des Gelenks bedeutende Reduktion erfah- ren hat. Es genügt ferner ein Blick auf das Cal.-Ast.-Gelenk der Equi- den, um erkennen zu lassen, dass dieses Gelenk zur Ausführung extremer Hyperbeugung wohl befähigt ist, aus folgenden Gründen: die laterale Fläche des Cal. der Pferde besitzt diejenige Form, welche typisch für alle bis jetzt untersuchten Hyperbeugungsgelenke war, sie ist zusammengesetzt aus zwei dachartig in einer Firste zusammen- stoßenden Hälften (¢ und pr). Von dem distalen Rand der distalen ‘Hälfte dieser Fläche ausgehend (4%), erstreckt sich außerdem ein zungenartiger, sehr stark entwickelter, horizontal liegender, dritter Abschnitt der lateralen Fläche auf den Hals des Cal. Der Ast. des Pferdes hat entsprechend dem Cal. eine aus drei Abschnitten zu- sammengesetzte laterale Fläche. Sobald die Beugung im Gelenk beginnt, pressen sich die auf dem Hals des Cal. und an dem dista- len Rand der lateralen Fläche des Ast. liegenden zungenartigen Ab- schnitte der lateralen Flächen des Ast. und Cal. fest auf einander und der Ast. führt alsdann um diese Gelenkflächen als Bewegungs- centra eine Kreisbewegung aus (Pfeilrichtung) und zwar resultirt diese Kreisbewegung des Ast. aus der Verbindung einer abducirenden Ho- rizontalkreisbewegung und einer beugenden Sagittalkreisbewegung des Knochens. Rufen wir uns den Unterschied zwischen der normalen und der Hyperbeugung des Cal.-Ast.-Gelenks ins Gediichtnis, so wird es zweifellos, dass das Cal.-Ast.-Gelenk der Pferde ein typisches Hy- perbeugungsgelenk ist und dass die distalsten Abschnitte der latera- len Fläche des Cal. und Ast. der Equiden, um welche die Hyper- beugung stattfindet, homolog sind den Hyperflächen der Caniden und Ursinen. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 301 Weil nun die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Pferde nicht um unmittelbar in den distalen Abschnitten der lateralen Flächen des Ast. und Cal. liegende Punkte, wie bei den Artiodactylen, sondern in Flächen stattfindet, welche auf den distalen Rändern der lateralen Flächen des Ast. und Cal. liegen, steht das Cal.-Ast.-Gelenk der Equiden in diesem Charakter denjenigen der Ursinen und Caniden näher wie dem der Artiodaetylen und da die Säugethiere, welche ein Cal.-Ast.-Gelenk mit extremer Hyperbeugung besitzen, von gelenk- fortbildenden Thiergruppen abstammen, so müssen wir schließen, dass die Equiden ihre Abstammung einer gelenkfortbildenden Thiergruppe verdanken, deren laterale Flächen bei der Hyperbeugung mit ihren distalen Rändern auf einander gepresst wurden, aus welchem Grunde diese Stammgruppe der Pferde der Stammgruppe mit einem Cal.- Ast.-Gelenk gleich dem der Ursinen näher steht wie der Stammgruppe der Artiodactylen. Wenn nun auch die Equiden, weil sie ein Cal.-Ast.-Gelenk mit Hyperflächen besitzen, den Ursinen und Caniden desshalb näher stehen, wie den Artiodactylen, stehen sie mit ersteren doch nicht auf ein und derselben Entwicklungsstufe. Es ist nämlich auf den ersten Blick ersichtlich, dass am Cal. der Equiden die Medianabdachung der lateralen Fläche bedeutend stärker, die Lage der medialen Fläche viel steiler, die Lage der vorderen Fläche und der Facies interartieularis bedeutend vertikaler ist wie bei den Ursinen; endlich ist auch die mediale Fläche ihres Cal. mit ihrem Distalrand noch gar nicht dorsalwärts am Knochen erhoben. Alle diese Charaktere weisen mit Entschiedenheit darauf hin, dass bei den Equiden der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils verhältnismäßig län- ger sein muss wie bei den Ursinen und Caniden, das lehren auch Transversaldurchschnitte durch den Ast. und Cal. der Equiden (Fig. 15), wenn man dieselben mit homologen Transversalschnitten durch den Tarsus der Ursinen vergleicht; ferner beweisen es gewisse, später noch näher zu besprechende Charaktere der medialen Fläche des Ast. ‚und Cal. der Equiden. Andererseits wiederum ist die Länge des verti- kalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils der Equiden durchaus nicht so extrem vorherrschend wie bei den Artiodactylen; auch dies wird am besten erkannt an den entsprechenden Querschnitten, aus wel- chen man ersieht, dass, während bei den Artiodactylen (Fig. 10) die laterale und mediale Fläche des Ast. in zwei senkrecht auf einander stehenden Ebenen liegen, diese beiden Flächen bei den Equiden nur einer, allerdings mit ihrem Medianende stark plantarwärts geneigten 303 G. Tornier Ebene angehören, wodurch die Equiden wiederum ihre Mittelstellung zwischen Artiodactylen und Ursinen dokumentiren. Auch in den Gelenkbewegungen unterscheidet sich Equus von Ursus und den Caniden durch sekundäre Charaktere. Bekanntlich stößt bei den letztgenannten Individuen im Maximum der Hyper- beugung die stark plantarwärts über die Plantarseite des Ast. hinaus- ragende Tuberos. des Lig. tib.-ast.-nav. an den Distal-medial-Rand des Sustentaculum tali und hemmt so die Bewegung; bei den Equiden liegt diese Tuberos. noch so hoch dorsalwärts an der Medialseite des Ast., dass sie die Plantarseite des Knochens gar nicht erreicht und schon desshalb während der Hyperbeugung des Gelenks nicht an das Sustentaculum tali stoßen könnte, da aber außerdem im Cal.- Ast.-Gelenk der Equiden die Sagittalbewegung weit größer, die Hori- zontalbewegung geringer ist wie in dem homologen Gelenk der Ca- niden, wird der Kopf des Ast. während der Hyperbeugung des Ge- lenks bei den Equiden viel weniger aus der disto-proximalen Be- wegungsrichtung abgelenkt wie bei den Caniden, in Folge dessen geht die Tuberos. des Lig. tib.-cal.-nav. bei den Equiden in disto- proximaler Richtung an der Medialseite des Sustentaculum entlang, ohne dasselbe zu berühren, während sie bei den Caniden durch die stärkere Lateralwärtsbewegung gegen dessen medialen Rand ge- drückt wird. Da bei den Artiodactylen ähnlich wie bei den Equiden die Tuberos. des Lig. tib.-cal.-nav. so hoch dorsalwärts an der Medial- seite des Ast. liegt, dass sie die Plantarseite des Ast. nicht erreicht, und da sie bei diesen Thieren außerdem wegen der vorwiegend sagittalen Bewegung ihres Gelenks während dessen Hyperbeugung an der Medialseite des Sustentaculum tali entlang geht, ohne dasselbe zu berühren, so steht auch in diesem Charakter das Cal.-Ast.-Gelenk der Equiden in der Mitte zwischen dem der Artiodactylen und Ursina resp. Caniden. Die Variabilität im Cal.-Ast.-Gelenk der von mir untersuchten Equiden ist gering, bei einigen Pferden, z.B. der Araberstute ( Z. M. Nr. 3314), ist an dem medialen Ende der Firste der lateralen Flächen ein ziemlich weit in die Gelenkflächen hineinspringender, schmaler Gelenkknorpelstreif atrophirt, ein Vorkommnis, das wie ähnliche Erscheinungen an den betreffenden Stellen des Cal.-Ast.-Gelenks der Caniden, darauf hinweist, dass an dieser Firste die lateralen Flächen nur einen verhältnismäßig geringen Druck auf einander ausüben. Bei dem Araberpferde haben sich ferner die Hyperflächen Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 303 des Ast. und Cal. von den lateralen Flächen dieser Knochen durch Atrophie des verbindenden Gelenkknorpels losgelöst. Die Ursache dieser Variationen wird klar, wenn man die medialen Flächen des Cal. und Ast. des Araberpferdes mit denen eines gewöhnlichen Arbeitspferdes vergleicht: Während bei dem Arbeitspferde die mediale Fläche des Cal. an ihrem distalen Ende breiter wie an ihrem proxi- malen Ende ist, an ihrem distalen Rande abgestumpft, an ihrem proximalen abgerundet erscheint, ist diese Fläche bei dem Araber- pferde am distalen Ende abgerundet, d. h. verhältnismäßig schmal, an ihrem proximal-lateralen Rande hat sie dagegen um eben so viel an Größe zugenommen, daraus geht hervor, dass bei dem Araber- pferde die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk und wie es scheint besonders die abducirende Horizontalbewegung des Gelenks etwas stärker ausgebildet ist, wie bei dem Arbeitspferde, was weiter nicht auffällig erscheint, wenn man bedenkt, dass die Araberpferde haupt- sächlich oder ausschließlich »Rennpferde« sind. — Genau dieselben Charaktere, nur noch etwas extremer ausgebildet, finden sich in dem Cal.-Ast.-Gelenk des mir vorliegenden Equus Zebra (Z. MW. Nr. 1264); hier sind die distalen Randflächen der beiden Knochen deutlich von ihren lateralen Flächen getrennt, die mediale Fläche des Cal. er- scheint an ihrem distalen Ende scharf schnabelartig zugespitzt, wäh- rend sie in ihrem proximal-lateralen Theil so extrem an Größe zuge- nommen hat, dass sie mit demselben fast unmittelbar an den medialen Rand der lateralen Fläche des Knochens stößt. Also im Cal.-Ast.-Ge- lenk des vorliegenden Zebras ist die Hyperbeugung eben so groß oder vielleicht selbst um ein Geringes größer wie in dem der Araberstute. Das Hipparion steht den Equiden in der Bildung seines Cal.- Ast.-Gelenks so nahe, dass bemerkenswerthe Unterschiede in den Gelenken dieser beiden Thiergruppen nicht auffindbar sind. Bei Hipparion besitzen nach meiner Überzeugung selbst die Hyperflächen des Gelenks dieselbe Größe und Ausbildung wie bei den Equiden, sie zeigen sogar bei einigen von Herrn Prof. Dames in Pikermi ge- sammelten Individuen die Tendenz zur Loslösung von der ihnen zu- gehörigen lateralen Fläche des Knochens. Das Cal.-Ast.-Gelenk variirt bei den Vertretern der Gattung Hipparion darin, dass einzelne Individuen mehr den Arbeitspferden, andere mehr dem Araberpferd und Zebra nahe stehen. Arten der Perissodactylengattung Anchitherium lagen mir zur Untersuchung nicht vor. Paläotherien, Tapiriden und Rhinozeriden: Dass die Morpholog. Jahrbuch. 14. 20 304 G. Tornier Paläotherien, Tapiriden und Rhinozeriden mit den Equiden zu ein und derselben Säugethiergruppe gehören, ist bereits von anderer Seite so überzeugend nachgewiesen worden, dass ein soleher Nachweis von meiner Seite überflüssig erscheint, ich beschränke mich desshalb darauf zu konstatiren, dass das Cal.-Ast.-Gelenk dieser Thiere in allen fundamentalen Charakteren mit dem der Equiden übereinstimmt, wenn auch einige bemerkenswerthe Unterschiede zwischen ihnen sich geltend machen. Das Cal.-Ast.-Gelenk der Tapiriden (Fig. 33), Paläotherien und Rhinozeriden besitzt wie das der Equiden extrem entwickelte Be- fähigung zur Hyperbeugung. Dies wird sofort klar, wenn man die lateralen Flächen dieser Thiere in Augenschein nimmt. Dieselben bestehen nämlich wie die der Equiden aus drei Abschnitten, von denen zwei (d und pr) in einer Firste dachartig zusammenstoßen, während der dritte (4) als horizontal liegende Ausbuchtung des distalen Randes der distalen Hälfte der lateralen Flächen erscheint. Dieser Abschnitt, welcher bei den Equiden eine verhältnismäßig be- trächtliche Größe besitzt, ist bei den Paläotheriden und Tapirus ver- hältnismäßig klein, trotzdem aber wohl entwickelt und so gut wahr- nehmbar, dass es schwer begreifbar erscheint, woher es kommt, dass ein so genialer Beobachter wie KOWALEVSKY dessen Existenz bei den Paläotherien direkt in Abrede stellt. Dass diese kleinen Ausbuchtungen der distalen Ränder der la- teralen Flächen des Cal.-Ast.-Gelenks der Paläotherien und Tapi- riden homolog den Hyperflächen der Equiden sind, wird zweifellos klar, sobald man in den erwähnten Gelenken jener Säugethier- gruppen Beugebewegungen auszuführen versucht; während der Dauer derselben liegt nämlich in jenen Ausbuchtungen das Bewegungscen- trum des Gelenks, um welches der Ast. als Einheit in seinen drei Flächen am Cal. Beugebewegungen ausführt, welche genau denjeni- gen in dem homologen Gelenk der Equiden entsprechen: es ist also das Cal.-Ast.-Gelenk der Tapiriden und Paläotheriden ein Hyper- beugungsgelenk; die geringe Größe der distalen Randflächen dieser Thiere beweist aber, dass in ihrem Cal.-Ast.-Gelenk die Befähigung zur Hyperbeugung nicht so extrem ausgebildet ist wie in dem homo- logen Gelenk der Equiden. Bei den Paläotherien, und zwar sämmtlichen Individuen der reichhaltigen Sammlung des Berliner Paläontologischen Museums zeigt die vordere Fläche des Cal., sowie diejenige des Ast. einen höchst eigenthümlichen Anhang an ihrem plantaren Rande, wodurch der Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 305 letztere der distal-lateralen Ecke der medialen Fläche des betreffen- den Knochens so stark genähert wird. dass zwischen beiden Flächen nur ein ganz geringer, nicht artikulirender Zwischenraum erhalten bleibt. Bei den Tapiriden ist dieser Anhang (7,9) am plantaren Rande der vorderen Fläche der beiden Knochen so stark entwickelt, dass bei ihnen der letzte Rest jenes nicht artikulirenden Zwischenraumes, welcher sonst z. B. bei den Equiden die vordere und mediale Fläche des Cal. resp. Ast. trennt, durch Überknorpelung überbrückt er- scheint, so dass desshalb die vordere und mediale Fläche an bei- den Knochen des Cal.-Ast.-Gelenks der Tapiriden unmittelbar in einander überzugehen scheinen. Jene Gelenkflächen behalten fak- tisch ihre ursprüngliche Form, denn ihre an der Verwachsung Theil nehmenden Ränder sind als schmale Rinnen in der nunmehr einheitlichen Gelenkfläche deutlich wahrnehmbar und haben norma- len Verlauf. Bei den Tapiriden findet sich außerdem an dem proxi- malen Rand der lateralen Fläche des Cal. (ss) eine kleine, neu ent- standene Gelenkfläche, auf welcher der proximale Rand der lateralen Fläche des Ast. mit einer entsprechenden, neu entstandenen Fläche bei extremer Streckung des Gelenks artikulirt, während im Stadium der Hyperbeugung diese beiden Flächen ihren Kontakt vollständig verlieren; dieselben sind also während der Streckung des Gelenks entstanden und wegen ihrer Lage und Funktion zweifellos homolog den »proximalen Randflächen« des Cal.-Ast.-Gelenks der Caniden (ss). Es fragt sich nun, welche Ursachen bewirken bei den Paläo- therien, Tapiriden und Rhinozeriden die Entstehung des Gelenkknor- pels, welcher den Zwischenraum zwischen der vorderen und medialen Fläche ihres Ast. resp. Cal. überbrückt, und wesshalb erfährt der- selbe bei den Tapiriden eine beträchtliche Vergrößerung? Für den Nachweis der Entstehungsursache jenes Gebildes ist eine vorangehende Hinweisung auf die charakteristische Gestalt des- selben unerlässlich: Der überbrückende Knorpel zwischen der me- dialen und vorderen Fläche des Cal. der Tapiriden setzt sich nicht mit homogener Oberfläche von einer jener Flächen zur anderen fort, sondern zeigt in seinem oberen Drittel eine starke Knickung seiner Oberfläche, und zwar liegt der unmittelbar an die vordere Fläche des Cal. stoßende Theil des überbrückenden Knorpels (7) im We- sentlichen horizontal, während der dem distal-lateralen Rande der medialen Fläche des Knochens angelagerte Theil jenes Knorpels (g) latero-medianwärts streicht und dorso-plantarwärts geneigt erscheint, 20* 306 G. Tornier wodurch sein an die mediale Fläche des Knochens anstoßendes Ende am tiefsten plantarwärts zu liegen kommt. Der entsprechende Knor- pel am Ast. der Tapiriden hat eine entsprechende Form, d. h. einen horizontal liegenden lateralen und einen dorso-plantarwärts geneigten medialen Theil, und es zeigt sich ferner das interessante Faktum, dass jene durch eine Grenzlinie von einander getrennten Abschnitte des überbrückenden Knorpels des Ast. nur auf den entsprechenden und gleichnamigen Abschnitten, dagegen niemals auf dem benach- barten Abschnitte des überbrückenden Knorpels des Cal. gleiten. Macht man Streck- und Beugebewegungen im Cal.-Ast.-Gelenk der Tapiriden, so zeigt sich, dass bei der geringsten Streckbewe- gung der laterale Abschnitt des tiberbriickenden Gelenkknorpels des Ast. (/) sich von dem gleichnamigen Knorpel des Cal. entfernt, so dass also diese beiden Knorpel während der Gelenkstreckung niemals an einander liegen, dagegen pressen sie sich, sobald die Gelenkbeugung beginnt, fest auf einander und bleiben in dieser Lage, so lange diese Beugung andauert. Es ist also nach dem Gesetz vom Gebrauch und Nichtgebrauch der Gelenkflächen, dieser Theil des verbindenden Ge- lenkknorpels während der Beugung des Gelenks entstanden. Ent- gegengesetzt ist das Verhalten der medialen (g), an die Ränder der medialen Fläche der Knochen anstoßenden Abschnitte der über- brückenden Knorpel. Diese beiden Abschnitte pressen sich im Sta- dium der Gelenkstreckung fest auf einander und der des Ast. gleitet auf dem des Cal. entlang, während sie bei der Beugung schrittweise bloßgelegt werden und im Stadium extremster Beugung völlig außer Kontakt gerathen. Hieraus geht hervor, dass diese Abschnitte der überbrückenden Knorpel während der Streckung des Cal.-Ast.-Ge- lenks entstanden sein müssen; sie sind also homolog den auf die- selbe Weise entstandenen »distalen Flächen« des Cal.-Ast.-Gelenks der Artiodactylen und dem überbrückenden Knorpel des Ast. der Caniden und des Ast. und Cal. einiger Ursinen. Dem lateralen Abschnitt der überbrückenden Knorpel des Cal.- Ast.-Gelenks der Tapiriden und Paläotherien ist keine der Gelenk- flächen des gleichen Artiodactylen-, Ursinen- und Canidengelenks direkt homolog; analog dagegen ist ihnen die »Randfläche« des Ast.- Kopfes der extremen Artiodactylen, welche, wie bekannt, durch Ver- breiterung des die vordere und Cub.-Fläche des Ast. trennenden einfachen Randes des Ast.-Kopfes der niederen Artiodactylen in Folge der Zunahme der Hyperbeugung des Gelenks entstanden ist. Die Lage dieser Randfläche am Ast. der extremen Artiodactylen ist Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Siiugethier-HintergliedmaBen. 307 ganz ähnlich derjenigen, welche der laterale Abschnitt des über- brückenden Knorpels am Ast. der Tapiriden einnimmt: der letztere liegt nämlich eingekeilt zwischen die Plantarränder der vorderen und Cub.-Fläche des Knochens und es würde bei den Tapiriden ähnlich wie bei den Artiodactylen der die unmittelbare Fortsetzung dieses Ab- schnittes bildende, die vordere und Cub.-Fläche des Knochens trennende laterale Rand des Ast.-Kopfes unzweifelhaft Gelenkflächencharaktere annehmen, wenn die Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Tapi- riden an Ergiebigkeit wachsen würde: denn bis jetzt beträgt, wie Autopsie lehrt, der proximalwärts geöffnete Winkel, welchen die Längsachse des Ast. der Tapiriden mit derjenigen ihres Cal. bei extremster Hyperbeugung des Gelenks bildet, wenig mehr als 45°, erreicht also nicht annähernd die Größe von 90°, welche er bereits bei den niedrigsten Artiodactylen besitzt, während er bei extremeren größer wie ein Rechter ist. Wegen dieser geringen Ergiebigkeit der Hyperbeugung ihres Cal.-Ast.-Gelenks stehen die Tapiriden den Ur- sinen und Caniden näher wie den Artiodactylen. Es ist nachgewiesen worden, dass die »distalen Flächen« am Cal. und Ast. der Artiodactylen und die Überknorpelung des Zwischen- raumes zwischen vorderer und medialer Fläche des Ast. bei den Caniden entstanden sind durch Zunahme der Horizontalbewegung in dem Cal.-Ast.-Gelenk jener Thiere; was in letzter Instanz darauf zurückzuführen ist, dass sowohl bei Caniden wie Artiodactylen wäh- rend der Phylogenese des Gelenks der vertikale Durchmesser des me- dialen Ast.-Theils gegenüber demjenigen des lateralen Ast.-Theils schrittweise Verkürzung erfährt. — Dass die lateralen Abschnitte (7) des überbrückenden Gelenkknorpels im Cal.-Ast.-Gelenk der Paläo- therien und Tapiriden gleichfalls einer stärkeren Horizontalbewegung des Gelenks, d. h. in letzter Instanz einer Verkürzung des vertikalen Durchmessers ihres medialen Ast.-Theils, ihre Entstehung verdanken, wird sofort klar, wenn man den Ast. dieser Thiere mit dem Ast. der Equiden und des Hipparion vergleicht. Diesen gegenüber erscheint der Ast. der Paläotherien und Tapiriden ungemein stark dorso- plantarwärts zusammengedrückt und in der That ist bei den Paläo- therien und Tapiriden der vertikale Durchmesser des medialen Ast.- Theils im Wesentlichen von derselben Länge wie der entsprechende Durchmesser des lateralen Ast.-Theils (Fig. 14), während bei Hip- parion und Equus der erstere den vertikalen Durchmesser des lateralen Ast.-Theils sehr bedeutend an Länge übertrifft. Es giebt noch einen Beweis für die Richtigkeit der Angabe, 308 G. Tornier dass im Cal.-Ast.-Gelenk der Tapiriden die Horizontalbewegung eine starke ist, es findet sich nämlich bei ihnen am medialen Rande der distalen Hälfte der lateralen Fläche des Cal. eine kleine Gelenk- fläche (x), an welche eine entsprechende, an der lateral-proximalen Ecke der medialen Fläche des Ast. liegende Gelenkfläche angepresst wird, sobald der Ast. im Maximum seiner Hyperbeugung angelangt ist. Da diese beiden kleinen Gelenkflächen vertikal stehen und in derselben Lage an einander stoßen, so verhindern sie jede fernere Zunahme der Hyperbeugung des Gelenks. Damit der Ast. der Tapiriden mit dieser seiner Gelenkfläche in die gegnerische Fläche des Cal. gelangt, muss er mit seinem proxi- malen Ende eine fast ausschließlich medio-lateralwärts verlaufende Bewegung ausführen, was beweist, dass diese Bewegung im Cal.- Ast.-Gelenk der Tapiriden möglich ist. Ich nenne die eben beschriebenen Flächen (x) die »proximalen Flächen« der beiden Knochen. In der Ausbildung derjenigen Charaktere, welche das Cal.-Ast.- Gelenk der Tapiriden und Paläotherien von demjenigen der Equiden und des Hipparion unterscheiden, geht das Rhinozeros noch einen Schritt über die Tapiriden hinaus. Beim Rhinozeros sind die vor- deren und medialen Flächen des Cal. sowie Ast. durch überbrückenden Gelenkknorpel untrennbar mit einander vereinigt; die lateralen Flä- chen dieses Perissodaetylen, welche nur äußerst schwach entwickelte Firsten, dagegen gut entwickelte distale Randflächen besitzen, sind an ihren medialen Rändern mit den lateralen Rändern der ihnen be- nachbarten medialen Flächen fest verwachsen und zwar geschieht dies, indem die betreffende mediale Fläche an ihrer proximal-lateralen Ecke bedeutende Größenzunahme erfährt, wodurch ihr lateraler Rand allmählich bis zur lateralen Fläche ihres Knochens vorgeschoben wird; der Ast. selbst ist in einem ganz ungewöhnlichen Maße dorso- plantarwärts zusammengedrückt. Alle diese Charaktere beweisen, dass bei den Rhinozeriden sowohl die abducirende wie addueirende Horizontalbewegung des Cal.-Ast.-Gelenks noch extremer entwickelt sein muss und entwickelt ist wie bei den Tapiriden. Das Resultat meiner bisherigen Untersuchungen über das Cal.- Ast.-Gelenk der Perissodaetylen ist folgendes: I) Die Perissodactylen insgesammt sind Thiere, deren Cal.-Ast.- Gelenk die Befähigung zur Ausführung extremer Hyperbeugung be- sitzt. Aus der Größe der distalen Randflächen und aus der Bildung der lateralen Flächen bei den einzelnen Gattungen dieser Thiergruppe Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 309 ergiebt sich außerdem, dass diese Befähigung bei den Tapiriden und Rhinozeriden am geringsten, bei den Paläotherien stärker, beim Hip- parion und den Equiden bis zum Maximum entwickelt ist. 2) Die Perissodaetylen zerfallen entsprechend der Verschiedenheit in der Ausbildung ihres Cal.-Ast.-Gelenks, und entsprechend der dadurch bei ihnen hervorgerufenen Verschiedenheit in den Bewegungen dieses Gelenks in zwei Gruppen: a) Perissodaetylen mit starker abducirender und addueirender - Horizontalbewegung im Cal.-Ast.-Gelenk (bedingt ist dieselbe durch die verhältnismäßige Kürze des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils dieser Thiere): Paläotherien, Tapiriden, Rhinozeriden. Bei den Paläotherien sind diese Gelenkcharaktere am geringsten, bei den Rhinozeriden am stärksten entwickelt, die Tapiriden stehen in der Mitte. b) Perissodactylen mit vorwiegender Sagittalbewegung im Cal.- Ast.-Gelenk (bedingt durch die verhältnismäßig beträchtliche Länge des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils dieser Thiere): Hipparion, Equus und Anchitherium. Über die Verwandtschaftsgrade, in welchen die untersuchten Perissodactylen zu einander stehen, will ich erst in einem der fol- genden Abschnitte dieser Arbeit Untersuchungen anstellen, wenn die Entwicklung der anderen Fußgelenke dieser Thiere von mir be- sprochen worden ist. ¢) Cal.-Ast.-Gelenke mit normalen, aber quantitativ sehr beschränkten Beuge- und Streckbewegungen: Macropus, Dendrolagus, Thylacinus und Dasyurus. Macropus albogularis besitzt für den Ast. an seinem Cal. die für dieses Gelenk typischen drei Gelenkflächen (Fig. 36): die auf dem Körper des Cal. gelegene laterale Fläche (7); die als Gleitstelle an der medialen Seite seines Kopfes befindliche vordere (v) und die aus seiner medialen Seite als Anhang vorspringende mediale Fläche (m)". — Die laterale Fläche reicht mit ihrem distalen Rande nicht unmittel- bar an den Dorsalrand der Cub.-Fläche des Knochens, sondern ist 1 Fig. 36 stellt in facto den Cal. des Macropus giganteus, nicht den des Macropus albogularis dar, doch stehen beide Thiere in der Bildung ihrer Cal.- Ast.-Gelenke so ungemein nahe, dass dieselben mit einander verwechselt wer- den können. Denkt man sich in Fig. 36 die Flächen ¢ und ?’ hinweg, so hat man ein genaues Abbild des Cal. des Macropus albogularis. 310 G. Tornier von demselben durch einen nicht artikulirenden Zwischenraum ge- trennt. Der Cal. des Macropus besitzt also einen »Hals«, der jedoch im Vergleich zu dem der Placentalthiere von nur geringer Länge ist. Der Proximalrand der lateralen Fläche des Cal. dieser Beutelthiere endet gleich demjenigen aller anderen Säugethiere unmittelbar hinter dem Proximal-Dorsal-Rand der medialen Fläche des Knochens: die laterale Fläche des Cal. des Macropus albogularis ist daher homolog dem proximalen Abschnitt der entsprechenden Fläche der Crocodilinen. — Es ist ferner ein sehr wichtiges Faktum, dass die Beuge- und Streckbewegungen des Ast. am Cal. bei Macropus genau in derselben Weise wie die entsprechenden Beugungen im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen, der Ursina und des Menschen, d. h. als Kreisbewegungen um ein in der Fossa interarticularis liegendes Centrum verlaufen (Fig. 36 x und Richtung der Pfeile). Es gleitet nämlich der Ast. des Macropus, sobald er aus dem Maximum seiner Beugestellung in Streekung übergeht, in der lateralen Fläche des Cal. um jenes Centrum in proximo-distaler Richtung, wobei das proximale Ende seiner lateralen Fläche plantarwärts gesenkt und ein wenig median- wärts abgelenkt, deren distales Ende dorsalwärts erhoben und etwas lateralwärts bewegt wird. In der medialen Fläche des Cal. verläuft die Bewegung proximo-distalwärts mit starker Senkung in dorso-plantarer Richtung, wobei das distale Ende der medialen Fläche des Ast. etwas gegen die mediale Seite des Cal. addueirt, das proximale entspre- chend weit abdueirt wird. — An der vorderen Fläche des Cal. schiebt sich der Kopf des Ast. in proximo-distaler Richtung nahezu senk- recht planto-dorsalwärts empor, wobei die vorderen Flächen der beiden Knochen fest an einander gepresst werden. Es unterscheidet sich jedoch die normale Beuge- und Streck- bewegung des Cal.-Ast.-Gelenks des Macropus dadurch wesentlich von derjenigen der Crocodilinen, der Ursina und des Menschen, dass sie quantitativ sehr wenig ergiebig, fast Null ist. Von derjenigen der Ursina und des Menschen weicht sie außerdem noch dadurch ab, dass sie fast ausschließlich beugende und streckende Sagittalbewegung ist, worin sie also mit derjenigen der Crocodilinen übereinstimmt. — Dies eigenthümliche Verhalten des Cal.-Ast.-Gelenks des Macropus lässt sich am leichtesten konstatiren, wenn dessen Bewegungen in natura ausgeführt werden, bewiesen kann es jedoch auch werden durch die Anatomie des Gelenks, da diese für die Art der Gelenk- bewegungen maßgebend ist. Bei Macropus ist nämlich der Knorpelüberzug der lateralen Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 311 Fläche des Cal. in proximo-distaler Richtung einfach dorsal-konvex und zwar fast halbeylindrisch gekrümmt, auf ihm ‚vermag in Folge dessen die laterale Fläche des zugehörigen Ast. normale Streck- und Beugebewegungen auszuführen; außerdem ist die laterale Fläche des Cal. des Macropus in latero-medialer Richtung fast gar nicht dorso-plantarwärts abgedacht, sondern liegt ganz horizontal, desshalb und wegen ihrer starken, dorsalwärts gerichteten Konvexkrümmung ist die Horizontalbewegung des Ast. auf ihr auf das äußerste be- schränkt. Der Knorpelüberzug der vorderen Fläche des Macropus- Cal. liegt in einer Sagittalebene an der medialen Seite des Knochen- körpers, gestattet mithin dem Ast., wohl ergiebige Sagittal- aber nur minimale Horizontalbewegungen, weil bereits im Beginn der letzteren die laterale Seite des Ast. an die senkrecht stehende mediale Seite des Cal. angepresst und eine weitere Fortsetzung der Hori- zontalbewegung dadurch verhindert wird; und drittens steht der Proximo - Distal- Durchmesser der medialen Fläche dieses Cal. fast senkrecht zur Längsache des Knochens, d. h. die mediale Fläche desselben ist in proximo-distaler Richtung sehr stark dorso-plantar- wärts abgedacht. Also auch in dieser Fläche kann der Ast. nur Bewegungen ausführen, die fast ausschließlich Sagittalbewegungen sind. In einem Charakter unterscheidet sich indess der Cal. des Ma- cropus von allen bisher untersuchten homologen Tarsalelementen!: Bei allen bisher untersuchten Thieren liegt die mediale Fläche des Cal. mit ihrem Proximal-Dorsal-Rand entweder in gleicher Höhe oder selbst ein wenig tiefer als der mediale Rand der medianwärts abgedachten lateralen Fläche des Knochens; ferner befindet sich bei allen bisher untersuchten Thieren der Distal-Plantar-Rand der me- dialen Fläche des Cal. ungefähr in gleicher Höhe mit dem Plantar- rand der vorderen Fläche des Cal. Am Cal. des Macropus albogu- laris überragt der Proximal-Dorsalrand der medialen Fläche des Cal. den medialen Rand der lateralen Fläche dieses Knochens in dorsaler Richtung bedeutend. Da die laterale Fläche des Cal. bei Macropus 1 Fig. 36 5 zeigt schematisirt die Stellung der drei Gelenkflächen des Cal. des Macropus albogularis in Seitenansicht. Vergleicht man diese Figur mit Fig. 36 a, welche die Stellung der Gelenkflächen am Cal. der Crocodilinen dar- stellt und berücksichtigt dabei, dass an diesem Knochen die mediale Fläche den Plantarrand der vorderen Fläche mit dem Proximalrand der lateralen Fläche verbindet, so erkennt man sofort, dass bei Macropus albogularis die mediale Fläche des Cal. in sehr betriichtlichem Maße dorsalwärts an ihrem Knochen emporgeschoben ist. 312 G. Tornier in latero-medialer Richtung horizontal liegt, so wird die ganze Fläche durch jenen Rand dorsalwärts überragt; dessgleichen ist der Distal- plantar-Rand der medialen Fläche des Cal. bei Macropus ganz auf- fällig am Cal.-Körper dorsalwärts emporgerückt und liegt nicht mehr wie bei den bisher untersuchten Thieren in einer Ebene mit dem Plan- tarrand der vorderen Fläche des Knochens, sondern mehr dorsal- wärts wie die ganze vordere Fläche, d. h. bei Macropus ist die ganze mediale Fläche des Cal. so extrem dorsalwärts am Körper des Knochens emporgeschoben, dass sie an demselben nicht nur höher dorsalwärts liegt wie die vordere Fläche des Knochens, sondern dass sie sogar die laterale Fläche des Cal. mit ihrem Dorsalrand dor- salwärts überragt: Dieses für Macropus charakteristische Empor- rücken der medialen Fläche seines Cal. am Körper des Knochens wird hervorgerufen durch die ganz abnorme Verkürzung des verti- kalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils dieser Thiere. Wie ungemein stark diese Verkürzung ist, ersieht man an Transversal- schnitten durch den Ast. eines Macropus (Fig. 41); man erkennt daran, dass der Vertikaldurchmesser des betreffenden medialen Ast.- Theils (ad) ungefähr so lang als der entsprechende Durchmesser des zugehörigen lateralen Ast.-Theils ist (a’d’). . Diesem Verhalten der beiden Durchmesser verdankt der Ast. des Macropus einmal seine höchst auffällige und charakteristische Plattheit und ferner die Eigen- schaft, dass seine mediale und laterale Fläche (m und /) in ein und derselben Ebene liegen; ein Vorkommnis, das bisher nur am Ast. des Menschen nachgewiesen wurde und dadurch zu Stande kommt, dass während der Verkürzung des vertikalen Durchmessers des me- dialen Ast.-Theils die mediale Fläche dieses Knochens mehr und mehr dorsalwärts rückt. Dieser Fläche folgt die ihr entsprechende mediale Flitche des Cal.; wäre dies nicht der Fall, so würde die Artikulation zwischen beiden Flächen aufgehoben werden. Es ist bereits wiederholt nachgewiesen worden, dass sehr er- giebige Sagittalbewegungen nur in denjenigen Cal.-Ast.-Gelenken möglich sind, in welchen der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils lang ist. Je geringer der Längenunterschied zwischen diesen beiden Durchmessern wird, um so weniger ergiebig werden die Sagittalbewegungen des betreffenden Gelenks. Da bei Macro- pus das Verhältnis der beiden Durchmesser nahezu 1:1 ist, so müssen der Theorie nach bei ihm die Sagittalbewegungen zwischen Ast. und Cal. sehr wenig ergiebig sein, wie es in der That der Fall ist. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 313 Man ist berechtigt hier einen Einwurf zu machen: Es ist in dieser Arbeit bereits wiederholt konstatirt worden, dass mit der Ab- nahme. des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils in dem davon betroffenen Cal.-Ast.-Gelenk zwar die Befähigung für Sagittalbewegungen abnimmt, dafür aber dessen Beweglichkeit in horizontaler Richtung wächst. Bei Macropus ist dies nicht der Fall, da bei diesen Thieren, wie gezeigt wurde, die Beuge- und Streck- bewegungen des Gelenks fast ausschließlich Sagittalbewegungen sind. Es ist mir leider vorläufig nicht möglich, die Ursachen dieses Faktums klar zu legen, dies kann erst geschehen, wenn die Ana- tomie des Sprunggelenks dieser Thiere beschrieben ist, also im nächsten Kapitel, bis dahin muss ich 'leider dieses abnorme Verhal- ten des Cal.-Ast.-Gelenks des Macropus als »Ausnahme von der allgemeinen Regel« gelten lassen. Macropus besitzt also ein Cal.-Ast.-Gelenk mit Befähigung zur Ausführung normaler Beuge- und Streckbewegungen, die vorwiegend Sagittalbewegungen und quantitativ sehr wenig ergiebig sind, weil der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils dieser Thiere abnorme Verkürzung erfahren hat. Die Beugebewegung des Ast. am Cal. schreitet bei Macropus albogularis in normaler Weise so weit fort, bis die distalen Ränder der lateralen Flächen beider Knochen auf einander stoßen. Es ist ein charakteristisches Faktum, dass bei Macropus diese beiden Rän- der in ihren distal-medialen Abschnitten mit Gelenkknorpel über- zogen sind (Fig. 36 4), dass sie mithin Gelenkflächen tragen, welche den distalen Randflächen der Perissodaetylen und Ursinen homolog sind, sich aber von diesen dadurch unterscheiden, dass mit ihrem Aufeinanderfallen die Beugung des Gelenks ihr Ende erreicht und nicht um sie als Hyperbeugung fortgesetzt wird. Dessgleichen sind die proximal-medialen Ränder der lateralen Flächen des Ast. und Cal. des Macropus albogularis überknorpelt (Fig. 36 ss). Diese Knorpelflächen sind homolog den proximalen Randflächen der Tapi- riden und Caniden, weil sie wie bei letzteren dadurch entstanden sind, dass im Maximum der Streckung des Gelenks die proximalen Ränder der lateralen Flächen fest auf einander gepresst werden. Die bei Macropus albogularis vorhandene abnorme Verkürzung des medialen Ast.-Theils erklärt auch einige andere Charaktere am Ast. dieses Thieres, nämlich die höchst auffällige und charakte- ristische Lage seiner Tuberositas med., der Crista caps. und seiner Gelenkfläche für das Naviculare. 314 G. Tornier Bei den Thieren mit verhältnismäßig langem Vertikaldurchmesser des med. Ast.-Theils, speciell bei den Crocodilinen (Fig. 12), liegt der proximale Theil der Nav.-Fläche des Ast. (mep,-Fläche des Ast. der Crocodilinen) auf der Medialseite des Ast. und zwar beträchtlich höher dorsalwärts am Körper dieses Knochens als dessen mediale Fläche, die ganz auf seiner Plantarseite gelegen ist; desshalb liegt selbst der die beiden Flächen trennende Suleus plantaris des Ast. der Crocodilinen (s) höher dorsalwärts am Ast. wie dessen mediale Fläche und ist außerdem mit seiner Öffnung im Wesentlichen medial-dorsal- wärts gerichtet. Noch höher dorsalwärts am Körper des Ast., fast auf dessen Rücken, befinden sieh die Tuberositas med. (twb) und Crista caps. dieses Knochens (eve) und der zwischen ihnen liegende Theil des Suleus plantaris schaut mit seiner Öffnung rein proximalwärts. Am Ast. des Macropus sind in Folge der abnormen Verkürzung des ver- tikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils und der dadurch hervorgerufenen Zusammendrückung dieser Knochenpartie die homo- logen Theile ungemein tief plantarwärts am Knochen hinabgesunken, sie liegen zum Theil in ein und derselben Ebene mit der medialen Fläche des Knochens, zum Theil sogar tiefer wie sie (Tuberositas med.) (Fig. 41); der zwischen ihnen und der medialen Fläche des Ast. vorhandene Sulcus plantaris liegt nicht über, sondern neben der medialen Fläche des Knochens und ist mit seiner Öffnung plantarwärts gerichtet (Fig. 41 s). Man ist daher vollkommen be- rechtigt zu sagen, die Nav.-Fläche, die Tuberositas med. und die Crista caps. des Ast. des Macropus hängen plantarwärts über die mediale Fläche dieses Knochens hinab. In Folge ihres Herabrückens stößt die Crista caps. des Ast. bei der Streckung des Cal.-Ast.-Ge- lenks auf den proximal-dorsalen Rand der medialen Fläche des Cal. (des Sustentaculum tali), was anatomisch durch die an beiden Theilen vorhandenen, zusammengehörigen Gelenkflächen bewiesen wird (Fig. 36 er). Macropus weicht mithin wegen der abnormen Kürze des verti- kalen Durchmessers seines medialen Ast.-Theils in einer Anzahl von Charakteren (Lage seiner Gelenkflächen für den Cal., Lage seiner Crista caps., Tuberositas med. etc.) mehr von den Crocodilinen ab wie die Artiodactylen und miisste, wenn aus dem jeweiligen Verhalten jenes Durchmessers phylogenetische Schlüsse gezogen werden dürften, neben die Ursinen und Caniden gestellt werden; wir wissen aber bereits aus den Ergebnissen der vorigen Kapitel dieser Arbeit, dass eine Verkürzung des vertikalen Durchmessers Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 315 des medialen Ast.-Theils nicht nur bei fortschreitender Entwicklung in den Stammgruppen stattfindet, sondern auch bei fortschreitender Entwicklung in vollständig von einander unabhängigen gelenkum- bildenden Thiergruppen, z. B. Artiodactylen und Caniden so dass dieser Entwicklungscharakter des Ast. und seine Begleiterscheinun- gen bei phylogenetischen Schlüssen nur im Zusammenhang mit an- deren Ast.- und Cal.-Charakteren Berücksichtigung finden darf!. Macropus giganteus unterscheidet sich von Macropus albogularis einzig dadurch, dass bei ihm der vertikale Durchmesser des media- len Ast.-Theils noch etwas kürzer ist als bei dem letztgenannten Thiere, dies zeigt sich besonders darin, dass seine distalen und proximalen Randflächen sowohl am Ast. wie Cal. stark vergrößert und so innig mit der lateralen Fläche des jeweiligen zugehörigen Knochens vereinigt sind, dass diese drei Flächen eines jeden dieser Knochen nur eine einzige Fläche zu sein scheinen. Außerdem stößt bei Macropus giganteus im Maximum der Beugung des Gelenks nicht nur die distale Randfläche des Ast. an diejenige des Cal., sondern es wird dabei sogar die Lamina lateralis des Ast. auf den Hals des Cal. gepresst, und damit jede weitere Beugung des Gelenks un- möglich gemacht. Die Stellen beider Knochen, welche hierbei auf einander gepresst werden, zeigen die Anfangsstadien der Überknorpe- lung (Fig. 26 ¢ und 7’). Das Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda steht, wie seine Anatomie beweist, auf einer höheren Stufe der Phylogenese wie das der Cro- codilinen. Am besten wird dies bewiesen durch die Thatsache, dass bei Macropus der Cal. einen wohl entwickelten Hals besitzt; doch ergiebt sich andererseits aus der relativen Kürze dieses Halses, dass die Stellung der Macropoda in der Säugethierreihe eine ver- ! Prof. OWEN hat in seinen Schriften den Ast. der Phalangisten und des Wombat etwas eingehender beschrieben und dabei die Behauptung aufgestellt, dass speciell diese beiden Ast. die »Beutelthierform« dieser Knochen repräsen- tiren. Prof. Cops hat diese Meinung Owen’s acceptirt und sieht besonders in der Plattheit dieser Knochen einen typischen Beutelthiercharakter derselben. Auf Grund dieser Anschauung schließt er alsdann, dass alle stark abgeplatteten Ast. phylogenetisch niedrig und dem Ast. der Beutelthiere nahe stehen. Die obigen Auseinandersetzungen und ein Blick auf den Ast. der Krokodile ge- nügen zur Widerlegung dieser Ansicht; außerdem bemerke ich bereits jetzt, dass die Ast. des Wombat und der Phalangisten allerdings eine Anzahl Beutel- thiercharaktere besitzen, dass dieselben aber durch sekundäre Umbildung eben so stark modifieirt sind, wie etwa die »Placentalthiercharaktere« des Ast. der Equiden und anderer Placentalthiere. 316 G. Tornier hältnismäßig tiefe ist. Dieser Schluss wird bestätigt durch die Beuge- und Streckbewegungen ihres Cal.-Ast.-Gelenks, die, wie bei den Crocodilinen und den phylogenetisch tief stehenden Artio- dactylen, fast reine Sagittalbewegungen sind. Die Macropoda stehen also phylogenetisch in der Nähe der Artiodactylen und Crocodilinen und es handelt sich nun darum, ihre phylogenetische Stellung noch näher zu präeisiren: Bei Macropus verläuft die Beuge- und Streckbewegung des Cal.- Ast.-Gelenks durchaus normal um ein in der Fossa interartieularis liegendes Centrum. Da in den Cal.-Ast.-Gelenken sämmtlicher Stammgruppen! die Beuge- und Streckbewegungen in gleicher Weise ausgeführt werden, entsteht die Frage: Gehört Macropus einer Stammgruppe an? Die Antwort muss verneinend lauten aus folgen- den Gründen: Wenn das Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda das einer Stammgruppe wäre, so müsste es nach dem hier in Betracht kom- menden Gesetz der Stammgruppenentwicklung, welches lautet: »Während der Phylogenese der Stammgruppen nimmt der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils ab und damit die Horizontal- bewegung des Gelenks zu«, wegen der enormen Verkürzung des vertikalen Durchmessers seines medialen Ast.-Theils eine Stellung über oder neben dem Stammgruppengelenk einnehmen, welches ur- sinengleiche Charaktere besitzt. Eine solche Stellung des Cal.-Ast.- Gelenks der Macropoda würde aber nur dann berechtigt sein, wenn dessen Beuge- und Streckbewegungen, wie die des Ursinengelenks vorwiegend Horizontalbewegungen wären; das ist aber nicht der Fall. Im Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda sind die Horizontalbewe- gungen von ganz geringer Ergiebigkeit, ja die Bewegungen über- haupt aufs äußerste beschränkt und daher quantitativ geringer wie bei allen bisher untersuchten Individuen; in Folge dessen kann es jene phylogenetische Stellung nicht haben und die Macropoda ge- hören mithin keiner Stammgruppe an. Sobald nachgewiesen ist, dass die Macropoda in ihrem Cal.- Ast.-Gelenk keiner Stammgruppe angehören und man bedenkt, dass diese Thiere extreme Lauforganismen sind, also physiologisch Pa- ralleltypen zu den Artiodactylen, Equiden und Caniden bilden, deren Hintergliedmaßen gleichfalls nur Organe schneller Fortbewegung sind, und wenn man alsdann noch erwägt, dass die Cal.-Ast.-Gelenke 1 Stammgruppen sind diejenigen Säugethiergruppen, deren Fußentwieklung zur Entstehung menschlicher Fußformen führt. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 317 der letztgenannten Individuen sämmtlich aus entsprechenden Stamm- gruppengelenken ihren Ursprung genommen haben, so wird man unwillkürlich zu dem Schluss genöthigt, dass auch das Cal.-Ast.- Gelenk der Macropoda aus einem Stammgruppengelenk entstanden ist, und zwar aus einem solchen, das wegen seines relativ kurzen Cal.-Halses und wegen seiner vorwiegend sagittalen Beuge- und Streckbewegung auf einer tiefen Stufe der Phylogenese stand und sich von dem Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda nur dadurch unter- schied, dass bei ihm der vertikale Durchmesser des medialen Ast.- Theils bedeutend länger war, so dass seine Beuge- und Streckbe- wegungen quantitativ bedeutend ergiebiger, qualitativ dagegen genau dieselben waren wie im Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda. Aus dem Cal.-Ast.-Gelenk dieser Stammgruppe entstand dann das der Macropoda einfach durch Verkiirzung des vertikalen Durchmessers des media- len Ast.-Theils, wodurch alle Charaktere des Stammgelenks in dem der Nachkommen qualitativ erhalten blieben, aber, so weit sie Gelenk- bewegungen waren, quantitativ bedeutende Verminderung erfuhren. Die Frage, welche phylogenetische Stellung unter den Cal.- Ast.-Gelenken der Stammgruppen dasjenige der Macropus-Stamm- gruppe einnimmt, wird durch Vergleichung der hierbei in Betracht kommenden Gelenke am leichtesten beantwortet: Das Cal.-Ast.- Gelenk des Menschen und der Ursinen besitzt außer seiner Befähi- sung zur Ausführung von normalen Beuge- und Streckbewegungen eine solche zur Ausführung von Hyperbeugungen. Im Cal.-Ast.- Gelenk der Crocodilinen, das als Stammform der vorigen Gelenke betrachtet werden kann, sind nur normale Beuge- und Streckbewe- gungen möglich, die Befähigung zur Ausführung von Hyperbeugungen fehlt diesem Gelenk dagegen vollständig, was am Objekt erprobt werden kann und auch theoretisch nachweisbar ist: Ein Cal.-Ast.- Gelenk beginnt seine Hyperbeugung, nachdem das Maximum seiner normalen Beugung erreicht worden ist, d. h. sobald die distalen Ränder der lateralen Flächen des Gelenks auf einander fallen. Da bei den Crocodilinen die laterale Fläche des Cal. unmittelbar an die Cub.-Fläche dieses Knochens stößt, so müsste bei diesen Thieren die Hyperbeugung um ein Centrum beginnen, welches entweder auf dem äußersten distalen Rand des Cal.-Kopfes läge oder vor diesem auf den Bändern, welche das Dorsum des Cal. und Cub. verbinden. Dass auf diese Weise der Ast. in beiden Fällen keinen sicheren Stützpunkt für das distale Ende seiner lateralen Fläche, d. h. kein wirksames Centrum für seine Hyperbeugung finden würde, ist ein- 318 G. Tornier leuchtend und darum schon ist im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen eine Hyperbeugung nicht möglich. Für diesen Schluss sprechen aber auch noch andere Fakta: Versucht man im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen eine Hyperbeugung auszuführen, indem man die distalen Ränder der lateralen Flächen auf einander presst und als Bewegungscentra benutzt, so stößt die mediale Fläche des Ast. gegen den stark distalwärts gekrümmten Proximal-Dorsalrand der media- len Fläche des Cal. und verhindert so die Weiterbewegung — also aus doppelten Gründen ist eine Hyperbeugung im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen nieht möglich, und daher kann ferner dieses Ge- lenk niemals zur Stammform eines solchen werden, in welchem die Befähigung zur Hyperbeugung extreme Ausbildung erfährt. Die physiologische Ursache des so eben charakterisirten un- gleichartigen Verhaltens der Cal.-Ast.-Gelenke der Stammgruppen beruht auf Folgendem: Im Cal.-Ast.-Gelenk der Crocodilinen ist die Befähigung zur Ausführung normaler Beugebewegungen so extrem entwickelt, dass selbst dann, wenn der Fuß dieser Thiere das Maxi- mum seiner Beugung ausführt, ihr Cal.-Ast.-Gelenk im Stande ist, seinen Antheil an der Gesammtflexion des Fußes durch Ausführung normaler Beugebewegungen zu decken. Im Cal.-Ast.-Gelenk der Ursinen und Menschen ist dies nicht möglich, weil bei diesen Thie- ren die normale Beugefähigkeit des Cal.-Ast.-Gelenks, verglichen mit der der Crocodilinen, an Ergiebigkeit beträchtlich verloren hat. In diesen Gelenken reicht desshalb für extreme Flexionsbewegungen des Fußes das Maximum der normalen Beugung des betreffenden Cal.-Ast.-Gelenks nicht aus, daher tritt zu ihr die Hyperbeugung hinzu, welche also den auf phylogenetischem Wege verloren gegan- genen Theil der normalen Beugefähigkeit des Gelenks gleichsam wieder ersetzt. Hyperbeugung tritt also nur in denjenigen Stamm- gruppen-Cal.-Ast.-Gelenken ein, welche im Verlauf ihrer Phyloge- nese einen Theil der normalen Beugefähigkeit verloren haben und daher können auch nur aus diesen Cal.-Ast.-Gelenken solche ent- stehen, welche die Hyperbeugungsfähigkeit des homologen Gelenks ihrer Stammgruppe extrem ausbilden. Da die Macropoda, obgleich ihre Hintergliedmaßen vorwiegend als Organe schneller Fortbewegung Verwendung finden, in ihrem Cal.-Ast.-Gelenk die Befähigung zur Hyperbeugung nicht besitzen, so darf, wie bereits von mir indirekt geschehen ist, geschlossen werden, dass im Cal.-Ast.-Gelenk der Stammgruppe der Macropoda die Befähigung zur Ausführung normaler Beugebewegungen noch so Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 319 beträchtlich war, dass diese Bewegung des Gelenks selbst für Maxi- malflexion des FuBes ausreichte, ein Schluss, dessen Berechtigung durch die Kiirze des Cal.-Ast.-Halses der Macropoda und die vor- wiegend sagittalen Bewegungen ihres Cal.-Ast.-Gelenks aufs klarste bewiesen wird. Daraus folgt dann weiter, dass die Macropoda und die Stammgruppe derselben von allen bisher untersuchten Säuge- thieren phylogenetisch am tiefsten, d. h. der Stammgruppe mit Kro- kodil-gleichem Cal.-Ast.-Gelenk am nächsten stehen, weil selbst im Cal.-Ast.-Gelenk der phylogenetisch tief stehenden Artiodactylen Hyperbeugung möglich ist. Nach obigen Auseinandersetzungen bilden unter den bisher untersuchten Säugethiergruppen diejenigen, deren Hintergliedmaßen »Lauffüße« sind, vier parallele und zum Theil analoge Entwicklungs- reihen: a) Macropoda. Ihr Cal.-Ast.-Gelenk nur befähigt zur Ausfüh- rung vorwiegend sagittaler, sehr beschränkter normaler Beuge- und Streekbewegungen; Hyperbeugung im Gelenk nicht möglich. 8) Artiodactyla. Im Cal.-Ast.-Gelenk dieser Säuger keine nor- male, sondern nur Hyperbeugung. Das Centrum der Hyperbeugung innerhalb der lateralen Flächen der Knochen und zwar in deren distal-medialen Ecken. Die Beuge- und Streckbewegungen des Ge- lenks vorwiegend sagittal. y) Perissodactyla. Im Cal.-Ast.-Gelenk dieser abgezweigten Gruppe nur Hyperbeugung; das Centrum derselben außerhalb der lateralen Flächen der Knochen in besonderen distalen Randflächen, zu wel- chen die distalen Ränder der lateralen Flächen durch Überknor- pelung umgestaltet sind. Die Beuge- und Streckbewegungen des Gelenks aus annähernd gleich ergiebigen Sagittal- und Horizontal- bewegungen kombinirt. x 6) Canida. Im Cal.-Ast.-Gelenk dieser abgezweigten Gruppe nur _ Hyperbeugung um distale Randflächen. In den Beuge- und Streck- bewegungen des Gelenks herrschen die Horizontalbewegungen vor. Die Phylogenese der sämmtlichen bisher untersuchten Cal.-Ast.- Gelenke ist Folgende (siehe umstehendes Schema): Cal.-Ast.-Gelenk gleich dem der Crocodilinen, Ausgangspunkt sämmtlicher homologen Säugethiergelenke, im Besitz folgender spe- cifischer Charaktere: Seine Befähigung zur Ausführung normaler Beugebewegungen ist ungemein groß in Folge der Ausdehnung der lateralen Fläche des Cal. bis zum Dorsum der Cub.-Fläche dieses Knochens. Die Beuge- und Streckbewegungen des Gelenks sind Morpholog. Jahrbuch. 14. 21 320 G. Tornier normal und vorwiegend Sagittalbewegungen, da der vertikale Dureh- messer des medialen Ast.-Theils bedeutend länger ist wie der des lateralen Ast.-Theils. Homo N: ? = an 5 | 59 & 2 5 | Hyperbeugung 25 Canida = = = . . De oe eine = Ufsma-bleich 2er ar I = o's 5 sae Hyperbeugung | 'E - Perissodactyla a ge) m nn nea eee Oo nH : a © wo S 9 = ea Hyperbeugung 38 Artiodactyla 4g. lonmlr aan |e a "ES op jquant. beschränkte] £ ges le B © 8 M 1 aS 5 normale Beugung | 5 © acropoda 32% % “48 a 2 RB — — Oo a jan) Crocodilinen-gleich. Aus diesem Gelenk entstehen durch direkte Entwieklung die Cal.-Ast.-Gelenke sämmtlicher Säugethiergruppen (Cal. mit Hals), als deren letztes dasjenige des Menschen. Die Entwicklung geschieht in folgender Weise: Während im Verlauf dieser Phylogenese die Streckfiihigkeit des Initialgelenks auf alle Descendenzgelenke in ur- spriinglicher Vollkommenheit vererbt wird, bleibt dessen normale Beugefähigkeit in den Descendenzgelenken nicht intakt erhalten, sondern nimmt schrittweise an Ergiebigkeit ab, parallel damit treten bei den Descendenten durch Längenabnahme des vertikalen Durch- messers des medialen Ast.-Theils und dadurch erzeugte Beschrän- kung der sagittalen Bewegungen des Gelenks die Horizontalbewe- sungen desselben stärker hervor. Da die Phylogenese des Cal.- Ast.-Gelenks nicht sprung-, sondern schrittweise vor sich geht, so verbindet eine Reihe von Interealargelenken das Schluss- oder Final- gelenk dieser Entwieklungsreihe mit dem Initialgelenk derselben. In denjenigen Stammgruppengelenken, in welchen die Abnahme der normalen Beugefähigkeit einen bestimmten Grad erreicht hat, tritt bei extremer Beugung des Fußes, den Verlust gleichsam ersetzend, die Hyperbeugung des Gelenks ein. Von den bisher untersuchten und nachgewiesenen Cal.-Ast.-Ge- lenken der Stammgruppen steht phylogenetisch am tiefsten das der Stammgruppe der Macropoda. Die normale Beugebewegung dieses - Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 321 Gelenks ist fast eben so groß wie in dem Initialgelenk der Reihe (Cal.-Hals kurz), der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils dieses Gelenks ist so groß, dass dessen Beuge- und Streckbewe- gungen noch vorwiegend Sagittalbewegungen sind. Aus ihm ent- springt 1) als Abzweigung das Cal.-Ast.-Gelenk der Macropoda. Entstehungsgrund: einfache Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils des Initialgelenks, wodurch dessen Beuge- und Streckbewegungen im Descendenzgelenk qualitativ erhalten blei- ben, quantitativ aber sehr extreme Beschränkung erfahren. Aus dem Cal.-Ast.-Gelenk der Stammgruppe der Macropoda entsteht 2) durch direkte Entwicklung das Cal.-Ast.-Gelenk der Stammgruppe der Artiodaetyla, dessen normale Beugefähigkeit in Folge seiner Phylo- genese etwas mehr beschränkt ist, dessen Horizontalbewegung etwas stärker hervortritt (Hals des Cal. etwas länger, Vertikaldurchmesser des medialen Ast.-Theils etwas kürzer wie im Cal.-Ast.-Gelenk der erst- genannten Stammgruppe). Trotz des stärkeren Hervortretens der Hori- zontalbewegung im Cal.-Ast.-Gelenk der Artiodactylenstammgruppe über- wiegt in demselben noch bedeutend die Sagittalbewegung, außerdem ist in ihm Hyperbeugung möglich. Seine Descendenzgelenke sind 1) als Abzweigung durch extreme Ausbildung seiner Hyperflexionsfähig- keit und zunehmendes Hervortreten der Horizontalbewegung in dem Gelenk (Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.- Theils) entstanden: Die Cal.-Ast.-Gelenkreihe der Artiodactylen, deren Hyperbeugungscentra in den distal-medialen Ecken der latera- len Flächen der beiden Knochen gelegen sind. 2) Durch direkte Entwicklung (stärkere Beschränkung der normalen Beugung, stär- keres Hervortreten der horizontalen Gelenkbewegung, Verlängerung des Cal.-Halses, Verkürzung des vertikalen Durchmessers des me- dialen Ast.-Theils) erstand aus ihm das Cal.-Ast.-Gelenk der Pe- rissodactylenstammgruppe. Aus diesem erstand 1) durch direkte Entwicklung das Stammgruppengelenk mit ursinengleichen Charak- teren und zweigte sich 2) ab durch extreme Ausbildung der Hyper- beugung des Initialgelenks die Cal.-Ast.-Gelenkreihe der Perisso- dactylen, deren Hyperbeugung sich von der der Artiodactylen durch stärkeres Hervortreten der horizontalen Gelenkbewegung und dadurch unterscheidet, dass ihr besondere distale Randflächen als Rotations- centra dienen. Aus dem Cal.-Ast.-Gelenk mit ursinengleichen Charakteren ent- stand durch direkte Entwicklung das der Stammgruppe Mensch, durch Abzweigung das extreme Hyperbeugungsgelenk der Canida. 212 322 G. Tornier Dendrolagus inustus (Z. M. 5122) steht Macropus albogularis in der Bildung des Cal.-Ast.-Gelenks ungemein nahe, besitzt jedoch außerdem in dem seinigen eine Reihe von durchaus specifischen Charakteren (Fig. 37 und 39). Die nahe Verwandtschaft der beiden Thiere zeigt sich in Folgendem: Ihr Cal. besitzt einen relativ kur- zen Hals; ihr Cal.-Ast.-Gelenk wird aus drei Gelenkflächen gebildet, die Stellung dieser Flächen am Cal.-Körper und zu einander ist, abgesehen von einigen sofort zu erwähnenden Unterschieden, in bei- den Thiergruppen genau dieselbe; die Bewegungen ihres Ast. am Cal. sind normale Beuge- und Streckbewegungen um em in der Fossa interarticularis liegendes Centrum (Fig. 37). Bei beiden Thie- ren ist der vertikale Durchmesser des medialen Ast.-Theils unge- mein verkürzt, in Folge dessen ist die Ergiebigkeit der Gelenkbe- wegungen verhältnismäßig gering'. Wesentliche Unterschiede sind Folgende: Bei Dendrolagus ist die laterale Fläche des Cal. (Fig. 37 2) in latero-medialer Richtung ziemlich stark dorso-plantarwärts abge- dacht, ferner ist die mediale Fläche seines Cal. (m) am Körper des Knochens weniger dorsalwärts emporgerückt wie bei Macropus. denn sie überragt mit ihrem Proximal-dorsal-Rand nur wenig den Medial- plantar-Rand der lateralen Fläche des Knochens. Eine distale Rand- fläche ist auch am Cal. des Dendrolagus vorhanden (Fig. 37 7), und zwar liegt sie an der Distal-medial-Ecke der lateralen Fläche des Knochens, ist mit derselben auf das innigste verschmolzen und kaum von ihr zu unterscheiden. Eine proximale Randfläche fehlt dagegen dem Cal. des Dendrolagus. Was aber das Wichtigste ist, am Cal. des Dendrolagus finden sich zwei Gelenkflächen, die an demjenigen des Macropus gar nicht vorhanden sind: die eine derselben (Fig. 37 dist) liegt plantarwärts vom Plantarrand der vorderen Fläche des Knochens in unmittelbarer Berührung mit derselben; die zweite (Fig. 37 4) am Distalrand des Sustentaculum tali und schließt sich dem Distalrand der medialen Fläche des Knochens an. Der Ast. des Dendrolagus zeigt seine Verwandtschaft mit dem- jenigen des Macropus albogularis in Folgendem: Der Durchmesser seines medialen Ast.-Theils ist sehr stark verkürzt (Fig. 42 ab), und daher liegen seine lateralen und medialen Flächen annähernd in einer Ebene (Fig. 42 m und 7); seine Crista caps., Tuberositas me- diale (¢) und Nav.-Fläche (Fig. 42 ») sind auffällig der Plantarseite des Knochens genähert und hängen zum Theil plantarwärts über dieselbe ! Transversalschnitt durch Ast. und Cal. des Dendrolagus in Fig. 42. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 323 hinab. Seine Crista caps. trägt auf ihrer Plantarseite eine Gelenk- fläche für den Proximal-dorsal-Rand des Sustentaculum tali (Fig. 39 er). Auch eine distale Randfläche findet sich am Ast. des Dendrolagus, dieselbe umfasst den ganzen medialen Rand der lateralen Fläche des Knochens und ist von derselben durch eine Grenzlinie getrennt. — Der Ast. des Dendrolagus unterscheidet sich dadurch von dem- jenigen des Macropus albogularis, dass er zwei neue Gelenkflächen für den Cal. besitzt: Die eine dieser Gelenkflächen (Fig. 39 dist) liegt ganz auf der lateralen Seite des Ast.-Kopfes unmittelbar unter der vorderen Fläche desselben und in Berührung mit ihr; sie arti- kulirt mit der in analoger Lage am Cal. befindlichen Fläche während der Streckung des Gelenks. Die zweite dieser Flächen (Fig. 39 4) liegt an der lateral-plantaren Seite des Ast.-Kopfes, erscheint als unmittelbare Fortsetzung des distal-lateralen Randes der medialen Fläche dieses Knochens und erstreckt sich weit in die Fossa des Lig. cal.-ast.-plantare hinein, reicht aber nicht bis un- mittelbar an die Nav.-Fläche des Knochens; sie artikulirt mit der am distalen Rande des Sustentaculum tali befindlichen Facette und zwar während der Beugung des Gelenks. Es findet nämlich bei Dendrolagus genau wie bei Macropus die Beugebewegung des Ast. am Cal. als »normale« Kreisbewegung um ein in der Fossa inter- articularis liegendes Centrum statt!, wobei sich der Kopf des Ast. proximal-plantarwärts, und zwar so weit bewegt, bis der distale Rand seiner medialen Fläche mit dem distalen Rand der entspre- chenden Facette des Cal. zusammenfällt, in demselben Augenblick stoßen aber auch die an diesen beiden Rändern liegenden, für Den- drolagus specifischen Flächen an einander und verhindern so jedes Weiterschreiten jener Gelenkbewegung. — Bei der Streckung des Gelenks geht der Kopf des Ast. in distal-dorsaler Richtung an dem Kopf des Cal. entlang, wobei die vorderen Flächen dieser Knochen so lange an einander gleiten, bis ihre Plantarränder zusammenfallen. Sobald dies geschehen ist, treten auch die unter ihnen liegenden Distalflächen der beiden Knochen mit einander in Artikulation. Es lässt sich leicht nachweisen, dass die dem Ast. und Cal. des Dendrolagus speeifischen Gelenkflächen während der Gelenkbe- wegungen nur desshalb auf einander fallen, weil im Cal.-Ast.-Gelenk dieses Thieres die Horizontalbewegung sowohl während der Gelenk- streckung wie -Beugung eine weit stärkere ist als in dem entsprechenden 1 Fig. 37 und 39 Richtung der Pfeile. 334 G. Tornier Gelenk des Macropus albogularis. Versucht man nämlich bei Ma- cropus den Ast. so am Cal. zu bewegen, dass diejenigen Theile dieser Knochen, welche bei Dendrolagus die specifischen Gelenkflä- chen tragen, an einander gepresst werden, so gelingt dies nur dann, wenn man den Ast. während seiner Streckung und Beugung eine stärkere Horizontalbewegung ausführen lässt, als er in facto besitzt. Dass die Horizontalbewegungen im Cal.-Ast.-Gelenk des Den- drolagus weit ergiebiger sind als in demjenigen des Macropus lässt sich aus der Anatomie dieser Gelenke nachweisen. Bei Dendrolagus ist die laterale Fläche des Cal. an ihrem medialen Rand verhältnis- mäßig stark plantarwärts abgedacht; die mediale Fläche seines Cal. ist viel weniger dorsalwärts am Körper des Knochens emporgerückt und mit ihrer proximo-distalen Achse entschieden weniger dorsal- plantarwärts gesenkt als bei Macropus und die distalen Randflächen des Cal. und Ast. liegen bei Dendrolagus fast ganz an dem media- len Rand der lateralen Flächen dieser Knochen. Alle diese Cha- raktere und besonders der letztere beweisen klar die Richtigkeit der obigen Behauptung. Wäre z. B. bei Dendrolagus die Beuge- bewegung des Ast. am Cal. eine reine Sagittalbewegung, so würde seine laterale Fläche auf derjenigen des Cal. in rein proximo-dista- ler Richtung fortbewegt werden, der distale Rand jener Fläche würde sich in seiner ganzen Ausdehnung auf den distalen Rand der la- teralen Fläche des Cal. pressen und die daraus entstehenden distalen Randflächen der beiden Knochen würden den ganzen distalen Rand der lateralen Flächen decken; je mehr dagegen durch die abdu- cirende Horizontalbewegung des Gelenks das distale Ende der la- teralen Fläche des Ast. aus der ursprünglichen Proximo - distal- Richtung medianwärts abgelenkt wird, desto einseitiger medianwärts wird derselbe auf den des Cal. gepresst werden und um so mehr medianwärts werden dadurch die distalen Randflächen der beiden Knochen entstehen. Aus der Thatsache, dass bei Dendrolagus die distalen Randflächen des Ast. und Cal. im Wesentlichen an den Me- dialrändern der lateralen Flächen dieser Knochen liegen, darf man daher schließen, dass der Ast. dieser Thiere an ihrem Cal. eine beträchtliche abdueirende Horizontalbewegung auszuführen vermag. Aus obigen Untersuchungen folgt: In der Ausbildung des Cal.- Ast.-Gelenks unterscheidet sich Dendrolagus von Macropus genau so wie Tapirus von Equus. Es wurde bereits früher nachgewiesen, dass Tapirus ein Cal.-Ast.-Gelenk besitzt, in welchem während seiner Streckung und Beugung weit stärkere Horizontalbewegungen statt- Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 325 finden wie in demjenigen der Equiden; ferner finden sich am Cal.- Kopf des Tapirus zwei Gelenkfliichen, die bei Equus nicht vorhanden sind, und von denen die eine als »distale Fläche« des Knochens während der Streckung, die andere während der Beugung des Ge- lenks mit den entsprechenden Facetten des Ast.-Kopfes artikuliren. Diese beiden Gelenkflächen am Cal. und Ast. der Tapiriden haben also analoge Entstehungsursachen wie die überzähligen Flächen am Cal. und Ast. des Dendrolagus, doch unterscheiden sie sich von die- sen durch ihre Lage!. Das Cal.-Ast.-Gelenk des Thylacinus eynocephalus steht dem- jenigen der Macropus-Arten so ungemein nahe, dass es genügt, wenn ihre Unterscheidungsmerkmale festgestellt werden (Fig. 38 und 40): Das Wichtigste von diesen ist, dass im Cal.-Ast.-Gelenk des Thylacinus nicht nur wie in demjenigen des Macropus die laterale, distale und proximale Randfläche an Ast. und Cal. (2, h, ss) mit einander, sondern auch mit der medialen Fläche (m) des be- treffenden Knochens aufs innigste verwachsen sind. Thylacinus geht mithin in der Ausbildung seines Cal.-Ast.-Gelenks ein wenig über Macropus giganteus hinaus, wofür auch die etwas stärkere Plattheit des Thylacinus-Ast. spricht. Andere Unterschiede zwischen beiden Gelenken giebt es nicht. Dasyurus viverrinus steht genau auf derselben Entwicklungsstufe des Cal.-Ast.-Gelenks wie Thylacinus eynocephalus. 1 Bei Sus und Camelus stößt während der Streckung des Cal.-Ast.-Ge- lenks die laterale Seite des Ast. mit ihrer unmittelbar unter der vorderen Fläche liegenden »distalen Fläche« gegen die mediale Seite des Cal., deren »distale Fläche« analoge Lage hat; im Maximum der Beugung des Gelenks artikulirt der Ast.-Kopf dieses Thieres mit einer Gelenkfläche an dem distalen Rand ihres Sustentaculum tali ‘Fig. 21 und 22 ast); Sus und Camelus besitzen daher zwei Gelenkflächen am Cal. und Ast., welche sowohl in ihrer Lage als auch in ihren Entstehungsursachen den beiden speeifischen Flächen im Cal.-Ast.-Gelenk des Macropus aufs genaueste entsprechen. Dieses Auftreten von Parallelcharakteren im Cal.-Ast.-Gelenk der Suiden und Camelus-Arten auf der einen und in demjenigen des Dendrolagus auf der anderen Seite ist von fundamentalster Bedeutung und liefert, verstärkt durch die Thatsache, dass in den Cal.-Ast.-Gelenken all dieser Thiergruppen die Sa- gittalbewegungen vorherrschend sind, einen neuen Beweis dafür, dass diese Thiere auch phylogenetisch einander nahe stehen. — Am Ast. und Cal. der Cerviden, Boviden und Camelopardaliden sind zwar die distalen Randflächen vorhanden, fehlen dagegen die einander entsprechenden Flächen am Kopf des Ast. und Sustentaculum tali; diese Thiere repräsentiren daher unter den Ar- tiodactylen die Macropoda-Arten. 326 G. Tornier Die Cal.-Ast.-Gelenke der Macropus-Arten, des Dendrolagus in- ustus, des Thylacinus cynocephalus und Dasyurus viverrinus sind alle genau nach demselben Typus gebaut und stehen einander phy- logenetisch ungemein nahe, obgleich jedes von ihnen sekundiire spe- cifische Charaktere besitzt. Wenn man nun auch aus später zu er- örternden Gründen nicht annehmen darf, dass sie unmittelbar von einander abstammen, wird man andererseits zugeben müssen, dass sie alle aus dem Cal.-Ast.-Gelenk der Stammgruppe der Macropoda ihren Ursprung genommen haben können, aus welchem das der Ma- cropoda, des Thylacinus und Dasyurus durch extreme Verkürzung des vertikalen Durchmessers des medialen Ast.-Theils, das des Den- drolagus auf gleiche Weise aber mit Zunahme der Horizontalbewe- gung im Gelenk entstand. Berlin, 1. September 1887. (Fortsetzung folgt.) Erklärung der Abbildungen. Tafel XI und XII. Durchgehende Bezeichnungen. Außer den allgemein gebräuchlichen und desshalb auch allgemein verständ- lichen Namen der Tarsalelemente sind folgende Bezeichnungen verwandt: ab vertikaler Durchmesser des medialen Ast.-Theils, a’b’ - - - lateralen - - ce Cuboidfläche des Ast., er Gelenkfläche der Crista capsulae am Ast. oder Cal., d distaler Abschnitt der lateralen Fläche bei Hyperbeugungsgelenken, di distale Fläche an Ast. oder Cal., f Facette des Cal. für Fibula, h Hyperbeugungscentrum an Ast. oder Cal., in Fossa interarticularis, 1 laterale Fläche, lam lamina lateralis des Ast., lint Ligamentum interosseum, p Ansatzstelle (Fossa) des Lig. cal.-ast.-plantare, pr proximaler Abschnitt der lateralen Fläche bei Hyperbeugungsgelenken, s Suleus plantaris, ss proximale Randfläche an Ast. und Cal., t Tuberositas des Lig. tib.-cal.-nav., tub Tuberositas medialis, v vordere Fläche, x Centrum der normalen Beuge- und Streckbewegung, 4 Sustentaculum tali. Die Phylogenese des terminalen Segmentes der Säugethier-Hintergliedmaßen. 327 Fig. 1—6. Ast. + Cal. von ihrer distalen Seite gesehen. 1. 2. 3. 4, 5. 6. Mensch. Canis familiaris L. Ursus arctos L. g Reibfläche der Ligula des Lig. cal.-ast.-plantare am Ast. Sus scrofa domestica L. Phascolomys Wombat Per. Les. Crocodilus vulgaris Cuv. Fig. 7—11, 14, 15, 41, 42. Annähernd homologe Transversalschnitte —1 ee mo2» Fig. 13. KT, 18. 19 20. 21. 22. durch Ast. + Cal. Mensch. Canis familiaris L. Ursus arctos L. Sus scrofa domestica L. Crocodilus vulgaris. yed Achse des horizontalen Bewegungskreises des Ast.; «8 Achse des sagittalen Bewegungskreises des Ast.; die um y und « schematisirten Kreise bezeichnen die Richtung der Kreisdre- hung; = Durchgangspunkt der horizontalen Achse durch die Fossa interarticularis; 7 Durchgangspunkt der vertikalen Achse durch die Fossa interarticularis. . Tapirus americanus L. . Equus caballus L. . Macropus giganteus Shaw. . Dendrolagus inustus. 2. Ast. + Cal. des Krokodilsvon der medialen Seite. cre Crista capsulae; fd Fossa dorsalis des Ast.; an Ansatzstelle des Lig. ast.- nav.-mediale; Zub Tuberositas medialis des Cal.; ¢ Tuberositas des Lig. tib.-cal.-nav.; ss Sulcus plantaris des Cal. Schema fiir die Bewegung der lateralen Fliichen auf ein- ander. Fig. 16—19, 20—23, 33—34, 36—38. Linke Calcanei. Crocodilus vulgaris. 7 Grube für das Lig. cal.-fib.-laterale; 7 Durch- gangspunkt der Achse des horizontalen Bewegungskreises durch die Fossa interartieularis; cub’ Flügel der Cub.-Fläche am distalen Rand des Sustentaculums. Ursus arctos. aa Einbuchtungen der lateralen Fläche; g der Theil der lateralen Fläche, welcher nur an dem zweiflächigen Cal. zu finden ist; zz Knorpelbrücke zwischen medialer und vorderer Fläche am zwei- flächigen Ursina-Cal. Homo. Canis familiaris. aa Einbuchtungen der lateralen Flächen; tr Gelenk- fläche der Tuberositas des Lig. cal.-ast.-nav. am Sustentaculum. Hippopotamus amphibius L. Sus scrofa domestica L. Bos taurus L. 23. 33. 38. Camelus bactrianus L. , Tapirus americanus Cuv.; « Gelenkfläche fiir den lateralen Rand der medialen Fläche des Ast.; ff Gelenkfliiche für den Kopf des Ast.; g distale Fläche; c’ Ausbuchtung der Cub.-Fläche. . Equus caballus; ce’ abgetrennte Ausbuchtung der Cub.-Fläche. . Macropus giganteus. A’ distale Randfläche; tt’ Reibfläche der La- | mina lateralis des Ast. am Hals des Cal. . Dendrolagus inustus. A’ distale Randfläche; % Gelenkfläche für den Kopf des Ast.; dist für die laterale Seite des Kopfes des Ast. Thylacinus cynocephalus A. Wagn. h’ distale Randfläche. Fig. 24, 29—32, 35. Die Lateralseiten der Astraguli von 24. 29. 30. 31. 32. 35. Crocodilus vulgaris. Hippopotamus amphibius L. Sus scrofa Bos taurus Camelus bactrianus Cervus capraeolus af Ansatzstelle des Lig. ast.-fib.- posterius. Fig. 36 a. Schematisirte Stellung der drei Gelenkflächen des Cal. von Croco- dilus vulgaris. Fig. 36 b. Schematisirte Stellung der drei Gelenkflächen des Cal. von Macro- pus giganteus. forpholog. Jahrbuch. Bd XIV Taf H. Lith Anst.v B.A Funke, Leipzig. © Ed ze Br N vs $i mh ab ; av ¥ ee) 4 ‚4 e ** re - . ¢ ’ 5 & - = Oo — = = De <<. ah) ‘os r = N ka a € “4 ety = 0 eee re . - I a „er. vi £ 4 aM) ge mel) Sh = rn 3 oe: ee s we vt = vw 2 eo? tt 4 . ' * . r a , ’ ‘ ‘ # 2. —— = ra A nme ing ne ee Dune — m ® ‘ ‘ „ % Pan.” 4 ä . (i “* s Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIV. Taf.Xll if | } Ot Aly cal. r, m rae Verlag vonWilh.Engelmann inLeipzig. Jäh.änst u EA Furks, Leipzig Uber Flabellum. Von G. von Koch. Mit Tafel XIII. Die vorliegende Studie ist aus zwei Abtheilungen zusammenge- setzt, von denen die erste von dem Wachsthum des Skelettes resp. von der Vermehrung und Anordnung der Septa bei Flabellum han- delt und eine Liicke in dem dariiber schon Bekannten ausfiillen soll. Die zweite Abtheilung ist mehr polemisch und erscheint einigen irrigen Auffassungen, früher von mir hier publicirten Arbeiten gegen- über, als nothwendig. Obgleich einige Punkte die Gattung Flabellum nicht direkt betreffen, so mussten sie doch mit aufgeführt werden, weil ohne sie der Zusammenhang des Ganzen verloren gegangen sein würde. Darmstadt, den 20. Januar 1888. I. Eine kurze, aber nach meiner Ansicht sehr verdienstvolle Arbeit über die Art des Wachsthums verschiedener Arten von Flabellum von MARENZELLER! veranlasst mich, hier einige Resultate meiner Unter- suchungen über denselben Gegenstand mitzutheilen, die gelegentlich anderer Studien über das Skelet von Flabellum sich ergeben haben. Ich habe zwei in ihrer Form ziemlich von einander abweichende Arten, von denen mir genügendes Material in guter Erhaltung vor- lag, verarbeitet: eine fossile, das Flabellum Michelini aus dem Pliocen 1 Dr. EmiL von MARENZELLER, Über das Wachsthum der Gattung Fla- bellum Lesson. Zoologische Jahrbücher. Bd. 3. Jena 1887. pag. 25. 330 G. v. Koch von Sassuolo bei Modena und Flabellum pavoninum Less., dessen ge- naueres Vaterland mir unbekannt ist. Die Untersuchungsmethode ist die von mir seit langer Zeit bei dergleichen Fragen angewandte: es wird das méglichst gereinigte Korallenskelet in schwarzes Siegellack einge- schmolzen und dann senkrecht zur Hauptachse successiv abgeschliffen, die Schliffflache wird in kurzen Zwischenräumen mit der Lupe be- trachtet und, sobald sie eine wichtigere Veränderung zeigt, abge- zeichnet. So wird eine Reihe von Zeiehnungen erhalten, die mit vollständiger Sicherheit alle Wandlungen der einzelnen Skelettheile zu verfolgen gestattet. Außerdem wurde noch die Anfertigung dün- ner Quer- und Längsschliffe für die Betrachtung mit stärkeren Sy- stemen nicht unterlassen und speciell zur bequemeren Übersicht der Länge von Septen verschiedener Ordnung die Trennung eines Indi- viduums nach der, durch die Hauptachse und die Längsachse gehen- den Ebene vorgenommen. Zur Kontrolle der, an diesen verschie- denen Präparaten gewonnenen Resultate diente dann noch eine An- zahl ganzer Skelette von verschiedenem Alter. Flabellum Michelini. Die mir vorliegenden Exemplare sind 2—3 em hoch, aber bei allen sowohl die Basis als auch der Kelehrand abgebrochen, so dass dieses Maß für ein ausgebildetes Exemplar jedenfalls zu gering ist. Die Länge und Breite des oralen Endes verhalten sich zu einander ungefähr wie 5:3, während die Bruchfläche des aboralen Endes, wenn sie geebnet und senkrecht zur Hauptachse orientirt ist, genau eine Kreisfläche bildet. Die Wand (Epithek) besitzt an ihren ora- len Bruchflächen häufig eine Dicke von nahezu 2, mindestens aber 1 mm, woraus sich, wie eben angedeutet, schließen lässt, dass durch Abbrechen ein ziemlich erheblicher Theil von ihr verloren ge- gangen ist. Durch ein Exemplar von sehr regelmäßiger Gestalt, dessen In- terseptalräume fast vollständig von sekundären Verdickungen der Septen sowohl als der Epithek ausgefüllt waren, wurden senkrecht zur Hauptachse zehn parallele Schnitte geführt! und so elf Scheiben 1 Ich bediene mich zum Zerschneiden von Korallen mit oder ohne Weich- theile einer dünnen, auf eine Drehbank gespannten Kupferscheibe, auf die ziemlich feiner Smirgel und Öl gegeben wird. Diamantbord scheint wenige Vortheile zu bieten und kommt doch noch ziemlich theuer zu stehen. Uber Flabellum 331 erhalten, welche zur Herstellung von Diinnschliffen! dienten. — Von den letzteren zeigte der erste (der Basis zunächst liegende) sechs deutliche Septen, welche eben so viel Furchen an der Außenseite der Epithek entsprachen. Sie sind vollständig regelmäßig angeordnet und müssen desshalb als I. Cyklus betrachtet werden. it al Schema (1 7 lye Der zweite Schliff ist von deutlich elliptischer Gestalt und in den Punkten der stärksten Krümmung der Ellipse (den Enden ihrer Längsachse) sitzt je ein Septum des ersten Cyklus. Im Ganzen lassen sich hier schon 24 Septen erkennen (auch die minimalsten Anlagen mit voller Schärfe), von denen zwölf, die dem ersten und zweiten Cyklus angehören, bis nahe zur Mitte reichen, während die übrigen, je eine zwischen zwei der vorigen, noch sehr kurz sind. Es gelingt ohne Schwierigkeit, unter den ersteren stärkere und schwächere zu unterscheiden und so ersten und zweiten Cyklus von einander zu trennen. Das Schema für diesen Schliff würde, wenn die Längsachse als ein wagerechter Strich dargestellt wird, folgen- des sein: 4 32% PSHM 325 323 19234323 Der dritte Schliff stimmt im Großen und Ganzen mit dem vori- gen nahezu überein, nur ist der Umriss durch eine fast winkelige Umbiegung an den Enden der Längsachse nicht mehr genau ellip- tisch. Von den Septen sind die des ersten und zweiten Cyklus ein- ander noch ähnlicher geworden, die des dritten haben sich wenig geändert, dagegen deuten ganz schwache Einkerbungen am Rande das Auftreten eines vierten Cyklus an. — Der 4. Schliff zeigt die zwölf Septen des ersten und zweiten Cyklus fast vollkommen egali- sirt, die des dritten haben unter sich ziemlich gleiche Länge, unge- fähr die Hälfte der vorigen betragend. In allen 24 Zwischenräumen sind, wenn auch verschieden ausgebildet, doch immer deutlich er- kennbar, Septen des vierten Cyklus aufzufinden. { EA AT FAR FAE E42 Ans A LA 342 434 N REISE a ee er t AOA DAO 4 Schema N 1 Ein Theil von einem solchen Dünnschliff ist abgebildet in: G. v. Koch, Über das Verh. von Skelet und Weichth. bei den Madreporen. Morph. Jahrbuch. Bd. XII. 1886. 332 G. v. Koch Der 5. Schliff unterscheidet sich außer der Größe von dem vor- hergehenden nur durch etwas bedeutendere Länge der zwei Septen des vierten Cyklus, welche die, den Enden der Längsachse ent- sprechenden Septen erster Ordnung einschließen. — Der 6. Schliff zeigt keinen wesentlichen Unterschied gegen den 5. — Im 7. Schliff treten drei Septen des fünften Cyklus, und zwar an den Enden der Längsachse auf. 5434243414342434143424345 Schema: 17434243 411342a3111849034 Schliff 8 zeigt eine ziemlich bedeutende Vermehrung der Septen des fünften Cyklus und die des dritten Cyklus von gleicher Länge, wie die des ersten und zweiten. (Letzterer Umstand soll durch das Schema mit ausgedrückt werden.) 545 3 1 3 545 BAe aa a ek A a ia 2 Bae Ar a) 1 2 3 3 aL make ta AA A bom Sey: Miner Hire Damar se 2 2 Schliff 9. Es sind auf der einen Seite alle Septen des fiinften Cyklus angelegt, ausgenommen die Mitte zwischen 1 und 1, auf der anderen Seite eben so, doch fehlen sie hier auch noch zwischen 3, 1 und 1, 3. — Schliff 10. An dem einen Ende treten symmetrisch vier Septen des sechsten Cyklus auf, außerdem noch einige weitere des fünften Cyklus. — Schliff 11. Ist nur theilweise erhalten, doch lässt sich konstatiren, dass der fünfte Cyklus auch in der Mitte voll- ständig geworden ist und es ist wahrscheinlich, dass auch vom sech- sten Cyklus noch weitere Septen vorhanden waren. 10 und 11 lassen sich durch folgendes Schema darstellen: 6465 545 545 545 545 545 545 545 545 545 545 545 1 3 2 3 1 3 2 3 1 3 2 3 1 3 2 3 1 3 2 3 1 3 2 3 6465 545 545 545 545 545 545.545 545 545 545 545 wobei zu bemerken, dass, wie auch auf der schematisirten Fig. 8 angegeben ist, die Septen der drei ersten Cyklen zur Bildung einer Columella zusammentreten, die des dritten aber bedeutend diinner sind als die der beiden ersten. Die Septen des vierten Cyklus haben eine verschiedene Länge. Sie ist am größten in der Nähe der Längsaehse, wo sie ziemlich ?/; der vorigen erreicht, am geringsten in der Mitte, ca. 1/;. Diejenigen des fünften Cyklus sind kurz, nur in der Nähe der Längsachse erstrecken sie sich bis in die Mitte He Uber Flabellum. 333 der Septen. des vierten Cyklus. Die (in der Figur symmetrisch angegebenen) Septen des sechsten Cyklus sind sehr klein, wenn auch ganz deutlich. Zieht man in Erwägung, dass, wie oben angegeben, ein nicht geringer Theil des Kelches oralwärts vom Schliff 11 fehlte, und ver- gleicht man die beschriebenen Schliffe mit den entsprechenden Ent- wicklungsstadien verwandter Formen, so darf man wohl mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten, dass Flab. Michelini im ausgewachsenen Zustand auch noch den sechsten Cyklus vollständig besitzt und we- gen der regelmäßigen Entwicklung zu Gruppe Il MARENZELLER'S zu rechnen sein wird. Flabellum pavoninum Less. Die Größe und das Alter der vorliegenden Stücke ist nicht gleich. Das jüngste, noch ziemlich durchsichtige Exemplar ist etwas beschädigt und besitzt eine Höhe von 28, eine Länge von 32 (in gerader Linie ge- messen) und eine Breite von 15 mm. Eines von mittlerer Größe, wel- ches sehr regelmäßig entwickelt, aber, wie aus der Dünnheit der Rän- der zu schließen, noch im Wachsen begriffen ist, misst 36 mm in der Höhe, 43 mm in der Länge, 20 mm in der Breite. Bei dem größ- ten, welches, nach den vielen Anwachsstreifen in der Randzone, der bedeuterden Dicke der Septen- und Epithekränder zu schließen, ein relativ sehr hohes Alter besitzt, beträgt die Höhe 42, die Länge 50, die Breite 28 mm, wobei immer die Stiellänge, die fast bei allen gleich ist, mit eingerechnet wurde. Der Stiel ist zwar immer von seiner Unterlage abgebrochen, aber er scheint nie verloren gegangen zu sein, denn er besitzt immer die gleiche Gestalt und zeigt auf der Bruchfläche die sechs primären Septen. Die Anzahl der Kammern beträgt (im Sinne MARENZELLER’s) bei allen Exemplaren 48, nur das eben erwähnte größte Exemplar macht eine Ausnahme mit 50. Um die Art und Weise des frühesten Wachsthums, hauptsäch- lich also die Reihenfolge im Auftreten der neuen Septen und deren Veränderungen ganz sicher verfolgen zu können, wurde das regel- mäßigste der mittleren Exemplare mit gut erhaltenem Stiel in schwarzes Siegellack eingeschmolzen und in der oben angedeuteten Weise, vom Stielende anfangend, nach und nach ein Stück von 7 mm Dicke! abgeschliffen und die Schlifffliche in 32 Stadien mit- 1 Dieses Maß zu überschreiten schien unthunlich, weil die Schlifffläche, 334 G. v. Koch tels der Camera gezeichnet. Bis zu dieser Höhe ist der Innenraum des Kelches fast ganz von sekundären Verdickungsschichten ausge- füllt, und von den Septen sind nur die primären Anlagen, aber diese als deutliche Linien zu sehen. Die durch das Siegellack ausgefüll- ten Zwischenräume sind von unregelmäßiger Form und sehr inkon- stant, erst auf den letzten Schliffen erscheinen sie gleichmäßig und deutlich genug, um nach ihnen die Septen der drei ersten Ordnun- gen genau zu bestimmen (vgl. Abbild. 7). — Der nach dem Abschlei- fen noch übrige Theil der Koralle wurde nun durch Kochen in Al- kohol wieder gereinigt und es ließen sich von der zuletzt gezeichneten Anschlifffläche aus durch Einstecken feiner Nadeln in die Interseptal- räume mit leichter Mühe und mit Ausschluss jeden Irrthums die einzelnen Septen bis zu ihrem oralen Ende verfolgen. Dabei konnte auch das Auftreten neuer Septen mit einiger Bestimmtheit festge- stellt werden. Um aber auch hier ganz sicher zu gehen, wurde ein mit dem besprochenen Exemplar in Größe, Anzahl und Verhältnis der Septen ganz gleiches mittels eines Schnittes, dessen Ebene durch die Hauptachse und die Längsachse des Kelches geht, in zwei Hälften getheilt und die eine dieser beiden parallel zu der fast ebenen Wand- fläche so weit abgeschliffen, dass die Höhe der Septen nur noch ca. 1 mm beträgt. An diesem Präparat kann man leicht jedes derjeni- gen Septen, welche nicht mit der Columella verschmelzen (5.—6. Cy- klus), von seinem Anfang her verfolgen (vgl. Fig. 10, wo die Septen der ersten drei Cyklen mit entsprechenden Zahlen versehen sind. Die punktirte Linie stellt die ursprüngliche Höhe der Columella, der Raum y den Rest derselben dar. Fig. 11 ist ein Stückchen von 10 vergrößert und soll die relative Dicke der Septen veranschaulichen). Über die vorhin erwähnten Zeichnungen, von denen einige auf der beiliegenden Tafel unter Nr. 1—7 wiedergegeben sind', lässt sich Folgendes bemerken: Zu 1 (Stielquerschnitt). Kontour kreis- förmig mit sechs Einkerbungen, von denen die sechs regelmäßig an- wenn sie wirklich einen bestimmten Alterszustand der Koralle darstellen soll, immer dem Anwachsstreifen folgen müsste. Dies ist aber nur im Anfang, wo sie noch klein genug ist, möglich, schon nach den ersten 3 mm muss sie etwas flacher gehalten werden, weil sich sonst der Zeichenapparat nicht mehr genau einstellen lässt. In Folge dessen treten in den späteren Schliffen an den Enden der Längsachse die neuen Septen relativ etwas zu früh auf. ! Ich halte es für nöthig, hier zu wiederholen resp. zu betonen, dass diese Zeichnungen alle mittels der Camera angefertigt sind, unter Beschränkung auf die immer deutlich sichtbaren äußeren Umrisse, Primäranlagen der Septen und Umrisse der Interseptalräume. Uber Flabellum. 335 geordneten primiiren Anlagen der Septen des ersten Cyklus nach innen gehen. Die Interseptalräume sind alle in Form von kleinen rundlichen Flecken zu erkennen (Fig. 1). 141 Schema 1 - 1 11 Zu 2 wie die vorige, zu 3 ähnlich, aber im Durchmesser etwas verlängert (Ellipse), zu 4—5 (5 = Fig. 2) elliptisch, die Interseptal- räume mehr oder weniger ausgefüllt. Zu 6 wie vorhin, aber mit zwei kleinen, von Randkerben ausgehenden Septen des zweiten Cyklus. 1.77 Schema 1 Set Zu 7. Noch ein Septum des zweiten Cyklus ist aufgetreten. Je Schema 1 ri Zu 8. Der zweite Cyklus ist vollständig. ee oe Schema beset! Zu 9 und 10 (9 = Fig. 3). Eben so, doch hat sich der Quer- schnitt schon so weit gestreckt, dass die Längsachse das Doppelte der Breitenachse misst. Zu 11. Drei Septen dritter Ordnung sind aufgetreten. Schema 1 39 Zu 12 (12 = Fig. 4). Die den Enden der Längsachse entspre- chenden Theile des Umrisses sind etwas ausgezogen. Fünf Septen des dritten Cyklus sind vorhanden. AELRER 72223 a ke Schema 1 — Zu 13. Die ausgezogenen Enden noch linger und mehr zuge- spitzt (in den folgenden Zeichnungen weggelassen). Acht Septen des dritten Cyklus und zwei des vierten Cyklus sind deutlich. 43 (eds MI Schema 17,5, v2 Fi Morpholog. Jahrbuch. 14. 22 23 3 336 G. v. Koch Zu 14. 11 Septen des dritten Cyklus': 4 u Bo ie Gaal ae Ta | Schema 11553133231 30208 323! Zu 15 (15 = Fig. 5). Dritter Cyklus vollständig, vom vierten 6 Septen, vom fiinften 3. h jp 2 Schema SUB a oe Zu 16 und 17. 8 Septen des vierten, 6 des fünften Cyklus. Bar ANZ Schema 12] 15343313 Zu 18 (18 = Fig. 6). 10 Septen des vierten, 8 des fünften Cyklus. ae j2453423413231324354 5, eA “5 4 5 Sa TITLE 2S ae Zu 19. 16 Septen des vierten Cyklus. S des fünften, 3 des sechsten Cyklus. PER 54534243 or pe ENTE 7231 423472352465 Zu 20 und 21. Keine weitere Veränderung. Zu 22 und 23. Septen des vierten Cyklus auf 20 vermehrt, des sechsten auf 4. 64 4 or or 1 or we} or Zu 24. 22 Septen des vierten Cyklus, 13 des fünften, 6 des sechsten Cyklus. 65645354 24341 3 3 I 453545245414 Zu 25. 23 Septen des vierten Cyklus, 9 des sechsten. 645554 24541 ni... 453545243414342434143424 5354656 1 Von dieser Zeichnung an erscheinen die neuen Septen an den Enden immer etwas zu früh, aus dem in Bemerkung pag. 334 angegebenen Grunde. Von 18 an sind desshalb auch die außerhalb der letzten 4 stehenden Septen nicht mehr mit gezeichnet. Uber Flabellum. 337 Zu 27. Vierter Cyklus vollständig, vom fünften 14 Septen, vom sechsten 10. Mans A i le 6564535452434 1 or Or 28 und 29 == 27. Zu 30 (30 — Fig. 7). 16 Septen des fünften Cyklus, 13 vom sechsten. 1 30—32 zeigen keine weitere Septenvermehrung. Mit Hilfe des nach dem Abschleifen übrigen Stückes ließ sich konstatiren, dass nun bald auch der fünfte Cyklus vollständig wird und schließlich auch der sechste. Das Auftreten dieser letzten bei- den Cyklen ist übrigens viel bestimmter an dem getheilten Exemplar (siehe Fig. 10 und 11) zu verfolgen und ergiebt sich aus diesem auch, dass, wie schon in einer früheren Anmerkung hervorgehoben wurde, die Septen an den Enden der Längsachse wegen der Schliff- richtung zu früh auf der Bildfläche erscheinen. Das lange Ausbleiben einiger Septen des vierten Cyklus ist auf eine Wachsthumsstörung zurückzuführen, deren sonstige Einwirkung auf die Gestalt des Poly- pars an den Zeichnungen 21—28 deutlich zum Ausdruck kommt. — Über das nachstehende Schema des untersuchten Polypars ist zu be- merken, dass zur Erhöhung der Deutlichkeit Cyklus 1—4, dessen Septen sich an der Bildung der Columella betheiligen, in je einer Reihe zunächst dem ‘Strich, der die Längsachse repräsentirt, gestellt sind, während die Septen des fünften und sechsten Cyklus außerhalb dieser Reihe angeordnet wurden: N ee 55 di DD DE 5 Hs dys Oe, (DELO yO 5 [Se er a a ee ee | AS) fol 4.9: 2 2 4 3, 4 2 > Sau BEER EN “AIA, ANF ne a u ee 2 5 eos de scene Gaun Es besitzt also dieses Exemplar von Flabellum sechs vollständige Cyklen (fünf im Sinne MARENZELLER’s) und 48 Kammern, von denen jede drei Septen der zwei höchsten Ordnungen einschließt. Vergleicht man das hier gewonnene Resultat mit dem vorhin durch die Untersuchung von Flabellum Michelini erhaltenen, so er- giebt sich, dass beide Arten geradezu ideale Beispiele sind für das 22* 338 G. v. Koch von mir früher ausgesprochene Gesetz: »Bei den Hexakorallen ent- steht jedes neue Septum in dem Raum zwischen zwei älteren, und zwar die Septen eines jeden Cyklus nahezu gleichzeitig'!. Abweichun- sen lassen sich auf den Ausfall einzelner Septen, und in letzter Reihe auf Änderungen im Gesammtwachsthum zurückführen« (vgl. G. v. Koch, Mitth. über das Kalkskelet der Madeporaria. Morph. Jahrb. Bd. VII). Außerdem bestätigen sie auch ausgezeichnet die von MARENZELLER pag. 44 a. a. O. aufgestellte speciellere Regel für die Gattung Flabellum und zwar für die Gruppe Il. — Nur über einen Umstand habe ich hier noch einige Worte zu sagen: MAREN- ZELLER, dem früheste Jugendstadien bei seinen, über eine größere Anzahl von Arten und Individuen ausgedehnten Untersuchungen nicht vorlagen, und welchem wegen der von ihm angewendeten Methode die Reihenfolge der ersten 12 Septen am schwierigsten zu ergründen sein musste, hat für den ersten Cyklus 12 Septen angenommen. Diese Zahl scheint durch den Vergleich mit den Jugendstadien von Asteroides, wo immer die ersten 12 Septen zu gleicher Zeit ange- legt werden, begründet, kann aber nach meinen vorliegenden Unter- suchungen, welche zeigen, dass ein Cyklus von sechs Septen schon vollständig ausgebildet ist, ehe sich die Anfänge weiterer Septen nachweisen lassen, für Flabellum nicht mehr in Frage kommen. Erst weitere ähnliche Bearbeitungen anderer Korallengruppen werden entscheiden müssen, ob die Sechszahl oder Zwölfzahl für das Ju- gendskelet der einen oder anderen charakteristisch ist. Dann wird sich durch Vergleichungen auch herausstellen, ob beide Typen ganz selbständig sind oder ob sie sich von einander ableiten lassen und im letzteren Fall, welcher von beiden als primär zu gelten hat. — Es scheint mir ein näheres Eingehen auf diese Frage, trotz der zu ihrer Lösung nothwendigen, ziemlich mühsamen und langweiligen Vor- arbeiten wohl der Mühe werth zu sein, denn ihre Lösung kann über die Phylogenese der Madreporen einiges Licht verbreiten. II. Wie im Eingang angedeutet, habe ich hier mit einigen Special- kollegen, d. h. einigen Arbeitern im Felde der Korallenanatomie nothwendig abzurechnen. Diese Abtheilung wird daher aus mehreren ! Ich kann hierzu noch anführen, dass bei dem in Fig. 10 abgebildeten Stück die basalen Septenenden eines Cyklus immer in einer Kurve liegen, die fast genau parallel dem Anwachsstreifen verläuft. se Uber Flabellum. 339 von einander nicht direkt abhängigen Besprechungen, die einzeln numerirt werden sollen, zusammengesetzt sein und ihr Inhalt wird auf Neuheit keinen Anspruch machen können, da die behandelten Auslassungen sich zum größten Theil auf Unkenntnis von Thatsachen und das Missverstehen meiner Angaben zurückführen lassen. Es mag gleich im Voraus bemerkt werden. dass dieses Missverstehen häufig auf Nachlässigkeit beruht, die sich nur durch die Verschieden- heit der Sprache einigermaßen entschuldigen lässt. Der innere Zu- sammenhang der einzelnen Nummern wird nach dem Durchlesen aller von selbst klar werden. 1) Bourne (Anatomy of Mussa and Euphyllia. Micr. Journ. Vol. XXVUI. N. S. pag. 40)! bedauert, dass die Weiter- entwicklung der Epithek von Asteroides nicht bis zum erwachsenen Thier studirt worden sei. Dem gegenüber habe ich zu bemerken (Entwickl. des Kalkskelettes von Asteroides. Mitth. der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. III. pag. 288), nachdem ich am angeführten Ort die erste Anlage der Epithek beschrieben und be- tont habe, dass sie ursprünglich vom Mauerblatt getrennt ist, fahre ich fort, »von nun an folgt die Weiterentwicklung des Ske- lettes hauptsächlich durch Höhenwachsthum der Sternleisten, des Mauerblattes, des Säulchens und der Epithek, wie er am besten durch die Fig. 15—16 veranschaulicht wird. ..... So weit (bis zur Bildung von 24 Septen) reichen meine Untersuchungen an selbst gezüchteten Exemplaren.« Im Text ist nun über das Weiterwachs- thum der Epitbek nichts mehr erwähnt und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sich dabei keine erwähnenswerthen Erscheinungen ge- 1 Unfortunately the further development of the epitheca has not been studied, and we are even deficient of an exact knowledge of its structure in the adult. In his most recent contribution tho the subject (Morph. Jahrb. XII. 1886. pag. 154) von Koch has given a diagram which professes to show clearly all the relations between soft an hart tissues in the adult coral polyp. In it the epitheca is figured as a complete and independent wall of calcareous tissue lying parallel with the theca and separated from it by a considerable space of extrathecal coelenteron, this space being bridged over at intervals by the costae, which in the drawing abut upon and are fused with the epitheca so as to connect it with the remainder of the corallum. Such relations as are shown in this figure accure as far as I am aware, in no coral either living or extinct; they can only be considered as theoretical, and form a part of the system which von Kocu is attempting to construct on the subject of the coral skeleton. I have never seen or heard of a coral in which the soft tissues out- side the upper part of the theca are themselves invested by a calcareous la- Bee 340 G. v. Koch zeigt haben, aber einen vollständigen Aufschluss über das Endresul- tat dieses Wachsthums giebt Fig. 20 und 22 nebst deren Erklärun- gen. Es ist dort gezeigt, dass »wenig unter dem Kelchrand«, eben so könnte es heißen dicht unter dem Kelchrand, die Epi- thek eine vollständige, von der Mauer unabhängige und mit ihr nur sekundär durch Fortsätze der Septen verbundene Lamelle ist. Sie unterscheidet sich also bei dem ausgewach- senen Thier in nichts von dem Jugendstadium (man vergleiche nochmals dessen Beschreibung pag. 40). Zu welchem Zweck sollte ich die Epithek also noch auf I oder 2 oder vielleicht gar ein Dutzend (so viel lagen mir wenigstens vor) Zwischenstadien beschreiben ? Wäre ich dadurch geschützt gewesen vor BOURNE's: »Unfortunately ... . 2« Ich will übrigens die Gelegenheit, wo von den Jugend- stadien des Asteroides calycularis mit die Rede ist, benutzen, um mich gegen die Fig. 13 von Bourne (a. a. O.) zu verwah- ren. Diese ist ganz gedankenlos aus meinen Fig. 3 und 4 Taf. XX (a. a. O.) zusammengesetzt, dann noch die Hälfte eines Ösophaguslängsschnittes hinzugefügt und, wie jeder Betrachter sofort erkennen wird, vollständig falsch! 2) Derselbe Autor spricht einige Zeilen weiter unten aus, er habe weder bei einer lebenden noch bei einer ausgestor- benen Koralle weder gesehen noch davon gehört, dass die Epithek sich verhalte wie in meiner schematischen Figur (Morph. Jahrb. Bd. XII. Taf. IX Fig. 8) und diese letztere sei nur einem von mir gemachten System zu Liebe konstruirt. — Darauf habe ich zu antworten, dass allerdings mein Schema in der Natur verwirklicht und für einen denkenden Menschen sogar bei nicht wenigen Korallen leicht zu erkennen ist. Ganz rein findet es sich bei fast allen Einzelexemplaren von Asteroides und wird nur dureh die Koloniebildung später weniger deutlich, wie ich in 1 schon nach einer früheren Arbeit wiederholt habe!. Ich muss also schließen, dass Herr C. Bourne daraus keine so ausgebreitete Kennt- nis von Korallen hat, alser durch die Bestimmtheit seines ! Als ein Zeugnis für das öftere Vorkommen meines Schema habe ich in Fig. 12 das Skelet einer Knospe von Astraea (Favia) abgebildet, welche ich, Dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. SLUITER in Batavia, sehr gut in Alkohol konservirt mit den Weichtheilen, die nichts Abweichendes boten, untersuchen konnte. Hier erhebt sich an der einen Seite die Epithek über die Mauer, die, wie man erkennen kann, zwischen zwei Interseptalräumen noch gar nicht fertig gebildet ist. Uber Flabellum 341 Auftretens glauben machen möchte und will ihm rathen, von meinen Abbildungen künftig mit etwas mehr Achtung zu reden. — Für andere Korallenforscher habe ich hier zu bemerken, dass ich durchaus nicht den Werth meines Schema und der daran geknüpften Erwä- gungen nach der eben angeführten Übereinstimmung bemesse. Es ist entstanden durch die Zusammenfassung vieljähriger Detailstudien, die nur zum kleineren Theil veröffentlicht sind und wurde haupt- sächlich in der vorliegenden kurzen Form mitgetheilt, weil ich da- durch hoffte, einigen Kollegen das Verständnis der behandelten Ver- hältnisse zu erleichtern. Leider war der Erfolg nicht der gehoffte. 3) FowLer (The Anatomy of the Madreporaria. III. Mier. Journ. Vol. XXVIII. N. S. pag. 14—16) giebt mir Recht darin, dass ich (a.a.0.) aus der Struktur der Wand! (Außenplatte = Epithek) schließe, diese könne nur von einer, und zwar von der Innenseite her abgelagert worden sein? Aber er kann meinem weiteren Schluss: wenn die Wand von Flabellun dieselbe Lage einnimmt und auf dieselbe Weise gebildet wird, wie die Epithek anderer Ko- rallen, so ist sie dieser homolog, nicht beipflichten, denn es fällt ihm auf einmal seine Schullogik ein und er erschriekt über den Syllo- gismus: 1) die Wand von Flabellum wächst von innen, 2) eine Epithek wächst von innen, 3) die Wand von Flabellum ist eine Epithek, »on example of what is characterised by logicans as the follacy of the undistributed middle term (» Medium non Distributum«). — Als ich dies gelesen, fiel mir sofort wieder ein Gedanke ein, den ich in meiner Arbeit als unwahrscheinlich unterdrückt hatte3, welcher aber ! Seine entsprechenden Abbildungen Pl. II Fig. 16 und 17 stimmen auch ziemlich gut mit der früher von mir gegebenen (Morph. Jahrb. Bd. XU. Taf. IX Fig. 4) überein. 2 (a. a. 0.) pag. 15. »He (Koch) states that the dark line of growth, visible in transverse sections of the calyx, which indicates the earliest formed part of the coral at that level, is in Flabellum placed peripherally, and conse- quently that the sceleton is laid down from without inwards« und weiter unten: »Dr. von KocH is no doubt correct in asserting that the calyx of Fla- bellum is laid down from without inwards. « 3 Als ich an Querschnitten von Flabellum zuerst erkannte, dass dessen Kelchwand ganz einseitig ausgeschieden sei, stellte ich mir die Fragen: Ist diese Erscheinung eine primäre oder eine sekundäre. Im ersten Fall musste die Kelchwand homolog der Epithek sein oder sie war eine Theca, lag also innerhalb des lateralen Derma und das Ektoderm (Calicoblasten) der sie um- gebenden Falte war nur auf einer Seite thätig. Für diese Annahme liegt kein 349 G. v. Koch durch einen Fund FowLer’s möglicherweise meiner Hypothese ge- fährlich werden konnte. Ich arbeitete mich eifrig durch pag. 15 und 16 und war völlig enttäuscht. Alles Thatsächliche beschränkt sich auf längst Bekanntes und Bemerkungen wie die, dass die Epi- thek »uninconstant and inconsiderable structure« ist, oder »Nor is there anything in the structure of the corallum really inconsistent with the idea that it is a theca«, haben keine Beweiskraft. Da- gegen ist die Art, wie sich FOwLeEr die Verschiedenheit der Wand von Flabellum und Lophohelia, Caryophyllia ete. erklärt, recht in- teressant: »Lophohelia sitzt zeitlebens fest, Flabellum nur in der Jugend, desshalb ist letzteres mehr Unglücksfällen ausgesetzt und kann desshalb keine »Randplatte« mehr gebrauchen, da aber ein Theil des letzteren die äußeren Schichten der Kelehwand absetzt, so müssen diese natürlich bei Flabellum fehlen.« Quod erat demon- strandum, d. h. mit der mystischen »Randplatte«! kann man viel in das Blaue hinein reden. Grund vor, denn alle von mir untersuchten echten Theken besitzen Auflagen von sekundären Ausscheidungen auf beiden Seiten, obgleich sie nicht immer gleich dick sind, außerdem sprachen aber auch noch dagegen Schliffe durch die Kelehwand von Flabellum zwischen zwei Septen (vgl. Fig. 9). Diese zeigten deut- lich, dass an der Stelle der » Anwachsstreifen« das Längswachsthum einige Zeit sistirt war und die Kante der Wand durch mehrfache Auflagerung abgerundet wurde, in einer Weise, wie sie sich wohl nur erwarten lässt, wenn die letztere von einer inneren weichen Haut, die sich etwas über den Rand legt, ausgeht. Im zweiten Fall, der, abgesehen von den Beweisgründen, vorerst am meisten für sich hat, war das ganze Flabellum mit einer echten Theca versehen und beim späteren Wachsthum wurde der äußere Theil des Derma so schnell von der Basis her rückgebildet, dass die äußere Fläche der die Theca ausscheiden- den Falte gar nicht fungiren konnte. Dieser Fall bietet beim genaueren Über- legen viele Schwierigkeiten, vor Allem aber setzt er mit großer Wahrschein- lichkeit voraus, dass sich wenigstens an den frühesten Theilen des Flabellum- skelets noch Spuren von äußeren Auflagerungen finden müssten, aber meine dahin gerichteten Untersuchungen (vgl. Fig. 1) zeigten umgekehrt, dass gerade dort Kontour und primäre Anlage des Kelches genau zusammenfallen. Ich bin desshalb von der Unhaltbarkeit dieser dritten Annahme überzeugt. 1 Das Wort »Randplatte« geschaffen zu haben, ist ein Verdienst v. HEI- DER’s (Cladocora), der, wie diejenigen, welche das Wort noch gebrauchen, über die morphologische Bedeutung des so bezeichneten Theiles vollständig im Un- klaren war. — Eine sehr einfache vergleichende Betrachtung ergiebt, dass die »Randplatte« aus zwei von einander wohl zu unterscheidenden Theilen be- steht, dem lateralen Derma und der äußeren Hälfte der basalen Dermalfalte, welche die Theca ausscheidet und umschließt. Beide werden häufig von der Basis der Koralle her theilweise riickgebildet und verschmelzen dann immer weiter nach der Mundseite zu mit einander. — Sie ist einfach der außerthecale Weichkörper, aber durchaus keine Bildung sui generis. Uber Flabellum. 343 4) BoURNE (a. a. O. pag. 48—49) behandelt ebenfalls die Mor- phologie von Flabellum. Zuerst spricht er aus, dass ihm Fow er’s Ansicht (vgl. 3) nicht genügt. Dann erklärt er sich die » sogenannte Theea« von Flabellum im Anschluss an das von Asteroides Bekannte entstanden als eine Basalbildung, welche aufwärts gewach- sen ist, um einen Kelch zu bilden und findet so auch ver- ständlich, dass diese Bildung nur von innen aus wachsen kann, da sie außerhalb des Polypen liegt und diesen gänzlich einschließt. Nach der Anführung einiger hier nicht her ge- höriger Einzelheiten (die übrigens zuerst von mir, nicht Fow- LER abgebildet wurden), kommt der Autor zn dem Schluss: If I am right in considering epitheca to be continous with and indisting- anishable from the basal plate ony views on Flabellum coineide curiously with those of von KocH, who regards the apparent theca of Flabellum as epitheca, much as I disagree with many of his ex- pressed views on epithecal structures. — Ich habe diesen ganzen Satz im Originaltext hergesetzt, weil mir es scheint, als sei er nicht leicht klar und korrekt ins Deutsche zu übertragen. Doch habe ich zu der vorhergehenden Auseinandersetzung zu bemerken, dass sie sachlich durchaus nichts Neues enthält, sondern die von mir (Morph. Jahrb. Bd.. XII. pag. 154 ff.) gegebene Erklärung der morphologischen Bedeutung des Skelets von Flabellum, nur in andere Worte gefasst, wiederholt!! Wie es scheint, soll diese Übereinstimmung etwas verdeckt werden durch die Benennung: »basale Pseudotheea«, welche Bourne hier für die Epithek von Flabellum einführt. Dass aber diese basale Pseudothek unter meiner Definition einer Epithek fällt, beweisen folgende Sätze (a. a. O. pag. 155): »Außenplatte = Epithek ist eine mehr oder we- niger von der Basalplatte abgesetzte Fortsetzung der letzteren, welche der Leibeswand (Derma) von außen aufliegt, aber die Anheftungsfläche (a) nicht mehr berührt. Sie besitzt bei den meisten Korallen die Gestalt eines Kegelmantels und ist darauf bei der Herstellung der schematischen Figur Rücksicht genommen « — und (Mitth. der Zool. Stat. Neapel. pag. 288) . . . beginnt sich am freien Rande des jungen Asteroides, an der Übergangsstelle des basalen und des seitlichen Theiles der Leibeswand, eine weitere Ausscheidung von Kalk durch das Ektoderm zu bilden, welche mit dem Fußblatt (Basalplatte) im Zusammenhang steht und eine dünne undurchbohrte, ziemlich glatte Lamelle darstellt. Allerdings muss ich einräumen, dass diese Definition Fälle nieht ausschließt, bei 344 G. v. Koch, Über Flabellum. denen es unmöglich wird, Basalplatte von Außenplatte scharf abzu- grenzen, aber wie viele von unseren Definitionen leiden nicht an dieser Unvollkommenheit? Hier indessen liegt kein solcher Fall vor, Flabellum ist, wie es scheint, in der Jugend immer auf einer Unter- lage befestigt und wo man von einem basalen und einem lateralen Derma sprechen kann, lassen sich leicht auch Basal- und Außenplatte unterscheiden, die erstere sitzt dem Boden auf, die andere erhebt sich frei nach oben. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Fig. 1—7. Querschnitte durch Flabellum ? in verschiedener Höhe. Camerazeich- nung bei ganz schwacher Vergrößerung. Fig. 8. Schematisirte Ansicht von Flabellum Michelini. Die Septen sind in ihren relativen Längen dargestellt. Fig. 9. Schliff durch die Epithek von Flabellum pavoninum zwischen zwei Septen bei stärkerer Vergrößerung an der Stelle eines Anwachsstrei- fens. Aus der Lage der dunklen Streifen, welche die primäre Anlage des Skelets darstellen und der helleren und etwas dunkleren Ver- diekungsschichten lässt sich erkennen, dass hier das Höhenwachsthum einige Zeit sistirt war. Fig. 10. Ein der Länge nach gespaltenes Flabellum pavoninum von innen in natürlicher Größe. g ist der Rest der Columella, die punktirte Linie cz bezeichnet die mittlere Ausdehnung der Columella. Fig. 11. Stückchen von Fig. 10. 75fach vergrößert. Fig. 12. Knospe von Astraea (Favia) aus Batavia, schwach vergrößert, giebt ein gutes Bild der Mauerbildung und der Epithek. NB. Die arabischen Zahlen bezeichnen in allen Figuren den Cyklus, zu welchem das betreffende Septum gehört. In 1—7 entspricht die Fig. 2 der Tafel Nr. 1 der Seriennummer 1 =: OD) OS - 5 ES aig) = = 9 - 4 - - 12 = iit = - 15 - 6 - = 18 SAT Ls = 30 es ee es ay Mt a rd IN ne PA GG bi > vr a yo > $ 2 DT Verlag v. W. Engelmann, Leipzig. Uf “iba 1) i “Morphol. Jahrbuch. Bd. XIV. ‘3 1ith.Anst v.F. Wirtz, Darmstadt, ae ‘ . aA rs ier S ad aes s = 2-4 > un. te < 3 x ‘ Pr ER: A 7 a ’ Al x a Er P Be! E te" ao >, a ? x y Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. Von Prof. Veit Graber in Czernowitz. Mit Tafel XIV—XV und 4 Holzschnitten. Frühere Angaben. Nach der Darstellung der meisten Autoren wäre die primäre Segmentirung des Insekten-Keimstreifs gleichbedeutend mit der Sonde- rung in Metameren, unter welchen wir jene kleinsten Stam- meseinheiten verstehen, die später (wenigstens z. Th.) je ein Paar Anhänge tragen und die zugleich — mit Ausnahme der vier vordersten, zur Kopfkapsel verschmelzenden Querstücke — die blei- benden Körpersegmente repräsentiren. Gleichwohl geht, wie hier gezeigt werden soll, der Metameren- bildung vielfach eine andere und zwar in Bezug auf die Zahl der Abschnitte einfachere Stammesquertheilung voran, und der Ausdruck »primäre Segmentirung« muss somit für letztere reservirt werden. Was die bisherigen Angaben über eine solche wahre Ursegmen- tirung betrifft, so kenne ich deren nur zwei und bezieht sich außer- dem eine davon nicht auf die Insekten, sondern auf den Skorpion. Um mit letzterer zu beginnen, so stammt dieselbe bereits aus dem Jahre 1870 und zwar von METSCHNIKOFF!. Es heißt hierüber pag. 10 (des Sep.-Abdr.): »Nach der Differenzirung der Longitudinal- 1 EL. METSCHNIKOFF, Embryologie des Skorpions (Zeitschr. f. wissenschaft- liche Zoologie. Bd. XXI). 346 V. Graber furche (vgl. den beigegebenen Holzschnitt Fig. 1 Z) bilden sich (an dem schildförmigen Keimstreif) gewöhnlich zwei transversale Fur- chen (a und 5), welche den ganzen Keimstreif in drei Abschnitte trennen. Von diesen erscheint der vordere (7) als Kopf, der hin- tere (/IT) als Schwanzanlage, dem mittleren Abschnitt (ZZ) scheint die Rolle eines die Anlagen des Thorax und Abdomens repräsen- tirenden Theiles angewiesen zu sein.« Diese Angabe des hochver- dienten Embryologen erscheint mir desshalb von großem Interesse, weil sie zum ersten Mal, wenn auch nicht mit voller Bestimmtheit, dem Gedanken Ausdruck verleiht, dass vielleicht die ersten Seg- mentfurehen des Keimstreifs der heteronom gegliederten Tracheaten den Einschnitten oder Grenzen zwischen den als Kopf, Brust und Hinterleib bekannten und am ausge- bildeten Thier zu Einheiten höherer Ordnung verbun- denen Metamerensummen oder Segmentkomplexen ent- sprechen. Leider konnte METSCHNIKOFF, da sich die em- bryonale Entwicklung des Skorpions nicht in con- tinuo beobachten lässt, auch nicht sicher konstatiren, ob seine Deutung der drei Ursegmente die richtige sei; wenn aber BALFOUR! in Bezug darauf (pag. 410 Anmerkung) meint, »diese Ansicht scheint mir kaum zulässig zu sein, da nach Analogie der Spinnen und anderer Arthropoden die neuen Somiten ver- Dreigliederiger (trimerer) fe 5 5 . F Keimstreif yon Scorpio Möge einer fortdauernden Segmentirung des hinter- europaeus nach Merscn- sten Abschnittes (des hintersten Ursegmentes?) ent- NIKOFF (Taf. XVII Fig. 3). : stehen müssten«, so wird die Folge lehren, dass dieser Satz keineswegs allgemeine Gültigkeit hat, indem das Seg- mentirungsschema vielfach ein ganz anderes ist. Ganz unberührt bleibt in METSCHNIKOFF's Arbeit die später von mir näher zu er- läuternde Grundfrage, ob die erste Segmentirung eine rein äu- Bere, d. i. bloß das Ektoderm betreffende Furchung, oder ob sie zugleich eine innere, das untere Blatt (Hypo- oder Ent oblast)? umfassende Sonderung ist. Fig. 1. 1 BALFOUE, Handbuch der vergleich. Embryologie (deutsch von VETTER. Jena 1880. II. Bd.). 2 Wie ich in einer speciell die Keimblätterbildung behandelnden großen Arbeit, für die ich seit zwölf Jahren Materialien sammle, zeigen werde, geht bei den von mir untersuchten zahlreichen Insekten das meistens als Ento- derm bezeichnete Darmdrüsenblatt (Coeloblast) aus dem in der Regel durch Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 347 Viel bestimmter als METSCHNIKOFF's Daten sind die von Ayers! bezüglich der primären Segmentirung des Keimstreifs einer Grille (Oecanthus niveus) gemachten Angaben, und betrachte ich diese auch, obschon sie, wie wir sehen werden, noch mancher Ergänzung und auch einiger Korrekturen bedürfen, als die erste Grundlage für Fig. 2, 3 und 4. Keimstreifen von Oecanthus niveus nach AYERS. Fig. 4. Zweigliederiges Stadium. Vergr. 31 (Taf. XVII Fig. 3). Dreigliederiges Stadium. Vergr. 50, (Taf. XVIII Fig. 4). Viergliederiges Stadium Vergr. 5%ı (Taf. XVII Fig. 5). Invagination (und nicht durch Delamination) gebildeten unteren Blatte hervor, für das wir der bekannte Ausdruck Hypoblast passender erscheint als für die Summe der sogenannten Dotterzellen (BALFOUR), die ich Centroblast nenne. Auf keinen Fall darf aber das untere Blatt, da es gleich Mesoderm (Myoblast) + Entoderm (Coeloblast) ist, wie dies von den meisten Insekten-Embryologen geschieht, einfach als Mesoderm bezeichnet werden. Mein Übersichtsschema ist: . Ektoblast sur: i / (Ektoderm), be Per : blast N äußeres Blatt. Dotterzellen, Coeloblast / (Epiblast, N ; (Entoderm Protoblast< Blastoderm. N ui i.e. $.) x Entoblast Darmdrüsen- Centroblast oder er blatt. (Dotterzellen Hypoblast Myoblast Hypoblast inneres Blatt Re nach BALFOUR (Mesoblast der meisten el 8 n. BALFOUR) Autoren) E rm). ntoderm) Mesoderm Darmmuskel- + Entoderm. blatt. ı H. Ayers, On the development the Boston society of natural history. Vol. III. No. VIII. of Oecanthus niveus etc. (Memoirs of Boston 1884.) 348 V. Graber die Behandlung der in Rede stehenden Frage. Die Hauptpunkte seiner Darlegung, die ich hinsichtlich ihrer Bedeutung später wür- digen werde, sind nach dem Originale folgende. Er beschreibt zunächst pag. 238 die erste Formdifferenzirung des im Ganzen schildförmigen Keimstreifs. »The almond-shaped thickening is soon divided into two tolerably well marked regions by the enlargement of the head end (vgl. den Holzschnitt Fig. 2 7). The narrower portion of the germinal band (ZZ) increases some what in length and the abdominal end becomes more broadly rounded. With the further growth of the embryo the head lobes (Holz- schnitt Fig. 3 47) increase rapidly in breadth, the ectoderm at the lateral edges becomes thicker, and the posterior portion of the em- bryo becomes spatulate in form with the enlarged part of the spa- tula forming the tip. There appears a depression in the middle of the forehead, which helps to make more conspicuous the bilateral symmetry of the head region (Holzschnitt Fig. 3 7)... Almost simultaneously . . . two lateral folds (Fig. 3 @ und 38) are for- med in the spatulate portion of the embryo, which. . . serve re- spectively to mark off the maxillary ([Kiefer-] Fig. 3 JZ) and tho- racic (Brust-) regions (Fig. 3 ZZZ). The general shape of the folds (Fig. 3 fc) may be compared to... Arabic numeral 3 for the right fold... The folds are thickest (wulstartig?) and most sharply defined in the maxillary region... The thickened (wulstartigen) outer edges of the head fold are at this time continuous behind with the outer edges of the germinal band, but they gradually grow in towards the median line and are at the same time bent forward (Holzschnitt Fig. 4 y) toward the region of the future mouth .. . The anterior ends of the maxillary folds (Fig. 3 und 4 #) fuse and ... forms a transverse elevation extending entirely across the embryo behind the cephalic region, forming the anterior limit of the maxil- lary region.« Weiter heiBt es dann pag. 239: »The maxillary and tho- racie constrictions (Fig. 4 5b, c) have becomes more sharply de- fined, since the folds have travelled to, and now form the edges of the embryo, but the strictly abdominal region has not kept pace in its growth with the anterior regions. The embryo is now composed of four well markedregions: cephalic (Fig. 4 J), maxillary (JZ), thoracic (ZII) and abdominal.« Ayers fährt dann fort: »There (nämlich in der Kiefer- und Brustregion) are gra- dually raised from the surface five pairs of protuberances Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 349 (zweites und drittes Kieferpaar — die Mandibelanlagen sollen spä- ter entstehen — und die drei Beinpaare). These ten prominences... appears simultaneously.« Endlich heißt es noch: »The lateral thickenings (Seitenwiilste) of the maxillary and thoracie regions be- come marked into segments by the appearance of four pairs of mar- ginal notches (Randkerben), so that the maxillary region is divided into two (das Mandibularsegment wiire nicht deutlich diffe- renzitt), and the thoracic into three sharply marked seg- ments... Later the abdominal region becomes segmented . . .