2) ” mau vi. ' an) nai! a be al ree SF OTH ofiy ot og ory A gerne Br ht is ected ' ER a Manes Rar aa ’ . FL end, nie ' Ar este ter nage EL ’ v AVB rt, mr, " At Fy Kar al $"q if D 1 ’ Wine, vs eel ee FLY 7 : LU Pitot Re 5 . hoe MELAEELTT N gr heran my ae Pea ae aN Wresznen tg ‘ oe how fp pret pe . Ha AT mern : t R Ning . ve Trey, ‘ .. . re tendon nn ö Kom Nr wann Jere re en TE ee nm > . mw Vee Da DIVE 1 tum roves Sota beet ie Mobile} eh gt 7 4 Ft here EI iis regt! Paty ay Sli! mann sires | ' tr tee oni Bin wretgr ytesor ' aod ad ’ A ’ . 1% d - 7 a os B a 3 F a oe f ; „te tat H ee ‘ “ / ‘ “er, ” ' i > teat deny Witte ers: rook tes erie Plz lin te vw ‘4 piety hd >" “ 4 4 F) if H ‘ P " een y yey keys , ‘ Ode ey “ong N "en : 4 MEWO sais a Muhr : 2 eh r 5 D “ “any Wf gy Res we i ' ' wi be sega f 7} en t + Co? Li eis te # 4 spree rath i, A t EN pane dist is 1 A N Aalen ' “ Fr 5 ; / ete ’ u ' : ro oh ‘ “ved Wi deed Real hd) a4 ‘ LALESRUNE Dita 77 "y wit bed abt » ' un . wei vere trig Wa ay 4 ‘ " Ais #0) Fast nde) bing me KIT t 1 a Ces) [2 49061 A BAW yas by A a N ‘ AOL WE REE RE 6h gage : any ren te tanlustece Pritts N i 1 4 4 tie “a sd .r von ' wt ' Hoag ? N . no . ip A N; yy | FOR THE PEOPLE| | FOR EDVCATION | FOR SCIENCE | LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY ee ei! ne RE ap. Te MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON 2 CARL GEGENBAUR PROFESSOR IN HEIDELBERG. DREIUNDZWANZIGSTER BAND. MIT 23 TAFELN UND 101 FIGUREN IM TEXT. . LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1895. he VERANES neg . ice He a: A ay BIER = Inhalt des dreiundzwanzigsten Bandes. namen Erstes Heft. Ausgegeben am 10. September 1895. Seite Clavieula und Cleithrum. Von C. Gegenbaur. (Mit 5 Fig. im Text.) .. 1 Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. Von B. Haller. (Mit BEN ER ve Gs, Diese Worb) N ee. 21 Über die Entwicklung de Hypochorda und des dorsalen Pankreas bei Rana temporaria. Von Ph. Stöhr. (Mit Taf. VII—XIH u. 1 Fig. im Text.). 123 Uber Kernveränderungen im Ektoderm der Appendicularien bei der Gehäuse- bildung. Von H. Klaatsch. (Mit 3 Fig. im Text). ........ 142 Zweites Heft. Ausgegeben am 12. November 1895. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. Von E. Göppert. (Mit atoll E KR YVT 3.21, Die am Testen 2 a a a nt > 145 Über die Persistenz des Ligamentum hepatocavoduodenale beim erwachsenen Menschen in Fällen von Hemmungsbildungen des Situs peritonei. Von TasmlaatrBch:£,(Mit! Taf. XVil-n. 1) Fig: m Tezb) u 2 218 Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. Von H. Salzer. BEE LE Gch a LA Ic! Macatee tah tei, a, 232 Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. Von P. Mathes. (abies eae, TO Obie, Sl LENG) (sco Se wate ve ed A 256 Uber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Von O. Großer und E. Brezina. (Mit Taf. XK u. XXI)........ 289 Zur Strukturlehre von Muskelindividuen. Von G.Ruge.......... 326 Drittes Heft. Ausgegeben am 20. December 1895. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. Von I. Popowsky. Bee ite at OME XIV) ee ee ee 329 Uber die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. Von H. K. Corning. ils eet se as Lee Sones Duke. . 3 375 Die Sklerozonie des Humerus. Zugleich ein Beitrag zur Bildungsgeschichte dieses Skelettheiles. Von L. Bolk. (Mit 12 Fig. im Text)... .. . 391 Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien, speciell des Arcus volaris - sublimis, Von E. Schwalbe. (Mit Taf. XXVI u. XXVIL) ..... 412 IV Viertes Heft. Ausgegeben am 31. December 1895. Seite Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung. Von O. Seydel. (Mit 22 Fig. een, Se. SE nF A A 453 Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- und der Extremitätenmuskulatur e Vögel und Säugethiere. Von A. Fischel. (Mit Taf. XXVIII.) . . 544 Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. Von J. € IE de Meijere. (Mit 20 Vig. im Text.) . 2... ».,. 2% jee 562 Besprechung: Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere. I. Theil. Von W..Leche 2.0.0 2. 2.2 2a oaks ieee A 592 Clavicula und Cleithrum. Von C. Gegenbaur. Mit 5 Figuren im Text. Bei den vielen Wandlungen der Deutung, welche die den Schultergiirtel wie das freie Gliedmafenskelet der Fische zusammen- setzenden Gebilde im Laufe dieses Jahrhunderts erfuhren, blieb auch dem umfänglichsten Knochen des Schultergiirtels eine verschieden- artige Auffassung nicht ganz erspart. Es ist jener Skelettheil, wel- chen Gouan Ende vorigen Jahrhunderts zuerst Clavicula nannte, eine Bezeichnung, die ihm erst durch L. Agassiz gesichert ward. Wie alle Anderen, hatte auch ich jene Deutung lange vertreten, und sie durch die Vergleichung zu begriinden versucht. Wenn ich hier eine neue Erklirung unternehme, so handelt es sich dabei keines- wegs um neue Thatsachen. Die hierher beziiglichen sind alle be- kannt. Aber sie bediirfen einer erneuten Priifung und vergleichenden Beurtheilung, und nur zu diesem Zwecke gehe ich auf die Beschrei- bung ein. Während bei den Teleostiern die Sache ganz klar zu liegen scheint, ist sie bei den Ganoiden komplicirt, indem bei den Stören an der Stelle der einheitlichen Clavicula zwei Knochenstiicke be- stehen, beide dermaler Abkunft, und auch völlig noch im Integu- mente ihre Lage bewahrend. Auch mit dem primären, knorpeligen Sehultergürtel stehen beide als »Deckknochen« in Verbindung. Aber dieser Zusammenhang lässt an beiden Stücken doch eine Verschieden- heit erkennen, indem das ventrale Stück nur einem kleinen Theile jenes Knorpels auflagert, das dorsale einem viel bedeutenderen, auch in funktioneller Hinsicht wichtigeren, jenem nämlich, welcher die Morpholog. Jahrbuch, 23. ni 2 C. Gegenbaur Verbindung mit dem Flossenskelet besitzt. Er erscheint somit mittelbar als Stütze des Flossenskelets. Auch der ventrale ist in Stützfunktion, wenn auch etwas anderer Art. Seine Hauptbedeutung liegt in der medialen Verbindung mit dem anderseitigen Knochen, die beiden Schultergürtelhälften treten dadurch in festeren Zu- sammenhang (Fig. 1C7) und die Aktion der Brustflosse muss damit an Freiheit und Sicherheit gewinnen. Im Ganzen ge- nommen stimmt auch Spatu- laria mit Acipenser überein, wie ich in meinen Untersu- chungen aus einander setzte. Das obere dieser beiden Stücke habe ich bei Stören »Clavicula« genannt, das un- tere als »accessorisches Cla- vieularstück« aufgefasst (In- fraclaviculare), von W. K. Schultergürtel von Acipenser sturio von der ventra- len Seite. An der linken Hälfte ist die Brustflosse 7 PARKER ist es als »Interelavi- theilweise sichtbar, m Muskel, an der rechten Seite sind eula« bezeichnet. die Weichtheile entfernt, und man sieht das knorpelige 5 = Flossenskelet B, mit den Radien 7, sowie lateral einen Diese beiden Stiicke be- Stachelstrahl R des Si aaa Cl Clavicula, Cl In- stehen auch bei Polypterus, San und wie bei den Storen, tritt bei Polypterus das Clavicula benannte innen über das Infraelavi- culare, so dass letzteres das erstere zu nicht geringem Theile äußer- lich verbirgt (Fig.2 B). Durch dieses Verhalten hat die Clavicula eine bedeutendere Länge gewonnen. Die ventralen Enden der beider- seitigen sind einander genähert. Das Infraclaviculare ist aber nur lose mit dem Claviculare verbunden und zeigt sich noch vollständig. als Hautknochen, welcher zwar median sich mit dem anderseitigen verbindet, aber noch die Funktion der medianen Vereinigung der beiderseitigen Schultergürtelhälften leistet, da die Clavicula selbst an — ihrem Ende nur eine schwache mediane Verbindung besitzt. Einige zum Theile nicht unwichtige Modifikationen bietet Calamoichthys (s. W. K. Parker, Shouldergirdle, pag. 16). Die Clavicula ist auch hier der. bedeutendste Knochen, dessen Ventralende von einer Kno- chenplatte von außen her bedeckt wird, welcher dem Infraclavicu- lare des Polypterus entspricht. Sie bildet eine mediane Verbindung und fügt sich hinter ein ähnliches, größeres Knochenplattenpaar (Jugu- laria), welches auch bei Polypterus vorkommt. Hier ist es, wie schon a = => Clavicula und Cleithrum. 3 Jou. MULLER darstellte, schmal und lang, und liegt auch in weiterer Entfernung vom Infraclaviculare. Den Befund bei Calamoichthys werden wir als den primitiveren erkennen, wenn wir auf die hier be- stehende größere Gleichartigkeit beider Paare Werth legen (vgl. W. K. Parxer’s Abbildung ]. e.). Zwischen dem oberen Ende des - Infraelavieulare und dem unteren des Clavicularstiickes tritt an der Außenseite das Claviculare selbst ein plattenförmiger Theil an die Oberfläche, nach PARKER doppelt so groß als eine der »Ganoiden- schuppen« des Rumpfes. Dies ist der einzige Theil, mit welchem die Clavieula an die Oberfläche gelangt (Ganoinregion der Clavicula nach Parker). Eine solche Region kommt auch Polypterus zu, aber viel ausgedehnter als bei Calamoichthys. Der primäre Schultergürtel, von ähnlicher Form wie bei Polypterus, aber noch ohne Ossifikation, ist bei Calamoichthys an der gleichen Stelle der Clavicula befestigt. Die Vergleichung der Polypterinen mit den Stören zeigt bei letz- teren primitivere Zustände. Clavicula und Infraclaviculare erhalten sich bei Stören als reine Hautknochen, bei Polypterus befindet sich noch ein großer, bei Calamoichthys ein kleiner Theil in ganz ober- flächlicher Lage, und das Infraclaviculare ist in beiden noch dermal, bietet aber bei Polypterus etwas mehr Zusammenhang mit der Cla- vicula als bei Calamoichthys, wie es auch in seiner Gestaltung als der Clavicula minder angepasst sich darstellt. Während die beiden in Rede stehenden Knochen bei den Stören sich im Ganzen mehr gleichartig verhalten, sind sie bei Polypterinen differenzirter, und zwischen Clavicula und Infraclaviculare ist ein vollständiger Gegen- satz ausgeprägt. Am meisten trifft sich das bei Calamoichthys, und zwar dadurch, dass das Infraclavieulare sich auf tieferer Stufe erhält. In etwas anderem Verhalten stellen sich die Dipnoer dar. In der Erhaltung des primären Schultergürtels übertreffen sie die Po- lypterinen, man kann sogar sagen auch die Störe, in so fern bei den letzteren keine mediane Verbindung der beiderseitigen Hälften mehr besteht, wie sie noch Ceratodus und Protopterus besitzen, damit an das Verhalten der Selachier erinnernd. Dieser ventrale Ab- schnitt ist aber nur median von stärkerer Beschaffenheit. Er bildet bei Ceratodus einen vorderen Vorsprung. Lateral davon verdünnt sich der Knorpel zu einer Platte und geht einwärts in eine Leiste (e Fig. 3) über, welche an einem Theile ihrer vorderen Fläche von Knochen bedeckt wird. Hinten und medial gerichtet sieht man die Leiste in einen massiveren Knorpeltheil fortgesetzt, welcher zum 1* 4 C. Gegenbaur Schultergelenkkopf ausläuft, und darüber hinaus noch eine Strecke weit sich fortsetzt. Dieser primitive Schultergürtel ist also durchaus nicht mehr ganz in primitivem Verhalten. Auch bei Protopterus ist er es nicht, wenn auch in anderer Weise. Nur die mediane Vereini- gung und die knorpelige Beschaffenheit deuten jenen primitiven Zu- stand an. Von den knöchernen Theilen tritt die Clavicula (C7Z’) von oben her auf den Knorpel und umfasst sein oberes Ende am meisten vorn und medial, an dieser Fläche so weit herabreichend, dass der Gelenk- kopf des Schulterknorpels (Fig 2-A.g) noch im Bereiche dieses Knochens liegt. Das Infraelavieulare ist ventral am meisten entfaltet, dem Fig. 2. Fig. 3. | 4 = ag 5 eo Rechte Hälfte des Schultergürtels von Ceratodus von der medialen Seite. Schultergürtel A von Ceratodus, B von Polypterus c Leiste des Schulterknorpels, m Durch- von der Ventralseite. g Schultergelenkkopf. schnitt des Knorpels. ventralen Theile des Schulterknorpels aufgelagert, aber nicht in Kontakt mit dem anderseitigen, so dass die mediale Vereinigung noch durch den knorpeligen oder primären Schultergürtel geleistet wird. Dagegen erstreckt sich das Infraclaviculare von hinten her mit einem schmalen Wulste auf den Knorpel und springt mehr seit- lich über den nur theilweise umschlossenen Schulterknorpel vor, der medial und vorn am vollständigsten übersehen werden kann (vgl. Fig. 3)'. Hier erblickt man zugleich die Grenze beider Knochen, welche wie eine Naht sich ausnimmt. GÜNTHER hat das bereits gesehen und abgebildet. An der Außenseite sind beide Knochen an einer nicht sehr breiten Stelle unter einander in engerem Zu- 1 Das Infraclaviculare tritt am Vorderrande gegen den Gelenkknorpel zu auf einer sich verdünnenden Lamelle auf die mediale Fläche, und umfasst hier scheidenartig einen Theil des Schulterknorpels. Der letztere ist in größter Ausdehnung an der hinteren Seite des gesammten Schultergürtels sichtbar. Clavicula und Cleithrum. 5 -sammenhang. Es will mir scheinen, als ob beide Knochen hier synostotisch verbunden seien. Das führt zu Protopterus, bei welchem der Knochen einheitlich den primären Schulterknorpel umscheidet. WIEDERSHEIM hält das für den primitiven Zustand, ich sehe darin einen sekundären, denn auch abgesehen von der Stellung beider Dipnoer zu einander, die Clavicula, wie wir sie bis jetzt hießen, ist bei Stören, Ceratodus und den Polypterinen ein homodynames Ge- bilde, und eben so besteht Homodynamie zwischen dem die Clavicula mit dem Cranium verbindenden Hautknochen, meinem Supraclaviculare, welchen WIEDERSHEIM bei Dipnoern Suprascapula oder Scapula heißt. Der Ausgang kann, nach dem oben Bemerkten, also nicht bei Protopterus gesucht werden, jener einheitliche Schultergürtel- knochen ist weder Clavicula (wie ich ihn früher auffasste) noch -Infraelaviculare, vielmehr beides zusammen, und bietet damit eine Besonderheit, welche dem Charakter der Dipnoer entspricht. Cera- todus hat den älteren Zustand bewahrt, und aus einem solchen ent- stand das Verhalten von Protopterus. Hier sind also wieder andere Formzustände im Bestande der "Theile gegeben, allein in der Hauptsache besteht Übereinstimmung. . Den Verschiedenheiten entspricht die große Divergenz zwischen Stören, Polypterinen und Dipnoern. Dadurch erlangt aber das Ge- meinsame einen um so größeren Werth. Es beruht vorwiegend in der mit der Formverschiedenheit einhergehenden funktionellen Ände- rung der Theile. In drei überaus divergenten Abtheilungen der Fische, d.h. in solchen, welche ihren uns unbekannten Stammvater in weit zurück- liegenden Zuständen besessen haben müssen, begegnen wir im Be- reiche des Schultergürtels für die Hauptsache gleichartigen Befunden in sehr differenter Ausbildung. Der primäre Schultergürtel erhält sich knorpelig bei Stören und Dipnoern, bei den ersteren jederseits getrennt, bei den letzteren in medianer Verbindung. Auf ein ge- ringes Volum redueirt besitzen ihn die Polypterinen, bei der einen Gattung ist er rein knorpelig (Calamoichthys), bei der anderen mit zwei Ossifikationen versehen (Polypterus). Ein starker Gelenkkopf zeichnet ihn bei beiden aus, wie auch die Dipnoer einen solchen besitzen. Aber bei diesen erhält sich das Schultergelenk auf tieferer ‚Stufe, indem die Gelenkhöhle noch fehlt, und ligamentöse Masse vom Gelenkkopf zum Basalstück der freien Gliedmaße zieht. Der sekundäre, dem Hautskelet entsprungene Schultergürtel zeigt sich in Beziehung zum primären mit zwei knöchernen Stücken 6 C. Gegenbaur bei allen in Betracht gezogenen Formen. Clavicula und Infraclavi- eulare zeigen aber nicht mindere Veränderungen als der primäre Schultergürtel sie bot. Die »Clavieula« ist durch ein Supraclavicu- lare dorsal mit dem Cranium im Zusammenhange und hat ventral das Infraclaviculare im Anschluss, lose bei den Polypterinen, inniger bei den Stören und fest verbunden bei den Dipnoern, von denen Ceratodus bestimmte Trennungsspuren trägt. Damit geht zugleich der successive Verlust des dermalen Charakters einher, welcher auch das Infraclaviculare betrifft. Am meisten ist die Clavicula der Polypterinen verändert, sie strebt, ventral sich verlängernd, die mediane Vereinigung an, welche bei den Stören durch das Infraclaviculare besorgt wird. Auch bei Ceratodus trifft sich nur das Infraelavieulare auf diesem Wege, und damit entfernen sich die Störe und Dipnoer weit von den Poly- pterinen, bei welchen hierin nähere Beziehungen zu den Nomean Ganoiden bestehen. Bei Amia und Lepidosteus ist das Infraclaviculare verschwun- den, die zu dieser Reduktion führenden Stadien sind uns unbekannt. .Dagegen erscheint wie bei den Teleostiern! die Clavieula in völlige mediane Vereinigung gelangt, so dass sie selbst die Funktion. des Infraclaviculare übernommen hat. Die mediane Vereinigung der beiderseitigen Claviculae bietet bekanntlich bei Teleostiern zahlreiche Modifikationen in ihrer Ausbildung, aber man erkennt in allen die Wichtigkeit dieser der Festigung des Schultergürtels dienenden Ein- richtung. Die Clavicula trägt dabei stets den primären Schulter- giirtel. Bei Stören und bei Dipnoern ist dieses ihre ausschließliche Bedeutung, da die andere, der mediale Zusammenschluss, vom Infra- claviculare besorgt wird. So läuft eine Reihe von Zuständen des sekundären, aus Haut- knochen hervorgegangenen Schultergürtels von den Stören zu Poly- pterinen und Teleostiern, und indem wir erst bei den letzteren die Clavieula ihren vollen ventralen Zusammenschluss erlangen und aus- bilden sehen, werden wir dieses als einen späteren Zustand be- urtheilen missen, gegenüber jenem, welchen Störe und Dipnoer besitzen. Auch in der Ontogenese der Knochenfische blieb noch ein 1 Für manche Clupeiden werden solche ins Bereich der Infraclavicularia fallende Hautknochen angegeben, so bei Elops und Megalops. Es sind aber unpaare, weiter nach vorn gelegene Platten (wie eine solche auch Amia be- sitzt), so dass wir sie hier anschließen müssen. Clavieula und Cleithrum, 7 Theil jenes phyletischen Ganges erhalten, indem das erste Auftreten des Knochens am primären Schultergürtel statt hat, und von da aus erst allmählich eine ventrale Fortsetzung bis zur Erreichung der medianen Verbindung ausbildet. Der funktionelle Schwerpunkt der Clavieula kann also, auch wenn von ihrer Ontogenese ausgegangen wird, nicht in dem ventralen Zusammenschluss liegen, sondern in der Stützbildung für den Schultergürtelknorpel, auf dem sie sich anlegt. Die Ventralverbindung ist ein späterer Erwerb, der an das Schwinden des Infraclaviculare ankniipft. Dass auch bei Dipnoern (Ceratodus) am primären Schulterknorpel zwei Belegknochen vorkommen, ist gleichfalls von Belang. Wenn dieselben auch ein anderes Verhalten zum Knorpel darbieten, indem sie sich inniger anschließen und ihn theilweise umfassen, so können sie doch von Clavicula und Infraclavieulare abgeleitet werden und deuten an, dass diesen beiden Stücken eine größere Verbreitung zukam. Bis hierher ergab sich kein zwingender Grund, die Deutungen der Theile zu ändern, es fragt sich nun, wie jene durch die Vergleichung mit höheren Zuständen die Probe bestehen. Andere Verhältnisse treffen wir bei den pentadactylen Wir- belthieren. Es besteht hier die Clavicula aus einem ventral ge- lagerten Skelettheile, der seine dermale Abstammung noch deutlich bei den Stegocephalen durch sein Relief bekundet. Bei den lebenden Amphibien hat er dieses Zeugnis verloren (Anuren), oder es ist sogar gänzlich geschwunden (Urodelen). Es wird aber bei den ältesten Amphibien, den Stegocephalen, eine mediane Verbindung beider Claviculae durch einen unpaaren, gleichfalls dermalen Skelettheil, das Episternum, vermittelt, welches darin Verhältnisse erkennen lässt, die, weil sie, auch bei Reptilien wiederkehrend, in größerer Verbreitung bestanden haben müssen. Jedenfalls ist aus dem Ver- halten der Clavicula bei Anuren und bei Lacertiliern zu ersehen', 1 Bei der hier behandelten Frage habe ich keinen Grund, auf die Auf- fassung der Clavicula einzugehen, wie sie von GOETTE ausging und auch von Anderen wie WIEDERSHEIM Verbreitung fand. Ich sehe in jener Darstellung die von mir gegebene Deutung in keiner Weise widerlegt. Wenn die der- male Clavieula sich später knorpeliger Theile des primären Schultergürtels bemächtigt, wie bei den Anuren des Procoracoid, so folgt daraus nicht, dass jener Knorpel eine Clavicula sei, auch da, wo die dermale Clavicula gar nicht mehr vorkommt (Urodelen). Ein näheres Eingehen auf diese Fragen verbietet der Zweck dieser Mittheilung. 8 C. Gegenbaur dass hier derselbe Skelettheil vorliegt, welchen ÜREDNER bei den Stegocephalen als Clavicula bezeichnet hat. Bei der Vergleichung mit Fischen muss auffallen, dass in allen diesen Fällen bei Pentadactylen die Clavicula nur ventral entfaltet ist. Es ist der Theil, welcher bei Teleostiern erst später gebildet wird, und daraus erwächst die Frage, ob die Clavicula der Teleostier und auch jene von Amia und Lepidosteus mit der Clavieula der Stegocephalen homolog sei. Die Vergleichung beider lehrt nun das Gegentheil. Die Clavieula dieser Amphibien hat weder eine dor- sale Erstreckung, noch trägt sie den primären Schultergürtel wie bei den genannten Fischen. Eben so wichtig ist aber auch, dass die Teleostier sammt jenen genannten Ganoiden als direkte Verglei- chungsobjekte mit Amphibien nicht dienen können, denn sie be- sitzen bereits eine von den Vorfahren dieser divergente Organisation. Wir werden uns daher zu tiefer stehenden Fischen zu wenden haben, wobei vor Allem die Störe und Polypterinen in Betracht kommen müssen. Wir sahen, dass die Störe in ihrem Clavieularapparat zwei (das Supraclaviculare braucht hier nicht in Berücksichtigung zu kom- men) an einander stoßende Knochen besitzen, davon der eine, obere, dem das Flossenskelet tragenden Abschnitt des primären Schulter- gürtels anlagert, der andere, untere dagegen eine mediane Verbindung mit dem anderseitigen eingeht. Da das Gleiche auch bei Polypterinen stattfindet, so wird kein Zweifel bestehen, dass bei diesen nicht der obere Skelettheil, den wir als »Clavicula« bezeichneten, sondern viel- mehr der untere, das Infraclaviculare, der Clavieula der Stegoce- phalen morphologisch und auch physiologisch entspricht. Die Clavieula der Stegocephalen erfüllt alle Bedingungen für die Aufstellung einer kompleten Homologie mit dem Infra- claviculare jener Ganoiden. Lage, Verbindung und dermale Ab- stammung begründen dies. Nur der nicht völlige mediane Zusam- menschluss bei einem Theile der Stegocephalen in Folge des vor- handenen Episternums könnte als ein allerdings ziemlich leichtfertiger Einwand erhoben werden. Es haben sich aber bei einem anderen Theile der Stegocephalen (bei Labyrinthodonten) Zustände erhalten, n welchen die beiden als ansehnliche Hautknochenplatten erscheinen- den Claviculae in direkter medianer Verbindung stehen (Fig.4) und mit ihrem Hinterrande zugleich die Episternalplatte zwischen sich fassen (Metopias diagnosticus H. v. Meyer). Auch bei Archegosaurus spricht sich ein ähnliches Verhalten aus. Die ebenfalls plattenförmi- gen Claviculae sind dem Vorderrande des rhombischen Episternum FE WERE BEER EZ ee eee LE WERE iz “ DV, Zn M U | OG Clavicula und Cleithrum. 9 angelagert und laufen vor demselben in Spitzen aus, von denen zweifelhaft ist, ob sie sich gegen einander verbinden. Von größtem Interesse ist der Befund bei Sclerocephalus labyrinthieus, wie ihn CrEDNER im X. Theile seiner Stegocephalen- forschung! bekannt gemacht hat. Hier be- stehen beide Claviculae in mächtiger medianer Verbindung (Fig. 5 CZ). Eine Episternalplatte schließt sich dieser zwar an, scheint jedoch — abgesehen von Defekten ihres Erhaltungs- zustandes — von geringem Umfange gewesen zu sein, so dass die Hauptfunktion der me- dianen Festigung des Schultergürtels schon in der direkten Clavieularverbindung beruhte. ei diss Hier liegt ein Zustand vor, aus welchem die diagnosticus aus einer Ab- Bedeutung der Clavicularsymphyse als etwas aD Gutter nn Primitives hervorleuchtet. Das Episternum Cleithrumfragment, Zp Epister- spielt eine viel geringere Rolle als in den hia anderen Fallen, die ich vorhin besprach, und es wird zugleich an = SS IR, —— SQW RN += == NE es 77 N SZ, NA 0 N 2 N N or ty, IWF ¢ % Y “Wy } i} N tie J il OA Schultergürtel von Sclerocephalus labyrinthicus nach Caepyer (1/2). Cl Clavicula, Cl’ Clei- . thrum, Zp Episternum, Cor Coracoid. Jene bei Fischen vorhandenen Einrichtungen erinnert, in. denen die sogenannten Infraclavicularia ausschließlich die Medianverbindung ! Zeitschrift der deutsch. geol. Gesellsch. Bd. XXXIII (1881) — XLV (1893), 10 C. Gegenbaur herstellten. Die Konkurrenz der Clavieularverbindung mit der Epi- sternalplatte zeigt sich somit in mannigfaltiger Weise, und lässt in ihren Variationen die Unterordnung des medialen Verhaltens der Cla- vicula erkennen, gegenüber der Beständigkeit der übrigen Befunde. Auch bei Lacertiliern besteht bald nur ein Anschluss an das Epi- sternum, bald kommt es vor dem letzteren zu einer Medianverbin- dung der Claviculae. Auch die Vergleichung der Clavicula der Stegocephalen mit jener der Fische lehrt, dass bei den letzteren nur die mit einem Infracla- viculare versehenen ein der Clavicula homodynames Skeletstiick be- sitzen, nämlich im Infraclaviculare selbst, und dass das bisher als Clavicula aufgefasste keineswegs der Clavicula penta- dactyler Wirbelthiere entspricht. Zweierlei Gebilde tra- gen den gleichen Namen; daraus entspringt das Bediirfnis einer Anderung der Benennung. Ich nenne daher den bei den Fischen bisher als Clavicula geltenden Knochen Cleithrum‘ und belasse die Clavicula der pentadactylen Wirbelthiere in ihrem alterworbenen Namensrecht. Das Cleithrum ist also der bei Fischen vorherrschende Theil des Clavicularapparates und trägt immer den primären Schulter- giirtel. Bei den Stören hat sich das Cleithrum wenig ventral- wärts erstreckt und die Clavicula tritt in eine mediane Symphyse. Es besteht hier in gewissem Sinne ein Zustand der Indifferenz, und beide Knochen verhalten sich zum primären Schultergürtel im All- gemeinen gleichartig. Noch innerhalb der Ganoiden erlangt das Cleithrum eine ansehnliche ventrale Verlängerung, wodurch es mit der Clavicula in Wettbewerb tritt. Dieses zeigt sich schon bei Po- lypterinen, deren Clavicula zwar besteht und die Medianverbindung darstellt. Aber das Volum dieses Knochens ist in Vergleichung mit den Stören gemindert oder vielleicht noch nicht. völlig ausgebildet, und bei anderen Ganoiden ist das Cleithrum wie bei allen Teleostiern zur Alleinherrschaft gelangt, und die echte Clavieula ist dafür ver- schwunden. Bei Ceratodus wäre demgemäß das obere Stück dem Cleithrum, das ventrale der Clavicula homodynam, wie eine Ver- gleichung der Figg. 1 und 2 versinnlicht. Der bei Protopterus ein- heitliche, den Schulterknorpel umfassende Knochen, den ich Clavi- cula genannt hatte, zu einer Zeit, da Ceratodus noch unbekannt war, wäre als jene beiden, bei Ceratodus noch medial getrennten Knochen 1 Kretdpov, Schloss, Riegel. Clavicula und Cleithrum. 41 _ umfassend, anzusehen. Er begriffe in seinem oberen Abschnitt noch das Cleithrum, doch dürfte das noch nicht mit voller Sicherheit zu behaupten sein!. Der morphologische Werth des Cleithrum kann durch den Nach- weis seines Bestehens auch in höheren Abtheilungen eine Stütze empfangen. Das ist bei den Stegocephalen zu versuchen. Zwar liegt auch hier für das gesammte Schultergerüst wegen des Mangels er- haltener Knorpeltheile nur unvollständiges Material vor, aber das wird einigermaßen kompensirt durch die relativ gute Erhaltung der knöchernen Reste, deren Kenntnis CREDNER'S Arbeiten zu danken ist. Besonders ist Sclerocephalus labyrinthicus durch erhal- tene Knochenverbindungen ein günstiges Objekt, namentlich so weit Hautskelettheile in Betracht kommen (Fig. 5). Außer dem auch als Brustkehlplatte bezeichneten Episternum und der auch.als »Seiten- platte« aufgeführten Clavicula sind wie bei anderen Stegocephalen noch zwei Knochenpaare vorhanden mit unsicherer Deutung und demgemäß auch wechselnder Benennung: Das eine bietet allgemein nähere Beziehungen zur Clavicula, indem es nicht nur in deren Richtung liegt, sondern auch oft ihr so genähert ist, dass man die Annahme eines theilweisen Anschlusses nicht zurückweisen kann. Der Knochen ward von CREDNER als Scapula beschrieben; als »Pro- eoracoid (Clavieula)« bezeichnet ihn ZırteL. Klarer als bei Anderen ist sein Verhalten bei Selerocephalus labyrinthieus zu erkennen. An ihm müssen zwei Abschnitte unterschieden werden, ein dorsaler und ein ventraler. Der erstere Abschnitt zeigt eine abgerundete Platten- form (s. Fig. 5 Cl’ z), von welcher eben der vorgenannte ventrale 1 Die Verschiedenheit des Schultergürtels von Ceratodus und Proto- pterus steht im Zusammenhang mit jener der freien Gliedmaße beider. Das bei Ceratodus mächtigere Organ ist redueirt. Der obere Abschnitt ist bei Protopterus in Vergleichung mit Ceratodus verkürzt, und der hier am Schulter- knorpel liegende, das Schultergelenk tragende Vorsprung stellt sich anders als bei Ceratodus dar. Diese Verhältnisse können den Gedanken entstehen lassen, dass hier das Cleithrum ganz verschwunden sei. Ich halte aber auch dabei Vorsicht für nöthig, denn jener Knochen steht auf gleiche Art mit dem soge- nannten Supraclaviculare in Verbindung wie das Cleithrum von Ceratodus, und es ist wenig wahrscheinlich, dass bei einer solchen Verbindung ein völliger Ausfall eines Theiles sich zugetragen habe. Lepidosiren, den man in Folge von EHLERS’ Mittheilungen wohl nicht mehr länger mit Protopterus zusammen- werfen wird, scheint sich bezüglich des Schultergürtels ähnlich wie Protopterus zu verhalten, wie aus der Darstellung von Tu. W. BiscHoFr hervorgeht. 12 C. Gegenbaur Abschnitt wie der Stiel von einer Schaufel ausgeht. Dieses nach Sclerocephalus dargestellte Verhalten ist auch, minder deutlich zwar, bei kleineren Formen zu erkennen. Von der Platte an bis fast zum Stielende besteht hinterwärts ein enger Anschluss an den anderen noch nicht besprochenen Knochen (Fig. 5 cor), und eben so legt sich wohl auch die Clavicula dem fraglichen Knochen an, derart, dass sie einen Theil von dessen Außenfläche bedeckte, wie man aus dem erhaltenen Exemplar erkennen kann (vgl. Fig. 5). CREDNER giebt die Verbindung als eine von der rinnenförmigen Hohlkehle der Clavieula gebildete Umfassung an, jedenfalls liegt die Clavicula hier oberflächlicher als der von ihr umfasste Stiel, der medial sich unter sie schiebt. Der Deutung dieses Knochens hat die Prüfung des anderen vor- auszugehen. Seine Form trifft sich in der Hauptsache auch bei an- deren Stegocephalen, allein der lateral resp. hinten einspringende Winkel ist bei diesen viel weniger beträchtlich als bei Scleroce- phalus, bei manchen sogar nicht vorhanden. Gewiss mit vollem Rechte sieht man in diesen Knochen einen Abkömmling des sekun- dären Schultergürtels, und man wird sich vorstellen dürfen, dass er sowohl ventral als auch dorsal, und zwar gegen die Schaufelplatte zu, eine knorpelige Ergänzung trug. CREDNER bezeichnet diesen Skelettheil als Coracoid. An ihm scheint auch die Pfanne für den Humerus sich befunden zu haben, wie aus der Lage des letzteren nach ÜREDNER hervorgeht. Leider blieb die Pfannenregion nicht sicher bestimmbar. Aber jene Deutung wird aufrecht zu halten sein, zumal kein anderer Skelettheil vorkommt, welcher auf den primi- tiven Schultergiirtel beziehbar wäre. Auch das von CREDNER monirte Vorkommen eines Loches (Foramen coracoideum) in demselben Kno- chen bei anderen Formen ist belangreich. Dagegen ist eine Schwierig- keit vorhanden, welche die striktere Anpassung als Coracoid modi- ficiren muss. Wenn nämlich, wie es nach CREDNER den Anschein hat, die Gelenkpfanne in der,Mitte der Länge der Platte liegt, etwa dem von beiden Theilen der Platte gebildeten Winkel entsprechend, so ist der Knochen kein reines Coracoid, nicht jener Skelettheil, wie er aus der Ossifikation des ventralen Abschnittes des knorpe- ligen Schultergürtels bei anuren Amphibien und auch bei manchen Urodelen hervorgeht, sondern er muss auch noch mit seinem dor- salen Abschnitte einem Theile der Scapula entsprechen. Das gesammte Verhalten des Knochens kommt vielmehr mit jenem Zu- Clavieula und Cleithrum. 13 stande überein, da Scapula und Coracoid nicht durch diskrete Stücke vertreten sind!. Mag man den Knochen Coracoid nennen, da sein größerer ‚Umfang in jener Richtung liegt, so wird man aber doch auch an ihm eine scapulare Portion unterscheiden müssen, wenn diese auch nur von der coracoidalen Össifikation aus entstanden ist. Es ist übrigens von untergeordneter Bedeutung, in welcher Art man einen scapularen oder einen »coracoidalen« Antheil von Knochen findet, die Hauptsache bleibt, dass er dem primären Schultergürtel entspricht. Welche Deutung beansprucht nun der andere, oben nur in Ge- stalt, Lage und Verbindungen besprochene Knochen, den ÜREDNER als Scapula aufgefasst? Ich glaube kaum, dass diesem Skelettheile ein Recht auf jene Deutung zukommt, wenn es nicht darin liegt, dass bei der Auffassung des Schulterknochens als Coracoid ihm nur noch jene Benennung übrig bleibt. Ich will dabei nicht verkennen, dass die Entfaltung des Knochens in dorsaler Richtung und seine terminale Verbreiterung an ein Schulterblatt erinnern kann, aber nur ganz im Allgemeinen. Jede genauere Prüfung und die Rücksichtnahme auf das sogenannte Coracoid führt von der Vorstellung einer Sca- pula ab. Scapula und Coracoid, welche als Ossifikationen eines und desselben Knorpels erscheinen, können nicht in jenen beiden Kno- chen gesucht werden, davon der eine ein dermaler Knochen ist, 1 Das Verhalten der Ossifikation am primären Schultergürtel der Urodelen ist noch sehr schwankend. Immer ist es der scapulare Theil des Knorpels, welcher zuerst ossificirt. Er ist allein knöchern bei Proteus und Menobranchus, und der Pfannentheil bleibt noch knorpelig. Bis in die Pfanne schreitet die Verknöcherung bei Cryptobranchus und Menopoma vor. Auf das Coracoid gelangt sie bei Salamandra und Lissotriton. Aber es erscheinen Abgrenzungen, welche bei alten Salamandern verschwinden. Völlig getrennte Ossifikationen erhalten sich für Scapula und Coracoid bei Amphiuma und Siren (W. K. PARKER, Shouldergirdle, op. cit.). Da das letztere Verhalten auch bei den Anuren besteht, könnte es als das primitivere gelten, zumal auch am primären Schultergürtel von Polypterus zwei diskrete Verknöcherungen vorhanden sind, die auch bei Teleostiern bestehen. Dann wäre der Befund bei Stegocephalen nur als Sca- pula zu deuten, wie dieses zuerst von FrıTscH geschah. Es fragt sich aber, ob daraus, dass jene »Scapula« ein einheitlicher Skelettheil ist, geschlossen wer- den muss, dass sie nun der Scapula der recenten Amphibien entspräche, denn es muss daran gedacht werden, dass das von CREDNER erwähnte Loch bei ge- wissen Stegocephalen auf ein Coracoid verweist, als welches der Knochen von letzterem Forscher bezeichnet wurde. Aus all Diesem geht hervor, dass jener Knochen beiderlei Stücke vorstellt, wofür im Verhalten recenter Urodelen, wie oben aufgeführt, sich Andeutungen erhalten haben. 14 C. Gegenbaur denn er besitzt eine der Clavieula ähnliche Beschaffenheit. Dass er sich der Länge nach dem Coracoid anlagert, trifft sich bei keiner Scapulabildung. Aus dieser Anlagerung ist zugleich ersichtlich, dass er nicht eine mit dem »Coracoid« gemeinsame Skeletbildung vorstellt. Wenn wir Scapula und Coracoid als Ossifikationen eines einheitlichen Schulterknorpels entstehen sehen, so können jene beiden Knochen doch nicht in getrennten Theilen gesucht werden, von denen der eine als ein dermaler Knochen erscheint. Da somit die Scapula nicht mehr in Frage kommt, besteht noch das Cleithrum, und für dieses treffen alle Befunde, welche gegen die Scapula sprechen. Es verlängert sich längs der Innenseite der Clavieula, die es gegen die Verbindung mit dem Episternum be- gleitet, und schmiegt sich zugleich dem primären Schultergirtel an. Aus Beidem treten die Beziehungen des Cleithrums der Fische klar hervor. Die bedeutende Volumentfaltung des pri- mären Schultergürtels korrespondirt der schlanken Gestalt des Clei- thrums, welches einen Theil seiner Funktion an jenen übertrug, so dass ihm wesentlich die Verbindung des ersteren mit der Clavieula geblieben ist. Ob die schaufelähnliche, dorsal dem Cleithrum ange- fügte Bildung (Fig. 5 x) ursprünglich dem Cleithrum angehört, möchte ich als nieht völlig sicher betrachten. Das Stück setzt sich so vom schlanken Theile des Cleithrums ab, dass an eine Selbständigkeit gedacht werden könnte, wenn nicht jener Theil des Cleithrums der Fische mancherlei aus den Beziehungen zum Nachbarskelet entsprin- gende Fortsatzbildungen besäße. Aus der Beschaffenheit des oberen Cleithrumendes geht aber jedenfalls hervor, dass der Schultergürtel damit nicht frei auslief, sondern dass er hier eine Befestigung oder doch Anfügung an dem Cranium besaß, wie es ähnlich bei Fischen mittels Supracleithralia (Supraclavicularia der Früheren) vorkommt. Im Clavicularapparat der Anamnia unterscheide ich somit zwei, divergente Richtungen einschlagende Skelettheile, welche beide dem primären Schultergürtel anlagern. Der dorsal befindliche ist das Cleithrum. Es trifft sich an dem durch die Artikulation mit der freien Gliedmaße ausgezeichneten Schultergiirtelabschnitte bei Stören und bleibt in diesen Beziehungen auch nach Reduktion des Ventraltheiles (der Clavicula) bei den Ganoiden und’ den Teleostiern, wobei es zugleich in ventrale Verlängerung kommt. Dadurch gewinnt Clavicula und Cleithrum. 15 es bei den Genannten die ventrale Medianlinie und ebenda Verbin- dung mit dem anderseitigen, was den Knochen bisher als Clavicula deuten ließ. Bei den Amphibien haben nur die Stegocephalen das Cleithrum bewahrt!. Es zeigt darin ein primitiveres Verhalten als die Mehrzahl der Ganoiden und alle Teleostier, dass es nicht zur medianen Symphyse gelangt und dadurch an das Verhalten bei Stören erinnert. Es schließt sich aber, wie es bereits bei diesen begonnen hatte, der medialen Seite der Clavieula an, und behält auch seine alterworbene Verbindung mit dem primären Schultergürtel. Die recenten Amphibien entbehren des Cleithrums, ein Theil davon auch der Clavicula (Urodelen), und lassen über das Schicksal dieser Knochen nichts Sicheres erkennen. Der zweite claviculare Skelettheil ist die Clavicula selbst. Ihr kommt bei den Stören die mediane Verbindung zu, auch bei den Polypterinen, bei denen jedoch schon das Cleithrum in jener Be- ziehung den Wettstreit begonnen und fast siegreich zu Ende geführt hat, denn die beiden Cleithren kommen mehr zu medianer Vereini- gung. Die Rolle der Clavieula ist nach der vom Cleithrum erlangten Oberherrschaft im Schultergürtel beendet. Amia und Lepidosteus bezeugen, dass dieses schon bei den Ganoiden geschieht. Aber es muss bei diesen der Besitz einer Clavicula oder eines sie darstellen- den Hautknochens verbreiteter gewesen sein, wie aus der bedeutenden Divergenz des Organismus der Störe, Dipnoer und der Polypterinen hervorgeht, und nicht minder aus dem Verhalten der Amphibien. Dass sie bei diesen kein neuer Erwerb ist, lehren die Stegocephalen, deren gesammter Schultergiirtel, wie oben gezeigt, von jenem der Fische mit Clavicula sich ableiten ließ. Alle Bestandtheile des ! Die verschiedenen neueren Deutungen der Bestandtheile des Schulter- gürtels der Stegocephalen stelle ich hier zusammen. Primärer FRITSCH ZITTEL CREDNER Schultergiirtel Scapula Scapula Coracoid Cleithrum (Coracoid) Praecoracoid Scapula Clavicula Clavicula seitliche Kehlbrust- seitliche Kehlplatte Clavieula platte (Clavieula) (Clavieula) Coracoid Episternum mittlere Kehlbrust- Entosternum Episternum platte Mittelplatte Interclavicula 16 C. Gegenbaur Sehultergürtels treffen sich da genau in demselben Verhalten, wie es jene niederen Fische besitzen, aber doch wieder so bedeutend verändert, dass man nur durch genaue Prüfung die Gleichartigkeit mit jenen erkennt. Was will das auch besagen, dass das Einzel- verhalten bei Stegocephalen nicht in allem Detail mit dem jener Fische stimmt! Sind doch auch bei diesen recht bedeutsame Ver- schiedenheiten im Einzelnen, so dass die Stegocephalen darin gegen jene Anderen nichts Neues mehr darbieten. Dadurch werden die morphologischen Kriterien schärfer, weil jene Verschiedenheit das Hauptsächliche, Allgemeine, vom Nebensächlichen, Besonderen, tren- nen lehrt. Die Erhaltung der Clavicula bei den Stegocephalen erscheint mit der Existenz eines Episternum verknüpft. Als unpaares Ele- ment fehlt dieser Skelettheil den Fischen. Wohl aber finden sich vor den die Claviculae repräsentirenden Hautknochen paarige Haut- knochen an derselben Stelle bei Polypterinen vor, und befinden sich in medianer Verbindung. Es wäre übereilt, daraus die unpaare Knochenplatte abzuleiten, die das Episternum der Stegocephalen vorstellt. Für eine mediane Verbindung, zunächst durch Anschluss der Claviculae, müssen paarige Knochenstücke ungünstiger er- scheinen als ein unpaarer Knochen, da erstere selbst erst des Zu- sammenschlusses bedürfen. Daher ist wahrscheinlich, dass die Epi- sternalplatte stets in jenem einheitlichen Zustande sich befunden habe, etwa in der Art, wie bei den Amiaden eine unpaare Kehl- platte vorkommt. Ob die Erlangung des Anschlusses an die Epi- sternalplatte ein Causalmoment für die Erhaltung der Clavicula bildete, ist nicht gewiss, aber das kombinirte Vorkommen beider Theile muss auffallen, und die Fortsetzung dieses Verhaltens zu den Reptilien begründet eine ursprünglich bedeutende Verbreitung der- selben als nothwendige Voraussetzung. Thatsächlich geht die Ein- führung der Clavicula in höhere Abtheilungen mit dem Episternum einher, wenn auch da und dort, wie schon bei den recenten Am- phibien die Anuren zeigen, für den Ausfall des Episternums ein funktioneller Ersatz anderweitig geboten wird, oder der ganze dem Hautskelet entstammende Apparat zu Verluste ging, wie bei den lebenden Urodelen. Die Verschiedenheit des Geschickes, welches Cleithrum und Clavieula bei ihrem Gange durch den Vertebratenstamm erfahren, ist schon bei ihrem ersten Auftreten bestimmt: es liegt bereits in ihrer Wiege! Das Cleithrum hat durch die von ihm erworbene Clavicula und Cleithrum. 17 Verbindung mit dem wichtigsten Abschnitte des primären Schulter- gürtels, jenem der die Gliedmaße trägt, eine besondere Funktion, unter der es mächtiger sich ausbildet, indess die Funktion der Cla- vicula- als untergeordnetere sich darstellt, wie sie ja durch die clei- thrale Verlängerung ventralwärts ersetzt wird. Aber die selbständigere Ausbildung des primären Schultergürtels, die bei den Stegocephalen beginnt, befreit ihn in weiterem Fortschritte jenseits derselben vom Cleithrum, welches damit seine Bedeutung verliert. Sein Verschwin- den ist die Folge. Dagegen erlangt die Clavicula jetzt eine dau- ernde Bedeutung und erhält sich von recenten Amphibien (Anuren) an durch die Reihe der Amnioten, in denen jede der größeren Ab- theilungen sie in manchen neuen Beziehungen besitzt. Wenn ich so eben die fortschreitende Ausbildung des primären Schultergürtels als ein nächstes Causalmoment für die Reduktion des Cleithrums nahm, so bedarf das noch einer Erörterung. Eine Re- duktion des Cleithrums wird mit einer Lösung der eranialen Ver- bindung beginnen, denn diese Verbindung stellt überall da, wo wir sie antreffen, eine wichtige funktionelle Instanz jenes Knochens vor. Sie hat in der Festigung des Schultergürtels ihre Bedeutung, und muss schwinden, wenn der leztere im Gewinne einer selbständigen Beweglichkeit mit der gesammten Gliedmaße eine höhere Stufe be- tritt. Die Lösung des Cleithrums, wie sie wohl noch nicht innerhalb der Stegocephalen erscheint!, nimmt ihm die bedeutendste Funktion und ist durch die daraus hervorgehende Reduktion von Wichtigkeit 1 Dass das Cleithrum bei manchen Stegocephalen noch Beziehungen zum Schädel besaß, möchte nicht bloß aus der Form des dorsalen Endes des Kno- chens, sondern auch aus der Gestalt der Clavicula zu schließen sein. Da, wo diese ein knieförmig gebogenes Knochenstück vorstellt, wie z. B. bei Branchio- saurus salamandroides (FRITSCH, Fauna der Gaskohle ete. Bd. I. Heft 1. Taf. II Fig. 2), ist die Krümmung nur so zu verstehen, dass dadurch ein horizontaler und ein vertikaler Schenkel gebildet wurde. Der letztere kann dem Cranium nur ganz nahe sich befunden haben, und war durch das ihm anliegende Clei- thrum noch weiter dorthin fortgesetzt. Auch die Lage der Theile in den Fund- stücken deutet manchmal einen cranialen Zusammenhang an, wie in einzelnen Abbildungen bei FRITSCH (op. cit. Bd. I) ersichtlich ist. Daraus entsteht die Frage, ob nicht die Fortsatzbildung des Epioticum, die bei Dolichosoma lon- gissimum eine Gelenkpfanne, bei Melanerpeton pusillum und Ceraterpeton ob- tusum ein stachelartiges Stück trägt, in Beziehungen zum sekundären Schulter- gürtel standen. Für die im Ganzen sehr divergenten, von FRITSCH sogar als polyphyletisch beurtheilten Stegocephalen mögen auch in jenem Punkte diffe- rente, mit dem gegenwärtigen Materiale nicht sicher zu deutende Verhältnisse gewaltet haben. Der Nachweis eines Cleithrums bietet jedoch eine Verknüpfung. Morpholog. Jahrbuch. 23. 2 ; - 18 C. Gegenbaur auch für die Clavieula, die mit dem medianen Anschlusse die verloren gegangene laterale Befestigung des Schultergürtels zu kompensiren hat. Die Ausbildung des primären Schultergürtels zeigt sich bei den Stegocephalen ganz in der von jener bei Fischen schon entfernt liegenden Form. Die flächenhafte Ausbreitung sowohl ventral als dorsal, die sich wohl durch knorpelige Theile, von denen nichts er- halten ist, ergänzte, zeigt Anklänge an den primären Schultergürtel recenter Amphibien. Da aber das Schultergelenk nicht sieher be- kannt ist, sind nähere Vergleichungen nicht gestattet. Vielleicht standen die beiderseitigen Knochen unter sich in medianem Zusam- menschlusse. Auch von der Clavicula ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie auf einer kurzen Strecke an dem primären Schultergürtel Anschluss besaß, und dadurch noch das primitive Verhalten bekundete. Die Rückbildung des Cleithrums mag der Clavicula einen grö- Beren Raum des Anschlusses am primären Schultergürtel gestatten. In welchem Maße dieses sich vollzog, bleibt unsicher, da uns Zwi- -schenstufen zwischen den Stegocephalen und recenten Amphibien unbekannt sind. Da aber allgemein die Clavieula sich nicht nur längs des ventralen Abschnittes des primären Schultergürtels er- streckt — in welcher Beziehung zu diesem ist hier gleichgültig — sondern auch jenseits des Schultergelenkes zum dorsalen, die Scapula repräsentirenden Abschnitte, so wird danach gefragt werden dürfen, wie dieses Verhalten entstand. Es ist nicht zu verkennen, dass die Vergleichung der Fische mit recenten Am- phibien (Anuren) und mit Reptilien jenes Verhalten nicht verstehen lässt. Man kann da sagen, die Clavicula hat sich eben dorthin aus- gedehnt, aber damit wird nichts erleuchtet, denn zuvor muss Raum dazu bestehen, der bei der Existenz des Cleithrams nicht vorhanden ist. Bei den Fischen hat ihr Homologon gar keine Beziehung zum scapularen Abschnitt des primären Schultergürtels, sie bleibt ven- traler Natur. Bei Amphibien und Reptilien ist die Erreichung der ‚Seapula ein beständiger Charakter und bleibt es bis zu den Säugethieren, wie sehr auch sonst die Verhältnisse der Clavicula sich, ändern möchten. Die Lösung des Problems liegt beim Cleithrum. Bei den Fischen drängt es sich unter die Clavicula, zwischen diese und den primären Schultergürtel, was am klarsten bei den Stören zu sehen ist. Dieses Verhalten hatte das Cleithrum sogar zu weiterer ventraler Ausdehnung geführt, wie sie die Poly- pterinen besitzen, und schließlich zu jenem Zustande, in welchem das Cleithrum, wie oben dargelegt, sich als »Clavicula« ansprechen ließ. sat) ee a ae tI ¢ Ber ~ — a= ss) = os | Clavieula und Cleithrum. 