« Resumiren wir nun unter Zugrundelegung der betreffenden Ab- bildungen die fiir unsere Frage am meisten belangreichen Thatsachen und lassen vorläufig einige Angaben, wie z. B. die über die Ver- dickung der Keimstreifränder, dann jene über die relativ späte Diffe- renzirung des Mandibularsegmentes und dann noch jene über die Zeitfolge der Bildung der Metamerenanhänge auf sich beruhen — Einiges wird hierüber später nachgeholt werden — so ergiebt sich Folgendes: Aus dem Holzschnitt Fig. 2 ersehen wir zunächst, dass sich der Keimstreif frühzeitig in zwei, allerdings nicht scharf von einander geschiedene Abschnitte sondert, nämlich in einen relativ breiten aber kurzen Vorderabschnitt I und in einen verhältnismäßig schmalen aber längeren Hinterabschnitt II. Aus der Vergleichung dieses Stadiums mit den folgenden Fig. 3 und 4 ergiebt sich ferner, dass der erwähnte Vordertheil dem ersten Segment des später in vier (gliedmaßentragende) Metameren getheilten Kopfes entspricht. Be- zeichnen wir behufs leichterer Verständigung die einzelnen Metameren der drei bekannten Hauptabschnitte des fertigen Insektenleibes mit hy, ko, kx, ky (Kopf), d,, da, 6; (Brust) und A, hy . . . Ay, (Hinter- leib), und markiren wir ferner die Stelle einer Segmentfurche durch das Zeichen +, so lässt sich die Gliederung des Stadiums Fig. 2 ausdrücken durch die Formel I + I] = Ak + (hy, hy, hy, b4, ba, bs, hy... Au), d. h. das vordere oder erste Ursegment I ist gleich dem ersten (gliedmaßentragenden) Metamer, während der Rest, d. i. das hintere oder zweite Ursegment II der Summe aller übrigen 17 Metameren entspricht. Hier muss nun zunächst konstatirt wer- den, dass dieser erste Segmentirungsvorgang schon lange von den verschiedensten Forschern und für die verschiedensten Insekten als Regel aufgestellt wurde. Neu ist aber Ayers’ Darstellung der nächsten zwei Gliederungs- akte. Während man nämlich bisher beobachtet resp. angenommen hatte, dass gemäß dem schon oben erwähnten BALrour’schen Schema 350 V. Graber auf die Abgliederung des ersten Metamers die des zweiten, dann die des dritten ete. folge, wobei allerdings auch mehrere Segmente gleichzeitig zur Sonderung gelangen können, fand Ayers (vgl. Holz- schnitt Fig. 3 und 4 4), dass die zweite Segmentfurche (Con- striktion) nicht, wie die erwähnte Regel fordert, zwischen den (künf- tigen) Metamer 2 und 3, sondern weiter nach hinten, nämlich zwischen den Metamer 4 und 5, d. i. zwischen Kopf und Brust fällt. Oder in Formeln: der neue Segmentirungszustand I + I + II (Fig. 3) ist nicht = Ak, + Ay + (ka, Ay, 21, du, 03, Ay. . . Ay) Son- dern = Ay + (Aa, Ay, Ay) + (bi, 02, ds, Ar... Au). Mit einem Wort: das zweite Ursegment I (Fig. 3 und 4) ist nicht ein einfacher Metamer, wie das erste Primärsegment, sondern eine Summe von Metameren, bestehend aus den drei hinteren oder kiefertragenden Kopfsegmenten. Mit Rücksicht auf dieses Verhalten scheint es mir ganz angezeigt, den Komplex der drei hinteren Kopfsegmente im Gegensatz zum ersten Segment, dem speciell von Ayers der Name Vorderkopf gegeben wurde, als Hinterkopf zu bezeichnen. Ähnlieh wie der zweite ist auch der dritte, durch Fig. 4 ver- anschaulichte Segmentirungsakt. Die neue oder dritte Segment- furche e entsteht nämlich nicht, wie nach der BaLrour’schen Regel zu erwarten wäre, im Ursegment II, sondern sie fällt zwischen den 7. und 8. Metamer, d.h. zwischen Brust und Hinterleib. Oder durch die Formel ausgedrückt: I + Il+ UI + 1V >A + (Ay, Äy, Hy) + (by, bo, 53) + (Au, Aa... Au), d. h. das dritte Ursegment entspricht der Summe der (künftigen) drei Brust- metameren und das vierte oder letzte Ursegment der Summe der Hinterleibsmetameren. Im Vergleich mit den drei hinteren Ursegmenten des tetrameren Keimstreifsstadiums haben somit die innerhalb dieser Abschnitte spä- ter auftretenden Metameren, oder die (wenigstens zum größeren Theile) bleibenden Stammglieder den Werth von Subsegmenten und könnte man das Verhältnis zwischen den primären und sekundären Seg- menten auch so ausdrücken, dass man erstere (mit Ausnahme des Vorderkopfes) als Makro- und letztere als Mikrosomiten be- zeichnet. Obgleich nach der Ayers’schen Darstellung kaum daran ge- zweifelt werden kann, dass die von ihm als Einschnürungen (con- strietions) bezeichneten zwei Querfurchen am künftigen Rumpftheil wirklich zwischen Kopf und Brust einer- und zwischen Brust und Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 351 Hinterleib andererseits fallen und dass also durch diese primiire Segmentirung gewissermaßen und bis zu einem gewissen Grade — der primäre Kopf ist ja zweigliederig — die bekannte (als tertiäre Gliederung auftretende) Abtheilung des fertigen Insektes in drei (aus heteronomen Metamerensummen bestehende) Hauptabschnitte antiei- pirt wird, so würde doch offenbar der in Rede stehende Segmen- tirungsvorgang noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn sich nach- weisen ließe, dass er nicht bloß, wie man aus Ayers’ Darstellung schließen muss, rein äußerlich, d. i. am Ektoderm sich abspiele, sondern auch innerlich, also am unteren Blatt oder dem Hypoblast sich vollzöge. AYERS giebt aber hierüber nicht einmal eine Andeutung. Wir erfahren wohl pag. 238, dass der Hypoblast (Ayers nennt ihn Mesoderm) schon vor dem Auftreten der ersten Einschnürung des Keimstreifs als eine »kontinuirliche Schicht« gebildet ist (the meso- derm has formed a continuous sheet over the inner side of the ger- minal band before any modification in the form of the embryo ap- pears), wobei Ayers über die Art seiner Bildung ganz im Unklaren blieb, und wir hören ferner pag. 242, dass, nachdem der Ektoderm- streif schon in Metameren getheilt ist, der Hypoblast zwei entspre- chend gegliederte Seitenröhren bildet; das Verhalten des unteren Blattes während der fraglichen Stadien der Primärsegmentirung bleibt aber im Dunkeln. Dies gab mir nun die Veranlassung, die Sache an einem geeigneten Objekt eingehender zu untersuchen und die gelegentlich früher gemachten einschlägigen Beobachtungen mit den Resultaten der neuen Untersuchung zu vereinigen. Eigene Untersuchungen. Stenobothrus variabilis Fieb. (Taf. XIV Fig. 7—11 und Taf. XV Fig. 12—17.) Im Herbst, als ich meine Untersuchungen begann, stand mir von keinem Insekt ein so geeignetes und reiches Eiermaterial zur Ver- fügung, als von der genannten Schnarrheuschrecke. Zunächst zeigt Fig. 7 A in natürlicher Größe erstens eines der würstchenartigen bräunlichschwarzen Eierpackete unserer Heuschrecke, die sie meist in Erde oder in Sand absetzt!, B ein aufgebrochenes mit der weichen schaumigen Kittmasse «, welche letztere im oberen, meist 1 Vgl. hierüber PACKARD im bulletin of the united-states entomological commission. Juni 1877 (on the natural hist. of the rocky mountain locust etc.). Morpholog. Jahrbuch. 14, 23 302 V. Graber verschmälerten Theil des Packetes eine Art Pfropf bildet, und C endlich zwei Eier, nämlich ein ganz gerade gestrecktes und ein etwas gebogenes. Die Eier, deren ein Packet meist 10—15 enthält. sind ca. 3 mm lang, wie Fig. 8 und 9 zeigen, stark gestreckt, am Mikropylen- oder vorderen Pol, der im Packet stets nach unten ge- wendet ist, zugespitzt, am anderen abgerundet. Sie haben ferner eine sehr derbe pergamentartige Schale von brauner Farbe, die — vgl. PACKARD — aus einer äußeren relativ dicken Schicht (Exo- chorion) und einer inneren zarteren Lage (Entochorion) sich zusam- mensetzt, aber, im Gegensatz zu den meisten anderen Insekten, keine Dotterhaut, ein Umstand, der das Schälen, Färben und Schnei- den der Eier sehr erschwert. Von den gesammelten Eierpacketen — über 300 Stück — gab ich — angefangen vom Tage ihrer Ablegung bis nach Verlauf eines Monats — jeden Tag einige, im geöffneten Zustand, in bis 80° C. erhitzte Jod-Jodkaliumlösung und dann in Alkohol. Indem ich die Besprechung der ersten Entwicklungsvor- sänge meiner Keimblätterarbeit vorbehalte, beginne ich die Darstel- lung erst mit dem Auftreten der Keimscheibe. Die erste deut- liche Spur derselben fand ich bei einer Durchschnittstemperatur von ca. 18°C. erst am 10. Tage. Sie bildet ein ganz winziges (0,2 mm breites) rundliches Fleckehen am vorderen Pol. Eine mäßig vergrößerte Flächenansicht einer isolirten und mit Karmin gefärbten Keimscheibenanlage giebt Fig. 10. Die Keimscheibenanlage besteht aus dieht gedrängten schmalen Prismenzellen, die gegen den noch nicht scharf begrenzten Rand hin an Höhe abnehmen und deren Kern ca. dreimal kleiner ist als jener der flachen Pflasterzellen der umliegenden Keimhaut, die spä- ter zur Serosa (Ektoptygma)! wird. In einigen Kernen der Keim- scheibe und der künftigen Serosa sind große rundliche oder auch plattenförmige Chromatinkörper, die in unserer Zeichnung durch tie- fere Schwärze angedeutet sind. Ein weiteres Stadium der isolirten Keimscheibe, und zwar von innen und bei auffallendem Licht gezeichnet, giebt Fig. 12 Taf. XV. Sie hat jetzt einen Längsdurchmesser von ca. 0,5 mm und bildet eine schwach konkave schildartige Platte aus einer einzigen Zelllage, deren Dicke, wie die Randzone es zeigt, und wie man 1 Vgl. meine Arbeit: Vergleichende Studien über die Keimhüllen und die Rückenbildung der Insekten (Denkschriften der Kaiser]. Akademie der Wissen- schaften in Wien. 1888). Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 353 insbesondere an Längsschnitten sieht, i. A. von vorn nach hinten zunimmt. Rings um sie herum erhebt sich ein Wulst (e—A), der insbesondere vorn und seitwärts stark hervortritt, die zweiblätterige Embryonalhüllenfalte oder Gastroptyche. Das nächste Stadium des schon mehr zu einem Streifen ausge- wachsenen Keimes, behufs dessen Auffindung und Isolirung — was auch von den folgenden Stadien gilt — ein großes Eiermaterial und eine ganz außerordentliche Sorgfalt nöthig war, sieht man in Fig. 13. Der Keimstreif bildet eine aus einer dicken Zellschicht bestehende und schwach muldenartig gebogene Platte von ca. 0,8 mm Länge, die, ähnlich dem ersten Segmentirungsstadium Ayers’ (Holzschnitt Fig. 2), durch eine seichte bilaterale Einkerbung (a,a’) in zwei Ab- schnitte getheilt wird. Von diesen Abschnitten ist der vordere breit und entspricht, wie die Folge lehrt, dem ersten (antennalen) Meta- mer oder dem Vorderkopf, während der hintere in beständiger Ver- längerung begriffene Abschnitt nahezu um die Hälfte schmäler ist. Der Keimstreif ist aber nicht, wie es das nach einem unter dem Deckglas liegenden Präparat mit der Cam. luc. gezeichnete Bild darstellt, gerade gestreckt, sondern es ist, wie man einigermaßen aus Fig. 8 und 9 (%s) ersieht, der Hintertheil gegen den vorderen nahe- zu rechtwinkelig gebeugt. Man kann die Form des Keimstreifs — und dies gilt noch mehr für die folgenden Stadien (Fig. 14, 15, 16 und 17) — mit der eines Schöpflöffels mit stark aufgebogenem Stiel vergleichen, wobei man sich vorzustellen hat, dass der dem Löffel entsprechende (in Wirklichkeit mehr schalenartige) Vorderkopf den oberen Pol des Dottersphäroids umfasst, während der übrige streifen- artige Theil demselben der Länge nach anliegt. Von besonderem Interesse ist aber an unserem Präparat, das, gleich den folgenden (Fig. 14—17) von der Innen- oder Dotterseite gezeichnet ist, ein medianer hohler Wulst (Ay), der im hinteren Drittel des Vorderkopfes beginnt und fast bis ans Hinterende des Keimstreifs reicht. Dieser Wulst, der aber nur dann deutlich sicht- bar wird, wenn der Keimstreif vom anhaftenden Dotter sorgfältig gereinigt und entsprechend tingirt wird, ist nun nichts Anderes als eine mediane Falte der äußeren Zellplatte, also die Anlage des sog. unteren Keimblattes oder des Hypoblast. Genaueres zeigt der in der Richtung der Punktlinie Ay geführte Querschnitt in Fig. 11 (Taf. XIV), ec ist die nach der Abschnürung des Hypoblasts als Ektoderm zu bezeichnende Keimstreifplatte. In der Mitte derselben, bei @o—h, sieht man die Einstülpungs- oder Invaginationshöhle. 23* 354 V. Graber hy ist der eingestiilpte mediane Wulst, dessen Zellen sich aber schon betriichtlich vermehrt haben. Im Gegensatz zu den Zellen der Mutter- lage (Periblast), welche ein in der Mitte der Platte ziemlich hohes Cylinderepithel bilden, sind die Hypoblast-Elemente mehr rundlich bezw., wo sie dichter liegen, polyedrisch. Der Form der Zelle ent- spricht auch der Kern. Letzterer ist an den Ektodermzellen lang- gestreckt und im Durchmesser nur 0,005 mm breit, während jener der Hypoblastelemente rundlich ist und also auch an der Flächen- ansicht einen größeren Querdurchmesser (ca. 0,009 mm) zeigt. Außer- dem scheint mir, dass sich das Protoplasma der Hypoblastzellen stär- ker tingirt als das der Ektodermelemente. Wenn Ayers (vgl. pag. 237) bei Oecanthus keine deutliche In- vagination nachweisen konnte und desshalb aus dem wirklich nichts- sagenden Querschnitt in seiner Fig. 8 Taf. XXIII auf Delamination des Hypoblasts schließt, so verfährt er ganz ähnlich wie viele andere Embryologen, nur dass er wenigstens nicht, wie z. B. Wrrraczin! bei den Aphiden, auch die Möglichkeit einer Hypoblastbildung durch Embolie leugnet. Den Umstand, dass die vielfach als Gastrulation bezeichnete Invagination bisher so selten sicher beobachtet wurde, erkläre ich mir dadurch, dass das Stadium der offenen Rinne meist sehr rasch vorübergeht. Anderes, was unser Querschnitt zeigt, sei hier nur ganz flüchtig berührt. Zunächst sieht man, dass die Kerne der Dotterzellen (doz) — gleich denen der Serosa (se) — mehr als zweimal so groß (0,02 mm) als jene des Hypoblasts sind, und ist schon damit die vielfach behauptete Einwanderung der Vitellophagen in den relativ kleinkernigen Hypoblast widerlegt 2. Weiter beachte man noch, dass in diesem Stadium schon die beiden Embryonalhüllen über dem Embryo sich geschlossen haben; das Amnion (am) zeigt aber noch an den Randtheilen den Typus des Ektoderms bez. des Keimstreifperiblasts. Mit Rücksicht auf Ayers’ Angaben über die von ihm als »La- teralfalten« bezeichneten Bildungen bei der ersten Segmentirung muss noch etwas über die Beschaffenheit der Keimstreifränder bemerkt werden. Ayers stellt die Sache (auch in seinen Holz- schnitten Fig. 3 und 4) so dar, als ob die Seitenränder des Keim- 1 Wırraczır, Entwicklungsgeschichte der Aphiden. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XL. Bei anderen Rhynchoten, z. B. Pyrrhocoris, habe ich schon vor einem Decennium Invagination nachgewiesen. 2 Dagegen habe ich neuerdings beim Maikäfer Auswanderung konstatirt. Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 355 streifs dicker wären als der übrige Theil. Dies hat wohl, wie Serienquerschnitte lehren, seine Richtigkeit in Bezug auf das Vorderkopfsegment, dessen Seitentheile (vgl. unsere Fig. 14 ec) merklich dicker sind als der Mitteltheil, es gilt dies aber, wenigstens an unserem Objekt nicht für den übrigen Keimstreif, da derselbe, wie die Querschnitte zeigen, im Gegentheil in der Mitte am dieksten und am Rand am dünnsten ist. Wenn aber gleichwohl in der Flächenansicht der Keimstreif (vgl. z. B. Fig. 14) beiderseits von einem Wulst begrenzt zu sein scheint, so ist dies nur der optische Ausdruck dafür, dass die Keimstreifränder etwas in die Höhe ge- bogen sind, ihre Kerne also nicht, wie am übrigen Theil von oben, sondern von der Seite (mit dem langen Durchmesser) gesehen werden. Das nächste Stadium, das ich durch die Zeichnung fixirte, zeigt uns Fig. 14. Der ca. 1 mm lange Keimstreif ist, z. Th. wie es scheint, auf Kosten der Breite beträchtlich länger geworden, wobei der Vorderkopf in Eolge der fortschreitenden Einschnürung (a,«) einen nahezu nierenartigen Umriss bekam. Eine bedeutende Veränderung erlitt aber insbesondere der Hypoblastwulst (Ay). Er bildet, vom Ektoderm vollkommen abgeschnürt, ein selbständiges (inneres) Zellstratum, in welchem aber, im Gegensatz zum einschichtigen Ektoderm, mehrere Zellen (3—5) über einander liegen. Seine Total- form ist die eines plattgedrückten Stranges, der fast die ganze Länge des Keimstreifs einnimmt, aber kaum halb so breit als dieser ist. Im Vorderkopf entsteht frühzeitig, durch rasche Theilung der sich stark tingirenden Zellen, eine beträchtliche Verbreiterung, von der vorn, bei d, ein Paar kurze Fortsätze ausgehen. Über die Bedeutung der letzteren wage ich, da sie später wieder (vgl. Fig. 15) ver- schwinden, keine Muthmaßung; auf die höchst problematischen prae- oralen Antennen dürfen sie wohl kaum bezogen werden, denn letztere würden ja auch ein separates Ektodermsegment voraussetzen. Von größter Wichtigkeit für unsere Frage ist das folgende (offenbar einem relativ großen Individuum angehörige) Stadium Fig. 15, betreffs dessen ich aber sofort bemerken muss, dass eine seltene Geduld dazu gehört, ein entsprechendes Präparat zu ge- winnen, da Dutzende von ungefähr gleichalterigen Keimstreifen die für uns bedeutungsvollen Verhältnisse nicht zeigen und zwar sicher- lich desshalb, weil die betreffenden Theilungszustände sehr rasch sich abspielen. — Was zunächst die äußere Zellplatte des Keim- streifs, das Ektoderm, anlangt, so lässt dieselbe keine Spur der nach AYERS zu erwartenden Gliederung in Hinterkopf-, Brust- 356 V. Graber und Hinterleibsregion erkennen. Alles, was diesbezüglich zu er- kennen, ist nur eine bauchige Auftreibung der der künftigen Brust entsprechenden Mittelregion de, die aber sonst in keiner Weise als entschiedenes Segment sich abgrenzt. Um so auffallender und interessanter stellt sich das Verhalten der inneren oder Hypoplastplatte dar. Diese ist nämlich in die gleichen vier Ursegmente gesondert, wie sie AYERS bei Oecanthus am Ektoderm konstatirte. Diese bisher völlig unbekannte primäre Hypoblastsegmentirung giebt sich aber nicht etwa bloß durch oberflächliche Strikturen oder Einschnitte des Hy- poblaststranges zu erkennen, sondern es ist letzterer an den be- treffenden Stellen ganz durchschnitten, also in vier von einander völlig getrennte Stücke, und somit in wahre Segmente getheilt. Ein Blick auf unser Präparat zeigt ferner sofort, dass die vier primären Hypoblastsegmente keine homonome Metameren oder Mikro- somiten sondern — das Vorderkopfsegment ausgenommen — hetero- nome Makrosomiten sind. Unter diesen vier primären Hypoblastseg- menten unterscheide ich jenes am Vorder- oder — wie ich ihn nennen möchte — Urkopf als inneres (hypoblastisches) Urkopfsegment und jene am übrigen Keimstreiftheil — wofür ich den Namen Ur- rumpf gebrauche — als innere Urrumpfsegmente. Die Form der inneren Segmente anlangend, so ist das Urkopfsegment (vA) und das mittlere Urrumpfsegment (B) relativ breit — speciell letz- teres reicht ganz an den Seitenrand der Ektodermplatte — während das vordere und hintere Urrumpfsegment relativ schmal erscheint, also noch den Charakter des ursprünglichen Hypoblaststranges an sich trägt. Es eilt also, was wir auch später bestätigt finden, das Wachsthum des Urkopf- und des Urbrustsegmentes dem der anderen voran. Sonst beachte man noch die Beschaffenheit des Vorder- und Hinterrandes der Segmente. Ersterer ist zugespitzt — besonders auffallend am Brustabschnitt — letzterer breit abgestutzt, und am Urkopf- und Brustsegment etwas eingebuchtet. Schon daraus erhellt, dass die Bildung der primären Hypoblastsegmente nicht etwa auf einem bloßen Zerrissenwerden in Folge starker Längsausdehnung des Keimstreifs beruht, sondern dass es sich um eine gesetzmäßige Umgestaltung der Innenschicht handelt. Aus der Vergleichung des Stadiums Fig. 14 mit dem gegen- wärtigen ergiebt sich wohl von selbst, dass der letztere Zustand nicht sofort auf den ersteren folgt, sondern dass Zwischenstadien vorhan- den sind, deren Auffindung mir aber bisher nicht gelungen ist. Es Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 357 bleibt in Folge dessen insbesondere die Frage offen, ob die drei Hypoblastrisse (a, 4, e) gleichzeitig erfolgen, oder ob, was ich mit Rücksieht -auf die äußere Gliederung vermuthe, zuerst die Tren- nung zwischen dem Urkopf- und Urrumpfhypoblast sich vollzieht. Nicht minder lehrreich wie das zuletzt besprochene ist das nächste in Fig. 16 dargestellte Stadium eines 19 Tage alten (relativ kleinen) Keimstreifs. Es gestattet uns zunächst die sichere Deutung der drei früher nur provisorisch als Kiefer-, Brust- und Hinterleibs- abschnitte bezeichneten Hypoblast-Urrumpfsegmente. Da nämlich hier der im früheren Stadium mit B bezeichnete Mittelabschnitt in drei Untersegmente d,, d,, 0, zerlegt ist, so ist es wohl, wie auch das Folgende lehrt, evident, dass letztere die drei definitiven Brust- metameren sind, bez. dass das mittlere noch unzerlegte Urrumpf- segment des früheren Stadiums der Brust entspricht. Wie aus der Figur zu entnehmen, sind die hypoblastalen Brustmetameren oder Mikrosomiten eben so vollständig von einander getrennt wie die Ur- segmente. Bemerkenswerth ist ferner ihre Gestalt. Sie sind nämlich dreilappig — das letzte (b,) geradezu kleeblattartig — und zwar unterscheidet man, wovon bisher gar nichts bekannt war, einen me- dianen Lappen (m) und ein Paar laterale Lappen (s). Außerdem sieht man, dass neben der hypoblastalen oder inneren Metamerenbildung auch eine ektodermale oder äußere einhergeht, indem sich am Seitenrand der Ektodermplatte, entsprechend den (intersegmentalen) Trennungsstellen der Hypoblastmetameren Ein- kerbungen bilden. Das in Rede stehende, von AyErs nicht beobachtete Segmen- tirungsstadium ist aber auch desshalb interessant, weil es uns lehrt, dass das Batrour’sche Schema, nach welchem die bleibenden Meta- meren der Reihe nach von vorm nach hinten zur Sonderung ge- langen sollten, auch hier sich nicht erfüllt; denn die Zerlegung der makrosomitischen Ursegmente in die elementaren Segmente oder Mikrosomiten beginnt nicht am ersten sondern am zweiten Urrumpfsegment. Oder in Formeln ausgedrückt: Auf das Segmentirungsstadium (Fig. 15) I++ II +IV=%, + (Ay, Ay, hy) + (bi, ba, 43) + (Ay, ha, fg «Mar folgt nicht das Stadium « hy hy + hey + hy (bi, Da, 93) + (hi, ha, dig... Au) sondern (Fig. 16) hy + (ha, hz, By) + Oy + by + 03 + (ky, ha, hg --- hu). 358 V. Graber Bei dieser Gelegenheit will ich erwähnen, dass J. Morin‘ in seinem jiingst erschienenen Artikel »Zur Entwicklungsgeschichte der Spinnen«, ohne freilich makrosomitische Hypoblastsegmente nachge- wiesen zu haben, doch in mancher Beziehung Ähnliches berichtet, indem er pag. 660 schreibt: »Der Vorderlappen (worunter hier der Cephalo- thorax zu verstehen) wächst weiter nach vorn, und nach und nach trennen sich von demselben mittels Querfurchen die Brustsegmente. Zuerst trennt sich das sechste Segment, darauf das fünfte, dann das vierteete. Zuletzt theilt sich das erste, die Mandibeln tragende Segment ab. Der Rest des Vorder- lappens kann jetzt Kopflappen genannt werden, da aus ihm das Gehirn und die Augen sich entwickeln?. « Wir gelangen nun endlich zu dem in Fig. 17 abgebildeten 22 Tage alten Keimstreifstadium, an dem, bis auf die letzten Hinterleibssomiten, sämmtliche Metameren abgegliedert sind, und das in der Regel, — aber, wie wir jetzt wissen, ganz mit Unrecht — als primäres Segmentirungsstadium angesehen wird. Hier finden wir auch bereits Mund (mw) und After (af) angelegt, und zwar in Form einer schalenartigen Einsenkung des Ektoderms, welche den Hypoblast vor sich her schiebt. Am ersten Hypoblastsegment unter- scheidet man ferner ein Paar Seitenlappen fü, die wohl mit den Antennen in Beziehung stehen. Was die zur Sonderung gelangten drei hypoblastalen Hinterkopf- oder kiefertragenden Metameren (k,, %y, ks) betrifft, so wiederholen sie im Kleinen die Gestalt der schon früher abgegliederten Thorakalsegmente. Von den letzteren zeigt das dritte (d,), entsprechend der Größe der an ihm hervor- sprossenden (bekanntlich zum Sprung dienenden) Hinterbeine, weitaus die stärkste Entfaltung. Sonst beobachtet man an diesem Stadium noch (insbesondere deutlich an Querschnitten) , dass während die schon früher angedeuteten lateralen Lappen der Hypoblastsegmente an Dieke zunehmen, der mediane Theil dünner wird. Später (Fig. 18) wird jedes Segment durch eine Längsfurche in zwei symmetrische Hälften gesondert, welche schließlich in Säckchen sich umbilden. Indem ich die Besprechung einiger weiterer Umformungen der Hypoblastmetameren nachtragen werde, möchte ich mir hier noch erlauben, im Interesse einer bequemen internationalen Verständigung 1 Biolog. Centralblatt. Bd. VI (1887). Nr. 21. 2 Mir scheint es nicht logisch zu sein, das, was doch zweites (postcepha- lisches) Segment ist, als erstes zu bezeichnen. Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 359 über die Insektensegmente bezüglich ihrer Benennung folgendes Schema vorzulegen. I. (fühlertragendes) Ursegment, Vorderkopf, Urkopf Antennalsomit. 1. Kiefersegment Prognathals.! II. (kiefertragendes) - gnathales L en kon Mak a Ne = Mesognathals. RR ieee aL - Metagnathals. 1. Brustsegment Prothorakals. III. (meist Beine tragendes)- thorakales |. j es *P ey als Brust Makr ie 2. z Mesothorakals. = ld - Metathorakals. 1. Hinterleibssegm. 1. Abdominals. IV. (Hinterleib) - abdominales 4 2: = 2. 4 Makrosomit | ete. etc. Lina tremulae. (Taf. XIV Fig. 4 und 5.) Von diesem Käferchen, dessen noch unpublieirte Embryologie ich schon vor 12 Jahren theilweise zum Abschluss brachte, kenne ich nur ein Paar auf unsere Frage bezügliche Thatsachen, die aber ganz interessant sind. Fig. 4 zeigt ein ca. 2!/, Tage altes Ei, dessen länglicher Keim- streif durch zwei deutliche, nahe hinter einander liegende Querfur- chen (a und 5) in drei Segmente (J, II, III) gesondert ist. Das mittlere Segment (II) ist weitaus das kleinste, während das ‘lang- gestreckte Vorder- und Hintersegment, die sich auch ein wenig auf die Dorsalseite des Eies erstrecken, auffallend gleich geformt sind. Da hier die Zahl der Ursegmente um eines kleiner als bei Stenobothrus ist, lässt sich schwer sagen, wie sie zu deuten sind. Der räumlichen Vertheilung nach dürfte das Mittelsegment der Brust entsprechen, für welchen Fall dann das Vordersegment den ganzen Kopf repräsentiren würde. Jn ist die Invaginationsfurche, deren Anwesenheit uns sagt, dass hier die erste Segmentirung eine bloß äußerliche ist. Lehrreich ist dann das in Fig. 5 abgebildete Präparat. Man sieht da einen gut gelungenen Medianschnitt durch ein Ei, an dem 1 Für die Kiefer habe ich schon in meinem Buch »Die Insekten« die Aus- drücke Vorder-, Mittel- und Hinterkiefer angewendet, und endlich wird man sich vielleicht doch, der Entwicklungsgeschichte Rechnung tragend, entschließen, die von der Menschenanatomie entlehnten Ausdrücke »Oberkiefer«, » Unter- lippe« ete. fallen zu lassen. 360 YV. Graber bereits die beiden Embryonalhüllen (am + se), sowie die Dotterballen ausgebildet sind. m, mu, p, af, s ist der Keimstreif mit der nahe- zu polar situirten Mundeinstülpung ma und der Aftereinstiilpung af. Der Keimstreif zeigt vier deutliche Querfurchen, bei x, 0, p, g und 7, er zerfällt somit in sechs Segmente. Wie die Vergleichung mit spä- teren Stadien lehrt, ist das erste Segment (mr) das Antennalsomit, das zweite (zo) das gnathale Makrosomit, 3, 4 und 5 (op, pg und gr) entsprechen dem Pro-, Meso- und Metathorakalsegment, und rs end- lieh ist das abdominale Makrosomit. Die Gliederung ist also ganz dieselbe wie im Stadium Fig. 16 von Stenobothrus, d. h. am Ur- rumpf werden auch hier zuerst die Brustsegmente abge- gliedert. Von besonderem Interesse ist es, dass die Hypoblastschicht (hy) die gleiche Gliederung zeigt, nur sind, wegen der Klein- heit des Objektes, die Intersegmentallücken derselben nicht so scharf abgegrenzt. Melolontha vulgaris. (Taf. XIV Fig. 1 A und 2.) Obwohl ich vom Maikäfer Hunderte von Eiern, und zwar von den ersten Stadien an, untersuchte, gelang es mir bis jetzt doch nicht einen Keimstreif zu finden, der eine primäre Segmentirung nach der Art jener von Oecanthus, Stenobothrus oder Lina gezeigt hätte. Ein Präparat, das ich machte und in Fig. 1 abbildete, ist aber doch sehr lehrreich. Es ist (4) ein langgestreckter, einem 7 Tage alten Ei angehöriger Keimstreif, dessen dem Urkopf anderer Insekten entsprechender Vorderabschnitt (uAX) sehr breit ist, während der übrige Theil, oder der Urrumpf (wf) ein relativ schmales nach hinten zungenartig verjüngtes Band bildet. Äußerlich, d. i. an der Ektodermplatte, zeigt nun dieser Urrumpf nicht die mindeste Spur einer Segmentirung, sondern bloß einen schmalen verdickten Median- streif ms, der dem Mittelstrang der Bauchmarksanlage entspricht, und beiderseits desselben eine dünnwandige (bei durchfallendem Licht, bei dem die Zeichnung gemacht ist hell erscheinende) Rinne, die, wie Querschnitte beweisen, als rechts und linksseitiger Lateralstrang zu deuten ist. Nun war es mir aber sehr interessant zu erfahren, dass an diesem äußerlich noch ganz ungegliederten Urrumpf der Hypoblast bereits vollständig in Metameren zerlegt ist. Diese Thatsache enthüllte mir ein glücklicher Zufall, indem, Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 361 als ich den Keimstreif von der Dotterkugel loslösen wollte, der Hy- poblast theilweise auf letzterer haften blieb. Man sieht denselben in Fig. 1 B, und bemerkt, dass er wirklich aus einer Reihe schmaler und von einander völlig getrennter Querschienen (Ay-s) besteht. Letztere heben sich an dem mit Pikrokarmin tingirten Präparat noch viel schärfer ab als in der Zeichnung, da die Dotterballen-Unterlage (do) gelb ist, während die Hypoblastmetameren roth erscheinen !. Wie wir dies theilweise bei Stenobothrus fanden, eilt also auch hier die innere Urrumpfgliederung der äußeren Seg- mentirung voran. Hydrophilus piceus. (Taf. XIV Fig. 6.) Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Insekten (und wohl den meisten übrigen), bei denen die Gliederung des Keimstreifs in Metameren (Mikrosomiten) verhältnismäßig spät, nämlich (meist) erst nach der Ausbildung der Embryonalhüllen erfolgt, sollte dieser Vorgang nach den in dieser Hinsicht fast ganz übereinstimmenden Angaben KowALEysky’s? und HEIDER's? beim Schwimmkäfer unge- mein früh, nämlich fast gleichzeitig mit dem Deutlichwerden des Keimstreifs, erfolgen. So zeichnet KowALkvsky schon auf dem zweiten von ihm dargestellten Keimstreifstadium (seine Fig. 2 Taf. VIII) auf dem Boden der noch nicht bis zum Hinterpol des Eies aus- gedehnten Invaginationsfurche acht (kleine) Segmente, und HEIDER auf seiner ersten Keimstreiffigur (Fig. 3 Taf. I) — und zwar gleichfalls am eingesenkten Mediantheil — drei, in der folgenden auch noch die ganz offene Rinne zeigenden Figur (4) sechs und dann beim Beginn der Verwachsung der Furchenränder (Fig. 5) elf Quer- furchen. Obwohl nun die genannten Autoren dies nicht aussprechen, so ist doch, mit Rücksicht darauf, dass die angegebene Quertheilung nur auf dem Boden der Invaginationsrinne, also an dem zur Ein- ! Ich erwähne kurz, dass hier die in dichten Scharen in den mit Groß- kernen versehenen Dotter einwandernden sehr kleinkernigen Hypoblastzellen frühzeitig eine ganz andere Beschaffenheit als die Ektodermzellen annehmen. 2 KOWALEVSKY, Embryol. Studien an Würmern und Arthropoden. (Mem. Acad. Petersbourg. Ser. VII. T. XVI. 1871.) 3 K. Herper, Über die Anlage der Keimblätter von Hydrophilus piceus. (Verhandl. der königl. preuß. Akad. der Wissensch. Berlin 1885 [resp. 1886].) a = 362 V. Graber stülpung und Abschnürung gelangenden Epiblasttheil erfolgen soll. klar, dass es sich hier um eine mit der Anlage des Hy- poblasts gleichzeitig sich abspielende Segmentirung des letzteren und nicht um eine äußere Gliederung han- deln würde. In der That zeichnet auch KowALEvsKY ein späteres Stadium (seine Fig. 4), mit (bis auf eine feine Spaltlinie) geschlossener Invaginationsfurche ohne alle Andeutung einer Segmentirung auf der den (noch immer segmentirten?) Hypoblast überziehenden Ektoderm- platte, und lässt an letzterer die (vom Seitenrand ausgehenden) Segmentfurchen erst später (seine Fig. 5 [6?) und 7) hervor- treten, und ähnlich ist es bei HEIıDEr (s. Fig. 6), der aber kein unsegmentirtes Ektodermstadium besonders zur Abbildung brachte. Was nun meine eigenen Erfahrungen in dieser Richtung betrifft, so konnte ich, obwohl zahlreiche Eier durch meine Hände gingen, weder während der Invagination noch unmittelbar nachher, bis zur Vollendung der Embryonalhüllen, jemals eine so regelmäßige Seg- mentirung wie KOWALEVSKY und HEIDER beobachten. Ich sah wohl mitunter am isolirten Keimstreif einzelne Querfurchen, hielt diese aber mit Rücksicht auf ihre sehr wechselnde Distanz für den Ausdruck einer Fältelung, die man an stark in die Länge wachsenden Zell- platten ja so häufig antrifft. In dieser Meinung bestärkt mich aber insbesondere eine Serie von Sagittalschnitten, die ich von einem Embryo erhielt, der bereits ganz geschlossene Hüllen hatte und der ungefähr zwischen dem (relativ späten) Stadium Fig. 6 und 7 KowALEvsky's liegt. Meine Figur 6 zeigt einen solchen (nahezu medianen) Schnitt durch das ganze Ei. Der mit Ausnahme des ein wenig in den Dotter versenkten Hintertheiles ganz oberflächlich liegende Keimstreif (mo) ist ca. ?2/, des Eies lang. Man unterscheidet leicht die seröse Hülle (se, se’), dann das Amnion (am), ferner das aus hohen Prismen- zellen bestehende Ektoderm (ec) und endlich die dicke Hypoblast- schicht (Ay). Was nun zunächst das Relief des Ektoderms betrifft, so erscheint dasselbe unregelmäßig wellig, indem die vorhandenen Einkerbungen (Wellenthäler) sehr ungleiche Distanzen haben. Noch deutlicher sieht man dies an Fig. 6*, die bei stärkerer Vergrößerung die Vorderhälfte des Keimstreifs zeigt. Die Zellen- zeile des Ektoderms (ec) erinnert hier durch ihren Verlauf ganz an Jene der Matrix an der Häutung sich nähernden Insektentheilen. Besondere Beachtung verdient aber die dicke Hypoblast- schicht. Diese zeigt nämlich keine Spur einer Segmentirung, insbesondere aber keinerlei Quertheilung auf der dem Dotter (do) Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 363 zugewandten Seite, und wenn es auch mit der primären Hypoblast- segmentirung auf dem Boden der Invaginationsrinne — was ich ja nicht absolut bestreiten will — seine Richtigkeit hätte, so müsste diese jedenfalls rasch verschwinden, und erst viel später wieder eine Neugliederung stattfinden!. Über weitere Veränderungen der Hypoblast-Metameren. Da sich meine früheren Mittheilungen vorwiegend auf die bisher wenig studirte Segmentirung des unteren Blattes beziehen, so will ich zum Schlusse noch, einerseits um dem behandelten Gegenstand eine gewisse Abrundung zu geben und andererseits, um die künftige Forschung auf gewisse bisher unausgeglichene Differenzpunkte be- züglich einiger Fundamentalfragen der Insektenembryologie aufmerk- sam zu machen, noch einige Beobachtungen über weitere Verände- rungen der Hypoblastmetameren mittheilen, wobei ich mir indess eine ausführlichere Darlegung und kritische Sichtung der vorhandenen Angaben für später vorbehalte. Oben haben wir gehört, dass bei Stenobothrus die Hypoblast- metameren bald nach ihrer Trennung an den Seitentheilen sich ver- dicken, in der Medianlinie aber dünner werden. Später erfolgt dann (Fig. 18), ähnlich wie dies u. A. von KOROTNEFF? für Gryllotalpa (vgl. u. A. s. Fig. 33 und 34), dann von Herper? für Hydrophilus (s. Fig. 29) angegeben wird, eine vollständige Trennung in zwei Seitenhälften, wobei sich die letzteren in Anfangs ringsum geschlos- sene Säcke umwandeln. Das in unserer Fig. 2 abgebildete Präparat eines bisher nie embryologisch untersuchten Insekts, einer Gastero- pacha, giebt dann ein weiteres Beispiel einer solchen Sonderung. Das Präparat ist von einem drei Tage alten Embryo und zeigt uns das vierte, fünfte und sechste Abdominalsegment von der Innen- ! Unter Anderem sei vorläufig noch erwähnt, erstens, dass die zwei von HEIDER in Fig. 4 und 5 angedeuteten querlaufenden Invaginationstaschen, ähnlich wie bei Lina, viel ausgedehnter sind und zweitens, dass auf dem Stadium un- serer Fig. 6, analog wie dies Grasst für die Biene angiebt, vorn am Urkopf Ektoderm und Hypoblast keine scharfe Abgrenzung haben. 2 A. KoROTNEFF, Die Embryologie der Gryllotalpa. (Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XLI. 1885.) 3 Vgl. o. 364 V. Graber seite. Die Ektodermplatte ist dunkel, der auflagernde Hypoblast hell gehalten. Letzterer besteht aus zwei Plattenreihen (Ay-s, ete.), die in der Mitte, wo sich der Medianstrang der Bauchmarksanlage (ms) nach innen stülpt, ziemlich weit von einander abstehen. Fig.3 zeigt einen zugehörigen (segmentalen) Querschnitt. Man ersieht dar- aus, dass die Hypoblastplatten gegen den Seitenrand hin keulenartig sich verdicken und in diesem verdickten Lateraltheile eine spaltartige Höhlung (sog. Ursegmenthöhlen) besitzen. Mit Rücksicht darauf, dass auch hier wieder sowie nach KowaLrvsky und HEIDER bei Hy- drophilus die Höhlenbildung oder Spaltung des Hypoblasts entschieden erst nach der Trennung der Segmente erfolgt, und dass auch beim Maikäfer diese lateralen Spalträume (Fig. 1 B, !hy) erst an den Metameren entstehen, dürfte Korornerr’s Angabe, nach welcher (vgl. pag. 577) die Spaltung des Hypoblasts (er nennt ihn Myoblast!) der Segmentirung vorangehen sollte, doch noch eine nähere Prüfung verlangen. Eine andere wichtige Veränderung ist die partielle Wieder- vereinigung der Hypoblastsomiten, die zugleich die Bildung der aus einer ursprünglich segmentirten Anlage hervorgehenden Mitteldarmwand (Muskel- sowohl wie Driisenblatt) einleitet. Auch fiir diesen interessanten aber noch lange nicht hinreichend dureh- forschten Entwicklungsakt, mit dem ja eigentlich die Sonderung des Hypoblasts in Meso- und Entoderm (letzteres als Darmdrüsenblatt gemeint) ihren Anfang nimmt, bietet unser Gasteropacha-Präparat in Fig. 2 ein schönes Beispiel dar. Wir sehen hier die verdiekten und sackartig ausgehöhlten Lateraltheile der aufeinander folgenden Hypoblast-Halbseg- mente (hy—s,, hy—sy etc.) intersegmental durch schmale und kurze strangartige Zwischenstücke (Ay — is}, Ay— isy ete.) in ähn- licher Weise zu einem einheitlichen System verbunden, wie etwa die segmentalen Anlagen der Tracheenlingsstiimme mancher Insekten. Eine gleiche Verkettung der segmentalen Hypo- blastsäcke, wie man sie hier und u. A. nach Herer’s Darlegung (pag. 24) beim Schwimmkäfer findet, lässt sich besonders schön auch beim Maikäfer sowie bei Stenobothrus beobachten, wo die interseg- mentalen Kommissuren ganz entschieden hohl sind und mit den Seg- mentkammern kommunieiren. Diesen klaren Befund erwähne ich aber hauptsächlich desshalb, weil Ayers (pag. 242) für Oecanthus angiebt, dass die nach den erwähnten und anderen Beobachtungen erst se- kundär zu einer Kette vereinigten Hypoblastsäcke ursprünglich Uber die primiire Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 365 ein Rohr bilden sollen, das dann durch Segmentirung in von ein- ander völlig isolirte Stücke zerfallen würde (vgl. u. A. seine Fig. 25 Dat; 22). Zu zeigen, wie aus den segmentirten zwei Lateralsträngen des Hypoblasts die Mitteldarmwand entsteht, wird Gegenstand meiner nächsten Publikation sein. Kurze Zusammenfassung. 1) Der Insektenkeimstreif ist in seiner Anlage entweder scheiben- förmig (z. B. Stenobothrus, Oecanthus) oder mehr langgestreckt (z. B. Hydrophilus, Lina ete.). Speciell die scheibenförmige Anlage entspricht vorwiegend dem Urkopf (Antennalsegment), indem der Urrumpf Anfangs nur eine verhältnismäßig geringe Ausdehnung hat. 2) Auch bei den meisten Insekten mit länglichem Keimstreif sondert sich an letzterem zuerst das Urkopfsegment ab. Eine Aus- nahme macht — wenn von Hydrophilus ganz abgesehen wird — u. A. Lina, wo gleichzeitig zwei Querfurchen bezw. drei Ursegmente entstehen, die, wie es scheint, den drei Hauptabschnitten des fertigen Insektenleibes (Kopf, Brust, Hinterleib) entsprechen. 3) Der Urrumpf des Stenobothrus und Oecanthus- keimstreifs gliedert sich nicht, wie bisher für die Insekten i. A. angenommen wurde, schon von allem Anfang an in die blei- benden Segmente (Metameren oder Mikrosomiten), sondern es geht dieser (definitiven) Gliederung eine andere in zweiresp. dreigrößere Abschnitte (Makrosomiten) voran. 4) Von diesen drei primären Segmenten (Makroso- miten) des Urrumpfes entspricht das erste der Summe der kiefertragenden (gnathophoren) Metameren — gna- thales Mikrosomit —, das zweite der Summe der beine- tragenden Metameren — thorakales Mikrosomit — und das dritte endlich dem Hinterleib — abdominales Mikro- somit. 5) Beider primären oder makrosomitischen Segmen- tirung des Urrumpfes von Stenobothrus handelt es sich aber nicht um eine äußere Gliederung, d. i. um Einschnürungen an der Ektodermplatte, sondern um eine totale Zerlegung desinneren (unteren) Blattes, des Hypo-(oder Ento)blasts. 6) Die sekundäre oder mikrosomitische Segmentirung | 366 V. Graber des Urrumpfes (Zerlegung der Makrosomiten in Metameren) schreitet bei Stenobothrus und Lina (sowie nach Morty bei den Spinnen) nicht, wie dies als Regel angenommen wird, von vorn nach hinten fort, sondern sie ergreift zu allererst das mittlere oder thorakale Ursegment. Fragen wir zum Schlusse noch um die morphologische Be- deutung der primären Viertheilung oder Tetramerie des Stenobothrus- und Oecanthus-Keimstreifs. Da die zwei letzten Ursegmente, nämlich das thorakale und abdominale, mit den zwei Rumpfabschnitten des fertigen Insekts übereinstimmen, könnte man die primäre Segmentirung zunächst als Antieipirung der späteren (tertiären) Gliederung auffassen. Gegen eine solche Deutung sprechen indess zwei gewichtige Thatsachen. Erstens: ist nicht zu vergessen, dass die primäre Segmentirung der tertiären in so fern nicht konform ist, als der Kopf bei ersterer nicht ein Ursegment bildet, sondern in zwei scharf getrennte und ganz . heterogene Abschnitte, den Urkopf und das gnathophore Makrosomit gesondert ist. Zweitens spricht aber gegen die erwähnte Hypothese der ganze Verlauf der Gliederung. Würden die Makrosomiten des Urrumpfes als solche, d. i. neben ihren späteren Unterabtheilungen (Mikrosomiten) als Stammeinheiten höherer Ordnung bestehen bleiben, so würde obige Anschauung wohl einigermaßen gerechtfertigt sein. In Wirk- lichkeit aber ist ja das Verhalten ein ganz anderes, indem sich zwischen dem wenig- und ungleichgliedrigen Primär- stadium einer- und dem ähnlich segmentirten Endsta- dium andererseits ein viel-und gleichgliedriges Mittel- stadium einschiebt, das kaum mehr eine deutliche Spur der früheren Segmentirung an sich trägt, und aus dem sich also die Trimerie des Endstadiums, durch Verschmelzung gewisser Metameren- gruppen, erst von Neuem entwickeln muss. Kann aber die Tetramerie des segmentirten Urstadiums nicht wohl durch die (obnehin nicht scharfe) Trimerie des Endstadiums erklärt werden. so wird sie sonder Zweifel in gewissen Gliederungs- zuständen der Vorfahren der Insekten ihren Grund haben. Dabei darf aber, wie ich ausdrücklich bemerken möchte, das in Rede stehende tetramere Keimstreifstadium keineswegs ohne Weiteres mit einem ähn- lich gegliederten ausgebildeten Arthropoden verglichen werden, denn, abgesehen davon, dass ja unser Keimstreif kein selbständiges lebens- fähiges Wesen ist, fehlen ja auch den Mikrosomiten desselben Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. 367 die zu einer Vergleichung mit anderen weniggliedrigen Arthropoden, z. B. etwa einem Nauplius, unerlässlichen An- hänge. Fig. Czernowitz, im Oktober 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIV und XV. Durchgehende Bezeichnungen: a,a’ erste Segmenteinschniirung, af After, am Amnion (innere Keimhiille-Entoptygma), b zweite Segmenteinschnürung, B Urbrustsegment (thorakales Makrosomit), b, erstes Brustsegment (Prothorakals.), by zweites Brustsegment (Mesothorakals.), bs drittes Brustsegment (Metathorakals.), e dritte Segmenteinschnürung, do Dotter, do.z Dotterzellen, ec Ektoderm, eh Embryonalhiillen, h, erstes Hinterleibssegment, hy zweites Hinterleibssegment etc., Hi Urhinterleibssegment (abdominales Makrosomit), hy Hypoblast (unteres Blatt = Entoblast [Mesoderm mancher Autoren]), hy—s Hypoblastsegmente, hy—is Hypoblast-Intersegmente, hK Hinterkopf, ky erstes Kopfsegment (Urkopf, Antennals.), ko zweites = (Prognathals.) kz drittes - (Mesognathals. ) gnathales Makrosomit, ka viertes - (Metagnathals.) ks Keimstreif, ms Mittelstrang der Bauchmarksanlage, mu Mund, se Serosa (äußere Keimhülle = Ektoptygma), ss Seitenstrang der Bauchmarksanlage, uk Urrumpf, uk = vK Urkopf (Vorderkopf). Tafel XIV. 1. Keimstreif eines 7 Tage alten Eies von Melolontha vulgaris L. bei durchfallendem Licht. A unsegmentirte Ektodermplatte (die dunk- len Punkte, sowie die kleinen Randstriche stellen die Zellkerne vor). Morpholog. Jahrbuch. 14. 24 368 V. Graber, Uber die primäre Segmentirung des Keimstreifs der Insekten. B Stück des segmentirten Hypoblasts. Zhy laterale hohle Anschwel- lungen der Hypoblastmetameren. Verg. 70/,. lig. 2. Stück eines Keimstreifs von einem 3 Tage alten Ei der Gastero- pacha quereifolia L. bei auffallendem Licht und von innen dar- gestellt. Vergr. 100/,. Fig. 3. Querschnitt durch den Keimstreif in Fig. 2. Zwischen dem Amnion (am) und der Serosa (se) ist eine Lage mehrkerniger Dotterballen. Vergr. 10). Fig. 4. Dreigliederiger Keimstreif eines 23/, Tage alten Kies von Lina tre- mulae. fw Invaginationsfurche. Vergr. ?%ı. Fig. 5. Medianschnitt durch einen 3 Tage alten Lina-Keimstreif. Vergr. %/,. Fig. 6. Medianschnitt durch das Ei eines Keimstreifs (mo) von Hydrophi- lus piceus L. Vergr. 30/;. Fig. 6*. Die vordere Hälfte des Keimstreifschnittes in Fig. 6 stärker vergrößert. Vergr. 10/,. Fig. 7—11 beziehen sich auf Stenobothrus variabilis Fieb. Fig. 7. A ganzes, B aufgebrochenes Eierpacket. C zwei Eier. Alles in na- türlicher Größe. Fig. 8. Geschältes und gehärtetes 11 Tage altes Ei wit Keimstreif (As). Vergr. 16/.. Fig. 9. Ditto 16 Tage alt. Vergr. 1/,. Fig. 10. Erste scheibenartige Keimanlage eines 10 Tage alten Kies. Vergr. 29/;. Fig. 11. Querschnitt durch den Keimstreif (Invaginationsstadium) in Fig. 13 Taf. XV (längs der Punktlinie hy), ««—h Invaginationshöhle. Vergr. 350/,. Tafel XV. Isolirte Keimstreifen von Stenobothrus variabilis Fieb., alle ent- worfen mit der Cam. luc. und Fig. 12—17 bei der gleichen (90 fachen) Ver- größerung und dargestellt von der Innen-/Hypoblast-)seite bei auffallendem Licht. (Die betreffenden Präparate sind mit Pikrokarmin tingirt und in Styrax- harz eingeschlossen.) Fig. 12. Von einem 12 Tage alten Ei. Fig. ;13. = - 13 = - - (Invaginationsstadium. ) Fig. 14. - - 16 - - - (Der Hypoblaststrang Ay hat im Urkopf ein Paar Fortsätze d.) Fig. 15. - = 1B i - - (Der Hypoblast ist in vier Segmente zerlegt.) Fig. 16. - =) Pipi - - (Das thorakale Hypoblastmakrosomit ist in drei Segmente, 0, bo, bg getheilt.) Fig. 17. - = 20 RN tie - (Ektoderm und Hypoblast ganz in Me- tameren [Mikrosomiten] getheilt.) Fir ts 2 | 9g! a Die Hypoblastmetameren {weiß) der vorderen Segmente (Aa bis As) sind (mit Ausnahme jenes des Vorderkiefersegmentes A!) bereits in ein Paar voll- kommen getrennter Säcke gesondert, während sich die der hintersten Segmente (a —hıı) erst im Stadium der Theilung befinden. f Fühler, o/ Oberlippe, Al Kopf- lappen. Vergr. 6). - EE Lith. Anst. Werner a Winter, Frankfurt 4/4. anmse J c ‘ i i ; 1 } Wlvmikingimen ling SOS” Tah Anse m Aermer anna ann Pr +4 - S S S R S 8 II Q S S ee iy. ter Pranktari®l vi Jr / Lu Werner & g ich. An. Li Kl ehfart te, mu = Yy Fran ‚Anst x Werner & Minter, 27 Lith, ah Pak he he ee Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Feder. Vorläufige Mittheilung von H. R. Davies, B.A., Cambridge. Seit einiger Zeit im anatomischen Institute zu Heidelberg mit Untersuchungen über die Entwicklung des Gefieders, und zwar vor- ziiglich der Embryonaldunen beschäftigt, bin ich im Stande, über einige der wichtigeren, von den bisherigen Angaben abweichende Resultate Mittheilung zu machen. Die Untersuchungsobjekte lieferte vorwiegend die Taube: es sind aber auch andere Vögel in Betracht gezogen worden. Die ausfiihrlichere, auch noch andere Verhältnisse in den Kreis der Untersuchung bringende Darstellung behalte ich mir für eine spätere Zeit vor. 1) Bei der Anlage der Dune senkt sich nicht die gesammte Basis des Federkeimes in das Integument ein, sondern es wächst nur die MarrıGnrsche Schicht in die Tiefe, so dass dadurch die Cutispapille, welche dem Federkeime zu Grundg liegt, eine tiefere Abgangsstätte empfängt. Diesem Vorgange folgt auch bald eine Einsenkung der Hornschicht, — oder vielleicht besser ausgedrückt, eine Differenzirung der Hornschicht in dem vom Stratum Malpighii dargestellten Gewebe, — so dass dieselbe von dem Niveau der Haut unmittelbar in die Hornscheide des Federkeimes sich fortsetzt. Sie geht dabei eben so in die Hornscheide des freien, wie auch des _ eingesenkten Theiles des Federkeimes über, gehört aber an letzte- rem Orte nicht dem Federkeime ausschließlich an. Denn zwischen der Marrıcurschen Schicht des nunmehr entstandenen Follikels und jener der Feder befindet sich eine einheitliche, kontinuir- liche Schieht verhornter Zellen. Diese trennt sich erst an der Mündung des Follikels in zwei Lagen, davon die eine in die Horn- 24* 370 H. R. Davies schicht der Haut, die andere in jene des Federkeimes sich fortsetzt. Der letztere steht also nicht etwa bloß im Grunde des Follikels, sondern auf der gesammten eingesenkten Strecke mit der Haut in engstem Zusammenhange. Es besteht also vor Abstoßung jener Horn- scheide keine offene Federtasche. Dieses Verhalten ergiebt sich auch für den späteren Zustand der Feder, deren Spule in ähnlicher Verbindung mit dem Integu- gumente sich darstellt. Daraus dürfte eine nicht unbedeutende Verschiedenheit von der Haarbildung hervorgehen. 2) Die Papille der definitiven Feder, welche der Dune nach- folgt, ist keine Neubildung; sie ist auch nicht durch Knospung und spätere Abschnürung aus der alten Papille entstanden. Nach völliger Entwicklung der Dune ergiebt sich vielmehr eine Vergröße- rung der Basis von deren Papille und eine den entsprechende Ver- größerung der sie umgebenden Marrıicnurschen Schicht. Indem dieser verbreiterte, resp. verdiekte Theil der Papille, der jetzt als die Basis derselben erscheint, sich in den schlankeren oberen Ab- schnitt fortsetzt, gewinnt das Ganze eine Zwiebelform. Der bulbös vergrößerte Theil ist die Papille der Feder, entstanden aus der Basis der Dunenpapille. Damit ist zugleich der gesammte Federkeim mehr in die Tiefe getreten. Man kann also nicht von zwei Papillen, einer der Dune und einer der Feder angehörigen sprechen, denn die Federpapille ist nichts Anderes als der basale Abschnitt der Dunenpapille, welche von jener sich unmittelbar fortsetzt. Während aus dem die letztere umgebenden Abschnitte der Maupianischen Schicht die Dune ent- standen ist, bilden,sich an der basalen Vergrößerung aus der MAL- pisHurschen Schicht die Faltungen aus, welche die Anlagen der Federstrahlen (resp. der Rami) vorstellen. Die Spule der Dune mit ihren Strahlen wird dabei emporgehoben, wobei der der Dune ange- hörige Papillentheil sich rückbildet. Es besteht aber auch ein kon- tinuirlicher Zusammenhang zwischen der Dune und der Anlage der definitiven Feder. Die Strahlen der Dune verschmälern sich zwar an der Basis bedeutend und sind hier mit der Hornschicht der Spule verschmolzen, indem sie in dieselbe übergehen, dennoch aber sind sie in einige der obersten Strahlen der definitiven Feder verfolgbar. Die Dune stellt somit ein Horngebilde vor, welches sich räum- lich und zeitlich vor der Federanlage bildet, aber mit dieser sowohl Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Feder. 371 durch die gemeinsame Papille als auch durch gemeinsame Strahlen zusammenhängt. Indem die Dune als ein mit der ihr folgenden Feder in ge- wissem Sinne einheitliches Gebilde erscheint, als der einfachere Zu- stand eines Horngebildes, welches der komplicirteren Feder, die auf derselben Lokalität entsteht, Platz macht, kommt ein niederer Zustand zum Ausdruck. Der Process des Wechsels stellt sich ähn- lich dem Abstoßen einer verhornten Epidermisschicht dar, ohne dass die von Seite der Lederhaut gelieferte Unterlage, wie sie hier in der Papille gegeben ist, dabei eine vollständige Rückbildung erführe. Aber indem ein Theil der Papille sich rückbildet, jedenfalls ver- ändert wird, ist doch nicht eine völlige Gleichheit mit dem oben angezogenen Vorgange vorhanden und in der Verwendung der Pa- pillenbasis zu einer Papille für die Feder kann ein Vermittelungs- zustand zur Bildung einer neuen Papille gesehen werden. Heidelberg, 6. August 1888. Phi 1 iA ab eins sur vo ie > » Aloe Ara ck eu rite «op. (abot po tee rar ative ir “ATE silk A So LE ER hin) tr he rhe, eee + NRE ah aryl yloy. alt ecole boll ans MIS. oh lest IR ER Te itd ae diz ite ‘Ita Bk ee Sit Da ARE A pos ae eh ei. Haare a: 3 Mi MIT if rer are Ae? Appia tant foul 4 : ee au Buıhcı wi Anis min dais ao . odoin IT He ir HIHI BETT i Mr topes fi tiie Bu lla er ibe fe fae ene R al ol nti bedi? at i hae CH Sher Pe Oe ie a, ease ET hr Er work ath a EEE ak | la A weak We wirt at nah. 4 Be, re re I; ” ii + EM 2 ae ny : PER 4 a in 7 jr» Dr is ari be 4 er | if 7 ID wart ¥ ERTEILT) rath gy ts ; ian A ? a » kr a aes co A u # HN RR Sire Gs i re Er EN OR $3 iy “a a Silt ‘wil ee the) ah Br Br wif sade HER Ae TR i ) D A. HBA fig! } ia u Le oe i> ie me ha Sch” a en zb. EBEN yet “) 4 Ah Re a 2 le ie Py ta ee x » - A Die Lobi optici der Teleostier und die Vierhiigel der höher organisirten Gehirne. Von Dr. L. Auerbach, prakt. Arzt in Frankfurt am Main. Mit Tafel XVI. Wenn wir jenen erhabenen Riithseln nahen, welche die unend- liche Differenzirung der höchsten Lebewesen unserem nach Wahrheit ringenden Geiste bietet, und alsdann der den verwickeltsten Be- dingungen streng und harmonisch angepasste Bau sowie die lebendige Thätigkeit zweckentsprechendster Organe uns an die Grenzen ge- mahnen, welche der menschlichen Erkenntnis machtvoll ein Halt ge- bieten, so flüchten wir zu den niedereren Daseinsstufen, um aus dem Einfachen das Entwickeltere, ja die letzten Ziele aller Entwicklung abzuleiten. So hoffte man seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, dass die Gehirnanatomie der untersten Klassen des Wirbelthierreiches ein Licht werfen möchte auf das Dunkel der nervösen Centralorgane der Säugethiere, und eine stattliche Reihe bedeutendster Anatomen hat sich der Erforschung des Fischgehirns zugewandt, nachdem schon 1768 ALBRECHT VON HALLER auf die vielversprechende Fruchtbarkeit dieses Gebietes hingewiesen hatte. Und doch, wen möchte es nicht beirren in dem Glauben, dass von hier aus ein Fortschritt sich an- bahnen lasse, wenn heute noch nach unzähligen gründlichen Unter- suchungen, nach endlosen Erörterungen darüber ein Streit herrschen kann, ob das Mittelhirn nicht das Großhirn, ein Theil des Klein- hirns nicht das Mittelhirn darstellt, ob der Fornix nicht in einer sekundären Bildung des Ependyms des Aquaeductus Sylvii zu suchen ist oder ob etwa die Riechlappen als Gehirnhemisphären anzusehen Morpholog. Jahrbuch. 14. 25 374 L. Auerbach sind 1? Wenn hinsichtlich der Homologisirung der hauptsächlichsten, der primären cerebralen Abschnitte noch keine Einigung erzielt wurde und die geniale Auffassung eines JOHANNES MÜLLER? trotz der grund- legenden Studien BAUDELOT’s? und STIEDA’s*, trotz der genauen, zu- verlässigen und scharfsinnigen Arbeiten MAysEr’s® sowie der mit lichtvoller Klarheit ausgestatteten Darlegungen RABL-RÜCKHARDT's ® nicht endgültig zum Siege gelangte, so ist gar der Einzelheiten, welche in den allgemeinen Grundriss einzufügen bleiben, eine ver- wirrende Zahl und es harrt der feinere Bau des Gehirns der Teleostier in den mannigfachsten Beziehungen der Aufklärung. Die Verdienste, die Mayser und dessen Vorgänger — unter ihnen unbestreitbarer Weise der gut beobachtende, wenn schon in der Deutung minder glückliche Frrrsch ” — sich auf diesem schwierigen Felde erworben haben, erscheinen hierdurch nicht geschmälert, ja wir würdigen deren Leistungen erst voll und ganz, wenn wir zugleich die verhältnis- mäßige Unvollkommenheit der früheren Untersuchungsmethoden in Berücksichtigung ziehen. Hat doch MAysEr die verschlungenen Wege und die vielfältige Verknüpfung der Leitungsbahnen, wie sie das Gehirn der Cyprinoiden aufweist, allein mit Hilfe der Karminfärbung und unter der ungenügenden Behandlung mit Überosmiumsäure zu erhellen und in umfassendster Weise zu erschließen vermocht! Ab- gesehen aber davon, dass die neuesten Errungenschaften der histo- logischen Technik, vor Allem die WEIGERT'sche Färbung der mark- ı Cf. RABL-RÜCKHARDT, Das Gehirn der Knochenfische. Deutsche med. Wochenschr. X. 1884. pag. 36. 2 J. MÜLLER, Abhandlungen der Akademie der Wissensch. Berlin 1837 und 1838. 3 BAUDELOT, Mémoires de la Société des Sc. nat. de Strasbourg. T. XVI. 1866— 1870. — Recherches sur le systeme nerveux des poissons. Paris, Masson. 4 STIEDA, Über die Deutung der einzelnen Theile des Fischgehirns. Zeit- schrift für wissensch. Zoologie. Bd. XXIII. 1873. 5 MAYSER, Vergl. anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit bes. Berücksichtigung der Cyprinoiden. Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. XXXVI. 1882. 6 RABL-RÜCKHARDT, Zur Deutung des Gehirns der Knochenfische. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgesch. 1882. — Das Großhirn der Knochen- fische und seine Anhangsgebilde. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgesch. 1883. Supplem.-Bd. — Weiteres zur Deutung des Gehirns der Knochenfische. Biolog. Centralbl. III. Jahrg. Nr. 1. — Das Gehirn der Knochenfische (Vor- trag). Deutsche med. Wochenschr. X. 1884. Nr. 33—35. — Das Gehirn der Knochenfische. Biolog. Centralbl. Bd. IV. Nr. 16. 7 Fritscu, Untersuchung über den feineren Bau des Fischgehirns ete. Berlin 1878. Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhiigel der höher organisirten Gehirne. 375 haltigen Fasern, Einzelheiten klar schauen lassen, welche sich zur Zeit jener bahnbrechenden Arbeiten dem Blicke entziehen mussten, dürfte es rathsam sein, hier den entwicklungsgeschichtlichen Pfad zu verfolgen und die einfachsten Zustände jugendlicher Formen heran- zuziehen, um über die nervösen Centralorgane des erwachsenen Thieres Aufschluss zu erlangen. In der Absicht, den systemweise fortschreitenden Verlauf der Markscheidenentwicklung behufs der Orien- tirung zu benutzen, habe ich kleine Forellen des verschiedensten Alters zum Objekt meiner Untersuchungen gewählt und mich außer der Karmintinktion vorzüglich der WEIGErT'schen Methodik (Häma- toxylinfärbung, Kollodiumserienschnitte) bedient, die sich für diese Zwecke einer jeden anderen — und darunter nach meinen Eıfah- rungen ihrer angeblichen »Verbesserung« durch Pan — weit über- legen zeigt. Ich fand zunächst, dass die Markentwicklung in Systemen an- hebt, welche einzelne Rückenmarksabschnitte unter sich verbinden, dass aber von den zum Gehirn ziehenden Bahnen sich zuerst solche mit Mark umkleiden, welche aus dem Vorderstrang der Medulla spi- nalis stammen und sich nach dem Mittelhirn begeben, Fasern, die dem Vorderstranggrundbiindel oder hinteren Längsbündel (Frırsch) (Fig. IV—VII 11) zuzurechnen sind. Während diese Züge schon zur Zeit, da das Thierchen noch mit seinem Dottersack versehen ist, deutlich erkennbar sind, schreitet die Erzeugung des Nervenmarks im Allgemeinen nur langsam voran und ist selbst an einzelnen Exem- plaren der 60—70 Tage alten Thiere!, welche den Dottersack eben verloren haben und befähigt sind, als junge Brut ausgesetzt, sich selbständig ihre Nahrung zu suchen, ein Theil der Systeme, die später Mark führen, noch marklos, so u. A. das laterale Längs- bündel, die unteren Pyramiden sowie das intermediäre System, die Dacharme, mitunter noch die Hirnstiele etc. Da andererseits der Opticus und die Nerven der Augenmuskeln hier stets schon mark- haltig geworden sind, so erachte ich diese Altersstufen für besonders geeignet, um den Bau der Lobi optiei auf seine Grundlinien zurück- zuführen und festzustellen, in wie weit derselbe der Faserung der Vierhügel höherer Vertebraten gleichwerthig ist. ! Die Entwicklung der jungen Fische verläuft in sehr verschiedenem Zeit- raum und ist in hohem Maße von der Temperatur der einzelnen Jahre abhängig. Die von mir untersuchte Brut entstammt dem Winter 1886/1887 und ich ver- danke dieselbe dem freundlichen Entgegenkommen der Fischzuchtanstalt zu Hüningen i. E. 25* 376 L. Auerbach Das Mittelhirn besteht hier, wie noch deutlicher in etwas früheren Entwicklungsstadien, aus einer dichten inneren Lage un- differenzirter polygonaler Zellen und einer nach außen gewandten, mit mannigfachen Ganglienzellen ausgestatteten, von mehr oder min- der zahlreichen Fasern durchzogenen Schicht von Nervengewebe. So sieht man in der Basis der Lobi optici eine kontinuirlich zu- sammenhängende Masse grauer Substanz, die von einer Menge feinster Nervenfäserchen durchkreuzt wird und durch welche die bis dahin ausgebildeten Systeme markhaltiger Bündel als Streifen weißer Sub- stanz ihren Weg nehmen, während Reste embryonalen Gewebes, inselförmig zerstreut, an den Ursprung dieser Textur erinnern. An- sehnlichere Anhäufungen von Ganglienzellen fallen als Kerne des Oculomotorius und Trochlearis in das Auge, solche finden sich in der Nähe der Bindearmkreuzung und eine schmale, weit nach innen vorspringende Zunge von grauer Substanz, welche dicht von einem Faserfilze umsponnen erscheint und lateralwärts ein mark- haltiges Biindelchen aussendet (Fig. III Z), ist wegen ihres regel- mäßigen Vorkommens und der eigenartigen Form bemerkenswerth. Die beiden soeben unterschiedenen Schichten setzen sich dessgleichen auf das Tectum fort, das die ihm auf reiferen Altersstufen zu- kommende Differenzirung in sehr vielfache Zonen nur andeutungs- weise erkennen lässt, wobei insbesondere an der Grenze von äube- rer und innerer Schicht schräg radiär und theilweise der Grenze parallel gerichtete Markfasern ein eigenes Stratum — entsprechend dem tiefen Marklager MAyser’s und der dritten Schicht Fusarrs! — bilden (Fig. II und folg. 6). Der Torus longitudinalis fehlt. Ich vermuthe, derselbe bildet sich in der Weise, dass der in die Medianlinie des Tectum eingebettete, aus embryonalen Zellen be- stehende, auf dem Querschnitt annähernd elliptische Strang (x der Fig. I—VI) nach außen geschoben wird, indem die beiden Dach- hälften sich nach innen und unten umklappen; alsdann müsste der ventrale innere Winkel einer jeden Tectumhälfte (Fig. IV—VI y), wie leicht ersichtlich, zu einem nach innen vorspringenden Längs- wulst werden. Leider standen mir die Zwischenstufen, welche diesen Ursprung zu erhärten vermöchten, nicht zur Verfügung. Der Torus longitudinalis enthält auch beim erwachsenen Thiere keine mark- haltigen Fasern, sondern entspricht in seiner Textur der Körnerschicht 1 Fusarr, Untersuchungen über die feinere Anatomie des Gehirns der Teleostier. Internat. Monatsschrift für Anat. und Physiol. Bd. IV. Heft 7 und 8. Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. 377 Mayser’s. All’ dies stellt seine sekundäre Bedeutung sicher und macht die Annahme, dass er dem Fornix homolog sei, durchaus hinfällig. Die Lage transversal verlaufender Nervenfasern, die man in ähnlicher Weise irrthümlich als Balken deutete, weil sie, un- mittelbar über dem angeblichen Gewölbe befindlich, die Mittellinie überschreitet und eine Verbindung beider Seitenhälften darstellt, ist hier ebenfalls noch nicht ausgebildet. Die Sehnerven, deren Verlauf nicht durch die zu dieser Zeit noch marklosen Dacharme verdunkelt wird, bilden in ihren vorderen Partien — ihrer vorderen Wurzel, wenn wir diese Bezeichnung annehmen wollen — auf Horizontalschnitten die zierliche Figur einer Lyra, von der aus Fasern sich wedelförmig nach außen in das Dach vertheilen (Fig. I 2). Nur in den vordersten Ebenen sieht man einige zarte Nervenfibrillen gegen das Grau des dritten Ventrikel ausstrahlen, in welchem dieselben sich verlieren, ohne das unmittelbar benach- barte Ganglion habenulae zu erreichen (Fig. 14)!. Eine vordere und eine hintere Sehnervenwurzel lassen sich in so fern unterscheiden, als zwei größere Abtheilungen zu erkennen sind, zwischen welche sich eine graue Masse einschiebt und von denen die vordere den be- schriebenen, leicht zu überschauenden Verlauf nimmt, während die hintere (Fig. II, III 3 und 5) sich mehr rückwärts und nach außen wendet, um in tieferen Ebenen des Tectum an der Entstehung eines Faserwerks Antheil zu nehmen, aus welchem dann wieder jenes Stratum stärkerer Fasern resultirt, die schräg von dorsalen und kapi- talen Punkten caudal- und ventralwärts im Bogen längs der Innen- grenze der äußeren Schicht des Tectum hinziehen (Fig. II, HI, IV und folg. 6). Unentschieden muss ich es lassen, ob einzelne Fasern der hinteren Wurzel sich schon früher abzweigen und, wie es nach ! Wiewohl diese Fasern mit den übrigen Bestandtheilen des Sehnerven in ihrem Kaliber nicht übereinstimmen, so ist dies doch kein Grund, sie von dem Opticus abzutrennen und als eine Partie der Commissura inferior aufzu- fassen, wie M. J. BELLONcı in der späteren Arbeit angiebt. Die Kreuzung dieser vordersten Fibrillen im Chiasma ist zweifellos ersichtlich und sie schlie- ßen sich in ihrem peripheren Verlaufe an die Sehnervenfasern an. (J. BELLONCI, Über den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum op- ticum der Knochenfische. Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. XXXV. pag. 23 —27. — M. J. BELLoncı, Les lobes optiques des oisseaux. Arch. ital. de bio- logie. T. IV. pag. 21—26. Vgl. auch G. BELLoNcı, Intorno al tetto ottico dei Teleostei. Zoolog. Anz. 1882. pag. 480—483 und G. BELLOXCI, La ter- . minaison centrale du nerf optique chez les mammiferes. Arch. ital. de biologie. T. VI. pag. 405—112.) 378 L. Auerbach einzelnen Priparaten den Anschein hat, nahe einem Punkte der Basis (Fig. III e.g.ext.?) ihr Ende finden, wohin die Commissura infe- rior GUDDEN (III 12) und zugleich Bündel, die von den erwähnten, längs der Innengrenze” der äußeren Schicht des Daches verlaufenden Faseikeln sich nach einwärts vorschieben und von mir zu dem in der Folge zu betrachtenden tectobasalen Associationssystem gerechnet werden, ihren Weg nehmen. Etwas nach vorn von diesem, durch seine Zellen übrigens nicht besonders hervorstechenden Punkt findet sich in der vorderen und ventralen Gegend des Daches, ganz nahe seiner Grefize gegen die Basis, eine rundliche Anhäufung größerer Ganglienzellen und es ist klar ersichtlich, wie eine Partie des Seh- nerven, die sich an die vordere Wurzel anschließt, stark nach innen ablenkt, um ihre Bündel in diesem Kern aufzulösen und die ein- zelnen Zellen zwischen die Fibrillen ihres Fasernetzes einzuschließen. Den Kern möchte ich mit dem Nucleus corticalis Frirscu identifi- ciren und es scheint mir, als ob die Opticuszweigchen zum größeren Theile in ihm enden. Was die Endigung der vorderen Wurzel selbst anbelangt, so erblicke ich diese in relativ großen, protoplasma- reichen, mit anastomosirenden Ausläufern und deutlichem Kern ver- sehenen Zellen, ein Befund, der allerdings dem von GoLGI im All- gemeinen vertretenen und von seinem Assistenten FusArı für den gesammten Opticus der Teleostier behaupteten »indirekten Ursprung der sensitiven Fasern « widerstreitet. Die hinter dem Sehnerveneintritt gelegene Commissura posterior verbindet ganz vorn (Fig. II 9) mit feinen Fasern das basale Grau zu beiden Seiten des dritten Ventrikel und ist hier, wie MAYSER zu- treffend bemerkt, eine echte Kommissur, keine Kreuzung. Für ihre hinteren Ebenen (Fig. III 9) scheint MAyser!, falls ich ihn anders richtig verstehe, anzunehmen, dass sie ausschließlich aus aufsteigen- den Fasern zusammengesetzt wird, welche in der Oblongata ent- springen und hier zur Kreuzung gelangen; denn er spricht von dem »hinteren dickfaserigen Theil«, dessen Fasern »im Wesentlichen für gleichwerthig mit den Fasern im hinteren und lateralen Längsbündel« zu halten sind und meint unter den »übrigen Kontingenten der mächtigen Commissura posterior, die nichts Anderes sind, als dem tiefliegenden Mark des Mittelhirndaches angehörige Faserkreuzungen«?, wohl nur den »vorderen Theil der hinteren Kommissur, in welchen pag. 356 und 357. pag. 357. Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. 379 die Querfaserschicht des Daches direkt iibergeht«!. Dem ist jedoch in Wahrheit nicht ganz so. Denn zu diesen Altersstufen ist die Ge- sammtsumme solcher aufsteigenden markhaltigen Fasern eine allzu kleine, als dass dieselb® hierfür ausreichen könnte. Seinen direkten Ursprung nimmt der hintere Theil der Kommissur allerdings aus der medianen Hälfte jenes Netzwerkes von Nervenfasern, das nunmehr weiter nach abwärts in dem basalen Grau auftaucht, aus der For- matio reticularis (Fig. III, IV, V und VII 19). Dieses Netzwerk selbst aber entsteht nur theilweise aus aufsteigenden Fasern. Vielmehr tragen zu dessen Bildung bei: 1) Die letzten Ausläufer der hinteren Längsbündel, die nach außen und ventralwärts gegen die Basis des Tectum opticum zu sich zerfasern (Fig. IV 11). 2) Jene Fascikel, die sich an der inneren Grenze der äußeren Dachschicht sammeln, sich allmählich medianwärts vorschieben und in tieferen Schnittebenen in einem feingeschwungenen Bogen die innere Schicht überbrücken, um den anderen Zuzügen entgegen- zustreben (Fig. III 6, IV 7). 3) Faserbündel, die dem Kleinhirn entstammen und, wie Sagittal- schnitte lehren, in einem nach vorn und innen konvexen Bogen zur kapitalen Spitze des Lobus opticus ziehen (Tractus cerebelli ad lobum opticum, Fig. V, VI 13). Außerdem müssen in dieser Hirnregion 4) autochthone Fasern, Fibrae propriae des basalen Grau, ihren Ursprung nehmen und end- lich gehen möglicherweise 5) einzelne Zweigchen der hinteren Opticuswurzel in das Netz- werk der Basis ein, ohne dass jedoch diese letzten sich bis zur hinteren Kommissur erstrecken dürften. Der Augenschein lehrt hingegen, dass Fibrae propriae, die hinteren Längsbündel und Fascikel aus der tieferen Faserschicht des Tectum zu deren Entstehung konkurriren und ich werde am Schlusse dieser Arbeit darauf zurückzukommen haben, in wie über- raschender Weise hieraus eine Übereinstimmung mit dem Gehirnbau der höheren Vertebraten hervorleuchtet. Die unter 2) genannten Bündel gehören einer Fasergruppe an, die durch ihren gleichartigen Ursprung — von dem inneren Saum der externen Schicht des Tectum — sowie durch den konformen, geschwungenen Verlauf als eine zusammengehörige Einheit charak- 1].c. pag. 345. ee 380 L. Auerbach terisirt erscheint (Fig. IV, V, VI 7), die sich weit nach abwärts aus- dehnt, indem sie den Stabkranz der alten Autoren, die Radiatio pe- duncularis Frrrscu bilden hilft und den wesentlichsten Bestandtheil eines umfassenderen und allgemeineren Systems darstellt, nämlich der von mir unter dem Namen des tectobasalen Associationssystems zusammengefassten Bahnen. Dieses tectobasale Associationssystem verkniipft die beiderseitigen Endstationen der Sehnerven mit den Ganglienmassen der Basis und sonach unter einander, mit den Kernen des Oculomotorius und Troch- learis, mit dem Kleinhirn sowie endlich mit den tieferen Hirnab- schnitten. Ihm gehören außer jenen Fasern, welche sich in das basale Netzwerk einsenken und an der Bildung der hinteren Kom- missur betheiligen (Fig. III 6), Fasern an, die in das Stratum zonale des in diesem Alter noch nicht von seiner Umgebung sich abheben- den Torus semicircularis eingehen, und des Weiteren Bündel, welche die Mittellinie kreuzen und mit der Commissura ansulata verlaufen (Fig. V 8). Die letztgenannte Kommissur ist, wie mich Schnitte aus späterer Altersstufe lehren, weder, wie Frirscu will, eine exquisite Kommissur, noch deutet Mayser sie richtig als eine exquisite Kreu- zung. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Neben den zur Kreuzung gelangenden Fasern zeigt sie eine erhebliche Menge solcher, die unzweifelhaft eine Kommissur darstellen. Ihre Konstituentien hat _ MAyser im Ganzen mit der ihn auszeichnenden Schärfe klargelegt, doch ließe sich darüber streiten, ob bei der Forelle Fasern aus der Valvula cerebelli in sie übergehen, während dies für die gekreuzten Bindearme keinem Zweifel unterliegt. Vor Allem aber ergeben meine Untersuchungen, dass ihr Bündel angehören, die nicht dem Klein- hirn, nicht den unteren Pyramiden noch dem intermediären Systeme zuzurechnen sind — die beiden letzterwähnten Bahnen sind in diesem Stadium noch marklos —, sondern als echte Kommissurfasern er- scheinen. Auch die Commissura inferior GuUDDEn (Fig. III 12) lässt sich dem tectobasalen Associationssystem in weiterem Sinne beizählen, wenn schon sie nicht sowohl direkt von den geschilderten Dachfasern Zuschuss empfängt, als vielmehr in einer grauen Masse endet, zu welcher sich von der anderen Seite solche Faseikel wenden (Fig. III c.g.ext.?). Ob auch sich kreuzende Fasern, wie sie MAyser! der i MAYsER, I. c. pag. 342. Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. 381 vorderen Kreuzung der Regio subthalamica GANsER’s! zur Seite stellt, in das tectobasale Associationssystem einbegriffen sind, vermag ich nicht anzugeben, da deren Verhältnisse fiir die höheren Wirbelthiere nicht aufgehellt sind. Die Commissura inferior, sowie dieselbe sich in meinen Präparaten zeigt, macht völlig den Eindruck einer wirklichen Kommissur, was aber sonst noch mit ihr zusammen in der Bahn der Commissura transversa Halleri verläuft, umkleidet sich erst später mit Mark und gehört möglicherweise anderen Systemen an. Die Grenze der unteren Kommissur gegen den Sehnerven, von welchem diese sich durch das feinere Kaliber ihrer Fasern abhebt, ist scharf gezeichnet, und, mag man sie selbst nun dem tectobasalen Asso- ciationssystem zurechnen wollen oder nicht, sicher ist die Ansicht Frirscn’s, der sie aus dem Opticus ableitet, unhaltbar. In der That erhält das gesammte System keine direkte Verstärkung von Seiten der Optiei. Diese aber verlaufen durchaus in der oben dargelegten Weise, ich kann weder J. BeLLoncr? beipflichten, der die vordersten in den Thalamus sich einsenkenden Fasern übersieht, noch erblicke ich mit FrIiTscH eine Wurzel aus dem Tuber cinereum, noch finde ich endlich, dass Sehnervenfasern in das Stratum zonale des Torus semicircularis übertreten, ein Verhalten, welches MAYSER nicht aus- schließen zu dürfen vermeint. Ich will an dieser Stelle gleich einschalten, dass der Torus semicircularis eben so wenig, wie MAYSER es annimmt oder doch nicht in Abrede stellt, irgend welchen Antheil aus den gekreuzten Binde- armen (Fig. VI 14) empfängt, hingegen glaube ich deren Endigung in ovalen, einen bläschenförmigen Kern besitzenden Ganglienzellen der Basis zu sehen. Von markführenden Zügen, welche tiefere cerebrale Abschnitte mit den Lobi optici in engere Beziehung bringen, existirt auf dieser Altersstufe außer dem hinteren Längsbündel, über das ich hier nur noch nachtragen will, dass es in den Ebenen des Oculomotorius- ursprungs auffallend an Umfang abnimmt und demgemäß einen Theil seines Kontingentes daselbst endigen lassen muss, eine weitere, bis zum Anfang der Medulla oblongata zu verfolgende Bahn, welche ventral gelegen ist, als ein fernerer Bestandtheil des Stabkranzes ! GANSER, Vergleichend-anatomische Studien über das Gehirn des Maul- wurfs. Morphol. Jahrbuch. Bd. VII. pag. 700 f. 2 J. BELLoNCI, Uber den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische. Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. XXXV. 1881. 382 L. Auerbach auf das Tectum überstrahlt und als Lemniscus Reilii (Fig. VI 10) anzusprechen ist. Nach ihrem Verlauf und dem Zeitpunkt ihrer Mark- entwicklung dürfen wir sie gleichfalls dem teetobasalen Associations- system zuziihlen. Näher der Mittellinie gelagert, reicht ein durch seine Stärke ausgezeichneter und auf Sagittalschnitten imponirender Fascikel weiter centralwärts und endet in dem Ganglion habenulae, gerade unterhalb der Zirbel. Ich möchte denselben als »supepiphy- sären Fascikel« bezeichnen (Fig. VII 21). Endlich verdienen feine Fäserchen, welche sich an der Grenze der Lobi inferiores sammeln und, dorsalwärts ziehend, bis über die Mitte der Basis deutlich unterscheidbar bleiben, eine kurze Erwähnung (Fig. VI 15). Nachdem in dem Vorstehenden der Bau der Lobi optiei und der benachbarten Gegenden des Zwischenhirns in verhältnismäßig frühen und einfachen Stadien der Entwicklung zu schildern versucht wurde, bleibt die Frage zu erörtern, ob und in wie weit sich hiernach Ana- logien mit den Vierhügeln und dem Thalamus der höheren Verte- braten aufrecht erhalten lassen. Um hierauf zu antworten, dürfte es nothwendig sein, vorerst einen Blick auf die Verhältnisse zu werfen, welche bei erwachsenen Individuen das Tectum in seinem aus Nerven- gewebe bestehenden Antheil bietet. Dort haben wir einen äußersten grauen Saum, welcher von vielen feinsten, hauptsächlich radiär ge- stellten und theilweise mit einer knopfförmigen Anschwellung frei nächst der Oberfläche endigenden Nervenfäserchen durchsetzt wird (äußere Rindenschicht Mayser’s). Auf diesen folgen im Allgemeinen longitudinale!, stellenweise auch quere, durchaus aber der Oberfläche des Daches parallel verlaufende markhaltige Fasern, die zwei über einander gelagerte Zonen bilden, indem sie durch eine feine Zwischen- schicht einer, in ihrem lockeren Gewebe dem Rindensaum ähnlichen, grauen Substanz getrennt werden und von einander durch die losere Verbindung der nach außen gelegenen Fascikel (nach MAYsEr aus- schließlich Sehnervenbündel) und die dichtere Anordnung der inneren nach MAyser aus Optieus- und Armfasern gemischten) Bündel unter- 1 Longitudinal verlaufend nenne ich die von vorn nach hinten ziehenden, auf Frontalschnitten also querdurchschnittenen Züge. Diese nehmen beim er- wachsenen Thiere gegenüber den in der Richtung der Frontalebene ziehenden an Zahl zu, was, ähnlich wie die Genese der Valvula cerebelli, auf ein nach hinten gerichtetes Wachsthum des Daches hinweist. Die Lobi optiei der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. 383 schieden sind. Wenn ich auch nicht anzugeben weiß, in wie großer Ausdehnung sich fremde Fasern (»Armfasern«) der letztgenannten Schicht beimischen, so zeigen diejenigen meiner Präparate, in wel- chen die Dacharme noch nicht markhaltig erscheinen, doch unzweifel- haft, dass die gesammte Lage im Großen und Ganzen als Opticus- faserschicht bezeichnet werden darf. Weiter nach einwärts findet sich eine mittlere, sehr mächtige Zone einer — insbesondere in ihrer inneren Hälfte — auffallend dichtgefügten grauen Substanz, die von Markfasern vorwaltend in doppelter Richtung, nämlich außen von abgesprengten Opticusfasern longitudinal und vorwiegend quer, stets jedoch wieder parallel zur Oberfläche, und dann in ihrer ganzen Breite von den zum Stabkranz ziehenden Fasern in radiärer Richtung durchsetzt wird. Hieran reihen sich zwei Faserschichten, die der Ober- fläche nähere aus longitudinalen und schrägen, die tiefe aus den die beiden Dachhälften verbindenden, transversalen markhaltigen Fasern des »Balkens« bestehend, welche letzteren sich nach der Mittellinie hin in dichterem Stratum ansammeln, nach der Seite gegen die Stelle zu, wo der Stabkranz sich abzweigt, allmählich verlieren, ohne dass sie, wie Fusarı meint, die mittleren Schichten durchbrechen und zur äußersten Markschicht gelangen. Ganz nach innen, unmittelbar auf dem Ependym liegt nochmals graue Substanz (innere Körnerschicht MAYSER’s). Wenn J. Bertoxcı! für die Vögel die oberflächliche Lage- rung der Sehnervenfasern und deren Endigung in den äußeren Schichten der koncentrisch angelegten Lobi optiei dargethan und für die Reptilien sowie Amphibien (Schildkröte, Axolotl, Frosch) ein ähnliches Verhältnis erwiesen hat, so stehen meine Befunde hiermit in schönstem Einklang und es erfährt das darin herrschende Gesetz eine erwünschte Bestätigung und Erweiterung durch die Unter- suchungen von SANDERS? und AHLBORN®, die sich auf Plagiostomata und Petromyzonten erstrecken. Gegen die von BELLONCI vertretene Anschauung aber, dass die Opticusfasern ausschließlich in den Lobi optiei und den diesen gleichwerthigen vorderen Vierhügeln der Säuger ihr Ende finden, habe ich mich schon an früherer Stelle ausgesprochen 1M. J. BELLoNcI, Les lobes optiques des oisseaux. Arch. ital. de biologie. T. IV. pag. 21—26. ? SANDERS, Contributions to the anatomy of the central nervous system of Plagiostomata. Proceedings of the royal society. Vol. 40. Nr. 242. pag. 10—14. 3 AHLBORN, Untersuchungen über das Gehirn der Petromyzonten. Zeit- schrift für wissensch. Zoologie. Bd. XXXIX. 384 L. Auerbach und ich werde späterhin noch kurz auf die Gesammtvertheilung der Sehnerven zurückzukommen haben. Die oberflächlichen Faserschichten des Tectum opticum stehen mit dem Sehnerven, die tiefen ausschließlich mit den nachbarlichen Hirntheilen durch die Bündel des Stabkranzes (FrırscH's Radiatio pe- duncularis, Radiatio thalami etc.) in Konnex. Deutlich sehe ich in einzelnen Präparaten, wie radiäre Fasern aus dem Stabkranz die mittlere graue Schicht ununterbrochen durchsetzen und bis über die Opticusfaserschicht hinaus nach der Peripherie zu in den äußeren Rindensaum kommen; einen Übertritt von Sehnervenfasern in den Stabkranz muss ich in Abrede stellen und kann hierin nur FUSARI beistimmen, der denselben ebenfalls vermisst. Fasern der ober- flächlichen Faserschichten biegen zwar in der That in die mittlere graue Zone ab, doch lassen sie sich im äußersten Fall bis zu deren innerem Drittel verfolgen und finden daselbst in nicht deutlich er- sichtlicher Weise ihr Ende. Dessgleichen lenken Opticusfasern nach außen ab, hingegen sind die radiären feinen Nervenfibrillen des Rindensaumes, wenigstens in ihrer Mehrheit, nicht als Abkömmlinge des Sehnerven zu betrachten, scheinen vielmehr, so weit es nicht aus der mittleren grauen Zone und aus dem Stabkranz nach außen strebende Elemente sind, Fibrae propriae dieser Schicht darzustellen. Der Deutung Fusarrs, welcher im Großen und Ganzen die An- ordnung, die in dem vorderen Vierhügelpaare der Säugethiere gegeben ist, im Dache der Lobi optici wiederfindet, dabei aber TARTUFERTS! Schema acceptirt und eine Umlagerung der Schichten anzunehmen sich gezwungen sieht, vermag ich mich nicht ganz anzuschließen. Wenn wir die durch RABL-RÜCKHARDT's Untersuchungen gewonnene Erkenntnis berücksichtigen, dass die Teleostier keine Großhirnhemi- sphären besitzen und sonach »Projektionsfasern« im Sinne GANSER’s und DARKSCHEWITz’s? bei ihnen nicht existiren können, so lässt sich mit dem Bauplan, welchen diese Autoren für die vorderen Vierhügel der Säuger entwerfen — abgesehen von all’ den zahlreichen Differenz- punkten, die deren Anschauungen unter einander selbst aufweisen, die uns jedoch für unsere Frage nicht interessiren — eine erfreuliche Über- einstimmung konstatiren. Es findet sich eine periphere graue Zone, 1 TARTUFERI, Sull’ anatomia minuta delle eminenze bigemine anteriori dell uomo. Milano 1885. 2 DARKSCHEWITZ, Uber die sogenannten primären Opticuscentren und ihre Beziehung zur Großhirnrinde Arch. für Anatomie und Entwicklungsgesch. Jahrg. 1886. pag. 249—270. Pr Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gebirne. 385 dann bilden die Opticusfasern unzweifelhaft eine oberflächliche Mark- schicht und es stellt das tiefere Mark nachweislich eine mit dem Sehnerven nicht direkt zusammenhängende Lage dar. In welcher Art die mittlere graue Schicht die Verbindung der beiden Faser- systeme vermittelt, darüber geben die von mir angewandten Methoden keinen Aufschluss. Hinsichtlich des von mir erhobenen Befundes, wonach die vordere Sehnervenwurzel ihre Fasern sich nicht in einem Netzwerk auflösen lässt, sondern dieselben ohne weiteres Zwischen- glied in Zellen des Daches überleitet, halte ich eine Täuschung für ausgeschlossen, nachdem ich denselben Eindruck auch bei Unter- suchung mit Immersion gewann. —Es existirt ferner eine der Ober- fläche nähere ungekreuzte Abtheilung des tieferen Markes (»mittleres Mark«) und eine centralere Partie, welche die Mittellinie über- schreitet (Corpus callosum, »tiefes Mark«). Da die dem ersteren an- gehörigen Fascikel vor den anderen markhaltig werden, so lässt sich ersehen, wie eine bedeutende Anzahl derselben in der Basis die Medianlinie kreuzt, andere aber (Lemniscus Reilii), ohne überhaupt jemals eine Kreuzung zu erleiden, nach abwärts ziehen. Einen Über- gang der Fasern aus dem tiefliegenden Mark der einen in das mitt- lere Mark der gegenüber liegenden Seite, wie DARKSCHEWITZ ihn für die Säuger behauptet, vermag ich weder festzustellen, noch möchte ich ihn leugnen, da sich die Bündel, wie erwähnt. nach der Mittel- linie zu häufen und ein Auslenken einzelner Fibrillen in die nächst- folgende äußere Schicht, jedoch nur stellenweise und auf kürzere Strecke, zu beobachten ist. Dass das mittlere Mark nicht in seiner Gesammtheit aus solchen (in Wahrheit also gekreuzten) Elementen bestehen kann, bedarf kaum einer Andeutung. Auch bin ich nicht im Stande, mich bestimmt darüber auszusprechen, ob jene Theile des tieferen Markes, die in der Commissura ansulata verlaufen, mit der fontainenartigen Haubenkreuzung Mrynert’s oder ForEL's! Bogen- fasern der Haube, welche verschiedene Elemente in sich begreifen, in Parallele zu stellen sind. Da die Beziehungen der gedachten Partien weder durch MEYNERT noch durch Foret und durch GANSER endgültige Aufklärung erhalten haben, wäre mindestens aus dem Charakter einer Kommissur, welchen die von mir beschriebenen Fas- cikel tragen, ein stichhaltiger Einwand schwerlich herzuleiten. Alles in Allem genommen, finden wir statt der bei den Säugern 1 FOREL, Untersuchungen über die Haubenregion etc. Archiv für Psych. und Nervenkrankheiten. Bd. VII. pag. 441—445. 386 L. Auerbach anscheinend vorwiegenden, zur Großhirnrinde laufenden Projektions- fasern in der unteren Klasse des Wirbelthierreiches ein Associations- system, welches das Teetum bis in dessen äußersten grauen Saum zunächst mit der (zum Theil vom Thalamus gebildeten) Basis und in zweiter Linie mit den tieferen Hirnabschnitten verbindet, das mittlere Grau des Daches aber repräsentirt ein primäres Opticus- centrum. Willig fügt sich in eine bis auf die Einzelheiten sich erstreckende Homologisirung die Struktur der Commissura posterior. Sie ist — und zwar nicht allein in ihren vorderen Ebenen — eine Kreuzung des tieferen Markes des Mittelhirns und sie vermittelt zugleich Be- ziehungen zwischen den hinteren Längsbündeln und den Fibrae pro- priae des basalen Grau in der Umgegend der Oculomotoriuskerne, ganz wie eS DARKSCHEWITZ! für die Säugethiere angiebt. Dass hier die räumliche Trennung zwischen den einzelnen, sie konstituirenden Bestandtheilen noch nicht zur Differenzirung gekommen ist, findet in der niederen Stellung der Klasse seine Erklärung, und unwesent- liche Abweichungen, wie die mögliche Betheiligung einer Kleinhirn- bahn, ändern kaum etwas an dem Resultate einer ausgesprochenen Gleichheit des Baues. Geradezu überraschend wird nun die Analogie, wenn wir den Oculomotoriuskern mit in den Kreis unserer Betrachtung ziehen. Auch hier zeigen sich, wie bei den Mammalien, die engsten Be- ziehungen zu den hinteren Längsbündeln, auch hier sehen wir einen medianen Kern (Fig. V 18), wie Epincer? ihn für den Menschen beschrieb, der bei der Forelle aus etwas kleineren Zellen zusammen- gesetzt wird, und selbst die Kreuzung in dem Gebiete der Wurzeln findet sich wieder? (Fig. V 17), wobei die sich kreuzenden Fasern theils wohl die Formatio reticularis in der Umgebung der Kerne mit diesen selbst und zwar insbesondere mit dem medianen zu verbin- den, theils intranucleäre Kommissurfasern, nach Art der von Nuss- BAUM und OBERSTEINER! für die Katze nachgewiesenen, darzustellen 1 DARKSCHEWITZ, Uber die hintere Kommissur des Gehirns. Neurolog. Centralbl. 1885. pag. 100. 2 EDINGER, Referat der Wandervers. südwestdeutscher Neurologen etc. 13. und 14. Juni 1885. Neurolog. Centralbl. pag. 309. 3 Sie ist nach AHLBORN dessgleichen bei den Petromyzonten vorhanden, welchen hingegen die Trochleariskreuzung fehlt. 4 NUSSBAUM, Uber die wechselseitigen Beziehungen zwischen den cen- tralen Ursprungsgebieten der Augenmuskelnerven. Wiener med. Jahrbücher. 1887. I. j Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhiigel der héher organisirten Gehirne. 387 scheinen. Was die Entstehung der Oculomotoriuswurzeln (Fig. V 16) anbelangt, so entsendet der mediane Kern (Fig. V 18) seine Fasern. nach beiden Seiten, indem derselbe von vielen feinsten markhaltigen Fasern durchkreuzt wird, welche theils in der oben angedeuteten Weise der Formatio reticularis angehören oder Kommissurfasern sind, theils in den Nerven derselben — und anscheinend auch der gegen- über liegenden — Seite eingehen, während die lateralen Kerne (Fig. V 19) ihre Fasern in den gleichseitigen Nerven ziehen lassen und das zwischen denselben sichtbare Fasergewirre mit dem ander- seitigen peripheren Nerven nicht in direkte Verbindung treten dürfte. Der mediane Kern vollendet seine Entwicklung erst später und des- sen Fasernetz empfängt sein Mark nach den übrigen Partien des Nervenursprungs. — Die Trochleariskreuzung ist eine vollständige und verhält sich ganz wie MAyser sie schildert. Auf die Analogien, welche des Weiteren die Beziehungen der hinteren Längsbündel zu den Oculomotoriuskernen und der Formatio reticularis wie auch zu der Commissura posterior zur Anschauung bringen, habe ich an dieser Stelle nur wiederholt hinzuweisen, eben so wie ich für die Formatio reticularis die Ähnlichkeit der Archi- tektur und die Gleichheit der Konstituentien bei Gelegenheit der speciellen Beschreibung hervorgehoben habe. Hinzufügen möchte ich hier, dass die vielfältigen Kreuzungen in der Nähe des Oculo- motoriusursprungs die Entscheidung über den Umfang einer seitens der hinteren Längsbündel stattfindenden Kreuzung wesentlich er- schweren. Doch halte ich eine partielle Kreuzung im Anschluss an Fritsch und MAYSER für erwiesen und mag diese der von FOREL! behaupteten Anastomose der medialsten ventralen Bündel gleichzu- setzen sein. Wenden wir uns nunmehr zu der Gesammtvertheilung der Seh- nerven, so hat KÖPPEn ? jüngst die Bildung einer vorderen und hinteren Wurzel, welche getrennt aus dem Lobus opticus entspringen, auch im Froschgehirn gefunden. In den höheren Wirbelthierklassen lässt sich Gleiches nicht wiedererkennen, im Übrigen ergiebt sich aber ein sehr bemerkenswerther Befund. Bekanntlich herrscht über die Endverbreitung der Optiei bei den Säugern keine Einhelligkeit unter den Autoren. Wenn wir BECHTEREwW außer Betracht lassen, nach 1 FOREL, l. c. pag. 419. > Körpen, Zur Anatomie des Froschgehirns. Neurolog. Centralbl. 1888. Nr. 1. pag. 10—12. 388 L. Auerbach welchem das gekreuzte Biindel im unteren Vierhiigelpaare enden soll — eine Anschauung, der von rein anatomischem wie von klinischem Standpunkte gewichtige Bedenken entgegenzusetzen sind —, so fin- den wir auf der einen Seite von Monakow, der, indem er GUDDEN folgt und dessen Methodik in den eigenen Untersuchungen zur An- wendung bringt, neben dem Corpus quadrigeminum anterius das Corpus geniculatum externum sowie das Pulvinar als Centralstiitten der Sehnerven anspricht, auf der anderen Seite DARKSCHEWITZ, welcher nach vergleichend-anatomischen Erfahrungen dem Pulvinar und dem äußeren Kniehöcker die Bedeutung von Opticuscentren nicht zugesteht, dagegen aus der Glandula pinealis, deren nervöse Natur er behauptet, und dem Ganglion habenulae »Pupillarfasern« zu dem Sehnerven sich gesellen lässt. Nachdem KörrEn bei dem Frosch ebenfalls eine aus dem Zwischenhirn entspringende Wurzel des Ner- vus opticus gefunden, erhält meine Angabe, dass für die Fische die Endigung von Opticusfasern in dem Thalamus, jedoch nicht in der Glandula pinealis und, wie ich meinen Präparaten entnehme, auch nicht in dem nahe benachbarten Ganglion habenulae zu konstatiren ist, eine Stütze durch die vergleichend-anatomische Forschung. Ob jener Punkt der Basis, wohin außer den Fasern des mittleren Markes und der Commissura inferior, die, nebenbei bemerkt, sogar bis auf die Feinheit der Markscheiden ihrer Fasern mit der gleichnamigen Kommissur vieler Säuger übereinstimmt, auch einzelne Sehnerven- fasern ihren Weg zu nehmen scheinen, in der That als letzte End- station für diese anzusehen und ob derselbe etwa gar mit dem Cor- pus geniculatum externum in Parallele zu stellen ist, diese Frage will ich hier nur andeuten. Viel schwieriger als die Vergleichung der vorstehend aufge- zählten Theile gestaltet sich die Deutung etwaiger Homologa der hinteren Vierhügel und der einzelnen Partien des Thalamus. Für die Gleichstellung des Torus semicircularis und des Corpus quadri- geminum posterius könnte vielleicht die Beziehung des dort endenden lateralen Längsbündel zu dem Tuberculum acusticum in die Wag- schale fallen. — Der Nucleus rotundus FrırscH imponirt bei der Forelle als ein deutlich abgegrenztes und durchaus eigenartiges Ge- bilde; in wie weit die Frrrscu’sche Vermuthung, wonach er dem Luys’schen Körper nahe stehe, begründet oder irrig sein mag. bleibe unerörtert, da einzig und allein umfassende vergleichend-anatomische Studien, welche sich zugleich auf die Amphibien und Reptilien zu erstrecken hätten, eine diesbezügliche Entscheidung anzubahnen ver- Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhiigel der höher organisirten Gehirne. 389 möchten. — Wenn ScHuLsIn! den Kern dem Ganglion opticum basale der Vögel vergleicht, aus welchem nach seiner Darstellung ein Theil des Opticus entspringen soll — die übrige Masse leitet er aus dem Corpus opticorum externum ab, das er dem Corpus geni- culatum externum der Säuger gleichstellt — so habe ich bei der Forelle eine basale Optieuswurzel überhaupt nicht aufzufinden vermocht und kann demnach seiner Auffassung nicht beistimmen. Die Verhältnisse der in die Lobi optiei einstrahlenden Klein- hirnbahnen erschöpfend zu betrachten, verspare ich mir auf eine spätere Arbeit; rücksichtlich der gekreuzten Bindearme will ich an diesem Orte erwähnen, dass deren Parallelisirung mit den Binde- armen der höheren Vertebraten gerechtfertigt ist und dass, gerade wie die letzteren nur bis zum rothen Kern der Haube zu identi- ficiren sind?, so jene nicht auf den Torus semicircularis übergreifen, sondern in einem Felde ihr Ende finden, das wir dem Gebiete des Tegmentum zuzurechnen haben. Der Fuß des Hirnschenkels wird durch den erst zu späterer Zeit mit Markumhüllung versehenen, aus dem Corpus striatum (Fig. VII Co.str) stammenden Pedunculus ce- rebri Frirscu (Fig. VII 23) repräsentirt, der mit der weit über- wiegenden Mehrzahl seiner Fasern in dem Thalamus zweifelsohne endet, während ich mit Frirscu eine kontinuirliche Fortsetzung zur Medulla oblongata nicht festzustellen vermag. Nach KOppen finden iibrigens auch beim Frosch alle Bahnen des Riickenmarkes und der Medulla oblongata, wenn sie nicht schon früher auslaufen, ihr letztes Ende im Lobus opticus und im Zwischenhirn, wo dann neue Bahnen entspringen, welche im Großhirn endigen, so dass durchgehende Faserziige nicht existiren. Die Pyramidenbahnen fehlen natiirlich, weil die betreffenden Ursprungsgebiete der Großhirnrinde bei den Teleostiern noch nicht vorhanden sind. Die sogenannten unteren Pyramiden sind nebst dem intermediiiren System, dem Lemniscus Reilii und dem lateralen Längsbündel als Äquivalente von Hauben- antheilen aufzufassen. Im Anschluss an das Dargelegte lässt sich die physiologische Bedeutung der betrachteten Theile mit deren morphologischem Cha- rakter bestens vereinigen. Dass die Lobi optici eine Centralstätte des Gesichtssinnes sind, darf als feststehend gelten, und dass sie — wenn auch vielleicht nicht ausschließlich — den verschiedensten 1 SCHULGIN, Lobi optiei der Vögel. Zool. Anzeiger. Nr. 84 u. 85. 1881. 2 Cf. FoREL, 1, c.. pag. 425. Morpholog. Jahrbuch. 14. 26 390 L. Auerbach Reflexen dienen, die sich zwischen der centripetalen Bahn des Opti- cus und der motorischen Leitung der Hirn- und Riickenmarksnerven, sowie umgekehrt zwischen den sensorischen Riickenmarksgebieten und den Endstationen der Vierhiigelnerven abspielen, daran ist schon nach dem anatomischen Bilde nicht zu zweifeln. Wenn die kom- plieirte Struktur das Tectum histologisch, obschon nicht entwick- lungsgeschichtlich, der Großhirnrinde nähert!, das Corpus striatum aber das Einzige ist, was die Teleostier von Vorderhirn besitzen, so verlieren die interessanten Experimente STEINER’s?, welche durch Vurrıan> Bestätigung erhielten, den Schein einer exceptionellen und wunderbaren Thatsache, vielmehr wird es bis zu einem gewissen Grade verständlich, dass Knochenfische, welche des Großhirns be- raubt werden, in ihrer Lokomotion und in dem Einflusse ihrer Wahr- nehmungen auf dieselbe keinerlei auffällige Einbuße erleiden. Nach STEINER’s eigenen Worten erfahren wir aus dessen Versuchen, »dass großhirnlose Knochenfische nach einiger Zeit einen Wechsel ihrer Nahrung verlangen, d.h. dass sie, wie wir es auch ansehen mögen, eine Qualität besitzen, welche dem Geschmack gleichkommt; wir sehen, dass sie durch Roth besonders erregt werden, d. h. dass sie die Farbe roth unterscheiden; wir sehen, dass sie ihre Begierden meistern und den Regenwurm, welcher von einer Hand geboten wird, als ein Danaergeschenk zurückweisen, d. h. dass sie auswählen, überlegen; ja selbst im Kampfe ums Dasein stehen sie gegen ihre begroßhirnten Gefährten nicht zurück«. All’ diese auf den ersten Blick überraschenden Ergebnisse stehen im schönsten Einklang mit der anatomischen Forschung. Dem gegenüber glaube ich hier betonen zu sollen, dass die Ver- hältnisse der Markscheidenentwicklung zwar phylogenetische Schlüsse gestatten, nicht aber für die physiologische Dignität der Faser- gruppen zu verwerthen sind. Da die Untersuchungen FLEecusie’s und seiner Nachfolger ergeben, dass Bahnen, ehe ihnen eine Funktion zufallen dürfte, markhaltig werden, so z. B. der Nervus vestibularis 1 Fritsch ist übrigens auch von anderer Seite hierin Gerechtigkeit wider- fahren. 2 STEINER, Über das Großhirn der Knochenfische. Sitzungsber. der Berliner Akad. der Wissensch. 1886. pag. 5—9. — Uber das Gehirn der Knochenfische. Ibid. pag. 1133—1135. 3 VULPIAN, Sur la persistance des mouvements volontaires chez les pois- sons osseux a la suite de l’ablation des lobes cérébraux. Comptes rend. 1886. T. 102. pag. 1526—1530. — Note complémentaire. Ibid. T. 103. 11. Okt. 1856. Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhügel der höher organisirten Gehirne. 391 schon bei 20—25 em langen menschlichen Föten'!, und auf der anderen Seite den zeitlebens marklosen Fasern gleichfalls ein Werth und eine Verrichtung zukommen muss?, so lässt sich z. B. aus dem baldigen Eintritt der Markbildung in der hinteren Kommissur, welcher bei den Fischen wie in den höheren Klassen der Vertebraten gleichmäßig frühzeitig erfolgt, ein Urtheil über deren funktionelle Bedeutung nicht gewinnen. Eben so ist der Umstand, dass die eben ausgeschlüpften, an- noch mit marklosen Sehnerven ausgestatteten Fischehen das Dunkel aufsuchen, nicht für ein vikariirendes Eintreten des Hautsinnes oder gar des »dritten Auges der Zirbel« geltend zu machen. Gerade rück- sichtlich der Epiphysis lässt sich zwar daraus, dass sie in ihrem Körper sich nicht, wie selbst RABL-RÜCKHARDT angiebt, aus viel- fachen Drüsendivertikeln gebildet zeigt, vielmehr absolut den Ein- druck einer homogenen, aus polygonalen Zellen zusammengesetzten Linse macht, die von vorn, ähnlich der Linse des Auges, einer durch einen Hohlraum ausgebuchteten Kapsel anliegt, und dass ferner deren Stiel sich schon sehr frühzeitig mit feinsten markhaltigen Fasern? an das, eine Endstation des Gesichtssinnes darstellende Dach der Lobi optiei anschließt, ein Argument für die Auffassung RABL- RÜCKHARDT'S und AHLBORN’s herleiten. Doch erlaubt die unbefangene Beobachtung nicht, hierbei zu übersehen, wie die Epiphyse der Forelle in den Stadien primitiver Entwicklung von einer auffällig starken Knochendecke überlagert wird, die zu der zarten und dünnen Hülle, von welcher die Konvexität der Lobi optici umschlossen ist, einen eigenthümlichen Kontrast bildet. Die Supposition, dass in ihr ein rudimentäres optisches Organ verborgen sei, wird sonach durch ihren morphologischen Bau gestützt, durch ihre Lage eher in Frage gestellt. Auf ein anderes mysteriöses Gebilde, welches bis jetzt als ein unverständlicher Anhang des Gehirns dasteht, auf die Hypophysis werfen die genetischen Beziehungen, so weit meine Resultate reichen, kein Licht. Ob der Saccus vasculosus, der beim erwachsenen Thiere 1 Fiecusie, Zur Lehre vom centralen Verlauf der Sinnesnerven. Neurolog. Centralbl. 1886. pag. 546. 2 BECHTEREW’s Behauptung, dass »alle bei erwachsenen Thieren erregbaren Theile des Centralnervensystems bei neugeborenen unerregbar sind, so lange sie noch keine Markscheide besitzen« (Neurolog. Centralbl. 1888. Nr. 6. pag. 154), steht hiermit nicht in Widerspruch, weil Bahnen, die auf elektrische Reizung nicht reagiren, funktionsfähig sein können. 3 Es verschmelzen diese Fasern untrennbar mit der hinteren Kommissur. 26* 92 L. Auerbach a3 unbedingt, wie STIEDA, Ussow und gerade für die Forelle RABL- RÜCKHARDT es beschreiben, eine tubulöse Drüse darstellt, deren Aus- fübrungsgang in das Infundibulum einmündet, dem hinteren Theil der Hypophysis höherer Wirbelthiere entspricht, oder RAaBL-Rück- HARDT, welcher eine derartige Homologisirung für bedenklich hält, hier das Richtige trifft, vermag ich nicht zu entscheiden. Ich kann diese Arbeit nicht abschließen, ohne an dieser Stelle Herrn Professor WEIGERT, der mich in liebenswürdigster Weise mit der Anwendung seiner Methodik vertraut machte und mir die freundliche Erlaubnis ertheilte, meine Untersuchungen in dem SENCKENBERG’schen Institute ausführen zu dürfen, warm empfundenen Dank auszu- sprechen. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVI. Fig. I—VI. Frontalschnitte durch das Gehirn einer ca. 60 Tage alten Forelle, von vorn nach hinten gezählt. Fig. VII. Nahe der Medianlinie gelegener Sagittalschnitt eines Forellengehirns, das demselben Alter entspricht, jedoch in der Markscheidenentwicklung etwas weiter vorgeschritten ist. Durchgehende Bezeichnungen in den Figuren. 1. Sehnervenkreuzung. 2. Vordere Sehnervenwurzel. 3. Hintere Sehnervenwurzel. 4. Zweige der vorderen Sehnervenwurzel, die sich nach innen gegen den dritten Ventrikel zu in den Thalamus einsenken. 5. Oberflächliches, aus Opticusfasern gebildetes Mark des Tectum. 6. Ungekreuztes tieferes Mark des Tectum, mittleres Mark. 7. Dem »Stabkranz« angehörige Bündel des tectobasalen Associations- systems. 8. In die Commissura ansulata eingehende Fasern des tectobasalen Asso- ciationssystems. 9. Commissura posterior. 10. Lemniscus Reilii. 11. Hinteres Längsbündel. 12. Commissura inferior GUDDEN. Tith. Anst v.Werner & Winter, Frankfart®M. Nomholog. Jahrbuch. Bd. XIV. Taf! XVI. ang @ 20 Ventr IT Lith Anstv. Werner & Winter, Frankfort Die Lobi optici der Teleostier u. die Vierhiigel der höher organisirten Gehirne. 393 13. Tractus cerebelli ad Lobum opticum. 14. Gekreuzte Bindearme. 15. Fäserchen, die sich an der Grenze der Lobi inferiores sammeln und dorsalwärts ziehen. 16. Oculomotoriuswurzeln. 17. Kreuzung im Gebiete der Oculomotoriuswurzeln. 18. Medianer Kern des N. oculomotorius. 19. Lateraler (Haupt-) Kern des N. oculomotorius. 20. Formatio reticularis. 21. Subepiphysärer Fascikel. 22. Ventral gelagerte Fasern, die von der Medulla oblongata nach auf- wärts ziehen. (Intermediäres System.) 23. Pedunculus cerebri. an.@ angelagertes, nicht dem Gehirn zugehöriges Gewebe. Aq.Sy Aquaeductus Sylvii. Co.str Corpus striatum. e.g.ext. (?) Corpus geniculatum externum (?). Gl.pin Glandula pinealis. N.c.Fr Nucleus corticalis FRITSCH. N.r.Fr Nucleus rotundus FRITSCH. Va.c Valvula cerebelli. Ventr. III Ventriculus tertius. Z nach innen vorspringende Zunge grauer Substanz. x in das Tectum eingebetteter Zellstrang. y Anlage des Torus longitudinalis. Uber Polydactylie. Von C. Gegenbaur. Die genauere Kenntnis des Skelettes der Gliedmaßen niederer Wirbelthiere hat die Vergleichung jener Theile mit dem Gliedmaßen- skelette der höheren Wirbelthiere mehr präeisirt als das früher aus- führbar war. Durch die gewonnene Ausdehnung der der Vergleichung dienenden empirischen Unterlagen mussten naturgemäß neue Fragen entstehen, unter welchen jene, welche die ursprüngliche Zahl der Gliedmaßen-Enden betrifft, wohl die am meisten besprochene bildet. Wenn die Gliedmaßen der höheren Wirbelthiere von denen niederer sich ableiten, von solchen, die ein reicheres Skelet in der Gliedmaße besitzen, so ist es a priori nicht unmöglich, dass in dem in der Zahl seiner Theile beschränkteren Skelette der höheren Formen noch An- deutungen jenes niederen Zustandes sich finden. Die Pentadactylie der höheren Wirbelthiere würde diesem Ideengange zufolge von einem polydactylen Zustande abzuleiten sein, und es ist nichts an sich Befremdendes, wenn bei niederen Pentadactylen Rudimente eines sechsten Fingers oder einer sechsten Zehe nachgewiesen werden. So ward bei Anuren! noch eine »sechste Zehe« bekannt, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass darin ein Rest eines primitiveren Zu- standes liegt, wenn auch Angesichts der bedeutenden Umwandlung, welche gerade die Hintergliedmaße der Anuren erfuhr, jener Deu- tung noch nicht das absoluteste Vertrauen wird zugewendet werden dürfen. Denn es ist begreiflich, dass die kritische Prüfung aller 1S. Born, Dieses Jahrbuch. Bd. I. pag. 435 und Bd. VI. pag. 5l. Die Wahrscheinlichkeit, welche jener Deutung zugesprochen werden muss, würde viel größer sein, wenn der Tarsus nicht so sehr modifieirt wäre. Lateral fehlt er bekanntlich, ob rückgebildet oder nur medial verschoben, ist nicht er- mittel. Diese Veränderung steht wohl mit der Ausbildung der vierten und fünften Zehe in Verbindung. Uber Polydactylie. 395 Instanzen um so nothwendiger ist, wenn es sich bei solchen Befun- den nicht um ausgebildete, sondern um verkümmerte Zustände han- delt, wo also aus diesen selbst weniger Anhaltspunkte für die Deu- tung zu gewinnen sind. In einer früheren Mittheilung! hatte ich eine Untersuchung über Polydactylie beim Schweine angeführt, deren Ergebnis mich dahin leitete, den Fall nicht als einen atavistischen Zustand, sondern als eine Missbildung zu erklären. Er betraf die Vordergliedmaße und wurde in seinen Einzelheiten ausführlich untersucht und beurtheilt. Die Gründe, die ich dort gegen den Atavismus des Falles aufführte, sind bis jetzt nicht widerlegt worden. In demselben Artikel hatte ich auch die Polydactylie beim Menschen in Betracht gezogen. Während es sich beim Schweine um einen Rückschlag in den pentadactylen Zu- stand handeln musste, ist hier ein Überschreiten der Fünfzahl der Finger der Gegenstand der Prüfung, und die Frage liegt in so fern anders, als hier nicht relativ so nahe liegende Vergleichungsobjekte bestehen. Vorwiegend aus dem Grunde, dass für jene Befunde beim Menschen kein, eine ähnliche Polydactylie besitzender Atavus be- kannt sei, hatte ich mich auch gegen die atavistische Deutung der Polydactylie beim Menschen geäußert und sie gleichfalls dem Be- reiche der Missbildungen angehörig erklärt. In neuester Zeit ist ein Fall von Polydactylie an der Hand eines Menschen Gegenstand genauer, auch die Muskeln, Arterien und Nerven umfassender, anatomischer Untersuchung geworden durch P. A. H. RiskesuscH?, und dieser sowohl als SpronK? sind zu dem Ergebnis gelangt, dass ein atavistischer Zustand vorliege, dass ein Rückschlag bestehe auf Thiere, deren Hand mehr als fünf Finger besessen hätten. Daraus gewinne ich Anlass, nochmals auf die Po- lydactylie-Frage einzugehen. Das Objekt bietet vier normale Finger dar und zwei abnorme. Diese ge- hören der Radialseite an und sind unter einander der Länge nach verschmolzen (Syndactylie), so dass beide zusammen funktionell einem Daumen entsprechen. Der eine als Pollex bezeichnete ist ansehnlicher als der andere, welcher » Prae- pollex« benannt wird und nach der Volarseite zu liegt, so dass dorsal nur der »Pollex« sichtbar ist. Der Praepollex ist in Vergleichung mit den übrigen Ver- hältnissen der Hand ein sehr schmächtiges Gebilde. Beide abnorme Finger be- sitzen Metacarpalien von größerer Länge als die der übrigen Finger. Der Prae- 1 Dieses Jahrbuch. Bd. VI. pag. 584. 2 Bijdrage tot de Kennis der Polydactylie. Utrecht 1887. 3 Note sur un cas de Polydactylie. Archives Néerlandaises. T. XXII. pag. 235. 396 C. Gegenbaur pollex besitzt zwei Phalangen; sein Metacarpale artikulirt proximo-lateral mit dem Metacarpale pollicis. Seine proximale, nicht überknorpelte Fläche liegt dem Mult. majus gegenüber, ohne damit zu artikuliren. Der kräftigere Pollex, mit Metacarpale und drei Phalangen ausgestattet, ist nach den vier Fingern opponirt, aber mit dem Carpus amphiarthrotisch verbunden (ohne Sattelgelenk). Auch die vier Finger weisen kleine Besonderheiten auf, so ist das Metacar- pale III allein dem Capitatum angefiigt. Im Carpus besteht ein Centrale. Der Fall unterscheidet sich dem hier kurz Angegebenen zufolge von anderen, wie sie von W. GRUBER!, auch von RÜDINGER? in neuerer Zeit beschrieben worden sind, nicht mehr, als diese Fälle überhaupt von einander sich unterscheiden, wie denn bekanntlich in diesen Befunden eine große Mannigfaltigkeit innerhalb gewisser Gren- zen obwaltet. RIJKEBUSCH hat auch diese Fälle in den Kreis seiner Analyse gezogen und beurtheilt dieselben in gleicher Weise. Worauf gründen nun RIJKEBUSCH und SPRONK ihre Deutung? Der Erstere sagt schon in seiner Einleitung, dass die Genese der Polydactylie durch die vergleichend-anatomischen Untersuchungen BARDELEBEN’S »in ein neues Licht gestellt« sei, und erläutert das später (pag. 10 und 11) dahin, dass durch den von BARDELEBEN ge- lieferten Nachweis von Rudimenten ulnarer und radialer Finger bei Säugethieren, der Atavus für die menschliche Polydactylie nicht so weit entfernt gesucht zu werden brauche. SPRONK sagt: Les ob- jections de GEGENBAUR sont certes de-toute importance, mais les re- cherches récentes de BARDELEBEN leur ont fait perdre de leur va- leur pour les cas de polydactylie, dans lesquels le doigt surnuméraire occupe le bord radial ou cubital de la main. Es wird jetzt an mir sein, näher zu prüfen, wie es sich mit jenen Angaben, auf welche die niederländischen Autoren sich stützen, verhält. Jene vergleichend - anatomischen Untersuchungen werden also in Betracht zu ziehen sein. In der ersten Mittheilung? über die »Morphologie des Hand- und Fußskelettes« heißt es: »Das Rudiment eines sechsten resp. Uten Fingers, ein Carpale oder Metacarpus 0 oder der Präpollex findet sich bei erwachsenen Beutelthieren nur andeutungsweise, dagegen besitzen es Edentaten, Halbaffen, Nager, Carnivoren, Insectivoren, Fledermäuse und Affen.«c »Am Carpale 1 befindet es sich bei Halbaffen und Insectivoren, zwischen Navicu- lare und Metacarpus I bei Nagern und Carnivoren, bei denen das 1 Bull. de Acad. imp. de St. Pétersbourg. T. XV, XVI, XVII; ferner im Arch. fiir pathol. Anat. Bd. XXII. 2 Beiträge zur Anat. des Gehörorgans ete. München 1876. 3 Jenaische Zeitschrift. Bd. XIX. (Sitzungsber.) pag. 84 und 149. Uber Polydactylie. 397 Carpale I ulnarwirts verschoben ist. Zwischen Naviculare und Car- pale I bei Affen.« Die beim Menschen vorkommenden überzähligen Finger miissen, besonders wenn sie an der radialen Seite auftreten, nach BARDELEBEN »von jetzt an aus der Rubrik der , Missbildungen ‘ in die der theromorphen ‚Varietäten‘ (Atavismus) versetzt werden. Die oben angeführten Thatsachen sind geeignet, wenn nicht eine ‚Erklärung‘ zu geben, so doch uns ein Verständnis für solehe Bil- dungen zu eröffnen, zumal wenn es sich, wie so oft, um direkt erb- liche Vorkommnisse handelt«. Indem ich mir vorbehalte, auf den letzten Punkt am Schlusse dieser Besprechung zurückzukommen, muss ich fürs Erste bemerken, dass die mehrgenannten Autoren sich im Irr- thume befinden, wenn sie glauben, dass jene am Carpus vorkommen- den Knöchelchen erst jetzt entdeckt worden seien. Es sind vielmehr zum größten Theile längst bekannte Dinge. So sagt Cuvier! vom Carpus der Affen: vIl y a de plus, pres- que toujours, quelques points ossifiés dans les tendons de muscles; on les regarde ordinairement comme des osselets surnuméraires. Il y en a deux, par exemple, dans le gibbon et le magot: l’un dans le tendon du cubitale externe, sur le joint du pisiforme avec le cu- neiforme; lautre, hors de rang, sur le bord du scaphoide et du trapéze.« Auch von anderen Abtheilungen erwähnt er sie. MECKEL kennt sie gleichfalls. In vielen Monographien? finden sich ebenfalls Angaben darüber, die Jeder, der sich mit diesen Fragen eingehender beschäftigt, leicht konstatiren kann. Endlich sind die meisten jener Knochen bei FLOWER? beschrieben und ab- gebildet. Es hat sich also in Bezug auf die thatsächlichen Unter- lagen nichts Neues ereignet, wenn auch zu den bekannten die eine oder die andere Gattung als im Besitze eines oder zweier jener Knochen hinzukam. Nähere Angaben über das Verhalten jener Knochen, namentlich zum Bandapparate oder zu Endsehnen von Muskeln, werden von BARDELEBEN nicht gemacht, so dass wir z. B. über den ulnaren Kno- chen bei Affen durch die eitirte, nur beiläufig gegebene Äußerung CuviEr’s, sowie über den ulnaren und den radialen Knochen auch in verschiedenen myologischen Werken, in denen sie als Sesambeine in 1 Lecons. II. Edit. T. I. pag. 427. 2 Ich nenne hier nur G. FISCHER, JACOBS, VAN CAMPEN, OWEN, STRAUS- DÜRKHEIM, HYRTL. 3 Introduction to the osteology of mammalia. I. Edit. London 1870. (II. Edit. 1886.) 398 C. Gegenbaur Endsehnen aufgefasst sind, Genaueres erfahren als durch jene neue- sten Forschungen. Und doch ist es unerlässlich, jene Fragen nach den Beziehungen der Knochen zu anderen Theilen erledigt zu sehen, bevor Schlüsse gezogen werden können. BARDELEBEN ist bei man- chen dieser Knochen zweifelhaft, ob sie Carpalia oder Metacarpalia vorstellen. Dagegen wird die durch die Deutungen der älteren Auto- ren provocirte Frage, ob sie nicht Sesambeine seien, gar nicht berührt. Nun werden uns zwar diese Angaben als vorläufige Mittheilungen gegeben und ihr Autor sagt ausdrücklich, dass seine Untersuchungen noch nicht zum Abschlusse gediehen seien. Aber wir finden doch Folgerungen aus jenen ganz unbestimmten Angaben gezogen und dieselben von RIJKEBUSCH und SPRONK verwerthet. Jene Knochen- stiickchen sollen Rudimente von Fingern sein. Wenn man aber nicht einmal festgestellt hat, ob jene Knochen überhaupt zum Handskelet gehören, ob sie nicht Sesambeine seien, und wenn sie je zum Hand- skelet gehören, ob sie dem Carpus oder dem Metacarpus zuzu- . rechnen seien, so hat jene Deutung nur den Werth jeder anderen unbegründeten Behauptung. In der zweiten Mittheilung BARDELEBEN’s werden uns »neue Bestandtheile der Hand- und Fußwurzel, sowie die normale Anlage von Rudimenten , iiberziihliger‘ Finger und Zehen beim Menschen« zur Kenntnis gebracht. Wir finden daselbst ein von Centetes in der ersten Mittheilung als zweites Centrale beschriebenes Knochen- stück, als nicht völlig vom Lunatum getrennt angegeben, und damit die erste Angabe, die von Baur bestritten war, modificirt. Aber es sei jenes Centrale doch »deutlich vom Lunatum abgegrenzt, er- kennbar«. DBARDELEBEN schließt, weil Nahtfurche und Gelenkspalte Übergänge besäßen, wäre jenes Centrale ein selbständiger Knochen. Für seine Auffassung erhält er eine Bestätigung in einem im Tarsus eines anderen Säugethieres (Cryptoprocta ferox) gefundenen Knochenstückes, welches jenem als »Triangulare carpi« bezeichneten Knochen homolog sei. Mir scheint, dass diese Vergleichung erst vor- genommen werden kann, nachdem zuvor die Selbständigkeit des fraglichen Carpuselementes nachgewiesen ist, was bis jetzt noch nicht geschah. Es wird also das Triangulare carpi noch unter die proble- matischen Dinge zu setzen sein. Dieser nach meinem Dafürhalten nicht begründeten Vergleichung jenes im Tarsus von Cryptoprocta gefundenen Stückes mit einem Theile des Lunatum bei Centetes folgt nun eine Vergleichung mit dem Tarsus des Menschen. BARDELEBEN sieht am Cuneiforme III - Uber Polydactylie. 399 eine Naht (Crista transversa) und hält das dadurch abgegrenzte proxi- male Stück für das mit dem Cuneiforme verschmolzene Triangulare tarsi. Beim zweimonatlichen menschlichen Embryo soll dieses Trian- gulare tarsi noch getrennt sein, »dem Reste des Knorpels« des Cunei- forme III anliegend. Es wäre wünschenswerth das Detail dieser Beobachtung näher zu kennen, da ja von einem solchen Element bis jetzt nichts be- kannt ist. BARDELEBEN lässt uns auch im Ungewissen ob er jene Beobachtung nur in einem Falle machte, oder sie wiederholt hat, wie es doch die von ihm selbst der Sache beigemessene Bedeutung er- fordert. Doch mag jenes Verhalten auch richtig sein, so ist doch so viel sicher, dass in wenig späteren Zuständen nichts mehr davon besteht, dass das Cuneiforme III aus einem einheitlichen Knorpel be- steht, ohne Trennungsspur und dass somit der »Crista transversa« BARDELEBEN’s nicht die Bedeutung einer Naht zukommen kann. In der Vergleichung dieser Verhältnisse mit dem Carpus (des Menschen) führt BARDELEBEN vier Gründe auf, welche dafür sprechen sollen, dass das Capitatum in seinem Kopfe ein Element umschlösse, welches seinem Triangulare entspräche. Der erste ist das selbstän- dige Vorkommen des Kopfes. Das könnte die Begründung verstär- ken, wenn sie sonst zu führen wäre. BARDELEBEN giebt in dieser Beziehung an, dass beim Embryo im zweiten Monate eine Trennungs- linie in der Anlage des Capitatum zu erkennen sei und dass das ausgebildete Capitatum zumeist eine Naht erkennen lasse. Die erste Angabe würde sehr interessant sein, wenn sie zu bestätigen wäre. Ich habe die noch gar nicht aus Knorpel, sondern noch indifferen- tem Gewebe, dem sogenannten Vorknorpel bestehende Anlage des menschlichen Carpus geprüft und von einer Trennung des Capitatum nichts gesehen. Dass es später ein einheitliches Knorpelstück ist, ist längst bekannt. Desshalb kann auch das, was BARDELEBEN eine »Naht« heißt, nicht als Naht gedeutet werden. Solche »Nähte« hat BARDELEBEN auf verschiedenen Knochen der Hand- und Fuß- wurzel beschrieben und darauf ein Zusammengesetztsein der be- treffenden Knochen gestützt. Naht ist aber doch nicht jede beliebige Leiste oder Furche oder Rauhigkeit an der Oberfläche eines Knochens, sondern etwas ganz Bestimmtes, nämlich die Verbindungsstelle zweier getrennter Knochen. Dass aber die Knochen, welche jene Nähte besitzen sollen, aus mehreren knöchernen Theilen zu- sammenwiichsen, glaubt wohl auch BARDELEBEN nicht, desshalb ist es unbegreiflich, wie er jenes Oberflichenrelief ohne Weiteres als 400 C. Gegenbaur Nähte deuten konnte!! Ein Theil dieser Bildungen ist von den Be- festigungsstellen des Bandapparates ableitbar. Da wir nun den soge- nannten » Nähten« nichts weniger als eine Beweiskraft für eine pri- mitive Zusammensetzung der Handwurzel aus einer viel größeren Anzahl von Elementen zusprechen können, bleibt nur die Angabe von der Trennungslinie in der embryonalen Anlage, »zwischen dem eigentlichen Carpale und dem proximalen Theile des Knorpels«. Diese wird BARDELEBEN aber erst genauer nachzuweisen haben, bevor er darauf eine neue Eintheilung gründet. Es ist auffallend, dass er in den bezüglichen Angaben, die nicht ausführlicher sind, als ich sie citirt habe, stets von Trennungslinien spricht, welche in der sonst auch von ihm einheitlich aufgefassten Anlage des Capitatum wie anderer Carpal- und Tarsalknochen vorkämen. Die ersten sich sondernden Theile jener Elemente liegen nicht so dicht an einander, dass nur eine Linie die Grenze bildete. Vielmehr besteht da zuerst noch recht ansehnliches Zwischengewebe, welches allmählich zur An- lage verwendet wird. Welche Bewandtnis es mit jenen »Linien« hat, ist daher unklar. BARDELEBEN stützt seine Meinung auch auf das Verhalten des M. abductor pollicis longus, dessen Sehne in der Regel getheilt ist, was auch in eine Spaltung des Bauches sich fortsetzen kann. Er sagt: »soll man nicht den radialen Muskel oder die zweite Sehne auf den Praepollex beziehen? die heftet sich wenigstens an den Knochen- ! In der Anwendung eines anderen anatomischen Begriffes muss ich gleich- falls BARDELEBEN entgegnen. Er sagt: »Man kann schon bei der Haiflosse von »straffen Gelenken« oder Amphiarthrosen sprechen.