19 Wie kommt nun die Clavicula zum scapularen Theil des pri- mären Schultergürtels? Wenn das Cleithrum allgemein den Aus- schluss des letzteren von der Clavicula bedingte, indem es zwischen beide, wie immer ihre Gestaltung sich darstellte, einschob, so wird eine Reduktion des Cleithrums der Clavicula jenen Anschluss ge- statten. Man vergleiche hierbei die CrepNersche Zeichnung von Selerocephalus (Fig. 5). Ich sollte es nicht erwähnen müssen, dass ein solcher Reduktionsprocess als ein successiver zu denken ist. Es ist auch keine beliebige Annahme, sondern eine absolut nothwendige, und damit begründete. In Vergleichung mit Sclerocephalus er- scheint das Cleithrum anderer Stegocephalen (z. B. bei Discosaurus, Hylosaurus nach CREDNER, bei Branchiosaurus salamandridoide, Me- lanopeton pulcherimum nach Frırsch) bereits in Reduktion. Wenn wir ferner wissen, dass es bei recenten Amphibien, überhaupt in höheren Abtheilungen nicht mehr vorkommt, und kein einziger Grund die Annahme stützt, dass es in irgend einem anderen Skelettheile aufgegangen sei, so kann für sein Verschwinden nur eine vollstän- dige Rückbildung die Erklärung bieten. Dieses Schwinden des Cleithrums ist für den Schultergürtel- apparat ein wichtiges Ereignis. Dadurch wird der Clavicula der Anschluss auch an dem scapularen Theile des primären Schultergürtels gestattet, und eine Verbindung ermöglicht, welche später, nachdem sie die einzige laterale Verbindung der Clavicula geworden, an Bedeutung gewinnt. Die in dem Anschlussverhältnisse der Clavicula an den primären Schultergürtel bei Fischen bestehende Differenz gegenüber den Amphibien und Reptilien empfängt einen Ausgleich, und indem der Ausschluss der Clavicula vom scapularen Schultergürtel wich, wird der Übergang der niederen Form des Schultergürtels in die höhere zum vollen Verständnis gebracht. Zweitens aber führt die Reduktion des Cleithrums eine Ablösung des gesammten Schultergürtels aus dem cranialen Verbande .herbei, welche es bei Fischen mit Ausnahme der Selachier ! besitzt. In wie weit bei Stegocephalen dieser bei Stören, Crossopterygiern und Di- pnoern ausgebildete Zusammenhang noch nicht bestand oder bereits eine Lockerung erfuhr, ist unbekannt. Das Vorhandensein des Clei- 1 Die Lösung des Schultergürtels vom Kopfe ist bei Selachiern an die mächtige Ausbildung des Kiemenapparates zu knüpfen und repräsentirt gegen- über den anderen Fischen einen sekundären Befund. Für die Erhaltung des Zusammenhanges mit dem Cranium gewinnen Hautknochen dann die besondere Bedeutung. 2%* 20 C. Gegenbaur, Clavieula und Cleithrum. ~ thrums und seiner dorsalen Modifikation lässt aber mit ziemlicher Sicherheit auf einen solchen, wenn auch nur ligamentösen Zusam- menhang schließen, und spricht damit das Bestehen eines niederen Zustandes aus, aus welchem der Schultergürtel in den höheren Ab- theilungen sich befreit hat. An dieses Freiwerden des Sehulter- gürtels vom cranialen Anschluss knüpft sich die Rückbil- dung des Cleithrums, wie sein Fehlen in den höheren Ab- theilungen lehrt, und es eröffnet sich zugleich damit der lange Weg für mannigfache Sonderungen an den übrig ge- bliebenen Skelettheilen, womit die Vordergliedmaße auf höhere funktionelle Stufen gelangt. Andererseits führt die Ausbildung des Cleithrums unter Beeinträchtigung der Clavicula nicht nur zum Verluste derselben, sondern vielmehr zu einer großen Beschränkung der Leistungen der Vordergliedmabe, wofür die Tele- ostier ein Beispiel sind. Die Befreiung des Schultergiirtels aus dem Kopfverbande muss aber auch als erste Bedingung für zahlreiche und großartige Umge- staltungen gelten, die in der Rumpfregion vor sich gehen. Sie kom- pensiren nicht nur reichlich den Verlust des alten Cleithrums, son- dern erscheinen auch als tief eingreifende Instanzen zur Entfaltung höherer Organisation. Heidelberg, März 1895. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. Von Dr. Bela Haller, Privatdocent an der Universität zu Heidelberg. Mit Tafel I—VII und 6 Figuren im Text. Schon früher habe ich mich mit dem Studium des Fischrücken- markes beschäftigt und meine Resultate über das Rückenmark von Orthagoriscus vor vier Jahren veröffentlicht!. Da mir aber nur ein einziges, in Alkohol konservirtes Exemplar jenes Rückenmarkes zur Verfügung stand, so konnte ich meine Beobachtungen weder an Längs- schnitten ergänzen, noch durch die mit vollem Rechte zu großem An- sehen gelangte GoLG!’sche Methode vertiefen. Somit musste, ob- gleich in Folge des sonst sehr geeigneten Objektes einige wichtige Resultate erzielt wurden, jene Studie nach dem heutigen Standpunkte | der Nervenforschung einseitig ausfallen. Darum fasste ich schon damals den Entschluss, das Teleostierrückenmark ausführlicher zu bearbeiten, doch konnte ich diesen Plan, obgleich mir auch Herr _ Professor GEGENBAUR ermunternd beistand, wofür ich ihm aufrichtigen Dank weiß, anderer zoologischer Arbeiten wegen erst jetzt zur Aus- führung bringen. In einem wichtigen Punkte zeigt das Rückenmark der Plecto- - gnathen sehr primäre Verhältnisse; ich meine die noch nicht erfolgte Differenzirung der grauen von der weißen Substanz. Dieses Ver- ‚halten muss auch bei-den alten, ausgestorbenen Selachiern vorhanden gewesen sein, von denen bei der Abzweigung der Teleostier jene alten 17 eee Cyl ee ae, a 0 ! B. HALLER, Über das Centralnervensystem, insbesondere über das Riicken- mark von Orthagoriscus mola. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVII. 1891. 22 Béla Haller Formen, die Plectognathen, es ererbten und bis zum heutigen Tage ungestört weiter erhielten, während die recenten Selachier darüber hinausgingen. Ähnlich wie bei diesen, verhält es sich auch bei der Mehrzahl der Teleostier. Das Gehirn der Selachier weist zwar in fast jeder Beziehung dem gedrungenen Knochenfischgehirne gegenüber primäre Verhältnisse auf, was man von dem Rückenmarke aber nur in so fern behaupten kann, als sich bei den Selachiern die Hinterhörner auf einem ursprünglicheren Zustande erhalten haben, als bei den Knochenfischen (mit Ausnahme der Pleetognathen) und wel- cher Zustand durch Vermittelung der Amphibien direkt an die Am- nioten anschließt. Somit bleibt das Rückenmark der Knochenfische gegenüber dem Rückenmark der übrigen Vertebraten, von den Am- phibien aufwärts, noch immer einfach genug, um bei dem Studium der Rückenmarksverhältnisse mit Vortheil verwerthet werden zu können. Darum ist zu verwundern, dass seit der Einführung der GoLgT'schen Methode das Studium des Fischrückenmarkes vernachlässigt ward, denn abgesehen von einigen gelegentlichen Arbeiten, sind wir im Ganzen kaum weiter gekommen, als es vor der Einführung jener fördernden technischen Methode der Fall war. Was die Goxer’sche Methode betrifft, so stehe ich ihr gegen- über noch immer auf meinem früheren Standpunkte: Sie ist eine sehr wichtige und eben so wie die Methylenblaufärbung für gewisse Objekte unübertroffen, doch ist sie bezüglich der feinsten Strukturverhältnisse nur mit großer Vorsicht zu verwenden. So bin ich denn heute der An- sicht, und werde auch durch die letzte zusammenfassende Publikation GoreTs darin bestärkt, dass man bei den höheren Wirbelthieren auch mit der Gouerschen Methode stellenweise und recht selten die feinsten Strukturverhältnisse bruchstückweise darstellen kann. Ich habe wenig Erfahrung darüber, ob dieses auch dureh die Methylen- blaumethode gelingen könnte, aber die Resultate Anderer zwingen zur verneinenden Annahme. Nicht nur wegen der Darstellung der feinsten Verhältnisse, son- dern auch wegen der Erzielung richtiger topographischer Orientirungs- bilder, müssen somit die alten Methoden neben der Goxer’schen, beziehungsweise der Mythelenblaufärbung berührt werden. Für die feinsten Strukturverhältnisse ist die Osmiumsäure-Karminmethode, für Serienschnitte die übliche Härtung mit Jod-Alkohol und zwei- fachchromsaurem Kali und Färbung mit gewöhnlichem Karmin, einst- weilen die beste. Ich arbeitete darum neben der Gouerschen auch mit diesen alten Methoden. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 23 Was das bearbeitete Material betrifft, so untersuchte ich Cypri- noiden, Esox, Salmo, Anguilla und Perea, für die GoLsrsche Me- thode wurden beinahe ausschließlich kleine Exemplare der Bachforelle verwendet. Die übrigen untersuchten Fische waren für die GoLer’sche Methode mehr oder weniger unbrauchbar und nur der Aal war be- züglich des Ursprunges der hinteren Spinalnerven für die GoLgr'sche Methode eben so zugänglich, wie die Bachforelle. Das langsame Gorsrsche Verfahren erwies sich für das Knochen- fischriickenmark am brauchbarsten, so dass ich das rasche Verfahren mit Osmiumsäure nur ausnahmsweise anwandte. Bei dem ersten ließ ich die Objekte 30, ja sogar 50 Tage in dem doppeltchromsauren Kali liegen. In der 0,75 %igen Silberlösung lagen die Objekte auch länger als es sonst üblich ist, denn ich kam allmählich zur Einsicht, dass auf diese Weise besser gelungene Präparate zu erzielen seien. Die Präparate ließ ich 3—4 Tage der Einwirkung der Silberlösung ausgesetzt!. Zur befriedigenden Lösung gewisser Fragen mag es wohl noch anderer Methoden bedürfen und für die Eruirung des Verhaltens ge- wisser Fasersysteme mag das FLecusia’sche histogenetische Verfahren erforderlich sein. Da jedoch meine Untersuchung sich ohnehin sehr in die Länge zog, konnte ich mich einstweilen auf dieses viel Zeit erfordernde Verfahren nicht einlassen und behalte es mir vor, in nächster Zeit durch dieses Verfahren einige Lücken in vorliegender Arbeit auszufüllen. Heidelberg, im December 1894. Die feineren Strukturverhältnisse. Durch die Einführung der Goterschen Methoden entwickelte sich ohne Betheiligung GoLeTs eine besondere Lehre in der Nerven- anatomie. Diese Lehre, welche in einer weniger pricisirten Form schon von His? und FOREL? vertreten wurde, hat S. Ramon Y CAJAL zum Begründer*. Sie entstand unter dem Einfluss der Unzulänglich- a 1 Geschnitten wurde mit dem Mikrotom. > W. His, Histogenese und Zusammenhang der Nervenelemente. Archiv fiir Anatomie und Physiologie. Anatomische Abtheilung. Suppl. 1890. 3 A. Forex, Einige hirnanatomische Betrachtungen und Ergebnisse. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. XVIII. 1887. . * Sonderbar ist es allerdings, dass S. RAmön y Casau in einer Arbeit wenigstens gegen das Vorhandensein eines Netzes nicht auftritt, vielmehr die 24 Bela Haller keit des GoLgIschen Verfahrens und wurde durch den Umstand be- giinstigt, dass die Nervenforscher seit der Einführung dieser Methode die früheren vollständig vernachlässigten. Ausgezeichnet ist sie da- durch, dass sie den morphologischen Zusammenhang im Central- nervensystem nicht mehr anerkennt. Nach dieser Lehre sind alle Ganglienzellen innerhalb des Centralnervensystems für sich abge- schlossene Centren. Sie besitzen zweierlei Fortsätze, sog. Nerven- und Protoplasmafortsätze. Von diesen letzteren gab GOLGI an, dass sie nicht nervöser Natur seien und lediglich zur Ernährung der Gan- slienzellen dienten, was von den meisten Nervenforschern, welche für beiderlei Fortsätze die nervöse Natur annehmen, zurückgewiesen ward. Nach der Cagsau’schen Lehre verzweigen sich die sogenannten Proto- plasmafortsätze und endigen so in »Endbäumehen« blind. Auf diese Weise kommt kein nervöses Netz innerhalb des Centralnervensystems zu Stande. Da ferner die Anhänger jener Lehre auch das Vorhan- densein der direkten Anastomosen zwischen zwei Ganglienzellen leug- nen, so wird die Bahn für eine kontinuirliche Nervenleitung durch den zeitweiligen Kontakt der Enden der Endbäumechen je nach Be- dürfnis hergestellt. Eine weitere Bereicherung erhielt die Kontakttheorie durch M. v. LENHOSSER. Nach diesem Forscher haben die motorischen Nerven ihren Ursprung im Centralnervensystem in den Ganglienzellen und endigen in Form von Endbäumchen innerhalb der Muskelfaser oder mit solchen um Drüsenzellen herum. Die sensiblen Nerven entspringen bei den wirbellosen Thieren! in Zellen des Hautepithels und endigen e Möglichkeit eines solchen zugiebt. Er sagt in seiner Mittheilung über den Ur- sprung und die Verzweigung der Nervenfasern im Riickenmarke (Anat. Anz., Jahrg. V. 1890. pag. 88): »Nous ne nions pas d’une maniére absolue l’existence d’anastomose entre les fibrilles qui constituent le plexus mentioné: nous affir- mons seulement, qu’avec la méthode de GOLGI et sur les meilleures préparations, nous n’avons jamais observé une maille en entier.« 1 Diese Auffassung rührt nach einer Beobachtung LENHOSSEK’s an Lum- bricus her (M. v. LENHOSSEK, Ursprung, Verlauf und Endigung der sensiblen Nervenfasern bei Lumbricus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXIX. 1891). v. LENHOSSEK beobachtete nämlich bei diesen Thieren, nach Anwendung der Gor6GIschen Methode, dass manche Nervenfasern im Bauchmarke nicht aus Ganglienzellen entstehen, sondern nach ihm dort verzweigt endigen, und dass diese Nervenfäden mit Hautepithelzellen zusammenhängen. Diese Ursprungs- weise innerhalb des Centralnervensystems habe ich schon drei Jahre vor v. LENHOSSER auch für Lumbrieus mit dem Osmium-Karminverfahren nachgewiesen (B. HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. Arbeiten aus dem zoolog. Institut in Wien. Bd. VIII. 1859), doch Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 35 im Centralnervensystem mit Endbäumchen. Da bei den Wirbelthieren die sensiblen Nerven in den Ganglienzellen der Spinalganglien ent- springen und im Centralnervensystem mit Endbäumchen endigen sollen, so sind jene Epithelzellen der Haut bei wirbellosen Thieren und die Ganglienzellen der Spinalganglien homodyname Bildungen (!). Ich denke, die Kontakttheorie in den wesentlichsten Punkten genügend erörtert zu haben und möchte nun eine andere Theorie, die von GoLGI herrührt, besprechen. Nach GoLsı giebt jede Ganglienzelle zweierlei Fortsätze ab, Protoplasma und einen Nervenfortsatz (auch - »funktioneller Fortsatz« von GoLGı genannt). Erstere sind nicht ner- vöser Natur und dienen, da sie mit ihren Endverzweigungen entweder an neurogliale Bestandtheile oder Gefäßkapillaren inseriren, ledig- lich der Ernährung der Ganglienzelle. Weiter unterscheidet GoLsı zweierlei Ganglienzellen, von denen beide die Protoplasmafortsätze besitzen und von einander nur durch das Verhalten ihrer Nerven- fortsätze sich unterscheiden. Die erste Art dieser Zellen oder die Ganglienzellen des ersten Typus (auch motorische oder psycho- motorische genannt) geben Nervenfortsätze ab, welche direkt — es sei, dass sie zuvor eine Strecke weit als Längsfasern verlaufen, oder dass sie in horizontalem Verlaufe direkt in peripherische Nerven ge- langen — zu peripherischen, motorischen Nervenfasern werden, nach- dem sie zahlreiche feine Seitenäste abgaben. Die Nervenfortsätze des zweiten Typus (diese Zellen sollen nach GoLsı sensibler Natur sein werden nie zu peripherischen Nervenfasern, sondern verästeln sich nach längerem oder kürzerem Verlauf innerhalb des Centralnervensystems auf höchst komplieirte Weise. Durch die feinste Verästelung der Nervenfortsätze der Ganglienzellen des zweiten Typus kommt es natürlich nach dieser Methode als Netzursprung erkannt. Sonderbarerweise er- wähnt dies v. LENHOSSEK nicht, obgleich er meine genannte Arbeit sonst eitirt. Auch für das weitere Verhalten der Fortsätze der Ganglienzellen im Bauch- marke der Würmer wird meine Arbeit nicht angeführt, obgleich v. LENHOSSEK weiter nichts Neues brachte, als was ich bereits mit der Osmium-Karminmethode für andere Anneliden nachgewiesen hatte. Herr v. LENHOSSEK scheint mit RETzıUs und v. KÖLLIKER von der Anschauung auszugehen, — und thatsächlich gesteht dies v. LENHOSSEK in seiner letzten Publikation bei Besprechung des Rückenmarkes der Selachier, — dass Alles, was nicht mit der Gousr'schen Me- thode entdeckt wurde, einfach als nicht vorhanden zu betrachten sei, und selbst für den Fall müssten solche Entdeckungen ignorirt werden, falls man sie durch die GoLsrsche Methode bestätigen kann, wie dieses thatsächlich vielfach er- folgte. Gegen ein solches Verfahren kann nicht laut genug Protest eingelegt werden. 26 Béla Haller innerhalb der grauen Substanz zu einem Filzwerk oder »méglicher- weise« Nervennetz. An der Bildung des nervösen Filzwerkes, oder des »möglicher- weise« Nervennetzes, nehmen somit Theil: 1) die Seitenäste der Ner- venfortsätze der Ganglienzellen des ersten Typus, 2) die nervösen Fortsätze des zweiten Typus in toto und 3) viele Nervenfasern in toto, nämlich solche, welche eben so wie die Nervenfortsätze der Gan- glienzellen des zweiten Typus, in feine Fäden sich auflösen. Dieses »Filzwerk oder möglicherweise Nervennetz« unterscheidet sich, wie ich konstatiren möchte, dadurch von dem GERLACH’schen Nerven- netz, — für dessen Vorhandensein ich des öftern eintrat und auch zur Zeit entschieden eintrete, — dass an der Bildung desselben die sog. Protoplasmafortsätze nie Theil nehmen, sondern für sich ein Geflecht bilden sollen. Wenn ich auch Gorsr's letzte, seine sämmtlichen hierher bezüg- lichen Publikationen in sich fassende aber auch neue Aufsätze ent- haltende Veröffentlichung! mit großer Freude begrüße, da ich in dem Kapitel über dass diffuse Nervennetz schon eine große Neigung zur Annahme eines solchen erblicke, so muss ich doch sagen, dass Goer auch heute noch in seiner Auffassung ziemlich schwankend ist. In dem obengenannten Kapitel hebt er die physiologische Verknüpfung der einzelnen Abschnitte des Nervensystems unter einander hervor. Die funktionellen Associationen, die Reflexe und die komplieirten Ver- bindungen während der sog. psychischen Thätigkeit werden hierfür angeführt. Darum, meint GoL6I, gestatte die innige Verknüpfung sämmtlicher Theile des Centralnervensystems, d. i. die vollständige physiologische Einheitlichkeit desselben, durchaus nicht, wohlunter- schiedene Zonen oder Centren innerhalb der grauen Substanz (be- sonders in der Hirnrinde) anzunehmen. GorL6ı betont mit vollem Recht, dass die funktionelle Verbindung zu den unbestreitbaren Lehren der Physiologie gehöre. Dann wirft GoLcı die Frage auf, auf welche Weise denn dieser innige Zusammenhang morphologisch erzielt würde? Eine direkte Verbindung von Ganglienzellen unter einander, obgleich dieses ja sowohl bei den Wirbelthieren als insbesondere bei Wirbel- losen? schon längst nachgewiesen ist, hält sonderbarerweise GoL6I ı C. GoLGI, Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und peripheren Nervensystems. Aus dem Italienischen übersetzt von R. TEUSCHER. Jena 1894. 2 Die Litteratur über die Nerventextur der Wirbellosen ist GoLe1 gänzlich unbekannt! N es : 3 Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 97 für ausgeschlossen oder auf höchst seltene Ausnahmen beschränkt. Auch das GerLacH'sche Nervennetz, woran außer den feineren Ästen der Achseneylinder auch die sog. Protoplasmafortsätze sich betheiligen und welches besonders durch meine Arbeiten bei den Wirbellosen außer Zweifel gesetzt ist, wovon allerdings GoL6ı keine Notiz nimmt, wird von GoL@I als eine »anatomische Hypothese« bezeichnet, welcher Ausdruck allerdings auf seine Annahme von zweierlei Ganglienzell- fortsätzen passender wäre. Es bleibt somit für die Vermittelung des morphologischen Zusammenhanges nur das GoLgTsche Netz oder Ge- flecht übrig. Von diesem Netz sagt GoL6I: »es ist bis jetzt wie ein Mythus geblieben, ist es beinahe noch jetzt und droht, es wieder zu werden!, trotz der genauen, ins Einzelne gehenden Beschreibung, welche ich über seine Bildungsweise gegeben habe. Nach dieser Äußerung GoLeTs müsste man annehmen, dass er ein nervöses Netz innerhalb der grauen Substanz des Centralnervensystems gesehen und mög- licherweise in einer seiner zahlreichen Abhandlungen über die Histo- logie des Nervensystems abgebildet habe. Dem ist aber mitnichten so, denn Goner war von Anfang an äußerst unsicher und vorsichtig in seiner Behauptung und hat sich bereits in seinem Hauptwerke über den feineren Bau des Centralnervensystems? hierüber mit folgenden Worten geäußert, welche er im angeführten Kapitel der deutschen Übersetzung? zur Wahrung seines Standpunktes wiederholt. »Aus allen diesen Verzweigungen (siehe weiter oben, HALLER) der ner- vösen Fortsätze entstehe natürlich ein äußerst komplieirtes, durch die ganze graue Substanz verbreitetes Netz. Dass aus den unzähligen Weitertheilungen durch komplieirte Anastomosen ein Netz im streng- sten Sinne des Wortes entsteht und nicht ein bloßes Geflecht, ist sehr wahrscheinlich; nach der Prüfung einiger meiner Präparate könnte man es annehmen; aber dass es wirklich der Fall sei, erlaubt eben die außerordentliche Komplikation des Geflechtes nicht sich zu versichern«. Als Resultat seiner neuesten Untersuchungen über diesen Gegenstand, wird das Folgende mitgetheilt*. »In den neuen Prä- paraten, welche den Gegenstand dieser Mittheilung bilden, macht nicht nur das dichte, feine Geflecht im Ganzen den Eindruck des Netzgewebes, sondern man kann auch in Wirklichkeit Verbindungen 1 Ist es denn bei der großen Unsicherheit GorLgr's ein Wunder, dass es so ist? 2 C. GoLGI, Sulla fina anatomia degli organi centrali del sistema nervoso. Milano 1886. pag. 31. 3]. c. pag. 248. 41. ce. pag. 252. 28 Béla Haller zwischen Fasern und Fasern nachweisen, so dass echte geschlossene Maschen entstehen. Aber die Wahrnehmung dieser Thatsache ist nicht leicht und häufig genug, um das Gesetz auffinden zu können, von welchem das Zustandekommen dieser Verbindung abhängen muss. Über diesen Punkt also, ob es sich um ein Netz im strengsten Sinne des Wortes, oder um ein Geflecht handelt, glaube ich meine ursprüng- liche Zurückhaltung beibehalten zu sollen; für jetzt behaupte ich nur, es handle sich um eine unendlich feine Zertheilung von Fibrillen. Ich muss jedoch hinzufügen, dass bei der Feinheit, der unendlichen Komplikation und Innigkeit der Beziehungen des Fasergewebes, wie es sich in meinen Präparäten zeigt, die materielle Verbindung und Verschmelzung zwischen Faser und Faser nicht mehr nothwendig erscheint, um die funktionellen Verbindungen zwischen den verschie- denen Zellgruppen und den verschiedenen Provinzen des Central- nervensystems zu erklären.« (!) GoL6I verirrt sich immer mehr in seiner großen Unsicherheit und noch weiter unten lesen wir, dass nachdem elektrische Ströme auch ohne direkten Zusammenhang der leitenden Theile weiter ge- führt werden können, man auch den organischen Zusammenhang des »Geflechtes« nicht anzunehmen braucht, denn es sei dies keine For- derung der Physiologie. Aus allen diesen Anführungen geht deutlich genug hervor, dass GoLsI auch nach seinen neuesten Untersuchungen, bezüglich der Erkenntnis des centralen Nervennetzes eigentlich nicht weiter ge- kommen ist, als vor vierzehn Jahren in seinem im medieinischen Kongresse zu Genua gehaltenen Vortrage. Der einzige positive Fort- schritt bestünde darin, dass GOLGI thatsächlich Verbindungen zwischen Fasern und Fasern gefunden hat, wodurch echte geschlossene Maschen entstehen. Die Bemerkung, dass solche Bilder immerhin zu den Sel- tenheiten gehören, ändert in Anbetracht der für diese Zwecke un- zureichenden Technik nichts an der Sache. Noch schwerwiegender wird diese Beobachtung Goueis durch den Umstand, dass auch L. Saua im Acusticuskerne Verbindungsfasern zwischen zwei Nerven- fortsätzen auf seinen GoLGIschen Präparaten beobachtete. Er sagt hierüber: »Ich habe Wurzelfasern des Acusticus, die aus dem Nerven- netz des vorderen Kernes stammen, auch mit zwei Nervenfortsätzen zweier verschiedener Zellen in Beziehung treten sehen !.« ı L. Sara, Über den Ursprung des Nervus acusticus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XLII. pag. 33. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 29 Nach all dem ist zu verwundern, dass GoL6ı, der doch eher als ein Anhänger, denn als Gegner des centralen Nervennetzes zu be- trachten ist, bei der großen Unsicherheit, in die er durch seine eigene technische Methode bezüglich des centralen Nervennetzes gerathen ist, sich bisher keine Mühe nahm aus eigener Anschauung, nach An- wendung der Osmium-Karminmethode, bei solchen wirbellosen Thieren sich hierüber zu vergewissern, bei denen, — wie z. B. in den Bauch- strängen der Fissurella, — diese Verhältnisse so auffallend klar zur Anschauung gelangen. Man kann dieses Versäumnis GOLGIs um so mehr tadeln, als er in seinen Arbeiten, wie ich schon hervorhob, auch nicht im geringsten verräth, die hierüber existirende Litteratur zu kennen. Erwähnt sei hier noch, dass auch Lavpowsky! und neuerdings auch DoGIEL? für ein Nervennetz eingetreten sind. Letz- terer hat mit Methylenblau tingirt und die Präparate, welche aus der Retina stammen, mit Ammonium-Pikrat-Osmiumsäure-Mischung fixirt. Bevor ich meine hauptsächlich durch die GoLsTsche Methode er- zielten Resultate über das centrale Nervennetz der Knochenfische mit- theile, will ich untersuchen, in wie fern die Darstellungen der Autoren über das centrale Nervennetz zur Förderung der Sache oder gegen das Vorhandensein eines solchen Nervennetzes Misstrauen zu erwecken geeignet sind. Es gab Autoren, welche ein gewisses skeptisches Verhal- ten gegen das centrale Nervennetz veranlassten, indem sie diese Verhält- nisse nie nach Osmiumpräparaten verfolgten und in Folge dessen die sanze Sache als »anatomische Hypothese« darstellten. Freilich kann jene Unterlassung nicht zur vollen Entschuldigung dienen, denn wenn Jene nach der angegebenen Weise, und an Objekten, deren centrales Nervennetz deutlicher zur Darstellung gebracht werden kann — wie es bei dem Mangel ausgedehnterer Neuroglia, u. A. im Bauchstrange niederer Gasteropoden (Fissurella) der Fall ist, — die Sache verfolgt hätten, würden sie sich wohl gehütet haben, so kategorisch ein ver- nichtendes Urtheil über das centrale Nervennetz, und wohl auch über die direkten Anastomosen zwischen Ganglienzellen, auszusprechen. 1872 veröffentlichte RINDFLEISCH? eine kurze Mittheilung über den 1M. Lavpowsky, Vom Aufbau des Riickenmarkes. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXVIII. 1891. 2 A. 8. Docıer, Zur Frage über den Bau der Nervenzellen und über das Verhältnis ihres Achsencylinder-(Nerven-)fortsatzes zu den Protoplasmafort- sätzen (Dendriten). Archiv für mtkr. Anatomie. Bd. XLI. 1893. 3 E. RINDFLEISCH, Zur Kenntnis der Nervenendigung in der Hirnrinde. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. VIII. 1872. 30 Bela Haller Ursprung der Nervenfasern. Er macerirte in !/,, “iger Überosmium- säure und nachträglich in Glycerin gelegte Hirnrinde des Kaninchens auf eigene Weise und kam zu dem Resultate, dass, wie es GERLACH angab, die Nerven entweder direkt aus Ganglienzellen oder auf indirekte Weise aus einer »körnig-faserigen Substanz« ihren Ursprung nehmen. RINDFLEISCH spricht aber gar nicht von einem Nervennetz und somit ist diese kurze Mittheilung zur Förderung der Sache nicht geeignet. Ich führe sie nur an, weil v. LENHOSSER sonderbarerweise auch diesen Autor unter jenen anfiihrt', die über das centrale Nerven- netz Mittheilungen machten. Bei dem Studium der zwei Jahre später erschienenen Abhandlung BoLr’s?, gewinnen wir den Eindruck gewissenhafter Arbeit und guter Beobachtungsgabe. Wir gewinnen ferner die Überzeugung, dass BOLL, unbeeinflusst durch GErLAcH’s Ausführungen, vollständig in objektiv- kritischer Weise den Gegenstand behandelt. Seine Beschreibung ist, was speciell das Nervennetz betrifft, zwar ganz kurz gehalten, doch genügt das vollständig, um den Leser davon zu überzeugen, dass BoLL das nervöse Netz beobachtet hat. Schon der Umstand, dass er das Netz nicht mit der grauen Substanz aufhören lässt, sondern es bis zur Rückenmarksoberfläche verfolgte, würde genügen, mich davon zu überzeugen, dass BoLz das nervöse Netz vor sich gehabt hat. Allein, unsicher war freilich BoLL bei der Erörterung des Nervenfaser- ursprunges aus dem Nervennetze, denn obgleich er dies annimmt, scheint er ihn nicht direkt beobachtet zu haben. Theilweise dies, theil- weise aber auch der Umstand, dass BoLL das Gesehene bildlich nicht veranschaulicht, dürfte BorrL’s Angaben gegenüber bei den Gegnern der Kontinuitätslehre die Skepsis erweckt haben. STRICKER und UNGER haben ein sehr deutliches Netz in der Großhirnrinde gesehen und durch den Zeichner abbilden lassen°. Dieses Netz hängt sehr deutlich mit Ganglienzellen zusammen. Leider wird die Tragweite dieser Beobachtung durch den Umstand abge- schwächt, dass STRICKER und UNGER nur ein einziges Netz beob- achteten, welches zwar mit den Ganglienzellen zusammenhängt, zu- gleich aber sich auch mit vermeintlichen Neurogliazellen morphologisch 1M. v. LENHOSSEk, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neue- ° ster Forschung. Berlin 1893. pag. 18. — 2 F. Borz, Die Histologie und Histogenese der neıvösen Centralorgane. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. IV. 1874. 3 8. STRICKER und L. UNGER, Untersuchungen über den Bau der Groß- hirnrinde. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Bd. XX. II. Abth. 1879. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 31 verbindet. ° Durch diese irrige Auffassung mag es gekommen sein, dass von den Gegnern der Kontinuitätslehre diese Arbeit, die aller- dings sich nicht in ihre Theorie schickt, weniger berücksichtigt wurde, als sie es verdient. In einer ausgezeichneten kleinen Schrift hat Berroncı' den Bau des Tectum optieum der Knochenfische erörtert. Er hat durch Be- handlung mit Osmiumsäure das nervöse Netz an genanntem Orte sehr gut zur Darstellung gebracht und ich zweifle nicht, dass seine schöne Abbildung, wenngleich sie nicht einem einzigen Präparate entspricht, naturgetreu dargestellte Details enthält. Ganz richtig betont aber BELLoNcI, dass zur Beobachtung dieser Strukturverhältnisse nicht nur die möglichst feinsten Schnitte, sondern auch eine lange prak- tische Übung im Studium der nervösen Gewebe gehört. Dies ist ein Erfordernis, auf welches auch ich in meinen Schriften stets aufmerksam machte. Nun hat aber BeLLoncr meines Erachtens einen Fehler be- gangen, der hinreicht, bei vielen, gegen ein geschlossenes Nerven- netz innerhalb des Centralnervensystems Eingenommenen, Misstrauen zu erwecken. BELLoNcI hat nämlich der Neuroglia nicht die nöthige Berücksichtigung gewidmet. Vor Allem hätte er die neuroglialen Strukturen mit den nervösen auf einem und demselben Bilde so dar- stellen müssen, wie sie auf einem und demselben Präparate sich vor- finden; statt dessen sind beide auf zwei verschiedene Abbildungen verwiesen. i KLaussxer hat in seiner Abhandlung über das Rückenmark von Proteus? gleichfalls das centrale Nervennetz beschrieben. Wenn ich auch zugeben will, dass die polygonalen Maschenräume beim Olme sehr weit sind (10—30 Mikra), so kann ich doch kaum annehmen, dass KLaussner’s Abbildungen ganz wahrheitsgetreu seien, und dass die Neuroglia fehlen sollte. Seine Abbildungen sind viel zu sche- matisch, als dass sie Vertrauen erwecken könnten. Mit Kuaussner’s Arbeit wäre die Litteratur bis zur Zeit, da man dem centralen Nervennetz und der doppelten Ursprungsweise der Nerven gründlicher nachzuforschen anfıng, beendet. Wenn wir nun fragen, ob diese Litteratur berufen war, für GERLACH's schöne Entdeckung günstig zu wirken und zu deren Bestätigung beizutragen, 1 J. BELLONCI, Uber den Ursprung des Nervus opticus und den- feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XXXV. 1881. 2 F. KLAUSSNER, Das Rückenmark des Proteus anguineus. Abhandlungen der bayer. Akademie. II. Kl. Bd. XIV. Abth. IL 1883. ve 32 Bela Haller so müssen wir dies allerdings verneinen. Diese Litteratur war nicht eingehend genug, um der Kontinuitätslehre bei dem plötzlichen Auf- tauchen der Kontakttheorie zu nützen. Sie blieb angreifbar und Be- zeichnungen wie »anatomische Hypothese« etc., waren in Anbetracht der Umstände nicht überraschend. Nach BELLONCI war ich es, der in mehreren Abhandlungen, so- wohl bei Wirbellosen als bei Wirbelthieren das centrale Nervennetz und die doppelte Ursprungsweise der Nerven ausführlich behandelte. Meine Beobachtungen am Centralnervensystem der Mollusken, speciell niederer Gasteropoden, führten zu dem Resultate, dass das ganze Innere der Ganglien von einem centralen Nervennetze durchzogen wird. Die Fortsätze der Ganglienzellen verhalten sich auf drei ver- schiedene Weisen. 1) Giebt es Verbindungsfortsätze, d.h. solche, welche zwei Ganglienzellen unter einander verbinden, 2) Netzfortsätze oder Fortsätze, welche sich nach ganz kurzem oder längerem Verlaufe im Centralnervensystem in dessen Nervennetz sich auflösen und sehlieB- lich 3) Stammfortsätze, oder solche, welche sich in eine peripherische Nervenfaser fortsetzen. Diese gehen mit dem Nervennetz durch Seiten- ästechen Verbindungen ein. Diese Art des Ursprunges von peripheren Nervenfasern aus Ganglienzellen, nannte ich direkten Ursprung, wäh- rend ich den Ursprung solcher aus dem centralen Nervennetz als indirekten oder Netzursprung bezeichnete. In meinen übrigen hierher gehörigen Abhandlungen habe ich diese Verhältnisse auch bei anderen Thiergruppen nachgewiesen. Es würde zu weit führen, hier auf das Detail jener Arbeiten einzugehen und ich verweise den Leser auf die Originalabhandlungen!. Hier möchte ich bloß erwähnen, dass meine Resultate bei den niederen Gasteropoden für die Bivalven durch Rawırz?, der mit derselben Methode arbeitete, wie ich, voll- inhaltlich Bestätigung fanden. Eine weitere Bestätigung erfahren meine Resultate bei wirbeliosen Thieren sonder- barerweise durch die zahlreichen Abbildungen NAwNSEN’s?, eines entschiedenen Gegners der Kontinuitätslehre. Wer 1 Morpholog. Jahrbuch. Bd. XI, XII, XVII; Arbeiten aus dem zoolog. In- stitut zu Wien. Bd. VII. ‘ 2 B. Rawirz, Das centrale Nervensystem der Acephalen. Jenaische Zeit- schrift für Naturwissenschaften. Bd. XX. N.F. XIII. 1887. 3 F. Nansen, Bitrag til Myzostomernes anatomi og histologi. Bergens Museum. 1885. Taf. IX. Figg. 4,5, und The Struktur and Combination of the Histological Elements of the Central Nervous System. Bergens Museums Aars- beretning. 1886/1887. Taf. II Fig. 19; Taf. V Figg. 47, 48; Taf. VIII Figg. 71, 73, 74. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 33 seine Abbildungen mit meiner vergleichen will, wird sich davon über- zeugen, dass zwischen meinen und Nansen’s Abbildungen kein ge- wichtiger Unterschied besteht. Thatsächlich sind bei niederen Mol- lusken diese Nervenstrukturen so auffallend klar, dass selbst ein unbefangener Beobachter, der, ohne sich ausführlicher mit der Nerven- lehre abzugeben, die Anatomie von Valvata piscinalis beschrieb, die von mir angegebenen Strukturverhältnisse auf das sicherste erkennen und abbilden konnte! So that es F. BERNARD in seiner Abhandlung über Valvata!. Auch Eısıs hat die Kontinuität innerhalb des Central- nervensystems bei Anneliden beobachtet. Wenn ich hierzu noch be- merke, dass bei dem niedersten mit einem Nervensystem versehenen Wesen, nämlich bei Hydra, das Nervensystem in Form eines um den ganzen Körper sich ausbreitenden Nervennetzes mit in die Knoten- punkte eingelagerten Ganglienzellen, von CAMILLO SCHNEIDER? nach- gewiesen wurde, so glaube ich solche Äußerungen bezüglich des cen- tralen Nervennetzes, wie »anatomische Hypothese« (Goue1), »Wieder- gabe eines notorischen Trugbildes« (v. LENHOSSER) u. a. 4. energisch zurückweisen zu müssen. Mögen diese Forscher, bevor sie so kate- gorische Äußerungen thun, doch selber zuvor mit der angegebenen Methode an die Untersuchung jener Objekte gehen! Allen den angeführten positiven Beobachtungen stehen bloß die durch die Enruicu’sche Methylenblaumethode erzielten Resultate einiger Forscher entgegen. Sowohl BIEDERMANN als auch Rerzıus konnten mit dieser Methode ein centrales Nervennetz nicht darstellen. Ich glaube aber, dass es mit dieser Methode sich ganz ähnlich ver- hält, wie mit der Gouarschen, d. h. das centrale Nervennetz lässt sich nur ausnahmsweise, aber vielleicht nicht einmal so häufig dar- stellen, wie mit jener. Andererseits glaube ich auch, dass man mit der Methylenblaumethode bei ungenügender technischer Übung auch nicht so viel erreichen kann, wie BIEDERMANN und Rerzius bezüg- lich der feineren Verästelung erreicht haben. Dies schließe ich aus ı F. BERNARD, Recherches sur Valvata piscinalis. Bulletin scientifique de la France et de la Belgique. Tom. XXII. 1890. pag. 303. Taf. XV figg. 4, 7, 8. ? H. Eısıc, Die Capitelliden. In Fauna und Flora des Golfes von Neapel. ‚1887. pag. 65. 3 K. C. ScHNEIDER, Histolosie von Hydra fusca mit besonderer Beriick- sichtigung des Nervensystems der Hydropolypen. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXV. 1890. Schon vor SCHNEIDER hatte JicKELI die Ganglienzellen der Hydra aufgefunden (siehe C. F. JıckeLı, Der Bau der Hydroidpolypen. I. Morpholog. Jahrbuch. Bd. VIII. 1883). Morpholog. Jahrbuch. 23. 3 34 Bela Haller den Resultaten O. BüRGER’s über das Nervensystem der Nemertinen und anderer wirbelloser Thiere!, der dortselbst kaum etwas Anderes, als beinahe nackte Ganglienzellen und nackte Längsfasern zur An- sicht zu bringen im Stande war. Dass man aber bei den nöthigen Cautelen auch vom Nervennetze etwas darzustellen vermag, dafür scheinen mir zwei Abbildungen BIEDERMANN’s, eine über Astacus und eine über Oniscus,? sowie die Resultate DoGIEr’s? einzustehen. Die mit dieser Methode erzielten negativen Ergebnisse sind darum bei der Beurtheilung der Kontinuität des centralen Nervensystems belanglos. | Ich komme nun zur Mittheilung meiner hauptsächliah durch das GorsIsche Verfahren erzielten Resultate über das centrale Nervennetz der Knochenfische. Um eine klare Einsicht in den Wirkungsgrad des Silberchro- mates auf das Nervengewebe zu gewinnen, hatte ich mich gleich zu Beginn meiner Untersuchungen dazu entschlossen, auch dünne, aus diesem Grunde für sonstige Zwecke nicht verwendbare, Schnitte zu untersuchen. Dass ich hierzu gerade das rasche Verfahren wählte, geschah wegen der Verwendung der dabei nöthigen Osmiumsäure. Ich ging nämlich davon aus, dass die Osmiumsäure eine gewisse Einwirkung auch auf solche Bestandtheile des Nervengewebes aus- üben wird, die durch das Silberchromat stellenweise ungeschwärzt blieben. In dieser Annahme habe ich mich nieht getäuscht. Es bedarf sehr vieler relativ dünner Präparate, bevor man an irgend einer Stelle im Rückenmarke eine Ganglienzelle mit dem Schnitt so trifft, dass sie einen ihrer mächtigeren Fortsätze in der Schnitt- ebene ausbreitet. Von beiläufig 100 Präparaten habe ich nur drei von jenen erhalten‘, die zur Untersuchung sich brauchbar erwiesen. An diesen Präparaten waren am Rande der grauen Substanz Ganglien- zellen geschwärzt worden, von denen an manchen ein Fortsatz auf größere oder kleinere Strecke gut zur Darstellung gelangte. Ich habe 1 0. BÜRGER, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Wirbellosen. Mittheilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. X. 1891. 2 W. BIEDERMANN, Über den Ursprung und die Endigungsweise der Ner-. ven in den Ganglien wirbelloser Thiere. Jenaische Zeitschrift für Naturwiss. Bd. XXV. 1891. Taf. XXII Fig. 15 und Taf. XVIII rechts. u ae 4 Aus einem mir ganz unbekannten Grunde haben sich meine nach dem schnellen Verfahren hergestellten Präparate nicht dauernd erhalten und wurden bereits nach 3—4 Monaten unbrauchbar. Da 1 m me ı ta cial al . Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 35 nun ein Stück eines solchen Präparates, einzelne wichtigere Stellen mit dem Zeichenapparat fixirend, möglichst naturgetreu dargestellt (Fig. 22). Das Präparat stellt von Cyprinus carpio den unteren Rand des linken Unterhornes so dar, dass außer der strohgelb gefärbten grauen Substanz (gs) auch ein Theil der durch die Osmiumsäure grau gefärbten weißen Substanz (/f) zur Anschauung gelangt. Die kleine, gut geschwärzte Ganglienzelle (z) des Vorderhornes hatte einen ihrer verzweigten Fortsätze so gestellt, dass derselbe zum größten Theil in die Schnittfläche zu liegen kam. Dieser der weißen Substanz zu- gekehrte, jedoch ganz in der grauen Substanz gelegene Fortsatz verzweigte sich auf die »hirschgeweihförmige« Weise. An seinen End- ästen konnte man gut beobachten, dass dieselben zum größten Theile, wie es die Autoren übereinstimmend anzugeben pflegen, mit kleinen Abrundungen endigen, die stellenweise sich wie kleine Verdickungen ausnehmen. Das Ende des Hauptfortsatzes reichte genau bis an den Rand der weißen Substanz. Hier konnte ich nun an seinen Endver- zweigungen eine sehr wichtige Beobachtung machen, die einen Irr- thum der Forscher zu erklären berufen ist. Es wird wohl jedem Anatomen, der mit dem schnellen Gouerschen Verfahren gearbeitet hat, bekannt sein, dass an Stellen, an denen einzelne Nervenfasern gut geschwärzt sind, bei schiefer Spiegelstellung auch einige andere Fasern noch zur Ansicht gelangen, die zwar nicht im geringsten ge- schwärzt sind, trotz alledem aber ihre Kontouren noch sehr gut er- kennen lassen. Dieses ist besonders an frischen Präparaten gut zu beobachten, während es an älteren nicht mehr so deutlich zur An- sicht gelangt. Ich denke, dass man solche Bilder hauptsächlich der Einwirkung der Osmiumsäure zu verdanken hat. Diesen Fasern ähnlich sah ich an der Endverästelung jenes Fortsatzes der oben ge- nannten Ganglienzelle Fasern auftreten, die zwischen den geschwärz- ten Verästelungen lagerten. Bei genauer Betrachtung erkannte ich dann sehr deutlich, dass es sich hier um das centrale Nervennetz (p) handelte. Die Sache verhielt sich so, dass die Endäste des Fort- satzes, die sich in das Nervennetz auflösen und zum Theil schon zum Nervennetz gehören, geschwärzt waren, jedoch blieb der größte Theil des Nervennetzes an dieser Stelle ungeschwärzt. Man konnte an den knotenförmig endigenden, geschwärzten Fäden sehr deutlich beob- achten, dass sie sich in ein nicht geschwärztes, graulich erscheinendes Fädchen fortsetzten, welches eben ein anderer Theil der Netzmasche war. Die Abbildung (Fig. 22 p) gestattet einen Einblick in diese Verhältnisse. 3* 36 Bela Haller Um bei Nachuntersuchungen dem Vorwurfe eines Beobachtungs- fehlers nicht ausgesetzt zu sein, betone ich nochmals, dass der nicht geschwärzte Theil des Netzes nicht an jeder beliebigen Stelle eines Präparates so deutlich zur Anschauung gelangt, wie ich es abgebildet habe, und dass es längeren, vorsichtigen Suchens bedarf, bis man eine solche Stelle findet. Ich möchte beinahe annehmen, dass jede Stelle eines Ganglienzellfortsatzes oder Nervenfadens, bevor er die Schwärzung erfährt, jenes chemische Stadium des beschriebenen, nicht geschwärzten Netztheiles durchmacht und dass dieses gewissermaßen eine Vorstufe der Schwärzung bilde. An Stellen, an denen also keine gute Durchsehwärzung eines Fortsatzes erzielt wurde, wird auch jenes Stadium nicht auftreten. Warum auf diesen Stellen, die doch die Vorstufe der Schwärzung vorstellen, trotzdem keine Schwärzung sich einstellt, ist eine andere Frage. Jedenfalls wird es sich hier eher um ein rein physikalisches, als um ein chemisches Hindernis handeln, im Gegensatze zu jenen Ganglienzellen und Nervenfasern, die in Folge eines beim Absterben des Thieres anderen physiologischen Zustandes sich befanden als der sein muss, in welchem eine Schwärzung mög- lich ist, und desshalb ungeschwärzt blieben. Vielleicht sind es die verschiedenen Winkel in den Netzmaschen, die bei gewisser Enge der Netzmaschen dem Niederschlag des Silberchromates hindernd in den Weg treten. Dieses könnte man aus dem Umstande vermuthen, dass stellenweise je zwei oder bloß ein Schenkel einer Masche ge- schwärzt ist, während das die beiden Schenkel verbindende Stück ungeschwärzt bleibt. Es ist mir nur selten gelungen das centrale Nervennetz der grauen Substanz einigermaßen im Zusammenhange zu schwärzen, während dieses, wenngleich auch nur stellenweise an dem viel weiteren Nervennetze der weißen Substanz, wie wir weiter unten sehen werden, öfter gelungen ist. Die mitgetheilte Beobachtung erklärt auf einfache Weise die Ent- stehung der ganzen Kontakttheorie. Die GoLst’sche Methode lässt aus irgend einem, zur Zeit noch unbekannten Grunde be- sonders diejenigen Theile des centralen Nervennetzes un- geschwärzt, welche die engsten Maschen besitzen, und es kommen somit die Maschen in ihrem ganzen Umfang nur selten zur Darstellung. Auf diese Weise enden die Netz- fortsätze der Ganglienzellen und der centralen Achsen- cylinder, sowie der Beginn der Nerven indirekten oder Netz- ursprunges scheinbar zu »Endbäumchen«. Obgleich ich diese Beobachtung für die Sicherung der Konti- EEE DEE, Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. a nuitätslehre für wichtig erachte, blieb ich bei ihr nicht stehen, son- dern trachtete, besonders nachdem mir gewisse anatomische Verhält- nisse vieler Ganglienzellfortsätze sowohl aus der Litteratur, als auch nach eigener Anschauung bekannt wurden, nach dem Auffinden des neryösen Netzes auch in der weißen Substanz. Nach den Verhält- nissen bei den Plectognathen und wirbellosen Thieren war es ja höchst unwahrscheinlich, dass das centrale Nervennetz mit der grauen Substanz aufhöre. Meine Annahme hat sich denn auch wirklich bestätigt. Um das Verhalten des Nervennetzes in der weißen Substanz ver- ständlicher zu machen, möge deren gesammter feinerer Bau kurz ge- schildert werden. Wie bekannt, setzt sich die Neuroglia der grauen Substanz in Form eines im Leben offenbar groben und vielleicht weichen Netzwerkes in die weiße Substanz fort. Dieses Neuroglia- netz verbindet sich an der Oberfläche des Rückenmarkes vielfach mit der innersten Rückenmarkshülle oder der Neurogliahülle. Letztere ist ihrer Genese nach auch als ein sehr dichtes Netz aufzu- Fig. 1. fassen, welches das Rücken- “nh mark allerseits iiberzieht. Diese a Hülle ist der äußerste Theil des Neurogliagewebes. Außer diesem Neuroglianetz ziehen strahlenförmig vom Centralka- /) nale aus viele Biindel langer Fäden des Ependyms, die Ependymfäden, in bestimmten Abständen an die Peripherie. Hier angelangt verwachsen sie % mit der neuroglialen Hülle. Das ae 6. Verhalten dieser Ependymfäden ist durch die Untersuchungen Gouel’s, S. Ramon Y CAJAL’s, VAN GE- HUCHTEN’S, V. LENHOSSEK’s, RETZIUS u. A. viel zu genau bekannt, als dass ich etwas hinzufügen könnte und ich will hier bloß erwähnen, dass die Ependymfäden höchst wahrscheinlich in der weißen Substanz Sei- tenfäden abgeben, wie ich dieses von ihrem peripheren Ende bestimmt behaupten kann (Textfigur 1), die mit dem neuroglialen Netze. ver- schmelzen. In dieser Beziehung würden sich die Ependymfasern zum neuroglialen Netze so verhalten, wie die Achseneylinder zum centralen Nervennetz. Für das Rückenmark fehlen mir Beobachtungen, welche #2 | 33 Bela Haller diese Annahme stützen könnten, bis auf die oben genannte Stelle aber habe ich dieses Verhalten der Ependymfasern zum Neuroglianetze im mittleren Vaguskerne (unteren Vaguskerne RoHon’s) deutlich be- obachten können. Bezüglich des groben neuroglialen Netzes in der weißen Substanz möchte ich hier bloß erwähnen, dass es viel weniger Zellen enthält, als das neurogliale Netz der grauen Substanz. Oft sind es große geradezu monströs aussehende Zellen, die in den Knotenpunkten lagern und welche durch das Silberchromat stark geschwärzt werden. Ahnliche, stets kleinkernige Zellen lassen sich auch durch Karminfärbung schön zur Darstellung bringen (Fig. 5 nz). Man kann sie oft auch knapp unter der Neurogliahülle beobachten, wo sie durch ihre Fortsätze mit ersterer verbunden sind. In den Maschenräumen dieses Neuroglianetzeslagern nun die mark- haltigen Achseneylinder der Längs- sowie die deranderen Bündel. Dieses Verhalten veranschaulicht am besten Fig. 5, welche nach einem mit Osmium-Karmin hergestellten Querschnitte gezeichnet wurde. An mit der Gorsr'schen Methode hergestellten Präparaten wird dieses neu- rogliale Netz, allerdings auch nur stellenweise, geschwärzt. Es er- scheint dann als ein breitfädiges, grobes Netz, dessen Zusammenhang mit der Neurogliahülle sehr deutlich zu erkennen ist (Textfigur 1). Solche Neurogliaschwärzungen, sowie auch die Schwärzung der Ependymfäden, treten schon am zweiten Tage, nachdem die Objekte in die Silberlösung gelangten, auf. In den nächstfolgenden Tagen bleibt kaum noch etwas von diesem Neuroglianetz geschwärzt und auch die Ependymfasern sind nur stellenweise noch zu erkennen. Sowohl die Ependymfäden, als auch das neurogliale Netz und dessen Zellen sind so charakteristisch, dass man sie bei einiger Übung nie mit nervösen Elementen verwechseln kann. In dieses neurogliale Netz der weißen Substanz eingebettet, liegt das nervöse Netz derselben. Am besten wird dieses wieder durch Osmium-Karminpräparate veranschaulicht (Fig. 5). Wie in anderen Abtheilungen der Vertebraten, liegen auch bei den Knochenfischen ! zerstreute, kleinste Ganglienzellen in der weißen Substanz (Figg. 1, 2, 3, 4, 8, 9, 12, 14, 15). Diese Ganglienzellen lösen sich mit einem Theil ihrer Fortsätze in das Nervennetz der weißen Substanz auf (Fig. 5 gz). Bei sehr dünnen, gut gelungenen Osmiumpräparaten sind diese Verhältnisse viel leichter zu beobachten, als die gleichen 1 Beim Stöhr hat sie GORONOWITSCH beschrieben. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 39 der grauen Substanz. Dieses nervöse Netz habe ich, wenn auch nur stellenweise, mit dem Goxerschen Verfahren zur Anschauung bringen können. Man kann an solchen Bildern, besonders an Stellen, an denen breite Achsencylinder liegen, wie in den ventralen Längsbündeln, gut erkennen, dass es sich nicht um ein bloßes Aneinanderlagern von Nervenfäden, sondern um völlig geschlossene Maschen handelt (Fig. 29), und dass die in der weißen Substanz gelegenen kleinen Ganglienzellen mit diesem Netze zusammenhängen. Es liegt schon in der Natur der Sache, dass das Netz nicht überall geschwärzt und in Folge davon die Netzfäden unterbrochen sind. Solche Bilder werden dann den Eindruck eines unzusammenhängenden Filzwerkes hervorrufen. Beeinträchtigt wird dieser Eindruck jedoch durch den Umstand, dass auch an solchen Präparaten die polygonal angeordneten, verzweigten Fäden überall in gleichen Abständen sich zeigen. Wenn wir aber solche Präparate längere Zeit betrachten und zwar, was ja zur richtigen Erkenntnis des Sachverhaltes wegen der Dicke der Präparate nöthig ist, bei verschiedener Tubuseinstellung, so werden wir an manchen Stellen die geschlossenen Maschenräume eben so deutlich erkennen können, wie dieses die bildliche Darstellung zeigt (Fig. 29). An manchen meiner Querschnittpräparate aus den oberen Theilen der lateralen Längsbündel und zwar von Stellen, an denen sehr feine markhaltige Längsfasern, zum Theil aber auch marklose Fasern liegen, sind die feineren Verzweigungen der stärkeren Nervenfäden geschwärzt (Fig. 18). Es sind Äste von markhaltigen Längsfasern, zum Theil solche gröberer Fasern aus der grauen Substanz (gs), die sich in den lateralen Längsbündeln verzweigen. Allerdings endigen solche Endverzweigungen zumeist, ohne sich mit einander verbunden zu haben, doch konnten an manchen Stellen auch geschlossene Maschen beobachtet werden (n, 7’). Das Nervennetz der weißen Substanz ist, je nach der Stelle seines Vorkommens, ein sehr verschieden weites und auch die Dicke der Netzfäden steht mehr oder weniger mit der Weite der Netzmaschen im Zusammenhang (Figg. 18, 30). Aber man muss zahlreiche Prä- parate durchgesehen haben, um ein richtiges Bild von dem Netze zu gewinnen. Weitere Details übergehe ich, da das richtige Bild von der Struktur der weißen Substanz, von der das nervöse Netz doch nur einen Theil vorstellt, erst durch die im dritten Abschnitt vorliegender Arbeit erfolgende Schilderung der gröberen Verhältnisse gewonnen werden 40 Bela Haller kann. Hier möchte ich nur noch bemerken, dass man oft, ohne das feinere Netz zur Darstellung gebracht zu haben, netzförmige Ver- bindungen zwischen stärkeren Nervenfasern in der weißen Substanz beobachten kann (Fig. 17 7, ~’). Solche Verbindungen sind viel häu- figer zu beobachten, als das feine Netz. Das Nervennetz der weißen Substanz hängt kontinuirlich mit jenem der grauen Substanz zusammen (Fig. 22) und ist an der Neurogliahülle in sich abgeschlossen. Es ist das ein Verhalten, das nach den von mir und RawITz beschriebenen Verhält- nissen bei wirbellosen Thieren und nach dem Verhalten im Rücken- marke der Plectognathen, durchaus nichts Überraschendes bietet. Mit der GouerT'schen Methode lässt sich das Nervennetz der grauen Substanz nie so gut darstellen, als jenes der weißen Substanz, doch ist es mir in der letzten Zeit an Präparaten, die über sechs Monate in chromsaurem Kali gelegen hatten, gelungen, Verbindungen zwischen den Verästelungen von Nervenfasern (es handelt sich hier wahrschein- lich um Fasern aus den Hinterwurzeln) darzustellen. Ich besitze ein Präparat, welches ich mit Hilfe des Zeichenapparates abbilde (Fig. 25), und an welchem sehr deutlich vier solche Verbindungen (n —n’”) sichtbar sind. Da man also durch die Gouaische Methode mit dem Nervennetz der grauen Substanz nicht viel anfangen kann, so will ich meiner bisherigen Beschreibung Einiges darüber nach Beobachtungen an Osmiumsaurepriiparaten nachtragen, bei welcher Gelegenheit ich auch noch einzelne Verhältnisse der Neuroglia einschalte. Das centrale Nervennetz der grauen Substanz besitzt nicht überall gleich weite Maschen. Am engmaschigsten ist es in den hinteren Hörnern (Fig. 7 p’), wo die Maschenräume 0,006—0,011 mm betrugen. Aber auch an einem und demselben Orte können die Maschenräume sehr verschieden weit sein; so habe ich aus den vorderen Hörnern, nicht weit unterhalb des Centralkanals bei Salmo gefunden, dass, während auf der einen Seite derselben Ganglienzelle die feinsten Maschen sich befinden (0,004 mm), auf der anderen Seite ein verhältnis- mäßig grobmaschiges Netz (bis 0,041 mm) sich ausbreitet (Fig. 21). Variirt auch die Feinheit des Nervennetzes in den Vorderhörnern, . so kann man doch behaupten, dass es hier im Allgemeinen grob- maschiger als an anderen Orten ist. In den Hinterhörnern findet man ausschließlich ein durchaus gleich weites Netz (Fig. 7). Da das nervöse Netz mit dem neuroglialen Netze auf das innigste verwoben ist — ohne dabei mit demselben organisch zusammen- Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 41 zuhängen, — so leuchtet ein, dass man es auf größeren Strecken im Zusammenhange nicht darstellen kann und man darum stets ein un- zusammenhängendes, doch immerhin sehr deutlich geschlossenes Netz auf dem Gesichtsfelde erhält (Fig. 21), ganz ähnlich dem, welches ich für Orthagoriscus dargestellt habe!. Die Neuroglia kommt in der grauen Substanz des Knochen- fischriickenmarkes ebenfalls in der Netzform vor. In den Knoten- punkten lagern Kerne, was jedoch, obgleich es an gleich zu erwäh- nenden Stellen so ist, doch nicht ganz schematisch genommen werden kann. Es giebt oft ausgedehnte Stellen, an denen man in dem Netz kaum fünf bis sechs Zellkerne zu erkennen vermag, während ein gleich großes Stück einer anderen Stelle 30 bis 40 Zellkerne enthält. Ein neurogliales Netz, an dem jeder Knotenpunkt einer Zelle ent- spricht, wie ich ein solches bereits für Orthagoriscus beschrieben habe, kommt auch bei den untersuchten Knochenfischen vor (Fig. 21). Es ist wohl auch anderen Forschern aufgefallen, dass die beiden Oberhörner der Knochenfische unter Anderem durch ihren Kernreich- thum sich auszeichnen (Figg. 1, 2, 3, 4, 8, 9, 12 AA), was von den Neurogliazellen herrührt. Während innerhalb dieses Netzes in den grauen Oberhérnern alle Knotenpunkte einer Zelle entsprechen (Fig. 7 p’), so werden schon in der nächstangrenzenden weißen Sub- stanz die Zellen im Netze seltener (p). Ähnlich verhält es sich auch an anderen Stellen der grauen, wie in der weißen Substanz. Auch ist zu bemerken, dass die Zellkerne der kernreichen Neuroglia in der grauen Substanz die Größe der Zellkerne an anderen Stellen der Neuroglia in der grauen Substanz um Vieles übertreffen. Bei den verschiedenen Knochenfischen ist die Anordnung dieser großkernigen Neuroglia in den Oberhörnern eine verschiedene und auch bei einer und derselben Art können in verschiedenen Gegenden des Rücken- markes untergeordnete Differenzen in der Anordnung auftreten. Bei Salmo fario (Fig. 9) sind die beiden Ränder der Oberhörner (AA) mit einer solchen Neuroglia durchwoben, doch kommen auch inselförmige Einlagerungen davon vor. Von den inneren Rändern der Hinterhörner zieht ein Streifen solcher Neuroglia unterhalb des Centralkanals, je- doch von diesem etwas entfernt, bis knapp an die Unterhörner. Im hinteren Abschnitt des Rückenmarkes ist es dann der äußere Rand der Oberhörner, von dem aus diese Neuroglia sich auf die laterale, obere Seite fortsetzt (Fig. 10). Bei Perca (Fig. 12) ist die Spitze der 1].c. Figg. 15, 16, 18. 42 Béla Haller Oberhérner mit dieser Neuroglia beinahe ausgefüllt und zieht von hier aus durch die Mitte der Oberhörner bis zum Centralkanal. Bei Esox und Cyprinus carpio (Figg. 1, 2, 8) verhält sie sich in so’ fern ganz gleich, als sie sich bei beiden Fischen auf die Hinter- hörner beschränkt, die von ihr sehr dicht durchwoben werden. Auch bei Anguilla setzt sich diese großkernige Neuroglia von den Hinter- hörnern, wo sie ähnlich vertheilt ist, wie bei Esox und Cyprinus carpio, weiter nach unten fort. In dem vorderen Theil des Riicken- markes zieht sie sich allerdings als sehr spärliches Gewebe bis in die Mitte der Unterhörner (Fig. 3). Im hinteren Theil des Rücken- markes (Fig. 4) ist diese Neuroglia zwischen den Ober- und Unter- hörnern reichlicher. Dass innerhalb der Neuroglia der grauen Substanz jene mon- strös großen Zellen vorkommen, wie in der weißen Substanz, ist mir unwahrscheinlich; wenigstens sind sie mir weder an Karmin- noch an GoLsIschen Präparaten begegnet. Nach dem Vorgetragenen befindet sich die Neuroglia bei den Knochenfischen in einem recht primitiven Zustande: Stellenweise ist der embryonale Charakter in Form eines Zellnetzes auf das Schönste erhalten, während allerdings an zahlreichen Stellen, besonders in der ganzen weißen Substanz, die Zellen innerhalb des Netzes spärlicher auftreten. Hierdurch ist ein Anschluss an höhere Vertebraten erreicht. Zum Schlusse dieses Kapitels möchte ich nur noch einmal auf eine kritische Erörterung jener Auffassung, nach welcher die moto- rische Nervenfaser im Rückenmarke entspringt, die sensible aber bloß dort enden soll, um so mehr einlassen, als die Widerlegung dieses bisher nicht erfolgte. Zu jener Auffassung trugen His’ histogenetische Beobachtungen bei. Nach seinen Befunden! entwickeln sich aus den embryonalen Zellen der Medullarröhre zweierlei Elemente. Es sind die »Spongio- blasten« und »Neuroblasten«; erstere liefern das neurogliale und letztere den größten Theil der nervösen Gewebe im Rückenmarke. Ein Theil der nervösen Gewebe soll durch Einwachsen aus den Spinalganglien in das Rückenmark entstehen. Die Spongioblasten sollen anfänglich unipolar sein und ihr Fortsatz wächst entweder durch die vordere 1 W.Hıs, Die Neuroblasten und deren Entstehung im embryonalen Marke. Abhandlungen der königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. Mathem.- physische Klasse. Bd. XV. 1889. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 43 Riickenmarkskommissur auf die andere Rückenmarkshälfte hinüber oder er geräth als Wurzelfaser in den motorischen Nerven außerhalb des Rückenmarkes ‚oder wird zu Längsfasern. Solche nach außen ge- langende Zellfortsätze sollen dann, lediglich als solche und ohne Hinzutritt anderer ektodermaler Elemente!, enorm. auswachsen, bis sie schließlich die übrigen embryonalen Gewebe durchbrechend, mit großer Sicherheit ihrem Endigungsbezirk entgegengehen, wo sie in Form eines Endbäumchens in eine Muskelfaser ete. einwachsen. Die wirkliche Beobachtung reicht jedoch bloß bis zur Stelle, wo der Nerv aus dem Rückenmarke heraustritt, das Übrige ist nur An- nahme. In den Spinalganglien sollen die beiden Fortsätze jeder Gan- glienzelle nach verschiedenen Richtungen auswachsen. Der innere Fortsatz geräth auf diese Weise dorsalwärts in das Rückenmark und verästelt sich dort in Endbäumchen; der distale Fortsatz wächst in periphere sensible Bezirke und endigt dort blind. Diese auf ontogenetischem Wege gewonnenen Resultate von Hıs versuchten sodann S. Ramon y CAJaL? und M. v. LENHOSSER? zu be- stätigen. Aus Ramon y Cayar’s mittels der GoLarschen Methode an Hühner- embryonen vom vierten Bebrütungstage an angestellten Untersuchun- gen erfahren wir, dass der dicke Fortsatz der Neuroblasten in die Länge wächst und so wie es Hıs angegeben hatte, entweder zu einer Kommissuralfaser der vorderen Kommissur, oder zu einer peripheren motorischen Nervenfibrille wird. Bis auf diese Angaben hätte ich gegen diese Beobachtungen durchaus nichts einzuwenden, denn dass ein Wachsthum der Gan- glienzellfortsätze innerhalb des Rückenmarkes im Laufe der Onto- genie thatsächlich erfolgt, ist nieht nur a priori anzunehmen, sondern wird auch aus den Abbildungen S. Ramon y Cayar's evident. Direkt 1 Die Möglichkeit eines Austrittes von Neuroblasten aus dem Rücken- marke, wie dieses auch A. DoHrn gefunden hat, möchte His nicht ablehnen, obgleich er so etwas nicht beobachtet hat (doch zeichnet er auf Taf. IV Fig. 39 der eitirten Arbeit eine solche ausgetretene Zelle sehr deutlich). Wenn dies aber so ist, was geschieht dann mit diesen Zellen? So ein Verhalten würde ja gegen die His’sche Auswachsungstheorie sprechen. 2 §. Ramön y Casaz, A quelle époque apparaissent les expansions des cellules nerveuses de la moélle epiniére du poulet? Anatom. Anzeiger. Jahrg. V. 1890. 3 M. v. LENHOSSER, Beobachtungen an den Spinalganglien und dem Rücken- mark von Pristiurusembryonen. Anatom. Anzeiger. Jahrg. VII. 1892., 44 Bela Haller hat zwar RAMON Y CAJAL dieses, wie aus der Natur des Objektes schon folgt, nicht beobachten können, aber die Folgerung ist durch- aus zulässig. Weniger einverstanden kann ich mich, mit der Beob- achtung CAsar's erklären, dass dieses Wachsthum des dicken Gan- glienzellfortsatzes durch eine terminale konische Anschwellung, durch den Wachsthumsconus »cdnes de croissance« erfolge. Was uns RAMON y CAJAL unter diesem Namen auf seinen Goxer'schen Präparaten vorführt, ist eine geschwärzte, mit Unebenheiten versehene Verdickung am Ende der dicken Fortsätze der Neuroblasten. Wer steht uns dafür, dass es sich hier nicht um ein durch die Methode verursachtes Artefakt handelt? Aber angenommen den Fall, dass dem nicht so sei, hat denn RAmön Y CAJAL auch beobachtet, dass die Wachsthums- intensität dieser Faser an genannter Stelle koncentrirt sei? Es ist aus phyletischen Verhältnissen viel mehr Grund zur Annahme vor- handen, dass die Neuroblasten von Anfang an eben so unter ein- ander zusammenhängen, als die Spongioblasten, dass aber dieser Zusammenhang mit der Gouerschen Methode am allerwenigsten darstellbar ist, scheint gewiss zu sein. Dann würde ein Wachsthum selbstverständlich nach allen Richtungen hin ziemlich gleichmäßig erfolgen. Solche Wachsthumskegel erkannte Ramon y CAJAL nicht bloß innerhalb des Rückenmarkes, sondern auch an Achsencylinderfort- sätzen der Neuroblasten, welche bereits die neurogliale Hülle durch- brochen haben und somit außerhalb des Rückenmarkes liegen. Durch letzte Beobachtung soll nun Hıs’ Wachsthumstheorie der peripheren motorischen Faser bewiesen sein. Es scheint mir aber, dass selbst für den anzunehmenden Fall, dass Ramon Y CAJAL oder sonst wer an verschieden alten Embryonen durch Messungen an der geschwärz- ten peripheren Faser den Beweis erbringen würde, dass diese Faser wächst, damit noch immer kein Beweis dafür erbracht sein wird, dass diese wachsende Faser auch ein kontinuirlicher Fortsatz einer centralen Ganglienzelle sei. Denn in dem Maße, als außerhalb des Medullarrohres die Verschmelzung der an einander gereihten Zellen zu einer Nervenfaser erfolgt, ändert sich auch die chemische Zu- sammensetzung des Gebildes und schwärzt sich in Folge dessen, während die embryonalen Bildungszellen sonst ungeschwärzt bleiben. Die Lennoss&x’schen Beobachtungen an Pristiurusembryonen er- bringen weiter auch keinen Beweis für die Kuprrer-His’sche Auf- fassung. Nebenbei sei bemerkt, dass die Beobachtung v. LENHOSsEr’s, nach welcher an älteren Embryonen die Verästelung der intramedul- u A u Untersuchungen über das Rückenmark- der Teleostier. 45 lären Ganglienzellen eine reichere als an jüngeren Embryonen sei, auch so deuten ließe, dass die bereits vorhandenen gewiss unter einander sich vielfach vereinigenden Fortsätze sich erst bei gewisser - Mächtigkeit schwärzen. Ich kann somit durch die mit der GouGrschen Methode er- zielten Beobachtungen keine Bestätigung für die Kuprrer-Hıs’sche Hypothese erblicken, denn auch bezüglich des Auswachsens der | Spinalganglien-Zellfortsätze ist kein genügender Beweis dafür er- bracht worden, dass dem nicht auch anders sein könnte, und kann wohl auch schon in Folge der technischen Methode nicht erbracht werden. Insbesondere nicht für extramedulläre Nervenfasern, denn Zellkerne lassen sich durch die Gouersche Methode nicht nach- weisen, und damit würde auch die Möglichkeit, an der embryonalen Faser noch den Nachweis einer Andeutung früherer Zellstrukturen zu erbringen, völlig ausgeschlossen sein. Einer Auffassung, wie die Kuprrer-His’sche ist, standen von jeher energische Gegner gegenüber. Der Erste, welcher der zuerst von KUPFFER ausgesprochenen obigen Auffassung entgegentrat, war HeEnsen!. Er verwarf die Auffassung Kuprrer’s, indem er aller- dings aus einem theoretischen Grunde annahm, dass die Nerven- zellen gleich von Anfang an mit den peripheren Endzellen (Sinnes- zelle, Muskelzelle, Drüsenzelle) durch Intercellularbrücken verbunden seien. Nach HEnsEen würden die Nerven niemals ihrem Ende zu- wachsen müssen. Ich will weiter unten auf Hensen’s im Allgemeinen durch die Phylogenie gerechtfertigte Anschauung zurückkommen, und will hier nur diejenigen Forscher anführen, die, auf direkte Beob- achtungen gestützt, der Kuprrer-His’schen Hypothese entgegentraten. BALFOUR? war wohl der Erste, der bei den Selachiern beobachtete, dass die vorderen Rückenmarksnerven durch die Verschmelzung von langen Reihen hinter einander lagernder, aus dem Medullarrohre aus- gewanderter Zellen. entstehen. Dieser Auffassung schloss sich auch VAN WiyHE? an. Als ein weiterer Vertreter derselben ist auch BEARD zu nennen, der schon 1888 für die Richtigkeit der BALFOUR- 1 V. Hensen, Uber die Entwicklung des Gewebes und der Nerven im Schwanze der Froschlarve. VircHow’s Archiv für Pathologie. Bd. XXXI. 1864. 2 F. M. BALFOUR, A monograph on the development of elasmobranch fishes. London 1878. 3 J. van WIJHE, Über die Entwicklung des Exkretionssystems und anderer Organe bei den Selachiern. Anatom. Anzeiger. Jahrg. VI. 1888. 4 J. BEARD, Morphological Studies. Anat. Journal of Microsc. Science. 1888. 46 Bela Haller schen Angabe eintrat, und später hat er weitere Beobachtungen mit- getheilt, die! auf die entschiedenste Weise gegen die KUPFFER- Hıs’sche Hypothese sprechen ?. Am entschiedensten wäre die BaLrour'sche Beobachtung von dem Entstehen peripherer Nervenfasern durch die Untersuchungen DoHrn’s3 gestützt worden, wenn dieser Forscher nachher in seiner ersten Auffassung, nach welcher die peripheren Nervenfasern aus hinter einander lagernden ektodermalen Zellen entstehen, nicht wankend ge- worden wäre. Er hält jetzt jene Zellen für mesodermale, und neigt mit einiger Unsicherheit der Hıs’schen Auswachsungstheorie zu®. Auch die ontogenetische Anlage der hinteren Rückenmarkswur- zeln sprieht — mögen wir mit BALFOUR annehmen, dass die Gan- glienleiste bloß den hinteren Wurzeln entspricht, oder uns der Auf- fassung Onöprs5 anschließen, wonach auch die Spinalganglien sich aus der Leiste entwickeln — entschieden gegen jene Auffassung, nach welcher die hinteren Nervenwurzeln in das Rückenmark ein- wiichsen. Denn ist die Anlage der hinteren Nervenwurzeln an dem Rückenmark vorhanden, und für die Richtigkeit dieser Thatsache sprechen die zahlreichen gleichlautenden Beobachtungen BaLrour’s, van WısHe’s, Rapı's, Onöpr’s, DOHRN’s u. A., so ist es geradezu unverständlich, warum die hinteren Nervenwurzeln in das Rücken- mark einwachsen sollen. Die durch die Gotg!schen Methoden er- zielten Resultate lassen sich ganz anders deuten. Aber auch zahl- 1 J. BEARD, The transient Ganglion Cells and their Nerves in Raja batis. Anatom. Anzeiger. Jahrg. VII. 1894. 2 Freilich ist v. LENHOSSEK hierüber anderer Ansicht; er äußert sich in seiner letzteitirten Arbeit folgendermaßen: »Um so befremdender muss es er- scheinen, wenn noch in allerletzter Zeit unter vollkommener Ignorirung der neueren Leistungen der Neurohistologie auf Borax-Karmin- oder ähnliche Prä- parate hin die älteren Anschauungen über kettenartige Verbindungen von Achseneylindern aufgefrischt wurden, wenn Nervenfasern abgebildet sind, die an beiden Enden in Nervenzellen einmünden, eine Darstellung, die den Grundprincipien unserer heutigen Erkenntnis zuwiderliuft« Zu einer solchen Darstellung lässt BEARD sich hinreißen und hat noch die Kühn- heit, zwei Ganglienzellen so zu zeichnen, dass sie mit einander verbunden er- scheinen; eine Abbildung, die nach der Ansicht Herrn v. LENHOSSER’s bloß aus der Phantasie des Autors entsprungen ist! 3 A. Dourn, Nervenfaser und Ganglienzelle. Mittheilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. X. 1891. 4 A. DoHRn, Die ScHwann’schen Kerne der Selachierembryonen. Anatom. Anzeiger. Jahrgang VII. 1892. pag. 348. 5 A. Onöp1, Über die Entwicklung der Spinalganglien und der Nerven- wurzeln. Mathem.-naturwiss. Berichte aus Ungarn. Bd. II. 1883/1884. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 47 reiche gut bekannte Thatsachen aus der Anatomie des peripheren Nervensystems stehen damit nicht im Einklang, dass die periphere Nervenfaser ein einziger kontinuirlicher Zellfortsatz sei. Ich erinnere nur an die in die periphere Nervenfaser eingeschalteten bipolaren Ganglienzellen der Trematoden! und ähnlicher Zellen mancher Mol- lusken?. Innerhalb dieser Nerven schwillt eine Nervenfaser ganz allmählich oder auch plötzlich in eine Ganglienzelle an, welche wieder nach Art einer Spinalganglienzelle der Teleostier mit einem oder mit zwei Fortsätzen sich im Nervenbündel fortsetzt. Wie wäre dieses anders zu deuten, als dass der periphere Nerv aus hinter einander gelagerten ektodermalen Zellen entstanden sei, von denen sich welche in Form eingeschobener Ganglienzellen weiter erhielten. Oder sind solche Ganglienzellen etwa mit Spinalganglienzellen der Wirbelthiere vergleichbar? Wie wären aber dann die verschiedenen, theils in einzelnen Organen, theils unter der Haut sich findenden Plexuse mit in ihre Knotenpunkte eingesetzten Ganglienzellen — wie jenes in der Herzwand von Wirbelthieren und Wirbellosen sich befindende Endnetz, oder der Plexus myentericus und ähnliche Bildungen bei Mollusken® und Hirudineen*, der Plexus in der Armwand von Brachio- poden>, der periphere Plexus der Chätognathen® ete. — zu deuten? All dies sind Fragen, auf die die Anhänger jener Theorie kaum eine befriedigende Antwort zu geben vermögen. Ich begnüge mich mit dieser Aufzählung jener Beobachtungen, welche gegen die Kuprrer-His’sche Auswachsungslehre und die Ca- JAL-LENHOSSER’sche Kontakttheorie gerichtet sind, und möchte mich nunmehr zur weiteren Begründung der Kontinuitätslehre mich mit einem Thema beschäftigen, das von den Anhängern der Kontakt- theorie mit einer gewissen wohlbegründeten Scheu umgangen wird. Ich meine den phyletischen Ursprung des Nervensystems. Aus K. C. SCHNEIDER’s Untersuchungen’? wissen wir, dass das 1 J. Poirier, Contribution 4 l’Histoire des Trématodes. Arch. de Zoolog. exper. et géner. 2e Ser. Tom. III. 1885. 2 B. HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Nerven im Peritoneum von Doris tuberculata Lam. Arbeiten aus dem zoolog. Institut zu Wien. Bd. V. 1884. 3 A. NaLepa, Beiträge zur Anatomie der Stylommatophoren. Sitzungs- berichte der Wiener Akademie. Bd. LXXXVII. 1883. 4 F. Leypic, Vom Bau des thierischen Körpers. Tübingen 1864 und Ta- fela zur vergleichenden Anatomie. 5 J. F. BEMMELEN, Untersuchungen über den anatomischen und histologi- schen Bau der Brachiopoda Testicardinia. Jenaische Zeitschrift für Naturwiss. Bd. XVI. pag. 125. Taf. VII Fig. 9. 6 O0. Hertwic, Die Chätognathen etc. Jena 1880. ang: 48 Bela Haller Nervensystem von Hydra in Gestalt eines zwischen Ektoderm und der ektodermalen Muskellage gelegenen Netzes den ganzen Körper des Polypen überzieht. Es sind zahlreiche Ganglienzellen mit zwei und auch mehreren Fortsätzen, die an genannter Stelle um den ganzen Körper zerstreut liegen und mit ihren Fortsätzen unter ein- ander anastomosiren, d.h. sich verbinden. Hierdurch entsteht aber jenes subektodermale Nervennetz. Bei dieser Vertheilung der Gan- glienzellen liegen dieselben selbstverständlich nicht immer in gleich- weiter Entfernung, es können zwei bis drei Ganglienzellen oft ganz nahe bei einander liegen; es kann diese Entfernung aber auch eine ganz beträchtliche sein. Auch die Verbindung zwischen je zwei Zellen ist nicht immer derartig, dass zwei Fortsätze zweier Ganglien- zellen einfach mit einander verschmelzen, sondern es kann sich der Fortsatz einer Ganglienzelle vielfach theilen, und erst diese Theiläste verbinden sich mit ähnlichen benachbarter Ganglienzellen zu einem recht subtilen Netz. Ist dieses Nervennetz nach dem Mitgetheilten an verschiedenen Stellen ein verschieden weites, so wird der allge- meine Charakter eines gleichweiten Netzes noch an einem bestimmten Orte des Polypenkörpers durch das Auftreten zahlreicherer Gan- slienzellen noch weiter beeinträchtigt. In der Nähe der Mundscheibe finden sich nämlich, dicht beisammen liegend, viele Ganglienzellen vor, wodurch dort auch ein dichteres Nervennetz entstehen muss als an sonstigen Stellen!. Diese verdichtete Stelle des Nervensystems bildet die phyletische Vorstufe zum Nervenringe der Medusen; ihr Vorhandensein wurde, wenn auch nur für die höchststehendsten Po- lypen, nämlich den Tubularien, von O. und R. HErTwIG vermuthet?. Die Fortsätze der einzelnen Ganglienzellen der Hydra sind unter einander gleich stark, darum lässt sich auch hierin keine Verschie- denheit unter ihnen feststellen. Manche geben Nebenäste ab, die sich mit Fortzätzen (oder mit Nebenästen solcher) der benachbarten Ganglienzellen verbinden, wobei das Ende des Fortsatzes sich bis zu einer Epithelmuskelzelle oder zu einer Sinneszelle (Nesselzelle) fortsetzt und sich mit ihnen verbindet®. Hierin haben wir sensible 1 Diese Darstellung ist nicht bloß nach den Angaben von SCHNEIDER zu- sammengestellt, sondern auch durch eigene Untersuchungen ergänzt, beziehungs- weise in untergeordneten Punkten berichtigt worden. SCHNEIDER beschreibt eine Verdichtung auch an der Fußscheibe, was ich nicht bestätigen kann. 20. und R. Herrwic, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Me- dusen. Leipzig 1878. pag. 171. 3 Beides habe auch ich beobachtet. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 49 und motorische Endigungen vor uns. Die Sinneseindrücke werden durch die percipirenden Sinneszellen den Ganglienzellen des Nerven- systems mitgetheilt, die ihrerseits auf die Epithelmuskelzellen wirken. Die ganze Nerventhätigkeit äußert sich somit bei Hydra in einer Reflexwirkung, aus welcher durch O. und R. Herrwic deren Nerven- system richtig im Voraus erkannt wurde. Aus diesem vorausge- setzten und sich als solches bewahrheiteten Nervensystem der Hydra ist von diesen Forschern das Nervensystem höherer Formen richtig und in ganz eminenter Weise abgeleitet worden. Ich verweise auf ihre Darstellung und bemerke bloß, dass auch HENsEN’s vorzüglich durchgeführte Spekulation bereits 1864 zu demselben Resultate führte. Darum brauche ich mich hier auf die weitere Ausführung nur in so fern einzulassen, als meine Ansicht von jener der angeführten Autoren differirt, indem ich auch in dem Nervenringe der Medusen eine Netz- struktur nach dem Verhalten bei Hydra und den höheren Metazoen annehme. Bei ihrer Darstellung nehmen O. und R. Herrwie an‘, dass vor der Zeit der Abspaltung des Nervensystems vom Ektoderm in jenem phyletischen Stadium, da noch sämmtliche ektodermale Elemente so- wohl die Eigenschaft, Empfindungen wahrzunehmen, als auch Nerven ‘und Muskelthätigkeit in sich vereinigten, diese ektodermalen Ele- mente unter einander durch Fortsätze verbunden waren. Auf diese Weise gelangte der »Zellverband« zur Geltung, der zwar noch keine ausgesprochene Nerventhätigkeit besaß, doch immerhin auch diese in sich vereinigte. O. und R. HerrwıG denken sich diese Verbin- dungen nicht aus unvollkommener Zelltheilung im Sinne Hensen’s entstanden, da sie diese Annahme zu »der den Beobachtungen wider- sprechenden Ansicht führen würden, dass von der ersten Eitheilung an eine Protoplasmaverbindung sich zwischen den einzelnen Theil- produkten erhalten müsste, sondern nehmen an, dass ursprünglich getrennte Zellen erst nachträglich durch Verschmelzung von Proto- plasmafortsätzen Verbindungen eingegangen sind«. Sei dem wie ihm wolle, so viel scheint mir sicher zu sein, dass diese Verbindungen identisch mit den intercellulären Verbindungen gleichartiger Zellen - sind, die an den Geweben der fertigen Organismen überall zur Gel- tung gelangen. Des Weiteren halte ich es nicht für nöthig, mit HerrwiG anzu- nehmen, dass nach dem obigen indifferenten Verhalten des Ekto- 1 l.c. pag. 157—174. Morpholog. Jahrbuch, 23. 4 50 Bela Haller derms die Zellen sich in drei verschiedenen Richtungen hin diffe- renzirt hätten, nämlich in Muskel-, Sinnes- und Ganglienzellen. Es scheint mir vielmehr für viel einfacher und nach den gegebenen Verhältnissen bei der Hydra für zulässiger zu sein, die Sache so aufzufassen, dass ursprünglich die Differenzirung nur nach zwei Rich- tungen hin erfolgte. Die indifferenten Zellen differenzirten sich in kontraktile und sensible Elemente, die unter einander verbunden blieben. In einem weiteren Stadium der phyletischen Entwicklung scheidet nun die kontraktile Epithelmuskelzelle in sich eine kon- traktile Faser ab, wodurch sie zu einer Epithelmuskelzelle wird. Dies ist der Fall bei Hydra und vielen anderen Hydroiden. Die Epithelmuskelzelle besitzt bloß einen Zellkern, der in dem epithe- lialen Abschnitte liegt. Nun hat aber vAN BENEDEN! bei Hydracti- nia beobachtet, dass bei deren Neuromuskelzellen der muskulöse Abschnitt in so fern von dem epithelialen Abschnitt sich getrennt hat, als er bloß noch durch einen feinen Faden mit demselben ver- bunden ist. Außerdem besitzt aber auch der muskulöse Abschnitt einen Zellkern. Dieses Verhalten ist nun offenbar so aufzufassen, dass, nachdem die Epithelzelle nach erfolgter Kerntheilung einen Tochterkern an den muskulösen Abschnitt abgegeben hat, dieser sich von seiner Mutterzelle oder der ursprünglichen kontraktilen Epithelzelle abzutrennen beginnt. Die Epithelzelle wäre aber durchaus nicht als Sinneszelle und die Verbindung zwischen ihr und der nunmehrigen Muskelzelle nicht als Nervenfaden im Sinne van BENEDEN’s aufzu- fassen. Erstere ist vielmehr zur bloßen Matrixzelle heruntergesunken, während der verbindende Faden lediglich eine indifferente inter- celluläre Verbindung darstellt. Die primäre Sinneszelle, welche in der angegebenen Weise mit der Epithelmuskelzelle verbunden ist, besitzt zu einer Zeit der phy- letischen Entwicklung eine doppelte Bedeutung. In dieser Form und Bedeutung ist sie bei der Hydra wenigstens nicht mehr anzu- treffen, doch tritt sie bei Carmarina nach O. und R. HEeRrwie noch sporadisch auf. Es ist das, obgleich Carmarina schon ein jüngeres phyletisches Stadium als Hydra vorstellt, nicht überraschend, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass ja oft genug bei jüngeren Formen noch einzelne ursprünglichere Einrichtungen sich erhalten, die be- reits bei einer älteren Form nicht mehr zu finden sind, dass es keine 1 E. van BENEDEN, De la distinction originelle du testicule et de l’ovaire. Bulletins de ! Académie royale de Belgique. 2° Ser. Tom. XXXV. 1874. PIS eee ee. ee ee eee Untersuchungen iiber das Riickenmark der Teleostier. 51 schematische Formen giebt, welche alle vorangegangenen phyleti- schen Einrichtungen aufweisen könnten. Für die Annahme O. und R. Herrwıc’s, dass in diesen Zellen der Carmarina eine dritte Dif- ferenzirungsform des Epithels, nämlich die primäre Ganglienzelle vorläge, ist kein Grund vorhanden. Eine solche Annahme würde die Erklärung bloß komplicirter gestalten. Ich erblicke bei Carma- rina eher ein solches Stadium, in welchem, ähnlich wie an der Epithelmuskelzelle der muskulöse Abschnitt, der gangliöse oder rein nervöse Abschnitt sich von dem sensitiven Abschnitt abzutrennen beginnt. Ist dieses nun so vollständig erreicht wie die Abtrennung der Muskelzelle von der Epithelmatrixzelle bei Hydractinia, so haben wir in der nach innen gekehrten Zelle die primäre Ganglienzelle vor uns, während die im Epithel verbleibende Mutterzelle eine Sinnesborste erhält und ausschließlich zur sensiblen Zelle sich ge- staltet. Letztere stellt nun im Gegensatz zu jener primären Sinnes- zelle, die auch die Ganglienzelle in sich fasste, die sekundäre Sinnes- zelle vor, und ist mit der Epithelmuskelzelle nicht mehr direkt, sondern bloß durch die Vermittelung der primären Ganglienzelle verbunden. In diesem Stadium befindet sich das Nervensystem der Hydra. Hiernach würde die Epithelmuskelzelle niemals eine Gan- glienzelle aus sich abgeschieden haben, sondern, wie ja das bereits in der ersten Differenzirung der Ektodermzellen begründet ist und bloß zur Produktion der Muskelfaser befähigt sein, während die Ab- scheidung der Ganglienzelle ausschließlich der primären Sinneszelle zukommt. Während also die die Muskelzelle abscheidende Epithelzelle bei den höheren Metazoen lediglich zu einer embryonalen Bildungszelle degradirt wird, erhält sich die primäre Sinneszelle stets als solche, was eine freie Endi- gung von Nervenfasern zwischen Epithelzellen ete. voll- ständig ausschließt. Diese Auffassung ist durch die Beobachtung in vollem Maße gestützt, und nur die Endigung in Endzellen scheint durch neuere Beobachtungen gefährdet. Die zuerst an der Cornea durch Goldehlorydbehandlung gemachte Erfahrung über freie Nerven- endigung wurde insbesondere durch F. E. SCHULZE, RETZIUS, v. LEN- HOSSEK u. A. durch die Goxar’sche Behandlungsweise in letzter Zeit an den verschiedensten anatomischen Stellen vermehrt. Nach diesen Beobachtungen sollen Endigungen sensibler Nerven auch intercellulär, und somit ohne sich vorher mit einer »Endzelle« zu verbinden, endi- gen. Diese Erfahrungen lassen sich auf die einfachste Weise zu Gunsten der phyletischen Evolution erklären. Diese Endigung ist 4* 52 Bela Haller nur scheinbar eine freie, denn wir wissen, und besonders die Cornea der Wirbelthiere ist hierbei zu berücksichtigen, dass es intercel- luläre Verbindungen zwischen gleichartigen Zellen giebt, und die periphere sensible Nervenfaser endigt öfter in diesen. Wir haben somit keine freie, sondern bloß inter- celluläre Nervenendigungen in den beobachteten Fällen vor uns. ; Die primäre Ganglienzelle besteht außer bei den Cnidariern wohl nirgends mehr, da sie offenbar durch sekundäre Differenzirun- gen zu den verschiedenen Ganglienzellenarten des höheren Nerven- systems sich gestaltete. Diese Differenzirungen sind aus den ver- schiedenen höheren physiologischen Funktionen der Ganglienzellen höherer Wesen erklärbar. Ich glaube aber auch, dass ein Theil der primären Ganglienzellen in die peripheren Nervenfasern aufgegangen sind (es wären dies die sogenannten Nervenzellen AparHy’s!), da diese ja ontogenetisch aus Zellenreihen (deren Elemente wohl auch vorher unter einander zusammenhingen) entstehen. Wie ich schon öfter in meinen Arbeiten hervorhob, nehme ich an, dass das primäre Nervennetz zum Theil bei der Koncentrirung des Nervensystems in das Centralnervensystem aufgenommen,: zum geringen Theil aber als peripheres Nervennetz (die verschiedenen peripheren Plexusse, wie die der Sinnesorgane, im Herzen, den Plexus myentericus, Endplexus im elektrischen Organ) erhalten wurde. Wie aus den bisher vorgetragenen, phyletisch begründeten Er- örterungen hervorgeht, wird die Kontakttheorie auch durch die rein phyletische Evolution aufs höchste gefährdet, denn wie aus den Ver- hältnissen von Hydra hervorgeht, bildet das Nervensystem stets ein zusammenhängendes Ganzes, aus dem sowohl die Fasern zu den Muskelzellen, als auch jene der peripheren sensiblen Zellen ihren Ursprung nehmen. Es bleibt noch zu untersuchen, in wie fern die ontogenetischen Beobachtungen sich mit dem phyletischen Verhalten decken. Die ontogenetischen Untersuchungen müssten, um über diese Frage zu klären, nicht nur auf die Wirbelthiere, wie es bisher ge- schah, sondern auch auf hierzu besonders geeignete Evertebraten sich. ausdehnen. Welche Klasse der Evertebraten (vielleicht die Gordi- deen) hierzu sich am geeignetsten zeigen, möchte ich einstweilen 1 Sr. Apatuy, Nach welcher Richtung hin soll die Nervenlehre reformirt werden? Biolog. Centralblatt. Bd. IX. 1889. Se a 25 —e es re ae | heed + © ay > Untersuchungen iiber das Riickenmark der Teleostier. 53 außer Acht lassen, so viel aber steht fest, dass die Wirbelthiere durch cinogenetische Verhältnisse beeinflusst, besonders durch die störende Gestaltung des Mesoderms, sich als ungeeignet erweisen. Diese Richtung einhaltend, hat KLEINENBERG eine für unsere Auf- fassung wichtige Entdeckung gemacht. In einer kleinen Notiz ! theilt er mit, dass gewisse ektodermale Hautdrüsen gleich vom Beginn ihrer Bildung an mit der Anlage des Nervensystems bei gymnosomen Pteropoden, speciell bei Clionopsis Krohni, in organischem Zusam- menhange stehen. Was bisher über die Entwieklung der peripherischen Nerven der Vertebraten besonders durch van WIJHE sichergestellt wurde, ist, dass in die Nervenleiste aus dem Medullarrohre fortwährend Zellen (noch keine Ganglienzellen, HALLER) einwandern, um dort die Achsencylinder zu bilden. Diese Anlagen würden dann sowohl dureh die genannte Zelleinwucherung, als auch durch die weiteren Theilungen ihrer Zellen, peripher auswachsen. Aber diese Angaben sind weit davon entfernt, auf die behandelte Frage klares Licht zu werfen, und die Annahme HENSEN’s, nach welcher die Anlagen der peripheren Endapparate schon von Anfang der ontogenetischen Entwicklung an durch Verbindungsfäden mit dem centralen Nervensystem zusammenhängen, wird außer KLEINEN- BERG’s Beobachtung zur Zeit nur durch rein anatomische Thatsachen gestützt. Mit vollem Rechte kann man somit zur Zeit den Anhängern der Auswachsungstheorie mit O. HERTWIG zurufen: »Wenn die Nerven einmal zu ihren Endapparaten auswachsen, warum suchen sie nicht direkt zu ihrem Ziel zu gelangen, wozu müssen sie oft viele Um- wege machen, und wozu gehen sie die komplieirten und verschieden- artigen Plexusbildungen ein? ?« Die Topographie innerhalb des Rückenmarkes. Bei der Beschreibung der topographischen Verhältnisse im Rückenmark sollen von den bei dem Menschen und den höchsten Säugethieren, besonders seit FLecusie’s Untersuchungen eingeführten Benennungen nur die allgemeinsten verwendet werden. Dies ge- 1 N. KLEINENBERG, Sullo sviluppo d. sistema nervoso peripherico nei mol- luschi. Monitore Zoologico Italiano. V. Anno 1894. pag. 75. 2 0. Herrwic, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Meusclies und der Wirbelthiere. 2. Aufl. Jena 1888. pag. 354. 54 Bela Haller schieht nieht desshalb, weil ich die Homologien zwischen den Ab- schnitten des Rückenmarkes der höchsten Säuger und gewissen Abschnitten des Fischrückenmarkes nicht zugeben wollte, sondern weil durch die höhere Differenzirung des Gehirns der ersten, insbe- sondere durch die Ausbildung der Großhirnlappen, auch gewisse Differenzirungen innerhalb der Rückenmarksbündel sich einstellen mussten. Darum werden gewisse topographisch gleichgestellte Di- strikte im Rückenmark der Fische offenbar nicht ohne Weiteres mit den gleichen Distrikten im Rückenmark der Säuger homologisirt werden können, wenn wir auch zugestehen, dass sie Vorstufen zu diesen bilden. Um ein Beispiel anzuführen, so lassen sich die Dor- ‘salstränge der Fische nicht in den Gorrv’schen und Burpacn’schen Strang scheiden, denn bei den Fischen sind die Elemente dieser beiden Bahnen noch unter einander vollständig vermengt. Ich werde immer, wo es mir thunlich erscheint, die bei den höchsten Säugern eruirten Verhältnisse berücksichtigen; jedoch be- hufs Durchführung einer sicheren Vergleichung zwischen jenen Ver- hältnissen und denen der Fische bedarf es nicht nur ähnlicher Untersuchungen bei den Fischen, wie sie u. A. besonders FLECHSIG bei den Säugern angestellt hat, sondern es werden auch die Be- ziehungen des Rückenmarkes der Amphibien und Sauropsiden her- anzuziehen sein. In der Erforschung der Längsbahnen ist aber bei diesen letzten zwei Klassen noch sehr wenig geschehen. Das Rückenmark zeigt in seiner Gestalt und in einzelnen an- deren Punkten unter den verschiedenen Knochenfischen viel größere Verschiedenheiten, als dies frühere Autoren, insbesondere STIEDA', angenommen haben. Ein weiterer Unterschied liegt dann haupt- sächlich in der Form der grauen Substanz — worauf übrigens auch frühere Autoren hingewiesen haben, — ferner in der höheren (mehr dorsalen) oder tieferen (mehr ventralen) Lage des Centralkanals, wo- mit gewisse andere Unterschiede verknüpft sind, und in der Anord- nung stärkerer und schwächerer Längsfasern, beziehungsweise in der Anordnung der markhaltigen und der marklosen Längsfasern unter einander in den verschiedenen Längssträngen. Aus diesem Grunde glaube ich gut zu thun, wenn ich bezüglich dieser Punkte die ver- schiedenen untersuchten Rückenmarke von einander gesondert be- handele. iL. Srippa, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XVIII. 1868. pag. 11. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 55 Ich will mit der Beschreibung des Rückenmarkes von Esox be- ginnen. Hierüber existirt bekanntlich von STIEDA! eine im Allge- meinen gute Beschreibung, deren Verständlichkeit durch die sorg- fältige Abbildung eines Querschnittes erhöht wird. Ich muss aber auch SriepA den Vorwurf machen, dass er die Form des Rücken- markes nicht gehörig berücksichtigt hat. Nach Srtiena »hat ein Querschnitt aus dem vorderen Theil des Rückenmarkes die Form einer Ellipse, deren längerer Durchmesser der Breite des Rücken- markes entspricht«. Diese Beschreibung entspricht annähernd nur dem mittleren Abschnitt des Riickenmarkes, etwa von den Brustflossen bis hinter den After, seine Abbildung aber? ist in den Umrissen sehr willkürlich gehalten und würde am ehesten demjenigen Theil in der Gegend des fünften Spinalnervenpaares entsprechen. Gleich hinter der Fossa rhomboidalis beginnt jederseits am Rückenmark von Esox eine Längsfurche, die, allmählich seichter werdend, schon hinter dem ersten Spinal- nervenpaar verstreicht (Textfigur 2 s/). Diese Fig. 2. Furche ist somit schon beim Abgange der oberen Vaguswurzel vorhanden und stellt die Lateralfurche (Fig. 1 s/) vor. Wie bei allen Wirbelthieren, treten aus ihr die oberen Wurzeln der Spinalnerven und des Vagus (Textfigur 2 z) heraus. Sie bezeichnet bei Esox auch genau die Grenze, an wel- cher die dorsalen Längsstränge (Fig. 2 ds) an die lateralen Längsstränge (/s) anstoßen. STIEDA hat diese Verhältnisse in seiner Ar- beit über das Rückenmark von Esox ganz richtig dargestellt, und zeichnet somit auch die oberen Vaguswurzeln aus der lateralen Furche austretend, dem gegenüber BAUDELOT in seinem schönen Atlas die oberen Vagus- wurzeln fälschlicherweise so darstellt, dass sie dorsal von: der Lateralfurche, unweit der Fissura longitudinalis superior (posterior), das verlängerte Mark verlassen ®. I L. StıeDA, Über das Rückenmark und einzelne Theile des Gehirns von Esox lucius L. Dissertation. Dorpat 1861. 21.c. Taf. I Fig. 4. 3 E. BAUDELOT, Recherches sur le systeme nerveux des poissons. Paris 1883. 56 Bela Haller Eine deutliche obere Fissur tritt am Rückenmark erst etwa vor dem ersten Spinalnervenpaare auf, von wo sie sich bis nach vorn, bis kurz vor die Fossa rhomboidalis fortsetzt. Nach vorn zu wird sie immer tiefer, um dann, so zu sagen plötzlich, vor der Fossa rhomboidalis aufzuhören. Somit reicht sie nicht bis in die Fossa (Textfigur 2) hinein. In der Gegend des ersten Spinalnervenpaares ist von ihr bereits nichts mehr zu sehen, da ihre Stelle von Epen- dymfasern, Gefäßen und etwas mesodermalem Bindegewebe völlig ausgefüllt wird (Fig. 1s’). Etwa in der Gegend .des achten Spinal- nervenpaares ist abermals eine, allerdings sehr seichte Vertiefung vorhanden (Fig. 2 s’), die aber am Ende des Rückenmarkes allmäh- lich verstreicht. Von der Gegend an, wo die Fissura superior hinter der Rauten- grube aufhört, bis etwa zum Abgang des dritten Spinalnervenpaares, ist der Querschnitt des Rückenmarkes dem Längsschnitt einer breiten Birne vergleichbar (Fig. 1). Diese Gestalt wird nach vorn der Rauten- grube zu noch durch das Vorhandensein der tiefen Fissura superior (posterior) und durch die jederseitige Lateralfurche modifieirt, wo- durch die Birnform nur noch vollkommener wird. Dazu trägt aller- dings auch der Umstand bei, dass der jederseitige, die Dorsalstränge und die Hinterhörner in sich fassende Abschnitt nach vorn zu auf Kosten des darunterliegenden Rückenmarkstheiles bis zu der Stelle, wo die obere Fissur aufhört, immer mehr zunimmt. Vom dritten Spinalnervenpaare an nimmt die Höhe des Rückenmarkes zu Gunsten seiner Breite ganz allmählich ab, wodurch auch beiläufig die Form erreicht wird, welche Srıepa im Querschnitt abbildet. Diese Ab- nahme der Höhe zu Gunsten der Breite hört bis zum zwölften Spi- nalnervenpaare nicht auf, so dass die größte Breite des Rückenmarkes um ?/, seine Höhe übertrifft. Hierdurch erhält das Rückenmark jene etwas abgeplattete Form (Fig. 2), in weleher es im Querschnitt auch von KÖLLIKER! abgebildet wurde. Erst hinter der Rücken-. flosse enthält das Riickenmark eine mehr eylindrische Form. Was die Lage, Form und Weite des Centralkanals betrifft, so ist der in die Rautengrube mündende Theil des Centralkanals weit und spaltförmig; allmählich verengt er sich jedoch von oben nach . unten und ist in der Gegend, wo die letzten Zellen der oberen Va- guswurzeln aufhören, rund und eng. Von dieser Stelle an wird er 1 A. KÖLLIKER, Handbuch der Gewebelehre. Bd. II erste Hälfte. Leipzig 1893. pag. 166. aS oe. Oe . EEE TEN Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 57 ungemein eng, doch behält er seine frühere runde Form. Etwas vor dem ersten Spinalnervenpaar beginnt er sich allmählich zu erweitern (Fig. 1), um schließlich bis in die Gegend der Abplattung des Rücken- markes um etwa das Sechsfache seines früheren Volums zuzunehmen. Er erscheint hier im Querschnitte von ovaler Form (Fig. 2). Diese Weite und Form erhält sich mit einiger Verengung bis zu der Stelle, an der das Rückenmark im Querschnitt eine runde Form annimmt, von da nimmt er dann rapid an Weite ab. Erst zu Ende des Riicken- markes erweitert er sich um ein Geringes. Der Centralkanal liegt bei Esox stets in der Mitte der zwischen Ober- und Unterhörnern sich befindenden grauen Substanz (Figg. 1, 2). Die graue Substanz verhält sich je nach den Abschnitten des Rückenmarkes etwas verschieden in Form, was durch die Form des Rückenmarkes bedingt wird. Im vordersten hohen Abschnitt zeichnet sich somit die ganze graue Substanz mehr durch ihre Höhe (Fig. 1), und im hinteren Abschnitt mehr dureh ihre Breite (Fig. 2) aus. Die Vorderhörner sind stets mächtig entwickelt, haben bald eine mehr schlanke (Fig. 1), bald etwas breitere (Fig. 2) Gestalt mit annähernd konkaver äußerer und konvexer innerer Begrenzung. Nach oben zu verschmelzen die beiden Unterhörner in jenes Mittelstück der grauen Substanz, das vom Centralkanal durchbohrt wird. Dieses Zwischenstück ist im vordersten Rückenmarksabschnitte ebenfalls hoch und schlank (Fig. 1). Im hinteren Rückenmarksabschnitte, wo die Unterhörner in Folge der Rückenmarksgestalt etwas dorsalwärts rücken, büßt das Mittelstück von seiner früheren Ausdehnung ein, wozu auch die große Weite des Centralkanals beiträgt (Fig. 2). Dorsal setzt sich das Mittelstück jederseits in das Unterhorn fort. Dieses sind beim Hecht sehr schlanke, hornförmige Gebilde, etwas kompakter im vordersten (Fig. 1 %%), nur wenig diffuser im hintersten Rückenmarkstheil (Fig. 2 22). Sie werden beim Hechte nach Kar- minfärbung auffallend intensiv tingirt, was hauptsächlich durch die massenhaften kleinen Neurogliazellen bedingt wird. Was die Vertheilung der Ganglienzellen betrifft, so liegen sie bekanntlich bei den Knochenfischen hauptsächlich in den Unter- hörnern, wo ja auch die größten unter ihnen sich vorfinden. Sie lassen sich ihrer Lage nach nicht in besondere Zellgruppen oder Zellsäulen scheiden, welche ich bei den in dieser Hinsicht alten Knochenfischen, den Pleetognathen, durchführen konnte’, denn in 1 ].e. 58 | Béla Haller der Nähe und lateral vom Centralkanal liegen beim Hechte gar keine Ganglienzellen mehr, sondern die innere Zellgruppe — wie ich jene lateralwärts vom Centralkanal sich findenden Ganglienzellen bei den Plectognathen nannte —, ist auch beim Hechte wie bei dem größten Theil der Knochenfische in die äußere Gruppe, die im Unterhorn liegt, eingerückt. Dafür bietet die Bachforelle, wie wir weiter unten sehen werden, noch einzelne Anhaltspunkte. Die größten Ganglien- zellen messen 0,58 mm und liegen hauptsächlich oben in den Unter- hörnern (Figg. 1, 2, 13), doch können größere Ganglienzellen ab und zu auch eine mehr ventrale Lage annehmen. Die kleinsten Ganglien- zellen der Vorderhörner messen 0,09 mm und sind zwischen die großen eingestreut. In der Form sind zwischen größten und kleinsten Gan- glienzellen alle möglichen Übergänge vorhanden. Die meisten Ganglienzellen befinden sich in der Nähe des Ab- ganges einer vorderen oder motorischen Wurzel, es wäre jedoch irrthümlich anzunehmen, dass im ganzen Bezirke der Wurzel die meisten Ganglienzellen liegen. Wenn man die ganze Querschnitts- serie einer motorischen Nervenwurzel durchmustert, so wird man zwar an manchen Schnitten allerdings sehr viele Ganglienzellen an- treffen, aber auch finden, dass hauptsächlich peripher ventralwärts liegende Ganglienzellen in großer Zahl vorhanden sind, von welchen viele bis tief in die Nervenwurzeln, ja sogar in deren extramedul- lären Theil (Fig. 13) eindringen. Zugleich findet man, dass manche von den oberen Regionen der Ganglienzelllage stellenweise ausfallen können. Die Annahme ist gerechtfertigt, dass jene periphersten, zu unterst gelegenen Ganglienzellen ohne Unterbrechung sich dem ganzen Rückenmark entlang fortsetzen. Mit geringer Modifikation lässt sich das auch von der obersten Zellregion, von jener nämlich, in welcher die größten Zellen am häufigsten sich vorfinden, behaupten, während die Stelle zwischen diesen zwei Regionen, besonders zwischen zwei hinter einander liegenden Nervenwurzeln, oft sehr zellenarm ist. Ob- gleich die Ganglienzellen in der oberen Region des Unterhornes eine ziemlich kontinuirliche Zellsäule darstellen, so sind doch geringe Lücken in derselben vorhanden, was daher rührt, dass hier die Gan- glienzellen nach der Längsachse des Rückenmarkes in Gruppen an- geordnet sind (Fig. 24 gz/—gz'), zwischen denen Bündel (s), aus Ependymfasern, kommissuraler und anderer Nervenfasern bestehend, aus der grauen (gs) in die weiße (/f) Substanz ziehen. Diese Gan- glienzellgruppen entsprechen nicht etwa einer metameren Anordnung, denn zwischen zwei Metameren sind sie in größerer Zahl vorhanden. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 59 Fällt nun ein Serienschnitt zwischen je zwei solche Zellgruppen, und noch dazu an eine Stelle, an die zellenarme mittlere Region der Ganglienzellen, so werden auf jenem Schnitte nur sehr wenige Ganglienzellen vorbanden sein. Da bei der oben beschriebenen gruppenförmigen Anordnung der Ganglienzellen eben so wenig eine Gruppe mit einer gleichen der anderen Seite zusammenfällt, als die Zellenarmuth der mittleren Zone mit einer gleichen Stelle der an- deren Seite, so kann es sich ereignen, dass, während auf demselben Schnitte die eine Hälfte des Rückenmarkes wenige Ganglienzellen aufweist, die andere Hälfte von denen viel mehr besitzt. Die größte Zahl von Ganglienzellen, die ich auf einem Schnitte beobachten konnte, überschreitet nur selten die Zahl zwanzig. Querschnitte, in denen in dem einen Unterhorne nicht wenigstens drei bis vier Zellen zur Beobachtung gelangt wären, habe ich nie gesehen, woraus folgt, dass bei dem Hecht die Ganglienzellsäule in den Vorderhörnern nir- gends ganz unterbrochen ist, und somit ist es auch nicht möglich, zellenleere Schnitte zu erhalten, wie sie Frırscn! bei Labrus beob- achtet hat. Mit Ausnahme einiger kleinerer Ganglienzellen (Fig. 1 rechts) gelangen solehe aus den Unterhörnern beim Hechte im vorderen Abschnitte des Rückenmarkes nicht bis zum Centralkanal hinauf. In dem hinteren Abschnitt jedoch rücken mit den Unterhörnern auch die Ganglienzellen weiter nach oben, und die obersten unter ihnen kommen sogar in eine horizontale Ebene mit dem Centralkanal zu liegen (Fig. 2). Bekanntlich beschränken sich die Ganglienzellen bei jenen Kno- chenfischen, bei denen es zu einer Sonderung der weißen von der grauen Rückenmarkssubstanz gelangt, nicht ausschließlich auf die _ Unterhörner. Aus dem Wurzeltheil der Oberhörner des Hechtes hat bereits Strepa kleine Ganglienzellen beschrieben und abgebildet. Diese Beobachtung Stiepa’s kann ich bestätigen, denn auch mir ge- lang es, in der Gegend der oberen (hinteren) Kommissur (Fig. 1, 2 7) solche Ganglienzellen unter den Vorderhornwurzeln zu beobachten (Pig. 1 rechts). Immerhin sind diese Zellen sehr selten und es be- - darf der Durchsicht sehr vieler Schnitte, bevor man eine solche Zelle aufzufinden vermag. Diese Ganglienzellen möchte ich als untere _ Oberhornzellen bezeichnen. 4 1 G. Fritsch, Das Gehirn und Riickenmark des Gymnotus electricus. in: _ CC. Sacus’ Untersuchungen am Zitteraal. Nach seinem Tode herausgegeben von __ E. pu Bots-Reymonp. Leipzig 1881. 60 Béla Haller Wenn auch sporadisch, so fand ich doch auch in den eigent- lichen Oberhörnern kleinste Ganglienzellen. Sie sind in größerer Zahl als die unteren Oberhornzellen anzutreffen. Ich möchte sie obere Oberhornzellen nennen. An Horizontalschnitten (Fig. 14) be- obachtet man diese Zellen am deutlichsten; sie liegen dann in den Oberhérnern (gs) oft auf weiten Strecken von einander, und sind zu- meist kleiner als die kleinsten Zellen der Unterhörner. Wie auch bei höheren Vertebraten beobachtet wurde, beschränken sich die Ganglienzellen im Rückenmark nicht ausschließlich auf die sraue Substanz, sondern es finden sich solche zerstreut auch in der weißen Substanz. Schon Sriepa beobachtete gerade beim Hechte ihr Vorkommen in der sogenannten accessorischen oder MAUTHNER- schen Kommissur, und ich kann dieses bestätigen (Figg. 1, 2c). Nach meinen Beobachtungen kommen zerstreute Ganglienzellen auch in allen anderen Theilen der weißen Substanz vor. Sie finden sich eben so in den ventralen als in den seitlichen und dorsalen Strängen (Fig. 1,2). Sie gehören zwar zu den kleineren Ganglienzellen des Rückenmarkes, aber hin und wieder beobachtet man auch etwas größere unter ihnen. Oft liegen solche kleinere Ganglienzellen sogar zu mehreren neben einander (Fig. 15 a). Manche unter ihnen haben eine auffallend schmale Spindelgestalt und besitzen somit zwei fast eben so dicke Fortsätze, als ihr Zellleib ist (Fig. 15 5). Beide oppo- sitipolen Fortsätze verlängern sich in je eine markhaltige Längs- faser, was gleichbedeutend mit der Auffassung ist, dass diese spindel- förmigen Ganglienzellen, nach Art ähnlicher Zellen in den peripheri- schen Nervenfasern vieler wirbelloser Thiere, in eine Nervenfaser eingeschaltet sind, und somit ihr Vorhandensein aus der Histogenie der Nervenfaser erklärbar ist (s. pag. 46). Die obere (Figg. 1, 2 m) und die untere Kommissur (») ist bei Esox von gleichartigem Um- fange. Die Ventralstränge (Figg. 1, 2 vs, vs’) sind median durch das ventrale Septum (Figg. 1, 2 s) getrennt; unten reichen sie bis zur Neurogliahülle, nach oben bis dicht. an den Bezirk der unteren Kom- missur in der grauen Substanz (»). Die beiderseitigen Stränge. zu- sammen haben im Querschnitt eine konische Gestalt. Wo der Conus | in Folge der Rückenmarkshöhe ein hoher ist, wird seine Basis schmäler (Fig. 1); dem gegenüber erscheint der Conus im hinteren Abschnitt des Rückenmarkes niedriger, aber bedeutend breiter (Fig. 2). Da bekanntlich die ventralen Stränge die mächtigsten markhaltigen Längsfasern enthalten, so lässt sich ihre Begrenzung gegen die ee ae Untersuchungen tiber das Riickenmark der Teleostier. 61 schmäleren, Fasern führenden Lateralstränge auch da, wo keine mo- torische Nervenwurzel getroffen wurde, feststellen. Diese Begrenzung liegt an der abgerundeten Kante, welche durch die laterale und ventrale Seite des Rückenmarkes gebildet wird (Fig. 2 y). Da die motorische Nervenwurzel nicht bloß aus den ventralen, sondern auch aus den lateralen Strängen Längsfasern in sich aufnimmt, so liegt sie nicht an der Grenze zwischen den beiden Längssträngen, sondern theilweise in dem einen, theilweise in dem anderen Strange (Fig. 2 vn’). Jeder Ventralstrang wird durch die sogenannte accessorische oder Mavuruner’sche Kommissur (Figg. 1, 2 c) in eine obere kleinere und eine untere größere Hälfte geschieden. In der oberen lateralen Ecke des oberen Abschnittes verläuft der Länge des Rückenmarkes nach die MautHxer’sche Kolossalfaser (Fig. 1 JZ). Beziiglich der Details der accessorischen Kommissur und der ventralen Nervenwurzeln wird auf das folgende Kapitel verwiesen, hier sei nur erwähnt, dass die MauTHNER’sche Kommissur zu Anfang des Riickenmarkes diffus im ganzen unteren Abschnitte der ventralen Längsbündel sich vertheilt (Fig. 1, 13) und erst in der Gegend des vierten Spinalnervenpaares sich zu konsolidiren beginnt. In dieser Form (Fig. 2) erhält sie sich dann bis gegen das Ende des Rücken- markes hin, um dort abermals diffus zu werden. Bezüglich der ventralen Nervenwurzeln konnte ich beim Hechte an den zwei vor- dersten motorischen Nervenwurzeln öfter beobachten (wenn auch nicht als Regel), dass der Nerv mit zwei getrennten ventralen Wur- zeln aus dem Rückenmarke tritt (Fig. 13) und erst außerhalb des- selben sich zu einem einheitlichen Bündel (Z.vn’) vereinigte. In diesem Falle liegt nieht etwa eine Vereinigung zweier hinter ein- ander liegender Nerven vor, sondern die Erscheinung lässt sich so deuten, dass ein großer Theil der aus dem lateralen Längsstrange herrührenden Wurzelfasern (4), von der Hauptwurzel (a) getrennt, das Rückenmark verlässt. Diese Beobachtung hat darum ein Inter- esse, weil sie zeigt, dass Nervenfasern direkt aus Ganglienzellen der grauen Substanz nicht bloß ventral, sondern auch lateral in die Ner- venwurzel treten können. Die lateralen Längsstränge (Figg. 1, 2 /s, Zs’) erstrecken sich von den ventralen bis. zu den dorsalen Längssträngen. Auch letzteren gegenüber ist die Grenze der Lateralstränge äußerlich, so lange die Lateralfurche sich erstreckt, wohl markirt (Fig. 1 s/). An Quer- schnitten ist diese Grenze im verschiedenen Bau beider Stränge ge- geben (Fig. 2 z, 2’), denn da die Lateralstränge mehr markhaltige 62 Béla Haller Fasern als die dorsalen Stränge führen, und außerdem dieselben in den Längssträngen auch im Allgemeinen breiter sind, so ist ihr Aus- sehen ein durchaus anderes. Den Lateralsträngen der anderen von mir untersuchten Knochenfische gegenüber zeichnen sich jene von Esox dadurch aus, dass die markhaltigen Fasern sehr gleich- mäßige Querdurehmesser besitzen. Bekanntlich werden die Lateralstränge durch aus der grauen Substanz kommende Septen, die unter einander wieder durch Seitensepten verbunden sind, in vielfache Fächer verschiedener Weite abgetheilt. Diese Fächer sind am vollständigsten abgezweigt in der Nähe der grauen Substanz, wo auch die kleinsten Fächer vorkommen; dadurch entsteht hier an den Lateralsträngen des Hechtes (Figg. 1, 2) ein sehr charakte- ristisches Aussehen. Obgleich nicht so häufig als bei manchen an- - deren Knochenfischen, so kommt es doch auch beim Hechte vor, dass einzelne Lingsbiindelchen markhaltiger Fasern in den äußeren Rand der grauen Substanz gelangen, oder dass einzelne markhaltige Längsfasern in der grauen Substanz liegen, doch wird damit die Grenze zwischen grauer und weißer Substanz nicht so gestört, wie z. B. bei der Bachforelle. Dort, wo die Septen (eigentlich nur die Ependymfasern derselben) mit der Neurogliahülle des Rückenmarkes verschmelzen, ziehen sie dieselbe trichterförmig nach innen. Solche trichterförmige oder auf ganz kurzer Strecke als Furche erscheinende Einsenkungen der Rückenmarksoberfläche täuschen nur auf Quer- schnitten Längsfurchen vor. Man kann aus ihrem ‚Vorhandensein auf den Mangel ausgedehnterer Septen in den Strängen schließen. Durch manche soleher Einsenkungen gelangen auch die Gefäße in die Seitenstränge. Die dorsalen Stränge werden durch STIEDA irrig als voll- ständig durch markhaltige Längsfasern gebildet dargestellt. Sie (Figg. 1, 2 ds, ds’) sind unter den Längssträngen des Rückenmarkes nicht nur die schwächsten, sondern unterscheiden sich von den übri- sen Längssträngen sehr wesentlich auch dadurch, dass sie wenig markhaltige Fasern führen. Mehr als die Hälfte ihrer Längsfasern sind marklose, äußerst feine Nervenfibrillen. Die Oberhérner liegen inmitten der Dorsalstränge, und somit kommt noch ein Theil der- selben lateral von den Oberhörnern zu liegen. An dem medianen, an das Septum superius stoßenden Theil der Dorsalstränge lässt sich eine Differenzirung in einen GOLL’schen und BurDAcH'schen Strang zwar nicht beobachten, jedoch kommen oft stellenweise, dem Septum anlagernd, Bündel feinster markloser Fasern vor, die mög- Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 63 licherweise mit jenen in Zusammenhang zu bringen sind. Das dor- sale Septum erreicht beim Hechte nirgends eine mächtige Ent- wicklung. Bei Salmo fario geht das verlängerte Mark ganz allmählich, auch ohne Andeutung einer Fissura posterior, in das Rückenmark (Fig. 9) über. Auch Lateralfurchen sind nicht vorhanden. Die Stelle zwischen der letzten Vaguswurzel und dem ersten Spinalnervenpaare, welche noch im Cranium liegt, und welches Rückenmarksstück ich das »intermediäre« nennen will, ist bereits so geformt, wie das anstoßende extracraniale Rückenmark (Fig. 9), d. h. es ist wie dieses im Querschnitte beinahe kreisrund. Erst in der Gegend des zwölften Spinalnervenpaares erfährt das Rückenmark, ähnlich wie bei Esox, eine geringe Abplattung, die aber zu Ende des Rückenmarkes wieder ausgeglichen wird (Fig. 10). Gegen sein Ende zu nimmt von dem drittletzten Spinalnervenpaare (Textfigur 2 sp’) an das Rückenmark an Volum rascher ab, als dies bis dorthin geschehen war. Auf diese Weise formt sich jenes Stück zwischen dem drittletzten und zweit- letzten Nervenpaare konisch. Die oberen Spinalnervenwurzeln treten, wie für zahlreiche Knochenfische genügend bekannt ist, nicht immer in derselben Ebene aus dem Rücken- marke ab; für gewöhnlich liegt die eine Wurzel etwas vor der anderen. Dieses Verhalten ist gegenüber dem der unteren Wurzeln, die stets in derselben Ebene das Rückenmark verlassen, auch bei der Bach- forelle zu beobachten (Textfigur 3). Die oberen Ner- ven verlassen stets vor den unteren das Rückenmark. Von dem vorletzten Spinalnervenpaare an setzt das Rückenmark bis zum letzten Nervenpaare (v7) seine allmähliche Verjüngung fort. Dieses Stück ist auffallend kurz. Vom letzten Nervenpaare an ver- Jüngt es sich zu einem kurzen, eylindrisch wurm- förmigen Fortsatz (Textfigur 3 ct) der alsbald endigt. Das letzte Spinalnervenpaar (vz) besteht nur aus | unteren Wurzeln, obere fehlen vollständig. Die zwei los unteren Wurzeln legen sich seitlich fast jenem wurm- förmigen Ende des Rückenmarkes an und verlassen erst weiter hinten den Rückenmarkskanal. bY Das wurmförmige Rückenmarksende kann zwar als Filum ter- minale bezeichnet werden, doch hat es mit der gleichnamigen Bildung der höheren Vertebraten, bei denen eine Rückbildung des Rücken- 64 Bela Haller marksendes erfolgte, histologisch nur Weniges gemein. Seine histo- logischen Verhältnisse erwähne ich weiter unten, und hier bemerke ich nur, dass sein Verhalten bei Salmo einfacher ist als nach den Angaben Rauper’s das der Cyprinoiden. Nach E. H. WEBER! und RAUBER? schwillt das Rückenmark der Cyprinoiden vor seiner Endi- gung knopfförmig an, und verläuft dann in einen kurzen konischen Abschnitt, der nach RAUBER nur eine hinten geschlossene einfache Epithelröhre ist. Jene knopfförmige Anschwellung befindet sich an der ventralen Seite des Rückenmarkes und soll ausschließlich binde- gewebiger (neuroglialer?) Natur sein. Dieses Verhalten ist mög- licherweise aus der großen Koncentration des Centralnervensystems der Cyprinoiden erklärbar. Das Rückenmark von Salmo fario zeichnet sich von dem der anderen Knochenfische durch seine cylindrische Form aus. Die beim Hechte — und auch bei Anguilla — sich vorfindenden Ein- drücke auf der Oberfläche, welche auf Querschnitten wie Längs- furchen aussehen, fehlen bei Salmo fario vollständig (Fig. 9). Die graue Substanz hat beiläufig dieselbe Gestalt wie beim Hechte, und auch Größe und Anordnung der Ganglienzellen ist dieselbe. Man findet, nicht ailzuweit von dem Centralkanale entfernt, über einander lagernde, birnförmige Ganglienzellen (Fig. 9 rechts), welche mit ihrem Hauptfortsatze nach unten und außen gerichtet sind. Sowohl in der Lage als auch in der Form erinnern diese, nicht auf jedem Schnitte vorhandenen Ganglienzellen, an die von mir bei Plectognathen als Centralzellen aufgeführten Elemente. Wenn auch jene Zellen der Plectognathen näher dem Centralkanal liegen, ganz regelmäßig auf jedem Querschnitte, so möchte ich sie als Homologa jener Zellen bei Salmo fario halten. Es hätten dann die Centralzellen bei Salmo fario ihre frühere Lagerung, die sie bei den meisten Knochenfischen aufgeben, noch zum Theil behalten. Die Ganglienzellen in der Wurzel der Oberhörner (Fig. 9) und in diesen selbst sind ganz so angeordnet wie bei Esox®; auch die ! E.H. WEBER, Knoten und unpaarer Faden, mit dem das Rückenmark einiger Fische endet, namentlich bei Cyprinus carpio. MECKEL’s Archiv. 1827.- 2 A. RAUBER, Die letzten spinalen Nerven und Ganglien. Morphol. Jahr- buch. Bd. III. 1877. 3 RoHON hat am Rückenmarke von Embryonen der Bachforelle schon nach dem 40. Tage der Befruchtung eigenthümlich große Ganglienzellen beschrieben (Zur Histiogenese des Rückenmarkes der Forelle. Sitzungsberichte der math.- Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 65 Ganglienzellen der weißen Substanz sind in gleicher Zahl vor- handen. Die Oberhörner führen nicht so viele Gliazellen wie bei Esox; sie gruppiren sich bei Salmo hauptsächlich entlang des inneren Ran- des der Oberhörner. Auch der Centralkanal nimmt überall dieselbe Lage ein wie bei Esox. Er ist hinter der Fossa rhomboidalis weit, wird aber im Halsmarke sehr eng (Fig. 9); er erweitert sich, wenn- gleich nicht so stark wie bei Esox, im mittleren Theil des Rücken- markes, wird aber dann gegen das Ende zu wieder eng (Fig. 10), um im Filum terminale — aus seiner früheren Lage, zu Ende aber etwas nach aufwärts zu rücken — abermals sich etwas zu erwei- tern (Fig. 11). Ein Unterschied zwischen den unteren Hörnern der. Bachforelle und denen von Esox besteht darin, dass bei Salmo die Anschwel- lungen derselben in die Seitenstränge, in nächster Nähe der grauen Substanz, ein dichteres Geflecht bilden (Figg. 9, 10) als bei Esox, und dass die Maschenräume dortselbst mehr rund als nach der Pe- ripherie zu gestreckt erscheinen. Auch liegen in den weiten Maschen- phys. Klasse der bayer. Akademie. 1884), die neuerdings bei Embryonen von Salmo salar L. auch beobachtet wurden (G. Rerzius, Biologische Untersuchun- gen. Neue Folge. Bd. V. 1893. pag. 27 ete.). Diese liegen in jeder Rücken- markshälfte einreihig, bis zur Medulla oblongata reichend, an der dorsalen Ober- fläche des Rückenmarkes genau unter der.neuroglialen Hülle (Membrana prima, HENSEN). Erst in späterer Zeit werden sie von der wuchernden weißen Sub- stanz zugedeckt, so dass sie in das Rückenmark zu liegen kommen. Die Zellen der einen Seite können mit denen der anderen direkt anastomosiren; außerdem stehen sie in Beziehung mit den dorsalen Wurzeln der gleichen und der ent- gegengesetzten Seite. Diese Zellen haben ausschließlich nur für das Leben der Larve eine Bedeutung, denn bei dem entwickelten Thiere kommen sie ganz bestimmt nicht vor. Ich habe bei letzteren nie etwas Ähnliches beob- achtet, und auch KUPFFER steht auf diesem Standpunkte (K6LLIKER’s Gewebe- lehre pag. 172, 173). Ich glaube durchaus nicht, dass diese Ganglienzellen des Larvenmarkes etwas mit den REISSNER’schen Zellen der Cyclostomen zu thun hätten, wie dieses ROHON meint, sondern schließe mich der Ansicht KOLLIKER’s (l. ce.) an, nach welcher sie mit den bei Lepidosteus- und Raja-Embryonen durch BEARD (l. c.), sowie durch KUPFFEr bei Accipenserembryonen gesehenen (citirt nach KÖLLIKER, |. c.) zu identificiren sind. Bei erwachsenen Thieren sind bis- her nur bei Lophius ähnliche Zellen durch Fritsch (Uber einige bemerkens- werthe Elemente des Centralnervensystems von Lophius. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXVII. 1886) beschrieben worden. Nach BEARD stehen sie bei Raja und Lepidosteus auch mit extraspinalen Ganglienzellen in direkter Ver- bindung. Höchst wahrscheinlich haben all die homodynamen Ganglienzellen ihre Homologa auch bei Amphioxus. ’ Morpholog. Jahrbuch. 23. 5 66 ? Bela Haller räumen bei der Bachforelle oft beinahe ausschließlich nur marklose Längsbündel. Marklose und auch markhaltige Längsbündel kommen, in größerer Zahl als bei Esox, auch in die Unterhörner zu liegen. Auf diese Weise ist der Übergang der grauen Substanz in die weiße viel kontinuirlicher als bei Esox, und die Grenze zwischen den beiden Substanzen ist weniger markirt. Hierzu trägt freilich auch der Um- stand bei, dass die Seitenstränge zahlreiche marklose Längsfasern enthalten. Die Oberhörner stoßen eben so wenig wie bei Esox an das Septum superius, sondern werden von demselben je durch ein Längsbündel weißer Substanz getrennt (Fig. 9), und erst im hinter- sten Abschnitte des Rückenmarkes liegen sie dicht am Septum su- perius (Fig. 10, 11). In der weißen Substanz verhalten sich die ventralen Stränge, sowie die accessorische oder MAUTHNER’sche Kommissur jenen bei Esox gleich (Fig. 9 c, vs, vs’). Erst weiter caudalwärts verschwindet die accessorische Kommissur scheinbar ganz (Fig. 10), was aus ihrem histologischen Verhalten erklärlich wird. Um die MAUTHNER'schen Fasern herum finden sich auch zu Ende des Rückenmarkes die dieksten Längsfasern, und die Stelle, wo früher die MAUTHNER’sche Kommissur lagerte, wird von feinsten: markhaltigen Längsfasern und von vielen zwischen diese eingestreuten marklosen Längsfasern ein- genommen. Erst unterhalb dieser Stelle befinden sich wieder mark- haltige breite Längsfasern (Fig. 10). Die Lateralstränge von Salmo fario zeigen jenen ven Esox gegenüber ein abweichendes Verhalten, welches sich hauptsächlich in dem Vorhandensein zahlreicher markloser Längsfasern kund giebt. Man kann wohl annehmen, dass bei Salmo fario ein Drittel sämmt- licher Längsfasern der Lateralbündel aus feinen marklosen Fasern besteht (Figg. 9, 10 Zs, 7s’). Die markhaltigen Fasern sind von ge- ringem Kaliber, und erst in dem oberen, dem Dorsalstrange benach- barten Theil der Lateralstränge finden sich zahlreiche breite mark- haltige Längsfasern vor, die sich stellenweise zu Bündeln gruppiren (Fig. 9 0). Diese groben Fasern im dorsalen Theile der Lateralstränge sind längs des ganzen Rückenmarkes vorhanden. Im hintersten Ab-_ schnitte des Rückenmarkes, von dem drittletzten Spinalnervenpaare an, rücken diese hier nun sehr mächtigen Fasern, zu je einem diehten Bündel gruppirt, immer weiter nach oben, bis sie schließlich in die laterale untere Hälfte der Dorsalstränge gelangen (Fig. 10 z, z’). Sie nehmen hier an Zahl bedeutend ab, dafür aber an Mächtigkeit Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 67 auffallend zu, so dass sie den stärksten Fasern der ventralen Stränge gleichkommen.. KÖLLIKER! ist wohl der Einzige, der dieser groben Längsfasern Erwähnung thut, doch muss ich ihm darin widersprechen, dass sie sich auch bei Esox und Perca vorfänden. KÖLLIKER will diese Fasern außer bei Salmo und Barbus auch bei Esox und Perea gesehen haben. Ich habe sie bloß bei Salmo, den Cyprinoiden und bei Anguilla unter den untersuchten Knochenfischen auffinden können. Obgleich ich mit der GotsIschen Methode den Ursprung dieser sroben Längsfasern nicht ermitteln. konnte, glaube ich doch nach dem, was ich an Karminpräparaten gesehen habe, annehmen zu müssen, dass sie theils aus Ganglienzellen der Unterhörner derselben Seite, theils aus solchen der anderen Seite stammen. Für letzteren Fall spricht sehr der Umstand, dass an dem hinteren Rückenmarks- abschnitte, wo diese groben Längsfasern sich zu je einem kompakten Bündel gruppiren, jene Kreuzungsfasern, die, aus den Unterhörnern kommend, in die dorsalen Stränge ziehen, am mächtigsten sind (Fig. 10 m). Man kann dann diese Kreuzungsfasern bis an die gröberen Längsfasern verfolgen. Ihr weiteres Verhalten blieb mir unbekannt, denn obgleich ich im hinteren Theil des Rückenmarkes diese groben Längsfasern fest unter der Wurzel der oberen Spinal- nerven antraf (Fig. 10 z), so glaube ich doch nicht, dass sie mit den oberen Nerven nach außen gelangen, denn ich beobachtete nie in den oberen Nerven so auffallend dieke Fasern. Weiter unten werde ich noch auf das muthmaßliche Verhalten dieser markhaltigen Fasern zu sprechen kommen. Die Dorsalstränge der Bachforelle verhalten sich ganz so wie bei Esox, d. h. sie führen zahlreiche marklose und nur wenige mark- haltige Längsfasern, in Folge dessen sie gegen die Lateralstränge gut abgegrenzt sind (Figg. 9, 10 ds, ds’. Im vorderen Theil des Rücken- markes findet man, dorsal in dem Dorsalstrange und denselben von oben ganz bedeckend, ein breites bandförmiges Bündel feinster mark- loser Längsfasern (Fig. 9p). Es sind .das Längsbahnen, die zum Theil wenigstens sich in dem obersten Vaguskern in dessen Central- netz auflösen und somit Verbindungen zwischen diesem Kern und Centren des Rückenmarkes herstellen, zum Theil aber auch als Pyramidenfasern auf die andere Seite der Ventralstränge gelangen; Verhältnisse, die in einer späteren Arbeit erörtert werden sollen. 1A. KÖLLIKER, Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. Bd. II. 1. Hälfte, 1893. pag. 169. 5* 68 Béla Haller Je näher man an das Filum gelangt, um so zahlreicher treten die neuroglialen Elemente auf. Im Filum selbst (Fig. 11} dominiren dann die Neurogliazellen, doch kommen in der grauen Substanz ab und zu auch Ganglienzellen vor. Um den Centralkanal herum haben die Ependymzellen ihre epitheliale Anordnung vollständig aufgegeben, und um den Kanal findet man mehrschichtige Neuroglia, welche allmählich in die übrige Neuroglia übergeht. Das Septum posterius besteht nieht mehr aus Ependymfasern, sondern wird von dichtge- stellten Neurogliazellen gebildet. Ähnlich verhält es sich mit zwei lateralen Septen, die im dorsalen Theil der Lateralstränge liegen. Die Oberhörner erhalten sich sehr gut, und eben so sind die Dorsal- stränge gut zu .erkennen. Auf diese Weise schließt das Filum ter- minale ab, ohne am Ende in eine epitheliale Röhre überzugehen. Die Gestalt des Rückenmarkes von Anguilla ist hinter dem verlängerten Marke cylindrisch, wird aber viel früher abgeplattet als bei den bisher betrachteten Teleostiern. Schon in der Gegend des dritten Spinalnervenpaares nimmt das Rückenmark jene Form an und behält sie bis weit nach hinten (Fig. 3); aber seinem Ende zu wird sein Querschnitt abermals rundlich (Fig. 4). Ähnliche Eindrücke auf seiner Oberfläche wie bei Esox führt auch das Rückenmark von Anguilla (Fig. 3). Die graue Substanz hat eine ganz ähnliche Form (Fig. 3) wie bei Esox und Salmo fario, doch ist zu bemerken, dass sie gegen das Ende des Riickenmarkes, und zwar schon in der Gegend des zehnten Spinalnervenpaares, insbesondere was die Unterhörner betrifft, der weißen Substanz gegenüber nicht mehr scharf abgegrenzt wird (Fig. 4). Dies rührt zum Theil daher, dass sich den Unterhörnern viele, zumeist marklose Längsbündel bei- mischen. Der Centralkanal ist Anfangs weit, wird aber bereits im Hals- marke sehr eng, erweitert sich dann um ein Geringes im mittleren Riickenmarkstheile (Fig. 3), wird aber erst gegen das Ende des Rückenmarkes weit (Fig. 4). Er nimmt dieselbe Lage ein wie bei Salmo und Esox, d. h. eine senkrechte Linie durch den Centralkanal und durch die beiden Septen Fig. 3 s, s’) hat oberhalb des Central- kanals ihren kürzeren, unterhalb des Centralkanals ihren längeren Abschnitt. Teleostierrückenmarke mit ähnlicher Lage des Central- kanals nenne ich hypocentrale. Auffallend ist bei Anguilla, dass die Ganglienzellen viel kleiner als bei Esox und Salmo fario sind; die größten messen 0,45 mm, die kleinsten aber nur 0,01 mm. Be- züglich der Differenz zwischen größten und kleinsten Ganglienzellen Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 69 ist aber annähernd dieselbe, bei Esox und Salmo wäre sie 49, bei Anguilla 44. Bei dem Aale besteht eine mächtige Entfaltung der Gegend der oberen Kommissur (Fig. 3 m). Bei Esox war es die große Weite des Centralkanals in dem mittleren Abschnitt des Rückenmarkes, wäh- rend bei Salmo die geringe Abplattung daselbst, die einer starken Entfaltung jener Stelle in den Weg treten. Die Gestalt der Ober- hörner ist ganz wie bei Salmo fario, und die Neurogliazellen be- stehen in eben so großer Zahl und in derselben Vertheilung wie bei Esox. Die Oberhörner stoßen nicht an das Septum superius an (Figg. 3, 4). Auch die Dorsalstränge (ds, ds’) sind ähnlich gebaut wie bei Salmo fario und Esox. .Dem gegenüber zeigt das Verhalten der Ventralstränge manche Abweichungen von Esox und Salmo. Das Wichtigste ist, dass die beiden MAUTHNER’schen Fasern bei Anguilla fehlen. Dies scheint Srrepa nicht aufgefallen zu sein, denn er behauptet, dass er sie bei allen von ihm untersuchten Knochenfischen gefunden habe!, und er hat auch Anguilla untersucht, von deren Rückenmark er einen Querschnitt darstellt. Auf dieser sehr klein gehaltenen Abbildung sind keine MAuTHner’schen Fasern zu er- kennen. Auch KOLLIKER erwähnt das Fehlen der Mauruner’schen Fasern beim Aale nicht, obgleich er eine Anzahl. Knochenfische auf- zählt, bei denen sie fehlen, so bei den Plectognathen, Mormyrus, Malapterurus und Gymnotus?. Den Siluroiden® scheinen somit die MavuTuner’schen Fasern durchgehends abzugehen. Da sie nun auch bei Anguilla nicht vorkommen, so gewinnt FrırscH’s Annahme, nach welcher die MAUTHNER'schen Fasern zur Innervirung der Schwanz- muskulatur dienen sollen, viel an Wahrscheinlichkeit.. Ob aber die Annahme FrırscH’s!, nach welcher das Fehlen der Mauruner’schen Fasern auf eine Auflösung derselben in feinere Fasern zurückzuführen sei — da man in der Gegend, wo diese Fasern sonst lagern, eine Gruppe besonders breiter Fasern beobachten könne —, richtig ist, möchte ich einstweilen dahingestellt sein lassen, da ich bei allen Knochenfischen in der nächsten Nachbarschaft der MAurHNErR’schen 1 L. STIEDA, Studien über das Centralnervensystem der Knochenfische. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XVIII. 1868, pag. 23. 271.0. pag. 169, ' 3 Obgleich FrırscH durch die Darlegung der äußeren Gehirnverhältnisse bewiesen hat, dass Gymnotus ein Siluroide ist, wird er in den Lehr- und Hand- büchern der Zoologie merkwürdigerweise noch immer zu den Aalen gestellt. * ]. c. pag. 342. 70 Bela Haller Fasern stets die gröbsten Längsfasern vorfand (s. Figg. 1, 2, 8, 9). Wichtig wäre zu erfahren, ob bei den Acanthopsiden (Cobitiden) die MAUTHNER’schen Fasern fehlen, da ja auch bei diesen mächtige Schwanzflossenmuskeln fehlen, und hierin Verhältnisse wie Anguilla und zum Theil auch bei Siluroiden bestehen. Das Fehlen jener Fasern bei Cobitis würde sehr für FrırscH's Annahme sprechen. Die Gegend der unteren Kommissur unter dem Centralkanal lässt keine Querfaserzüge erkennen, sondern zahlreiche von außen und oben nach innen und unten in die Ventralstränge ziehende Faser- bündel, welehe die Stelle jener einnehmen (Fig. 3). Auch die acces- sorische oder MaurHner’sche Kommissur (c) ist diffuser als bei den anderen untersuchten Knochenfischen, und nur an Stellen, wo untere Spinalnerven das Riickenmark verlassen, ist die Kommissur kom- pakter. All dieses lässt sich nach Erledigung des nächsten Kapitels erklären. Erwähnt sei noch, dass die accessorische Kommissur sehr hoch liegt, in Folge dessen der obere Abschnitt der Ventralstränge weniger mächtig als bei anderen Knochenfischen ist. Im vorderen und mittleren Theile des. Rückenmarkes verhält sich der untere Ab- schnitt der Ventralstränge gleich wie bei den bisher beschriebenen Knochenfischen. Ein Unterschied tritt erst im hintersten Rücken- marksabschnitte ein. Hier, wo die accessorische Kommissur (Fig. 4 c) sehr in den Hintergrund tritt, findet sich, ähnlich wie bei Salmo fario, jedoch in höherem Maßstabe, eine breite Schicht vor (v), die aus nur wenigen, dünnen markhaltigen Fasern und aus zahlreichen feinsten marklosen Fasern besteht. Unter dieser Schicht findet sich peripher eine etwas dünnere Schicht von groben markhaltigen Längs- fasern (w) vor. Weniger durch die Breite der Achsencylinder, als durch die immens weiten Markmäntel sind diese groben Längsfasern ausgezeichnet. Die feinsten unter ihnen finden sich centralwärts. Auch die Lateralstränge (Figg. 3, 4 ds, 7s’) besitzen Eigenthüm- lichkeiten. Das untere Drittel derselben führt ziemlich gleichweite, feinere markhaltige Fasern, und zwischen dieselben sind viele mark- lose Fasern eingestreut (Fig. 3, 4 IT). Der größere obere Abschnitt der Lateralstränge (7) führt bis hinauf zu den Dorsalsträngen eine große Anzahl zerstreut liegender, breiter markhaltiger Fasern. Auf. diese Weise sind die Lateralstränge recht deutlich in zwei unter ein- ander liegende Abschnitte getheilt. Den bisher geschilderten hypocentrischen Rückenmarken gegen- über zeigen die nun als epicentrische aufzuführenden Rücken- marke der Cyprinoiden und bei Perca manche Verschiedenheiten. - Lateralfurchen kommen an der Untersuchungen iiber das Riickenmark der Teleostier. 71 Von Cyprinoidenriickenmarken habe ich am ausfiihrlichsten jenes von Cyprinus carpio untersucht, wesshalb dieses hier geschildert werden soll; die von Leueiscus und Barbus zeigen ähnliche Verhältnisse. Die Gestalt des Karpfenrückenmarkes hinter der Rautengrube lässt sich im Querschnitt mit zwei an ihrer konvexen Seite eng an einander lagernden Bohnen vergleichen (Textfigur 4). Somit ist so- wohl die obere als auch die untere Längsfissur recht tief; doch ver- streichen beide ganz allmählich schon in dem innerhalb des Cra- niums liegenden Theil des Rückenmarkes. Dieser Rückenmarks- | abschnit ist bei den Cyprinoiden auffallend \ lang. Hierdurch erhält der Rückenmarksquer- schnitt eine ovale, ven- tral etwas abgeplattete Gestalt (Textfigur 5). Im mittleren Abschnitte er- fährt das Riickenmark von unten aus eine geringe Ab- plattung, wobei jedoch die Höhe die Breite übertrifft und somit jene platte Form, wie bei Esox und Anguilla, nicht erreicht wird. An seinem Ende wird das Rückenmark rund. Fig. 4. Grenze zwischen den Dorsal- und Lateralsträngen nicht vor, und auch die Oberfläche ist von Eindrücken frei. Die graue Substanz reicht gleich hinter der Rautengrube mit den oberen Hörnern dorsal bis beinahe an die Neurogliahülle (Text- figur 4); an ihrer lateralen unteren Seite befindet sich ein Fortsatz, Zwischen diesem Fortsatz und dem stark mit Karmin tingirbaren 72 Béla Haller Oberhorn (A) ist die graue Substanz der eng anstoßenden weißen gegenüber sehr schlecht begrenzt, und beide gehen kontinuirlich in einander über. Die Dorsalstriinge (ds, ds’) reichen hier genau bis an die Spitze des genannten Fortsatzes. Schon etwas weiter nach hinten (caudalwärts) verstreicht dieser Fortsatz der Oberhörner ganz allmählich. In. der Gegend des vierten bis fünften Spinalnerven entsteht dann gerade an jener Stelle, wo jener Einschnitt früher sich befand, ein fortsatzartiger Vorsprung an den Oberhörnern. An dem unteren Rande dieses Fortsatzes stößt die. Begrenzung des Dorsal- stranges an die graue Substanz (Fig. 8). Stellenweise kann dieser Fortsatz etwas zurücktreten (Textfigur 4), doch ist er überall nach- weisbar. Schon im intereranialen Halsmark entfernen sich die Hinter- hörner immer mehr von der dorsalen Oberfläche des Rückenmarkes, bis schließlich zwischen ihnen und der Oberfläche ein größerer Raum übrig bleibt (Textfigur 5), als bei anderen Knochenfischen. Bald hinter der Rautengrube zieht jederseits ein feiner Streifen grauer Substanz hinauf bis zur hinteren Fissur, jedoch bleibt zwischen diesem Stück grauer Substanz und dem Oberhorne eine schmale Stelle übrig, die, ähnlich wie im übrigen Rückenmark, mit Ausnahme seines hintersten Abschnittes, bei allen bisher erörterten Rücken- marken durch Längsbündel ausgefüllt ist (Textfigur 4). Bald dar- auf, also noch im Halsmarke, legen sich beide Oberhörner dieht an das Septum superius, und bleiben in dieser Lage (Textfigur 5, Fig. 8) bis zum Ende des Riickenmarkes; ein Verhalten, welches ich weder bei Esox noch bei Salmo und Anguilla beobachtet habe. Die eng an einander lagernden und nur durch das Septum superius von ein- ander getrennten Oberhörner machen dann den Eindruck einer ein- heitlichen Bildung von dreieckiger Gestalt, deren oberer Winkel durch das bei den Cyprinoiden mächtig entfaltete obere Ende des Septum superius (Fig. 8 s) gespalten wird. Ein recht ansehnliches Mittelstiick verbindet die Oberhörner mit den Unterhörnern (Fig. 8). Letztere sind weniger umfangreich als bei anderen Knochenfischen, und auch an Schlankheit stehen sie denen anderer Formen nach; dafür machen sie, insbesondere Salmo gegenüber, mehr den Eindruck - des Kompakten. Wie aus der Beschreibung der verschiedenen Rücken- marke der Knochenfische zu entnehmen, entspricht die Form der grauen Substanz jenem der äußeren Rückenmarksform, und so kommt es, dass auch bei Cyprinus die äußere Gestalt und die Kürze des Riickenmarkes, der gedrungenen Körperform der Gattung Cyprinus Untersuchungen über das Riickenmark der Teleostier. 73 gemäß, sowie die Lage des Centralkanals mit der Form der grauen Substanz in Zusammenhang steht. Der Centralkanal zeigt sich gleich hinter der Rautengrube im Quer- schnitte rund und liegt in der Mitte des Rückenmarkes (Textfigur 4). Bald darauf rückt er sehr tief ventralwärts (Textfigur 5, Fig. 8). Im Gegensatz zu den hypocentrischen Rückenmarken von Salmo, Esox und Anguilla, kommt auf diese Weise etwas über zwei Drittel der Höhenachse des Rückenmarkes über den Centralkanal, und nur ein Drittel unter denselben. Hierdurch wird bei solchen Rücken- marken — ich will sie epicentrische nennen — der Raum für die Ventralstränge in Vergleichung mit dem der hypocentrischen Rücken- marke sehr beengt (vgl. Fig. 8 mit Fig. 9), womit wieder eine ge- ringere Längsfaserzahl einhergeht. Es wird aber auch die Gestalt der grauen Substanz in so fern berührt, als ihr über dem Central- kanal gelegener Theil sich mächtiger entfaltet, wobei die medianen Theile der Unterhörner stark nach aufwärts rücken, und die Gan- glienzellen derselben zum Theil über den Centralkanal zu liegen kommen. Die Koncentration des Nervensystems der Cyprinoiden, insbe- sondere der Gattung Cyprinus — wie sich bekannterweise haupt- sächlich in dem Verhalten der Oblongata kund giebt — brachte es offenbar mit sich, dass auch im Rückenmarke in Vergleichung mit anderen Teleostiern verschiedene Modifikationen sich einstellten. Dieses sprieht sich vor Allem in der Größe und Zahl der Ganglien- zellen aus. Nach meinen Messungen beträgt die Größe der größten Zellen 0,81—1 mm, die der kleinsten aber bloß 0,06 mm; allerdings sind Zellen von 1 mm nicht häufig. Während somit die Größen- differenz zwischen kleinsten und größten Ganglienzellen bei Salmo und Esox 49, bei Anguilla sogar nur 44 betrug, beträgt sie bei Cy- prinus 75—94, etwas weniger bei Barbus (ca. 67), und noch weniger bei Leuciscus (63). Dazu kommt noch, dass man in den Unter- hörnern zumeist nur sehr große und sehr kleine Ganglienzellen an- trifft, und dass die Zahl der mittelgroßen Zellen sehr gering ist. Dieses Verhalten fällt schon an einem einzigen Querschnitt auf (Fig. 8). Die größten Zellen findet man zumeist etwas oberhalb des Central- kanals ganz lateral in dem oberen Theil der Unterhörner (Fig. 8). Sie liegen einzeln in jeder Riickenmarkshilfte. Horizontalschnitte geben über die Lage dieser großen Zellen eine noch genauere Aus- kunft. Wir erkennen dann bei Vergleichung derselben mit einem ähnlichen Schnitte von Salmo oder Esox, dass die Lage dieser größten 74 Béla Haller Ganglienzellen (Fig. 23 z) genau den einzelnen Zellgruppen (Fig. 24 gr) in der oberen Zellregion jener Fische entspricht. Wir sehen zugleich, dass um diese großen Zellen herum sich keine mittelgroßen grup- piren, sondern bloß kleinste Ganglienzellen sich ihnen anschließen. Hieraus ist wohl der Schluss zu ziehen, dass die großen Ganglien- zellen, in Folge der Koncentration, ihre physiologische Aufgabe an die stärksten und größten Zellen abgaben, die in Folge dessen sich stark vergrößern mussten. Diese Auffassung gigantischer Nerven- elemente vertrat ich schon vor fünf Jahren bei Besprechung des Centralnervensystems der Würmer!. Für die Ganglienzellen der Oberhérner und der weißen Substanz habe ich dem von anderen Fischen Mitgetheilten nichts beizufügen. Für die weiße Substanz ist bereits mitgetheilt, dass in Folge der tiefen Lage des Centralkanals und der geringen Breite des Rückenmarkes auch die graue Substanz sich mehr nach der Höhe des Rückenmarkes entfaltet, was zur Folge hat, dass der Raum für die Ventralstränge im Verhältnis zum bypocentrischen Rückenmarke etwa um ein Drittel eingeschränkt wird. Darum muss auch die Zahl der Längsfasern abnehmen. Die Möglichkeit, dass Letzteres ohne Störung erfolgen kann, kann nur der Umstand bieten, dass bloß die Wurzelfasern der unteren Spinalnerven derselben Seite an Zahl einbüßen, während verbindende Bahnen unbehelligt bleiben. Da wir nun aber wissen, dass die Lateralstränge einen guten Theil der ven- tralen Wurzelfasern liefern (s. Figg. 2, 9, 13), so dürfen wir auch annehmen, dass die in den Ventralsträngen fehlenden Fasern durch jene substituirt werden. Die accessorische oder Mauruxer’sche Kommissur ist überall in dem Riickenmark der Cyprinoiden sehr gut entwickelt und scharf begrenzt (Fig. 8). Die Lateralstränge (/s, 7s’) zeigen die bereits bei Anguilla und noch mehr bei Salmo angedeutete Differenzirung in zwei Abschnitte noch deutlicher. Der untere Abschnitt (Z7) führt beinahe ausschließlich feine markhaltige Fasern, der obere (7) fast nur grobe Fasern mit Markhiille. Marklose Längsfasern kommen im ganzen Lateralstrange in sehr geringer Zahl vor. Eine besondere Differenzirung weisen die Dorsalstränge auf, denn sie zerfallen in je drei gut unterscheidbare, theilweise über einander ! B. HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. Arbeiten aus dem zoolog. Institut zu Wien. Bd. VIII 1889. pag. 223 (pag. 49 d. Separatabdr.). Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 75 lagernde Bündel. Zu unterst findet sich ein Bündel (Fig. 8 a, Text- figur 5a) von beinahe ausschließlich gröberen und feineren mark- losen Längsfasern. Es ist besonders dieses Bündel, welches sich so kontinuirlich in die graue Substanz der Oberhörner fortsetzt, dass die Begrenzung zwischen den beiden erst bei stärkerer Vergrößerung deutlicher wahrnehmbar wird (Fig. 8). Das mittlere, etwas mäch- tigere Bündel (Fig. 8 4) liegt schon zum Theil dorsal (Textfigur 5 2). Es unterscheidet sich vom unteren Bündel durch zahlreiche, mark- haltige, feine und durch feinere marklose Fasern. Zu innerst jeder- seits vom Septum superius liegt das innere Bündel (Textfigur 5 c) der Dorsalstränge. Es ist das schwächste unter den dreien und führt bloß feinste marklose Lingsfasern. Es giebt die meisten Fasern in die oberen Spinalwurzeln ab (Fig. 8 dr), desshalb möchte ich es als Wurzelbündel bezeichnen. Somit ist auch in den Dorsalsträngen der Cyprinoiden anderen Knochenfischen gegenüber eine höhere Differenzirung aufgetreten, aber einstweilen liegt noch kein Grund vor, diese mit Längsbahnen zum Gehirne in Beziehung zu bringen, da, wie ich beobachtete, alle diese Differenzirungen im Dorsalstrange vor dem verlängerten Marke enden,. d. h. der ganze dorsale Strang erscheint gerade so, wie auch an.sonstigen Stellen bei vielen anderen Knochenfischen, ziemlich einheitlich und wird gleichmäßig von vielen marklosen und wenigen markhaltigen Längsfasern zusammengesetzt (Textfigur 4). Ein anderes epicentrisches Rückenmark, nämlich jenes von Perea, bietet keinen so extremen Fall wie das Rückenmark der Cyprinoiden, und auch die großen histologischen Differenzirungen fehlen ihm. Anfangs ist das Rückenmark, wie bei allen Knochenfischen, etwas hoch und dabei mehr abgerundet, Es wird aber in seinem mittleren Theil etwas abgeplattet, und zwar viel mehr als bei den Cyprinoiden, so dass die Querachse länger als die Höhenachse (Fig. 12) ist. So- mit erinnert das Rückenmark von Perca sehr an die hypocentrischen Formen. Die graue Substanz hat eine eigenartige Gestalt angenommen. Das Zwischenstück zwischen den Ober- und Unterhörnern ist sehr schmal und hoch. Die breiten Oberhörner (Ah, hh’) lagern überall eng dem Septum superius an, doch reichen sie nicht ganz bis zur dorsalen Oberfläche. Jene schmale Stelle zwischen Oberhörnern und Gliahülle wird durch weiße Substanz eingenommen. Die Unterhörner (oA) sind sehr breit und hoch, doch ist jenes Stück, das sie mit dem centralen Theil der grauen Substanz verbindet, recht sehmal. 76 Bela Haller Obgleich die Unterhörner vielfach von markhaltigen Längsbündeln durchsetzt sind, zeigen sie z. B. den Unterhörnern der Bachforelle gegenüber (Fig. 9 vh) ein kompaktes Aussehen. Die Ganglienzellen der Unterhörner gruppiren sich wie bei Salmo oder Esox, so dass der obere laterale Abschnitt gewöhnlich zellenlos bleibt. Bezüglich der Größe der Ganglienzellen -herrscht dasselbe Gesetz als bei Esox und Salmo, und in dieser Beziehung schließt sich das Rückenmark von Perea auch mehr an die Verhältnisse jener Fische an. Bezüg- lich der Ganglienzellen der Oberhérner und der weißen Substanz habe ich dem bisher Mitgetheilten nichts Neues anzufügen. Schon im ersten Kapitel dieser Arbeit berichtete ich über die sonderbare Anordnung größerer Neurogliazellen in der grauen Sub- stanz des Barsches. Dieselben sind im obersten Ende der Ober- hérner dichtgestellt und ziehen von hier aus in Form eines langen Streifens (2) durch die Mitte der Oberhörner und an dem Rande des Zwischenstückes bis zu dem Centralkanal hinunter. Dieser ist überall eng, und wird erst im Ende des Rückenmarkes etwas weiter. Er liegt etwas unterhalb der Mitte der Höhenachse des Rückenmarkes. Auf diese Weise wird der Platz für die Ventralstränge etwas ein- geengt, aber nicht so bedeutend wie bei den Cyprineiden. Die accessorische oder MAUTHNEr’sche Kommissur (c) ist gut ‘begrenzt. Die weiße Substanz bietet die Lateralstringe (ds, /s’) gerade so einheitlich wie bei Esox; sie werden von ziemlich gleichweiten, schmalen, markhaltigen Längsfasern gebildet, denen nur wenig mark- lose Längsfasern eingestreut sind. Im oberen Theil sind keine breiten markhaltigen Längsfasern zu beobachten. Auch die Dorsalstränge (ds, ds’) sind durchaus einheitlich wie bei Esox und Anguilla und zum Theil auch bei Salmo, und werden von zahlreichen marklosen, feinen Längsfasern, denen markhaltige Längsfasern beigemischt sind, zusammengesetzt. Die Vergleichung der verschiedenen Rückenmarke der Knochen- fische mit einander lässt uns die Thatsache nicht entgehen, dass die stärkere Entwicklung eines Theiles der grauen Substanz eine entsprechende Verminderung des anderen Theiles der- selben bedingt, was hauptsächlich im Verhalten des Zwischen-. stückes und der Unterhörner sich ausprägt. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. -1 -1 Der Bau des Rückenmarkes. Nachdem schon ein Theil des feinen Rückenmarksbaues im ersten Kapitel erledigt wurde, erübrigt noch das Verhalten der Gan- glienzellfortsätze zu den Wurzeln der Spinalnerven und zu den Längsbahnen zu besprechen. Zuvor sei jedoch das über den Ur- sprung des Spinalnerven der Vertebraten überhaupt Bekannte mit- getheilt. Für die vorderen Wurzeln wird von den neueren Autoren an- genommen, dass dieselben von Achsencylinderfortsitzen verschieden- ster Ganglienzellen der Vorderhörner gebildet werden, aber bloß von Achsencylinderfortsätzen von Ganglienzellen derselben Seite, nie aber solche der anderen Seite, die etwa durch die vordere Kom- missur hingelangen würden, hierzu beitragen. Die vordere Kom- missur soll vielmehr bloß von sogenannten Protoplasmafortsätzen und nach VAN GEHUCHTEN! durch Collateraläste von Längsfasern der Ventralstränge gebildet werden. Dieser Meinung schließen sich GoLG1, S. Ramon Y CAJAL, KÖLLIKER, v. LENHOSSER und n. A. an. Selbst- verständlich wird auch angenommen, dass auch Längsfasern derselben Seite in die Wurzeln einbiegen. Auch neuere Untersuchungen RErzıus’? an Knochenfisch- und Vogelembryonen führten zu demselben Resul- tate. Nach meinen eigenen Untersuchungen, die ich am Rückenmarke des Orthagoriscus mit der Karminmethode anstellte und gleichzeitig mit RAMön Y CAJAL’s und VAN GEHUCHTEN’s bezüglichen Arbeiten veröffentlichte, gelangen Achsencylinder nur aus Ganglienzellen der- selben Seite in die betreffende ventrale Wurzel, während die untere (vordere) Kommissur (eine accessorische Kommissur kommt bei den Plectognathen nicht vor) von solchen Ganglienzellfortsätzen gebildet wird, die, auf der anderen Seite angelangt, dort in das centrale Nervennetz sich auflösen. Unter den älteren Autoren, von denen ich bloß Reıssyer? und StIEDA® anführen will, nahmen Viele wit größerer oder geringerer Bestimmtheit an, dass auch Ganglienzell- 1 A. VAN GEHUCHTEN, La structure des Centres nerveux. La. Cellule. Vol. VII. 1891. pag. 95. 2 G. Retzıus, Biologische Untersuchungen. Neue Folge. Bd. V. 1893. al. €. * E. Reissner, Der Bau des centralen Nervensystems der ungeschwänzten Batrachier. Dorpat 1864. 5 L. STIEDA, Studien über das centrale Nervensystem der Knockenf ap Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XVIII. 1868. 78 Béla Haller fortsätze aus der anderen Rückenmarkshälfte durch die untere (vor- dere), oder bei den Knochenfischen durch die accessorische Kommissur hindurch in die Wurzel der motorischen Nerven gelangen. Diese Beobachtung konnte v. LeNHossiK, ein entschiedener Gegner letzter Auffassung, weder vor zwei Jahren noch jetzt bestätigen!. Nach den bisherigen Beobachtungen würden sich die Fortsätze der Ganglienzellen der Vorderhörner wie folgt verhalten. Entweder treten sie als direkte Achseneylinder in eine ventrale Wurzel oder in die Ventral- und Seitenstränge als Längsfasern ein, oder aber sie lösen sich in dem centralen Nervennetz derselben oder der entgegen- gesetzten Rückenmarkshälfte auf. Ein Theil dieser letzten Fortsätze würde aber in die weiße Substanz derselben, theilweise auch der anderen Rückenmarkshälfte, eindringen und sich dort verästeln — eine Beobachtung, die zuerst für dieselbe Rückenmarksseite durch BoLL? gemacht wurde und in der neuesten Zeit mittels der GoLeI- schen Methode durch zahlreiche Beobachter, wie durch S. Ramon y CAJAL, GOLGI, KÖLLIKER, v. LENHOSSER u. A. Bestätigung fand, wobei er Br nie gedacht wurde. — Die Verästelung kann so weit gehen, dass, wie bei Reptilien Ramon y Casau? entdeckte, die Fortsätze bis zur äußersten Peripherie des Rückennfarkes gelangen und sich dort, vielfach verästelnd, CasAr’s perimedullären Dendriten- plexus bilden. Bei den anuren Batrachiern hat dieses CL. SALA! ausführlich beschrieben, und für die Selachier theilt v. LENHOSSEK 5 Ähnliches mit; bei Cyclostomen hat es NAnsen 6 beobachtet. Um den heutigen Stand des Ursprunges der hinteren spinalen Nervenwurzeln hier zusammenfassend mitzutheilen, möge daran er- innert werden, dass GERLACH? zuerst den Satz aussprach, nach wel- chem die vorderen Spinalnerven aus Ganglienzellen des Rücken- 1 M. v. Lennoss&x, Beobachtungen an den Spinalganglien und dem Rücken- mark von Pristiurusembryonen. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. pag. 519 und: Beitriige zur Histologie des Nervensystems und der Sinnesorgane. Wies- baden 1894. 2) | 3 §. Ramon y CAJAL, Pequelas contributiones al conocimiento de sistema nerviosa. Barcelona 1891 (citirt nach LENHOSSER). . 4 Cr. Sara, Estructura de la médula espinal de los batratios. Barcelona 1892. 9 AL. ee; ur 6 FRIDJOF NANSEN, The Structure and Combination of the en Elements of the Central Nervous System. Bergen 1886. 7 J. GEerLAcCH, Vom Riickenmark. In Stricker’s Handbuch ‘aed Lehre von den Geweben. Leipzig 1871. pag. 665. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 79 markes, die hinteren jedoch ausschließlich aus dem centralen Nerven- netz ihren Ursprung nehmen. Wenn dieser Satz bezüglich des größten Theiles der Hinterwurzelfasern sich trotz untergeordneter Modifikation, die derselbe durch S. Ramon y Casar’s Entdeckung (Bifurkation, Collateraläste) erfahren hat, auch zur Zeit sich noch bewährt, so hat er doch keine volle Geltung mehr. Es hat sich nämlich gezeigt, dass auch Nervenfasern, direkt aus Ganglienzellen entspringend, in die Wurzeln der hinteren (oberen) Spinalnerven ge- langen. Zuerst hat Freup' den Nachweis geführt, dass gewisse Fasern der hinteren (oberen) Wurzeln bei Petromyzon direkt aus Ganglienzellen entspringen. Es leidet wohl keinen Zweifel, dass derjenige Abschnitt des Rückenmarkes, in welehem diese Ganglien- zellen liegen, homodynam mit einem Theil der Vorderhörner der Gnathostomen ist; desshalb sind auch gewisse neue Entdeckungen bei den Vögeln mit diesem Verhalten der Cyclostomen gleichzustellen. Ich meine den durch LENHOSSEK? und S. Ramon Y CAJAL? gemachten _ Befund, der letzthin auch durch Rerztus‘ Bestätigung fand und nach welchem aus Ganglienzellen der Unterhörner bei Vogelembryonen direkt Nervenfasern entspringen, die sich in die hinteren spinalen Nervenwurzeln derselben Seite fortsetzen. Diese Nervenfasern, die dicker als jene der übrigen Wurzel sind, sollen im Gegensatz zu den letzteren sich in den Spinalganglien mit keiner Ganglienzelle verbinden. Mit diesem Ursprung von Hinterwurzelfasern aus Gan- glienzellen darf aber ein ähnlicher Ursprung von hinteren Fasern aus Ganglienzellen bei Amphioxus, der von Rerzius® beschrieben wurde, nicht gleichgestellt werden. Es handelt sich in diesem Falle vielmehr um Ganglienzellen, die im oberen Abschnitte des Rücken- markes an einer Stelle liegen, welche mit den unteren Hörnern der gnathostomen Fische eben so wenig als mit dem der übrigen Verte- braten für homodynam erklärt werden darf. Es sind das reihenweise in beiden Rückenmarkshälften ‘angeordnete kleinere Ganglienzellen, 1 $. FREUD, Uber den Ursprung der hinteren Nervenwurzeln im Rücken- mark von Ammocoetes (Petromyzon Planeri). Sitzungsberichte der Wiener Akademie. III. Abth. Bd. LXXV. 1877. 2M. v. LENHOSSEK, Uber Nervenfasern in den hinteren Wurzeln, welche aus dem Vorderhorn entspringen. Anatom. Anzeiger. Jahrg. V. 1890. pag. 360. 3 §. Ramön y CAJAL, A quelle époque apparaissent les expansions des cellules nerveuses de la moélle epiniére du poulet? Ebenda. pag. 613. 4 G. Rerzius, Biologische Studien. Neue Folge. Jahrg. V. 1893. pag. 48. 5 Dasselbe. Neue Folge. Jahrg.II. 1892. pag. 29. ‘ 80 Bela Haller unter deren Fortsätzen einer entweder direkt sich in die hintere Wurzel derselben Seite fortsetzt oder einen Ast in dieselbe ent- sendet. Mit welchen Ganglienzellen des Rückenmarkes der gnathostomen Fische diese Zellen zu homologisiren sind, bleibt einstweilen unent- schieden. Jedenfalls sind aber ihre Homologa bei den niederen Gnathostomen in den Oberhirnern oder möglicherweise an deren Basis zu suchen, und es ist die Annahme v. LENHoSsEr’s!, es han- dele sich in diesen Zellen des Amphioxus um noch nicht losgetrennte Elemente, für die bei jüngeren Formen auftretenden Spinalganglien, keineswegs zulässig, denn es sind weder in der phylogenetischen Entwicklung noch in der Ontogenese dafür Anhaltspunkte vorhanden, dass die Spinalganglien sich von dem Rückenmarke als ein Theil seiner grauen Substanz abgelöst hätten. Es zwingt uns vielmehr in der aufsteigenden Reihe im Thierreiche der Vorgang der Koncen- trationserscheinungen des Nervensystems nicht zur Annahme einer Abtrennung peripherer Theile, sondern zu einer Annäherung solcher an das koncentrirte centrale Stück. Von diesem Standpunkte sind denn auch die Spinalganglien zu beurtheilen. Es ist nicht bekannt geworden, in welcher Zahl jene Fasern direkten Ursprunges aus Ganglienzellen der Vorderhörner in die hinteren Wurzeln gelangen. Durch die Gouei’sche Methode lässt es sich aus nahe liegenden Gründen auch nicht feststellen; da diese Fasern jedoch viel dicker sind als die übrigen in den hinteren Wurzeln, so ließe sich auf Querschnitten der extramedullären Wurzel an Karmin- oder anderen Tinktionspräparaten durch Zählung die Zahl jener Fasern eruiren. Hier möchte ich noch daran erinnern, dass möglicherweise auch aus den CLARKE’schen Säulen, wo diese vorkommen, Fasern direkten Ursprunges aufzufinden sein werden. Es scheint mir nämlich, dass diese Zellsäulen auf dieses Verhalten hin noch nicht eingehend genug untersucht worden sind. Die wenigen Angaben berichten über ein »korbförmiges« Umsponnensein dieser Ganglienzellen durch die »En- den« der Collateraläste der Hinterwurzelfasern. Die Entdeckung GERLAcH’s, nach welcher die große Mehrzahl der Hinterwurzelfasern indirekten Ursprunges ist, d. b. aus dem Ner- ı M. v. LENHOSSEK, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neue- ster Forschung. Berlin 1893. pag. 78, Anm. 84 und 93. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 81 vennetze entsteht, wurde zwar durch wichtige Entdeckungen S. Ra- MON Y CAJar's! modifieirt, blieb aber im Principe unverändert. Nachdem bereits Nansen bei den Cyclostomen® eine dichoto- mische T- oder Y-förmige Theilung der hinteren Wurzelfasern inner- halb des Rückenmarkes beobachtet hatte, erkannte S. Ramon Y CAJAL, dass diese beiden Äste der einheitlichen Faser zu nach oben be- ziehungsweise nach unten zustrebenden Längsfasern der weißen Sub- stanz des Rückenmarkes werden; es sind das die auf- und absteigen- den Stammfasern. Diese Entdeckung wurde dann von VAN GEHUCHTEN, KÖLLIKER und v. LENHOSSER bestätigt. Diesen Autoren gegenüber meint aber Gorcı, dass solche Theilungen der hinteren Wurzelfasern nur ausnahmsweise vorkämen, während sie für gewöhnlich ungetheilt bis in die graue Substanz gelangen oder zu Längsfasern werden. Von diesen Stammfasern hat v. LENHOSSER gefunden, dass die ab- steigenden stets schwächer als die aufsteigenden seien, von welchen KÖLLIKER annimmt, dass sie bis zum Gehirne hinaufsteigen. SINGER und Minzer‘ unterscheiden auf Grund pathologischer Erfahrungen unter den aufsteigenden Stammfasern je nach ihrer Länge dreierlei Arten, nämlich kurze, mittlere und lange, unter denen die beiden ersteren in verschiedener Höhe des Rückenmarkes enden, die letz- teren aber bis zu dem Gehirne gelangen. Diese beiden Stammfasern geben zumeist rechtwinklig Fasern ab, die sogenannten Collateralen, die innerhalb der grauen Substanz sich verästeln und nach der Ansicht der Kontakttheoretiker dort in Endbäumchen endigen, nach unserer Auffassung aber aus dem Ner- vennetz entspringen. So sollen auch die beiden Enden der Stamm- fasern sich verhalten. Der Ursprungsort der Collateralen, um dessen Erforschung haupt- sächlich vAN GEHUCHTEN sich verdient gemacht hat, findet nicht nur in dem ganzen Hinterhorn, sondern wenigstens zu einem Theil auch an dem Nervennetze der grauen Substanz der Vorderhörner statt. Solche Collateralen, die bis in die Vorderhörner derselben 1 8. Ramon y CAJAL, Sur lorigine et les ramifications des fibres nerveuses de la moélle embryonnaire. Anatom. Anzeiger. Jahrg. V. 1890. 2 Es ist mir unbegreiflich, wie v. LpnHosséK diese Entdeckung GOLGI zuschreiben kann (siehe |. c. pag. 76). 3 le. 4 Citirt nach v. LENHOSSEK. 5 A. VAN GEHUCHTEN, La structure des centres nerveux: la moélle epiniere et le cervelet. La Cellule. Tom. VII. 1891. Morpholog. Jahrbuch. 23. 6 Q9 Béla Haller Seite hineinreichen, nennt KÖLLIKER Reflex-Collateralen; sie sollen hauptsächlich den »Kontakt« mit den motorischen Zellen vermitteln. Die RoLAanpo'sche Substanz der Hinterhörner und die sie nach hinten begrenzende Lissaver’sche Randzone, diese neurogliareichen und nervenarmen Stellen, dienen nur wenigen Collateralen zum Ursprunge. Wie aus der Untersuchung van GEHUCHTEN’S hervorgeht, betheiligt sich auch das Nervennetz jeder Rückenmarkshälfte recht intensiv an dem Ursprung des Nerven der entgegengesetzten Seite. Solche Fa- sern gelangen durch die hintere (weiße) Kommissur auf die ent- gegengesetzte Seite des Riickenmarkes. Dass diese Betheiligung’ eine sehr intensive sein muss, geht schon aus der Mächtigkeit der oberen (hinteren) Kommissur der Fische, besonders der Pleetognathen und auch der Amphibien, hervor. Bei den Plectognathen habe ich nicht nur bewiesen, dass durch die obere Kommissur ein intensiver Austausch von Wurzelfasern zwischen den beiden Rückenmarkshälften stattfindet, sondern auch gezeigt, dass ein solcher, ähnlich wie es bei Trigla und dem Frosche schon vor mir EDINGEr beschrieben hatte, auch durch eine Kreuzung oberhalb der unteren Kommissur erfolgt!. Letzteres Verhalten wurde später bei den Schlangen. auch von SCHAFFER? aufgefunden. Um so auffallender muss es dann er- scheinen, dass v. LENHOSSEK? entgegen aller bekannten Thatsachen bei Wirbelthieren und wirbellosen Thieren und entgegen der allbe- kanntesten physiologischen Thatsachen fort behauptet, die Endigung der Collateralen vertheile »sich fast über alle Punkte der grauen Substanz nur derselben Markhälfte, und nur ein verschwindend geringer Theil gehe auf dem Wege der hinteren .Kommissur auf die andere Seite hiniiber«. : Wie wir schon weiter oben gesehen haben, werden durch GoL6ı die Ganglienzellen in zwei Gruppen eingetheilt. Die einen dieser Zellen besitzen sogenannte Nervenfortsätze, die als direkte Achsen- cylinder in periphere Bahnen gelangen. Nach S. Ramon Y CAJAL's? Entdeckung können solche Fortsätze in zwei und mehr Aste zer- fallen, so, dass die Ganglienzelle mehreren Achseneylindern zum 1 B. Harter, Über das Centralnervensystem, insbesondere über das Rücken- mark von Orthagoriscus mola. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVII. 1891. 2 K. SCHAFFER, Vergleichend-anatomische Untersuchungen über Rücken- marksfaserung. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXVIIL 1891. 3]. c. pag. 86. 4§. Ramon Y CAJAL, A quelle epoque apparaissent les expansions des cellules nerveuses de la moélle épiniére du poulet? Anatomischer Anzeiger. Jahrg. V. 1890. Bu SCHE WEHR ~~ : | | : } Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 83 Ursprung dient. Aber auch ohne Zerfall einer Faser kann eine Zelle -mehrere Achsencylinderfortsätze (in der RoLANnpo’schen Substanz) abgeben. .Eine zweite Kategorie bilden solche Ganglienzellen, deren sogenannter Nervenfortsatz nach kürzerem. oder längerem Verlaufe in Endäste zerfällt und somit im Rückenmarke endigt. Unter den Zellen der ersten Gruppe werden mehrere Zellarten unterschieden. Als motorische Zellen werden solche bezeichnet, deren sogenannter Nervenfortsatz als Achseneylinder direkt in die Wurzel der vorderen Spinalnerven einbiegt. Strangzellen nennt man solche des ersten Typus, die ihren Fortsatz zu einer Längsfaser .der weißen Substanz derselben oder der entgegengesetzten Rückenmarkshälfte werden lassen. In einem anderen Falle theilt sich der sogenannte Nerven- fortsatz in zwei Achsencylinder, von denen der eine in die weiße Substanz derselben Seite, der andere durch die vordere Kommissur in die weiße Substanz der anderen Seite gelangt, um dort als Längs- faser sich fortzusetzen. Im Gegensatz zu den Strangzellen (!) wer- den solche Zellen, die ihren Fortsatz durch die Kommissur auf die andere Seite senden, als »Kommissuralzellen« bezeichnet. Es muss auffallen, dass, während die Forscher vor der Einfüh- rung der Gouer’schen Methode sowohl bei Evertebraten als auch bei Vertebraten vielfach Anastomosen zwischen benachbarten Ganglien- zellen nachgewiesen haben, solche in letzter Zeit geleugne. werden. WALDEYER bemerkt ganz richtig nach Besprechung meiner Resultate; »Von diesen letzteren (nämlich den Anastomosen) ist seltsamer Weise in allen übrigen Arbeiten kaum mehr die Rede, obgleich sie auch bei höheren Wirbelthieren sicher festgestellt sind!.« Bei vielen Evertebraten sind diese Anastomosen u. A. besonders durch BucHHOLZ und in letzter Zeit durch meine Arbeiten genügend nachgewiesen worden. Bei den Plectognathen habe ich? diesen Nachweis, bei höheren Vertebraten aber hat ihn CArRIERE schon vor 17 Jahren erbracht?. Unter denjenigen Forschern der neueren Zeit, welche bei der Gouer’schen Methode oder bei Methylenblaufärbung untersuchten, ist es, so viel ich weiß, GoLcı allein, der, wie schon erwähnt, solche Anastomosen in allerdings sehr geringer Zahl zugiebt. Hätten diese 1 W. WALDEYER, Über einige neuere Forschungen im Gebiete der Ana- tomie des Centralnervensystems. Deutsche medicinische Wochenschrift von GUTTMANN. 1891. pag. 37 d. Separatabdr. “i Os 3 J. CARRIERE, Uber Anastomosen der Ganglienzellen in den Vorderhörnern des Rückenmarkes. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XIV. 1877. 6* 84 Béla Haller Forscher auch mit anderen technischen Methoden intensiver gearbeitet und auch solche wirbellose Thiere untersucht, bei denen diese Ana- stomosen sehr häufige Erscheinungen bilden, wie u. A. bei den rhipidoglossen Schnecken, so hätten sie sich wohl gehütet, sich in so kategorischer Weise gegen direkte Anastomosen zu äußern. Thatsächlich kommen solche Anastomosen an GoL6T schen Präparaten nur selten zur Beobachtung, was wohl wie vieles Andere, mit dieser Methode schwer Darstellbare (wie z. B. die Ganglienzellen bei alten Exemplaren der meisten Knochenfische ete.), einen uns zur Zeit un- bekannten Grund hat. Nach meinen eigenen Untersuchungen sind direkte Verbin- dungen oder Anastomosen zwischen Ganglienzellen bei den unter- suchten Knochenfischen an Karminpräparaten mehrere Male vorge- kommen und wurden demonstrirt. Diese Anastomosen sind nie so lang wie jene der Pleetognathen; sie finden sich eben so zwischen kleinen (Fig. 6) als zwischen großen Ganglienzellen (Fig. 16), jedoch nirgends häufig vor. Sie sind immer viel feiner granulirt als die Zellkörper, wodurch sie ein ganz blasses Aussehen besitzen. An Goxerschen Präparaten habe ich solche Anastomosen verhältnismäßig recht selten und dann nur unter den kleineren Ganglienzellen auf- sefunden (Figg. 30, /8; 32, 9). Auf solchen Präparaten stellen sie sich etwas anders dar, als an Karminpräparaten. Sie bilden nicht glatte Brücken zwischen zwei Ganglienzellen, sondern lassen Äste abtreten, die sich offenbar im Nervennetz auflösen (Fig. 19). Auch weiter aus einander liegende Ganglienzellen können mit einander verbunden sein (Fig. 20). Obgleich auch diese Verbindungen im Prineipe mit den ersten gleichbedeutend sind, möchte ich sie aus später ersichtlichen Gründen nicht ohne Weiteres jenen anderen gleich stellen. Diese kurze Beschreibung mit den beigegebenen Abbildungen genügt, um jeden nicht voreingenommenen Zweifler über das Vor- handensein solcher Verbindungen zu überzeugen. Bei der Beschreibung des Rückenmarksbaues beginne ich mit dem Ursprung der Spinalnerven. Zur Beurtheilung der Zahl der‘ sich in die Wurzel des motorischen Spinalnerven begebenden Achsencylinder ist der einzige richtige Weg der Untersuchung, gut tingirte Querschnittserien. Man wird dann finden, dass die Wurzel Fasern erhält: erstens aus dem Unterhorn derselben Seite, die ent- weder direkt aus den Unterhörnern (Figg. 1, 9 und 18a) oder in Form eines dünnen, jedoch kompakten Stranges aus der Gegend der eel rl err SS oy Or ea Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 85 subeentralen unteren Kommissur (2) kommen. Dieser letzte Strang (Fig. 1 rechts, Fig. 2 links) zieht, innen von der Mavuruner’schen Faser gelegen, nach unten, durchsetzt lateral die accessorische Kom- missur (c) und gelangt unterhalb derselben in die Wurzel derselben Seitenhilfte. Dieses Bündel: führt jedoch nicht ausschließlich solche Achseneylinder, die direkt aus Ganglienzellen der grauen Substanz entspringen (Fig. 2 links), sondern auch viele solche, die sich als Längsfasern aus der oberen (Fig. 27, 2/) sowie der unteren Hälfte der Lateralstränge derselben Seite sich ihnen beigesellen (Fig. 2 rechts, Fig. 26, 26). Dann gelangen noch Wurzelfasern in den mo- torischen Spinalnerven aus der unteren ventralen Hälfte der Ventral- stränge (Figg. 1, 9, 13, 27, 78) und aus der unteren Hälfte der La- teralstringe (Figg. 2, 9 und 13 2). Auch aus der anderen Seitenhälfte erhält die motorische Wurzel zahlreiche Achseneylinder. Stellenweise sieht man deutlich genug die ganze Kommissur in die Wurzel sich fortsetzen (Fig. 2 rechts). Auch das ist manchmal ganz deutlich zu beobachten, dass dicke markhaltige Achseneylinder durch die accessorische Kommissur aus der einen Seitenhälfte in die anderseitige motorische Wurzel ge- langen (Fig. 9). Uber das weitere Detail geben Gouersche Präparate Aufschluss. Wie genügend bekannt, können in jeder Höhenlage des Unterhornes sich findende Ganglienzellen Achsencylinder in die motorische Wurzel derselben Seite aus sich abtreten lassen. So verhält es sich auch bei den Knochenfischen. Man findet Ganglienzellen von der ver- schiedensten Größe — nur die allerkleinsten Ganglienzellen dürften keine Achsencylinder abgeben — sowohl in der Höhe des Central- kanals (Fig. 26, 20), als auch in der Höhe der MAUTHNER'schen Fa- sern (2, 3 Fig. 30, /9), in der Höhe der accessorischen Kommissur (73 Fig. 27, 7) und unterhalb derselben (Fig. 27, 2, 77), bis weit pe- ripherwärts, und sogar schon außerhalb des Rückenmarkes liegend (Fig. 13), die durch einen ihrer Fortsätze das Wurzelbündel des mo- torischen Nerven vermehren. Auch der Fall kommt vor, dass eine Ganglienzelle einen Achsencylinder abgiebt, der nicht direkt, son- dern auf Umwegen in die Wurzel des unteren Spinalnerven derselben Seite gelangt. So sah ich öfter, dass der Fortsatz einer Ganglien- zelle (Fig. 27, 4) quer über das Vorderhorn und oberhalb der ven- tralen Stränge bis zum Septum inferius gelangte, mit diesem sich in senkrechtem Verlaufe bis zur aceessorischen Kommissur begab und mit letzterer, sich nach außen wendend, als Achsencylinder in S6 Béla Haller die Nervenwurzel gelangte. Auch habe ich beobachtet, dass ein Achseneylinderfortsatz einer großen Ganglienzelle (Fig. 26, 2) sich bis zu seinem Austritt aus dem Rückenmark zweimal gabelte, so dass eine und dieselbe Zelle drei Achseneylinder in den motorischen Spinalnerven derselben Seite entsendete. Die meisten Zellen gaben nur einen Achsencylinder in die Wurzel ab. Bei jener Gabelung des Hauptfortsatzes mag es sich treffen, dass nur ein Nebenfortsatz desselben sich als Achsencylinder in die Wurzel begiebt, während der Hauptfortsatz sich dem ventralen Bündel derselben Seite als Längsfaser beimischt, wie dieses wohl die Zelle 4 auf Fig. 30 vor- stellt. Es kommt aber auch vor, dass eine Ganglienzelle einen Achsencylinderfortsatz in die Nervenwurzel derselben Seite und den anderen, durch die accessorische Kommissur hinüber, in die Wurzel des anderseitigen Nerven als Achsencylinder entsendet (Fig. 30, 77). In manchen Fällen kann man freilich wegen der Unterbrechung dieser Kommissuralfaser (Fig. 27, 77) nicht entscheiden, ob sie wirk- lich als Achsencylinder in die anderseitige Wurzel gelangt. Mit diesem letzten Falle wären wir zu jenen Achsencylinderfortsitzen von Ganglienzellen der einen Rückenmarkshälfte gelangt, welche durch die accessorische Kommissur hindurch in die Wurzel der an- deren Rückenmarkshälfte gelangen. Solches Verhalten habe ich oft genug beobachtet (Fig. 30, 5, ferner die Faser oberhalb von 20 und vielleicht auch 20, dann Fig. 27, 9). In der subcentralen Kommissur (x der Figg.) habe ich solche Achseneylinder nicht gesehen. Auch das habe ich beobachtet, dass eine Faser. durch die accessorische Kommissur in den anderseitigen Ventralstrang gelangte (Fig. 31, 6) und sich dort in zwei nach vorn und hinten verlaufende Längsfasern theilte, von denen eine einen Ast als direkten Achseneylinder in die ventrale Nervenwurzel entsandte. Es wäre somit der direkte Nachweis erbracht, dass Achseneylinderfortsätze von Gan- glienzellen aus der einen Rückenmarkshälfte auch in den Spinalnerven der anderseitigen Hälfte gelangen. Dies wäre nach dem von ROHDE! und mir? beobachteten Verhalten des Haupt- fortsatzes der großen lateralen Ganglienzelle bei chiitopoden Anne- liden nichts Überraschendes. Die übrigen Fortsätze jener Ganglienzellen, welche einen Achsen- 1 E. RoupE, Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Chätopoden. A. SCHNEIDER’s Zoologische Beiträge. Bd. II. 1887. 2 B. HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. Arbeiten aus dem zoolog. Institut zu Wien. Bd. VIII. 1889. a ee u ee ee a ne ee ee rl a SE ————— ee Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 87 cylinder in den gleichseitigen motorischen Nerven oder in den ander- seitigen, oder aber in beide zugleich abgeben, verhalten sich folgen- dermaßen: Die feinsten und kürzesten verästeln sich bald nach ihrem ‚Abgange von der Ganglienzelle in das centrale Nervennetz der grauen Substanz. Solche Netzfortsätze hat jede beliebige Ganglienzelle der grauen Substanz in großer Zahl (Fig. 31, 2). Andere oft sehr dicke Fortsätze schickt die Ganglienzelle in den Lateralstrang (Fig. 26, 2, 3,6, 14, 15; Fig. 27, 4, 4, 5, 9, 10, 34, 38). Im Falle die betreffende Ganglienzelle ganz nahe am lateralen Rande der grauen Substanz liegt, sind diese Fortsätze dadurch ausgezeichnet, dass sie bald nach ihrem Abgange von der Zelle sich zumeist dichotomisch in zwei Hauptäste theilen (Fig. 26, 6; Fig. 31, 3, 10, 12; Fig. 31, 7, 9, 10); es können aber diese zwei Äste auch getrennt von einander direkt vom Zellkörper abgehen (Fig. 31, /, 4; Fig. 26 die Zelle oberhalb 2). Von diesem Verhalten machen einige wenige Ganglienzellen, die in der Höhe der accessorischen Kommissur oder etwas unterhalb derselben liegen (Fig. 27, /, 2) in so fern eine Ausnahme, als ihr für den Lateralstrang derselben Seite bestimmter Fortsatz äußerst mächtig ist und in den Lateralsträngen ziemlich peripher gelegen, in einem nach innen zu konkaven Bogen bis nahe an die Dorsalstränge hin- aufzieht. Während seines Verlaufes giebt dieser Fortsatz fortwährend feinere Äste in den Lateralstrang ab. Oft ist er nicht so mächtig wie in dem abgebildeten Falle. Diese Ganglienzellen gehören entweder den größten oder den mittelgroßen Zellen an. Immer sah ich von ihrem Achsencylinder Fortsätze in die motorische Wurzel derselben Seite abtreten. Diese Zellen ließen sich wegen ihrem oberen Fortsatze am ehesten mit gewissen großen Zellen vergleichen, welche im unter- sten Abschnitte des Unterhornes vorkommen und bei Selachiern durch v. LEnHoss£kX!, bei Dipnoi (Protopterus) von v. KÖLLIKER? und bei anuren Batrachiern durch Cu. Sara? beschrieben wurden. Auch nach Saua geben diese Zellen Achsencylinderfortsitze in die motorische Nervenwurzel derselben Seite ab. Dass auch kommissurale Fortsätze von diesen Zellen der Teleostier abgehen würden, habe ich nicht beobachtet, doch wäre das in Anbetracht der Umstände, dass ja beinahe jede Ganglienzelle im Unterhorn jeden beliebigen Fortsatz abgeben kann und dass nicht alle Fortsätze unbedingt geschwärzt werden müssen, noch kein Grund, solche in Abrede stellen zu wollen. Das Verhalten dieser Fortsätze in den Lateralsträngen bespreche ich 1 11. ce. 2 Handbuch der Gewebelehre. 3]1.e. 88 Béla Haller weiter unten und erörtere hier noch jene Fortsätze, die in die ven- tralen Stränge beider Seiten und in die graue Substanz oder in die Lateralstränge der anderen Rückenmarkshälfte sich begeben!. In der Nähe des Centralkanals befinden sich Ganglienzellen (Fig. 26, 20), die, nach Entsendung eines Achsencylinderfortsatzes in die Nerven- wurzel derselben Seite, einen anderen langen Fortsatz durch die subeentrale Kommissur (7) auf die andere Rückenmarkshälfte ge- langen lassen. Dieser Fortsatz löst sich entweder in dem Nerven- netz der grauen Substanz schon in seine Endäste auf, oder er zieht, wie in dem abgebildeten Falle, zu dem lateralen Strang und ver- zweigt sich erst dort. Es wären solche Fortsätze also ähnliche Ge- bilde, wie ich sie bei Orthagoriscus auch mit der einfachen Karmin- methode in großer Zahl erkennen konnte? Ob sie schon vor ihrer Endverästelung feine Ästchen in das Nervennetz abgeben, konnte ich nieht beobachten. Bekanntlich haben van GEHUCHTEN? und S. Ramon y CayAu beim Hühnchen zahlreiche solche Fortsätze gefunden, die, oft nur von einer einzigen Zelle ausgehend, einen großen Theil der vorderen Kommissur ausmachen. Es sind dies ganz ähnliche Netzfortsätze, wie die von mir beschriebenen; in der Form jedoch, wie sie bei dem Hühnchen vorkommen sollen, habe ich sie bei den Knochenfischen nicht gesehen. Sie wurden auch bei anderen Wirbel- thieren beschrieben und v. LENHOSSER, der sie bei Selachiern genau geschildert hat‘, meint behaupten zu sollen, dass die untere Kom- ı G. Rerzius (Die nervösen Elemente im Rückenmarke der Knochenfische- Biologische Studien. Neue Folge. V. 1893) untersuchte mittels der GoLGI’schen Methode das Rückenmark von Embryonen des Salmo salar und fand folgende Ganglienzellarten dort vor: 1) Motorische Zellen oder solehe, deren Achsen- cylinderfortsatz sich in die Wurzel eines motorischen Nerven derselben Seiten- hälfte sich einsenkt; sie sollen in geringer Zahl (!) vorkommen; 2) Kommissural- zellen, deren Achsencylinderfortsatz sich durch die accessorische Kommissur hindurch auf die andere Riickenmarkshilfte begiebt, um dort, sei es in den ventralen oder in den lateralen Strängen, zu Längsfasern zu werden; viele unter ihnen sollen unipolar sein (!); 3) Strangzellen. Diese unterscheiden sich einzig dadurch von den Kommissurenzellen, dass sie ihren Achsencylinderfort- satz zu Längsfasern derselben Riickenmarkshilfte werden lassen. Vielfach hat ReTzıus Ganglienzellfortsätze sich in die Lateralstränge begeben sehen, wo sie sich vielfach verästeln, wobei ihre Äste bis zur äußersten Peripherie reichen, dort jedoch »blind endigen«. 2]. c, Pig. 12. 3 A. VAN GEHUCHTEN, Structure des centres nerveux. La Cellule. Tom. VII. 1891. Taf. I Fig. 2. 4 Beiträge zur Histologie des Nervensystems und Anatomischer Anzeiger. Bd. VII. 1892. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 89 missur bloß aus solchen Netzfortsätzen, mögen sie direkt von den Zellen abgehen oder als Collateraläste vom Achsencylinder sich ab- _ zweigen, besteht. Ich habe solche Fortsätze auch von Ganglienzellen abtreten sehen, die tiefer im Unterhorne lagen (Fig. 27, 38) und keinen Achsencylinder in die Nervenwurzel entsandten. Solche kom- missurale Netzfasern gelangen dann, indem sie während ihres ganzen Verlaufes Ästchen in das Nervennetz der Ventralstränge abgaben, durch die accessorische Kommissur auf die anderseitige Rückenmarks- hälfte, um sich dann dort entweder, wie in dem abgebildeten Falle, im Nervennetz der grauen Substanz zu verästeln oder in die Lateral- stränge zu gelangen. Auch beobachtete ich (Fig. 26, 25), dass ein solcher Zellfortsatz, der zuvor einen, aller Wahrscheinlichkeit nach dünnen Achseneylinderfortsatz abgab, noch in dem obersten Ab- schnitt der Ventralstränge einen weiteren Ast abgiebt, der dort zu einer Längsfaser wird oder mit einer solchen sich wenigstens ver- bindet und erst nachher durch die subcentrale Kommissur auf die anderseitige Rückenmarkshälfte gelangt. Sehr oft gelangen aber Kommissuralfasern nur bis zum Septum medium inferius und senken sich dort mit demselben in die Tiefe. Ich habe einen Fall abge- bildet (Fig. 26, /0), wo ein Fortsatz einer kleinen Ganglienzelle, die oberhalb der Ventralstränge und unweit des unteren Septums lag, sich ganz so verhielt. Dieser Fortsatz gab mehrere Nebenäste ab, — deren Vorhandensein deutlich zu erkennen war, obgleich sie selbst nieht geschwärzt waren, — gelangte bis unter die accessorische Kom- missur, wandte sich dort in die entgegengesetzte Rückenmarkshälfte und wurde zu einer Längsfaser oder verband sich doch mit einer solchen. Ein Fortsatz einer anderen, tiefer im Vorderhorne gelegenen Ganglienzelle (Fig. 26, 74) verhielt sich eben so. Im unteren Septum ziehen — außer zahlreichen Gefäßen und Ependymfasern, welche als Fortsätze der Zellen des Centralkanals bis zur Neurogliahülle des Rückenmarkes reichen, um sich mit der- selben zu verbinden — zahlreiche Nervenfäden feineren Kalibers ven- tralwiirts. Außer den eben beschriebenen Kommissuralfasern sind es jene weiter oben schon besprochenen Achsencylinderfortsiitze, welche nicht auf die andere Seite des Rückenmarkes gelangen. Vielfach treten auch feinere Fortsätze größerer Ganglienzellen (Fig. 30, 7, 2) an dieser Stelle in das Septum und lösen sich allmählich in das Nervennetz der Ventralstränge auf (Fig. 27, 20; Fig. 30, 72) oder werden selbst noch an der äußersten Peripherie des Rückenmarkes zu feineren Längsfasern (Fig. 27, 22). Es begeben sich aber auch 90 Bela Haller solche nahe (Fig. 26, /0) oder auch sehr weit entfernt liegende Gar- glienzellen (Fig. 26, 74) in das Septum, die nach kürzerem oder län- gerem Verlaufe in den anderseitigen Ventralstrang einbiegen und dort zu Liingsfasern werden. Wie schon erwähnt, liegen in der weißen Substanz des Rücken- markes zahlreiche kleine Ganglienzellen zerstreut, die auch in das Septum (Fig. 26, 76; Fig. 29) gerathen. Alle diese Zellen der weißen Substanz (Fig. 26, 24; Fig. 30, 7, 8, 40, 11, 13, 14) sind zum größten Theil nur mit kurzen Netzfortsiitzen versehen, die sich bald nach ihrem Abgange in das Nervennetz der weißen Substanz auflösen, wie weiter oben bereits erwähnt wurde. Manchmal (Fig. 30, 3, 70) kann man auch Verbindungen zwischen diesen Zellen und solchen der grauen Substanz erkennen. Für die Bestandtheile der accessori- schen Kommissur, so weit sie hier noch nicht besprochen wurden, bemerke ich Folgendes. Seit der Entdeckung GoLers weiß man, dass die Achsencylinder stets feine Äste abgeben, die sich in der grauen Substanz, zum Theil aber auch in den Längssträngen viel- fach verästeln. Ich fand solche Seitenäste vielfach an den Achsen- eylindern der ventralen Wurzeln (Fig. 26, 7, 26; Fig. 27, 1, 40; Fig. 30, 6 etc.). Man unterscheidet unter ihnen solche, die ganz kurz sind, und in dem Nervennetz der anliegenden grauen Substanz sich auflösen, oder solche, die in das Nervennetz der weißen Sub- stanz, d. h. in die lateralen und ventralen Stränge sich begeben. Eine besondere, nicht unvermittelte Art solcher Fortsätze sind die- jenigen, die durch die accessorische Kommissur auf die andere Rückenmarkshälfte gelangen; diese sind vielfach zu beobachten. Gewöhnlich ist der Achseneylinder, mag er aus einer Längsfaser zur vertikalen Wurzelfaser werden oder direkt aus einer Ganglienzelle entstehen, dicker als der von ihm abgehende Ast, doch giebt es auch Fälle, in denen der kommissurale Ast eben so stark ist wie der Achsencylinder selbst (Fig. 28, 2). In den meisten Fällen ist jedoch der kommissurale Fortsatz viel feiner als der Achseneylinder'. Ofter sah ich, dass ersterer nach seinem Durchtritt durch die acces- sorische Kommissur (s. unterhalb und medianwärts vom 8. auf Fig. 26) bis in den Lateralstrang gelangte, um sich dann dort zu verästeln. Soleher Fortsätze können, wie ein Längsschnitt zeigt (Fig. 32, 76), oft mehrere hinter einander von einem Achsencylinder abtreten. Auf ! Da auch der abtretende Ast zum Achsencylinder werden kann, so ist diese Benennung hier nur aus Opportunitätsgründen verwendet worden. te Untersuchungen iiber das Riickenmark der Teleostier. 91 guten Präparaten kann man beobachten, dass auch diese kommissu- ralen Aste noch sekundäre Aste abgeben; diese streben (Fig. 28, $) in den meisten Fällen nach unten der Peripherie zu ‘Fig. 30, 5, 2, 27), um bald, nachdem sie die accessorische Kommissur verlassen haben und in die untere Hälfte der Ventralstränge gelangen, sie sich dort in dem Nervennetz zu verästeln. Alle bisher von der accessorischen Kommissur mitgetheilten Verhältnisse sind auf Fig. 30, welche Ab- bildung mit Ausnahme dreier Ganglienzellen nach einem einzigen Präparate dargestellt ist, deutlicher zu erkennen, als dass eine weitere Beschreibung nöthig wäre. Hier möge noch Einiges über kommissurale Fasern mitgetheilt werden, deren Bedeutung aber erst im Laufe der weiteren Beschrei- bung erkennbar wird. Auf einem Präparate (Fig. 27) war auf der einen Seite ein Stück eines Achsencylinders geschwärzt (y), das einen kommissuralen Fortsatz abgab, welcher (70) sich durch die acces- sorische Kommissur hindurch auf die andere Rückenmarkshälfte fort- setzte und, dort angelangt, zuerst nach oben und dann nach außen bog, um sich endlich mit einer mittelgroßen Ganglienzelle (/0), die etwas aus der grauen Substanz herausgerückt war, direkt zu ver- binden. In einem anderen Falle (Fig. 28) gelangte der eine der drei geschwärzten Fortsätze einer Ganglienzelle (7) als kommissurale Faser in die accessorische Kommissur. Obgleich dieser Nervenfaden fortwährend aus sich Äste abzweigen ließ, wurde er trotzdem bis zu seiner dichotomischen Theilung auf der anderen Rückenmarkshälfte immer stärker. Sein erster, seiner ganzen Länge nach geschwärzter Fortsatz gelangte in die untere Hälfte der Ventralstränge und theilte sich hier in zwei Äste, von denen der innere zu einer feineren, mark- haltigen Längsfaser (4) wurde. Von zwei anderen Fortsiitzen ge- langte der eine (9) neben dem Septum in die untere Hälfte der Ventralstränge, der andere über diesen in deren oberen Theil. Der eine war nicht ganz geschwärzt, der andere durchschnitten. Ein anderer stärkerer Fortsatz (5), der bereits in der anderen Rücken- markshälfte lag, gelangte nach unten und wurde zu einer ansehn- lichen Längsfaser. Nun theilte sich noch innerhalb der ventralen Stränge das Ende der kommissuralen Faser in zwei Äste, von denen der untere (6) zu einem Achseneylinder der unteren Wurzel wurde, während sich der obere (7) in dem unteren Horne verästelte. Ein anderes Mal (Fig. 26) gelangte der eine geschwärzte Fortsatz einer Ganglienzelle (8) in die accessorische Kommissur und verband sich auf der anderseitigen Rückenmarkshälfte neben dem Septum mit dem 92 Béla Haller einen, aus der dichotomischen Theilung hervorgegangenen Aste zu einer dieken Längsfaser (a). Der andere Ast jener Längsfaser (c) zog nach oben und außen, gab einen Fortsatz in die untere Hälfte des Ventralstranges und bald darauf wieder einen stärkeren Ast ab (8), der zu einem Achsencylinder der ventralen Nervenwurzel (vn’) wurde. Die Fortsetzung der kommissuralen Faser gelangte schließ- lich in das Unterhorn, doch da die Schwärzung hier aufhörte oder die Faser durchschnitten war, konnte ihre weitere Beziehung nicht festgestellt werden. Die dicke Längsfaser (a), die sich neben dem Septum getheilt hatte, gab noch unterhalb ihrer dichotomischen Theilung einen feinen Ast ab, der sich im Septum alsbald theilte. Der eine seiner Äste verband sich mit einem Aste einer anderen feinen Nervenfaser (y), der aus der grauen Substanz des anderseitigen Unterhornes kam, während der andere Ast der Längsfaser vertikal im Septum nach unten zog, um sich dann unter spitzem Winkel mit einem Aste einer kleinen Ganglienzelle (76), welehe oberhalb der accessorischen Kommissur dem Septum anlagerte, zu verschmelzen. Der auf die geschilderte Weise entstandene Nervenfaden (s) gelangte im Septum nach unten und verästelte sich dort allmählich, ohne die Peripherie zu erreichen. Ich habe diese drei kommissuralen Verbindungen sehr ausführ- lich geschildert, und man könnte viele ähnliche Fälle einzeln be- schreiben, so mannigfaltige Kombinationen kommen hier vor. Auf die weitere Bedeutung solcher Verbindungen werde ich erst weiter unten eingehen, ich nenne sie kombinirte kommissurale Ver- bindungen. Ich habe schon erwähnt, dass gewisse Fasern für die motorische Wurzel derselben Seitenhälfte, jederseits in Form eines ansehnlichen Bündels, median von den MAurHxer’schen Fasern nach unten in die motorische Wurzel ziehen. Es sind dünnere Achseneylinder, die zum Theil ihre Entstehung kleinen Ganglienzellen, die unterhalb und nach außen vom Centralkanale und oberhalb der Ventralstränge liegen, verdanken, oder zum Theil senkrecht nach unten und außen lie- gende Längsfasern sind. Jene kleinen Ganglienzellen dienen stellen- weise auch Längsfasern zum Ursprunge und können manchmal in die weiße Substanz einrücken (Fig. 27 2). Manchmal konnte ich wahrnehmen, dass kleinere Fasern aus dem Wurzelbiindel der motorischen Nerven unterhalb der accessori- schen Kommissur im Nervennetze der weißen Substanz sich ver- ästelten (Fig. 27, 79). Obgleich solche Bilder zuweilen die Entstehung Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 93 von Achsencylindern aus dem Nervennetze vortiiuschen, so handelt es sich hier doch bloß um Collateraläste. Uber das anatomische Verhalten der Mauruner’schen Längs- fasern, die bekanntlich zum Ursprunge gewisser Fasern in den drei letzten unteren Spinalnerven dienen, theile ich Folgendes mit. Ihr Ursprung aus großen Ganglienzellen im ventralen Gehirntheil, und zwar in der Nähe der Gegend des Acusticusabganges, von deren Fortsätzen einer sich auch in das Acusticusbündel begeben soll (MAYSER, GORONOWITSCH), möge hier nicht berührt werden. Bekannt ist auch, dass die MAuTHner’schen Fasern alsbald nach ihrem Ur- sprunge sich kreuzen und dass sie im caudalen Ende des Rücken- markes sich theilen, wobei ihre Endäste aller Wahrscheinlichkeit nach zur Innervirung der Schwanzflossenmuskulatur dienen. Goro- nowıtscH! fand bei Aceipenser, dass von den MAUTHNER’schen Längs- fasern feinste Ästehen sich abzweigen, und er konnte solche, wenn auch selten, aus der Markscheide austreten sehen. Diese feinen Faden sah bei Protopterus auch BURCKHARDT?, der die MaurHNER’schen Fasern aus feinsten Fibrillen zusammengesetzt denkt. Die feinen abtretenden Aste werden nach GORONOWITSCH nie zu Achseneylindern. An diese Entdeckung GoroxowıtscH’s anknüpfend, will ich meine eigenen Beobachtungen über diese Riesenfasern mittheilen. Sie zeigen bei allen von mir untersuchten Knochenfischen gleich von ihrer Kreu- zungsstelle an bis zu ihrem Ende in ihrem Verhalten eine große Gleichförmigkeit. Der im Verhältnis zur Markhülle schmale Achsen- eylinder erscheint durchaus einheitlich, und von einem Zerfall in zahlreiche Längsfibrillen ist durchaus nichts zu erkennen. Immerhin habe ich stellenweise, besonders im hinteren Drittel des Rücken- markes, eine eigenartige Differenzirung innerhalb des Achsencylinders beobachten können, von der ich jedoch nicht zu entscheiden vermag, ob sie nicht der Ausdruck eines durch die Reagentien hervorgerufenen Zustandes sei. In Karminpräparaten habe ich nämlich gesehen, dass sich im Achsencylinder eine Rindenschicht von einer Markzone stellen- weise deutlich abhebt. Letztere ist recht ansehnlich, und da sie sich mit Karmin intensiver färbt als die Rindenschicht, so erscheint der Quer- 1 N. GORONOWITSCH, Das Gehirn und die Cranialnerven von Accipenser. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIII. 1888. 2 R. BURCKHARDT, Das centrale Nervensystem von Protopterus annectens. Berlin 1892. 94 Béla Haller schnitt der MaAurHNer’schen Faser an diesen Stellen einer großkernigen Zelle ähnlich. Die Markzone ist fein granulirt, die Rindenschicht jedoch ganz homogen. An Längs- oder Horizontalschnitten erkennt man die Markzone in Form einer spindelförmigen Bildung in dem Achsen- cylinder eingelagert. Sie hat somit mit einem Fibrillenbiindel nichts zu thun. Auf dem Querschnitte erscheint der Rand des ovalen Achsencylinders, der entweder in der Mitte der Markscheide oder excentrisch in derselben liegt, bei schwächerer Vergrößerung ausge- franst. Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man jedoch, dass auf den über der ganzen Oberfläche des Achseneylinders vertheilten Er- höhungen Fäserchen sich ansetzen, die sich entweder noch innerhalb der Markscheide verzweigen oder unverzweigt die Markscheide durch- setzen und auf diese Weise nach außen gelangen. Auf einem Quer- schnitte kann man manchmal 7—9 solehe mit Karmin sich nicht färbende feinste Äste erkennen. In Chromsilber-Präparaten wird der Achsencylinder der MAuTHnEr’schen Faser nur selten und nur für ganz kurze Strecken geschwärzt. In solchen Fällen kann man dann an jenen eben beschriebenen gleichfalls geschwärzten Astchen (Figg. 27, 30 f’) sehr gut beobachten, dass sie von dem Achseneylinder ab- zweigen, durch die Markscheide nach außen gelangen und sich dort sofort vielfach verzweigen. Diese feinen Äste sind manchmal auch dann noch geschwärzt, wenn der Achseneylinder ungeschwärzt bleibt (Fig. 30 links). An der Hauptfaser habe ich außer diesen feinen Fortsätzen und mit Ausnahme der Endäste im hintersten Ab- schnitte des Rückenmarkes nie andere Äste beobachtet. Von den feinen Astchen kann ich aussagen, dass sie sich im Nervennetz der weißen Substanz der Ventralstränge verzweigen, und somit steht jede Mauruner’sche Faser durch zahlreiche feinste Aste mit dem Nervennetz im Zusammenhang. Es ist hier dasselbe Verhalten zu konstatiren, wie ich es für die Kolossalfasern der Lum- brieiden nachgewiesen habe', die ja auch vielfach durch feinste Aste mit dem Nervennetz des Bauchmarkes in Verbindung treten. 1 In jüngster Zeit glaubt BENEDIKT FRIEDLANDER (Altes und Neues zur Histologie des Bauchstranges des Regenwurms. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. LVII. 1894) meine Angaben über den Zusammenhang der Kolossalfasern der Lumbrieiden mit dem centralen Nervennetz bestreiten zu müssen. Es soll vielmehr nach seiner Beobachtung jenes Nervennetz um die Riesenfasern herum nichts Anderes als der Ausdruck der Struktur der Markscheide sein, denn solche giebt es nach FRIEDLÄNnDER’s Dafürhalten auch bei vielen Wirbellosen (!). Es thut mir leid auch heute, nach öfterem Studium von Bauchmarken der Lumbri- ciden (zur Beruhigung FRIEDLÄNDER’s möge mitgetheilt werden, dass diese Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 95 Die Endäste der Mauruner’schen Fasern treten mit den drei letzten ventralen Spinalnerven aus dem Rückenmarke!. Durch die Betrachtung der Verhältnisse an horizontalen Längsschnitten wird unsere Vorstellung über den Ursprung der motorischen Nerven, den wir uns bisher nur durch die einseitige Verfolgung von Querschnitten gebildet haben, bedeutend vervollständigt. Darum gab ich mir Mühe, recht viele solche Präparate anzufertigen. Unter vielen Hunderten von Schnitten sind mir nur sehr wenige gelungen. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Präparate nur ausnahmsweise gelingen können, denn es schwärzen sich bekanntlich markhaltige Fasern auf größere Strecken nur selten. Immerhin gelingt es hin und wieder doch einmal, und wie ich zeigen werde, sind Schwärzungen noch auf die Länge zwischen zwei hinter einander gelegenen Spinalnerven erzielbar. Hierzu kann ich kleine Exemplare der Bachforelle em- pfehlen. Wenn bisher ausgedehntere Längsschnitte aus der motorischen Hälfte des Rückenmarkes mit Chromsilber so viel wie gar nicht Präparate mit dem Mikrotome hergestellt wurden) seit dem Erscheinen meiner betreffenden Arbeit nicht in der Lage zu sein, FRIEDLÄNDER's Angaben be- stätigen zu können. Ohne mich hier auf tiefere Würdigung FRIEDLANDER’s letzter Publikation einzulassen, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass jene vermeintlichen Nervenscheiden, die auf FRIEDLANDER’s bei schwacher Vergrößerung aufgenommenen Photogrammen thatsächlich als solche erscheinen (Figg. 2—11, 13, 18), nichts Anderes als dicht um die Nervenfasern herum ge- lagerte, durch die Osmiumsäure tief geschwärzte Amöboidzellen sind, wie das aus der Betrachtung meiner Abbildung (Fig. 51) in der betreffenden Arbeit (Arbeiten aus dem zoologischen Institut zu Wien. Bd. VIII) klar hervorgeht. - 1 Der Querschnitt des Achsencylinders ist etwas abgeplattet rund und liegt mehr oder weniger im Centrum der Markscheide. Wie bei allen markhaltigen Längsfasern der Ventralstränge kann es aber vorkommen, dass, besonders bei Esox, eine mächtige amyloide Abscheidung in der Markscheide stattfindet. Ob dies ein ausgesprochen pathologischer Vorgang ist, vermag ich nicht zu entscheiden, doch kommen solche Ausscheidungen sehr häufig vor. In solchen Fällen wird die Markscheide mit den geldrollenförmig hinter einander lagernden Amylum- scheibchen (Corpuscula amylacea der Pathologen) ganz ausgefüllt und, da letz- tere oft den Durchmesser der Markscheide um das Mehrfache übertreffen, sogar erweitert. Auf diese Weise wird der Achsencylinder dicht an die Peripherie gedrückt und erscheint dann ganz abgeplattet. Diese amyloide Ausscheidung wird durch ein gelbes, äußerst charakteristisches Aussehen des Markmantels vorbereitet. Die Ausscheidung kann sich der Länge des Markes nach bis auf zwei Metameren erstrecken. In den Lateralsträngen kommen solche Ausschei- dungen höchst selten und in den Dorsalsträngen nie vor. Es wäre möglich, dass das ausgeschiedene Amylum später wieder gelöst und resorbirt wird und die Markscheide wieder ihr normales Aussehen erhält; wenigstens habe ich oft Bilder erhalten, die hierauf schließen lassen. 96 Béla Haller behandelt resp. solche nicht beschrieben wurden, so wird das dem seltenen Gelingen zuzuschreiben sein. An horizontalen Längsschnitten erkennt man die größeren nach außen zugekehrten Fortsätze der Ganglienzellen auf höchst charak- teristische Weise V-förmig sich theilen (Fig. 32, 72; Fig. 32, 7, 8, 9, 10), wobei der eine Fortsatz nach vorn, der andere nach hinten sich wendet. Auf dem ganzen Präparate war im Lateralstrange nur eine einzige Faser auf größerer Strecke geschwärzt. Es war dies der linke Theilungsast des nach außen gekehrten Fortsatzes der Zelle 20. Die Zelle selbst lag in nächster Nähe einer unteren Nervenwurzel; etwa so nahe, wie die Zelle / zur nächsten motorischen Nervenwurzel (on). Der linke Fortsatz dieser Zelle (70) zog als Längsfaser bis zur Wurzel des nächstfolgenden motorischen Nerven (vz), doch hörte die Schwärzung gerade unter der Wurzel auf, so, dass ich nicht zu entscheiden vermag, was aus dem Ende dieser markhaltigen Längs- faser wird. Sie lässt in ziemlich gleich weiten Intervallen feine Äste rechtwinkelig abzweigen, die als ganz gerade verlaufende Fäden nach der Peripherie ziehen. Die dem Centrum zugekehrten Äste der Längsfaser halten keinen so geraden Verlauf ein, sondern schlängeln sich oder verlaufen in unregelmäßiger Richtung. Ich will jene nach außen zu gerichteten Äste (c/') als periphere, die nach innen zu (z/) gerichteten als centrale Collaterale be- zeichnen. Die ersten peripheren Collateralen gehen von jedem Theilungs- aste des Zellfortsatzes gerade an der Stelle ab, an der die beiden Äste unter mehr als rechtem Winkel nach vorn beziehungsweise nach hinten biegen. In den meisten Fällen entsteht hierdurch ein äußerst eharakteristisches Bild (Fig. 31, 8). Zumeist ist der nach außen gerichtete Fortsatz bis zu seiner Theilung gleich stark, es giebt aber auch sehr viele solche Fortsätze, an denen der von den Zellen abtretende Theil des Fortsatzes recht dünn ist, aber allmäh- lich dicker wird und vor seiner V-förmigen Zweitheilung am dicksten ist (Fig. 32, 3, 70). Dieses Verhalten ist auch schon anderen For- schern bei anderen Vertebraten aufgefallen (CL. SALA bei dem Frosch). Die Erklärung dafür ist am ehesten wohl die, dass der sich ver- diekende Theil des Fortsatzes einen Verstärkungsast, sei es aus einer anderen Ganglienzelle oder aus einer anderen Nervenfaser, in einer Richtung erhält, die auf die Schnittebene senkrecht steht und desshalb nicht beobachtet werden kann. Den frappantesten Fall sah ich, als eine kleine Ganglienzelle (Fig. 32, 6) einen feinen, a de Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 97 geschlingelten Fortsatz aussandte, der in zwei mächtige Theilungs- äste zerfiel, die sich bald darauf weiter theilten. Für die Ganglienzellfortsätze, deren Theilungsäste zu Längs- fasern werden, bemerke ich Folgendes. Solche Längsfasern setzen sich selbstverständlich auch auf viel größere Strecken fort, als die Länge des Präparates darstellt, und in Folge dessen können wir über das Endverhalten solcher Fortsätze nichts aussagen. An die- jenigen Längsfasern, welche ihr Ende auf der Längsfläche meiner Präparate fanden, konnte ich in vielen Fällen feststellen, dass das Ende des Theilungsastes in die Wurzel eines motorischen Nerven einbog, somit zu einem peripheren Achsencylinder wurde; so verhält es sich auch wohl mit dem nach links gekehrten Theilungsaste des Fortsatzes der Zelle 3 auf Fig. 32. Nach manchen Beobachtungen (Fig. 31 7) muss ich aber auch die Möglichkeit gelten lassen, dass das durch Abgabe von Ästen feiner gewordene Ende einer Längs- faser sich in das Nervennetz auflöst. Andere Beobachtungen spre- chen für eine dritte Möglichkeit bezüglich der Endigung einer Längs- faser. Die sicherste dieser Beobachtungen sei im Detail beschrieben. Eine größere, mit vielen feinen Netzfortsätzen geschwärzte Zelle (Fig. 31, 7) gab einen sehr dicken Fortsatz ab, der als markhaltige Längsfaser sich fortsetzte. Gleich nach seinem Abgange gab dieser Achsencylinder eine periphere Collaterale (c/) ab, die, sich einem von innen nach außen und etwas vorn hinziehenden Nervenbündel (g) anschließend, sich als Achsencylinder in eine nahe gelegene untere Nervenwurzel (vz) begab. Von einem zweiten mächtigeren, etwas nach außen zu gekehrten Fortsatz, welcher bald darauf unter spitzem Winkel abbog, konnte sein Endverhalten, da der Fortsatz durch- schnitten war, nicht festgestellt werden. Nach längerem weiteren Verlaufe gab der allmählich etwas dünner gewordene Achsencylinder abermals zwei, unweit von einander gegen die Peripherie zu ab- gehende Äste ab, die aber nur auf ganz kurzer Strecke geschwärzt waren. Etwas weiter ließ die Längsfaser abermals zwei periphere Collaterale sich abzweigen (cl’, cl”), die als feine Achsencylinder ihren Weg in der Richtung gegen dieselbe motorische Nervenwurzel zu fortsetzten, wie die erste periphere Collaterale der Längsfaser. Von nun an wurde die Längsfaser äußerst dünn und verband sich mit einem Aste einer entgegenkommenden anderen markhaltigen Längsfaser (P). In diesem Verbindungsstück (vd) zwischen den bei- den Längsfasern endigt somit die markhaltige Längsfaser, die ihren Ursprung aus einer Ganglienzelle (7) nahm. Es bildet der geschilderte Morpholog. Jahrbuch. 23. 7 98 Bela Haller Fall die dritte Möglichkeit für das Endverhalten einer markhaltigen Längsfaser. Dieser Fall ist viel zu wichtig, als dass ich das Ver- halten der anderen Längsfaser (P), welche mit der beschriebenen in Verbindung tritt, unterlassen dürfte. Diese Faser (P) war nur auf eine kurze Strecke als ein dicker, einheitlicher, markhaltiger Achsen- eylinder zu verfolgen. Ein ziemlich dicker kurzer Zellfortsatz einer mittelgroßen Ganglienzelle (2) vereinigte sich unter spitzem Winkel mit einer anderen, leider nur auf eine ganz kurze Strecke geschwärzten dieken Längsfaser (9), wodurch dann die kurze dicke Faser (P) zu Stande kam. Diese theilte sich nach ihrem kurzen Verlaufe unter spitzem Winkel in zwei Äste, von denen der untere zum Verbin- dungsast mit der vorher beschriebenen Längsfaser wurde. Der obere Ast (p) zog nach außen und theilte sich dann in zwei Äste, von denen der obere (p’’) nach außen verlief, um sich dann an der Pe- ripherie des Rückenmarkes als feine Längsfaser dem peripheren, nur feinste Fasern führenden Bündel (79) anzuschließen. Von letz- terem konnte ich öfter feststellen, dass es viele Fasern in die ven- trale Nervenwurzel entsendet, zum Theil aber als Längsbündel unter derselben sich weiter fortsetzt. Der untere der beiden Äste theilte sich nach kurzem horizontalen Verlaufe in zwei feine Äste. Das Verhalten des oberen dieser Ästchen blieb mir unergründbar, der untere jedoch (p’) verband sich mit einem entgegenkommenden fei- neren Fortsatze einer großen Ganglienzelle (7) des Unterhornes. Indem ich mich zur Beurtheilung dieser Befunde erst später wende, möchte ich zuvor das Verhalten noch anderer Längsfasern, sowie jenes der verschiedenen Collateralen und das Verhalten der Netzfortsätze der Ganglienzellen in den Lateralsträngen erörtern. Periphere Collateralen vereinigen sich vielfach zu kleinen Bün- deln (Figg. 31, 32 cl; Figg. 26, 27 g), die bis an die neurogliale Hülle ziehen, auf vielen Präparaten aber, bevor sie dieselben erreicht haben, blind zu endigen scheinen (Fig. 31 rechts). Dies rührt entweder da- her, dass die Bündel ihre Richtung wechseln und in Folge dessen durchgeschnitten wurden, oder daher, dass sie überhaupt nicht weiter seschwärzt wurden. Wenn auf dem Präparat eine motorische Ner- venwurzel mitgeschnitten wurde — eine gute Schwärzung des Prä- parates vorausgesetzt, — dann erkennt man deutlich, dass jene Bündel . direkt in die Wurzel des Nerven eintreten (Fig. 31, 32 om). Hierzu sei bemerkt, dass an der Zusammensetzung jener Nervenbündel nicht bloß Collateraläste von Längsfasern, sondern auch direkte Ganglien- zellfortsätze (Fig. 32, 3, $, 9, 12; Fig. 31, 5; Fig. 26, 3, 6; Fig. 27, 5, Untersuchungen über das Riickenmark der Teleostier. 99 24, 25) oder unter Umständen auch Enden von Längsfasern Theil nehmen, — wie denn zwischen all diesen ja kein principieller Unter- schied besteht —, ferner Collateraläste von Längsfasern der grauen Substanz (Fig. 31, 74) oder selbst Collateraläste solcher Fasern, die durch die subcentrale oder durch die obere Kommissur von der an- deren Rückenmarkshälfte herübergelangten (Fig. 31, 6; Fig. 27, 27’). Andererseits können auch von unten nach oben ziehende Ganglien- zellfortsätze solehe Collateraläste (Achsencylinder) in die Bündel ab- geben (Fig. 27, 7, 2, q’). Auf Querschnitten erscheinen diese Bündel in höchst charakte- ristischer Anordnung. Aus einem mir unbekannten Grunde kommt es manchmal vor, dass die übrigen Ganglienzellfortsätze in den Längssträngen nicht geschwärzt werden, sondern bloß diese Nerven- bündel, — die ich, obgleich sie ja nicht ausschließlich periphere Collateraläste führen, der Kürze halber doch periphere Collateral- bündel nennen möchte, — eine Schwärzung erfahren (Fig. 26 links). Obgleich diese peripheren Collateralbiindel radial angeordnet von innen nach außen ziehen, so können doch einige Fasern aus einem Bündel in ein benachbartes übertreten oder es kann sich sogar eine collaterale Faser theilen und mit dem einen Aste sich in ein be- nachbartes Bündel begeben, wie das auf Fig. 26 vielfach zu finden ist. Hierdurch entstehen Verbindungen zwischen den peripheren Collateralbündeln. Hauptsächlich sind es die peripheren Collateralbündel, die auch auf tingirten Querschnittpräparaten in den Lateralsträngen so cha- rakteristisch septenförmig angeordnet sind (Figg. 1—4, 8—10, 12, 13). Mit ihnen ziehen die Ependymfasern an die Neurogliahülle und auch die Blutgefäße schließen sich ihnen an. Wie verhalten sich nun die Collateralfasern der Lateralstränge in ihrem weiteren Verlaufe? Zuvor bemerke ich, dass nicht alle peripheren Collateralen zu Achsencylindern werden. Es giebt viele periphere Collateraläste der Längsfasern, welche sich in dem Ner- vennetz der Lateralstränge (Fig. 31 nf’) oft sogar ganz peripherwärts auflösen (Fig. 31 xf); die meisten dürften aber zu Achsencylindern werden. Was nun diejenigen Theile der peripheren Collateralen be- trifft, die in nächster Nähe von motorischen Nervenwurzeln liegen, so haben wir bereits gesehen, dass sie als Achsencylinder in den abgehenden unteren Nervenstamm eintreten. Was die weiter von der motorischen Wurzel gelegenen collateralen Bündel betrifft, mag diese Entfernung nach der Längen- oder der Höhenachse des Rücken- 7[* 100 Béla Haller markes sich erstrecken, so habe ich öfter beobachtet, dass die Col- lateralbündel ihre Richtung ändernd, der nächsten motorischen Wurzel zustrebten. So konnte ich auf Querschnitten erkennen (Fig. 26 q’, q’), dass solche Collateralbündel, die etwas oberhalb der motorischen Nervenwurzel gelegen hatten, an der äußersten Peripherie des Rücken- markes, also unter der neuroglialen Hülle angelangt, nach unten biegen, um auf diese Weise die motorische Wurzel zu erlangen. Auf horizontalen Längsschnitten endlich habe ich Bilder erhalten (Fig. 32, 79), die nur so zu deuten waren, dass die Collateralbiindel peripher unter der Neurogliahülle in eine Längsrichtung einbogen, um die nächste motorische Nervenwurzel (vz) zu erreichen. Ich habe bereits erwähnt, dass ich auch Bilder erhalten habe, an denen (Fig 31) unter oder besser gesagt durch die Wurzel ein Theil der Fasern dieser Bündel sich weiter fortsetzte. Nach vielfachen Beobachtungen von Längsschnitten jeder Art sowie nach Eindrücken, die ich nach Betrachtung von Querschnitten bei verschiedener Tubuseinstellung erlangt habe (solche Bilder lassen sich selbstverständlich nicht gut wiedergeben), muss ich behaupten, dass der Verlauf der peripheren collateralen Längsbündel zu der motorischen Wurzel nicht getrennt erfolgt, sondern dass zusammenhängende Schichten von Längsfasern, entstanden von zahlreichen collateralen Längsbündeln, die Richtung von oben nach vorn beziehungsweise nach hinten und unten nehmen. Aus all dem ist es aber ersichtlich, dass solche collaterale Längs- bündel, die selbstverständlich oft auch Fasern führen, welche direkt aus Ganglienzellen entspringen, vielfach zu ausgesprochenen Längs- fasern werden. Was die inneren Collateralen der Längsfasern betrifft, so lösen sich dieselben — bis auf diejenigen, welche, sich auf die ander- seitige Rückenmarkshälfte begebend, dort wenigstens periphere col- laterale Äste abgeben — entweder schon in dem Nervennetze der Seitenstränge oder in dem der grauen Substanz auf. Wie ich das nach dem bereits Mitgetheilten kaum noch zu versichern brauche, können in diese Verbindung auch solche collaterale Äste eingehen, die als kommissurale Äste auf die andere Rückenmarkshälfte ge- langen. Mehrere Mal sah ich solche innere Collateraläste, die selbst aus schon ziemlich peripher gelegenen Längsfasern abgehend, nach innen bis zu dem Centralkanal gelangten, um sich um diesen herum in der grauen Substanz zu verästeln (Fig. 26, 77). Eine große Anzahl von Ganglienzellfortsätzen zeichnet sich ın den Lateralsträngen durch mehr oder weniger geschlängelten Verlauf a ee Zn Untersuchungen iiber das Riickenmark der Teleostier. 101 und durch vielfache Veriistelung aus. Diese Fortsiitze werden nicht zu Längsfasern, sondern verästeln sich in den Lateralsträngen. Viele unter ihnen gelangen, manche sogar mit den Collateralbündeln, bis . an die äußerste Peripherie des Rückenmarkes und zerfallen erst hier in ihre groben Endäste (Fig. 27, 35). Dieser peripherste Theil der Verzweigung wurde, wie ich weiter oben bereits meldete, schon bei Selachiern, Amphibien und Reptilien beobachtet und von S. Ra- MON Y CAJAL als perimedullärer Randplexus benannt. Thatsichlich kommt aber ein weiterer nervöser Plexus, wie aus der bisherigen Beschreibung hervorgeht, im gesammten Lateralstrange vor, woran auch die Fortsätze der Achseneylinder sich betheiligen und wel- cher weite Plexus, wie es aus einzelnen beobachteten Verbindun- gen evident wird (auf Fig. 31 die Verbindung zwischen den Zellen 1 und 77), zum Theil auch noch in der grauen Substanz zwischen den Ganglienzellen der Unterhörner sich erhält. Zu bemerken wäre bloß, dass an dem peripheren Rande der Lateralstränge dieser srobe Plexus etwas dichter wird. Die weite und feinste Verzwei- gung dieses verhältnismäßig groben Netzes schließt dann mit einem feineren Netze ab, das ich in den ventralen Strängen bereits be- schrieben und abgebildet habe (Fig. 29). Natürlich gehen beide Netze kontinuirlich, somit ohne jede Grenze, in einander über. Dieser einheitliche Nervenplexus hängt dann, wie weiter oben ausführlich erörtert wurde, ebenfalls kontinuirlich mit dem Nervennetz der grauen Substanz zusammen. Wie leicht begreiflich, gelingt es nie, das be- schriebene Verhalten auf einem einzigen Bilde übersichtlich darzu- stellen, und es bedarf des Studiums zahlreicher Präparate, um sich von diesen Verhältnissen zu überzeugen. Aber es gelingen hin und wieder Präparate, die einen einigermaßen übersichtlichen Blick in diese Verhältnisse gewähren (Fig. 27 Js’). Vielfach nehmen an dem Nervennetze der Lateralstränge auch die kleinen Ganglienzellen der weißen Substanz durch die Verästelung ihrer Fortsätze Antheil (Fig. 32, 20). In seiner letzten, bereits in dieser Arbeit eitirten Publikation hat GoLGı einen Zusammenhang der Längsfasern des Rückenmarkes mit verschiedenen von ihm unbestimmten Ganglienzellgruppen vor- ausgesetzt. Außer dem Ursprung der Längsfasern aus Ganglien- zellen sollen erstere noch durch ihre zahlreichen centralen Collate- ralen — die peripheren Collateralen blieben GoLsr unbekannt — mit anderen gleichfalls nicht weiter priicisirten Ganglienzellgruppen während ihres Verlaufes in Konnex treten. Dieser Zusammenhang 102 Bela Haller wird auch für andere Längsbahnen des Centralnervensystems be- hauptet. Wie aber dieser Zusammenhang zwischen Ganglienzell- gruppen und Collateralen zu denken ist, ob durch direkte Verbin- dung oder durch Verästelung der centralen Collateralen — denn auch dies wäre ja denkbar — um Ganglienzellen herum, also durch Vermittelung des Nervennetzes, hierüber beharrt GoLer in tiefem Schweigen. Seine Beobachtungen scheinen noch nicht ausgedehnt genug zu sein, um diese Frage einer definitiven Beantwortung nähern zu können. Immerhin ist GoLers Verneinung isolirter Ur- sprungscentren als ein erfreulicher Fortschritt in der Nervenlehre zu verzeichnen. Mit Vorliegendem glaube ich Gonai’s richtige Voraussetzung, die bereits durch das Studium an Wirbellosen, schon bevor GoLet sie ausgesprochen, längst gesichert war, auch bei den Wirbelthieren zur Geltung zu bringen. In sehr vielen Fällen hört die markhaltige Längsfaser, wenig- stens in den Lateralsträngen, noch innerhalb der Stränge, und zwar auf verhältnismäßig sehr kurzer Distanz von ihrem Ursprunge, mor- phologisch auf zu bestehen, physiologisch wird jedoch die Leitungs- bahn nicht unterbrochen, indem das Ende der sehr verdünnten Längs- faser (Fig. 32 vb) sich mit einer anderen kräftigen Faser direkt verbindet. Diese letzte Faser (P) setzt sich zwar als solche fort (9), doch geht sie dadurch, dass der Fortsatz einer Ganglienzelle (2) sich mit ihr vereinigt, eine Beziehung mit jener solchen ein. In dem speciellen Falle würden zwar die Längsfasern wit jener Ganglien- zelle, aus der sie ihren Ursprung nimmt (7), aufhören, natürlich ab- gesehen davon, dass jene Ganglienzelle durch ihre feinsten Netzfort- sätze mit einer feineren Längsfaser (r) in Zusammenhang steht. Andererseits habe ich aber auch vielfach Bilder erhalten, die in so fern für einen physiologischen Weitererhalt der Längsfaser einstehen, als ein anderer starker Fortsatz einer gleichen Ganglienzelle in der entgegengesetzten Richtung sich als Längsfaser erstreckt. In solchen Fällen sind es hauptsächlich Ganglienzellen mit dichotomisch sich theilenden Fortsätzen (s. auf Figg. 31, 32), welehe diesen Zusammen- hang zwischen Längsfasern vermitteln und dadurch eine kontinuir- liche Nervenleitung unter gewissen physiologischen Umständen mög- lich machen. Wir können das auch so ausdrücken, dass zwei (manch- mal einseitig auch mehr wie auf Fig. 32, 7) in entgegengesetzter Richtung verlaufende Fortsätze einer Ganglienzelle mit entgegen- kommendem gleichen Fortsatze (oder Fortsätzen) einer anderen (oder Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 103 anderer) Ganglienzelle in Verbindung treten. Dieses thut auch der entgegengesetzt verlaufende Fortsatz letzterer Zelle, so dass durch Vermittelung von Ganglienzellen eine längs des Rückenmarkes ver- laufende physiologische Längsbahn hergestellt wird. Diese kurzen Bahnen zwischen Ganglienzellen scheinen sich in den meisten Fällen bloß auf die Distanz zwischen zwei ventralen Nervenwurzeln zu er- strecken, was freilich, wie aus den Abbildungen (Figg. 31, 32) her- vorgeht, nicht ganz schematisch zu fassen ist. Sie geben dann durch ihre peripheren Collateralen vielfach peripheren Achseneylindern den Ursprung oder treten dann mit anderen Collateralen, die theils in dem Nervennetze der weißen Substanz, theils in jenem der grauen sich ver- ästeln, mit dem Nervennetz vielfach in Verbindung. Sie können aber in gewissen Fällen auch mit der anderseitigen Rückenmarkshälfte durch ihre kommissuralen Fasern in Verbindung treten, und zwar sowohl mit dem Nervennetze als auch mit anderen Achsencylindern und wohl in selteneren Fällen sogar mit Ganglienzellen (Fig. 27 y), denn was wir von den in die unteren Nerven austretenden Achsen- eylindern wissen, wird naturgemäß auch für die Längsfasern Geltung haben, da in vielen Fällen letztere zu Wurzelfasern werden. In vielen Fällen wurden die Enden der Längsfasern zu peri- pheren Achsencylindern, wie viele ihrer Collateralen, doch aller Wahrscheinlichkeit nach, wofür auch Beobachtungen vorliegen, wer- den sich solche Enden von Längsfasern auch in das Nervennetz auflösen, wie viele ihrer Collateralen. Es können sich aber anderer- seits, wie hierfür vielfach physiologische und pathologische Beobach- tungen eintreten, solche kettenförmige Verbindungen auch bis in das Gehirn erstrecken. Jedenfalls repräsentiren solche Züge der lateralen Stränge »kurze Bahnen«. Meine Beobachtungen sind nicht kirche um den Satz aus- sprechen zu dürfen, dass in den Lateralsträngen Sansa Ahr kurze Bahnen sich vorfinden, doch halte ich sie für hinreichend, um das hauptsächliche Vorkommen solcher in diesen Strängen zu behaupten. Da es mir nie gelungen ist, solch lange Längsfasern zu schwärzen, wie mir das in den ventralen Strängen mehrmals gelang, so ergiebt sich auch daraus eine Unterstützung jener Auf- fassung. Wie ich oben nach tingirten Querschnitten beschrieb, kom- men in den Lateralsträngen bei Anguilla viele recht breite Längs- fasern vor, und bei Cyprinus geht in so fern eine Differenzirung innerhalb der Lateralstränge vor sich, als diese breiten markhaltigen Längsfasern sich in der oberen Hälfte der Lateralstränge sammeln, 104 Bela Haller wodurch in denselben ein oberer breitfasriger und ein unterer schmal- fasriger Abschnitt zur Sonderung gelangte (Fig. 8). Auch bei Salmo kommt eine ähnliche Sonderung vor und die breiten Fasern (Fig. 9 o) gelangen in die obere Hälfte der Lateralstränge. Auch habe ich für — Salmo angegeben und gezeichnet, dass in dem hinteren Abschnitte des Rückenmarkes sehr breite markhaltige Längsfasern unterhalb der Dorsalstränge, diesen eng anliegend, sich gruppiren. Leider reichen hierüber meine Beobachtungen nicht weiter. Nach dem an Gouer- schen Präparaten Beobachteten glaube ich nun, dass es sich in jenen breiten Fasern der Lateralstringe um kurze Bahnen handelt und dass dieselben höchst wahrscheinlich ihre Richtung von vorn nach hinten haben, bis die letzten Glieder dieser Kette im Endabschnitt des Rückenmarkes als periphere Bahnen abtreten. Zukünftige Unter- suchungen müssen über diese Frage entscheiden, und heute können wir mit einiger Sicherheit nur daran festhalten, dass jene breiten markhaltigen Längsfasern keine aufsteigenden (nach vorn ziehenden) Bahnen sind, die mit Gehirncentren in Zusammenhang treten und etwa mit den lateralen Pyramidenbahnen der Säugethiere in Be- ziehung zu bringen wären. Mit den lateralen Kleinhirnbahnen sind sie schon desshalb nicht gleich zu stellen, weil sie in dem ersten Viertel des Rückenmarkes fehlen. Auch der Umstand, dass sie nach meinen Beobachtungen im caudalen Ende des Rückenmarkes durch gekreuzte Fasern aus den Unterhörnern verstärkt werden, dokumen- tiren sich diese Längsstränge als etwas Anderes als die genannten Stränge der Säuger. Ich möchte nun Dasjenige mittheilen, was ich an horizontal längsgeschnittenen GoLGi’schen Präparaten an den ventralen Strän- gen ermitteln konnte. Von den breiten Fasern dieser Stränge habe ich nur selten und auch dann nur höchst unvollständige Schwär- zungen erhalten (Fig. 32, 76), so dass meine Angaben sich lediglich auf gewisse feinere Längsfasern der Ventralstränge beziehen. Im hinteren Drittel des Rückenmarkes, oberhalb und in nächster Nähe der accessorischen Kommissur, gelingt es manchmal, feinere Längsfaserbündel auf die ganze Strecke zwischen zwei hinter ein- ander liegenden Ventralnerven zu schwärzen (Fig. 32 vs, vs’). Diese lockeren Längsbündel sind aber durchaus nicht als separirte Bündel aufzufassen, sondern lagern zwischen dickeren Längsfasern, und nur durch den Umstand, dass die zwischen ihnen liegenden Längsfasern sich nicht schwärzen, erscheinen sie als ein einheitliches Bündel. Die einzelnen Längsfasern zeichnen sich durch geschlängelten Verlauf Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 105 ‚aus. In zwei Fällen gelang es mir aber auch, etwas dickere, ganz gerade verlaufende Längsfasern auf dieselbe Länge wie die vorigen zu schwärzen (Fig. 32, 78). Jene geschlängelt verlaufenden Längsfasern entspringen auf die verschiedenste Weise aus Ganglienzellen, wie ja dieses oben schon beschrieben wurde. Auf horizontalen Längsschnitten ist manchmal zu beobachten, dass ein Fortsatz einer Ganglienzelle (Fig. 32, 75), aus dem Unterhorne kommend, sich theilt, wobei die beiden Thei- lungsaste, in entgegengesetzter Richtung verlaufend, als ab- und aufsteigende (nach hinten und vorn gewendete) Längsfasern dem Bündel sich beigesellen. Man sieht auch kommissurale Fasern (c), die, von der einen Rückenmarkshälfte kommend, auf die andere ge- langen, um sich dort als einfache Längsfasern weiter fortzusetzen. Vielfach erkennt man auch, dass dickere Fasern sich in einen ab- und aufsteigenden Ast theilen. Was uns aber an diesen Längsfasern vor Allem interessirt, ist ihr gegenseitiges Verhalten. Man erkennt an ihnen oft kurze Fortsätze, es sind diese zumeist solche Collate- rale, die in dem Nervennetz der weißen Substanz ihr Ende finden und bereits bei Betrachtung der Querschnitte genügentlich bespro- chen sind. Aber nicht diese Collateralen sind es, die uns hier spe- ciell interessiren, sondern diejenigen, welche zwei Längsfasern unter einander verbinden. Ich will hier einen Fall aus den zahlreichen von mir auf Fig. 32 abgebildeten herausgreifen und durch die Erörterung desselben diese Verhältnisse klar legen. Es war eine diekere Faser (Fig. 32, /7), welche, von der Kommissur (s) herkommend, sich T-förmig theilte, wie dieses in den Ventralsträngen üblich ist, und somit in einen auf- und absteigenden Ast zerfiel. Die eine dieser Längsfasern (links) war nur auf kurzer Strecke ge- schwärzt, so dass ich ihr weiteres Verhalten nicht verfolgen konnte, die andere Längsfaser jedoch (rechts) verlief bis zu dem Ende des Schnittes. Sie gab viele aber nur in Form kurzer Fortsätze erhal- tene Äste ab, welche nicht weiter studirt werden konnten; wahr- scheinlich sind unter ihnen nach dem auf Querschnitten Ermittelten zahlreiche Collaterale für das Nervennetz. Weiter setzte sich diese Längsfaser geschlängelt fort. Dann gab sie einen kurzen Fortsatz ab (m), der sie mit einer benachbarten Längsfaser verband. Ein ähnlicher Verbindungsast (m’) war auch vor ihrem Ende zu sehen. Da das Ende dieser Längsfaser (x) nicht weiter geschwärzt war, aber auch das Präparat bald endete, konnte ihr weiteres Verhalten nicht festgestellt werden. Solche Verbindungsäste zwischen den 106 Béla Haller [20 Längsfasern der Ventralstränge sind sehr häufige Erscheinungen (m’, m"). In einem anderen Falle verband sich der eine Theilungsast (0) einer gröberen Faser (20), der aus der grauen Substanz zu kommen schien, nach einigem Verlaufe mit einer anderen, Anfangs mit ihr parallel verlaufenden Längsfaser (0’), zu einer dickeren Längsfaser (zx). Wir wir sehen, giebt es hier eine Menge von Befunden in der Verbindung der Längsfasern unter einander. Die sorgfältige Durch- sicht meiner mit Genauigkeit ausgeführten Abbildungen giebt den besten Begriff hiervon. In diesen Längsfasern liegen offenbar längere Bahnen vor, ob sie aber zu den längsten, etwa zu den Pyramiden- bahnen, gehören, lässt sich natürlich einstweilen nicht entscheiden. Was wir über sie festgestellt haben, ist, dass sie außer zahlreichen Collateralen, die sich in dem Nervennetz auflösen, noch eine große Anzahl von Fortsätzen besitzen, die sie unter einander vielfach ver- binden, und dass eben so wie in den kurzen Bahnen der Lateral- stränge, indem. die Faser sich mit einer entgegenkommenden oder neben ihr verlaufenden anderen Faser verschmilzt, sie aufhört mor- phologisch ferner zu bestehen. Wie ich dies bereits hervorgehoben, habe ich in zwei Fällen auch dickere Längsfasern in den Ventralsträngen zu schwärzen ver- mocht. Diese zeigen scheinbar ein einfacheres Verhalten als jene oben beschriebenen Längsfasern. Vor Allem ist ihr Verlauf ein durchaus gerader (Fig. 32, 78). Auf den Umstand, dass diese Fasern fast gar keine Collateraläste zeigen, möchte ich kein Gewicht legen und eher annehmen, dass jene nicht geschwärzt wurden und zwar um so mehr, als die daneben befindliche, sonst gleichfalls glatte Längsfaser (27) deutlich einen Collateralast aufweist. Wenn nun auch diese Fasern während ihres Verlaufes die Kontinuität bewahren, so habe ich doch an einer Stelle eine Verbindung (r) zwischen zwei neben einander verlaufenden Fasern gesehen und auch eine Thei- lung der Faser beobachtet, wobei ihre beiden Äste als Längsfasern parallel neben einander weiter verliefen. Hieraus wird wahrscheinlich, dass alle Längsfasern, mögen sie auch lange Bahnen vorstellen, Verbindungen unter ein- ander eingehen oder dass die Längsfaser morphologisch überhaupt dadurch, dass sie mit einer anderen verschmilzt, ganz aufhört. Man könnte dann eigentlich mehr nur im physiologischen Sinne von Längsbahnen noch sprechen. Es besteht aber im morphologischen Sinne ein Unterschied zwischen kurzen und langen Bahnen. Solche morphologisch kurze Bahnen Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 107 führen hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, die Lateralstränge in sich, während die Ventralstränge zumeist lange Bahnen in sich bergen. Zum Schlusse erörtere ich den Ursprung der hinteren Spinal- nerven. Die Fasern dieses Nerven nehmen ihren Ursprung 1) aus dem Oberhorne derselben Seite, 2) aus dem Oberhorne der anderen Seite, 3) aus dem dorsalen Strange derselben Seite, 4) aus dem der entgegengesetzten Seite, 5) aus dem Unterhorne derselben Seite und 6) aus dem der anderen Seite. Somit haben die hinteren Wurzeln ein sehr weites Ursprungsgebiet. Wie bereits mitgetheilt, gelingt es viel schwerer, brauchbare Gouersche Präparate aus dem Gebiete der Dorsalstränge zu er- halten als aus den motorischen Gebieten. Auf Querschnittpräparaten, auf denen im ventralen Gebiet eine Menge werthvoller Einzelheiten zur Anschauung gelangen, ist oft im ganzen dorsalen oder sensitiven Gebiet gar nichts geschwiirzt, und bloß entlang des oberen Septums sieht man einige Chromsilberklumpen ausgeschieden. Nur von der Forelle und vom Aale, bei welch letzterem die motorischen Bezirke sich selten und motorische Ganglienzellen überhaupt nie schwärzen, konnte ich brauchbare Präparate erzielen. Die Ursprungsfasern aus den Unterhörnern werden wohl am besten mit den Fasersystemen begonnen, welche die obere (hintere) Kommissur entweder in der Quere oder von unten nach oben durch- setzen. Bei der Erörterung des sehr lehrreichen Rückenmarkes von Orthagoriscus habe ich bereits ausführlichst folgende Fasersysteme beschrieben!. Erstens Faserzüge, die aus dem dem Unterhorne der übrigen Gnathostomen entsprechenden ventralen Abschnitte des Rückenmarkes kommend, in dem oberen oder sensitiven Abschnitte derselben Seite ausstrahlen. Dann breite Faserbündel, die aus der- selben Stelle herrühren und sich auf die anderseitige Hälfte des sensitiven Abschnittes begeben, und endlich Faserbündel, die aus dem einen sensitiven Abschnitte quer durch die Kommissur auf die andere Seite gelangen und dort direkt in die Wurzel des oberen Spinalnerven eintreten. Diese Faserzüge sind bei allen von mir untersuchten Knochenfischen deutlich zur Wahrnehmung gelangt. Ich konnte auf meinen Querschnitten von Stelle zu Stelle Faserbündel erkennen, die, aus den Unterhörnern kommend, ohne sich an der oberen Kommissur zu kreuzen, sich in die Oberhörner begaben (Fig. 1) oder im Falle, dass auf dem Präparate obere Nervenwurzeln Be 108 Bela Haller getroffen waren, direkt deren Fasern sich beimengten (Fig. 8). Kreu- zungen sind in der oberen Kommissur, wenn auch nicht an jeder be- liebigen Stelle, so doch bei allen Knochenfischen deutlich zu erkennen (Figg. 2, 3,4, 9). In manchen Fällen lassen sich die Fasern dieser Kreu- zungen bis in die Unterhörner hinunter verfolgen (Fig. 9). Bei dem Aale, dessen obere (hintere) Kommissur besonders stark entwickelt ist, kann man diese Fasersysteme sehr gut verfolgen. Man kann sich schon auf tingirten Querschnitten davon überzeugen (Fig. 3), dass außer den angeführten Faserzügen auch noch solche Fasern in der oberen Kommissur vorhanden sind, die von der einen Rücken- markshälfte in den anderseitigen Lateralstrang gelangen und weiter oben bereits auch erörtert wurden. Ich will nun an der Hand vor GouerT'sschen Präparaten die Einzelheiten dieser Faserzüge, so weit sie die oberen Spinalnerven betreffen, vorführen. Die aus den Unter- hörnern in die Oberhörner gelangenden Nervenfasern sind entweder solehe direkten Ursprunges, d. h. solche, die unmittelbar aus Gan- glienzellen entspringen, oder Fasern indirekten Ursprunges, d. h. Fasern, welche aus den Nervennetzen der Unterhörner entstehen. Fasern indirekten Ursprunges habe ich, ähnlich wie es bei höheren Wirbelthieren beobachtet wurde, in der Nähe des Centralkanals (Fig. 26, 78) oder sogar sehr weit unten aus dem Nervennetz der Unterhörner entspringen sehen (Fig. 27, 36). Solche Fasern, die, aus dem gleichseitigen Unterhorn kommend, sich in die Oberhörner begeben, nannte KOLLIKER bekanntlich Reflexcollateralen. Ich unter- scheide unter ihnen solche, die in die Oberhörner derselben Rücken- markshälfte und solche, die durch die obere (hintere) Kommissur in das anderseitige Oberhorn gelangen. Eben so verhalten sich nach meinen Beobachtungen bei den Knochenfischen auch die Fasern direkten Ursprunges, die bekanntlich beim Hühnchen von v. Len- HOSSEK und von S. Ramon y CAJAL entdeckt wurden. Sie können bei den Knochenfischen aus Ganglienzellen an jeder Stelle der Unter- hörner entspringen, doch stets aus kleineren oder doch nur mittel- großen Zellen (Fig. 27, 37), und können eben so wie die Fasern in- direkten Ursprunges entweder in das gleichseitige Oberhorn oder in das der entgegengesetzten Seite gelangen. Die ungekreuzten Fa- sern, mögen sie direkten oder indirekten Ursprunges sein, gelangen zusammen in recht ansehnlichen Bündeln jederseits in die Ober- hörner, wie dieses oben auf Tinktionspräparaten gezeigt wurde. In von diesen vollständig getrennten Bündeln und selbst auf andere Stellen des Rückenmarkes vertheilt, gelangen durch die obere Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 109 (hintere) Kommissur die gekreuzten Fasern in die Oberhörner, wie dies bereits auch nach Karminpräparaten von mir weiter oben dar- gestellt wurde. Diese Fasern indirekten Ursprunges verbinden sich mit Längsfasern in den Öberhörnern (ob alle, vermag ich nicht zu entscheiden), wodurch sie zu Collateralästen derselben werden; jene direkten Ursprunges setzen sich als direkte periphere Fasern in die betreffende hintere Nervenwurzel fort (Fig. 26, 78’). Außer diesen Fasern giebt es aber noch viele solche, welche, direkt aus Ganglien- zellen der Unterhörner kommend, sich im Nervennetz der Oberhörner auflösen. Auch unter diesen Fasern unterscheide ich solche, die in das Oberhorn derselben Seite (Fig. 26, 29) und solche, welche in das Oberhorn der anderen Seite gelangen. Fasern wie die letzteren können auch Äste in die Seitenstränge entsenden (Fig. 27, 30), doch konnte ich das weitere Verhalten dieser Äste — ob sie in das Ner- vennetz aufgehen oder zu Achsencylindern werden — nicht fest- stellen. Außer diesen Fasern habe ich einmal auch eine dickere, von unten nach oben strebende Faser beobachtet (Fig. 27, 26), welche allem Anscheine nach ein Fortsatz einer höher gelegenen Ganglien- zelle des Unterhornes war. Sie gelangte bis zum unteren Theil der Oberhörner, wo sie sich in zwei Äste theilte. Der eine derselben begab sich in die obere Hälfte des gleichseitigen Lateralstranges und spaltete sich dort in zwei Nebenäste, deren weiteres Verhalten ich wegen ungenügender Schwärzung nicht verfolgen konnte. Der an- dere Ast des Fortsatzes bog von links nach rechts und gelangte auf diese Weise auf die andere Riickenmarkshilfte. Er gab je eine Faser in jedes Oberhorn ab, deren weiteres Verhalten nicht eruirt werden konnte. In das Oberhorn derselben Seite gelangende und in dessen Nervennetz sich auflösende Fasern habe ich auch aus den Lateralsträngen kommen sehen (Fig. 27, 28, 33). Alle diese Fasern dienen zur Verstärkung des Nervennetzes der Oberhörner. Jene Auffassung über den Ursprung der hinteren Spinalnerven- wurzeln aus dem Rückenmarke, die sich seit der Zeit der Einfüh- rung der Gouer’schen Technik allmählich Bahn gebrochen hat, wird durch die anatomischen Verhältnisse der Knochenfische mehrfach modifieirt. Schon GoLgI hatte Einwand dagegen erhoben, dass bei den Säugethieren jede periphere Faser sich: durch T-förmige Ver- einigung zweier Längsfasern konstruiren soll. Was die Knochen- fische betrifft, so kann ich zwar für eine große Zahl der peripheren Fasern, etwa für ein Drittel, eine T-förmige Vereinigung zugeben, 110 Bela Haller doch nicht für alle. Was zuerst diejenigen peripheren Oberwurzel- fasern betrifft, die nicht aus einer T-förmigen Vereinigung zweier Längsfasern entstanden, so können solche Fasern aus dem Nerven- netze des Oberhornes dadurch entstehen, dass zwei ganz kurze und vielfach verästelte Fasern sich zu einer peripheren Faser vereinigen (Fig. 33, 76), welche direkt in die obere Nervenwurzel eintritt. So lange nur diese periphere und markhaltige Faser im Rückenmarke verweilt, giebt sie fortwährend feinere Äste ab. Es kann eine solche Faser auch in größerer, d. h. nicht allzugroßer Entfernung von der Wurzel des hinteren Spinalnerven sich konstruiren, dann für die kurze Strecke bis zu der Nervenwurzel als markhaltige Längsfaser in den Dorsalsträngen verlaufen und zum Schlusse in jene einbiegen (20). Als ein weiterer Fall wäre zu nennen, dass aus den Ober- hörnern, und zwar aus einem verhältnismäßig recht weiten Gebiete; eine Faser sich sammelt, nachher aber auf die anderseitige Rücken- markshälfte übertritt, dort sich mit einer anderen aus dem nervösen Netze konstituirten Faser verschmilzt und dann als markhaltige pe- riphere Faser direkt in die Nervenwurzel jener Seite sich fortsetzt. (Einen ähnlichen Fall stellt auch 27 auf Fig. 26 dar.) Ob es jedoch immer so ist, ob in jedem Falle die Faser aus jener Hälfte des Rückenmarkes, in welcher sie in den Nerven eintritt, Fäserchen auf- nimmt, ist nicht zu entscheiden, da ich auch Fälle beobachtet habe (9), in denen eine Faser sich bloß aus der einen Rückenmarkshälfte konstituirt, um dann als markhaltige Faser in die andere Rücken- markshälfte zu gelangen und sich dort als periphere Faser der Nervenwurzel beizugesellen. Es lässt sich ferner auch nicht in allen Fällen entscheiden, ob solche kommissurale Fasern Einzelfasern oder Collateraläste von Längsfasern sind (9, 70). Kommissurale Einzel- fasern treten mit kommissuralen Collateralen zu kleinen Bündeln zu- sammen ($, 9, 77, 12, 14, 15, 17) und gelangen so aus der einen Rückenmarkshälfte in die andere. Dieses geschieht im Allgemeinen durch die obere Kommissur (Fig. 3), an Stellen aber, wo Wurzeln hinterer Spinalnerven sich befinden, auch oberhalb der Kommissur. In den meisten Fällen vereinigen sich zwei Längsfasern der Dorsalstränge oder feine Fasern in den Hinterhörnern T-förmig zu einer Faser (2, 3, 4, 5, 6, 7), welche dann markhaltig wird und als peripherer Achseneylinder in die Hinterwurzel (An, hn’) eintritt. Die Längsfasern an den Dorsaisträngen, die zu dieser Vereinigung zu- sammentreten, können auch markhaltige Längsfasern sein. Die Längs- fasern geben nun, gleichviel ob sie markhaltig oder marklos sind, Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 111 bekanntlich zahlreiche Collateraläste ab, die sich in dem Oberhorne derselben Seite, theilweise aber auch in dem Nervennetze der Dor- salstränge verästeln (Fig. 33, 4, 7; Fig. 27, 32). Man kann diese Ausstrahlung von Collateralästen an Querschnitten, besonders in dem medialen Theil der Dorsalstränge (Fig. 26, 23), gut beobachten. Auch sieht man oft sehr deutlich, dass solche Längsfasern ihre Collateral- äste zu Bündeln vereinigen (Textfigur 6 a, a’, a’, a”), die dann in ziemlicher Entfernung von einander durch die weiße Substanz in das Oberhorn (AA) treten und sich in dessen feinstem Nervennetze auflösen. Auch der für andere Wirbelthiergruppen bereits bekannte Fall konnte beobachtet werden, indem eine Längsfaser einen ihrer Collateraläste (Fig. 33, 2’) in die anderseitige Rückenmarkshälfte ent- sandte, wo derselbe in dem Nervennetz des Hinterhornes (A}’) sich aufléste. Ein weiterer, wie es scheint bisher nicht beobachteter Ur- sprung von peripheren Fasern der hinteren Spinalnerven besteht darin, dass, ganz ähnlich wie bei der T-förmigen Vereinigung, zwei entgegenkommende Längsfasern sich vereinigen, die vereinigte Faser aber auf die anderseitige Rückenmarkshälfte gelangt, um dann dort als periphere Nervenfaser in die Nervenwurzel einzutreten (Fig. 33, 12, 14, 17). Die sich zu peripheren Nervenfasern vereinigenden Längsfasern bilden, so weit sie in den Dorsalsträngen liegen, mit solchen Fasern, die ohne Vereinigung direkt in die Nervenwurzel gelangen (Fig. 33, 20), die markhaltigen und marklosen Längsbahnen der Dorsalstränge. Bezüglich des Endverhaltens dieser Längsfasern wurde durch KÖLEIKER 112 Bela Haller die Vermuthung ausgesprochen, dass der obere Abschnitt der Faser bis zu dem Gehirn reiche und Verbindungen zwischen Rückenmark und Gehirntheilen herstelle, während der untere Abschnitt der Faser sich nach kurzem Verlauf von der Stelle der Vereinigung an in dem Hinterhorne verästelt. In der obersten Region, etwa von dem dritten bis vierten Spinalnerven aufwärts, mag diese Annahme ihre Geltung haben, ob sie aber auch für die unteren Theile des Rückenmarkes zutrifft, ob etwa sogar aus der Sacralregion bis hinauf zum Hirne sich in ununterbrochenem Verlaufe solche Längsfasern erhalten, da- für ist der Beweis einstweilen noch nicht erbracht, denn die physio- logischen und pathologischen Beobachtungen zwingen nur zur An- nahme einer physiologischen, nicht aber einer morphologischen Längs- bahn. Durch die innige Verbindung der Längsfasern mit anderen Längsfasern wäre ja eine physiologische Längsbahn, auch ohne kontinuirlich bis zum Hirne ziehende Längsfasern, recht gut denk- bar. Ich kann von den Knochenfischen bloß berichten, dass ich beide »Theilungsäste« der peripheren Faser auch nach nicht allzu langem Verlauf sich vollständig verästeln sah, oft aber auch, sich auf weitere Strecken fortsetzend, beobachten konnte, ohne dass sie sich verästelt hätten. Ich glaube darum, dass, da die Wurzel eines Nerven am besten als ein an einen harten Gegenstand gedrückter Malerpinsel zu denken ist, deren Fasern, die peripheren Achsen- eylinder, sich im Rückenmarke vielfach verästeln — wobei die der Länge des Rückenmarkes nach gestellten den weitesten Verlauf in demselben haben, — man sich die Sache wie folgt vorstellen kann. Von solehen peripheren Fasern an, die aus der Vereinigung zweier verzweigter Astchen hervorgehen (Fig. 33, 16), giebt es alle mög- lichen Übergänge bis zu solchen, die sich durch T-förmige Vereini- sung gebildet haben und deren beide Äste auf weite andere Gebiete von hinteren Nervenwurzeln übergreifen und somit einen größeren Ursprungsbezirk haben, was gute Präparate ganz genau zeigen. Dabei ist die Form der Verästelung der letztgenannten Fasern (Ab- sang von Collateralen unter rechtem Winkel) aus der in die Länge gezogenen Form des nervösen Centralorgans erklärlich. Außer den beschriebenen Fasern giebt es in den Oberhérnern und den Dorsalsträngen noch andere nervös-faserige Elemente. Zum Theile sind es Fortsätze mittelgroßer Ganglienzellen, die aus dem obersten Theil der Unterhörner (Fig. 26, 79; Fig. 27, 26, 30; Fig. 33, 26) in das sensitive Gebiet gelangen und sich dort in den Dorsal- strängen und theilweise sogar in den Oberhörnern verästeln. Nie Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 113 habe ich diese Fortsätze auf eine andere Weise als in dem Nerven- netze endigen sehen. Auclf an der Grenze zwischen Dorsal- und Lateralsträngen (Fig. 26, 22; Fig. 27, 2/, 33) gelangen ähnliche Fort- sätze vielfach aus letzteren in erstere, wie denn auch das Nerven- netz beider Stränge kontinuirlich in einander übergeht und die Ab- grenzung beider nur in den Stärkeverhältnissen ete. der Längsfasern sich zu erkennen giebt. Es giebt aber auch noch andere nervöse Fasern im sensitiven Bezirke, von denen ich nicht zu entscheiden vermag, ob sie mit sol- chen oben beschriebenen Ganglienfortsätzen in Beziehung zu bringen sind oder, theilweise wenigstens, mit dem Ursprung von hinteren Spinalnervenfasern direkt zusammenhängen. Besonders in den late- ralen Theilen der Dorsalstränge trifft man solche, oft abenteuerlich aussehende Bildungen. Eine feinere Faser (Fig. 33, 79) zieht von außen nach innen bis in das Oberhorn, biegt dann nach außen und gelangt so abermals in den Dorsalstrang, wo sie sich einem von innen nach außen strebenden Bündel anschloss. Sowohl im Dorsal- strange als auch in dem Hinterhorne nahm sie viele feine Äste aus dem Nervennetze auf. Man könnte diese Faser so auffassen, dass sie theilweise aus dem Nervennetze des Dorsalstranges, theilweise aus dem des Hinterhornes entspringend, zu einer peripheren Faser wird. Solche Ansabildungen kommen auch in dem medianen Dorsal- strang und in dem Oberhorn vor. So sehen wir in 2/ eine solche Ansa, die mit dem einen Schenkel in dem Hinterhorn und mit dem anderen in.dem medialen Theil des Dorsalstranges liegt, wobei die beiden Schenkel in parallelem Verlaufe weiter gelangen. Die Ansa nimmt fortwährend Äste aus dem Nervennetze des Hinterhornes und dem medialen Dorsalstrange auf. Das Endschicksal der beiden Ansaenden habe ich nicht ermittelt. Aus der bisherigen Beschreibung geht deutlich hervor, dass der Ursprung der hinteren Spinalnervenfasern sich nicht ausschließlich auf die Oberhörner beschränkt, sondern dass theilweise wenigstens auch das Nervennetz der Lateralstränge dazu beiträgt. Hier wäre noch das Verhalten der Ganglienzellen in den Hinter- hörnern und in den Dorsalsträngen, sofern sie bis jetzt nicht bespro- chen wurden, zu erörtern. Solche kleine Ganglienzellen, mögen sie in den Oberhörnern oder in den Dorsalsträngen liegen, geben zahl- reiche, gewöhnlich sehr feine Äste ab (Fig. 33, 78, 22), die aber selbst auch dann, wenn sie dieker und von längerem Verlaufe sind (24), immer in dem Nervennetze sich auflösen. Dass sie, ähnlich moto- Morpholog. Jahrbuch. 23. 