« (Tagebl. der 59. Ver- sammlung deutscher Naturforscher. pag. 100.) Mir ist da nichts von »straf- fen Gelenken« bekannt. Ich finde hier sowohl die einzelnen Strahlen unter sich als auch die Gliedstücke derselben nur durch Bindegewebe in Zu- sammenhang, also Syndesmose. In diesem Bindegewebe, besonders zwischen den Gliedern der Strahlen, oder der daraus entstandenen Stücke, können Lücken auftreten. Man kann diese auch künstlich erzeugen durch starke Biegung. Aber diese Lücken sind keine Gelenkhöhlen. Die knorpeligen Skelettheile sehen niemals mit freien Knorpelflächen in jene Bindegewebslücken, die keineswegs allgemein vorkommen. Wenn wir also das straffe Gelenk vor Allem als ein Gelenk ansehen, so fehlt hier die Bedingung eines solchen. Etwas was kein Gelenk ist, ist auch kein straffes Gelenk. Hier liegen also niedere Zustände vor, solche, welche zur Gelenkbildung führen können, aber dann gewiss nicht zu jener Form, wie sie in der Amphiarthrose besteht, denn diese setzt eben eine freiere Einrichtung des Gelenkes voraus, einen Zustand größerer Beweglichkeit, durch den allein die Gelenkausbildung erfolgen konnte. Die Amphiarthrose steht daher nicht am Anfange der Gelenkbildungen, sondern am Ende derselben. Uber Polydactylie. 401 stellen an, welche ich zum Praepollex rechne«. Auch von dieser Seite her ist die Auffassung BARDELEBEN’S als irrig nachzuweisen. Es ist bekannt, dass der Abductor poll. longus und der Extensor pollicis brevis mancherlei Wechselbeziehungen zu einander darbieten, der Ext. poll. brevis besitzt gleichfalls nicht selten zwei Endsehnen, von denen eine wie die des Abductor longus sich inseriren kann. Da auch die Bäuche beider Muskeln oft wenig selbständig sind, ge- winnt man die Vorstellung, dass beide Muskeln aus einem einzigen sich gesondert haben mögen. Dafür sind positive Anhaltspunkte aus der vergleichenden Anatomie zu gewinnen. Der Abductor poll. longus ist bei den meisten Säugethieren mit dem Extensor brevis ver- schmolzen, oder der letztere fehlt (MECKEL). Die Prosimier besitzen gleichfalls nur den Abductor longus (BURMEISTER, MURIE) und eben so alle Affen, mit Ausnahme des Gorilla (BıscHorr). Wir haben also hier einen Muskel, statt deren zwei, wie beim Gorilla und dem Menschen, und es kann kaum ein Zweifel sein, dass diese zwei durch Ausdehnung eines Theiles der Insertion des einen, nämlich des Ab- ductor longus, und damit einhergehende Sonderung der Endsehne hervorgingen. Da aber die primitiveren Formen nur einen dieser Muskel besitzen, der sich zudem nur am Metacarpale pollicis inse- rirt, kann gar keine Rede davon sein, dass die Theilung der Abduc- torsehne beim Menschen einem niederen Zustande entspräche und auf einen »Praepollex« bezogen werden könne. Dieser ist doch nach unserem Autor, gewiss viel eher in den niederen Zuständen vorhan- den, also gerade da wo der Abductor ungetheilt ans Metacarpale pollieis tritt! Was BARDELEBEN und Andere auf jene Theilung der Abductor- sehne gebaut haben, ist also hinfällig gewesen. Die Theilung der Abductorsehne und die Insertion eines Zipfels derselben am Car- pale I drückt nichts Anderes als eine Sonderung des Muskels aus. Diese setzt fort, was schon mit der Spaltung eines primitiv einheit- lichen Muskels in den Extensor poll. brevis und den Abd. poll. lon- gus begonnen war und dieser Process geht Hand in Hand mit anderen Differenzirungen der Muskulatur des Daumens, wodurch dieser Finger jenen hohen funktionellen Werth für die Hand sich erworben hat. Man wird zugestehen müssen, dass ein wirklicher Nachweis von neuen Carpalelementen an der Radialseite des Carpus in keiner Weise erbracht ist. Diese Carpusregion kommt bei der von mir be- handelten Frage allein in Betracht, so dass ich die übrigen, auf gleicher Grundlage befindlichen Deductionen übergehen darf. Es 402 C. Gegenbaur bleibt also nur eine Vermuthung, die noch einen weiten Weg zur Hypothese hat, dass ein Carpus oder Tarsus aus 15—17 Elementen! sich zusammensetzen sollte und diese Vermuthung entbehrt zunächst noch jeder sorgfältigen Prüfung der Befunde, welche ihr eine Stütze abgeben sollen. Wenn ich nun auch nicht die Möglichkeit bestreite, dass jene Knochen, die am Carpalrande vorkommen oder dass einzelne sich vielleicht als wirkliche, typische Bestandtheile des Carpus heraus- stellen können, so muss ich doch behaupten, dass wir bis jetzt kein Recht haben, sie als solche aufzufassen. Es sind eben alle jene Punkte nicht erledigt, welche die gegenwärtig noch eben so berech- tigte Möglichkeit, dass es Sehnen- oder Bandverknöcherungen seien, zurückweisen?. Eine vorgenommene Deutung verlangt auch eine Begründung und diese kann nimmermehr durch eine bloße Behauptung ersetzt werden. Aber auch wenn jene Elemente wirkliche Carpaltheile wären, so ist dafür noch nichts für die einstmalige Existenz eines » Praepollex« erwiesen. Ein Carpusknochen ist noch lange kein Finger! Wenn wir bei der Vergleichung der Gliedmaßen mit reducirtem Handske- lette die verloren gegangenen Finger aus dem Verhalten des Carpus bestimmen — und ähnlich am Fuße verfahren — so folgt daraus noch keineswegs, dass man aus einem in seiner Beziehung zu einem Finger absolut unbekannten Elemente, wie es hier vorliegt, ohne Weiteres auf einen verloren gegangenen Finger schließen darf. Dort bewegt sich die Vergleichung in streng gemessenen Schranken, Objekt gegen Objekt, das Rückgebildete erscheint in seinem stufen- weisen Niedergange, hier dagegen wird gar nicht verglichen. Wo ist denn jener Praepollex vorhanden, dem das fragliche Carpalstück zugehören soll? Die Vergleichung, welche wegen Fehlens eines Ver- gleichungsobjektes nicht ausgeführt werden kann, wird durch fiktive Konstruktion ersetzt. Es wird angenommen, dass ein solches Ver- gleichungsobjekt vorhanden wäre. BARDELEBEN geht aber noch weiter®, er sagt, dass die deutlichen »Spuren eines früher an der inneren Seite des Daumens, bezw. der Großzehe vorhandenen Fingers« an 1 Tageblatt der 59. Versammlung deutscher Naturforscher zu Berlin. Berlin 1886. pag. 97. 2 Die myographische Litteratur giebt für fast alle jene fraglichen Kno- chen den Zusammenhang mit Sehnen an, und behandelt sie meist als Sesam- beine! Das wäre doch zu berücksichtigen gewesen! 3 Tageblatt. pag. 101. Be 3, “a Uber Polydactylie. 403 denselben Stellen sich finden, »wo bei Beutelthieren und In- sektenfressern ein wirklicher Finger existirte und wo beim Menschen gelegentlich sich ein überzähliger Finger entwickeln kann«. Unter einem »wirklichen Finger« versteht doch wohl Jeder ein ganz bestimmtes Gebilde, sein Skelet ist eben so bestimmt, es umschließt ein Metacarpale und einige Phalangen. Wo ist nun bei Beutelthieren oder Insectivoren außerhalb der fünf Finger etwas, das man einen »wirklichen Finger« heißen könnte? Für die Beurtheilung, ob eine Vermehrung der Carpalia auf eine Vermehrung der Finger bezogen werden darf, ist die Auffassung des gesammten Skelettes der Gliedmaße nicht ohne Einfluss. Als ich die Vergleichung des Flossenzustandes mit der höheren Gliedmaßen- form durehführte, leitete ich die Elemente der letzteren von den Strahlen der ersteren ab, und zeigte die Möglichkeit, gleiche Strahlen auch im Skelette der höheren Gliedmaße zu erkennen. Es ist aber dabei nicht zu vergessen, dass mit der »transversalen Gliederung « neue Verhältnisse entstanden. Die Lösung des Strahlenverbandes, welche mit den Vorderarmknochen auch den Carpus hervorgehen ließ, hat dem letzteren zweifellos auch ein gewisses Maß der Selb- ständigkeit verliehen. Die Angaben WIEDERSHEIM’s und auch Baur’s über den Urodelencarpus sind in dieser Beziehung recht belehrend, denn sie zeigen im Carpus eine größere Mannigfaltigkeit auch in der Anzahl der Stücke. Auch individuelle Schwankungen bestehen. Aus diesen Dingen muss aber ein Grund entstehen, die Zahlenver- hältnisse der Carpalia nicht so unbedingt zur Annahme einer größeren Fingerzahl zu verwerthen. Die neuen Grundlagen, welche die Osteologie der Hand ge- wonnen haben soll, reduciren sich also auf eine Angabe über Ver- mehrung der Anlagen von Carpusknochen und auf die Annahme, dass ein an der Radialseite des Carpus vorkommendes, längst bekanntes Knochenstückchen einen Finger vorstelle!. Jene ontogenetische Angabe bedarf aber noch der Prüfung, bevor auf ihr weiter gebaut werden kann. Aber sie beeinflusst die Frage vom »Praepollex« eben so wenig, als das Vorkommen eines Centrale oder zweier derselben, oder die 1 Neuere Angaben über accessorische Bestandtheile des Hand- und Fuß- skelettes der Säugethiere rühren von Prirzner her (Tageblatt der 60. Ver- sammlung der Naturforscher. Wiesbaden 1887. pag. 251) und betreffen den Elefanten und den Bären. Ein bestimmtes Urtheil über diese Befunde dürfte erst aus der ausführlichen Darstellung zu gewinnen sein. 404 C. Gegenbaur Entstehung des Hamatum aus zwei Elementen, wie ich es vor langer Zeit selbst für wahrscheinlich hielt und noch halte. Es giebt also bei Säugethieren keinen Praepollex, es besteht unter ihnen kein Atavus für jenen Zustand, und das von RıJKE- BUSCH und von SPRONK als bestehend angenommene Vergleichsob- jekt ist ohne Realität. So lange kein Zustand bekannt ist, von welchem die Polydactylie des Menschen und eben so die der Säugethiere atavistisch abgeleitet werden könnte wird auch die Beziehung auf ein solches hypothe- tisches Verhalten auszuschließen sein. Als was ist nun jener überzählige Finger anzusehen? Es besteht in dieser Hinsicht nicht die mindeste Ursache die alte Deutung dieser Befunde als Missbildungen zu verlassen. Wie wir die Gründe zurückweisen mussten, welche die Annahme eines »Prae- pollex« stützen sollten, so müssen wir jene Gründe anerkennen, welche bei der Polydactylie sowohl aus dem Einzelverhalten der ver- schiedenen Fälle, als auch dem der Gesammterscheinung jener Miss- bildungskategorie zu gewinnen sind. Die Fälle der Polydactylie, mögen sie nun die ulnare Seite oder, — wie im vorliegenden, die Radialseite der Hand betreffen, bieten die außerordentlichste Mannigfaltigkeit des Einzelverhaltens. Dieses be- trifft nicht nur die äußere Erscheinung, sondern eben so das Skelet und dieses letztere besonders in seinem carpalen Abschnitte. Bei bilate- raler Polydactylie treffen diese Verschiedenheiten für beide Seiten. Man vergleiche z. B. die von RÜDINGER (l. ce.) gegebene Abbildung eines solchen Falles auf dessen Taf. VI Fig. 5 und 6. Solche Zu- stände des Carpus können unmöglich atavistischer Natur sein; denn man wird doch nicht annehmen wollen, dass die rechte Hand einen anderen Atavus gehabt habe als die linke! Treffen wir dann immer wieder andere Befunde, so steigert sich damit, ich möchte sagen die Unmöglichkeit, in jener Einrichtung etwas Typisches zu erkennen. Sollen jene Hände mit einem sogenannten »Praepollex« diesen irgend woher durch Vererbung aus einem niederen Zustande erhalten haben, soll der »Praepollex« etwas Palingenetisches sein, so muss natürlich nicht bloß dieser Theil, sondern die ganze Hand von einem solchen Befunde ableitbar sein, und dagegen zeugen die so variablen Ver- hältnisse der Struktur. Man könnte mir einwenden, dass jener »Prae- pollex« in die Reihe der rudimentären Organe gehöre, und dass es desshalb nicht auffallend sei, wenn an ihm Variationen vorkommen, da ja bekanntlich rudimentäre Organe große Neigung zur Variation Uber Polydactylie. 405 besitzen. Hiergegen erwiedere ich, dass jener Praepollex keineswegs immer als Rudiment erscheint, und dass, wenn er selbst ein Rudi- ment vorstellte, doch daraus die Störung im Carpus und dessen große Mannigfaltigkeit ganz unverständlich wäre. Die mit der Polydac- tylie so häufig gepaarte Syndactylie, auch an anderen Fingern, ist gleichfalls ein für Missbildung sprechendes Moment. Auch die Lage des abnormen Fingers an der Volarseite ist eine Eigenthümlichkeit des von RIJKEBUSCH untersuchten Falles, und spricht für Missbildung. Sie hat auch eine teratologisch zu erklärende Abnormität der Musku- latur hervorgerufen. Ein von RiJKEBUSCH als Flexor praepollieis gedeuteter Muskel liegt zwischen Abductor carpi radialis und Ex- tensor praepollicis, an welchen sich der Extensor pollicis brevis an- schließt, und verläuft mit seiner Endsehne durch das Lig. carpi dor- sale. Der Muskel gehört also zweifellos der Extensorengruppe an. Sein Verlauf zur Volarseite ist eben durch die abnorme Lage des Praepollex bedingt. Das Alles sind Befunde, die nicht das mindeste Theromorphische an sich tragen. Die Polydactylie ist aber nicht auf den Praepollex beschränkt. Wie hier mit einem Finger die Norm überschritten ist, so sind es in anderen Fällen zwei, drei, vier, sogar fünf, in größter Mannigfaltig- keit des Verhaltens im Einzelnen. Auch der Carpus zeigt dabei selbst- verständlich eine Vermehrung seiner Elemente. Wenn in dem be- sprochenen Falle das Centrale ausgebildet war, so kann das wohl eben darauf bezogen werden, allein es ist das nicht geboten, denn ein solches Centrale kommt als atavistische Bildung bekanntlich auch an normalen Händen vor, und der »Praepollex« besitzt in jenem Falle gar keine direkte Carpalverbindung! Sind nun jene Zustände von Polydactylie, in welchem 2—5 überzählige Finger bestehen, ebenfalls als atavistisch zu deuten? Diese anderen Finger können dasselbe beanspruchen, wie der eine, sie müssen eben so bei der Polydactylie beurtheilt werden. Es wäre doch höchst sonderbar, wenn nur jener eine Finger als ein atavistischer in Anspruch genommen würde, ein zweiter oder dritter aber nicht! Die Autoren, welche sich mit dem Praepollex beschäf- tigen, müssten auch diese Fälle in Betracht ziehen, hätten aber auch dafür den Atavus nachzuweisen Wenn nun aber die Vermeh- rung der Fingerzahl stets eine einseitige ist, ulnar oder radial, so würde die Hand sogar noch aus mehr als aus zehn Fingern bestan- den haben müssen und jene ulnar oder radial gelegenen Knöchelchen im Carpus würden lange nicht ausreichen, um daraus die postulirte » Urhand« zu konstruiren. Doch es ist oben schon die Behauptung, Morpholog. Jahrbuch. 14. 27 406 C. Gegenbaur, Uber Polydactylie. jene Carpuselemente seien Rudimente von Fingern, zuriickgewiesen worden und so wenig ein Atavus fiir den »Praepollex« besteht, so wenig sind für jene zahlreicheren Finger atavistische Zustände be- kannt. Es ist also ganz unmöglich die Polydactylie des Menschen von Befunden an Säugethieren abzuleiten, und wenn man weiß, dass die Polydactylie eben so bei Säugethieren, aber auch bei niederer stehenden Wirbelthieren vorkommt und hier sogar mit einer Ver- doppelung der Gliedmaßen sich verbinden kann, so kann doch von einem hierin sich äußernden Rückschlage keine Rede sein. BARDELEBEN hält für besonders wichtig, dass die Polydactylie erblich ist, indem er darin eine Stütze seiner Meinung von der ata- vistischen Bedeutung der Polydactylie erblickt. Das ist irrig, denn die Erblichkeit ist von vielen Missbildungen bekannt, von solchen, die gar nicht als theromorphe in Frage kommen können. Ich will hier nur an den Fall von hereditärem Defekte an der Clavicula erinnern, der von mir beschrieben ward!. Die Polydactylie als theromorphe Bildung und als ein Zeugnis für einen ursprünglich polydactylen Zustand, ist also nicht länger zu behaupten und wird bei den Missbildungen bleiben müssen. Sie reiht sich hier unter die Doppelmissbildungen und bildet einen Aus- läufer dieser weiten Kategorie. Wir gelangten zu dieser, die frühere Auffassung bestätigenden Meinung durch die Prüfung der Grundlagen, auf welchen die andere erbaut war, und glauben, dass eine mit Kritik gehandhabte ein- gehendere Untersuchung des Hand- und Fußskelettes der Säugethiere, die zu den wissenschaftlichen Desideraten zählt, doch jene vorläu- figen Mittheilungen nur in dem von uns angegebenen Sinne modifi- ciren wird. t Heidelberg, im Februar 1888. 1 Jenaische Zeitschrift. Bd. I. pag. 1. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere'. Von Dr. H. Klaatsch, Assistent am anatomischen Institut in Berlin. Mit Tafel XVII und XVIII. Das Liniensystem, welches unsere Hohlhand und unseren Hohlfuß vor der übrigen Körperfläche in so eigenthümlicher Weise auszeichnet, hat schon seit langer Zeit die Aufmerksamkeit der Ana- tomen auf sich gezogen. Nachdem nun durch die eingehenden Un- tersuchungen A. KoLLmann’s (12, 13) die Bedeutung der Vola und Planta der Primaten als Tastapparat in helles Licht gesetzt worden und die besonders reichliche Entfaltung der Tastkörperchen auf der Höhe der sogenannten Tastballen erwiesen worden ist, drängt sich die Frage nach der morphologischen Bedeutung dieser Differenzirungen des Hautsinnes auf. ‚ Hierbei handelt es sich vorzugsweise darum, zu entscheiden, wo die Anfänge derselben in der Säugethierreihe liegen, ob die Linien zuerst an bestimmten Stellen oder gleich- mäßig über die ganze Vola entwickelt auftreten, welche GruppenihrenBesitz mit denPrimaten gemeinsam haben. Eine Durehmusterung der mit wohl entwickelter Vola und Planta versehenen Säugethiere ergab nun, dass typische Zustände bei den einzelnen Gruppen bestehen und dass bei Beutelthieren das erste Auftreten der Linien sich in einer Weise dar- thunlässt, die für die Morphologie der Säugethiere von allgemeinerem Interesse sein dürfte. 1 Die Resultate vorliegender Arbeit wurden von dem Verfasser auf dem ersten anatomischen Kongress in Leipzig, April 1887, mitgetheilt. 27* 408 H. Klaatsch Herangezogen wurden zur Untersuchung zahlreiche Vertreter der Monotremen, Marsupialien, Carnivoren, Nagethiere, In- sectivoren, Prosimier, Primaten. Bei sehr wenigen Vertretern genannter Ordnungen sind die Flä- chen der Vola und Planta ganz behaart; eben so selten sind sie ganz glatt; bei der überwiegenden Mehrzahl finden sich größere, theils hiigelartige, theils kegelförmige, theils zapfenartige Vorwöl- bungen der Cutis und des Panniculus — Ballen (Tori). Dieselben haben eine bestimmte Lagerung zum Skelet und lassen sich danach folgendermaßen klassifieiren (ef. Fig. 16, 17 ete.): 1) Den dritten Phalangen entsprechen Ballen, die ich Nagel- oder Endballen zu nennen vorschlage. 2) Die an der Metacarpophalangeal-(Metatarsophalan- geal-\grenze auftretenden sollen Metacarpo(tarso-)phalangealballen heißen. 3) Dem Thenar und Hypothenar des Menschen entsprechend fin- den sich je ein Radial- (Tibial-) und Ulnar- (Fibular-)ballen. Diese Eintheilung ziehe ich der von A. KoLLMANN gegebenen in Tastballen erster, zweiter und dritter Ordnung aus morphologischen | Gründen vor. | Entweder nehmen die Ballen die ganze Vola und Planta ein und sind nur durch schmale Furchen von einander geschieden, oder aber es bleiben größere Flächen (intermediäre Tastflächen« KoLL- MANN’S) zwischen den weiter aus einander stehenden Ballen übrig. Die Ballen tragen Cutisfortsätze (Papillen), zwischen denen Schweißdrüsen ausmünden. Die Papillen stehen entweder ohne jede gesetzmäßige Anordnung, oder sie treten zu Gruppen zu- sammen, die als Warzen oder Felder erscheinen, oder aber sie reihen sich auf und bilden Leisten. | Schon Lrypre (4) hat in seiner grundlegenden Arbeit über die äußeren Bedeckungen der Säugethiere ausgesprochen, dass die großen kegelförmigen Cutiserhebungen den Leisten der Menschenhand ent- sprechen, und dass erst die nochmals von der Oberfläche der Kegel sich erhebenden Papillen mit denen, welche die Leisten bilden, auf eine Stufe zu stellen seien. Was nun die Ausdrücke »Tastballen« und »Tastlinien« anbe- langt, so ist zu bemerken, dass es sich bei der morphologischen Untersuchung in erster Linie handelt um die Kenntnis der Entfal- tung des Oberflächenreliefs der Vola und Planta. Hierfür ist der Befund von Warzen ohne bestimmte Anordnung, solchen, die eine, Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 409 gewisse Regelmäßigkeit in- ihrer Aneinanderreihung zeigen, von deut- lichen Leisten etc. von Bedeutung. Sodann ist der Nachweis von Metssner’schen Tastkérperchen oder anderen Endkörperchen sensibler Nerven wichtig.- Die physiologischen Fragen nach der Art und Weise der Em- pfindungen, welche durch diese Hautorgane vermittelt werden, kommen erst in zweiter Linie in Betracht, da über sie nicht einmal beim Menschen irgend wie bestimmte Ansichten bestehen. Da es zweifellos ist, dass beim Menschen und den Affen die Vola als ein hoch entwickelter Tastapparat funktionirt, so dürfen wir, da wo nie- dere Formen ähnliche Bildungen zeigen, schließen, dass auch dort eine besondere Ausbildung des » Tastsinnes« besteht. In dieser Hin- sicht ist es wichtig, dass überall da, wo »Linien« auftreten, ein be- sonderer Reichthum von Nervenendigungen und speciell Tastkörper- chen konstatirt werden kann. Auch muss hier der bekannten Er- scheinung gedacht werden, dass der Greifschwanz des Brüllaffen an seiner Beugefläche die schönsten und regelmäßigsten » Tastlinien« besitzt, in welchen Tastkérperchen in großer Zahl nachgewiesen worden sind. Auch sind hier die Befunde von Hoaean (10. 11), auf die an betreffender Stelle eingegangen wird, von Interesse, der bei Procyon, wo eine eigenthümliche Anordnung von Warzen (Pseu- dogyri) auftritt, auch eigenthümliche Endkörperchen auffand. Nicht nur die Leistenbildung, auch die niedere Stufe der »Fel- derung«, ist gewiss für die Tastempfindung von Bedeutung. Die Warzen, welche die Vola vieler niederer Säugethiere trägt, kehren wieder an der Schnauze der Hufthiere und anderer. Auch weist die so vielfach auftretende Leistenbildung an anderen Stellen (Zunge der Säugethiere, Schnabel der Ente), die besonders für die Ausbildung von Nervenendorganen in Betracht kommen, auf den innigen Zu- sammenhang zwischen dem morphologischen Relief und der physio- logisch-histiologischen Differenzirung hin. In wie weit nun die Ähn- lichkeit des Reliefs der Tastfläche bei verschiedenen Formen auf Verwandtschaft beruht, oder aber durch die gleiche Anpassung ent- standen zu denken ist, liegt nicht im Bereich dieser Arbeit zu ent- scheiden. Für eine solche Entscheidung müssten eine große Zahl anderer auf die Organisation der betreffenden Formen bezüglicher Faktoren herangezogen werden. Es ist sehr gut denkbar, dass auch komplieirte Formen von Tastballen, die einander ähnlich sind — wie z. B. die von Phalangista und mancher Prosimier — ganz unabhängig von einander sich ausbildeten, so dass nur die Art dieser Ausbildung 410 N H. Klaatsch das verknüpfende Band darstellt. Das Beispiel vom Schwanz des Brüllaffen zeigt am besten, dass an ganz beliebigen Stellen, sobald sie für das Greifen und Klettern von besonderer Wichtigkeit sind, der dem ganzen Integument innewohnende Tastsinn sich in beson- derer Weise entfaltet und die Bildung von Tastlinien hervorruft. Wo nun ein minder hoch entfaltetes Relief der Tastballen vorliegt, ist es erst recht unmöglich zu sagen, ob im einzelnen Falle ur- sprüngliche Einfachheit oder sekundäre Reduktion vorliegt. Wenn im Folgenden von Reihe und Typen die Rede ist, so handelt es sich nur um die Aneinanderreihung und Klassifieirung der thatsächlichen Befunde, nicht etwa um die Aufstellung einer Reihe von Formen, deren eine nothwendig aus der anderen hervorgegangen sein soll! Monotremata. Bei Ornithorhynehus paradoxus sind Vola und Planta mit einem Relief kleiner polygonaler Felder bedeckt, welches von ver- einzelten tieferen Furchen durchzogen wird. Die mikroskopische Untersuchung auf Querschnitten zeigt, dass Cutispapillen ohne irgend eine gesetzmäßige Anordnung vorhanden sind und dass in die Rete- zapfen zwischen ihnen wohl entwickelte Schweißdrüsen ausmünden. Beutelthiere. Derselbe niedrige und einfache Zustand der Vola und Planta ist erhalten bei zahlreichen Beutelthieren, von denen als Repräsentant Halmaturus angeführt sei. Bei einem älteren Beutelfötus von Halmaturus sp. (die ver- schiedenen Species verhalten sich gleich), den ich genauer unter- suchen konnte, ist das Verhalten folgendes: Die ganze Vola, die vier halbkugelige Ballen zeigt, sowie der sroße, im vorderen Theil des Tarsus gelegene Plantarballen, sind 1 Auf die Frage, die Herr Prof. Hasse gelegentlich meines Vortrages in Leipzig anregte, ob bei niederen Wirbelthieren Bildungen vorkommen, die mit den Tastballen der Säugethiere in Beziehung zu setzen sind, muss ich für jetzt eine durchaus verneinende Antwort ertheilen. Die so charakteristischen Tast- linien der Säugethiere treten zuerst bei den Beutelthieren auf. Jede Homo- logisirung dieser »Linienfelder« mit den Haftlappen der Ascaloboten und den Ballen der Hyliden halte ich für ausgeschlossen. Eine entfernte Ähnlich- keit der Anordnung der Drüsen und Cutisleisten besteht allerdings zwischen den Haftballen der Hyla und den Ballen der Säugethiervola. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 411 gleichmäßig bedeckt mit Warzen, wie sie auf Fig. 1 dargestellt sind. Sie besitzen keine besondere Anordnung, sind an ihrer Oberfläche glatt, an den Rändern etwas gezackt und schwanken nur in geringen Größendifferenzen. Wie der mikroskopische Durchschnitt lehrt (Fig. 9), handelt es sich um halbkugelförmige Erhebungen der Cutis, die von einer überall nahezu gleichmäßig entwickelten Epidermis (Ep) überkleidet wer- den. Jedes dieser Cutispolster birgt in sich eine Anzahl von Drüsenanlagen (S), welche bis zu 30 betragen kann. Jede Drüse besteht aus einem kurzen, leicht gewunden verlaufenden Schlauch und einem kolbig aufgetriebenen Körper. Diese letzteren sind, wie Flachschnitte lehren, in Kreisen angeordnet, die, je weiter von der Oberfläche entfernt, desto größeren Durchmesser zeigen. Die Mitte der Hautpolster bleibt frei. Die Ausführgänge sind senk- recht zur Epidermis gerichtet, und münden vorzugsweise an der Peripherie eines jeden Hautkegels aus. Auf dem Querschnitt (Fig. 9) ist links ein Hautpolster nahe seiner Peripherie getroffen worden, wesshalb eine so große Anzahl von Drüsenanlagen sichtbar ist. Die Epidermis besitzt eine sehr dünne, meist einschichtige Lage abge- flachter und verhornter Elemente, dann folgen etwa 3—5 Lagen (in den Thilern mehr) polygonaler Zellen mit größeren Kernen. Die tiefste Schicht besteht aus eylindrischen Elementen. Das Cutisge- webe der Polster zeigt einzelne dunklere Züge, die aus der Tiefe sich zu den Drüsenanlagen begeben, auch sind Blutgefäße deut- lich. Die Drüsen haben eine ausgesprochene Retorten- form. Ihre kleinen und dicht stehenden Zellen nehmen Alaunkar- min und Hämatoxylin intensiv auf. Um die terminale Anschwellung herum liegen spindelförmige Elemente, die auch den Ausführgang überkleiden. Diese Zellen, die ich für die Anlage der glatten Mus- kulatur der Drüsen halte, sind vom umgebenden Gewebe nicht ge- schieden; eine Basalmembran ist noch nicht ausgebildet. Beim erwachsenen Thier sind die Hautpolster ebenfalls vorhanden und verleihen der Planta eine Felderung, etwa wie sie sich an der Schnauze vieler Thiere findet. In den Polstern liegen die Schweiß- drüsen, welche die untere Grenze derselben nicht überschreiten. Die Hornschicht ist von sehr beträchtlicher Dieke. Die Cutis ist im Be- reich der Polster in hohe schmale Papillen erhoben!. Bei Dasyurus — untersucht wurden D. macrurus und viver- 1 HoGGan (11) erwähnt Tastkérperchen in den Papillen bei Halmaturus. 412 H. Klaatsch rinus — tritt an der wohlentwickelten Hand die typische, dem Schema der Säugethiervola entsprechende Ausbildung der Ballen auf. Tiefe Furchen (Fig. 16 von D. macrurus) scheiden an der Hohl- handfläche zunächst vier ungefähr den Fingerinterstitien entsprechende Metacarpophalangealballen von einander. an welche sich proximal ein Ulnar- (vw) und ein Radialballen (7) reihen. Der Ulnarballen be- sitzt einen Anhang (P), der dem Os pisiforme aufsitzt und der in größerer Selbständigkeit vielen Carnivoren eigen ist. Die Finger sind quer gefurcht. Das dritte Phalangenglied ist mit deutlichen End- ballen versehen, rundlichen Vorwölbungen, etwa einer kleinen Finger- beere des Menschen ähnlich. Am Fuße ist die erste Zehe redueirt und es verschmelzen hier der erste Metacarpophalangealballen und der Radialballen mit einander. Solche Verschmelzungen der Hohl- handballen treten stets bei der Reduktion von Fingern ein, wobei die einzelnen Komponenten sich oft noch deutlich nachweisen lassen. Bei Dasyurus viverrinus ist die ganze Oberfläche der Vola und Planta mit denselben Hautwarzen bedeckt, die bei Halmaturus beschrieben wurden, doch bestehen im Einzelnen bemerkenswerthe Abweichungen. Für nicht so wesentlich muss man es halten, dass die Schweißdrüsen nicht wie dort im Bereiche der Warzen allein liegen, sondern sich mit vielfach gewundenen Ausführgängen bis tief in den Panniculus verfolgen lassen. Sie liegen im Fettgewebe ein- gefügt, nicht anders, als beim Menschen, doch besitzen sie histiolo- gisch ein besonderes Interesse, da sie eine sehr starke Muscularis besitzen, worauf bei Didelphys näher eingegangen wird. Im Ver- gleiche zu Halmaturus ist der Umstand wichtig, dass auf jeder Warze sich eine viel größere Zahl sehr schmaler und hoher Papillen als dort erhebt. Eben so verhalten sich die Warzen, die bei Dasyurus macrurus sich finden, jedoch mit einer gewissen Änderung. Auf der Höhe eines jeden der bezeichneten Ballen besteht ein kleiner und scharf umschriebener Bezirk, der ganz deutliche Hautleisten wie die Menschenhand trägt. Diese Bildungen nenne ich Linienfelder. Sie sind auf den Nagelballen am ausgedehntesten und von ovaler Form, auf den übrigen Ballen mehr in der Längsrichtung der Extremität vergrößert, auf dem Ulnarballen hufeisenförmig gestaltet. An der Planta besitzt der verschmolzene Metacarpophalangeal- und Tibiaballen zwei Li- nienfelder. An dem Exemplar, welchem Fig. 2 entnommen ist, fehlt das Rete. Man sieht nun auf dem Linienfeld tiefere und damit ab- Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 413 wechselnd seichte Furchen. Die ersteren entsprechen den größeren Retezapfen, welche die Schweißdrüsen aufnehmen, die letzteren den kleineren, eine Anordnung, die bei Didelphys genauer erörtert wird (Fig. 10). Die Papillen auf den benachbarten Warzen zeigen hier und da Andeutungen von Reihenstellung. Bei einem jugendlichen Exemplar von Dasyurus viverrinus (albi- punetatus?) finde ich auf der Höhe jedes Ballens je ein ganz kleines Linienfeld. Der Zustand von Dasyurus ist bei den Didelphiden in einer sehr typischen Weise weiter ausgebildet. Von Didelphys Azarae ist auf Fig. 17 die rechte Planta dar- gestellt; der Vergleich mit Fig. 16 ergiebt ohne Weiteres, dass hier dieselben Linienfelder auf der Höhe der Ballen wiederkehren. Die Species (D. virginiana, Azarae, cancrivora, Mirodelphys brachyurus, M. sorex) verhalten sich gleich. Bei einer und derselben Species aber bestehen Unterschiede in der Ausdehnung der Linien- felder; einmal zwischen vorderer und hinterer Extremität, indem sie auf der Vola größer sind als auf der Planta und sodann hinsicht- lich des Alters. Während nämlich bei jüngeren Exemplaren das Linienfeld nur als schmale Leiste auf der Höhe des Ballen liegt, ist bei älteren derselbe ganz davon eingenommen. Fig. 3 giebt das Lupenbild eines solehen »Linienballens« und Fig. 4 in vergrößer- tem Maßstabe eine kleine Partie von demselben. Ein Vergleich mit dem Übersichtsbild und mit der Vola von Dasyurus macrurus lehrt Einiges über die Anordnung der Linien: Auf den kleinsten Feldern stehen die Linien sämmtlich quer zur Längsrichtung desselben, bei größerer Ausdehnung über die Ballen treten zunächst Bogen auf, bis schließlich eine koncentrische Anordnung Platz greift. Dabei finden sich Mischformen derart, dass ein Linienfeld einen schmalen und mit querer Liniirung versehenen Ausläufer hat, während der »Kopf« bereits komplicirtere Bilder aufweist. Das tibiale Linienfeld auf Fig. 17 liefert hierfür ein Beispiel. Hand in Hand mit der Kom- plizirung der Linien geht die Erhebung der Linienfelder im Ganzen. Sie werden selbst zu Ballen. Fig. 3 stellt ein solches, sehr regel- mäßig gebautes Gebilde dar, das sich als ein eigenes, selbständiges Organ darstellt. Seine Leisten (Z) sind breit, in ihrer Mitte deutet ein dunkler Streifen (S) die Ausmündungen der Schweißdrüsen an. Ausdrücklich bemerkt sei, dass die ganze übrige Hohlhandfläche in nichts sich von dem niederen Verhalten des Hautwarzentypus unter- 414 H. Klaatsch scheidet (W). Der mikroskopische Bau der Linienballen ist dem Verständnis nicht fern liegend, weil er vollkommen übereinstimmt mit menschlichen Zuständen. Wie z. B. die Fingerbeere des Men- schen, ist er gebildet durch eine Erhebung der Cutis und des Panni- culus adiposus. In diesen eingebettet liegen eine große Zahl sehr mächtig entwickelter Schweißdrüsen. In der Tiefe liegen zahlreiche Pıcınrsche Körperchen. Die terminalen kolbigen Abschnitte der Drü- sen enthalten ein mehrfach geschichtetes Epithel, ihre Muscularis ist so stark entwickelt, dass sie schon bei schwacher Vergrößerung de- monstrirt werden kann (Fig. 10). Das Verhalten der Papillen stimmt mit dem, vom Menschen be- kannten Schema so überein, dass es hier am Platze ist, dieses selbst näher zu beleuchten: Das Rete Malpighii geht in die Tiefe mit zwei verschiedenen Arten von Fortsätzen, die mit einander abwechseln. Die eine größere nimmt die Schweißdrüsen auf — es ist die von BLAscHKo (14, 17) mit Bezug auf das Flächenbild des Rete » Drüsenleiste« benannte Bildung, die zweite kleinere trennt die Papillen einer Cutisleiste von einander. Für sie acceptire ich BLascuko’s (14) Ausdruck » Falte«. Beide sind von verschiedener morphologischer Bedeutung; die Drü- senleiste ist ein fixes Gebilde, die Falte kann fehlen (Nagethiere). Die Oberflächenzeichnung wird vorzugsweise durch die Hornschicht gegeben, welche der Falte entsprechend jedes Mal eine tiefe Furche bildet (V). Der mikroskopische Durchschnitt auf Fig. 10 erläutert diese Ver- hältnisse. Fig. 11 giebt einen Flachschnitt durch einen Tastballen wieder. Links sind die Leisten höher und im Bereich der Epidermis, rechts unterhalb der Drüsenzapfen des Rete getroffen. Das Andere ergiebt die Abbildung von selbst. An einem männlichen Didelphys virginiana, welchen ich durch die Güte des Herrn Professor SELENKA bald nach dem Tode des Thieres erhielt, gelang es mir leicht, sowohl bei Behandlung der frischen Schnitte mit Natronlauge, als an Osmiumpräparaten den Nachweis zu führen, dass die Linienfelder sich vor der übrigen Hohlhand-, resp. Hohlfußfläche auszeichnen durch einen außerordentlich großen Reichthum von Ner- ven und Tastkörperchen. Diese stimmen sowohl ihrer Lage als ihrem Aussehen nach mit den bei den Pri- maten genau gekannten Zuständen durchaus überein. Zur Morphologie der Tastballen der Siiugethiere. 415 Bei Phalangista Cookii besteht principiell dasselbe Verhal- ten wie bei Didelphys, während andere Species von Phalangista eine höhere Stufe einnehmen!. Auf Fig. 18 habe ich die Hand eines Beutelfötus von. Phalangista dargestellt, dessen Species nicht be- stimmt ist, der aber als unzweifelhafter Phalangista durch das cha- rakteristische Verhalten der verkürzten zweiten und dritten Zehe des Fußes gekennzeichnet ist. Hier ist nun bereits die ganze Hohlhand vollkommen mit denselben Linien bedeckt, die wir auf unserer eige- nen Hand erblicken. Nur einfachere Zustände, ein niederer Grad des komplieirten Apparates liegt hier vor. Auf zahlreichen Ballen herrscht noch der quere Verlauf der Linien vor, so auf dem III. In- termetatarsalballen, den Fig. 5 wiedergiebt. Auf anderen (vgl. die Zeichnung der Vola) tritt eine Faltenbildung auf, die man wie Pur- KINJE (1) es für den Menschen that, am besten als Bogenbildung (Sinus) bezeichnet; bei anderen wieder ist der koncentrische Typus mehr oder weniger rein zur Entwicklung gelangt. Die Liniirung der Flächen, die bei den zuvor betrachteten Formen noch die Hautwarzen trugen, zeigt sich in Abhängigkeit von den Linienfeldern, denn es gehen von hier aus die Linien miteiner Änderung der Richtung im Sinne der Längsachse der Hand auf sie über (Fig. 5, 18). Rückbliek auf die Beutelthiere. Der primitive Zustand der Säugethiervola ist der, dass dieselbe mit Warzen bedeckt ist, auf denen die Schweißdrüsen ohne eine bestimmte Anordnung münden (Halmaturus). _ Auf diesen Warzen erheben sich (Dasyurus viverr.) sekundär Papillen, die keine bestimmte Anordnung zeigen. Als neuer Faktor tritt dann die Aufreihung der Pa- pillen und damit eine regelmäßige Anordnung der Schweiß- drüsen aut. Diese Bildung tritt auf der Höhe jedes Ballen für sich auf und breitet sich von da aus über die ganze Vola und Planta aus. Wenn schon der Vergleich mit den menschlichen Zu- ständen es nahe legt, im Auftreten der »Linien« eine Vervollkommnungdes Tastapparates der Volaund Planta 1 Andere Species dagegen zeigen ee läge vulpina) keine Tast- linien, sondern eine gefelderte Fläche. 416 H. Klaatsch zu sehen, so wird durch den Befund beim Opossum es ganz unzweifelhaft, dass der »Tastsinn« unserer Hand in der Thierreihe sich zuerst auf der Höhe der Ballen lokalisirt, dass er als etwas Neues in der Säugethier- reihe auftritt. Carnivoren. Das Relief der Vola und Planta setzt der Zusammenfassung und Verallgemeinerung des Befundes nicht geringe Schwierigkeiten in den Weg; es müssen daher die einzelnen Gruppen eingehend geprüft werden. Ursidae. Mit diesen beginne ich, weil ihr Verhalten sich an dasjenige mancher Beutler (Dasyurus) anreihen lässt. Procyon besitzt eine ähnliche Ausbildung der Ballen in der wohlentwickelten Vola und Planta. Nagelballen sind deutlich ausgeprägt; die Finger sind hier quer gefurcht. Es bestehen vier Metacarpo(tarso-)phalangealballen halbkugeliger Form und Ulnar- und Radialballen an der Hand, während der Fuß nur einen Fibular- ballen zeigt. Der bei Dasyurus über dem Erbsenbein liegende Ballen stellt bei Procyon einen Anhang des Ulnarballen vor. Aus einiger Entfernung möchte man die Ballen für liniirt halten, da eine koncentrische Anordnung von Furchen unverkennbar ist (Fig. 19, von Cercoleptes caudivolvus). Die Lupenuntersuchung lehrt aber, dass die Übereinstimmung mit der Primatenvola nur eine schein- bare ist. Man findet nämlich nicht jene gesetzmäßige Linienbildung, sondern nur kleine polygonale Felder, die da, wo das Rete verloren gegangen ist, mit unregelmäßig stehenden Zotten besetzt sind. Die Betrachtung einer fötalen Vola und Planta von Nasua (Fig. 6) lässt eine weitgehende Ähnlichkeit mit dem Verhalten von Halmaturus erkennen. Nur besteht bei den erwachsenen Formen darin etwas Neues, dass die einzelnen Felder sich so an einander legen, dass sie als groben Effekt ein Linienbild erzeugen (Fig. 7, Fig. 19). Und diese Warzenreihen folgen ähnlichen Gesetzen der Anordnung, der Bogenbildung, wie die echten Linien (Pseudogyri). Es ist jedes »Feld« einer Hautwarze von Halmaturus an die Seite zu stellen. Daraus resultirt für Procyon ein primitiver Zu- stand, ineiner Beziehung, der aber in anderer Beziehung wieder eine eigenartige Vervollkommnung aufweist. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 417 Cercoleptes caudivolvus (Fig. 19) stimmt mit Procyon überein, bei Ursus ist die Oberfläche der Ballen nahezu ganz glatt, wie ich an mehreren älteren Embryonen konstatiren konnte. Ubri- gens sind die Furchen zwischen den Ballen wenig tief und diese daher nicht charakteristisch vortretende Bildungen. Das Relief der Vola des Procyon ist nach Entfernung der Epi- dermis aufgenommen (Fig. 7). Die Punkte in den Vertiefungen sind die Öffnungen der Schweißdrüsen. Es ist nun von großem Interesse, dass für Procyon Nervenen- digungen der Vola und Planta nachgewiesen worden sind, die von eigenartiger Beschaffenheit zu sein scheinen und von denen der Pri- maten abweichen! Die Untersuchungen von HoGean (10. 11) haben darin unsere Kenntnisse über Endorgane der Nerven bei den Säuge- thieren erweitert. Das Vorkommen seiner Hogean- und BLAK- WELL- und BROwnE-Körperchen in der Pfote des Procyon be- weist, dass dieselbe Sitz eines hoch differenzirten Empfindungsver- mögens sind. So wichtig nun auch das Eindringen in die feinsten histiologischen Details bei den einzelnen Säugethieren ist, so darf man dabei doch nicht auch die grob-anatomische Gestaltung der be- treffenden Theile außer Acht lassen. Daher ist die Betrachtung, wie ich sie hier gebe, eine Ergänzung und in mancher Hinsicht ein Leit- faden für die histiologische Untersuchung. Morphologisch unterliegt es keinem Zweifel, dass bei Procyon zwar eine hohe, aber eine, nach ganz anderem Typus gebildete Entwicklung der Vola vorliegt. Um so mehr ist es von Bedeutung, dass auch die histiologische Untersuchung typische Unterschiede von den Primaten im Verhalten der Nervenendorgane nachweist. Viverridae. Sie vermitteln den Übergang von den Sohlengängern zu den Zehengängern. Im Zusammenhang damit steht die besondere Aus- bildung der vorderen Ballen, insbesondere der Metacarpophalangeal- ballen, die häufig unter einander verschmelzen. Paradoxurus Typus besitzt an Hand und Fuß fünf Finger resp. Zehen, die durch eine Schwimmhaut mit einander verbun- den sind. Die Endballen sind mächtig entwickelt, nicht minder die vier Metacarpo- 1 Nervenendigungen und Endkörperchen in der Vola des Waschbären hat schon JOBERT beschrieben (7). 418 H. Klaatsch (tarso)phalangealballen, die, eng an einander gepresst, als Theile einer beson- deren größeren Bildung sich darstellen. Dem großen Ulnarballen reiht sich ein kleiner Erbsenbeinballen an, der Radialballen ist klein. Am Fuß ist zweiter und dritter Endballen mit einander verschmolzen, Tibial- und Fibularballen sind nur angedeutet. Die Oberfläche der Ballen zeigt größere polygonale, ziemlich flache Hautwarzen, die denen von Halmaturus ähnlich sind. Die Vertheilung der Schweißdrüsenöffnungen ist auch ähnlich wie dort, man sieht dieselben gut mit der Lupe, sie stehen an der Peripherie im Kreise, spärlicher sind sie auf der Höhe der Warzen. Herpestes ungulatus besitzt schlankere Tatzen und längere Krallen. I. Zehe und I. Finger sind reducirt; außer den Nagelballen tritt ein größe- rer, aus drei Komponenten bestehender Metacarpo(tarso)phalangealballen vor. An der Hand ist der Erbsenbeinballen stark ausgebildet. Die Finger sind quer gefurcht, die Oberfläche der Ballen ist glatt und ist mit zahlreichen Punkten versehen. Bei Viverra eivetta ist die Verschmelzung der Metacorpo- (tarso)phalangealballen zu einem starken hufeisenförmigen Polster vollzogen, eine für die Carnivoren sehr charakteristische Bildung, die auch bei Katze und Hund zu beobachten ist. Eben so tritt der Erbsenbeinballen mit einer Deutlichkeit hervor, wie sie nur bei Car- nivoren vorkommt. I. Zehe und I. Finger sind weniger reducirt als bei Herpestes ungu- latus; die Endballen sind wohl entwickelt; am Fuß geht der I. Metacarpo- (tarso)phalangealballen nicht in die Verschmelzung ein, zwei kleine Erhebungen entsprechen dem Tibial- und Fibularballen. Hinter dem großen »Carnivoren- ballen« ist die Vola und Planta behaart. Die Oberfläche der Ballen ist glatt und punktirt. / Felidae, Canidae. Sie können bei der großen Übereinstimmung des Verhaltens bei beiden gemeinsam besprochen werden. Die »Carnivorentatze« kommt am reinsten zur Entfaltung. Untersucht wurden: Felis domestica, Tigris, Onca, Leopardus, Canis fa- ıiliaris, Lupus. Die kurzen Finger tragen haarlose Nagelballen. Beim Druck auf dieselben springt die Kralle vor. Zweiter, dritter und vierter Metacarpo- (tarso)phalangealballen bilden zusammen den starken »Carnivorenballen«. Seichte Furchen an der Oberfläche deuten die Komponenten an. Der Erbsenbeinballen springt zapfenartig vor. Weder von Warzen noch von Linien ist auf den Ballen eine Andeutung zu finden. Bei starker Lupenvergrößerung sieht man Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 419 auf dem frischen Hautstück die Öffnungen der Schweißdrüsen in regelmäßiger Vertheilung, wie es auf Fig. 15 angedeutet ist. Der Carnivorenballen zeigt im Einzelnen folgenden Bau: Starke Züge festen Bindegewebes trennen deutlich die Komponenten des- selben von einander. Die Hauptmasse des Ballens ist Fettgewebe, in welches die Schweißdrüsen, die sehr lange Ausführgänge besitzen, eingebettet sind. Genau unter dem höchsten Punkte des Ballens ‘liegt eine sehr große Zahl Pacini’scher Körperchen. Die Cutis ist in zahlreiche Papillen erhoben. In die Zapfen des Rete münden die Schweißdrüsen; ihnen entsprechend zeigt die Oberfläche des Rete Vertiefungen. Ist nun die Vertheilung der Schweißdrüsenporen über die Fläche eine gleichmäßige, so dass alle annähernd gleich weit von einander abstehen, wie dies auch Flach- schnitte darthun, so fehlt doch jede Andeutung der Papillen- anordnung, wie wir sie bei den Primaten haben. Das wird am sichersten bewiesen durch einen Flachschnitt, wie er von einem Endballen auf Fig. 14 dargestellt ist. Von oben ist die Epidermis getroffen und man sieht die Papillen in ihrer Anord- nung jeglicher Regelmäßigkeit entbehrend. Links unten ist die Cutis erreicht. Im Erbsenbeinballen liegen Züge quergestreifter Muskulatur. Bei Hund und Katze fand MEcKEL (9) zahlreiche Tastballen in der Vola und Planta. Mustelidae. Sie weichen in manchen Punkten von den Feliden ab. Am nächsten reiht sich der Marder den vorigen an. Mustela martes hat ausgesprochene Carnivorenballen, gesonderte erste Metacarpo(tarso)phalangealballen und wohlentwickelte Endballen. Am Fuß ist der Carnivorenballen noch in seine Komponenten zerlegt. Die Oberfläche der Ballen ist nicht glatt, sondern mit Höcker- chen versehen wie bei Procyon, die wie dort so in koncentrischen Reihen angeordnet sind, dass Linien vorgetäuscht werden. Noch täuschender ist dies Verhalten beim Iltis (Fig. 20). Hier könnte man in der That geneigt sein, die Ballen direkt neben solche von gewissen Nagethieren zu stellen, wenn nicht der Befund bei den anderen Carnivoren davor warnte. Außerdem löst sich auch hier bei der Lupenbetrachtung das Bild in eine Mosaikfigur auf. Bei der Fischotter weichen die Species von einander ab. Es bestehen fünf starke Endballen, vier gleich große und ganz von ein- 420 H. Klaatsch ander geschiedene Metacarpo(tarso)phalangealballen und ein Ulnarballen (L. vulgaris, brasiliensis). Bei L. brasiliensis ist die Liniirung sehr gut oniwiekel bei L. vulgaris ist die Felderung sehr augenfallig. Riickblicke auf die Befunde bei den Carnivoren. Zwischen Plantigraden und Digitigraden bestehen bedeu- tende Verschiedenheiten. Die ersteren haben einen mehr urspriing- lichen Zustand bewahrt. Bei Viverriden, Feliden, Musteliden vollzieht sich eine einseitige Ausbildung, die zur Entstehung starker Endballen und eines mächtigen Carnivorenballens führt. Für die Katze ist der Reichthum derselben an Pacrnti’schen Körperchen von Interesse. Morphologisch ist zu betonen, dass bei Carnivoren niemals echte Hautlinien auftreten, und dass solche nur bei manchen vorgetäuscht werden durch die Aufreihung kleiner Cutiserhebungen, die den Hautwarzen der Beutel- thiere entsprechen. Man kann also die Carnivoren nicht ohne Weiteres mit den Primaten zusammenstellen, son- dern nur fiir die Entfaltung ihrer Vola und Planta einen eigenen, fiir sie charakteristischen Typus aufstellen. Nagethiere. Bei der allerdings großen Mannigfaltigkeit des Formzustandes der Vola und Planta ist doch bei mehreren Gruppen die Anknüpfung an die Beutler leicht gewonnen. Wiederum muss man zurückgehen auf den niedersten Typus, wo zahlreiche indifferente Hautwarzen die Vola bedecken. Octodontidae. Habrocoma Bennettii führt solchen niederen, etwa an Dasy- urus viverrinus anzuknüpfenden Zustand vor. An der Stelle des redueirten ersten Fingers trägt die Hand einen großen radialen Ballen, außerdem sind vorhanden Nagelballen und ein Ulnarballen; am Fuß ist die erste Zehe nicht redueirt. Nur die Endballen tragen feine Linien und prominiren in dem linienbedeckten Abschnitt stärker. Hier liegt ein kleiner knopfartig vortretender Höcker. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 421 Bei Octodon Cumingii liegt auf der Höhe jedes Ballens eine größere Warze, welche mit sehr feinen Linien bedeckt ist. Dieser Zustand erinnert an den von Dasyurus maerurus mit seinen » Linienfeldern «. Sciuridae. Diese reihen sich in ihrem einfachen Verhalten, das wenigstens bei einigen Species klar vorliegt. eng den Octodontiden an. Man kann nicht sowohl Ballen als vielmehr isolirte Linienfelder unterscheiden, die, bei Se. vulgaris zapfenartig gestaltet, selbst Bal- len repräsentiren. Die Bezeichnung »Linienfeld« bedarf allerdings einer Einschrän- kung. Zunächst imponiren die kammartigen Leisten, wie sie bei Se. bieolor vorhanden sind, nur als glatte und scharf umschriebene Vor- sprünge; diese sind, namentlich deutlich nach Entfernung der Horn- schicht, mit außerordentlich feinen Linien bedeckt. Auf Fig. 8 ist das Lupenbild solcher Hautpartien wiedergegeben. Bei Seiurus bicolor ist die übrige Vola und Planta mit War- zen verschiedener Größe bedeckt. Eine Abgrenzung zwischen größe- ren Warzen und kleinen Linienfeldern besteht nicht, sie gehen ganz allmählich in einander über. An der Planta stehen die Warzen im proximalen Theil in Linien angeordnet. Außer den vier metacarpophalangealen Linienfeldern sind nach außen und innen noch kleinere vorhanden. . Wie wichtig es ist, möglichst viele nahe verwandte Species bei morphologischen Untersuchungen zu kennen, zeigt ein Vergleich von Sc. bieolor mit Se. vulgaris, palmarus und capistratus. Am nächsten steht Sc. palmarus. Die »Linienfelder« sind durch- weg größer und stellen nun selbst kleine Ballen dar. Die Reduktion des ersten Fingers ist weiter vorgeschritten als bei Se. bicolor. Bei letzterem deutet die gelappte Form des daselbst gelegenen Linien- feldes die Entstehung aus drei Komponenten an, bei Sc. palmarus ist dies ver- wischt. Der indifferente Zustand von Se. bieolor ist einer schärferen Scheidung zwischen größeren Linienfeldern und zahlreichen kleinen Warzen gewichen. Die Vola von Se: vulgaris wäre ohne Kenntnis der vorigen schwer zu deuten. Vola und Planta, letztere in ausgedehnterer ‘Weise, sind behaart, so dass nur die Ballen frei bleiben. Diese, mit feinen Linien bedeckt, stellen sich als die vergrößerten Linien- Morpholog. Jahrbuch. 14. 28 422 H. Klaatsch felder der anderen Species heraus. Es findet sich ein fünfter Meta- carpophalangealballen, der auch bei Sc. capistratus vorkommt. Das Auftreten der Linienkämme beruht auf einer eigenthüm- lichen Cutisbildung. Im Bereiche derselben erheben sich nämlich, wie der mikroskopische Durchschnitt darthut (Fig. 12) (Se. bico- lor), sehr hohe und schmale Cutispapillen, eine neben der anderen. In jede Vertiefung zwischen denselben mündet eine Schweißdrüse ein. Die Oberfläche der Hornschicht ist glatt, diejenige des Rete jedoch wellig, indem je einem Retezapfen eine Vertiefung entspricht. Der Flachschnitt (Fig. 13) beweist, dass die Papillen und eben so die Schweißdrüsen in Reihen gestellt sind. Die letzteren liegen in mächtiger Entfaltung dem Panniculus eingebettet. Wenn auch die- ser Zustand an den von Dasyurus macrurus, Didelphys und der Primaten in der Regelmäßigkeit seiner Architektonik erinnert, so ist es doch klar, dass hier ein ganz anderer Typus ausgebildet ist. Denn es fehlt die »Falte«. Jede Rete-Einsenkung nimmt Drüsen auf, und während bei Primaten ein Reteberg (und eine Hornleiste) der Drüse entspricht, besteht hier eine schwache Vertiefung der Aus- mündungsstelle derselben (Y). Die hohen Papillen enthalten glän- zende ovale Körperchen, die wohl Tastkörperchen vorstellen, die aber nicht mit Gewissheit als solche diagnostieirt werden können. Ein Flachschnitt, wie ihn Fig. 13 darstellt, verdeutlicht das Verhalten. Man sieht hier abwechselnd die »Leisten«, die im Be- reich des Rete getroffen sind und die überaus regelmäßigen Cutis- papillenreihen. Ein Vergleich dieses Bildes mit dem Querschnitt macht alles Weitere verständlich. Myoxidae. Dieselben reihen sich den Sciuriden an. Die Linienfelder von Myoxis glis sind groß oval und mit feinen Querlinien bedeckt. Dazwischen liegen zerstreut zahlreiche Warzen. Lagostomidae. Die Ballen ragen bei Eriomys chinchilla zapfenartig vor. Während die Hand den ersten Finger besitzt, ist am Fuß eine völlige Reduktion der ersten und fünften Zehe eingetreten. Die Planta besitzt außer den Nagelballen drei Paar hinter einander gelegener Zapfen, von denen der mittlere auf die beiden riickgebildeten Zehen bezogen werden muss. An der Hand ist der ulnare Ballen sehr stark entwickelt. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 423 Die Ballen sind glatt, nur an einzelnen Stellen sind Linien an- gedeutet. .Der Vergleich mit den Sciuriden legt die Annahme nahe, dass man es bei Eriomys mit denselben Gebilden wie dort, die nur in größerem Maßstabe auftreten, zu thun habe. Muridae. Der bei Seiuriden vorgebildete, bei Lagostomiden weiter geführte Zustand erreicht seine höchste Entfaltung und einseitigste Differenzirung bei den Muriden. Bei ihnen erreicht die Vola das für einen Theil der Nagethiere charakteristischste Gepräge, wobei sich als Hauptpunkte folgende bezeichnen lassen (Fig. 21): 1) Die Zapfenform der Ballen kommt am reinsten zur Ent- faltung. 2) Die Zapfen sind theils glatt, theils mit sehr feinen Linien bedeckt. 3) Die übrige Fläche der Vola und Planta behält die ursprüng- lichen Hautwarzen bei, wie sie bei Halmaturus auftreten. 4) Wie bei den Didelphyiden nehmen die Linienfelder verschieden große Abschnitte der Ballen ein und sind in ihrer höchsten Entfal- tung mit diesen identisch. Von Hesperomys ratticeps ist auf Fig. 21 die Planta darge- stellt, welche der Maus gegenüber einen etwas primitiveren Typus zeigt, indem die Linienfelder nicht die Ballen ganz einnehmen. Die Warzen der übrigen Handfläche sind deutlich. Die Finger der Muriden sind quer gerunzelt. Bei manchen Exemplaren von Mus rattus umzieht eine Hautfalte die Ballen, so dass dieselben gleichsam in einer Tasche stecken. Die verschiedenen Species der Muriciden gleichen einander sehr hinsichtlich der Vola und Planta. Angesehen wurden: Mus domesticus, rattus, variegatus, Hesperowys vulpinus, ratticeps, Acomys cahirinus, Cricetomys gambianus, Den- dromys typicus, Meriones tenuis, Saccostomus lapidarius. Bei der Maus kommen in den Ballen sehr zahlreiche Tastkör- perchen vor. Hierin konnte ich MErker’s Befunde durchaus bestätigen. — Dieser Autor behandelt eingehend die Vola, besonders der Ratte. Er sagt, dass hier die Tastkörperchen in Gruppen geordnet sind. Auch findet er, dass schon mit bloßem Auge die Ballen eine ge- streifte Oberfläche zeigen, eine Zeichnung, »welche sehr an die der menschlichen Fingerspitze erinnert«. »Entfernt man durch Maceration die Epidermis, dann erkennt 28* 4934 H. Klaatsch man, dass die Streifung durch Papillarleisten bedingt wird, wie sie sich am menschlichen Nagelbett findet. Diese sind die Träger der zahlreichen Tastkérperchen.« Auf Taf. XII Fig. 13 hat MERKEL die Tastballen der Ratte abgebildet. Arvicolidae. Bei Myodes Lemnus ist die Vola bis zu den Fingern be- haart. Es finden sich nur Nagelballen. An der Planta ragen drei kleine haarfreie Ballen vor. Eine Liniirung ist auf denselben nicht deutlich. Leporidae. Beim Kaninchen schließt die völlige Behaarung der Vola und Planta eine morphologische Verwerthung — es handelt sich wohl um einen reducirten Zustand — aus. Dipodae, Aculeata, Castoridae. Diese Gruppen haben gemeinsam eine sehr geringe Entfaltung des Reliefs ihrer Vola und Planta. In wie weit es sich dabei um Reduktionen höher ausgebildeter Zustände handelt, ist schwer zu ent- scheiden. Bei den meisten ist an der Hand ein sehr großer Ulnar- und Radialballen (ähnlich wie bei Eriomys) vorhanden. Die Haut ist im Ganzen glatt und unregelmäßig gefurcht, bis- weilen mit Warzen bedeckt. Bei Dipus hirticus sind Endballen angedeutet. Hystrix erinnert an sehr primitive Zustände, wie sie bei Beut- lern vorkommen. Der Biber hat überhaupt nur den Radial- und Ulnarballen und an der Planta eine kleine, am Tibialrande befindliche Erhebung. An der Vola ist der am Ulnarrande liegende Ballen sehr mächtig ent- wickelt. Das Oberflächenrelief besteht ausschließlich aus Feldern, die wieder in kleinere Abtheilungen zerlegt sind. Subungulata. Auch hier ist die morphologische Deutung schwierig. Die Ober- fläche der Ballen ist glatt. Bei Dasyprocta Aguti sind hinter den hufartigen Nägeln Endballen angedeutet. afi Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 425 An Osmiumpriiparaten sah ich Nerven zu den Papillen der Vola beim Meerschweinchen aufsteigen, konnte aber keine Tastkör- perchen finden. MERKEL sagt, dass er Nervenendigungen zahlreich nachweisen konnte. »Unter diesen fehlten auch die Tastzellen nicht. « Rückblick auf die Nagethiere. Die Vola und Planta der Nagethiere führt auf niedere Zustände zurück, aber sie kann nicht in einheitlicher Weise aufgefasst werden. Bei einigen (Hystrix) liegt es sehr nahe, ein ererbtes ursprüngliches Verhalten anzunehmen, bei anderen (Subungulaten, Georhychiden) kann kaum eine Reduktion bezweifelt werden. Das größte Interesse verdient die durch Sciuriden und Muriden gegebene Formenreihe. Sie zeigt uns den Carnivoren und Primaten gegenüber einen dritten Ausbildungstypus der Volarballen, die zu hohen zapfenartigen Organen sich entwickeln. Dabei wird an Zustände erinnert. wie sie die Hand von Didel- phys aufweist. Für die Muriden steht es außer Zweifel, dass dem Ballen eine wichtige Rolle für die Tastempfindung zukommt. Ihr Reichthum an Tastkörperchen rechtfertigt es, sie als Tastballen aufzufassen und zu bezeichnen. Edentata. Bei Bradypus tridactylus sind Hand und Fuß zu Trägern der mächtigen Krallen geworden. Die Vola und Planta entbehren jeglicher Differenzirung. Sie sind vollständig behaart und nur ein mit derber Haut versehener Höcker in der Carpalgegend ist nackt. Jeglicher Anhaltspunkt für die morphologische Beurtheilung dieses Zustandes fehlt. Chiropteren. Auch bei den Chiropteren liegen so abweichende Verhältnisse vor, dass ihre Planta — sie ist glatt, mit wenigen Furchen durch- zogen — nicht zum Vergleich mit den anderen Formen herangezogen werden kann. Untersucht wurden Plecotus, Rhinolophus, Pteropus. 426 H. Klaatsch Proboscidea. Ein ausgetragener Fötus von Hyrax sp. zeigt an seiner Vola eine Anzahl von Ballen und tiefe Furchen. Die Finger haben sehr massige ovale Nagelballen. Zwei Ballen liegen hinter dem dritten und vierten Finger, ein anderer entspricht dem redueirten fünften Finger. Außerdem besteht noch ein Ulnar- und ein Radialballen. Am Fuß durchziehen seichte Furchen die glatte, diekhäutige Planta. Die Vola erinnert an die Zustände bei Subungulaten, auch an die mancher Insectivoren (Erinaceus). Insectivoren. Die Befunde sind hier durchaus nicht von einem einheitlichen Typus beherrscht. Erinaceus europaeus besitzt in seiner Vola fünf Ballen, drei im vorderen Metacarpaltheil und je einen Ulnar- und Radialballen (Fig. 22). Die kurzen. mit Querfurchen versehenen Finger laufen distal konisch aus und entbehren deutlicher Endballen. Die Mitte der Vola wird von kleinen Warzen eingenommen. Die Oberfläche sämmtlicher Ballen ist glatt und besitzt durchaus kein irgend wie bemerkenswerthes Relief. Ganz anders verhält sich der Maulwurf; seine Vola und Planta sind frei von Ballen und im Ganzen gleichmäßig gefeldert. Die Spitzmäuse endlich erinnern auffallend an den Muriden- typus, indem auch bei ihnen mehrere zapfenartige Ballen in der im Übrigen mit Warzen versehenen Vola und Planta sich finden. Die Oberfläche derselben ist glatt. So wenig die einzelnen Vertreter der Insectivoren in dem uns hier interessirenden Organe übereinstimmen, eben so wenig lässt sich auch entscheiden, in wie weit ihre Zustände an früher beschriebene sich anreihen. Der Maulwurf erinnert mit seinen Feldern an sehr primitive Zustände, die Vola des Igels lässt sich der gewisser Nagethiere (Subungulaten), aber auch der von Hyrax an die Seite stellen. Die Spitzmäuse endlich stimmen in ganz auffallender Weise mit den Muriden überein. Damit soll durchaus nicht eine nähere Beziehung der genannten Zur Morphologie der Tastballen der Siiugethiere. 427 Formen unter einander behauptet sein, da sich nichts dariiber aus- sagen lässt, in wie fern man es mit ursprünglichen oder mit redu- cirten Formzuständen zu thun hat. Prosimier. Über die Tastballen dieser Gruppe liegen bereits Untersuchungen von KoLLMANN (13) vor, der ein den Primaten durchaus ähnliches Verhalten für sie konstatirte. Mehr als eingehende Beschreibung wird die Abbildung der rechten Vola von Stenops tardigrada auf Fig. 23 dasjenige wiedergeben, worauf es ankommt. Die vollständig liniirte Vola besitzt einen sehr mächtigen ersten Intermetacarpalballen mit schönster eirkulärer Anordnung der Leisten. Ähnlich verhält sich der zweite, während auf den beiden fol- genden und den Fingern mehr gleichmäßig longitudinale Züge ob- walten. Der Ulnarballen ist gleich der Menschenhand quer gerieft. Sehr schöne Tastlinien besitzt Pterodicticus Potto, wie schon KoLLMANN berichtet. Bei Galeopithecus ist die Vola glatt, doch tritt bei Lupen- betrachtung eine zarte Liniirung der Vola hervor. Bei manchen Formen (Otolicnus, Tarsius, Lemur) wird die Mitte der Hohlhand von Feldern eingenommen. Diese haben nichts zu thun mit dem alten Warzentypus der Beutler, da die Linien der Tastballen sie überziehen. Wir finden somit bei den Prosimiern ähnliche Zustände, wie bei manchen Kletterbeutlern und wir können ihren Typus an jene Formen anreihen. Damit ist aber — wie schon in der Einleitung betont — nicht etwa eine direkte phylogenetische Beziehung ausge- sprochen. Die am mächtigsten entwickelten Ballen tragen (wie bei Didelphys) koncentrische Linien, sonst herrschen einfache, quer oder längs gerichtete Linienanordnungen vor. Affen. Bei allen Affen besteht vollständige Liniirung der Vola und Planta. Von den Arctopithecen zeigt Hapale (rosalia, Jachus, peni- cillata) folgende Verhältnisse: 498 H. Klaatsch Die kleinen Endballen haben koncentrische Linien, die Meta- carpophalangealballen treten nicht bedeutend hervor, haben mehr longitudinal verlaufende Linien, die häufig von einem Punkte aus- strahlen. An der Planta herrscht an den lang gestreckten Tibial- und Fibularballen ein quer gestellter Linientypus vor. Unter den Platyrrhinen untersuchte ich Nyctipithecus. Bei dieser Form treten die Metacarpophalangealballen stärker vor als bei den vorigen; sonst ist nur das bemerkenswerth, dass in der Mitte der Vola noch drei kleine selbständige Tastballen sich finden, die auch an der Planta angedeutet sind. Bei Mycetes besteht die schon oben erwähnte und bereits öfter untersuchte Erscheinung, dass auch an der Beugefläche des Schwanzes echte Tastlinien auftreten. Dieselben sind dachziegelförmig (zur Medianlinie unter einem Winkel von 45°) angeordnet. Schweißdrüsen- öffnungen sind auf der Höhe der Leisten schon mit bloßem Auge ganz deutlich. Wie das Oberflächenrelief so entspricht das mikroskopische Durchschnittsbild vollständig dem von der Haut der Vola, nur ist die Epidermis sehr dünn. Tastkörperchen finden sich reichlich. Catarrhinen. Die Catarrhinen sind schon von PuRKINJE auf ihr Volarlinien- system untersucht worden. KoLLMmann hat ebenfalls zahlreiche Ver- treter der Cynocephaliden und Cercopitheciden untersucht. Auf Fig. 24 habe ich die rechte Vola von Cynocephalus leucophaeus abgebildet. Im Wesentlichen besteht große Uberein- stimmung mit der Vola von Inuus ecaudatus, welche PURKINJE abgebildet hat (KoLtuMANN Taf. II Fig. 28). Was ich als dort nicht verzeichnet besonders hervorheben möchte, sind die kleinen (von KOLLMANN erwähnten) Trigona, die dort liegen, wo verschiedene Liniensysteme auf einander treffen. Namentlich ist das nahe der Carpalgegend gelegene Dreieck von Interesse, da es beim Menschen wiederkehrt. Wie KOLLMANN betont, herrscht auf den Endballen der longitudinale (sein »Simiadentypus«) auf den Metacarpophalangeal- ballen die koncentrische, meist jedoch nicht geschlossene Form der Liniensysteme vor. Rückbliek auf die Affen. Hinsichtlich der Affen kann ich an die Arbeiten von KOLLMANN anknüpfen, der sehr eingehend die Vola und Planta derselben be- schreibt und dessen Befunde ich durchweg bestätigen kann. Zur Morphologie der Tastballen der Siugethiere. 429 Es liegt hier ein Zustand vor, der direkt sich anreihen lässt, sowohl an den der Prosimier, als an den menschlichen Typus, doch tritt beim Affen das Besondere der Vola und Planta gegenüber der ganzen übrigen Haut viel schärfer hervor als beim Menschen. Auch haben die einzelnen Tastballen eine viel größere Selb- ständigkeit, als beim Menschen; die Linien sind viel reiner, der histiologische Bau regelmäßiger und typischer als dort. Für die Präparate von Tastkörperchen sind die Tastballen der Affen vorzüg- liche histiologische Objekte. Der Reichthum an diesen Nervenendigungen auf den Ballen zeigt uns, dass wir es in der Affenhand mit »be- deutenden lokalen Koncentrationen des Tastvermögens« zu thun haben. Mensch. Über die Linien der Menschenhand liegen so eingehende Unter- suchungen vor, dass sich nichts mehr hinzufügen ließe, wenn nicht die Vergleichung mit der Säugethierreihe neue Gesichtspunkte lie- ferte. Somit glaube ich, die Koutmann’schen Untersuchungen in gewissem Sinne ergänzen zu können. Es kommt hierbei in Betracht, dass KoLLmAnn das Hauptaugenmerk richtet auf die Erschließung der unmittelbaren mechanischen Ursachen, die das Relief der Vola bedingen, während bei der vorliegenden Arbeit ein anderer, rein morphologischer Standpunkt eingenommen ist. Die menschliche Vola und Planta stimmt mit der der Affen überein in der vollständigen Liniirung und in dem Besitz von kom- plieirten Liniensystemen auf der Höhe der Tastballen. PURKINJE unterschied neun Typen derselben, wie sie u. A. bei KOLLMANN (12, Taf. II Fig. 30) abgebildet sind. Von diesen kann man nun einige, als die wirklich charakteri- stischen herausgreifen. Es sind dies: der Bogen, wie er auf dem Endballen von Fig. 25 gezeichnet ist, der Zirkel (wie er z.B. bei Stenops den ersten Intermetacarpalballen bedeckt), der Wirbel, wie er bei Cynocephalus auf dem Pisiformballen angegeben ist, und der einfache Querlinientypus, wie auf dem Ulnarballen der mensch- lichen Hand. So wichtig nun auch die genaue Beschreibung dieser Figuren und ihre Kenntnis u. A. für anthropologische Untersuchungen 430 H. Klaatsch werden mag, fiir unseren Zweck ist es vor Allem von Bedeutung, dass es ganz bestimmte Lokalitäten der Vola sind, an denen sie auf- treten. Die Formen der Linien können wechseln, können einander vertreten!. Wie bei den Affen haben wir beim Menschen: Endballen, Metacarpophalangealballen, Ulnar- und Radialballen. Der niedrigste Linientypus ist erhalten auf dem Hypothenar. Hier sind die Linien quer gestellt. Von dort steigen sie auf zu den Fingern hin und gehen zum Theil kontinuirlich über in die Meta- carpophalangealballen. Der Mensch hat drei solche, deren Linien nach den Fingerinter- stitien konvergiren. Zwischen dem dritten und vierten einwärts und vierten und fünften Finger andererseits gehen die Linien bogenförmig in einander über. Die Endballen haben die höchsten Komplikationen aufzuweisen durch den Besitz von Sinus oder vollständig geschlossenen Systemen. Die Sinus des dritten, vierten und fünften Fingers sind ulnarwärts, die des zweiten radialwärts offen. Der Daumen besitzt meist einen Wirbel. Wo verschiedene Liniensysteme auf einander treffen, da finden sich dreieckige Figuren (Trigona), so an der Basis der Endphalangen, in der Verlängerung eines jeden Fingers auf der Metacarpophalangealgrenze und am distalen Theile der Vola. Je weiter distal dieses Trigonum liegt, desto einfacher verhalten sich die Linien des Ulnarballens. Weit proximal verlegt ist es bei Personen, die Sinus- oder Wirbelbildung am Hypothenar zeigen. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Figuren radialwärts komplieirter werden. Hierbei wird erinnert an das bekannte Ver- halten der Nägel, deren Krümmung radialwärts abnimmt. Was nun meine Stellung zu den Untersuchungen KOLLMANN’S anbetrifft, so bin ich nicht nur durch seine Arbeit zu den vorliegen- den Studien angeregt worden, sondern gebe auch nur eine Ausfüh- rung dessen, was er selbst anstrebte, wenn er sagt: »Noch niemals wurde bei der Untersuchung eines höheren Organismus ein tiefer stehender in Betrachtung gezogen, ohne dass von letzterem irgend ein erklärender Strahl auf ersteren zurückgefallen wäre« (pag. 57). Ich erkenne vollständig die Berechtigung seines Standpunktes an, nach den unmittelbar wirkenden Ursachen bei Gestaltung der Organe 1 So werden beim Menschen u. A. eben so häufig auf den Endballen Bo- gen (Sinus) wie Zirkel angetroffen. Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 431 zu suchen und gebe zu, dass, wenn man »als entferntere Ursache der Organbildung die Vererbung« betrachtet, »damit für das Ver- ständnis noch wenig erreicht« ist; andererseits möchte ich aber die Forderung aufstellen, auch die hier behandelten Tastorgane im Lichte der Morphologie zu betrachten und dadurch der weiteren Forschung den Weg zu bahnen. Denn mit dem an sich vollkommen berech- tigten Aufstellen eines überwiegenden Längs- oder Querdruckes für die Entstehung der Linien der Menschenhand ist für die Erklärung auch wenig erreicht. Werden doch diese Faktoren sehr nichtssagend bei Formen, wo die Linien in einem ganz beschränkten Bezirk auf- treten! Über die unmittelbaren Ursachen dürfen die weiter entfern- ten nicht vernachlässigt werden; je mehr wir über die ersteren im Unklaren sind, desto mehr ist eine Sichtung der vorhandenen Form- zustände geboten, denn die unmittelbaren Ursachen sind keine selb- ständige Macht, sondern stehen unter dem Bann pbylogenetischer Gesetze. Rückblick auf die gesammte Säugethierreihe mit Einschluss des Menschen. Das Liniensystem der Menschenhand tritt in der Säugethierreihe zuerst auf bei Beutelthieren und nimmt zunächst nur ganz beschränkte Bezirke ein; dies geschieht an denjenigen Punkten, die beim Ge- brauch des Gliedes zunächst und am innigsten mit den Gegenständen in Berührung treten, d. h. auf der Höhe der Ballen (Dasyurus). Von dort aus nimmt+es nach und nach die ganzen Ballen in Be- schlag (Didelphys), indem es die ursprünglich vorhandenen Warzen ' verdrängt. Endlich werden auch die intermediären Flächen durch Ausstrahlungen der Tastlinien bedeckt (Phalangista). Gleichzeitig tritt auf der Höhe der Ballen eine Komplieirung der Linien (Auf- rollung, Bogen-, Zirkel-, Wirbelbildung) ein. Doch nicht bei allen Höheren kommt es zur Linienbildung. Am ursprünglichsten verharren die Carnivoren, bei denen die bei niederen Beutlern bestehenden Warzen sich erhalten (Para- doxurus etc.), doch so, dass auch hier ein in sich abgeschlossener Ver- vollkommnungsprocess abläuft, der darin gipfelt, dass die Warzen zu linienähnlichen Bildungen oder Pseudogyri aufgereiht werden (Procyon, Cercoleptes, Iltis). Den Zustand, wo nur die Höhe der Ballen mit Linienfeldern be- deckt ist, führen die Nagethiere fort (Seiurus) und erreichen in der EB zapfenartigen Ausbildung dieser Bezirke einen eigenartigen Typus Muriden). Doch lassen sich die Nagethiere so wenig, wie die Insectivoren einheitlich beurtheilen. Manche derselben (Subungu- laten, Erinaceus) scheinen primitiven, linienlosen Zuständen sich anzuschließen. Nur eine Reihe führt zum Menschen und diese umfasst Beutler (Phalangista), Prosimier und Primaten. Alle besonderen Ausbildungen der Liniensysteme bei diesen, die durchweg eine vollständig liniirte Vola aufweisen, sind sekundärer Natur. Für den Menschen dürfen wir schließen — und in diesem Punkte begegnen sich die Resultate der experimentellen, der histiologischen und der morphologischen Untersuchungsmethode, dass er in seiner Hohlhand und seinem Hohlfuß eine Reihe wohl markirter und in- 432 H. Klaatsch dividualisirter Hautsinnesorgane — Tastballen besitzt. Litteratur. 1) PURKINJE, Commentatio de examine physiologico organi visus et systematis eutanei. Vratislav 1823. 2) HUSCHKE, Eingeweidelehre. 1544. 3) MEISSNER, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Haut. 1853. 4) F. LevDiG, Studien über die äußere Bedeckung der Säugethiere. MULLER’s Archiv 1859. 5) Auıx, Recherches sur les lignes papillaires. Ann. des sc. natur. 5. série. 1867. 1868. (Tom IX.) 6) Die Handbücher der Anatomie und vergleichenden Anatomie von MECKEL, CUVIER, GEGENBAUR, SCHWALBE, KRAUSE. 7) JOBERT, Etudes d’anatomie comparée sur les organes de toucher chez di- vers mammiferes, oiseaux, poissons, insectes. Annales des sc. natur. Tom XIV. 1872, 8) ENGEL, Über Stellung und Entwicklung der Federn. Berichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Mathem.-naturw. Klasse. 1856. Bd. XXI. 9) Fr. MERKEL, Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. 10) G. HoaGan, New forms of nerve terminations in mammalian skin. Journ. of Anat. and Physiol. 18, I. 11! —— Neue Formen von Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. Archiv fiir mikr. Anat. Bd. XXIII. a 12) 13) 14) 15) 16) 1 —1 ) Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 433 ARTHUR KOLLMANN, Der Tastapparat der Hand der menschlichen Rassen und der Affen in seiner Entwicklung und Gliederung. Hamburg und Leipzig 1883. —— Der Tastapparat des Fußes von Affe und Mensch. Arch. für Anat. und Physiol. Anat. Abth. 1885. pag. 56. BLASCHKO, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Oberhaut. Archiv für Anat. und Physiol. Physiol. Abtheil. 1884. pag. 173. H. KraArtscH, Über die Morphologie der Tastballen. Anat. Anzeiger. II. Jahrgang. 1887. Nr. 12. W. Krause, Die Nervenendigungen im Greifschwanz eines Affen der neuen Welt. Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. XXVIII. BEASCHKO, Beiträge zur Anatomie der Oberhant. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXX. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVII und XVIII. Allgemein geltende Bezeichnungen. Ep Epidermis, C Cutis, S Schweißdrüsen, Z Tastleiste, V Thal zwischen zwei Tastleisten, W Warzen, Dr Drüsenzapfen des Rete mucosum, F' Falte, P Papille, Zz Linienfeld, Sir.e Stratum corneum, 7% Trigonuum. a,b, c, d,e= 1., 2., 3., 4., 5.- Endballen. a, 8, 7, 6 = 1., 2., 3., 4. Metacarpo(tarso)pha- langealballen. + Radial-, « Ulnarballen, ¢ Tibial-, f Fibularballen, P Pisiform- ballen. Rie. 1. Fig. Fig. 3, Stück der Planta eines 18 cm langen Beutelfötus von Halmaturus sp. Es bestehen einfache Cutiswarzen (vgl. Fig. 9, Durchschnitt). Lu- penbild. Oberfliichenrelief eines Metacarpophalangealballens aus der Vola von Dasyurus macrurus. Lupenbild. In der Mitte das auf der Höhe des Ballens befindliche »Linien- feld« mit Tastleisten. Rings um dasselbe die Hautwarzen wie auf Fig. 1. Die Punktirung derselben rührt von den Papillen her, da das Rete entfernt ist. Desshalb entspricht auch auf dem Linienfeld die tiefere Furche (1) den Drüsenzapfen des Rete, die seichtere Furche (2) der »Falte«. Ein Metacarpophalangealballen der Vola von Didelphys virgini- ana. Lupenbild. Hier ist der ganze zapfenartige Tastballen mit Leisten bedeckt. Auf der Höhe jeder Leiste verläuft ein Streifen, der die Mündungen der Schweißdrüsen andeutet. Die Leisten haben eine spiralige Auf- rollung erfahren. Daneben Warzen. 454 Fig. Fig. 4, - oo | . 10. eb 2, H. Klaatsch Eine kleine Partie vom vorigen, stärker vergrößert. Theilung einer Tastleiste (x). (Vgl. Fig. 10. Durchschnitt.) Ein Metatarsophalangealballen aus der Planta eines älteren Beutelfötus von Phalangista sp. Lupenbild. Ausbildung schöner » Tastlinien«. Metacarpophalangealballen aus der Vola eines 9 cm langen Fötus von Nasua socialis. Lupenbild. Einfacher Warzentypus. Metacarpophalangealballen aus der Vola von Procyon lotor. Kom- plieirte Aufreihung der Warzen zu Pseudogyri. Sciurus bicolor. Metacarpophalangealballen der Vola. Zwei Linien- felder neben Warzen. Die Liniirung der Felder ist eine außerordent- lich feine und nur mit Lupe wahrnehmbar. Lupenbild. (Vgl. Quer- schnitt Fig. 12. Flachschnitt Fig. 13.) Querschnitt durch die Haut der Vola eines 18 cm langen Beutelfötus von Halmaturus sp. Hautwarzen mit Schweißdrüsenanlagen. Didelphysvirginiana. Querschnitt eines Linienballen. Schwache Vergrößerung. Man sieht abwechselnd größere und kleinere Verlänge- rungen des Rete mucosum. Die ersteren (R) sind die Driisenzapfen, die letzteren (F) die BLASCHKo'schen Falten. Z, die Leiste entspricht dem Driisenzapfen. V, das Thal entspricht der Falte. Der Durch- schnitt entspricht vollständig dem Bilde, welches die Primatenvola giebt. Über das Vorkommen von Tastkörperchen in den Papillen siehe den Text. Die terminalen Auftreibungen der Drüsen (S) be- sitzen eine sehr starke Muscularis (g/). Didelphys virginiana. Flachschnitt eines Linienballen. Links sind die Retezapfen getroffen, zwischen denen die dem Thal (V) korre- spondirenden Cutiserhebungen getroffen sind; rechts geht der Schnitt unter dem Rete durch die Cutis. Seiurus bicolor. Querschnitt eines Linienfeldes in der Richtung der Längsachse, also senkrecht zur Richtung der Linien. Regelmäßige Anordnung von Papillen und Retezapfen; die Falte fehlt. Flachschnitt von demselben. Felis domestica. Flachschnitt eines Nagelballen. Die Papillen ohne gesetzmäßige Anordnung. Dessgl. Lupenbild der Haut des Mittelhandballen. Anordnung der Schweißdrüsen. Vola sinistra von Dasyurusmacrurus. 1:1. Linienfelder auf der Höhe der Ballen Planta dextra von Didelphys Azarae. 1:1. Linienfelder auf der Höhe der Ballen, weiter ausgedehnt als beim vorigen. Aufrollung der Leisten. Vola dextra von Phalangista sp. Fötus 10:1. Vollständige Li- niirung der Vola. Vola dextra von Cercoleptes caudivolvus. 1:1. Carnivoren- typus. Warzen zu Pseudogyri aufgereiht. Vola dextra von Mustela putorius. 1:1. Nur die zapfenartigen Ballen sind haarfrei. Sie tragen Pseudogyri in höchster Vollendung. (Siehe Text.) Planta dextra von Hesperomys ratticeps. 1:1. Muridentypus; zapfenförmige Tastballen mit feiner Liniirung. Daneben Warzen. Taf. XVI. fig.71. Didelohys virginiana. Tith Anst.v.E.A Funke Leipzig. —.. —= Taf XVI. Morpholog. Jahrb. Ba. XIV. | 99.9. Halmaturus sp. Fig.l. Didelohys virginiene. fig.2. Dasyurus maerurus Fig.8.Seiarus bicolor. fig.1. Halmaturus sp. y fig.10. Didelphys virginiana. Fig. 15. Felis domestica. > er © + =. wf? Verlag v Wilh Engelmann ix Leipzig. ae tov Autor dei ria=-- 1. I* Tat, XVII. Fig.24. Cynocephalus /eucophaeus. Lith Anstv. E.APunke Leipzig. EE u 1 ig, ee eee fig.18. Phslengista sp Frg.I7. Didelphys Azarae Fig. 19. Corcoleptes caudivolrus Fıg.23. Stenops lardigrada Taf. XVI. Fig.24 Cynooaphalus levcophacus. Verlag v Wilh. Engelmann in Leipzig Diane eB AP nkeLeprig Zur Morphologie der Tastballen der Säugethiere. 435 . Erinaceus europaeus. Vola sinistra. 1:1. Halbkugelige, eines ausgesprochenen Reliefs entbehrende Hohlhandballen. Besonders deut- liche Ulnar- und Radialballen. Vola dextra von Stenops tardigrada. 1:1. Schöne »Tastlinien«. Mächtig entwickelter erster Metacarpophalangealballen. Cynocephalus leucophaeus. Vola dextra. Vollständige Liniirung. Komplieirte Figuren auf der Höhe der deutlich hervortretenden Tast- ballen. Trigona an den Stellen, wo Liniensysteme an einander grenzen. Homo sapiens. Vola sinistra. 1:3. Es ist besonders zu achten auf die Trigona, welche ganz konstante Lagerungsbeziehungen haben. Die Zahl der wiedergegebenen Linien ist viel zu gering im Verhältnis zur Wirklichkeit. (In den Umrissen Kopie der KoLLmann’schen Figur.) Anatomische Untersuchungen über die Nerven- versorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Von E. Gaupp, cand. med, (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Mit Tafel XIX. Die Nervenversorgung der Kopfdriisen (Mund- und Nasenhöhlen- driisen) durch die Reihe der Wirbelthiere festzustellen, war das Thema einer von der medieinischen Fakultät hierselbst im Jahre 1886 gestellten Preisaufgabe, zu deren Lösung die nachfolgenden Unter- suchungen zunächst unternommen wurden. Die Bearbeitung der dabei gefundenen Ergebnisse erhielt den vollen Preis der Fakultät. In den Bereich der Untersuchungen konnten jedoch damals Schildkröten und Krokodile nicht mit einbezogen werden. Theils um diese Lücke auszufüllen, theils um das ganze empirisch gefundene Material noch übersichtlicher unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu ordnen, war eine erneute Beschäftigung mit dem Gegenstande nöthig, deren Ergebnis nunmehr hier vorliegt. Die werthvollen Resultate, die durch die Betrachtung des peri- pheren Nervensystems für die Homologie bestimmter Organe, beson- ders von Muskeln, gewonnen sind, reizten schon bei der ersten Be- arbeitung dazu, die Anordnung des Nervensystems auch zur Lösung der Frage nach der morphologischen Stellung ‘der untersuchten Drüsen in Anspruch zu nehmen. Denn diese Frage darf noch keines- wegs als abgeschlossen betrachtet werden. Zwar ist sie schon viel- fach für beide Drüsengruppen aufgeworfen worden, aber die dies- Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 437 bezüglichen Bemerkungen über die Nasenhöhlendrüsen sind außer- ordentlich zerstreut, und hinsichtlich der Mundhöhlendrüsen ist es ein entschiedener Übelstand, dass die letzte zusammenfassende, im Übrigen ausgezeichnete Arbeit von REICHEL über diesen Gegenstand (Beiträge zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Morph. Jahrbuch Bd. VIII. 1882), die Frage ausschließlich unter Zugrundelegung von embryologischen Thatsachen zu behandeln unter- nimmt. Den Werth embryologischer Untersuchungen für die Beurtheilung morphologischer Fragen, der in letzter Zeit so oft der Gegenstand einer zum Theil recht gereizten Diskussion gewesen ist, will ich hier nicht in Zweifel ziehen; dass aber die ontogenetische Betrachtung allein im Stande sein soll, das letzte Wort in derartigen Fragen zu sprechen, muss meiner Ansicht nach entschieden als unberechtigt zurückgewiesen werden. In jedem speciellen Falle ist eine Prüfung und Kritik der auf embryologischem Wege gefundenen Resultate an der Hand von vergleichend-anatomischen Betrachtungen unbedingt Erfordernis, und erst wenn die Ergebnisse ontogenetischer und phy- logenetischer Betrachtung sich decken, kann von einer Sicherheit des Resultates die Rede sein. So bietet auch die oben erwähnte Arbeit von REICHEL an mehreren Stellen einen Beweis dafür, wie leicht die einseitig embryologische Betrachtung zu offenbar unzutreffenden Schlussfolgerungen verleiten kann. Es wird jedoch erst im speci- ellen Theil meine Aufgabe sein, diese Behauptung im jedesmaligen Falle zu beweisen. Unter den Kriterien nun, die uns die vergleichende Anatomie für die Betrachtung morphologischer Fragen an die Hand giebt, steht das Verhalten des peripheren Nervensystems in erster Linie obenan. Auf diesen Punkt ist schon sehr oft hingewiesen worden (von FÜR- BRINGER, IHERING u. A.) und seine praktische Verwendung hat, wie bereits erwähnt, schon sehr werthvolle Resultate geliefert, so dass es überflüssig erscheint, im Allgemeinen näher darauf einzugehen. Doch könnte es vielleicht fraglich sein, ob das, was bisher wesent- lich für Muskeln in Anwendung gekommen ist, auch für so wenig differenzirte Gebilde, wie es die Mund- und Nasenhöhlendrüsen, be- sonders bei niederen Wirbelthieren sind, Berechtigung hat. Da die Anlage letzterer ursprünglich nichts Anderes. bezweckt, als eine Oberflächenvergrößerung der secernirenden Schleimhaut in dem Augenblick, wo nach theilweiser oder völliger Aufgabe des Wasserlebens die Gefahr des Austrocknens größere Ansprüche an Morpholog. Jahrbuch. 14. 29 438 E. Gaupp jene stellte, so haben wir als Voraussetzung offenbar zu fordern, dass auch die Schleimhautoberfläche in ganz bestimmte Nervenregionen eingetheilt sei, wenn anders das Verhalten des peripheren Nerven- systems irgend welchen Werth für die Beurtheilung der von jener aus sich entwickelnden Gebilde haben soll. Diese Voraussetzung findet sich aber bestätigt, sobald man näm- lich gleichzeitig die Verhältnisse der jedesmaligen Schleimhaut- Unterlage in Betracht zieht. Denn die Anordnung der Schleim- hautregionen wird durch die Entwicklung dieser Unterlage, haupt- sächlich also durch die Entwicklung der Muskulatur (z. B. an der Zunge) und des knöchernen Skelets (z. B. am »Gaumen«), wesent- lich beeinflusst, und je nach dem Grade und der Richtung dieser Entwicklung treten mannigfache Veränderungen und Verschiebungen ein, die das primäre Verhalten scheinbar zu alteriren und zu ver- wischen im Stande sind. Dabei zeigt sich jedoch, dass auch bei den weitgehendsten sekundären Veränderungen jenes primäre Ver- halten im Grunde bewahrt bleibt und eben in der Anordnung der Schleimhautnerven seinen deutlichen Ausdruck findet. Der Nerv be- hält konstant sein ursprüngliches Gebiet, d. h. er macht jene Ver- änderungen mit. Eben so finden sich aber genug Belege dafür — z. B. die Glandula infraorbitalis gewisser Säuger — dass der Nerv seine Beziehungen auch zu den Organen bewahrt, die, wie die Drü- sen, sich nur von der Schleimhaut aus entwickeln, später aber durch Auswachsen des Ausführungsganges in andere entferntere Gebiete zu liegen kommen. Dabei bleiben die Lagebeziehungen der gröberen Nervenstämme zu Skelet- und Weichtheilen im Wesentlichen die- selben, nur in dem Verhalten der letzten peripherischen Verzwei- gungen finden Veränderungen statt, die um so leichter eintreten können, als ja die einzelnen Nervenfasern innerhalb der »Stämme«, »Äste« ete. nur durch Bindegewebe zusammengehalten, mithin leicht aus diesem Verbande trennbar sind. Es besteht also eine weit- gehende lokale Anpassungsfähigkeit mit Wahrung des ursprünglichen Vertheilungsplanes. Als Ausdruck dieser lokalen Anpassungsfähigkeit müssen nun aber auch die sogenannten Anastomosenbildungen angesehen werden, die ja nichts weiter bedeuten, als eine temporäre Aneinanderlagerung ursprünglich verschiedenartiger Nervenfasern, in Folge einer mehr zu- fälligen zeitweisen Gleichsinnigkeit des Verlaufes. Durch dieselben erwachsen für die Betrachtung die erheblichsten Schwierigkeiten. Denn offenbar ist es die Natur, die letzte Herkunft der von einem Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 439 gemeinsamen Stamme abgehenden und zur Driise tretenden Fasern, auf die Alles ankommt: Die Thatsache z. B., dass die Parotis der Säuger vom Glossopharyngeus versorgt wird, lässt doch keine andere Deutung zu, als dass das Schleimhautgebiet, von dem aus die Driise ihre Entwicklung nimmt, dem Glossopharyngeus von jeher angehört und nur im Laufe der Entwicklung des Schädels eine Verschiebung erfahren hat. Es ist die Versorgung jener Drüse durch den Glosso- _pharyngeus als das logisch Nothwendige, Natürliche, der Verlauf der betreffenden Fasern in der Bahn von Zweigen des Inframaxillaris als etwas mehr Zufälliges, Sekundäres anzusehen. Nun liegen freilich bei den niederen Wirbelthieren die Verhält- nisse meist sehr viel einfacher, das primäre Verhalten ist überall noch mehr gewahrt und Anastomosen treten noch nicht in dem Maße auf wie später, so dass manchmal die bloße Vergleichung mit nie- deren Typen ein einigermaßen sicheres Uriheil gestattet. Aber frei- lich bleibt hier Vieles nur Vermuthung: Die exakte Feststellung muss dem physiologischen Experiment überlassen bleiben. In nicht geringem Maße wird ferner die Vergleichung und Be- urtheilung noch erschwert durch die im Allgemeinen recht mangel- haften Kenntnisse, die wir von dem Verhalten des Kopfnervensystems bei niederen Thieren zum Theil haben. Besonders gilt dies von der großen Klasse der Reptilien. Neuere Arbeiten auf neurologischem Gebiete erstrecken sich fast nur auf Fische und auch hier ist gerade auf die letzten Verzweigungen oft zu wenig geachtet. Das Material zu einer, sich auf sämmtliche Wirbelthierklassen erstreckenden ver- gleichenden Betrachtung der Kopfnerven ist erst sehr spärlich vor- handen'!. Damit glaube ich alle Schwierigkeiten hervorgehoben zu haben, die sich der Möglichkeit, schon jetzt überall endgültige Entschei- dungen zu treffen, entgegenstellen. Ich werde im speciellen Falle noch jedes Mal genauer darauf hinweisen. Es wird sich dann zeigen, dass sich zwar in manchen Punkten ein ziemlich sicheres Resultat aufstellen lässt, Anderes aber für den Augenblick noch unentschieden bleiben muss. Noch eine allgemeine Bemerkung möchte ich mir erlauben. Die Drüsen sind, wie schon erwähnt, ihrer Bedeutung nach Gebilde, ! Bei diesem Mangel war ich daher oft genöthigt, auch Gebiete in den Bereich der Präparation zu ziehen, die eigentlich nicht unmittelbar zu unserem Thema gehörten. Was ich dabei Neues gefunden, habe ich mir erlaubt, mit zu erwähnen. 29" 440 E. Gaupp deren Entwicklung an das Landleben gekniipft ist. Dieselbe wird demnach im Wesentlichen parallel der allgemeinen Entwicklung des Thierreiches gehen. (Bei Chamaeleonten und Vögeln sind sie sehr viel reichlicher entwickelt als bei Amphibien; bei Fischen sind bisher überhaupt noch keine nachgewiesen. Unter den Säugern machen natiirlich die Cetaceen eine Ausnahme.) Es wird dann aber gewiss in vielen Fällen richtiger sein, eine bei einem höheren Wirbelthier auftretende, bisher unbekannte Drüsenform thatsächlich als neue Er- werbung zu betrachten, als auf eine hypothetische Stammform bei einem noch unbekannten niederen Thiere zu rekurriren. Schließlieh möchte ich hinsichtlich der angewendeten Präpara- tionsmethode bemerken, dass ich mich mit Erfolg der von SCHWALBE empfohlenen Behandlung der frischen Köpfe mit 20 % iger Salpeter- säure bedient habe. Wo frische Köpfe nicht zu erlangen waren, sah ich mich auf Spiritusexemplare angewiesen, für welche die er- wähnte Methode freilich nur, wenn letztere noch sehr gut erhalten waren, erfolgreich zur Anwendung kam. Litteratur. Hinsichtlich der Nomenklatur und des allgemeinen Verhaltens der Mund- höhlendrüsen, sowie der diesbezüglichen Litteraturangaben kann ganz auf die REICHEL'sche Arbeit verwiesen werden: 1) P. REıcHer, Beiträge zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbel- thiere. Morph. Jahrb. Bd. VIII. 1882. Angaben über allgemeinere Verhältnisse der Nasenhöhlendrüsen, sowie über bisherige Bearbeitungen des Kopfnervensystems sind den einzelnen Ab- schnitten vorangestellt. Für alle Thierklassen enthalten werthvolle Schilde- rungen: 2) H. Srannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Berlin 1846 und 3) R. WIEDERSHEIM, Lehrbuch ete. Jena 1886. Wo beide Autoren ohne näheren Zusatz erwähnt werden, sind ihre eben genannten Lehrbicher gemeint. Amphibien. 4) C. K. Horrmann, Amphibien in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Leipzig und Heidelberg. 1873—1878. 5) A. Ecker und R. WIEDERSHEIM, Die Anatomie des Frosches. Braun- schweig 1564—1882. 6) Stannıus, Zootomie der Amphibien. (Handbuch der Zootomie von SIEBOLD und STANNIUS. II. 2.) Berlin 1856. Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. -441 Fiir die Nasendriisen besonders: 7) G. Born, Uber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphi- bien. Morph. Jahrbuch. Bd. II. 1876. 8) R. WIEDERSHEIM, Die Kopfdrüsen der geschwänzten Amphibien und die Glandula intermaxillaris der Anuren. Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. XXVII. 9) —— Das Kopfskelet der Urodelen. Morph. Jahrbuch. Bd. III. 1877. Fiir die Kopfnerven besonders: 10) A. ECKER, Icones physiologicae. Leipzig 1851—1859. Taf. XXIII. 11‘ J. G. FISCHER, Amphibiorum nudorum neurologiae specimen primum. Berol. 1843. 12) Scuiess, Versuch einer speciellen Neurologie von Rana esculenta, 1857. 13) C. VogT, Beiträge zur Neurologie der Reptilien in: Neue Denkschriften der allgem. schweizer. Gesellschaft. Bd. IV. 1840. 14) VOLKMAnN, Von dem Bau und den Verrichtungen der Kopfnerven des Frosches. MÜLLER’s Archiv. 1838. 15) De WATTEVILLE, A description of the cerebral and spinal Nervs of Rana esculenta. The Journal of Anatomy and Physiology. 1875. Vol. IX. Bei den Amphibien treten Mund- und Nasenhöhlendrüsen zum ersten Male auf und sind auch schon gut und zahlreich entwickelt. Über ihre Innervation findet sich nirgends eine sichere Angabe, — außer für die Gl. intermaxillaris der Anuren — obgleich die Neu- rologie der Amphibien schon mehrmals gründliche Bearbeitung ge-_ funden hat. Freilich gilt das in erster Linie für die Anuren und besonders den Frosch, während für die Urodelen hauptsächlich nur die Arbeit von FiscHER in Frage kommt. Im Allgemeinen muss hervorgehoben werden, dass die Gliede- rungsverhältnisse der Nerven in den peripheren Abschnitten noch öfter mannigfachen, wenn auch bedeutungslosen Schwankungen unter- liegen. Urodelen. Die in Betracht kommenden Drüsen sind: 1) Gl. internasalis (WIEDERSHEIM), 2) Gl. linguales. Nasendrüsen: 1) Gl. nasalis superior (BORN), 2) Gl. nasalis inferior (Born). Untersucht wurde nur Salamandra maculosa. Glandula internasalis. Die anatomische Präparation ermöglicht bei dieser Drüse keine genaue Entscheidung darüber, ob dem N. facialis oder dem aus dem 442 E. Gaupp ersten Trigeminusaste stammenden N. septi narium die Bedeutung als eigentlicher Driisennerv zukommt, resp. ob der unter dem ein- heitlichen Namen »Internasaldriise« gehende Komplex einzelner klei- nerer Drüschen in zwei ihrer Innervation nach getrennte Gruppen zu theilen ist. Es tritt nämlich sowohl der Palatin-Ast des Facialis, als auch der N. septi narium in enge Beziehungen zu dem genannten Drüsenkomplex, so zwar, dass allerdings dem N. palatinus die größere Bedeutung zuzukommen scheint, andererseits aber die Mög- lichkeit einer Antheilnahme des N. septi narium an der Innervation der Drüse nicht in Abrede gestellt werden kann. Es ist nothwendig, auf das rein anatomische Verhalten genauer einzugehen, da die Beschreibung von FiscHER an dieser Stelle manche Lücken aufweist. Der N. palatinus (Fig. 1 N.pa) ist bei den Urodelen ein Stamm des Facialis, aus dessen Ganglion er selbständig entspringt. Nachdem er am medialen Umfang des Bulbus oculi vorbei verlaufen ist, gelangt er, dorsal von der Platte des Vomer liegend, zwischen dieser und dem hinteren Rand der knorpeligen Nasenkapsel, unmittel- bar auf die ventrale Fläche des häutigen Nasensackes. Da, wo er den scharfen hinteren Rand der knorpeligen Kapsel passirt, giebt er einen R. communicans c. ramo primo N. trig. ab und verfolgt dann seinen Weg zwischen häutigem Nasensack und knöcherner Vomerplatte schräg nach vorn und innen, um, nach Abgabe einiger Rami nasales post. inf., direkt, ventral über die innere Begrenzung der knorpeligen Nasenkapsel ins Cavum internasale zu verlaufen, innerhalb dessen er in seine, sich in der Drüsenmasse der Glandula internasalis vertheilenden Endzweige zerfällt. Dass dem N. palatinus eine wesentliche Bedeutung für die Drüse zukommt, erscheint demnach wohl zweifellos, aber ein Antheil des Trigeminus kann, wie schon erwähnt, trotzdem nicht unmittelbar von der Hand gewiesen werden. Der N. septi narium (Fig. 1 N.s.x), einer der beiden Hauptäste, in die der N. ophthalmicus (N. ethmoi- dalis) bei seinem Eintritt in das Cavum nasale zerfällt, tritt nämlich, nachdem er längs des knorpeligen Nasenseptum, jedoch diesem nicht unmittelbar anliegend, sondern mehr auf der Oberfläche des Nasensackes (s. Fig.), nach vorn verlaufen ist, durch ein Foramen des, das Cavum internasale einschließenden Septalknorpels hindurch, um sich in seiner Hauptmasse, mit zwei starken Zweigen (RR.pr), in der Haut der Oberlippe zu vertheilen. Dabei liegt er in einem kurzen Stück seines Verlaufes in die Internasaldrüse eingebettet und Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 443 giebt gleichzeitig 1—2 feine Fadchen (z) ab, deren Ende sich nicht mit Sicherheit erkennen ließ. Es schien mir freilich, als ob die- selben für die häutige Bedeckung der Intermaxillardrüse bestimmt wären, indessen waren sie zu fein, um dies mit Sicherheit behaupten und eine Beziehung zu Drüsenschläuchen bestimmt ausschließen zu lassen. Der N. palatinus des Facialis erscheint schon bei niederen Wirbelthieren als ein Gaumenschleimhautnerv, der sich wesentlich im Bereich des Vomer und Palatinum ausbreitet. (Bei den Säugern haben wir ihn augenscheinlich in den aus dem Ganglion sphenopa- latinum kommenden »Nn. septi narium« zu suchen, deren Gebiet ja auch wesentlich der Vomer ist.) Dem N. septi narium ist die ihm zweifellos zukommende Bedeu- tung als Praemaxillarnerv schon von GEGENBAUR (Uber die Kopf- nerven von Hexanchus ete. Jenaische Zeitschrift. VI. 1871) ange- wiesen. Nun liegt aber die Schleimhautpartie, von der aus die Drüsen- schläuche ihre Entwicklung nehmen und in der ihre Ausführungs- gänge münden, gerade auf der Grenze der beiden erwähnten Gebiete und es ist demnach a priori durchaus denkbar, dass ein Theil der Drüschen vielleicht dem N. palatinus angehört, während ein anderer schon in das Gebiet des Trigeminus fällt. Gerade bei den Urodelen, resp. bei Salamandra scheint nun allerdings der N. palatinus die größere Bedeutung zu haben, d. h. ein Überwiegen der vomeralen Drüsen vorzuliegen, aber ich hielt es für nothwendig, auch auf den N. trigeminus besonders scharf hinzuweisen, da seine Antheilnahme schon bei den Anuren viel wahrscheinlicher ist, und außerdem bei Schildkröten und Vögeln ausgesprochene »praemaxillare Gaumen- drüsen«, die also allein vom Trigeminus versorgt werden, vorkommen, für die auf diese Weise bei den Urodelen die Vorläufer gefunden wären. Hoffentlich gelingt es einmal dem physiologischen Experi- ment die Frage zu klären. Glandulae linguales. Für diese kann wohl nur der N. glossopharyngeus in Betracht kommen, wenn es mir auch bei der außerordentlichen Kleinheit der Verhältnisse nicht möglich war, den anatomischen Zusammenhang zwischen Drüsen und Endzweigen der Nerven darzustellen. Der N. hypoglossus vertheilt sich in der Muskulatur und ein R. lingualis N. trigemini existirt eben so wenig wie ein solcher des Facialis. Der 444 E. Gaupp N. glossopharyngeus ist somit einziger Zungenschleimhautnerv der Urodelen. Nasendriisen. GI. nasalis superior. Born (s. auch REICHEL, 1. c. pag. 20). Diese von Born beschriebene, dicht hinter der Apertura nasalis externa innerhalb der knorpeligen Nasenkapsel gelegene Drüse erhält ihre Nerven aus einem besonderen Aste des N. ophthalmieus, der schon in der Orbita, und zwar bald früher, bald später, sich vom Hauptstamm ablöst und den man nach seinem Verlaufe füglich als N. externus narium (Fig. 1 R.e.n) bezeichnen kann. Vor der spe- ciellen Schilderung seines Verlaufes mögen hier noch einige, die FiscHer’schen Angaben über den N. ophthalmicus ergänzende Be- merkungen Platz finden. In der hinteren Wand der knorpeligen Nasenkapsel (s. Fig. 1) finden sich zwei Foramina, ein größeres, mehr medial gelagertes, und ein kleines laterales. Durch letzteres tritt der oben als N. ex- ternus narium bezeichnete Ast, der, wie schon erwähnt, gewöhnlich erst im vorderen Theil der Orbita, oft jedoch auch schon ziemlich weit hinten vom N. ophthalmicus sich loslöst. Er wird schon von Fiscuer beschrieben. Durch das mediale größere der beiden erwähnten Foramina treten zwei Äste des N. ophthalmicus, von denen Fischer nur den einen kennt. Es ist dies der N. septi narium, der schon bei der Inter- maxillardrüse Erwähnung fand und bei der Gl. nasalis inferior wieder zu betrachten sein wird. Den zweiten Nerv (f.c) habe ich schon einmal als Ast des N. palatinus (bei der Intermaxillardrüse) er- wähnt und in der That kann man ihn eben so gut als solchen, wie als Ast des N. ophthalmicus betrachten. Er bildet eine Verbindungs- schlinge zwischen den ‘beiden erwähnten Nerven. Diese Schlinge spaltet sich gewöhnlich, noch bevor der Stamm des N. ophthalmicus als N. septi narium durch sein Foramen in das Cavum nasale tritt, von diesem ab, passirt neben ihm dasselbe Foramen und senkt sich sofort in die Tiefe, um mit dem N. palatinus zu verschmelzen. Von diesem Verhalten sah ich nur einmal ein Abweichen. In diesem Falle setzte sich nämlich die Schlinge zusammen aus zwei Nerveniistchen, die sich aber nicht vom N. septi narium, sondern vom N. externus narium, resp. von einem noch weiter lateral gelegenen Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 445 Oberlippenast des N. ophthalmicus loslösten. Beide traten dann noch in der Orbita zu einem einfachen Stimmchen zusammen, das neben dem N. septi narium in das Cavum nasale eintrat, um hier sofort mit dem N. palatinus zu verschmelzen. Derartige kleine Abweichun- gen, die aber nicht ganz bedeutungslos fiir die Beurtheilung sind, finden sich bei den niedersten Wirbelthieren nicht selten. Nach dieser Abschweifung kehre ich zum N. externus narium zurück. Nachdem dieser selbständig durch sein Foramen ins Cavum nasale eingetreten ist, läuft er am lateralen Umfang desselben, zwischen Knorpel und Schleimhaut liegend, nach vorn und giebt, bevor er in der Muskulatur im Bereich der äußeren Nasenöffnung sein Ende findet, neben feinen Zweigen an die Nasenschleimhaut auch solche an die Glandula nasalis superior, und zwar stets meh- rere, ab. Gl. nasalis inferior. Born (REICHEL, 1. ¢. pag. 20). Diese Drüschen, die an der Innenseite der Nasenhöhle liegen und von einer sogenannten »hinteren Nasendrüse« in keiner Weise zu trennen sind (REICHEL, |. ec.) erhalten Nervenfasern vom N. septi narium. Dieser läuft, nachdem er auf dem schon angegebenen Wege in die Nasenhöhle gelangt ist, die Olfactoriusfasern kreuzend, schräg nach vorn und innen, liegt also dem Septum nicht unmittelbar an. Zuerst lateral von den Drüsenschläuchen, dann über denselben lie- gend, entsendet er zu ihnen mehrfach feine Astchen. (Auch Rami frontales perforantes, die FISCHER nicht beschreibt, werden noch ab- gegeben. Der Durchtritt des Nerven durch den Septalknorpel ist schon bei der Gl. intermaxillaris geschildert.) Anuren. Außer den schon bei den Urodelen betrachteten Drüsen, die auch bei den Anuren sich finden, kommt diesen noch eine besondere, von Born (6) beschriebene Rachendriise zu. Direkte Angaben über die Innervation irgend einer der Driisen finde ich unter den oben angeführten Autoren nur bei WIEDERSHEIM (8). Zur Untersuchung dienten Rana escul. und fusca, Bombinator igneus und Bufo cinereus. Glandula intermaxillaris. In seiner Arbeit über die Kopfdrüsen der geschwänzten Amphi- bien und die Intermaxillardrüse der Anuren sagt WIEDERSHEIM (8), 446 E. Gaupp es sei ihm stets aufgefallen, dass der aus der Driise austretende Stamm des N. nasalis trigemini sehr viel von seinem Kaliber einge- büßt habe. »Wo sollte er seiner Hauptmasse nach anders geblieben sein, als in der Driise?« In der Schilderung der Gehirnnerven des Frosches (5) erwähnt er diesen Punkt nicht, sondern giebt nur an, dass der N. nasalis in der Drüse mit ein bis zwei Fädchen mit dem R. palatinus anastomosirt und sich dann mit seiner Tune in der Schnauzenhaut vertheile. Dagegen sagt er von der Endigungsweise des N. palatinus: »Jene« (d. h. die Ausführungsgänge der Gl. intermaxillaris) » werden reichlich von feinen Nervenfäden versorgt, zugleich dringt aber ein stärkerer Zweig am Vorderrand des Ethmoidknorpels in die Tiefe, gelangt so in den von einer Menge von Drüsenschläuchen erfüllten Intermaxillarraum und anastomosirt dort durch eine oder zwei Fasern mit dem Schnauzenast des Trigeminus.« Dieser Schilderung schließe ich mich durchaus an und hebe nur besonders hervor, dass eben nach Abzug jener ein bis zwei Fasern der ganze Rest des N. palatinus in der Intermaxillardrüse sich vertheilt. Demnach glaube ich auch, wie bei den Urodelen, diesen Nerv für die Innervation der Drüse hauptsäch- lich in Anspruch nehmen zu müssen. Wie bei den Urodelen, so ist aber auch bei den Anuren eine Betheiligung des ersten Trigeminusastes nicht ausgeschlossen. Da die Drüse hier eine ausgesprochen praenasale Lage hat, so muss der aus der Nasenhöhle austretende N. septi narium sie in ihrer ganzen sagittalen Ausdehnung durchsetzen. Dabei anastomosirt er mit dem N. palatinus und es ist somit keineswegs unmöglich, dass auf diesem Wege auch Fasern von ihm zu Drüsenschläuchen treten. Welche Bedeutung diesen zukommt, ist nicht unmittelbar einzusehen; überhaupt gilt für die Glandula intermaxillaris der Anuren genau dasselbe was für die der Urodelen gesagt wurde: es bedarf anderer Methoden als der rein anatomischen Präparation, um zu einem Ur- theil über ihre Innervation zu gelangen. Der Vollständigkeit halber muss ich übrigens erwähnen, dass der N. palatinus bei einigen Anuren (Rana, Bufo, Hyla) ein aus dem Ganglion Gasseri kommender Nerv ist, dessen Zugehörigkeit zum Facialis jedoch schon von VOLK- MANN (14) betont worden ist. Bei Bombinator und Pelobates ist diese Zugehörigkeit dadurch markirt, dass der R. palatinus aus der kleineren hinteren Portion des durch eine Furche getheilten Ganglion entspringt (FISCHER, 1. ce. pag. 20). Bombinator igneus zeigt sonst im Verhalten der Nerven keinen Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 447 Unterschied von Rana. Die Anastomose zwischen N. palatinus und N. septi narium gelang mir nicht nachzuweisen bei Bufo. Dagegen ist gerade hier, besonders wenn man nach Entfernung der Nasen- säcke und bei unverletzter Gaumenschleimhaut von der dorsalen Seite her präparirt, die Verbindung des N. palatinus mit Drüsen- läppchen sehr schön zu erkennen. Die Drüse ist hier sehr stark entwickelt, besonders in den lateralen Partien, und deutlich paarig. Man sieht feine Ästehen des Palatinus direkt mit einzelnen Läpp- chen in Verbindung treten. Aber auch der N. septi narium zeigt einen Zerfall in mehrere starke Zweige und dringt tief in die Sub- stanz der Drüse ein — kurz, zu einem bestimmten Resultat ist auch hier nicht zu gelangen. Rachendrise. (BorN.) Das mit diesem Namen bezeichnete Organ wird durch eine An- zahl einzelner mit separaten Ausführungsgängen versehener Drüs- chen dargestellt, die halbkreisförmig um den hinteren Umfang der Choane angeordnet sind, in die sich zum Theil ihre Ausführungs- _ giinge Öffnen. Sie liegen theils im Gebiet des Vomer, theils in dem des Palatinum und erhalten Nerven einerseits vom Stamm des N. palatinus selbst — dies sind wesentlich die medialen, der Vomer- schleimhaut eingelagerten, — theils solche von einem den N. pala- tinus mit dem Maxillaris superior verbindenden R. communicans. Letzteres betrifft wesentlich die lateralen Drüschen. Möglicherweise, ja wahrscheinlich besteht dadurch kein prineipieller Unterschied zwi- schen beiden Gruppen, doch ist ein Nachweis, dass auch die late- ralen Drüschen Fasern vom N. palatinus erhalten, die nur in der Bahn von Trigeminuszweigen verlaufen, nur experimentell zu führen. Aber auch wenn die Gleichheit der Innervation aller Rachendrüs- chen durch den Facialis nachgewiesen würde, so dürfte doch dem oben erwähnten differenten Verhalten — zusammen mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Natur des die Schleimhautunterlage bildenden Knochens — einiger Werth für die morphologische Betrachtung und Eintheilung der »Gaumendrüsen«, deren erste Repräsentanten neben der Gl. intermaxillaris offenbar die Rachendrüschen sind, nicht ab- zusprechen sein. Das specielle Verhalten ist folgendes: Bevor der N. palatinns (Fig. 2 N.pa) unter dem zahntragenden Theil des Vomer hindurch tritt, löst sich von ihm ein R. communi- 448 E. Gaupp cans c. n. supramaxillari (Z.c) ab, der von WIEDERSHEIM bei Rana, von Fiscuer bei Pelobates und Bombinator beschrieben, wohl allen Anuren als erste Andeutung eines späteren Plexus sphenopalatinus zukommt. Für Bufo kann ich ihn bestätigen. Theils von diesem Ast, theils vom Stamm des N. palatinus selbst gehen nun die für die Rachendrüschen bestimmten Zweige ab. Gewöhnlich sind Ner- venfasern beiderlei Ursprungs vorhanden. Die vom R. communicans kommenden formiren bei Bombinator einen Zweig von ziemlich beträchtlicher Stärke (Fig. 2 R.gl.l), der in medialer Richtung und nach vorn tritt, um sich an den lateral gelegenen Drüschen zu vertheilen. Zu den Partien, die sich mehr am inneren Umfang der Choane in die Höhe ziehen, treten dann noch feine Ästehen vom N. palatinus selbst (R.gl.m), der, bevor er unter dem Vomer durchtritt, den Drüsenschläuchen mehr oder minder nahe anliegt, resp. bei starker Entwicklung derselben über sie hin- wegzieht. Bei Rana ist das Verhalten meist eben so; ein öfter zu beob- achtendes Überwiegen der direkt vom N. palatinus kommenden Äste, die sich dann auch mehr an lateralen Partien vertheilen, lässt die oben angedeutete Vermuthung, dass die Versorgung sämmtlicher Rachendrüschen dem Palatinus zukommt, noch glaubwürdiger er- scheinen. — Bei den Sauriern und Vögeln, wo uns stark entwickelte »me- diale« und »laterale« Gaumendrüsen wieder beschäftigen werden, finden wir, dass trotz der bedeutenden Veränderungen am Dache der Mundhöhle der N. palatinus und der dem Plexus sphenopalatinus ent- stammende Gaumenschleimhautnerv im Wesentlichen ihre Gebiete ge- wahrt haben: ersterer versorgt bei den Sauriern selbständig den Vo- mer, bei den Vögeln das Palatinum; das Bereich des letztgenannten Nerven, bei den Anuren noch nicht besonders an einen bestimmten Knochen gebunden, erscheint bei Sauriern sowohl wie bei Vögeln (übrigens auch schon bei den Schildkröten) durch den stark auswach- senden Proc. palat. des Oberkiefers bestimmt. Danach werden dann auch die in den genannten Schleimhautpartien sich entwickelnden Drüschen zu beurtheilen sein. Die lateralen Rachendrüschen der Anuren kann man auf eine Stufe stellen mit den lateralen Gaumen- drüsen der Saurier; die medialen Gaumendrüsen letzterer, die aus- schließlich in das Gebiet des N. palatinus selbst fallen, fanden in den »vomeralen« Rachendrüschen ihre Homologa. Die weiteren Um- lagerungen bei den Vögeln werden bei diesen besprochen werden. Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 449 Glandulae linguales. Wie bei den Urodelen, so machte auch bei den Anuren die Kleinheit der Verhältnisse einen deutlichen Nachweis des Zusammen- hangs der Drüschen mit Nervenfasen unmöglich. Doch gilt auch hier, dass sie alle in den Bereich der Endausbreitungen des N. glossopharyngeus fallen, und zwar des eigentlichen R. lingualis die- ses Nerven. Da sich die Verhältnisse am Mundhöhlenboden bei den Sauriern in charakteristischer Weise ändern, so ist es wesentlich, schon hier darauf hinzuweisen, dass sich nur in den lateralen Par- tien des Mundhöhlenbodens die Endausbreitungen des N. mandibu- laris des Trigeminus, sowie des Facialis (allerdings nach vorheriger Anastomose mit einem Aste des Glossopharyngeus) finden. Nasendrüsen. Gl. nasalis superior. (BORN.) Lage und Nervenversorgung dieses Driisenkomplexes entsprechen durchaus dem Verhalten des gleichnamigen Organs bei den Uro- delen. Der N. externus narium spaltet sich bei Bombinator, wie bei Salamandra, regelmäßig schon in der Orbita vom Ophthalmicus ab und dringt dann durch ein eigenes Foramen der hinteren knor- peligen Nasenwand ins Cavum nasale; bei Rana und Bufo fand ich ihn oft erst in der Nasenhöhle selbst von der Fortsetzung des Oph- thalmicusstammes (N. nasalis) abgehen. Der Rest des Stammes bildet dann den N. septi narium. In den beiden angegebenen Fällen verläuft der N. externus na- rium zwischen Knorpel und Schleimhaut schräg nach vorn und außen zur Apertura nasalis externa und giebt dabei in der Gegend der Gl. nasalis superior mehrere feine Zweige hinter einander an die Drüse ab, um dann erst subeutan zu werden und mit Ästen des N. supramaxillaris zu anastomosiren. Gl. nasalis inferior. Auch diese Drüse zeigt dasselbe Verhalten wie die gleichnamige bei den Urodelen. Der N. septi narium liegt jedoch bei den Anuren dem Septum eng an und tritt auch zu der in Rede stehenden Drüse in nahe Lagerungsbeziehungen. Er läuft unmittelbar über sie hin- 450 E. Gaupp weg und giebt dabei mehrere feine Ästehen an sie ab. Nachher dringt er, wie schon erwähnt, in die Gl. intermaxillaris ein, um in dieser sich durch einige Ästchen schlingenförmig mit dem N. pa- latinus zu verbinden. Reptilien. Litteratur. 16) C. K. Horrmann, »Reptilien« in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Leipzig und Heidelberg 1880—1882. 17) F. Leypic, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. 18) Bosanus, Anatome testudinis Europaeae. Vilnae 1819—1821. Für die Nasendrüse besonders: 19) G. Born, Nasenhöhlen und Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. Morph. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 20) F. Leypic, Uber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Archiv. f. mikr. Anat. 1873. ö 21) Jou. MÜLLER, Über die Nasendrüse der Schlangen. MEcKEL's Archiv. 1829. 22) B. SoLGER, Beiträge zur Kenntnis der Nasenwandung und besonders der Nasenmuscheln der Reptilien. Morph. Jahrbuch. 1876. Für die Kopfnerven: 23) J. Benpz, Bidrag til den sammenlignende Anatomie af N. glossoph., vag., access. Will. og hypogl. hos Reptilierne. K. Danske Vidensk. Selskabs Naturvidensk. Afhandlgr. Kjöbenhavn 1843. 24) J. G. Fiscner, Gehirnnerven der Saurier. Hamburg 1852. 25) J. MÜLLER, Vergleichende Neurologie der Myxinoiden. Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1838. — Der betreffende Auf- satz findet sich auch in MÜLLER’s Archiv. 1839. 26) C. VoGT, Zur Neurologie von Python tigris. MüLLer’s Archiv. 1839. 27) M. WEBER, Die Nebenorgane des Auges der Reptilien. Bonn 1877. (Arch. für Naturgeschichte. XLIII.) Die Zahl der Drüsen findet sich bei den Reptilien gegenüber den Amphibien bedeutend vermehrt. Als neue Bildungen sind anzu- sehen: Ober- und Unterlippendrüsen, die den Sauriern und Ophi- diern zukommen, ferner Unterzungendrüsen, die sich bei Sauriern, Ophidiern und landlebenden Cheloniern neben den Zungendrüsen finden. Gaumendrüsen, die bei den Amphibien als Intermaxillar- und Rachendrüse (Anuren) auftreten, sind bei den Sauriern topographisch in eine mediale, — vomerale — und eine laterale, — maxillare, in der Schleimhaut des Processus palatinus maxillae sup. gelegene Gruppe Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 451 geschieden. Bei einigen Cheloniern (Testudo) findet sich neben late- ralen Gaumendrüschen eine interessante »praemaxillare« Gaumen- drüse, die in einen vom Nasenseptum gebildeten Hohlraum hinein- wuchert. Zungendrüsen kommen allen vier Ordnungen der Reptilien, wenn auch nicht allen Species, zu. Was die Nasendrüsen anlangt, so findet sich konstant eine soge- nannte »äußere« oder »seitliche« Nasendrüse, nach ihrer Ausmündung einer der kleinen Drüschen aus dem Komplex der »Gl. nasalis su- perior« der Urodelen entsprechend; daneben aber noch bei einigen Schildkröten (Trionychiden) stark entwickelte »untere« (septale) Nasen- drüsen. — Hinsichtlich der Nervenversorgung aller dieser Drüsen fehlen Angaben fast gänzlich. Im Übrigen ist jedoch das Kopf- nervensystem der Saurier ausgezeichnet bearbeitet von FIscHEr, der gleichzeitig auf die Verhältnisse bei den Hydrosauriern Rücksicht nimmt. Für die Schildkröten ist das bekannte Werk von BoJAanus sehr werthvoll, die Ophidier sind dagegen in dieser Hinsicht recht vernachlässigt. Außer einer stellenweise lückenhaften Bearbeitung der Neurologie von Python tigris von Vocr finden sich nur noch einige wenige Angaben in der Arbeit über die Neurologie der Rep- tilien desselben Autors (13), sowie bei MÜLLER und Benvz Beiträge über den Sympathicus, resp. die vier letzten Hirnnerven. Hinsicht- lich der Trigemino-Facialisgruppe bei den einheimischen Ophidiern liegen Untersuchungen bisher fast gar nicht vor: STANNIUS macht in seiner Zootomie der Reptilien einige verstreute Bemerkungen. Chelonier. Die Kopfdriisen der Chelonier sind erst von HOFFMANN (16) einer genauen Betrachtung und Beschreibung gewiirdigt worden. Die große Ähnlichkeit, die sie ihrer Lage nach mit denen der Amphibien darbieten, ist auf den ersten Blick auffallend. Hier wie dort haben wir eine äußere (obere) und eine mediane (untere, sep- tale) Nasendrüse; bei beiden auch findet sich in enger Lagebeziehung zur Nasenhöhle eine Drüse, die ihrer Ausmündung nach als prae- maxillare (mittlere) Gaumendrüse anzusehen ist (Intermaxillardrüse der Amphibien). Ich kann diesen Angaben noch hinzufügen, dass bei Testudo graeca auch kleinere in die seitlichen Gaumenschleim- hautpartien eingesprengte Drüschen vorkommen. Von ihrer Anwesen- heit bei anderen Species konnte ich mich nicht überzeugen. 452 E. Gaupp Zungendrüsen sind bei den Cheloniern schon von Lrypic be- schrieben (s. HOFFMANN pag. 234). Stark entwickelt ist auch bei Testudo graeca eine Glandula sublingualis, die hinter dem vorderen Unterkieferwinkel gelegen sich vorn mit der der anderen Seite berührt. Ich gebe die Beschreibung der Innervation nach dem Verhalten bei Testudo graeca, von der mir frische Exemplare zu Gebote stan- den; nur für die »untere Nasendrüse«, von deren Anwesenheit ich mich bei der genannten Species nicht sicher überzeugen konnte, muss ich mich an die Verhältnisse von Trionyx halten. Glandula palatina media. Zur Untersuchung dieser Drüse eignet sich Testudo graeca aus- gezeichnet. Die außerordentlich stark entwickelte, zwischen Maxillare und Praemaxillare mündende Drüse liegt hier in einer Aushöhlung des knorpeligen Septums, das sie aber auch mit ihren hintersten Schläuchen durchbricht, so dass sie hier dem häutigen Nasensack unmittelbar anliegt. Möglicherweise sind übrigens einige dieser letztgenannten Drüsenträubehen gar nicht zu ihr gehörig, sondern septale Nasendrüschen, doch gelang es mir nicht, dies ganz sicher festzustellen. Die Drüse wird nur vom ersten Aste des Trigeminus versorgt. Dieser zeigt das typische Verhalten wie bei allen niederen Wirbel- thieren, d. h. er spaltet sich beim Eintritt in die Nasenhöhle in einen N. septi und einen N. externus narium. Der erste kreuzt die Olfactoriusfasern, indem er zwischen ihnen und dem knorpeligen Dach der Nasenkapsel nach innen zum Septum verläuft. Hier wendet er sich sofort nach abwärts, versorgt zunächst die kleinen Drüsen- triubchen, die, wie schon erwähnt, dem häutigen Nasensack an seiner medialen Seite unmittelbar anliegen und dringt schließlich mit seiner ganzen Masse in die mittlere Gaumendrüse ein, dasselbe Fo- ramen passirend, durch welches, wie gleichfalls oben angeführt, einige Partien der genannten Drüse sich hindurchdrängen. Er scheint völlig in der Drüse aufzugehen. Auf die Bedeutung des N. ophthalmicus als Praemaxillarnerv habe ich schon bei den Amphibien hingewiesen und gleichzeitig bei der Besprechung der Gl. internasalis der Urodelen auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, dass auch zu dieser Drüse der Ophthalınieus in einer Beziehung stehe. Das Verhalten des N. ophthalmicus zur aria -% es a 7 Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 453 mittleren Gaumendrüse bei den Schildkröten bestätigt wenigstens diese Möglichkeit. Glandulae palatinae laterales. Ich erwähnte oben, dass bei Testudo graeca in den seitlichen Gaumenschleimhautpartien, d. h. im Gebiet des Processus palatinus maxillae superioris kleine Drüschen vorkommen, die man wohl mit dem oben gebrauchten Namen bezeichnen kann. Sie erhalten ihre Nerven von einem starken Gaumenast, der in der Orbita vom Stamm des N. infraorbitalis abgeht, unmittelbar nachdem dieser sich mit dem N. palatinus des Facialis vereinigt hat, der aus seinem zwischen Basisphenoid und Pterygoid gelegenen Knochenkanal (»Canalis Vidia- nus«) zu ihm tritt (HOFFMANN, 16 pag. 145). Der erwähnte Gaumenast entspricht dem von BoJanus (18, Taf. XXVI Fig. 130) als »N. palatinus anterior« bezeichneten Nerven. Er breitet sich in den lateralen Partien der Gaumenschleimhaut bis zur Spitze hin aus und giebt dabei einige feine Fasern zu den in die- selbe eingesprengten Drüschen ab. Als erste Andeutung von lateralen Gaumendrüsen fanden wir bei Anuren die sogenannten Rachendrüschen auftreten. Da auch für die lateralen Partien jener die zugehörigen Nervenfasern aus der Vereinigung des N. palatinus mit dem Supramaxillaris hervorgingen, so sind wohl die lateralen Gaumendrüschen von Testudo jenen gleich zu setzen. Wir werden ihnen bei den Sauriern sowie bei den Vögeln, wo sie aber als »mediane« Gaumendrüsen imponiren, wieder begegnen. Ihrer Lage nach auf dem Proc. palat. des Ober- kiefers bezeichnet man sie korrekter als »maxillare Gaumendrüsen « (s. die Bemerkung bei der Besprechung der »Glandulae palatinae mediales« der Vögel). Glandulae sublinguales. Auch diese sind, wie die Gaumendrüsen, bei Testudo graeca sehr stark ausgebildet. Nervenfasern werden ihnen durch Zweige des N. alveolaris inferior zugeführt. Aus dem später zu erwähnen- den Verhalten derselben Drüsengruppen bei den Sauriern und Vögeln ist anzunehmen, dass jene Fasern auch bei den Cheloniern aus dem N. facialis kommen, indessen ist mir das Verhalten der Chorda tym- pani, innerhalb welcher sie wohl verlaufen dürften, bei den Schild- kröten bisher nicht ausreichend klar geworden. Morpholog. Jahrbuch. 14. 30 454 E. Gaupp Der erwähnte Ast des N. alveolaris inferior tritt bald, nachdem der Stamm in den Unterkieferkanal eingedrungen ist, von jenen los, durchsetzt den M. mylohyoideus und theilt sich in zwei Zweige. Der eine nach innen verlaufende findet später Erwähnung, der andere geht nach vorn und versorgt, in seine Endzweige aufgelöst, die Sub- lingualdrüsen. Auf eine allgemeine Betrachtung der »Unterzungendrüse« komme ich bei den Sauriern, die ganz gleiche Verhältnisse bieten, wie die Schildkröten, zurück. Glandulae linguales. Wie erwähnt, hat LEYDIG eine sehr genaue Schilderung der Schildkrötenzunge und ihrer Drüsen gegeben. Horrmann (16 pag. 234) macht für Testudo graeca den wichtigen Zusatz, dass hier neben den mehr die Mitte des Zungenrückens einnehmenden Drüs- chen noch solche vorkommen, die an den Seitenflächen der Zunge münden. Ich kann diese Angabe durchaus bestätigen und glaube, dass die letztgenannten Drüschen anders betrachtet werden müssen, als die ersteren. Für Emys europaea giebt Bosanus bestimmt das Fehlen eines N. lingualis des Trigeminus an. Bei Testudo graeca ist ein solcher und zwar ganz in der Form, wie ihn FISCHER für die Saurier be- schreibt, vorhanden. Im vorigen Abschnitte wurde erwähnt, dass der aus dem Unterkieferkanal austretende Ast des N. alveolaris in- ferior sich nach Durchsetzung des M. mylohyoideus in zwei Theile spaltet, von denen der eine für die Gl. sublingualis bestimmt ist. Der zweite dieser Theiläste verläuft nach innen und dringt an der Außenseite des M. genioglossus in die Zunge ein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Nerv die seitlichen Zun- gendriischen versorgt. Freilich ist es mir nicht gelungen dies nach- zuweisen, eben so wenig wie ich etwa Fasern des Glossopharyngeus für die mittleren Partien der Zungendrüschen behaupten kann: ich habe überhaupt nur bei den Krokodilen und Vögeln Zungendrüsen wirklich in Verbindung mit Nervenfasern gesehen, bei den anderen Thierklassen machte theils die Kleinheit der Verhältnisse, theils die mangelhafte Erhaltung der Exemplare die Präparation an dieser Stelle zu schwierig. Daher ist es zunächst nur eine vermuthete und womöglich durch das Experiment zu kontrollirende Annahme, dass bei den Cheloniern — und fernerhin bei allen mit massig entwickelter Zunge begabten Thierklassen: Sauriern und Säugern die Oberfläche Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 455 der Zungenschleimhaut und damit die von ihr aus sich entwickeln- den Driischen in die beiden Gebiete des Glossopharyngeus und des Trigeminus (Facialis) zu theilen sei. Den Zungendriischen der Am- phibien wiiren dann nur die ersteren, dem Glossopharyngeus zuge- hörigen Drüschen der Chelonier, Saurier und Säuger homolog. Ich komme auf diesen Punkt noch etwas ausführlicher bei den Zungen- drüsen der Saurier zurück. Nasendriisen. Glandula nasalis superior. Die Nerven der Nasendrüsen verhalten sich bei den Schildkröten so übereinstimmend mit denen der Amphibien, dass ich mich kurz fassen kann. In die obere (äußere) Nasendrüse dringt, wie dort, der N. externus narium, d. h. der zweite der beiden Äste, in die der R. ophthalmicus bei seinem Eintritt in die Nasenhöhle zerfällt. Bei Testudo graeca, wo die Drüse sehr bedeutend entwickelt ist, zerfällt der Nerv, zwischen Knorpel und häutigem Nasensack nach vorn und außen verlaufend, in mehrere Äste, von denen drei in verschiedener Höhe die Decke der Knorpelkapsel durchbohren und in die Drüse eindringen. Gl. nasalis inferior. Für die untere (septale) Nasendrüse von Trionyx, bei der sie sicher zu beobachten war, kommt, wie bei den Amphibien, der N. septi narium in Betracht. Derselbe steigt, die Olfactoriuszweige kreuzend, am knorpeligen Septum in die Tiefe und giebt dabei einen nach vorn verlaufenden Ast ab, der zum größten Theil in der septalen Nasendrüse aufgeht. Die Homologie der Nasendrüsen der Chelonier mit denen der Amphibien ist wohl zweifellos. Die Lage der »Gl. nasalis superior« auf der Außenfläche der Knorpelkapsel (während sie sich bei den Amphibien innerhalb derselben findet) ist durch ihre mächtige Entwicklung zu erklären. (Vgl. auch Nasendrüse der Saurier.) Saurier. Die Zahl der in Betracht kommenden Drüsen ist bei diesen dureh Ober- und Unterlippen- sowie durch vomerale (»mediale «) _ Gaumendriisen vermehrt. Doch kommen keineswegs alle Drüsen allen Species zu. Untersucht habe ich: Chamaeleo Africanus, Platy- 30* A56 E. Gaupp dactylus guttatus und Lacerta agilis. Davon besitzt Chamaeleo sämmt- liche pag. 450 u. 451 aufgeführten Drüsen; Platydactylus entbehrt der Oberlippendrüsen und bei Lacerta agilis finden sich neben der über- all konstanten »äußeren« Nasendrüse nur die Drüsen des Unterkiefers. Für die letzteren war mir noch die Präparation eines Unterkiefers von Iguana tuberculata möglich; leider war der übrige Schädel durch die schon erwähnte Salpetersäurebehandlung unbrauchbar geworden. Angaben über die Innervation irgend einer der genannten Drüsen wurden überall vermisst. Glandulae labiales superiores. Unter den von mir untersuchten Sauriern kommen nur dem Chamäleon Oberlippendrüsen zu. Dieselben sondern sich hier — und wahrscheinlich trifft dies für alle Saurier zu — in zwei, nach Lage und Innervation verschiedene Gruppen, die man am kürzesten als Maxillar- und Prämaxillar-Lippendrüsen bezeichnen kann. Erstere liegen im Bereich des Os maxillare superius und werden von Ästen des N. supramaxillaris versorgt; letztere bilden »vorn im Pränasal- raum . . eine Art Schnauzendriise, die mit zahlreichen, etwas me- dianwärts verlaufenden Ausführungsgängen auf der dem zahntragen- den Theil des Os intermaxillare gegenüber liegenden Schleimhaut der Oberlippe ausmiindet« (REICHEL, [1] pag. 23). Ihre Nerven er- halten sie von Ästen, die mit den Endverzweigungen des N. oph- thalmieus verlaufen. Hinsichtlich des speciellen Verhaltens der Nerven ist Folgendes zu sagen: Nachdem der Stamm des zweiten Trigeminusastes als N. infra- orbitalis die Orbita passirt hat, tritt er, wie schon WEBER (27 pag. 319 und 333) richtig bemerkt, durch das Foramen palatinum und hierauf »nicht sofort in den geschlossenen Oberkieferkanal, sondern dazwi- schen in einem Ausschnitte der Gaumenplatte des Oberkiefers nach vorn, der oben zum Theil von einem zungenförmigen Fortsatz des Palatinum überdeckt ist«. Darauf lässt auch WEBER den ganzen Nerven in den Alveolarkanal eintreten und ihn von hier aus von Stelle zu Stelle Äste an die Zähne und die äußere Haut der Ge- sichtsfläche abgeben. Dass keineswegs der ganze Nerv diesen Ver- lauf nimmt, wird bei Besprechung der seitlichen Gaumen- sowie der Nasendrüse zu erwähnen sein; hier möchte ich nur bemerken, dass es mir beim Chamäleon nicht möglich war, mehr als einen aus dem Öberkieferkanal tretenden Nerv festzustellen. Derselbe, Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 457 von erheblicher Stärke, verlässt den Knochenkanal gleich nach dem Eintritt des Hauptstammes in denselben und theilt sich dann in zwei Äste, von denen einer vor-, der andere rückwärts gewendet verläuft. Beide liegen den Maxillardrüschen medial an und vertheilen sich mit feinen Astchen zwischen ihnen. Die als »Prämaxillardrüsen« (»Schnauzendrüse«) gesondert zu betrachtenden Drüsengruppen erhalten, wie schon erwähnt. Nerven- fasern durch die letzten Endverzweigungen des N. septi narium (N. ophthalmieus), der auf der Grenze zwischen Intermaxillare und Maxil- lare beiderseits zur Schleimhaut und Haut der Schnauze durchbricht. Über die letzte Herkunft der Drüsennerven wage ich nichts Be- stimmtes zu sagen, muss aber erwähnen, dass ich bei Chamaeleo eine Verbindung des N. palatinus mit dem Ophthalmicus, wie sie von VoGTr bei Python tigris beschrieben wird und auch den Vögeln zukommt, sicher wahrgenommen zu haben glaube. Der betreffende Verbindungsast wird vom N. palatinus im vorderen inneren Winkel der Orbita abgegeben, bevor dieser Nerv in die Nasenhöhle tritt. Bei Platydactylus löste sich ebenfalls an dieser Stelle ein Zweig vom N. palatinus ab, doch war der Verbleib desselben nicht genau festzustellen. Glandulae palatinae mediae. Schon bei der Betrachtung der » Rachendrüse« der Anuren wurde erwähnt, dass die medialen Gaumendrüsen der Saurier gänzlich in das Gebiet des N. palatinus gehören, der sich, bei Chamaeleo und Platydactylus wenigstens, als alleiniger Schleimhautnerv in dem Ge- biet der wesentlich vom Vomer gebildeten »Mittelplatte« des Saurier- gaumens ausbreitet. Der Nerv zeigt in seinem speciellen Verhalten große Ähnlich- keit mit dem bei den Urodelen und entspringt auch, wie dort, selb- ständig aus dem Ganglion des Facialis. Seinen Verlauf schildert FiscHEr (24 pag. 141) bei den verschiedenen Sauriern sehr ausführ- lich; über seine Endigungsweise macht er nur die Angabe: »Deut- liche Gaumenzweige treten erst in der vorderen inneren Ecke der Augenhöhle auf, und zwar scheint sich immer der ganze Rest des R. palatinus in diese Zweige aufzulösen.« Dazu ist zu bemerken: Nachdem der Nerv zum vorderen inneren Winkel der Orbita gelangt ist, tritt er, nach Abgabe des oben erwähnten Verbindungsastes zum Ophthalmicus, ins Cavum nasale und läuft auf dem Boden desselben (dem Vomer) nach vorn, um mit zwei Endzweigen (Nn. palatini 458 E. Gaupp mediales, Fig. 3 pa.med) durch eben so viel im Vomer befindliche Foramina zur Schleimhaut zu treten. Die beiden Foramina liegen bei Chamaeleo ziemlich dicht hinter einander, medial von der Cho- ane, bei Platydactylus etwas weiter aus einander. Die beiden Ner- venzweige vertheilen sich in der Schleimhaut dieser Region und an die darin eingebetteten » medialen Gaumendrüschen «. Die Lage dieser Drüschen auf den mittleren Partien des Gau- mens, sowie ihre Versorgung durch den N. palatinus lassen ihre Homologisirung theils mit den Glandulae intermaxillares der Amphi- bien, theils mit den medialen Rachendrüschen der Anuren als durch- aus berechtigt erscheinen. Glandulae palatinae laterales. In den seitlichen Schleimhautpartien des Gaumens bei den Sau- riern, deren knöcherne Grundlage im Wesentlichen durch den Pro- cessus palatinus des Oberkiefers gebildet wird, verbreiten sich die Gaumenzweige des N. supramaxillaris, in deren Bahn jedoch ziem- lich sicher auch Facialiselemente verlaufen. Es sind im Ganzen bei Chamaeleo und Platydactylus drei bis vier Zweige. Der eine derselben (Fig. 3 pa.l.p), der auch von FIscHEr (24 pag. 129 und 139) beschrieben wird, geht bei den beiden unter- suchten Species vom Supramaxillaris ab, unmittelbar nachdem der- selbe den R. communicans anterior (c.a) vom Palatinus aufgenommen hat. (Ähnlich nach Fischer bei Varanus bengalensis, 1. c. pag. 140.) Der erwähnte, aus Facialis- und Trigeminuselementen zusammen- gesetzte Gaumenzweig durchbricht den häutigen Verschluss des vom Palatinum, Pterygoideum, Transversum und Maxillare begrenzten suborbitalen Loches und läuft an der Innenfläche des Oberkiefers nach vorn. Bei Platydactylus guttatus, wo die lateralen Gaumen- drüsen eine bedeutende Entwicklung erfahren und sich längs des ganzen inneren Oberkieferrandes hinziehen, erkennt man, dass der Nerv sich an die laterale Seite der Drüse anlegt und, indem er mit ihr nach vorn verläuft, mit feinen Ästen sich in ihr vertheilt. Bis zum vorderen Theile des Gaumens konnte ich ihn jedoch nicht verfolgen, vielmehr übernimmt die Versorgung der vorderen Drüsenpartien ein neuer Ast des Supramaxillaris, den ich bisher nir- gends erwähnt finde. Bevor nämlich der Stamm des Supramaxillaris in den geschlossenen Oberkieferkanal eintritt (vgl. oben die Bemer- kungen bei der Gl. lab. sup.), entsendet er außer einem auf dem Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 459 Boden der Nasenhöhle direkt nach vorn verlaufenden Zweig (Fig. 3 Na.p.i), der später (bei der Nasendriise) zu erwähnen sein wird, noch einen N. palatinus lateralis ant. (pa.l.a), der auf dem Boden der Nasenhöhle schräg nach vorn und innen verläuft, um am late- ralen Rande der Choane zum Gaumenschleimhautnerv zu werden. Er liegt also zuerst {bei Chamaeleo und Platydactylus wenigstens) dorsal dem Proc. palatinus des Oberkiefers auf und schlägt sich dann auf die ventrale Seite dieses Fortsatzes herum, wobei er in einen feinen Einschnitt des Randes eingelagert ist. Auf der Gaumenfläche des erwähnten Processus angelangt, legt er sich an die mediale Seite der Gl. palat. lateral. und versorgt sie in ihren vorderen Partien. Außer den beiden geschilderten Nerven treten noch ein bis zwei feine Zweige schon vorher in der Orbita vom Stamme des Infraorbitalis ab, um sich nach Durchbohrung des häutigen Augenhöhlenbodens in den hinteren Partien der Gaumenschleimhaut nebst ihren Drüschen zu verteilen. Nach Lage und Nervenversorgung sind die lateralen Gaumen- drüsen der Saurier als den lateralen Rachendrüschen der Anuren homologe Gebilde zu betrachten. Glandulae labiales inferiores. An diese, der Unterlippe in ganzer Ausdehnung eingebetteten Drüschen vertheilen sich Äste des im Unterkieferkanal verlaufenden N. alveolaris inferior. Ganz konstant tritt ein Ast schon bald nach dem Eintritt des Stammes in den Unterkieferkanal nach außen; durch vier (Iguana tuberculata) oder mehr (Lacerta) feinere und weiter vorn gelegene Foramina dringen dann noch eben so viel weitere Zweige zu den vorderen Driischengruppen. Bei Platydactylus sind die fünf Zweige gleichmäßig auf die ganze Länge des Unterkiefers vertheilt. Die Nerven wenden sich nach ihrem Austritt aus dem Knochenkanal erst etwas nach abwärts und dringen dann erst von unten und außen in die Drüsenmassen ein. Besonders deutlich ist dies bei Chamaeleo, wo die Austrittsstellen weniger an der Seite, als direkt auf der unteren Kante des Knochens liegen. Es wäre gewiss interessant, die Herkunft der Drüsennerven durch das physiologische Experiment exakt festzustellen. Ob Facialiselemente dabei in Frage kommen, erscheint mir zweifelhaft, weniger darum, weil die Einmündungsstelle der Chorda tympani in den Alveolaris inferior distalwärts von dem Abgang des ersten Unter- 460 E. Gaupp lippenastes liegt, — als aus dem Grunde, weil ich einmal bei La- certa die ganze Masse der Chorda in den nach innen tretenden Zweig des Alv. inf. übergehen sah. Ich komme bald noch einmal darauf zurück. Glandulae sublinguales. Auch diese Drüsen erhalten ihre Fasern durch Zweige des Alveo- laris inferior zugeführt. In Betracht kommt der Nerv, »den man« — nach FISCHER — »gleichzeitig als R. lingualis und R. mylohyoideus betrachten könnte«. Ich bemerke dazu gleich hier, dass außer diesem bei allen von mir untersuchten Sauriern noch ein zweiter Ast des Alveolaris inf. an der Innenseite des Unterkiefers aus dessen Kanal austritt. Dieser zweite Ast verlässt den Knochenkanal bei Iguana proximalwärts (durch das Opereulare), bei Lacerta distalwärts von dem »R. lingua- lis oder mylohyoideus«; jedenfalls liegt seine Austrittsstelle mehr dem unteren Rande des Knochens genähert und auch sein Verlauf bleibt mehr subcutan. Der andere Ast wird von FISCHER genau beschrieben. Sein Fo- ramen finde ich bei Iguana auf der Naht zwischen Operculare und Dentale. Der Fıscner’schen Schilderung hinzuzufügen ist, dass er bald nach seinem Austritt aus dem Knochen einen nach vorn ver- laufenden Ast abgiebt, der sich an die laterale Seite der Gl. sublin- gualis anlegt und mit zahlreichen feinen Ästehen sich in ihr vertheilt. Dies Verhalten war dasselbe bei allen untersuchten Sauriern. Bei Lacerta war nach Maceration des frischen Kopfes leicht zu er- kennen, dass der in Rede stehende Ast des Alveolaris inf. von diesem unmittelbar nach Aufnahme der Chorda tympani abgegeben wird. Auch glaube ich an dieser Stelle eine Anschwellung wahrgenommen zu haben, entweder im Verlauf der Chorda selbst, oder an ihrer Ver- bindungsstelle mit dem Alveolaris. In einem Falle mündete die ganze Chorda in den »R. lingualis«, wobei ebenfalls wieder eine An- schwellung an der Verbindungsstelle bemerkt wurde. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass wenigstens ein Theil der Facialisfasern zu den Glandulae sublinguales tritt und dass wir demnach hier ganz die gleichen Verhältnisse haben, wie sie für die Gl. submaxillaris und Gl. sublingualis der Säuger experimentell fest- gestellt sind. Ich kann mich daher nur der Re1cHet’schen Ansicht anschließen, dass die Unterzungen- und Unterkieferdrüse der Säuger — und wahrscheinlich auch die kleineren, zur Seite der Zunge liegen- Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 461 den Schleimdrüschen — den » Unterzungendrüsen« der Saurier zu homologisiren seien!. Glandulae linguales. Das einfache Verhalten der Zungendrüsen bei den Urodelen und Anuren erscheint bei den Sauriern, wie auch schon bei Testudo, in Folge der starken Entwicklung des Organs wesentlich modifieirt. Während bei den Amphibien nämlich die ganze Zungenschleimhaut Verbreitungsgebiet der beiden Nn. glossopharyngei ist, treten bei den Sauriern zu den lateralen Partien Endzweige des schon oben erwähn- ten R. lingualis sive mylohyoideus (FiscHER) vom Alveolaris inferior. Ich bin freilich nicht im Stande gewesen, diese Endzweige bis zu Drüsen zu verfolgen, doch kann man diese Ausbreitung wohl als sicher annehmen. Wahrscheinlich sind es auch Facialiselemente, die durch die Chorda tympani zugeführt in der Bahn des R. lingua- lis in die Zunge und zu den lateralen Drüsenpartien gelangen. Diese lateralen Drüsenpartien erscheinen dann unter demselben Gesichts- punkt wie die »Unterzungendrüsen«, und dem entspricht auch die Thatsache, die REICHEL hervorhebt (1 pag. 27 und 43), dass zwischen beiden hinsichtlich der Ausbildung ein gewisses Wechselverhältnis besteht. 1 Aus den obigen Auseinandersetzungen wird es so gut wie sicher, dass schon bei den Reptilien mindestens ein Theil der Chordafasern zu Schleimhaut- partien des Mundhöhlenbodens resp. in die Zunge tritt. Bei den Vögeln senkt sich, wie später zu erwähnen sein wird, bei einer Anzahl Species die ganze Chorda in den nach innen tretenden Ast des Alveolaris inferior, und für die Säuger ist es eine physiologisch konstatirte Thatsache, dass Chordafasern zur Gl. submaxillaris und zur Zunge gehen. Ist aber damit ihr Verbreitungsgebiet als wesentlich nach innen vom Unterkieferknochen gelegen zu betrachten, so ist auch die Ansicht von Froriep (Homologon der Chorda tympani. Anat. An- zeiger. Il. 1887. pag. 486) über das Homologon der Chorda tympani bei den Selachiern zu modifieiren. Denn der R. mandibularis externus, den FRORIEP für diese Homologie in Anspruch nimmt, verbreitet sich (STANNIUS, Peripher. Nervensystem der Fische. Rostock 1849. pag. 65) »unter den äußeren Hautbe- deckungen des Unterkiefers«, woher er auch seinen Namen hat, und so kann man vielleicht zugeben, dass die Chorda der Säuger ihm zwar hinsichtlich der embryonalen Anlage durchaus entspricht, muss aber fordern, dass der Ast im Laufe der phylogenetischen Entwicklung in seine Bahn Fasern aufgenommen hat, die dem »R. mandibularis internus« Stannius (R. hyoideus GEGENBAUR) entstammen resp. diesen ganz repräsentiren. Von einer »Homologie« der Chorda tympani und des R. mandibularis externus kann aber dann nur sehr bedingt die Rede sein. 462 E. Gaupp = In einem wesentlichen Punkte weiche ich jedoch von der REICHEL’schen Ansicht (1. e. pag. 43) ab. Er nimmt nämlich nach dem Vorgange von LEYDIG an, dass die Unterzungendrüsen der Rep- tilien durch Herabrücken von der Zunge auf den Mundhöhlenboden aus den Zungendrüsen der Amphibien entstanden seien. Ich möchte in direktem Gegensatz dazu annehmen, dass bei den Sauriern nicht nur kein »Herabrücken«, sondern vielmehr ein weiteres »Herauf- ziehen« von neuen Schleimhautpartien, die ursprünglich lateral lagen, auf die Zunge stattgefunden hat. Diese Ansicht findet ihre wesent- lichste Stütze in dem Auftreten eines R. lingualis des Trigeminus in den lateralen Partien der Zunge. In der That sind doch auch die Zungen der Saurier, wenn auch vielleicht schmäler, so doch ent- schieden, in Folge der Entwicklung einer starken Muskulatur, höher als die mehr oder minder unbedeutenden Schleimhauterhebungen der langschwänzigen Amphibien. Ich stimme der RercHev’schen Ansicht, dass Zungen- und Unter- zungendrüsen nichts prineipiell Verschiedenes, sondern vielmehr alle nur Theile der »ursprünglich gleichmäßig über den Mundhöhlenboden verbreiteten (allerdings nur hypothetischen!) Drüsenschicht« sind, durchaus bei, möchte aber doch in der ganzen Schleimhaut des Mundhöhlenbodens ein wesentlich die hinteren medialen Partien treffendes »Glossopharyngeusgebiet« von dem lateralen und vorderen Trigemino-Facialisgebiet trennen. Ersteres wird bei den Amphibien allein zur Zungenbildung verwandt, während bei den Sauriern auch Theile des anderen Gebietes in dieselbe mit einbezogen werden. Sämmtliche in der Schleimhaut des Mundhöhlenbodens sich ent- wickelnde Drüsen, ob ererbt oder neu erworben, können dann ein- fach nach der Natur des Nerven, in’ dessen Gebiet sie liegen, beur- theilt werden; und wenn man von dem primären Verhältnis bei den Urodelen ausgehend als »Zungendrüsen« str. s. nur solche bezeich- nen will, die im Gebiet des Glossopharyngeus liegen, so hat man bei den Sauriern in den »lateralen Drüsen der Zunge« wahrschein- lich ursprüngliche »Nebenzungendrüsen« zu sehen. Die Richtigkeit resp. Unrichtigkeit dieser letzten speciellen An- nahme für die Saurier kann wohl nur durch das physiologische Ex- periment bewiesen werden. | Nasendrüse. Born (19) gebührt das Verdienst, nachgewiesen zu haben, dass die ganze Masse der »seitlichen Nasendriise« bei den Sauriern (Nasen- Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 463 drüse JOHANNES MÜLLER’s schlechtweg) sich durch einen Ausfüh- rungsgang an der Grenze zwischen Vorhöhle und eigentlicher Nasen- höhle öffnet und somit wohl von den kleinen Krypten der Muschel- schleimhaut zu trennen ist. Hinsichtlich der Nerven, die zu jener »seitlichen Nasendrüse « treten, ist zu bemerken, dass neben einem dem N. externus narium entstammenden Aste auch ein solcher aus dem Plexus sphenopala- tinus zur Drüse in Beziehung zu stehen scheint. Wie bei den Amphibien, so theilt sich auch bei den Sauriern der N. nasalis gleich bei seinem Eintritt in die Nasenhöhle in zwei Zweige: N. septi narium und N. externus narium. Letzterer ver- läuft, zwischen Knorpel und Schleimhaut liegend, nach vorn und außen und entsendet, da wo sich in der Knorpelkapsel die Spalte für den Ausführungsgang der Nasendrüse findet (vgl. Born |. ce. pag. 72), einen starken Zweig, der von unten her in die Drüse ein- dringt. Daneben glaube ich bemerkt zu haben, dass auch aus der Fort- setzung des N. infraorbitalis stammende Zweige mit der Drüse in Verbindung treten. Ich habe bei der Besprechung der seitlichen Gaumendrüschen bereits erwähnt, dass der N. supramaxillaris, bevor er in den Kanal des Oberkiefers eintritt, einen nach innen verlau- fenden Gaumenast entsendet. Gleichzeitig mit diesem löst sich aber noch ein zweiter Ast vom Stamm des Supramaxillaris los (Fig. 3 Na.p.c), der direkt nach vorn auf dem Gaumenfortsatz des Ober- kiefers verläuft und, wie es mir schien, auch einige feine Äste ab- giebt, die von außen her in die seitliche Nasendrüse eindringen. Ob sie vielleicht mit Endästen des N. externus narium anastomosiren, konnte ich bei der Kleinheit der Verhältnisse und zumal ich wesent- lich an Spiritusköpfen präparirte, nicht erkennen. Höchst wahrscheinlich haben wir in der seitlichen Nasendrüse der Saurier eine stark entwickelte »Gl. nasalis superior« der Uro- delen zu sehen, die sich vermöge ihres bedeutenden selbständigen Wachsthums auf die Oberfläche des Knorpels ausdehnte. Es wird diese Ansicht auch schon von BORN ausgesprochen, der zugleich er- wähnt, dass bereits bei einigen Amphibien (Rana) eine Ausdehnung der oberen Nasendriischen auf die Außenseite der Knorpelkapsel stattfinde. 464 E. Gaupp Crocodilini. Bei den Krokodilen finden sich von Mundhöhlendrüsen nur kleine, auf der freien Oberfläche der Zunge ausmündende Gl. lin- guales; von Gaumen-, Lippen-, Unterzungendrüsen ist keine Spur vorhanden. Die Existenz einer großen Nasendrüse muss ich, trotz der Horrmann’schen gegentheiligen Erklärung, mindestens für Cro- codilus niloticus, den ich allein untersucht habe, entschieden behaupten. Glandulae linguales. Gegenüber der bedeutenden Entwicklung, welche die Zunge zum Theil bei den Landsauriern erfährt, nähert sie sich bei den Hydro- sauriern in ihrer Form mehr der Urodelenzunge. Hier wie dort bildet sie eine flache, ziemlich unbedeutende Erhebung des Mund- höhlenbodens; von der Entwicklung einer mächtigen selbständigen Muskulatur, die bei einer Anzahl der Saurier ein mehr oder weniger frei bewegliches Organ schafft, ist bei den Krokodilen keine Rede. Dem entsprechend nähert sich auch die Nervenvertheilung am Boden der Mundhöhle dem primitiven Verhalten bei den Amphibien, d. h. in der Schleimhaut der Zunge breiten sich nur die Endäste des N. glossopharyngeus aus; die Trigeminus- (und Facialis-?) Elemente bleiben auf die lateralen Partien des Mundhöhlenbodens beschränkt. Das specielle Verhalten des N. glossopharyngeus bei den Kro- kodilen findet sich bei FISCHER (24) genau beschrieben; ich brauche daher hier nur noch hervorzuheben, dass es gelingt, die Endausbrei- tungen des Glossopharyngeus bis dicht unter die Schleimhaut zu ver- folgen, wo sie um die einzelnen Drüseneinsenkungen Geflechte bilden, von denen feine Fasern auch an die Drüsen selbst herantreten. Die Zungendrüsen der Krokodile sind demnach völlig homolog denen der Urodelen, entsprechen aber wahrscheinlich nur den mitt- leren Zungendrüsen bei den Landsauriern. Gl. nasalis. Hinsichtlich der Nasendrüse der Krokodile gehen die Angaben in auffallender Weise aus einander. Die erste, jedoch sehr kurze Notiz findet sich bei Srannius (i. s. Lehrbuch pag. 196 Anm. 4). SOLGER (22) weist auf diese Anmerkung hin, ohne selbst etwas über die Drüse zu sagen, doch scheint aus der Form seiner Bemerkung hervorzugehen, dass er sie ebenfalls beobachtet hat. Bei GEGENBAUR Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 465 (Nasenmuscheln der Vögel. Jen. Zeitschr. Bd. VII. 1873) ist sie nicht erwähnt. Ganz kategorisch sagt Horrmann (16 pag. 874): Die Nasenhöhlen der Krokodile unterscheiden sich »durch Zweierlei von denen der Saurier, nämlich das Fehlen der Nasendrüsen und des JacoBson’schen Organs«, während WIEDERSHEIM (i. s. Lehrbuch) wieder hervorhebt, dass auch den Krokodilen eine große, in das Cavum nasale einmündende Drüse zukomme, die aber nicht mehr außerhalb des Oberkiefers, sondern in dessen Höhle eingeschlossen sich finde. Dieser letzten Angabe muss ich mich für Crocodilus niloticus entschieden anschließen. Die Drüse liegt als langer schmaler Kör- per in der Rinne, die der von GEGENBAUR (I. ce.) auf seiner Taf. I Fig. 6 mit ce bezeichneten Einbuchtung auf der Außenseite des Knor- pels entspricht, zwischen Knorpel und Knochen. Sie dehnt sich dabei ziemlich weit nach hinten aus. Neben ihr, und zwar zum größten Theil an ihrer medialen Seite, liegen Nerven und Gefäße. Die Nerven sind Äste, in die der R. externus narium bei seinem Eintritt in die Nasenhöhle zerfällt. Es sind, wie Fig. 4 zeigt, im Wesentlichen drei Hauptäste, die aber später zum Theil wieder zu- sammentreten, um neue Stämme zu formiren. Zur Drüse verhalten sie sich so, dass der oberste Ast, R. superior, ohne jede nähere Berührung mit ihr, etwas mehr medial und höher auf dem Kamm der schräg abfallenden Nasenkapsel liegend, nach vorn verläuft; der zweite, R. medius, zerfällt bald und zwar in zwei Äste, von denen der eine mit einem Zweig des R. superior, der andere mit dem ganzen R. inferior sich schließlich zu je einem neuen Stamme ver- bindet. Die den neuen untersten Stamm formirenden Nerven (R. in- ferior und unterer Theilast des R. medius) durchsetzen die Drüse und dringen schließlich auf ihre Unterfläche, wobei sie mehrere Zweige an sie abgeben; auch der obere Theilast des R. medius liegt zum Theil in Drüsenparenchym eingebettet und giebt gleichfalls Äste an sie ab. Die Drüsenästehen hängen mehrfach unter einander zu- sammen. Genaueres ergiebt die Figur 4. Außer diesen vom R. externus narium kommenden Drüsenästen habe ich keine anderen wahrgenommen. Ophidii. Die in Betracht kommenden Drüsen sind: 1) Glandulae labiales superiores, nebst der Glandula venenata der 466 - E. Gaupp Giftschlangen, an deren Stelle bei Nichtgiftigen die sogenannte »hintere Oberlippendrüse« tritt, 2) Glandulae labiales inferiores, 3) Glandulae sublinguales anteriores, 4) Glandulae. sublinguales posteriores. In der Nasenhöhle findet sich eine seitliche (»obere« oder »äußere «) Nasendrüse, ähnlich jener bei den Sauriern. Untersucht wurden Python tigris, für die übrigens Vocr (26) schon bei einigen Drüsen die Nervenversorgung angiebt; ferner Tro- pidonotus natrix und Pelias berus. Glandulae labiales superiores. Wie bei den Sauriern, so scheidet sich auch bei den Ophidiern die ganze Menge der in die Oberlippenschleimhaut eingelagerten Drüschen in zwei Gruppen: solche, die im Bereich des Os maxillare liegend ihre Nerven vom N. maxillaris superior erhalten, und solche, die im Gebiet des Prämaxillare und des ihm zugehörigen R. primus | trigemini ihre Entstehung und Lage haben. Die letzteren bilden auch hier wieder eine deutlich abgesetzte »Schnauzendrüse« (REICHEL), die als solche auch von SCHLEGEL und LEYDIG eine besondere Be- schreibung erfahren hat. Vogr (26) hat den N. ophthalmicus nicht weiter als bis zu seinem Eintritt in die Nasenhöhle verfolgt und er- wähnt daher nur Fasern, die vom zweiten Trigeminusaste zur Drüse treten. Hinsichtlich des genaueren Verhaltens des letzteren Nerven bei Python tigris kann ich mich ganz auf die Schilderung des genannten Forschers beziehen. Danach tritt gleich beim Austritt aus dem Schädel ein Ast von ihm ab, der, über den vierten Bauch des »Beißmuskels« (M. parietali — quadrato — mandibularis) hinweg verlaufend, sich in zwei Theile theilt, von denen der hinterste mehr senkrecht nach unten und außen zum hintersten Theil der Oberlippendrüse , cht, um sich dort zu verzweigen, der vorderste dagegen — nachdem er unter dem hakenförmig gekrümmten Postfrontale hindurchgetreten ist, — sich an den oberen Rand der »Oberkieferdrüse« legt, den er un- gefihr bis zum vorderen Drittel seiner Länge begleitet, mit zahl- reichen Ästen in die Substanz der Drüse eindringend. Der hintere der beiden Äste geht außerdem eine Verbindung mit dem Facialis ein (vgl. MÜLLER, 1. c. [25], der eine sehr genaue Schilderung der Verbindungen zwischen Maxillaris sup. und Facialis Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 467 giebt. Die Natur dieser Verbindungen bespricht FiscHEr [24] auch von den Schlangen). Der Rest der im Gebiete des Maxillaris superior liegenden Ober- lippendrüschen erhält (bei Python tigris) seine Nerven aus dem Al- veolaris superior, der das letzte Endstück des oben genannten Stam- mes darstellt. Nachdem dieser nämlich als Infraorbitalis die Augen- höhle durchsetzt und dabei den zweiten Ast des »N. Vidianus«, in dessen Verlauf das Ganglion sphenopalatinum liegt, aufgenommen hat, tritt er in den Oberkieferkanal und entsendet von hier aus noch Äste an die Oberlippendrüse durch — wie ich zähle — drei Fora- mina, die den Knochen nach außen durchbohren. Das Verhalten des als »Schnauzendrüse« abzusondernden Theils wird erst weiter unten besprochen werden. Zmnächst haben wir noch die Verhältnisse der »maxillaren Ober- lippendrüschen« bei Tropidonotus natrix und Pelias berus ins Auge zu fassen und dabei gleichzeitig auf die »hintere Oberlippendriise« und die »Giftdrüse« Rücksicht zu nehmen. Bei Python tigris war die Ausbildung einer derartigen gesonderten Drüse nicht zu erkennen. Vielleicht war der Zustand des untersuchten Spiritusexemplares Schuld daran. Auf die genaueren Lagerungsverhältnisse der »hinteren Ober- lippendrüse« resp. der »Giftdrüse« zu den übrigen Oberlippendrüs- chen kann ich hier nicht eingehen und muss in diesem Punkt auf die Angaben von MEckEL verweisen. Die Übereinstimmung, welche die beiden genannten Drüsen hinsichtlich ihrer Lageverhältnisse zeigen, findet sich auch in der Gleichartigkeit der zu ihnen treten- den Nerven ausgeprägt, so dass der Einfachheit halber beide zusam- men zu gleicher Zeit abgehandelt werden können. Wie bei Python tigris, so löst sich auch bei Tropidonotus und Pelias gleich nach dem Austritt des N. maxillaris superior aus dem Schädel von dem Nerven ein Zweig los, der, nach außen verlaufend, Fasern zur »hinteren Oberlippendrüse« resp. zur Giftdrüse neben solchen zu dem schmalen Saum der übrigen in dieser Region liegen- den kleinen Oberlippendrüschen abgiebt. Er theilt sich in zwei oder drei größere Astchen (s. Fig. 5 R.R.gl.p), von denen die hinteren direkt in die hintere Oberlippen-(Gift-drüse eindringen, während der vor- dere dieselbe konstant eine Strecke weit begleitet, um erst allmäh- lich in ihr aufzugehen. Feine Fasern lösen sich dabei von allen genannten Zweigen los, um, abwärts verlaufend, zu dem schmalen 468 E. Gaupp Saum der übrigen hier sehr spärlich entwickelten Oberlippendriis- chen zu treten. Dies Verhalten lässt sowohl die »hintere Oberlippendriise« wie die »Giftdrüse« als richtige, nur etwas stärker entwickelte Ober- lippendrüse erscheinen, was ja auch schon von REıcHEL hervorge- hoben ist. Ich muss noch bemerken, dass Voer (13) für Crotalus horridus Supramaxillarzweige als zur Giftdrüse tretend annimmt und Srannius (6) ganz allgemein dieselbe vom zweiten Aste des N. tri- geminus versorgt sein lässt. Die Anordnung der Nerven für die vorderen Partien der kleinen Oberlippendrüschen bis zur Schnauzendrüse hin ist bei Tropidonotus und Pelias abweichend von der bei Python geschilderten. Es war mir wenigstens nicht möglich, wie dort, mehrere aus dem Oberkiefer- kanal austretende Äste nachzuweisen; das als Alveolaris superior figurirende Endstück des Supramaxillare war vielmehr sehr fein und nur einen sehr schmalen Zweig sah ich von ihm nach außen treten. Dagegen giebt der Stamm des N. maxillaris superior bei seinem Eintritt in die Orbita, unter der Thränendrüse liegend, einen starken Ast (R.gl.a) ab, der sich nach außen wendet, zahlreiche lange Zweige zu der vorderen Partie der Oberlippendrüschen entsendet und sich schließlich selbst der medialen Seite derselben anlegt, um ganz in ihnen aufzugehen. Bei Pelias berus geht von ihm noch ein Ast zum Ausführungsgang- der Giftdrüse ab. Der als »Schnauzendrüse« (»prämaxillare Lippendrüse«) abzu- sondernde Theil der Oberlippendrüsen erhält, wie schon einige Male erwähnt, seine Fasern vom ersten Aste des Trigeminus, dessen R. septi narium aus der Nasenhöhle zur Schnauze durchbricht. Es hat sich darin also nichts in dem bei den Sauriern bestehenden Ver- halten geändert. Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, dass bei den Schlangen eine Verbindung des N. palatinus resp. eines ..stes, der aus der Verschmelzung des Palatinus mit dem Maxillaris superior hervorgegangen ist, mit dem Ophthalmicus innerhalb der Orbita, in ihrem vorderen Umfang, besteht, wie dieselbe für die Vögel schon lange beschrieben und von mir, wie ich glaube, auch bei den Cha- mäleonten gesehen ist. Für Python tigris verweise ich auf die An- gabe von Vogr. Bei Tropidonotus giebt der N. infraorbitalis eine kurze Strecke hinter der Verschmelzung mit dem aus dem Keil- beinkanal zu ihm tretenden N. palatinus einen Ast (e.c.o) ab, der schräg nach innen und vorn verläuft, um mit dem N. ophthalmicus Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 469 zu verschmelzen. Auf seinem Verlaufe, den man sich am besten durch Präparation von der ventralen Fläche aus zu Gesicht bringt, sah ich nur einige feine Gaumenschleimhautzweige von ihm abgehen, und gleichzeitig schien mir deutlich eine leichte Anschwellung zu sein, die ich jedoch nicht näher untersucht habe. Vielleicht ent- spricht dieselbe dem Ganglion ethmoidale der Vögel, doch wäre das erst durch genauere Untersuchung nachzuweisen. Glandulae labiales inferiores. Von dem Verhalten der Unterlippendrüschen der Saurier zeigen die der Schlangen eine leichte Abweichung nur darin, dass, worauf schon LEYDIG (s. REICHEL pag. 38) aufmerksam macht, der vorderste Theil eine der Schnauzendrüse des Oberkiefers ähnliche, von dem übrigen Drüsenkomplex abgesonderte Drüse darstellt. In der Nerven- versorgung findet dies in so fern seinen Ausdruck, als der eine der beiden Nerven, die vom Alveolaris inferior aus dem Unterkieferkanal nach außen treten, allein für diese Partie bestimmt ist. Das specielle Verhalten ist sehr einfach: Ein starker Ast des Alveolaris inferior (Fig. 6 Z.p) tritt durch ein an der Außenseite des Unterkiefers gelegenes hinteres Foramen aus dem Kanal aus, legt sich den hinteren Partien der Unterlippendrüschen eng an und ver- sorgt dieselben mit zahlreichen Zweigen. Bald nachdem dieser hintere Drüsennerv sich vom Stamme des Alveolaris inferior abgezweigt hat, entsendet letzterer (bei Tropido- notus) einen sehr starken Nerv (Z.a) nach außen, der durch seine Stärke als Fortsetzung des Stammes bezeichnet werden kann. Der- selbe tritt schräg nach vorn und außen durch den Knochen hindurch und legt sich der erwähnten vorderen Unterlippendrüse an, in der er sich vertheilt. Vorher giebt er noch innerhalb des Knochens einen denselben nach innen durchsetzenden Nerv ab, der wesentlich für häutige Ge- bilde des Mundhöhlenbodens bestimmt ist. Der Rest des Unter- kiefernerven (A.e) ist leicht bis zur Spitze des Alveolarkanals zu verfolgen und giebt nur noch einen später bei der Glandula sublin- gualis zu erwähnenden Ast ab. Für Python tigris schildert Vogr ein ganz ähnliches Verhalten. Bei Pelias berus habe ich den Unterkiefernerv innerhalb seines Knochenkanals nicht näher verfolgt. Die Nervenversorgung der Unterlippendrüse erscheint äußerlich ganz eben so wie bei Tropido- notus natrix. Morpholog. Jahrbuch, 14. 31 470 E. Gaupp Glandulae sublinguales anteriores. Für Python tigris ist die Nervenversorgung dieses Drüsenkom- plexes von Voer bereits richtig beschrieben worden. Der betreffende Nerv ist. wie bei den Schildkröten und Sauriern, ein Ast des N. al- veolaris inferior, der aus einem an der Innenfläche des Unterkiefers gelegenen Foramen zum Mundhöhlenboden tritt. Dass unter der Be- zeichnung »Unterzungendrüse« bei Vocr die vordere Unterzungen- drüse zu verstehen ist, kann einerseits nach der Schilderung nicht zweifelhaft sein, andererseits aus dem Grunde, weil die hintere Unterzungendrüse überhaupt lange Zeit gar nicht bekannt war. Bei Tropidonotus natrix treten zwei Nerven, ein oberflächlicher und ein tiefer gelegener aus dem Unterkieferkanal an dessen medi- aler Seite aus. Der erstere, zugleich hintere, scheint nur Haut- und vielleicht auch Muskeläste abzugeben, der tiefer, d. h. mehr dorsal- wärts verlaufende löst sich von dem letzten Endstück des Alveolaris inferior (Fig. 6 A.c) im Knochenkanal los, um nach dem Austritt aus demselben in zwei Zweige zu zerfallen, von denen sich der hin- tere mit dem N. hypoglossus (V./) verbindet (cf. BENDz, 23 pag. 132), während der vordere (#.g/), nach vorn verlaufend, sich zunächst dem am hinteren Ende der Gl. sublingualis anterior inserirenden Muskel (Retractor) anlegt, um dann nach Durchbohrung der die Drüse um- hüllenden Muskelmasse in jene selbst einzudringen. Wie sich bei den Schlangen der die »Chorda tympani« reprä- sentirende Nerv verhält, ist bisher nicht genügend aufgeklärt, leider bin ich aber nicht im Stande, selbst etwas darüber anzugeben. Glandulae sublinguales posteriores. Für diese tritt ein Nerv aus dem oben beschriebenen, für die vorderen Unterzungendrüschen bestimmten Aste ab. Er löst sich von diesem los am hinteren Ende der Gl. sublingualis anterior, an der Insertion des erwähnten M. retractor derselben, tritt dann, nach innen verlaufend, unter diesen Muskel sowie unter den der hinteren Unter- zungendrüse lateral anliegenden M. maxillo-hyoideus und dringt von unten her in den als Glandula sublingualis posterior bezeichneten Drüschenkomplex ein. Die von REICHEL vertretene Ansicht, dass die Unterzungendrüsen der Ophidier aus denen der Saurier hervorgegangen sind und dass demnach die Gl. sublingualis posterior nur dem hinteren Theile der Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 471 ursprünglich ungetheilt auftretenden Drüsenmasse entspricht, erhält durch diese Anordnung der Nerven nur ihre Bestätigung. Glandula nasalis externa. Die Drüse ist von JOH. MÜLLER (21) zuerst beschrieben und später von Born (19) und SOLGER (22) genauer untersucht worden. Sie liegt nach Srannius (Lehrbuch pag. 196 Anm.) »zwischen dem Oberkieferbein und der Seite der Nasenhöhle, bisweilen, wie bei Python tigris, umschlossen von einer in die Nasenhöhle vorragenden Einstülpung des Nasenknorpels«. Ihre Nervenversorgung durch den N. externus narium, den einen Endast des N. ophthalmieus, habe ich bei Python, Tropidonotus und Pelias beobachtet. Der genannte Nerv verläuft, nachdem er sich vom Stamme des N. ethmoidalis (so ist wohl unter Zugrundelegung der in der mensch- lichen Anatomie gebräuchlichen Nomenklatur die richtige Bezeich- nung für den R. primus N. trigemini bei seinem Eintritt in die Na- senhöhle) losgelöst hat, zunächst zwischen Knorpel und Schleimhaut schräg nach vorn und außen und zerfällt dabei in mehrere Zweige, die, unter dem Rand der knorpeligen Nasenkapsel hervortretend, auf ihrem Wege zur Apertura nasalis externa zahlreiche in die Driise dringende Fasern abgeben. Neben diesen dem R. primus des Trigeminus entstammenden Fasern glaube ich auch bei Tropidonotus wie bei den Sauriern solche wahrgenommen zu haben, die dem N. infraorbitalis entstammen. Sie werden abgegeben von ein oder zwei feinen Nerven (Fig. 5 RR.nas.p), die die Endzweige des. N. infraorbitalis in der Nasen- höhle bilden, nachdem sich von diesem die Gaumenzweige, der Ast zum R. ophtbalmieus und der eigentliche Alveolaris superior abge- spalten haben. Über ihre Natur weiß ich nichts zu sagen. Vögel. Litteratur. 28) H. Gapow, Vögel in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. 1587. Für die Nasendrüse besonders: (29) JacoBson, Sur une glande conglomerée appartenante 4 la cavité nasale. Nouv. Bulletin des sciences par la soc. philomat. de Paris. Tom. III. 6. Année. — War wir nicht zugänglich.] 31* 472 E. Gaupp 30) Nırzsch, Über die Nasendrüse der Vögel. MEckEr's Archiv. Bd. VI. 1820. Für die Kopfnerven: 31) BAMBERG, De avium nervis rostri atque linguae. Halis 1842. 32a) BONSDORFF, De nervis cerebralibus Corvi Cornicis ; 32b) —— De nervis cerebralibus Gruis cinereae; beide in: Acta societatis Fennicae. 1852. 33) MAGNIEN, Recherches sur l’anatomie comparée de la corde du tympan des Oiseaux. Comptes rendus. Tom. 101. 34) F. PLatner, Bemerkungen über das Quadratbein und die Paukenhöhle der Vögel. Leipzig 1839. 35) RirzeLt, Commentatio de nervo trigemino et glossopharyngeo. Fuldae 1843. 36) RocHAs, Des nerfs qui ont été appelés vidiens chez les Oiseaux. Comptes rendus. Tom 101. 37) SCHLEMM, Observationes neurologicae. Berlin 1834. 38) WEBER, Anatomia comparata nervi sympathici. Lipsiae 1817. Unter den Mundhöhlendrüsen der Vögel treffen wir neben schon bekannten Gebilden auch solche, die bisher noch nicht vorhanden waren. Dazu rechne ich die sogenannte »Mundwinkeldrüse« (» Pa- rotis« einiger Autoren) und in gewissem Sinne die »hintere Unter- zungendrüse«. In den übrigen »medialen« und »lateralen« Gaumen- drüsen, Zungen- und vorderen Unterzungendrüsen werden wir Homo- loga schon bei niederen Wirbelthieren auftretender Gebilde kennen lernen. Das Gleiche gilt für die »äußere Nasendrüse«, die nur durch ihre eigenthümliche Lageveränderung — sie liegt bekanntlich bald auf den Stirn-, bald auf den Nasenbeinen — interessant ist. Genaue Angaben über die Nervenversorgung irgend einer der genannten Drüsen finden sich nur sehr spärlich; allein für die Mund- winkeldrüse ist dieselbe schon öfter festgestellt worden. Die am leichtesten zugänglichen Species: Anser, Anas, Gallus eigneten sich für die diesbezügliche Untersuchung in so fern am meisten, als sämmtliche Drüsen bei ihnen vorhanden sind. Freilich wäre es sehr wünschenswerth, wenn die gefundenen Resultate ge- legentlich auch an solchen Vögeln kontrollirt würden, bei denen ge- wisse Drüsen — wie z. B. bei Pieus viridis die hintere Unterzun- gendriise — besonders stark entwickelt sind. Mundwinkeldriise. Mit Nennung der Driise finde ich den betreffenden Nerven be- schrieben bei RırzEL (35), STANNIuS (2), Gapow (28). Die übrigen Autoren schildern zwar den Nerv selbst als Ast »ad membranam 4 Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 473 mucosam anguli oris«, erwähnen die Drüse selbst aber nicht. Der betreffende Nerv löst sich vom N. maxillaris inferior los, bevor die- ser in den Unterkieferkanal eintritt, und verläuft zwischen den Kau- muskeln zum Mundwinkel, woselbst er sich theils in der Schleim- haut des Mundwinkels, theils in der Drüse verbreitet. Seine Ab- gangsstelle vom Maxillaris inferior liegt bei Gallus gleich hinter der Austrittsstelle desselben aus dem Schädel, bei Anas und Anser tiefer, kurz vor dem Eintritt des Stammes in den Unterkieferkanal. Von der Richtigkeit der Angabe Rırzer’s: »In iis avibus, quibus glan- dula parotis defieit, nervus non adest« konnte ich mich, da mir der- artige Vögel nicht zur Verfügung standen, nicht überzeugen. Die Frage nach der morphologischen Stellung der Mundwinkel- drüse wird auch durch die oben angeführten Thatsachen noch nicht zum völligen Abschluss gebracht. Nach REıcHEL ist die Mundwinkel- drüse mit einiger Wahrscheinlichkeit eine von den Sauriern her »allein aus der Zahl der (Ober-) Lippendriisen übrig gebliebene, mäch- tig entfaltete Drüse« (1 pag. 58). Sie wäre demnach homolog der Giftdrüse der Schlangen. Den Beweis dafür sucht REICHEL in der Annahme, dass die »Mundwinkelfalte« der Vögel und die »Backe« der Säuger einander gleich zu setzen seien, dass demnach auch »Mund- winkeldrüse« und »Buccaldrüsen« homolog seien. Die Homologie der letzteren mit Oberlippendrüsen folgert er dann aus gewissen ent- wicklungsgeschichtlichen Beobachtungen, die beweisen, dass die »Backe« durch Vorrücken der Lippenkommissur entstanden ist. In dieser Ansicht liegt ein leichter Widerspruch. Denn wenn man sich die »Backe« auf die zuletzt genannte Art entstanden denkt, so ist sie eben nicht mehr in ganzer Ausdehnung der »Mundwinkelfalte« gleich zu setzen. Eine solche muss überall existiren, auch da, wo keine Lippen und keine »Backe« vorhanden ist, also z. B. bei den Vögeln. Es muss nun darauf hingewiesen werden, dass schon bei den Amphibien, und weiterhin auch bei den Reptilien, der Mund- winkel mit seiner Schleimhaut das speeifische Verbreitungsgebiet eines Astes des R. tertius N. trigemini ist. (FıscHEr [11 und 24]; Voer [26] beschreibt denselben Ast für Python tigris.) Die Mund- winkelfalte charakterisirt sich auch dadurch als eine durchaus selb- ständige Region. Für die Entscheidung über die Mundwinkeldrüse und ihr Ver- hältnis zur Parotis, mit der sie auch homologisirt worden ist, fehlen uns im Augenbliek noch völlig die sicheren Anhaltspunkte. Diese werden erst zu erlangen sein auf dem Wege des Experimentes. Die 474 E. Gaupp Homologie mit der Giftdrüse der Schlangen glaube ich als ausge- schlossen betrachten zu dürfen. Überhaupt suchen wir bei den nie- deren Wirbelthieren vergebens nach einer Drüse, die der Mund- winkeldrüse gleichzustellen wäre und haben sie somit wohl anzusehen als ein neues Organ, das entstand, als mit der Lippe auch die ihr eingebetteten Lippendrüschen verloren gingen. Glandulae palatinae mediales. Hinsichtlich der Gaumendrüsen der Vögel weicht meine Ansicht nicht unerheblich von der REıcHEL'schen ab. Da dies jedoch besser erst nach Betrachtung der Nervenverhältnisse besprochen wird, so schließe ich mich zunächst der von REICHEL gegebenen Nomenkla- tur, die ja hinsichtlich der reinen Anordnungsverhältnisse auch be- rechtigt ist, an und bezeichne somit als »mediane Gaumendrüsen « den ganzen, vom vorderen Theil des Schnabels bis nahe an die Choanen am Dach der Mundhöhle gelegenen Drüsenkomplex. Der hintere Abschnitt desselben erhält Nerven vom N. supra- maxillaris, der vordere solche vom N. ophthalmicus. Bevor der N. infraorbitalis am vorderen Umfang der Orbita in den Oberkieferkanal eintritt, giebt er einen starken Ast ab, der das Palatinum durchbohrt, um dann zu lateralen Gaumenpartien zu ver- laufen. Es ist der N. palatinus posterior RITZEL. Ganz konstant entsendet er einen nach innen laufenden Ast zur medianen Gaumendrüse, der bei Anser sich schon innerhalb des Pa- latinums ablöst und dann durch einen eigenen feinen Kanal dieses Knochens nach vorn und innen dringend am vorderen Winkel der Choane zum Vorschein kommt. Außer diesem Nerv treten vom N. maxillaris superior in seinem Verlauf als Alveolaris sup. noch zwei Nerven ab, die nach Durehbohrung des Knochens sich mit einem Theil ihrer Fasern in die »mediane Gaumendrüse« einsenken. Auch diese Zweige, die beim Huhn fehlen, werden von RıtzEL und Bau- BERG, ober ohne Nennung der Drüsen, erwähnt. Die bisher beschriebenen Partien der medianen Gaumendrüse lagen auf den Processus palat. oss. max.: an sie schließt sich nach vorn ein schmäleres Stück an, das die Unterfläche des Prämaxillare bis fast zur Spitze des Schnabels einnimmt. Diese Partie erhält Nerven nur vom N. ophthalmieus. Nachdem nämlich dieser als N. septi narium die Nasenhöhle durchsetzt hat, verlässt er dieselbe durch das Foramen ineisivum und giebt sofort, bevor er selbst in Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 475 seinen Zwischenkieferkanal eintritt, einen starken Ast ab (N. pala- tinus Rirze, R. inferior N. ethmoidalis Bonsporrr). Dieser verläuft dicht neben dem der anderen Seite, zwischen Knochen und Drüse liegend, nach vorn und giebt von Stelle zu Stelle Zweige ab, die in die Drüse eindringen. So das Verhalten bei Anas und Anser. Beim Huhn fehlen, wie schon erwähnt, die zwei vorderen Zweige vom Alveolaris sup.; außer einem Ast des R. palatinus posterior treten nur Endzweige des Ophthalmieus in die Drüse ein. Wie sich das Verhältnis bei den Vögeln gestaltet, denen nach RırzEL (35 pag. 17, wo es übri- gens nicht in sessoribus, sondern wohl incessoribus heißen muss; vgl. ebenda pag. 15) der R. palatinus posterior fehlt, vermag ich nicht zu sagen.. BONSDORFF erwähnt weder bei Corvus Cornix noch bei Grus cinerea etwas von Gaumendrüsen. Nach den oben aus einander gesetzten Innervationsverhältnissen erscheint eine Homologisirung der medianen Gaumendrüsen der Vögel mit den gleichnamigen der Saurier unstatthaft. Aber schon die bloße Betrachtung der Knochenverhältnisse am Gaumen der Vögel und Saurier fordert zu einer anderen Auffassung auf. Wir finden näm- lich, z. B. am Gaumen der Ente, dass die Processus palatini des Oberkiefers, die bei den Sauriern mehr oder weniger weit von ein- ander getrennt sind, in der Mittellinie zur Vereinigung kommen, und es ist demnach ganz einleuchtend, dass Drüsen, die auf diesen Fort- sätzen liegend bei den Sauriern als laterale erschienen, bei den Vö- geln als mediane imponiren. Dieser Auffassung entsprechen die Innervationsverhältnisse der hinteren Partien der medianen Gaumen- drüsen vollkommen. Der auf dem Os praemaxillare liegende Abschnitt jener Drüsen muss dagegen für sich betrachtet werden. Entsprechend seiner Lage entstammen seine Nerven vom R. primus N. trig., dessen letztes Verbreitungsgebiet eben der Zwischenkiefer ist. Über das Schicksal der »medianen Gaumendrüsen« der Saurier kann wohl kaum ein Zweifel bestehen: dieselben sind in dem Maße zu Grunde gegan- gen, als der Vomer seine Betheiligung an der Gaumenbildung auf- gab. — So setzen sich die »medianen Gaumendrüsen« der Vögel aus zwei völlig verschiedenen Abschnitten zusammen, von denen keiner etwas mit den »medianen Gaumendrüsen« der Saurier zu thun hat. Es wäre demnach korrekter, anstatt von »medianen« und »late- ralen«, lieber von maxillaren, prämaxillaren und vomeralen Gaumen- drüsen zu reden. 476 E. Gaupp Glandulae palatinae ,,laterales“. (Eigentliche »Gaumenbeindriisen«.) Als »laterale Gaumendriisen« sind diese Driisenkomplexe bezeich- net, weil sie zu beiden Seiten der hinteren unpaaren Nasenöffnung liegen; zur Vermeidung einer Verwechslung mit den gleichnamigen Gebilden der Saurier, mit denen sie nichts zu thun haben, bezeichne ich sie als »eigentliche Gaumenbeindrüsen«, entsprechend ihrer Lage- rung in der Schleimhaut des Os palatinum. Die zu ihnen tretenden Nerven sind Rami palatini eines Stammes, der von verschiedenen Autoren beschrieben und mit verschiedenen Namen belegt ist. E. H. WEBER (38) schildert ihn für Anser do- mesticus in ausführlicher und ausgezeichneter Weise. Er bezeichnet ihn als R. secundus ganglii cervicalis supremi, der während seines Verlaufes im Canalis caroticus Verstärkungsäste von Facialis und Glossopharyngeus aufnimmt. Nach dem Austritt des gemeinsam ge- bildeten Stammes aus der vorderen Öffnung des genannten Canales (bei der Ente hinter dem Pterygosphenoidalgelenk) geht ein äußerer Ast ab, der medial vom Augapfel in die Höhe steigend sich in der Orbita mit dem R. primus N. trigemini verbindet »R. externus« WEBER, »R. nasopalatinus« Bonsporrr, »N. Vidianus« SCHLEMM und STANNIUS). Die Fortsetzung des Stammes (»R. internus« WEBER, »R. pterygopalatinus« BONSDORFF, »R. palatinus« ScHLEMM) wendet sich aufwärts auf die (dorsale) Oberfläche des Palatinum, auf der er nach vorn zur Schleimhaut der Nase verläuft. Dabei giebt er be- ständig zwei Rami palatini ab, die auf der Grenze zwischen Pala- tinum und Pterygoid nach abwärts steigend die Gaumenmuskeln durchbohren, um sich in der Schleimhaut des Gaumens zu beiden Seiten der hinteren Nasenöffnung sowie den in jener eingelagerten Drüschen zu vertheilen. Der hintere Ast dringt dabei direkt in die Drüsenlage ein, der vordere verläuft, der Schleimhaut aufliegend, erst eine Strecke weit nach vorn, um mehr allmählich in seine End- zweige zu zerfallen. Es liegt nahe, in diesen Endzweigen wesentlich Facialisfasern anzunehmen, deren Ausbreitung in der Schleimhaut des Palatinum nichts Wunderbares hat. Die Drüsen erhalten dann für die Betrach- tung sehr viel Ähnlichkeit mit den mittleren Partien der »Rachen- drüse« der Anuren, die auch zum Theil auf dem Palatinum liegend von Ästen des Palatinus versorgt werden. Gegen ihre Homologisirung mit diesen wird sich daher wohl kaum etwas einwenden lassen. Die Nervenversurgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 477 Homologie mit den »lateralen Gaumendriisen« der Saurier ist dagegen entschieden von der Hand zu weisen und eben so wenig ist wohl an eine solche mit den vomeralen (medialen) Gaumendrüsen jener zu denken. Die letzteren sind als zu Grunde gegangen zu betrachten. Gl. submaxillaris anterior. Es handelt sich hierbei um das im vorderen Unterkieferwinkel ziemlich oberflächlich liegende Drüsenpaar. Die Innervationsverhält- nisse sind ganz ähnliche wie bei der »Unterzungendrüse« der Sau- rier. Öffnet man den Unterkieferkanal von Gallus domesticus, so erkennt man — nach vorheriger Salpetersiurebehandlung —, dass der N. alveolaris inferior schon bald nach seinem Eintritt in diesen Kanal einen Ast abgiebt, der aber zunächst eine große Strecke mit dem Hauptstamm, und zwar über ihm liegend, im Knochenkanal nach vorm verläuft. Bald nach seinem Abgange vom Stamm nimmt er die Chorda tympani‘ auf und begiebt sich in der schon erwähnten Weise zu seinem Foramen, das ziemlich weit vorn, ungefähr im vorderen Drittel der Länge des Unterkiefers an dessen innerer Seite gelegen ist. Nach seinem Austritt aus dem Knochenkanal läuft er, dem Knochen eng anliegend, zwischen diesem und der vorderen Unter- kieferdrüse nach vorn, um von unten her mit Ästen in dieselbe ein- zudringen. Ganz ähnlich ist das Verhalten bei Anser und Anas, nur tritt hier der Drüsenzweig erst weiter vorn vom Stamm des Alveo- laris inferior ab. Die einzige Abweichung von dem Verhalten bei den Sauriern liegt also darin, dass der Nerv durchaus selbständig aus dem Unterkiefer austritt und keinen Zungenast entsendet. Ein solcher wird auch von dem weiter hinten abgehenden N. mylohyoi- deus nicht abgegeben. Letzterer Nerv hat mit der vorderen Unter- kieferdrüse nichts zu thun und ich erwähne dies besonders, weil er wegen seines oberflächlicheren Verlaufes immer zuerst in die Augen fällt. Er findet sich desswegen auch oft beschrieben, während der ! Die Chorda tympani der Vögel, die zuerst von PLATNER (34) beschrie- ben, dann aber lange Zeit vergessen wurde, ist neuerdings wieder durch MAG- NIEN (33) eingehend untersucht worden. Derselbe schildert ihren Verlauf bei mehreren Species und erwähnt auch, dass sie bei einer Anzahl derselben nicht in den Stamm des Inframaxillaris mündet, sondern mit einem Ast desselben einen »filet mixte« bildet, »qui se rend aux glandes salivaires qui existent dans cette région, dans l’angle formé par les deux branches de la mächoire inféri- eure«. Wie aus dem Obigen hervorgeht, stimmen die Resultate meiner Unter- suchungen damit vollkommen überein. 478 E. Gaupp eigentliche Drüsennerv wegen seiner versteckten Lage allen Unter- suchern außer MAGNIEN entgangen zu sein scheint. Die Homologie der »vorderen Unterkieferdrüse« der Vögel und der »Unterzungendrüse« der Saurier unterliegt demnach keinem Zweifel. GI. sublingualis (submaxillaris post.). Zeigte die vordere Unterkieferdrüse hinsichtlich ihrer Nerven- versorgung ein Verhalten, welches sie als völliges Homologon der Unterzungendrüse der Saurier erscheinen lässt, so finden wir hier bei der sogenannten »hinteren Unterzungendrüse« der Vögel eine neue Erscheinung, die wohl geeignet ist, die bisherige Auffassung der Drüse zu modifieiren. Nach wiederholter Präparation dieser Ver- hältnisse ist mir das Eintreten von Ästen des Glossopharyngeus zweifellos: von Zweigen des dritten Trigeminusastes zeigt sich keine Spur. Schon bei unverletzter Mundhöhlenschleimhaut kann man, be- sonders bei Anser, manchmal den N. glossopharyngeus medial von dem Wulst der hinteren Unterzungendrüse durchschimmern sehen. Bei vorsichtiger Präparation lässt sich nun namentlich nach Behand- lung mit verdünnter Salpeter- oder Essigsäure ein Ast dieses Nerven darstellen, der nach außen und vorn laufend in die hintere Unter- zungendrüse eintritt. Erst dann verfolgt der Glossopharyngeus seinen Weg weiter zur Zunge. Auch bei Gallus lässt sich der erwähnte Drüsenast nicht schwer darstellen (s. Fig. 7 #.g/), nur darf man sich nicht durch die zahl- reichen Gefäße täuschen lassen, deren bedeutendem Kaliber gegen- über der Nervenast von außerordentlicher Feinheit ist. Danach haben wir die hintere Unterzungendrüse der Vögel unter einem anderen Gesichtspunkte aufzufassen als die vordere. Für sie erscheint völlig richtig was REICHEL für die Unterzungendrüsen der Saurier annahm: sie ist thatsächlich als von der Zunge herabgerückte Zungendrüsenpartie zu betrachten. Als ein Grund für dieses Herab- rücken kann vielleicht das starke Auswachsen des Schnabels ange- sehen werden. Dazu kommt aber, dass überhaupt die Zunge der Vögel gegenüber der der Saurier im Allgemeinen redueirt erscheint, was in der meist mangelhaften Entwicklung der Muskulatur seinen Ausdruck findet. te Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 479 Glandulae linguales. Für diese bleibt, da weder Trigeminus noch Facialis Zungenäste abgeben, kein anderer Nerv übrig als der Glossopharyngeus. Seine Vertheilung an den Drüsen der Zunge kann man bei Anas und An- ser leicht erkennen. Es gehen hier von dem in der Mitte des Zun- genrückens neben dem der anderen Seite verlaufenden Stamm des Nerven zahlreiche Zweige ab, die, der Oberfläche der Zunge fol- gend, sich nach außen und unten wenden, um unter Bildung eines feinen Geflechtes sich schließlich in den Drüsenmassen zu vertheilen. Wir finden bei den Vögeln also wieder ein primäres Verhalten wie bei den Urodelen und Krokodilen. Gleichwohl sind, wenn man ganz exakt sein will, nur die mittleren Partien der Zungendrüsen bei den letzteren für die Homologie mit den Zungendrüsen der Vögel in Anspruch zu nehmen; die seitlichen haben ihren Platz auf der Zunge aufgegeben und sind zu »hinteren Unterzungendrüsen« ge- worden. In diesem Sinne möchte ich auch den Umstand, dass die Drü- senmündungen bei den Vögeln auf den Seitentheilen der Zunge sich finden, als Andeutung einer hier bestehenden, nach abwärts ge- richteten Tendenz — bedingt durch das Auswachsen des Unterkiefers — betrachten, die ihren schärfsten Ausdruck in der bereits erfolgten Ablösung einer ursprünglich auf der Zunge gelegenen Drüsenpartie gefunden hat. Glandula nasalis externa. In der sehr ausführlichen Arbeit von Nirzscu (30) über diese Drüse finden Angaben von JacoBson (29) Erwähnung, — dessen Aufsatz selbst ich leider nicht erlangen konnte, — wonach sich die Nerven der Drüse eben so verhalten, wie die der »Glande laterale DE STENSON « bei den Säugethieren, als deren Homologon JACoOBSON unsere Drüse ansieht. Danach kommen die Nerven theils vom fünften Paare als vom Nasalis posterior und superior, theils auch vom Trisplanchnicus. Ob Jacopson bei irgend einer Species ge- nauere Angaben über das Verhalten macht, ist aus dem NırzscH- schen Aufsatz nicht zu ersehen; bei der großartigen Verwirrung, die in der Benennung der Nerven bei den verschiedenen Autoren herrscht, ist mit den oben erwähnten Angaben nicht viel zu machen, zumal sie nicht für eine bestimmte Species genauer präeisirt sind. a L, 480 E. Gaupp Von den übrigen Autoren beschreibt nur BONSDORFF (32) die Drüsennerven bei Grus cinerea. Was ich selbst darüber gefunden habe, ist Folgendes: Die Drüse liegt bei den untersuchten Species längs des oberen Randes der Orbita. Ganz konstant treten zwei Arten von Nervenfasern zu ihr: die einen vom N. ophthalmicus, die anderen vom Stamme des N. supramaxillaris. Die ersteren lösen sich im vorderen Abschnitt der Orbita vom Ophthalmieus los und dringen zum Theil zur Stirn und zum oberen Lid, zum Theil senken sie sich in die Nasendrüse ein und bilden Anastomosen mit dem vom N. supramaxillaris kom- menden Nerv. Dieser löst sich vom zweiten Trigeminusaste ab, bevor derselbe in die Augenhöhle tritt. In diese dringt er zusam- men mit dem Hauptstamme, läuft, der hinteren Wand der Orbita eng anliegend, aufwärts und senkt sich ungefähr in der Mitte der Drüse in deren Parenchym ein. Dabei bildet er Anastomosen mit den Astchen, die vom Ophthalmieus zur Drüse treten. Ein Verhalten, das von diesem bei Gallus, Anser, Anas Gefun- denen etwas abweicht, beschreibt BoNsDoRFF von Grus cinerea (32b). Hiernach giebt der N. ophthalmicus bald nach seinem Ein- tritt in die Augenhöhle einen »R. ad glandulam frontalem« ab, der auch mit einem R. palpebralis superior vom N. supramaxillaris sich verbindet. Außerdem lässt BONSDORFF noch einen Nerv vom Gan- glion ethmoidale, das sich in der Bahn des Verbindungsastes! zwi- schen N. facialis und Ophthalmicus findet, zum Ausführungsgang der Drüse treten. Dies Ganglion fehlt den von mir untersuchten Vögeln; auch einen ähnlich verlaufenden Driisennerv habe ich nicht gefunden. Vom N. externus narium, der sich schon in der Orbita vom Stamm des Ophthalmicus abspaltet und, dem Ausführungsgang der Drüse anliegend, nach vorn und außen verläuft, sah ich nie mehr Zweige in diesen Gang eintreten. ! Das schon im Prineip verfehlte Unternehmen, die Verhältnisse der höchst- entwickelten Wirbelthiere, der Säuger resp. des Menschen, zum Ausgangspunkt zu nehmen und nach ihnen die der niederen Typen erklären zu wollen, hat in der Benennung dieses Verbindungsastes eine gründliche Verwirrung hervorge- rufen. Mit Vorliebe hat man ihn N. Vidianus genannt, womit freilich gar nichts gesagt ist. Erst kürzlich hat RocHAs (36) diesen Übelstand hervorge- hoben, ohne freilich selbst eine eigene Ansicht über die Natur des Nerven zu äußern. Ich habe oben erwähnt, dass ich bei Chamaeleo, Platydactylus, sowie auch zweifellos bei Tropidonotus natrix eine Verbindurg des N. palatinus mit dem Ophthalmicus innerhalb der Orbita wahrgenommen habe und stehe ich da- her nicht an, den fraglichen Nerven der Vögel diesem zu homologisiren. Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 48] Erwähnt muss noch werden, dass der Drüsenast des N. supra- maxillaris bald nach dem Eintritt eines R. communicans e. n. pa- latino (R. recurrens s. »Vidianus« Aut.) in diesen entsteht und bei Grus cinerea nach Bonsporrr noch Fasern aus einem Ganglion sphenopalatinum erhält. Interessant ist jedenfalls, dass auch bei den Vögeln, wie schon bei den Sauriern und Ophidiern, außer Ästen des N. ophthalmicus noch solche vom Maxillaris superior zur seitlichen Nasendrüse in Beziehung treten. Welche Bedeutung den einzelnen Nervenfasern zukommt, muss durch das physiologische Experiment festgestellt werden. Die Homologisirung der seitlichen Nasendrüse der Vögel mit der bei den Sauriern dürfte wohl kaum auf erhebliche Schwierig- keiten stoßen. Säuger. Litteratur. 39) Cuvier, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Übersetzt von MECKEL. 40) L. Francx, Handbuch der Anatomie der Hausthiere. Stuttgart 1871. 41) W. Krause, Die Anatomie des Kaninchens. Leipzig 1884. 42) L. Löwe, Beiträge zur Anatomie der Nase und Mundhöhle. Berlin 1878. Für die Nasendrüsen besonders: 43) ©. GEGENBAUR, Über das Rudiment einer septalen Nasendriise beim Men- schen. Morph. Jahrbuch. Bd. XI. 1885. [44) C. Kanero, Uber Entwicklung und Bau der STENO’schen Nasendriise der Säugethiere. Inaug.-Dissert. Dorpat 1884 — habe ich nicht erlangen können.] Für das periphere Nervensystem noch besonders: 45) J. MÜLLER, Über das Ganglion.oticum Arnoldi. MeckeEr’s Archiv. 1832. 46) J. Swan, A demonstration of the nerves of the human body. London 1843. 47) G. SCHWALBE, Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1851. Die Säugethiere habe ich nicht mehr untersuchen können und muss mich daher darauf beschränken, das, was ich etwa in der Litteratur gefunden habe, zu erwähnen. Hinsichtlich der drei großen Mundhöhlendrüsen — Submaxillaris, Sublingualis, Parotis — sind die Innervationsverhältnisse am besten bekannt. Die Gl. submaxillaris erhält — außer sympathischen Fasern — Nerven vom Ganglion submaxillare, dem sie durch die Chorda tympani zugeführt werden. Eben so gelangen Facialisfasern durch den R. sublingualis zur Gl. sublingualis. Für die Parotis ist bekanntlich physiologisch festgestellt, dass 482 E. Gaupp ihre Fasern aus dem Glossopharyngeus kommen und zur Drüse auf dem Wege des Petrosus superficialis minor — Ganglion oticum Ar- NOLDI —- Auriculo-temporalis gelangen. Beim Kaninchen, wo das Ganglion »zweilappig« (J. MULLER 45) ist, kommen die Verbindungs- fasern zum Auriculo-temporalis nach Krause (41 pag. 204) aus der hinteren Portion. Den vom dritten Trigeminusaste zur Parotis gehen- den Nerv beschreibt iibrigens, ohne das Ganglion und seine Aste zu kennen, schon CuvIEr beim Kalbe. Ich komme auf das Verhalten der Parotis noch zurück. Was die übrigen kleineren Drüsen, resp. Drüsengruppen in der Mundhöhle der Säuger anlangt, so sind Angaben über ihre Nerven- versorgung nur sehr spärlich vorhanden, auch scheint die Drüsen- anordnung selbst noch nicht hinreichend sicher festgestellt, so dass dies Kapitel einer neuen Bearbeitung sehr werth wäre. REICHEL eitirt nur Angaben von MECKEL, denen aber nach LoEwE's und Krause’s Untersuchungen manche Zusätze zu machen sind. Für die Glandulae labiales superiores (FRANK, LOEWE) und in- feriores sind mir direkte Angaben über hinzutretende Nerven nicht bekannt; der N. infraorbitalis dürfte aber wohl für die ersteren, der N. mentalis für die letzteren — mindestens als Fasern zuführender Nerv — zu betrachten sein. Für die »Gl. mandibularis superficialis« des Kaninchens giebt ihr Entdecker LoEwE (42 pag. 15) keine Nerven an. Im Anschluss an die Lippendrüsen finden sich Backendrüsen, und zwar wieder Glandulae buccales superiores und inferiores (Franck, Krause). Zur ersten Gruppe gehört auch die »Gl. infra- orbitalis« des Hundes; letztere (die Gl. buce. inf.) ist wohl die von LoEwE als »Backenzahndrüse« bezeichnete Partie. Angaben über Nervenversorgung dieser Drüsen machen mehrere Autoren. So führt MÜLLER (45) an, dass beim Kalb der N. buccinatorius des dritten Trigeminusastes nach Aufnahme eines Zweiges aus dem Ganglion oticum zu den Backendriisen geht. Ähnliches beschreibt Franck beim Pferde. Dem entsprechend laufen nach Krause auch für die Glandula infraorbitalis die Nerven in der Bahn des Buceinatorius. Wichtig und bemerkenswerth erscheint es mir, dass Swan (45) für den Menschen dreierlei verschiedene Nervenzweige als zu den Backen- drüsen gehend schildert, nämlich 1) solche, die vom N. buceinatorius, 2) solche, die von Endzweigen des N. infraorbitalis, und 3) solche, die von den Rami laterales inferiores des Alveolaris inferior abgehen. Ich komme weiter unten näher darauf zurück. Nervenversorgung der Mund- und Näsenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 483 Angaben iiber die Innervation der Gaumendriisen habe ich nur bei SCHWALBE (47), und zwar fiir den Menschen, gefunden. Danach werden die Driisen des harten Gaumens vom N. palatinus anterior s. major aus dem Ganglion sphenopalatinum versorgt. Für die des weichen Gaumens sind wohl gleichfalls Äste aus dem genannten Ganglion anzunehmen. Hinsichtlich der Zungendrüschen sind direkte Angaben, so weit mir bekannt, nicht vorhanden. Gewiss wäre es sehr interessant, ge- nauere Untersuchungen darüber anzustellen, um zu ermitteln, wie sich einerseits der Glossopharyngeus, andererseits der Facialis zu ihnen verhält. Vom Trigeminus wird dabei wohl abzusehen sein. Im Bereich der Nasenhöhle ist schon von STENSON eine »seit- liche Nasendrüse« beschrieben, der neuerdings von KANGRO wieder besondere Aufmerksamkeit geschenkt ist. Da mir die KAanGro’sche Arbeit (43) nicht zur Verfügung stand, so weiß ich nicht, ob etwa in derselben irgend etwas über die Innervation der Drüse gesagt ist. Bei anderen Autoren finde ich nichts Bestimmtes; mit der An- gabe in dem Aufsatz von Nirzscu über die Nasendrüse der Vögel (30), nach welcher die Nerven der Steno’schen Drüse theils vom fünften Paare als vom N. nasalis posterior und superior, theils vom Trisplanchnicus kommen, ist bei den großen Differenzen in der Nomenklatur namentlich der Nasenäste nicht viel zu machen. Eben so unbekannt ist, ob das von GEGENBAUR (43) zuerst entdeckte Rudi- ment einer septalen Nasendrüse bei den Säugern noch zu Nerven in einer bestimmten Beziehung steht. Wahrscheinlich aber sind beide Drüsen Homologa der »äußeren« (oberen) resp. »septalen« (unteren) Nasendrüse der Amphibien und Chelonier. Dass die Glandula submaxillaris und sublingualis den Unter- zungendrüsen der Reptilien homolog sind, ist wohl zweifellos. Auch die Homologisirung der übrigen kleineren Mundhöhlendrüsen mit solchen der Reptilien stößt auf keine Schwierigkeiten. Nur über die Backendrüsen, zu denen auch die Parotis gehört, werden wir nicht so leicht hinweggehen können. Wenn die Angabe Swan’s richtig ist, dass beim Menschen Zweige des Infraorbitalis (labiales superiores) und solche des Mentalis (labiales inferiores) zu ihnen treten, so kann ohne Weiteres zugestanden werden, dass die betreffenden Gruppen den Lippendrüsen gleichzusetzen seien. Dies würde durchaus mit den ReicHer'schen Angaben über die erste Anlage der Buccaldrüsen übereinstimmen (1 pag. 64). | Leider macht SwAn keine genaueren Bemerkungen darüber, ob 484 E. Gaupp die Partien der Backendriisen, zu denen seiner Angabe nach Nerven vom Buceinatorius treten, von denen besonders unterschieden oder getrennt sind, die vom Infraorbitalis resp. Mentalis versorgt werden. Wie dem aber auch sei, jedenfalls beschreiben J. MÜLLER, FRANCK und Krause übereinstimmend, dass Endzweige des N. buceinatorius »zu den Backendrüsen« gehen und am bestimmtesten giebt dies Krause von der Gl. infraorbitalis, die den oberen Backendrüsen zuzurechnen ist, an, indem er sagt: »Ihre Nerven verlaufen beim Hunde in der Bahn des Buceinatorius, dessen Erregung Sekretion veranlasst.« Nun ist damit freilich noch nicht festgestellt, welcher Natur die sekretorischen Fasern sind und wie sich dem zufolge die Gl. infraorbitalis zur Parotis verhält, aber von einer Homologie aller dieser Drüsen, die vom Buceinatorius versorgt werden, mit Ober- lippendrüsen kann wohl nicht mehr die Rede sein. Das größte In- teresse hat dies für die Parotis, welche bisher gewöhnlich als Ho- mologon der Giftdrüse angesehen wurde. Diese ist aber eine richtige Oberlippendriise und wird als solche durchaus von Oberlippennerven versorgt, während uns für die Parotis ein sicher festgestelltes Seiten- stück bisher fehlt. Möglicherweise stellt sich die Mundwinkeldrüse der Vögel einmal als solches heraus. _Für den Augenblick lässt sich nur sagen: Die Parotis ist kein Homologon der Giftdrüse, sondern ist ihrer Natur nach noch nicht sicher zu bestimmen. Ihre Versor- gung durch den Glossopharyngeus ist nur durch die Annahme zu er- klären, dass die Drüse, resp. die Schleimhaut, von der aus sie sich entwickelt, von jeher dem genannten Nerven angehörte. Die That- sache, dass der Drüsenausführungsgang im Gebiete des Oberkiefers mündet, ist zurückzuführen auf eine sekundäre Verschiebung der Theile gegen einander, bedingt durch die gewaltige Entwicklung des Craniums über den visceralen Theil des Schädels.. Man kann sich vorstellen, dass durch die Richtung dieser Entwicklung eine Um- lagerung nicht nur der knöchernen Skelettheile — der Nasenhöhle zur Orbita — sondern auch der Weichtheile bewirkt wird. Auf gleiche Weise wird man sich das Verhalten der Glandula infraorbitalis zu denken haben, deren Versorgung durch den R. buc- cinatorius des Inframaxillaris trotz ihrer Lage in der Orbita ein schönes Beispiel für die Beständigkeit des zwischen einem Nerv und einem bestimmten Organ einmal erlangten Zusammenhanges darbietet. Bei den übrigen Buccaldrüsen, die vom Buceinatorius Fasern erhal- ten, ist das Verhältnis nicht so auffallend, da dieselben keine größere Ausdehnung erlangen. Es muss dem physiologischen Experiment mee i F Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 485 überlassen bleiben, zu zeigen, ob die sekretorischen Nerven der er- wähnten Drüsen dem Trigeminus selbst entstammen oder ihm auch nur von anderen Nerven her — Glossopharyngeus — zugeführt wer- den, ob somit die Parotis zu ihnen gehört — das ist aber vom mor- phologischen Gesichtspunkte aus schon jetzt als sicher hinzustellen, dass sie eine besondere Kategorie von Drüsen bilden, die zum min- desten nicht Oberlippendrüsen sind. Ich habe schon bei der Be- trachtung der Mundwinkeldrüse der Vögel darauf hingewiesen, dass an der »Backe« neben dem (vorderen) Theil, der aus dem Vorrücken der Lippenkommissur entstanden zu denken ist, auch ein solcher unterschieden werden muss, der dem eigentlichen primären » Mund- winkel« entsprieht, und habe gezeigt, dass die Schleimhautnerven dieses Gebietes schon bei Amphibien, und weiterhin bei den Rep- tilien, in der Bahn eines Zweiges des Inframaxillaris verlaufen. Bei einer sekundären Lageveränderung dieses Schleimhautgebietes in den Bereich des Oberkiefers, wie sie durch das schon erwähnte Moment des Schädelwachsthums zu erklären ist, machte der Nerv diese Wanderung mit und gelangte so in eine auf den ersten Blick immerhin auffallende Lagebeziehung zum Oberkiefer. Die obigen Auseinandersetzungen haben in so fern viel Hypo- thetisches, als ja die rein anatomische Präparation nicht im Stande ist, einen Nervenast seiner ursprünglichen Herkunft nach zu erkennen. Ich halte es für nothwendig, diesen Mangel hier noch einmal zu betonen und damit zugleich nochmals auf die Unentbehrlichkeit des physiologischen Experiments bei allen die Morphologie des peri- pheren Nervensystems betreffenden Fragen hinzuweisen. Erst wenn auf experimentellem Wege die mannigfachen Anastomosen, Plexus etc. in ihre einzelnen Bestandtheile aufgelöst sein werden, wird die ver- gleichend-anatomische Betrachtung daraus den vollen Nutzen für die Entscheidung mancher zur Zeit noch offener Fragen ziehen können. Die Resultate meiner Untersuchungen sind, ganz kurz zusammen- gefasst, folgende: Mundhöhlendrüsen treten bei den Wirbelthieren auf: 1) im Bereich des Oberkiefers (Oberlippe und Gaumen), 2) im Bereich des Unterkiefers (Unterlippe und Mundhöhlenboden), 3) an der Grenze zwischen beiden Gebieten, am Mundwinkel. Morpholog. Jahrbuch. 14. 32 486 E. Gaupp Die Oberlippendrüsen sind zu trennen in maxillare und prämaxillare Oberlippendrüsen. Letz- tere finden sich scharf von den ersteren gesondert bei Sauriern und Ophidiern und erhalten ihre Nerven vom R. ophthalmieus trigeminus. Erstere liegen im Bereich des Os maxillare bei Sauriern, Ophi- diern, Säugern. Zu ihnen gehört die Giftdrüse der Schlangen. Nerven erhalten sie vom R. maxillaris superior N. trigemini. Das Verhalten des vom N. ethmoidalis kommenden N. septi narium zum Prämaxillargebiet bei den Säugern scheint mir noch einer genaueren Untersuchung bedürftig. Gaumendrüsen werden am besten geschieden nach den Knochen, in deren Gebiet sie liegen. a) vomerale, vom N. palatinus (Facialis) unmittelbar versorgte, finden sich bei Sauriern. Hierher gehört wohl ein Theil der »Rachendrüschen« der Anuren, sowie der Intermaxillardrüs- chen der Amphibien. b) prämaxillare, vom R. primus N. trigemini versorgt, finden sich ausgesprochen bei Cheloniern und Vögeln. Vielleicht gehört ein Theil der Intermaxillardrüschen hierher. c) maxillare (Proc. pal. oss. max. sup.}, gewöhnlich durch Fa- sern aus dem Plexus sphenopalatinus, also wahrscheinlich auch von lateralen Facialisfasern versorgt bei Sauriern, Che- loniern, Vögeln (bei letzteren als »mediale« imponirend). d) Gaumenbeindrüsen, vom N. palatinus des Facialis versorgt, bei Anuren (Theil der Rachendrüschen) und Vögeln. Unterlippendrüsen werden sämmtlich von Asten des N. alveolaris inferior versorgt. Ob in diesen Facialisfasern verlaufen, ist bisher unbekannt. Sie finden sich bei Sauriern, Ophidiern, Säugern. Drüsen des Mundhöhlenbodens scheiden sich in solche, die im Bereich des N. glossopharyngeus, und in solche, die in dem des Trigeminus und Facialis liegen. Erstere finden sich bei Amphibien, Reptilien, Vögeln, Säugern als Zungendrüsen; bei den Vögeln auch zum Theil als »hintere Un- terzungendrüsen«. Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 487 Letztere, von in der Bahn des Trigeminus verlaufenden Facialis- fasern versorgt, finden sich als Unterzungendriisen sicher bei Säu- gern und wahrscheinlich ebenfalls als Unterzungendrüsen bei Chelo- niern, Sauriern, Ophidiern, Vögeln (vordere Unterzungendrüsen « letzterer). Vermuthlich sind die lateralen Zungendrüschen bei Che- loniern, Sauriern und Säugern ihnen gleichzusetzen. Drüsen des Mundwinkelgebietes. Nach Abzug der oben genannten Drüsen bleibt eine Anzahl am Mundwinkel resp. der Backe gelegener, bisher nieht zu klassifieiren- der Drüschen übrig. Es sind die Mundwinkeldrüse der Vögel, sowie die vom N. buceinatorius versorgten Backendriisen und die Parotis der Säuger. Sie erfordern weitere Untersuchungen. Im Bereich der Nasenhöhle finden sich ziemlich konstant 1) eine äußere, bald hinter der Apertura nasalis externa mün- dende Drüse, vom N. externus narium versorgt. (Der ver- schiedentlich erwähnte Antheil des N. infraorbitalis entzieht sich bisher der Beurtheilung.) Tritt auf bei Amphibien, Rep- tilien und Vögeln. Vielleicht gehört die Sreno’sche Drüse der Säuger hierher; 2) eine septale, vom N. septi narium (R. primus N. trigemini) versorgte bei Amphibien, einigen Cheloniern. Auch diese ist möglicherweise beim Menschen als Rudiment vor- handen. Das Material zu meinen Untersuehungen wurde mir zum weitaus srößten Theil aus den Sammlungen und Mitteln des hiesigen ana- tomischen Instituts zur Verfügung gestellt. Dem Leiter dieses In- stituts, Herrn Geh. Medicinalrath Prof. Dr. €. Hasse drängt es mich, dafür sowie für das meiner Arbeit jeder Zeit entgegengebrachte wohl- wollende Interesse meinen wärmsten Dank auszusprechen. Aber auch Herrn Prof. Dr. Born, unter dessen Augen die Arbeit zu Stande kam, bin ich zu hohem Danke verpflichtet. Breslau, Mai 1888. 32* 488 Fig. Fig. Fig. E. Gaupp Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. x 1. Verzweigung des N. nasalis bei Salamandra maculosa. (Halbschema- tisch.) Die Knochen, sowie der größte Theil der knorpeligen Nasen- kapsel und die knorpelige Decke des Cav. internasale sind entfernt. Die Reste der knorpeligen Nasenkapsel sind schraffirt. Die Masse der Gl. intermaxillaris ist gleichfalls entfernt. C.i Cavum internasale, Gl.na.sup Glandula nasalis superior, A.na.e Apertura nas. externa, Olf N. olfactorius, N.o N. ophthalmicus, N.s.n N. septi narium, R.en NR. externus narium, R.e R. communicans ce. palatino, R.n.p.s R. nas. post. sup., RR.pr RR. praemaxillares für die Schnauzenhaut, « Aste unbekannter Endigung, N.pa N. palatinus (Facialis). 2. Rachendrüse von Bombinator igneus nebst ihren Nerven (von der Mundschleimhaut her präparirt). Der Vomer ist entfernt. B.o Bulbus oculi, Ch Choane, Rd Rachendriise, G.H Glandula Harderi, O.t M. obl. inf., N.pa Nerv. palatinus, R.c R. communicans ce. Maxill. sup., R.gl. Ast aus dem R. communicans für die lateralen Rachendrüschen, R.gl.m Ast. des N. palatinus für die medialen Rachendrüschen. 3. Schema für die Verzweigungen des N. maxillaris superior und N. pa- latinus (Facialis) von Chamaeleo Afric. N.io N. infraorbitalis, N.pa N. palatinus (Ast des Facialis), R.c.a KR. communicans anterior zwischen Infraorbitalis und Palatinus, pa.l.p Ramus palat. lateral. post. pa.l.a Ramus palat. lateral. ant. f 7" A.s N. alveolaris superior, Na.p.i R. nasalis post. inf., pa.med RR. palat. mediae zur Vomerschleimhaut (mediale Gaumendriise), e.c.o R. eommunieans e. ophthalmico. ateralen Gaumendrüse, Be Ira w_ _Morpholog. Jahrbuch Bd. XIV. any, 7 7 aif Taf. XIX. on I i Fig.2. \\ \ \ I \ | f BETZ GR —— TG er) ern Ca \ Wy, ZAN Um nn! h - nun” N.m.S. Lith. Anst.v E. A Funke, Leipzig. By 4 Les + $2 e > * Be HR f a | Th . 2 A B N % m ) wit 4 +o a Pr Mr S ve nversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere. 489 Fig. 4. Verzweigung des N. externus narium bei Crocodilus niloticus. N.e.n Nervus extern. nar. R.s oberer R.m mittlerer } Theilast, Ri unterer 3 RR.gl Rami ad glandulam nasalem. | Fig. 5. Schema der Verzweigungen des N. supramaxillaris bei Tropidonotus natrix. N.m.s N. maxillaris superior beim Austritt aus dem Schädel, N.io Fortsetzung desselben als N. infraorbitalis, N.pa(Vid) N. palatinus des Facialis (N. Vidianus Aut.), N.o N. vphthalmiecus, RR.gl.p Zweige zur »hinteren Oberlippendrüse«, R.gl.a Zweig zu den vorderen Partien der »maxillaren« Oberlippendriischen, RR.pal Gaumenhautzweige, A.s N. alveolaris superior, RR.nas.p Rami nasales posteriores, c.c.o R. communicans c. n. ophthalmico. Fig. 6. Verbreitung des N. alveolaris inf. bei Tropidonotus natrix. N.a.t N. alveolaris inferior, Z.p hinterer Unterlippennerv, L.a vorderer Unterlippennerv, N.h N. hypoglossus, R.gi R. ad glandulam subling. et submax., At Rest des Alveolaris inf. im Unterkieferkanal. Fig. 7. Unterkiefer von Gallus domesticus. Der Nerv der Glandula sublin- gualis (posterior) ist präparirt. Gil.sm Glandula submaxillaris (sublingualis anterior), Gl.s! Glandula sublingualis (sublingualis posterior), N.gi Nervus glossopharyngeus, R.gi Ramus ad glandulam sublingualem, Z Zunge. Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. Von August Weismann. In Band XIII Heft 4 dieser Zeitschrift hat Herr Prof. BLOCHMANN unter dem Titel »Bemerkungen zu den Publikationen über die Rich- tungskörper bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern« einen Angriff gegen mich gerichtet, der mich zu einer Erwiederung nöthigt. Herr BLOCHMAnN macht mir darin bittere Vorwürfe, seine Verdienste in Betreff einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis nicht gehörig ins Licht gestellt zu haben, ja er giebt sich sogar den Anschein, . als könne er mir das Verdienst der betreffenden Entdeckung streitig machen. Es handelt sich um die Erkenntnis, dass bei den parthenoge- netischen Eiern der Thiere nur ein Richtungskörper gebildet wird, bei befruchtungsbedürftigen aber deren zwei, eine Thatsache, welche man vielleicht am besten kurz als das»Zahlengesetz der Rich- tungskörper« bezeichnen kann. Darüber nun, dass ich der Erste und bisher auch der Einzige war, der dieses Gesetz aufgestellt, &r- wiesen und in seine weittragenden Konsequenzen hinein verfolgt hat, darüber kann kein Zweifel sein; das liegt vor aller Welt offen da, und kann auch von Herrn BLOCHMANN nicht im Ernst bestritten werden. Dennoch giebt derselbe sich den Anschein, es zu bestrei- ten: Er habe die Einzahl der Richtungskörper bei parthenogeneti- schen Eiern vor mir »betont«, er sei der Erste gewesen, der den »interessanten Unterschied in der Zahl der Richtungskörper hervor- gehoben habe, nicht ich, und meine Darstellung der Geschichte dieser Entdeckung sei irreleitend, enthalte ‚sinnentstellende Ungenauigkei- ten‘, sehr geeignet, meine ‚Prioritätsbestrebungen ‘ vortrefflich zu Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. 491 unterstützen« etc. Damit begnügt sich aber Herr BLOCHMANN nicht, vielmehr sucht er auf alle nur mögliche Weise den Leser zu über- zeugen, dass meine Darstellung geradezu auf Unwahrheit beruht. Ehe ich nun zu meiner Vertheidigung schreite gegen so schwere Anklagen, muss ich noch Zweierlei vorausschicken: erstens, dass in meinen beiden bisher erschienenen Schriften über das » Zahlengesetz « von »Prioritätsbestrebungen« nichts enthalten ist — ich hatte keinen Grund zu solehen Bestrebungen, da mein Recht nicht bestritten wor- den war — und zweitens, dass, wenn BLOCHMANN in Bezug auf die Entdeckung des Zahlengesetzes jetzt von »seinen Arbeiten « spricht, dies nicht etwa dahin zu verstehen ist, als habe derselbe Arbeiten veröffentlicht, deren Hauptinhalt sich auf das Zahlengesetz bezieht. Die beiden Arbeiten', von denen in seinem Pamphlet die Rede ist, haben vielmehr zum Gegenstand den Nachweis, dass bei Insekten- eiern die so lange vergeblich gesuchten Richtungskörper dennoch vorhanden sind und nur gelegentlich der Mittheilung dieses Fundes wird eine Vermuthung in Bezug auf die Bedeutung der Zahl der Richtungskörper geäußert. Im seiner ersten Schrift sind es zehn Zeilen, die sich darauf beziehen, in seiner zweiten, ausführlichen, etwas über eine halbe Seite. BLOCHMANN hat über das Zahlengesetz überhaupt nicht »gearbeitet«, sondern nur gelegentlich seiner Befunde an Aphis eine Vermuthung geäußert, welche er jetzt meinen beiden Schriften als gleichwertbig gegenüber stellt, deren erste das Zahlen- gesetzt aufstellt und theoretisch verwerthet, deren zweite die spe- eiellen thatsächlichen Belege für seine Richtigkeit liefert. Beide sind nach Herrn BLOCHMANN’sS Schriften erschienen ?. Was nun meine Darstellung der Entdeckungsgeschichte des »Zah- lengesetzes « betrifft, so wüsste ich sie auch heute noch nicht besser, genauer und wahrheitsgetreuer zu geben, als ich sie schon in der ersten der beiden genannten Schriften gegeben habe. Ich wieder- hole desshalb jene Darstellung hier in Kürze, indem ich nur das wörtlich anführe, was sich auf Herrn BLocuMaAnn bezieht. Die Darstellung beginnt mit meiner Entdeckung vom Jahre 1885, 1 BLOCHMANN, Über die Richtungskörper bei Insekteneiern. Biolog. Cen- tralblatt. Bd. VII. Nr. 4; und: Uber die Richtungskörper bei Insekteneiern. Morph. Jahrbuch. Bd. XII. pag. 544. 2 WEISMANN, Uber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung. Jena 1887; und: WEISMAnN und ISCHIKAWA, Über die Bildung der Richtungskörper bei thierischen Eiern. Freiburg 1887 (zugleich in den Berichten der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. II). 492 August Weismann welche zeigte, dass auch bei parthenogenetischen Eiern Richtungs- körper gebildet werden, bespricht dieselbe in ihrer theoretischen Be- deutung und schildert dann, wie sich mir allmählich, d. h. im Laufe weiterer Untersuchungen die Thatsache enthüllte, dass bei Parthe- nogenese nur ein Richtungskörper gebildet wird, wie mich dies auf den Gedanken führte, es möchte dieses vielleicht ein allgemeiner Unterschied von den befruchtungsbedürftigen Eiern sein, bei denen zwar nicht immer, aber doch vielfach zwei Richtungskérper beob- achtet worden waren. Ich berichte sodann, welche Wege ich ein- schlug, um darüber ins Klare zu kommen, und wie dann allmählich — in dem Maße, als das Thatsachenmaterial zunahm — sich mir die Überzeugung festsetzte, dass dem wirklich so sei; wie ich dann im Juli 1886 »einen Theil der an parthenogenetischen Eiern gemachten Beobachtungen« zwar veröffentlichte, die daraus und aus den entsprechenden Vorgängen an befruchtungsbedürftigen Eiern gezogene Folgerung aber absichtlich weder erwähnte, noch auch nur die Einzahl der Riehtungskörper bei par- thenogenetischen Eiern besonders betonte — aus Gründen, die nachher zur Sprache kommen sollen. Es heißt dann weiter, dass ich auch jetzt (Mai 1887) noch nicht mit dem Zahlenge- setz hervorgetreten sein würde, »wenn nicht von anderer Seite her derselbe Gedanke auf Grund meiner eigenen, sowie einer neuen Beobachtung gestreift worden wäre«. »In der neuesten Nummer des Biologischen Centralblattes giebt BLOCHMANN über seine schon früher veröffentlichten, neuerdings aber noch weiter fortgesetzten Untersuchungen über die Bildung von Rich- tungskörpern bei den Insekteneiern Bericht. Bekanntlich hatte die- ser feine und sorgfältige Beobachter schon früher den Nachweis ge- führt, dass auch bei den Insekten Richtungskörper gebildet werden, während man bis dahin dieselben vermisst hatte. Durch BLOCHMANN sind sie bis jetzt bei Vertretern dreier verschiedener Insektenord- nungen nachgewiesen —« ete. »Dieser Nachweis ist wichtig« ete. Dann geht es weiter: In seinem neuesten Beitrag zur Kenntnis die- ser Verhältnisse bringt BLOCHMmAnN nun den Nachweis, dass auch bei den Blattläusen Richtungskörper gebildet werden. Er untersuchte die Wintereier von Aphis aceris und stellte fest, dass dieselben zwei Richtungskörper successive von sich abschnüren. Auch bei den vivi- paren Aphiden konnte er einen Richtungskörper auf dünnen Schnit- ten nachweisen, wenn er auch dessen »Entstehung noch nicht in allen Phasen verfolgen konnter. Es folgen dann noch einige Be- An gee ee Cg ad i 7 Das Zahlengesetz der Richtungskérper und seine Entdeckung. 493 merkungen über die Bedeutung dieses Fundes von Richtungskörpern bei Aphiden, und im folgenden Absatz heißt es: »Für die hier« (d. h. in meiner Abhandlung über die Zahl der Richtungskörper) »behandelte Hauptfrage haben diese Beobachtungen « (die BLOCHMANN- schen) »dadurch besonderes Interesse, dass bei den »»parthenogene- tisch sich entwickelnden Eiern von Aphis nur ein Richtungskörper«« gefunden wurde, während bei den befruchteten normalerweise zwei entstehen«. Mit Recht findet der Verfasser »»dieses Ergebnis auf- fallend übereinstimmend mit den von WEISMANN gewonnenen Resul- taten hei den Sommereiern verschiedener Daphniden«« und knüpft daran die Bemerkung, »»es wäre von großem Interesse zu wissen, ob dabei ein allgemeines Gesetz vorliegt««. Darauf kann ich nun antworten: »Dieses Gesetz liegt in der That vor. Nicht nur bei den parthenogenetischen Eiern der Daphniden, sondern, wie ich jetzt hinzufügen kann, auch der Ostra- coden und Rotatorien wird nur ein primärer Richtungskörper ge- bildet, bei allen zur Befruchtung bestimmten Eiern aber deren zwei.« So weit das Citat aus meiner Schrift! Ich möchte sehen, wer im Stande wäre, mir ‚hierin eine Entstellung des wahren Sachver- halts nachzuweisen oder zu zeigen, wie so es möglich ist, daraus eine falsche Vorstellung von dem Verhältnis zu gewinnen, in welchem die Brocnmann’sche Vermuthung zu meiner Entdeckung steht. Nicht einmal einer meinem Angreifer nachtheiligen Kürzung seiner Ge- danken kann man mich bezichtigen, denn die ganze BLOCHMANN’sche Mittheilung ist eben eine aphoristische und enthält nichts weiter noch, als einen Hinweis darauf, dass ein solches Verhalten, falls es sich als thatsächlich herausstellen sollte, bedeutungsvoll sein würde. Warum aber tritt denn Herr BLOCHMANnN jetzt klagend gegen mich auf? Offenbar desshalb, weil es ihm sehr verdrießlich war, erfahren zu müssen, dass die Entdeckung, vor deren Pforte er ge- rade eben angelangt war, schon von einem Anderen gemacht war. Ich begreife dies und verüble es ihm wahrlich nicht. Läge die Sache anders, hätte er selbst, unabhängig von mir, nicht nur eine erste Ahnung von der Möglichkeit des Zahlengesetzes gehabt, sondern dasselbe als seine Überzeugung hingestellt, mit neuen Be- weisen gestützt, auch ohne es noch, wie ich gethan habe, theore- tisch durchzuarbeiten, ich würde bereitwillig und ohne Groll ihn als Mitentdecker des Gesetzes anerkennen. So aber liegen die Dinge nicht und sein Verdruss über mein Zuvorkommen giebt ihm jeden- falls kein Recht, mich in einer so gehässigen und anmafienden Weise 494 August Weismann anzugreifen, wie er es gethan hat. Herr BLochmann hätte sich ohne Schaden ftir ihn selber darauf beschränken können, in anständiger Weise seine vermeintliehen Ansprüche geltend zu machen. Statt dessen bemüht er sich, mich von jeder denkbaren Seite her zu treffen und scheut sich nieht, mir, wenn auch nicht dem Worte nach, so doch recht direkt Lüge und Fälschung vorzuwerfen. Ich beginne mit einem Punkt, in dem ich mich schuldig fühle, wenn auch nicht Herrn BLOCHMANN gegenüber, sondern mir selbst gegenüber. Ich habe die Unvorsichtigkeit begangen, an zwei Stellen die Betonung in einem Citat zu verändern, ohne dies ausdrücklich als eine von mir vorgenommene Veränderung, etwa in einer Anmer- kung, zu bezeichnen. Herr BLocuMANN sieht darin eine absichtliche Verdrehung, die »recht geeignet ist, diejenigen, welche unsere Ar- beiten nieht genau vergleichen, zu einer ganz verkehrten Ansicht von dem gegenseitigen Verhältnis derselben zu führen und dadureh die Prioritätsbestrebungen WrIsMANN’s vortrefflich zu unterstützen «. In dieser ehrenrührigen Auslegung wird ihm aber schwerlich Jemand beistimmen, der die betreffenden Citate im Zusammenhang liest. Diese Änderungen in der Betonung waren vielmehr vollkommen harm- lose und bezweckten nichts als eine Hervorhebung desjenigen Theiles des Satzes, auf den es mir an dieser Stelle gerade ankam. Das erste der beiden Citate steht in meiner zweiten Schrift. Diese enthält wesentlich nur die Beobachtungen, auf welche das in Schrift I theoretisch entwickelte Zahlengesetz der Richtungskörper sich gründet; in der Einleitung aber wird noch einmal in Kürze dargelegt, wie sich allmählich seit 1885 in mir die Überzeugung von dem Bestehen eines solchen Gesetzes gebildet hat. Es heißt dort pag. 3: »So ergab sich denn die weitere Aufgabe, zu unter- suchen, ob die Bildung nur eines Richtungskörpers eine allgemeine Eigenthiimlichkeit der parthenogenetisch sich entwickelnden Eier sei. Eine möglichst große Zahl von parthenogenetischen Eiern musste auf die Bildung von Richtungskérpern untersucht werden, wo mög- lich auch Arten aus verschiedenen Thiergruppen. Schon im Som- mer 1886 konnte ich »»in gedrängter Darstellung eine Anzahl ven Fällen mittheilen, in welehen sich der Vorgang in der angedeuteten Weise abspielte, und es durfte schon damals mindestens der Schluss gezogen werden,’»dass bei den parthenogenetischen Eiern der Daph- niden ein echtes Richtungskörperehen bei der Eireifung ausgestoßen wird««. Der letzte Nebensatz ist das inkriminirte Citat, denn das »ein« ist im Urtext meiner Schrift I nicht unterstrichen. Warum «2.2 ga ee o Dt ver 4 > , > EN it; Cad Das Zahlengesetz der Richtungskérper und seine Entdeckung. 495 ich es hier unterstrich, liegt auf der Hand, da ja die Einzahl des Richtungskörpers gerade das punctum saliens ist, dessen Erkenntnis mir damals aufgegangen war. Herr BLOCHMANN meint, es hätte dadurch der Leser zu dem Glauben verleitet werden sollen, dass ich bei jener Publikation von 1886 schon diese Einzahl öffentlich ausgesprochen hätte. Dieser Glaube sollte weder, noch konnte er dadurch hervorgerufen werden, da ich ja in Schrift I ganz aus- drücklich gesagt hatte, dass ich absichtlich damals die Einheit der parthenogenetischen Richtungskörper nicht hervorgehoben hätte! So schlägt der Ehrgeiz Herrn Buocumann mit Blindheit! Aber auch dieser meiner Angabe von dem »absichtlichen Ver- schweigen gerade dessen, was doch, wie er richtig hervorhebt, ‚das Wichtigste‘ war, traut BLOCHMANN nicht, wie nachher noch genauer zur Sprache kommen wird. Offenbar kann er es nicht fassen, wie man mit einer solchen Erkenntnis, wie das »Zahlengesetz der Rich- tungskörper« sie ist, jahrelang umhergehen kann, ohne sie von sich zu geben. Es ist indessen von jeher meine Art gewesen, die Ergebnisse meiner Arbeit so lange zurückzuhalten und mit mir um- herzutragen, bis sie einen gewissen Zustand der Reife erlangt hatten. Die entgegengesetzte Methode, einen Gedanken sofort zu publieiren, wenn derselbe Einem gerade eben zum ersten Male aufgedämmert ist, mag in praktischer Beziehung ihre Vortheile haben. Die mei- nige dagegen hat den Vorzug, dass man den Gedanken, den man gefasst hat, nicht bloß als neblige Vermuthung, sondern als That- sache, als durchgearbeitete Entdeckung hinstellen kann. Wie ich in Schrift I schon gesagt habe, »wünschte ich, erst dann mit ‚meinem Gedanken‘ hervorzutreten, wenn ich ihn durch beweisende Beobachtungen in genügender Zahl stützen konnte«; und weiter: »Ich würde gern das gesammte aufzubringende Beweismaterial auf einmal vorgelegt haben, ehe ich es unternahm, mit den weittragen- den Schlüssen hervorzutreten, die sich mir aus dem neugewonnenen Satz ergeben hatten«. Ich gestehe übrigens gern, dass ich noch einen anderen Grund hatte, einstweilen noch mit meiner Entdeckung zurückzuhalten: ich wollte mir die Freude an ihrem allmählichen Ausbau nicht durch das Nachdrängen Anderer verderben lassen; ich wollte meine Arbeit unbeirrt und nicht beunruhigt zu Ende führen, selbst auf die Gefahr hin, dass der Gedanke derselben möglicher- weise auch einem Anderen auftauchen könnte. Was nun die zweite Ungenauigkeit im Citiren betrifft, deren mich Herr BLocHmanN bezichtigt, so ist sie in folgendem Satz meiner 496 August Weismann Schrift II enthalten: »Dennoch würde man allein auf diese Beob- achtung hin« (das Auffinden nur eines Richtungskörpers bei Blatt- läusen durch BLOCHMANN) »wohl mit Recht Bedenken tragen, das Vorkommen von nur einem Richtungskörper beim parthenogene- tischen Ei der Aphiden für unzweifelhaft sicher zu halten und BLocHMANN hat sich desshalb auch ganz richtig darauf beschränkt, hervorzuheben, dass ‚er stets nur einen Richtungskörper gefunden habe, im Gegensatz‘ etc. Hier ist das Wort »einen« bei BLocH- MANN gesperrt gedruckt, das Wort »gefunden« natürlich nicht; das wäre ja sinnlos gewesen. Ich meinerseits habe das Finden her- vorgehoben aus dem einfachen Grund, weil der Schwerpunkt meiner ganzen Deduktion auf diesem Worte lag, dessen Betonung nochmals andeuten sollte, was unmittelbar vorher schon ausdrücklich gesagt war, dass nämlich das Nichtfinden eines zweiten Richtungskörpers allein noch kein Beweis für dessen Nichtvorhandensein ist. Herr BLOCHMANN behauptet, dass diese »kleine, von mir ‚vorgenom- mene Änderung den Sinn‘ seines Satzes geradezu umkehre«; mir scheint indessen, dass man unter »einem«, auch wenn es nicht ge- sperrt gedruckt ist, unmöglich »zwei« verstehen kann und unter »gefunden« unmöglich »Nichtgefunden«; dass Herr BLOCHMANN einen Richtungskörper gefunden hat, bleibt also bestehen, auch bei der von mir veränderten Betonung des Satzes. BLOCHMANN meint aber offenbar, dass ich durch die Veränderung der Betonung ihm selbst Zweifel an der Beweiskräftigkeit seiner Beobachtung in die Schuhe hätte schieben wollen, und ich will nicht leugnen, dass man den Satz wirklich so verstehen kann. Ich hoffe aber, dass meine übri- gen Leser mir glauben werden, wenn ich sage, dass mir erst jetzt — auf die BLocumann’sche Reklamation hin — die Möglichkeit die- ser Deutung aufgegangen ist. Wer nicht nur den einen Satz liest, sondern den Zusammenhang berücksichtigt, wird überhaupt nicht zweifelhaft sein. Hätte ieh übrigens die Prioritätsansprüche BLocH- MANN’S voraussehen können, so würde ich sicherlich nicht versäumt haben, meine Betonungsänderung ausdrücklich anzugeben. Dass ich meinen Zweifel an der absoluten Beweiskräftigkeit der BLOCHMANN- schen Beobachtung nicht etwa durch die Betonungsänderung unmerk- lich dem Leser einimpfen wollte, geht einfach aus dem Vorhergehen- den und Nachfolgenden hervor, einer ganzen, vollen Druck- seite, auf welcher eben gerade darauf hingewiesen wird, dass das Vermissen eines zweiten Richtungskérpers noch keine Sicherheit für sein wirkliches Fehlen giebt. Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. 497 Gerade dieser Hinweis hat aber offenbar meinen Gegner am meisten verdrossen und er bemüht sich sehr, ihn als unzutreffend hinzustellen. Ich muss aber meinen oben schon theilweise eitirten Satz vollständig aufrecht erhalten, welcher besagt, dass man »allein auf diese Beobachtung hin«! (diejenige von BLOCHMANN an Aphiden) »wohl mit Recht Bedenken tragen würde, das Vorkommen von nur einem Richtungskérper beim parthenogenetischen Ei der Aphiden für unzweifelhaft sicher zu halten« und weiter: »dass BLOCH- MANN Sich desshalb auch ganz richtig darauf beschränkt habe, her- vorzuheben, dass er stets nur einen Richtungskörper gefunden habe im Gegensatz zu den befruchteten Eiern der drei anderen In- sektenarten, wo sich mit derselben Konstanz zwei resp. drei Rich- tungskörper« finden. Es geht dann weiter: »Da wir indessen durch die vorher angeführten Beobachtungen (von mir und Iscurkawa) an Daphniden, Ostracoden und Räderthieren wissen, dass alle parthe- nogenetischen Eier, die bis jetzt darauf geprüft wurden, nur ein Richtungskörperchen ausstoßen, so wird angenommen werden dür- fen, dass auch bei Aphiden das Fehlen eines zweiten Richtungs- körpers nicht auf einem Beobachtungsfehler oder auf der Ungunst des Untersuchungsobjektes beruht, sondern darauf, dass ein zweiter Körper auch hier nicht gebildet wird«'. Das heißt also: die Beobachtung BLOCHMANN’s ist richtig, aber ihre Richtigkeit wurde erst dadurch völlig sicher, dass meine Be- obachtungen schon vorlagen. Herr BLocHmAnNn hat dies sehr wohl verstanden und daher sein Zorn! Ich kann ihm da leider nicht helfen; die Sache verhält sich so und Jeder, der den Versuch ma- chen will, an irgend einer Art von parthenogenetischen Eiern die Zahl der Riehtungskörper festzustellen, unbeeinflusst davon, dass sie eigentlich schon festgestellt ist, also mit der Absicht, die Richtigkeit der bisherigen Angaben zu kontrolliren — der wird mir Recht geben müssen. Zur Sicherung der Thatsache, dass nur ein Richtungskör- per gebildet wird, gehört nicht nur, dass man einen zweiten nicht finden kann, sondern es gehört dazu der Nachweis: 1) der Um- wandlung des Keimbläschens zur ersten Richtungsspindel; 2) der Theilung derselben und Bildung eines ersten Richtungskérpers, und 3) der Umwandlung der centralen Hälfte dieser selben Richtungs- spindel zum Furchungskern. Diesen Nachweis haben wir (IscHI- 1 Die gesperrt gedruckten Worte sind im Urtext nicht gesperrt gedruckt; ich wünschte aber hier sie zu betonen. 498 August Weismann KAWA und ich) an Daphniden vollständig und lückenlos erbracht, Herr BLOCHMANN aber hat ihn für Aphis nicht erbracht, wie er denn selbst sagt, er habe »die Entstehung der Richtungskörper bei Aphis noch nicht in allen Phasen verfolgen können«. Ich begreife das sehr gut aus der Ungunst des Objektes und habe Herrn BLocuMANN in keiner Weise einen Vorwurf daraus gemacht. Ich muss aber jetzt noch schärfer als früher betonen, dass derselbe ohne meine Angaben über Daphniden! zu seiner Vermuthung eines » Zahlenunterschiedes « der Richtungskérper schwerlich hätte kommen können. Das geht aus seinen eigenen Worten hervor, wenn er (I pag. 110) sagt: »Es stimmt dies Ergebnis auffallend mit den Resultaten Weısmann’s bei den Sommereiern verschiedener Daphniden iiberein.« In der That! Erst diese Resultate konnten ihm die nöthige Sicherheit in der Deutung des eigenen Befundes geben. Was soll man nun zu den wunderbaren Prioritätsansprüchen des Herrn BLOCHMANN sagen in Bezug auf eine Entdeckung, die er überhaupt gar nicht gemacht hat, weder vor mir noch nach mir! Genau genommen hat er nicht einmal die Vermu- thung des Zahlengesetzes hingestellt, sondern nur die Frage, ob es nicht am Ende so sei. In seiner Schrift I steht nichts darüber, als die oben schon eitirte Stelle: »es wäre von großem Interesse zu wissen, ob dabei ein allgemeines Gesetz vorliegt und wie sich dann diejenigen Eier verhalten, welehe auf parthenogenetischem Wege männlichen Thieren den Ursprung geben«. In seiner zweiten aus- fiihrlicheren Schrift aber heißt es, womöglich noch unsicherer: » Diese Beobachtungen« (nämlich die meinigen an Daphniden und die sei- nige an Aphis) »erscheinen mir desshalb der Aufmerksamkeit werth, weil vielleicht weitere Untersuchungen diesen Zahlen- unterschied als konstant nachweisen«? — und weiter: »Ja man kann sogar, wenn dieser Fall eintreten sollte« (dass gewisse männliche Eier sich in Bezug auf Zahl der Richtungskörper anders verhalten als weibliche), »erwarten, auf diesem Wege einige An- haltspunkte? für die Bedeutung der immer noch rräthsel- haften Riehtungskörper zu erhalten.« ! Die erste Mittheilung darüber ist in der »Nachsehrift« zu meiner Schrift: »Die Kontinuität des Keimplasmas.« Jena 1885 enthalten, die zweite steht im Zool. Anzeiger von 1886, pag. 570 unter dem Titel: »Richtungskörper bei par- thenogenetischen Eiern.« ? Die gesperrt gedruckten Worte sind im Originaltext nieht gesperrt ge- druckt; ich wünschte sie aber hier hervorzuheben. Das Zahlengesetz der Richtungskirper und seine Entdeckung. 499 Also wirklich! Und diese vagen Vermuthungen und unbestimm- ten Hoffnungen werden jetzt zu einem Prioritätsanspruch aufgebauscht, der freilich nirgends direkt erhoben wird, der aber aus jeder Zeile des ganzen Pamphlets hervorleuchtet. Da heißt es: »nicht ich, son- dern er sei der Erste gewesen, der die Einzahl der Richtungs- körper« ete. »betont« habe; ich könne »natürlich diese Thatsachen auch nicht aus der Welt schaffen« und suche mir »die Priorität scheinbar zu retten« ete. (pag. 657). Seine Ahnung des Zahlenge- setzes habe ich nun ja von vorn herein anerkannt, seit wann werden denn aber bloße Ahnungen in der Wissenschaft als Entdeckungen betrachtet? Ja! wenn diese Ahnung für mich der Anstoß gewesen wäre, der mich zu der Entdeckung des Gesetzes hingeleitet hätte, dann freilich bekäme sie eine größere Bedeu- tung. Aus diesem Grunde scheut denn auch mein Widersacher nicht davor zurück, einen solchen Sachverhalt als wahrscheinlich durch- schimmern zu lassen, ja es sind mehrere Stellen in seiner Schrift, die ihn als thatsächlich nachzuweisen suchen, obwohl damit ein direkter Angriff auf meine Wahrhaftigkeit begangen wird. Denn ich hatte — wie aus der oben abgedruckten Stelle hervorgeht — ausführlich dargelegt, wie der Gedanke des Zahlengesetzes in mir entstanden und wie ich ihm seit Jahren nachgegangen war. Damit gelange ich zu dem zweiten Theil der BLocHmann’schen Beschuldigungen, der Anklage auf Fälschung des historischen Sachverhaltes. In den gemäßigter gehaltenen ersten Absätzen seines Pamphlets giebt sich Herr BLOCHMANN noch den Anschein, als glaube er meinen Angaben über die frühe Entstehung des Gedankens in mir selbst und als wende er sich nur dagegen, dass ich einen Gedanken als meinen eigenen betrachte, den ich doch nur im Stillen mit mir herumgetragen habe, während er ihn zuerst ausgesprochen habe. Aber schon auf der zweiten Seite beginnt das immer deutlicher her- vortretende Bestreben, dem Leser die Überzeugung beizubringen, dass mir in Wahrheit der Gedanke des Zahlengesetzes erst durch seine Vermuthung desselben gekommen sei. Zunächst »erlaubt er sich, einige Zweifel daran zu hegen, dass Weısmann schon 1885 die Bedeutung des Zahlenunterschiedes erkannt hatte, denn sonst hätte er wohl in seiner (1885 erschienenen) Schrift »Über die Kontinuität des Keimplasmas« das Kapitel über die Richtungskörper und beson- ders das über Parthenogenese nicht so schreiben dürfen, wie sie ge- schrieben sind. Und für den Fall, dass diese Abschnitte schon ge- r 500 August Weismann druckt waren, als er die Bedeutung des Zahlenunterschiedes erkannte, so hätte er in der » Nachschrift« um so mehr darauf hinweisen müssen, in wie fern seine Spekulationen durch die neue Entdeckung modi- fieirt würden!« BLOCHMANN eitirt dann Einiges aus meiner ersten Sehrift über das Zahlengesetz, in welchem jene früheren Überlegun- gen referirt werden und aus denen allerdings mit aller Sicherheit hervorgeht, dass ich zur Zeit, wo ich dies schrieb (1885), das Zah- lengesetz noch nicht erkannt hatte und schließt dann triumphirend: »Damit gesteht WrISMANN selbst zu, dass er sich zu jener Zeit die Bedeutung des Zahlenunterschiedes noch nicht klar gemacht hatte. Trotzdem sagt er aber an den angeführten Stellen, dass er diesen Unterschied damals schon gewürdigt, dies aber nur nicht öffent- lich ausgesprochen habe !« Da hat er ihn also glücklich ertappt, diesen Prioritätsstreber, genannt August WEISMANN, bisher im Allgemeinen gut beleumundet, von heute ab aber durch Herrn BLocumMann entlarvt und vor aller Welt als Lügner an den Pranger gestellt! Sei der Leser aber barmherzig und gönne dem so hart Bedräng- ten wenigstens ein Wort der Vertheidigung! Zunächst frage ich: wo habe ich denn jemals gesagt, dass ich zur Zeit, als die »Kontinuität des Keimplasma« erschien, schon den Gedanken des Zahlengesetzes erfasst gehabt hätte? Herr BLOCHMANN meint: der unbefangene Leser müsse aus meinen Schriften I und II den Eindruck gewinnen, »als hätte« ich »schon im Jahre 1885 die Wichtigkeit des Unterschiedes in der Zahl der Richtungskérper bei befruchtungsbedürftigen und bei parthenogenetisch sich entwickeln- den Eiern erkannt.« Ich habe nun zwar keinerlei Werth auf eine solche bestimmte Zeitangabe gelegt, und es kommt wohl auch selbst jetzt nur wenig darauf an, ob mir der zündende Gedanke 12 oder 24 Monate vor Herrn Brocnmann kam, aber wenn wirklich der unbefangene Leser diese Überzeugung gewinnt, so hat er die richtige Überzeugung gewonnen; es muss in der That im Jahre 1885 gewesen sein! Datum und Stunde seiner Geburt kann ich jetzt nicht mehr angeben, aber im Winter 1885—1886 finde ich mich bereits in voller Arbeit, um diesen inzwischen in mir auf- getauchten Gedanken nun auch zu erweisen. Ich suchte damals vor Allem darüber ins Klare zu kommen, ob auch wirklich bei allen befruchtungsbedürftigen Hiern zwei Richtungskörper gebildet werden. Was ich inzwischen an parthenogenetischen Eiern gesehen hatte, ließ mich vermuthen, dass bei diesen die Einzahl des Rich- Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. 501 tungskörpers allgemein sein werde, nun musste auch die Gegenprobe gemacht werden. . Zunächst wurde die gesammte mir zugängliche Litteratur daraufhin durchgearbeitet und das Resultat war derart, dass meine bisherige Vermuthung des Zahlengesetzes schon in jener Zeit für mich zur Wahrscheinlichkeit wurde. Stehen nun diese Zeitangaben im Widerspruch mit dem Inhalt meiner Schrift »Über die Kontinuität des Keimplasmas« oder mit der »Nachschrift« derselben oder dem späteren Referat über dieselbe? Ich wüsste wahrlich nicht wie so! Jene »Nachschrift«, welche den eben gemachten Fund mittheilt, dass auch bei parthenogenetischen Eiern Riehtungskörper vorkommen, ist datirt vom 22. Juni 1885; die Entdeckung selbst war fünf Tage vorher gemacht worden und zwar zu Alt-Breisach am Rhein, in dessen Altwassern Polyphemus, auf den sich die Beobachtung bezieht, lebt. In jenen Tagen war in der That der Gedanke des Zahlengesetzes noch nicht in mir aufgetaucht, da indessen das Jahr nicht mit dem 22. Juni ab- schließt, so war dazu noch einige Zeit vorhanden, und ich überlasse es Herrn BLOCHMANN auszurechnen, wie viele Tage vom 22. Juni bis zum 31. December dafür noch übrig blieben. Sollte sich aber Jemand wun- dern, dass mir der Gedanke des Zahlengesetzes nicht sofort aufstieg, so möge derselbe selbst einmal versuchen, für irgend eine parthenogene- tische Art die Einzahl des Richtungskörpers unzweifelhaft sicher- zustellen! Wohl hatte ich nur ein Körperchen bei Polyphemus beob- achtet, allein ich konnte damals noch nicht wissen, ob nicht ein zweites von mir übersehen worden war. Ich befand mich zu jener Zeit in ganz ähnlicher Lage, in welcher BLocuMANN sich 1!/, Jahre später befunden haben würde, wäre er nur auf seine eigenen Unter- suchungen an Aphis angewiesen gewesen. Ihm aber lagen meine Beobachtungen an Daphniden bereits vor und gaben ihm die Ge- wissheit, dass auch sein bei Aphis gefundenes Richtungskérperchen das einzig vorhandene sein werde. Wenn ich aber den nach dieser Richtung hin noch unvollständigen Fund in jener » Nachschrift« schon mittheilte, so geschah es, weil es »zur Beurtheilung der in dieser Schrift dargelegten Ansicht von Bedeutung« war, »zu wissen, ob bei Eiern, welche sich parthenogenetisch entwickeln, ein Richtungskör- perchen ausgestoßen wird oder nicht«. Hing doch die Annahme oder Verwerfung der ganzen Mrnot-BaLFrouR-VAN BENEDEN’schen Theorie, gegen die ich aufgetreten war, eben an diesem Nachweis ‘von Riehtungskörpern bei parthenogenetischen Eiern! Herr BLoCHMANN hat aber noch andere Zeichen zur Hand, Morpholog. Jahrbuch. 14. 33 502 August Weismann welche »mit ziemlicher Bestimmtheit« annehmen lassen, dass ich nicht nur zu jener Zeit (1885), sondern auch noch ein ganzes Jahr später »etwas unsichere Vorstellungen über die Verbreitung und Be- deutung der Richtungskörperehen gehabt haben muss«. Und worin bestehen diese Zeichen? In einer Doktordissertation eines meiner Schüler, Herrn Dr. STUHLMANN, welche 1886 erschien! und in wel- cher »für die Insekten das Vorkommen von echten Richtungskörper- chen ganz bestimmt in Abrede« gestellt und »als sicher angegeben wird, dass im reifen Insektenei kein Kern mehr nachweisbar ist«. Aus diesen Thatsachen ergiebt sich zur Genüge, dass WEISMANN zu dieser Zeit keineswegs gefestigte Ansichten über das allgemeine Vorkommen von echten Richtungskörperchen im Thierreich und noch weniger über die Bedeutung ihrer Zahl haben konnte. Denn wenn die sog. Reifungsballen, deren Zahl »ganz inkonstant ist, funktionell die Richtungskörper vertreten sollen, so durfte er auf die Zahl der- selben überhaupt keinen Werth. legen! « Man sieht: Herr BLocCHMANN möchte mich gern für identisch mit meinen Schülern erklären. Er hebt auch noch besonders her- vor, dass die STUHLMANN’sche Arbeit unter meiner beständigen Kon- trolle entstanden sei. Das klingt denn freilich nahezu so, als ob ich sie selbst gemacht hätte. Ich suche aber vergeblich in der be- treffenden Arbeit nach einer so starken Äußerung; am Schluss stehen in einer Anmerkung einige Worte des Dankes für den Antheil, mit welchem ich seine »Beobachtungen verfolgte und kontrollirte «. — Nichts weiter. In der That habe ich wohl die meisten der wichtigeren Schnitte Herrn Dr. STUHLMANN’s gesehen und mich überzeugt, dass Rich- tungskörper auf ihnen nicht zu finden waren, aber an den Folge- rungen aus diesem negativen Befund, der mir, nebenbei gesagt, recht unbequem und wenig befriedigend war, habe ich keinerlei Antheil. Wenn Herr BLoCHMANN daraus, dass ein Schüler von mir Ansichten geäußert hat, die unvereinbar mit dem Zahlengesetz der Richtungs- körper sind, schließt, dass ich selbst zu jener Zeit dasselbe noch nicht in mir erfasst und im Stillen verfolgt haben könne, so ist das gewiss ein geschiekter Kunstgriff meines Angreifers, aber auch ein recht hässlicher, denn er setzt wieder die Lüge bei mir voraus. 1 Dr. FRANZ STUHLMANN, Die Reifung des Arthropodeneies nach Beob- achtungen an Insekten, Spinnen, Myriopoden und Peripatus in: Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. I. 1586. Das Zahlengesetz der Richtungskérper und seine Entdeckung. 503 Herr BLOCHMANN weiß ganz wohl, dass ich schon in meiner Schrift I ausdrücklich gesagt habe, dass ich Herrn STUHLMANN das Thema der Reifung des Insekteneies aus dem Grunde vorgeschlagen hatte, damit dadurch das Vorkommen von Richtungskörpern bei dieser Thiergruppe außer Zweifel gestellt würde, dessen Nachweis gerade für mich wegen der von mir behaupteten Konti- nuität des Keimplasmas von besonderer Wichtigkeit war. Es war mir leid genug, dass Herr STUHLMANN die Richtungskörper nicht finden konnte. Oft genug habe ich denselben, wenn er mir wieder eine Schnittserie vorlegte, gewarnt, er möge sich nicht dabei be- ruhigen, die Richtungskörper nicht gefunden zu haben, sie müss- ten da sein! Mehrfach wies ich ihn auf die BLocHmAnN’sche kurze Notiz vom Jahre 1884 hin, in welcher eine Richtungsspindel für Ameiseneier angegeben worden war. Für Herrn BLOCHMANN ist die- ses mein Zeugnis natürlich werthlos, da er die Lüge bei mir vor- aussetzt, glücklicherweise besitzen aber doch nicht Alle die Anstands- begriffe dieses Herrn, und zum Überfluss kann ich auch noch das Zeugnis aller Derer anrufen, die in jener Zeit mein Institut besuch- ten, etwa das von Herrn Professor GRUBER, oder wenn dieser, als mein Verwandter, Herrn BLocHMANN ein verdächtiger Zeuge sein. sollte, Herrn Dr. vAN REES in Amsterdam oder Herrn Dr. KORSCHELT in Berlin, damals mein Assistent. Jedenfalls muss ich es für eine ganz unerhörte Kampfesart erklären, dass mir die Ansicht eines ‚Schülers als die meinige untergeschoben wird! Was habe ich mit den STUHLMANN’schen »Reifungsballen« zu schaffen? Sie sind weder meine Idee, noch habe ich sie jemals gebilligt, und in meinen Schriften wird man vergeblich danach suchen, sie auch nur ein einziges Mal erwähnt zu finden! Wenn ich in die Veröffentlichung der STUHLMANN’schen Dissertation einwilligte, obgleich derselbe den mir besonders am Herzen liegenden Punkt nicht zur Entscheidung gebracht hatte, so liegen die Gründe dafür auf der Hand. Ich hatte gar kein Recht, ihn aufs Unbestimmte hinaus von seiner Promotion zurückzuhalten, da seine Arbeit eine Fülle von guten und fleißigen Beobachtungen enthielt und kühnlich als eine, das Mittelmaß über- ragende ausgezeichnete Dissertation bezeichnet werden darf, auch wenn sie die Entdeckung nicht enthielt, auf die ich es dabei in erster Linie abgesehen hatte. Ich gab aber meine Einwilligung zur Veröffentlichung derselben nur mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass Herr STUHLMANN für seine Ansichten selbst einstehen müsse. Das versteht sich doch auch wohl von selbst, da der Schüler nicht 33* 504 August Weismann gezwungen werden kann, bloß das Sprachrohr des Lehrers zu sein. Herrn STUHLMANN lag es auch durchaus fern, seine Ansichten mit dem Schein zu bekleiden, als seien sie zugleich die meinigen. Die Ansichten STUHLMANN’s — das wird man zugeben — be- weisen also nichts dagegen, dass ich mich im Jahre 1886 nicht bereits in voller Ausarbeitung des Zahlengesetzes der Richtungskörper be- funden haben könnte. Ich bin nun aber in der glücklichen Lage, auch noch ein po- sitives Zeugnis dafür beibringen zu können, dass sich die Sache wirklich so verhielt. Dieses könnte also einem hochnothpeinlichen Halsgericht, welches Herr BLocHMANN jedenfalls zusammenrufen wird, vorgelegt werden. Im Laufe des Sommersemesters 1886 theilte ich meinem Schüler, Herrn C. IscHhikAwA aus Tokio meine Entdeckung mit, d. h. meine Überzeugung, es müsse ein allgemeines Gesetz sein, dass bei par- thenogenetischen Eiern nur ein, bei befruchtungsbedürftigen Eiern aber zwei Richtungskörper gebildet würden. Ich deutete ihm zu- gleich die Wichtigkeit dieser Thatsache in allgemeinen Zügen an und lud ihn ein, mir bei der weiteren Ausarbeitung dieser Ent- deckung beizustehen. Ich hatte Herrn Iscurxawa als vortrefflichen Arbeiter wie als ausgezeichneten Beobachter kennen gelernt und schätzte mich glücklich, seine Hilfe für eine Arbeit zu gewinnen, deren Schwierigkeiten ich kannte und deren möglichst rasche Förde- rung mir erwünscht sein musste. So kamen wir damals überein, dass zwar die Entdeekung des Zahlengesetzes der Rich- tungskörper mein ausschließliches Eigenthum bleiben solle, dass aber alle Einzeluntersuchungen zum Beweis desselben, sei es, dass sie vorher schon von mir allein gemacht worden waren, sei es, dass sie von uns gemeinschaftlich erst noch gemacht werden würden, unter unserer beider Namen veröffentlicht werden sollten. Wie ich nun jetzt von Herrn IscHıkAwA erfahre, hat er damals am Abend nach unserer Unterredung Alles, was ich ihm gesagt hatte, in japanischer Sprache zu Papier gebracht. Der betreffende Brief befindet sich zur Zeit bei der Mutter Herrn IscHikAwA’s in Japan, ist aber ohne Zweifel sorgsam aufbewahrt. Die Annahme, dass ich den Gedanken des »Zahlengesetzes« erst von Herrn BLocHMANN entlehnt haben könnte, wird übrigens allen denen, die meine Schrift »Über die Zahl der Riehtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung« selbst gelesen haben, nur ein Lächeln entlockt haben. Man müsste doch wahrlich seltsame >) i te Q's + Vorstellungen von wissenschaftlicher Produktion haben, wenn man glauben wollte, diese Schrift hätte in weniger als einem Monat ge- schrieben werden können, wenn sie nicht schon vorher in ihren Grundgedanken fertig gewesen wäre. Herrn BLocuMann’s erste Schrift kam mir — von ihm selbst zugesandt — am 5. Mai 1887 zu, das Vorwort zu meiner eigenen Schrift ist vom 30. Mai datirt, aber schon am 16. Mai konnte ich das Manuskript völlig druckfertig an den Verleger absenden. Die ganze Schrift, so, wie sie jetzt vor- liest, ist in zehn Tagen niedergeschrieben worden! Es kann also wohl kein Zweifel sein, dass mir die BLOCHMANN’sche Vermuthung nur den Anstoß zum endlichen Hervortreten mit meiner Entdeckung gegeben hat, nichts weiter. Nach alle dem wird sich der Leser eines gewissen Erstaunens nicht entschlagen können, dass Herr BLOCHMANN es wagt, seine ersten Ahnungen des Zahlengesetzes meiner auf langer Arbeit beruhenden Aufstellung und Durehführung desselben gegen- überzustellen und von Priorität zu reden. Man braucht dabei noch nicht einmal zu wissen, dass die Ahnung des Herrn BLOCHMANN mindestens doch zur Hälfte auf dem von mir vorbereiteten Boden gewachsen ist. Herr BLocHmann beklagt sich, dass WALDEYER und Boveri das Zahlengesetz als meine Entdeckung bezeichnen und seinen Namen dabei nicht nennen, verleitet durch meine Darstellung dieser Ent- deckung. Ich glaube, gezeigt zu haben, dass meine Darstellung genau und vollständig war, so dass selbst BLOCHMANN nur da- durch im Stande war, sie zu bemängeln, dass er zum Vorwurf der Unwahrhaftigkeit griff. Diesen habe ich zurückgewiesen, und so werden denn wohl auch die beiden Herren gerechtfertigt erscheinen, wenn sie von meiner Entdeckung sprachen. Ich müsste es wenig- stens als unrichtig ansehen, wenn sie Herrn BLOcHMANN etwa als »Mitentdecker« aufführen wollten, denn derselbe hat nichts entdeckt. Wer dereinst die Geschichte dieser Entdeckung schrei- ben wird, dem liegt es vielleicht ob, auch der BLocHMmAnN’schen Ahnung dabei ihren Platz anzuweisen; wer aber nur schlechthin von dem betreffenden Gesetz redet und dasselbe wissenschaftlich behan- delt, für den giebt es meines Erachtens keine Formel, durch welche er den Namen BLOCHMANN demselben anheften könnte. Und nun zum Schluss in dieser unerquicklichen Sache! Man- cher wird sich beim Lesen dieser Erwiederung gewundert haben, dass ich mich der Mühe einer so eingehenden Antwort unterzogen Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. 505 506 A. Weismann, Das Zahlengesetz der Richtungskörper und seine Entdeckung. habe. Allein schon das Gewicht, welches ich der Entdeckung bei- lege, um die es sich hier handelt, musste mich dazu bestimmen; ich wünschte, dass Niemand auch nur ein leiser Zweifel über den wahren Sachverhalt bleiben könnte. Eine derartig vollständige, ge- wissermaßen juristisch genaue Beweisführung gewährt ja auch immer- hin einige Befriedigung und entschädigt so in Etwas für die einer an und für sich unfruchtbaren Sache gewidmete Mühe. Allerdings hätten die kecken Beschuldigungen des Herrn BLocumann am Ende auch unerwidert bleiben können ohne allzugroßen Schaden für meine Per- son. Im allgemeinen Interesse verdienten sie aber eine scharfe Beleuchtung, denn es wäre wahrlich zu beklagen, wenn die Tonart des Herrn BLOCHMANN sich in der Wissenschaft einbürgerte, wenn es verblendetem Ehrgeiz frei stehen sollte, straflos dem beneideten Rivalen unlautere Motive unterzuschieben. Herr BLOCHMANN hat sich nicht gescheut, meine Wahrhaftigkeit zu verdächtigen, um da- durch seine ungemessenen Ansprüche besser zu decken. Man kann nicht von Jedermann verlangen, dass er jenes feinere Gefühl be- sitze, welches vor der Ehrenrührigkeit gerade dieses Vorwurfs unter allen Umständen zurückschreckt, aber es muss in der That verlangt werden, dass man wenigstens eine solche Beschuldigung nicht auf gut Glück leichtsinnig vom Zaun breche, dass man mit anderen Worten die Grenzen des Anstandes einhalte; das hat Herr BLOCHMANN nicht gethan. Sehon früher hatte sich derselbe zu verschiedenen Malen durch den hässlichen Ton ausgezeichnet, in welchem er besonders jüngere Schriftsteller überfiel und kritisch verarbeitete. Möge die ihm heute von einem Älteren ertheilte Zurechtweisung gute Früchte tragen! Freiburg i. Br., 31. Mai 1888. Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboseidier. Von K. Ant. Weithofer. In seinem Werke über die tertiären Wirbelthiere des Westens der Vereinigten Staaten sagt CorE!, dass bei den Proboscidiern im Carpus »the bones of the two rows do not alternate, but that the scaphoides, lunar, and cuneiform, rest directly on the trapezium and trapezoides, the magnum, and the unciform respectively«, und giebt dazu die Abbildung eines Vorderfußes von Elephas Africanus (an- geblich nach BLAINVILLE), wo diese Verhältnisse auch thatsächlich zu herrschen scheinen, ja sogar das Scaphoid ein wenig auf das Mag- num hinübergreift. An BLAINVILLE’s (l. ec. kopirter) Abbildung von El. Afrieanus liegt jedoch das Lunatum nebst auf dem Magnum auch noch mit einer verhältnismäßig sehr großen Fläche auf dem Trapezoid?. Dies scheint auch das normale Verhalten zu sein. An der nebenstehenden Abbildung des Fußes von El. Indicus ist eine solche Gelenkung allerdings nicht klar ersichtlich, sicher findet wohl aber auch hier keine solche im Sinne der Cope’schen Zeichnung statt. Skelette von recenten Elefanten konnte ich leider auf dieses Verhalten hin nicht untersuchen; die Figur in FLower’s Osteologie zeigt jedoch genau dieselben Verhältnisse wie BLAINVILLE’s Carpus des El. Africanus; Cuvier sagt von der Unterfläche des Lunatum, dass sie »répond presque entiére au grand os« und dass zwischen dem indischen und afrikanischen Elefanten im Carpus bloß Größen- 1 E. Cope, The Vertebrata of the Tertiary Formations of the West. Book I. 1883. Rep. Un. Stat. Geol. Surv. Terr. Hayden. Vol. III. Washington 1884. pag. 375. 2 BLAINVILLE, Ostéographie, G. Elephas. Taf. V. 3 CUVIER, Ossemens fossiles. Tom I. pag. 23. 508 K. Ant. Weithofer unterschiede vorhanden wiiren!; dasselbe Verhalten wie BLAINVILLE’S und Frower's Abbildungen zeigen auch zwei solche von Carpen siwalischer Elefanten?. Im Florentiner Museum hatte ich weiter Gelegenheit, mehrere Carpen von El. meridionalis Nesti und Mastodon Arver- nensis Croiz. et Jobert aus dem Arnothal zu sehen, und auch sie zeigten alle ein starkes Überlagertwerden des Trapezoids von Seiten des Lunatum. In folgender Tabelle sind einige diesbezüg- liche Maße zusammengestellt. Unter A befindet sich die transver- sale vordere Breite der unteren Gelenkfläche des Lunatum ange- geben, unter B die Länge des das Trapezoid überlagernden Theiles des genannten Carpalknochens: A B I. 120 mm 35 mm Mastodon Arvernensis Hssjasıe 30 - UK , & = 18 - Eleph. meridionalis 140) - 2 Eleph. antiquus (?) 135 - 35 - Die Überlagerungsfläche selbst wird nach hinten zu immer schmäler. Wie sich diese Gruppirung bei den älteren Vertretern dieser Ordnung — Mast. longirostris Kaup, Mast. angustidens Cuv., Dinotherium giganteum Kaup etc. — verhält, ist noch unbekannt. Man kann aber vielleicht die Vermuthung aus- sprechen, dass sie nicht viel abweichen wird. Thatsächlich scheint auch eine Abbildung, die GaupRy* von einem ganzen Skelet von Mast. angustidens giebt, anzuzeigen, dass das Scaphoid nur zum geringen Theil auf das Trapezoid hinübergreitt. Die reihenweise Anordnung der Carpalknochen ist also nur auf die beiden äußeren, Pyramidatum und Hamatum, beschränkt, von denen keines mit dem benachbarten inneren Knochen der anderen Reihe in Berührung steht. Diese Konstellation scheint sehr auffallend mit der Beschaffen- heit des Vorderarmes und seiner Entwicklung im Zusammenhange zu stehen. Bei allen Thieren, bei denen auch die Vorderextremitäten nur zur Lokomotion benutzt werden, scheint, wie sonst an der Hin- 1 Cuvier, l. c. pag. 68. 2 FALCONER, Fauna antiqua Sivalensis. Taf. 50 Fig. 1 und 2.. 3 GAUDRY, Les Enchainements du Monde animal. Mammiféres tertiaires, Paris 1878. pag. 171. Einige Bemerkungen iiber den Carpus der Proboscidier. 509 terextremität, das Bestreben vorgewaltet zu haben, nur einen Kno- chen des Vorderarmes — auf Kosten des anderen — auszubilden. Bei den Artiodactylen und Perissodactylen — Diplarthra, Clino- dactyla — wurde die Resultirende der Körperlast durch den Radius verlegt. Es hat sich daher im Laufe der Zeit der Carpus auch dem entsprechend gestaltet. Aus dem urspriinglich jedenfalls taxeopoden Carpus entwickelte sich nun ein solcher, wo jeder Knochen der oberen Reihe jetzt auch den zunächst nach außen gelegenen der unteren Reihe zum Theil zu überlagern suchte, um so auf ganz ein- fach mechanischem Wege eine größere Solidität des Carpus zu er- zielen. Dass der überlagerte Knochen immer der zunächst nach außen und nicht etwa nach innen zu gelegene war, hat seinen Grund darin, dass sich eben hier der interne Knochen des Vorderarmes in so außerordentlicher Weise entwickelte und sämmtlichen Metapodien seine Last zu übertragen bestrebt war. Geschiihe bei einer solchen Verschiebung der beiden Carpalreihen die Überlagerung nach innen zu, so blieben in diesem Falle die Metacarpalia V und IV, ja zum Theil sogar III, durch das Uneinatum ausschließlich auf das Pyra- midatum beschränkt und würden so der nur unwesentlichen Ulna unterlagert werden, die einen nur sehr geringen Theil der Körperlast übernimmt. Es würde dies insbesondere für die Artiodactylen ver- hängnisvoll werden, da ja bei diesen dann das so wichtige Meta- carpale IV nach oben (am Radius) jede Stütze verlieren würde. Es sind daher hier — zwischen Vorderarm und erster Carpal- reihe und zwischen erster und zweiter Carpalreihe — dieselben Prineipien wirksam, die KowALEvsky auch für die Gelenkung der zweiten Carpalreihe mit den Metapodien nachgewiesen hat. Bei den Proboscidiern ist jedoch anscheinend der entgegenge- setzte Weg eingeschlagen worden, um dieser Anforderung zu ent- sprechen. Nicht der Radius war es, der das Körpergewicht fast ausschließlich zu tragen auf sich nahm, sondern die Ulna. Daher erhält sie auch eine besondere Stärke, ihr distales Ende sucht auf dem Lunatum energisch Fuß zu fassen, während bei den Diplarthren diese Gelenkung immer sehr nebensächlich und unbedeutend bleibt; sie verschwindet auch ganz oder kann sogar in bedeutendem Maße der entgegengesetzten — Radius mit Pyramidatum — Platz machen. Die breiteste Überschiebung ist dann wieder vorn und nimmt nach hinten mehr oder weniger rasch ab. Der Carpus bildet dann ein fast vollkommenes Spiegelbild zu dem der Proboscidier. 510 K. Ant. Weithoter Durch diese Bevorzugung der Ulna bei letzteren wird nun auch eine Anderung in der Stellung der Carpalia hervorgebracht, diame- tral entgegengesetzt jedoch — wenn auch nach genau demselben Princip — wie bei den Ungulaten mit stark entwickeltem Radius. Da es jetzt der äußere Vorderarmknochen ist, der der Hauptträger geworden war, trachteten die Glieder der oberen Carpusreihe nebst dem unterliegenden auch das zunächst nach innen befindliche Car- pale zu übergreifen, um so zur Festigung des Fußes zu demselben Ziele zu gelangen wie bei den Diplarthren. Es ist aber von vorn herein klar, dass dieses Übereinander- greifen gewisser Handwurzelknuchen der oberen und der unteren Reihe sich besonders für jene Carpalia als nothwendig herausstellen musste, die unmittelbar unter der Radio-Ulnarfuge lagen und für jene, die in entgegengesetzter Richtung zum bevorzugten Vorderarmkno- chen sich befanden. Es waren dies daher für die Ungulaten mit sich verstärkendem Radius: Lunatum über Magnum und Uneinatum, für die Proboseidier: Lunatum über Magnum und Trapezoideum. Die Nothwendigkeit einer gleichen Konstellation auch für die un- mittelbar unter dem bevorzugten Vorderarmknochen gelegenen Car- palia machte sich natürlich weit weniger fühlbar, da letzterer ja ohnedies, ob eine solche Überlagerung stattfindet oder nicht, beide Knochen der unteren Reihe — i. e. Magnum und Trapezoideum im ersteren, Uneinatum und Magnum im zweiten Falle — beherrscht. Sie ist daher bei den Proboseidiern auch nie erreicht worden, bei den Formen mit sich verstärkendem Radius aber erst später, indem ja die Amblypoda Cope —=Amblydactyla Marsh) nur eine Über- lagerung des Uneinatum von Seite des Lunatum, noch nicht aber eine solche des Magnum von Seite des Scaphoideum aufzuweisen haben. Zieht man nun auch noch die bei den Proboscidiern vollständig abweichenden Artikulationsverhältnisse im Tarsus in Betracht, so er- giebt sich als nothwendige Folge der auch ganz allgemein anerkannte Sehluss, dass die Proboseidier von allem Anbeginn an eine von den übri- sen Hufthieren divergente Entwicklungsrichtung eingeschlagen haben müssen, dass deren Ähnlichkeit mit gewissen Gliedern der letzteren — z. B. Amblypoda — nur eine rein zufällige, als Reaktion auf gleiche äußere Agentien beruhende, durch gleiche Lebensweise viel- leicht bedingte Erscheinung sein kann. Als Vorfahren der Proboseidier können wir jedenfalls ein in seinen Carpus- und Tarsusverhältnissen taxeopodenartig organisirtes Thier betrachten, wenn wohl auch keines der bis jetzt bekannten auf dieses Recht Anwartschaft haben dürfte. Die Ähnlichkeit ge- wisser Skelettheile des Pteriptychus mit Elefanten dürfte eine bloß angezogene sein. Gerade der Astragalus, der nach CopE! »is much like that of the Proboscidea in form«, zeigt vielleicht durch seine Artikulationsverhältnisse schon das Bestreben sich in diplarthrer Rich- tung — i. e. wie bei den Amblypoda und Diplarthra — zu entwickeln?, indem genannter Autor von ihm sagt3: »On the ex- ternal side it (i. e. the head of the astragalus) is so far recurved as to be continuous (in P. rhabdodon) with the sustentacular facet and a part of this face is probably in contact with the cuboid, as in many creodonta, but which cannot be said therefore, to over- lap the astragalus, as in the Amblypoda. If this facet where distal, and in the plane of the navicular facet, it would be necessary to refer this genus to that order. « Der Carpus der Periptychiden ist leider noch vollständig un- Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboscidier. 511 bekannt. Von den Phenacodontiden kennen wir nur das Skelet jüngerer — Wasatch — Arten, indem solche aus dem Puerco-bed — Ph. puercensis, macropternus und calceolatus Cope -— meist nur nach Zähnen beschrieben sind. Es ist nicht unmöglich, dass diese noch ein Centrale Carpi besessen haben, das Scorr* letzthin auch bei den Creodonten nachgewiesen hat. Die Phenacodontiden scheinen jedoch schon durchwegs — z. B. durch die Zwischentu- berkel an ihren oberen Molaren, den, so weit bekannt, dritten Tro- chanter am Femur — einen an die Perissodactylen gemahnenden Entwicklungsgang anzuzeigen oder doch einen, wie er wenigstens mit wenig Wahrscheinlichkeit fiir die Ahnen der Proboscidier ange- nommen werden könnte. Die Wasatch-Phenacodontiden, eigentlich bloß Phenacodus primaevus Cope, von dem allein Carpus und Tarsus genauer be- kannt ist, haben aber das rein condylarthre — taxeopode — Stadium der Entwicklung anscheinend bereits etwas überschritten, indem wenigstens CopE's Abbildung des Carpus von Phenacodus primae- 1 Cope, l. ec. pag. 389. * Auch ScHLossEer kommt zu einem ähnlichen Resultat, indem er geneigt ist, sie als die condylarthren Vorfahren der Artiodactylen anzunehmen. I ae 4 W. B. Scott, On some jnew or little known Creodonts. Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia. Vol. IX. No. 2. 1886. 512 K. Ant. Weithofer vus! ein deutliches und ziemlich starkes Übergreifen des Lunatum auf das Uneinatum bekundet. Core selbst beschreibt diesen Be- fund wie folgt: »The inferior face of the lunar has three facets; on anterior for the magnum; on internal, which widens posteriorly, for the magnum; and on external narrow claviform, narrowing po- steriorly, for the unciform ?.« Es wäre dies der Beginn eines Zustandes, den man das »am- blypode« Stadium der Carpusentwicklung bei den Hufthieren nennen könnte. SCHLOSSER verwahrt sich zwar aufs entschiedenste dagegen, dass man die Amblypoden als Durchgangsstadium der Copr’schen Diplarthra aus den Condylarthren annehme und will die Perisso- dactylen und Artiodactylen direkt aus letzteren ableiten. Dies dürfte jedoch vielleicht bloß auf einer Missdeutung der Worte Cope’s be- ruhen und im Grunde genommen sich als reine Formfrage heraus- stellen. SCHLOSSER sagt’: »Dass Paarhufer und Unpaarhufer durch die Amblypoda gegangen sein sollten, wie dies CoPE neuer- dings annimmt, kann ich nicht glauben, denn die Verschiedenheit zwischen diesen letzteren und den beiden erstgenannten Gruppen der Hufthiere ist doch zum mindesten eben so groß wie die zwi- schen Perissodactylen und Artiodaetylen einerseits und den Condyl- arthra andererseits. Es ist sogar nicht einmal die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die angezogene Ähnlichkeit im Bau des Tarsus der Paarhufer und Unpaarhufer mit dem der Amblypoda nur eine zufällige ist, gerade wie zwischen den Hyracoidea und den Proboseidia. Von diesen beiden letzteren meint aber Core selbst, dass die erwähnte Analogie keineswegs durch etwaige verwandt- schaftliche Beziehungen erklärt werden dürfte.« So ziemlich genau dieselbe Ansicht ist aber meines Erachtens auch in Cope’s* Werken enthalten; so sagt er z. B.: »It was not until later that I assumed that the Diplarthra are descendants of the Amblypoda, although not of either of the known orders, but of a theoretical division with bunodont teeth. Cope sagt also !l.c. Taf. 57 d, Fig. 1. 2 Cops, |. c. pag. 451; und eben so pag. 431. 3 M. SCHLOSSER, Beiträge zur Kenntnis der Stammesgeschichte der Huf- thiere und Versuch einer Systematik der Paar- und Unpaarhufer. Morphol. Jahrb. Bd. XII. 1887. pag. 6—7. 4 Man vergleiche zu diesem Zwecke: Copn, Tert. Vertebrata. pag. 381 und 509; Id.: TheAmblypoda. Amer. Naturalist. Nov. 1884. pag. 1118—1121. Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboscidier. 513 selbst, dass keine der bekannten Amblypoden-Unterordnungen An- recht auf eine solche Ahnenschaft besitzt und stellt zur Ausfüllung dieser Lücke seine hypothetischen »Amblypoda Hyodonta« auf, die mit der Konstellation des Carpus und Tarsus der übrigen Am- blypoden — die ja das einzige Kriterium dieser Ordnung ist — ver- sehen, in anderen Beziehungen sich den Anforderungen der späteren Diplarthra fügen sollten. Und das sind ja eben genau dieselben Formen, die auch ScHLosser annehmen muss, bei denen jene » ge- wissen Modifikationen in der Gruppirung der Fuß- und Handwurzel- knochen« vor sich gegangen sind, »um diesen Typus der Hufthiere ie. die Condylarthra) in die Artiodactylen und Perisso- dactylen zu verwandeln !« und wo »nunmehr wenigstens die mitt- leren Carpalia der zweiten Reihe wenn möglich mit je zwei Car- palien der oberen Reihe und mit je zwei Metacarpalien artikuliren, und auch im Tarsus wenigstens in so fern eine Verbesserung ein- tritt, als das Cuboid sehr tief zwischen Caleaneus und Astragalus hereingreift und zugleich auch noch das mittlere Metacarpale — Mt. III — berührt «2. Man wird daher mit vollem Rechte, eben so wie von einem condylarthren — taxeopoden — auch von einem amblypoden Sta- dium im Entwicklungsgange der Hufthiere, mit Bezugnahme auf die Gruppirung der Carpalia und Tarsalia, sprechen können, dem dann das moderne, diplarthre mit vollständig durehgeführter Wechsel- ständigkeit der letzteren folgte. Wie man aber jene amblypoden Vermittler nennen mag, welchen Platz man ihnen im System an- weisen will, ist natürlich dann für das Wesen der Sache vollkommen gleichgültig. — In eben so frühe Zeiten der Tertiärepoche auch die Proboseidier zurückzuverfolgen, ist jedoch bis heute noch nicht möglich gewor- den. Im Vorhergehenden ist daher für ihren Entwicklungsgang und für die Art und Weise, wie die Veränderungen bei ihnen sich voll- zogen haben, nur das abzuleiten versucht worden, was man, auf dem Boden von Thatsachen fußend, aus den bisher bekannten Resten dieser Thiere abzuleiten im Stande ist. Dabei darf man sich allerdings nicht verhehlen, dass eine in dem Grade exakte Konstanz, wie sie bei den stärker reducirten Paar- und Unpaarhufern herrscht, in den Gelenkflächen des Carpus 1 SCHLOSSER, 1. c. pag. 7. 2 SCHLOSSER, Il. c. pag. 113. 514 K. Ant. Weithofer und Tarsus sowohl fiir sich, als in seiner Verbindung mit dem Meta- carpus und Metatarsus hier nicht zu treffen ist. Sie weisen, ins- besondere in letzterer Beziehung, eine weitaus größere Variabilität auf. Der Grund hierzu ist offenbar in denselben Ursachen zu suchen, auf denen auch ihre so konservative Fünfzehigkeit beruht. Letztere deutet eben darauf hin, dass der Fuß keinen beträchtlicheren, äuße- ren Einflüssen unterworfen war, die ihm irgend ein strenges Re- gulativ für sein Verhalten, für seine Entwicklung aufgezwungen hätten. Da demnach eine Änderung, eine Verbesserung im Carpus und Tarsus für das Fortkommen bis zu einem gewissen Grade gleich- gültig oder doch wenigstens nicht so wesentlich war, so wurde ein- mal an der alten Organisation verhältnismäßig wenig geändert, an- dererseits blieb der individuellen Variation aus eben demselben Grunde ein viel weiterer Spielraum übrig als es bei anderen Entwicklungs- linien, die energischeren äußeren Einflüssen ausgesetzt waren, mög- lich war. Bei diesen musste er auf ein viel geringeres Maß beschränkt bleiben. Während aber die Diplarthren durch diese energischer ein- wirkenden äußeren Einflüsse ' sich rasch entwickelten, sind die Pro- boscidier in ihrem Fortschreiten bei dem bei ihnen viel weniger nachdrücklich wirkenden und fühlbaren Naturzwang heute noch erst dort angelangt, wo erstere bereits im unteren Eocän angelangt waren. Florenz, 1. Juli 1888. Nachschrift. Seit Einsendung obiger Notiz war es mir mög- lich gewesen, einige weitere Beobachtungen an fossilem und insbe- sondere recentem Material zu machen. Sie ergaben: 1. Elephas Africanus. Ein sehr junges Thier (d, noch nicht in Usur) im k. k. Hof- museum zu Wien zeigte eine starke Überlagerung des Lunatum über das Trapezoid, dessgleichen ein ein wenig älteres (d, in Usur) in ! Und auf diese allein müssen ja in letzter Instanz alle Veränderungen zurückgeführt werden, die ein Organismus erleidet; eine sogenannte »Tendenz«, die eine sogar schädliche Organisation hervorbringen und trotz dieser ihrer Schädlichkeit weiter entwickeln kann, wird man wohl entschieden nicht an- nehmen dürfen. Ich hoffe auf diesen Gegenstand, der vor Kurzem erst nach- drücklichst betont wurde, bei anderer Gelegenheit zurückzukommen. Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboscidier. 515 der Sammlung des zool.-vergl.-anatom. Institutes der Universität Wien. Weniger — doch entschieden und deutlich — ist diese Über- schiebung an einem nahezu ausgewachsenen Exemplar des k. k. Hof- museums zu sehen. 2. Elephas Indicus. Hier war es mir bis jetzt nicht möglich, ein junges Thier zu untersuchen. Von älteren zeigte ziemlich genau taxeopod diese Ver- hältnisse ein Exemplar der zoologischen Universitätssammlung in Neapel, wie ein solches im k. k. Hofmuseum. Wahrscheinlich eben so wird die Beschaffenheit des Carpus eines schlecht aufgestellten Skelettes im zoologischen Museum des R. Istituto di Studj sup. in Florenz gewesen sein, während ein solches im zool.-vergl:-anatom. Institut der Wiener Universität eher eine theilweise Überschiebung im obigen Sinne zeigte. 3. Elephas primigenius. Von Zeiselsberg in Niederösterreich kamen vor einiger Zeit an das k. k. Hofimuseum eine sehr bedeutende Anzahl von Resten dieses Elefanten, unter denen sich auch zerstreute Theile der Carpen mehrerer Individuen befanden. Sämmtliche deuten jedoch auf eine. bedeutende Überschiebung des Lunatum über das, Trapezoid hin. — Nur von einem Paar dieser Knochen glaube ich sicher, dass sie zu- sammengehören. Die Breite (transversal) der unteren Gelenkfläche des ersteren beträgt dabei 12 cm, die Breite der oberen des Magnum 8,5 em. Der übrige Theil, also 3,5 cm, lagerte daher auf dem Trapezoid. — Drei andere Lunata maßen an derselben Stelle 13.5, 13 und 12,5 cm, zwei Magna 9,5 und 9 cm: stets entfällt daher ein bedeutender Rest auf das Trapezoid. — An einem Dinotherium-Carpus aus Franzensbad in Böhmen fehlen gerade Lunatum und Trapezoid. — Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass bei allen fossilen Probos- eidiern, so weit bekannt — selbst bei dem diluvialen Mammuth — eine meist bedeutende Überschiebung des Lunatum über das Trape- zoideum nach innen zu stattgefunden hat, während unter den recenten Elefanten dieselbe bei El. Africanus in der Jugend eben so stark ist, im Alter aber offenbar etwas zurückgeht, bei El. Indicus je- doch im erwachsenen Zustande fast stets völlig verschwunden ist. 516 K. A. Weithofer, Einige Bemerkungen über den Carpus der Proboscidier. Der Carpus erscheint dann rein taxeopod gebildet. Nach dem Vor- hergehenden wird man sie jedoch wahrscheinlich als sekundäre Taxeopodie betrachten müssen. Und offenbar steht diese eigenthüm- liche anscheinend rückläufige Entwieklung, die sich in der Ontogenie vielleicht wiederspiegelt, dieses Unvermögen sich lebenskräftig und dem Fortschritt in der übrigen konkurrirenden Lebewelt entsprechend | umzugestalten, im Connex mit dem auffallenden Zurückgedrängtwerden und dem über kurz oder lang zu erwartenden völligen Aussterben dieses einst so weit verbreiteten Säugerstammes in der Jetztzeit oder nahen Zukunft. Wien, im Oktober 1888. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. Von Dr. Hugo Rex, Prosektor am deutschen anatomischen Institut in Prag. Mit Tafel XX—XXIV. Einleitung. Nachfolgende Blätter mögen einem bescheidenen Versuche auf dem Gebiete der Morphologie der Säugerleber von einem, wie ich glaube, bisher ungeachtet gebliebenen Standpunkte aus, neue Wege anzubahnen Raum gönnen. Die komparative Morphologie unseres Organs beschränkte sich bislang auf eine rein systematische Zusammenstellung jener Momente, welche sich ohne viele präparatorische Mühewaltung dem Beobachter gleich wie von selbst aufdrängen. Ich meine die Lappung und das so differente Verhalten der Gallengänge im Bereiche der Leberpforte. Der innere Aufbau des Organs und dessen Eigenthümlichkeiten wurden wenig gewürdigt und dieses Wenige bezieht sich fast durch- gehend auf die menschliche Leber. Einige Forscher beschränkten sich darauf, an dem dem Körper entnommenen Organe die Gefäße zu verfolgen, so BARKow', andere wiederum fertigten Corrosionspräparate an, so Hyrru?, wie ich aus seinen Darstellungen entnehme, meist gleichfalls vom eventrirten Or- gane. W. Roux? fasste endlich Einzelheiten von Verlauf und Ver- ı H. C. L. BArkow, Komparative Morphologie des Menschen und der menschenähnlichen Thiere. VI. Theil. Breslau 1868. 2 J. Hyrertı, Die Corrosionsanatomie. Wien 1873. 3 W. Roux, Über die Verzweigung der Blutgefäße. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. XII. N. F. Bd. V. 1878. Morpholog. Jahrbuch. 14. 34 518 Hugo Rex ästelung der Pfortaderäste zusammen, ohne die Gesammtheit in ihrer Art zu berücksichtigen, wie es auch nicht in seiner Absicht gelegen war. Im Verlaufe einer kurzen Zeit, während welcher ich meine Ar- beit eben erst begonnen, drängte sich mir alsbald die Überzeugung auf, dass es nur einem Gebilde beschieden sei, bei dem Aufbau unseres Organs eine hervorragende, ich möchte sagen leitende Rolle zu spielen: nämlich der Pfortader. Der so klare und prächtig durch- sichtige Aufbau ihres reichen Astwerkes ist es, der typisch wieder- kehrt und die mannigfache Form der Lappung alsbald, so mannig- fach verschieden sie auch auftreten mag, klarlegt. Dendritische oder dichotomische Theilung und Verästelung war das Losungswort, unter welchem man sich meist mit dem Kapitel der Verästelung der Pfort- ader im Bereiche der Leber abfand. Nur wenige Präparate von Re- präsentanten einzelner Ordnungen der Säuger genügen, um nach- zuweisen, dass mit dieser rein schematischen Vorstellung nichts ge- wonnen und kenntnisreicher Forschung nur ein Riegel vorgeschoben wird. Bestimmt und bei allen untersuchten Säugern wiederkehrend, finde ich immer wieder dieselben Äste und stets strenge Beziehungen derselben zu den einzelnen Abschnitten des Organs, welche jedem einzelnen Aste sein besonderes individuelles Gepräge verleihen und ihn so auszeichnen. Beinahe ängstlich genau schmiegt sich jedem Aste oder Gruppe von Ästen der zugehörige Lappen an, so dass man von Lappen auf Ast und umgekehrt schließen kann. Diese Eigenart gewährt weitgehenden Aufschluss über das Wesen der so reichen Mannigfaltigkeit der Lappung. So verschiedenartig auch die äußeren Formbeziehungen derselben sein mögen, mit der steten Wiederkehr desselben Astgefolges des Portalbaumes, wie ich die Verästelung der Pfortader im Bereiche der Leber kurzweg nennen will, ist auch die Konstanz der Wiederkehr der einzelnen Lappen oder ihnen gleichwerthiger Elemente gesichert. Die reiche Mannig- faltigkeit der Lappung, sie findet ihren Boden im principiell vielleicht bedeutungslosen Überwiegen dieses oder jenes Abschnittes des Por- talbaumes. Dem starren, stets wiederkehrenden Typus des Portalbaumes legt sich das System der Gallenwege iiberall geschmeidig an. Diese stellen so recht das widerspruchsvolle Element dar; sind schon die ersten Verzweigungen, so weit sie sich ohne sonderliche Mühe extra- parenchymatös der Präparation darbieten, recht verschiedene, so dass sie dem Forscher dankbares Material der Beschreibung darboten, um Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 519 wie viel mehr erst offenbart sich ein scheinbar regelloses Durchein- ander, hat man sich ihren Verlauf im Bereiche des Inneren des Or- gans dargelegt. Damit ist aber auch die scheinbare Regellosigkeit bald besiegt. Auch die Gallengangsverzweigung unterliegt einer Gesetzmäßig- keit: die Astfolge des D. hepaticus vermag ventralwärts und dorsal- wärts von der ersten Verästelung des Pfortaderstammes oder bloß ventralwärts von dieser ihren Weg ins Innere des Organs zu neh- men; die ventrale Astfolge erscheint wiederum nach bestimmten Lagebeziehungen zum Portalbaume als epiportale und hypoportale gegliedert. Das reiche Wechselspiel des Alternirens dieser verschie- denen Formen des Verlaufes vermögen uns hinreichend die schein- bare Regellosigkeit der Gallengangsverzweigung zu erklären. Die Gallenblase weist in ihrer Gestaltung und in ihren Be- ziehungen zur Gallengangsverästelung eine Reichhaltigkeit der For- men auf, welche fürs Erste gleichfalls regellos erscheint. Bekannt ist ihr Mangel bei einzelnen Repräsentanten dieser oder jener Ordnung der Säuger. Vielfach beschrieben ihre Verdoppelung, wie sie hier und da als Anomalie aufgefunden wurde. Bald mündet der D. cysticus dem D. hepaticus bald einem seiner Äste ein; auch münden bei einigen Säugern Gallengänge in die Gallenblase direkt ein. Ich glaube nicht fehl zu gehen, entkleide ich die Gallenblase ihrer Selbständigkeit; ich möchte sie als einen der äußeren Gestal- tung nach allerdings gewaltig modifieirten Gallengang betrachten, der nur an bestimmte Lagebeziehungen zu einem bestimmten Ab- schnitte der Leber gebunden erscheint. Gingen die Beziehungen dieses modifieirten Gallenganges zum Parenchym als galleabführendes Organ verloren, so liegt uns der Typus vor, welchen uns das Organ des Menschen und einiger Säuger repräsentirt; wo nicht, so finden wir die sonst schwer verständlichen Beziehungen der Gallenblase und ihres Ganges zur Gallengangsverästelung bei so vielen Säugern und das Auftreten der D. hepatocystici vor. Mit der Kenntnis der Verästelung des Portalbaumes ist auch das Verständnis der Astfolge der V. hepaticae erschlossen. Ist auch das Verhältnis derselben zum Portalbaume in Bezug auf Lagerung und Verästelung beim ungelappten Organe scheinbar recht verschieden von jenem beim gelappten Organe, so gelingt es trotzdem bald un- schwer, auch auf diesem Gebiete einige Übereinstimmung der Form- verhältnisse und immer wieder dieselben Venenstämme bei allen Säugern aufzufinden, wenngleich ihre Mächtigkeit nicht selten eine 34* 520 Hugo Rex bedeutende Änderung erfahren hat, welche letztere in innigem Zu- sammenhange steht mit der Veränderung der Kaliberverhältnisse ein- zelner Abschnitte der Verästelung des Portalbaumes. Meine Untersuchungen führte ich fast durchgehends an Organen erwachsener Säuger durch; nur im Bereiche der Ordnung der Artio- dactylen musste ich meist zur Bearbeitung von Organen junger Thiere schreiten. Der Inhalt meiner Arbeit möge nach kurzer Mittheilung von Technik und Methode der Bearbeitung des Materiales in folgende Abschnitte gegliedert sein: 1) Allgemeine Formverhältnisse der Säugerleber. 2) Allgemeine Formverhältnisse des Portalbaumes und der Lap- pung der Säugerleber. 3) Die speciellen Formverhältnisse des Portalbaumes und der Lappung der Säugerleber. 4) Die Gallengangsverästelung der Säuger. 5) Portalbaum und Gallengangsverästelung der menschlichen Leber. 6) Die Venae hepaticae der Säuger und des Menschen. Ich habe dem Portalbaume und der Gallengangsverästelung der menschlichen Leber einen besonderen Abschnitt gewidmet; das her- vorragende Interesse, welches das Organ vom Menschen für uns be- sitzt, erfordert dies wohl. Ich bin weit davon entfernt, die vorliegenden Resultate meiner Untersuchungen als ein abgeschlossenes Ganzes zu betrachten. Die- selben sollen weitere erkenntnisreichere Forschung anzubahnen ver- suchen auf Grundlage exakterer Methoden und reicheren Materiales. Es sind ja nur allgemeine Grundzüge, welche darzubieten ich im Stande bin, lückenreiche Skizzen, welche einer weiteren. Ausführung wohl werth erscheinen dürften. Das Verdienstliche meiner Arbeit suche ich nur darin, ein, wie ich aus der mir zugänglichen Litte- ratur ersehe, noch wenig beachtetes Feld der weiteren Bearbeitung zugänglich gemacht zu haben und ich bin mir wohl bewusst, dass Manches von dem, welches ich nunmehr rıitzutheilen gedenke, er- gänzender Berichtigung bedarf. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 521 Technik. Ich bediente mich zur Darstellung der Verästelung der Gefäße und Gallenwege des Corrosionsverfahrens und der Präparation. Die meisten von mir untersuchten Organe, und dies gilt namentlich von dem Organe seltener Thiere, habe ich von der Hohlader, dem Pfort- aderstamme und vom Ductus choledochus aus mit TErcHMANN’scher Kittmasse, welche mir hierbei vorzügliche Dienste leistete, injieirt; das Parenchym wurde, so gut es ging, mit einem Wasserstrahle von den Gefäßen abgespült und hierauf deren Ramifikation sowie jene der Gallengänge der Präparation unterworfen. Der Altmeister der anatomischen Technik sagt von dieser Art der Darstellung: — »An solche Riesenarbeit gedankenloser Geduld hat noch kein Anatom ge- dacht.« Dieses herbe Urtheil vermochte mich gleichwohl der Müh- sehlichkeit der Arbeit nicht abwendig zu machen. Von seltenen Thieren stammende Organe, welche durch Jahrzehnte hindurch meist arg lädirt oder in schlechtem Alkohol eben noch zur Noth konser- virt zur Bearbeitung gelangten, konnte ich der Corrosion zu unter- werfen mich nicht getrauen. Die Chancen, einen nur einigermaßen zufriedenstellenden Erfolg zu erringen, waren bei der meist stellen- weisen Härtung des Parenchyms und dem hierdurch bedingten Ver- schlusse der Gefäße und gar der Gallenwege recht geringe. Ab- gesehen hiervon bietet das Corrosionsverfahren auch in der Hand des Geübten keineswegs immer in jedem Falle sichere Garantien des Gelingens. Auch erschien es mir gewagt, Riesenorgane, wie die Leber eines erwachsenen Delphins z. B., welche ich zu einer Zeit bearbeitete, in welcher ich mit der Corrosionstechnik noch nicht völlig vertraut war, diesem Verfahren zu unterwerfen. Anders bei leicht zu beschaffendem frischen Materiale. Bei die- sem wandte ich das Corrosionsverfahren in vollem Umfange und mit bestem Erfolge am eventrirten Organe an. Beiden Methoden je- doch, namentlich jener der Präparation, haftet ein bedeutender Übel- stand an. Er betrifft den Verlust der natürlichen Lagerung. Ich war mir bald bewusst, dass vom eventrirten Organ angefertigte Prä- parate nur Zerrbilder mit gewaltig verschobenen Kontouren zu lie- fern vermögen. W. Hrs‘ hat durch seine schönen Befunde bezüg- lich der Morphologie der menschlichen Leber die gewaltigen Form- ı W. His, Über Präparate zum Situs viscerum etc. Arch. für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1878. 522 Hugo Rex veränderungen, welche das eventrirte Organ erleidet, überzeugend nachgewiesen und ich musste daher zum Studium des in situ be- lassenen Organs schreiten. — Und hierbei gewährte mir eine Me- thode vollkommen befriedigenden Aufschluss — die Corrosion des in situ injieirten Organs. Und dieses Verfahren beweist Be eitie: wie wichtig für die Cirkulationsverhältnisse der Situs normalis ist. Eine eventrirte Leber lässt sich nur nach vorhergehender Erwärmung und unter starkem Drucke in allen Verzweigungen gleichmäßig füllen. Bei einer Situs- injektion bedarf es weder einer Erwärmung noch eines hohen In- jektionsdruckes — stets erhält man die Pfortader bis in die feinsten Verzweigungen gefüllt. Gewiss ein Beweis dafür, dass die normale Lagerung im Körper alle Bahnen frei und offen erhält, und nur die Situscorrosion ein treues Bild der Lagebeziehungen natürlich und treu wiedergiebt. Leider konnte ich die Situscorrosion nur bei einzelnen Säugern in Anwendung bringen und zwar bei Repräsentanten der Carnivoren, Rodentier. Ausgedehnten Gebrauch erfuhr dieselbe jedoch für die menschliche Leber. Für die größere Zahl der untersuchten Organe musste ich an der Hand von wenigen Situscorrosionen zu einer förmlichen Rekonstruktion des Situs normalis der Verästelung der Gefäße schrei- ten; dieselbe gelingt meist unschwer. Trotzdem muss ich jedoch gestehen, dass ich manches, namentlich die Verzweigung der Pfort- ader Anlangende, bestimmt als lückenhafte Beobachtung erkannt habe. Mögen diese Lücken bald ausgefüllt werden ! I. Allgemeine Formverhältnisse der Säugerleber. Es dürfte von Vortheil sein, dass ich der Schilderung der Ver- ästelung der Pfortader im Bereiche der Leber eine Skizze der äußeren Formverhältnisse der letzteren voraussende. Durch die erwähnten Mittheilungen von W. Hrs bezüglich der Morphologie des Organs vom Menschen angeregt, habe ich meine Untersuchungen, gleich Hıs auf dem Boden der Situshärtung fußend, ausgeführt, und be- ziehen sich meine folgenden Mittheilungen auf in situ normali ge- härtete Organe, welche sämmtlich wie das menschliche Organ bei aufrechter Körperhaltung gelagert, gedacht sind. Es scheint mir für die Klarlegung der Vertheilung der Mächtigkeit des Parenchyms der Säugerleber die Betrachtung der dorsalen Fläche des Organs recht günstige Anhaltspunkte der Orientirung zu ergeben. Es lehrt Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 523 dieselbe bald erkennen, dass das Organ um seine Pforte nach rechts und distalwärts gleichwie abgebogen erscheint, mit anderen Worten, das Parenchym sitzt, einer distalwärts ausgehöhlten Kappe gleich, von rechts her dem Darmrohre auf und weist zwei Abschnitte auf: einen mehr oder weniger vertikal gelagerten, der seine distale Be- grenzung durch eine Fossa renalis von verschiedener Tiefe findet, und einen zweiten, aus dem ersten unmittelbar hervorgehenden, trans- versal sich ausbreitenden Abschnitt. Diese beiden Abschnitte fand ich stets an der Säugerleber wieder, allerdings wird das Bild nicht immer klar und deutlich vorgefunden, in Folge von Formverschieden- heiten einzelner Abschnitte des Organs selbst und des ihm angren- zenden Abschnittes des Darmrohres. Eine andere wichtige Frage betrifft die Lagerung der Leberpforte und des Ventralstückes der Leberlängsfurche. Erstere findet sich immer im dorsalen Abschnitte der distalen Fläche des Organs ge- lagert; die Hauptmasse des Parenchyms baut sich daher ventralwärts und proximalwärts von ihr auf. Ist das Ventralstück der Längs- furche von nur geringer Entwicklung, so walten die gleichen Lage- beziehungen zum Parenchym wie bei der Pforte ob; ist dasselbe jedoch in stattlicher Ausdehnung ausgebildet, so muss sich das Paren- chym zwar auch proximalwärts, jedoch zu seinen beiden Seiten auf- gelagert vorfinden. Diese Lagebeziehungen sind desshalb von Wichtig- keit, weil die Pforte und das Ventralstück der Längsfurche die erste Verzweigung der Pfortader einschließen. Diesen Lagerungsverhältnissen entsprechend kommt ein relativ geringer Abschnitt dorsalwärts von der Leberpforte zu liegen. Dieses dorsale Gebiet des Organs wurde, wie ich aus der Litteratur ersehe, bislang arg vernachlässigt; es erscheint mir daher gerechtfertigt, das- selbe einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen. Eine solche ergiebt Resultate, welche mit dem Kapitel der Lappung der Leber in inniger Beziehung stehen, und möchte ich daher mit kurzen Worten die Grund- züge der Erscheinung der Lappung einleitend voraussenden. Tritt bei einer Säugerleber die Erscheinung der Lappung auf, so sind es immer bestimmte Abschnitte des Organs, welche in Form des Lappens individuelle Selbständigkeit erlangen, mit anderen Worten: es kehren nur immer dieselben Lappen wieder. Dem entsprechend ist die Erscheinung der Lappung keine rein willkürliche, sondern bestimmten Gesetzen unterworfen. Ich will zum Ausgangspunkte meiner Beschreibung das Organ eines Carnivoren wählen, bei welchem die Lappung konsequent durchgeführt erscheint, das heißt, bei welchem 524 Hugo Rex alle jene Abschnitte, welche einer Lappung iiberhaupt unterliegen können, einer solehen unterlegen sind. Zu beiden Seiten des mitt- leren Lappens (s. Taf. XX Fig. 3, 7), welcher die Gallenblase trigt, finden sich beiderseits je zwei über einander gelagerte Lappen. Die rechterseits gelagerten bilden den vertikalen Abschnitt des Or- gans; der transversale Abschnitt wird vom mittleren und den beiden linken Lappen gebildet; das Bindeglied beider Abschnitte bildet der rechte seitliche Abschnitt des mittleren Lappens. Nicht selten wer- den sämmtliche Lappen im dorsalen Gebiete mit einander vereinigt gefunden. Dieses dorsale Gebiet weist folgende Eigenthiimlichkeiten auf. Meistentheils finde ich es deutlich in zwei Abschnitte gesondert: einen rein transversal gelagerten, den mit einander vereinigten Dorsal- gebieten des mittleren und der beiden linken Lappen entsprechend ; und einen rein vertikal gelagerten, dem Dorsalgebiete der beiden rechten Lappen entsprechend. Dieser letztere Abschnitt erfährt stets eine eigenthümliche Vergrößerung. Ventrale und dorsale Fläche des Stammes der unteren Hohlader, die in demselben eingelagert ist, werden vom dorsalen Gebiet der beiden rechten Lappen umegriffen, und nach links vom Hohladerstamme zeigt dasselbe eine verschieden mächtige Entwicklung in Form eines vertikal gelagerten, mit der linken freien Seite steil abfallenden Parenchymabschnittes (s. Taf. XX Fig. 5, 6, 7). Ich will diesen Abschnitt des Organs in Bezug auf seine Lagebeziehungen zum Netzbeutel als Lobus omentalis bezeichnen. In der geschilderten Form entspricht er dem Lobus Spigelii des Or- gans vom Menschen. Ich glaube, dass der Lob. omentalis nach der lin- ken Seite (gleichwie beim Menschen) durch das Lig. venosum Arrantii eine Abgrenzung gegenüber dem linken unteren Lappen findet. Ich konnte mich bei vielen gelappten und auch einzelnen ungelappten Organen hiervon deutlich überzeugen. Der L. omentalis vermag jedoch eine mächtigere Entwicklung zu erfahren; dann entsendet er einen nach links und unten gelagerten mächtigen, der kleinen Curvatur des Magens innig angelagerten Fortsatz (s. Taf. XX Fig. 7). Ist man bezüglich dieser Verhältnisse am gelappten Organe ein- mal unterrichtet, so vermag man dieselben am ungelappten Organe leicht wiederzuerkennen. Nur stellt dem Verständnisse eine innige Vereinigung des gesammten dorsalen Gebietes anfänglich Schwierig- keiten dar. Noch in anderer Beziehung erscheint mir das dorsale Gebiet von Interesse. Es stellt die Lagerstätte dar für den Stamm der Hohlader und die proximalen Endabschnitte der Venae hepaticae. Ersterer findet seine Einlagerung im dorsalen Gebiete der beiden Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 525 rechten Lappen und des mittleren Lappens, letztere im dorsalen Ge- biete sämmtlicher Lappen. Damit steht wiederum eine andere Er- scheinung in innigem Zusammenhange: das Parenchym des dorsalen Gebiets ist von geringer Mächtigkeit, indem es nur ein Ausfüllsel darstellt, bestimmt, den zwischen den mächtigen Stämmen der V. he- paticae ausgesparten Raum auszufüllen. Nach diesen einleitenden Bemerkungen will ich nunmehr übergehen zur Schilderung der all- gemeinen Formverhältnisse des Portalbaumes der Säuger. II. Allgemeine Formverhältnisse des Portalbaumes und der Lappung der Säugerleber. Die erste Verzweigung der Vena portae (s. Taf. XX Fig. 8). Ihre Lagerstätte bildet die Leberpforte und das Ventral- stück der Längsfurche; sie lässt sich in drei Abschnitte gliedern, von welchen die beiden ersten durch die Theilung des Pfortader- stammes in einen rechten und linken Hauptast hergestellt werden. Der dritte Abschnitt stellt die Fortsetzung des linken Hauptastes dar; er bildet mit diesem einen rechten Winkel, indem er sich ins Ven- tralstück der Längsfurche einlagert, oder aber, wenn eine solche nicht vorhanden ist, in sagittaler Richtung sich ins Parenchym einlagert. Dieser dritte sagittale Abschnitt zeigt stets typisch das. Bild eines an seinem ventralen Ende blind geschlossenen Rohres (s. Taf. XX Fig. 8); seinem ventralen Endstück haftet das Ligam. teres an. Ich will diesen dritten Abschnitt mit Rücksicht auf seine Abstammung und Endigung Recessus umbilicalis! nennen. Er ist außerdem eine wichtige Grenzmarke, die den mittleren von den beiden linken Lappen beim gelappten Organe, die entsprechen- den Abschnitte beim ungelappten Organe scheidet. Diese drei Abschnitte weisen bezüglich ihrer Länge und ihres Kalibers bedeutende Differenzen auf. Meist übertrifft der linke Haupt- ast den rechten an Länge und Mächtigkeit. Ein recht variables Ge- bilde stellt diesbezüglich der R. umbilicalis dar, indem er bei einigen Thieren nur gering entwickelt sein kann, bei anderen wiederum die 1 Ähnlich hat BarKow (l. e. pag. 28) den gleichen Abschnitt des mensch- lichen Portalbaumes bezeichnet. Er nennt denselben »Recessus subumbilicalis portensis«. Ich gelangte unabhängig von BARKOW zum Gebrauche dieser Be- zeichnung; bei BARKOW vermisse ich jegliche Angabe über die charakteristi- schen Eigenschaften, welche den R. umbilicalis auszeichnen. 526 Hugo Rex beiden Hauptäste an Länge weit tiberragen kann. Zwischen diesen beiden Extremen finden sich mannigfache Übergangsformen vor. Aus diesen Abschnitten nehmen die einzelnen Äste des Portal- baumes ihren Ursprung und zeigen in der Art desselben Eigen- thümlichkeiten, welche jedem der drei Abschnitte ein individuelles Ge- präge verleihen. Der rechte Hauptast der Pfortader, einem der- selben ureigenen Stromgebiete vorstehend, zerfällt bald nach seinem Ursprunge in zwei oder drei starke Äste und zeigt in der Art der Abgabe dieser Äste das typische Bild einer sich verästelnden Arterie. Anders jedoch die beiden anderen Abschnitte. Linker Hauptast und R. umbili- calis weisen, wohl in Folge der eigenthümlichen Endigung des letzteren, einen ganz abweichenden Typus der Astabgabe auf. Ihre distale und meist auch die proximale Fläche sind von der Abgabe größerer und gewöhnlich auch kleinerer Äste befreit; bloß die ventrale und dorsale Wandung der ersteren, laterale Wandung der letzteren sind hiermit betraut. Bei einigen Säugerlebern kann es den Anschein erwecken, als würde das ventrale Endstück des Rec. umbilicalis sich förmlich in reichliches Astwerk auflösen; eine nähere Besichtigung lehrt jedoch alsbald, dass das blind geschlossene Ende immer wieder herauszufinden ist. So viel über die Art der Ast- abgabe. Der Beschreibung des Astwerkes des Portalbaumes, welches diesen eben geschilderten drei Abschnitten entstammt, mögen einige Bemerkungen über gewisse charakteristische Eigenthümlichkeiten, welche den einzelnen Ästen gemeinsam sind, vorhergehen. Allgemeiner Charakter des den drei Abschnitten entstammenden Astwerkes. W. Roux! hat bei Feststellung des Gesetzes der Verzweigung der Blutgefäße die Pfortader in Bezug auf ihre Verästelung im Parenchym der Leber vor allen anderen Venen dadurch ausgezeichnet, dass er sie den Arterien gleichstellt. Diese berechtigte Ausnahmsstellung der Pfortader möchte ich durch Mittheilung neuer Momente zu kräftigen suchen. Die den drei Abschnitten der ersten Verästelung des Pfort- aderstammes entstammenden Aste, namentlich jene des rechten Haupt- astes, zerfallen im Bereiche des ihnen zugewiesenen Ahschnittes keines- wees sofort dendritisch oder dichotomisch in einzelne Äste, sondern le: tte E. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 527 zeigen allerwärts das eigenthümliche Bestreben, ihre Selbständigkeit zu wahren, indem sie bald allmählich, bald rasch verjüngt, ihr zugehöriges Territorium, excen- trisch gelagert, als Hauptbahn durchziehen. Unterstützt wird dies Bestreben der Wahrung der individuellen Selbständigkeit durch die Art der Astabgabe. Meist ist, durch die excentrische Lagerung der Hauptbahn bedingt, die Astabgabe vorwiegend jener Seite derselben übertragen, welehe der Hauptmasse des zu versorgenden Parenchyms gegenüber liegt. Allerdings tritt diese Erscheinung nicht immer gleich deutlich dem Beschauer entgegen; sie ist nicht selten eben nur an- gedeutet, und es kann die Abgabe starker Seitenäste, namentlich solcher, welche im Kaliber der Hauptbahn gleichkommen oder die- selbe gar übertreffen, das Bild trüben und verwischen. In innigem Zusammenhange mit der Erscheinung der Hauptbahn steht eine von W. Roux (I. e. pag. 229) bereits hervorgehobene Eigenartihrer Ver- laufsrichtung, nämlich die bogenförmige, bedingt durch Abgabe der meisten Aste auf derselben Seite des Stam- mes. Dieser von Roux allgemein gehaltene Satz gewinnt sofort reges Interesse, durchmustert man nur wenige Präparate von Portalbäumen einzelner Säuger. Solche Bogengefäße sind allerwärts leicht nach- weisbar, und ich gehe vielleicht nicht fehl, wenn ich annehme, es handle sich um eine ursprünglich allen Ästen des Portalbaumes eigen- thümliche Erscheinung. Meist knüpft sich jedoch diese Eigenart der Verästelung an bestimmte Hauptbahnen. So erscheint namentlich die direkte Fortsetzung des rechten Hauptastes bei allen untersuchten Säugern als ein soleher R. arcuatus, wie ich diese Bogengefäße bezeichnen möchte. Ich erwähnte der excentrischen Lagerung der Hauptbahnen. Die- selbe ist auch jenen Ästen derselben eigen, welche der seitlichen Wandung derselben entstammen. Größtentheils finde ich mit Ausnahme bestimmter Abschnitte des Organs die Haupt- bahnen der distalen Fläche ihres Verästelungsbezirkes nahe eingelagert. Die Versorgung des solchen distalen Bahnen proximalwärts aufgelagerten Gebietes wird auf verschiedene Art be- werkstelligt und eignet sich zum Studium dieser Verhältnisse nament- lich das viellappige Organ. Es zeigt sich Folgendes. Die Hauptbahn selbst kann nach kurzem Verlaufe durch Abgabe eines ihrer distalen Wandung entstammenden Astes ins proximale Gebiet abgelenkt wer- den; oder aber dringen Seitenäste schrägen Verlaufes in dieses Ge- biet ein; der Hauptantheil der Versorgung ist zahlreichen der proxi- malen Wandung der Hauptbahn und ihres Seitenastes entstammen- den Ästen übertragen, welche direkt proximalwiirts emporsteigen. Sie mögen Rami ascendentes genannt werden. Sie sind es, welche den Typus einer Hauptbahn gewaltig verändern können, in- dem sie bei mächtiger Entwicklung sich zum Range einer Hauptbahn emporschwingen können. Vorzüglich das dorsale Gebiet wird fast ausschließlich durch ascendirendes Astwerk gespeist. Nicht selten kann eine Hauptbahn sich aufgelöst zeigen oder vertreten werden durch eine Anzahl von Ästen, eine Erscheinung, welche namentlich im Bereiche des R. umbilicalis eine recht häufige ist. Hierzu gesellt sich meist eine andere Erscheinung: die einzelnen Äste sondern sich schon ihrem Ursprunge nach in distal verlaufende und solche, welchen das proximale Gebiet zur Verästelung anheimfällt. Sie entstammen sodann über einander der seitlichen Wandung des R. wmbilicalis. Abweichungen von diesen im Vorstehenden mitgetheilten allge- meinen Grundzügen kommen nicht selten vor. Ich werde darüber später zu berichten haben. Gleichwohl vermögen dieselben das ein- mal richtig erfasste Bild nicht zu trüben. Es möge nunmehr die Schilderung des Astwerkes des Portalbaumes der Säuger folgen. 528 Hugo Rex Das Astwerk des Portalbaumes. Ich muss seiner Beschreibung einen Grundsatz voraussenden. Es erfolgt bei allen untersuchten Siugern, mit Ausnahme der principiell vielleicht unwichtigen Verschiebung der Ursprungsstätte des später zu beschreibenden Ramus eysticus, dieAbgabe der einzelnen Äste meist in typisch gleicher Weise. Bei der Beschreibung mögen die drei Hauptabschnitte, in welche sich die erste Verzweigung der Pfortader gliedert, die Grundlage der- selben bilden. Das beste Objekt des Studiums bildet wiederum dag viellappige Organ: Es enthält die jeder Hauptbahn zufallenden Ver- ästelungsbezirke getrennt und weiß die Wege, die im Ganzen etwas verschwommenen Kontouren, wie sie sich in manchen ungelappten Organen vorfinden, dem Gesammtbilde leicht anzupassen. Die Bahnen des rechten Hauptastes. Ihre Verästelungsgebiete werden größtentheils durch das vertikale Theilstück des Organs repräsentirt. Dieselben breiten sich dem entsprechend rechts vom Beitriige zur Morphologie der Siiugerleber. 529 Ursprungsstücke des rechten Hauptastes proximalwärts und distal- wärts aus. Der rechte Hauptast zeigt sich stets entweder gleich von seinem Ursprunge aus dem Pfortaderstamme an oder doch im weiteren Verlaufe, wenn auch schon im ersten Beginne seines Ver- laufes durch Abgabe anderer Hauptbahnen erheblich geschwächt, als Ramus arcuatus (s. Taf. XX Fig. 8). Stets stellt er eine mit ihrer Konvexität nach außen gerichtete, im Bogen ver- laufende Hauptbahn dar, deren innere Wandung von der Abgabe größerer und meist auch kleinerer Äste befreit ist. Dieser Gefäßbogen umkreist bald enger bald weiter den Stamm der Hohlader, ja er kann demselben unmittel- bar angelagert sein, denselben gleichsam umschlingend. Die Ebene, in welcher derselbe gelagert ist, ist eine nach unten und nach außen schräg abfallende. Es bewahrt also die direkte Fort- setzung des rechten Hauptastes ihre Selbständigkeit als Hauptbahn stets deutlich; dendritische oder dichotomische Verästelung ist ihr fremd. Dies der Grundeharakter. Ich möchte diese Hauptbahn als Ramus arcuatus bezeichnen. Ihr Verästelungsgebiet stellt im Be- reiche gelappter Organe der rechte obere Lappen dar. Im un- gelappten Organe kann man den Ramus areuatus immer wieder leicht an seiner charakteristischen Erscheinung wieder erkennen; überdies zeigt sich sein Gebiet auf die distale Fläche durch die Impressio oder Fossa renalis gleichwie projicirt. Diese Verhiiltnisse wiederum herauszufinden aus der Menge der Bilder, welche das Studium der Säugerleber offenbart, wird im Einzelfalle nicht selten durch zwei Momente gestört: einestheils durch den Umstand, dass der rechte Hauptast außer dem R. arcuatus noch anderen Bahnen vorsteht, welche erst ausgeschieden werden müs- sen, soll man klaren Überblick gewinnen; anderentheils auch durch starke Prävalenz eines starken Seitenastes des R. arcuatus. Meist ist es einer der ersten Seitenäste, welcher durch bedeutende Mäch- tigkeit ausgezeichnet, die Versorgung des weitaus größten Theiles des der Hauptbahn zugehörigen Gebietes übernimmt, und die eigent- liche Fortsetzung derselben erscheint sodann als ein vergleichsweise nur schwaches Gefäß. Was die Abgabe anderweitiger Hauptbahnen anlangt, so fällt dem rechten Hauptaste vor Allem stets die Abgabe eines mäch- tigen Astes oder auch einer diesen vertretenden Astgruppe zu, welche den rechten unteren Lappen gelappter Organe versorgt (s. Taf. XX Fig. 8). Uber sein Territorium beim Organe der Cetaceen und des 530 Hugo Rex Menschen werde ich im speciellen Theile berichten. Diese Bahnen haben stets, der Lagerung ihres Verästelungsgebietes entsprechend, eine nach außen und unten absteigende Verlaufsrichtung. Ist dieses Stromgebiet, wie dies meist der Fall ist, durch einen ein- zigen starken Ast, also durch eine Hauptbahn repräsentirt, so nimmt derselbe seinen Ursprung aus der distalen Wandung des R. arcuatus oder des rechten Hauptastes. Ich will diese Hauptbahn als Ramus descendens bezeichnen. Stellt derselbe eine dem R. arcuatus in Mächtigkeit ebenbürtige Bahn dar, so zeigt sich der rechte Hauptast meist bald nach seiner Entstehung aus dem Pfortaderstamme in zwei Äste zerfällt, in den Ramus arcuatus und descendens. Noch eine dritte Hauptbahn vermag dem rechten Hauptaste an- heimzufallen: der bereits erwähnte R. cysticus. Ich behalte mir seine Besprechung für später vor. So viel sei jedoch schon jetzt bemerkt, dass sich an seinen Ursprung vom rechten Hauptast man- nigfache Varianten des Ursprunges des R. descendens knüpfen. Die Bahnen des linken Hauptastes. Derselbe zeichnet sich, wie ich bereits hervorhob, meist dadurch aus, dass er dem rechten Hauptaste an Länge weit überlegen ist. Das Verästelungsge- biet seiner Äste baut sich entsprechend seiner Einbettung in den links- seitigen Abschnitt der Pforte großentheils ventral- und proximalwärts von ihm auf, ein nur geringer Abschnitt dorsalwärts: das dorsale Gebiet. Dies sein Verästelungsgebiet findet sich durch eine Hauptbahn, welehe durch ihre mächtige Entwieklung imponirt, ver- sorgt: durch den R. eysticus (s. Taf. XX Fig. 8). Entstammt derselbe jedoch dem rechten Hauptaste, so fällt dem linken Hauptast bloß das dorsale Gebiet und vorzüglich der Lobus omentalis zur Ver- sorgung anheim, und gleichzeitig findet sich naturgemäß das Gebiet des R. eysticus mehr nach der rechten Seite verlagert; der nun dem linken Hauptaste ventral- und proximalwärts auflagernde Parenchym- abschnitt gehört dann großentheils zum Verästelungsgebiete des Ree. umbilicalis. Der Ramus cysticus versorgt beim gelappten Organe den nach rechts vom Sitze der Gallenblase gelagerten Abschnitt des mittleren Lappens. Die Lagebeziehungen seines Astwerkes zur Fossa eystiea mögen seine Bezeichnung rechtfertigen. Die gleichen topischen Be- ziehungen sind ihm auch im ungelappten Organe eigen; eine nähere Darstellung derselben sei dem Kapitel der speciellen Formverhältnisse vorbehalten. Den Formenreichthum seiner Verästelungsart unter einem ein- heitlichen ‘Gesichtspunkte zusammenzufassen, gelingt erst dann, wenn man sein Territorium mit in Betracht zieht. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass sich der dorsoventrale Durchmesser des Verästelungsgebietes des R. eystieus beträchtlichen Schwankungen unterworfen zeigt, undineinergewissen Wechselbeziehung zum Höhen- durchmesser dieses Gebietes steht; indem der erstere auf Kosten des letzteren sich vergrößern kann und umgekehrt. Die Ver- srößerung des dorsoventralen Durchmessers scheint mir namentlich bei gelappten Organen in Erscheinung zu treten. Ich bin meiner Sache diesbezüglich nicht ganz sicher; allein die Annahme dieser Erscheinung des Vikariirens beider Durchmesser scheint mir die man- nigfache Form der Verästelung des R. cysticus recht gut zu erklären. Bei gelappten Organen finde ich den Ramus cysticus, meist der ventralen Wandung des linken Hauptastes entstammend, zuerst eine beträchtliche Strecke astlos emporsteigen, sodann umbeugend sich nahe der distalen Fläche seines Verästelungsbezirkes, dem rechts- seitigen Abschnitte des mittleren Lappens einlagern. Die Versorgung der Lappendecke habe ich bereits gelegentlich der Besprechung der ‚allgemeinen Formverhältnisse des Astwerkes des Portalbaumes be- sprochen: meist sind es die R. ascendentes, welche hierbei in ver- schiedener Art betheiligt sind. Beim ungelappten Organe scheint mir der Höhendurchmesser — des Verästelungsbezirkes des R. cysticus namentlich im dorsalen Ab- schnitte auf Kosten des dorsoventralen Durchmessers bevorzugt; es tritt das Astwerk der ascendirenden Äste in Vordergrund und vermag die leitende Rolle zu übernehmen, indem es sich zu einem mächtigen R. ascendens vereint vorfindet; der Ramus eystieus, die distale Hauptbahn der gelappten Organe wird in einem solchen Falle zu einem mehr oder weniger schwachen, der ventralen Wandung des R.ascendens entstammenden Aste, den nur mehr seine topischen Beziehungen zur Fossa cystica als R. eysticus wieder erkennen lassen. Ich möchte diesbezüglich auf den menschlichen Portalbaum verweisen, welcher die geschilderten Ver- hältnisse sehr deutlich zeigt (s. Taf. XXIV Fig. 40, 41). Diese soeben besprochenen Verhältnisse zeigen sich meist mit dem Ursprunge des R. cysticus aus dem rechten Haupt- aste kombinirt. Vielleicht sind noch andere Umstiinde in Betracht zu ziehen, welche uns die Umwandlung des R. cysticus in einen R. ascendens Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 531 COD % 532 Hugo Rex zu erklären vermögen. Vielleicht findet mit der Verschmelzung der Verästelungsbezirke der einzelnen Hauptbahnen eine Versetzung ein- zelner Äste statt? Es gilt mir nicht für unwahrscheinlich. Zwischen den beiden dargestellten Extremen, zwischen der Er- scheinung des R. eysticus und R. ascendens als Hauptbahn, kommen mannigfache Übergangsstufen vor. Die Ursprungsstätte des R. eysti- cus stellt ein recht variables Element dar, indem sie bald in der Mitte, bald in der rechten oder linken Hälfte des linken Haupt- astes gelagert sein kann. Versetzung derselben auf die Theilungs- stelle des Pfortaderstammes kommt gleichfalls vor. Während der R. cysticus eine inkonstante Erscheinung im Be- reiche des linken Hauptastes darstellt, kommen demselben stets Ast- gruppen zu, welche seiner dorsalen Wandung entstammend vorzüglich den Lobus omentalis speisen (s. Taf. XX Fig. 8). Ich will dieselben Rami omentales nennen. Gehen wir nun- mehr über zur Schilderung des Astwerkes des Recessus umbilicalis. Entsprechend seiner sagittalen Einlagerung ins Ventralstück der Leberlängsfurche, steht er zu dem Verästelungsgebiete seines Ast- werkes in den gleichen topischen Beziehungen, welche ich in der Einleitung für das Ventralstück der Leberlängsfurche beschrieben habe. Der mannigfachen Differenzen seiner Längsausdehnung und Mäch- tigkeit habe ich schon Erwähnung gethan. Auch sein Astwerk weist eine Mannigfaltigkeit auf, welche wohl mit der wechselvollen Ge- staltung des R. umbilicalis innig zusammenhängt. Im Allgemeinen gilt die Regel: je kürzer der R. umbilicalis, desto geringer die Zahl seiner Äste und desto größer deren Mächtigkeit. Ist die Zahl der Äste eine große, so findet, wie ich bereits früher hervorhob, eine Gruppirung derselben in der Art statt, dass die- selben förmlich reihenweise entspringen und über einander der seitlichen Wandung des Recessus entstammen. Namentlich gegen das ventrale Endstück desselben erscheint die Astabgabe nicht selten in der Art verschoben, dass demselben die meisten Äste oft dicht gedrängt entstammen. Auch kann es vorkommen, dass einzelne der- selben mit ihrem Ursprunge auf die proximale Fläche des Recessus verschoben erscheinen, selten auf die distale Fläche. Bei nur ge- ringer Zahl der Äste nehmen dieselben stets den Charakter der Hauptbahn an; namentlich gilt dies von den linksseitigen Ästen. Dass eine größere Zahl von Ästen einer in einzelne Äste zerfällten Hauptbahn entspricht, habe ich bereits hervorgehoben. Beitriige zur Morphologie der Säugerleber. 533 Ich möchte das Astwerk des R. umbilicalis in ein rechts- seitiges und ein linksseitiges scheiden. Das Stromgebiet des letzteren ist das bei Weitem miichtigere. Das rechtsseitige Ast- werk versorgt jenen Abschnitt des mittleren Lappens, welcher links von der Fossa cystica zu liegen kommt. Dieser Abschnitt entspricht dem »Lobus« quadratus der ungelappten Organe. Das linksseitige Astwerk versorgt jenen Abschnitt des Organs, welcher nach links von der Leberlängsfurche gelagert ist: bei unge- lappten Organen den linken Lappen der Autoren. Dieses Gebiet findet man bei den meisten gelappten Organen in zwei über einander liegende Abschnitte, einen kleineren oberen und größeren unteren geschieden, in die bereits erwähnten Lob. sinister sup. und inferior. Entsprechend dieser Theilung des Parenchyms in zwei Bezirke lässt sich das linke Astgefolge in zwei Abschnitte gliedern, einen ventralen und einen dorsalen. Der letztere wird konstant durch einen mächtigen starken Ast, durch eine der distalen Fläche ihres Lappens eingelagerte Hauptbahn dargestellt, welche wegen der Konstanz der Örtlichkeit des Ursprunges besonders berücksichtigt zu werden verdient. Diese Hauptbahn entstammt stets der linken Seite des Wurzelstückes des Rec. umbilicalis, un- mittelbar nachdem der linke Hauptast rechtwinkelig in denselben überging und soll mit Rücksicht auf diese Verhältnisse R. angularis genannt werden. Nicht selten vermag derselbe vermöge seiner - mächtigen Entwicklung als scheinbar direkte Fortsetzung des linken Hauptastes zu imponiren. Einer seiner dorsalen Seitenäste zeichnet sich stets durch seine Mächtigkeit aus, und kann sogar mit dem R. angularis in der Versorgung dessen Gebietes rivalisiren. So viel über den R. angularis, welcher den dorsalen Abschnitt des linken Astgefolges repräsentirt. Er versorgt den Lob. sin. inf. Der ventrale Abschnitt ähnelt ungemein dem rechtsseitigen Ast- gefolge, stellt ein ihm meist gleichstarkes Stromgebiet dar und ver- sorgt den L. sin. sup. So viel über den allgemeinen Charakter des Astwerkes des Portalbaumes der Säuger. Auf Grundlage dieser übersichtlichen Darstellung möge die Verzeichnung der Einzelheiten, welche sich im Bereiche der untersuchten Ordnungen der Säuger vorfinden, erfolgen. Eine solche Beschreibung muss Hand in Hand gehen mit der Dar- stellung der äußeren Formverhältnisse des Organs, namentlich der Erscheinung der Lappenbildung. Ich habe bereits in der Einleitung einen kurzen allgemeinen Abriss der letzteren gegeben als Grundlage Morpholog. Jahrbuch. 14. 35 534 Hugo Rex des Verständnisses der topischen Beziehungen des Astwerkes des Portalbaumes zu den einzelnen Abschnitten des Organs. Nachdem wir nunmehr die allgemeinen Umrisse des Portalbaumes kennen ge- lernt haben, können wir auch dem Kapitel der Lappung der Säuger- leber größeres Interesse und Verständnis entgegenbringen und es mag daher der Beschreibung der speciellen Formverhältnisse eine übersichtlich gehaltene Darlegung der Beziehungen des Portalbaumes zu den äußeren Formverhältnissen und der Lappung der Säugerleber vorausgesandt werden. Die Beziehungen des Portalbaumes zu den äufseren Formverhältnissen der Leber. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ich meine bezüglichen Untersuchungen an in situ normali gehärteten Organen vornahm. Dieselben zeigen in erster Linie, dass jener von W. Hıs für die mensch- liche Leber beschriebene hohe Grad von Anpassungsfäbig- keit an die Nachbarschaft natürlich auch der Säugerleber inne- wohnt, da sich das in situ erhärtete Organ nach seiner Herausnahme genau nach seiner Umgebung modellirt zeigt. Nur sind naturgemäß den mannigfach veränderten topischen Verhältnissen entsprechend Einzelheiten des Reliefs vielfach markanter. Ich erinnere an das Eintreten einer Fossa renalis, eystica für die gleichen Impressiones des menschlichen Organs, an die mannigfach verschiedenen topischen Beziehungen zum Magen u. a. m. Eine andere Erscheinung fesselt jedoch die Aufmerksamkeit des Beobachters in hohem Grade: Es ist dies die so differente Entwicklung der einzelnen Abschnitte des Organs, da- durch deutlich hervortretend, dass bald eine mehr gleich- mäßige Vertheilung der Mächtigkeit des Parenchyms, bald aber ein Abschnitt des Organs gegenüber dem anderen bevorzugt erscheint, indem derselbe eine Ver- ringerung seiner Mächtigkeit erfahren hat. Es ist dieses Kapitel des Vikariirens einzelner Abschnitte bezüglich ihrer Mächtigkeit ein sehr heikles Thema, welches sich wohl noch am besten an der Hand des Studiums des Portalbaumes einer gedeihlichen Lösung zuführen lässt. Ich will als recht prägnantes Beispiel das Organ der Rodentier, Carnivoren und des Menschen in Parallele bringen, und sodann versuchen, die so divergenten äußeren Formbeziehungen dieser drei Beispiele mit den Eigenthümlichkeiten 3 A Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 535 des Portalbaumes der genannten Organe in Einklang zu bringen und sie durch dieselben zu erklären. Das Organ vom Menschen (s. Taf. XX Fig. 4, 6) zeigt den vertikalen Abschnitt und das Übergangsstück in den transversalen Abschnitt ungemein mächtig entwickelt; die Mächtigkeit des trans- versalen Abschnittes erfährt jedoch nach links hin eine beträchtliche Einbuße, so dass der linke Lappen der Autoren nicht selten gleich- wie als Anhang des die Hauptmasse des Organs darstellenden rechts- seitigen Abschnittes erscheint. Anders das Organ der Carnivoren (s. Taf. XX Fig. 3). Dies weist eine mehr gleichmäßige Entwicklung sämmtlicher Abschnitte auf. Vertikaler und transversaler Abschnitt besitzen beide allenthalben relativ gleichen Diekendurchmesser, und das Organ erweckt in allen seinen Abschnitten den Eindruck der gleichmäßigen Vertheilung der Mächtigkeit. Und das Organ der Rodentier, z. B. von Lepus cuniculus (s. Taf. XX Fig. 2). Wieder ein anderes Bild. Der gering entwickelte vertikale Abschnitt vom transversalen vollkommen geschieden, getrennt. Beide Abschnitte zeigen die typische, rein vertikale und transversale Lagerung. Es sei genug an diesen Beispielen. Welche Aufschlüsse gewährt uns der Portalbaum ? Eine nähere Betrachtung lehrt bald, dass es vornehmlich ein Faktor ist, welcher bei der Vertheilung der Mächtigkeit des Paren- chyms eine hervorragende Rolle spielt: die Ursprungsstätte des R. eystieus. Mit der wechselnden Örtlichkeit derselben muss auch das Verästelungsgebiet des R. eysticus seine Lagerung ändern und auf die äußere Formgestaltung des Organs bedeutenden Einfluss aus- üben. Hiermit steht wohl auch in einiger Beziehung die Längs- ausdehnung des linken Hauptastes. So vermag uns der Ursprung des R. eysticus vom rechten Haupt- aste beim menschlichen Organe die Verlagerung der Mächtigkeit des- selben nach dem rechtsseitigen Abschnitte desselben zu erklären, indem mit dem R. cysticus auch dessen Verästelungsgebiet sich rechterseits gelagert findet. Der Ursprung des R. cysticus von der Mitte des relativ sehr langen linken Hauptastes bedingt die gleichmäßige Vertheilung der Mächtigkeit der Carnivorenleber, und endlich mag die Verriickung ‘der Ursprungsstätte auf die linke Hälfte des langen linken Haupt- astes beim Rodentier nicht wenig zur räumlichen Trennung der beiden Abschnitte des Organs beigetragen haben. 39* 536 Hugo Rex Ein anderes Moment noch lehrt das Studium des Portalbaumes erkennen. Es beruht dasselbe in einer nur geringen Entwick- lung einer einzelnen Hauptbahn. So lehren die Organe vom Menschen, von den Rodentiern und Cetaceen, dass bald diese, bald jene Hauptbahn nur geringgradig entwickelt sein kann, ja formlich wie verktimmert erscheinen kann. Der R. angularis des menschlichen Organs giebt hierfür ein treffendes Beispiel. Dessgleichen ist bei Le- pus eunieulus das Stromgebiet des R. descendens ein außerordentlich reducirtes. Ob für solchen Ausfall in der einen Richtung Ersatz geschafft wird durch vikariirende Prävalenz anderer Bahnen — ver- mag ich nicht mit Bestimmtheit auszusagen. Doch halte ich es sehr für wahrscheinlich. Noch eines dritten Faktors sei endlich Erwähnung gethan, welcher bei der Beurtheilung der in Frage stehenden Erscheinung gewiss auch eine hervorragende Rolle spielt. Es ist dies die bereits erwähnte hochgradige Anpassungsfähigkeit der Leber an ihre Nach- barschaft, in erster Linie an den Magen. So mag diese Erscheinung bei dem Zustandekommen der so auffallenden Form der Rodentier- leber gewiss auch als ursächliches Moment mitgewirkt haben. Eine nähere Betrachtung dieser Verhältnisse möchte jedoch den Rahmen meiner Arbeit weitaus überschreiten, indem ich hierbei namentlich auf entwicklungsgeschichtliche Daten zurückgreifen müsste. Ich will bloß auf die schönen einschlägigen Arbeiten von ToLpr und ZUCKER- KANDL! sowie auch von W. Hıs? verweisen, welche diese Frage in Bezug auf das menschliche Organ eingehend erörtert haben. Das Kapitel der Lappung der Säugerleber ist überreich an zahlreichen Eigenthümlichkeiten, und bot bislang dankbares Material der Beschreibung; ich will es versuchen, diese Erscheinung auf ein einheitliches Grundprineip, nämlich jenes seiner Abhängigkeit vom Astwerke des Portalbaumes zurückzuführen. Ich erwähnte bereits mehrfach der innigen Beziehungen, welche zwischen Lappenbildung und dem Astwerke des Portalbaumes ob- walten. Durch die Lappung werden stets nur bestimmte Ab- schnitte des Organs, welche dem Verästelungsgebiete einer bestimmten Hauptbahn oder bestimmten Astgruppe entsprechen, von jenem der übrigen geschieden. Dem ent- 1 Über die Form- und Texturveränderungen der menschlichen Leber etc. Sitzungsber. der kaiserl. Akademie der Wiener math.-nat. Klasse. Bd. LXXII. III. Abth. 1875, eet Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 537 sprechend miissen wir mit der Wiederkehr desselben Ast- werkes des Portalbaumes immer wieder dieselben Lappen oder ihnen gleichwerthige Abschnitte des Organs wieder- finden. Es ist daher die Lappung keine rein willkiirliche. sondern streng an die Verästelung des Portalbaumes ge- bundene Erscheinung. Der Formenreichthum, den dieselbe auf- weist, beruht lediglich darin, dass bald das Verästelungsgebiet jeder Hauptbahn, bald nur jenes einzelner Bahnen individuelle Selbständig- keit erlangt. Mit Ausnahme des R. cysticus und des rechten Ast- gefolges des Recessus, welchen beiden stets ein gemeinsames, der echten Lappung nie unterworfenes Verästelungsgebiet zufällt, vermögen die Territorien aller übrigen Hauptbahnen, also jene des Ramus arcuatus und descendens, des linken Astgefolges und des Ram. angu- laris, sowie jenes der R. omentales ihre Selbständigkeit als Lappen zu erhalten. Das dem rechten Astgefolge des Recessus und dem R. cy- sticus gemeinsame Gebiet haben wir schon als den mittleren Lappen viellappiger Organe kennen gelernt. Die diesem Lappen an seiner distalen Fläche stets eingelagerte Gallenblase giebt die Grenzmarke des Verästelungsgebietes der beiden Abschnitte des Portalbaumes. an. An diesen mittleren Lappen finden sich, wie ich dies bereits mit- getheilt habe, bei konsequent durchgeführter Lappung, rechts und links je ein Lappenpaar angelagert vor. Welche Hauptbahnen die- selben speisen, habe ich gleichfalls bereits erörtert. . Nachfolgendes Schema möge das Verhältnis der einzelnen Pfortaderäste, deren Terri- torium überhaupt Selbständigkeit als Lappen gewinnen kann, zu diesen letzteren der Lagerung nach übersichtlich darstellen. Ast oder Astgruppe. | Ursprungsstitte. | Lappen. R. descendens Rechter Hauptast Rechter unterer R. arcuatus Rechter Hauptast Rechter oberer R. cysticus R. oder linker Hauptast | | Recht. Astgefolge | Recessus umbilicalis J Link. Astgefolge | Recessus umbilicalis Linker oberer R. angularis Recessus umbilicalis Linker unterer R. omentales Linker Hauptast Lobus omentalis Mittlerer Lappen Die Lappung selbst wird bekanntlich durch Einschnitte von ver- schiedener Tiefe herbeigeführt, welche das Organ stets vom ventralen scharfen Rande aus gegen sein dorsales Gebiet hin durchsetzen. Es zeigt sich an Situspräparaten, dass diese Einschnitte meist be- 538 Hugo Rex stimmten Ebenen angehören; sie durchsetzen das dorsale Gebiet nicht selten gänzlich, und kann es in einem solchen Falle zu einer voll- kommenen Trennung der einzelnen Gebiete kommen. Meist finde ich jedoch, wie ich bereits in der Einleitung hervorhob, das dorsale Gebiet des mittleren und der beiden linken Lappen nicht getrennt, dessgleichen auch jenes der beiden mit einander recht innig zusammen- hängen. Die Lappung kann also eine durchgreifende sein; sie erreicht oder durehsetzt dann das dorsale Gebiet; sie kann aber auch eine nur angezeigte sein, wenn an den typischen Stellen, an welchen sonst durchgreifende Einschnitte vorkommen, solche nur wenig tief ins Organ eingreifen und die Hälfte des dorsoventralen Durchmessers desselben nicht überschreiten. Die Lappung kann schließlich auch eine nur scheinbare sein, indem durch anderweitige Momente eine Abgrenzung einzelner Abschnitte bewirkt werden kann. Ein charak- teristisches Beispiel hierfür liefert der »Lobus« quadratus der Autoren. Seine Erscheinung wird bedingt durch eine tiefe Einlagerung der Gallenblase, durch welche in einzelnen ausgezeichneten Fällen, wie z. B. bei den Carnivoren, fast eine vollkommene Trennung der Ver- ästelungsgebiete des R. eystieus und des rechten Astgefolges bewirkt werden kann. Mit der nur seichten Einlagerung der Gallenblase und mit ihrem Mangel ist auch die Existenz des »Lobus« quadratus hin- fällig geworden. Die zahlreichen individuellen Differenzen der Lappung lassen sich, wie erwähnt, leicht auf den Umstand zurückführen, dass die Abtrennung der einzelnen Gebiete der Hauptbahnen nicht immer in gleichem Maße durchgeführt erscheint. Gewöhnlich finde ich die beiden rechten und den linken unteren Lappen deutlich durch durch- sreifende Lappung von ihren Genossen geschieden; anders der mitt- lere und linke obere Lappen. Diese beiden zeigen sich meist mehr oder weniger innig mit einander verschmolzen und stellen nicht selten gegenüber den übrigen Abschnitten ein einheitliches Ganzes dar. Bei Besprechung der Lappung der Säugerleber drängt sich un- willkürlich der Gedanke auf, welche ursächlichen Verhältnisse bei der Bildung der Lappung wohl im Spiele waren. Vielleicht könnte man für einzelne Erscheinungen derselben im Portalbaume eine Erklärung finden? Ich möchte wiederum auf die mannigfachen Varianten der Ursprungsverhältnisse des R. eystieus zurück- greifen. Sein Ursprung vom rechten Hauptast, z. B. bei den Artio- dactylen, wird vielleicht durch innige Anlagerung seines Gebietes an sh oe Pr, Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 539 jenes des R. arcuatus eine Lappenbildung und Sonderung dieser beiden Gebiete nicht begünstigen, oder vielleicht gar verhindern; sein Ur- sprung vom langen linken Hauptaste bei den Carnivoren zur Trennung beider Gebiete, zur Lappenbildung führen; in erhöhtem Maße mag dies auch für das Organ der Rodentier gelten. Doch sind dies nur Vermuthungen und ich gestehe offen, dass ich mir die Erklärung so mancher Eigenthümlichkeit der Lappung schuldig bleiben musste. Warum verschmelzen im Organe der Ce- taceen alle Abschnitte zu einem einheitlichen Ganzen? Man könnte noch manche andere Frage aufwerfen. Ich muss mich mit dem mitgetheilten Versuche der Deutung der ursächlichen Momente der Lappung eines bestimmten Abschnittes begnügen. Im Umstehenden gebe ich eine tabellarische Übersicht der mannigfachen Form der Lappung im Bereiche der untersuchten Ord- nungen der Säuger, in Beziehung gebracht zu den einzelnen Haupt- bahnen des Portalbaumes. Nur auf dem Wege der durchgreifenden Lappung abgetrennte Lappen sind in derselben mit einem X ver- merkt. Verschmelzung der einzelnen Gebiete habe ich mit einer liegenden Klammer angezeigt. Jene Lappen, welche sich einer nur geringen Entwicklung erfreuen, habe ich überdies mit einem Stern bezeichnet. Es sei mir schließlich gestattet, die auf die Lappung bezug- nehmenden Litteraturangaben einzusehen. MECKEL!, CUVIER?, STAN- xıus?®, OwEen* und Duvernoy® haben bezüglich der Lappung der Säugerleber recht detaillirte, rein systematische Beschreibungen ge- liefert. Jedoch bloß zwei Forscher haben sich mit der näheren Er- klärung und Deutung der verschiedenen Formen der Lappung be- schäftigt: DuvErnoy und Owen. Der Deutungsversuch des Ersteren besteht in der Annahme eines »Lobe prineipal«, welcher die mensch- liche Leber in toto repräsentirt: den beim Säuger vorkommenden, 1 J. F. MECKEL, System der vergleichenden Anatomie. IV. Th. 1829. 2 G. Cuvier, Lecons d’anatomie comparée. Rec. et publ. par G. L. Du- VERNOY. Tom IV. Deuxieme partie. Paris 1835. 3 STANNIUS, Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. 1845. * R. Owen, On the Anatomy of the Vertebrates. Vol. III. Mammals 1868. 5 G. L. Duvernoy, Etudes sur le foie. prem. mem. de la forme du foie de mammiferes. Annales de sciences naturelles 2. ser. Vol. IV. 1835. 6 Eine einschlägige Abhandlung von FLOWER, »Nomenklatur der Leber- lappen« in Journ. d. Zoologie, angef. in SCHWALBE’s Jahresberichten über die Fortschritte der Anatomie und Physiologie. 1872 — blieb mir leider unzu- gänglich. - 540. Hugo Rex gleichwie überzähligen Lappen weist er die Stellung von neuen, dem Lobe principal hinzugefügten Lappenelementen an. Die Haltlosigkeit dieser Ansicht hat der zweite Forscher, wel- cher sich mit dieser Frage beschäftigte, Owen (l. e. pag. 483), bereits nachgewiesen. Er hat als Anhaltspunkt der Orientirung der ein- zelnen Lappen einen mittleren Abschnitt des Organs, seinen »Lobe Lappenbildung des Bereiches Monotremata. Echidna hystrix Edentata. Dasypus novemeinctus Cetacea. Delphinus tursio Artiodactyla. Catoblepas Gnu; Ru- picapra rupicapra; Capra hircus ; Bos taurus; Bos elaphus Rodentia. L. cuniculus ; Sciurus vul- garis; Myoxus glis; Spermophilus citillus; Mus rattus Insectivora. Erinacaeus europaeus. Carnivora. Canis familiaris; Ursus malayanus; Mustela martes; Pu- torius vulgaris; Felis domestica; Felis leo; Felis pardus; Cynai- lurus guttata Pinnipedia. Phoca vitulina. Prosimiae. Stenops gracilis Cercopithecus sabaeus; Inuus I. rhesus. Cynoceph. Hamadryas Simia troglodytes Simia satyrus. sapiens Primates cystic« aufgestellt und, wie mir scheint, mit vielem Gliicke. dieser sein » Lobe eystic« wird charakterisirt durch zwei Grenzmar- ken, durch die Fossa eystica und das Ligamentum teres, deren innige Beziehungen zum Portalbaume Owen allerdings nicht kennt. des R. R. |B. evst-{tinkes| RB |. ®. dbscend. arenat. uhr Astgef. | angul. | oment. Recht. | Recht. | Mittl. | Linker | Linker | Netz- unt. L. | ob. L. |Lappen.| ob. L. | u. L. |lappen X A UI | X FE ACE a a — Lt — iy pt | / + >. Gn en eee ER 10.7 — | ee daR N Er: | X X RN X ox ER NN —— 10 X PSO Ta TE X AR | cynomolgus ; | | | | x* | x a Xs ix x — 19 ipa Homo |, | Denn Ich kann seinem Vorgange nicht folgen, denn ich glaube nachgewiesen Z 4 ji J zu haben, dass das Geiiste des Portalbaumes der maBgebende Faktor ist, welchem sich das rein sekundiire Element der Lappung unter- zuordnen hat und welcher nicht gestattet, auf Grundlage rein äuße- rer Formbeziehungen den inneren Aufbau des Organs zu vernach- lässigen. Owen ist überdies der Erste, welcher den Lobus Spigelii (meinen L. omentalis) bei allen Säugern richtig orientirt. Wenn ich gleichwohl diesen Abschnitt des Organs einer eingehenden Bespre- chung unterzog, so geschah dies nur, um die nur allgemein gehal- tenen Angaben von OWEN schärfer zu fassen und namentlich die Abgrenzung des L. omentalis deutlich hervorzuheben. Die größte Zahl der Lappen, welche ich bei den von mir unter- suchten Säugern vorfand, beträgt, wie ich oben nachgewiesen habe, sechs. Es dürfte daher von Interesse sein, einige in der Litteratur beschriebene Fälle von Viellappigkeit des Organs mit in Bespre- chung zu ziehen. Diese Angaben betreffen das Koala (Phascolarctos), das Kamel und die Ferkelratten (Capromys) [GIEBEL!; OWEN (l. e.)]. Zeichnung und Beschreibung, welche Owen (l. e. pag. 482) von dem ersteren entwirft, drängen mich zur Annahme, dass es beim Koala wohl nur zu jener Art von tiefer Furchenbildung gelangt, welche ich bei Lepus cuniculus so oft beobachtete und welche die Lappen keines- wegs in Mitleidenschaft zieht, indem diese Einschnitte der distalen Lappenfläche nicht tief genug ins proximale Gebiet eindringen. Viel- leicht handelt es sich um eine große Zahl von Rimae coecae Halleri (Hyrrr (1. ¢.)]. Ähnliches mag auch beim Kamele vorwalten. Anders bei Capromys. Hier soll nach Owen wirkliche Läppchenbildung an dem in fünf größere Lappen zerfällten Organe auftreten nach Art des Zerfallens der Cetaceenniere in ihre vielen Läppchen. Doch meint Owen, dass die Natur der gewöhnlichen Lappung gewahrt bleibe, indem die einzelnen Läppchen sich zu fünf größeren Lappen vereint vorfinden. Mit der Erscheinung der fünf größeren Lappen finden wir uns auf dem Boden der allgemein verbreiteten Form der Lappung wie- der, welche durch das prineipiell wohl bedeutungslose Zerfälltwerden in kleinere Abschnitte keine bedeutungsvolle Änderung erfahren hat. Ich gehe nunmehr zum Kapitel der speciellen Formverhältnisse der Säugerleber über und will namentlich die mannigfachen Bilder, welche der Portalbaum aufweist, einer eingehenden Besprechung unterziehen. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 541 1 C. G. GIEBEL, Die Säugethiere in zool., anat. ete. 1855. 542 Hugo Rex III. Specielle Formverhältnisse des Portalbaumes und der Lappung der Säugerleber. Behufs der näheren Orientirung der folgenden Angaben verweise ich auf die Tafeln XX—XXIII. Dieselben enthalten theils Zeichnungen vom in situ gehärteten Organe, theils solche vom Portalbaume der untersuchten Säuger. Was die ersteren anlangt, so habe ich die- selben sämmtlich auf gleiche Größe redueirt zeichnen lassen und zwar theils ihre Ventralansicht, theils ihre Dorsalansicht. In den Zeichnungen der Portalbäume habe ich die Hauptbahnen und ihr gröberes Astwerk recht genau wiederzugeben mich bemüht. Gleichwohl beanspruchen dieselben nur den Werth von Schemen, in so fern als es sich um: präparirte Organe handelt und mit der Präparation auch der Situs normalis verloren ging. Zur besseren Orientirung habe ich bei gelappten Organen die einzelnen Lappen aus einander gelegt gezeichnet. Namentlich bei ungelappten Or- ganen habe ich die topischen Verhältnisse recht getreu wiederzu- geben getrachtet. Sämmtliche Portalbäume sind von der distalen Fläche aus ge- zeichnet; ihr Astwerk ist in blauer, jenes der Gallenwege in rother Farbe gehalten. Die Umrisse der Lappen habe ich bloß bei gelapp- ten Organen eingezeichnet. Kleine Pfeile mögen das ascendirende Astwerk andeuten, kleine ? mögen jene Partien bezeichnen, welche, arg lädirt, keinen Schluss auf das ihnen entsprechende Gebiet des Portalbaumes erlaubten. Im Folgenden will ich als distale Bahnen kurzweg jene be- zeichnen, welche der distalen Fläche ihres Verästelungsgebietes nahe eingelagert sind; als proximale solche, welche entweder gleich vom Anfange ihres Verlaufes dem proximalen Gebiete ihres Territoriums angehören oder erst später dahin abgelenkt werden. Als dorsale und ventrale, proximale und distale Seitenäste mögen jene be- zeichnet werden, welche dem entsprechenden Abschnitt der Wandung einer Hauptbahn, der beiden Hauptäste oder des R. umbilicalis ent- stammen. Und nun zu den einzelnen untersuchten Ordnungen. Monotremata. Echidna hystrix (s. Taf. XXI Fig. 12). Das Organ zeigt eine gleichmäßige Vertheilung seiner Mächtigkeit auf alle Lappen, mit Ausnahme des Lob. omentalis, welcher eine nur geringe Entwicklung zeigt. Sämmtliche Lappen mit Ausnahme des rechten unteren sind im dorsalen Gebiet mit einander innig vereint. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 543 Der Portalbaum zeichnet sich durch die Kürze der relativ mäch- tigen beiden Hauptäste und die gewaltige Längsausdehnung des ein enges Gefäßrohr darstellenden Recessus umb. aus. Derselbe hat die Länge des Ventralstückes der Längsfurche und erscheint sein ven- trales Endstück durch das Wurzelstiick des Lig. teres gebildet, welches eine kurze Strecke mit enger Lichtung versehen ist. Vom rechten Hauptaste erscheint zunächst erwähnenswerth, dass der R. descendens als proximales Bogengefäß den rechten unteren Lappen durchzieht und ihm dem entsprechend meist ventrale Seitenäste ent- stammen; ferner entstammt dem rechten Hauptaste der Ramus cy- sticus. Dieser distalen Hauptbahn entstammt ein stattlicher R. as- cendens fürs dorsale Gebiet seines Lappens. Dem linken Hauptaste entstammt ein schwacher ventraler Ast, der, so weit es das etwas defekte Präparat erkennen lässt, einen wie acessorischen R. eystieus darstellt; der dorsalen Wandung ein starker Ast, welcher, als Bogengefäß verlaufend, das Gebiet des Lob. omentalis speist. Das Astwerk des Recessus umbilicalis zeigt keine Regelmäßigkeit seines Ursprunges. Ventrales Endstück — dorsales Wurzelstück er- scheinen mit je zwei stärkeren Ästen besetzt; der mächtige R. an- gularis stellt scheinbar die direkte Fortsetzung des linken Hauptastes dar; nachdem er eine beträchtliche Strecke ohne Abgabe stärkerer Äste durchmessen hat, lagert er sich im Bereiche des linken unteren Lappens ventralwärts als distale Hauptbahn ein, dorsale Äste ent- sendend. Edentata. Dasypus tricinctus. D. sexeinetus (s. Taf. XXI Fig. 13). Die Gestaltung des Organs erweckt den Eindruck des gedrun- genen Kräftigen. Mit Ausnahme des rechten unteren Lappens, welcher überdies im Verhältnis zu den übrigen Abschnitten wenig mächtig entwickelt erscheint, werden sämmtliche Lappen durch ein gemein- sames dorsales Gebiet in ihren dorsalen Abschnitten mit einander- vereinigt. Der L. omentalis ist gering entwickelt. Der Portalbaum zeigt mannigfache Ähnlichkeit mit jenem der Mönotremen. Es ist wiederum die starke Längsentwicklung des Rec. umbilicalis, welche ihm ein charakteristisches Gepräge verleiht. Derselbe stellt jedoch ein stattliches Gefäß dar und reicht mit Bei- behaltung des gleichen Durchmessers bis zum Ventralende der Leber-. längsfurche. Der linke Hauptast übertrifft überdies den rechten be- deutend in der Länge. Dem ersteren vermag auch der R. cysticus zu entstammen, wie 544 Hugo Rex ich an einem Präparate von D. novemcinctus ersehe, während er bei den anderen untersuchten Dasypusarten dem linken Hauptaste entstammt. Der R. descendens entstammt bei diesen letzteren der distalen Wandung des R. arcuatus; sein Gebiet, der rechte untere Lappen, erhält überdies in seinem dorsalen Gebiet seine Versorgung durch einen zweiten schwächeren Ast, welcher gleichfalls dem R. arcuatus entstammt. Der letztere zeigt den im allgemeinen Theile geschilderten typischen Verlauf. Dem linken Hauptaste entstammt bei D. trieinetus bald nach seinem Ursprunge aus dem Stamme der Pfortader der R. cysticus. Derselbe nimmt den Verlauf eines Bogengefäßes, indem er bald. nachdem er in seinen Lappen eingetreten ist, schräg proximalwärts und nach links ins dorsale Gebiet eindringt. Die Konvexität seines engen Bogens ist ventralwärts gerichtet; ihr entstammen die Äste dieht gedrängt; so weit es das Präparat erkennen lässt, hat sich der erste Seitenast dieses Bogengefäßes zur mächtigen distalen Haupt- bahn emporgeschwungen. Der linken Hälfte des linken Hauptastes entstammen überdies stattliche R. omentales. Das Astwerk des Rec. umbilicalis entstammt demselben typisch doppelreihig, aus der seitlichen Wandung; nur wenige Äste ent- springen der proximalen Fläche. Die stärksten Äste entstammen der ventralen Hälfte des Recessus; sein ventrales Endstück selbst erscheint dicht mit Ästen besetzt. Vom R. angularis hat sich der R. dorsalis als selbständig dem Wurzelstück des Recessus entstammender Ast abgelöst. Im Bereiche der beiden linken Lappen ist ein Übergreifen der einzelnen Äste auf das Gebiet des benachbarten Lappens, wie es scheint, Regel. So vermag ein Ast des linken Astgefolges des Rec. umbilicalis an der Versorgung des linken unteren Lappens, und umgekehrt ein ven- traler Seitenast des R. angularis an jener des linken oberen Lap- pens mit theilzunehmen. Cetacea. Delphinus tursio (s. Taf. XX Fig. 1 und Taf. XXI Fig. 14). Das Organ desselben zeichnet sich durch den vollen Mangel jeglicher Lappung aus. Eine mächtige dorsale, vertikal aufstrebende Fläche, in deren Bereiche die Dorsalwandung der Hohlader voll- kommen frei liegt, eine proximale mächtig gewölbte und schließlich eine distale, tief ausgehöhlte Fläche begrenzen das Organ. Der ven- trale scharfe Rand ist tief ausgeschnitten; das Mittelstück des Or- gans zeigt eine erhebliche Verkürzung des vertikalen Durchmessers. Diese eigenthümliche Gestaltung des Organs im Vereine mit der in Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 545 der Mittellinie der proximalen Fläche befindlichen Haftlinie des Lig. suspensorium vermögen namentlich bei der Ventralansicht ganz leicht den Eindruck zu erwecken, als handle es sich um ein symmetrisch zweilappig gebautes Organ. Ein näheres Studium, namentlich der dor- salen Fläche, lehrt jedoch bald, dass der rechte seitliche Abschnitt den linken an Mächtigkeit überflügelt; die Darstellung des Ast- werkes des Portalbaumes vermag schließlich mit der Darlegung der nur kümmerlichen Entwicklung des rechten Astwerkes des Rec. um- bilicalis auch diese scheinbare fremde Erscheinung des Organs der Cetaceen dem gewöhnlichen Typus der Säugerleber unterzuordnen. Auch der erste Eindruck des Portalbaumes ist ein überraschen- der. Der Stamm der Pfortader zerfällt scheinbar in zwei sich dicho- tomisch verästelnde Hauptäste. Die nur geringe Entwicklung des rechten, sowie die mächtige Entfaltung des linken Astgefolges des Recessus umbilicalis und schließlich dessen starke Kürze vermögen leicht das erwähnte Bild vorzutäuschen. Immerhin bietet das Astwerk Eigenthümlichkeiten genug dar, welche demselben ein eigenes Gepräge verleihen. Rechter und linker Hauptast sind kurz, aber von mächtigem Kaliber. Über das Astwerk des rechten Hauptastes vermag ich mich nur mit Reserve auszu- sprechen, in so fern, als das mir vorliegende Präparat keine sicheren Schlüsse gestattet. An dem vom erwachsenen Thiere gewonnenen Präparate zerfällt der rechte Hauptast in zwei Äste, von welchen der dorsale seinem Verhalten nach gewiss den typischen R. arcuatus darstellt, der ventrale Ast dürfte wohl dem R. descendens entsprechen. Sein Verästelungsgebiet wird durch die distale Partie des rechtssei- tigen Abschnittes des Organs gebildet, während dem R. arcuatus das dorsale Gebiet desselben Abschnittes untersteht. Die Verästelungsgebiete dieser beiden Hauptbahnen, im gelappten Organe über einander ge- lagert — sie sind hier, wenn meine Deutung richtig ist, hinter ein- ander gelagert. Damit steht vielleicht auch im Einklange, dass der Ursprung des Ramus descendens nicht von der distalen, sondern von der ventralen Wandung des R. arcuatus aus erfolgt. Der proximalen Fläche des rechten Hauptastes entstammt ein mächtiger R. ascendens. Ich möchte denselben als den zu einem solchen umgewandelten R. eysticus gelappter Organe ansprechen. Das rechte Astgefolge des R. umbilicalis ist durch einen einzigen schwachen Ast repräsentirt; es fehlt also das dem linksseitigen Ab- schnitt des mittleren Lappens gelappter Organe entsprechende Gebiet dem Organe der Cetaceen fast gänzlich. Einen ähnlichen Befund 546 Hugo Rex werde ich später für das Organ von Mus rattus zu verzeichnen haben. Ist das rechte Astgefolge fast verkümmert, so ist das linke um so mächtiger entwickelt. Es wird durch drei, dorsalwärts immer stärker werdende Äste dargestellt. Der stärkste derselben und der mächtige R. angularis nehmen ihren Verlauf als Bogengefäße mit dorsalwärts gerichteter Konvexität. Wiederum macht sich eine Eigen- thiimlichkeit der Lagerung der Verästelungsgebiete dieser Bahnen geltend, indem jenes des linken Astgefolges nicht wie im gelappten Organe über, sondern ventralwärts von dem des R. angularis liegt. Beide Abschnitte des Portalbaumes besorgen dem entsprechend dor- sales und ventrales Gebiet des links von der Insertionslinie des Lig. suspensorium gelagerten Abschnittes des Organs. Dem R. umbilicalis entstammen ferner zwei starke proximale as- cendirende Aste; Rami dorsales kommen beiden Hauptästen zu. Artiodactyla. Bos taurus (juv.), Bos elaphus, Capra hireus, Rupicapra rupicapra, Catoblepas Gnu, Camelopardalis Giraffa (s. Taf. XXI Fig. 15 bis 17 und Taf. XXII Fig. 24, 25). Situspräparate von Föten von Bos taurus weisen nach, dass es vornehmlich der vertikal gelagerte Abschnitt des Organs ist, welcher sich einer mächtigeren Entwicklung erfreut, dass hingegen der trans- versale Abschnitt von relativ geringer Mächtigkeit sich erweist. Über die Gestaltung des Organs des erwachsenen Thieres möchte ich mir kein Urtheil erlauben, da mir keine passenden Situspräparate zur Verfügung standen. Die Betrachtung des Portalbaumes scheint dafür zu sprechen, dass die Verästelungsgebiete sämmtlicher Abschnitte des- selben mit gleicher Mächtigkeit bedacht sind. Bloß das Gebiet des R. descendens hat Selbständigkeit als wohl abgegrenzter freier Lappen erhalten. Die Verästelungsgebiete sämmtlicher übriger Abschnitte und namentlich deren dorsalen Abschnitte sind innig mit einander ver- einigt. Bloß die beiden Astgefolge des R. umbilicalis erscheinen an der distalen Fläche des Organs durch das Ventralstück der Leber- lingsfurche sowie durch einen Einschnitt des ventralen scharfen Ran- des, der Austrittsstelle des Lig. teres geschieden. Der Besprechung des Portalbaumes möchte ich in erster Linie die Erwähnung einer Eigenthümlichkeit des Kalibers des linken Hauptastes und des R. umbilicalis voraussenden, welche sich als eine sinuöse Ausweitung derselben kund giebt. Ich fand diese Eigenthüm- lichkeit bei Bos taurus und Bos elaphus (s. Taf. XXII Fig. 25); das Kaliber der genannten beiden Abschnitte erschien mir im Verhältnisse Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 547 zu den abgehenden Ästen ein ungewöhnlich mächtiges. Vielleicht trug eine ungebührliche Ausdehnung durch die Injektion hieran Schuld; immerhin erscheint es mir von Interesse, die Frage der Existenz eines derartigen Sinus venae portae anzuregen. Was die erste Verzweigung des Pfortaderstammes anlangt, so erscheint der rechte Hauptast von starker Kürze; der linke erfreut sich meist einer stattlichen Entwicklung, der R. umbilicalis ist stets deutlich entwickelt und zeigt eine gewisse Mannigfaltigkeit seiner äußeren Form. Was zunächst die Bahnen des rechten Hauptastes anlangt, so wird mit der Ausscheidung des Verästelungsgebietes des R. descen- dens in Form eines freien Lappens aus dem Bereiche der übrigen Gebiete die Sonderung der Bezirke des R. arcuatus und eysticus, welcher gleichfalls dem rechten Hauptaste entstammt, wesentlich er- leichtert. Immerhin vermochte ich eine strenge Sonderung der beiden letzteren Gebiete nicht herauszufinden und scheint mir bei der innigen Verschmelzung derselben ein Übergreifen des einen oder anderen Astes auf fremdes Gebiet als natürlich bedingt. Das Gebiet des R. arcuatus ist auf der distalen Fläche des Or- gans durch den dorsalen Abschnitt der Impressio renalis gekenn- zeichnet, indem derselbe das Territorium des R. arcuatus auf die distale Fläche projieirt vorstellt. Der ventrale Abschnitt dieser Im- pressio gehört dem freien Lappen des R. descendens an. Das Gebiet des R. cysticus grenzt rechterseits an jenes des arcuatus an: eine Abgrenzung nach der linken Seite kann schon desshalb keine für alle Organe gleiche sein, weil das ventralwärts vom linken Hauptaste gelagerte Gebiet, der Lobus quadratus der Autoren, von zwei Seiten her versorgt wird, nämlich vom R. eysticus und dem rechten Astwerke des R. umbilicalis und dies nicht immer in gleicher Weise. Der rechte Hauptast zerfällt meist, kaum dass er aus dem Pfort- aderstamm seine Entstehung genommen, sofort in seine drei Äste und sind diese durch mannigfache Varianten ihrer Ursprungsverhält- nisse ausgezeichnet. So stellt bei der Ziege (s. Taf. XXI Fig. 16) der R. eysticus gleichsam eine direkte Fortsetzung des rechten Haupt- astes dar, deren lateralen Wandung R. arcuatus und descendens knapp neben einander entstammen: bei der Gemse und Elenantilope (s. Taf. XXI Fig. 15 u. Taf. XXII Fig. 25) zerfällt der rechte Hauptast in den R. eysticus und arcuatus, dem letzteren entstammt der R. descendens. Ähnlich bei Catoblepas Guu (s. Taf. XXI Fig. 17), und zeigt sich der R. descendens hier durch zwei Äste vertreten, deren 548 Hugo Rex einer dem R. arcuatus, der andere der rechten seitlichen Wandung des Pfortaderstammes unmittelbar vor seiner Theilung in seine bei- den Aste entstammt. Der R. arcuatus bewahrt seinen charakteristischen Typus stets deutlich: die Verästelung und Lagerung des R. descendens schien mir keiner Gesetzmäßigkeit unterworfen. Der R. cysticus bietet mannigfache Erscheinungsformen dar, welche sich leicht unter einem einheitlichen Gesichtspunkte zusammen- fassen lassen, hält man die direkte Fortsetzung desselben, welche als distale Hauptbahn verläuft, gesondert vom ascendirenden Ast- werke des dorsalen Gebietes. Die erstere verleugnet ihren Charakter als distale Hauptbahn nie und verläuft stets nach rechts von der Impressio eystica. Bald ist nur eine Seite mit der Abgabe von Ästen betraut (Gnu) (s. Taf. XXI Fig. 17). bald gabelt sich der Stamm in zwei gleich starke gleichfalls distale Äste (Gemse) (s. Taf. XXI Fig. 15) oder die Abgabe der Seitenäste ist eine bilaterale (Bos elaphus) (s. Taf. XXII Fig. 25). Das dorsale Astwerk kann zu einem starken Aste vereint sein, kann der proximalen Fläche des Wurzelstückes des R. arcuatus oder jener des rechten Hauptastes entstammen. Erwähnens- werth erscheint mir das Verhalten des R. cysticus zum dorsalen Ast- werke bei der Ziege und beim Rinde. Bei dem ersten Thier dringt der R. cysticus bald nach seinem Ursprunge zu einem Bogengefäß umgewandelt ins proximale Gebiet ein; dem ventralwärts konvexen Bogen entstammen die einzelnen Seitenäste, von welchen der erste kraft seiner Mächtigkeit sich zur distalen Hauptbahn umwandelt, die übrigen dem proximalen Gebiete angehören. Bei Bos taurus fand » ich völlige Trennung des distalen und dorsalen Astwerkes. Die distale Hauptbahn entspringt vereint mit dem R. descendens, die dorsalen Bahnen zu einem Stamm vereint, aus dem R. arcuatus. Dem linken Hauptaste ist eine stattliche Zahl von Dorsalästen eigen, das allen Abschnitten des Organs gemeinsame dorsale Gebiet speisend. Als R. omentales dürften wohl jene unter ihnen anzu- sprechen sein, welehe nach rechts vom Lig. venosum Arrantii ihren Ursprung nehmen. Dasselbe erscheiut bei den Artiodactylen in einer von allen Säugern abweichenden Weise mit seinem Ursprunge von der Dorsalwandung des linken Hauptastes weit nach rechts bis gegen die Mitte derselben verschoben. Mit der erwähnten Verschmelzung der dorsalen Abschnitte hat auch der L. omentalis, resp. das diesem gleichwerthige Gebiet seine Selbständigkeit als wohlabgegrenzter Lappen eingebüßt. Gleichwohl finde ich bei einigen Artiodactylen Beitriige zur Morphologie der Siiugerleber. 549 einen Anlauf zur Bildung eines selbständigen L. omentalis, indem nach rechts vom Ductus venosus ein wie flügelförmiger Fortsatz des dorsalen Gebietes die dorsale Wandung des linken Hauptastes über- lagert (Rind, Gemse, Elenantilope). Der R. umbilicalis zeigt ver- schiedene Formen der Entwicklung, indem er bald eine geringe Mächtigkeit aufweist (Elenantilope, Ziege, Gnu), bald aber einen stattlichen Abschnitt darstellt (Gemse und Giraffe) (s. Taf. XXII Fig. 24). Das rechte Astwerk wird meist durch eine größere Zahl kleinerer Äste, das linke durch zwei oder drei stärkere Äste dargestellt. Die Äste nehmen über einander von der seitlichen Wandung des Recessus ihren Ursprung und lagern sich auch in ihrem weiteren Verlaufe über einander als distale und proximale Bahnen. Der Ramus angularis verläuft immer typisch als distale Haupt- bahn: sein R. dorsalis ist meist nur schwach entwickelt. Ich finde den R. angularis im Vergleiche zu den übrigen Säugern einer ge- wissen Reduktion unterlegen. Des Ferneren ist gleich wie bei den Cetaceen das Gebiet des linken Astgefolges nicht über, sondern ven- tralwärts von jenem des R. angularis gelagert; beide Verästelungs- gebiete liegen in gleicher Flucht, das des linken Astwerkes setzt sich dorsalwärts direkt fort in jenes des R. angularis. Diese Eigenthüm- lichkeit der Lagerungsverhältnisse, welcher wir auch im menschlichen Organe begegnen, scheint mit dem Mangel der Lappung Hand in Hand zu gehen. Rodentier. Lepus cuniculus; Sciurus vulgaris; Myoxus glis; Spermophilus eitillus; Mus rattus (s. Taf. XXI Fig. 26, 27). Im Bereiche dieser Ordnung der Säuger stoßen wir wieder auf deutlich gelappte Organe. Bezüglich des Organs als Ganzen habe ich schon über die eigenthümliche Vertheilung der Mächtigkeit des Parenchyms bei Lepus cuniculus (s. Taf. XX Fig. 2) berichtet; ähn- liche Verhältnisse, die volle räumliche Trennung der beiden Abschnitte des Organs, die vertikalen und transversalen herrschen auch bei Seiurus vulgaris vor. Im Allgemeinen findet sich das Gebiet des R. descendens als nur gering entwickelt; hierzu kommt noch bei Lepus cuniculus der Umstand, dass auch das Gebiet des R. cysticus ein relativ beschränktes ist. Vollkommen abgesetzt erscheinen die beiden rechten Lappen (bei Lepus cuniculus mit einander verschmolzen) und der linke untere Lappen. Ein Lobus omentalis ist stets kräftig ent- wickelt; er entsendet immer einen der kleinen Curvatur des Magens aufsitzenden mächtigen Fortsatz. Der rechte kurze Hauptast wird Morpholog. Jahrbuch. 14. 36 550 Hugo Rex vom linken in der Liingsausdehnung weit übertroffen; der Rec. um- bilicalis ist meist gut entwickelt und relativ recht lang. Der rechte Hauptast setzt sich direkt in den bei Lepus cuniculus in typischer Reinheit entwickelten R. arcuatus fort; der distalen Fläche seines Wurzelstückes entstammt der meist nur schwache R. descendens; bei Lepus c. und Mus rattus ist der Stamm des R. ar- cuatus dem Stamme der Hohlader eng angelagert, denselben gleich- wie umklammernd. Dem linken Hauptaste entstammt der R. cysticus und die R. omentales. Ersterer zeigt keine Konstanz der Örtlichkeit des Ursprunges; bei Lepus cuniculus von der linken Hälfte, bei Seiurus vulgaris und Mus rattus von der Mitte, beim Hamster von der rechten Hälfte des linken Hauptastes entstammend zeigt er auch im weiteren Verlaufe im Bereiche seines Gebietes mannigfache Formen der Ver- ästelung. Das Astwerk des Recessus ist meist durch mehrere und zudem stärkere Äste repräsentirt; der R. angularis bewahrt stets den Typus der distalen Hauptbahn. Sein R. dorsalis kann von ihm abgelöst selb- ständig dem Recessus umbilicalis entstammen; auch kann ein stärkerer Ast des linken Astgefolges den Lobus sin. inf. mit versorgen helfen (Lepus cuniculus). Ich muss noch einer eigenthümlichen, bereits einmal flüchtig mitgetheilten Erscheinung bei Mus rattus Erwähnung thun. Corro- sionspräparate lehrten mich eine nur kümmerliche Entwicklung des rechten Astgefolges des Recessus kennen. Die näheren Verhältnisse sind folgende. Der mittlere und linke obere Lappen sind mit ein- ander dorsalwärts recht innig vereinigt. Der mittlere Lappen wird von dem starken Ram. cysticus allein versorgt. Der R. umbilicalis, von ansehnlicher Länge, entsendet linkerseits drei starke Äste, welche seinem ventralen Endabschnitte entstammend, den linken oberen Lap- pen versorgen. Rechts sind es nur zwei zarte kleine Aste, welche, diesem seinem Endabschnitte entstammend, bestimmt sind zur Spei- sung der mit einander verschmolzenen dorsalen Gebiete des mittleren und linken oberen Lappens. Insectivora. Erinaceus europaeus. Sämmtliche Abschnitte des gelappten Organs sind von annähernd gleicher gedrungener Mächtigkeit. Die beiden rechten Lappen sind auf dem Wege der durchgreifenden Lappung vollkommen von ihren Genossen geschieden und hängen im dorsalen Gebiete innig mit dem stattlichen Lob. omentalis zusammen, welcher gleichwie bei den Rodentiern einen Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 551 starken Fortsatz zur kleinen Curvatur des Magens entsendet. Die übrigen Lappen sind durch ihr dorsales Gebiet mehr oder weniger innig vereint. Der Portalbaum zeichnet sich durch die außerordentliche Länge des linken Hauptastes, dessen Mitte der R. eysticus entstammt, aus. Erwähnenswerth erscheint mir, dass ich den R. arcuatus in typischer Reinheit und überdies durch die Abgabe eines proximalen Astes, welcher gleichfalls als Bogengefäß verläuft, dem entsprechend gleichwie doppelt vorfand. Der Recessus umbilicalis ist von statt- licher Länge; er wird von dicht gedrängtem Astwerk besetzt, welches auch zahlreich seiner proximalen Fläche aufsitzt. Die übrigen Ab- schnitte des Portalbaumes zeigen mannigfache Anklänge an die ent- sprechenden Verhältnisse der folgenden Ordnung der Carnivoren. Canis familiaris; Ursus malayanus; Mustela martes; Putorius vulgaris; Felis domestica; Felis leo; Felis pardus; Cynailurus guttata (s. Taf. XXII Fig. 28, 29, Taf. XXIII Fig. 34—39, Taf. XXI Fig. 18—23). Der großen Gleichmäßigkeit der Vertheilung der Mächtigkeit auf alle Abschnitte des Astwerkes des Portalbaumes habe ich bereits Erwähnung gethan. Hierzu gesellt sich noch eine andere Eigen- thümlichkeit: das Verästelungsgebiet jedes einzelnen Abschnittes des Portalbaumes hat mehr oder minder individuelle Selbständigkeit erlangt. Zu der durchgreifenden Lappung, welche die beiden rechten und linken Lappen scharf vom mittleren sondert, hat sich eine Scheidung der Gebiete des R. cysticus und des rechten Astwerkes des Recessus hinzu- gesellt, in Form der scheinbaren Lappung bedingt durch eine enorm tiefe Fossa cystica. Am besten finden diese Verhältnisse ihren Aus- druck bei Felis pardus, bei welchem es zu einer förmlichen Trennung beider in Rede stehender Gebiete kommt, indem dieselben nur im dorsalen Gebiete noch einen Zusammenhang aufweisen. Das letztere bildet im Bereiche der rechten Lappen ein Bindeglied zwischen diesen und dem mächtigen Lobus omentalis, welcher einen mächtigen, der kleinen Curvatur des Magens eng angelagerten Fortsatz entsendet. Der Zusammenhang des mittleren und der beiden linken Lappen ist im Bereiche ihres dorsalen Gebietes ein verschieden mächtiger; meist ein recht geringgradig entwickelter. Die Verhältnisse des Portalbaumes sind folgende: Es überragt der linke Hauptast den rechten weitaus an Länge; ihm entstammt meist der Ram. eystieus. Einen häufig nur gering entwiekelten Ab- schnitt stellt der R. umbilicalis dar, indem er meist eine nur geringe Längsausdehnung aufweist. 36* 552 Hugo Rex Der rechte Hauptast bildet in seiner direkten Fortsetzung den Ram. arcuatus. Dieser zeigt sich meist distal gelagert und eben so seine Seitenäste. Nicht selten sitzt auch seiner proximalen Wandung Astwerk auf. Der Ursprung des verschieden mächtigen R. descen- dens aus dem rechten Hauptaste kann der Örtlichkeit nach ein recht verschiedener sein; meist entstammt derselbe der distalen Wandung des ersteren, bald nachdem derselbe seinen Ursprung aus dem Pfortaderstamm genommen hat. Bei Ursus malayanus finde ich den R. descendens mit seinem Ursprung auf den Pfortaderstamm verschoben. Lagerung und Verästelung desselben fand ich keiner bestimmten Gesetzmäßigkeit unterworfen; bei Canis fam. gewann ich den Eindruck, als würde der R. descendens nahe der ventralen scharfen Kante seines Lappens eingelagert eine dorsale und ventrale Astreihe entsenden. Zahlreiche andere Bilder, denen ich begegnete, gestatten mir allerdings nicht, diese Art der Verästelung als regel- mäßiges Verhalten hinzustellen. Nun zum linken Hauptaste. Abge- sehen von dem ihm stets typisch zukommenden Astwerk der R. dor- sales und omentales entstammt ihm meist in der Mitte seines Verlaufes der R. cysticus. Nur bei Felis domestica fand ich den Ursprung desselben nicht selten nach rechts verlagert, in einigen Fällen sogar der Theilungsstelle des Pfortaderstammes aufsitzend (s. Taf. XXIV Fig. 21, 19, 18). Beim Gepard ist sein Ursprung gleichfalls nach der Theilungsstelle des Pfortaderstammes hin verlagert. Mit der erwähnten Sonderung seines Gebietes von jenem des rechten Astgefolges erscheint auch die Verästelung des R. eysticus dem Verständnisse näher ge- rückt. Er zeigt stets den Typus der ungefähr der Mitte ihres Gebietes eingelagerten distalen Hauptbahn. Sein Wurzelstiick schlägt un- mittelbar nach seinem Ursprunge einen aufsteigenden Verlauf ein, um sodann nach kurzem ascendirendem Verlaufe in flachem Bogen in sein Gebiet sich einzulagern (s. Taf. XX Fig. 8). Was die Ver- zweigungsart anlangt, so zeigt sich eine rege Mannigfaltigkeit der Formen. So vermag der Hauptbahn eine doppelte Astreihe zu ent- stammen; der Hauptbahn und den Seitenästen sitzt allenthalben reich- liches ascendirendes Astwerk auf (Canis fam.); dasselbe kann im dorsalen Gebiete zu einem einzigen starken R. ascendens vereint sein, welcher dem Dorsalabschnitt des R. eystieus entstammt (Felis leo). Oder aber es ist der R. cysticus zu einem im dorsalen Ab-. schnitte seines Gebietes gelagerten distalen Bogengefäß mit ventraler Konvexität umgewandelt, dessen erster Seitenast vermöge seiner Mächtigkeit als distale Hauptbahn imponirt; dem Bogengefäße ent- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 553 stammen zahlreiche R. ascendentes (Mustela martes). Oder aber wird der R. cysticus bald nach seinem Ursprunge in zwei gleichstarke Bahnen, eine distale und proximale zerfällt, welche beide sich gleich- sam in die Versorgung des distalen und proximalen Gebietes theilen. Es möge an diesen Beispielen genügen. Sie beweisen, dass es schwer, vielleicht nicht möglich ist, die verschiedenen Verästelungs- formen des R. eysticus einem einheitlichen Typus unterzuordnen. Mit der Mächtigkeit des L. omentalis steht auch die Stärke der R. omentales in innigem Verhältnisse. Entsprechend der Lagerung des ersteren schlagen letztere in ihrem Verlaufe eine nach links und unten schräg abfallende Richtung ein. Mit der starken Verkürzung des Recessus und mit der bei den Carnivoren deutlichen Abgrenzung der Verästelungsgebiete seines Astwerkes ist eine Verringerung der Astzahl und Vereinfachnng der Verhältnisse der Verästelung einer- seits, eine leichtere Übersicht andererseits gegeben. Bei Canis domesticus wird das rechte Astgefolge durch zwei Äste dargestellt, von welchen der eine das dorsale Gebiet seines Ver- ästelungsbezirkes versorgt, der andere als distale Hauptbahn verläuft, und ungefähr in der Mitte seines Gebietes eingelagert, eine doppelte Reihe von Seitenästen entsendet. Linkerseits finden sich ähnliche Verhältnisse. Nur verläuft der distale Ast meist in Form eines distal gelagerten Bogengefäßes, dessen erster Seitenast durch seine starke Entwicklung alle übrigen Seitenäste an Mächtigkeit übertrifft; der- selbe lagert sich meist nahe der ventralen scharfen Kante des Lob. sin. sup. ein. Die denkbar einfachsten Verhältnisse zeigt Mustela martes. Der R. umbilicalis ist recht gut entwickelt und zerfällt an- scheinend in zwei gleich starke Äste — welche das rechte und linke Astgefolge darstellen. Der rechte Ast dringt in sein Gebiet proxi- malwärts ein, der linke verläuft im Bereiche des L. sup. sin. in ähnlicher Weise als Bogengefäß, wie ich es eben für den Hund beschrieb. Bei den Felinen ist die Zahl der Äste eine größere, und ist auch die Gestaltung des Recessus eine recht verschiedene. Beim Gepard und F. domestica ist der letztere ähnlich wie beim Hunde gestaltet, bei F. leo und F. pardus jedoch mächtiger entwickelt. Das Astwerk ist bald ein reiches, bald nur durch eine Bahn dar- gestellt; im ersteren Falle ist auch stets eine Scheidung in distale und proximale Bahnen schon den Ursprungsverhältnissen nach ein- geleitet. Bei Ursus malayanus (s. Taf. XXII Fig. 28) entstammt dem recht 554 Hugo Rex kurzen Recessus linkerseits eine stattliche distale, rechterseits zwei starke, distal und proximal verlaufende Äste. Der R. angularis ist immer eine mächtige Bahn, welche dem linken Hauptaste an Kaliber nicht selten nur wenig nachsteht; bei nur gering entwickeltem Rec. umbilicalis vermag er auch eine direkte Fortsetzung des linken Haupt- astes vorzutäuschen. Unter den mannigfachen Formen seines Ver- laufes fand ich folgenden Typus am häufigsten vertreten: Er lagert als distales Bogengefäß im dorsalen Abschnitte seines Lappens und der ventralwärts gerichteten Konvexität desselben entstammen die einzelnen Seitenäste, deren erster sich meist durch seine Mächtigkeit auszeichnet. Der Ramus dorsalis fehlt nur selten; gewöhnlich stellt er einen starken Ast dar, welcher den dorsalen inneren Abschnitt des Lappens speist. Erwähnenswerth erscheint mir, dass bei Felis leo der R. dorsalis direkt vom Recessus entspringt und der R. angu- laris unmittelbar nach seinem Ursprunge in drei Äste zerfällt wird; bei Ursus malayanus dringt in den ventralen Abschnitt des linken unteren Lappens ein der ventralen Wandung des linken Hauptastes nach einwärts vom Recessus entstammender starker Ast ein. Pinnipedia. Phoea vitulina (s. Taf. XXII Fig. 30, 31). Ist auch das Bild, welches das Organ eines Seehundes bei vollkommener In- jektion der mächtigen Sinuositäten der Hohlader und der Lebervenen darbietet, ein ganz von dem der übrigen Säuger, welchen ein der- artiger Sinus mangelt, verschiedenes, so lässt eine nähere Prüfung gleichwohl den Typus der Säugerleber wiedererkennen. Der mäch- tige Sinus, eine dem Anatomen wohlbekannte Erscheinung, erweist sich an meinen Präparaten als eine Ausweitung der Hohlader nament- lich im dorsoventralen Durehmesser, und des Truneus communis der V. hep. sin. und media, welche von einer entsprechenden Vergröße- rung auch des transversalen Durchmessers begleitet erscheint. Von dieser sinuösen Ausweitung erscheinen auch die proximalen Ab- schnitte der V. hepaticae betroffen. Durch diese Verhältnisse wird eine eigenartige Verlagerung der einzelnen Lappen ventralwärts bedingt, indem dieselben. vom Sinus venae cavae gleichsam herab- glitten. Auch das dorsale Gebiet musste dem entsprechend eine eigen- thümliche Modifikation erfahren, indem es nämlich eine gewisse Reduktion und gleichzeitig eine eigenthümliche Zuschärfung dorsal- wärts erfahren musste. Dies gilt namentlich vom mittleren und linken oberen Lappen. Der immer dünner werdende dorsale Abschnitt der- selben legt sich der proximalen Fläche des Sinus an. Die Lappung selbst bietet manche Anklänge an jene der Carni- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 555 - voren. Völlig getrennt ist namentlich der linke untere Lappen; die beiden rechten Lappen stehen wie bei den Carnivoren mit dem gut entwickelten Lob. omentalis in Verbindung; mittlerer und linker oberer Lappen sind im dorsalen Abschnitte innig verschmolzen. Im Bereiche des Portalbaumes finde ich den linken Hauptast von ansehnlicher Länge durch die Abgabe des R. cysticus, welchen er bald nach seiner Entstehung aus dem Pfortaderstamme entsendet, und durch die Aufnahme der V. coronaria ventriculi s. ausgezeichnet. Der gut entwickelte Recessus erfährt eine eigenthümliche Verlänge- rung durch den Umstand, dass das runde Leberband eine größere Strecke weit mit stattlicher Lichtung versehen ist und nach seiner Einlagerung ins Lig. suspensorium noch starke, dem rechten Ast- gefolge zugehörige Äste entsendet. Dieses, das Wurzelstiick des Lig. teres darstellende ventrale Endstück des R. umbilicalis erscheint scharf abgesetzt gegenüber dem dorsalen breiteren Abschnitte desselben. Bevor der rechte Hauptast sich in den in typischer Reinheit darstellenden R. arcuatus fortsetzt, entstammt seiner distalen Wandung der seinem Lappen distal eingelagerte R. descendens. An meinem Präparat zeigt der Ram. cysticus in seinem dorsalen Abschnitte eine sinuöse Erweiterung, welche ich der vielleicht for- eirten Injektion zuschreiben möchte. Der proximalen Wandung dieses dorsalen Abschnittes entstammen zwei starke ascendirende Aste, der linken Seitenwandung ein zur Lappenspitze ziehender distaler Ast.. Die direkte Fortsetzung des R. eystieus lagert proximal und ist durch die Abgabe besonders starker linker Seitenäste ausgezeichnet. ' Das rechte Astgefolge des Recessus wird hergestellt durch drei dem breiten dorsalen Abschnitte und zwei dem ventralen schmalen Endstücke desselben entstammende, theils proximal, theils distal ge- lagerte Äste. Die linke Astreihe hält die ganze seitliche linke Wan- dung des dorsalen Abschnittes besetzt; es sind vier stattliche Äste, von welchen die drei dorsalen proximal, der vorderste, der Über- gangsstelle der beiden Abschnitte des Recessus in einander ent- stammend, distal verläuft, und zwar der letztere bis zur Lappen- spitze. Überraschend schön zeigt der R. angularis den Typus eines distalen Bogengefäßes, im dorsalen Abschnitt des linken unteren Lappens eingelagert; die Konvexität des Bogens ist ventralwärts ge- richtet. Sein R. dorsalis ist ein zartes dorsalwärts ziehendes Gefäß, von der distalen Fläche des Sinus venae cavae durch geringe Menge Parenchym geschieden. 556 Hugo Rex Der R. omentalis ist von mittlerer Stärke: dorsale Aste sind nur sparlich vorhanden. Prosimier. Stenops gracilis (s. Taf. XXII Fig. 32). Das Organ weist mannigfache Ähnlichkeit mit jenem mancher Rodentier auf. Am deutlichsten erscheint der rechte untere Lappen von den übrigen geschieden; die übrigen Lappen sind durch ihr dorsales Gebiet bald mehr, bald weniger innig vereint. Dem rechten, sehr kurzen Hauptaste entstammt der R. cysticus. Der R. descendens erscheint durch zwei Äste dargestellt, von welchen der eine stärkere der dorsalen Fläche des rechten Hauptastes, der zweite schwächere der distalen Fläche des R. arcuatus entstammt. Linker Hauptast und R. umbilicalis sind von stattlicher Ausdehnung; der R. dorsalis des R. angularis übertrifft den letzteren bedeutend an Mächtigkeit und versorgt auch dem entsprechend den weitaus größten Abschnitt des linken unteren Lappens. Primates. Inuus eynomolgus, Inuus rhesus; Hamadryas eyno- cephalus. Cercopithecus sabaeus. Simia satyrus juv., Simia troglo- dytes (s. Taf. XXII Fig. 33). Was zunächst die vier erstangeführten Primaten anlangt, so er- scheinen dieselben ausgezeichnet durch die nur kümmerliche, fast rudimentäre Entwicklung des Verästelungsgebietes des R. descendens. Der rechte untere Lappen ist ein schmaler, sichelförmiger, distalwärts dem rechten oberen Lappen angelagerter Parenchymstreifen. Die übrigen Abschnitte sind sämmtlich gleich mächtig entwickelt; am deutlichsten und schärfsten der rechte obere und linke untere Lappen abgesetzt. Hingegen der mittlere und linke obere fast gänzlich mit einander verschmolzen. Die mit einander verschmolzenen Lappen, der mittlere und linke obere, stehen im dorsalen Gebiete mit dem linken und den beiden rechten Lappen durch nur gering entwickelte Parenchymbrücken in Verbindung. Die Mächtigkeit des L. omentalis ist eine recht be- schränkte. ; Dem rechten Hauptaste ist beim Makak der R. cysticus unter- geordnet und entstammt dessen ventraler Wandung, unmittelbar nach- dem derselbe seine Entstehung aus dem Pfortaderstamme genommen. Unmittelbar nach Abgabe des R. eysticus wandelt sich der rechte Hauptast in den R. arcuatus um: der erste Seitenast desselben nimmt seinen Ursprung nach außen vom R. cysticus, unmittelbar neben diesem, und erhielt ich den Eindruck, als wäre auch der R. eystieus ein Seitenast, nnd zwar der erste des R. arcuatus. Der distalen Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 557 Fläche des letzteren entstammt der schwache R. descendens. Über dem R. eysticus entstammt der proximalen Wandung des rechten Hauptastes ein mächtiger Ast, welcher dem R. cysticus an Stärke gleichkommt; so weit mein defektes Präparat einen Schluss erlaubt, ist derselbe ein mächtiger R. ascendens, bestimmt zur Speisung des dorsalen Gebietes des dem R. cysticus zugehörigen Abschnittes des mittleren Lappens. Bezüglich der übrigen Abschnitte des Portalbaumes wäre wieder die stattliche Länge des linken Hauptastes hervorzuheben; außer den R. omentales entstammt demselben überdies spärliches dorsales Astwerk. Der Recessus umbilicalis ist dicht mit Ästen besetzt, welche sich in distale und proximale Bahnen gliedern. Vom R. angularis hat sich der R. dorsalis als selbständiger Ast abgelöst, er nimmt dorsalwärts von ersterem selbständig seine Entstehung von der dor- salen Fläche des Endstückes des linken Hauptastes. Cercopithecus sabaeus zeigt im Allgemeinen dieselben Verhält- nisse, nur entstammt der R. cysticus dem linken Hauptaste und zwar in dessen rechten Hälfte; den erwähnten R. ascendens des rechten Hauptastes vermisste ich, ein solcher entstammt dem dorsalen Ab- schnitte des R. eysticus. Inuus rhesus und Cynocephalus Hamadryas ähneln gleichfalls den beschriebenen Befunden. Nur zwei Eigen- thümlichkeiten seien ausdrücklich hervorgehoben, welche nicht un- interessant scheinen. Bei I. rhesus wird der R. descendens herge- stellt von einem mächtigen R. omentalis, welcher die dorsale Wan- dung des Pfortaderastes kreuzend, an der ventralen Wandung des Hohladerstammes in den L. d. inferior eindringt, dessen Versorgung allein vorstehend. Ferner entstammt bei demselben Primaten dem linken Hauptaste unweit der Theilungsstelle des Pfortaderstammes aus der ventralen Wandung ein stattlicher fürs dorsale Gebiet be- stimmter Ast. Was die ersterwähnte Eigenthümlichkeit anlangt, die Versorgung des rechten unteren Lappens durch einen R. omentalis, so möchte ich noch hervorheben, dass mir dieselbe später bei einem Exemplar von I. cynomolgus nochmals begegnete. Bei dem innigen Zusammen- hange des L. omentalis mit diesem Lappen dürfte ein derartiges Übergreifen einer Strombahn auf ein ihr ursprünglich fremdes Gebiet wohl nichts Befremdendes an sich haben. Von den untersuchten anthropomorphen Primaten kann ich leider nur über den Orang und zwar nur wenig Befriedigendes berichten, nachdem der Zustand des Präparates keine sicheren Schlüsse erlaubt. 558 Hugo Rex Die äußere Form des Organs hat mit jener des Menschen große Ähn- lichkeit. Auch die der drei Hauptabschnitte des Portalbaumes zeigen in ihrer ersten Verästelung — der R. cysticus entstammt dem rech- ten Hauptaste — mannigfache Anklänge an den menschlichen Portal- baum. Von diesem unterscheidet er sich, so weit es das Präparat erkennen lässt, durch den mächtigen R. angularis, dem sich ein stattlicher R. dorsalis beigesellt. Eigenthümlichen Befund zeigte das Astwerk des R. umbilicalis: es schien wie verkümmert; nur die Wurzelstücke der einzelnen Äste füllten sich bei der Injektion; namentlich gilt dies für die Äste des linken Astgefolges. Rechterseits war diese Erscheinung weniger markant. Uber die Lagerungsverhältnisse der Äste des rechten Hauptastes vermag ich nur vom R. arcuatus zu berichten, dass er typisch ver- lief. Bezüglich der übrigen Bahnen kann ich leider nur mittheilen, dass ich dieselben nicht zu orientiren vermochte. Da muss wohl er- neute Untersuchung besseren Materiales helfend eintreten. Das Organ des Schimpanse konnte ich in Bezug auf den Portal- baum nicht untersuchen; die Härtung des Gewebes durch Alkohol verhinderte die Injektion. Seine äußeren Formverhältnisse ähneln bis auf die Absetzung des Verästelungsgebietes des R. descendens als freien Lappen ungemein dem menschlichen Organe. Auch die Konfiguration des L. omentalis ist jener der menschlichen Leber sehr ähnelnd; ventralwärts vom Stamme der Cava inferior steht er durch eine Parenchymbriicke mit dem erwähnten freien Lappen in Verbin- dung. Der letztere hilft den inneren Abschnitt der Impr. renalis mitbilden und erscheint relativ klein. In der mir zugänglichen Litteratur fand ich bezüglich des Portal- baumes der Säuger keine Mittheilungen. C. Höxteın’s Abhandlung: »Descriptio anatomica, systematis venae portarum in homine et quibus- dam brutis. Francof. 1808« hat sich nach MEcKEL’s Mittheilungen (I. c. V. Th. pag. 330) wohl nur mit dem extraparenchymatösen Abschnitte der Pfortader beschäftigt. Dessgleichen mangelt auch bei Hyrrt (1. ce.) jeg- liche einschlägige Angabe. Dass Rovx (l.c.) nur einzelne Äste, keines- wegs jedoch die Gesammtheit in Betracht zog, habe ich bereits her- vorgehoben. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 559 IV. Die Gallenwege der Säugerleber. Die Gallengangsverästelung der Säugerleber überrascht durch große Mannigfaltigkeit der Formen. Wir finden keineswegs jene scharfen Kontouren, welche uns das Bild des Astwerkes des Portal- baumes aufweist, sondern stoßen bei der Betrachtung des Allgemein- bildes im Anfange auf recht unsichere, wie verschwommene Umrisse und ist die Zusammenfassung der Einzelbilder zu einem einheitlichen Ganzen anfänglich recht schwierig. Ein eingehenderes Studium und die Berücksichtigung gewisser Faktoren zeigen jedoch bald die Wege, die scheinbaren Widersprüche zu lösen und die große Zahl der Einzel- bilder auf eine vielleicht in der ersten Anlage allen Säugern gemein- same, einheitliche Form zurückzuführen. Mit der rein systematischen Beschreibung des Befundes bei ein- zelnen Säugern, und der einfachen Aufzählung der Zahl der größeren Gallengänge im Bereiche der Pforte kommt man eben nicht weiter. Die Darlegung desim Parenchym verborgenen Abschnittes der Gallenwege einerseits, eine größere Zahl von Unter- suchungen des Organs eines und desselben Thieres oder derselben Säugerordnung andererseits, diese beiden Faktoren in Verbindung mit der Nutzanwendung der Lehren der Entwicklungs- geschichte vermögen allein Aufschluss zu geben über die Natur der Gallengangsverästelung beim erwachsenen Säuger. Nach Durchmusterung einer größeren Zahl von Präparaten er- kennt man gar bald die Nothwendigkeit, auch den einzelnen großen Gallengangstämmen einen gewissen Grad der Selbständigkeit zuzuschreiben und namentlich ist es wieder das Studium der gelapp- ten Organe, welches zur Evidenz erweist, dass die großen Gallen- gangstämme ihre individuelle Selbständigkeit bis zu einem gewissen Grade wohl bewahren und dieselbe meist erst spät, nachdem sie bereits eine beträchtliche Streeke die Pfortaderäste, welchen sie sich beigesellen, begleitet haben, einbüßen. Es gelingt ferner unschwer, abgesehen von einigen, bei der Minderzahl der Säuger vorkommenden Abweichungen bei allen Säugern immer wieder dieselben großen Gallengangstämme wie- der zu erkennen und steht diese Eigenthiimlichkeit ihrer konstanten Wiederkehr in innigem Connex mit der steten Wiederkehr desselben Astwerkes des Portalbaumes. Die mannigfachen Differenzen, welchen wir in Betreff der Ent- stehung dieser großen Stämme aus dem gemeinsamen Ausführwege 560 Hugo Rex des Organs einerseits, und der topischen Relationen zum Portal- baume andererseits begegnen, sie finden in der Entwicklungsgeschichte des Organs ihre einfache Lösung; diese lehrt als eines der hervor- ragenden Momente die Erscheinung der Anastomose der Lebercylinder, welchen ja großentheils die Gallenwege entstammen, kennen. Und mit Berücksichtigung dieser Kenntnis gelingt es leicht, der Mannig- faltigkeit der Formen Herr zu werden. Ich werde nun im Folgenden zuerst die erste Verästelung des gemeinsamen Ausführweges der Leber bis zu jenem Punkte verfolgen, in welchem sich die derselben entstammenden Äste den einzelnen Pfort- aderästen, deren Gebiet sie versorgen, beigesellen. Dieser Abschnitt der Gallengangverästelung sei als der portale bezeichnet. Hierauf werde ich den Verlauf der Gallenwege im Bereiche des Parenchyms schildern und schließlich einige Eigenthümlichkeiten der Anatomie der Gallenblase in Erörterung ziehen. 1) Portaler Abschnitt der Gallengangsverästelung. Zuvörderst will ich nun Zahl und topisches Verhältnis der großen Gallenwege zum Portalbaume der Beschreibung unterziehen, die Art ihres Entstehens aus dem gemeinsamen Ausführwege des Organs nur in allgemeinen Umrissen andeuten. Erst nach Kenntnis von Zahl und Topik der großen Gallengänge möge der Modus der Verästelung des gemeinsamen Ausführweges in einigem Zusammenhange mit der Besprechung der Beziehungen der Gallenblase und ihres Ganges zur Gallengangsverästelung ins Auge gefasst werden. a) Zahl und Topik der großen Gallenwege. Ich will bei der Beschreibung jene Wege einschlagen, welche den Gallenwegen in ihrer ersten Entwicklung vorgeschrieben er- scheinen, dieselben nämlich vom gemeinsamen Ausführwege aus ins Parenchym verfolgen. Dem entsprechend bildet den Ausgangspunkt der Beschreibung der Ductus hepaticus, welche Bezeichnung ich dem Ausführungs- gange der Leber beilegen will im Gegensatze zur üblichen Bezeich- nung desselben als D. choledochus. Ich werde zu dieser Bezeich- nung durch mannigfache Gründe gedrängt. Fürs Erste erhalten wir eine allgemein gültige Bezeichnung, welche auch für jene Organe, welche einer Gallenblase entbehren, Gültigkeit besitzt; so- dann aber ist für mich hauptsächlich die Erwägung maßgebend, dass Na - [4 v Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 561 die offenbar der Anthropotomie entlehnte Bezeichnung, » Ductus cho- ledochus«, als aus der Vereinigung des D. hepaticus und eystieus hervorgegangen, nur für eine kleine Zahl von Säugern ähn- lichen Verhältnissen entspricht, und überdies, wie später gezeigt werden soll, mit der Erkenntnis des Verhältnisses des D. cysticus zur Gallengangsverästelung haltlos erscheint. Das dem stets ventralwärts vom Pfortaderstamme gelagerten D. hepaticus entstammende Astwerk findet meist ventralwärts von den beiden Hauptästen seine weitere Verästelung. Doch kann dem D. hepaticus auch doppeltes Astwerk entstammen: dorsales und ventrales. Ich fand diese doppelte Anlage bislang nur zweimal in typischer Ausbildung vor: und zwar als Einzelbefund bei einem Carnivoren (Putorius vulgaris) und bei dem untersuchten Prosimier (s. Taf. XXII Fig. 32). In beiden Fällen erscheint das Astwerk des D. hepaticus in zwei, dorsalwärts und ventralwärts vom linken Hauptaste ihrem Bestimmungsorte zustrebende Abschnitte zerfällt. Gleichwohl ist die Mächtigkeit des dorsalen Astwerkes keine so bedeutende, dass durch dasselbe eine förmliche Zweitheilung des D. hepaticus bedingt würde, indem dasselbe hierzu wenig mächtig genug, sich zu einem stärkeren, der dorsalen Wandung des D. hepaticus ent- stammenden Aste vereint findet. Stets bildet das ventrale Astwerk in beiden Fällen die direkte Fortsetzung des D. hepaticus und bei allen übrigen Säugern bildet die ventrale Lagerung der Astfolge des D. hepaticus das allein zur Geltung gelangte Element. Der übergroßen Mehrheit, welche diese ventrale Lagerung auf- weist, folgend, wähle ich nunmehr die letztere zum Vorwurfe der Beschreibung, ohne aus dem Auge zu verlieren, dass die Sonderung in dorsales und ventrales Astwerk ursprünglich vielleicht allen Säugern Gemeingut gewesen ist. Die ventralwärts vom Stamme der Pfortader und ihren beiden Hauptästen sich vollziehende Verästelung des D. hepaticus zeigt wiederum die Eigenthümlichkeit, dass sie mannigfache Verschieden- heiten aufweist. Ich will zum Ausgangspunkte meiner Beschreibung das einfachste und gleichzeitig fast durchaus zur Geltung gelangende Verhalten wählen. Hierbei zeigt sich, dass die Verlaufsrichtung des D. hepaticus oder seiner Äste, wenn nämlich der erstere sich noch vor dem Ein- tritt in die Leberpforte verästigt, beeinflusst wird durch den Ur- sprung des R. cysticus, indem der D. hepaticus oder seine Äste, letztere meist bindegewebig unter einander verbunden, nach 562 Hugo Rex der linken Seite des Wurzelstiickes der genannten Haupt- bahn hinziehen, und von dem Winkel aus, welchen das- selbe mit dem rechten oder linken Hauptaste bildet, ihren weiteren Verlauf ins Innere des Organs nehmen (s. Taf. XX Fig. 9). Dem entsprechend erhält man den Eindruck, dass die Ursprungsstitte des R. cysticus der maßgebende Faktor sei, welcher die Lagerung des D. hepatieus und seiner Aste im Bereiche der Leberpforte beeinflusst. Entstammt der R. eysticus dem linken Hauptaste, so schlägt der D. hepaticus oder sein Astwerk eine nach links und proximalwärts ziehende schräge Richtung ein und gelangt so an die ventrale Wan- dung des linken Hauptastes, um im Bereiche des erwähnten Winkels die proximale Fläche desselben zu erreichen (s. Taf. XXIII Fig. 35). Entstammt der R. eystieus dem rechten Hauptaste, so ändert sich die Verlaufsrichtung des D. hepaticus und seiner Äste in der Art, dass sie eine mehr gerade proximalwärts aufsteigende ist; entweder ist dieselbe mehr nach dem rechten Hauptaste hin verlagert, oder aber es kann sich der D. hepaticus, dem linken Hauptaste getreu bleibend, an diesem etwas mehr nach rechts, gegen den Theilungs- winkel des Pfortaderstammes hin verlagert finden. Verfolgen wir nun die Verästelung des D. hepaticus weiter. Nach links vom Wurzelstücke des R. eysticus dringen seine Äste ins Organ ein. Die nächste Frage, die uns nun zu beschäftigen hat, ist die nach der Zahl der letzteren und ihren Beziehungen zu den einzelnen Abschnitten des Organs. Man erkennt gar leicht immer wieder dieselben Äste des D. hepaticus, welche sich durch die Konstanz ihrer Wiederkehr einerseits, durch bestimmte Beziehungen zu bestimmten Abschnitten des Organs andererseits aus- zeichnen. Es ist wieder das Studium viellappiger Organe, welches vorzüglich geeignet erscheint, diesbezüglich den leitenden Fingerzeig zu geben. Die dem D. hepaticus entstammenden Äste sind in der Dreizahl vorhanden (s. Taf. XX Fig. 9). Und zwar finde ich, dass von diesen drei Ästen der eine das Verästelungsgebiet des R. arcuatus und descendens, der zweite jenes des R. cysticus und der dritte jenes des Recessus umbilicalis speist. Ich möchte diese drei Aste als Stammgänge bezeichnen und als rechten, mittleren und linken Stammgang unterscheiden. Die den einzelnen Stammgängen entstammenden Äste und Zweige mögen als Astgänge und Zweiggänge bezeichnet werden. So löst sich Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 563 der rechte Stammgang in zwei Astgänge auf, welche zur Begleitung des R. arcuatus und descendens bestimmt sind; drei Astgänge ent- stehen aus dem linken Stammgange, bestimmt zur Versorgung der drei Abschnitte, in welche sich das Astwerk des Recessus umbilicalis gliedert. Der Netzlappen erhält seine Versorgung durch einen Ast- gang, welcher dem rechten oder linken Stammgange entstammt; das dorsale Gebiet wird gleichmäßig von sämmtlichen Stammgängen gespeist. Nachstehendes Schema möge die Beziehungen der Gallenwege zur Lappung und zum Portalbaume wiedergeben. Gallenwege Portalbaum | Lappen R. Stammgang. | R. arcuatus, descend., | R. ob. u. unt. Lappen; Netzlappen. omentalis. M. Stammgang. | R. cysticus. R. Abschnitt des mittl. Lappens. R.umbilicalis;R.omen- | L. Abschnitt des mittl. Lappens. L. St 3 , peat de talis. L. ob. u. unt. Lappen; Netzlappen. Nun möchte ich zur Besprechung des Weges übergehen, welchen die drei Stammgänge einschlagen, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Der rechte Stammgang sucht zunächst die dorsale resp. proximale Fläche des Wurzelstiickes des R. eysticus auf, kreuzt dieselbe, ge- langt so zur proximalen Fläche des linken und rechten Hauptastes, und zieht sodann zur dorsalen Fläche des rechten Hauptastes und des R. areuatus; daselbst zerfällt er in zwei Astgänge, von welchen der eine zum R. descendens herabzieht, der andere mit dem R. arcuatus weiter zieht (Taf. XX Fig. 9). Dem entsprechend beschreibt der rechte Stammgang um das Wurzelstück des R. eysti- cus gleichwie einen Umweg; sehr schön sieht man dies bei Le- pus cuniculus; der von der linken Hälfte des langen linken Haupt- astes entstammende R. eysticus lenkt auch den rechten Stammgang weit nach links ab, um ihn erst nach diesem bedeutenden Umwege an seinen Bestimmungsort gelangen zu lassen. Relativ den kürzesten Weg beschreibt der mittlere Stammgang, indem derselbe meist geraden Weges zum R. cysticus zieht, dessen linke Fläche aufsucht und später nicht selten dessen proximale Fläche begleitet. Der linke Stammgang sucht die proximale Wandung des linken Hauptastes auf und zieht zur proximalen Fläche des Recessus umbilicalis; er strebt meist direkt dem R. angularis zu und kreuzt 564 Hugo Rex auf diesem Wege die proximale Fläche des Wurzelstiickes des R. umbilicalis. An dieser angelangt, entsendet er die erwähnten beiden Astgiinge zum rechten und linken Astwerk. Der Lohus omentalis wird von einem Astgange des rechten oder linken Stammganges gespeist; entstammt derselbe dem rechten Stamm- gange, so zieht er die dorsale Wandung des rechten und linken Haupt- astes kreuzend an seinen Bestimmungsort; geht er vom linken Stamm- gange ab, so vermag er doppelten Weg einzuschlagen (s. Taf. XX Fig. 9). In der großen Mehrzahl zieht er die dorsale Wandung des linken Hauptastes kreuzend zu den R. omentales direkt distalwärts herab; nur bei einigen Säugern (Canis familiaris, Mus rattus) fand ich ihn an der ventralen und hierauf distalen Wandung des linken Haupt- astes direkt zum Netzlappen hinziehen. Einmal (bei Seiurus vulgaris), direkt der dorsalen Wandung des D. h. entstammend, zum R. omentalis ziehen (s. Taf. XXII Fig. 26). Ich glaube nicht zu irren, wenn ich in dieser letzteren Art des Verlaufes die Eingangs erwähnte dorsale Astfolge des D. hepaticus wiedererkenne. Dieser bislang beschriebene Typus des Verlaufes der drei Stamm- ginge ist der fast allen Säugern zukommende. Sein Angel- punkt liegt in dem Streben von der linken Seite des Wur- zelstückes des R. cysticus aus die proximale Fläche der drei Hauptabschnitte der ersten Verästelung der Pfort- ader zu gewinnen. Ich will diese Art des Verlaufes als epiportale bezeichnen. Fast ausschließlich zur Geltung gelangt traf ich ihn an im Bereiche der Ordnung der Cetaceen und Artiodactylen, bei dem untersuchten An- thropomorphen und beim Menschen. Also im Bereiche von Organen, welche entweder eine nur geringe Neigung zur Lappenbildung auf- weisen, oder derselben gänzlich entbehren. Meist finde ich dann auch die portalen Wurzelstücke des mittleren und rechten Stamm- ganges mit einander vereint, so dass der D. hepaticus einer einfachen Zweitheilung unterliegt. Im Bereiche der übrigen Ordnungen der Säuger finde ich den epiportalen Typus in verschiedener Weise mit einem zweiten Typus des Verlaufes komplieirt vor, welcher sofort der Be- schreibung unterzogen werden soll. Ich traf denselben nur zweimal in typischer Reinheit vor: und zwar bei dem untersuchten Monotremen (s. Taf. XXI Fig. 12) und bei einem Primaten (Cynocephalus hamadryas). Dieser Typus zeichnet sich dadurch aus, dass der rechte und linke Stammgang keines- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 565 wegs von der linken Seite des Wurzelstückes des R. eysti- cus aus ihren Weg ins Innere des Organs einschlagen und hierbei die proximale Fläche der drei Hauptabschnitte der Pfortader aufsuchen, sondern von der Theilungs- stelle der Pfortader, deren ventralen Fläche sie anlagern, direkt an ihren Bestimmungsort gelangen, indem sie der ventralen und später distalen Fläche der drei Hauptabschnitte -ange- schmiegt auf kürzerem Wege ihrem Ziele zustreben. Der mitt- lere Stammgang verhält sich hierbei wie beim erstgenannten Typus, oder aber er entstammt, mit dem rechten Stammgang vereint, rechts vom Wurzelstück des R. cysticus, an dessen rechtsseitiger Wan- dung weiter des Weges ziehend. Der Astgang zum Lob. omentalis verläuft gleichwohl in beiden Fällen entweder (Monotremen) aus dem rechten Stammgange, oder (Primaten) aus dem linken Stamm- gange entspringend, wie beim epiportalen Typus. Mit Rücksicht auf das Bestreben dieser Form des Verlaufes, die distale Fläche der drei Hauptabschnitte der Pfortader zu begleiten, möchte ich dieselbe als hypoportale bezeichnen. Der hypoportale Typus des Verlaufes der Stammgänge findet sich nun meist mit dem epiportalen gepaart vor. Das wechselvolle Alterniren beider Typen erzeugt nicht selten eine reiche Menge von Einzelbildern. Ich fand dies nur bei gelappten Organen, und zwar im Bereiche der Ordnung der Edentaten, Rodentier, Carni- voren, Pinnipedier und Primaten vor. Über die Ordnung der Insecti- voren und Prosimier enthalte ich mich des Urtheils; bei beiden fand ich den epiportalen Typus vorherrschend, allein die nur in der Einzahl untersuchten Repräsentanten dieser Ordnungen erlauben keinen sicheren Schluss. Das Alterniren der beiden Typen in einem und demselben Organe wird dadurch hervorgerufen, dass der rechte oder linke Stammgang abwechselnd dem einen oder anderen Typus folgen. Oder aber einer dieser beiden Stammgänge, nicht selten auch beide, ist in zwei Äste zerfällt, welche vereint oder getrennt von einander einzeln ihren Ur- sprung aus dem D. hepaticus nehmen, und getrennt von einander hypoportal und epiportal weiter verlaufen. Die Mächtigkeit dieser beiden Äste ist auch meist eine verschiedene; bald kann der eine, bald der andere ein größeres Gebiet beherrschen, und dies Rivalisiren beider Genossen erhöht die Reichhaltigkeit der Bilder. Die hypoportalen Äste zeichnen sich nicht selten dadurch aus, dass sie aus dem D, hepaticus rechtwinklig ihren Ursprung nehmen. Morpholog. Jahrbuch. 14. al 566 Hugo Rex Sehr schön zeigen diese Vielfältigkeit der Bilder das Organ der Carnivoren, Pinnipedier, auch das der Rodentier. Die mannigfachen Formen, dieses stete Wechselspiel beider Verlaufstypen zu besprechen, würde nur ermüden. Ich verweise auf Taf. XXII Fig. 26, Taf. XXIII Fig. 34—39, Taf. XXI Fig. 18—23; Jeder kann leicht die auf den- selben verzeichneten Verhältnisse sich zurechtlegen und verfolgen. Ich bin weit davon entfernt. epiportalen und hypoportalen Typus des Verlaufes der Stammgänge streng von einander zu son- dern und einander entgegenzuhalten; gar häufig begegnete ich Typen, welche gleichwie eine Vereinigung, Verschmelzung der beiden zu bedeuten schienen. Über die Bedeutung, welehe der Er- kenntnis der beiden Typen beizulegen ist, werde ich später berichten. b) Die Verästelung des D. hepaticus und seine Beziehung zur Gallenblase. Nach Kenntnis von Zahl und Topik der großen ersten Gallen- wege müssen wir nunmehr auf zwei andere Fragen eingehen: auf die Art der Verästelung des D. hepaticus und auf das Verhältnis der Gallenblase und ihres Ganges zu derselben. Eine nähere Be- trachtung lehrt bald erkennen, dass die erste Frage mit der Beant- wortung der zweiten ihre Lösung findet, indem die Beziehungen des D. eysticus zum D. hepaticus auf dessen Verästelung bestimmend einwirken. Ich will daher beide Fragen zu einer vereint der Besprechung unterziehen. Der steten topischen Relationen zwischen der Gallenblase und dem Astwerke des R. cysticus habe ich des öftern gedacht. Zu diesen gesellt sich bei vielen Säugern eine andere Eigenthümlichkeit hinzu. Die Einmündung des D. cysticus in den noch unverästelten D. hepaticus, wie wir sie im Organe des Menschen finden, kommt recht selten vor. Um so häufiger aber seine Einmündung in den mittleren Stammgang. Weiter zeigt eine genauere Untersuchung, dass die Stelle der Einmündung des D. cysticus im Bereiche derselben Ordnung, ja bei demselben Thiere keine kon- stante ist, sondern einem regen Wechsel unterworfen sich darstellt. Diesen Wechsel der Einmündungsstelle möchte ich am besten als deren Wanderung bezeichnen. Welches ist nun die Strecke, im Bereiche welcher diese Wande- rung vor sich geht? Dieselbe wird dargestellt vom D. hepaticus und dem mittleren Stammgange. Zwischen den beiden Extremen, welche den D. eysticus einmal als ventrales Endstück des mittleren Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 567 Stammganges, das andere Mal als dem noch unverästelten D. hepa- ticus einmündend zeigen, giebt es zahlreiche Übergangsformen, deren Verständnis mit der Erkenntnis des steten Wechsels der Einmündung, der Wanderung derselben leicht klar wird. Eingangs erwähnte ich bereits, dass die Bezeichnung des ge- meinsamen Ausführweges des Organs als D. choledochus = D. eysti- cus + D. hepaticus haltlos ist. Nach dem eben Mitgetheilten wird man dies leicht einsehen: es müssten bei derselben Ordnung, ja nicht selten bei demselben Thiere dieselben, stetig wiederkehren- den Abschnitte der Gallengangsverästelung bald mit diesem, bald mit jenem Namen belegt werden, was nur eine Quelle von Irrun- gen wäre. Die Wanderung der Mündung des D. cysticus kann man sehr schön namentlich bei den Artiodactylen und bei einzelnen Carnivoren, so bei Felis domestica, verfolgen. Ich will nun im Folgenden die mannigfachen Verbindungen des D. cysticus mit der Gallengangsverästelung zur Grundlage der Ein- theilung der Verästelungsformen des D. hepaticus wählen, und möchte dieselbe in drei resp. vier Gruppen eintheilen. Die erste Gruppe der Verästelungsformen zeichnet sich aus durch die Verbindung des D. cysticus mit dem mittleren Stammgange. Entweder mündet er direkt in denselben ein, oder aber in einen Astgang desselben. Diese Form der Verbindung des D. cysticus mit der Verästelung des D. hepaticus bringt, wie später genauer gezeigt werden soll, sehr einfache Verhältnisse der letzteren mit sich, und findet sich bei einer großen Zahl von Säugern. Als eine eigenthümliche Modifikation dieser Verhältnisse zeigt sich eine Form der Verästelung, welche durch gewisse Veränderungen des Kalibers und der Mächtigkeit des D. cysticus bedingt wird. In solchen Fällen imponirt der D. eysticus durch seine Stärke als direkte Fortsetzung des D. hepaticus, in welchen die drei Stammgänge ein- münden. Der erste Eindruck ist ein befremdender; man verschafft sich jedoch bald die Überzeugung, nur veränderte Kaliberver- hältnisse vor sich zu haben, mit deren Ausschluss die bekannten Verhältnisse der ersten Gruppe leicht wiedererkannt werden. Diese Modifikation der Verästelungsform fand ich selten. Im Bereiche der zweiten Gruppe ist der D. cysticus vom mittleren Stammgange portalwärts herabgewandert und erscheint in die Verästelung des D. hepatieus mit aufgenommen und dem entsprechend als Ast desselben. Es ist dies gleichfalls 37* 568 Hugo Rex ein seltenerer Befund; die Verästelung des D. hepaticus erscheint dadurch etwas komplicirt. Im Bereiche der dritten Gruppe hat der D. cysticus seine Wanderung beendigt. Er ist aus dem Astgefolge des D. hepaticus ausgeschieden und miindet in dessen Stamm ein, welcher wiederum einfache Verhältnisse der Verästelung aufweist. Der vierte und letzte zeichnet sich durch ein negatives Mo- ment aus: durch den Mangel der Gallenblase. Die Verästelungs- form des D. hepaticus wird hierdurch die denkbar einfachste. Bevor ich nunmehr zur Besprechung der speciellen Formverhält- nisse dieser vier Gruppen übergehe, möchte ich noch hervorheben, dass es sich keineswegs um scharf abgesetzte Erscheinungs- formen handelt, sondern dass, wie bereits erwähnt, die drei erstgenannten Gruppen in innigem Zusammenhange stehen, indem sich ja eine aus der anderen entwickelt und bei der- selben Ordnung und bei demselben Thiere sich sämmtliche drei Gruppen der Verästelungsform nachweisen lassen können. Nun zu den einzelnen Gruppen. Erste Gruppe. Der D. cysticus mündet in den mittleren Stamm- gang. Ich fand dieses Verhalten vor bei Artiodactylen, Rodentiern, Insectivoren und Carnivoren (s. Taf. XXI Fig. 15—17, Taf. XXI Fig. 20, 21, Taf. XXII, Fig. 26, 27). Die Verästelung des D. hepaticus repräsentirt sich meist als einfache Zweitheilung, indem die portalen Abschnitte des rechten und mittleren Stammganges zu einem kurzen Stamm vereint erschei- nen, während der linke Stammgang allein dem D. hepaticus ent- stammt. Nur selten fand ich den rechten Stammgang aus dem linken seinen Ursprung nehmen. Einmal bei einem Rodentier (Spermophi- lus citillus, s. Taf. XXII Fig. 27). Die Erklärung dieses eigenthüm- lichen Befundes lässt sich leicht mit Berücksichtigung der Entwick- lungsgeschichte des Organs erbringen. Es handelte sich ursprüng- lich um den Astgang des Netzlappens. Sein Übergreifen auf das Gebiet der beiden rechten Lappen ging in einer frühen embryonalen Periode vor sich, zu einer Zeit, als die Ausbildung eines bestimmten Abschnittes der primären Lebereylinder zu Gallengängen sich vollzog. Die reichlichen Anastomosen dieser ersten Gallenwege, von welchen im Organe des ausgewachsenen Säugers nur mehr wenig Spuren nachweisbar sind, konnten ganz leicht das Übergreifen des besagten Astganges auf fremdes Gebiet mit sich führen. Mit dem aus irgend welcher Ursache eingetretenen Verkümmern des rechten Stammganges Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 569 bahnte sich das Sekret seinen Weg durch den Astgang des Netz- lappens, denselben zum Range eines Stammganges erhebend. Ich erwähnte ferner eines eigenen Befundes im Bereiche des Portalbaumes zweier Primaten (I. cynomolgus und rhesus), welcher darin bestand, dass der R. descendens als Ast. des R. omentalis sich darstellt. Dass derselbe seine Versorgung vom linken Stammgange auf dem Wege des Astganges des Netzlappens erhält, erscheint dem entsprechend selbstverständlich. Ich werde noch oft Gelegenheit nehmen, derartige Veränderungen der Richtung des Stromgebietes der Gallenwege einer genaueren Be- sprechung zu unterwerfen. Bezüglich der Verbindung des mittleren Stammganges lässt sich im Allgemeinen sagen, dass die Einmündung des D. eysticus keineswegs an eine bestimmte Örtlichkeit geknüpft ist, sondern am Stamme des mittleren Stammganges förmlich auf- und abwandern kann. Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung das Bild der Leber der Artiodactylen (s. Taf. XXI Fig. 17, Taf. XXII Fig. 25, Taf. XXI Fig. 16 und 15). Beim Gnu ist der D. cysticus das ventrale Endstück des mittleren Stammganges; bei der Elen- antilope ist er bereits weiter portalwärts herabgerückt, um bei der Ziege bereits dem vereinten Ursprungsstück des rechten und mitt- leren Stammganges einzumünden. Bei der Gemse sind in so fern etwas eigenartige Verhältnisse gegeben, als der mittlere Stammgang sich durch mehrere Astgänge repräsentirt zeigt, in welche er zerfällt ist, und dem ersten Astgange des D. cysticus einmündet. Auch die Carnivoren und Rodentier bieten lehrreiche Bilder dar. Ich verweise nochmals auf die Zeichnungen von Felis domestica. Im Bereiche der Ordnung der Carnivoren (s. Taf. XXI) haben wir auch den Übergang gegeben zu jener Form der Verästelung des D. hepa- ticus, welche ich als eigenthümliche Modifikation der ersten Gruppe beschrieb, bedingt durch Veränderungen des Kalibers des D. cysticus. Diese Form der Verästelung fand ich vor bei den Carnivoren, dem untersuchten Prosimier und bei den Pinnipediern. Unter den ersteren ist namentlich das Organ von Canis fami- liaris lehrreich (s. Taf. XXIII). Der D. hepaticus setzt sich direkt in den weiten D. cysticus fort; an der Stelle des Überganges in den letzteren entsendet er die Stammgänge. Ähnlich auch beim Prosimier (s. Taf. XXII Fig. 32). Man braucht bloß das Kaliber des D. hepaticus und cysticus sich etwas verringert zu denken, um sofort das Bild des dem mittleren Stammgange einmündenden D. cysticus vor sich zu sehen, wie es als für die erste Gruppe charakteristisch geschildert wurde. 570 Hugo Rex Bei Canis familiaris tritt noch ein reges Wechselspiel von epi- und hypoportalem Typus des Verlaufes der Stammgänge hinzu und zeigt Tafel XXIII deutlich die große Mannigfaltigkeit der Form der Ver- ästelung des D. hepaticus. Interessant erscheinen zwei Umstände: hypo- und epiportale Gallenwege nehmen stets getrennt ihren Ur- sprung aus dem D. hepaticus; ferner war ich zweimal in der Lage, bei rein epiportaler Lagerung des linken Stammganges den rudimen- tären hypoportalen gleichen Stammgang aufzufinden und sogar zu injieiren. Ich fand nun in einem Falle, in welchem ich den ver- kümmerten linken Stammgang bis zum Wurzelstück des R. angularis verfolgen konnte, daselbst mit dem epiportalen linken Stammgang ana- stomosiren (s. Taf. XXIII Fig. 34, 38). Ein nicht misszuverstehender Fingerzeig zur Erklärung des Umstandes, dass bei der aus irgend wel- cher Ursache eingetretenen Obsolescenz des einen Weges ganz leicht dessen Genosse zum alleinigen Ausführwege sich gestalten konnte. Ein etwas befremdendes Bild bietet der Pinnipedier dar (s. Taf. XXII Fig. 30, 31). Von drei untersuchten Exemplaren von Phoca vitulina bot jedes ein anderes Verhältnis der Verästelung des D. hepaticus dar; alle diese Bilder, so fremdartig sie auch anfänglich scheinen, lassen sich jedoch leicht auf bekannte Formen zurück- führen, behält man nur im Auge, dass es sich um eine eigenthüm- liche Modifikation des D. cysticus und hepaticus handelt. Man denke sich bloß den über die Ineisur, welche den mittleren Lappen tief einschneidet, frei hinausragenden Abschnitt der Gallenblase als solche, und von da ab portalwärts den übrigen Theil derselben auf das Lu- men des D. hepaticus reducirt, um sofort jenes Bild vor sich zu haben, welchem wir bei Canis familiaris begegneten. Gleichwie bei diesem Säuger begegnen wir auch hier epiportaler und hypoportaler Lagerung der Stammgänge; in dem einen Falle (Fig. 30) finden wir den mittleren Stammgang in zwei ungleich starke Astgänge zer- fällt, von welchen der eine mit dem rechten Stammgange verbunden ist, der andere dem zur Bildung der Gallenblase mit einbezogenen, mächtig erweiterten D. hepaticus direkt entstammt. Wir haben es bei den Pinnipediern mit einer mächtigen Er- weiterung des D. hepaticus zu thun, welche gleich dem demselben Schicksale anheimgefallenen D. cysticus zur Bildung der Gallenblase mit verwendet wurde; der D. eysticus hat hierbei seine Selbständig- keit vollkommen, der D. hepaticus theilweise eingebüßt. Ich gehe nun über zur Zweiten Gruppe. Der D. cysticus ist in die Astfolge des Beitriige zur Morphologie der Siiugerleber. 571 D. hepaticus mit aufgenommen, und erscheint als ein Ast des letz- teren. Ich fand diese Eigenart der Verästelung vertreten bei Carni- voren (Felis domestica) (s. Taf. XXI Fig. 19, 23) und bei Primaten (Cynocephalus hamadryas. Inuus erythraeus). Die Verästelung -des D. hepaticus vermag sich in dieser Gruppe verschieden zu gestalten. Bei Felis domestica theilt sich der D. hepaticus in drei Äste, von welchen der rechte den mit ihren portalen Abschnitten verschmol- zenen rechten und mitttleren Stammgängen, der mittlere dem D. cysticus, der linke dem linken Stammgange entspricht. Bei Cynoce- phalus hamadryas findet eine einfache Zweitheilung des D. he- paticus statt; dem rechten Aste, welcher die mit ihren portalen Ab- schnitten verschmolzenen rechten und mittleren Stammgänge darstellt, entstammt der D. cysticus. Sehon jetzt will ich auf eine Eigenthümlichkeit aufmerksam machen, welcher ich bei F. domestica begegnete. In den in die Ast- folge des D. hepaticus aufgenommenen D. eysticus münden Gallen- gänge von verschiedener Stärke ein, welche Ästen des R. cysticus sich beigesellen oder blind endigen (s. Taf. XXI Fig. 19, 22, 23, 20). Ich glaube in einem solchen Falle die Sachlage besser dahin richtig zu stellen, dass der D. cysticus ursprünglich in einen vom mittleren Stammgange abgelösten, selbständig dem D. hepaticus entstammen- den Astgang einmündete, und, indem sich derselbe völlig in den Dienst der Gallenblase stellte, verlor er auch seine Beziehungen zum — Parenchym als galleabführendes Organ, sich zum D. eysticus umwan- delnd. Ich werde noch später über diesen eigenthümlichen Befund zu berichten haben. Nun zur Dritten Gruppe. Der Ductus cysticus hat seine Wanderung distalwärts beendigt; er ist aus dem Astgefolge des D. hepaticus ausgeschieden ; derselbe mündet in den D. hepaticus vor seiner Auf- lösung in die drei Stammgänge ein. Diese Anordnung fand ich bei den Monotremen, Edentaten, Carnivoren, Artiodactylen und Pri- maten. Für die Verästelung des D. hepatieus resultiren einfache Verhältnisse; entweder kommt es zu der einfachen Zweitheilung des D. hepaticus, welcher wir bereits im Bereiche der ersten zwei Gruppen mehrfach begegneten: so bei den untersuchten Monotremen, Eden- taten, Artiodactylen und Primaten; doch vermag bei einigen der letzteren, sowie bei den Carnivoren die Komplikation mit hypopor- talem Astwerke das Bild der einfachen Zweitheilung zu trüben und kommt es auch wohl zur Dreitheilung des D. hepaticus auch bei rein epiportalem Typus (Felis domestica) (s. Taf. XXI Fig. 18). Anderer- 572 Hugo Rex seits vermag auch ein früher Abgang eines der Astgänge des linken Stammganges weitere Komplikationen zu schaffen (Gepard, Mal. Kragenbär) (s. Taf. XXII Fig. 28, 29). Ein Ubergangsglied der zweiten zur dritten Gruppe treffen wir bei den Carnivoren an (Felis domestica) (s. Taf. XXI Fig. 22). Der D. cysticus ist bereits recht tief am Stamm des D. hepaticus herab- geriickt, allein noch nicht ganz aus dessen Astfolge ausgeschieden; gleichsam einen Hemmschuh der weiteren Wanderung bildet ein hypoportaler, vom linken Stammgang abgelöster Astgang, bestimmt zur Speisung des rechtsseitigen Astwerkes des Rec. umbilicalis, welcher als erster Ast dem D. hepaticus entstammt, als zweiter Ast figurirt sodann der D. eysticus. Als charakteristisches Moment der Vierten Gruppe habe ich den Mangel der Gallenblase auf- gestellt. Die mir zur Untersuchung vorgelegenen Thiere waren ein Cetacee (Delphinus tursio) (s. Taf. XXI Fig. 14), ein Artiodactyle (Taf. XXII Fig. 24) (Camelo pardalis Giraffa) und ein Rodentier (Mus rattus). Beim Delphin und der Giraffe fand ich die gewöhnliche Zweitheilung des D. hepaticus, verbunden mit epiportaler Lagerung der Stammgänge. Anders bei Mus rattus. Fürs Erste liegt hypo- portaler Typus des Verlaufes der Stammgänge vor, und zwar ent- stammt dem D. hepatieus zuerst der rechte Stammgang, und schließlich zerfällt er in den mittleren und linken Stammgang; den eigenthüm- lichen Verlauf des dem linken Stammgange entstammenden und zum Netzlappen ziehenden Astganges habe ich bereits oben mitgetheilt, und seiner als Anklang an die dorsale Astfolge des D. hepaticus gedacht. Sodann aber tritt bei der Ratte ein weiteres Moment in den Vorder- grund: es ist die eigenartige Erweiterung, welche der D. hepaticus und der portale Abschnitt der Stammgänge sowie des Astganges zum Netz- lappen aufweist. Die ins Parenchym eindringenden Abschnitte der Stammgänge sind im Gegentheile hierzu auffallend schwach und zart. Über diese Eigenthümlichkeit werde ich später noch eingehen- dere Mittheilungen zu machen haben. Schließlich möchte ich noch jener beiden Fälle gedenken, bei welchen ich, wie ich im Eingange bemerkte, dorsales Astwerk des D. hepaticus nachzuweisen vermochte. Nur bei dem Prosimier vermochte ich dasselbe der Präparation zu unterziehen; beim Wiesel erlaubte dies die Härtung des Präparates nicht. Beim ersteren fand ich den dorsalen Ast den Netzlappen ver- sorgen und hierauf in das Gebiet des linken unteren Lappens ein- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 573 dringend gemeinsam mit dem linken Stammgange der ventralen Astfolge den R. angularis mit Ästen bedenken. Eine ungleich größere Ausbreitung zeigt der dorsale Ast beim Wiesel. So weit ich denselben verfolgen konnte, entsendet er nach Versorgung des Netzlappens einen der beiden rechten, den mittleren und linken unteren Lappen mit Ästen. Aus dem Mitgetheilten resultiren ganz eigenartige Schlussfolge- rungen bezüglich der Verästelung des D. hepaticus und der Stellung der Gallenblase. Was in erster Linie das Astwerk des D. hepaticus anlangt, so war dies in seiner ersten Entwicklung wohl ein ungleich reicheres, als wir. es im Organe des erwachsenen. Säugers vorfinden. Dafür spricht schon der Befund von dorsalem und ventralem Astwerke. Wenn derselbe auch nur bei zwei Säugern zur Beobachtung gelangte, so finden sich gleichwohl Anklänge an denselben in dem eigenthüm- lichen geschilderten Verlaufe des Astganges, welcher den Netzlappen versorgt. Wenn es gewagt scheint, aus diesen spärlichen Befunden zu folgern, dass der Gesammtheit der Säuger ursprünglich eine doppelte, ventrale und dorsale Astfolge des D. hepaticus eigen war, so ist ein anderer Schluss aus den eigenthümlichen Verhältnissen der ventralen Astfolge gewiss erlaubt. Hypoportale und epi- portale Anlage des Verlaufes der Stammgänge, welchen beiden wir bei fast allen gelappten Organen begegneten, sie dürften wohl ursprünglich allen Säugern Gemeingut gewesen, und in der ersten Entwicklung stets gleich mäch- tig entwickelt gewesen sein. Warum beim gelappten Organe bald nur eine, bald beide gleichzeitig sich fortentwickelt haben, warum schließlich beim ungelappten Organe die epiportale Anlage der Stammgänge ausschließlich zur Herrschaft gelangte, lässt sich allerdings vor der Hand nicht ergründen; es vermag wohl allein die Entwicklungsgeschichte die Lösung zu erbringen. Was die Beziehungen der Gallenblase und ihres Ganges zur Ver- ästelung des D. hepaticus anlangt, so werden dieselben durch die gewonnene Kenntnis der Wanderung, welche der D. cysticus im Bereiche des mittleren Stammganges und des D. hepati- cus ausführt, einerseits, durch das Vorkommen der D. hepato- cystici andererseits dem Verständnisse näher gerückt. Was zunächst die D. hepato-cystici anlangt, so möchte ich unter diesen nur jene Gallengänge verstanden wissen, welche sich 574 Hugo Rex direkt in die Gallenblase entleeren und nicht im Sinne mancher Au- toren auch jene Gallenwege, welche mit dem D. cysticus in Verbindung stehen, da diese letzteren als D. hepato-cystici bezeichnet nur zu leicht zu Verwirrungen Anlass geben wiirden, wie es sich aus dem steten Wechsel der Einmündungsstelle des D. cysticus erklärt. D. hepato-eystiei wurden bislang beim Känguruh (CuviEr, 1. ©. pag. 570), Rinde, Schafe (MEcker, 1. e. IV. Th. pag. 561), Hasen, Igel, Hunde, Wolf (Sappey', CUVIER, |. c.) und Seehund (Owen, 1. ce. pag. 487) aufgefunden. Die Berichte über Zahl und Konstanz dieser Gänge schwanken recht bedeutend; man vergleiche die Angaben von MECKEL (I. e.) und Hyrrt (1.c. pag. 133) über diese Art der Gallenwege beim Rinde. Meine Beobachtungen erstrecken sich auf drei Säuger, auf das Rind, den Igel und den Seehund. Beim ersteren fand ich nur einen D. hepato- eysticus, einen Ast des R. cysticus begleitend; beim Igel zwei solche Gänge, welche der Verkümmerung anheimgefallen mit dem Paren- chym nicht mehr in Verbindung standen, indem sie sich in der Ge- krösfalte, welche die Gallenblase und ihren Gang an der distalen Fläche des mittleren Lappens befestigt, eingelagert zeigten. Den Befund beim Seehunde beschrieb ich vorhin. Ich glaube aus den topischen Verhältnissen der Gallenblase den sicheren Schluss ziehen zu dürfen, dass sämmtliche D. hepato-eystiei, welche zur Beobachtung gelangten, stets zum Astwerke des R. eysticus in Beziehung standen. Die Existenz der D. hepato-eystiei deutet darauf hin, dass die Gallenblase auch die Funktion eines Gallenganges ver- sehen kann, und erlaubt vielleicht auch einen Schluss auf die Ent- wicklung, welche sie genommen hat. Vielleicht gehe ich nicht fehl, wenn ich annehme, dass die Gallenblase ihre Entstehung aus einem bestimmten Ab- schnitte eines Gallenganges nahm, welcher seine alten Beziehungen zum Organe als galleabführender Weg ent- weder aufrecht erhalten hat (D. hepato-cystici) oder im Begriffe ist, dieselben aufzugeben (Obsolescenz der D. hepato-eystiei beim Igel) oder aber dieselben gänzlich einbüßte, wie bei den meisten Säugern. Der nicht in die Bil- dung der Gallenblase mit einbezogene Abschnitt des Gallenganges wandelt sich zum D. eysticus um. Das ursächliche Moment des Verlustes der Beziehungen zum Parenchym, welchen der zur Gallenblase sich umgestaltende Ab- ! TH. C. Sappry, Traite d’anatomie descriptive. Tom IV. pag. 362. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 575 schnitt des Gallenweges erfährt, möchte ich nicht zum geringsten in dem Druck suchen, welchen die wachsende Blase auf ihre Nachbarschaft ausübt und so jene Abschnitte derselben, welchen er früher als galleabführender Weg vorstand, zum Schwunde brachte. Als einen weiteren Beweis für die Richtigkeit dieser meiner Auffassung der Entstehung der Gallenblase möchte ich erwähnen, dass sich dieselbe bei nicht wenigen Säugern enorm tief im Paren- chym eingelagert findet, so dass nur ihr Grund im Bereiche der proximalen, ihr Hals im Bereiche der distalen Fläche der Leber frei liegt; es spräche dies für ihre Entstehung aus einem besonders tief im Bereiche des mittleren Lappens gelagerten Gallenweges. Solche Befunde wies z. B. der untersuchte Edentate, der Prosimier auf. Eine weitere Frage ist jene nach den Beziehungen des zur Gallen- blase umgewandelten Gallenweges zur Verästelung des D. hepaticus. Ich glaube dieselbe dahin beantworten zu müssen, dass ich den- selben als zur Verästelung des mittleren Stammganges zugehörig bezeichne. Dafür spricht fürs Erste die so häufige Verbindung des D. cysticus mit dem mittleren Stammgange. Sodann aber wird für jene Fälle, im Bereiche welcher der D. cysticus dem Stamme des D. hepaticus einmündet, die Zugehörigkeit zum mittleren Stammgange durch die beschriebenen Befunde bei Felis domestica erwiesen. Ich wies darauf hin, dass in jenen Fällen, bei welchen der D. cysticus vom mittleren Stammgange auf den D. hepaticus herabriickte, derselbe ursprünglich in einen vom mittleren Stamm- gange abgelösten, selbständig dem D. hepaticus entstammenden Ast- gang einmündete, welcher dadurch, dass er sich ganz in den Dienst der Gallenblase stellte, seine Beziehungen zum Parenchym als galle- abführender Weg einbüßte. Schließlich spricht auch die topische Relation der Gallenblase einerseits, die Verbindung der D. hepato-cystici mit dem Astwerk des R. eysticus andererseits für die Zugehörigkeit des zur Gallen- blase umgewandelten Gallenweges zum mittleren Stammgange. Über die eigenthümlichen Befunde, welche sich an den Mangel der Gallen- blase anschließen, möge später die Rede sein. 2) Verästelung der Gallengänge im Parenchym. Wir haben bislang die einzelnen Stammgänge bis an ihren Be- stimmungsort verfolgt und es erübrigt noch, ihre Verästelung im Be- reiche der einzelnen Abschnitte des Organs näher ins Auge zu fassen 576 Hugo Rex 's. Taf. XXI—XXIII). Dieselbe erscheint im Großen und Ganzen durch die Kenntnis der Verästelung des Portalbaumes gleichsam vor- geschrieben, indem ja bekanntlich die Gallenwege die getreuen Be- gleiter der Portaläste darstellen. Und es zeigt sich auch meist, dass die größeren Astgänge das Bestreben aufweisen, ihre Astfolge jener des Portalastes anzupassen und man erhält auch dem entsprechend den Eindruck, als hätten auch die größeren Gallenwege das Bestreben, ihre Selbständigkeit zu wahren und sich erst allmählich durch Abgabe von Zweigästen zu er- schöpfen. Was die Lagerungsverhältnisse anlangt, so weisen Stamm- gänge, welche in ihrem portalen Abschnitte epiportal gelagert waren, diese Lagerung auch im Bereiche des Inneren des Organs auf und lagern sich nur selten der distalen Fläche der einzelnen Aste an; meist sind sie der seitlichen und proximalen Wandung angeschmiegt. Doch auch hierin kommen zahlreiche Ausnahmen vor. War die Lagerung der portalen Abschnitte der Stammgänge eine hypoportale, so ergiebt dies für den weiteren Verlauf eine Quelle reichlicher Formverhältnisse; es dringen die einzelnen Stammgänge auf den verschiedenartigsten Wegen in ihr Gebiet ein und auch ihre Lagerungsverhältnisse im Bereiche desselben sind mannigfachen Va- riationen unterworfen. Ich vermochte den zahlreichen Bildern keine bestimmte Regel zu entnehmen. Im Bereiche der den Bogengefäßen beigesellten Gallenwege zeigte sich fürs Erste das Bestreben, sich dem konkaven Rande der ersteren einzulagern, sodann zeigen sich größere Astgänge meist in zwei Zweiggänge zerfällt, von welchen der eine dem konvexen, der andere dem konkaven Rande des Bogengefäßes sich anlagert: beide alterniren in der Versorgung der Äste des letzteren. Einer eigenen Art des Verlaufes begegnete ich nicht selten im Bereiche des linken Stammganges. Dieselbe gab sich kund in Form der Bildung einer Schleife, indem der linke Stammgang, nach Ab- gabe eines oder beider Astgänge ans Astwerk des Rec. umbilicalis im Bereiche des Wurzelstückes des R. angularis portalwärts umbog, förmlich einen rückläufigen Verlauf einschlug und seine Zweiggänge vom konvexen Rande dieses seines Bogens aus entsandte (z. B. bei Felis domestica, s. Taf. XXI Fig. 23). Die Art der Abgabe der drei Astgänge von Seite desselben Stammganges ist mannigfachen Variationen unterlegen. Dieselben vermögen demselben der Reihe nach zu entstammen, oder die beiden ersten fürs Astwerk des R. umbiliealis bestimmten sind zu einem Stamme vereint, und der linke Stammgang zeigt sich bald nach seinem Ursprunge aus dem D. hepaticus zweigetheilt; je einer der- selben kann selbständig dem D. hepaticus entstammen (F. domestica) (s. Taf. XXI Fig. 22); schließlich können sich die ersten beiden Ast- gänge durch Zweiggänge repräsentirt finden, welche reihenweise dem linken Stammgange entstammen. Ähnlich kann auch der mittlere Stammgang durch eine Reihe von Astgängen repräsentirt werden, welche dem rechten Stammgange entstammen (Gemse, s. Taf. XXI Fig. 15). Gleichen Schwankungen unterliegt auch der letztere. Kurz, es zeigt sich im Bereiche des Parenchyms eine rege Man- nigfaltigkeit des Verlaufes und der Verästelung der Gallenwege, welche einem einheitlichen Gesetze nicht unterworfen zu sein scheint. Diese Eigenthümlichkeit findet auch ihre Erklärung in den ent- wicklungsgeschichtlichen Verhältnissen des Organs. Ich habe auf dieselben bereits hingewiesen. Die reichlichen Anastomosen der Gallenwege in frühen embryo- nalen Perioden erklären uns zur Genüge, warum der Verlauf der- selben im Inneren des ausgebildeten Organs keiner bestimmten Regel zu unterliegen scheint, indem ganz leicht bald der eine, bald der andere Abschnitt des reichen anastomotischen Netzwerkes zur Ent- wicklung gelangen konnte; über das ursächliche Moment der Bevor- zugung einer bestimmten Bahn Auskunft zu geben, vermag ich aller- dings nicht. Auch zwei andere Erscheinungen kniipfen: direkt an die soeben besprochenen Verhältnisse an. Da ich dieselben in der Litteratur nicht verzeichnet fand, erscheint ihre Mittheilung gerechtfertigt. Die- selben sind Anastomosen der Gallenwege im Bereiche des Parenchyms und eine eigenthümliche Art des Ubergrei- fens von Gallengängen auf ihnen ursprünglich fremde Äste des Portalbaumes. Erstere Erscheinung fand ich bei einem einzigen Säuger, bei Canis familiaris. Sie stellt sich dar als weitmaschige Anastomose einzelner Astgänge des rechten und linken Stammganges, sowie als Inselbildung im Bereiche des mittleren und linken Stammganges (s. Taf. XXIII Fig. 36, 39, 34). Diese Erscheinung stellt uns erhaltene Reste der früheren reichlichen Anastomosen der Gallenwege dar. Als Übergreifen der Gallenwege auf fremdes Gebiet bezeichne ich folgende bei einzelnen Artiodactylen beobachtete Er- scheinung. Bei der Ziege und Giraffe fand ich Astgänge und Zweig- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 577 578 Hugo Rex gänge des mittleren und linken Stammganges von einem Portalast auf den nächst gelegenen förmlich überspringen und so eine Strecke weit im Parenchym völlig frei liegend (s. Taf. XXII Fig. 24 bei a@ und Taf. XXI Fig. 16 bei «). Besonders auffallend ist der Befund bei der Ziege: ein Zweiggang des linken Stammganges bestreicht drei Äste des rechten Astwerkes, indem es vom ventralen Endabschnitte des einen Astes auf den gleichen Abschnitt des nächstgelegenen zweiten Astes und von diesem auf das Mittelstück eines benachbarten dritten Astes übergreift; dieser Zweiggang versorgt den ventralen Endab- schnitt des zweitgenannten Astes und das Mittelstiick des letzten Astes. Die dorsalen Abschnitte dieser beiden Äste werden vom linken Stammgange durch Zweiggänge gespeist. Und überdies: das ventrale Endstück des dritten Astes erhält von einer dritten Seite her seine Versorgung: sie wird besorgt durch einen Zweiggang des mittleren Stammganges, welcher quer durchs Parenchym zieht, dabei völlig frei liegt. Auch diese eigenartige Erscheinung findet in entwicklungs- geschichtlichen Verhältnissen ihre Erklärung. Es handelt sich wohl um eine reiche Anastomosenkette, welche die einzelnen Astgänge und Zweiggänge des mittleren und linken Stammganges unter einander ver- band; durch Unwegsamkeit eines Schaltstückes wurden Bahnen offen gehalten, welche sonst der Verkümmerung anheimgefallen wären. So viel über die Verästelung der Gallenwege im Bereiche des Parenchyms. Ich möchte noch schließlich auf einige Formverhältnisse der Gallengangsverästelung und der Gallenblase, welche sich in der Litteratur mitgetheilt finden, näher eingehen. Hyrru (1. e.) hat für die Verästelung des D. hepaticus eine schraubenférmige korkzieher- artige Windung sämmtlicher Äste beschrieben, welche namentlich bei isolirter Injektion der Gallenwege aufs deutlichste hervortreten soll; gleichzeitige Injektion der Blutgefäße soll die Spirale strecken, aber niemals aufheben. Ich habe nun allerdings niemals eine In- jektion der Gallenwege allein vorgenommen, sondern stets auch die Gefäße mit injieirt, allein ich habe mehr als zweihundert Organe theils mit Corrosionsmassen, theils mit TEICHMANN’scher Kittmasse injieirt und habe die von HyrrL angegebene Erscheinung an kei- nem Präparate beobachtet. Und die TeıcHmann’sche Injektions- methode erlaubt mit der Anwendung der Schraubenspritzen hohe Druckwirkungen und ich habe gleichwohl niemals eine Andeutung einer spiraligen Drehung nachzuweisen vermocht. Ich muss daher die spiralige Drehung der Gallenwege als Artefact Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 579 hinstellen, bedingt durch die isolirte Injektion einer- seits, durch die Anwendung allzu heißer Injektionsmassen und hohen Druckes andererseits. Die spindelförmigen Er- weiterungen, welche derselbe Autor für einige Rodentier beschrieb, habe ich bei Lepus cuniculus gleichfalls gefunden, allerdings nicht als konstantes Vorkommnis. Bezüglich der äußeren Formverhältnisse des D. cysticus und der Gallenblase verweise ich auf die reichen Angaben bei OuVIEr (I. e.), MEcKEL (I. e.), OWEN (l. ¢.) und Hyrru (l.c.) und will bloß zwei Er- scheinungen besprechen, welche Anomalien der Gallenblase darstellen. Die erstere derselben betrifft die Verdoppelung derselben. Dieselbe wurde von Rapp! bei Oryeteropus capensis, von OWEN? (1. c. pag. 480) bei der Giraffe aufgefunden. Von den älteren Autoren wird eine Sep- tirung der Gallenblase des Löwen beschrieben. Eine Andeutung der Bildung der Verdoppelung will Owen (l. e. pag. 482) bei Didelphis virginiana beobachtet haben. Es handelt sich, wie es scheint, durch- weg um Einzelbefunde. Auch ich kann zwei Fälle von Verdoppelung der Gallenblase berichten. Ich beobachtete dieselbe je einmal bei Bos taurus und Lepus cuniculus, und glaube nicht fehlzugreifen, wenn ich diese Erscheinung als eine pathologische auffasse. Ähn- liches gilt wohl auch von der Versetzung der Gallenblase nach links, in den ventralen Abschnitt der Leberlingsfurche. Angeregt durch die Befunde von HocHSTETTER? beim Menschen, habe ich mein Augenmerk dieser Anomalie zugewandt und in der Litteratur wie unter meinem Materiale je einen derartigen Fall von Transposition der Gallenblase vorgefunden. Owen (Il. ec. pag. 478) beschreibt dies Vorkommnis beim Dugong, ich fand es bei Myrmecophaga didactyla. Bei dem letzteren fand ich den D. cysticus in den Stamm des D. hepaticus einmündend; leider erlaubte die Härtung des ER sa ca keine Untersuchung des Portalbaumes. Bezüglich der in der Litteratur mitgetheilten Einzelheiten der Anatomie der Verästelung des D. hepaticus und der Beziehungen des D. cysticus zu derselben kann ich mich in so fern kurz fassen, als ich auf jene Werke verweisen kann, welcher ich bereits bei der Be- ı W. v. Rapp, Anatomische Untersuchungen über die Edentaten. 1813, 2 Über die Anatomie der nubischen Giraffe. FRoRIEP's Notizen. Nr. 175. December 1838. 3 F. HOCHSTETTER, Anomalien der Pfortader und Nabelvene ete. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1886. 580 Hugo Rex sprechung der Anatomie der Lappung Erwähnung gethan. Hyrrt (l. e.) und Sappey (l. ec.) haben sich mit der Anatomie der Gallenwege der Säuger gleichfalls eingehend beschäftigt. Sieht man näher zu, so bemerkt man bald, dass in dem Gebiete der Anatomie der Gallengangsverästelung der Säuger eine ziemlich starke Verwirrung herrscht, indem die Angaben der einzelnen Autoren nur selten übereinstimmen, eine Verwirrung, welche HyrkrL zu dem Ausspruche drängte: »Man verliert allen Bücherglauben und alles Vertrauen auf den Werth von Citaten, wenn man auf solche Unrich- tigkeiten stößt.« Und diese Verwirrung beruht lediglich in dem einen Umstande, dass, so viel ich ersehe, meist nur ein Thier dem Unter- sucher vorgelegen, dass ferner aus dem Grunde, dass man sich meist mit einem gewonnenen Bilde begnügte, auch die Erkenntnis der mannigfachen Variabilität der Verästelung der Gallenwege versagt blieb. Überdies blieb die Untersuchung der meisten Forscher auf die Verästelung im Bereiche der Leberpforte beschränkt, und jene im Bereiche des Inneren des Organs blieb gänzlich unberücksichtigt oder sie wurde, wie es HYRTL gethan, ohne Bezugnahme auf die Beziehungen zum Portalbaume ausgeführt. So konnte HyrrL OWEN der Unrichtigkeit in der Beschreibung der Gallenwege von Phoca vitulina zeihen und ihm einen anderen Befund entgegenhalten. Beide haben richtig — aber zu wenig beobachtet, denn sonst fände sich bei Beiden nicht. eine Reihe von Einzelbildern, sondern allgemein übersichtliche Darstellungen. Aus diesem Grunde hat es für mich wenig Reiz und noch we- niger Interesse für den Leser, die große Zahl von Einzelbeobach- tungen, welche sich in der Litteratur verzeichnet finden, mit den Re- sultaten meiner Untersuchungen zu vergleichen. Ich begegnete immer wieder Einzelheiten und selten nur allgemeinen Zügen!. Der Mangel der Gallenblase. Es erscheint mir von regem Interesse, diese eigenthümliche Er- scheinung näher ins Auge zu fassen, und dies um so mehr, als sie ge- eignet sein dürfte, einen charakteristischen Beitrag zur physiologischen Stellung derselben zu bilden. ! Die Arbeit von MACALISTER »Contributions to the comparative anatomy and physiologie of the Gallblader« in Med. Press and Cire. Dublin 1867 — war mir leider weder im Orginale noch in irgend welchem Referate zugänglich ge- wesen. , | j Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 581 Ich habe in der beifolgenden Tabelle den Mangel der Gallenblase im Bereiche der einzelnen Säugerordnungen, bei welchen sie nach den Mittheilungen von MECKEL (]. e.), Sranntus (l. e.), Cuvier (. e.), Owen (l. e.) und Hyrrt (l. e.)! beobachtet wurde, eingetragen. Die Besprechung dieser Erscheinung muss meines Erachtens nach zwei Richtungen erfolgen, welche sich am besten in der Frage nach der Gesetzmäßigkeit des Mangels der Gallenblase, und jener nach einer dieselbe ersetzenden Einrichtung kennzeichnen. Ich muss im Vor- hinein bemerken, dass mein diesbezügliches Material ein nur spär- liches ist und ich daher vorwiegend die bezüglichen Litteraturberichte mit in den Rahmen der Besprechung ziehen muss. Ordnung Mangel der Gallenblase bei Monotremen Marsupialia Edentaten Bradypus tridactylus* (MECKEL, OWEN) Cetaceen sämmtlichen Cetaceen Sirenia Rytine Stelleri Perissodactyla | sämmtlichen Unpaarzehern Artiodactyla Camelidae, Camelopardalidae (OWEN, ich,) Cervidae, Di- cotyles labiatus* (OWEN) Proboseidea Elephas Insectivora Hystrix dorsata, prehensilis* (MECKEL), Mus* alliarius, Rodentia songarus, agrarius, minutus, decumanus, musculus, syl- vaticus, rattus (MECKEL), Cricetus vulgaris, accedula, phaeus, arenarius, Georhychus talpinus (MECKEL), Lon- cheres (MECKEL), Pedetes caffer (OWEN, HyRTL), Ere- thizon. Sciurus* maximus (Cuvier), Echimys, Cercolabes, Lemnus. Pteromys * (CUVIER). Lamnungia Hyrax capensis (OWEN) 1 Carnivora Pinnipedia Chiroptera Prosimia Uistiti (?) (DAUBENTON) Primates Homo sapiens als seltene Anomalie beschrieben. Was zunächst die Frage anlangt, ob in Bezug auf den Mangel der Gallenblase eine gewisse Gesetzmäßigkeit vorherrscht, so stimmen sämmtliche Forscher, welche diesen Gegenstand der Besprechung unterziehen, darin überein, dass eine solche bislang nicht entdeckt 1 Die bei J. F. BLUMENBACH, Handbuch der vergleichenden Anatomie pag. 182 citirte Abhandlung von Fr. W. TROTT, »De vesiculae felleae defecti« war mir nicht zugänglich. Morpholog, Jahrbuch. 14. 38 582 Hugo Rex werden konnte. Man könnte doch in erster Linie erwarten, dass sich der Mangel der Gallenblase einerseits auf bestimmte Ordnungen und auf deren sämmtliche Glieder erstrecke, andererseits an jene Säuger knüpfe, welche durch ihre Ernährungsverhältnisse und den Bau des Magens eine gewisse Zusammengehörigkeit besitzen und bei welchen der Mangel der Gallenblase sich hieraus leicht ableiten und verstehen ließe. Das Erstere trifft nur für die Perissodactylen und Cetaceen zu; im Bereiche der übrigen Säugerordnungen zeigt sich ein reger Wechsel bezüglich des Mangels der Blase, indem von zwei nahe verwandten Thieren eines eine Gallenblase besitzt, das andere nicht. Ich habe in der Tabelle solche Säuger, deren nahe Verwandten eine Gallenblase besitzen, mit einem Sternchen be- zeichnet. Besonders auffällig tritt dieser Umstand im Bereiche der Rodentier in Erscheinung. Wir sehen also einen regen Wechsel der Erscheinung, indem sich der Mangel der Gallenblase keineswegs immer als auf sämmt- liche Glieder einer bestimmten Ordnung durchgreifend zeigt. Wie steht es mit der Relation des Mangels der Gallenblase zur Lebensweise des Thieres und dem Bau des Magens? Auch hierin haben die bislang vorliegenden Untersuchungen ein negatives Resultat ergeben. Cuvier (l. e.) meint diesbezüglich, dass bei Pflanzenfressern und Körnerfressern, deren Verdauung weniger oft unterbrochen zu werden scheint, ein eigentlicher Gallenbehälter vielleicht weniger nothwendig wäre. Dem steht nun allerdings als gewichtiges Moment gegenüber die wahrlich an keine bestimmte Regel gebundene Erscheinung, dass im Bereiche der Ordnung der Artiodactylen der Mangel der Gallen- blase kein durchgreifender, sondern nur an bestimmte Thiere ge- knüpfter ist. | Owen (l. e. pag. 481) hat den Versuch, den Mangel der Gallen- blase mit dem Bau des Magens und der Art der Verdauungsthätigkeit in Connex zu bringen, mit folgenden Worten als unfruchtbar zurück- gewiesen: » But the somewhat capricious appearance of the gall-bladder in vegetarian Mammals discourages such attempts to physiologise.« Ich will es mit diesen Hinweisen genügen lassen, und als wahrhaft klassisches Beispiel dafiir, dass das Auftreten des Mangels der Gal- lenblase bislang keineswegs geniigend erforscht ist, das Organ der Giraffe anführen. Owen fand, wie bereits erwähnt, bei einem Thiere eine doppelte Gallenblase; bei zwei anderen die Gallenblase feblend : bei dem yon mir untersuchten Thiere mangelte sie gleichfalls. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 583 Ich will nun die zweite Frage der Besprechung unterziehen, welche sich an den Mangel der Gallenblase ungemein eng an- schmiegt: finden wir bei mangelnder Gallenblase einen Ersatz ge- schaffen, welcher geeignet ist, die Gallenblase völlig zu vertreten? In der einschlägigen Litteratur werden zwei Erscheinungen namentlich hervorgehoben, welche hierbei ins Spiel kommen sollen: Fürs Erste eine abnorme Weite des D. hepaticus und seiner Äste, und zweitens ampullenförmige Erweiterung desselben. Fassen wir zuerst letztere Erscheinungen ins Auge. Das in dieser Beziehung beststudirte Objekt ist die Leber des Elefanten. Alle Forscher, welche dasselbe untersuchten (C. Mayer’, MECKEL (l. e.), Cuvier (I. ¢.), OWEN (l. ¢.), Hyer (l. e.), schreiben demselben ein im Bereiche der Einlagerungsstätte des D. hepaticus in die Häute des Duodenums befindliches gefächertes Divertikel des- selben zu, welehes von Hyrrz als Diverticulum Vateri bezeichnet wird. Überdies wird von C. Mayer und v. Mo,sısovics? (nach dem Referate von RÜDINGER in VircHow-Hirscu Jahresberichten pro 1878) eine ampullenförmige mächtige Erweiterung des D. hepaticus beschrieben, welche vor dem D. Vateri gelegen, eine Art Gallenblase darstellen soll. Außer diesen beiden Forschern hat diese Erscheinung kein anderer Forscher beobachtet und es dürfte sich hieraus die Be- rechtigung ergeben, erst weiteren Untersuchungen es anheimzustellen, ob dieser Befund als zufälliger zu betrachten ist oder eine konstante Erscheinung bildet 3. Anders verhält es sich mit dem D. Vateri. Diesem wird von manchen Autoren die Bedeutung eines Reservoirs der Gallenblase zugeschrieben. Cuvier (l. ce.) weist eine soleche Annahme aus dem Grunde zurück, weil ja im Bereiche dieses Divertikels auch die Ein- mündung des D. pancreaticus stattfände und entsprechend der Ver- 1 C. Mayer, Beiträge zur Anatomie des Elefanten und der übrigen Pa- chydermen. Nova acta Acad. L. C. Vol. XXI. pag. 1. 2 Aug. v. Mossisovics, Zur Kenntnis des afrikanischen Elefanten. Arch. für Naturgeschichte. 45. Jahrgang. 3 Erwähnenswerth erscheint mir eine Mittheilung von F. S. LEUCKART im Deutschen Arch. für Physiologie, herausgegeben von J. F. Mecxen, VIII. Ba. 1823. pag. 442. Er beschreibt bei einem Exemplar von Halmaturus giganteus eine eigenthiimliche liingsgestreckte Erweiterung des D. hepaticus vor seiner Einmündung ins Duodenum; in diese spindelförmige Erweiterung miindete ein Blindsack ein. OWEN und Cuvier haben diese Eigenthümlichkeit nicht be- obachtet. Sollte sie ein Einzelbefund sein? Halmat. gig. besitzt eine Galleı.- blase und kann an eine Deutung dieser von LEUCKART beschriebenen Auswei- tung des D. hepaticus als Gallenbehälter wohl nicht gedacht werden. 33° 584 Hugo Rex einigung der Sekrete beider Driisen dem Divertikel Rang und Be- deutung einer Gallenblase nicht zukomme. MEcKEL (1. e.) spricht sich über die Bedeutung des Divertikels recht reservirt aus, wäh- rend SCHRODER VAN DER KoLkK! die Auffassung desselben als Er- satz der mangelnden Gallenblase zurückweist mit dem einfachen Hinweise auf die Thatsache, dass auch bei Thieren, welche eine Gallenblase besitzen, ein derartiges Divertikel vorkomme. So bei Lutra, Phoca, Trichechus, Didelphis, Halmaturus und einigen Carni- voren. Dieser letztere Umstand dürfte der Auffassung, nach welcher das D. Vateri die Gallenblase zu ersetzen vermöge, keineswegs för- derlich sein und dieselbe förmlich zurück weisen. Ähnliches mag auch für die Ampullen, welche im Bereiche des D. hepaticus und seiner Äste bei Thieren mit Mangel der Gallenblase gefunden wurden, Geltung haben. Hyrrw (1. ec.) hat dieselben unter Anderem auch beim Kamele aufgefunden, weist jedoch ihre Deutung als zum Ersatze der Gallenblase bestimmt, zurück, nachdem er sie auch bei Thieren fand, welche eine Gallenblase besitzen. Nach den vorliegenden Berichten dürfte man wohl mit Recht annehmen können, dass die Divertikel und Ampullen des D. he- paticus und seiner Äste kaum einen Ersatz für die mangelnde Gallenblase darstellen. Wie steht es mit der Weite der Gallen- wege, welche diesen Ersatz leisten soll? Auch in diesem Punkte differiren die Angaben der Forscher gewaltig. Den Berichten der einen Seite (CuvieR), dass der D. hepaticus bei Säugern mit Mangel der Gallenblase eine enorme Weite aufweise, stehen andere gegen- über, welche dies geradezu verneinen. Namentlich gilt dies von den Organen großer Säuger. So findet MECKEL gegenüber Cuvier, dass die Gallenwege einzelner Säuger mit Mangel der Gallenblase, z. B. beim Lama, Delphin, u. a. sogar relativ eng seien. Ich finde bei den von mir untersuchten Thieren, beim Delphin und bei der Giraffe, den D. hepatieus der Größe des Organs entsprechend groß, und ich glaube, dass die einzelnen Autoren, wie CUVIER, SCHRÖDER VAN DER Kork, u. A. bei der Beurtheilung der Weite der Gallenwege nicht objektiv genug vorgingen. Es imponirt der D. hepatieus bei Riesen- organen, wie bei der Leber eines Delphins, Elefanten und Pferdes ganz leicht als enorm weit, und ist es gleichwohl im Verhältnisse zum Organe gewiss nicht. ! SCHRÖDER VAN DER KOoLk, Bijdrage over het eigenaardig maaksel van der liver bij den Olifant. Aus Versl. en mededeel. d. koningl. Akad. v. Wetensch. Natuurk. D. XII. ? Vergleiche auch STANNIUS |. ce. pag. 432. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 585 Eine andere Erscheinung jedoch lässt die Annahme des Ersatzes der Gallenblase durch »weite« Gallenwege als hinfällig erscheinen. Ich fand nicht selten bei Säugern, welche eine Gallenblase besitzen, den D. hepaticus und seine Stammgänge von einer auffallenden Stärke. So z. B. bei Hamadryas cynocephalus; bei diesen Primaten ist der D. hepaticus fast gleich stark dem linken Hauptaste der Pfortader und auch die Stammgänge sind sehr weit. Ähnliches finde ich bei Echidna hystrix, welches Thier sich durch den Besitz einer wahr- haft monströsen Gallenblase auszeichnet. Dem entsprechend möchte ich auch meinen Befund bei Mus rat- tus, welchen ich bereits beschrieb, nicht als Beweis der Vertretung der Gallenblase durch enorm weite Gallenwege auffassen und dies namentlich SCHRÖDER VAN DER KOLK gegenüber betonen, welcher geneigt zu sein scheint, dies für das Pferd und den Elefanten anzu- nehmen. Fasse ich die hervorragendsten Momente, welche den Mangel der Gallenblase auszeichnen, zusammen, so ergiebt sich fürs Erste, dass nach den bislang vorliegenden Berichten keineswegs eine Ge- setzmäßigkeit des Mangels der Gallenblase aufgefunden werden konnte. Sodann zeigt es sich, dass bei mangelnder Gallenblase die als Ersatz derselben angesehenen Vergrößerungen des Lumens der Gallenwege einen solchen wohl nicht darstellen dürften. Sollten diese Erscheinungen nicht als Fingerzeig dienen, der Gallenblase noch eine andere Stellung einzuräumen, als bloß jene der eines Reservoirs der Galle? SCHRÖDER VAN DER KOLK ist dieser Frage bereits näher ge- treten. Er meint, »dass der Gallenblase nicht eigentlich die Bedeu- tung eines Reservoirs zukomme, sondern dass der reichlichen Schleim- absonderung in derselben die Hauptrolle zukomme, welcher Schleim, wie bereits EBERLE fand, bei der Vermengung mit dem sauren Chy- mus präeipitirt wird und mit den Residuen in die Zusammensetzung der Faeces eingeht. Die weiten Gallenkanäle, welche beim Mangel der Gallenblase auftreten, können aber eben so gut wie eine Gallen- blase dieser Schleimerzeugung genügen«!. Mein Material ist kein genügendes, um dieser Frage einer Lö- sung entgegenzubringen, und ich begnüge mich daher mit der An- 1 Citirt nach dem Referate von THEILE in Schmipr's Jahrbüchern. Nr. 117. 1863. 585 Hugo Rex regung dieses, wie es scheint, etwas in Vergessenheit gerathenen Kapitels. V. Portalbaum und Gallengangsverästelung der menschlichen Leber. a) Der Portalbaum des Menschen. Ich erwähnte bereits der Wichtigkeit, welche das Organ des Menschen beansprucht und welche eine gesonderte Beschreibung des- selben erheischt und will dasselbe nun eingehender Besprechung unterziehen. Gleich dem bei den Säugern eingehaltenen Gang der Beschreibung möge auch zuvörderst der Portalbaum, seine mannig- fachen Beziehungen zu den einzelnen Abschnitten des Organs und sodann die Verästelung des D. hepaticus beschrieben werden, und verweise ich bezüglich des ersteren auf Taf. XX Fig. 10 und 11, sowie auf Taf. XXIV Fig. 40 und 41. 1. Die Beziehungen des Portalbaumes zur äußeren Form der Leber. Wie ich bereits mittheilte, zog ich zum Studium des Organs vom Menschen vorzüglich Situscorrosionen in Anwendung; die Leich- tizkeit, mit welcher sich dieselbe ausführen lässt, verschaffte mir eine Reihe von sehr instruktiven Präparaten, auf deren Verhältnisse die folgende Beschreibung vorzüglich Bezug nimmt. Die Grundzüge des Bildes des menschlichen Portalbaumes lassen sich durch folgende Momente kurz charakterisiren: der zu einem mächtigen R. ascendens umgewandelte R. cysticus entstammt dem kurzen und starken rechten Hauptaste. Der R. angularis ist im Vergleiche zu jenem so vieler Säuger ein recht schwacher Ast. Und hiermit steht auch die äußere Form des Organs in innigem Zusam- menhange: die Hauptmasse des Parenchyms findet sich im Bereiche des rechtsseitigen Abschnittes des Organs; dem entsprechend ist auch der vertikale Abschnitt des Organs der weitaus mächtigste, während der transversale Abschnitt im Anschlusse an den erster- wähnten anfänglich eine gewisse Mächtigkeit bekundet, sich jedoch nach der linken Seite rasch verjüngt. Nach diesen einleitenden Sätzen will ich auf die speciellen Form- verhältnisse eingehen und zunächst die erste Verästelung des Portal- baumes besprechen und hierauf die den einzelnen Abschnitten des- selben entstammenden Hauptbahnen verfolgen. Da die menschliche Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 587 Leber einer Lappung fast gänzlich entbehrt, — nur der Lobus omen- talis ist deutlich von der Masse des Parenchyms abgesetzt — so giebt sich die Nothwendigkeit kund, die Verästelungsgebiete der einzelnen Hauptbahnen genauer zu pricisiren und zu den einzelnen Abschnitten in bestimmte Beziehungen zu bringen. Ich glaube dies dadurch am besten zu erreichen, dass ich die Grenzscheiden der einzelnen Verästelungsgebiete auf die Außenfläche des Organs vor- zeichne und so eine förmliche Projektion der ersteren auf die letztere ausführe. Die erste Verästelung des Portalbaumes. Die Thei- lung des Pfortaderstammes in den rechten und linken Hauptast geht unter einem Winkel vor sich, welcher an gelungenen Situs- präparaten annähernd einem rechten gleichkommt. Ich habe an einzelnen Präparaten diesen Winkel etwas größer als einen rech- ten vorgefunden, doch möchte ich dies keineswegs für die Norm halten, da die Situscorrosion, so vortreffliche Resultate sie auch sonst liefert, dennoch einige Fehlerquellen in sich birgt, welche sich namentlich durch die Manipulation der Herausnahme des Organs aus dem Körper ergeben. Dem entsprechend möchte ich an die Bilder einiger wohlgelungenen Präparate anknüpfend, den Theilungswinkel als einen rechten bezeichnen. Der Verlauf der beiden Hauptäste ist ein solcher, dass der rechte Hauptast nur wenig geneigt, mehr gerade in den rechtsseitigen Ab- — schnitt des Organs eintritt, während der linke Hauptast hingegen schräg, allmählich nach links emporsteigend gegen das linke Ende der Transversalfurche hinzieht, um daselbst rechtwinkelig in den im ventralen Abschnitte der Längsfurche eingelagerten Recessus umbi- licalis überzugehen. Der linke Hauptast und der R. umbilicalis weisen ein gleiches Kaliber auf und steht dasselbe jenem des rechten Hauptastes, ent- sprechend den mächtigen Strombahnen, welchen der letztere vor- steht, etwas nach. Ich finde jedoch die Differenz keineswegs be- deutend. Bezüglich der Längsausdehnung differiren die drei Hauptabschnitte recht bedeutend. Ich möchte im Folgenden die Mittelwerthe mit- theilen, welche ich aus einer allerdings etwas beschränkten Zahl von Messungen erhielt. Bezeichnet man als rechten Hauptast jenen Abschnitt desselben, welcher sich von seinem Ursprunge aus dem Pfortaderstamme bis zur Abgabe der ersten größeren Hauptbahn erstreckt, so lässt sich 588 Hugo Rex seine Länge mit jenem des linken Hauptastes annähernd in ein Ver- hältnis bringen, dem entsprechend der linke Hauptast 2—2!/;mal so’ lang ist als der rechte. Unter den mannigfachen Zahlen, welche sich aus der Messung der Länge des Recessus umbilicalis ergeben, dürfte vielleicht eine Länge von 27 mm das Mittelmaß darstellen. Diese Zahlenangaben beanspruchen nur einen geringen Werth, da meines Erachtens eine weitaus größere Zahl von Beobachtungen erforderlich ist, um einen annähernd richtigen Mittelwerth zu erbrin- gen und überdies auch, wie ich aus meinen Präparaten ersehe, die Zahl der individuellen Schwankungen der einzelnen Zahlenwerthe eine recht bedeutende ist. ’ Ich gehe nunmehr zur Schilderung der Verästelung der einzelnen Hauptabschnitte über und beginne mit der Verästelung des rechten Hauptastes. Es muss sich naturgemäß zuerst die Frage nach einer Abgrenzung seines Astwer- kes gegenüber jenem seiner Genossen, des linken Hauptastes und des R. umbilicalis erheben. Das Verästelungsgebiet des linken Haupt- astes, einzig und allein dem Lob. omentalis angehörig, ist vermöge der deutlichen Absetzung desselben leicht abzugrenzen und von jenem der beiden anderen Hauptabschnitte auszuscheiden. Anders jedoch jenes des R. umbilicalis. Da ergiebt die bloße Inspektion der äuße- ren Form des Organs keinerlei Anhaltspunkte und müssen solche an der Hand des Studiums des Portalbaumes gesucht werden. Und dies gelingt unschwer. Es sind bestimmte topische Relationen der beiden mächtigen Hauptbahnen des rechten Hauptastes, des R. as- cendens und arcuatus, welche eine solche Abgrenzung leicht auf- finden lassen und eine Projektion des Verästelungsgebietes des rech- ten Hauptastes auf die Außenfläche des Organs leicht ermöglichen. Wie ich später noch genauer zeigen werde, grenzt sich das Veräste- lungsgebiet des R. areuatus nach links mit der Einlagerungsstätte der Hohlader ab; die Beziehungen des Astwerkes des R. ascendens zur Fossa eystica sind uns von den Säugern her wohlbekannt. Den- ken wir uns nun entsprechend der Längsachse der Gallenblasengrube durch das Organ eine Sagittalebene gelegt, so trifft dieselbe im Be- reiche der dorsalen Fläche des Organs den Stamm der Hohlader (s. Fig. 10, 11 auf Taf. XX). Besehen wir uns eine wohlgelungene Situscorrosion der menschlichen Leber und visiren in der Richtung der angegebenen Ebene, so bemerken wir ganz leicht durch das diehte Geäste gleichwie eine schmale Lichtung hindurehziehen, in welche von beiden Seiten nur feinstes Astwerk hineinragt, welches Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 589 rechterseits den Bahnen des rechten Hauptastes, linkerseits jenen des rechtsseitigen Astwerkes des R. umbilicalis angehört. Durch diese Lichtung zieht das Astwerk der V. hepatica media hindurch. Man kann dem entsprechend die Abgrenzung dieser beiden Verästelungs- gebiete ganz leicht auf die Außenfläche des Organs projieiren und ersieht aus derselben, dass dem rechten Hauptaste vorzüglich der vertikal gelagerte Abschnitt des Organs zur Versorgung anheimfällt. Was die erste Verästelung des rechten Hauptastes anlangt, so zeigt sich derselbe meist in zwei gleich starke Äste zerfällt, in den R. arcuatus und ascendens. Es kann jedoch das Kaliber des letz- teren ein weniger mächtiger erscheinen und in solchen Fällen tritt das typische Bild, welches wir bei den Säugern kennen gelernt ha- ben, in Erscheinung: der R. arcuatus bildet die direkte Fortsetzung des rechten Hauptastes, der R. ascendens entspringt als starker Ast seiner proximalen Wandung. Dies konnte ich in einem Falle sehr schön verfolgen; es war aus der Astfolge des R. ascendens ein statt- licher Ast ausgeschieden und nahm seinen Ursprung aus der proxi- malen Wandung des R. arcuatus. Doch auch das umgekehrte Verhältnis kommt vor. Der R. des- cendens ist in die Astfolge des R. ascendens aufgenommen; dieser überragt den R. arcuatus weit an Mächtigkeit, indem der letztere als relativ schwacher Ast dem R. ascendens zugetheilt erscheint. Der Mehrzahl der Erscheinungen folgend, will ich mich in der folgenden Beschreibung an die gleiche Mächtigkeit des R. arcuatus und ascendens halten. Was zunächst den R. arcuatus anlangt, so schlägt sein Wurzelstück anfänglich einen mehr horizontalen, nur wenig distal- wärts geneigten Verlauf ein, um sodann in mächtigem, nach rechts konvexen Bogen schräg proximalwärts und zugleich dorsalwärts em- porzusteigen. Der R. arcuatus des menschlichen Organs zeigt einen ungemein charakteristischen Verlauf, wie ihn nur einige Säuger, z. B. Phoca vitulina und Lepus cuniculus aufweisen. An wohlge- lungenen Situspräparaten ist der mächtige Bogen dieser Hauptbahn in ungemein schöner Weise stets vorhanden und leicht aufzufinden. Es erhebt sich nun die Frage nach seinen topischen Relationen. Nach dem oben beschriebenen ersten, kurzen, fast horizontalen Weg- stücke ändert sich seine Verlaufsrichtung ziemlich rasch und wird zu einer proximalwärts emporstrebenden. Dieser aufsteigende Abschnitt, auf die Außenfläche des Organs projieirt, liegt im inneren Abschnitte der Impressio renalis. Auf diesen ascendirenden Abschnitt folgt ein 590 Hugo Rex mehr horizontal verlaufender; derselbe stellt das Endstiick des Stam- mes dar und lagert nahe der Kante, welche die dorsale Fläche der Leber nach einwärts gegen die Impressio suprarenalis abgrenzt. Be- trachtet man den R. arcuatus als Ganzes, so zeigt sich überdies, dass sein Stamm in einer Ebene lagert, welche schräg von hinten und oben nach vorn und unten abfällt. Das Wurzelstiick des R. arcuatus liegt ventralwärts und nach rechts vom Stamme der Hohl- ader; sein Endabschnitt erschöpft sich in der Versorgung des seitlich rechts an die Cava inferior angrenzenden Parenchymabschnittes: daber wird die bezeichnete Ebene proximalwärts den Stamm der Hohlader ungefähr unterhalb der Einmündung der V. hepatica dextra schneiden, distalwärts jedoch von demselben ventralwärts abweichen. Die Größe dieser Abweichung lässt sich aus der Größe der Entfer- nung des Hohladerstammes vom rechten Hauptaste abschätzen und unterliegt manchen Schwankungen. In die Astfolge des R. arcuatus ist auch der R. descendens mit einbegriffen; ich will denselben erst später der Bespreehung unter- ziehen und fürs Erste ein allgemeines Bild sämmtlicher Äste des R. arcuatus entwerfen. Der Verlaufsweise desselben entsprechend, besser gesagt dieselbe eigentlich bedingend, entstammen seine Äste sämmt- lich der konvexen Seite seines Bogens, also der rechtsseitigen äuße- ren Wandung. Sie entstehen doppelreihig. Doch können die ein- zelnen Äste mit ihren Ursprungsstücken verschmolzen erscheinen und treten dann sofort, nachdem sie Selbständigkeit erlangt haben, diver- girend aus einander, dorsalwärts und ventralwärts ihre Verästelung ausbreitend. Und so kommt es, dass man nicht selten von der rech- ten Seite her zwischen den aus einander tretenden Ästen hindurch den Stamm des R. arcuatus hervortreten sehen kann. Auch die konkave Seite des Bogens desselben ist mit Astwerk besetzt; es ist dies jedoch nur spärlich vorhanden. Das Endstück fand ich nur einmal selbständig seinen Weg fortsetzen und so den Bogen des Stammes völlig zu Ende führend; meist drängt einer der letzten Seitenäste vermöge seiner mächtigen Entwicklung demselben andere atypische Bahnen auf und es kann leicht vorkommen, dass man irr- thümlich einen der letzten Seitenäste als Endstück deutet. Einige Übung lässt dieses jedoch immer wieder leicht auffinden. Was die ersten Äste anlangt, so stellen uns dieselben das Stromgebiet des R. descendens dar. Es sind meist starke mächtige Äste, meist zwei an der Zahl, zu welchen sich nicht selten auch ein der rechts- seitigen Wandung des R. ascendens entstammender größerer, proxi- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 591 malwärts von ihnen verlaufender Ast hinzugesellt. Oder aber wir finden einen einzigen mächtigen R. descendens vor. Die Richtung dieser Bahnen ist eine nach außen und distalwärts schräg abfallende. Ihr Verästelungsgebiet entspricht jenem Abschnitte des Organs, wel- cher sich an dessen distalen Fläche beiderseits gleichmäßig von je- ner Kante, die die Impressio renalis von der Colica scheidet, durch verschieden große an einander angrenzende Abschnitte der beiden genannten Impressionen begrenzt findet. Die Abgrenzung dieses Gebietes dorsalwärts ist eine etwas unsichere, da dasselbe meist direkt in jenes der übrigen Seitenäste des R. arcuatus übergeht; die Abgrenzung nach einwärts werde ich gleichzeitig mit jener des Ver- ästelungsgebietes des R. arcuatus besprechen. Entsprechend der eigentlichen Verlaufsweise des R. arcuatus lagert derselbe nach einwärts von seinem Verästelungsgebiete; das- selbe breitet sich ferner gleichmäßig ventral- und dorsalwärts von der Ebene aus, in welcher der R. arcuatus selbst lagert. Schließlich erhebt sich die Frage, ob es möglich sei, eine Ab- grenzung des Gebietes des R. arcuatus gegenüber jenem des R. ascendens aufzufinden. Ich nahm wiederum meine Zuflucht zur Be- trachtung des Astwerkes eines Situspräparates und es gelang mir zu meiner Überraschung abermals ganz leicht, eine zweite Lichtung in dem dichten Astwerke aufzufinden, welche ich an allen Präpara- ten im Bereiche des Astgebietes des rechten Hauptastes wiederfand. Ein Vergleich mit einem Präparate, an welchem auch die V. hepa- ticae injieirt waren, lehrte mich wiederum eine Heerstraße derselben erkennen: die V. hepatica dextra zieht in dieser Lichtung ihres Weges, allenthalben nach beiden Seiten ihre Äste entsendend und so auch die Verästelungsgebiete des R. arcuatus und ascendens trennend. Etwas schwieriger gestaltet sich die Projektion des Astgebietes des R. arcuatus auf die äußere Fläche des Organs. Es muss da jene Linie festgestellt werden, in welcher sich die die beiden Gebiete trennende Ebene, aus dem Organ herausgeführt‘ mit der äußeren Fläche des Organs schneidet (Taf. XX Fig. 10, 11). Ein näheres Studium zeigt, dass diese Linie zwei Punkte verbindet und zwar die Einmündungsstelle der V. hepatica dextra in den Stamm der Hohl- ader und ungefähr die Mitte der scharfen Kante, welche die Im- ! Die Verlaufsrichtung der Bahnen des R. descendens erscheint, wenn die ersteren durch einen einzigen Ast dargestellt sind, durch die, die Impressio renalis ventralwärts begrenzende stumpfe -Kante gegeben. 592 Hugo Rex pressio colica ventralwärts begrenzt. Die Linie selbst verläuft auf dem nach rechts sehenden Abschnitte der proximalen Fläche des Organs; eine durch dieselbe hindurchgelegte Ebene schneidet das Wurzelstück des R. arcuatus und tritt rechts vom Stamme der Hohl- ader an der dorsalen Fläche des Organs aus diesem heraus. Und nun gehe ich über zur Anatomie des Ramus ascendens. Seine proximalwärts emporsteigende Ver- laufsrichtung scheidet ihn sofort nach seinem Entstehen scharf vom R. arcuatus. An den meisten meiner Präparate finde ich denselben keineswegs rein vertikal emporsteigend, sondern ein wenig nach der rechten Seite hin etwas schräg ansteigend, gleichwie nach der rechten Seite hin etwas gekrümmt. Nach einer beträchtlichen Strecke des Verlaufes, welche sich keineswegs stets als gleiche erweist, zeigt sich der Stamm in zwei Endäste zerfällt, von welchen der eine ven- tral gelagerte meist die Richtung des Stammes beibehält, der andere dorsal gelagerte dorsalwärts abweicht. Diese beiden Äste liegen hinter einander und schließen mit einander einen spitzen Winkel ein. Das Kaliber beider ist annähernd ein gleiches, es vermag jedoch bald der ventrale, bald der dorsale Ast seinen Genossen an Stärke, allerdings nieht erheblich, zu überflügeln. Die Astabgabe ist durch eine Eigenthümlichkeit ausgezeichnet, welche meist recht prägnant in Erscheinung tritt: die linksseitige Wandung des Stammes und der distalen Abschnitte der beiden End- äste erscheint von der Astabgabe gänzlich befreit; dessgleichen fand ich im Bereiche der dorsalen Wandung des genannten Abschnittes meist nur schwaches Astwerk vor. Die größeren Äste entstammen meist der ventralen Wandung und auch der rechtsseitigen Wandung. An meinen Präparaten zeigen dieselben das eigenartige Bestreben, alsbald nach ihrem Ursprunge nach der rechten Seite etwas abzu- lenken. Was die Zahl der Äste des Stammes anlangt, so fand ich meist drei größere Äste vor; wenn die Theilung desselben in die beiden Endstäe schon früh vor sich geht, so ist dem entsprechend diese Zahl auch verringert, indem dann der ventrale Endast die Astabgabe besorgt. Zwei Äste finde ich für die Lagerstätte der Gallenblase be- stimmt; der dritte, welchen ich, wie bereits erwähnt, in einem Falle dem R. arcuatus entstammend vorfand, schlägt eine schräge ventralwärts und nach rechts ziehende Richtung ein; sein Gebiet lagert proximalwärts dem der beiden erstgenannten Aste auf und sein Astwerk bestreicht die Grenze gegen jenes des R. arcuatus. Auch die übrigen Aste, Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 593 welche den beiden Endästen entstammen, zeigen ähnlichen Verlauf; ein Theil derselben ventralwärts, der andere hingegen in der ange- gebenen schrägen Richtung lateralwärts und ventralwärts gegen die rechtsseitige Grenze des Gebietes des R. ascendens hinstrebend. Die letzte Verästelung der beiden Endäste erinnert an das Verhältnis einer Baumkrone zu ihrem Stamme. Diese eben geschilderten Verhältnisse können mannigfachen Va- rianten unterliegen, welche dem entworfenen Bilde fremd zu sein scheinen; namentlich eine frühe Theilung des R. ascendens vermag die Verästelung gewaltig zu modificiren. Ich fand eine solche einmal vor; der Stamm des R. ascendens ist in diesem Falle recht kurz, er wird in zwei gleich starke Äste zerfällt, von welchen der dorsale ge- streckten Verlaufes proximalwärts emporstrebt, der ventrale durch frühe Gabelung in zwei ungleich starke Äste recht kurz erscheint: seine beiden Äste ziehen unter spitzem Winkel divergirend schräg, der laterale nach außen, der mediale nach innen empor. Doch auch in diesem Falle ist die linksseitige Wandung von der Astabgabe fast völlig befreit, und die Zweige der genannten drei Äste zeigen eine Verlaufsrichtung, welche den oben geschilderten Verhältnissen ent- spricht. Auf die Versetzung, welche der R. ascendens erfahren kann, indem er der Theilungsstelle der Pfortader oder dem linken Haupt- aste entstammt, werde ich später zu sprechen kommen. Außer den beiden eben besprochenen Hauptbahnen, dem R. as- cendens und arcuatus und dem, dem letzteren entstammenden R. des- cendens, entsendet der rechte Hauptast keine bedeutenderen Äste; in einzelnen Fällen konnte ich dem dorsalen Bord der proximalen Fläche oder der dorsalen Fläche desselben entstammendes Astwerk als zum Lob. omentalis zugehörig nachweisen; meist nur einen Ast, der sehr schwach war und nach der linken Seite hin verlief, um sich in das genannte Gebiet einzusenken. Ich gehe nunmehr über zur Schilderung der Bahnen des Linken Hauptastes. Sie gehören sämmtlich dem Lob. omen- talis an und gesellt sich meist noch ein stattlicher Ast zu denselben, welcher dem Theilungswinkel des Pfortaderstammes entstammt. Den Zuwachs von Seite des rechten Hauptastes erwähnte ich vorhin. Die R. omentales entstammen gleichfalls dem dorsalen Borde der proximalen Fläche oder der dorsalen Fläche des linken Hauptastes; ihre Verästelungsweise wird durch die bekannten topischen Verhält- nisse des L. omentalis zum linken Hauptaste gegeben. Der erstere liegt dorsalwärts vom letzteren und seine Hauptmasse baut sich 594 Hugo Rex gleichzeitig proximalwärts von demselben auf. Die seitliche Be- grenzung findet der Lobus omentalis ferner durch die Einlagerungs- stätte der Cava nach rechts; nach links ragt er als freier Lappen in das Divertikel des Netzbeutels, welches vom Vorhofe desselben proxi- malwärts emporsteigt. Diesen Lagerungsverhältnissen entsprechend weisen die R. omentales eine rein ascendirende Richtung auf mit vorzüglicher Berücksichtigung rein dorsaler Verästelung; denn ven- tralwärts findet ihr Verästelungsgebiet eine Abgrenzung durch den Stamm der V. hepatica media. An einigen gut gelungenen Präpa- raten erhielt ich auch das Tuberculum papillatum injieirt; ich fand den äußersten Ast der linken Seite bald nach seinem Ursprunge in drei unmittelbar hinter einander in derselben Ebene gelagerte Äste zerfällt. Von diesen hatte der vordere eine rein ascendirende, der mittlere eine dorsalwärts geneigte und der hintere dieselbe, aber bei Weitem schrägere Verlaufsrichtung; dem letzteren entstammten rein dorsalwärts und distalwärts verlaufende Zweige, der Versorgung des T. papillatum vorstehend. Die Zahl der R. omentales schwankt zwischen zwei und drei Ästen. Die Bahnen des Recessus umbilicalis. Sein rechtes Ast- gefolge. Die Abgrenzung des Verästelungsgebietes desselben nach der rechten Seite haben wir bereits kennen gelernt. Wir müssen nun- mehr auch eine solche gegenüber den Bahnen des linken Astgefolges aufsuchen. Es gelingt dies unschwer. Wir können ganz leicht er- kennen, dass im Bereiche des Astwerkes des R. umbilicalis eine schmale Lichtung, welche sich ungemein deutlich entwickelt vorfindet, rechtes Astwerk vom linken scheidet. Auch auf der Außenfläche des Organs ist dieselbe bald gekennzeichnet: beide Abschnitte der Leber- längsfurche einerseits, der Insertionslinie des Aufhängebandes ande- rerseits sind recht prägnante Anhaltspunkte, welche die Auffindung der trennenden Ebene leicht ermöglichen (s. Taf. XX Fig. 10, 11). Verglichen mit den beiden früher besprochenen Lichtungen zeigt sich dieselbe im Gegensatze zu diesen der Einlagerung einer Strombahn der Hohlader entbehrend. Dorsalwärts glaube ich eine Begrenzung des Astgebietes der rechten Astfolge als durch die V. hepatica media bedingt annehmen zu dürfen; dadurch wäre auch eine Abgrenzung gegenüber dem L. omentalis gefunden, allerdings keine vollständige '. ! Dem entsprechend zeigt sich das Gebiet des rechten Astwerkes auf der äußeren Fläche des Organs durch folgende Flächen begrenzt. An der proxi- Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 595 Sämmtliche Aste des rechten Astwerkes entstammen dem ven- tralen Endstücke des Recessus und erscheinen dicht gedrängt, denn ihre Wurzelstücke besetzen die rechtsseitige Wandung des Endstückes völlig und entstammt: (nicht selten) der eine oder andere Ast den an- grenzenden Abschnitten der proximalen oder distalen Wandung des Recessus, so erhält man leicht den Eindruck, als wäre derselbe von seinen Genossen dahin verdrängt worden. Gewöhnlich fand ich drei größere, zwei bis drei kleinere Äste vor, meist alle von verschiedener Mächtigkeit und recht streng im Verlaufe gesondert. Entsprechend den topischen Relationen ihrer Ursprungsstätte ist ihnen ihr Verlauf vorgeschrieben ; sie müssen nach rechts, dorsalwärts und ventral- wärts und überdies vorzüglich proximalwärts ihren Weg nehmen. Ich will in der Beschreibung der Äste von unten nach aufwärts vor- schreiten. Der erste stärkere Ast zieht nach rechts und ventralwärts; er hält sich nahe der distalen Fläche des Astgebietes und bestreicht dasselbe mit vorwiegend distalem Astwerke; der zweite nächst höher entspringende ist mächtiger und reicht ähnlich verlaufend bis zum linksseitigen Abschnitte der Impressio eystica, selbe versorgend. Der dritte Ast ist meist der mächtigste; er nimmt einen etwas schräg nach rechts ascendirenden Verlauf und versorgt mit dorsalem und ventralem Astwerke den proximalen Abschnitt des Gebietes des rechten Astwerkes. Ähnlichen Verlauf weisen auch die kleineren Äste auf, welche sich, wie erwähnt, mit ihrem Ursprunge nach der proximalen Fläche hin verrückt zeigen können. Sie nehmen einen nur wenig schräg aufsteigenden Verlauf und bestreichen den mittleren Abschnitt der Grenzscheide gegen das Astgebiet des linken Astwerkes. Von diesen geschilderten Verhältnissen kommen häufig genug Abweichungen vor, welche die Verschmelzung der Wurzelstücke der einzelnen Äste unter einander betreffen; dieselben können überdies, wie ich es einige Male beobachtete, zu einem einzigen mächtigen Aste vereint sein; diese Erscheinung ist im Bereiche des linken Astwerkes malen Fläche des Organs durch jenen Abschnitt derselben, welcher zwischen der Insertionslinie des Aufhängebandes und der bekannten Grenzlinie sich er- streckt, welche die Scheidung des Astgebietes des rechten Hauptastes von je- nem des R. umbilicalis anzeigt (s. Taf. XX Fig. 10, 11). Diese Fläche stellt ein hohes breites Feld dar. Distalwärts finden wir die begrenzende Fläche gegeben durch jenes bekannte rechteckige, zwischen der Impressio cystica und dem ventralen Abschnitte der Längsfurche gelegene Feld und einen anstoßen- den, verschieden großen Abschnitt der Fossa cystica. 596 Hugo Rex ein konstanter Befund: man erhält in solchen Fällen leicht bei ober- flichlicher Prüfung den Eindruck, als würde sich der R. umbilicalis einfach in zwei Äste theilen. Wie bereits oben erwähnt, sind die Bahnen des Linken Astwerkes durch einen großen Ast repräsentirt, wel- cher gewöhnlich als R. arcuatus mit ventral sanft gewölbtem Bogen nach links und dorsalwärts verläuft. Er ist der distalen Fläche seines Verästelungsgebietes, dessen Begrenzung nach der rechten Seite wir bereits kennen gelernt haben, nahe eingelagert. Vorzüglich entstammt ihm ventrales Astwerk; seiner distalen Wandung entsprießen nur feinere Aste. Doch auch die proximale Wandung ist mit stattlichen Asten bedacht. Die ventralen Aste verlaufen ventralwiirts und ent- sprechend der Konfiguration des Verästelungsgebietes verlieren sie nach der linken Seite hin an Mächtigkeit. Das distale Astwerk breitet sich mehr der Fläche nach aus. Die proximalen Äste, unter- stützt von solchen, welche der proximalen Wandung der Ventraläste entstammen, schlagen eine ascendirende Richtung ein und versorgen die Lappendicke. Eine Abgrenzung des Gebietes des linken Ast- werkes gegenüber jenem des R. angularis ist desswegen mit Schwierigkeiten verbunden, weil der letztere eine etwas variable Stärke aufweisen kann. Meist finde ich ihn als einen stärkeren Ast, dessen Verästelungsgebiet hinter jenem des linken Astwerkes bedeutend nachsteht. Eines besonderen Verästelungstypus scheint derselbe zu ermangeln; gewöhnlich verläuft er schräg nach links und dorsalwärts mit anscheinend gleichmäßiger dorsaler und ventraler Astfolge. Einige Male fand ich den R. angularis von beträchtlicher Stärke und sein Astgebiet gleich mächtig jenem des rechten Astwerkes. Mit der bekanntlich so ungemein differenten Entwicklung des linken Leberlappens muss eben auch der R. angularis einem regen Wechsel der Ausbildung unterliegen ; niemals jedoch erreicht er jene Mächtigkeit, welcher wir im Bereiche der Säuger fast durchgehend begegneten. Hiermit erscheint auch, wie bereits erwähnt, die Abgrenzung seines Gebietes gegenüber jenem des linken Astwerkes erschwert. Im Allgemeinen lässt sich für die Mehrzahl der Fälle dem R. angu- laris der dorsale Abschnitt des linken Leberlappens als Verästelungs- gebiet zuweisen (s. Taf. XX Fig. 10, 11), welcher durch Übergreifen des linken Astwerkes dorsalwärts eine mehr oder minder große Re- duktion seiner linken Hälfte erfahren kann. Auf den eigenthümlichen Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 597 Umstand, dass gleich wie bei den Cetaceen und Artiodactylen, also bei ungelappten und nur wenig gelappten Organen überhaupt, die Astgebiete des R. angularis und des linken Astwerkes in gleicher Flucht hinter einander, und nicht wie beim gelappten Organe über einander lagern, wies ich bereits hin. Von diesen geschilderten Verhältnissen der Verästelung des mensch- lichen Portalbaumes fand ich bedeutungsvolle Abweichungen nur in so fern, als wie bereits erwähnt der R. ascendens dem Theilungswinkel des Pfortaderstammes oder dem linken Hauptaste entstammen kann. Leider fand ich diese Eigenthümlichkeit des Ursprunges nur an Cor- rosionspräparaten vor, welche vom eventrirten Organe gewonnen waren und vermag daher über die Schicksale des R. ascendens keinen befriedigenden Bescheid zu erbringen. Nur so viel entnehme ich den Präparaten, dass der dem linken Hauptaste entstammende R. ascen- dens das eigenthümliche Bestreben zeigt, nach der rechten Seite hin zu gelangen und mit seiner Verästelung genau jenen Abschnitt des Organs zu versorgen, welcher dem normal entspringenden R. ascen- dens zufällt. Es bildet diese Hauptbahn in einem solchen Falle mit dem linken Hauptaste einen spitzen Winkel, indem sie sofort nach ihrem Ursprunge nach rechts schräg abbiegt, und auf diesem Wege ihrem Gebiete zueilt. Entstammt der R. ascendens dem Theilungswinkel des rechten Pfortaderstammes, so scheint ein rechter Hauptast zu fehlen: derselbe wird durch den R. ascendens dargestellt, welchem der R. arcuatus und descendens entstammt. Das Vorkommnis von diesen Anomalien des Ursprunges des R. ascendens möchte ich als häufigen Befund hinstellen. Fasse ich das über den menschlichen Portalbaum Gesagte kurz zusammen, so muss ich vorzüglich den rechten Hauptast und den R. umbiliealis als die fast ausschließlichen Träger des Astwerkes bezeichnen. Der linke Hauptast stellt eine Art Strebepfeiler dar, bestimmt, beide Astwerke seiner Genossen auseinander zu halten. Als Schlussstein des Aufbaues fügt er dorsalwärts sein omentales Ge- äste ein. a Eine Umschau und Vergleichung lässt in der Säugerreihe zwar dem menschlichen Portalbaume recht nahe verwandte Typen, jedoch keineswegs bei einem der untersuchten Säuger dieselben Verhältnisse, Morpholog. Jahrbuch. 14. 39 598 Hugo Rex wiedererkennen. Auch die Befunde vom Organe des untersuchten Anthropomorphen weisen, war auch der Zustand des Präparates kein soleher, dass er sichere Schlüsse erlaubte, keineswegs auf eine völlige Übereinstimmung mit dem Organe des Menschen hin, was sich schon in der Mächtigkeit des R. angularis der Orangleber bekundet. Die Reduktion des R. angularis einerseits, die hierfür eintretende Kompensation, welche sich in der mächtigen Entwicklung des R. ascendens und vorzüglich des R. arcuatus kund giebt, andererseits ergeben zwei Momente, welche eben dem menschlichen Organe allein eigenthümlich sind. Anklänge an diese Verhältnisse bieten allenfalls die Cetaceen und Artiodactylen; erstere durch Um- wandlung des R. cysticus zum R. ascendens gleich wie beim Men- schen , letztere durch die in einem gewissen Grade vorhandene Re- duktion des R. angularis. Auf den fast gänzlichen Mangel der Lappung der menschlichen Leber wies ich bereits des öftern hin. Wir müssen nunmehr zu den den Autoren geläufigen Bezeichnungen des rechten und linken Lappens Stellung nehmen. Auf die Hinfälligkeit der Bezeichnung » Lobus quadratus« habe ich bereits früher verwiesen, dessgleichen auch darauf, dass der L. omentalis (L. Spigelii aut.) das einzige Gebiet der menschlichen Leber darstellt, welches einer echten Lap- pung unterworfen sich darstellt. In beifolgender Tabelle mögen die Beziehungen des rechten und linken Lappens (im Sinne der Autoren) zu dem Astwerke des Portalbaumes veranschaulicht werden. Die Grenze zwischen beiden Lappen fällt mit der Grenzscheide der beiden Astwerke des R. umbilicalis zusammen und dem entsprechend kann man auch die Beziehungen der Lappen zum Portalbaum leicht son- dern und feststellen. Ich habe überdies in die Tabelle auch die Ver- hältnisse der Lappen des menschlichen Organs zur echten wirklichen Lappung der Säugerleber verzeichnet (s. auch Taf. XX Fig. 10, 11). Menschl. Leber Gebiet des Portalbaumes | Säugerleber Rechter Hauptast; rechtes Ast- Rechter ob. und unt. Lappen. werk des R. umb. | Mittlerer Lappen. Link. Lapp. Linkes Astwerk des R. umb. Linker oberer Lappen. IR. angularis des R. umbilicalis. | Linker unterer Lappen. Netzlappen. | R. omentalis. Netzlappen. Recht. Lapp. Ich méchte dafürhalten, die üblichen Bezeichnungen »rechter« und »linker Lappen« lassen sich auch weiterhin trefflich beibehalten Beitriige zur Morphologie der Siiugerleber. 599 in so fern, als sich mit ihnen die Abgrenzung des Astwerkes des Portal- baumes in zwei allerdings nicht gleichwerthige Abschnitte verbindet; dass wir eigentlich keine wirklichen Lappen, wie wir sie bei der gelappten Leber so vieler Siiuger antrafen, vor uns haben, muss dabei jedoch stets im Auge behalten werden. Was die Angaben der Autoren über die Verästelung des mensch- lichen Portalbaumes anlangt, so habe ich schon darauf hingewiesen, dass sich dieselben meist nur auf die Verzeichnung der dichotomi- schen Verästelung beschränken. Dass dieselbe vom Typus der Ver- zweigung der Venen völlig abweiche, haben namentlich die älteren Autoren betont: sie geben daher auch der Verzweigung der Pfortader im Inneren des Organs die Bezeichnung »arterieller Theil« derselben (SÖMMERING!, MECKEL?). Bloß bei Hyrtt (l. e.) finde ich eine von der allgemeinen Annahme der baumförmigen Verästelung der Pfortader abweichende Ansicht: er spricht sich dahin aus, dass »gabelige Theilungen der Äste in gleich starke Zweige selten vorkommen, dagegen die Pfortaderäste einer sehr großen Zahl kleiner und unter rechten Winkeln abtreten- der Zweige den Ursprung geben«. Hiermit spricht er der Erscheinung der Bogengefäße das Wort; weitere Angaben finden sich nicht bei Hyrruvor. Er nahm überdies gleich BARKOW (l.c.) seine Untersuchungen am eventrirten Organe vor; auf die Besprechung der Beschreibungen beider Forscher einzugehen, hat nichts Verlockendes für mich, nach- dem ich die Zerrbilder kennen gelernt habe, welche das eventrirte Organ bezüglich der Verästelung der Pfortader darbietet. Schließlich sei noch des sogenannten Sinus venae portae gedacht. Er wird von den einzelnen Autoren verschiedenen Abschnitten der ersten Verästelung des Pfortaderstammes beigelegt. Entweder wird die Theilungsstelle des Pfortaderstammes in die beiden Hauptäste als schwach sinuös ausgeweitet angegeben (cf. ARNOLD, HARTMANN, HOFFMANN, KRrAUSE®) oder aber wird angegeben, dass die bei- 1S. Tx. SÖMMERING, Vom Bau des menschlichen Körpers. Bd. II. I. Abth. 1841. 2 F. J. MeckeL, Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. III. Be- sond. Anatomie. Gefäß- und Nervenlehre. 1817. 3 F. ArnoLD, Handbuch der Anat. des Menschen. 1847. Bd. Il. I. Abth. 4 R. HARTMANN, Handbuch der Anatomie des Menschen. 15881. °C. E. E. HorrmMann, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Bd. I. II. Abth. 1877. 6 W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. II. 1879. 39* 600 Hugo Rex den Hauptäste unter einem: stumpfen Winkel aus dem Pfortader- stamme ihren Ursprung nehmen, dass sie förmlich einen horizon— talen Kanal zu bilden scheinen und diesem letzteren wird der Name »Sinus v. portae« beigelegt (LuscHKA!, SAppEY?). Was die erste Angabe anlangt, so, möchte ich hervorheben, dass ich an meinen: Präparaten eine sinuöse Ausweitung des Pfortaderstammes im Be- reiche seiner Theilung in die beiden -Hauptäste nie vorfand. Die zweite Angabe ist mit der Feststellung der rechtwinkeligen Theilung des Pfortaderstammes, welche auch W. Krause beschrieben hat, ein- fach als unhaltbar zu bezeichnen. ‚Es muss dem entsprechend der Ausdruck » Sinus venae porues fallen gelassen werden, da er den thatsächlichen Verhältnissen nicht entsprieht: und überdies leicht zu irrigen Anschauungen verlei- ten kann. b) Die Gallengangverästelung der menschlichen Leber. Dieselbe lehnt sich an wohlbekannte Typen, welche wir im Be- reiche einzelner Säugerordnungen kennen gelernt haben, unmittel- bar an. Ausschließlich die ventrale Astfolge des D. hepati- cus und fast allein deren epiportale Anlage ist zur Entwicklung gelangt. Der D. eysticus mündet in den Stamm des D. hepaticus. Dies sind die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Gallen- gangsverästelung der menschlichen Leber. Ich will im Folgenden ein allgemeines Bild ihrer topischen Verhältnisse entwickeln und hieran eine Besprechung der in der Litteratur mitgetheilten und von mir beobachteten Abnormitäten anknüpfen. Nachdem der D. hepaticus in wechselnder Höhe aus. seiner rechtsseitigen Wandung den D. eysticus entsendet hat, zieht er zur ventralen Fläche des Theilungswinkels des Pfortaderstammes und zerfällt daselbst in zwei Äste, von welchen der rechte die mit ihren portalen Abschnitten verschmolzenen rechten und mittleren Stamm- tinge, der linke den linken Stammgang darstellt. Verfolgen wir zu- nächst den mittleren und rechten Stammgang. In einer etwas wech- selnden Entfernung von ihrem gemeinsamen Ursprunge aus dem D. . 1-H. Luscnxa, Die Anatomie des Menschen mit Rücksicht auf die Be- dürfnisse der praktischen Heilkunde. Bd. I. I. Abth. Der Bauch. 1863... . 2 Traite d’anatomie descriptive. Tom deuxieme. | 1876. feet Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 601 ~hepaticus trennen sich beide, nachdem sie die proximale Fläche des rechten Hauptastes erreicht haben und der mittlere Stammgang zieht an der linken Seite des Stammes des R. ascendens empor, um früher oder später in zwei Astgänge zu zerfallen, welche sich dem dorsalen -und ventralen Endaste beigesellen. Der rechte Stammgang hingegen - umschlingt die dorsale Wandung des Wurzelstückes des R. ascendens und zieht meist- zur konkaven Seite des R. areuatus. Einer der ersten Äste zieht über die proximale Fläche des R. arcuatus hinweg zum R. descendens. Der linke Stammgang gewinnt die proximale Fläche des linken Hauptastes und zieht zur dorsalen Fläche: des - Wurzelstückes des Recessus umbilicalis. Auf diesem Wege entsendet er in recht wechselnder Weise seine drei Astgänge zum rechten und -Ainken Astgefolge und zum R. angularis. Sein Stamm entsendet überdies gleich dem rechten Stammgange Astgänge zu den R. omen- tales; diese ziehen über die proximale Fläche des rechten und linken Hauptastes direkt dorsalwärts an ihren Bestimmungsort. Die Abgabe der Astgänge zum R. umbilicalis ist folgende: Bevor der linke Stammgang die rechte Seite des Recessus umbilicalis erreicht, ent- sendet er den Astgang zum rechten Astwerke, welcher rechts vom Rec. umbilicalis an seinen Bestimmungsort zieht. Nach Überschrei- tung des Wurzelstückes des R. umbilicalis entsendet er den zweiten ' Astgang zum linken Astgefolge, welcher links vom R. umbilicalis - seinen Weg nimmt. Der dorsalen Wandung dieses Astganges ent- stammt der dritte Astgang zum R. angularis. Entsprechend der wechselnden Mächtigkeit des letzteren ist auch das Kaliber des ersteren ein wechselndes. Dies ist das allgemeine Bild der Verästelung, welches zumeist in Erscheinung tritt. Von dieser geschilderten Anordnung zeigen sich zahlreiche Ab- weichungen, welche fürs Erste in frühzeitiger Abgabe der Astgänge von Seite des mittleren und linken Stammganges bestehen. So kann der mittlere Stammgang unmittelbar nach seiner Loslösung vom rechten in seine beiden Astgänge sich zerfällt zeigen, ja sein ventraler Astgang kann direkt dem D. hepaticus vor seiner Auflösung in die einzelnen Äste entstammen. Ähnlich herrscht auch im Bereiche des linken Stammganges bezüglich der Abgabe der Astgänge desselben eine rege Mannigfaltigkeit, indem er gleichfalls, unmittelbar nachdem er aus dem D. hepaticus seinen Ursprung genommen, sofort in seine Astgänge sich zerfällt zeigen kann. So fand ich nicht selten die Astgänge zum L. omentalis und R. angularis zu einem Stamme ver- 602 Hugo Rex eint dem linken Stammgange kurz nach seinem Ursprunge ent- stammen. Es wäre ermiidend, die zahlreichen Varietäten der Verästelung der Stammgänge hier mitzutheilen. Nur eine zweimal beobachtete interessante Varietät möge ihre Besprechung finden. Sie besteht in der Versorgung des R. arcuatus und descendens von Seite des linken Stammganges. Der D. hepaticus erscheint in zwei Äste zerfällt, von welchen sich der rechte sofort nach seinem Ursprunge gabelt. So kann der D. hepaticus drei- getheilt erscheinen. Von diesen drei Ästen versorgt der rechte den R. ascendens, der linke beide Astwerke des R. umbilicalis und der mittlere zieht rein dorsalwärts über die proximale Fläche des linken Hauptastes hinweg und zerfällt unter einem sehr stumpfen Winkel in zwei Äste, welche nach rechts und links ziehen, zum R. areuatus und descendens einerseits, zum R. angularis andererseits. Die Rami omentales werden in dem einen Falle von beiden Ästen, in dem an- deren vom rechten allein versorgt. Dieser Erscheinung, dass der linke Stammgang den R. descendens und arcuatus versorgt, sind wir bereits einmal in der Säugerreihe begegnet und zwar bei Spermo- philus c.; und. ich habe daselbst auch die einschlägige Erklärung dieser interessanten Varietät mitgetheilt. Ein Umstand fesselt unsere Aufmerksamkeit in einem gewissen Grade: diese Varietät beobachtete ich stets vereint mit dem Ursprunge des R. ascendens aus der Theilungsstelle des Pfortaderstammes oder aus dem linken Hauptaste. In einem Falle des Ursprunges des R. ascendens aus der Theilungsstelle fand ich fast genau dieselben Ver- hältnisse, welche ich für Spermophilus c. beschrieb ; der Astgang für den R. arcuatus entstammt dem linken Stammgange. Die Zahl der beobachteten Fälle von Versetzung des Ursprunges des R. ascendens nach der linken Seite hin erscheint mir als zu klein, um aus dem Mitgetheilten allgemein gültige Schlüsse zu ziehen. Und schließlich lehren diese drei Fälle wiederum auf das Über- zeugendste die Abhängigkeit der Topik der epiportalen Anlage des Astwerkes des D. hepaticus vom R. ascendens (eystiecus): stets finde ich von der linken Seite des R. ascendens aus die Stammgänge ins Innere des Organs eintretend, indem der D. hepaticus schräg nach der linken Seite des mit seinem Ursprunge nach links versetzten R. ascendens hinzieht und erst links von ihm seine Verästelung findet. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 603 Es erhebt sich naturgemäß die Frage, ob nicht auch die hypo- portale Anlage der ventralen Astfolge des menschlichen D. hepati- eus zur Entwicklung gelangen kann. Ich habe dies in beschränktem Maße im Bereiche des rechten Stammganges beobachtet. Der Astgang zum R. descendens entstammt in einigen Fällen der rechtsseitigen Wandung des D. hepaticus und nahm ventralwärts vom Stamme des R. ascendens seinen Weg zum R. descendens. Die in der Litteratur mitgetheilten Anomalien der Verästelung des D. hepatieus liefern recht geeignete Beweise für jene Sätze, welche ich bezüglich der Stellung der Gallenblase der Säuger über- haupt aufgestellt habe. So ist von BArkow (I. e.) in zwei Fällen die Wanderung der Einmündungsstelle des D. eysticus beobachtet wor- den. Einmal mündete derselbe in die Theilungsstelle des D. hepa- ticus ein. in einem zweiten Falle in das gemeinsame Ursprungsstück des rechten und mittleren Stammganges. Fälle, in welchen beim Menschen D. hepato-eystiei aufgefunden wurden, sind dem Anatomen eine bekannte Thatsache. Diese allerdings recht seltenen Befunde erbringen wohl den Beweis, dass das bezüglich der Stellung und Entwicklung der Gallenblase der Säuger Gesagte auch für das menschliche Organ seine Gültigkeit hat. Bezüglich der äußeren Formverhältnisse der Gallenblase und ihres Ganges möchte ich auf die reichen Angaben bei Hyrvru (l.e.) und BARKOW (I. e.) verweisen. VI. Die Strombahnen der Venae hepaticae der Säuger und des Menschen. Das Studium der Anatomie der Venae hepaticae erscheint un- gleich mehr als jenes des Portalbaumes an die Benutzung von Situs- präparaten gebunden und sind es namentlich die Verhältnisse der Lagerung und des Verlaufes derselben, welche nur durch die Situs- corrosion ergründet werden können. Bei dem geringen Materiale, welches mir diesbezüglich zu Gebote stand, erscheint es leicht be- greiflich, dass ich nur über eine geringe Zahl von Säugern genügen- den Bescheid erbringen kann und für die Mehrzahl der untersuchten Thiere bloß Angaben über Zahl und Verästelung mittheile. Ich möchte die Besprechung der Anatomie der Venae hepaticae mit der Beschreibung der Lageverhältnisse und der äußeren Form- verhältnisse des Stammes der unteren Hohlader, so weit derselbe der Leber angehört, einleiten. 604 Hugo Rex Die topischen Beziehungen des Stammes der unte- ren Hohlader. Ihre Lagerstätte haben wir bereits kennen. ge- lernt: es ist dies das dorsale Gebiet der beiden rechten und des mittleren Lappens. Im Bereiche der beiden ersteren finden wir den Stamm eingelagert im inneren Abschnitte des erwähnten Gebietes, nach links unmittelbar an den Lobus omentalis angrenzend. Dass der Stamm der Hohlader im Bereiche seiner dorsalen Wandung in wechselnder Weise bald einer Überlagerung durch Parenchymbriicken, welche die beiden rechten Lappen mit dem Netzlappen verbinden, unterliegt, bald einer solchen entbehrt, ist eine dem Anatomen wohl- bekannte Erscheinung. Auch die ventrale Wandung kann im Bereiche des rechten unteren Lappens frei oder in Parenchym verborgen sein. Dieselben Lageverhältnisse finden wir mit geringen Modifika- tionen beim ungelappten Organe. Die Lagerung des Hohladerstammes zum Portalbaum lässt sich kurz charakterisiren durch die Hervorhebung eines Mo- mentes: Der Stamm liegt dorsalwärts vom rechten Hauptaste. Eine nicht unwichtige Frage betrifft das Kaliber des in der Leber eingelagerten Abschnittes der unteren Hohlader. HyrrL (l. e.) hat die den älteren Anatomen wohlbekannte Erscheinung der Er- weiterung dieses Gefäßabschnittes (Lacus venae cavae) der Vergessen- heit entrissen und ihr wiederum den gebührenden Platz eingeräumt. Ich fand diese Erweiterung in etwas wechselnder Entwicklung, doch stets von einer gewissen Mächtigkeit vor bei dem untersuchten Mo- notremen, bei den Rodentiern, Insectivoren und Carnivoren. Die kolossale Erweiterung des Hohladerstammes bei Phoca vitulina, welche eine wohlbekannte Erscheinung ist, soll nach MecKe (1. ce.) und HyrRTL (l. e.) auch bei der Fischotter, dem Biber und beim Ondrata, so wie beim Schnabelthiere sich vorfinden, wenngleich in geringerem Maße. Dass die sackförmige Erweiterung des Hohladerstammes diesem nur zum kleineren Theile mit angehört, werde ich bei Besprechung der Ver- hältnisse der V. hepaticae noch ausführlicher erörtern. Die von Sran- nius (l. e.) und Hyrvt (I. e.) beschriebene Erweiterung des Stammes beim Delphin möchte ich nicht im vollen Umfange bestätigen. Das Gefäßrohr ist gleichmäßig eylindrisch und recht mächtig: die sack- förmige Erweiterung, von welcher Srannius Erwähnung thut, fand ich nicht vor. Ich gehe nunmehr über zur Schilderung der Formverhältnisse der Venae hepaticae. Ihr Studium wird durch die Erscheinung der Lappung der Säugerleber recht erleichtert. Mit der bereits des Beitrige zur Morphologie der Siugerleber. 605 öftern hervorgehobenen, hierbei eintretenden Sonderung der einzel- nen Verästelungsbezirke des Portalbaumes ist auch naturgemäß eine solche der Stromgebiete der V. hepaticae gegeben, welche eine Er- kenntnis der Eigenthümlichkeiten der letzteren leicht gestattet. Über- dies sind die bezüglichen Verhältnisse beim nur wenig gelappten und ungelappten Organe in gewissen Beziehungen recht verschiedene von jenen der gelappten Organe, so dass auch hieraus sich die Noth- wendigkeit ergiebt, beide Organgruppen getrennt von einander der Besprechung zu unterziehen; mit der Erkenntnis der Eigenthümlich- keiten im Bereiche des gelappten Organs ist auch das Verständnis jener des ungelappten angebahnt. Ich werde mich daher im Fol- genden fürs Erste an die Beschreibung der Verhältnisse beim ge- lappten Organe halten. Die erste Frage ist naturgemäß die nach der Zahl und dem Verhältnis, in welehem die V. hepaticae zu den Ver- ästelungsgebieten des Portalbaumes stehen. Das gelappte Organ lehrt recht klar erkennen, dass jeder Hauptbahn des Portalbaumes oder Astgruppe, welche einer solehen gleichwerthig ist, eine Strombahn der unteren Hohlader beigesellt ist. Diese Strombahnen zeigen nur in so fern Verschiedenheiten, als sie entweder für sich allein in den Hohladerstamm einmünden oder sich aber erst mit benachbarten ‚Genossen vereinigen und so kurze aber mächtige Stämme bilden, welche sich in die Hohlader entleeren. Aber auch das entgegen- ‚gesetzte Verhalten giebt sich nicht selten kund: das Bestreben ein- zelner Strombahnen, getrennt von ihren Genossen, welchen sie vermöge ihrer geringeren Mächtigkeit untergeordnet sind, dem Hohl- ‚aderstamme zuzustreben. Verschmelzung und Isolirung der dorsalen Endabschnitte der V. hepaticae zeigen einen regen Wechsel der Er- scheinung. Die Grundzahl der V. hepaticae ist die Zahl drei und bezeichneich dieselbenals V. hepatica dextra, media und Sinistra. Diese Bezeichnung ergiebt auch die Beziehungen derselben zu den einzelnen Lappen und dem zufolge auch zu den einzelnen Hauptbahnen des Portalbaumes. Jede dieser drei V. hepaticae wird ‚gebildet durch die Vereinigung von je zwei Strombahnen, entspre- chend der Zahl der Hauptbahnen des Portalbaumes, welche im Be- reiche des rechten und linken sowie des mittleren Lappens je in der ‚Zweizahl sich vorfinden. Wir werden daher die Strombahnen der V. hepatica dextra und sinistra als obere und untere, die der V. 606 Hugo Rex hepatica media als rechte und linke zu unterscheiden haben. Das folgende Schema möge für das gelappte Organ diese Beziehungen | verdeutlichen. Vena hepatica Pfortaderbahn | Lappen Dextra (sup. et. inf.). R. arcuatus et descendens. | Recht. ob. u. unt. Lappen. Media (dextra et sinistra). | R. cysticus u. recht. Ast- | Mittlerer Lappen. werk. Sinistra (sup. et inf.). Link. Astwerk u. R. an- | gularis. Link. ob. u. unt. Lappen. Zu diesen Stämmen gesellt sich noch eine gewisse Anzahl klei- nerer Stämme, welche an verschiedenen Stellen dem Stamme der Hohlader einmünden, und unter welehen namentlich zwei durch die Konstanz ihres Vorkommens sich auszeichnen. Der eine derselben beherrscht das rechts vom Stamme des R. eysticus gelagerte Gebiet des mittleren Lappens; es ist ein in recht wechselnder Mächtigkeit selbständig dem Hohladerstamme einmündendes Gefäß, welches ich als V. hepatica media accessoria bezeichnen werde. Ähnlich entstammt dem Lob. omentalis ein größerer Stamm, welcher ent- weder direkt der Hohlader zustrebt, oder aber mit der Hep. sinistra sich vereint. Nach Kenntnis von Zahl und Beziehung zum Portalbaum müssen © wir uns die Frage nach der Örtlichkeit der Einmündung der V. he- paticae in den Hohladerstamm vorlegen. Diese Frage findet in der Betrachtung der Lagerungsverhältnisse des letzteren ihre Erledigung. Die V. hepaticae zeigen das Bestreben, auf dem kürzesten Wege an ihren Bestimmungsort zu gelangen; und dem entsprechend sind auch die Verhältnisse der Art der Einmündung in den Hohlader- stamm gestaltet. Die V. hepatica dextra mündet. in die rechtsseitige Wandung der Hohlader; beim gelappten Organe mündet meist die obere und untere Strombahn derselben, die Hep. dextra superior und inferior getrennt, jede für sich in die Hohlader ein. Die Stätte der Ein- mündung kann leicht bestimmt werden durch die proximale Fläche der beiden rechten Lappen; stets verläuft das dorsale Endstiick der Vene im proximalen Abschnitte des zugehörigen Lappens und dem entsprechend finde ich auch die Mündungsstelle knapp unterhalb jener Linie, iin Bereiche welcher die proximale Lappenfläche an die rechtsseitige Wandung des Stammes der Hohlader angrenzt. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 607 Während wir also im Bereiche der rechten V. hepatica Selb- ständigkeit der Mündung nachweisen können, zeigt sich für die media und sinistra ein anderes Bild. Die beiden Äste der Hepa- tica media vereinigen sich recht bald, wie bereits erwähnt, zu einem Stamme, welcher mit einem gleichen Genossen der linken Seite, her- vorgegangen aus der Vereinigung der beiden V. hepaticae sinistrae, sich verbindet zur Bildung eines mächtigen, aber relativ kurzen Ge- fäßrohres, welches in den Hohladerstamm einmündet, unmittelbar bevor er aus der proximalen Fläche des Organs emportaucht. Die Einmündungsstelle dieses Truncus communis, wie ich dies mäch- tige Gefäßrohr bezeichnen will, ist gelegen im Bereiche der ventralen Wandung des Hohladerstammes, auch auf die linksseitige Wandung iibergreifend. Recht häufig mündet in den Truncus communis die V. phrenica sinistra ein, und weist im Bereiche der Ordnung der Carnivoren und Rodentier ein ganz eigenthümliches Bild auf. Der Stamm der genannten Vene erweitert sich nämlich kurz vor seiner Einmündung rasch zu einem mächtigen, annähernd kegelförmigen Sacke, welcher dem Truncus communis einmündet. Namentlich deutlich fand ich diesen eigenartigen Befund bei Canis familiaris. Von "diesen geschilderten Verhältnissen kommen Abweichungen in so fern vor, als die Strombahn der V. hepatica media das Bestreben zeigen kann, gesondert von der sinistra der Hohlader einzumünden. Die Hepatica media accessoria mündet nach rechts vom Truncus communis in die ventrale Wandung der Hohlader, oder aber in den Truncus communis ein. Nunmehr gehe ich über zur Schilderung des Verlaufes und der Verästelung der V. hepaticae. Was zunächst die Verästelung der V. hepaticae anlangt, so hat dieselben Hyrrr (l. e.) ähnlich jener des Portalbaumes als der dichotomischen Verästelung entbehrend gekennzeichnet. Ich möchte diese Eigenthümlichkeit noch durch Hervorhebung anderer Momente näher charakterisiren. Auch die V. hepaticae stellen gleich den Pfortaderästen Hauptbahnen dar, ja dieselben sind noch mehr als die letzteren bestrebt, individuelle Selbständigkeit zu wahren. Die Formen der Verästelung sind beim gelappten Or- gane zweierlei: fürs Erste allmähliche Vergrößerung der Mächtigkeit des Stammes, bedingt durch die Aufnahme von Seitenästen; und zweitens der uns von der Pfortaderverästelung her wohlbekannte Typus des Vas arcuatum. Eine Eigenthümlichkeit fesselt unsere Aufmerk- samkeit in hohem Grade: Die Bahnen der V. hepaticae zeigen 608 Hugo Rex ungemein häufig eine Verästelung, welche jener des Pfortaderastes, welehem sie sich beigesellen, gleichwie abgelauscht ist. Ich verweise auf die V. hepatica sinistra in- ferior bei den Carnivoren: es liegt uns gleichwie eine Kopie des R. angularis vor, wir finden zwei Gefäße, über einander gelagert, aber etwas gegen einander verschoben, so dass beide distalwärts frei liegen; beide zeigen dasselbe Bild der Astabgabe resp. Astaufnahme. Und so findet man ganz leicht im gelappten Organe recht häufig eine derartige innige Übereinstimmung der äußeren Formverhältnisse beider Bahnen. Der Verlauf der Venae hepaticae ist nach dem Gesagten leicht verständlich. Die einzelnen Stämme haben das Bestreben, in innige Nach- barschaft zu den Pfortaderästen zu gelangen, deren Ge- biet sie angehören. Dem entsprechend lagern sie gleich diesen im Bereiche des distalen Abschnittes der einzelnen Lappen. Ihre Lagebeziehungen zum Pfortaderaste sind meist solche, dass sie über diesen lagern, jedoch meist nicht unmittelbar der proxi- malen Wandung angelagert, sondern ventralwärts oder dorsalwarts, nach außen oder innen von dieser zu liegen kommen, so dass, wie ich eben vorhin erwähnte, beide Gefäßstämme distalwärts frei liegen. Dem entsprechend haben auch die V. hepaticae die Haupt- masse des Parenchyms proximalwärts aufgelagert. Dies gilt vor- nehmlich für die V. hepatica sinistra inferior. Recht häufig verläuft der Stamm der Vene unmittelbar neben jenem des Pfortaderastes, gleich diesem der distalen Fläche des Lappens nahe eingelagert; oder aber: wir finden den Stamm der Vena hepatica allein der di- stalen Fläche nahe eingelagert, und der Pfortaderast hat das proxi- male Gebiet aufgesucht. Im Allgemeinen finden wir jedoch meist die V. hepatica proximal- wärts vom Pfortaderaste gelagert. Abweichungen von diesen Verhältnissen fand ich seltener. Interessant sind jene, welche sich an das Vorhandensein eines mächtig längsentwickelten Rec. umbilicalis knüpfen, wie ich dies bei den untersuchten Primaten vorfand. Bei I. eynomolgus und rhesus, sowie Cynocephalus hamadryas verläuft die V. hepatica superior sinistra und media dextra, recht weit vom R. umbilicalis getrennt, links und rechts von diesem allein durch den Lappen. Bloß im ventralen Ab- schnitte der zugehörigen Lappen schließt sich das Astwerk der V. hepaticae an jenes des R. umbilicalis an. Ähnlich auch bei einigen Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 609 Rodentiern. Über die bezüglichen Verhältnisse bei den untersuchten Repräsentanten der Monotremen und Edentaten genauer zu berichten, gestattet der defekte Zustand der Präparate nicht. Nachdem - wir den Verlauf der V. hepaticae im Bereiche der einzelnen Lappen kennen gelernt haben, erübrigt noch, jenen der Dorsalabschnitte bis zur Einmündung in den Hohladerstamm zu ver- folgen. Im dorsalen Abschnitte der einzelnen Lappen weichen die Stämme der V. hepaticae proximalwärts von den einzelnen Haupt- bahnen des Portalbaumes ab, und streben schräg dorsalwärts und proximalwärts aufsteigend dem Hohladerstamme zu. Direkt münden die beiden rechten und die accessorische mittlere ein; der Stamm der beiden mittleren V. hepaticae senkt sich in den gemeinsamen Stamm der linken Hepaticae ein, und der so gebildete Truncus communis mündet in die Hohlader. Nicht selten erreichen die dorsalen Ab- schnitte der V. hepaticae die proximale Fläche ihres Lappens. Die dorsalen Abschnitte sind nun nicht selten Sitz einer kolos- salen Erweiterung. Namentlich deutlich zeigt dies Echidna hystrix und in enormer Ausdehnung Phoca vitulina. Der von den Autoren dem Stamme der Hohlader allein zugeschriebene Sinus venae cavae gehört nur zum kleineren Theile dieser selbst an; bei Weitem der größte Theil desselben gehört dem Truncus communis an, in welchen die V. hepatica media und sinistra sich entleeren !. Überdies zeigen die gesammten V. hepaticae von Ph. vitulina eine mächtige, ventralwärts allmählich geringer werdende Ausweitung. Ich gehe nunmehr über zur Beschreibung der V. hepaticae von wenig gelappten und ungelappten Organen, zu den Ver- hältnissen, welche wir bei den Artiodactylen, Cetaceen und beim Menschen vorfinden. Bei den Artiodactylen finde ich drei V. hepaticae: eine dextra, media und sinistra. Die erstere versorgt das Gebiet des R. arcuatus, descendens und meist auch einen Abschnitt des. Gebietes. des R. cysticus, und zwar den rechtsseitigen. Gewöhnlich findet sich die dextra durch mehrere kleinere Stämme repräsentirt, welche in verschiedener Höhe der ventralen oder der rechtsseitigen Wan- dung des Hohladerstammes einmünden. Einer. dieser Stämme gesellt . sich dem R. descendens bei; da das Gebiet des letzteren in Form eines freien Lappens abgesetzt ist, so können wir diesen Stamm als 1§. Taf. XXII Fig. 30 und die Erklärung der Bezeichnungen. 610 Hugo Rex V. hepatica sinistra inferior bezeichnen. Im Verlaufe und in der Ver- ästelung ist dieselbe recht innig dem R. descendens angepasst. Die Hepatica media und sinistra stellen zwei mächtige Stämme dar, welche zu einem sehr kurzen Truneus communis vereinigt oder jede für sich dem Stamme der Hohlader einmünden, knapp vor seinem Austritte aus dem proximalen Abschnitte des dorsalen Gebietes. Die media versorgt das Gebiet des R. cysticus und des rechten Astwerkes, die sinistra jenes des linken Astwerkes und des R. angularis. Diese drei V. hepaticae lagern mit ihrer Verästelung bei den Artiodaetylen gleichfalls unmittelbar den einzelnen Hauptbahnen des Portalbaumes auf; proximalwärts von ihnen baut sich die größte Mächtigkeit des Parenchyms auf. Allein eine Eigenthümlichkeit, welche die Verästelung der V. hepaticae des gelappten Organs auszeichnet, fehlt: es mangelt der innige Anschluss an die einzelnen Hauptbahnen des Portalbaumes und deren Astwerk. Zwischen je zwei Haupt- bahnen hindurchziehend empfangen die Hepaticae von beiden Seiten Astwerk, allmählich so an Mächtigkeit gewinnend, und mit Ausnahme der Hepatica dextra inferior mangelt die Anpassung an die Veräste- lung der Pfortader, wie wir sie bei den Carnivoren z. B. so prächtig klar sehen. Kurz, wir haben zwei, auch drei mächtige Hauptbahnen vor uns, welche schon im ventralen Abschnitte der einzelnen Gebiete des Organs diesen Charakter aufweisen. Das Organ der Cetaceen weist zwei mächtige V. hepaticae auf, bestimmt zur Versorgung des rechtsseitigen und linksseitigen Ab- schnittes des Organs. Außerdem kleinere Stämme, im distalen Ab- schnitte des rechtsseitigen Gebietes des Organs dem Stamme der Hohlader zustrebend, in dessen ventraler und rechtsseitiger Wandung einmündend. Der linke und rechte große Venenstamm münden beide in den Stamm der Hohlader ein, bevor er noch aus dem Organe proximalwärts emporsteigt und zwar [theils in dessen linksseitige, theils in die ventrale Wandung, und zwar jeder für sich. Der linke Stamm versorgt die Gebiete des linken Astwerkes und den R. angu- laris, der rechte Stamm das Gebiet des R. arcuatus, descendens und ascendens. Überdies mündet in den letzteren ein stärkerer Stamm ein, der, so weit dies mein Präparat erkennen lässt, den mittleren Abschnitt des Organs versorgt; vielleicht den linksseitigen Abschnitt des Gebietes des R. ascendens. Wie haben wir uns diese Verhältnisse mit jenen der übrigen Säuger in Einklang zu bringen, welchen V. hepaticae entsprechen die ER Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 611 beiden großen Stämme? Der linke Stamm ohne Zweifel der V. hepatica sinistra. Der kleinere mittlere Stamm entspricht wohl der Hepatica media. Seine vergleichsweise nur geringe Entwicklung findet ihre Begründung in der kümmerlichen Ausbildung des rechten Astwerkes des R. umbilicalis. Den rechten Stamm möchte ich als Hepatica media accessoria gedeutet wissen; ich er- wähnte derselben beim gelappten Organe, sie versorgt bei diesem das rechts vom Stamme des R. cysticus gelegene Verästelungsgebiet des letzteren. Mit der Verschmelzung der einzelnen Gebiete unter einander, wie es das Organ der Cetaceen zeigt, ging wohl auch ein Übergreifen der Strombahn dieser Vene auf ursprünglich fremdes Gebiet vor sich. Ich glaube hiermit die geeignetste Erklärung ge- geben zu haben, denn die Annahme, dass sich bei den Cetaceen eine neue Strombahn herangebildet haben sollte, erscheint mir nicht halt- bar; es liegt viel näher anzunehmen, dass eine bereits angelegte, mit der eben beschriebenen neuen mächtigen Bahn gleiche Verhält- nisse des Verlaufes und der Einmündung in den Hohladerstamm zeigende Strombahn eine mächtige Erweiterung erfuhr. Ich gehe nunmehr zur Schilderung der einschlägigen Verhältnisse im Organe des Menschen über. Wir finden drei V. hepaticae; ihrer Lagerung nach mögen sie als rechte, mittlere und linke bezeichnet werden. Sie sind mächtige große Stämme. zu welchen sich noch kleineres Astwerk hinzugesellt, welches der ventralen Wandung einmündet. Was zunächst ihre Beziehung zum Portalbaume anlangt, so ver- weise ich auf das beifolgende Schema, welches dieselben verzeichnet enthält. | V. hepatica Verästelungsgebiete der Balınen des Portalbaumes | Dextra: 'R. arcuatus; descendens. Rechtsseitiger Ab- | schnitt des R. ascendens. Media: 'Linksseitiger Abschnitt des R. ascendens. R. | Astwerk. Sinistra : 'Linkes Astwerk. R. angularis. Ventrales kleineres Astwerk. | L. omentalis; R. arcuatus: distaler Abschnitt. Wir müssen nun zu den Einzelheiten des Verlaufes, der Ver- istelung und der Einmündung in den Hohladerstamm übergehen. Letztere findet von Seite der großen Stämme im Bereiche jenes Abschnittes der Hohlader statt, welcher sich nach aufwärts durch 612 Hugo Rex eine Linie abgrenzt, innerhalb welcher die proximale Fläche des Organs an die ventrale Wandung des Stammes angrenzt. Und zwar miindet die hepatica sinistra mit der media zu einem recht kurzen Truncus communis vereinigt in den linksseitigen Abschnitt der ven- tralen Wandung; die Mündungsstelle vermag auch auf die linksseitige Wandung überzugreifen. Die V. hepatica dextra mündet etwas tiefer als der Truneus communis in den rechtsseitigen Abschnitt der ven- tralen Wandung, gleichfalls nach der Seite übergreifend, und zwar nach rechts. Die tiefere Einmündung der rechten Hepatica möchte ich HyrtL gegenüber betont wissen, welcher das umgekehrte Ver- hältnis beschreibt: die Hepatica dextra münde höher als ihre Ge- nossinnen der linken Seite ein. Das ventrale Astwerk mündet im distalen Abschnitte des Hohladerstammes im Bereiche des rechtsseitigen oder linksseitigen Bordes der ventralen Fläche ein. Die Verlaufs- richtung erscheint durch die Einmündung einerseits, durch den Ver- lauf im Bereiche der erwähnten Lichtungen des Porialbaumes ande- rerseits gegeben. Dem entsprechend streben die drei Stämme der proximalen Fläche des dorsalen Abschnittes des Organs zu: sie ziehen dorsalwärts und proximalwärts, die beiden seitlichen Stämme über- dies auch noch schräg, der linke Stamm nach rechts, der rechte nach links empor zur Einmündungsstelle. Die Lagerstätte des rechten und mittleren Stammes lernten wir bereits kennen. Für den ersteren ist sie durch die Lichtung gegeben, welche das Verästelungsgebiet des R. arcuatus und ascendens scheidet; für den zweiten durch die Liehtung zwischen rechtsseitigem Astwerk des R. umbiliealis und der Astfolge des rechten Hauptastes. Der Stamm der Hepatica sinistra zieht annähernd in der Mitte des linken Lappens nach vorn. : Dem entsprechend findet auch allerwärts das von HyrrL be- schriebene Kreuzen der einzelnen Stämme der V. hepaticae mit der ersten Verästelung des Pfortaderstammes statt. So kreuzt die Hepat. dextra den Stamm des R. arcuatus, die Media den linken Hauptast, die Sinistra den R. angularis und das linke Astwerk. Die Veräste- lung erfolgt fast durchweg so, dass der Charakter der Hauptbahn gewahrt bleibt. In den im ventralen Abschnitte des Organs distal, proximalwärts den Pfortaderästen aufgelagerten Stamm mündet eine eroße Zahl von Ästen unter meist spitzem Winkel ein. Die Ver- ästelung ist ähnlich jener, welche ich für die Artiodactylen beschrieb. Es mangelt der Anschluss an die einzelne Hauptbahn des Portal- baumes und die ausschließliche Versorgung des dem. portalen Ge- Beitriige zur Morphologie der Siiugerleber. 613 nossen untergeordneten Gebietes, wie wir es im gelappten Organe vorfanden. Die rechte Hepatica, durch die bekannte Lichtung empor- ziehend zum Stamme der Hohlader, empfängt von beiden Seiten Ast- werk, aus dem Gebiete des R. arcuatus und ascendens stammend. Sie verläuft sanft nach rechts gewölbt. Die media zerfällt in wechselnder Weise früher oder später in zwei annähernd gleich starke Äste, welche spitzwinkelig divergirend nach rechts und links aus einander treten. In diese mündet Astwerk aus dem Gebiete des R. ascendens und jenem des rechten Astge- folges. Die Hepatica sinistra, annähernd die Mitte ihres Gebietes in etwas nach links konvexem Bogen durchziehend, empfängt ihr Ast- werk von beiden Seiten gleichmäßig. Die Äste aus dem Lob. omentalis ziehen schräg nach rechts und proximalwärts, zugleich auch dorsalwärts, um dem linken Borde der Ventralfläche des Hohladerstammes einzumünden. Die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Venae hepaticae des menschlichen Organs fällt mit der Erledigung desselben Gegen- standes beim Organe der Cetaceen zusammen. Wir haben in der Hep. sinistra und media die gleichen Stämme des gelappten Organs vor uns; die mächtigste der Venen, die dextra, möchte ich wiederum als gewaltig vergrößerte Strombahn der Hep. media accessoria auffassen. Die Hepatica dextra der gelappten Organe wird uns beim Men- schen repräsentirt durch jenes ventrale Astwerk, welches dem rechten Bord der Ventralfliche des Hohladerstammes zustrebt. Auf manches von dem in der Litteratur Mitgetheilten, welches von den V. hepaticae der Säugerleber handelt, wies ich bereits hin; von Verlauf und Verästelung der menschlichen V. hepaticae hat Hyrrt (l. e.) eine recht zutreffende Beschreibung gegeben; doch kann ich seiner Eintheilung der Hepaticae in eine größere rechte, vier kleinere linke Stämme nicht als richtig ansehen, da dies meinen mitgetheilten Befunden direkt widerspricht. Eine mit meinen Unter- suchungsergebnissen recht genau übereinstimmende Beschreibung finde ich hingegen bei Barkow (l. e.). Sein Thruncus venosus hepaticus dexter, medius und sinister entspricht meiner V. hep. dextra, media, sinistra. Auch das ventrale kleinere Astwerk hat er richtig be- schrieben ; so den R. hepaticus Spigelii; der Truncus venosus he- paticus infimus, welcher nach seiner Angabe nicht selten recht mächtig entwickelt sein kann, gehört dem ventralen Astwerke an, welches ich oben als die eigentliche V. hep. dextra deutete. Eine Deutung Morpholog. Jahrbuch. 14. 40 614 Hugo Rex und Vergleichung mit den bezüglichen Verhältnissen der Säugerleber vermisse ich hingegen bei Barkow völlig. Die Angaben der übrigen Autoren beschriinken sich meist auf Mittheilung von Zahl und Ein- mündungsstelle der V. hepaticae; gleich Hyrru bringen sie diesbe- züglich keineswegs völlig zutreffende Mittheilungen. Am Schlusse meiner Arbeit angelangt, erlaube ich mir nochmals darauf hinzuweisen, dass vorliegende Untersuchungen keineswegs ein abgeschlossenes Ganze, vielmehr nur einen bescheidenen Versuch darstellen, ein bislang brach gelegenes Feld neuer Bearbeitung zu- zuführen. Möge bald weiter ausgreifende Untersuchung das Mitge- theilte weiterem Ausbau und namentlich der nöthigen Verbesserung zuführen. Prag, am 1. Mai 1888. Nachtrag. Während der Drucklegung meiner Abhandlung gelangte ich in den Besitz eines 50 cm langen Pferdefötus, dessen Leber ich einer gelungenen Situscorrosion unterziehen konnte. Ich möchte in Kürze Einiges über die Besonderheiten des Organs dieses Perissodactylers mittheilen. Der Portalbaum erscheint dadurch ausgezeichnet, dass ein dem Anfangsstücke des langen linken Hauptastes entstammender starker Ast in den rechten oberen Lappen eindringt, den proximalen Ab- schnitt desselben versorgend. Der mittlere Lappen wird fast aus- schließlich vom rechten Astgefolge der V. umbilicalis gespeist, nur sein dorsales Gebiet wird von einem dem linken Hauptaste ange- hörenden schwächeren Ast versorgt. Wohl in innigem Zusammenhange hiermit stehen folgende eigen- thümliche Verhältnisse der Venae hepaticae. An Stelle der bei selappten Organen stets vorhandenen V. hep. d. s. finden sich zwei Venenstämme. Einer derselben, ein stattliches Gefäß, zieht proximal- wärts und vereinigt sich mit einer aus dem mittleren Lappen hervor- gehenden Vene zur Bildung eines kurzen Truncus communis, welcher nach rechts vom Truneus communis der beiden V. hep. sin. in den Stamm der Hohlader einmündet. Der zweite Stamm, bedeutend schwächer als sein Genosse, versorgt den dorsalen Abschnitt des rechten oberen Lappens und mündet unterhalb des rechten Truncus Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 615 communis in die Hohlader ein. Die Hep. d. i., sowie die beiden Hep. sin. zeigen das fiir das gelappte Organ beschriebene Verhalten. Ich möchte die Erklärung dieser eigenartigen Verhältnisse, so weit es die Resultate einer Einzeluntersuchung gestatten, in Folgendem suchen. Vielleicht ist der erwähnte Ast des linken Hauptastes, welcher in den rechten oberen Lappen eindringt, der R. cysticus; dem entsprechend läge eine allerdings ganz vereinzelt dastehende Zweitheilung des mittleren Lappens vor, mit gleichzeitiger Verschmelzung seiner rechten Hälfte mit dem rechten oberen Lappen. Ganz leicht lassen sich sodann die Eigenthümlichkeiten im Bereiche der V. hepaticae erklären. Der stärkere der beiden Stämme, welche aus dem rechten oberen Lappen hervortritt, entspräche dem rechten Aste, der aus der linken Hälfte des mittleren Lappens, welche Hälfte ich bislang als mittleren Lappen bezeichnete, austretende Stamm dem linken Ast der V. hep. media. Ersterer, der rechte Ast, folgte dem R. eysticus in den rechten oberen Lappen nach, und übernahm gleichzeitig die Versorgung des ganzen Lappens, also auch des Gebietes des R. areuatus; das zweite schwächere Gefäß, welches aus dem dorsalen Gebiet des rechten oberen Lappens hervortritt, entspräche sodann der Hep. med. acces- soria; auch diese griff gleich dem rechten Aste der Hep. media auf fremdes Gebiet über. Ein ähnliches Verhalten trafen wir ja bei den ungelappten Or- ganen: bei diesen fanden wir gleichfalls ein Übergreifen einer Vena hepatica auf ein ursprünglich fremdes Gebiet: ich erinnere an die Umwandlung der Hep. med. acc. zu einer V. hep. dextra beim Menschen. Erst weiter ausgreifende Untersuchungen werden die Richtigkeit dieser Erklärung der Verhältnisse im Bereiche des Organs des Perisso- dactylers zu bestätigen vermögen. Erklärung der Abbildungen. Tafel XX. Fig. 1. Ventralansicht der Leber von Delphinus tursio (Fötus), etwas verkleinert. Fig. 2 - - - - Lepus cuniculus - = Fig. 3. - - - - Canis familiaris = = Fig. 4 - - - vom Menschen, stark verkleinert. 40* 616 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Hugo Rex 5. Dorsalansicht der Leber von Inuus cynomolgus, etwas verkleinert. 6. - - - vom Menschen, stark verkleinert. i - - - von Cercoleptes caudivolvulus, natürl. Größe. 8. Schema des Portalbaumes der Säuger. 9. Schema der epiportalen Verästelung des D. hepaticus. 10. Ventralansicht der menschlichen Leber, mit eingetragenen Grenzlinien der Verästelungsgebiete der einzelnen Hauptbahnen des Portalbaumes. 11. Ansicht der distalen und eines Theiles der ventralen Fläche der menschlichen Leber mit eingetragenen Grenzlinien der Verästelungs- gebiete der einzelnen Hauptbahnen des Portalbaumes. Tafel XXI. 12. Portalbaum und Gallenwege von Echidna hystrix, schwach vergrößert. 13. - - - - Dasypus novemcinctus, natürl. Größe. 14. - - - - Delphinus tursio, stark verkleinert. 15. = - - - Rupicapra rupicapra, stark - 16. - = 3 - Capra hircus, - - ie - - - - Catoblepas Gnu (juv.), - - 18—23. = - - - Felis domestica, - - Tafel XXII. 24. Portalbaum und Gallenwege von Camelopardalis Giraffa (juv.), stark verkleinert. (Die schraffirte Stelle bei x stellt die Stelle einer argen Lädirung des Priiparates dar; über Verlauf und Verästelung des R. arcuatus und descendens vermochte ich an meinem Präparate keinen Aufschluss zu erhalten.) 25. Portalbaum und Gallenwege von Bos elaphus, stark verkleinert. 26. - - - - Sciurus vulgaris. Die Verästelung des D. hepaticus nach zwei untersuchten Organen eingetragen, natür- liche Größe. 27. Portalbaum und Gallenwege von Spermophilus eitillus, natürl. Größe. 28. - - = - Ursus malayanus, verkleinert. 29. = - = - Cynailurus guttata, - 30. - - - - Phoca vitulina - In die- ser Figur sind auch die Umrisse der sinuösen Ausweitung des Stam- mes der Hohlader — S. v. c. — und der Truncus communis der V. hepatica sin. und media — S. tr. v. h. — mit rother Farbe einge- zeichnet; die punktirte rothe Linie zeigt die Grenze beider Auswei- tungen an. i . 31. Portalbaum und Gallenwege von Phoca vitulina, stark verkleinert. . ey - - - - Stenops gracilis, schwach vergrößert. aes - 5 - - Cercopithecus sabaeus, schwach verkl. Tafel XXIII. . 34—39. Portalbaum und Gallenwege von Canis familiaris, natürliche Größe. Tafel XXIV. . 40. Portalbaum des Menschen. Situscorrosion. Ventrale Ansicht in die Umrisse des Organs eingetragen. IQ \ > Astgang 2.L.oment. linkes Astverk. Rechtes Astwerk. | } i XD Verlag v. Wilh. Engelmann in Leipzig. „nun TE NAN ‘G iN eee 2 ipzig Lith Anstv.E-AFunke,ie Tate v Verlag v Wilh. Engelmann in Leipzig Ee ee ee a a 5 0 AFunkeLeipzig © lithénstv.E Hang. / Ha. Vp. Ro], & FS 4 RS hola. Jahrb. Bd XIV. Verlag y Wilh. Engelmann in Leipzig a BE ne rn a a ee Ara Se EN es ae Voriag v Wh Kngelmamı Leipzig Morpholog. Jahrb. Bd. XIV. Taf. XXIV. Reisek del. 2 a) Lith Ansty B.A Funke, Leipzig. Verlag von Wilh. Engelmann in Leipzig. Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. 617 Fig. 41. Portalbaum des Menschen. Situscorrosion. Dorsale Ansicht in die Umrisse des Organs eingetragen. Rechter und linker Hauptast, sowie der Theilungswinkel der Pfortader sind ein wenig zu tief gezeichnet, so dass diese Abschnitte aus der distalen Fläche des Organs zu stark distalwärts heraustreten. Erklärung der Bezeichnungen. r.o.L rechter oberer Lappen, r.u.L rechter unterer Lappen, m.L mittlerer Lappen, L.o.L linker oberer Lappen, L.u.L linker unterer Lappen, L.o Netzlappen (Lob. omentalis), Gbl Gallenblase, + ‘D.cy Ductus cysticus, Impr.supraren Impressio suprarenalis, Jmpr.ren Impressio renalis, Tr.v.p Stamm der Pfortader, R.Ha rechter Hauptast, L.Ha linker Hauptast, Ru Recessus umbilicalis, R.arc Ramus arcuatus, R.dese Ramus descendens, R.cy Ramus cysticus, R.as Ramus ascendens, R.om (oder R.o) Ramus omentalis, R.Aw rechtes Astwerk des Recessus umbilicalis, L.Aw linkes Astwerk des Recessus umbilicalis, R.ang Ramus angularis, V.cor.v.s Vena coronaria ventriculi sinistra, V.cor.v.s.ace Vena coronaria ventriculi sinistra als accessorische Pfortader, C.i Stamm der Cava inferior, L.t Ligamentum teres, L.v Ligamentum venosum Arrantii, Z.s Ligamentum suspensorium (dessen Haftlinie). Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. Eine entwicklungsgeschichtliche und vergleichend-anatomische Studie. Von Docent Dr. Gustav Killian in Freiburg in B. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg.) Mit Tafel XXV und XXVI sowie 43 Figuren im Text. I. Über die Bursa pharyngea. Seit A.F. J. C. Maver! in den Jahren, 1840 und 1842 unter dem Namen Bursa pharyngea beim Menschen einen »Schleimsack, mitten in der den Körper des Keilbeins deckenden Schleimhaut, hinter den Choanen oder zunächst hinter der Schaufel des Pflug- scharbeins« beschrieben hat, beschäftigte sich eine Reihe von Forschern, wie TortTuaL (1846), LuscuKa (1860, 1868), Dursy (1869), Gane- HOFNER (1879), FRORIEP (1882) mit diesem Gebilde, ohne jedoch zu einer übereinstimmenden Meinung darüber zu gelangen. Neuerdings suchte TORNWALD (1885), im Wesentlichen sich stützend auf LuscuKa, die Ergebnisse der anatomischen Forschung für die Klinik der Krank- heiten des Nasenrachenraumes zu verwerthen. Seine Arbeit erregte in medieinischen Kreisen hohes Interesse und veranlasste bald eine ganze Reihe ähnlicher Veröffentlichungen. Auch das Bedürfnis nach einer klareren anatomischen Anschauung erwachte von Neuem, wovon die Untersuchungen von SCHWABACH und MEGEVAND Zeugnis geben. Wenn nun auch diese unsere Kenntnisse in dankenswerther Weise bereicherten, so brachten sie uns doch immer noch keine einheitliche Anschauung. 1 Vergleiche über sämmtliche Autoren das unten folgende Litteratur- verzeichnis. Die kürzlich erschienene Arbeit von SCHWABACH (Archiv für mikrosk. Anat. 32) konnte nur in einem Nachwort, die von SUCHANNEK (Beitr. zur pathol. Anat. von ZIEGLER und NAuwerk. III. pag. 31) überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 619 Es lag nahe, die Ursache fiir die Meinungsverschiedenheiten der älteren und jüngeren Bearbeiter der Bursa pharyngea in der Be- schaffenheit des ihren Studien zu Grunde gelegten Materials zu suchen, welches fast ausschließlich dem postembryonalen Leben entstammte. Unter solehen Umständen durfte man mehr Aufschlüsse von einer entwicklungsgeschichtlichen und vergleichend- anatomischen Untersuchung erwarten. | Diese habe ich, angeregt durch Herrn Professor Dr. WIEDERS- HEIM und vermöge seines mir in der liberalsten Weise zur Verfügung gestellten Materials von Herbst 1887 bis Frühjahr 1888 ausgeführt und lege im Folgenden meine Resultate nieder. | Im Ganzen bearbeitete ich 65 menschliche Embryonen, welche sich auf die einzelnen Monate, wie Tabelle A angiebt, vertheilen; dazu kommen noch 3 Neugeborene und 2 Kinder (das eine 10 Tage, das andere circa 1 Jahr alt). Tabelle A‘. Monate | III IV Vv VI VIL - VI Wochen | 12/13/14 15 !16 17 | 18|19| 20/21 | 22/23! 24/25 | 26 |27 | 28.) 29/30/31 Fälle, 3lalı I2lsle 613 | 6 gf 5 fara] 2)2) afd InSummaJ) 3 6 21 22 7 6 65 Man ersieht aus dieser Tabelle, dass mir die seltenen ganz jungen Stadien fehlten. Glücklicherweise besitzen wir gerade über diese Mittheilungen von FRORIEP. Die in Spiritus theilweise lange Zeit aufbewahrten Embryonen wurden sämmtlich makroskopisch, und die für uns wichtigeren Fälle unter ihnen, sofern sie genügend konservirt waren, auch mikroskopisch untersucht. Es sind dies 20 an der Zahl. Eine Altersübersicht über sie giebt Tabelle B. | Monate ||IV V VI | VIL. | VIII SSS OOo — lamroee — nn Wochen |13 17 | 18 | 20 | 21 |22 | 23 | 24 | 25| 28, 29 | rit te} Bl Act Lf} Arhidok lehitufiord page — —— SS — —— In Summa/\) 1 11 5 2 1 20 \ | 1 Altersbestimmung nach ToLpT. 620 Gustav Killian In 28 Fallen von den 70 (= 40%) vermisste ich die Bursa gänzlich; es fand sich weder ein Grübehen an typischer Stelle noch eine flache Vertiefung. Dabei hatten acht von ihnen aus dem 6. bis 8. Monat am Dache des Schlundgewölbes zahlreiche sagittale Schleimbautfiltchen , welche die erste Anlage der Rachentonsille darstellten. Die übrigen 42 (= 60%) besaßen sämmtlich ein mehr oder weniger tiefes Griibchen, beziehungsweise eine ansehnliche Aus- stülpung der Rachenschleimhaut nach hinten oben gegen die hintere Schidelbasis. Aus Gründen, die ich bald angeben werde, fühle ich mich veranlasst, die letzteren Fälle mit exquisiter Bursa von den anderen mit unvollkommen entwickelter zu trennen. So kommen denn auf Rechnung eines einfachen Grübchens oder einer trichterformigen Einsenkung 28 (= 40%), darunter 10 mit Rachentonsille (19 sind makroskopisch, 9 auch mikroskopisch un- tersucht). Die restirenden 14 Fälle dagegen, 20% der Gesammt- zahl, von denen 4 die erwähnte Faltenbildung am Rachendach er- kennen lassen, 5 nur mit bloßem Auge und der Lupe am ganzen Präparat sowie auf dem Sagittalschnitt, 9 mit dem Mikroskope unter- sucht sind, geben uns klassische Beispiele einer wirklichen Bursa pharyngea heim menschlichen Embryo. In Anbetracht dessen, dass eine Reihe meiner Präparate in mehr facher Hinsicht Interesse bietet, und dass ich später von verschie- denen Gesichtspunkten aus auf sie zurückkommen muss, mag es gerechtfertigt erscheinen, sie in kurzen Einzelbeschreibungen zu fixiren, bevor ich zu einer zusammenfassenden und die Entwicklung der Bursa stufenweise verfolgenden Darstellung übergehe. Gruppe I (18 Fälle). Kleiner Recessus, Rachentonsille noch nicht entwickelt. Nr. 101. Embryo von 14cm Länge (17. Woche, 5. Monat). Die Schädelbasis ist noch knorpelig, zeigt jedoch im hinteren Theil die ersten Stadien des Ossifikationsprocesses (Occ). Vom Vomer und harten Gaumen sind bereits einige Knochenbälkchen gebildet. Das basale Bindegewebe bildet eine dicke derbfaserige Schicht (Fib). Die Mucosa des Pharynxdaches ist noch sehr dünn; von Drüsen findet sich keine Spur, eben so wenig von Lymphzellen. In der Mitte der Grenze zwischen oberer und hinterer Schlundwand be- 1 Die 70 Fälle sind nach der Körperlänge geordnet und numerirt. ee ; Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 621 findet sich ein 0,25 mm! tiefes Griibchen, das zwischen Fibrocartilago und oberem Rande des Muse. constrictor phar. sup. gelegen, sich nach hinten und etwas nach oben gegen das Basi-Oceipitale wendet. Es liegt 5mm hinter dem Sagittalschnitt. Vergr. 41. B Bursa pharyngea, Fib Fibrocartilago basilaris, Cs? Constrietor pharyng., Hyp Hypophysis cerebri, Yom Vomer, H.G harter Gaumen (Os palatinum), Vel Velum palatinum (un- vollständig), Occ Pars basilaris ossis oceipitis, A Arcus Atlantis, D Dens Epistroph. Septum narium, 3,5 hinter der Mitte der Sattelgrube und 4,75 vor dem Rande des Foramen occipit. magnum. Fig. 2. Nr. 27. Embryo von 20 em (20. Woche, = Occ. 5. Monat). : Die Schädelbasis verhält sich wie Eu im vorigen Falle, nur dass in der Ge- gend mitten unter der Hypophyse die Knorpelkapseln gequollen und koncen- trisch geordnet erscheinen. Genau an derselben Stelle wie bei jenem bemerkte man am unversehrten Präparat ein kleines Loch. Dasselbe führt, wie die mikroskopische Betrachtung eines Sa- gittalschnittes lehrt, in einen Recessus, der sich von dem vorigen durch rela- tiv größere Weite auszeichnet. Sie be- trägt 0,6 mm, die Tiefe 1,0 mm, die Entfernung von der Nasenscheidewand 6 mm. Sagittalschnitt. Vergr. 2%. Bezeichnung wie bei Fig. 1. H.ER hintere Rachenwand. 1 Siimmtliche kleineren Dimensionen sind mikrometrisch gemessen. 622 Gustav Killian Nr. 37. Länge 25 cm (22. Woche, 6. Monat). Eine feine mediane Furche theilt das Schlunddach in zwei Hälften; sie vertieft sich nach hinten und reicht bis zur,hinteren Pharynxwand. Diese iiber- ragt sogar das hintere Ende der Furche oder »Raphe« ein wenig und sendet gerade von dieser Stelle aus zwei divergirende Filtchen nach dem Rachendach, welche sich jedoch bald verlieren. Aus dem vertieften Raum, den sie Fig. 3. S. / begrenzen, gelangt man direkt iiber Dec. (dem Scheitel der Fältchen weg in ; eine kleine Grube (vgl. Fig. 12 Fib. Taf. XXV). Ihr sagittaler Durchschnitt ist trichterförmig, 1 mm tief, am Ein- gang 3/, mm weit; die Spitze er- reicht nicht die Fasern der Fibro- cartilago; sie bleibt 1,3 mm vom Occipitaltheil der Schädelbasis ent- fernt und liegt 1 mm vor dem vor- deren Ende des oceipitalen Knochen- HR! kernes. Der Grubeneingang befindet \ er sich 7 mm hinter dem Nasenseptum. a \ Get. Die Schleimhaut zeigt am Pha- Sagittalschnitt. Vergr. 291. Mwe Schleimhaut, S$ vor- rynxdache geringe Rundzelleninfil- u NTIS tration, aber zahlreiche Schleimdrü- sen seitlich von der Raphe. Sogar in der Nähe des Grübchens bemerkt man einige Drüsen. Nr. 53. Embryo von 31 cm (25. Woche, 7. Monat). Rachendach makroskopisch wie im vorigen Falle; auch hier die erwähnten spitzwinkelig konvergenten Falten, die wir kurz »Winkelfalten« nennen wollen; sie sind in Fig. 12 (Taf. XXV) abgebildet. Am Sagittalschnitte erkennt man Folgendes: Im Boden der Sattelgrube findet sich ein Knochenkern; es ist der des hinteren Keilbeines oder Basi- sphenoid. Wie bekannt, besteht er zuerst aus zwei seitlichen Kernen, welche nunmehr in der Mitte zusammengeflossen sind. Zwischen ihm und dem des Occipitale basilare (Occ.) befindet sich eine 2,5 mm dicke Knorpelschicht, die Synehondrosis spheno-oceipitalis. An Stelle der Bursa sieht man nur einen weiten Recessus (2), der unge- fähr unter dem vorderen Ende des Oceipitalkernes liegt. Er reicht bis zu dem derben basalen Bindegewebe. Der Muse. constr. pharyng. gelangt bis zu seiner unteren Wand. Seine Entfernung vom Rande des Foramen occ. magn. beträgt 8,5 mm, vom Septum nar. 11, von einer Stelle des Schlunddaches, welche ins unter der Mitte des Mirkensatiels liegt, 3,5 mm. Innerhalb des Gewebes der Fibrocartilago bas., in demjenigen Abschnitte derselben, welcher zwischen hinterer Vomerspitze und vorderem Ende des Sphenobasilarkernes gelegen ist, macht sich ein. schief von hinten oben nach vorn unten ziehender Strang durch seine intensive Tinktion bemerkbar (Hyp.g). Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 623 Man erkennt ihn schon mit bloBem Auge, wenn man das Priiparat gegen das Licht hält. Seine spitz auslaufenden Enden erreichen weder die Schleimhaut, noch die Schiidelbasis. Er zieht zwischen den Bindegewebsfaserbiindeln, welche alle dicht gedrängt der unteren Schädelfläche parallel verlaufen, schräg hindurch und besteht aus epithelialen Zellen, welche rundlich geformt, ähnlich denen des vorderen Hypophysenlappens, sich in unregelmäßigen Gruppen zusammendrängen, wobei sie durch feine intercelluläre Fäserchen alveolenmäßig abgetheilt werden. So ist die Ähnlichkeit mit dem Gewebe des Lobus anterior der Hypophysis, der auf demselben Schnitte getroffen wurde, eine große. Wenn auch in dem Vergr. 4ı. Sagittalschnitt. Knorpel punktirt, Muskel einfach, Knochen doppelt schraffirt. Schnitt hinten nicht genau median, daher die Umgrenzung des Recessus mit einer punktirten Linie einge- zeichnet. Hyp.g Rest des Hypophysenganges, Sph Kern des hinteren Keilbeines, D.m Dura mater. Knochen- und Bindegewebe unter dieser Driise keine Spuren des Hypophysen- ganges mehr nachgewiesen werden können, so nehme ich doch keinen Anstand, den Strang für einen durch Zellwucherung etwas modificirten Rest desselben zu erklären. Die Mucosa der oberen Wand des Pharynx enthält bis zu der Gegend hin, wo der erwähnte Strang liegt, viele Rundzellen und zahlreiche Drüsenanlagen, von denen keine in die Fibrocartilago eindringt. II. Gruppe (7 Fälle). Kleiner Recessus im Gewebe der Rachentonsille. Nr. 48. 29cm lang (24. Woche, 6. Monat). Makroskopischer Befund wie bei Nr. 53. Die Schleimhaut des Rachen- daches ist dicker als in den früheren Stadien, da sie einen ausgesprochen ade- 624 Gustav Killian noiden Charakter angenommen hat. Man misst 1/,—1/. mm Dicke. Sie enthält keine Follikel, dagegen Drüsen und zahlreiche Blutgefäße. Hinten bildet sie die Wände eines kleinen, 1 mm tiefen, trichterförmigen Grübehens (B) und behält ihren adenoiden Charakter. noch eine Strecke weit nach dem Übergange auf die hintere Rachenwand bei. Fig. 5. Sagittalschnitt. Vergr. *#ı. Hyp.g Hypophysengangrest. Das erwähnte Griibchen entspricht seiner Lage nach dem vorderen Ende des Occipitalkernes; es liegt 6,5 mm vor dessen hinterem Ende; bis zur Mitte der Sattelgrubenregion ist 4,0 mm, bis zur Vomerspitze 7,0 und bis zum Nasen- septum 8,0. Vorn, wo das adenoide Gewebe aufhört, in der Gegend zwischen Pflug- scharbein und hinterem Keilbein, bemerkt man innerhalb des basalen Bindege- webes eine für diese Stelle fremdartige Gewebspartie. Sie hat die Hauptrichtung von hinten oben nach vorn unten und findet nach kurzer Unterbrechung eine bis in die Nähe des Epithels gelangende Fortsetzung. Histologisch besteht sie aus epithelialen Zellen in der Anordnung wie im vorderen Lappen des Hirn- anhanges. Sie stellt einen Hypophysengangrest dar. Nr. 61. Embryo von 36 em (29. Woche, 8. Monat). Die obere Wand des Schlundkopfes ist von zahlreichen zierlichen Fältchen eingenommen. Die inneren, kürzeren laufen der Raphe parallel und werden von den äußeren leicht bogenförmigen umschlossen, andere ziehen durch die ROSENMULLER’schen Gruben oder der oberen Grenze der hinteren Pharynxwand entlang. Sie bestehen aus lymphatischem Gewebe, enthalten jedoch keine Follikel. Uber die Dicke des adenoiden Lagers klärt uns Fig. 6 auf; wir sehen, dass dasselbe von vorn nach hinten mächtiger wird und vor dem Re- cessus (B) den größten Durchmesser hat; gleich dahinter wird es sehr dünn, Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 625 setzt sich jedoch noch 1!/; mm weit auf die hintere Rachenwand fort. Man misst vorn !/amm, in der Bursagegend 1, dahinter 0,2, Fig. 6. G. Sagittalschnitt. Vergr. #ı. Pr.Sph vorderes Keilbein, B.Sph hinteres Keilbein, Muc adenoide Schleim- haut, @ venöses Gefäß, v vorderer, glandulärer Lappen der Hypoph., A hinterer, neuraler, $.. Syn- chondr. intersphenoidalis, S.sph.o Synchondros. spheno-oceipitalis. Wenn auch der an der Stelle der Bursa gelegene Recessus ziemlich tief ist (0,9 mm), so bleibt er doch ganz innerhalb der Schleimhaut und tritt nir- Fig. 7. gends in das Gewebe der Fibrocarti- lago ein. Er verdankt seine Tiefe wesentlich der Dicke des vor ihm ge- Peseta ee legenen adenoiden Gewebes und liegt 2a etwas hinter dem vorderen Rande der ; Verknöcherungszone des Hinterhaupt- beines, sowie 10 mm hinter der Nasen- scheidewand und 5 hinter der Mitte des Tiirkensattels. Aus dem Knochentrabekelsystem des hinteren Keilbeines zieht eine dicke Vene in das darunter gelegene fibröse Gewebe (Fig. 6 @). B. H.R Sagittalschnitt. Vergr. |). III. Gruppe (10 Fälle). Beispiele einer wahren Bursa pharyngea; Rachentonsille noch nicht entwickelt. Nr. 4. Menschlicher Embryo von 8%/, cm Länge (13. Woche, 4. Monat). Die obere und die hintere Wand des Schlundkopfes treffen in einem weit offenen stumpfen Winkel auf einander, jedoch ist die Grenze zwischen beiden 626 Gustav Killian deutlich ausgeprigt. Da wo sie sich mit dem hinteren Ende der Raphe kreuzt, bemerkt man ein kleines Loch, welches von einer kleinen »Winkelfalte« hinten und seitlich begrenzt wird. Wie Sagittalschnitte beweisen, bildet es den Eingang zu einem 0,9 mm langen, 0,1 hohen und 0,12 breiten!, spitz auslaufenden Kanal, der schief nach Fig. 8. Sagittalschnitt. Vergr. 29. _C.sph.oce Cartilago spheno-occipitalis. hinten und oben zieht, zwischen die Fasern der Fibrocartilago gelangt und nur 0,2 mm vom Sphenooccipitalknorpel entfernt bleibt. Sein Eingang liegt 3 mm vor dem hinteren Ende des letzteren, in welchem sich bereits die Knorpelzellen durch Quellung ihrer Kapseln auf den Ossifikationsprocess vorbereiten. Der vordere Theil des Präparates wurde in eine Frontalschnittserie zerlegt. Aus ihr ergab sich eine Persistenz des Hypophysenganges vom Schlundepithel bis zum Knorpel. Der Rest des Ganges ist 0,5 mm lang, sagittal 0,241, frontal 0,2 mm breit; er besteht aus einem Haufen epithelialer Zellen. Auch noch Spuren der Chorda konnte ich nachweisen im 3. und 2. Hals- wirbel (inel. des Zahnfortsatzes), dem Bindegewebe zwischen diesem und dem basioceipitalen Knorpel sowie in dem Ende des letzteren bis zu der Stelle, wo die Chorda in das basale Bindegewebe tritt. Weiter nach vorn fand sich nichts mehr. Nr. 11. Länge 141/g cm (17. Woche, 5. Monat). Beginnende Ossifikation im Occipitaltheil der Schädelbasis, vom Vomer einige Knochenbälkchen gebildet. Fig. 9. Sagittalschnitt. Vergr. 4/1. W.F Winkelfalte (Plica angularis). 1 Aus der Schnittserie berechnet. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 627 An typischer Stelle findet sich eine relativ tiefe, in die basale Binde- gewebsschicht eindringende Ausstülpung der Rachenschleimhaut in der Richtung schief nach hinten oben gegen das Hinterhauptsbein bis auf einen gegenseitigen Abstand zwischen beiden von 0,35 mm. Sie ist Eingangs trichterförmig, ver- engert sich dann, um sich darauf beutelförmig auszuweiten. Ihre Länge beträgt 1,1 mm, ihr verticaler Durchmesser am Orificium 0,3, in der Mitte 0,05, hinten 0,1 mm. Der Bursaeingang liegt 5,5 mm vor dem Rande des Foramen occ. magn., 3,5 hinter der Mitte der Sella tureica. Das obere Ende des Constrictor phar. sup. reicht bis auf 0,4 mm an die untere Wand des Kanales heran. Unter der Hypophyse bemerkt man ein zapfenförmig in den Knorpel sich einsenkendes Bindegewebslager. Nr. 15. 16,5 cm Länge (18. Woche, 5. Monat). Aus einem trichterförmigen Recessus am hinteren Ende der Raphe des Schlundgewölbes gelangt man in einen beutelförmigen Anhang, der ganz inner- | halb des Bereiches der Fibrocartilago basilaris gelagert ist und sich nach hinten | Sagittalschnitt. Vergr. 4/1. oben gegen die Schädelbasis wendet, so dass die beide trennende Bindegewebs- schicht nur 0,2 mm Dicke behält. Der Recessus ist 0,5 mm tief, der Sack für sich eben so viel, also beide zusammen 1 mm. Der Eingang zu dem ersteren liegt Fig. 11, Occ. Muc+E Derselbe Schnitt wie in Fig. 10. Vergr. 2%/1. Muwe.+-£ Schleimhaut und Epithel. 4 mm von der Sattelgrube entfernt und 5 von dem hinteren Rand des Basi- Occipitale; der verticale Durchmesser des letzteren beträgt 0,1. 628 Gustav Killian Nr. 16. Länge 16,5 cm (18. Woche, 5. Monat). Dem vorigen Falle sehr ähnlich, nur dass die ganze Bursaausstülpung 0,65 mm lang ist und sich der Basis Cranii auf 0,4 mm nähert. Bemerkenswerth erscheint auch hier die Trennung der ganzen Anlage in einen trichterförmigen Vorraum und eigentlichen Beutel (von 0,2 mm verticalem Durchmesser). Ent- fernung von der Sellamitte 3, vom Nasenseptum 5, von der Vomerspitze 3,5mm. Nr. 25. Embryo von 19 cm (20. Woche, 5. Monat). Das Rachendach bietet typische Verhältnisse, so wie wir sie schon mehr- fach beschrieben haben. Wir sehen in Figur 12 (Tafel XXV) die Medianfurche der oberen Wand des Cavum pharyngo-nasale hinten vertieft und von einer Falte überbrückt (W.F), welche zwei im Winkel zusammenlaufende Fig. 13. Schenkel besitzt. Über dem Scheitel des Winkels weg (bei der Figur unter, weil Ansicht von unten) geht es in die Bursa. Nach außen von den Schenkeln der Plica an- gularis ist der Übergang vom Dache zur Hinterwand ein wenig ausgerundet. Durchschnitte zeigen uns die Bursa in etwas modifieirter Gestalt. Sie ist weit, hat quergefaltete Wände, tritt aber deut- lich in das derbe basale Bindegewebe ein. Abstand vom Hinterhauptsbein 0,6 mm. Tiefe 1,4, vertikaler Durchmesser 0,4—0,2, Entfernung von der Mitte des Sattelgruben- bodens 4, vom Rande des Hinterhauptsloches 5 mm. Sagittalschnitt. Vergr. 2/1. Nr. 28. 20 cm lang (20. Woche, 5. Monat). Hier handelt es sich um ein wirkliches Beutelchen, so groß, dass ein mi- liares Knötchen darin Platz fände. Dasselbe verdankt seine Separirung vom Fig. 14. Sagittalschnitt. Vergr. 4/1. Knorpel punktirt, Knochen doppelt, Muskel einfach schraffirt. Hyp.g Hypophysengangrest, aus neun Schnitten kombinirt. eigentlichen Nasenrachenraume einer vom Rachendach herabhängenden Falte. Durch dies besondere Verhältnis wird der Eingang scheinbar in das Bereich der hinteren Pharynxwand gerückt. Dabei ist aber das Verhalten zum Schlund- Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 629 schnürer und der Fibrocartilago das einer wirklichen Bursa; das Säckchen liegt groGentheils innerhalb der letzteren und nähert sich dem hinteren Schädel- abschnitt auf 0,2 mm. Sein verticaler Durchmesser beträgt 0,6, sein sagittaler 0,2—0,25, in transversaler Richtung misst es 0,175—0,21 mm (aus der Schnitt- serie berechnet). Bis zur Sellamitte sind 6, bis zum hinteren Rand des Ocei- pitale basil. 5 mm. Während man sonst Drüsen im Bereiche der Bursa vermisst, liegen hier einige, als Drüsenanlagen aufzu- fassende Epithelschläuche an ihrer obe- ren Wand; einer derselben scheint sich in ihr Lumen zu öffnen. In demselben Falle fanden sich Reste des Schlundabschnittes des Hy- pophysenganges. Sie vertheilten sich auf neun Schnitte und wurden von mir unter Zuhilfenahme des Hıs’schen Zei- chenapparates kombinirt. Dabei ergab sich, dass sie sich gegenseitig zu einem Strange ergänzten, der ungefähr die in Fig. 14 bezeichnete Lage besitzt. Er ist 1 mm lang und erreicht weder den Knorpel noch das Epithel mit seinen Enden. Die ihn zusammensetzenden Zellen sind ausgesprochen epithelialer Natur und zeichnen sich durch besondere Tinktionsfähigkeit vor dem umgeben- den Bindegewebe aus, so dass schon das unbewaffnete Auge die einzelnen Stücke des Stranges in den Schnitten erkennt. Das Bindegewebslager unter der Hypophyse tritt tiefer als gewöhnlich in den Knorpel ein, in Folge dessen dieser nur eine Dicke von 0,7 mm behält. Sagittalschnitt. Vergr. 2%/;. Dr Drüsen. Nr. 31. Embryo von 21 cm (21. Woche, 6. Monat). Makroskopische Verhältnisse, Fig. 16. wie sie in Fig. 12 (Taf. XXV) dargestellt sind. Die Bursahöhle ließ sich mit einer feinen Borste sondiren. Mit der Lupe fand man zahlreiche zierliche Längsfalten an der Schleimhaut des Rachen- daches, ohne dass dieselbe mikro- skopisch sich als adenoid erwie- sen hätte. Ungemein instruktive Bilder bezüglich der Topographie der in diesem Falle vorzüglich aus- gebildeten Bursa pharyngea er- gab mir eine Serie von Frontal- schnitten. In Fig. 16 ist einer derselben dargestellt. Man erkennt sofort das Lu- Frontalschnitt. Vergr. 12/,, 28. Schnitt vom Bursaeingang men der Rachentasche. Es ist = 0,56 mm Entfernung. M.l.c Muscul. long. capitis. Morpholog. Jahrbuch. 14. 41 630 Gustav Killian wellig begrenzt (wie in sämmtlichen Schnitten), was auf Längsfaltung der aus- kleidenden Schleimhaut schließen lässt. Auf das Epithel folgt zunächst eine dünne Schicht lockeren Bindegewebes, dann die derbe Fasermasse der Fibro- cartilago basilaris, welche die Bursa rings umschließt. Das Ganze liegt zwi- schen den Köpfen der Musculi long. capitis und wird überlagert von dem in den Anfängen des Ossificationsprocesses befindlichen Hinterhauptsbein. Darunter her zieht der Halbring des oberen Schlundschnürers, welcher von der Pharynx- schleimhaut bedeckt ist. Um die Formverhältnisse der Bursahöhle zu demonstriren, gebe ich in Fig. 17 die Formen ihres Lumens in einer Reihe von Schnitten. Man erkennt Fig. 17. ia} + N N LS we x cx a) FA WS, Nr. 2 Nr. 6 Nr. 12 Nr. 22 Nr. 31 Nr. 34 Nr. 35 Nr. 37 0,04 0,12 0,24 0,44 0,62 0,68 07 0,74 Vergr. 12/;. Das Lumen der Bursa in einer Reihe von Frontalschnitten. Die Nummern beziehen sich auf die Schnitte, denen die Umrisse entnommen sind, wobei Nr. 1 den ersten bezeichnet, auf dem das Lumen ganz getroffen ist. Die zweite Zahlenreihe giebt die Entfernung von Nr. 1 in Millimetern an, bei entsprechender Berücksichtigung der Schnittnummern, dass im vorliegenden Falle die Höhle eine Strecke weit ziemlich gleiche Ausdehnung behält und sich dann allmählich verjüngt, also nicht gegen ihr Ende beutelförmig aussackt. In den weiter unten folgenden Fig. 24 und 25, welche sich ebenfalls auf dieses Präparat beziehen, ist die Gegend vor dem Bursaeingange getroffen und die Raphe und Plica angularis im Querschnitte dargestellt, auch zeigen sie eine Aushöhlung der Fibrocartilago basilaris in dieser Region. Die Weite des Bursaraumes beträgt am Eingange 0,4 mm, ihre Tiefe 0,74; innerhalb des fibrösen basalen Gewebes liegt nur ihre hintere Hälfte. Ihr Epithel ist gleich dem der oberen Schlundwand; Drüsen finden sich nur im Bereiche des Orifieium und da spärlich. Die Spitze der Bursa nähert sich dem Occipitalknorpel auf 1 mm. Die Bäuche der Museul. long. capit. sind vor der Bursagegend 2,5 mm von einander entfernt, am Eingange derselben 2 und am Ende noch 1,5. IV. Gruppe (Zahl der Fälle 4). Beispiele einer wahren Bursa pharyngea bei mehr oder weniger entwickelter Rachentonsille. Nr. 47. Embryo von 28,5 cm (23. Woche, 6. Monat). Am Rachendache sieht man zahlreiche sagittale Schleimhautfältchen. Die Winkelfalte hat noch innere Parallelfalten und erst unter diesen gelangt man in die eigentliche Bursa. Diese zeigt sich auf dem Sagittalschnitte als eine beutelförmige Ausstül- pung der Rachenschleimhaut von 1,5 mm Tiefe bei einer Weite des Einganges von 0,2, des Fundus von 0,4 mm. letzteren trennt eine 1 mm dicke Schicht fibrösen Gewebes vom Hinterhauptsbein, gegen das er ziemlich steil ansteigt. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 631 Die Mucosa ist an der oberen Schlundwand zwar adenoid, jedoch dabei mur mäßig verdickt. Die Rundzelleninfiltration reicht hinten bis zum Fundus der Bursa. Fig. 18. Sagittalschnitt. Vergr. 2%). Muc Schleimhaut, E Epithel, Z lockeres Bindegewebe. Als Besonderheit wäre ein adenoider Schleimhautzipfel von 2 mm Länge und 0,15 mm Querdurchmesser zu erwähnen, der ungefähr an der Stelle durch die Fibrocartilago gegen die Sella turcica zieht, wo wir die Reste des Hypo- physenganges gesehen haben. Nr. 59. 35 cm lang (28. Woche, 7. Monat). Pie. 19. Sagittalschnitt. Vergr. 4/;. Hyp.Gew Hypophysengewebe, @ venöser Raum. 41* 632 Gustav Killian Rachentonsille in zahlreichen adenoiden Schleimhautfalten angelegt wie in Nr. 61. Die Falten besitzen bereits eine bemerkenswerthe Dicke, eben so die Plica angularis, unter deren Scheitel man in einen kleinen Bursakanal gelangt. Interessante Verhältnisse ergeben sich auf dem Sagittalschnitte. Wir sehen die Schleimhaut von Rundzellen infiltrirt und verdickt. Sie misst vorn 0,2—0,25 mm, hinten vor der Bursa 0,75 mm, nimmt also nach hinten bedeutend an Dicke zu. Auch die Wände des Bursakanales sind adenoid (Dicke 0,3—0,5 mm), eben so die hintere Rachenwand bis auf 1 mm Entfernung vom Eingange desselben. Follikel fehlen. Die kanalförmige Rachentasche ist in diesem Falle die tiefste, welche ich beobachtet habe; sie hat eine Länge von 2,3 mm. Dabei stellt ihr Lumen auf dem Sagittalschnitt einen feinen Spalt dar. Sie nimmt ihren Verlauf fast direkt. gegen das Occipitale basilare und kommt ziemlich nahe an dasselbe heran. Vom Lumen aus gemessen sind es 0,65 mm, von der ober- sten Grenze der adenoiden Bursa- wand aus 0,4. Die Bursa liegt etwas hinter dem vorderen Ende des oceipi- talen Knochenkernes (ca. 1,5 mm) und ist vom Septum narium 9 mm entfernt. Das unter der Hypophyse gelegene, die Sattelgrube aus- füllende Bindegewebe zieht in Gestalt eines dicken Strangse (Fig. 19) mitten durch den Kern des hinteren Keilbeines in der Richtung nach vorn unten und strahlt mit seinen Fasern in die Fibrocartilago basilaris aus, wo- bei dieselben sich jedoch meist dicht an die untere Schädelfläche halten. Da das Gewebe der Sella turcica mit der Dura mater in Kontinuität steht, so stellt der Strang eine Fortsetzung des. Periostes der inneren Schädeloberfläche in das der äußeren dar, was man auch direkt an Fig. 19 sehen kann. | Die Bluträume unter dem Hirnanhang kommuniciren mitten durch den Strang in breiter Bahn mit den Venen im basalen Gewebe und besonders den vorderen, nach dem Vomer hin verlaufenden (auf benachbarten Schnitten noch deutlicher als in Fig. 19). Im Bereiche der unteren Austrittsstelle des Stranges und hinter seinem venösen Lumen liegt eine längliche, schief von hinten oben nach vorn unten verlaufende Gewebsmasse innerhalb der Fibrocartilago, von eigenartigem Bau (Hyp.Gew). Eine Vergleichung mit dem der Hypophysis ergiebt eine völlige Übereinstimmung zwischen beiden. Vomerspitze und Kern des hinteren Keilbeins sind sich in diesem Stadium merklich näher gerückt als in früheren. N } HR. Sagittalschnitt. Vergr. 2/1. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 633 In den vorgefiihrten Beispielen tritt uns die Bursa pharyngea in fertigem Zustande entgegen. Einen Aufschluss über die Art ihrer Entstehung geben sie uns nicht. Dazu müsste man auf frühere Ent- wicklungsperioden, als sie mir zu Gebote standen, zurückgreifen. Solche sind zwar in dem bekannten Werke von Hıs: »Zur ‚Anatomie menschlicher Embryonen« in exakter Weise dar- gestellt, aber ich bemühte mich vergebens an den Zeichnungen seiner für den vorliegenden Zweck wenig geeigneten Frontalschnittserien Andeutungen einer Bursa pharyngea aufzufinden. Die frühesten ausführlichen Nachrichten über dies Gebilde bleiben daher immer noch die von FRORIEP in seiner mehrfach eitirten Arbeit: »Kopftheil der Chorda dorsalis bei menschlichen Em- bryonen«, 1882. Bevor ich auf diese eingehe, will ich zuerst die hierher gehörigen Äußerungen von LuscHKA, Dursy und GANGHOFNER anführen. Ersterer erwähnt, dass er wiederholt bei S—12wöchentlichen Embryonen »inmitten des Schlundkopfgewölbes ein kleinstes Grüb- chen« gefunden habe, »welches in ein kurzes, blindgeendigtes Kanälchen führte, dessen Einmündung in der Richtung von vorm nach hinten von einem halbmondförmigen Schleimhautkläppchen über- lagert wurde«. Trotz der unbestimmten Ortsangabe nehme ich keinen Anstand, diese Beschreibung auf die embryonale Bursa zu beziehen, weil die Angabe der Richtung des Kanälchens und der Klappe mit dem stimmt, was FRORIEP im dritten und ich im vierten Monate gesehen haben. In den Stadien, »bei welchen die Bildung des Gau- mens erst angefangen hatte«, fand LuscHhkA keine Spur eines Grübchens!. Doursy findet »bei allen etwas älteren Embryonen ? regelmäßig — eine von der Schlundhöhle schief rückwärts gegen den Hinterhaupts- körper gerichtete Ausbuchtung, die ihre Lage in der Gegend des Überganges des Schlundgewölbes in die hintere Schlundwand ein- nimmt. An dieser Stelle ist die Anfangs völlig glatte Scheimhaut dem Hinterhauptskörper inniger angeheftet und sie macht sich bei Embryonen meist nur als ein kleines trichterförmiges Grüb- chen bemerklich, welches um so leichter der Beobachtung entgehen kann, weil es von hinten her durch eine halbmondförmige Falte 1 Eben so wenig beim »älteren Fitus«, vgl. »Hirnanhang und Steißdrüse« pag. 35. 2 7 cm und mehr. 634 Gustay Killian klappenartig überragt wird«. Diese Beschreibung ist sehr zutreffend fiir die Fille, welche ich in Gruppe I beschrieben habe; eine wahre sackférmige Bursa hat aber Dursy offenbar nicht gesehen. Eben so wenig GANGHOFNER, der im 3. Monat ein »kleines, öfters stecknadelkopfgroßes Grübehen oder eine seichte Einziehung der Schleimhaut« beschreibt. Was nun FRORIEP angeht, so hatte sein jüngster Embryo, nach ToLpT gemessen, eine Länge von 2,4 cm, stammte somit aus der 6. Woche. Die kleine Einsenkung, welche sich bei demselben wahr- nehmen lässt, erscheint mir, der entsprechenden Abbildung (Taf. III Fig. 1) nach zu schließen, so geringfügig, dass ich daran zweifle, ob sie mit der Bildung einer Bursa irgend etwas zu thun hat. In Rücksicht auf die Ergebnisse meiner Statistik, dass in ?/; der Fälle überhaupt nichts Bursaähnliches zur Entwicklung gelangt, halte ich diesen auf einen einzigen Fall sich stützenden Befund um so weniger für verwerthbar. Eine wirkliche Bursa pharyngea besitzt erst der Embryo IIL (Länge nach ToLDT gemessen = 6,5 cm, also aus der 11. Woche), wie uns beifolgende (Fig. 21), höchst instruktive Frortep’sche Zeich- nung lehrt (l. c. Taf. III Fig. 3). Diese Rachentasche stimmt mit der von mir beschriebenen in jeder Hinsicht überein. Sie ist 0,375 mm tief. Ihre Entfernung von dem Hypophysengange beträgt 2,14, vom Septum narium 2,3, vom hinteren Ende der Cartilago spheno-occipitalis 2,57 mm!. Der Con- strietor reicht bis an die Bursa heran; die Chorda dorsalis aber, welche an dieser Stelle durch das basale Gewebe verläuft, tritt mit einem ihrer Knäuel fast in direkte Berührung mit dem Epithel der Bursaspitze. Besonderes Gewicht legt FRORIEP noch auf die (mit o.ph in Fig. 21 bezeichneten) Bindegewebszüge, welche vom Rande des Oceipitalknorpels zur hinteren Wand der Bursa ziehen und von ihm Ligamentum oceipito-pharyngeum genannt werden. Wir sehen, auch bei diesem Embyro ist die Rachentasche fertig gebildet; weitere verwerthbare Beobachtungen stehen nicht zur Verfügung. Es bleibt daher einstweilen fraglich, wann sich die Bursa entwickelt und wie dies von statten geht. Bei der Inkonstanz ihres Vorkommens bedürfte es eines größeren Materials von Em- bryonen aus den ersten drei Monaten, um zu einem endgültigen 1 Diese Maße sind nach Fig. 21 aufgenommen und entsprechend der Ver- größerung 14/1 redueirt. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 635 Entscheid zu gelangen; zumal sie unter zehn Fällen einmal, höch- _ stens zweimal in guter Ausbildung gefunden wird. Von Fällen, wie ----hseh: Ch. Sagittalschnitt. Vergr. 4/;. b.ph Bursa pharyngea, o.ph Ligament. occipito-pharyng., est Constrieto- pharyng., Ph obere Pharynxwand, gy Hypophysengang, « Uvula, e Epithel, Sph.E Spheno-cthmoidal- knorpel, vorderer, ¢ hinterer Lappen der Hypophysis, v.sch vorderer, h.sch hinterer Schädelbalken, Sph.O Spheno-occipitalknorpel, Ch Chorda, A Arcus Atlantis, D Dens Epistroph., Z Epistropheus (Nach Froriep.) ich sie in Gruppe I beschrieben habe, sehe ich dabei natiirlich ganz ab. 636 Gustav Killian Um den Mangel an positiven Beobachtungen auszugleichen, ist die Theorie vorausgeeilt und hat uns fast eben so viele Anschau- ungen über den Entwicklungsmodus der Rachentasche gebracht, als sich tiberhaupt Forscher mit dem Gegenstande beschiftigten. TorruaL und vor ihm schon A. F. J. C. Mayer glaubten an eine Beziehung derselben zur Entwicklung der Keilbeinhöhle, eine Ansicht, die schon LuscHkA als irrig erklärte, ohne dass er jedoch den einfachen Grund geltend machte, dass beide Bildungen, sowohl was Ort als Zeit angeht, weit aus einander liegen. Anders steht es mit der Theorie, die Luscuxa selbst aufgestellt hat und die sich Anhänger bis in die neueste Zeit bewahrte (MEGE- VAND |]. e. pag. 31). Er glaubte, dass die Bursa sich aus dem Rachenabschnitt des Hypophysenganges entwickele. Hierzu bewog ihn die Beobachtung eines achtmonatlichen Fötus, bei dem er in der Verbindungslinie beider Carotiden eine */, mm breite, rund- liche Öffnung am Rachendache fand, durch die man in einen 1 mm tiefen Kanal gelangte. Dieser galt ihm als Bursa pharyngea em- bryonalis. Im Boden des Türkensattels befand sich ebenfalls ein Kanal von 5 mm Länge. der schief nach vorn verlief und in den sich ein Zipfel der Dura erstreckte. Eine Verbindung beider Kanäle hielt er für sicher, ohne dies jedoch genauer untersucht zu haben. Zur weiteren Bestätigung seiner Ansicht führt LuscHkA noch den Fall KLıykoscn (Dissertat. Prag. sel. I pag. 199) an!, den RATHKE? bereits richtig gedeutet hatte, immer unter der falschen Voraussetzung, unterer Theil des Hypophysenganges und Bursa seien dasselbe. Den Einwand, dass die letztere eine ganze Strecke weit hinter der Sella tureica liege, scheint er sich selbst gemacht zu haben, glaubte ihn aber durch Annahme einer im Verlaufe des Wachsthums sich geltend machenden Verschiebung zwischen Schädelbasis und den nach hinten rückenden Weichtheilen des Rachendaches beseitigen zu können. Während LAnnzerr diese Erklärung acceptirte, machte Dursy bereits triftige Gründe gegen sie, sowie überhaupt gegen die LuscuKka’sche Theorie geltend. Er hob hervor, dass die unter dem 1 Meningoencephalocele bei einem Hydrocephalen; die Geschwulst war durch eine federspulweite Öffnung der Sattelgrube hindurchgetreten. 2 MüLter’s Archiv 1839 pag. 232. RATHKE dachte an eine Entstehung des Hydrocephalus vor Schluss des Hypophysenganges. Einen ähnlichen Fall beschrieb RrppMANN, Dissert. Zürich 1865. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 637 Hinterhauptskörper gelegene Bursa ihren Grund anstatt nach vorn. nach hinten richte, was gegen eine Verschiebung im Sinne LuscHKA’s spreche. Im Übrigen liege die Bursa auch schon bei Embryonen hinter den Tubenmündungen zu einer Zeit, wo der Hypophysengang. »der in der Gegend der sogenannten Gesichtskopfbeuge seine Stelle fand, längst verödet sei.« FRORIEP konnte schon bei einem ganz jungen Embryo aus dem 3. Monat (vgl. oben) eine beträchtliche Entfernung zwischen der Rachentasche und einem im Knorpel noch kenntlichen Hypophysen- gangrest konstatiren, zudem führte er den Nachweis, dass gerade der zwischen beiden gelegene Abschnitt der knorpeligen Schädelbasis relativ langsam wachse. Es muss also schon von Anfang an die Stelle der Bursa eine Strecke weit hinter der RATHkE'schen Aus- stülpung gelegen haben. Da FrorRIEP die Spuren des Hypophysenganges nur im Knorpel der Schädelbasis fand, so könnte immer noch der Einwand gemacht werden, dass durch seine Beobachtung eine ursprüngliche Entwick- lung der Rachentasche aus dem im basalen Gewebe gelegenen Theil des Ganges nicht ausgeschlossen sei, sofern LuscHKA mit seiner Behauptung der Rückwärtsschiebung doch Recht hatte. Wenn der Knorpel in dieser Gegend langsamer wachse, so müsse das nicht nothwendig auch bei den ihn von unten bedeckenden Weichtheilen der Fall sein, im Gegentheil, wenn diese nicht langsamer, sondern nur gleichmäßig wie alle anderen zunähmen, so müsste dadurch ge- rade eine Verschiebung zu Stande kommen. Dem gegenüber erscheint es wünschenswerth, über das Verhalten des untersten Theiles des Hypophysenganges genau orientirt zu sein. Dursy, WILHELM MÜLLER, MIHALKOVICS stimmen gemäß ihrer Untersuchungen an Embryonen der verschiedenartigsten Wirbelthiere darin überein, dass er im Ganzen relativ früh zu Grunde geht. Ausnahmslose Regel ist dies nach Hrerrwic' jedoch nur bei den höheren Wirbelthieren, während er bei niederen sogar zeitlebens sich erhalten kann (z. B. bei den Selachiern)?. Ausnahmsweise scheint bei höheren Vertebraten in einzelnen Fällen denn doch die Möglichkeit eintreten zu können, dass die 1 Entwicklungsgeschichte pag. 325. 2 WALDSCHMIDT (Anatom. Anzeiger, II. Jahrg. Nr. 11) behauptet dies von Polypterus bichir. — BEArD (Anatom. Anzeiger 1885 Nr. 1) von den Cy- clostomen. 638 Gustav Killian Reste des Ganges über die gewöhnliche Zeit hinaus nachweisbar bleiben. Einen solchen Fall bildet KöLLiker! ab; es handelt sich um einen Schafsembryo von 3,5 em Länge, bei dem der Hypophysen- gang sich als feiner Strang sowohl in der knorpeligen Schädelbasis, als auch in den diese von unten deckenden Weichtheilen erhalten hat. Was die letzteren allein angeht, so habe ich bei Embryonen von Crocodilus biporcatus bis zu 10 cm Körperlänge, bei denen der Ossifikationsprocess am Schädel bereits im Beginn war, noch Reste des Ganges in denselben auffinden können. Die Verhältnisse des Hypophysenganges bei den verschiedenen Wirbelthieren geben zwar allgemeine Direktive, sind aber für unseren Zweck hier nicht unmittelbar dienlich, weil, wie wir weiter unten sehen werden, letztere fast alle der Bursa pharyngea entbehren. Wir müssen daher unser Augenmerk speciell auf menschliche Em- bryonen richten. Hier bemerkt nun Dursy (l. e. pag. 78): »Beim Menschen habe ich nach vollzogener Abschnürung des Schlundsäckchens niemals eine Spur eines Restes desselben in Gestalt einer in die Schlundhöhle sich öffnenden Grube oder Tasche wahrnehmen können.« Negativ waren auch die Befunde von WıLHELM MÜLLER bei menschlichen Embryonen von 24 mm Länge und v. NOORDEN’S von 18,5 mm (Nackensteißlänge — 7'/, Woche). Dem entgegen fand FRORIEP bei seinen sämmtlichen sechs Föten von 2,6 cm (6. Woche) bis 8,5 em (14. Woche) Länge (n. Torpr) Spuren des Hypophysenganges, jedoch nur innerhalb des Knorpels . und bei den älteren nur durch Form und Stellung der Knorpelzellen kenntlich. Meine Beobachtungen stammen alle aus späterer Zeit; der jüngste meiner Embryonen, den ich mikroskopisch untersuchte, war 8?/, em lang?. In keinem der Fälle, in denen der Boden der Sattelgrube noch knorpelig war, sah ich etwas Ähnliches wie FRORIEP, dagegen gelang es mir fünfmal im Bereiche der Fibrocartilago basilaris Zell- stränge nachzuweisen, die auf den Hypophysengang zurückzubeziehen sind und bitte ich darüber die Fälle Nr. 4, 28, 48, 53 und 59 zu vergleichen. Die Gewebselemente, um die es sich unter der Sellagegend 1 Entwicklungsgeschichte, 2. Aufl. pag. 528. 2 Embryo Zw der Hıs’schen Sammlung (Archiv von His 1887 pag. 241). 3 Nr. 4, III. Gruppe. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 639 handelt, sind derbe Bindegewebsstränge und Blutgefäße. Die acinösen Drüsen überschreiten nicht die Grenze der Schleimhaut. Es muss daher jegliches andersartige Gewebe und speciell epitheliales in dieser Region unsere ganz besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Wir fanden solches in Gestalt eines Stranges, der zwischen den Bindegewebsfaserbündeln der Fibrocartilago basilaris schief von hinten oben aus dem Bereiche des Basisphenoid nach vorn unten zog und in allen fünf Fällen dieselbe Lage einnahm (man vergleiche die be- züglichen Fig. 4, 5, 14, 19). Es war daher von vorn herein die Annahme gerechtfertigt, dass es sich hier um ein bestimmtes anato- misches Gebilde handelte. Das einzige, welches in der fraglichen Gegend im Verlaufe der ersten Entwicklung seinen Platz fand, ist aber der Hypophysengang. Dass der Strang thatsächlich auf diesen zu beziehen ist, wird durch die gefundene Übereinstimmung seiner Elemente mit denen des vorderen Lappens des Hirnanhanges direkt bestätigt. Die ursprüngliche Beschaffenheit hat er sich allerdings nicht be- wahrt; seine Zellen machten vielmehr die analogen Umwandlungs- processe für sich durch, wie sie bei der Bildung des Hypophysen- gewebes vor sich gehen. Man hätte vielleicht erwarten dürfen, dass ein Rest des Hypo- physenganges ein wenig weiter nach hinten liegen und in gerader Richtung das basale Gewebe durchsetzen müsste. Nun sehen wir aber schon an der FRorRIEP'schen Zeichnung (Fig. 21), dass der Rest durch den vordersten Theil des Bodens der Sattelgrube zieht. Dem entspricht vollständig die Lage des centralen Endes des von mir gefundenen Stranges. Das periphere hat sich dagegen etwas nach vorn geschoben, was darauf schließen lässt, dass die der Schädel- basis entfernter liegenden Schichten der Fibrocartilago im Verlaufe des Wachsthums ein wenig nach vorn gerückt sind, wobei sie den Zellenstrang mitnahmen. Eine bessere Bestätigung für alle diese Schlüsse hätte ich nicht wünschen können, als sie eine Beobachtung von SUCHANNER liefert, von der ich bei Durchsicht der neuesten Litteratur Kenntnis erlangte. Es handelt sich um eine Persistenz des Hypophysenganges bis zum 4. Lebensjahre. Man sah »am Rachendach, gerade gegenüber der Hypophysen- grube eine Einsenkung und in dieser eine pilzförmige, rundliche, eirca 4 mm hohe und 3,5 mm im Durchmesser haltende Hervor- ragung«. Von ihr aus zog, wie der Sagittalschnitt (Fig. 22) klarlegte, 640 Gustav Killian schief nach hinten und oben mitten durch den Boden der Sattelgrube ein von fibrösem Gewebe umhüllter, 2 cm langer, unten 2, oben 4 mm dicker Strang, der aus Hypophysengewebe bestand. Pigs: 22, Sagittalschnitt durch die mittlere Schädelbasis eines vierjährigen Mädchens. v.k vorderer Keilbein- körper, h.k hinterer, H.p Hinterhauptsbein, H oberer Theil des vorderen Hypophysenlappens, H' unte- rer Theil desselben in der Racherschleimhaut, 7 Tube, Pt oberer Rand der Tonsilla pharyngea, Pi unterer Rand derselben, E Exostose. (Nach SucHANNER.) Wie sich derselbe in seiner Lage zum vorderen und hinteren Keilbeine verhält, lässt das Präparat nicht mehr erkennen; denn die Synehondrose zwischen beiden Knochen ist ja längst geschwun- den. Wir wissen aber zur Genüge, dass der Hypophysengang stets durch die Region des hinteren Keilbeines (oder des Basisphenoid) zieht; es ist daher entgegen der Meinung des Autors noch ein kleiner Abschnitt der Knochensubstanz vor dem Strange diesem Knochen zuzurechnen (vgl. Fig. 23). Verfasser betont, dass dieser Fall einen direkten Beweis gegen die LuscuKa’sche Theorie liefere, weil bei ihm trotz der Persistenz des Hypophysenganges eine Bildung, wie sie LuscHkA als Bursa pharyngea bezeichnet, ganze 2 cm weiter nach hinten liege. Seine Beweiskraft wird jedoch dadurch etwas abge- schwächt, dass es sich nicht mehr um embryonale Verhältnisse handelt und weil, wie wir unten sehen werden, fraglich ist, ob die hier vor- handene, sogenannte Bursa mit der embryonalen in irgend einer Be- ziehung steht. Für uns beweist der Fall unter allen Umständen, dass der ganze Hypophysengang und, worauf es uns ankommt, speciell sein unterer Theil persistiren kann, dass er vom Schlundepithel an Hypophysen- gewebe zu bilden im Stande ist, dass die ganze Anlage später eine Uber die Bursa und Toasilla pharyngea. 641 schiefe Richtung von vorn unten nach hinten oben einnimmt, Alles wie in unseren Fällen. Handelt es sich in diesen also unbestreitbar ebenfalls um eine Persistenz des Hypophysenganges, wenn schon nur in seinem den Weichtheilen des Rachendaches angehörenden Abschnitt, dann be- sitzen sie mehr Beweiskraft gegen die Ansicht LuscuKa’s als alle bisherigen einschlägigen Beobachtungen und daran geschlossenen theoretischen Erörterungen. Denn sie zeigen uns auf der einen Seite die Bursa pharyngea und zwar entweder in vollendeter Aus- bildung (Nr. 4, 28, 59) oder doch wenigstens als Recessus angedeutet (Nr. 48, 53), auf der anderen Reste des Schlundtheiles der Raruke’schen Ausstülpung. Beide Bildungen liegen weit aus ein- ander, selbst in früher Embryonalzeit. Sie existiren jede für sich und eine Zeit lang gleichzeitig. Dies schliefst jegliche ge- netische Beziehung derselben zu einander vollkommen aus. Ehe ich dies Thema verlasse, mag es mir gestattet sein, auf eine nicht selten zu beobachtende Anomalie näher einzugehen, die lange Zeit mit Unrecht zu Gunsten der LuscuKa’schen Theorie aus- ‚gebeutet wurde. Es machte nämlich Lanpzert (1868) darauf aufmerksam, dass unter der Hypophysis ein mit der Dura mater zusammenhängendes Bindegewebslager sich befinde, welches »nach Art eines Keiles bald mehr, bald weniger tief in den Knochen eindringe«, ja sogar häufig bis zur Fibrocartilago basilaris gelange. Am macerirten Schädel finde sich dann im hinteren Keilbeine ein Loch, welches beim Fötus regelmäßig, beim Neugeborenen Fig. 23. in 10 °/, der Fälle beobachtet / werde. Bei den letzteren sei der durchtretende Bindegewebs- strang s—10 mm lang, meist hohl und lasse eine Borste eindringen, jedoch nie bis in die Rachen- höhle durchpassiren. Er nennt den Kanal im Knochen: Ca- nalis cranio-pharyngeus. Man sieht ihn in Fig. 23, einer der Lanpzert’schen Zeichnun- sen, abgebildet. Sagittalschnitt durch einen männlichen Schädel von Schon 1857 hat VircHow © 5!/2Monat. a Synchondrosis intersphenoidalis, b Synch. spheno-occipitalis, c Canalis cranio-pharyngeus. (Untersuchungen über die Ent- (Nach Laxpzerr.) 642 Gustav Killian wicklung des Schädelgrundes, Berlin 1857 pag. 26) bei 3—4monat- lichen Embryonen Ähnliches beschrieben, ohne jedoch von einer vollständigen Durchbohrung des hinteren Keilbeines zu reden. Dursy erwähnt, dass bei menschlichen Föten (von 5—18 cm) der Knorpel in der Hypophysengegend »von oben und auch von unten triehterförmig vertieft« sei. Später fände man bei älteren und jüngeren Keilbeinen Löcher in der Sattelgrube (bereits 1860 von LuscHkA bemerkt), von denen ein größeres gegen das Centrum des Basisphenoid dringe. Dieses Loch, welches offenbar identisch ist mit dem von LAnD- ZERT beschriebenen, konnte GANGHOFNER an 34 macerirten Schädeln von Neugeborenen jedes Mal nachweisen, auch fand er öfter den LAanpzerr'schen Bindegewebstrichter in mäßiger Ausbildung; nur einmal war er stärker entwickelt und enthielt ein arterielles Gefäß. In einem anderen ausführlich beschriebenen Falle aber han- delte es sich um einen wirklichen Canalis cranio-phar., ausgefüllt von einer soliden Bindegewebsmasse, welche nach vorn und hinten bogen- förmig mit ihren Fasern in die Fibrocartilago ausstrahlte. Für alle diese Fälle geben unsere obigen Figuren Beispiele. Das LanpzeErRt’sche Bindegewebslager unter der Hypophyse finden wir in Fig. 4 und 10 dargestellt; ausgesprochen trichterförmig ist es in Fig. 9, die Schädelbasis fast durchbohrend in Fig. 14. Die Dursy’sche Einschnürung der Sattelgrubengegend zeigen Abbildung 9, 10, 14, den Austritt eines dicken Gefäßes aus derselben nach unten Abbildung 6, die von LAnDZERT beschriebenen Verhältnisse jedoch mit allen Details Fig. 19, und verweise ich zugleich auf die zuge- hörigen Beschreibungen, namentlich bei dem letzteren Falle. LANDZERT deutete nun seinen Kanal als Durchtrittsstelle des Hypophysenganges und den hohlen Bindegewebsstrang als Rest des letzteren, aus dessen pharyngealem Ende die Bursa hervorgegangen sein soll; dabei hält er an der Theorie der Rückwärtsschiebung fest. VIRCHOW, MÜLLER und GANGHOFNER! glaubten nur an den Durch- tritt von Gefäßen, während Dursy feststellte auf vergleichend em- bryologischem Wege, dass die Raruke’sche Tasche einen Verlauf nehme, der »dem mittleren Abschnitt des hinteren Keilbein- 1 GANGHOFNER wollte dabei aus den Untersuchungen von W. MÜLLER schließen, dass der Hypophysengang durch die Gegend der Synchondr. inter- sphenoidalis seinen Weg nähme, was nur auf einem Missverständnis von Seiten GANGHOFNER’s beruhen kann. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 643 körpers« entspreche, also mit anderen Worten dem LAnDzErr'’schen Kanal. Dies wird durch Fall SucHANNEK, sowie ganz besonders überzeugend durch meine Beobachtung Nr. 59, Fig. 19, bestätigt. Denn wir fanden dicht an dem durch das Basisphenoid tretenden Bindegewebsstrang einen Rest Hypophysengewebe. Dasselbe ist so gelagert, dass man annehmen muss, der Hypophysengang sei in früherer Embryonalzeit mitten durch die Bindegewebsmasse hindurch- getreten, oder vielmehr durch das embryonale Gewebe, aus welchem dieselbe hervorging. Dass das Bindegewebe als solches mit der, lediglich aus Epithel bestehenden RATHKE’schen Ausstül- pung nichts zu schaffen hat, brauchen wir Lanpzert nicht zu be- weisen. Was er aber für die Höhle der letzteren ansah und sondirte, ist nichts weiter als ein venöser Kanal, der von den subpituitaren Venenräumen zum vorderen Abschnitt des basalen Bindegewebslagers geht (vgl. Fig. 19). Dass Lanpzerr unter solehen Umständen eine Borste nicht bis in den Nasenrachenraum durchführen konnte, er- scheint daher begreiflich. Wissen wir nunmehr, um was es sich bei seinen Beobachtungen handelte, so bleibt uns doch noch die morphologische Bedeutung der ganzen Anomalie unklar. Erst ein vergleichend anatomischer Rück- blick giebt uns in dieser Hinsicht genügenden Aufschluss. Nach MıctucHo MaAcLAY, W. MÜLLER, PARKER findet sich bei Selachiern und Teleostiern in frühen Entwicklungsstadien in der Schädelbasis ein von den Trabeculae umschlossener Raum, in welchem Carotiden, Hypophyse und Infundibulum liegen und der später erst von unten knorpelig abgeschlossen wird. Der Pituitarraum der Lacertilier hat zeitlebens einen mem- branösen Boden, der durch das hintere Ende des griffelförmigen Parasphenoid gestützt wird (PARKER). Bei Krokodilembryonen besteht in dem knorpeligen Pri- mordialeranium unter der Hypophyse ein Loch, durch welches der Hypophysengang und die Carotiden treten und das im Übrigen mit Bindegewebe ausgefüllt ist. Eine der frühesten Knochenschichten des Basisphenoid bildet sich in letzterem und schließt so die Sattel- grube von unten ab (PARKER). Ähnliche Verhältnisse zeigen Vogelembryonen (Dursy) und PARKER sagt von Hiihnerembryonen aus der zweiten Woche: »Der eireumpituitare oder Basisphenoidalabschnitt wird von einem nahezu kreisförmigen Pituitarloch durchbohrt, in welches der Pituitarkörper sich herabsenkt, und durch welches zugleich die inneren Carotiden 644 Gustav Killian in die Schädelhöhle treten.« Mit diesen nimmt eine entsprechende Menge Bindegewebe denselben Weg (Dursy). Bei den Säugethieren ist das Verhältnis der Carotiden zu dem Basisphenoid ein anderes als bei den bisher beschriebenen Thier- klassen und speciell den Vögeln; sie treten nämlich zu den Seiten des hinteren Keilbeines in den Schädel. Nur die Marsupialia ver- halten sich den Vögeln analog. Es kann also nicht mehr erwartet werden, dass rechte und linke Carotis interna mit dem Hypophysen- gange denselben Weg nehmen. Dieser Gang wird nur mehr Binde- gewebe und allenfalls kleinere Gefäße zur Begleitung haben. Ein solches Verhältnis bieten die Embryonen einiger Edenta- ten und Insectivoren. Ihre bereits verknöcherte Schädelbasis hat, nach PARKER, eine Öffnung, durch welche in früheren Stadien die RATHKE’sche Tasche ihren Weg genommen hatte. Bei Rindsembryonen (2,4 cm) fand Dursy ein ganz entsprechen- des Verhalten der knorpeligen Basis Cranii, welche »innerhalb des hinteren Keilbeinkörpers durch einen breiten Bindegewebsstreif völlig unterbrochen war«. Dieser Streif enthielt ein vertikal aufsteigendes Blutgefäß. Die Sattelgrube des Hasen und des Kaninchens entbehrt dauernd eines knöchernen Bodens und wird beim ausgewach- senen Schädel durch Bindegewebe verschlossen (DursY, PARKER). Somit ist der Canalis eranio-pharyngeus mit seinen Adnexen eine Bildung, welche beim Menschen keineswegs vereinzelt da- steht, sondern der eine weit ins Wirbelthierreich zurückgrei- fende Bedeutung zukommt. Sie verdient daher mit vollem Recht unter die Atavismen gerechnet zu werden. Wir kommen nun zu einer Theorie über die Entstehung der Bursa pharyngea, welche der neueren Zeit angehört und FRORIEP zum Urheber hat. Er glaubte, dass der Kopftheil der sich rückbildenden Chorda bisweilen die Bursa pharyngea zur Entwicklung bringe. Jene bildet nämlich auf ihrem Wege durch das basale Gewebe mehrfache Kno- ten (vgl. Fig. 21). Einer derselben kommt dem Epithel der Bursa- spitze bis zur Berührung nahe. FRorrep baut darauf den Schluss, dass sich eine Bursa dann entwickle, wenn eine retropharyngeale Chordaanhäufung bis an das Epithel des Schlundkopfes vordringe. Es werde dann die berührte Stelle des Epithels fest- gehalten, wodurch bei der späteren Abdrängung der Schlundwand von der Schädelbasis, welche durch die vermehrte Naekenbeuge und Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 645 durch die Entwicklung des Musculus long. capit. bedingt wird, eine trichterformige Ausstülpung entstehe: die Bursa pharyngea. Dabei unterstütze die Aktion eines früh auftretenden Bandes, das vom hin- teren Occipitalrande zur hinteren Bursawand herantrete (Ligam. occi- pito-pharyngeum) in bedeutendem Grade das Festhalten des betref- fenden Schleimhautzipfels. Diese Theorie hat den großen Fehler, dass sie zu sehr auf einen einzelnen Fall zugespitzt ist; denn in allen anderen fünf Beobachtungen FRroRIEP's ist kaum die leiseste Spur einer Vertiefung an der Stelle der Bursa vorhanden. Wie aus ihnen allen hervorgeht, bildet die Chorda mehrere Knoten von ihrem Austritt bis zu ihrem Wiedereintritt in die Cartilago spheno-occipitalis. Es wäre daher zu erwarten, dass gelegentlich auch einmal an einer anderen Stelle weiter vorn eine Bursa entstände, denn diese Knoten kommen mehrfach dem Epithel sehr nahe. Wir wissen aber aus meinen Beobachtungen, dass die Ra- chentasche stets einen typischen Platz einnimmt und zwar genau denselben wie in Fig. 21. Der Einfluss der Abdrängung der Schlund- wand könnte sich ganz gut noch etwas weiter nach vorn geltend machen. Aber FRORIEP führt ein weiteres Moment ins Feld, die Wirkung seines Lig. oceipito-phar. Ich halte dasselbe für den hintersten Theil der Fibrocartilago basilaris, der dann allerdings früher als der übrige Theil (nach Frorter) derbe Bindegewebszüge zeigen würde. In meinen Fällen ist er mit den übrigen Bindegewebsmassen der Fibro- cartilago bereits zu einem organischen Ganzen verschmolzen. Das Ligament könnte nur einen Zug ausüben, wenn es inseinem Wachs- thum nicht mit dem der Umgebung gleichen Schritt hielte; es müsste aber dann fast in allen Fällen zu einer Bursaausstülpung kommen, was in Wirklichkeit nicht beobachtet worden ist. Was schließlich das Festhaften des Rachenepithels an der zu Grunde gehenden Chorda betrifft, so kann ich mir davon keine rechte Vorstellung machen, Erwähnt sei hier noch, dass SEESEL bei Hühner- und Säugethier- Embryonen neben und nach unten von der Hypophysentasche eine zweite taschenförmige Ausstülpung des Darmblattes beschrieben hat, welche sich später »als einen von dem Verbindungsstrang der Hypo- physe abgehenden Nebenzweig darstelle. Da vielleicht Jemand an eine Beziehung zur Bursa pharyngea denken könnte, so sei nur an- geführt, was SELENKA in neuester Zeit nach gründlicher Untersuchung Morpholog. Jahrbuch. 14. 4? 646 Gustav Killian des Gegenstandes schreibt, nämlich »dass der SEESEL'schen Tasche keine besondere morphologische Bedeutung zukomme, sondern dass diese Querfurche des Schlundes vielmehr mechanisch gebildet werde und zwar erstens durch die Hirnbeuge und zweitens durch das vorspringende Rachensegelc. Eine neue Bildung, die SELENKA entdeckte und Gaumen- tasche nennt, hat ebenfalls für uns hier keine Bedeutung, denn sie fällt in jene frühe embryonale Zeit, wo sich die Chorda entwickelt, und ist bereits geschlossen, wenn die Hypophyse sich zu entwickeln beginnt. Die Besprechung der DursyY-GANGHOFNER'schen Theorie spare ich mir für später auf; da es wünschenswerth ist, vorher das Ver- halten der Bursa pharyngea während des Embryonallebens bis zur Geburt hin genauer betrachtet zu haben. Ich werde dieser Betrachtung meine eigenen Untersuchungen zu Grunde legen. Die Schleimhaut der oberen Wand des Cavum pharyngo-nasale giebt außer der Bursa noch einem zweiten Gebilde Raum, der Rachentonsille. Diese, welche bedeutend später als die er- stere, nämlich im 6. Monat ihre Entwicklung beginnt, bringt be- reits im 7. und 8. derartige Umgestaltungen im Bereiche der Bursa hervor, dass es angezeigt erscheint, die embryonale Zeit derselben in zwei Perioden zu trennen, von denen die erste von der ersten Entwicklung der Bursa bis zum Auftritt der Rachentonsille reicht und uns die Rachentasche als unabhängiges Gebilde zeigt, während die zweite von da an den Rest des Embryonallebens umfasst. Sie setzt sich ohne Grenze in das postembryonale Leben fort und findet erst ihren Abschluss in der individuell verschieden begrenzten Zeit, wo das adenoide Gewebe normalerweise einer Riickbildung verfällt. Gewöhnlich beginnt diese im zweiten Decennium, kann aber auch in selteneren Fällen bis zum dritten oder gar vierten auf sich warten lassen, namentlich, wenn eine starke Entwicklung der Rachenton- sille vorausgegangen war. , Bei all’ dem muss man aber im Auge behalten, dass es zahl- reiche Fälle giebt, in denen eine bemerkenswerthe Entfaltung der adenoiden Substanz am Rachendache überhaupt nicht zu Stande kommt. Während beim Erwachsenen keine deutliche Grenze besteht zwischen oberer und hinterer Wand des Schlundkopfes, ist dieselbe beim Embryo scharf ausgeprägt. Beide treffen in stumpfem Winkel ; Neves 4 2 Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 647 auf einander, wie unsere Sagittalschnitte zeigen. Dabei ist dieser Winkel in der mittleren Region des Nasenrachenraumes schärfer aus- geprägt als auf den Seiten, wo ein mehr allmählicher Übergang stattfindet. Man vergleiche über diese Verhältnisse Fig. 12 Taf. XXV. Im frühesten Embryonalleben besteht eine solche Abgrenzung noch nicht; hintere und obere Schlundwand liegen mehr in einer Ebene. Jedoch schon gegen Ende des 2. Monats beginnt eine Zu- nahme der Weichtheile im Bereiche der hinteren Pharynxwand (Ent- wicklung .des Muscul. long. capit. und des Constrietor pharyng.), auch vermehrt sich die Nackenbeuge, wodurch die spätere Konfigura- tion allmählich zu Stande kommt (KETEL). Aus diesen Gründen ist bei jüngeren Embryonen der Winkel zwischen beiden Wänden auch flacher (Fig. 1, 8, 9, 10) als bei solchen aus den letzten Monaten, wo er sich bei mittlerer Kopfhaltung einem rechten nähert (Fig. 4, 5, 19). Nun muss man sich nicht vorstellen, die Grenze zwischen Rachen- dach und hinterer Pharynxwand habe die Gestalt einer geraden, transversalen Linie; dies ist nicht der Fall; sie ist vielmehr bogen- förmig oder gar nach Art eines nach vorn offenen Winkels gestaltet, Verhältnisse, welche der besonderen Form der Köpfe der Musculi long. capit. ihre Entstehung verdanken und auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Am Rachendache finden wir fast regelmäßig eine mediane Furche, die der Raphe des vierten Ventrikel vergleichbar erscheint. Sie ist in den früheren Entwicklungsperioden weniger deutlich als in den späteren. Gewöhnlich sieht man sie gegen die Choanen zu weniger gut ausgeprägt als hinten, wo sie sich stets etwas vertieft. Mit ihrem Ende verschwindet sie hier unter einer Falte, welche meist eine spitzwinkelige Gestalt hat (oft mehr noch als in Fig. 12 Taf. XXV), wobei der Scheitel des Winkels der hinteren Rachen- wand angehört, während seine divergirenden Schenkel auf das Dach des Nasenrachenraumes übergreifen. Ich nannte sie früher schon Winkelfalte, Plica angularis. LuscHKkA und Dursy scheinen sie gesehen zu haben, beschreiben sie jedoch als halbmondförmig. Sie begrenzt eine Einsenkung der oberen Schlundwand, ein Griibehen, das dadurch an Tiefe gewinnt, dass es im Bereiche des hinteren Endes der Raphe liegt. Ist die Winkelfalte gut entwickelt, dann wird es ganz wenig von ihr überdacht und erlangt so in seinem hinteren Theil die Form einer kleinen Bucht. Sagittalschnitte geben dann Bilder, wie ich sie in Gruppe I beschrieben habe. Dieses 42* 648 Gustav Killian Griibchen wurde von Luscuka, Dursy, GANGHOFNER bereits gesehen und als Bursa pharyngea beschrieben. Dass es jedoch keine eigentliche, vellstisiidalle Bursa darstellt, das beweisen uns zur Genüge die Fälle der Gruppe III, denn in diesen hat sich anstatt des kleinen Recessus unter der Winkelfalte eine tiefe Aussackung der Rachenschleimhaut gebildet, die sich sogar in die Fibrocartilago basilaris einbohrt und gegen das Hinterhauptsbein anstrebt. Dies ist die wahre embryonale Bursa. Um solehe Verhältnisse genügend zu erkennen, reicht die ein- fache makroskopische Untersuchung nicht aus. Mehr sieht man schon, wenn man an einem entkalkten Präparate einen (genau medianen) Sagittalschnitt anlegt und diesen mit der Lupe studirt. Im Allge- meinen empfiehlt sich aber eine genaue mikroskopische Untersuchung. Durch diese lernten wir die Gestalt der Bursa in unseren Fällen als eine variabele kennen. In einigen zeigte sich die Bursa hinten etwas beutelförmig und hatte einen trichterförmigen Vorraum, der oben erwähntem Recessus entsprach. Diese Form sehe ich als die typische an (Fall 11 Fig. 9. Fall 15 Fig. 10 u. 11, Fall 16). In Nr. 25 (Fig. 13) sind Recessus und Siickchen zu einem gemeinsamen Kanale ausgeweitet, in Fall 4 ist derselbe trichterförmig und spitz ausgezogen. Eine eigenthümliche Form zeigt Fall 28 (Fig. 14 u. 15); hier fehlt der Recessus und ist nur ein kleines Beutelchen vorhanden. Die Schleimhaut im Innern der Bursa ist mitunter in Falten ge- legt: dieselben haben sagittale Richtung bei Nr. 31 (Fig. 16 und 17). frontale in Nr. 25 (Fig. 13). Bau der Mueosa und Epithel sind wie am Rachendach. Um die Dimensionen der Bursa etwas zu veranschaulichen, mag nebenstehende Tabelle dienen. Sie enthält die Fälle der Gruppe II (die beiden der Gruppe IV sind vorläufig beigefügt). Was die nächste Umgebung der Bursa angeht, so habe ich Drüsen nur selten und dann in höchst spärlicher Zahl gefunden (Nr. 28 u. 31). Die obersten Fasern des Constrictor pharyngis super. traten in sämmtlichen Fällen (auch in denen, wo sich nur ein Recessus findet, Gruppe I) bis dieht an die untere nnd zugleich hintere Wand der Höhle heran. Dies ist also ein charakteristisches Ver- hältnis. Besonders bemerkenswerth erscheint das Verhältnis der Bursa zu der Fibrocartilago basilaris, dem derbfaserigen Bindegewebslager, welehes die untere Fläche der Schädelbasis bedeckt und vom hinteren Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 649 Ende des Vomer bis zum hinteren der Cartilago spheno- occipitalis, beziiglich des Os occipit. basilare reicht. Sie ist unter der Sattel- grube am dicksten und wird nach hinten etwas dünner. Bei älteren Embryonen scheint ihre Masse nicht allein absolut sondern auch relativ vermehrt zu sein gegeniiber jiingeren. Tabelle C. Embryo Beuir ea | | Entfernung Alter | | | der Nr. | Länge ms uR Biefer.T’ Hohe Breite | Bursaspitze I} | von der Wochen Schädelbasis em | x Ms m m mm { mm ! | mm 13 0,9 0,1—0 i 7 a a HOSA #1 0,3—0,05 | 0,35 18 1,0 0,1 | 0,2 18 0,65 0,2 11.3.0335 20 147 70299 | 0,6 20 | 0,6 0,2 | 0,175—0,21 | 0,2 21 | 0,74 10,40 170,40 | 1,0 23) unos 0,2—0,4 | DR 28. ji. 2,3, .|, Spalt, | | 0,65 | In dieses Gewebe nun dringt die Bursa mehr oder weniger tief ein, wie uns sowohl Sagittal- als namentlich Frontalschnitte überzeugend beweisen. In Fig. 16 sehen wir die Bursa wie eingemauert in die derbe Fasermasse der Fibrocartilago. Auf Sagittalschnitten stellt sich das Verhältnis in der Weise dar, dass die Rachentasche zwischen eine vordere und eine hintere Fasergruppe sich einschiebt (Fig. 9 und 10). Die hintere kommt vom Endtheile des Hinterhauptsbeines und verläuft, sich fächerförmig ausbreitend, gegen die hintere Wand der Bursa; die vordere, die denselben Ursprung hat, zieht über der Bursaspitze weg und läuft theils der Schädelbasis entlang, theils der vorderen Bursawand. So verhält es sich natürlich nur in der Mitte, während auf den Seiten die Bindegewebsbündel einfach an der Rachentasche vorbei passiren. Das Verhältnis zur Fibrocartilago bietet ein wichtiges Kriterium zur Entscheidung zwischen einem einfachen Recessus und einer wirklichen Bursa. Ersterer gehört stets nur der Schleimhaut an (vgl. Gruppe I). Die Lagebeziehung der Bursa zu den Köpfen der Museuli long. capitis lässt sich an Frontalschnittserien am besten studiren, da 650 Gustav Killian sagittale Schnitte zwischen beiden Muskeln, die einen gewissen Ab- stand von einander haben (s. unten), hindurchgehen. Wie uns Fig. 16 zeigt, liegt die Rachentasche in dem Gewebe, welches den Zwischen- raum zwischen den Muskeln ausfüllt; dabei ist die Entfernung von den letzteren genügend groß, um ihnen jeglichen Einfluss auf die Gestalt der Bursa unmöglich zu machen. So verhält es sich auf allen Schnitten; nicht einmal die Form des dicht vor dem Bursaein- sange gelegenen Gebietes ist irgend wie von der der Muskelköpfe abhängig (Fig. 24 und 25). Von diesen ganz unabhängig bestehen auch die einfachen Re- cessus der Gruppe I. In unseren sämmtlichen Fällen hatte die Bursaausstülpung gerade wie in Frortep’s Beobachtung die Richtung schräg nach hinten und oben gegen die Schädelbasis; diese Direktion behält sie bei bis zum Erscheinen der Rachentonsille. Bis dahin verändert sich nur ihre allgemeine Lagebeziehung zu den die Basis Cranii zusammensetzenden Theilen. Sie lag in FRORIEP'S Fall mitten unter dem Spheno-oceipital-Knorpel, der vorn durch den Hypophysengang eine natürliche Begrenzung fand. Nimmt man nach Schwund des letzteren die Mitte des Sattelgrubenbodens als Grenz- punkt an, dann erscheint die Bursa etwas hinter der Mitte des ge- nannten Knorpels gelagert. Von der Zeit an, wo in seiner hinteren Hälfte Ossifikationsvorgänge Platz greifen bis zum 7. Monat und mitunter länger, giebt uns das vordere Ende des occipitalen Knochen- kernes ziemlich genau die Stelle an, welche die Rachentasche an der oberen Schlundwand einnimmt. Um ihre Lage noch genauer zu präeisiren, habe ich durchgehends ihren Abstand vom hinteren Ende des Os oceipitis, von einer Stelle des Rachendaches, die der Mitte des Türkensattels entspricht und von der oberen Basis der Nasenscheidewand bestimmt. Da auch in den Fällen, wo keine Bursa besteht, die Stelle derselben beim Embryo genügend kenntlich ist, so wurden auch sie zu diesen Messungen herangezogen; es musste dann natürlich bei den anderen, die einen Recessus oder eine wirkliche Bursa hatten, der Eingang in beide als Messpunkt zu Grunde gelegt werden. In der folgenden Tabelle sind die Resultate zusammengestellt. Wie wir gesehen haben, stimmen die Fälle der Gruppe I mit denen der Gruppe III in allen allgemeinen Beziehungen überein; wo im Speciellen Differenzen bestehen habe ich bereits darauf aufmerk- sam gemacht. Es bleibt mir nur noch übrig, den morphologischen Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 651 Werth der ersteren gegeniiber der eigentlichen Bursa genauer zu präeisiren. Tabelle D. Embryonal- Abstand vom | Mitte der | Rand des Monat Septum nar. | Sella ture. | Foram. magn. | | 3 2,5 mm | 2,14 mm | 2,57 mm (nach | Froriep’s Fall) | 4 ) — 3,00 - ec ree 5,0 vi 2099 Re Br, eu.» Dass es sich in Fällen wie Nr. 10 (Fig. 1), Nr. 27 (Fig. 2), Nr. 37 (Fig. 3) nur um einen graduellen Unterschied zwischen dem hier vorhandenen kleinen Recessus und der wahren Rachen- tasche handelt, dass der Recessus nur ein Bursarudiment dar- stellt, leuchtet sofort ein, wenn man Beispiele wie Nr. 11 (Fig. 9), Nr. 15 (Fig. 10 und 11) und Nr. 16 zum Vergleiche heranzieht. Denn der bei diesen vorhandene trichterförmige Vorraum ist offenbar mit dem fraglichen Recessus gleichbedeutend. 14 Fälle der Gruppe I zeigen nur ein kleines Grübchen, noch geringer ausgeprägt wie in Fig. 4 (Nr.53) und Fig. 5 (Nr. 48); aber auch dies sehe ich als rudimentäre Bursa an, da es dieselben Formverhältnisse hat, wie das Eingangsgebiet einer jeden gut ent- wickelten Rachentasche und auf keine andere Weise, wie wir gleich sehen werden, genügend erklärt werden kann. Dursy, der es für die eigentliche embryonale Bursa hielt, glaubte es durch die Annahme einer innigen Anheftung der Schleimhaut an der Unterlage erklären zu können (die spätere Bursa sollte dann durch Wucherung und Wulstung der umgebenden Mucosa entstehen). GANGHOFNER huldigte derselben Anschauung und baute sie in so fern weiter aus, als er der besonderen Konfiguration der Köpfe der Museuli long. capitis einen bedeutenden vertiefenden Einfluss auf das Griibchen zuschrieb. Der Ansatz eines jeden der betreffenden Muskeln reiche auf der Seite ein ganzes Stück weiter nach vorm als in der Mitte, beide Ansätze zusammen seien daher in Gestalt eines nach vorn offenen Winkels begrenzt. Das Gebiet im Bereiche des Winkels sei naturgemäß vertieft, während um ihn herum die Schleim- haut durch die Muskeln emporgehoben werde. 652 Gustav Killian Es verhält sich Alles in der That so, jedoch wird dadurch nicht, wie GANGHOFNER es aufgefasst wissen wollte, das Bursagrübchen in seiner Tiefe beeinflusst. Die äußeren Fasern des Long. capit. reichen nämlich beim Embryo bis zum Kerne des hinteren Keilbeines, die inneren etwas über die vordere Grenze des oceipitalen Knochen- kernes. Weiter nach hinten liegen die Bäuche beider nicht dicht neben einander, sondern sind durch lockeres Bindegewebe von ein- ander getrennt und haben noch einen Abstand (vgl. Fall 31, Fig. 16) von 1,5 mm. Fig. 24 und 25 (demselben Falle entnommen) kennzeichnen die Lage der Muskelbäuche gegenüber dem hintersten Abschnitt des Nasenrachenraumes und zwar trifft Fig. 25 eine Stelle dicht vor dem Bursaeingange, Fig. 24 eine solche, die ein wenig nach vorn von dem- selben liegt. Es ist dies die Gegend, in welcher sich da, wo keine eigentliche Rachen- tasche besteht, ein Griibchen vorfindet. Wir ersehen zwar aus den beiden Abbildungen, dass die Köpfe der Muse. long. cap. seitlich ‘bei a) die Rachenschleimhaut etwas vorbuchten, dass aber gerade Riba ? in der Mitte, wo das Grüb- ANS agi chen liegt, nicht die Form ER 1 ARS der viel zu weit nach auben MS Ky i gelegenen Muskeln, sondern Rph. bg re NE) vielmehr die der Fibrocarti- lago den Ausschlag giebt, weil diese hier in ausge- sprochener Weise vertieft (Fig. 24), ja sogar ausge- Frontalschnitte (Fall Nr. 31). Vergr. !?fı. C.sph.o Cartilago höhlt ist (Fig. 25). Es geht spheno-occip., Fib. Fibrocartilago basilaris, "Mc Muse. © daraus hervor, dass die long. capitis, C.ph.n Cavum pharyngo-nasale, Rph Raphe. Kop fe der fraglich en Muskeln wohl auf die Gestalt des hinteren Abschnittes des Ca- vum pharyngo-nasale und speciell der hinteren Rachenwand Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 653 einen bestimmenden Einfluss ausiiben, aber mit der Formation eines Griibehens im Bereiche der Bursa direkt nichts zu thun haben. Das Griibchen unterliegt denselben Bildungsbedingungen wie die Bursa; denn es bezeichnet gleichsam das erste Entwicklungsstadium der- selben. Bei weiterer Entwicklung bildet sich ein kleiner Recessus und zuletzt ein längerer Kanal oder eine beutelförmige Höhle. Auch die Bildung der Winkelfalte geschieht wahrscheinlich im Anschluss an die der Bursa. Ich betrachte also die Bursa pharyngea embryonalis als eine wahre Ausstülpung der Rachenschleimhaut nach hinten und oben gegen das Hinterhauptsbein, wobei speciell im Epithel das formative Prineip zu suchen ist. Sie verdankt nicht mechanischen Einwirkungen, son- dern einem aktiven Bildungsvorgange ihre Entstehung. Wiewohl wir nieht genau den Beginn ihrer Entwicklung kennen, so steht doch fest, dass dieselbe bereits vor der 11. Woche statt- findet und zu einer Zeit. wo das basale Gewebe in der Occipital- region noch nicht den derbfaserigen Charakter angenommen hat. Wir haben nun die weiteren Schicksale der Bursa pharyngea zu verfolgen und kommen zunächst zu der Zeit, wo sie durch die Ent- wicklung der Rachentonsille verschiedentlich beeinflusst wird. Wenn die Schleimhaut der oberen Pharynxwand den adenoiden Charakter annimmt (im 6. Monat), gewinnt sie allmählich an Dicke. Zahlreiche bisher nur mit der Lupe erkennbare Schleimhautfältchen werden jetzt für das bloße Auge sichtbar. Sie laufen hinten nach der Stelle des Bursaeinganges zusammen. Die Winkelfalte wird mehr halbmondförmig, bekommt öfter an der hinteren Rachenwand oder seltener an der oberen Parallelfalten und macht sich dann nicht mehr als eine besondere Bildung kenntlich. Auf Sagittalschnitten zeigt sich, dass die Rundzelleninfiltration direkt vor der Bursa am stärksten ist. Anfangs (6. Monat, Fall 47 Fig. 18) reicht sie überhaupt erst bis dahin, später ergreift sie auch die Wände der Rachentasche (7. Monat) und setzt sich eine Strecke weit auf die hintere Rachenwand fort (I—1!/; mm). So verhält es sich in Fall 59 Fig. 19 und 20. Die Veränderungen, welche dadurch die Bursa erleidet, sind beträchtliche. Durch die starke Verdickung ihrer Mucosa, welche eingeengt durch die Fibrocartilago sich nicht genug nach außen aus- dehnen kann, wird das Lumen der Bursa spaltförmig verengt (Fig. 20). Außerdem erfährt ihr Kanal eine deutliche Verlängerung nach dem 654 Gustav Killian Nasenrachenraume zu. Vielleicht wird sie auch vom Hinterhaupts- bein ein wenig abgedrängt. In den Fällen der Gruppe I, wo die Einsenkung höchstens bis zur Fibrocartilago reichte, meist aber nur ein kleines Grübehen bestand, bildet sich in analoger Weise ein mehr oder weniger tiefer, spaltförmiger Recessus heraus, wie ihn z.B. Fig. 6 und 7 (Fall 61) zeigen. Ein derartiger Spalt ist dann von der wahren Bursa nur dadurch zu unterscheiden, dass er nicht in die Fibrocartilago eindringt. Wir sehen, die Bursa ist jetzt ganz in das Bereich der Rachen- tonsille hereingezogen. Sie hat daher weiterhin alle Wandlungen mitzumachen, welche die letztere betreffen. Durch die Umwandlung der Falten am Rachendach (gegen Ende des Embryonallebens) in Wülste, welche alle mit ihren hinteren Enden nach der Bursa hin konvergiren, wird der Zugang zu dieser in die Tiefe gerückt und verengt. Sie liegt jetzt am hinteren Ende einer aus der früheren Raphe, durch die Bildung adenoider Wülste zu beiden Seiten derselben, hervorgegangenen, tiefen, spaltförmigen Einsenkung. Ich besitze aus dieser Zeit noch zwei Beobachtungen; die eine betraf einen Frühgeborenen von 39 cm Länge, die andere einen solchen von 46 cm (der übrigens 10 Tage gelebt hatte), beide besaßen bei gut entwickelter Rachentonsille eine Bursa, die tief in die Fibrocartilago eindrang. Wenn auch die Lage der Bursa pharyngea in den letzten Em- bryonalmonatens im Verhältnis zum Nasenrachenraume dieselbe bleibt, so vollziehen sich doch in der Schädelbasis Veränderungen, in Folge deren ihre Lage zu der letzteren anders bezeichnet werden muss. Die früher breite Knorpelstrecke zwischen den Kernen des hinteren Keil- und des Hinterhauptsbeines ist zu einer schmalen Syonchon- drose geworden, wobei das letztere verhältnismäßig am meisten an Ausdehnung gewonnen hat. Die Lage der Bursa entspricht nun nicht mehr dem vorderen Ende des oceipitalen Knochenkernes, sondern einer Stelle, welehe etwas nach hinten davon liegt (Fig. 19). Von der Mitte der Sychondros. spheno -oceipit. beträgt ihre Entfernung 1,5—2 mm. Dabei ist ihre Längsachse fast senkrecht gegen den Knochen gerichtet. Bei zunehmendem Alter wird die Entfernung zwischen Rachen- tasche und Synchondrose größer. Bei einem Kinde aus dem ersten Lebensjahre fand ich die Entfernung der Bursagegend von der Mitte - des (12/, mm dieken) Zwischenknorpels bereits 5 mm; vom Rande Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 655 des Foramen occipit. magn. war sie 10 mm entfernt, von der Mitte der Sattelgrube etwa 101/,—11'!/, mm, vom Septum narium 15,5. Uber das Verhalten der Bursa bei Neugeborenen und Kindern besitzen wir Untersuchungen von GANGHOFNER und SCHWABACH. Beide beschreiben an typischer Stelle ein kleines Grübehen oder einen seichten Recessus, der nirgends in die Fibrocartilago ein- dringt. GANGHOFNER hält ihn für eine »durch feste Adhärenz der Schleimhaut des Rachendaches in einer präformirten Grube (siehe oben) gebildete Einziehung«, vertieft durch das Wachsthum der ade- noiden Substanz, während SCHWABACH ihn nur durch die Falten- und Furchenbildung der Rachentonsille entstehen lässt. Beide haben jedenfalls Recht; der Erstere für die Fälle, wo ich im embryonalen Leben nur ein Grübchen fand, der Letztere für die (und das sind ja die meisten), wo auch dieses fehlte. Die Bezeichnung »Recessus medius« acceptire ich gern nach dem Vorschlage GANGHOFNER’S für das von ihm und SCHWABACH gesehene Griibehen, zur Unter- scheidung von der eigentlichen, aus der embryonalen her- vorgegangene Bursa pharyngea, welche bis jetzt beim Kinde noch Niemand nachgewiesen hat. So lange dies nicht geschehen ist, scheint es mir sehr gewagt, über die beim Erwachsenen vorkommenden bursaähnlichen Bil- dungen einen definitiven Entscheid zu fällen und zwar in der Hinsicht, ob sie in einzelnen Fällen aus der embryonalen Bursa hervorgegangen seien oder nicht. Ersteres ist zwar möglich, kann aber bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nicht bewiesen werden. Denn abgesehen davon, dass uns Existenz und Verhalten der Bursa beim Kinde nicht bekannt und so jeder weiteren Deduktion der Boden entzogen ist, so werden uns weiterhin noch ganz besondere Schwierigkeiten bereitet durch die Reihe der sekundären Ver- änderungen, welche im Laufe des postembryonalen Lebens am Rachendache stattfinden. Die Rachentonsille ist nämlich den mannig- fachsten, pathologischen Einflüssen ausgesetzt, unterliegt außerdem von der Zeit der Pubertät an normalerweise einem allmählichen Riickbildungsprocesse, beides Ursachen, welche Schrumpfungen, Ver- wachsungen, Recess- und Cystenbildungen, kurzum die verschieden- artigsten und vieldeutigsten Zustände hervorbringen, so dass kaum ein Befund dem anderen gleicht. Trotzdem haben eine Reihe von Autoren sich bemüht, typische anatomische Bildungen am Schlundgewölbe des Erwachsenen 656 Gustav Killian ausfindig zu machen. Sie gelangten dabei zu den verschiedensten Resultaten und schilderten nicht allein die Gestalt der sogenannten Bursa in oft widersprechender Weise, sondern machten namentlich auch verschiedene Angaben iiber ihre Lage. So liegt die Bursa pharyngea von MAYER »mitten unter dem Keilbein, zunächst hinter der Schaufel des Vomer« (er dachte an eine Beziehung zur Keilbeinhöhle). Da die Stelle der Synehondrosis spheno-occipitalis, welche bis zum 16.—22. Jahre besteht, höchstens 4 mm hinter den Alae Vomeris zu suchen ist, so könnte auch die MAyEr’sche Bursa nicht weiter von denselben entfernt sein. Die Bursa von TORTUAL hat einen Abstand von demselben Punkte von 3 Linien = 6,36 mm. Die von M&cryanpd kann 6—12 mm hinter dem Septum narium liegen, das wäre 2—8 hinter den Alae!. GANGHOFNER und TORNWALDT? stimmen in ihren Angaben un- gefähr überein; nach ihnen hat die Bursa ihre Lage dieht vor dem Tubere. pharyng., d.h. (nach meinen Messungen) 15—17 mm hinter der Schaufel des Pflugscharbeines. LuscHkA findet die Bursa »in der Region des adenoiden Gewebes an der unteren Grenze ihrer Mittellinie«, welche nach seinen eigenen Angaben dem Rande des Foramen occ. magn. entspricht. Danach sollte man glauben, seine Rachentasche müsste hinter dem Tubere. pharyng., d. h. mehr im Bereiche der hinteren Rachenwand liegen. Nun finde ich zwar nicht im Texte seines Werkes »Der Schlund- kopf des Menschen«, wohl aber in der Erklärung zu Tafel VIII die Bemerkung, dass in dem betreffenden Falle die Bursa als länglich- runder, nach oben spitz auslaufender hohler Anhang — »an der Grenze des Daches und der hinteren Wand des Pharynx« (das ist nach LuschkA am Tubere. phar.) »zur Außenseite der Pars basilar. des Hinterhauptsbeines emporsteige«. Das würde mit der obigen Angabe nicht übereinstimmen. Betrachtet man die Figuren, auf denen er die Rachentonsille abbildet, so sieht man nur bei ! Die Schaufel des Vomer überragt den Rand der Nasenscheidewand durch- schnittlich um 4 mm. 2 TORNWALDT bestimmte die Lage der Bursa beim Lebenden als ungefähr der Mitte zwischen oberer Choanalgrenze und Tubercul. Atlantis entsprechend. Nach TRAUTMANN beträgt die Entfernung von der oberen Choanalgrenze bis zum Tuberc. phar. 20 mm, von da bis zum oberen Rande des Atlas 15. Von diesem bis zum Tuberc. Atlantis ist höchstens 5 mm: Alles zusammen = 40 mm. Durch direkte Messung fand ich 36 mm. Die Hälfte = 18—20 mm bezeichnet genau die Entfernung zwischen Choanalgrenze und Tuberc. pharyngeum. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 657 Taf. IV Fig. 3 und Taf. V den Bursaeingang an der unteren Grenze der adenoiden Substanz, in Taf. IV Fig. 4 liegt er etwas nach oben davon, in Taf. IV Fig. 1 sogar nahe der Mitte der Rachentonsille. Dem oberen Ende der Bursa entspricht nach LuscHKA »ein Griibehen an der Pars basil. des Hinterhauptsbeines, das vor dem Tubere. phar. liegt« (Fovea bursae) und Torruat bereits beschrieben hat. Ich fand es in 30 Fällen der Ecker’schen Schiidelsammlung ; es ist meist 1—2 mm tief (selten 3—4)!, hat aber keine bestimmte Lage zu dem Tuberc. phar., da es 3—10 mm von demselben entfernt sein kann. In vielen Fällen scheint es nur ein Foram. nutrit. zu sein, in anderen verdankt es vielleicht dem Druck von Cysten? seine Entstehung, wodurch der Knochen zur Resorption gebracht wurde. Wo die embryonale Bursa beim Erwachsenen liegen müsste, vermag ich nicht zu sagen, weil dazu eine genauere Kenntnis der Wachsthumsveränderungen der Schädelbasis nöthig ist, als wir sie bisher besitzen. Bezüglich des Vomer bemerkte schon Dursy, dass er sich im Verlaufe des Wachsthums nach hinten unter die Sattelgrube schiebt. Es dürfen daher auf ihn sich beziehende Messungen beim Embryo und Kinde nicht direkt verglichen werden. Das Tubereulum pharyng. existirt bei Embryonen und Kindern unter 4 Jahren nicht; ob es später immer genau an derselben Stelle liegt, wäre erst noch zu untersuchen. Den besten Anhaltspunkt für zu vergleichende Orts- bestimmungen der Bursa würde die Synchondrosis spheno-occipitalis bieten; allein sie ist nur höchstens bis zum 22. Jahre vorhanden. Immerhin mag man sich bei Messungen unter diesem Alter nach ihr richten. Dabei ist nur zu berücksichtigen, dass die Stelle der Bursa wahrscheinlich, so wie wir es bis zum 1. Lebensjahre gefunden haben, mit der Zeit verhältnismäßig mehr nach hinten rückt. Von künftigen Untersuchern der Bursa bei Kindern und Er- wachsenen muss man verlangen, dass sie wegen der ausschlag- gebenden Bedeutung der Lagebestimmungen, die Weichtheile des Rachendaches nicht herauspräpariren, wie dies z. B. GANGHOFNER, SCHWABACH, MEGEVAND bei älteren Kindern und Erwachsenen thaten, sondern dass sie ihre Studien an Sagittalschnitten durch die ent- kalkte Schädelbasis vornehmen. Untersuchungen am Lebenden 1 Bei einem Neuseeländer war es 5 mm lang, 2,5 breit und 2 tief. 2 Vgl. Zaun, Zeitschrift für Chirurgie. XXII. pag. 392. 658 Gustav Killian haben natürlich zur Entscheidung derartiger anatomi- schen Fragen gar keinen Werth. Die Frage nach der Bedeutung der verschiedenen bursaartigen Bildungen, welche die Autoren beim Erwachsenen beschrieben haben, werden wir vorläufig am besten im Sinne ScHWABACH’s beantworten, welcher sie für sekundäre und meist pathologische Erzeug- nisse der Rachentonsille hält. Um nicht den Eindruck zu erwecken, als handelte es sich dabei um typische anatomische Gebilde und um Verwechselungen mit der embryonalen Bursa zu vermeiden, sollte man die Bezeichnung »Bursa pharyngea« beim Erwachsenen ganz fallen lassen und nur einfach von einem »Recessus« reden. Für die, welche sich von dem Worte Bursa nicht trennen können, empfiehlt es sich, wenigstens (nach SUCHANNEK) »Pseudobursa« zu sagen. Vergleichend-anatomischer Theil. Das Vorhandensein einer ziemlich tiefen Ausstülpung der Rachen- schleimhaut gegen das Hinterhauptsbein beim menschlichen Embryo regt uns zu der Frage an, ob ähnliche Bildungen in der Wirbel- thierwelt vorkommen. Zu ihrer Beantwortung untersuchte ich zahl- reiche Arten und zwar zumeist Säugethiere. Das Resultat war ein vorherrschend negatives. Immerhin will ich hier wenigstens die Namen der untersuchten Thiere angeben, damit einem künftigen Untersucher die Arbeit vereinfacht werde. Ich lasse dann die wenigen positiven Beobachtungen folgen. Eine Rachentasche fehlt bei: Primates: Cebus capucinus, Chrysothrix sciurea. Prosimiae: Perodicticus Potto. Carnivora: Canis familiaris, Nasua rufa, Viverra civetta, Her- pestes griseus, Paradoxurus trivirgatus, Mephitis mephitica, Felis domestica*, Lutra vulgaris. Insectivora: Talpa europaea, Erinaceus europaeus”. Cheiroptera: Vespertilio murinus, Pteropus melanocephalus, Pteropus collaris. Rodentia: Cricetus frumentarius, Mus decumanus, Mus mus- -eulus, Cavia cobaia*, Lepus cuniculus*, Lepus timidus. * Von den mit Sternchen versehenen Thieren wurden auch Embryonen untersucht. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 659 Ungulata: Equus caballus, Bos taurus*, Ovis aries*, Dicotyles torquatus. Cetacea: Delphinus albicans (Embryo). Edendata: Bradypus tridactylus. Marsupialia: Didelphis cancrivora*, Perameles doreyanus, Pha- langista vulpina, Halmaturus brachyurus. Ornithodelphia: Echidna, Ornithorrhynchus. Aves carinatae: Huhn*, Ente, Taube, Gans. Reptilia: Lacerta agilis, Monitor niloticus, Anguis fragilis, Co- ronella laevis. Chelonia, Crocodilus biporcatus*, niloticus. Amphibia: Rana temporaria, Salamandra maculosa. Eine Rachentasche besitzt: Aretomys marmota, Murmelthier. Die Untersuchung erstreckte sich auf ein erwachsenes Exemplar. Genau in der Mitte der Grenze zwischen oberer und hinterer Wand des Nasenrachenraumes findet sich eine querovale Öffnung (2 mm breit, /; mm hoch), durch welche man in eine Höhle ge- langt, die so groß ist, dass ein kleines Schrotkorn darin Platz fände (Höhe 2 mm, Tiefe 1,5 mm). Ihre obere Wand ist eine direkte Fortsetzung des Rachendaches, ohne dass der Höhleneingang durch eine Falte abgegrenzt wäre. Die hintere Rachenwand bildet eine Art Lippe, welche zugleich die vordere Wand der Höhle darstellt, 1,5 mm hoch ist und mit ihrem Rande das Orificum des Hohlraumes von unten und den Seiten begrenzt (Fig. 26 Ld). Fig. 26. Oce.bas. IT Arctomys marmota. Sagittalschnitt durch den hinteren Theil des Nasenrachenraumes. B Bursa pharyngea, Zb Bursalippe, EZ Epithel, Muc Schleimhaut, Cst Constrietor pharyngis, Sph.bas Basi- sphenoid, S.sph.o Synchondros. spheno-occipitalis, Oce.bas Basioccipitale, A Atlasbogen, D Zahn des Epistropheus. Vergr. 4/1. Auf dem Sagittalschnitte gewinnt er das Aussehen eines Sackes mit einem vorn oben gelegenen Eingang. Seine Schleimhaut hat ganz die Beschaffenheit der des Rachen- daches. Das Epithel besteht aus relativ hohen, palissadenförmig an einander gereihten Cylinderzellen, an denen ich keine: Flimmerhaare mehr nachweisen konnte. Die Wände des Säckchens sind in zahlreiche. meist transver- sale Falten gelegt. Drüsen finden sich keine in seiner Umgebung. Die Fasern des Constrictor pharyngis (Cst) gelangen in der Mitte bis zur Basis der Bursalippe (Z4), auf den Seiten fast bis zu ihrem Rande. Ihre Lage hat die Bursa zwischen den Köpfen der Musculi long. capitis unter der hinteren Hälfte des Basioceipitale, das durch eine Synehondrose vom Basisphenoid getrennt ist. 660 Gustav Killian Sus serofa, Schwein. Die Pharynxtasche des Schweines ist schon lange bekannt. Unter Anderen hat sie bereits A. F. J. C. Mayer 1840 beschrieben in derselben Arbeit, in der er die Bursa pharyngea des Menschen zum ersten Male erwähnt. Nach ihm waren es LAcAucHIE und LuscHKA, welche ihr einige Aufmerksamkeit widmeten. Was meine Beobachtangen beim Schweine angeht, so verlieren sich die Plicae pharyngopalatinae nicht seitlich mit ihren unteren Enden an der Pharynxwand, so wie es beim Menschen und den höheren Affen der Fall ist, sondern sie laufen unten an der hinteren Schlundwand zusammen, gehen in einander über und bilden so einen vollständigen Ring, wie er bei sämmtlichen Säugern, mehr oder weniger ausgebildet, oder etwas modifieirt, beobachtet wird. Der obere Theil des Ringes ist zugleich der freie Rand des Gaumensegels, das beim Schweine keine Uvula besitzt, der untere Theil dagegen bildet zugleich die lippenförmige vordere Umgrenzung des Einganges in die Rachentasche (vgl. Fig. 43 Taf. XXVI), welche desswegen in den Bereich des Nasenrachenraumes gehört. Sie besteht aus einem von da nach unten zwischen den unteren und mittleren Schlundschniirer (die sich bekanntlich dachziegelförmig decken) sich erstreckenden Sack, in den man mit dem Finger bequem eingehen kann. Er ist überall gleich weit, dehnbar und 3—4 cm lang. Seine Schleimhaut ist gleich der des Pharynx, nur sehr drüsen- reich, wesshalb LACAucHIE von einer »poche glandulaire pha- ryngienne« spricht. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 661 Mayer beschreibt einen besonderen Muse. detrahens burs. pha- ryngeae und versteht darunter Fasern, welche vom Constrict. inferior an das untere Ende des Sackes ziehen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Sack im postembryonalen Leben durch hineingelangende Speisen sekundär ausgeweitet wird; denn beim Embryo sind seine Dimensionen relativ viel geringer, wie uns Fig. 27 zeigt, welche sich auf einen solchen von 6 cm Länge bezieht. Schweineembryo von 6 cm. Sagittalschnitt. Vergr. 2). R.Z Rachentasche, Cst Constrictor phar. Lar Larynx Ep Epiglottis, Vel Gaumensegel, B Stelle der menschlichen Bursa, Bas.oce Basioccipi? tale, A Ring des Atlas, D Zahn des Epistropheus, Hyp Hypophyse. Bei ihm ist die Rachentasche (R.T) 0,75 mm tief, schief, von vorn ventral nach hinten dorsal gerichtet, liegt in der Höhe der Grenze zwischen zweitem und drittem Halswirbel und gegenüber dem Eingange in den Larynx. Sie ist eine reine Schleimhautaus- buchtung, denn sie tritt nirgends durch die Faserschicht des Sehlundschnürers hindurch. Ihre untere Wand hebt sich als Leiste von der hinteren Pharynxwand ab und enthält eine besondere Muskel- faserschicht, die sich von der Hauptschicht des Constrietor abzweigt (Fig. 27 ab) und später dem Constrietor inferior zugerechnet wird. Die erwähnte Leiste ist der untere Theil des Ringes, den die Morpholog. Jahrbuch. 14. 43 662 Gustav Killian Plicae pharyngo-palatinae bilden. Ich fand sie bei einer Reihe von Siiugern derartig entwickelt, dass hinter ihr, analog dem vorliegen- den Falle, eine kleine Ausbuchtung bestand. Möglicherweise handelt es sich beim Schwein nur um eine exquisite Ausbildung der letzteren'. Wir sehen in Fig. 27 den Constrietor noch eine ganze Strecke weit an der Rachentasche vorbei nach oben reichen und bis zu einer Stelle gelangen, welche der späteren Synchondros. spheno-occipitalis entspricht. Hier, gerade vor seinem oberen Ende (bei B), ist der Ort, wo eine der menschlichen embryonalen Bursa homologe beim Schweine gesucht werden müsste. Bei einem Embryo von 12 em fand ich die Pharynxtasche 2 mm lang und mehr schlauchförmig mit engem Lumen. Das obere Ende des Schlundschnürers lag genau unter der Mitte der Synchondrosis spheno-occipitalis, welche in Folge der Ossifikationsvorginge in der Schiidelbasis nunmehr bestimmte Grenzen hatte (vgl. II. Theil, Fig. 44). Capreolus L. (Reh). Bei der Untersuchung des Nasenrachenraumes des Rehes fällt eine 4 mm tiefe, flache Grube an der hinteren Rachenwand auf, welche bereits Mayer und Scumipr (Kopenhagen) beschrieben haben. Sie (Taf. XXV Fig. 28 Rec) ist 4,5 mm vom Rachendache entfernt und vertieft sich von unten und den Seiten her trichterformig. Nur ihre obere Wand bildet einen fast rechten Winkel mit der Ebene der hinteren Pharynxwand, läuft parallel der Schädelbasis (vgl. Fig. 29) und wird durch Furchen in vier transversale, 1 mm dicke Falten abgetheilt. Die Grenze zwischen Dach und Hinterwand des Schlundkopfes entspricht ungefähr der Lage der Tubenmündungen und nimmt we- gen der Ansätze der Musculi long. capitis die besondere Gestalt an, die uns in Fig. 28 (Taf. XXV) auffällt. Sagittalschnitte zeigen uns, dass um die erwähnte Grube, welche wir Recessus pharyngeus nennen wollen, ein Konglomerat von aci- nösen Drüsen gelagert ist, welches oben fast den ganzen Raum zwischen Recessus und Schädelbasis ausfüllt, unten bis zum Rande des Constrietor phar. reicht, zwischen dessen Fasern sich jedoch noch eine Strecke weit kleinere und größere Drüsenpackete eindrängen. 1 Nach ALBRECHT sollen Kamel und Elefant dieselbe Rachentasche besitzen wie das Schwein. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 663 Zahlreiche Ausführungsgänge verlaufen aus der Driisenmasse durch die Wände des Recessus und münden in dessen Höhle. Gewöhnlich findet sich etwas Fettgewebe Fig. 29. zwischen Mucosa und dem Schleimdrüsen- packete (Fettg). Beiäl- teren Thieren ist es reichlicher vorhanden auf Kosten der Driisen- substanz, bei jiingeren überwiegt letztere. Da- bei setzen sich die Bindegewebssepten des acinosen Gewebes in Reh. Sagittalschnitt durch den hinteren Theil des Cavum pha- analoger Weise in das ‘yngo-nas. Vergr. ®%ı. Rec Recessus pharyngis, Dr Drüsen, Fettg Fettgewebe, Cst Constrictor phar., Bas,sph Basisphenoid, Fettgewebe fort, so Synch. Synehondr. spheno-oceipitalis, Bas.oce Basioccipitale. dass dieses ganz das- selbe Stroma erhält. Da außerdem zahlreiche abgesprengte Drü- sentheile in ihm eingebettet liegen, so besteht kein Zweifel, dass das Fett durch Degeneration von Drüsensubstanz entstanden ist, und dass ganz junge Thiere überhaupt kein Fett in der fraglichen Re- gion besitzen, sondern nur Drüsengewebe. Leider hatte ich keine Gelegenheit, solehe zu untersuchen. Erwähnen will ich hier, dass ich beim Schafe! in den unter der Rachentonsille gelegenen Schleim- drüsenanhäufungen dieselben Verfettungsvorgänge beobachtete; hier fand man sogar ganz kleine Gruppen von Acini, ja nicht selten ein bis zwei isolirt, in das die Struktur des interacinösen Bindegewebes aufweisende Fettlager eingebettet. Was die Lage des Drüsenkonglomerates beim Reh angeht, so liegt es zwischen den Köpfen der Musculi longi capitis, welche mit ihren Ansätzen auf die untere Fläche des Basisphenoid eine Strecke weit übergreifen. Es entspricht genau der Synchondr. spheno-ocei- pitalis, die es nach vorn und hinten überragt. Eben so ist der Re- cessus pharyngeus gelagert, dessen Spitze eine Strecke weit in das Gebiet des Oceipitale basilare reicht. Bei Abwesenheit der Drüsen würde der Recessus verschwinden und das ihm entsprechende Gebiet der Schädelbasis zwischen den Bas.occ. 1 Vergleiche II. Theil. Fig. 42. 43* 664 Gustav Killian Insertionen der Musculi long. cap. wiirde noch Theil des Rachen- daches. Ich halte daher den Recessus fiir eine mechanisch durch die besonderen Oberfliichenverhiltnisse der in der fraglichen Region gelegenen Theile hervorgebrachte Bildung. Bemerkenswerth erscheint, dass das Reh da eine dicke mediane Driisenmasse besitzt, wo sich beim Menschen die Bursa pharyngea befindet, nämlich zwischen den Köpfen der Musculi long. capitis. Ursus, Bär. Da ich keine Gelegenheit hatte, einen solchen zu untersuchen, so referire ich hier kurz über das, was bezüglich seiner Rachen- taschen bisher bekannt wurde. Sie wurden entdeckt von MAYER 1830 (Bericht über das ana- tomische Institut, Bonn) bei Ursus fuscus. Er fand zwei ungleich große neben einander liegende Divertikel des oberen Theiles der hinteren Pharynxwand und nannte sie Bursae pharyngeae; da- her stammt denn auch ursprünglich dieser Name. 1839 beschrieb er dieselben Bildungen bei Ursus ferox und ameri- canus. Letzterer hatte eine rechte Bursa von 1,5 Zoll und eine linke von 5 Linien Tiefe, bei ersterem waren beide noch größer. Sie miindeten in beiden Fällen »durch besondere Öffnungen den Choanis gegenüber an der hinteren Wand des Pharynx in diesen aus«. Rapp bestätigte in demselben Jahre (MÜLLER’s Archiv 1839. Uber die Tonsillen. pag. 191 Anmerkung) die Befunde Mayer’s. Er schreibt: »Sowohl beim braunen Bären als beim Ursus americanus fand ich an der hinteren Wand des Pharynx unmittelbar unter der Schädelbasis eine Art Diverticulum, welches auch von MAYER er- wähnt wird. Es sind zwei neben einander liegende, dünnhäutige, von Schleimhaut gebildete Beutel, einer fast von der Länge eines Fingers, der andere etwas kleiner. Sie sind dieker als ein Finger. Ich fand sie immer ganz leer.« Zum zweiten Mal entdeckt wurden die Rachentaschen des Bären 1877 von Auıx (Bulletins de la Société Philomatique), der sie als »poches pharyngiennes« bei Ursus labiatus beschreibt. Sie lagen 5 mm von einander entfernt, fast 1 cm unter den Tubenostien; die rechte war 5 cm lang und 3 cm breit, die linke 2 cm lang und 1/, em breit. Neuerdings (1885. Journ. d’anatomie etc.) hatte BouLart Gelegen- Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 665 heit, sie bei Ursus americanus, arctos und malayanus zu untersuchen. Bei zwei Föten von U. arctos fand er sie nicht. Nach den Beschreibungen zu urtheilen, glaube ich kaum, dass die Rachentaschen des Bären der des Menschen in ir- gend einem Punkte vergleichbar sind. Auch beim Kalb, Pferd, Affen wollte MayEr Bursae ge- funden haben. Bezüglich des ersteren hat ihn bereits TORTUAL be- richtigt, bezüglich der beiden letzteren muss ich es thun, denn sie besitzen nichts, was diesen Namen verdient. Bei Amphibien und Reptilien ist die Pharynxschleimhaut in der Spheno-oceipitalregion glatt und ohne uns hier interessirende Besonderheiten. Eine Ausnahme machen nur die Krokodile. Bei ihnen liegt mitten auf der Nahtverbindung zwischen Basisphenoid und Basiocei- pitale ein durch einen klappenförmigen Wulst verschlossenes Loch (Fig. 49 Taf. XXVI), bis zu dem die Musculi longi capitis heran- reichen und welches den Eingang in das komplieirte Tubensystem dieser Thiere bildet. Da ich in einer besonderen Arbeit mich aus- führlich mit dieser Bildung beschäftigen werde, so möchte ich hier nur so viel hervorheben, dass, obschon das Orificium tubarum com- mune der Krokodile auf derselben Stelle liegt, wie die Bursa pharyngea des menschlichen Embryo, an eine Homologie nicht zu denken ist, weil die Krokodile auf einer Seitenlinie unserer philo- genetischen Entwicklungsreihe liegen und alle eine solche Annahme bestätigenden Zwischenglieder fehlen. Aus obigen Einzeldarstellungen geht hervor, dass nur die Ra- chentasche von Aretomys marmota der Bursa pharyngea des Menschen gleichbedeutend erachtet werden kann. Sie stimmt in allen wichtigeren Beziehungen genau mit dieser letzteren überein. Ihre Lage unter dem hinteren Theile des Oceipitale basilare dient nur als Bestätigung unserer Ansicht; denn wir haben an entspre- chender Stelle (pag. 658) hervorgehoben, dass die Bursa beim er- wachsenen Menschen eine ganze Strecke weit hinter die Syn- chondrosis spheno-oceipitalis gerückt sein müsste. Dies vereinzelt dastehende Beispiel aus der Thierwelt bringt uns zwar der Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der Bursa pharyngea nicht näher, aber es dient uns doch mindestens als Be- weis für die Richtigkeit der Ansicht, dass die Bursa eine Bildung sui generis sei. 666 Gustav Killian Weitere Aufschliisse dürfen wir wohl von vergleichend em- bryologischen Untersuchungen erhoffen, zumal die menschliche Rachentasche bisher ja auch erst im Embryonalleben nachgewiesen worden ist. Bei meinen vergleichend anatomischen Untersuchungen fiel mir auf, dass eine Fibrocartilago basilaris, wie sie der Mensch besitzt, bei den Wirbelthieren nicht vorkommt!. Nun verlässt ebenfalls allein beim Menschen die Chorda den Sphenooceipitalknorpel und verläuft, durch das Gebiet der Fibrocartilago?. Es entspricht also diese offenbar einer embryonalen Schicht, aus der sich bei den Säuge- thieren zuerst Knorpel dann Knochen, nämlich die unterste Lage des Basioceipitale und Basisphenoid, beim Menschen aber nur derbes Bindegewebe bildet. Einem Parasphenoid kann sie nicht ho- molog sein, da ein solches bei den Säugern nicht vorkommt? und wo es sich bei den übrigen Vertebraten findet, nicht von der Chorda dorsalis durchzogen wird. Im 2. Monate, wo beim menschlichen Embryo die knorpelige Schädelbasis längst ausgebildet ist, verläuft die Chorda nach FRORIEP ziemlich nahe am Epithel des Rachendaches hin, im 3. berührt sie nur mehr die Spitze der Bursa pharyngea (Fig. 21); zwischen Chorda und Rachenepithel aber hat sich schon ein gewisser Abstand gebildet. Aus dem Gewebe in diesem Zwischenraume entwickelt sich jene Schicht der Fibrocartilago, in die die Rachentasche später eingebettet ist. Dies ist also ein rein sekundärer Vorgang. Dem wei- teren Wachsthum der Bursaausstülpung nach oben ist durch die Chorda eine Grenze gesetzt. Käme sie bei niederen Vertebraten vor, dann müsste sie bis zu dieser reichen; wo ein Parasphe- noid vorhanden ist, müsste sie durch dasselbe hindurchtreten, so fern sie nicht abgedrängt oder ihre Entwicklung überhaupt ver- hindert würde. Bei den Säugern müsste sie bis dieht an die Kno- chensubstanz des Basioccipitale heranreichen, was ja auch bei Arctomys marm. der Fall ist. Ein Organ, welches bei den Fischen der Bursa pharyngea des Menschen, die ja als eine dorsale Ausstülpung des embryo- nalen Vorderdarmes aufgefasst werden kann, vergleichbar wäre, 1 Über die Affen habe ich keine ausreichende Erfahrung. 2 Über den Verlauf der Chorda durch die hintere Schädelbasis des Affen ist mir nichts Näheres bekannt. 3 Nur Galeopithecus phillipensis besitzt nach PARKER ein kleines Parasphenoid. | 3 f | ; Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 667 ist die Schwimmblase. Sie entwickelt sich ‘stets als dorsales ! Divertikel des Vorderdarmes, das vom Anfange des Schlundes bis zum Ende des Osophagus seinen Ausgang nehmen kann und zwischen Wirbelsäule und Darmrohr zu liegen kommt, in manchen Fällen so- gar ganz oder theilweise von einer Knochenkapsel umschlossen wird, die von der ventralen Seite der Wirbelkörper ausgeht (Cyprinoiden, Siluroiden) 2. Sie dient als »hydrostatischer Apparat, der dem Fische das Steigen und Sinken im Wasser ermöglicht«. ALBRECHT hat bereits auf die Ähnlichkeit der retropharyngealen Rachentaschen einzelner Säugethiere und des beim Menschen mit- unter vorkommenden Diverticulum retro-pharyngeum mit der Schwimmblase aufmerksam gemacht und sogar eine direkte Ho- mologie angenommen. Wie aus unserer vergleichend anatomischen Darstellung hervorgeht, dürfte ein solcher Gedanke nur bei der menschlichen Bursa pharyngea und der von Arctomys einigermaßen erlaubt erscheinen. Da bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse keinerlei Beweise für diese Ansicht beigebracht werden können, wer- den wir sie,als Hypothese betrachten und das Übrige von den Ergebnissen künftiger Forschungen abhängig machen. II. Über die Tonsilla pharyngea. Wir hatten im ersten Theile dieser Arbeit mehrfach Veranlassung, uns mit einem Organe zu beschäftigen. welches das Dach des mensch- lichen Schlundkopfes einnimmt und sich später als die Bursa pharyngea und unabhängig von ihr entwickelt: ich meine die Rachentonsille. Sie wurde schon von einigen älteren Anatomen wie C. SCHNEI- DER, WINSLOW, SANTORINI, TORTUAL, ARNOLD, LACAUCHIE gesehen, aber erst von KOLLIKER als Tonsille erkannt und gewürdigt, danach von LuSCHKA, WENDT, GANGHOFNER, TRAUTMANN genauer studirt und ausführlich beschrieben. Alle diese Forscher hatten ihr Augenmerk nur auf den Men- schen gerichtet. Der einzige, der auch vergleichend anato- misch zu Werke ging, war Scumipr (Kopenhagen) 1863. In seiner gründlichen Arbeit: »Über das follikuläre Drüsenge- webe der Schleimhaut der Mundhöhle und des Schlundes ! Als ventrales nur bei Polypterus und den Erythrinen. 2 Vgl. WIEDERSHEIM’sS Lehrbuch pag. 614. 668 Gustav Killian beim Menschen und den Säugethieren« (Zeitschrift fiir wissen- schaftliche Zoologie, Band XIII) wies er die Rachentonsille bei Hund, Fuchs, Katze, Kaninchen, Pferd, Ochs, Schwein, Schaf nach und unterzog sie einer genauen histologischen Untersuchung. Da es mir von Interesse schien, ihre Verbreitung im ganzen Wirbelthierreiche kennen zu lernen, im dadurch dem Verständ- nisse ihrer morphologischen Bedeutung näher zu rücken, so habe ich nachfolgende Untersuchungen angestellt. Über das Verhalten der Pharynxtonsille beim Menschen werde ich mich kurz fassen und nur auf das näher eingehen, was für unsere späteren vergleichenden Betrachtungen von Bedeutung ist. Ihre Entwicklung bei demselben scheint meist damit zu beginnen, dass die Schleimhaut des Rachendaches zahlreiche äußerst feine Fältchen bildet. Wenigstens behauptet GANGHOFNER solche mit der Lupe schon im 3. bis 6. Monat erkannt zu haben. Ich selber fand dieselben erst im sechsten (I. Theil Fall 31). Eine gleichzeitige adenoide Infiltration der Schleimhaut war noch nicht vorhanden. Mit dem Beginne der letzteren, in der zweiten Hälfte des 6. Mo- nats, wurden die Tonsillenfalten gewöhnlich für das bloße Auge sichtbar. Im 7. und namentlich 8. bildeten sie bereits ein mehr oder weniger vollständiges System von bestimmtem Typus, wobei ihre Zahl eine viel größere war, als man sie beim Neugeborenen beobachtet. Sie kommen meist hinten aus der Bursagegend, beschreiben einen nach außen leicht konvexen Bogen und nähern sich vorn wieder der Medianlinie. Da die äußeren unter ihnen weiter nach vorn reichen als die inneren, so umgreifen sie diese ein wenig. Der dem Nasen- septum zunächst gelegene Theil des Rachendaches bleibt um diese Zeit noch von Falten frei. Mitunter bemerkt man einige, welche von der Grenze der hinteren Pharynxwand herkommen und dem oberen seitlichen Winkel des Nasenrachenraumes entlang durch die Fossae Rosenmülleri ziehen, um nach vorn noch über die Tuben- mündungen hinaus zu gelangen. Außerdem finden sich 1—3 trans- versale, welche der Grenzlinie zwischen oberer und hinterer Wand des Schlundkopfes folgen. Eine davon ist meist aus der »Winkel- falte«, die ich im ersten Theile beschrieb, hervorgegangen. Mit- unter existirt diese noch mit ihren charakteristischen Eigenschaften. Einen konstanten Befund bilden die Plicae tonsillae pharyngis nicht. Ich fand sie im 6. Monate unter 21 Fällen nur 7mal, im 7. unter 7 Fällen 2mal, im 8. unter 6 Fällen 6mal, im 9. unter Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 669 3 Fällen zweimal, bei zwei Neugeborenen beide Male, woraus sich ergiebt, dass sie in den späteren Monaten einen regelmäßigeren Be- fund abgeben als in den früheren. Fehlen können sie auch noch nach der Geburt, wie ich mich gelegentlich überzeugt habe, ja ich glaube sogar, dass es eine ganze Anzahl von Fällen giebt, wo sie nie zur Entwicklung gelangen. Das adenoide Gewebe an und für sich bildet sich dadurch, dass die Schleimhaut zahlreiche Rundzellen aufnimmt, nach und nach ganz davon erfüllt wird und bei weiterer Vermehrung derselben rasch an Dicke gewinnt. Diese Zellen sind wahrscheinlich aus den Gefäßen ausgewanderte weiße Blutkörperchen, vermehren sich dann aber ihrer- seits rasch durch Theilung!. Anfangs beschränkt sich der ganze Process auf die hinteren Dreiviertel des Rachendaches, dehnt sich dann aber (im 7. und 8. Monat) auf die Wände der Rachentasche aus und greift auf die hin- tere Pharynxwand über (1—1'/; mm weit). Auch der vorderste Theil der oberen und ein kleiner Abschnitt der lateralen Wand (1!/; mm) des Nasenrachenraumes wird adenoid (vgl. I. Theil, Nr. 59 und 61). Am dicksten ist das lymphatische Gewebe stets dicht vor der Bursa (I mm), dünner unter der Sattelgrube, wo es nur einen halben Mil- limeter misst. Ob es Fälle giebt, wo die Schleimhaut des Rachendaches zeit- lebens nicht adenoid wird, muss ich dahingestellt sein lassen. Gegen Ende des Embryonallebens vermehrt sich das adenoide Gewebe derartig (Durchmesser 2 mm), dass die Tonsillenfalten zu dicken Wülsten werden und dadurch die zwischen ihnen gelegenen Furchen sich bedeutend vertiefen. In letzterer Hinsicht zeichnet sich am meisten die mittlere aus, welche aus der an und für sich schon vertieften »Raphe« hervorgegangen ist. An Stelle der Medianfurche findet sich auch oft ein Medianwulst. Um dieselbe Zeit treten in manchen Fällen die ersten Follikel auf (ScHMIDT), während sie in anderen noch eine Weile nach der Geburt vermisst werden (GANGHOFNER). Dass die Rachentonsille beim Neugeborenen eine über das ge- wöhnliche Maß hinausgehende, den Nasenrachenraum beengende Größe aufweisen kann, scheint nach den Erfahrungen der Autoren und meinen eigenen so gut wie ausgeschlossen. 1 GANGHOFNER fand zwar im 4.—6. Monat reichliche Vascularisation und Proliferation der Bindegewebszellen, jedoch glaube ich nicht, dass aus den etzteren die lymphatischen Elemente der Rachentonsille hervorgehen. ot 670 Gustav Killian Vom Beginne des postembryonalen Lebens an erfährt das Wachs- thum der Tonsilla pharyngea eine auffallende Steigerung und kann sogar in einzelnen Fällen ein excessives werden, was wohl nicht immer auf rein pathologischen Ursachen beruht, sondern auch auf Einflüssen der Vererbung. Unter normalen Verhältnissen bleibt die typische Eintheilung in Wiilste im ersten Decennium erhalten. Schon im zweiten, um die Zeit der Pubertät, mitunter früher, selten später!, beginnen, nachdem, wie es scheint, eine Weile Wachs- thumsstillstand stattgefunden hat, die normalen Rückbildungsvorgänge, das adenoide Gewebe schrumpft und verliert seine normale Konfigu- ration. Was sonst noch beobachtet wird, wie Verwachsungen, Re- cess- und Cystenbildungen, müssen wir als pathologisch bezeichnen. Jede Rachentonsille zeigt beim Erwachsenen solche Veränderungen, daher haben auch KÖLLIKER und LuscHKA nur krankhaft verbildete Organe beschrieben. Vielfach findet man nach dem zweiten Jahrzehnt die obere Wand des Schlundkopfes ganz glatt, was im vorgeschrittenen Alter fast zur Regel gehört, jedoch bleibt, wie aus MEGEVAND’s Untersuchungen hervorgeht, der adenoide Charakter der Schleimhaut mikroskopisch stets nachweisbar. In histologischer Hinsicht zeigt die lymphatische Substanz der Rachentonsille keine Besonderheiten gegenüber ihrem Verhalten in anderen lymphatischen Organen. Zu bemerken ist nur, dass sie keine Hohlräume enthält, wie die Zungenbalgdrüsen und die Gaumen- mandeln. Sie beschränkt sich stets auf die Grenzen der Mucosa und ist reich an Follikeln und Gefäßen, besonders Venen. Ihr Überzug besteht aus geschichtetem Flimmerepithel, auch im Bereiche ihres hinteren, der dorsalen Rachenwand angehörenden Ab- schnittes. Jedoch zeigt dieser mitunter geschichtetes Pflasterepithel, gleich der ihm benachbarten Schleimhaut (GANGHOFNER, WENDT). Das Verhältnis der Leukocyten zum Epithel ist nach Sréur? hier 1 Bei Hyperplasie der Rachentonsille lässt der Riickbildungsprocess länger auf sich warten. Unter 60 derartigen Fällen, die ich in 5/, Jahren hier be- obachtete, gehörten 12 in das dritte, 1 in den Anfang, 2 in das Ende des vierten Jahrzehntes. Ein ganz ungewöhnlicher Fall aber betraf einen 69jährigen Mann, der eine fast taubeneigroße Geschwulst im Nasenrachenraum hatte, welche sich klinisch wie mikroskopisch-anatomisch als vergrößerte Rachentonsille erwies. 2 STÖHR, Histologie, 2. Aufl. pag. 141. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 671 ganz dasselbe, wie es dieser Autor bei den Gaumentonsillen be- schrieben hat. Wir werden unten darauf zuriickkommen. An der Oberfläche des adenoiden Gewebslagers bemerkt man feine Löcher, die Ausmiindungen, der in der Submucosa gelegenen Schleimdrüsen; diese, die sich später entwickeln als die großen Speicheldriisen, nämlich im vierten Monate (KOLLIKER, Entwicklungs- geschichte 2. Aufl. pag. 828), sind demnach früher vorhanden als das adenoide Gewebe, wenn schon in geringer Zahl. Da die Sprossenbildung des Epithels bis in den 7. Monat fortdauert (vgl. Fig. 30), so nehmen sie rasch an Menge zu. Fig. 30. Frontalschnitt durch den Nasenrachenraum eines Embryo von 25 Wochen (Nr. 53). Vergr. 12/1. Fib Fibrocartilago bas., Dr Drüsen, T.E Tube, 7.K Tubenknorpel, Vel Gaumensegel, von a—d beginnende Rundzelleninfiltration. Fig. 30 zeigt uns die Vertheilung der Schleimdriisen auf die verschiedenen Gebiete des Cavum pharyngo-nasale. Die größte An- hiufung derselben besteht um die seitlichen oberen Winkel dieses Raumes; nach der Mitte seiner oberen, sowie nach dem unteren ke? |, 7 int 672 Gustay Killian Theil seiner lateralen Wand nehmen sie an Zahl merklich ab. Sein vorderer Abschnitt enthält weniger Drüsen als sein hinterer, wie die betreffenden Frontalschnitte darthun. In der direkten Nachbarschaft der Bursa finden sich gar keine, auch nicht am obersten Theile der hinteren Rachenwand. Die Art dieser Vertheilung der Schleimdriisen erhält sich wäh- rend des ganzen Lebens, nur findet eine relative Verdickung der Driisenschicht statt, die beim Erwachsenen einige Millimeter betragen kann (SCHMIDT). Von besonderem vergleichend anatomischem Werthe ist die ge- naue Kenntnis der Lage der Rachentonsille zur Schiidelbasis. Sie befindet sich im 6. Monate unter dem Kerne des hinteren Keilbeines und iiberragt denselben vorn bis zur Spitze des Vomer, hinten bis zum Beginne des basalen Kernes des Hinterhauptsbeines (vgl. I. Theil, Fall Nr. 47). Da sich dieser bis zum achten Monate ein ganzes Stück nach vorn verlängert, so reicht das adenoide Gewebe nunmehr hinten bis unter den vorderen Abschnitt des Occipitale basilare. Bei Kindern im ersten Lebensjahre hat sich das Verhältnis der- artig gestaltet, dass die Rachenmandel (bei einer Länge von 18 mm) mit ihrer vorderen Hälfte unter dem hinteren Keilbeinkörper liegt und sich vorn gerade bis zum 1 mm dicken intersphenoidalen Zwischen- knorpel erstreckt, mit ihrer hinteren aber bis zur Mitte des Basal- theiles des Hinterhauptsbeines reicht. Sie wird also von der Syn- chondrosis spheno-oceipitalis halbirt. Fast ganz der Occipitalregion gehört sie beim Erwachsenen an; denn sie entspricht mit ihrem hinteren Ende dem Rande des Foramen magnum (LUSCHKA), während sie vorn durch die nach hinten ge- rückten Schaufein des Pflugscharbeines bis auf eine Strecke von 4 mm (so weit sind diese noch von der Synchondrosis spheno-occipitalis ent- fernt) aus der Keilbeingegend verdrängt worden ist. Dabei beträgt ihre Länge 2,5 cm (TRAUTMANN). Wir haben also die interessante Those acht zu kon- statiren, dass die Rachentonsille des Menschen vom sechsten Embryonalmonate bis zum Ende des zweiten Decenniums aus der Basisphenoidal- in die Basiocei- pitalregion rückt. ee En an il ey Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 673 Primates. (Chrysothrix sciurea '.| Cebus capucinus L. Beim Kapuzineraffen wird der Nasenrachenraum bis auf einen kleinen, hinteren Abschnitt durch eine häutige Verlängerung des Septum narium in zwei Hälften getheilt. Diese Membran ist mit der Dorsalfläche des Velum und mit dem Rachendache verwachsen und hat eine leistenförmige Fortsetzung (Taf. XXV Fig. 31 Z) auf die hintere Pharynxwand. Ähnliche Verhältnisse zeigen die Ungulaten, ganz analoge das Schwein?. Zu beiden Seiten der Membran bemerkt man am Rachendache eine Art Polster, das die ganze Breite desselben einnimmt und bei einer Dicke von 1,5 mm 8,5 mm lang ist {R.7T). An der etwas un- regelmäßigen Oberfläche des Polsters treten hier und da Knötchen hervor. Wie das Mikroskop lehrt, besteht es aus zahlreichen, dichtge- drängten, jedoch nur eine Schicht bildenden Follikeln. Dieselben breiten sich vorn eine Strecke weit auf die Seitenflächen der Nasen- Fig. 32. Fig. 33. Frontalschnitte durch den Nasenrachenraum von Cebus capucinus. Gaumensegel gespalten, häutiges Nasenseptum von seiner Rückenfläche abgetrennt. Vel Velum, Spt.n.m membranöse Nasenscheide- wand, R.T Rachentonsille, 7b Tube, Dr acinöse Drüsen, Muse.l.c Longus capitis, Fib fibröses Gewebe, 5.5.0 Synchondr. spheno-oceip. Vergr. #/ı. scheidewand aus (vgl. Fig. 32) und überziehen hinten deren leisten- förmige Fortsetzung auf die hintere Schlundwand (Fig. 33, bei R.T). ! Die Namen der mit negativem Resultat untersuchten Thiere führe ich in Klammer an. Die mikroskopische Untersuchung ist nur dann vorgenommen, wenn es besonders bemerkt wird. ® Halbirung des Cay. phar. nas. durch Verlängerung des Sept. nar. nach hinten kann in seltenen Fällen auch beim Menschen vorkommen (J. W. MACKEN- zIE, Arch. of Laryngol. 1883. Juli. PHOTIADES, Mitth. über Nasen- ete. Krank- heiten. Athen 1884). 674 Gustav Killian Aciniése Drüsen finden sich keine unter der Follikelschicht, son- dern nur im Bereiche der oberen seitlichen Winkel des Cavum pharyng. nasale. Der obere Rand des Constrictor pharyng. sup. reicht bis zum hinteren Ende jener Schicht, die wir als Rachentonsille zu betrachten haben. Die Köpfe der Muse. long. capit. verlaufen beiderseits eine Strecke weit unter ihr und setzen sich am Basiphenoid an. Sie liegt unter dem letztgenannten Knochen und gelangt nur mit ihrem kleinen mittleren Zipfel in das Gebiet des Basioceipitale, was sich um so besser feststellen lässt, als noch Knorpelreste der Synch. spheno-oceip. nachweisbar sind. Prosimiae. (Perodietieus Potto. | Carnivora. ‘Nasua rufa, Viverra civetta, Herpestes griseus, Paradoxurus trivirgatus, Mephitis mephitica, Lutra vulgaris. | Canis familiaris. Der Hund besitzt an der Stelle der Rachentonsille eine An- häufung von Follikeln, welche Scumipr mit dem Aussehen eines Peyer’schen Plaque vergleicht. Die einzelnen Knötchen sind relativ groß (Durchmesser 1/.—*/; mm) und stehen in gewissen Abständen von einander. Sie bedecken ein Gebiet, das auf den Seiten (Fig. 34 Taf. XXV) nur der oberen, in der Mitte auch der hinteren Wand (3'/, mm) des Schlundkopfes angehört. Seine vordere Grenze hat die Form eines nach vorn offenen Winkels; dabei reicht es seitlich bis über die Tubenmündungen. Seine hintere Grenze ist der vorderen ungefähr parallel. Eine besondere Konfiguration gewinnt die ganze Region dadurch, dass sich der obere Theil der dorsalen Rachenwand tief zwischen die Köpfe der Musculi longi capitis hinein erstreckt. Drei Viertel der durch das Follikelaggregat repräsentirten Rachen- tonsille liegen unter dem Basisphenoid, das hinterste Viertel unter dem Basioceipitale. Die acinösen Drüsen in ihrem Bereiche sind kleiner und weniger zahlreich als in der Nachbarschaft. Canis vulpes. Der Fuchs zeigt nach Scumipr dieselben Verhältnisse wie der Hund. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 675 Felis domestica. Sie besitzt ebenfalls anstatt einer Tonsilla pharyngea eine An- häufung von Follikeln am Rachendache, nur dass sich dieselben in Gestalt einer Platte von der Umgebung abheben und so tine noch größere Ähnlichkeit mit den Plaques des Darmes gewinnen als sie die Rachentonsillen des Hundes und Fuchses besitzen. Die einzelnen Follikel erkennt man bequem mit bloßem Auge, doch sind sie nicht so groß als beim Hunde. Sie haben nach ScumipT oft eine doppelte Kapsel. Die ganze Follikelplatte fand ich bei einer jungen Katze 6 mm lang und 3 mm breit. Auf die hintere Rachenwand ging sie nicht über. Auch hier war wieder das Basisphenoid der die Lage der Pha- rynxtonsille bestimmende Knochen der Schädelbasis. Die vorderen Grenzen beider stimmten genau überein; hinten ragte die Tonsille ein wenig über die Synchondrosis spheno-occipit. weg in das Occi- pitobasilargebiet. Acinöse Drüsen waren unter der Follikelschicht nur in spärlicher Zahl vorhanden. Ursus aretos und americanus. Beziiglich dieser beiden, die ich nicht zu untersuchen Gelegen- heit hatte, mag hier eine Bemerkung von Rapp! Platz finden, auf die ich zufällig stieß und die ich kein Bedenken trage, auf eine Rachentonsille zu beziehen. Er sagt gelegentlich der Beschreibung der Rachentaschen : »An der Schädelbasis hinter den Choanen war die Stelle, welche die Decke des Pharynx bildet, mit einer dicken, rothen, glandulösen Lage bedeckt. Sie zeigte auf der freien Oberfläche viele feine Öffnungen, aus welchen man eine dicke, zähe Flüssigkeit ausdrücken konnte.« Insectivora. (Talpa europaea ?.| Erinaceus europaeus. Während Scumipr »am Schlundgewölbe des Igels weder Follikel noch eine formlose Infiltration der Schleimhaut wahrnehmen konnte«, 1 MüLLer’s Archiv 1839. Rapp, Uber die Tonsillen. pag. 191 An- merkung. : 2 Mikroskopisch untersucht. i i - 676 Gustav Killian fand ich wenigstens die letztere, wenn schon ungewöhnlich weit nach vorn, so dass eine Idendität mit der Rachentonsille zweifelhaft wird. Sagittalschnitt durch den Nasenrachenraum des Igels. Vergr. #ı. 4Ad.@ adenoides Gewebe, Praesph Praesphenoid, Bas.sph Basisphenoid, Bas.o Basioccipitale, Hyp Hypophyse, Cst Constrictor phar., Vel Velum, Dr Drüsen. Wie man aus Fig. 35 ersieht, ist es die vordere Hälfte des Basi- sphenoid und des Praesphenoid, unter denen das adenoide Gewebe liegt. Seine vordere Grenze kann ich leider nicht genau angeben, seine seitliche entspricht der des Rachendaches. Schleimdrüsen findet man an dem letzteren nur in Spuren. Cheiroptera. [Pteropus melanocephalus, Fliegender Hund. | Vespertilio murinus. Die Fledermaus besitzt mitten an der Decke des Schlundkopfes eine langgestreckte Schleimhautleiste, welche aus adenoidem, follikel- losem Gewebe besteht und sich genau an die Grenzen der Spheno- basilarregion hält, wie man bei jungen Thieren leicht feststellen kann, da sie die Synchondrosen, welche hier in Frage kommen, noch besitzen. An Fig. 36, welche einen Frontalschnitt durch den vorderen, und Fig. 37, welche einen solchen durch den hinteren Theil des Nasenrachenraumes darstellt, erkennt man die geringe seitliche Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 677 Ausdehnung der adenoiden Gewebspartie; vom ist sie außerdem pro- minenter, hinten verflacht sie sich. Frontalschnitte durch den Nasenrachenraum der Fledermaus. Vergr. 1/1. R.7 Rachentonsille, Dr Drüsen, Ts Gaumentonsille, Vel Velum, Zy Zunge, 7b Tube, Lav Larynx, Hyp Hypophyse. Wenn auch schon im vorderen Abschnitt des Nasenrachenraumes Schleimdriisen vorhanden sind, besonders unter der lymphatischen Schieht, so ist doch ihre Menge im hinteren eine ungleich größere (Fig. 37), ja sogar eine relativ so reichliche, wie ich ihr bei keinem anderen Säugethier begegnet bin. Besonders angehäuft erscheinen sie in der Mitte des Rachendaches und beiderseits im Anschluss an den Verlauf der Ohrtrompeten. Pteropus eollaris, eine Art fliegender Hund, hat ähnlich der Fledermaus an der oberen Pharynxwand eine mediane adenoide Leiste. Dieselbe ist in diesem Falle follikelhaltig. . Zwischen dem Lymphgewebe und der Schädel- basis finden sich keine acinösen Drüsen, wohl aber rechts und links in den seitlichen Winkeln des Cavum pharyngonasale und zwar in relativ großer Zahl. Rodentia. (Cricetus frumentarius, Hamster: Mus decumanus, Wanderratte: Mus . musculus, Hausmaus'; Arctomys marmota'; Lepus timidus: Cavia cobaia!.] | 1 Von mir mikroskopisch untersucht. Ratte, Maus und Hase hat SCHMIDT mikroskopirt, ohne etwas zu finden. Morpholog. Jahrbuch. 14. 44 678 Gustav Killian Lepus cuniculus, Kaninchen. Während ich auch mit dem Mikroskope keine Spur einer Rachen- tonsille nachweisen konnte, fand ScHmipr nach Untersuchung mehrerer Exemplare einmal »im Schlundgewölbe eine geringe Menge zer- streuter, einzeln stehender, runder Follikel. die ',—1 mm im Durch- schnitt hatten, auf der Oberfläche leicht emporgewölbt, scharf be- grenzt und durch ihre helle Farbe im Gegensatz zu der noch nach der Einspritzung der Blutgefäße stark gefärbten Schleimhaut sehr kenntlich waren«. Ungulata. Perissodactyla: Equus caballus. Die Tuben des Pferdes miinden von hinten her dicht an der Schidelbasis in den Nasenrachenraum. Sie haben weite Ostien, welche mit mächtigen trompetenförmigen Knorpeln ausgerüstet sind. Mit ihren nach innen konvexen Oberflächen liegen diese Knorpel dieht an einander, so dass ihre Schleimhautüberzüge verwachsen sind. Da die verwachsene Stelle vorn am Rande der Knorpel einen ge- wissen Abstand von der Basis Cranii hat, nach hinten zu aber all- mählich an den Knochen herantritt, so entsteht hier ein dreiseitig pyramidenförmiger Raum mit nach hinten gerichteter Spitze und nach vorn gegen die Schlundkopfhöhle sich öffnender Basis. Seine obere Wand wird durch die ebene horizontale Schädelbasis gebildet, seine beiden unteren seitlichen durch die konvexen Theile der Tubenröhren. Die Schleimhaut der ersteren ist dünn, liegt dem Knochen dicht auf, wird aber nach der Spitze der Pyramide d. h. nach hinten zu dieker und adenoid (wie bereits Scumipr nachgewiesen hat). Die vordere Grenze des adenoiden Gewebes hat die Gestalt eines ein- springenden Winkels. Nach unten setzt es sich auf die konvexen Tubenflächen fort, wo es sogar am dicksten ist. Follikel enthält es keine, dagegen finden sich überall acinöse Drüsen in seinem Bereiche. Die Lage dieses Gewebes, der eigentlichen Rachentonsille des Pferdes, entspricht dem Basisphenoid. Vermuthlich bezieht sich meine Beschreibung auf ein bereits rückgebildetes Organ, da ich nur ganz alte Thiere untersuchen konnte. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 679 Artiodactyla: [Capreolus L., Reh '.) [Dieotyles torquatus. | Bos taurus. Der Ochse besitzt die am vollkommensten ausgebildete Rachen- tonsille, der ich bei meinen Untersuchungen begegnet bin. Es ist ein Organ von bemerkenswerther Größe, die jedoch individuellen Schwankungen unterliegt. Ich fand es in einem Falle 5,5 em lang und 2cm breit, in zwei anderen war es kleiner. Von seinem Aus- sehen giebt uns Fig. 38 (Taf. XXV) eine Vorstellung. Wir bemerken eine Anzahl longitudinaler, 2—3 mm dicker Wülste, welche vorn nach dem Ende des Septum narium zu konvergiren. Auf der Zeichnung erscheinen sie etwas aus einander gezerrt. wo- durch die Tiefe der sie trennenden Furchen und die hier zwischen ihnen bestehende trabeculire Anordnung zur Anschauung gelangt. Sie haben eine unebene Oberfläche und lassen zahlreiche Löchelchen, Fig. 39. Frontalschnitt durch die Rachentonsille des Ochsen. Vergr. 21. Dr Schleimdrüsen, die Mündungen der unter dem adenoiden Gewebe gelegenen Drüsen erkennen. Die mittleren Wülste sind die dieksten und höchsten, wie am besten Frontalschnitte zeigen (vgl. Fig. 39, die sich auf eine kleinere Rachentonsille bezieht, als sie in Fig. 38 Taf. XXV abge- bildet ist). Seitlich greift das adenoide Gewebe oft noch eine Strecke weit in trabeculirer Form auf die Seitenwände des Nasenrachenraumes über. 1 Vergleiche I. Theil, Reh, pag. 662. Beim Reh fand auch SCHMIDT keine Rachentonsille. 44* 650) Gustav Killian In ihrer Hauptmasse stellt die Rachentonsille eine Verlängerung des Septum narium auf die hintere Rachenwand dar, an der ihre hauptsächlichste Ausbreitung stattfindet, während nur ihr vorderster Theil dem Rachendache zugerechnet werden kann. Sie grenzt nach vorn direkt an einen dieken, den freien Rand der Nasenscheidewand (welche noch durch den ganzen Nasenrachen- raum zieht) säumenden cavernösen Körper (Taf. XXV Fig. 38 Corp.cv). Eine scharfe untere Grenze der Tonsilla pharyngea besteht nicht. Ihre Längswülste verbreiten sich fächerförmig auf die hintere Rachen- wand, wobei sie sich mehrfach theilen, flacher werden und sich schließlich verlieren. Die ungefähre untere Grenze würde eine bogen- förmige Gestalt haben. Histologisch aufgefasst besteht das ganze Organ aus einer reich- lich gefalteten adenoiden Schleimhaut, deren einzelne Falten eine vom submuecösen Gewebe ausgehende und die Gefäße führende binde- gewebige Stütze haben (Fig. 39). Scumipt fand die Mucosa durchschnittlich 1,5 mm dick und aus dichtgedriingten Lymphkörperchen bestehend. Sie enthielt ferner meist unvollkommen, selten schärfer begrenzte Follikel. Die Schleim- drüsen bildeten eine zusammenhängende Lage unter der ganzen Tonsille. Das letztere Verhältnis konnte ich nur an ihrem hintersten Theile konstatiren, während ich vorn in der Mitte gar keine Drüsen fand (Fig. 39). Gelegentlich drängten sich Drüsenläppchen in das adenoide Gewebe ein oder waren ganz von demselben umschlossen. Ausfüh- rungsgänge fand ich zahlreiche; sie mündeten meist auf dem Kamme der Falten, waren sehr lang, mit kubischen Zellen ausgekleidet und mit Schleimmassen angefüllt, in welchen Rundzellen eingebettet lagen. Der Überzug der Rachenmandel bestand aus geschichtetem Cy- linderepithel, an dem ich keine Flimmerhärchen nachweisen konnte, wiewohl die Präparate noch körperwarm in die Konservirungsflüssig- keit eingelegt worden waren. Bei Verfolgung der Epithelschicht sah ich überall Rundzellen in sie eingestreut und fand viele Stellen, wo das adenoide Gewebe die epitheliale Hülle durchbrochen hatte und frei an die Oberfläche ragte oder nur von glatten Zellen oder Schüpp- chen bedeckt schien. Analog wie beim Ochsen verhält sich die Pharynxtonsille beim Kalbe, nur dass sie relativ kleiner ist. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 681 Keine Spur von ihr zeigte ein 18 cm langer Rindsembryo, während ein solcher aus der letzten Entwicklungsperiode, dessen Kopf eine Länge von circa 10 cm hatte, ihre erste Anlage erkennen ließ. Der hinterste Abschnitt der Nasenscheidewand war mit zahl- reichen, zierlichen, 1 mm hohen, sagittalen Falten überzogen, welche, wie Fig. 40 zeigt, aus einer mit Rundzellen in mäßigem Grade in- filtrirten Schleimhaut bestanden. Follikel fehlten. Die Bildung der Rachentonsille eines Rindsembryo, dessen Kopf 10 cm lang war. Frontalschnitt. Vergr. 12/1. R.T Tonsilla pharyngea, Dr Drüsen. Schleimdriisen war noch in vollem Gange, wie zahlreiche Epithelein- stülpungen bewiesen. Es scheint, dass auch hier gerade wie beim Menschen die Falten früher bestanden haben, als das adenoide ‚Gewebe. Die Lage der Rachentonsille entsprach bei diesem Embryo dem hinteren Keilbeine. Auch noch beim Kalbe hält sie sich genau an die Grenzen dieses Knochens, was bequem festzustellen ist, da so- wohl die Synehondrosis spheno-oceip. als auch intersphenoidalis erhalten sind. Nur liegt ihre hintere Hälfte der Schädelbasis nicht 682 Gustav Killian direkt an, wie die vordere, sie wird vielmehr durch die dicht neben einander gelegenen und bis zur Mitte der unteren Fläche des Basi- sphenoid reichenden Köpfe der Museul. long. capit. etwas abgedrängt. Dem gegenüber erscheint die Pharynxtonsille des Ochsen etwas nach hinten geschoben. Das Verhältnis der Muskeln zum hinteren Keil- beine ist zwar dasselbe geblieben, aber der vordere Rand der Ton- sille entspricht jetzt nicht mehr dem vorderen Ende desselben, son- dern seiner Mitte, fällt also mit der vorderen Grenze der Muskel- ansätze zusammen. Entsprechend dieser Rückwärtsschiebung gehört die Rachenmandel nunmehr fast ganz der dorsalen Pharynxwand an und reicht über die Synchondr. spheno-oceip. hinaus in das Occipito- basilargebiet. Ovis aries. Der obere Theil des Nasenrachenraumes des Schafes wird durch eine 2 em hohe, fascienartige Verlingerung des Septum narium, welche sich bis zur hinteren Schlundwand fortsetzt, in zwei Hälften getheilt (Taf. XXVI Fig. 41). Dieses häutige Septum dient der Rachentonsille als, Stütze. Sie besteht aus parallel angeordneten, sagittalen Wiilsten (von ca. 3,5 mm Höhe und 2 mm Breite), welche, jederseits sechs an der Zahl, den freien Rand und die beiden Seitenflächen ihrer Stützmembran be- decken (Taf. XXVI Fig. 41). Die mittleren reichen am weitesten nach vorn und eben so nach hinten, wo sie sich eine kurze Strecke weit auf die dorsale Rachenwand fortsetzen; die seitlichen verlieren sich mit ihren hinteren Enden in den Recessus laterales, den beiden hintersten obersten Zipfeln des Nasenrachenraumes, welche MAYER für Rachentaschen hielt. Gerade so verhalten sich einige kurze, am Dache und den Seitenwänden des Schlundkopfes gelegene Wülste, so dass die Wände des Recessus mit adenoidem Gewebe ganz be- deckt sind. Die Länge der Rachentonsille beträgt in der Mitte 3 em, seit- lich bis zur Spitze der 1 cm tiefen Recessus laterales 4 em, ihre Dieke 1 cm. An ihrer Oberfläche erkennt man deutlich die einzelnen Follikel als weiße Körner (von 0,75 mm Durchmesser) mit röthlichem Hofe. Sie bilden, wie das Mikroskop lehrt (Fig. 42), in der Mucosa eine einfache, kontinuirliche Schicht, bestehen aus dichtgedrängten Lymphzellen, haben keine bindegewebige Hülle. Das zwischen Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 683 ihnen gelegene Gewebe ist nur in dem, das Septum bedeckenden Theile der Pharynxtonsille adenoid. An vielen Stellen durch- bricht die Lymphzellenmasse das geschichtete Flimmer- epithel und behält nur noch einen Überzug von niede- ren Zellen. Überall sieht man Rundzellen in die Epi- thelschichten eingestreut. Acinése Drüsen sind nur unter den seitlichen Theilen der Rachentonsille, die um die lateralen oberen Winkel des Cavum pharyngonasale liegen, und da in großer Zahl vorhanden; nur haben sie das Eigenthümliche, dass sie ganz von Fett durchsetztsind, pyontatschnitt durch die Rachentonsille des Schafes. welches direkt an die Stelle Vergr. 4h. Spt Septum. Foll Follikel, Ad.@ adenoides Ge- der. Acini getreten ist, 50 webe, Dr Schleimdrüsen, in Fettgewebe gelegen. dass das interaeinöse Bindegewebsstroma unverändert erhalten blieb. Bald liegen kleinere oder größere Gruppen von Driisenacini, bald sogar einzelne isolirte innerhalb des Fettgewebes. Das Drüsengewebe un- terliegt zweifelsohne an dieser Stelle einer regressiven Metamorphose. Ähnliches sahen wir bereits früher beim Reh (I. Theil pag. 663). Bei Schafsembryonen von 8—10 em Länge fand ich noch keine Spur einer Rachentonsille. Was ihre Lage angeht, so richtet sich dieselbe nach dem Basi- sphenoid. Die vordere Grenze dieses Knochens war an meinen Präparaten noch durch die Synchondrosis intersphenoidalis be- stimmt, die hintere konnte man an einer Rauhigkeit am Clivus er- kennen, welche die Stelle der bereits geschwundenen Synehondrosis spheno-oceipitalis andeutete. Dachte man sich die Tonsilla pharyngea auf die Schädelbasis projieirt, so überragte ihr vorderes Ende das hintere Keilbein nur wenig nach vorn (1 cm), während ihr hinteres Ende, das heißt die Spitze des Recessus lateralis etwas vor die Stelle der Synchondrosis spheno-occipitalis zu liegen kam. Da die Museuli longi capitis 1 cm weit auf die untere Fläche des Basisphe- noid übergreifen, so werden gerade die Recessus vom Knochen ab- a 684 Gustay Killian gedrängt und kommen mit ihrer oberen Wand auf die Muskelköpfe zu liegen. Sus serofa. Die Nasenscheidewand des Schweines verläuft zwar auch durch den Nasenrachenraum wie beim Ochsen und Schafe, aber sie zeigt die Besonderheit, dass sie bis zum Gaumensegel herabreicht und mit dessen Dorsalfläche verwachsen ist, gerade so wie wir es beim Kapuzineraffen beschrieben haben. Sie ist in ihrem hinteren Theile rein häutig, endet sichelförmig, ungefähr entsprechend den Tuben- miindungen, und hat nur dorsal eine kurze Verlängerung auf die hintere Rachenwand. Vom Beginne der letzteren an ist der Raum des Schlundkopfes ungetheilt. Die Rachentonsille wird durch einige Wülste adenoiden Ge- webes repräsentirt, welche hinter dem Rande des membranösen Septum am Rachendache liegen, sich eine kurze Strecke auf die hintere Schlundwand fortsetzen, und seitlich in die Gruben hinter den Ostien der Eusracurschen Tuben sich erstrecken (vgl. Taf. XXVI Fig. 43). Man findet gewöhnlich einen dicken Mittelwulst (!/; mm breit, 0,3 mm hoch), an den sich seitliche anschließen. Dem Ganzen fehlt eine regelmäßige Eintheilung. An seiner Oberfläche bemerkt man zahl- ‚reiche kleinere und größere Drüsenöffnungen. Seine Dicke beträgt durchschnittlich 2—3 mm. Es ist sehr reich an Follikeln, welche, mit einer wohlausgebildeten Kapsel versehen, dieht neben einander liegen, so dass kaum Raum für ein adenoides Zwischengewebe bleibt. Die acinösen Drüsen bilden eine kontinuirliche Lage unter der Rachentonsille (vgl. Scumip7). 6 und 8 em lange Schweineembryonen besitzen noch keine Spur von adenoidem Gewebe am Rachendach, dagegen ist es ge- bildet und bereits follikelhaltig bei solchen von 12 em Länge, wie Fig. 44 lehrt. Es ist somit das Auftreten der Follikel beim Schwein ein ungewöhnlich frühes. Bei dem letzterwähnten Embryo liegt die Rachentonsille unter dem Basisphenoid und reicht mit ihrem hinteren Ende unter die Mitte der Synchondros. spheno-occipitalis und bis zum oberen Rande des Constrietor pharyngis sup. Beim ausgewachsenen Thiere ist der erwähnte Zwischenknorpel sowie der vordere intersphenoidale noch vorhanden; man sieht also die Grenzen des hinteren Keilbeines und kann leicht feststellen, dass Uber die Bursa und Tonsilla pharyngen. G85 ihm die Lage der Rachentonsille genau entspricht. Die Köpfe der Museuli long. cap. reichen wieder bis zur Mitte besagten Knochens: Fig. 44. Sagittalschnitt durch die Schädelbasis eines Schweineembryo von 12 em, Vergr. 2. B,Sph Basi- sphenoid, B.o Basioccipitale, S Synchondr. spheno-oceip,, Cet Constrietor phar. sup., K.T Rachen- tonsille, Dr Drüsen. in Folge dessen liegt die Tonsille mit ihrer vorderen Hälfte an der oberen, mit ihrer hinteren an der dorsalen Pharynxwand. Cetacea, [Delphinus albicans, Embryo von 20 em Linge. | Edendata. |Bradypus tridactylus. | Marsupialia. (Perameles Doreyanus. | (Phalangista vulpina. | (Halmaturus brachyurus. | Didelphys cancrivora. Der hintere Theil der Schleimhaut des Schlunddaches, an wel- chem sich ein 11/, mm hoher medianer Längswulst befindet, erweist sich bei der mikroskopischen Untersuchung als adenoid und follikel- haltig. Das adenoide Gewebe dehnt sich 5 mm weit über dem oberen Schlundschnürer weg auf die hintere Rachenwand aus. Entsprechend dem Medianwulste ist die Rachentonsille in der 686 _ Gustav Killian Mitte 2'/,, auf den Seiten 1 mm dick. Ein dünnes Bindegewebs- lager trennt sie von der Schädelbasis, in deren Sphenobasilarregion sie vorzugsweise liegt; nur ihr hinterster Theil gelangt in das Be- reich des Occipitobasilare. Embryonen von 4 und 9 cm zeigten nichts Besonderes. Ornithodelphia. (Echidna, Ornithorhynchus. | Aves. Die Rachentonsille der Vögel haben bereits Rapp (1843) und Srannius (1846) gesehen, ohne sie jedoch als solche zu erkennen. Letzterer gab überhaupt kein bestimmtes Urtheil ab, Ersterer suchte sie als Gaumentonsille zu deuten, war sich dabei aber wohl bewusst, dass sie nicht an derselben Stelle lag, wie die der Säugethiere, sondern neben der gemeinsamen Mündung beider Tuben. Sie besteht nach diesem Autor auf jeder Seite »aus einer dicken Platte, auf welcher man die runden Mündungen von zahlreichen Drüsenhöhlen wahrnimmt. Der hintere Rand der Tonsillen ist mit weißen, rückwärts gerichteten Spitzen besetzt; zuweilen zeigt sich die ganze Oberfläche mit solchen zerstreuten Hervorragungen bedeckt, z. B. bei den Spechten. — Die runden Mündungen auf der freien Oberfläche der Tonsillen führen in Drüsenkörner oder Drüsenschläuche, die eine zusammenhängende dichte Lage bilden. — Bei vielen Vö- geln, z. B. den Raubvögeln, den hühnerartigen Vögeln, zeigen die Tonsillen am inneren Rande« (er meinte den dem Tubenostium zuge- kehrten) »eine der Länge nach verlaufende Spalte, in welcher srößere Drüsenmündungen bemerkt werden. Dieser Theil ent- sprichtim engeren Sinne den Tonsillen der Säugethiere«. Die innere »Spalte« wird noch besonders erwähnt beim Huhn, Fasan, Tetrao, Wachtel, sowie bei Raubvögeln, wie Falk, Lämmer- geier, Eule, Rabe, Lamius und soll bei letzteren die größte Ähn- lichkeit mit den Gaumenmandeln einiger Säuger besitzen. Mikro- skopische Befunde sind nirgends angegeben. 3; Srannıus erwähnt bei den Vögeln (pag. 297) »mehr oder minder zahlreiche, oft sehr dicht stehende Follikel! zur Seite und hinter 1 Dies Wort ist nicht in unserem heutigen Sinne zu verstehen, sondern bezieht sich nach der damaligen Bezeichnungsweise auf die acinösen Drüsen. Uber die Bursa und -Tonsilla pharyngea. 687 den hinteren Nasenöffnungen, gewöhnlich zwischen den hier befind- lichen Epithelialpapillen gelegen, aus mehr oder weniger zahl- reichen Öffnungen ihr Sekret ergießend. Sie sind in Gemeinschaft mit vielen größeren, hinter der Öffnung der Tuba Eustachii in zwei Reihen neben einander liegenden, durch weite Ostia sich 6ffnenden, zusammengesetzteren, inwendig zelligen Follikeln, welche besonders bei Raubvögeln entwickelt sind, neuerlich (Rapp) als Tonsillen ge- deutet worden.« Meine Untersuchungen erstrecken sich nur auf Huhn, Taube, Gans und Ente, welche ich gemeinsam betrachten werde. Die Vögel haben keinen Nasenrachenraum, denn der harte Gau- men schließt sich weder in der Mitte entsprechend weit wie bei den Säugern, noch hat er eine Verlängerung, ein Velum, welches einen hinter den Choanen und im Bereiche der Tubenmündungen gelegenen Raum von der Mundrachenhöhle separiren würde (vgl. Fig. 45). Die Tuben ihrerseits münden bekanntlich nicht einzeln, sondern vereinigen sich an der unteren Fläche des Basisphenoid, vor der Spitze des Parasphe- noid (eines den hinteren ‘Theil des Os sphenobasi- lare und fast das ganze Oceipitobasilare von un- ten deckenden besonderen Knochens) und bilden einen 3 nach dem Rachendache ur: sich trichterformig erwei- a ternden, gemeinsamen, einige Millimeter langen Kanal, eine Art Infun- ie dibulum tubarum, Phin dessen Wiinde fiir ge- Gaumenansicht des Huhnes. Natürl. Größe. Inf.tub Infun- os . . . dibulum tubarum, aus einander gezogen, Pl.inf. Plica in- -wohnlich auf einander lie- fundibuli, Ad.@ Gebiet der Rachen- oder Tubendriise und gen, SO dass das Lumen des adenoiden Gewebes, Ch Choanen, L.G.Dr Gebiet der la- i teralen Gaumendrüse, die Gestalt eines genau medianen und sagittalen Spaltes hat. Einen solchen erkennt man auf Fig. 45 nicht mehr, weil das Infundibulum aus einander gezogen 688 Gustav Killian wurde, um die beiden sagittalen Falten an seinen Seitenwänden zu zeigen (Plicae infundibuli). Das Gebiet vom eigentlichen Rande des Tubentrichters (a) bis zu dem der Trichterfalte entspricht dem »inneren Rande« der Tonsillen von Rapp, die Spalte zwischen beiden ist seine „innere Spalte«. Beim Huhn hat die Schleimhaut des Rachendaches beiderseits um das Infundibulum, so weit sie auf Fig. 45 vorn dureh die punk- tirte Linie, hinten durch den »gezackten Rand« (vgl. Rapp) abge- grenzt wird (besonders an Präparaten, die in Spiritus gelegen haben), eine hellere Farbe als die Umgebung ‘bei der Taube weißlich). Es beruht dies darauf, dass hier ein diekes aeinöses Drüsenlager durch- schimmert, welches genau die erwähnten Grenzen einhält und keine Verbindung mit benachbarten Drüsen hat, wie bei der Gans und Ente. Dasselbe verdient daher als »Rachendrüse« oder »Tuben- drüse« besonders unterschieden zu werden. Die Strecke nach vorn davon bis zum hinteren Ende des Choanenspaltes ist beim Huhn und der Taube ganz frei von Schleimdrüsenanhäufungen:; dagegen haben sie entlang den Rändern der Choanen bis über das vordere Ende der- selben hinaus in das Bereich des Schnabels beiderseits ein langge- strecktes Drüsenpacket, die »laterale Gaumendrüse« von REICHEL. Bei der Gans und Ente fließen die letzteren hinter den Choanen zu- sammen und setzen sich kontinuirlich in die Rachendrüse fort, so dass diese dann als hinterster Abschnitt der vereinigten lateralen Gaumendrüsen anzusehen ist. Da bei ihnen die Schleimhaut seit- lich davon ebenfalls sehr reich an acinösen Drüsen ist, so hebt sie sich in dem der Rachendrüse des Huhnes entsprechenden Gebiete nicht durch eine besondere Farbe heraus. Sie zeigt in dieser Region bei allen vier untersuchten Arten kleine Löcher, welche die Mündungen von Drüsenausführungsgängen darstellen. Dies lehren uns mikroskopische Schnitte (vgl. Fig. 46a). Huhn und Taube besitzen im Bereiche der Rachendrüse zwischen Epithel und Drüsensubstanz eine Schicht adenoiden, bei letzterer follikelhaltigen Gewebes, die Gans nur solitäre Follikel, die Ente keins von beiden. Bei allen ist dagegen der ganze Tuben- trichter mit adenoider, follikelhaltiger Substanz ausge- kleidet, die entsprechend den Plicae infundibuli ziem- lich dick sein kann. Wie die Beobachtungen von Rapp und Srannius wahrscheinlich machen, haben die letzterwähnten Verhältnisse allgemeine Verbreitung Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 689 im Vogelreiche, jedoch bedarf dies erneuter ausgedehnter Unter- suchungen. = = N N si rh ~ 4 he f / SS N 3 AR a N ARE en Sa age, N nr BR Z en , Frontalschnitt durch die Rachenionsille des Huhnes. Vergr. ?/ı. Inf. Zub Infundibulum tubarum, Pl.i Pliea infundibuli, Ad.@ adenoides Gewebe, Dr Drüsensubstanz (Rachendrüse), Zp geschichtetes Plattenepithel, « Drüsenausführungsgang. Die Beweisfiihrung, dass das hier beschriebene adenoide Ge- webslager der Rachentonsille der Siugethiere homolog sei, ist keine schwere, liegt es doch wie bei diesen im Bereiche des Basisphenoid. Betrachten wir nämlich einen Sagittalschnitt durch den hinteren Theil der Schädelbasis eines jungen Huhnes, dann erkennen wir, dass es der trichterförmige Raum zwischen Basisphenoid und vorderem Ende des Para- sphenoid ist, in welchen das Infundibulum tubarum zu lie- gen kommt. Seine Wände deh- nen sich von da nach vorn und nach den Seiten aus. Auch in Bezug auf den Sagittalschnitt durch die Schädelbasis eines jungen Hypophysengang, der bei eee ER anne Säugern und Vögeln durch die fundibularraum der Tube, C.i Carotis interna, $.t Region des hinteren Keilbeines it et tritt, und hinter den die Anlage der Rachentonsille bei ersteren stets zu liegen kommt, stimmen die Verhiiltnisse der Vigel mit denen der Säuger überein. Denn dieser Gang mündet (Fig. 48) direkt in das. Infundibulum tubarum und zwar in seine vordere Hälfte. Da wo also das Gebiet der Rachentonsille bei den Vögeln der Schädel- 690 Gustav Killian basis dicht anliegt, hat es seine Lage zum größeren Theile hinter der Stelle, von der aus sich die RaruKe’sche Tasche nach oben ausstülpt. Sagittalschnitt durch den Kopf eines Hühnerembryo von 21/2cm Länge. Hyp Hypophyse, Hyp.g Gang derselben, Ag Auge, Inf. Tub Infundibulum tubarum. Zg Zunge, Occ.bas Occipitobasilarknorpel. Auf einem der benachbarten Schnitte zeigt sich von a bis J eine Be: wodurch das Tuben- lumen abgeschlossen wird. Reptilien. Ringelnatter, Eidechse, Monitor nilotic., Blindschleiche, Schild- kröte wurden makroskopisch untersucht und ergaben ein negatives Resultat. Crocodilus niloticus. Die Rachentonsillen des Krokodils sind 1846 von Srannius als Gaumentonsillen beschrieben worden und zwar in folgender Weise: »Sie liegen hinter den hinteren Nasenöffnungen,. zur Seite der Rücken- wand des Pharynx und erscheinen an jeder Seite als 5—6 sehr weite, quergestellte, durch starke Schleimhautfalten unterbrochene Einstülpungen der Schleimhaut, an deren Boden Zellen sich finden.« Schon RATHke bestritt 1866 die Richtigkeit der Deutung, welche STANNIUS den von ihm beschriebenen Gebilden gab, weil dieselben hinter anstatt vor dem Velum liegen und meinte: »Wohl passen- der lassen sie sich ungeachtet ihrer größeren Zahl mit der Einstül- pung der Schleimhaut vergleichen, welche beim Menschen nahe unter der Grundfläche der Hirnschale, oberhalb der Mündung der EusracHı- schen Trompete vorkommt.« Es scheint, dass RaTHKE damit die ROSENMÜLLER’sche Grube meint. Wie dem auch sei, er giebt wenigstens annähernd richtig die Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 691 Stelle an, wo beim Menschen ein Homologon der tonsillenartigen Bildungen des Krokodils zu suchen wire. Mir standen drei junge Exemplare, zwei von 38, eines von 41 em Länge zur Verfügung. Das Rachendach bot bei ihnen einen Anblick, wie ihn Fig. 49 (Taf. XXVI) wiedergiebt. Einen Millimeter hinter dem medianen, von der Tubenklappe geschlossenen Orificium tubarum commune und zugleich 1 mm rechts und links von der Mittellinie bemerkt man eine Reihe schiefer Falten, die in der Richtung von vorn außen nach hinten innen verlaufen. Die vordersten (1 mm lang) sind kürzer als die hintersten (11/, mm). Ihre Zahl beträgt jederseits vier. Zwischen ihnen, sowie vor der ersten und hinter der letzten liegen zusammen fünf Furchen von 1% mm Tiefe. Die gegen einander gekehrten Flächen derselben zeigen gelbe, knötchenförmige Verdickungen, wobei die Kämme der Falten frei bleiben. Die Richtungslinie der beiden Faltengruppen, der rechten und der linken, sind nach vorn konvergent, nach hinten divergent. Fig. 50a. ann PL. az a % £ HE 2 9 = BY: LY Z N S) RS Er 2 5 fin SY YLRERE Van Fin ART Sagittalschnitte durch die Rachentonsille eines jungen Krokodils von 38 em Länge. Vergr. bei 50a %/1 bei Fig. 505 10. R.Z' Rachentonsille, Pl Falten, S Furchen, Ad.G adenoides Gewebe der Knötchen, Cr Crypte. Das Epithel ist abgefallen, da die Präparate längere Zeit in Spiritus aufbewahrt waren. Da die gemeinsame Mündung sämmtlicher Tuben genau zwischen Basisphenoid und Basioccipitale liegt, halb dem einen, halb dem anderen angehörend, so ergiebt sich daraus, dass die beschrie- benen Bildungen dem Gebiete des letztgenannten Knochens ange- hören müssen, was die Unter- suchung von Sagittalschnitten voll- ständig bestätigt. Zwar reichen die letzten Furchen weit nach hin- ten, sie bleiben aber immer noch im Bereiche der Schädelbasis. 692 Gustav Killian Die Knötehen, von denen ich oben sprach, erweisen sich bei mikroskopischer Untersuchung als bestehend aus adenoidem, follikel- freiem Gewebe, in der Anordnung wie es in den Fig. 50« und 505 dargestellt ist. Die letztere zeigt uns auch, dass die Furchen, welche mit lymphatischer Substanz ausgekleidet sind, sich an ihren Enden kryptenförmig vertiefen. Aecinöse Drüsen fehlen im Schlunde der Krokodile. Bei Embryonen verschiedener Größe fand ich keine Spur von adenoidem Gewebe am Rachendache, doch waren bei einem von 25 em die Tonsillenfalten siimmtlich in guter Ausbildung vorhanden. Wiewohl das beschriebene Organ durch seine Furchen und Krypten eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit der Gaumentonsille hat und wie diese paarig angelegt ist, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass es gar nichts mit ihr zu thun hat. Denn diese liegt stets weiter nach vorn und ausgesprochen ventral. Dorsal und hinter den Tubenmündungen ist allein die Rachen- tonsille gelagert und mit einer solehen haben wir es hier zu thun. Wenn auch die Schleimhautfalten, aus denen sie sich entwickelt (gerade wie bei einzelnen Säugern), von Anfang an in der Basi- oceipital- und nicht in der Basisphenoidalregion gelagert sind, so kann dies doch nicht als Gegengrund geltend gemacht werden, weil die Pharynxtonsille bei einzelnen Säugethieren wenig, bei anderen fast ganz in die Hinterhauptsregion im Verlaufe des Wachsthums seschoben wird und weil sie bei den Krokodilen überhaupt relativ spät zur Entwicklung gelangt. Lacerta agilis. Was ich bei der makroskopischen Untersuchung übersah, ent- deckte Hout bei der Eidechse auf mikroskopischem Wege, wie aus einer Arbeit desselben hervorgeht, die mir erst nach Abschluss meiner Stu- dien zu Gesicht kam. Er fand thatsächlich eine Anhäufung von adenoidem Gewebe im Bereiche der Recessus tubarii, welche er als Pharynxtonsille bezeichnet und über die er sich folgender- maßen äußert: »Die Pharynxtonsillen liegen in der Gegend zwischen den hinteren Antheilen der Recessus tubarii, symmetrisch, rechts und links von der Mittellinie; sie sind aber an der Stelle ihrer größten Ausdehnung: durch eine Brücke lymphoiden Gewebes mit einander verbunden. Sie Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 693 stellen Knötchen dar, für das freie Auge kaum sichtbar, welche einerseits bis an das Periost der Unterlage heranreichen, andererseits aber das Epithel durchbrechen, um buckelartig das Niveau der Mu- cosa zu überragen. Jene Epithellage, die den Lymphknoten über- lagert, besteht aus unregelmäßigen Zellen, deren Protoplasmaleiber Fortsätze in die Tiefe entsenden, um ein Reticulum aufzubauen, welches mit dem des Knotens selbst in innigem Zusammenhange ist, so dass es den Anschein gewinnt als erstrecke sich das lymphoide Gewebe bis an die freie Oberfläche. — Wie es bei jedem Lymph- knoten der Fall ist, dass er nicht scharfe Abgrenzungen besitzt, so zeigt sich auch bei den Tonsillen, dass das benachbarte Bindegewebe und Epithellager von den indifferenten Zellen mehr oder weniger infiltrirt ist.« Der Beschreibung nach zu schließen liegen diese Rachentonsillen im Bereiche des Basisphenoid. Amphibien. Rana temporaria. HorL bemerkt in einer speciellen Arbeit über die Mundhöhle des Frosches (pag. 32): »Unter dem Epithel (scil. des Rachendaches) kann an verschiedenen Stellen eine Anhäufung von indifferenten oder lymphoiden Zellen wahrgenommen werden. Solche Follikel fand ich auch in der Zunge vor.« Bei Salamandra maculosa beschreibt derselbe Autor zwar Follikel am Mundhöhlen-, aber nicht am Rachendache. An der ventralen Wand der Schlundschleimhaut fand er an zwei fast symmetrischen Stellen tonsillenähnliche Bildungen. Ein Rückblick auf die Ergebnisse meiner Untersuchungen so- wie der von Scumipr, Hott und Anderen lehrt uns, dass die Rachen- tonsille eine ziemliche Verbreitung im Wirbelthierreiche besitzt. Sie kommt zwar bei den Säugern nicht so konstant vor wie die Gau- mentonsille, aber wenigstens eben so häufig als die Zungen- balgdrüsen. Dabei hat sie jedoch voraus, dass sie sich schon unterhalb der Mammalia bei Vögeln und Reptilien in guter Ausbildung findet und desswegen von allen drei Anhäufungen lympha- Morpholog. Jahrbuch. 14. 45 694 Gustav Killian tischen Gewebes im Schlundgebiete offenbar die äl- teste ist. Eben dieser Umstand lässt uns auch die noch bestehenden Lücken unserer Kenntnisse bezüglich der Verbreitung der Rachen- tonsille sowie die zahlreichen negativen Befunde weniger bedeutungs- voll erscheinen. Wenn ganze Säugethierklassen nicht in das Bereich unserer Untersuchung gezogen !, von anderen nur ein oder wenige Vertreter? berücksichtigt werden konnten, so ist dies bei entsprechendem Material leicht nachzuholen. Den negativen Befunden aber darf nicht die Bedeutung zuge- messen werden, als wenn die Pharynxtonsille den betreffenden Arten und Klassen absolut fehlte; denn das Auftreten einer solchen hält sich oft nur an Individuen. In keiner Säugethierklasse bildete sie, wie wir gesehen haben, einen regelmäßigen Befund. Nahe ver- wandte Arten besaßen sie bald gut entwickelt, bald gar nicht (Paarhufer) und die einzelnen Individuen einer und derselben zeigten oft ähnliche Schwankungen. So pflegte die Rachentonsille beim Menschen gleich den Zungenbalgdrüsen mitunter ganz zu fehlen oder nur in Gestalt einer geringen adenoiden Infiltration aufzutreten. Scumipt fand sie beim Kaninchen unter mehreren Exemplaren nur ein einziges Mal. Ich selber konnte beim Ochsen wenigstens be- deutende Differenzen in dem Grade ihrer Entwicklung konstatiren. Man wird daher stets eine Reihe von Individuen jeder Art unter- suchen müssen, ehe man ein sicheres Urtheil abgeben kann, ob bei ihnen gelegentlich adenoides Gewebe am Rachendache vorkommt oder nicht. Eben so wie beim Menschen wird sieh auch bei den übrigen Säugern dieses Gewebe im Alter zurückbilden; wenigstens machten mir die Rachentonsillen der stets hochbejahrten Pferde, die ich unter- suchte, entschieden den Eindruck rückgebildeter Organe. Es empfiehlt sich daher, sein Augenmerk auf junge Thiere zu richten. Leider ist man, meist bei den selteneren Arten. nicht vor eine solche Wahl gestellt. Aber auch auf den Ernährungszustand soll es nach SCHMIDT an- kommen. i Wie mir scheint, hat überhaupt die ganze Lebensweise 1 Proboscidea, Hyrax, Cetacea, Sirenia. 2 Edendata, Lemurides. eS ee eee Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 695 (s. unten) einen Einfluss auf die Entwicklung des adenoiden Gewebes am Rachendache. Kiinftigen Untersuchern steht aus all diesen Griinden noch ein weites Feld offen. Wahrscheinlich werden sie eine größere Verbrei- tung der Pharynxtonsille nachweisen, als wir sie bis jetzt kennen. Da ich nicht in allen Fällen die mikroskopische Untersuchung zu Hilfe genommen habe, weil sich meine Präparate oft nicht da- für eigneten oder weil die dünne, dem Knochen dicht aufliegende Schleimhaut des Rachendaches nirgends eine partielle Verdickung dureh Follikel oder adenoide Infiltration besaß, so mag mir immer- hin ein leichter Grad der letzteren in einem oder dem anderen Falle entgangen sein. Dass einzelne Thierklassen keine Pharynxtonsillen besitzen, wie z. B. die Rodentia (das Kaninchen ausgenommen), darf uns dess- wegen nicht wundern, da sie überhaupt keine Neigung zur Bildung lymphatischer Organe im Bereiche des Mundrachenraumes haben. Sie besitzen weder Gaumenmandeln (nach Scumipr mit Ausnahme der Hasen und Kaninchen) noch Zungenbalgdrüsen. Was die Reptilien und Amphibien angeht, so eröffnen uns die Entdeckungen von Hou. begründete Aussicht auf weitere positive Befunde bei ausgedehnteren Untersuchungen. Wiewohl nur eine größere tonsillenähnliche Anhäufung von ade- noidem Gewebe in der oberen Schlundgegend die Bezeichnung »Ra- chentonsille« verdient, so habe ich doch von diesem Worte den ausgedehntesten Gebrauch gemacht, weil ich keinen wesentlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied zwischen den einzelnen beschriebenen Bildungen fand. Setzen wir dies voraus, dann haben wir verschiedene Arten von Rachentonsillen zu unterscheiden. Die primitivste wird repräsentirt durch eine einfache adenoide Infiltration (Pferd, Fledermaus, Krokodil) oder eine Anhäufung von Follikeln (Kaninchen, Hund, Fuchs, Katze), auch kann beides gleichzeitig in mäßigem Grade vorhanden sein (Didelphys cancr., Pteropus collaris, Lacerta agilis, Vögel). Auf Grund dieser drei Möglichkeiten bildet sich dann bei stärkerer Entwicklung ein kleineres (Kapuzineraffe, Bär [?]) oder größeres Organ heraus (Schwein, Schaf, Ochs, Mensch). Die einfache adenoide Infiltration erzeugt eine Verdickung des betreffenden Schleimhautgebietes und zwar mit glatter Oberfläche, wenn sie an einer glatten Mucosa stattfindet (Pferd, Fledermaus), waren dagegen Schleimhautfalten vorher vorhanden, dann entsteht 45* 696 Gustav Killian eine gefaltete und gefurchte Oberfläche (menschlicher Em- bryo bis zum 9. Monat, Embryo vom Ochsen, Krokodil). Follikel machen dieselbe höckerig; die Rachentonsille hat dann entweder das Aussehen von neben einander stehenden Knöt- chen (Hund, Fuchs) oder einer mit Knötchen besetzten Platte (Katze, Kapuzineraffe), oder endlich eines Systems von höckerigen Falten (Mensch, Schaf, Schwein, Ochs). Nur wenn die Follikel schlecht ausgebildet sind, tritt der unregelmä- Bige Charakter der Oberfläche zurück (Didelphys, Pteropus, Vögel). : Zahlreiche Löcher in derselben bringen die Drüsenausführungs- gänge hervor. Wenn mehrere Drüsen in einen gemeinschaftlichen Raum münden und das adenoide Gewebe sehr diek ist (wie beim Schwein und Ochsen), so entstehen sogar kleine Recessus. Mit den Höhlen in den Zungenbalgdrüsen und Gaumentonsillen haben die- selben jedoch nichts gemein, da diese Höhlen, wie die Entwick- lungsgeschichte lehrt, bereits vor dem Auftreten des adenoiden Ge- webes vorhanden sind (KÖLLIKER, SCHMIDT). Da sich das adenoide Gewebe stets innig der Unterlage an- schmiegt, so hängt seine äußere Gestalt bis zu einem gewissen Grade von den jeweiligen Formverhältnissen des Nasenrachenraumes und speciell denen der oberen und hinteren Wand desselben ab. Es sind dies die Verhältnisse, die meist durch die Konfiguration und Ansatzstellen der Musculi long. capitis bedingt werden und die wir in jedem ein- zelnen Falle genügend erläutert haben. Eine ganz besondere Gestalt erhält die Rachentonsille bei den Ungulaten; bei ihnen drängt das Septum des Nasenrachenraumes während seiner Entwicklung die der Tonsille bestimmte Schleimhaut vor sich her, so dass sie das Septum selber an seinen Seitenflächen und seinem freien Rande überziehen muss. Wo die Scheidewand gar mit der Dorsalfläche des Velum verwächst (z. B. bei Cebus capuc.), wird der größere vordere Theil des adenoiden Gewebslagers in zwei Hälften getheilt, von denen die eine rechts, die andere links von jener liegt. Als paariges Organ fanden wir die Rachentonsille gewöhnlich nicht angelegt: da sie jedoch genau in der Mitte liegt, so könnten ihre beiden Hälften einer paarigen Anlage entsprechen. Einen Fin- gerzeig giebt uns in dieser Hinsicht die bei Lacerta unvollständig, beim Krokodil vollständig durchgeführte Sonderung in zwei symme- trische Theile. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 697 Die Grenzen des adenoiden Gewebes können scharfe oder diffuse sein. Seine Dimensionen, die Masse seiner Substanz können nicht allein relativ. sondern auch absolut und namentlich individuell sehr varjiren. Gewöhnlich beschränkt es sich auf sehr bescheidene Größen- verhältnisse, so dass die Fälle, wo es sich zu einem größeren Organe herausgebildet hat, schon zu den Ausnahmen gerechnet werden müssen. Es liegt daher auch nahe, hier besonderen Ursachen nach- zuforschen. Auffallend ist jedenfalls, dass außer dem Menschen gerade die Hausthiere große Rachentonsillen besitzen. Vielleicht, dass ihre besondere Lebensweise, bei der sie auf einen langen Aufenthalt in geschlossenen (staubigen) Räumen ange- wiesen sind, ein ursächliches Moment abgiebt (worauf wir unten näher eingehen werden)'. Übrigens wäre auch denkbar, dass die besonderen Ernäh- rungsbedingungen, unter welchen Mensch und Hausthiere leben, einen ähnlichen Einfluss ausübten, was bereits Schmmpr vermuthet hat. Im Laufe der Generationen kann sich die erworbene Neigung der Rachentonsille, eine besondere Größe anzunehmen, befestigen, vererben, steigern, was wir beim Menschen direkt zu beobachten häufig Gelegenheit haben. Jeder Arzt, der der Untersuchung des Nasenrachenraumes Aufmerksamkeit schenkt, lernt Fälle kennen, wo die Fähigkeit, große Pharynxtonsillen zu bilden, von Vater oder Mutter auf eines oder mehrere Kinder übergegangen ist?, wobei aller- dings das ursächliche Moment bei ersteren unklar bleibt. Dieses Organ besitzt also beim Menschen und gewissen Säuge- thieren die Tendenz der Weiterentwicklung, während es bei den meisten anderen auf dem Aussterbeetat zu stehen scheint, wenn nicht schon ganz geschwunden ist (siehe unten). In histiologischer Hinsicht fanden wir im Allgemeinen eine Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Tonsillen, nur bezüg- lich der Follikel bestanden Differenzen; bald waren sie nur schwach angedeutet, bald gut entwickelt, mit mehr oder weniger deutlicher 1 Bei Ochs, Schaf und Schwein kommt auch die Weite der Nasenhöhlen in Betracht, wie wir unten sehen werden. ® Dass wir Fälle von ungewöhnlich starker Entwicklung des adenoiden Gewebes für krankhaft halten, liegt zum Theil daran, dass der menschliche Nasenrachenraum nicht geräumig genug ist, um ohne Beeinträchtigung der Nasenathmung und zahlreiche sekundäre Störungen eine größere Gewebsmasse aufnehmen zu kinnen. Die Paarhufer würden unter analogen Verhältnissen gar nicht geschädigt. 698 Gustav Killian Kapsel versehen, bald herrschten sie an Zahl vor oder bildeten gar die ganze Rachentonsille, bald fehlten sie gänzlich. Die eigenthümlichen Beziehungen des adenoiden Gewebes zum Epithel, wobei das letztere ganz oder theilweise durchbrochen wurde, prüfte ich nur beim Ochsen und Schafe, weil ich bei diesen die Präparate noch körperwarm in die Konservirungsflüssigkeit hatte einlegen können. Wir werden weiter unten auf die Bedeutung dieser Befunde zurückkommen. Besondere Aufmerksamkeit habe ich überall dem Verhältnis der acinösen Drüsen zum adenoiden Gewebe geschenkt in der Erwartung, es möchte sich in dieser Hinsicht irgend ein Ge- setz, vielleicht eine genetische Wechselbeziehung feststellen lassen, wie eine solche bei den Anamnia bezüglich der Vorniere respektive der an ihre Stelle tretenden lymphatischen Substanz (Wiederersatz von Driisengewebe durch adenoides) und eben so bei fast sämmtlichen Vertebraten bezüglich der Thymus statt hat. Um zu möglichster Klarheit zu gelangen, zog ich auch in allen Fällen das Verhältnis der Gaumentonsillen und Zungenbalgdrüsen zu ihren bezüglichen Schleimdrüsen in das Bereich meiner Betrachtung. Die Zusammenstellung und Vergleichung der einzelnen Befunde hat jedoch meine Vermuthung in keiner Weise bestätigt. Man findet zwar Fälle genug, wo bei vorherrschendem Auftreten der Drüsen das adenoide Gewebe weniger entwickelt ist oder ganz fehlt (Reh, Meerschweinchen), umgekehrt sieht man auch bei stärkerer Ent- wicklung des adenoiden Gewebes geringere der Drüsen oder voll- ständiges Fehlen derselben (Krokodil, Lacerta ag.), aber es finden sich daneben auch noch zahlreiche Beispiele jeder anderen Kombi- nation, so dass von einer Gesetzmäßigkeit keine Rede sein kann. Die Entwicklungsgeschichte der Rachentonsille konnten wir außer beim Menschen nur bei wenigen Thieren und da nur lückenhaft ver- folgen. Um so bemerkenswerther fanden wir es daher, dass die Verhältnisse bei den verschiedenen Embryonen übereinstimmten, so fern nur das Stadium ihrer Entwicklung berücksichtigt wurde. Was uns aber am meisten interessirte, war der Umstand, dass wir für alle beim Menschen beobachteten Entwicklungsstufen der Rachen- mandel Beispiele in der Thierwelt, sei es bei Embryonen, sei es bei erwachsenen Individuen, gefunden hatten. Die dem Auftreten des adenoiden Gewebes lange vorausgehende Faltenbildung sahen wir in gleicher Weise bei den Embryonen Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 699 des Krokodils, auch wiesen die Befunde beim Rindsembryo auf analoge Verhältnisse hin (ein Beispiel, wo zeitlebens nur Falten an- statt einer Rachentonsille vorhanden waren, lernten wir nicht kennen). Die einfache adenoide Infiltration, welche auf die Falten- bildung beim menschlichen Embryo folgt, begegnete uns in einer Reihe von Fällen, eben so alle Grade ihrer stärkeren Ausbildung. Für die Zeit, wo die ersten Follikel auftreten bis zur Anhäufung derselben sowie für die, wo die adenoide Substanz durch Massen- zunahme sich zu einem größeren in Längswülste getheilten Organe herausbildet, wie es der Mensch bis über das erste Decennium hinaus besitzt, für jede sind uns Beispiele in der Thierwelt begegnet. Zu bemerken bleibt nur, dass sich der Grad der Entwicklung der Pharynxtonsille niemals an den Rang knüpft, den eine Art in der systematischen Reihe einnimmt. Das, worauf unsere ganze Darstellung sich aufbaut, ist die Konstanz des Lageverhältnisses des adenoiden Gewebes am Rachen- dache zur Schädelbasis. Stets war das Basisphenoid der be- stimmende Knochen, ja mitunter hielt sich sogar die Rachentonsille genau an seine Grenzen; wo sie aber mehr oder weniger in die Occipitalregion reichte, konnten wir wenigstens für einen Theil der Fälle den entwieklungsgeschichtlichen Nachweis führen, dass sie durch eine sekundäre Verschiebung im Verlaufe des Wachsthums dahin gelangt war, eine Erklärung, die ohne Bedenken auf die übrigen anwendbar ist. Eine Ausnahme macht nur das Krokodil, bei dem die Pharynxmandeln von Anfang an in der Oceipitobasilar- region liegen. Jedoch finden bei ihm ganz besondere Vorgänge in der Sphenobasilargegend gelegentlich der Bildung des mittleren Tubensystems statt, so dass vielleicht dadurch die rückwärtige Lage der fraglichen Organe bedingt wird. Auch nach vorn kann von dem adenoiden Gewebe die Grenze des Basisphenoid überschritten werden. Dies geschieht beim Schaf offenbar rein sekundär. Bei den Vögeln ist es nur der Fall, weil das Parasphenoid das Rachenende des Tubentrichters etwas nach vorn schiebt. Eine Ausnahmestellung nimmt der Igel ein, denn bei ihm ist die Schleimhaut des Rachendaches unter der vorderen Hälfte des Basisphenoid und unter dem Praesphenoid mit Lymphkörperchen durchtränkt. Wahrscheinlich hat diese Bildung mit der eigentlichen Rachentonsille nichts zu thun, zumal bekannt ist, dass auch andere Gebiete vor dem hinteren Keilbeine lympha- 700 Gustav Killian tischen Charakter annehmen können, so das Mundhöhlendach von Lacerta agil., Rana temp., Salamandra mac. (Hort), an dem sich zerstreute Follikel finden!. Da der Hypophysengang seinen Verlauf durch den vorderen Abschnitt der Basisphenoidalgegend nimmt, so wiirde daraus folgen, dass sich die Pharynxtonsille in einem Schleimhautgebiete entwickelt, welches hinter der Abgangsstelle dieses Ganges zum größeren Theil gelegen ist. In Wirklichkeit reicht sie mit ihrer ersten Anlage gerade bis dahin. Dies geht zur Evidenz aus den Fällen hervor, wo wir bei menschlichen Embryonen aus dem 6. und 7. Monat eine Persistenz des Rachenabschnittes des Hypophysenganges nachweisen konnten bei gleichzeitig vorhandener adenoider Infiltration der Mucosa der oberen Schlundwand (vgl. I. Theil Nr. 48, 53, 59). Für das postembryonale Leben beweist dasselbe der Fall SucHANNEK (Per- sistenz des Ganges der Hypophyse bei einem vierjährigen Kinde). Bei einem Schweineembryo von 12 cm (Fig. 44) sahen wir die erste Anlage der Rachentonsille in ganz entsprechender Weise ge- lagert. Der Hypophysengang der Vögel mündet in den vorderen Theil des Tubentrichters; das adenoide Gewebe kommt demnach mindestens mit einem größeren hinteren Abschnitt hinter die Mün- dung des Ganges zu liegen. Es verdient dies noch genauer studirt zu werden. Beim Krokodil versteht es sich von selbst, dass die Rachenton- sillen hinter der Raruxe’schen Tasche liegen. Es ist demnach das vorderste Ende des embryonalen Kopfdarmes, das Schleimhautgebiet direkt hinter der Rachenhaut, in welchem sich das adenoide Gewebe des Schlundkopfes entwickelt. Damit ist uns die Erklärung für die morphologische Bedeutung der Tonsilla pharyngea gegeben. Denn wir sind nunmehr berechtigt, sie mit den übrigen adenoiden Bildungen des Darmes auf eine Linie zu stellen. Ihre frappante Ähnlichkeit bei einigen Thieren (Hund, Fuchs, Katze, Eidechse, Vögel) mit den Pryer'schen Plaques er- scheint uns jetzt vollständig selbstverstiindlich. Da wo sie andere Formen angenommen hat, beruht dies auf weiteren Differenzirungs- processen, deren Ursachen wir oben angedeutet haben. 1 Über das adenoide Gewebe der Nasenschleimhaut des Menschen vgl. ZUCKERKANDEL. Nach ihm finden sich außer beim Menschen auch bei Hunden, Katzen, Schafen, Schweinen, Hirschen, Rindern und Hasen Follikel in der Mucosa der Nase. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 701 Diese Anschauung gestattet aber noch eine wichtige Erweiterung auf die Zungenbalgdrüsen und Gaumentonsillen. Aus den Darstellungen von Hıs über menschliche Embryonen geht deutlich hervor, dass beide Gebilde hinter dem Gebiete der Rachenhaut entstehen. Nach den Äußerungen dieses Autors gilt das schon von der ganzen Zunge, geschweige denn von dem hinter dem Fora- men coecum gelegenen und die Bälge enthaltenden Zungengrunde, der sich aus einer medianen Verwachsung des zweiten und dritten Schlundbogenpaares entwickelt. Die ventral und nahe dem Zungen- grunde gelegenen Gaumentonsillen entstehen hier jederseits aus der Spalte zwischen den erwähnten beiden Schlundbögen. Es ist also kein Zweifel, dass ihre Ursprungsstelle sich zur Rachenhaut verhält gerade wie die der Balgdrüsen. Demnach entwickeln sich sämmtliche drei Anhäufungen ade- noiden Gewebes im Schlundgebiete, die Rachen- und Gaumen- tonsillen, sowie die Zungenbalgdrüsen, am Anfange des em- bryonalen Darmes unter Betheiligung des Entoderm (Krypten, Falten) als treibendem Prineip und des Mesoderm als Quelle der adenoiden Infiltration. Sie stellen gleichsam einen adenoiden Ring dar, dessen Dorsaltheil die Pharynxmandel, dessen Ventraltheil Gaumen- mandeln und Zungenbälge bilden. Auch die beiden letzteren müssen den lymphatischen Organen des ganzen Darm- kanales morphologisch gleich geachtet werden. Mit der Feststellung dieser Thatsache ist für uns eine breite Basis gewonnen, von der aus wir Schlüsse auf die Bedeutung des lymphatischen Schlundringes ziehen dürfen, denn es ist uns nunmehr gestattet, alle bis jetzt gewonnenen Kenntnisse über den Zweck und die Funktion des adenoiden Gewebes im Darme über- haupt (wo es bei sämmtlichen Vertebraten nachgewiesen ist) in die- ser Hinsicht zu verwerthen. Der Weg zum Verständnis der Lebensthätigkeit, welche die lymphatischen Bestandtheile der Schleimhäute ausüben, wurde uns durch die Beobachtungen Sréur’s an den Gaumentonsillen, Zungen- balgdrüsen, den Follikeln des Darmes! und der Conjunctiva palpe- brarum, der Mucosa der Nase, der Bronchien, des Urogenitalsystems und der Harnblase zum ersten Male eröffnet. Er fand in den das 1 Die Verhältnisse des Lymphgewebes zum Darmepithel hat DAVIDOFF genauer studirt. Wiewohl er ihnen eine abweichende Bedeutung beilegt, so lese ich doch aus seinen Beschreibungen und Abbildungen eine Bestätigung der Ansichten von STÜHR. 702 Gustav Killian adenoide Gewebe iiberziehenden Epithelschichten, theils in, theils zwischen den Epithelzellen zahlreiche Leukocyten, welche stellen- weise dicht gedrängt standen und gleichsam eine breite Straße bis zur freien Oberfläche bildeten. An solehen Stellen konnte man noch einen dünnen Epithelüberzug oder nur Epithelreste nachweisen. Viele Lymphkörperchen befanden sich bereits außerhalb der Schleimhaut. Ähnliche Verhältnisse fanden Sréur bei der Rachentonsille des Menschen, Hort bei der Eidechse und ich bei der des Schafes und des Ochsen. Aus seinen Wahrnehmungen schloss Sréur auf eine lebhafte Auswanderung von Lymphzellen an den betreffenden Orten, welche dem Zwecke der Ausscheidung verbrauchten Materials dienen sollte. Denn er glaubte, dass sämmtliche Leukocyten aus dem Blute oder der Lymphe ausgeschieden und in den bezüglichen Schleimhäuten abgelagert würden, eine Annahme, welche durch eine viel ältere Beobachtung von Ermer bekräftigt wird, der, nachdem er Fröschen Farbstoffe in die Lymphsäcke und Blutgefäße gespritzt hatte, »lymphoide mit Farbstoff erfüllte Zellen im Darmepithel und in der Darmhöhle« wiederfand. Da nun aber FLEmMine (für die Lymphgebilde des Darmes) und seine Schüler Morzius und Drews (für die Gaumentonsille und Milz) bewiesen haben, dass die Leukocyten auch an Ort und Stelle in Masse erzeugt werden, und zwar durch Zelltheilungsvorgänge, so sind die Anhäufungen adenoider Substanz in den Schleimhäuten nicht nur als einfache Lager-, sondern auch als Brutstätten für Lymphkörper- chen zu betrachten und können nicht ein der Ausscheidung ver- fallenes Material darstellen, sondern müssen einer bestimmten Funktion dienen. Die Bedeutung ihrer reichlichen Auswanderung in den Darm glaubte nun WIEDERSHEIM in der Weise auffassen zu dürfen, dass die Leukocyten »irgend einen (chemischen?) Einfluss auf die Ingesta « ausübten, oder dass es sich auch »kraft der amöboiden Bewegung der Zellen um eine aktive, mechanische Aufnahme kleinster Nahrungs- partikelchen« handelte (Lehrbuch pag. 576). Für die erstere An- nahme der chemischen Einwirkung besitzen wir noch keine Beweise !, dagegen ist, seit HAECKEL 1862 zuerst die Aufnahme von Indigo- ! Nach HormEISTER sollen die in der Darmwand vorhandenen Lymphkör- perchen die Peptone vor ihrem Übertritt in den Säftestrom binden und fest- halten. Direkt ins Blut gelangend, würden die Peptone Vergiftungserschei- nungen bewirken und unverändert durch die Niere ausgeschieden. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 703 körnchen in das Innere von Blutkörperchen bei Tethys nachgewiesen hat, durch zahlreiche Untersuchungen, unter denen ich nur die neue- ren von METSCHNIKOFF hervorheben will, als hauptsächlichste Lebens- thätigkeit der Lymphkörperchen das»Fressen« körperlicherEle- mente genügend erkannt und festgestellt, sowie für den Fettresorp- tionsprocess im Darme verwerthet worden. Nach Zawarrkin kriechen sie zwischen den Epithelzellen an das freie Darmlumen hin, nebmen Fettkiigelchen auf und transportiren sie in die Tiefe, in die Chylus- gefäße und ins Blut. Die Follikel werden bei Fettverdauung, wie schon KÖLLIKER und BRÜCKE gesehen haben, weiß und mit Fett gefüllt angetroffen. Ob auch die in den Darm ausgewanderten Lymphzellen, nach- dem sie körperliche Nahrungsbestandtheile aufgenommen haben, wie- der in die Darmwand zurückgelangen und so ebenfalls der Ernährung des Organismus dienen, muss ‘zwar nach den Versuchen von WIEDERS- HEIM, der (bei einem jungen Hai) mit Fleisch zusammen gefütterten Graphit in den Leukoeyten des Ösophagus und Mitteldarmes wieder- fand, als wahrscheinlich gelten, bedarf jedoch noch weiterer, aus- gedehnter Prüfungen. Vielleicht dienen gerade diese freien Lymph- körperchen auch einem anderen Zweck, nämlich dem der Abwehr der Darmwand gegen Schädlichkeiten, worauf ich sogleich näher eingehen werde. Die Pharynxtonsillen bei denjenigen Vertebraten, die keinen eigentlichen Nasenrachenraum besitzen, sowie die Gaumentonsillen und Zungenbalgdrüsen können hinsichtlich der Ernährung des Or- ganismus keine bemerkenswerthe Rolle spielen, da sie ein zu kleines Gebiet einnehmen und die Speisen, ohne durch den Verdauungs- process fein vertheilt zu sein, rasch an ihnen vorbei passiren. Aller- dings liefern sie die Speichelkörperchen (Frey), doch ist deren Be- deutung noch dunkel!. Es muss den genannten lymphatischen Organen daher eine an- dere wichtigere Funktion zufallen, welche, sofern sich die Beobachtun- gen METSCHNIKOFF’s über die bakterien-fressende und -vernichtende Thätigkeit? der Leukocyten bestätigen sollten, in der Abwehr des Or- ganismus gegen eindringende Schädlichkeiten, namentlich bakterieller 1 Da nach BiDDER und Scumiptr nur die Mundflüssigkeit zuckerspaltend wirkt, nicht aber das reine Speicheldrüsensekret, so hat man vermuthet, dass die Speichelkörperchen das Ptyalin liefern (KUNKEL). ® Vgl. BAUMGARTEN’s Einwände gegen die METSCHNIKOFF'sche Phago- eytenlehre. Zeitschrift für klin. Mediein. XV. 704 Gustav Killian Natur bestehen dürfte!. Einem solchen gerade am Anfange des Nahrungsweges in hervorragender Weise sich geltend machenden Bedürfnisse würde ihre im Vergleiche zu anderen Lymphzellenan- häufungen im Bereiche des Entoderm ungewöhnlich voluminöse Aus- bildung und durch Kryptenbildung vermehrte Oberflichenentfaltung vollständig entsprechen. Wo die Rachentonsille von dem Speisewege ganz abgeschlossen ist (Säuger), bliebe den an ihre Oberfläche ausgewanderten Lymph- zellen nur noch die Aufgabe, die hier aus der Respirationsluft nie- dergeschlagenen körperlichen Bestandtheile, Pilzkeime und dgl. mehr, so weit sie dieselben bewältigen können, zu verschlingen und un- schädlich zu machen. Diese Aufgabe fiele ihnen um so mehr zu, da offenbar in vielen Fällen der Strom der die Nase passirenden Luft direkt und vor- zugsweise auf die Pharynxmandel trifft. Bei Menschen, die im Staube gearbeitet haben, kann man dies mitunter leicht nachweisen. Bei Kaninchen aber überzeugte sich WIEDERSHEIM? von demselben Vor- gange in der Weise, dass er sie in engem Raume mit Ruß geschwän- gerte Luft einathmen ließ, wonach er das Dach und die oberen Theile der Hinterwand des Cavum pharyngonasale am meisten ge- schwärzt fand. Wo durch fortgesetzten Aufenthalt in durch körperliche Elemente stark verunreinigter Luft in geschlossenen Räumen) bei entsprechend gebauter, d. h. den Respirationsstrom zur Rachentonsille hinleitender (also für gewöhnlich weiter) Nase erhöhte Anforderungen an die Leistungen des adenoiden Gewebes gestellt würden (Mensch, Haus- thiere), da wäre es begreiflich, wenn sich dasselbe im Laufe der Ge- nerationen zu einem mächtigen, durch Faltenbildung seine Oberfläche vergrößernden Organe herausbildete, wie wir oben gesehen haben. Ist die Nase komplieirt gebaut, so dass die Luft schon bei ihrem Durchtritt durch das Labyrinth derselben von körperlichen Beimen- gungen genügend befreit wird oder der Respirationsstrom nicht direkt die Rachentonsille trifft, dann bliebe diesem Organe keine be- merkenswerthe Aufgabe mehr zu erfüllen; es würde sich vielleicht anlegen, aber nicht weiter entwickeln, bald rückbilden und mit der Zeit bei einer oder der anderen Art ganz verloren gehen. So er- ! STÖHR fand an einer Durchtrittsstelle der Lymphzellen durch das Ton- sillenepithel eine ganze Gruppe kleiner Pilze. 2 Nach privater Mittheilung. . EE 4 2 - nu ee rl a u See —_— u er Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. .705 klärte sich seine häufige mangelhafte Entwicklung oder sein gänz- liches Fehlen bei vielen Säugethieren. Meineletzten Ausführungen betrachte ich selbstver- ständlich als Hypothese und erwarte positive Auf- schlüsse nur von einer gründlichen, in der oben ange- deuteten Richtung ausgeführten, physiologischen Prü- fung der Frage. Am Schlusse dieser Arbeit angelangt, fühle ich mich gedrungen, Herrn Professor Dr. WIEDERSHEIM für seine liebenswürdige Unter- stützung meinen allerherzlichsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Dr. BEArD danke ich für seine vielen Gefälligkeiten und Rathschläge in Sachen der neuesten mikroskopischen Technik. Nachwort. Als vorliegende Arbeit, deren Veröffentlichung durch äußere Ur- sachen verzögert wurde, sich bereits in den Händen der Redaktion dieser Zeitschrift befand, erschien im ersten Hefte des XXXII. Bandes des Archiv für mikroskopische Anatomie ein Aufsatz von Schwagach: Über die Entwicklung der Rachentonsille. Da es mir nicht mehr möglich war, in vorstehendem Texte ent- sprechende Änderungen vorzunehmen, so habe ich es vorgezogen, in einem Nachwort auf die Ergebnisse der SchwagacH'schen Studien näher einzugehen. Was zunächst die von diesem Autor festgestellten objektiven Befunde angeht, so wird mir ein Vergleich mit den meinigen da- durch erschwert, dass er seine Embryonen in anderer Weise ge- messen, sowie keine tabellarische Übersicht gegeben hat, aus der man ersehen könnte, wie sich sein Material auf die einzelnen Fötal- monate vertheilt. Trotzdem ergiebt sich leicht, dass wir in vieler Hinsicht ganz übereinstimmende Wahrnehmungen gemacht haben. Indem ich die Feststellung dieser Thatsache im speciellen Falle dem Leser über- lasse, wende ich mich sofort zu den Differenzen, welche sich in unseren theoretischen Anschauungen kund geben. ScHhwABAcH hat offenbar viel weniger Beispiele von exquisit tiefer Bursaausstülpung vor sich gehabt als ich, stützt daher seine Schlüsse vorzugsweise auf die Fälle, wo ich von einem einfachen Recessus, d. h. einer unvollkommen ausgebildeten Bursa spreche (Gruppe I und II) und ist der Ansicht, dass, abgesehen von indi- 706 Gustav Killian viduellen Schwankungen, eine eigentliche trichterförmige Ein- senkung an bewusster Stelle sich nur bei Embryonen von ca. 5—10 em Scheitelsteißlänge finde, bei älteren Früchten da- gegen nur eine flache Einsenkung vorkomme (pag. 198). So weit ich aus seinem Text entnehmen kann, hat er vier Em- bryonen unter 5,2 em Scheitelsteißlänge untersucht, und zwar von 1,6 cm, 2,8 em, 3,1 em und 4cm. Unter Berücksichtigung der Angaben von FRORIEP, welcher bei vier seiner Embryonen sowohl Scheitelsteiß- länge als auch Scheitelfersenlänge nach Torpr maß, ergiebt sich, dass obige Föten von SCHWABACH ungefähr aus der 6., 9., 10. und 11. Woche, also aus dem 2. und 3. Monate stammten. Rechne ich selbst dazu noch drei von FRORIEP aus der 6. und 8. und drei der mei- nigen aus der 12. Woche, so genügt dies Material immer noch lange nicht, um bei der relativen Seltenheit einer gut entwickelten Bursa pharyngea die Annahme einer gänzlichen Abwesenheit derselben im 2. und 3. Monate zu rechtfertigen, zumal GANGHOFNER und LUSCHKA im dritten ein Grübehen am Rachendache gesehen haben wollen. Bei Früchten von mehr als 10 em Scheitelsteißlänge (also vom 6. Monat ab) soll nach Schwagach der Recessus pharyngeus me- dius flacher werden. Dem gegenüber habe ich zur Evidenz nachgewie- sen, dass durch die Zunahme der adenoiden Infiltration gerade das Ent- gegengesetzte bewirkt wird, nämlich eine ansehnliche Vertiefung von vorher vorhandenen, selbst flachen Einsenkungen und Grübchen, so- wie eine deutliche Tiefenzunahme vorher vorhandener Rachentaschen. Die Fortexistenz beider konnte ich bis zur Geburt verfolgen. ScHhwAgacH lässt die Raphe des Rachendaches sekundär aus dem »Recessus pharyngeus medius« entstehen, wogegen ich Fälle genug sah, wo sich zwar eine Raphe, aber keine Spur eines solehen Recessus vorfand. Erstere ist überhaupt viel konstanter in ihrem Vorkommen. Die übrigen Furchen am Schlundgewölbe, z. B. diejenigen, welche der mittleren parallel verlaufen, namentlich aber alle feine- ren zeigen sich nach meinen Erfahrungen zwar in der hinteren Hälfte des Rachendaches zuerst, aber nicht gerade am Bursaeingange. Was die von ScHwABACH angenommene Entwicklung der ganzen Rachentonsille im Anschluss an die Bursaeinsenkung angeht, so muss ich dem gegenüber auf eine ganze Reihe von Beispielen unter den von mir untersuchten Embryonen aufmerksam machen, wo zwar eine Tonsille, aber nicht die leiseste Andeutung einer Ein- senkung in der Bursagegend vorhanden war. Uber die Bursa und Tonsilla pharyngea. 707 Den Unterschied in dem Entwicklungsmodus von Gaumen- und Rachenmandel, dass bei ersterer das Epithel Einsenkungen in die Tiefe treibt, bei letzterer nur Falten an der freien Oberfliiche her- vorbringt, scheint SCHWABACH nicht hoch genug anzuschlagen. Ich halte ihn geradezu für prineipiell. Es stehen sich hier zwei ent- gegengesetzte formative Prineipien gegenüber, welche nur das gemein haben, dass sie demselben Zwecke dienen, nämlich dem der Oberflächenvergrößerung eines Organs. Das eine bewirkt dies durch lakunenförmige Ausbreitung der Oberfläche in die Tiefe der Schleimhaut, das andere durch einfache Bildung vonSchleimhautfalten. Die Bursa pharyngea embryonalis aber, welche ScHWABACH als Krypte der Rachentonsille ansieht, hat nach meiner Ansicht mit dieser direkt gar nichts zu thun. Das letztere beweisen iiberdies in unwiderleglicher Weise die Ergebnisse meiner vergleichend-anatomischen Untersuchungen. Bei keinem Vertebraten hat die Pharynxtonsille einen kryp- tenförmigen Bau, analog dem der Gaumenmandel, bei keinem begegnete ich gleichzeitig einer Bursa pharyn- sea; wohl aber bestand in einem Falle eine Bursa, wäh- rend die Rachentonsille fehlte. Wo ich die Entwicklung der letzteren verfolgen konnte, sah ich die Schleimhaut adenoid werden, ohne dass eine Bursaeinstülpung vor- ausgegangen war. Ich kann mich daher auch von diesen Gesichtspunkten aus der Ansicht von SCHWABACH, dass der »Recessus pha- ryngeus medius embryonalis« resp. die Bursa pharyngea embryonalis zur Rachentonsille gehöre und ihre Entwick- lung einleite, keineswegs anschließen. Litteraturverzeichnis. 1) ALBRECHT, Uber die morphologische Bedeutung der Pharynxdivertikel. Centralblatt für Chirurgie. 1885. Nr. 24. 2) Arıx, Bulletins de la Société Philomatique. 1877. 3) ARNOLD, Handbuch der Anatomie des Menschen. Bd. II. pag. 66. Frei- burg 1847. 4) BEARD, The old Mouth and the new. Anatom. Anz. III. 1888. 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Ree Recessus pharyngeus, Gr Grenzlinie zwischen oberer und hinterer Rachenwand, zugleich Grenze des Ansatzes der Muse. long. capitis, Or. 7b Orifieium Tubae Eust., R.D Rachendach, Z.R hintere Rachenwand. Gs Fig. 31. Nasenrachenraum von Cebus capucinus. Ansicht von unten, Natür- liche Größe, Fig. 34. Fig. 38. Fig. 41. Fig. 49. Über die Bursa und Tonsilla pharyngea. 711 Spt.n.m membranöse Verlängerung des Nasenseptum, R.T Ra- chentonsille, Ost 7.2 Ostium Tubae Eust., H.R hintere Rachenwand, L Leiste auf derselben, Ved Gaumensegel; dasselbe ist gespalten und die Nasenscheidewand von seiner Dorsaifliiche abgetrennt. Nasenrachenraum des Hundes. Ansicht von unten. Natürliche Größe. R.T Rachentonsille, H.R hintere Rachenwand, Ost.T.E Tuben- eingang. Die Seitenwände des Nasenrachenraumes sind aus einander gebogen. Nasenrachenraum des Ochsen. Ansicht von unten. Die knöchernen Seitenwände sind gebrochen und aus einander gebogen, wodurch die Rachentonsille etwas aus einander gezerrt wurde. Natürliche Größe. R.T Rachentonsille, Or.Z’ Tubenmündung, Corp.cav Corpus ca- vernosum septi narium, Sp£.n Nasenscheidewand. Tafel XXVI. Nasenrachenraum des Schafes. Ansicht von unten. Die Seitenwände sind gebrochen und aus einander gebogen. Natürliche Größe. Spt.n Nasenscheidewand, Ost.7 Tubenmündung, 2.7 Rachenton- sille, 7.R hintere Rachenwand, Re.l Recessus lateralis. Nasenrachenraum des Schweines. Velum gespalten. Nasenseptum von dessen Dorsalfliiche abgetrennt und gekürzt. Seitenwände des Schlund- kopfes gebrochen und aus einander gebogen. Vordere Wand der Ra- chentasche gespalten. Natürliche Größe. Spt. Nasenscheidewand, Ost. 7’ Ostium 'Tubae, Vel Velum palat., R.T Tonsilla pharyngea, Ph.7' Pharynxtasche, H.R hintere Rachen- wand. Ansicht des Rachendaches eines jungen Krokodils von 38 cm Körper- länge. Natürliche Größe. Vel Gaumensegel, Choan Choanen, Valv.T Tubenklappe, Tons. phar Rachentonsille. Druck von - ‘ AV. TaRR Mornholog. Jahrbu ‚Spin. R S BE LEE og ob e, ra Noo aoe EP TBE: le Morphotlog. Jahrbuch. Bd XV PEE 12. HR. RT wf B- WE £ Vel. ~ Rpıhı. ONDE. — ri z RD. 7 34 Sn. Ost TE AB \f RT HR. ? OrTb. Gr Ree. 38. Spe. Tat XXV. Coryt. ev OrT. Tat XXVI. Mormholog. Jahr an t 3M. : Morpholog. Jahrbuch Bd. XW: 41. 49. Vall + Tons. phar Ost T Taf! XXV1. ' a) ; on j ‘ iy a we te aa Mh At Mb, vn i} a Gl ee. Ch HR ’ | VN } i a Ar at. 2 in ¢ af wa tue I { iver oe | fi N - i aan? | pity Arc) ‘ts Dr ie t final f ‘ e f Bu. ‘ ~ u; | | Morphotogi sche ‘ at ’ eat ya ; es ‘ ? as weeny ' dM tees : ‘ en Rs ' ‘ £ Re ; , von ‘ en ‘ ‘ ‘ ee ‘ H fo ‘ " : 3 ‘ pr nennen . nes R ah B ‘ won : ; ” ‘ \ ‘ gaa , eR Ste Barlır oa 2 Era RR , SE by, Ost mn . in weine ‘ on . Sr “ . ri 7 "5 ‘ . e , F ne ’ ves an ; bt D f ‘ i s ; in : ET a Neg ana Na : MIL NINE PERS IL AU ERS TPE 7 es, j ERINNERN a : a bay a ; ud 7 iy . N SL Ser Pay ’ | ; ; M8, DR Bevel AL & ms ; at, AMNH LIBRARY UN 100130346