8 114 Bela Haller rischen Ganglienzellen, direkte Achseneylinder in die oberen Nerven- wurzeln entsenden, habe auch ich nie sicher gesehen. Nur einmal beobachtete ich einen Fall, den ich getreu gezeichnet habe (Fig. 33, 7) und beschreiben will. Es war eine kleine, unweit der Nervenwurzel gelagerte Ganglienzelle aus der lateralen Hälfte des Dorsalstranges, welche (Fig. 33, 7) mehrere Netzfortsätze im Dorsalstrange verzweigen ließ, zwei lange Fortsätze aber in das Oberhorn sandte, die sich dort verästelten. Ein anderer Fortsatz (/’), der allem Anscheine nach auch Netzfortsätze abzweigen ließ, gelangte bis in die Nervenwurzel, doch war er dort abgeschnitten, so dass sein weiterer Verlauf uner- mittelt blieb. Auf tingirten horizontalen Längsschnitten kann man erkennen, dass nach außen und entlang der Hinterhörner die Lateralstränge viel feinere Fasern führen (Fig. 14 /f’) als der angrenzende laterale Theil (Z2f). Es ist dies nicht bei allen Fischen so deutlich zu be- obachten wie bei den Cyprinoiden, und auch nicht an jeder Stelle des Rückenmarkes. Das Aussehen der betreffenden Stelle rührt da- her, dass der dem Oberhorne anliegende Abschnitt der Dorsalstränge nur sehr wenige markhaltige Längsfasern führt.. Leider konnte durch die Gorer'sche Methode hierüber nichts ermittelt werden, als was ich bereits nach Osmium-Karminpräparaten mitgetheilt habe. Ich gedenke nur noch jenes Fasersystems, welches ich unter dem Namen »vertikale Kommissur« bei Orthagoriseus beschrieben und auch bei anderen Knochenfischen beobachtet habe (Fig. 8). Bei den Schlangen wurde es auch von SCHAFFER gesehen. Es zieht nach meinen Be- obachtungen aus dem sensitiven Gebiet in ganz senkrechter Richtung neben dem Centralkanal nach unten, kreuzt sich dann unterhalb desselben mit dem der anderen Seite und gelangt so in den ven- tralen Strang. Am deutlichsten und schönsten habe ich dieses Bündelpaar bei Orthagoriscus gesehen!. Diese Faserbündel hat bei Trigla und bei den anuren Batrachiern EDINGER? noch vor mir beobachtet und meint, dass sie durch die Vorder- und Seitenstränge, namentlich aber durch die ersteren hirnwärts gelangen. Obgleich ich diese Annahme Epincer’s für möglich halte, glaube ich einstweilen, dass sie noch des Beweises bedarf. In neuerer Zeit haben nach Govgr'schen lee ige. 11, 12%”. 2 L. Epincer, Uber die Fortsetzung der hinteren Rückenmarkswurzeln zum Gehirn. Anatom. Anzeiger. Bd. IV. 1889. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 115 Präparaten S. Ramon y CAyAaL bei dem Hühnchen, Cr. Sara bei dem Frosche und Rerzius bei Lachsembryonen gewisse Oberhornzellen beschrieben, die einen ihrer Fortsätze ganz senkrecht nach unten schicken und, nachdem sich solche von beiden Seiten unter dem Centralkanal kreuzten, in die Ventralstränge gelangen lassen und zwar ganz in jene Gegend, in welche auch die Enden der vertikalen Kommissuren gelangen. Besonders nach der Abbildung von Ramon y CAJAaL wäre es nicht unmöglich, dass diese Forscher den Ursprung der vertikalen Kommissur entdeckt haben; es wäre dann auch wahr- scheinlich, dass diese Fortsätze in den Ventralsträngen zu Längs- fasern würden und dass dieselben mit den Pyramidensträngen hirn- wärts streben, wie dieses EDINGER meint. Ich selbst habe über all das keine Erfahrung. Zum Schlusse will ich die Resultate dieser Arbeit einheitlich zusammenfassen. Wenn wir von den primitivsten bisher bekannten Rückenmarks- verhältnissen, denen der Pleetognathen, ausgehen, so sehen wir bei diesen Knochenfischen noch keine Sonderung der weißen von der grauen Substanz, das heißt, es haben sich die Längsbahnen noch zu keinem kompakten Bündel gruppirt, und somit besteht noch das- selbe Verhalten wie in dem Bauchmarke derjenigen Evertebraten, die noch keine gangliösen Verdickungen daran aufweisen (Fußstränge der Gasteropoden, Bauchmark der Sipuneulaceen und Nemertinen). »Bei den Plectognathen kommt es, abgesehen von den vier Längs- strängen, die jedoch in Vergleichung zu dem Rückenmarksquer- schnitte von sehr untergeordneter Bedeutung sind, zu keiner Sonde- rung von grauer und weißer Rückenmarkssubstanz, vielmehr sind die Längsfasern zerstreut im gesammten Rückenmarke angeordnet«. Diese Längsbündel sind zwei ventrale, die Vorstufen der Ventral- stränge, und zwei laterale, die Vorstufen der Lateralstränge der höheren Knochenfische. Außerdem habe ich bei Tetrodon auch zwei dorsale Längsbündelehen beschrieben, die bei Orthagoriseus sich noch nicht konsolidirt haben; es sind dies die Vorstufen der Dorsalstränge. Alle diese Längsstränge werden, mit einziger Ausnahme eines Theiles der ventralen Biindelchen, welche markhaltige Fasern führen, von marklosen Fasern gebildet, doch kommen in die graue Substanz ein- gestreut auch markhaltige Längsfasern vor. Es spiegelt sich in einem solchen Rückenmarke, theilweise wenigstens, die Ontagenese S* 116 Bela Haller des Rückenmarkes anderer Vertebraten in so fern, als die Mark- scheiden der Längsbündel bei den Wirbelthieren sehr spät, zum Theil sogar im postembryonalen Leben sich bilden. In einem Punkte freilich hat sich das Rückenmark der Plectognathen einseitig ent- wickelt, da sich. die Ganglienzellen auf ganz bestimmte Stellen grup- piren, doch dürften zukünftige Untersuchungen in so fern an der Sache ändern, als möglicherweise noch kleinste Ganglienzellen im sanzen Rückenmarke eingestreut aufzufinden sein möchten. Wichtig ist es aber, dass das ganze Rückenmark von einem in sich abge- schlossenen Nervennetze gebildet wird, dass innerhalb dieses Ner- vennetzes die Ganglienzellen und die langen, zum Theil markhaltigen Längsfasern liegen und mit demselben vielfach zusammenhängen. Von diesem primären Zustande erfolgte nun die Differenzirung der Rückenmarksstruktur der höheren Knochenfische (wie auch die bei den übrigen Vertebraten, von den Selachiern ausgehend, doch nicht von den Plectognathen). Wie ich es erwähnt habe, muss bezüglich der Anordnung der Ganglienzellen im ursprünglichen Rückenmarke eine andere Gruppi- rung angenommen werden, als sie die Pleetognathen aufweisen. Es muss eine diffuse Anordnung derselben vorausgesetzt werden. Später koncentrirte sich dann ein Theil der Ganglienzellen als sogenannte motorische Zellgruppe in die Unterhörner, was sich bereits bei den Plectognathen einstellte; ein anderer geringerer Theil erhielt sich im Oberhorne der übrigen Teleostier. Bei anderen Gnathostomen, von den Selachiern angefangen bis hinauf zu den Säugern, ist die Gruppirung der Ganglienzellen in der grauen Substanz des Rücken- markes eine allgemeinere als bei den Teleostiern, was denn über- haupt mit der geraden Richtung des größeren Theiles der Vertebraten (Selachier, Dipnoer, Batrachier, Sauropsiden, Säuger) im Stammbaume und mit der Abzweigung (Teleostier) in Einklang gebracht werden kann. Bei den Teleostiern koncentriren sich die Ganglienzellen hauptsächlich im Unterhorne und das Oberhorn besitzt nur wenige und nur ganz kleine Zellen. Diese fallen bei den Plectognathen ganz aus, was aller Wahrscheinlichkeit nach ein durch die Plecto- gnathen erworbener Zustand ist. Ein weiterer Theil der Ganglien- zellen bleibt aber in seiner ursprünglichen Lage bei allen Wirbel- thiergruppen liegen; es sind dies die Ganglienzellen der weißen Substanz. Sie finden sich überall vor, selbst die höchsten Säuge- thiere nicht ausgenommen, nur scheint es, dass sie in der aufsteigen- den Reihe an Zahl bedeutend einbüßen. Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 117 Zur weiteren Differenzirung gehört die Sonderung der weißen Substanz von der grauen, was auf die Weise erfolgt, dass die Längs- fasern in die peripheren Theile des Rückenmarkes hinausrücken, ohne jedoch von dort das Nervennetz zu verdrängen, was auch nach den allgemeinen Grundprineipien des Baues vom Centralnervensystem unmöglich wäre. Das Nervennetz erhält sich auch in der weißen Substanz, doch sind seine Maschenräume je nach dem specifischen Bedürfnis entsprechend weiter als in der grauen Substanz. Obgleich die Sonderung der weißen Substanz von der grauen bei den Kno- chenfischen noch vielfach unvollkommen ist, ist sie mit Ausnahme der Plectognathen doch überall erreicht. Besonders bei den Salmo- niden sind vielfach, wie in geringerem Grade auch bei anderen Knochenfischen, Längsbündel in die Unterhörner eingestreut, und solehe sind auch oberhalb des Centralkanals bei den Selachiern noch vorhanden. Am unvollständigsten ist diese Sonderung bei den Kno- chenfischen in den sensiblen (dorsalen) Gebieten. Auch innerhalb der weißen Substanz erfolgen gewisse Differen- zirungen in der Gruppirung zusammengehörender Längsbahnen, die ursprünglich offenbar eine ganz zerstreute Lagerung inne hatten. Die Ventralstränge sind lange Bahnen und von diesen sind wohl die Pyramidenbahnen (caudalwärts von unbestimmter Länge) die längsten. Die Lateralstränge führen bei den Knochenfischen zumeist nur kurze Bahnen und außerdem Wurzelfasern für die ventralen Nerven. Letztere sind vielfach periphere Collateraläste von Längs- bahnen und Fasern. Aber auch bei den Knochenfischen erfolgt eine gewisse Differenzirung innerhalb der Lateralstränge, die in der dor- salen Gruppirung von dickeren markhaltigen Längsfasern sich kund giebt. Wie weit aber diese letzte Differenzirung mit jener der Lateralstränge der Sauropsiden und Säugethiere (laterale Pyramiden- bahn, laterale Kleinhirnbahn, Gower’scher Strang) gleichzustellen ist, bedarf der weiteren Aufklärung. Eben so treten auch in den Dorsalsträngen der Knochenfische schon gewisse Differenzirungen auf, die jedoch vor der Hand mit den Gorv’schen und Burpacu’schen Strängen der höheren Vertebraten sich nieht vergleichen lassen. Nur so viel steht fest, dass sich die Ventralstränge in jeder Beziehung bei allen Vertebraten gleich verhalten. Bei Berücksichtigung des gesammten Nervensystems scheint es sehr wahrscheinlich, dass die verschiedenen Differenzirungen inner- halb der grauen Substanz der Amnioten mit der Sonderung derjeni- gen Bahnen, die indirekt oder direkt mit der Großhirnrinde verknüpft 118 Béla Haller sind, eng zusammenhängen und dass somit diese Sonderung mit dem Auftreten und der weiteren Entfaltung der Großhirnlappen, in so fern diese sich nicht auf specielle Ausbildung anderweitiger Diffe- renzirungen bezieht, auch die Sonderung innerhalb des Riickenmarkes bedingt. Die Fortsätze der Ganglienzellen lassen sich — doch giebt es vielfache Übergänge — bei allen Bilaterien folgendermaßen ein- theilen. 1) In Verbindungsfortsätze, welche zwei Ganglien- zellen unter einander direkt, also ohne Netzvermittlung, verbinden; 2) in Achsencylinderfortsätze oder solche, die entweder direkt oder nach einigem Längs- oder Querver- laufe (Letzteres durch die Kommissuren) zu peripheren Ner- venfasern werden, und 3) in Netzfortsätze oder solche, die in das Nervennetz des Centralnervensystems sich auflösen. Obgleich alle Nervenfasern, so weit sie direkte Ganglienzellfort- sätze und nicht Nervenfasern indirekten Ursprunges sind, in diese drei Kategorien sich einreihen lassen, so giebt es doch eine Menge Kombinationen; denn jeder Achsencylinder giebt Netzfortsätze im Centralorgane ab und es kann ja ein kombinirter Verbindungsfort- satz, der zu einer kurzen Liingsbahn wird, sowohl Aste in das Ner- vennetz als auch periphere Collaterale, die zu peripheren Achsen- cylindern werden, abgeben etc. Der innige Zusammenhang aller einzelnen nervösen Theile im Centralnervensystem unter einander bringt dies mit sich. Aus all Dem folgt aber, dass eine Schei- dung der Ganglienzellfortsätze in sogenannte Protoplasma- fortsätze und Nervenfortsätze nur unter Berücksichtigung derobigen Gesichtspunkte, nicht aber in dem Sinne GOLGI’s noch in dem derjenigen Forscher, die die Protoplasmafort- sätze für nervös erklären, zulässig ist. Nur in so fern ist ein Fortsatz ein Achseneylinderfortsatz, als er thatsächlich zu einem peripheren Nerven wird, nicht aber, in so fern er nach längerem Verlaufe sich im Centralnervensystem auf- löst. Darum sind zweierlei Ganglienzellen zu unterscheiden, je nachdem sie unter ihren Fortsätzen einen oder mehrere Achsencylin- der besitzen oder solcher ermangeln. Diese Eintheilung würde mit der Gouerschen zusammenfallen, in so fern nach Berücksichtigung des oben Gesagten denjenigen Zellen, deren Fortsätze alle im Cen- tralnervensystem endigen, keine sogenannten Nervenfortsätze zuer- kannt werden. Einer dritten Kategorie von Ganglienzellen kommt keine allgemeine Verbreitung zu, sie beschränken sich auf eine große Zahl Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 119 wirbelloser Thiere und sind Zellen, die nach allen Seiten durch Ver- bindungsfortsätze (Anastomosen) mit benachbarten Zellen zusammen- hängen. Es giebt kurze und lange Längsbahnen. Für die kurzen ist hier der Nachweis erbracht, dass sie Ganglienzellen auf weite Streeken unter einander verbinden, wodurch eine ketten- förmige Bahn entsteht. In Wirklichkeit sind kurze Bahnen lange Verbindungsfortsätze. Ob das vordere Ende der Kette in einer Ge- hirnganglienzelle entsteht, ist höchst wahrscheinlich, bedarf jedoch noch des Nachweises. Solche kurze Bahnen sind aller Wahrschein- lichkeit nach im ventralen Gehirnabschnitte (Stammhirn) vielfach vorhanden. Wie sich die langen Bahnen verhalten, ist nicht in allen Punkten festgestellt, doch ist so viel sicher, dass auch sie durch Collaterale mit dem Nervennetz der grauen Substanz derselben Seite (Gorcı), manchmal auch mit jenem der entgegengesetzten Seite, mit dem Nervennetz der weißen Substanz und durch andere Äste unter einander zusammenhängen. Der innige Zusammenhang aller Theile des Centralnervensystems unter einander bringt auch kombinirte kommissurale Verbindungen hervor, die ich unter diesem Namen vorführte. Der Ursprung der oberen wie der unteren Spinalnerven er- streckt sich auf sehr weite Gebiete, sowohl in der Richtung der Höhen- als auch in der der Längenachse des Riickenmarkes, Das Gebiet der motorischen Nerven ist aber in der Querebene größer als jenes der dorsalen Nerven. Jeder Spinalnerv, mag er ein dorsaler oder ein ventraler sein, sammelt seine Fasern theils aus der Rücken- markshälfte derselben Seite, theils aus der anderen Rückenmarks- hälfte. Was von dem Ursprung der Fasern derselben Rücken- markshälfte gilt, dasselbe giltin jeder Beziehung von denen aus der anderen Rückenmarkshälfte, welche die Kommis- suren passiren. Die motorischen Nervenfasern entspringen aus Ganglienzellen; der periphere Achsencylinder braucht aber nicht direkt aus einer Ganglienzelle abzugehen, er kann auch von einem längeren oder kürzeren Fortsatz derselben, mag dieser Fortsatz, welcher der drei Arten immer angehören, abgehen. Die dorsalen Nervenfasern ent- springen zum größten Theil aus dem Nervennetze, sind also Fasern indirekten Ursprunges. Sowohl diese Fasern, als auch jene direkten Ursprunges, aus mittelgroßen Ganglienzellen, beziehen die dorsalen Nerven auch aus den Unterhörnern. Fasern direkten Ursprunges 120 Béla Haller im Gebiete des sensitiven Gebietes konnten mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden. Die vertikale Kommissur führt wahrscheinlich Fasern direkten Ursprunges aus Ganglienzellen der Oberhörner (S. RAMöNn Y CAJar), die, oberhalb der Ventralstränge sich kreuzend, in denselben zu Py- ramidenbahnen werden (EDINGER). Das Nervennetz erstreckt sich auch in die weiße Sub- stanz. Vorliegende Untersuchung begründet somit nichts weiter, als was meine früheren Untersuchungen, besonders über das Central- nervensystem der Wirbellosen, gebracht und was die Phylogenese des Nervensystems bezeugt: den innigsten Zusammenhang simmtlicher nervöser Theile des Centralnervensystems unter einander. Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen. Alle Querschnitte von Karminpräparaten sind bei Vergrößerung Oc. 3, Ob. 4 REICHERT gezeichnet. vh Vorderhörner, hn obere Spinalnerven, hh Hinterhörner, vs ventrale Längsbündel (Funieuli ven- m Gegend der oberen Kommissur, trales), n Gegend der centralen unteren Kom- 7s laterale Längsbündel (Funiculi late- missur, rales), ! c periphere untere Kommissur, ds dorsale Längsbündel (Funieuli dor- s Septum inferius, sales), s’ Septum superius, J MAuTHNER’sche Fasern. vn untere Spinalnerven, Tafel I. Fig. 1. Esox lucius L. Querschnitt durch das Halsmark. Fig. 2. Esox lueius. Querschnitt durch den mittleren Abschnitt des Rücken- markes. Fig. 3. Anguilla vulgaris L. Querschnitt durch den mittleren Abschnitt des Rückenmarkes. I oberer, II unterer Abschnitt der lateralen Längsstränge. Fig. 4. Anguilla vulgaris. Querschnitt durch den hinteren Abschnitt des Rückenmarkes. w Schnitte der dicken und » der feinen Längsfasern der unteren Hälfte des ventralen Liingsbiindels. J oberer, ZZ unterer Abschnitt. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. =17, 18, 19. . 20. 21. aD, Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. 121 Esox lueius. Querschnitt aus der weißen Substanz des Riicken- markes. Osmium-Karminpräparat. gz Ganglienzelle; » nervöses Netz; p’ neurogliales Netz; nz große Neurogliazelle; gf Kapillargefäß (Vergr. Oc. 2, Ob. XI Imm. REICHERT). Cyprinus carpio L. Horizontalschnitt aus der grauen Substanz des Riickenmarkes. Zwei mit einander anastomosirende Ganglienzellen (Vergr. Oc. 2, Ob. 6 REICHERT). Anguilla vulgaris. Querschnitt aus der Gegend der hinteren Hörner des Rückenmarkes. p’ Hinterhörner (Vergr. Oc. 3, Ob. 8 Hartnack). Tafel II. Cyprinus carpio. Querschnitt aus dem vorderen Drittel des Rücken- markes. J oberer, II mittlerer, /II unterer Abschnitt des lateralen Längsbündels. Salmo fario L. Querschnitt aus dem vorderen Abschnitt des Rücken- markes. Salmo fario. Dasselbe aus dem hinteren Abschnitt. Salmo fario. Dasselbe aus dem Filum terminale. Perca fluviatilis Rond. Querschnitt aus der vorderen Hälfte des Rückenmarkes. 7 an Gliazellen reiche Gegend. Esox lueius. Querschnitt durch die Wurzel des ersten Nerven- paares. Esox lueius. Horizontaler Längsschnitt durch den mittleren Theil der Hinterhörner. gs./f Längsbündel (Vergr. Oc. 3, Ob. 4 REICHERT). Esox lueius. Längsschnitt aus dem dorsalen Theile des Seiten- stranges (Vergr. Oc. 4, Ob. 6 REICHERT). Cyprinus carpio. Horizontaler Längsschnitt aus der grauen Sub- stanz. Zwei mit einander anastomosirende Ganglienzellen (Vergr. Oc. 2, Ob. 6 REICHERT). Tafel III. Cyprinus carpio. Querschnitt aus dem linken ventralen Liings- strange. Goxar'sches Präparat! (Vergr. Oc. 2, Ob. 6 HARTNACK). Salmo fario. Querschnitt aus der linken Hälfte des Rückenmarkes. if weiße Substanz; gs graue Substanz. GoLGI'sches Präparat (Vergr. Oc. 4, Ob. 6 HARTNACE). Cyprinus carpio. Querschnitt aus dem Rande des rechten Vorder- hornes. Zwei mit einander anastomosirende Ganglienzellen. GOLGI- sches Priparat (Vergr. Oc. 2, Ob. 8 HARTNACE). Cyprinus carpio. Querschnitt aus dem rechten vorderen Horne und dem ventralen Liingsbiindel. gs graue Substanz; /f Lingsbiindel. Gouai'sches Präparat (Vergr. Oc. 2, Ob. 8 HARTNACK). Salmo fario. Querschnitt aus der grauen Substanz des Riicken- markes. Osmium-Karminpräparat (Vergr. Oc. 2, Ob. XI Imm. REICHERT). Cyprinus carpio. Querschnitt aus dem unteren Rande der Vorder- hörner. gs graue Substanz; Zf Lingsfasern; q radiäre Bündel; = Gan- glienzelle. Osmium-Silberpräparat (Vergr. Oc. 2, Ob. 8 HARTNACK). 1 Wo bloß »GoLeTsches Präparat« angegeben ist, verstehe ich GoLers langsames Verfahren. 122 Béla Haller, Untersuchungen über das Rückenmark der Teleostier. Fig. 23. Cyprinus carpio. Schräger Horizontalschnitt durch das linke Unter- horn. gs graue Substanz; /f laterale Längsbündel (Vergr. Oc. 2, Ob. 4 REICHERT). Fig. 24. Esox lucius. Schräger Horizontalschnitt (Vergr. Oc. 2, Ob. 4 Reı- CHERT). Fig. 25.. Salmo fario. Aus der grauen Substanz oberhalb und lateral vom Centralkanal (Vergr. 2/6). Tafel IV. (GoLGTI’sche Präparate.) Alle beziehen sich auf Salmo fario. Fig. 26. Querschnitt aus der Gegend des fünften Nervenpaares. Nach drei Präparaten zusammengestellt. Fig. 27. Dasselbe nach vier Präparaten zusammengestellt. Tafel V. (GOLGI’sche Präparate.) Bezieht sich auf Salmo fario. Fig. 28. Querschnitt durch die untere Kommissur. Ein Präparat. Fig. 29. Querschnitt aus dem ventralen Längsstrange (Vergr. Oc. 4, Ob. 6 HART- NACK). Fig. 30. Querschnitt durch die ventrale Rückenmarkshälfte aus der Gegend des zweiten Spinalnervenpaares. Nach zwei Präparaten zusammen- gestellt. Fig. 31. Horizontaler Längsschnitt aus der linken ventralen Hälfte des Rücken- markes. Ein Präparat. Tafel VI. (GoLGT' sches Präparat.) Fig. 32. Salmo fario. Dasselbe wie zuvor. Nach zwei Präparaten. Tafel VII. (GoLgr'sches Präparat.) Fig. 33. Salmo fario. Horizontaler Längsschnitt durch die Gegend der hin- teren Hörner. Nach vier Präparaten zusammengestellt. Morpholog. Jahrbuch Bd. XXM. | a. hh tf re wıry Verlag von Wilk. Engelmann, Leipzig. Lith Anse vWerner 8 Winter, Frankfurt 9, Ei x « . ~ r q SES Lith Aust. nWerner Alinter, Frankfart #M. 21g, Engelmann, Leip: : ES = S EN x S eS BS S S & S = BHaler dat. Taf m Morpholog. Jahrbuch Bd. XMM | Morpholog. Jahrbuch Bd.XMH. Taf. WW. 26. Morpholog. Jahrbuch Bad XX. TS SSL TFA ESN Morpholog Jahrbuch Bd. XXL Taf VI. N ca = AN - = N LS > N N NX I u N SI

Morpholog. Jahrbuch Bd. XX. ; : = ü = . _ Taf XI. = == = =~ | 10. 12 11. | | | | | | | | | Darm | | | | | | | | | | St var ‚Hypochorda, | } y | | | | | | | | Mesenterium. ferner &Winter, Frarkfart Morpholog. Jahrbuch Bd XMM. Taf; XM 18. 16. _Hypochorda Aorta Aorta _-Verdickung | Glomerulus 62 | Dorsale Darmwand _ ~ Hypochorda ~ Aorta Entodermzellen??< Ph. Stohr ges Verlag von Wik Engelmann, Leipeig “Jah Rast. Werner Winter, Frankfurt 0. Über Kernveränderungen im Ektoderm der Appendicularien etc. 143 Diese Bemerkungen sind nothwendig, um die beigefügten Abbildungen verständlich zu machen, besonders auch Fig. 2, welche einen seitlich gelegenen Sagittalschnitt einer Oikopleura darstellt, durch den der Oikoblasten-Haufen der einen Seite flach angeschnitten worden ist, so dass fünf Zellen desselben sicht- bar sind, die sich durch ihre Größe auszeichnen. : An den Theilen, die an der Gehäusebildung gar nicht, oder in nur unter- geordnetem Maße betheiligt sind, findet man in den Zellen rundliche, relativ große Kerne. Ihr Chromatin färbt sich nicht. sehr intensiv. In den ver- Theil eines Sagittalschnittes vom vorderen Theil von Oikopleura cophocerca, Bezeichnungen wie Fig. 1. Va Vacuolen. Vergr. ca. 200/1. Querschnitt des vorderen Theiles von Oikopleura co- phocerea. Oz Zone der vergrößerten Ektodermzellen (Oikoblasten). N Kerne, @ Gehirnganglion. E Endo- styl.’ M Theile des abgeschiedenen Gehäuses. Vergr. ea. 200/1. schiedensten Abstufungen begegnen uns dann Kerne, welche eine unregelmäßige Gestalt darbieten, sich in die Länge strecken oder Fortsatzbildungen zeigen. Dabei verändert sich die Beschaffenheit des Chromatins. Die Kerne werden stärker lichtbrechend und färben sich viel intensiver. Den höchsten Grad erreichen diese Veränderungen in der erwähnten Oikoblastenzone. Die Zellen verlängern sich in einer der Längs- achse des Thieres entsprechenden Richtung und in gleichem Sinne dehnen sich die Kerne aus (Fig. 2 or).: Auf dem Querschnitt bekommt man in Folge dessen nur ein unvollkommenes Bild dieser Verhältnisse. Hier sieht man un- regelmäßige Kernformen und kann konstatiren, dass diese Verlängerung der Kerntheile auch in einer zur Oberfläche senkrechten Richtung vor sich geht. Man muss dieses Bild eben kombiniren mit dem des Sagittalschnittes. Letzterer zeigt uns die langgestreckte schmale Form der Kerne mit theilweisen Zer- schnürungen und unregelmäßigen Fortsatzbildungen verbunden. Wo aber ein Kernstück scheinbar vom übrigen isolirt ist, konnte ich, so weit ich danach suchte, stets den Zusammenhang mit dem übrigen Kerntheil durch die Beobach- tung mehrerer Schnitte nachweisen. Durch solche kombinatorische Betrachtung erkennt man, dass die Verzweigung eine sehr reiche ist und in ver- schiedenen Ebenen vor sich gehen kann. Fig. 3, welche ein solches Bild in einem extremen Falle darstellt, erinnert an die bei den Spinndrüsen der Insekten beobachteten Erscheinungen. Was das Verhalten des Protoplasmas betrifft, so finde ich es aus einer fein- körnigen Masse gebildet, dessen festere Theile eine Art Netzwerk zu bilden scheinen. Die in den Maschen desselben angehäufte dünnere Materie bildet an vielen Stellen kuglige Ansammlungen, vacuolenähnliche Bildungen. Bei einigen derselben dachte ich Anfangs an die Möglichkeit, dass ein Centrosoma vorliegen 144 H.Klaatsch, Über Kernveränderungen im Ektoderm der Appendicularien etc. könnte, doch gelang mir der Nachweis eines solchen nicht. Um den Kern findet sich häufig eine mehr lockere Struktur des Protoplasmas, die Andeutung einer perinucleären Differenzirung. In dem Protoplasma dieser Zellen fand ich bei Exemplaren, die in Messina gefischt wurden, einen körnigen intensiv blauen Farbstoff, der bereits den ganzen Thieren eine im vor- Fig. 3. deren Theile besonders deutliche blaue Färbung verlieh. An den Neapler Exemplaren war mir Derartiges nicht begegnet. Man könnte vielleicht versuchen, diese Kern-Ver- änderungen als Kunstprodukte, als Schrumpfungs-Erschei- nungen aufzufassen ; dieser Einwand ist aber ohne Weiteres dadurch widerlegt, dass ich die verzweigten Kerne an frisch in Seewasser untersuchten Thieren in der- selben Weise antraf, wie an Exemplaren, die mit Chrom- osmiumessigsäure und solche, die mit Sublimat-Eisessig konservirt wurden. Die vorgelegten Thatsachen regen zu manchen Be- trachtungen an, von denen ich hier nur einige kurz er- wähnen möchte. Bekanntlich ist schon öfter versucht worden, die a Mantelbildung der übrigen Tunicaten mit der Gehäuse- Ein einzelner Oikoblast, bildung der Appendicularien zu verknüpfen und ich sehe Sk te Kern- keinen triftigen Grund, um einer solchen Auffassung zu Kombi Ta ee ce begegnen. Die Mantelbildung als eine hoch komplicirte 400/1. “ und fixe Erscheinung muss ihre Vorstufen gehabt haben und da giebt die nur temporäre Bildung einer solchen Hülle bei Appendicularien einen guten Fingerzeig für die Phylogenese der an- deren Bildung ab. Doch liegt es nicht in meiner Absicht, diese schwierige Frage hier zu erörtern, nur bezüglich der Kerne möchte ich sie berühren. Der Sekretionsprocess des Mantels in frühen Stadien bei jungen Ascidienlarven hat viel Ahnlichkeit mit der Gehäusebildung der Appendicularien. Auch hier liegt ein reiner Sekretionsprocess! des Ektoderms vor, der aber über den ganzen Körper gleichmäßig ausgedehnt ist. Warum nun, kann man fragen, treten hier nicht ähnliche Bilder an den Kernen auf? Ich habe nie dergleichen beobachtet. In dieser Hinsicht muss man sich erinnern, dass es sich bei den Appendicularien um ungeheuer intensive, in ganz kurzen Perioden stets aufs Neue sich ab- spielende Sekretionsprocesse handelt. Ich kann hierfür auf Fou’s vorzügliche Darstellung verweisen, wonach ein solches im Verhältnis zum Thier ungeheuer großes Gehäuse in wenigen Stunden fertiggestellt wird, um abgeworfen und sofort wieder neugebildet zu werden. Ich erblicke also in den geschil- derten Kernveränderungen den Ausdruck für die außerordentlich hohe und intensive sekretorische Leistung der Oikoblasten, die bei dem ruhigeren Gang der Ereignisse, wie wir sie bei Ascidienlarven finden, nicht mehr so deutlich in die Erscheinung tritt. Die oikoblastische Funktion gewisser Ektodermzellen möchte ich als Aus- gangspunkt nehmen für die Erklärung einiger kleiner Organe, die z. Th. durch Fou u. A. schon bekannt geworden sind. Durch lokale Entfaltung größerer Ektodermzellen sind jene am Mund außen sich findenden »Drüsen« entstanden, die man bei Oikopleura cophocerca antrifft; der erwähnte dorsale unpaare Oiko- blasten-Fleck, liefert ein eigenthümliches stachelartiges Organ; auch jene >ein- zelligen Drüsen«, die jederseits zwei an Zahl am Schwanz der Fritillarien sich finden, und die ich als Gleichgewichtsorgane in Anspruch nehme, dürften an die geschilderten Verhältnisse anknüpfen. Vielleicht bietet sich eine andere Gelegen- heit auf diese Bildungen näher einzugehen. 1 Die neueren Angaben KOWALEVSKY’s, wonach die Mantelzellen der Tuni- caten nicht aus dem Ektoderm stammen, kann ich durchaus bestätigen; es sind »Mesodermzellen«, deren entodermale Herkunft man aber mehr betonen sollte. 2 KLAATSCH, Beiträge zur vergl. Anatomie der Wirbelsäule. III. Morph. Jahrb. Bd. XXII. Hft. 4. pag. 522. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. ~ Von Dr. med. Ernst Goppert, Assistent am anatomischen Institut in Heidelberg. Mit Tafel XIII—XVI und 21 Figuren im Text. I. Theil. Die Homologieverhältnisse der Fischrippen. Die Morphologie der Fischrippen ist schon so vielfach behandelt worden, dass ein Blick auf die Anzahl der einschligigen Arbeiten und auf die Namen ihrer Verfasser eine erneute Priifung iiberfliissig erscheinen lassen könnte. Eine genauere Bekanntschaft mit der Litteratur zeigt jedoch zwischen den Autoren weitgehende Verschie- denheiten in den Befunden und ihrer Beurtheilung. Zunächst sind lange Zeit die Homologieverhältnisse der Fischrippen Gegenstand der Diskussion gewesen. Bekanntlich finden sich die Rippen bei den Fischen in zwei verschiedenen Zuständen vor. Sie liegen zwar stets in den trans- versalen Myosepten!. Bei den meisten Ganoiden, den Dipnoern und Teleostiern, finden sie sich aber in den medialen Rändern derselben in unmittelbarer Nachbarschaft des Peritoneums, bei den Selachiern, wenigstens den Squaliden, dagegen an den Kreuzungslinien der Transversalsepten und der horizontalen, dorsale und ventrale Seiten- muskulatur von einander trennenden Scheidewände. 1 Die die Stammesmuskulatur durchsetzenden Scheidewände werden fol- gendermaßen unterschieden: die einzelnen Myomeren werden von einander ge- sondert durch die transversalen Septen. Dorsaie und ventrale Muskulatur scheidet jederseits das horizontale Septum. Die beiderseitigen Hälften der Stammesmuskulatur trennt ein dorsales und ein ventrales sagittales Septum. Morpholog. Jahrbuch. 23. 10 146 Ernst Göppert Trotz dieser Verschiedenheit homologisiren eine Reihe von For- schern die Selachierrippe mit der der übrigen Fische. Der Unter- schied in der Lage beider braucht in der That nicht so bedeutsam zu erscheinen, wenn man berücksichtigt, dass eine nur geringe Ver- schiebung innerhalb der Transversalsepten genügen würde, die Rippen aus der einen Lage in die andere überzuführen. Ein Zwischenzustand scheint sich sogar bei Lepidosteus zu finden. Die Rippen halten sich hier nicht in ihrem ganzen Verlauf an den medialen Rand der queren Septen, sondern dringen in dieselben ‘ein. Auf dem Boden dieser Beurtheilungsweise stehen Hasse und Born (XI'), BALFOUR und PARKER (I), Grassr (X). Auch GEGENBAUR trat in seiner Arbeit über die Wirbelsäule von Lepidosteus (VII) für sie ein. Später jedoch, in seiner Kritik zu GOETTE’s »Entwicklungs- geschichte der. Unke« (VIII), erkennt er die Möglichkeit einer Ver- schiedenheit der verschieden gelagerten Rippenbildungen an. Er fordert aber die Erforschung des Grundes der bestehenden Diffe- renzen (pag. 314). Auf der anderen Seite vertritt vor Allem GoETTE (IX) die Zwei- heit der Rippenbildungen bei den Fischen. Er scheidet gemäß ihrer Lagerung untere Rippen oder Pleuralbögen von den oberen Rippen, die er mit engerer Fassung des Namens als Rippen schlecht- hin bezeichnet. HATSCHEK (XII), RABL (XV), WIEDERSHEIM (XVII), Baur (III) schließen sich ihm an? Die Verschiedenheit der Lage ist also nach den eben genannten Forschern ein wesentliches Kriterium für die Auffassung der Rippen- bildungen*, Gelegentliche Ubereinstimmungen in der Lage zwischen 1 Die römischen Zahlen hinter den Autorennamen verweisen auf das Litte- raturverzeichnis am Schluss der Arbeit. 2 Bereits AuGUst MÜLLER (XIII) erkannte in seinen »Beobachtungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule« die Wichtigkeit der Lagerung der Rippen und Gräten innerhalb der Muskulatur für die Beurtheilung dieser Theile. 3 Leider war es mir nicht möglich, mir die Arbeit DoLLo’s: Sur la mor- phologie des cötes (V) zu verschaffen. Auch DoLLo scheint den eben ge- nannten Autoren sich anzuschließen, wie ich aus folgendem Satz seiner Arbeit: »Sur la morphologie de la colonne vertébrale« (VI) entnehme (pag. 14): Chez certains poissons, & l'état adulte, il y a, & droite et 4 gauche de chaque ver- tebre, deux éléments unicipitaux indépendants superposés dorso-ventralement: lel&ment dorsal, c’est la cöte; l’element ventral, c’est ’haemapophyse, puisqu’il passe graduellement aux haemapophyses typique, quand on se dirige vers la queue. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 147 oberen Rippen und Pleuralbögen erklären sich durch sekundäre Ver- schiebungen innerhalb der Muskulatur (GOETTE). Von Wichtigkeit schien für diese Auffassungsweise das Verhalten der Rippen am Übergang vom Rumpf zum Schwanz zu sein. Wir beobachten. in der Reihe der Fische eine Verkürzung des Bereichs der Leibeshöhle, die allmählich ursprüngliche Rumpfwirbel der Schwanzregion zuweist und zu Schwanzwirbeln werden lässt (vgl. GEGENBAUR VII und VIII), dabei ändert sich das Verhalten der ein- zelnen Theile des Wirbels, die Pleuralbögen der Ganoiden und Di- pnoer schließen sich zu den Hämalbögen zusammen. Bei den Tele- ostiern glaubte GoETTE mit August MÜLLER (XIII) gleichfalls eine Betheiligung der Pleuralbögen an der Hämalbogenbildung annehmen zu müssen. Für die oberen Rippen der Selachier dagegen gilt etwas Derartiges nach GOETTE nicht. Hierin könnte man also den Aus- druck einer Verschiedenheit der Selachierrippe von der Rippe der übrigen Fische erkennen. Nun wird aber die Gorrre’sche Beur- theilung der unteren Bögen der Knochenfische von anderer Seite entschieden bestritten, so von GEGENBAUR und GRassI, welche die Anschauung JOHANNES MÜLLER’S (XIV) theilen, dass die Hämalbögen der Knochenfische allein von den Basalstiimpfen ohne Betheiligung der Rippen (Pleuralbögen) gebildet werden. Andererseits behaupteten BALFOUR und PARKER für die Selachier eine gleiche Genese der caudalen unteren Bögen, wie sie GOETTE für die Teleostier an- nahm. Demnach wird man vor .der Hand auf das Verhalten der Rippen am Rumpf-Schwanziibergang keinen besonderen Werth legen können. Entscheidende Bedeutung für die Lösung der vorliegenden Frage würde aber der Nachweis eines gleichzeitigen Vorkommens beider Zustände der Rippen in einem Segment haben. Dies scheint nun, wie schon GOETTE, dann auch HATSCHEXR, RABL und Baur darlegen, bei Polypterus der Fall zu sein. Hier trägt jeder Rumpfwirbel erstens ein Paar von Knochenspangen, die in ihrer Lagerung mit den Se- lachierrippen übereinstimmen, außerdem aber noch typische »Pleural- bögen«. Das Gleiche scheint nun auch bei Knochenfischen vorzu- kommen. Dies zeigt möglicherweise eine vielfach übersehene Be- obachtung Brucu’s (IV), dass bei Salmoniden und Clupeiden außer den Pleuralbögen (unteren Rippen) Knorpelstücke vorkommen, die in der Nähe der Seitenlinie innerhalb der transversalen Myosepten liegen. Ihr Entdeeker nannte sie »Cartilagines intermusculares«. Dieser Befund gewinnt dadurch an Bedeutung, dass GOETTE auch 10* 148 Ernst Göppert bei Monacanthus penicilligerus, einem Plectognathen, theilweise knorplig gebildete »Selachierrippen« nachweisen konnte. Bei Berücksichtigung dieser Thatsachen wird man sich der Gorrre’schen Auffassung der Rippen zuneigen und mit ihm obere und untere Rippen oder Pleuralbögen unterscheiden. Es fehlt aber noch für die oberen Rippen der Crossopterygier der entwick- lungsgeschichtliche Nachweis ihrer Homologie mit der Selachierrippe, wie GOETTE bereits erkannt hat. So lange ihre Zugehörigkeit zum primordialen Skelet nicht erwiesen ist, wird man die Möglichkeit nicht bestreiten können, dass sie bloße Sehnenverknöcherungen oder Fleischgräten darstellen (A. MÜLLER). Zweitens scheint die Bedeu- tung des Befundes bei Monacanthus nicht über allen Zweifel erhaben, da hier untere Rippen neben den knorpelhaltigen Rippenbildungen fehlen. Endlich ist der Nachweis noch nicht erbracht, dass die Brucu’schen »Cartilagines intermusculares« den Selachierrippen wirk- lich zu homologisiren sind. An den damit bezeichneten Punkten hat also eine weitere Be- arbeitung der Morphologie der Fischrippen zunächst einzusetzen. a. Die Rippen der Crossopterygier. Wir beginnen unsere Untersuchung bei den Crossopterygiern. Zunächst wollen wir uns eine Übersicht über das Verhalten der Rippen bei Polypterus verschaffen. Bereits oben ist auf die bekannte Thatsache hingewiesen wor- den, dass hier jeder Rumpfwirbel zwei Rippenbildungen jederseits trägt. An den Enden starker Querfortsätze der knöchernen Wirbel- körper sind die oberen Rippen beweglich befestigt. An der Ventral- seite der Querfortsatzbasis heften sich die unteren Rippen an. Beide Rippenpaare liegen in den transversalen Myosepten. Das ventrale Paar findet sich in den medialen Rändern derselben un- mittelbar nach außen vom Peritoneum, entspricht also den Pleural- bögen der Teleostier. Das dorsale Paar ist dem horizontalen Myo- septum derart angeschlossen, dass es in die dorsale Hälfte des transversalen Septums hineinragt. Es findet sich also in der Lage- rung der Selachierrippe. Präparirt man die Septen sammt den Rippen frei, so beobachtet man, dass auch die ventralen Theile der Transversalsepten an die oberen Rippen angeheftet sind. In der vorderen Rumpfhälfte sind die oberen Rippen stark ent- wickelt, die unteren stellen dagegen nur kurze Stümpfe vor. Weiter Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 149 caudalwirts dreht sich dieses Verhältnis allmählich um. Im hinteren Theil des Rumpfes sind die unteren Rippen länger als die oberen. Am Anfang des Schwanzes schwinden die letzteren schließlich ganz, während die unteren sich zu den Hämalbögen zusammenschließen. Gleichzeitig hiermit ändert sich der Körperquerschnitt. Vorn er- scheint der Körper in dorso-ventraler Richtung etwas abgeplattet, hinten wird der dorso-ventrale Durchmesser länger, der transversale verhältnismäßig schmaler. Fanden wir bei Polypterus die vorderen unteren Rippen (Pleural- bögen) schwach entwickelt, so sehen wir, dass sie bei Calamoichthys Calabaricus Smith. in den vorderen Theilen des Körpers ganz fehlen. Hier finden sich allein die oberen Rippen. Nur in den hinteren Theilen des Rumpfes sind beide Rippenbildungen neben einander vorhanden. Am Schwanz gehen die unteren in die Hämalbögen über. Wenn man die Stellung von Calamoichthys zu Polypterus im System berücksichtigt, wird man nicht lange im Zweifel darüber sein, ob die vorderen Pleuralbögen der Crossopterygier im Entstehen oder in Rückbildung begriffene Theile darstellen. Calamoichthys ist die jingere Form. Das zeigt u. A. der Mangel einer Hinterflosse, die Polypterus noch besitzt. In gleicher Weise hat Calamoichthys in dem vorderen Theil des Rumpfes die Pleuralbögen eingebüßt, die sich noch bei Polypterus allerdings bereits in reducirtem Verhalten vorfinden. Wieder beobachten wir, dass sich mit dem Verhalten der Rippen auch die Form des Körperquerschnittes ändert. Vorn überwiegt der transversale, hinten der dorso-ventrale Durchmesser (vgl. Fig. VII pag. 196 und Fig. VIII pag. 197). An einer Querschnittsserie durch einen jungen, 12 cm langen Calamoichthys, den mir Herr Dr. Kuaarscn freundlichst zur Ver- fügung stellte, untersuchen wir jetzt die vorderen. Rumpftheile ge- nauer. Von jedem Wirbelkörper geht hier jederseits, ähnlich wie bei Polypterus, ein starker Querfortsatz aus, der etwa die doppelte Länge des Querdurchmessers des Wirbelkörpers besitzt. Die Quer- fortsätze ziehen lateral- und etwas ventralwärts zum medialen Rand des horizontalen Myoseptums und reichen sogar noch ein kurzes Stück in dasselbe hinein. Sie sind zum größten Theil knöchern. In ihrem lateralen Theil umschließen sie einen von Fettzellen aus- gefüllten Markraum. In ihrer Basis liegt eine nicht unbeträchtliche Masse hyalinen Knorpels. Dieser sitzt unmittelbar der Elastica der Chorda dorsalis .auf und hängt durch eine schmale Knorpelbrücke 150 Ernst Göppert seitlich von der Chorda mit Knorpelgewebe zusammen, das in der Basis der knöchernen Neuralbögen eingeschlossen liegt. Das ganze Verhalten der Querfortsätze zeigt sie als Homologa der Basalstümpfe der übrigen Fische. Es sei hier erwähnt, dass ventral von den Basalstümpfen, wie wir nun in Zukunft die Querfortsätze bezeichnen wollen, zwei kurze knöcherne Fortsätze vom Wirbelkörper entspringen, die gabelartig die Aorta von der Dorsalseite her umfassen. Sie sind ventral fort- gesetzt durch Bindegewebszüge, die die Aortenwand umziehen (vgl. Fig. I pag. 151). An die Enden der Basalstiimpfe sind die oberen Rippen be- festigt. Die Verbindung vermittelt ein starkes Band, das aus par- allel zu einander verlaufenden Fasern mit zahlreichen dazwischen angeordneten spindelförmigen Kernen besteht. Die Fasern des Liga- mentes senken sich in die Knochensubstanz des Basalstumpfes und die der Rippe ein. Die oberen Rippen sind eben so wie bei Polypterus der Dorsal- seite des horizontalen Septums angefügt; sie sind also in erster Linie Stützen der dorsalen Seitenrumpfmuskulatur (Fig. VII pag. 196 O.R). Von der Ventralseite her befestigen sich aber, entsprechend der ganzen Ausdehnung der Rippen, die ventralen Transversalsepten am horizontalen Septum. Auch diesen dienen also die oberen Rip- pen als Halt. Das Ende jeder Rippe gehört sogar ausschließlich der ventralen Muskulatur an. Nachdem nämlich das Ende der Rippe den Grund der Furche erreicht hat, die an der Seitenlinie zwischen dorsale und ventrale Rumpfmuskulatur eindringt (Fig. VII), so folgt es noch auf eine allerdings kurze Strecke der Oberfläche der ventralen Muskulatur und hat hier jede Beziehung zur dorsalen Muskulatur aufgegeben. Das Rippenende selbst besitzt eine leichte kolbige An- schwellung (Fig. 1 Taf. XIII O.R). Es ist fest mit den Fasern der _Cutis verbunden, die in das Knochengewebe des Rippenendes ein- dringen. Außerdem ziehen Bindegewebsfasern, die im Rippenende wurzeln, in die benachbarte Knochenplatte (X) des Hautpanzers. Die oberen Rippen stellen in ihrem Anfangsstück massive Knochenstäbe vor. Weiter lateral treten in ihnen Markräume auf. Ihr distales Ende umschließt endlich einen Kern von hyalinem Knorpel (Fig. 1). Dieser Befund beweist un- zweideutig, dass die obere Rippe der Crossopterygier wirklich dem.primären Skelet angehört und der Se- lachierrippe homologisirt werden muss. Wir haben Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 151 also bei den Crossopterygiern in der That zwei ver- schiedene knorplig präformirte Rippenbildungen gleich- zeitig an einem Wirbel. Die oberen Rippen finden sich im ganzen Bereich des Rumpfes. Sie gehen nicht auf den Schwanz iiber. An den vier letzten Seg- menten des Rumpfes stehen sie nicht mehr in direkter Verbindung mit den Basalstumpfenden. Sie sind hier rudimentär und entsprechen ihrer Lage und Ausdehnung nach nur noch den lateralen Theilen der vorderen Rippen. In den beiden letzten Rumpfsegmenten fanden sich die Rippen nur noch einseitig vor. Aber auch hier enthielten sie noch den Knorpelkern. Was nun die unteren Rippen oder Pleuralbögen (Fig. I und VIII pag. 197 P/b) anlangt, so ist bereits oben über ihr Vorkommen berichtet. Die vorder- sten entspringen von der Fig. 1. Unterseite der Basal- L stumpfmitte (2). Je mehr wir uns dem Schwanz nähern, desto mehr verschiebt sich ihr Ursprung medianwärts. Schließlich gehen sie von Vorsprüngen der Basalstümpfe aus, die den oben erwähnten ventralen Höckern der vorderen Wirbel ent- sprechen .(vgl. Fig. I u. II). Diese die unteren Rippen tragenden Vor- sprünge umschließen Knorpel, der mit dem Calamoichthys Calabaricus. Querschnitt durch einen Wirbel- übrigen Basalstumpf- körper der hinteren Rumpfhalfte. 57/1. Kn Knorpel in der k £ Basis der Neuralbögen (N). Für alle übrigen Bezeichnungen s. norpelzusammenhängt. die Tafelerklärung pag. 215. Eben so finden wir im proximalen Theil der unteren Rippe hyalinen Knorpel, der äußerlich von einer Knochenschale umschlossen ist. Das freie Ende der Rippen ist rein knöchern. Die ventralen Rippen sind an die Basalstiimpfe durch Ligamente befestigt, deren einander parallel verlaufende Fibrillen in den Knochen- 152 Ernst Göppert überzug beider Skelettheile eingelassen sind. An dem letzten Rumpf- wirbel ändert sich dieses Verhalten etwas. Das Band zwischen Rippe und Basalstumpf enthält zahlreichere Zellen. Die Fibrillen verlaufen weniger Fig. Il. genau parallel zu A einander als vorn. Sie durchkreuzen sich in unregel- mäßiger Weise. An den ersten Schwanzwirbeln sind nun die der unteren Rippe und dem Basalstumpf entsprechenden Theile des Hämal- bogens (Fig. II B und Pl) an den einanderzugekehr- ten Enden nicht vollständig von Knochen überzo- En gen. Die knorplige Il | Grundlage dersel- Eelamoichthys Galabanigus, Quersohnits durch den zweiten Schwanz- ben kommt damit wirbel. 57/1. a Verbindung zwischen dem, einem Basalstumpf (B) und _ : dem, einem Pleuralbogen (Pb) entsprechenden Theil des Hämalbogens. IN Berührung mit Kn Knorpel des Neuralbogens und des Basalstumpfes, lateral von der D Chorda mit einander zusammenhängend. Pr.sp Processus spinosus des dem Verbindungs vorhergehenden Hämalbogens. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. gewebe. Zwischen beiden beobachten wir einen so allmählichen Übergang und innigen Zusammenhang, dass wir nicht daran zweifeln können, dass das Zwischengewebe aus hyalinem Knorpel durch einen fibrillären Zerfall der Intercellular- substanz hervorgegangen ist. Da andererseits der sich hier findende Zustand des Zwischengewebes durch allmähliche Übergänge verknüpft wird mit dem Verhalten der Ligamente, die vorn Basalstumpf und untere Rippen zusammenhalten, so ist wohl der Schluss gerecht- fertigt, dass ursprünglich beide Skelettheile kontinuirlich zusammen- hängen und erst später von einander getrennt werden. Endlich werden die oberen Rippen und die Basalstümpfe in gleicher Weise mit einander verbunden, wie letztere mit den unteren Rippen. Die Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 153 _ontogenetische Einheit auch dieser Rippen mit den Basalstümpfen wird als möglich erachtet werden müssen. Die übrigen Ganoiden und die Dipnoer besitzen bekanntlich ausschließlich untere Rippen (Pleuralbögen), die am Schwanz zusammen mit den Basalstümpfen die Hämalbögen bilden. Die Verhältnisse sind zur Genüge bekannt, so dass ich mich hier nicht aufzuhalten brauche. Erwähnen will ich nur, dass, wie bereits BALFOUR und PARKER darstellen, die Enden der Pleuralbögen bei Lepidosteus in die ventrale Muskulatur eindringen, sich also vom Peritoneum entfernen. Sie sind jederseits mit einander durch ein Septum verbunden, das die ventrale Muskulatur in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt scheidet. Dieses Verhalten kann die Beurtheilung der Rippen als Pleuralbögen nicht beeinflussen, da sie sich in allen übrigen Punkten denjenigen der anderen Fische völlig gleich verhalten. b. Die Rippen der Selachier. Im Gegensatz zu Dipnoern und Ganoiden finden wir bei den ‘Selachiern nur obere Rippen, die an den Basalstümpfen befestigt sind. Pleuralbögen fehlen ihnen. Es fragt sich aber, ob solche nicht ihren Vorfahren zukamen. GOoETTE fand nämlich bei Car- charias die Enden der besonders langen Basalstümpfe der hinteren Rumpf- und der vorderen Schwanzregion mehrfach abgegliedert. Etwas Ähnliches fand sich bei einem von mir untersuchten Exemplar von Cestracion Philippi. Hier saß am 12. Schwanzwirbel dem Ende des Basalstumpfes der linken Seite ein kleines Knorpelstück beweg- lich auf. (Erst am 16. Schwanzwirbel fanden sich geschlossene Hämalbögen.) Man kann nun diese Befunde auch als den Beginn einer Pleural- bogenbildung auffassen. Die Abgliederungen finden sich aber gerade an Stellen, an welchen die Pleuralbögen im Allgemeinen schwächer entfaltet sind, als weiter vorn, andererseits eher zu einer Verschmel- zung mit den Basalstümpfen neigen als zu einer Trennung von ihnen. Wir werden daher mit größerem Recht, dem Vorgang GOETTE’S folgend, die betreffenden Stücke als Reste von Pleuralbögen auf- fassen, die früher stärker entwickelt waren und .der Riickbildung verfielen. In dieser Anschauung werden wir bestärkt durch ‘eine 154 Ernst Göppert von GEGENBAUR gleichfalls bei einem Cestracion gemachte Beobach- tung (VII, pag. 409). GEGENBAUR fand dort unmittelbar vor dem ersten geschlossenen Hämalbogen in vier Segmenten je ein unpaares Knorpelstiick vor, das seiner Lage nach genau dem Schlussstück der Hämalbögen entsprach. Dieser Befund weist meines Erachtens dar- auf hin, dass im Bereich des unteren Bogensystems Rückbildungen eingetreten sind, dass demnach in diesem System bei den Selachiern keine ursprünglichen Verhältnisse mehr vorliegen. Es ist also wahrscheinlich, dass die Vorfahren der heutigen Selachier auch untere Rippen (Pleuralbögen) besessen haben. Voraussichtlich ist deren Rückbildung vorn anfangend nach hinten fortgeschritten, denn allein in den hinteren - Theilen des Körpers treffen wir noch Spuren von ihnen an. In gleicher Weise sahen wir auch bei den Crossopterygiern die Pleuralbögen vorn eher schwinden als hinten. Als Einwand gegen diese Auffassung könnte etwa angeführt werden, dass ihr zufolge die sonst so primitiven Selachier sehr umgebildete Verhältnisse aufweisen. Ähnliches treffen wir aber in vielen Organsystemen. Speciell sei hier auf das Achsenskelet hin- gewiesen. Bekanntlich steht die Wirbelsäule der Selachier auf einer hohen Entwicklungsstufe. Sie hat den für sämmtliche Gnathostomen gemeinsamen Urzustand weit überschritten und zwar in einer von‘ allen Wirbelthieren, die Dipnoer ausgenommen, divergirenden Rich- tung. Das Verhalten der die Rippen tragenden Basalstümpfe kann ich als bekannt voraussetzen. Ich muss aber aus einem später ersichtlichen Grunde betonen, dass Basalstiimpfe und Neuralbögen ursprünglich ganz von einander gesondert sind. In Folge der ein- greifenden Umgestaltung des Körperbaues der Rajiden kommt es dort sekundär, wie GOETTE gezeigt hat, am Rumpf zu einer Ver- schmelzung von Neuralbögen und Basalstümpfen, die eine gemeinsame Basis für beide Bildungen schafft. Es ist ferner zur Genüge bekannt, dass auch am Schwanz die bereits zur Umschließung der Caudal- gefäße verlängerten Basalstümpfe noch bei manchen Arten (obere) Rippen tragen. Bei einem Pristiurus-Embryo von 24 mm Länge fanden sich Rippenanlagen bis zum fünften Schwanzwirbel, während sie bei Mustelus vulgaris den Rumpf nicht überschreiten. Bei Torpedo beschreibt GoETTE die Verbindung einer Rippe mit einem geschlosse- nen Hämalbogen. Im Allgemeinen sind die Rippen beweglich den Basalstümpfen Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 155 angegliedert. Nur bei Raya finden sich die allein vorhandenen vor- dersten Rippen in Kontinuität mit den Basalstiimpfen, wie GOETTE ausführt. Bei manchen Formen ist nun die Verbindung von Rippe und Basalstumpf nicht einfach durch ein Ligament vermittelt, wie wir es bei Calamoichthys sahen, sondern zeigt komplicirtere Ver- hältnisse, die mir der Beschreibung werth scheinen. Es wurde ein älteres Exemplar von Acanthias vulgaris auf einer Querschnittserie durch die Basalstumpf-Rippenverbindung untersucht (Fig. 2 Taf. XIII). Das mediale Rippenende (AR) bildete einen schwach konvexen Gelenkkopf, dem eine flache Pfanne des Basal- stumpfendes (B) entsprach. An ihrer ganzen Peripherie hingen beide Gelenkenden mit einander durch starke Faserzüge zusammen, die ganz das Verhalten einer Gelenkkapsel zeigten (a). Die Fibrillen dieser Gelenkkapsel wurzelten in der Intercellularsubstanz beider Skelettheile. An der Befestigungsstelle der Fasern war die Knorpel- grundsubstanz von Fibrillen durchzogen, zwischen denen diejenigen der Gelenkkapsel verschwanden. Besonders stark war die Entwick- _ lung der Fibrillen im medialen Theil der Rippe (AR). In schwach bogenförmigem Verlauf zogen sie hier in der Fortsetzung der Gelenk- kapselfasern von einer Seite zur anderen. Innerhalb der Gelenk- kapsel fand sich zwischen beiden Skelettheilen ein lockeres Faser- gefüge (b), das weite Lückenräume zwischen sich fasste. Es zeigte sich damit bereits der erste Beginn einer Gelenkhöhlenbildung. In- teressant war auch hier der innige Zusammenhang der Fasern mit dem Knorpel. Die Fasern, die meist schräg zwischen Rippe und Basalstumpf ausgespannt waren, entsprangen aus der beiderseitigen Intercellularsubstanz. Diese selbst zeigte im Basalstumpf in der Nachbarschaft der Gelenkfläche eine parallel zu jener gerichtete Faserung. Überall fanden sich Kerne a den Fibrillen des Verbindungsgewebes. Der ganze Befund weist auf die Möglichkeit hin, dass das Ge- webe zwischen Basalstumpf und Rippe aus Knorpelgewebe hervor- gegangen ist durch einen fibrillären Zerfall der Grundsubstanz. Es scheint also dafür zu sprechen, dass Basalstumpf und Rippe auf früheren Stadien der Ontogenese eine Einheit bildeten, wie GOETTE seiner Zeit beschrieb. Von Interesse ist außerdem die Art der Verbindung zwischen Basalstumpf und Rippe in so fern, als sie bereits sämmtliche Einrich- tungen eines Gelenks erkennen lässt, wenn auch noch in einem un- vollkommenen und hier auch später nicht überschrittenen Zustand. 156 Ernst Göppert Von den Basalstümpfen ausgehend verfolgen wir nunmehr die Rippen in die Muskulatur hinein. Im Allgemeinen liegen sie, wie bekannt, an den Kreuzungslinien des horizontalen Septums. und der Transversalsepten. Ferner wissen wir durch GoETTE, dass die An- fangstheile der Rippen mancher Squaliden an ihrer Ventralseite nicht von Muskulatur bedeckt werden. Es kann dadurch eine oberfläch- liche Ähnlichkeit mit dem Verhalten der Pleuralbögen zu Stande kommen. Der Befund erklärt sich aber, wie GOETTE ausführt, durch eine sekundäre laterale Verschiebung der ventralen Rumpfmuskulatur, deren Bereich dann erst in einiger Entfernung von der Wirbelsäule beginnt (Fig. XVIII pag. 207 und Fig. XIX pag. 208). Endlich ist zu erwähnen, dass bei Torpedo die hier eingetretene starke dorsal- und lateralwärts gerichtete Verschiebung der ventralen Seitenrumpfmus- kulatur die Rippen ganz in den Bereich derselben bringt und sie von dem dorsal verlagerten Horizontalseptum entfernt (GOETTE). Zur genaueren Feststellung dieser Verhältnisse wurden Embry- onen von Squaliden untersucht und zwar solche von Pristiurus mela- nostomus von. 34 mm Länge, von Seyllium canicula von 34 mm und von Mustelus vulgaris verschiedener Länge. Querschnittserien gaben vollkommen klaren Aufschluss. Eine Kontrolle der Befunde ermög- lichte eine Sagittalschnittserie durch einen älteren Mustelus-Embryo. Überall stellt das horizontale Septum eine verhältnismäßig derbe Bindegewebslage vor, deren Faserung transversal zieht. Das Sep- tum ist an den Basalstümpfen befestigt. Bei Pristiurus liegt nun der ganze proximale Theil der Rippe derart dem horizontalen Septum angeschlossen, dass er in das ihm zugehörige dorsale Transversal- septum hineinragt. Dieser Theil der Rippe wird ganz besonders im Dienst der dorsalen Muskulatur stehen. Gleichzeitig wird er aber auch für die ventrale Muskulatur von Bedeutung sein, da genau entsprechend der Rippe von der Ventralseite her auch das zugehörige ventrale Transversalseptum sich an das horizontale Septum befestigt. Weiterhin dreht sich das Verhältnis um. Die Rippe zieht schräg durch das horizontale Septum hindurch und liegt dann mit ihrem lateralen Theil der Ventralseite des Septums angeschlossen. Sie ragt also in das ihr zugehörige ventrale Transversalseptum hinein. Sie endet in geringer Entfernung von der Oberfläche der Muskulatur. Die Ragr’sche Angabe (XV, pag. 102 und Textfigur 10 pag. 103), dass die Rippen bei Pristiurus den transversalen Myosepten ange- hörig der Unterfläche des horizontalen Septums innig angeschlossen sind, besteht also nur für das Rippenende zu Recht. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 1517 Im Wesentlichen gleiche Verhältnisse zeigt Seyllium canicula (Fig. II). Auch hier ist die Rippe (%) zunächst der Dorsalseite des Horizontalseptums (S.kor) angeschlossen, zieht dann durch dasselbe hindurch, und liegt eine Strecke weit seiner Ventralseite an. Das Fig. IN. | I REN en RL El. Ch. Ch-Sch. ER De . i N ee en x Scyllium canicula. 34 mm. Querschnitt. 86/1. Zur Orientirung vergleiche Fig. XIX pag. 208, wo allerdings die andere Seite des Querschnitts dargestellt ist. Der Schnitt zeigt die Lagerung der Rippen zum horizontalen Septum (S.hor). R Anfangsstück einer Rippe. R' Endstück der vorher- gehenden Rippe. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. Ende der Rippe (&’) entfernt sich aber allmählich von dem dorsal- wärts abbiegenden horizontalen Septum und dringt damit tiefer in das ihr zugehörige ventrale Transversalseptum (S./rsv.v) ein. Ein Stück unterhalb der Seitenlinie erreicht die Rippe die Oberfläche der Muskulatur und wird hier nach Entfernung des Integuments von außen her sichtbar!. Die Rippenenden bilden äußerlich eine Grenzlinie zwischen einem dorsalen und einem ventralen Theil der ventralen Rumpf- muskulatur. Diese Scheidung entspricht jedoch keineswegs einer inneren Gliederung derselben. Eine solche ist, wie wir durch GOETTE und HumpHry? wissen, unabhängig von den Rippen. Sie kommt hier, wie bei den übrigen Squaliden, zu Stande durch ein binde- gewebiges Septum (Fig. XVIII pag. 207 und Fig. XIX pag. 208 a), 1 Vgl. F. MAURER, Der Aufbau und die Entwicklung der ventralen Rumpf- muskulatur bei den urodelen Amphibien und deren Beziehung zu den gleichen Muskeln der Selachier und Teleostier. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVIII. pag. 148 und Taf. IV Fig. 10. 2 Humpury, The muscles of the Smooth Dog-fish (Mustelus laevis). Journal of Anatomy and Physiology. Vol. VI. 1872. ; 158 Ernst Göppert das unterhalb der Rippenenden entsprechend einer Kniekung der ventralen Transversalsepten an der Oberfläche beginnt und schräg ventral- und medialwiirts ziehend, einen dorsalen (= »latero-ventral<) (P.l-v) und einen ventralen (= »medio-ventral«) (P.m-v) Abschnitt der ventralen Rumpfmuskulatur von einander sondert. Nur auf geringerer Länge der Rippen beruht die unbedeutende Abweichung, die wir bei Mustelus vulgaris gegenüber dem eben ge- schilderten Verhalten finden. Die Rippen gelangen hier mit ihren Enden nicht mehr an die Ventralseite des Horizontalseptums. Ihr lateraler Abschnitt liegt genau innerhalb des letzteren an der Kreu- zungsstelle mit dem entsprechenden Transversalseptum. Verfolgen wir von hier aus die Rippe auf die Wirbelsäule zu, so sehen wir, dass sie allmählich ihre Lagerung ändert und an die Dorsalseite des Horizontalseptums gelangt (Fig. XVII pag. 207 O.R). Sie liegt dann genau wie der entsprechende Theil der Rippe von Seyllium und Pristiurus. Hauptsächlich dient sie also hier dem dorsalen Transversalseptum. Sie wird aber auch dem entsprechenden Ven- tralseptum zu Gute kommen. Der Anschluss an das Horizontalseptum bleibt bei den Selachiern (Squaliden) auch für die bintersten Rippen bestehen. Diese That- sache widerlegt die oben (pag. 147) erwähnte Auffassung von BAL- FOUR und PARKER, dass die Selachierrippen Antheil hätten an der Bildung der Hämalbögen. Die Processus spinosi derselben. sollten durch Verschmelzung je eines Rippenpaares mit dem von den zuge- hörigen Basalstümpfen gebildeten eigentlichen Bögen zu Stande kommen. Der Ort der Rippen liegt aber so weit über dem Ort der Processus spinosi, dass an eine Beziehung zwischen beiden Bildun- gen nicht gedacht werden kann. Wohl aber sind die Hämalbögen der Selachier als die Homologa derjenigen der Ganoiden und Di- pnoer aufzufassen. Nach dem oben Bemerkten enthalten sie wie diese offenbar auch die Aquivalente von Pleuralbögen, die in einzelnen Fällen sich sogar noch selbständig erhalten können (pag. 153). c. Die Rippen der Teleostier. An dritter Stelle wenden wir uns zu den Teleostiern. Wir unterscheiden hier dreierlei Theile, die der Rumpfmuskulatur zur Stütze dienen, nämlich erstlich die Pleuralbögen, dann die Fleischgräten, endlich die oben bereits erwähnten Cartilagines inter- musculares. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 159 Die Verhältnisse der Pleuralbögen sind zur Genüge bekannt. Jeder weiß, dass sie eben so wie bei den Ganoiden und Dipnoern an Basalstümpfe angefügt sind, die rechts und links von der Aorta der Elastica chordae ventral ansitzen. Am Schwanz vereinigen sich die Basalstiimpfe zu den Hämalbögen. Die Frage nach der Betheiligung der Pleuralböügen an diesen Theilen soll gleich erörtert werden. Bei einigen Formen, z. B. bei dem Cyprinoiden Rhodeus amarus, kommt es zur Verschmelzung der Basalstiimpfe mit den Basen der Neural- bögen seitlich von der Chorda. Dies trifft sich aber nur in den vorderen Regionen des Körpers, während hinten die primitiven Ver- hältnisse bewahrt bleiben. Wir haben hier also ähnliche Verhält- nisse, wie sie sich auch bei den Rajiden ausgebildet haben!. 1 ©. SCHEEL (XVI) fasst den Zustand im Vordertheil des Rhodeus als einen primitiven auf. Die Pleuralbögen der Teleostier gehören nach ihm zu Querfortsätzen (Parapophysen) der Neuralbögen, die in den hinteren Rumpftheilen bei Rhodeus, sowie im ganzen Körper bei anderen Formen (z. B. Salmo) sekundär ihre Verbindung mit den Neuralbögen aufgeben, und dann selbständige Anhänge der Wirbelsäule bilden. Zum unteren Bogensystem zu- gehörige Theile sollen dabei den Teleostiern in wohlentwickeltem Zustand fehlen, denn auch die caudalen unteren Bögen der Teleostier sind nach SCHEEL Bildungen der »Parapophysen« und nicht etwa den Hämalbögen der Selachier, Ganoiden, Urodelen homolog. Da ferner nach ScHEEL’s Meinung die Urodelen- rippen Abgliederungen von Querfortsätzen der Neuralbögen sind, so sollen die Rippen der Teleostier und die der Urodelen Homologa vorstellen. Die Befestigung der Urodelenrippen an den Neuralbögen ist nun aber eine sekundäre Erwerbung, wie ich kürzlich durch die Untersuchung von Menobran- * chuslarven zeigen konnte(Zur Kenntnisder Amphibienrippen. Morph. Jahrb. Ba. XXII. Heft 3). Die Urodelenrippen sind homolog den Selachierrippen und haben also mit den Pleuralbögen der Teleostier nichts zu thun. Somit bleibt für SCHEEL nur übrig, den Knochenfischen eine ganz besondere, ihnen allein zu- kommende Rippengattung zuzusprechen, denn auch die Rippenbildungen der übrigen Fische können als Bildungen des unteren Bogensystems, wie aus ScHEEL’s Ausführungen nothwendig folgt, mit den Teleostierrippen nichts zu thun haben. Eine derartige Annahme würde nur dann bewiesen sein, wenn man neben den rippentragenden »Parapophysen« noch Theile des primitiven unteren Bogensystems anträfe. SCHEEL findet Reste von solchen in einem die Aorta umfassenden Ligament, das jederseits von den Basen der Neuralbögen ausgeht. Es ist nun aber erstens ein ganz willkürliches Verfahren ein Band mit einem knorpligen Skelettheil ohne Weiteres zu homologisiren, zweitens kommt ein entsprechendes Ligament auch bei Acipenser, Calamoichthys, Se- lachiern vor; es findet sich hier gleichzeitig mit den Bestandtheilen des unteren Bogensystems, kann ihnen also nicht homolog sein. Die ScHEEL’sche Anschauung von den Teleostierrippen entbehrt also der Begründung. Wir haben demnach keine Veranlassung, von der oben mitge- theilten, allgemein vertretenen Ansicht abzugehen. 160 Ernst Göppert Was nun die Beurtheilung der Hämalbögen des Teleostier- schwanzes betrifft, so ist bereits in der Einleitung (pag. 147) auf die beiden bekannten Auffassungen dieser Theile hingewiesen wor- den. Nach der einen (JOHANNES MÜLLER, GEGENBAUR, GRASSI) betheiligen sich die Pleuralbögen. nicht an ihrem Aufbau, nach der anderen (AuGusT MÜLLER, GOETTE) bilden die Pleuralbögen durch paarweise Verschmelzung ihre Processus spinosi. Dazu kommt noch drittens die von SCHEEL (XVI) ausgesprochene Ansicht, dass die Pleuralbögen am Hämalbogen selbst nicht bloß am Processus spinosus desselben Antheil haben. Gegenüber der letzteren Meinung wird man zu berücksichtigen haben, dass gerade bei den Salmoniden neben den ersten geschlosse- nen Hämalbögen noch Pleuralbögen vorkommen. SCHEEL umgeht die daraus für ihn erwachsende Schwierigkeit, indem er die rudi- mentären Pleuralbögen des Schwanzes der Salmoniden nicht den vorderen Pleuralbögen gleich stellt, sondern sie als nachträgliche Bildungen, also als eine zweite Generation von Pleuralbögen ansieht. Es handelt sich hierbei um eine ganz unbewiesene Annahme. SCHEEL verweist allerdings auf den durch GoETTE bekannt ge- wordenen Unterschied in der Entwicklung der vorderen und der hinteren Pleuralbögen, dass letztere im Gegensatz zu den vorderen frühzeitig von den Basalstümpfen unabhängig sind. Diese Differenz erklärt sich aber als eine Abkürzung der Ontogenese der hinteren bereits rudimentären Pleuralbögen. Die ScHEEL’sche Auffassung der Hämalbögen scheint mir daher nichts für sich zu haben. Schwieriger ist es dagegen, sich für eine der beiden ersten Be- urtheilungsweisen der Hämalbögen der Teleostier zu entscheiden. Untersucht man junge Salmoniden an horizontalen Längsschnitten, so findet man, wie Fig. 3 Taf. XIII zeigt, in dem letzten der Pleu- ralbögen enthaltenden Schwanzsegmente ein Paar von kurzen und dünnen Pleuralbögen (Pl) neben einem kurzen knöchernen Processus spinosus (P.sp) des zugehörigen Hiimalbogens. Dieser Dornfortsatz liegt gerade in der Mitte des Septums (S.sag.v), das rechte und linke Seitenmuskulatur ventral von der Chorda von einander trennt. Die Pleuralbögen dagegen gehören den medialen Rändern der entspre- chenden Transversalsepten (S.!rsv) an. Sollen nun die folgenden Processus spinosi aus Pleuralbögen entstanden sein, so müsste für ihre Komponenten erst eine Verschiebung nach der Medianebene zu vorausgesetzt werden. Andererseits sehen wir an dem oben bespro- chenen Wirbel bereits den Beginn einer allerdings nur knöchernen Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 161 Dornfortsatzbildung; ferner beobachten wir an den hinteren knorpli- gen Dornfortsätzen keine Spur von Paarigkeit. Es erscheint mir daher naturgemäßer die Dornfortsätze als mediane unpaare Aus- wiichse der von den Basalstümpfen gebildeten Hämalbögen anzusehen und für sie damit die gleiche Genese anzunehmen, wie für die Pro- cessus spinosi der Neuralbögen. Danach hätten also die Pleural- bögen keinen Antheil an den Hämalbögen der Teleostier!. Außer durch die Pleuralbögen wird die Seitenrumpfmuskulatur der Knochenfische durch die sog. Fleischgräten gestützt, die seit JOHANNES MÜLLER als Sehnenverknöcherungen den knorplig präfor- mirten Rippen (resp. Pleuralbögen) gegenübergestellt werden. Frei- lich darf dabei nicht übersehen werden, dass auch die Pleuralbögen mancher Teleostier ganz oder theilweise einer knorpligen Anlage ent- behren. Hier ist aber mit Sicherheit knorplige Präformation des Skelettheils als das ursprüngliche Verhalten anzunehmen. Man unterscheidet im Allgemeinen drei verschiedene Paare von Fleischgräten, die allerdings nicht in allen Fällen gleichzeitig neben einander angetroffen werden (vgl. August MÜLLER und C. Bruch). Letzteres ist der Fall bei den Clupeiden, wie Fig. XII pag. 200 zeigt. Die Gräten gehören den Transversalsepten an. Ein Paar von sog. »schiefen Rückengräten« (Gr’) durchsetzt schräg den dorsalen Theil der Seitenmuskulatur. In symmetrischer Anordnung zu ihnen durch- ziehen die »schiefen Bauchgriiten« (Gr”) die ventrale Seitenmusku- latur unterhalb des Horizontalseptums. Der Dorsalseite des letzteren schließen sich endlich die »Seitengräten« (Gr) an. Sie sind da- mit gleichzeitig dem entsprechenden dorsalen Transversalseptum ein- gelagert. In der Seitengräte von Monacanthus penicilligerus hat nun aber GorrrE hyalinen Knorpel nachgewiesen. Der Skelettheil bestand bei einem jungen Exemplar dieser Art in seinem basalen Theil aus einem Gerüstwerk von Knochensubstanz, das hyalinen Knorpel um- schloss. Ähnliche Verhältnisse boten auch junge Exemplare von Mona- canthus fronticinctus, die ich Herrn Professor Dr. HILGENDORF ver- danke. Pleuralbögen fehlen wie bei M. penieilligerus. Die »Seiten- gräten« fanden sich vom zweiten Wirbel ab im Bereich des Rumpfes und des vorderen Schwanzabschnittes. Die erste Gräte befestigte 1 Wie die vielfach vorkommende ventrale Gabelung der Hämalbögen auf- zufassen ist, bliebe noch festzustellen. ; Morpholog. Jahrbuch. 23. 11 162 Ernst Göppert sich an der Außenseite des Neuralbogens ihres Wirbels. Alle an- deren waren den Endstücken der lang ausgezogenen Basalstiimpfe resp. der Außenseite der Hämalbögen durch Bänder verbunden (Fig. XV pag. 204). Bei einem 16mm langen Exemplar war das erste Paar, sowie die caudalen Paare der Seitengräte rein knöchern. An den übrigen Gräten zeigte die Knochensubstanz in der Nähe der Basalstiimpfe Aushöhlungen, die von Knorpelgewebe eingenommen waren. Im Übrigen, d. h. in ihrem größten Theil waren die Gräten massiv knöchern. Bei einem 27 mm langen Exemplar war mit dem Wachsthum der Gräte in ihrem basalen Theil eine entsprechende Vermehrung des Knorpelgewebes eingetreten (Fig. 4 Taf. XIII). Hier zeigte der Querschnitt des knöchernen Antheils ganz unregelmäßige Gestaltung (O.R). Er erschien winklig gebogen oder abgeplattet mit leisten- artigen Erhebungen. Die dadurch vom Knochengewebe gebildeten Winkel waren ausgefüllt von hyalinem Knorpel, der durch reichliche Ausbildung der Intercellularsubstanz ganz demjenigen glich, den die Wirbelkörper, Basalstümpfe (B) und Neuralbögen enthielten. Die Betheiligung von Knorpelgewebe am Aufbau der Seiten- gräte von Monacanthus trennt dieselbe von den eigentlichen Gräten, bei denen noch nirgends Knorpel nachgewiesen wurde. Da sie auf der anderen Seite eben so gelagert ist, wie die oberen Rippen der Crossopterygier und Selachier, so ist sie diesen zu homologisiren, wie bereits GOETTE erkannt hat. Wir wenden uns jetzt zur Prüfung der Bruc#H’schen »Car- tilagines intermusculares«, deren Existenz für die Salmoniden durch Grassi bestätigt worden ist. Bei einer einjährigen (5 em langen) Forelle, die auf Querschnitten untersucht wurde, fanden sich die fraglichen Kuorpel im Bereich des Rumpfes als kurze Stäbe der Dorsalseite des horizontalen Sep- tums angeschlossen. Sie gehören gleichzeitig je einem der dorsalen Transversalsepten an (Fig. 5 Taf. XIII und Fig. XI pag. 200 O.R). Die medialen Enden der Knorpelstücke lagen etwa in der Mitte zwischen der Wirbelsäule und der Einkerbung, die, der Seitenlinie entsprechend, die Trennung der dorsalen und der ventralen Seitenmuskulatur äußer- lich andeutet (Fig. XI). Die lateralen Enden lagen dicht am Grund dieser Einkerbung und zeigten eine leichte Anschwellung. Gegen die Wirbelsäule zu setzte jeden Knorpel ein Bindegewebsstrang fort, der am obersten Theil des Basalstumpfes Befestigung nahm. Knochengewebe fand sich in seiner Nähe nicht. Bekanntlich fehlen Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 163 ja den Salmoniden die Seitengräten. Ihnen kommen am Rumpf nur schiefe Rückengräten zu. Die Frage, ob die besprochenen Knorpel in Entwicklung be- griffene Theile oder nur Reste früher stärkerer Bildungen sind, entscheidet sich leicht in letzterem Sinne bei der Untersuchung jiingerer Thiere. Wie auf pag. 183 ausgeführt wird, sind sie näm- lich bei 2,4 mm langen Forellen verhältnismäßig mächtiger entwickelt als später. Sie erfahren also auch in der Ontogenese eine relative Rückbildung. Das Verhalten der Cartilagines laterales zeigt, dass sie den oberen Rippen der Crossopterygier und Selachier homolog sind. Aller- dings besteht eine geringe Abweichung von dem Verhalten der Se- lachierrippe. Im Bereich der Cartilago intermuscularis der Salmo- niden liegt bei den Selachiern die Rippe an der Ventralseite des Horizontalseptums. Bei dem verschiedenen Verhalten der einzelnen Abschnitte der letzteren zum horizontalen Septum kann aber unmög- lich auf diesen Unterschied Gewicht gelegt werden. Wenn auch BrucH die eben festgestellte Homologie nicht er- kannte, da ihm augenscheinlich die Selachierrippe nicht genauer bekannt war, so kam er doch auf den Gedanken der Homologie seiner Cartilagines intermuscula- TO res mit den Rippen der höheren 2 Wirbelthiere, die, wie wir jetzt ‘Oath wissen, denen der Selachier ho- N: molog sind. Er wagt aber seine Idee nicht festzuhalten, vor Allem wegen der unregelmäßigen und auf den ersten Blick in der That befremdenden Gestaltung der Car- tilagines intermusculares der Clu- peiden. Praparirt man nämlich bei Clupea harengus ein transver- sales Septum frei, indem man die vorhergehenden Myomeren ent- (wvee Mrs, Frisieter et einer „baren fernt, so findet man in ihm ein 11/1. 4 dorsaler, v ventraler Schenkel derselben, winkelig gebogenes, plattes Knor- dene pelstück eingelagert, die Cartilago intermuseularis Brucn’s (Fig. IV). Bekanntlich hat sich bei den Teleostiern wie auch bei den Ga- 11* 164 Ernst Göppert noiden in der Nähe der Seitenlinie eine Muskelschicht von der Hauptmasse der dorsalen und ventralen Seitenmuskulatur gesondert. Dieser Muskel der Seitenlinie ist entsprechend der gesammten Stammesmuskulatur in einzelne Folgestücke gegliedert. Er ist bei den Clupeiden auffallend stark entfaltet (vgl. Fig. XII pag. 200 177). Die Cartilago intermuscularis (O.R) liegt nun gerade an der medialen Grenze des Seitenlinienmuskels. Der von ihr gebildete Winkel ist lateral- und caudalwärts offen. Seine Spitze liegt im Horizontalseptum und zieht in ihm ein kurzes Stück medialwärts gegen die Wirbe'- säule zu. Der dorsale Schenkel des Winkels (d) ist bedeutend länger als der ventrale (v). Der ganze äußere Rand des Knorpel- stückes ist mit unregelmäßigen Vorsprüngen besetzt. Endlich ist noch zu erwähnen, dass das Ende der starken Seitengräte (Gr) dem Mittelstück des Knorpels anliegt, und zwar der nach innen und hinten gekehrten Fläche desselben. Das genauere Verhalten der Seitengräte zum Knorpel wurde an einer kleineren Clupeidenspecies (Engraulis?) genauer untersucht (Fig. 6 Taf. XIII). Es zeigten sich hier im Allgemeinen genau die gleichen Verhältnisse wie beim Hering. Die Seitengräte (Gr) war ein massiver Knochenstab, der mit dem Knochenbelag des oberen Pleural- bogenendes zusammenhing. In ihr fand sich keine Spur von Knorpel, während die stark entwickelten, beinahe bis zur ventralen Mittellinie herabreichenden Pleuralbögen (Fig. XII P/b) noch in ganzer Aus- dehnung Knorpel enthielten. Das spitz auslaufende Ende der Seiten- grate ruhte in einer flachen Rinne der Cartilago intermuscularis (O.R . Es berührte aber den Knorpel nieht unmittelbar. Zwischen beiden befand sich vielmehr eine nicht unbeträchtliche Bindegewebsschicht. Das Grätenende verhielt sich also zu dem Knorpelstück wie ein Deckknochen zu seiner knorpeligen Grundlage. Das Mittelstück der Cartilago intermuscularis der Clupeiden findet sich genau eben so gelagert, wie der Rest der oberen Rippen bei den Salmoniden. Man wird also nicht anstehen, beide Knorpel mit ein- ander zu homologisiren. Die Aussendung der beiden langen Aus- läufer kann nicht gegen diese Beurtheilung angeführt werden. Wir werden sehen, dass das Ende der Rippenanlage bei jungen Salmonen sich in der gleichen Lage findet, wie der obere Schenkel des Clu- peidenknorpels. Die weitere Ausbildung desselben, das Hinzukommen eines ventralen Schenkels, steht zweifelsohne in Zusammenhang mit der starken Entfaltung des Seitenlinienmuskels, in dessen Dienst das gesammte Knorpelstück steht. Die Cartilago intermuscularis der Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 165 Clupeiden ist demnach als das gegabelte Ende einer früher mächtiger ausgebildeten oberen Rippe anzusehen. Das gleichzeitige Vorkommen dem primären Skelet angehöriger oberer und unterer Rippen ist also auch bei Teleostiern erwiesen. Da wir Reste oberer Rippen bei ganz verschiedenen Arten von Knochenfischen antreffen, so ist anzunehmen dass obere Rippen ursprünglich ein gemeinsamer Besitz aller Ver- treter dieser Ordnung gewesen sind. In welchem Verhältnis steht nun die Seitengräte zur knorpligen oberen Rippe? Außer bei Monacanthus, vielleicht auch noch bei verwandten Arten, finden wir, so weit bekannt, nirgend seine Bethei- ligung von Knorpelgewebe am Aufbau der Seitengräte. Dieselbe ist von Anfang an rein knöchern. Auch da, wo sie mit Resten knorp- liger oberer Rippen zusammentrifit, bleibt sie selbständig. Mit Recht wird man daher die Seitengräte der Knochenfische als eine den übrigen Gräten gleichwerthige Bildung betrachten und sie als eine »Sehnenverknöcherung« den oberen Rippen als einem Bestandtheil des primordialen Skelets gegenüberstellen. Beide Theile stehen in Konkurrenz mit einander. Das Auftreten der Seitengräte bringt die knorpligen oberen Rippen zum Schwund. Das Verhalten der sog.- Seitengräten von Monacanthus zwingt uns, wie schon oben ausgeführt wurde, dieselben von den eigent- lichen Gräten zu trennen und den oberen Rippen zu homologisiren. Die innige Verquickung von Knorpel- und Knochengewebe, die wir in ihr antrafen, ist, wie bereits GOETTE zeigte, eine Eigenthümlich- keit des Monacanthidenskelets. In gleicher Weise, wie die Gräte, bauen sich auch die Wirbelkörper, Basalstiimpfe, Neuralbögen aus einem von Knorpel ausgefülltem Knochengerüst auf. Funktionell vertritt die Seitengräte völlig die obere Rippe. Hauptsächlich dient sie der dorsalen Seitenmuskulatur, aber auch für den ventralen Theil derselben kommt sie als Stütze zur Geltung, für letzteren ganz besonders in den Fällen, in welchen die Pleural- bögen zurückgebildet sind. Auch die Seitengräten können fehlen, wie das Beispiel der Salmoniden zeigt. Nachdem nun bei Calamoichthys und bei Teleostiern das gleichzeitige Vorkommen oberer und unterer Rippen, die beide dem primären Skelet angehören, sichergestellt ist, kann an der Zweiheit der Rippenbildungen nicht mehr 166 Ernst Göppert gezweifelt werden. Beide Rippenarten gehen von den Basal- stiimpfen aus und liegen in den Transversalsepten, die unteren Rippen (Pleuralbögen) in deren medialen Rändern, die oberen im Anschluss an das Horizontalseptum. Außer für die Crossopterygier und Teleostier muss das gleichzeitige Vorkommen beider Rippenarten voraussichtlich auch für die Selachier als das Ursprüngliche gelten. Die Mehrzahl der Ganoiden und die Dipnoer dagegen sind augenscheinlich von jeher nur im Besitz von unteren Rippen gewesen, denn sie weisen keinerlei Reste oberer Rippen auf. Wenn wir uns jetzt noch fragen, ob einer der beiden Rippen- arten ein höheres phylogenetisches Alter zukommt, als der anderen, so können wir die Vermuthung aussprechen, dass die unteren Rippen ursprünglichere Bildungen vorstellen, als die oberen. Dadurch würde es verständlich sein, dass wir wohl Formen kennen, die untere Rippen besitzen ohne jeden Hinweis auf früheren Besitz von oberen Rippen, aber nicht den umgekehrten Fall antreffen. Ferner ist die Existenz der oberen Rippen offenbar abhängig von dem Bestehen des horizon- talen Septums. Dieses ist aber eine verhältnismäßig späte Erwer- bung, die, wie wir durch RABL wissen, den niedersten Fischen (Amphioxus, Cyclostomen) noch abgeht. Auch in diesem primitiven Zustand der Muskulatur würden aber die Bedingungen für die Existenz unterer Rippen bestehen. Dass sich bei Chimaera monstrosa Basalstümpfe ohne Rippen finden, ist bekannt. Jedenfalls hat sich hier ein primitiver Zustand erhalten. Auf ihn weisen noch die Thatsachen der Ontogenese bei den höheren Fischen hin, indem stets die Anlage des Basalstumpfes der Rippenanlage voraus eilt. II. Theil. Die Entwicklungsgeschichte der Rippen. An zweiter Stelle soll uns die Phylogenese der Rippen be- schäftigen. Man kann sich vorstellen, dass die Rippen als Ver- längerungen der primitiven Basalstümpfe allmählich in die Myosepten hineingewachsen sind und erst später sich abgegliedert haben. GEGENBAUR und GOETTE vertreten diese Ansicht. Naturgemäß kann uns nur die Ontogenese bestimmte Anhalts- punkte in dieser Hinsicht geben. GOETTE, dessen Beobachtungen von BALFOUR bestätigt wurden, fand nun bei den Selachiern die Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 167 embryonale Anlage der Rippe in kontinuirlichem Zusammenhang mit dem Basalstumpfknorpel, der sie trägt. Dabei wird die Rippe durch ihre spätere Ausbildung gegenüber dem Basalstumpf als jün- gerer Theil charakterisirt. So konnte GOETTE durch die entwick- lungsgeschichtlichen Befunde seine Auffassung der Rippen begründen. Genau das Gegentheil beschreibt nun aber RaBL für Pristiurus. Die Rippen sollen sich hier, unabhängig von der Wirbelsäule, entwickeln. Demgemäß fasst Rast die Rippen der Selachier und eben so deren Homologa bei den höheren Formen als selbständige Bildungen auf und vertritt damit eine Anschauung, die bereits Hasse und Born ausgesprochen haben. Der auffallende Unterschied der Befunde Gorrre’s und BALFOUR’S von denen Ragr’s macht eine Nachprüfung der Rippenentwicklung der Selachier nothwendig, ehe wir uns über die Phylogenese der oberen Rippen aussprechen können. Auch die Genese der oberen Rippen bei Teleostiern wird untersucht werden müssen. Ähnlichen Differenzen begegnen wir in den Arbeiten über die Ontogenese der unteren Rippen (Pleuralbögen.. Nachdem schon Ausust MÜLLER bei jungen Exemplaren von Esox lucius kontinuir- lichen Zusammenhang zwischen Rippe und Basalstumpf festgestellt hatte, konnte Gorrre bei Anguilla, besonders aber bei Salmo nach- weisen, dass die Rippenanlage bereits vom ersten Auftreten an mit dem Basalstumpf in Verbindung steht. Neuerdings hat SCHEEL bei Rhodeus und Salmo im Allgemeinen die GoETTE’schen Resultate bestätigt, wenn er auch die rippentragenden Fortsätze der Wirbel- säule falsch gedeutet hat (vgl. pag. 159). Ferner haben BALFouR und PARKER für Lepidosteus die ursprüngliche Einheit von Rippe und Basalstumpf sehr wahrscheinlich gemacht. So könnte man mit Recht auch die unteren Rippen als Abgliederungen der Basalstümpfe auffassen. Nun leugnet aber Grassi in seiner sorgfältigen Untersuchung über die Entwieklung der Teleostierwirbelsäule den ursprünglichen Zusammenhang von Basalstumpf und Pleuralbogen. Er meint, dass anfänglich zwischen beiden eine dünne Schicht embryonalen Binde- gewebes liege 1. 1]. ¢, pag. 37. Ne’ teleostei si pud dire che le coste hanno origine indi- pendente dagli archi, se si parla di coste soltanto allora quando si & gia for- mata cartilagine, o sostanza osteoide. Nel luccio e nel salmone, tra l’arco trasverso e la costa, nel primo mo- mento resta un sottile strato di tissuto connettivo embrionale. 168 Ernst Gippert Dadurch wird wieder die Beurtheilung der unteren Rippen in Frage gestellt. Auch mit ihrer Ontogenese werden wir uns also befassen müssen. a. Die Entwicklung der oberen Rippen. 1) Selachier. Wir beginnen mit der Untersuchung der Rippenentwicklung bei den Selachiern. Es standen mir Embryonen von Mustelus vulgaris, Seyllium canicula, Pristiurus melanostomus und Torpedo ocellata ! zur Verfügung. Am eingehendsten konnte Mustelus untersucht werden. Die jüngsten in meinem Besitz befindlichen Embryonen von Mu- stelus vulgaris besaßen eine Körperlänge von 21 bis 23 mm. Sie wurden an Querschnitten und horizontalen Lingsschnitten untersucht. In dem bezeichneten Stadium (Fig. 7 Taf. XIV) ist die Chorda dorsalis (Ch) noch von einer zellfreien Chordascheide umschlossen, der nach außen zu eine ganz kontinuirliche Elastica anliegt?. Der Elastica sitzen ein dorsales und ein ventrales Paar von Längsleisten unmittelbar auf (Z und Z/). Das dorsale Paar entspricht seiner Lage nach den Basen der später sich sondernden Neuralbögen. Im ven- tralen kommen später die Basalstümpfe zur Entwicklung. Vorläufig ist aber noch nichts von einer Segmentirung der Leisten bemerkbar (Fig. 8 Taf. XIV Z). Sie bestehen aus dicht an einander gedrängten Elementen mit annähernd kugligen Kernen. Dorsale und ventrale Leisten stehen ferner seitlich von der Chorda durch Gewebe in Zu- sammenhang, das dem der Leisten selbst gleicht (Fig. 7). Schwächere Brücken setzen die dorsalen Leisten wie die ventralen unter sich in Verbindung. Diese Verhältnisse sind bereits durch BALFOUR, dann eingehend durch RABL bekannt geworden. Sehen wir uns jetzt die Rumpfmuskulatur (M) an. Wir finden zunächst, dass eine Trennung in einen dorsalen und ventralen Theil noch nicht eingetreten ist. Eine gegen die Wirbelsäule gerichtete 1 Die Selachierembryonen waren mir von der Zoologischen Station zu Neapel geliefert. Sie waren mit Sublimat und Sublimat-Pikrinsäure konservirt und befanden sich in vorziiglichem Erhaltungszustand. 2 Für die Beurtheilung und Bezeichnung der Chordahüllen verweise ich auf: H. KLAATSCH, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- säule. I und II. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. Heft 4 und Bd. XX. Heft 2. Leipzig 1893. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 169 Einbiegung markirt aber bereits die Stelle der späteren Scheidung (Fig. 7 bei N.7). Horizontale Längsschnitte durch das Niveau der Chorda dorsalis zeigen die Myomeren in Gestalt von Dreiecken (Fig. 8 17), deren eine Ecke gegen die Chorda zu gerichtet ist. Mit den beiden anderen Ecken berühren sich die benachbarten Dreiecke. Naturgemäß haben auch die Myosepten die Form von Dreiecken, die aber eine gerade umgekehrte Orientirung zeigen, wie die Myokom- mata. Zwischen Muskulatur und Wirbelsäule liegt ein verhältnis- mäßig breiter Raum. Das Gewebe der Myosepten besteht im lateralen Theil derselben aus dieht angeordneten Zellen. Gegen die Wirbelsäule zu nimmt das Gewebe den Charakter des embryonalen Bindegewebes an. Viel- fach sind die Elemente mit ihren Längsachsen parallel zur Wirbel- säule eingestellt. Entsprechend jedem Septum geht nun jederseits von den oben geschilderten ventralen Leisten ein Strang aus, dessen Elemente ganz vollkommen übereinstimmen mit denen der Leisten selbst (Fig. 8 B—R). Er hebt sich scharf ab gegen das embryonale Bindegewebe in der Umgebung der Wirbelsäule,. der Strang zieht lateral- und gleichzeitig etwas caudalwirts. Er durchsetzt den Raum zwischen dem ventralwärts herabsteigenden Stamme des Spinalnerven (Spz) und der von der Aorta dorsalwärts aufsteigenden Arteria interverte- bralis (A.interv). Er gelangt schließlich in das benachbarte Myosep- tum, zieht durch das embryonale Bindegewebe des medialen Ab- schnittes desselben hindurch und verschmilzt mit dem dichten Ge- webe, das die lateralen Theile des Septums bildet. Eine Prüfung der Querschnitte (Fig. 7) bestätigt, dass der Strang (A) völlig in das septale Gewebe aufgeht. Zu erwähnen ist schließlich noch, dass die Elemente des Stranges beim Eintritt in das Myoseptum sich etwas in die Länge ziehen und dabei vielfach in der Verlaufsrich- tung der Muskelfasern angeordnet sind. Von Wichtigkeit ist, dass das geschilderte Verhalten sich im Bereich des ganzen Rumpfes nachweisen lässt, d. h. so weit als bei meinen älteren Mustelusembryonen Rippen angetroffen wurden. Es ist aus dem Vergleich mit älteren Stadien klar, dass in dem Strang zum Theil die Anlage der Rippe enthalten ist. Diese An- lage ist aber, wie wir sehen, ganz kontinuirlich verbunden mit Theilen, die später den Basalstumpf darstellen. Wir können noch nicht sagen, an welcher Stelle später die Trennung zwischen Basal- stumpf und Rippe eintreten wird. Andererseits ist beachtenswerth, 170 Ernst Göppert dass die Rippenanlage an ihrem Ende noch nicht gesondert ist von dem septalen Gewebe. Wir finden also die medialen Theile der Rippenanlage früher entwickelt als die lateralen. Einen nicht unerheblichen Fortschritt in der Ausbildung der Rippen zeigen Embryonen von 26 mm Länge. Zunächst wollen wir hervorheben, dass die Muskulatur hier be- reits durch Ausbildung des horizontalen Septums in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt geschieden ist. Auf die weiteren Veränderungen, die die Rumpfmuskulatur gegenüber dem vorher be- sprochenen Stadium erlitten hat, wollen wir nicht eingehen. Betont muss aber werden, dass das Gewebe der Myosepten jetzt durchweg aus locker gefügtem Bindegewebe besteht. Die diehte Anordnung des Gewebes, die im vorigen Stadium die lateralen Theile der Septen zeigten, hat sich also nunmehr gelockert. An der Wirbelsäule hat die Einwanderung von Zellen durch die Elastica in die Chordascheide hinein begonnen. Entsprechend den vier der Chorda aufsitzenden Leisten zeigt die Elastica vielfache Durehbrechungen zum Durchlass der in die Scheide eindringenden Elemente (vgl. Kuaatscn, |. c.). Der Innenfläche der Elastica liegt bereits eine Lage dieser Zellen an. Die Leisten selbst haben sich kaum verändert. Von einer Segmentirung ist noch nichts zu be- merken. Die Basalstumpf-Rippenanlage hat sich jetzt weiter lateralwärts ausgedehnt. Wie im vorigen Stadium ziehen sich die ventralen Leisten, entsprechend jedem Transversalseptum, in einen Zellenstrang aus, der schräg lateral- und caudalwärts gerichtet, zwischen den Vasa intervertebralia und dem dorso-ventral verlaufenden Spinalner- venstamm hindurchtrit. Beim Passiren des Raumes zwischen den genannten Theilen verdünnt sich der Strang etwas. Er erreicht die Muskulatur und zieht hier von der Schnittlinie des entsprechenden transversalen und des horizontalen Myoseptums weiter lateralwärts bis in die Nähe der Oberfläche der Muskulatur. Während wir vorher das Ende der Rippenanlage noch nicht vom intermuskulären Gewebe gesondert fanden, ist hier die Differenzirung eingetreten. Aus dem indifferenten Bildungsgewebe hat sich einmal die Anlage des Rippenendes, andererseits Bindegewebe entwickelt. Vor Allem aber müssen wir wieder den vollkommenen Zusammen- hang von Rippen- und Basalstumpfanlage betonen, der eine. Grenze zwischen beiden Theilen nicht bestimmen lässt. Histologisch besteht der beschriebene Strang zunächst aus den Untersuchnngen zur Morphologie der Fischrippen. leer! gleichen Elementen, wie sie die Leisten zusammensetzen. Innerhalb der Myosepten ändert sich das Verhalten der Zellen in so fern, als die meisten Kerne aus der kugligen Form in eine mehr eiförmige oder spindelförmige Gestaltung übergehen. Die Längsachse der - Kerne, und damit auch die der zu ihnen gehörigen Zellen ver- läuft in ausgesprochener Weise gleichgerichtet mit der Verlaufs- richtung der Muskelfasern der Myomeren. Das Gleiche gilt übrigens von den meisten der Bindegewebszellen der Transversalsepten. Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir dieses Verhalten auf den direkten Einfluss der Muskelkontraktionen des Embryos zurückführen, die in dem beschriebenen Sinne richtend auf die Stellung der Elemente der Septen einwirkt. Eine wichtige Abweichung von der eben gegebenen Beschreibung des Zusammenhangs von Rippenanlage und Wirbelsäule fand sich an der letzten Rippe. Die betreffende Rippenanlage, aus dicht an- geordneten Zellen bestehend, war von der ventralen Leiste getrennt. Nur ein etwas dichterer Zug von Bindegewebe zog von ihrem me- dialen Ende gegen die Wirbelsäule hin. Bereits an der vorletzten Rippe war die Verbindung mit der ventralen Leiste durch lockere Anordnung der Zellen weniger deutlich ausgeprägt als vorn. Während wir also noch im vorhergehenden Stadium in den hinteren Theilen des Rumpfes die gleichen Verhältnisse antrafen wie in den vorderen, hat sich hier durch die Lösung der letzten Rippen- anlage von der ventralen Leiste eine Verschiedenheit herausgebildet. Die betreffende Anlage zeigt aber eine erheblich geringere Größe als die der vorderen Rippen. Sie erscheint diesen gegenüber als rudi- mentär. Eine Heranziehung des geschilderten Befundes zur Beur- theilung der Rippenbildung überhaupt ist daher nicht angängig. Die bei Embryonen von 26 mm noch vermisste Segmentirung der Wirbelsäule hat bei Thieren von 27 mm bereits begonnen. Zwar fehlt sie noch im Bereich der Chordascheide, die nunmehr innerhalb der Elastica etwa drei Lagen der für sie charakteristischen lang- gestreckten, koncentrisch angeordneten Zellen enthält. Innerhalb der Leisten hat aber die Abscheidung einer hyalinen Grundsubstanz zwi- schen den Zellen in den vertebralen Abschnitten begonnen, während sie in den intervertebralen Theilen derselben fehlt. Dadurch ist jetzt innerhalb der Leisten der Bereich der einzelnen Neuralbögen wie der einzelnen Basalstümpfe erkennbar. Die Entwicklung der Grund- substanz beschränkt sich aber auf die nächste Nachbarschaft der Chorda. Sie nimmt in den ventralen Leisten, die uns künftighin 172 Ernst Göppert allein interessiren werden, ab, je mehr wir uns von der Chorda entfernen. Die in die Myosepten hineinziehenden, die Rippenanlagen enthaltenden Stränge haben sich dabei gegen früher gar nicht ver- ändert. Von einer Schilderung derselben kann also Abstand ge- nommen werden. Auch jetzt ist in ihnen eine Grenze zwischen Basal- stumpf und Rippe nicht zu erkennen. Selbst bei 35 mm langen Mustelusembryonen ist dies noch nicht möglich, trotz des hohen Entwicklungszustandes, den im Übrigen die Wirbelsäule bereits aufweist (Fig. 9 Taf. XIV). Hier ist auch im Bereich der Chordascheide eine Segmentirung eingetreten. Die verte- bralen Abschnitte derselben unterscheiden sich durch den Beginn der Entwicklung von Intercellularsubstanz und durch erheblichere Dicke von den intervertebralen Theilen. Eine weitere Zunahme der hyalinen Grundsubstanz innerhalb der Leisten (Z) lässt die vertebralen Ab- schnitte derselben im Vergleich zu den intervertebralen Theilen deut- lich hervortreten. Die Kerne der bereits hyalinknorpligen Theile erscheinen vielfach etwas kleiner als im vorhergehenden Zustand, färben sich auch vielfach homogen. Gehen wir innerhalb der ein- heitlichen Basalstumpf-Rippenanlagen (B—R) weiter lateralwärts, so sehen wir, dass sich die hyaline Grundsubstanz allmählich verliert. Die Kerne werden wieder etwas größer und weisen ein deutliches - Chromatingerüst auf. Zwischen ihnen bemerkt man eine feinkörnige trübe Substanz. Im Bereich der Myosepten (S) ändert sich in ganz allmählichem Übergang das Verhalten derart, dass die Zellkerne des Stranges wieder etwas kleiner werden, dichter zusammengedrängt liegen und sich auch etwas intensiver färben. Von irgend welcher Grenze innerhalb der Basalstumpf-Rippenanlage ist aber noch immer keine Rede. Die Verhältnisse ändern sich etwas bei 48 mm langen Thieren (Fig. 10 und 11 Taf. XIV). Im Ganzen hat hier die Wirbelsäule ihre für die Haie charak- teristischen Eigenschaften erreicht. In der dicken Chordascheide (Ch-Sch) hat sich in den vertebralen Abschnitten die hyaline Grund- substanz zwischen den Elementen vermehrt, während sie interverte- bral fehlt. Stärkere vertebrale Diekenentfaltung. der Chordascheide bedingt vertebrale Einschnürungen der Chorda. In den der Wirbelsäule aufsitzenden Bogenanlagen hat die Entwicklung hyaliner Grundsub- stanz weitere Fortschritte gemacht. Hier ist nun auch in dem innerhalb der Muskulatur gelegenen Theil der Basalstumpf-Rippenanlage hyaline Grundsubstanz zwischen Untersuchungen zug Morphologie der Fischrippen. 173 den Elementen aufgetreten (R), freilich in geringerem Maße, als in der Basis (2). Sie fehlt noch am lateralen Ende der Anlage. Ver- folgen wir von hier aus die Anlage gegen die Wirbelsäule zu, so bemerken wir, dass die hyaline Grundsubstanz entsprechend dem Raum zwischen Arteria intervertebralis (A.interv) und Spinalnerv (Spr) allmählich aufhört (@). Die Anlage wird medianwärts fort- gesetzt durch Gewebe, das im Wesentlichen noch denselben Charak- ter bewahrt hat, den es an gleicher Stelle im vorher beschriebenen Stadium besaß. Zwischen den Kernen findet sich eine feinkörnige trübe Substanz. Vielfach gelingt es Zellgrenzen zwischen den Ker- nen als feine Linien wahrzunehmen. Man erkennt, dass man es mit polyedrischen, dieht an einander gelagerten Elementen zu thun hat, die also mit Bindegewebszellen nicht verwechselt werden können. Weiter medial geht das beschriebene Gewebe allmählich in den byalinen Knorpel im Bereich der ventralen Leiste über (B). Wie der Vergleich mit späteren Stadien zeigt, entspricht der in der Entwicklung zurückgebliebene Theil der Anlage (a) der Gegend der späteren Grenze zwischen Basalstumpf und Rippe. Wir können also hier annähernd den Bereich beider Theile innerhalb der gemein- samen Anlage bestimmen. Die eben gegebene Schilderung bezieht sich aber nur auf die vorderen Rippen. Untersuchen wir die hintersten Rippen, so finden wir sie zunächst histologisch etwas weniger weit entwickelt als die vorderen. Sie nehmen caudalwärts an Länge ab. Die letzte gehörte zu dem letzten Rumpfwirbel. Die letzten Rippen stehen nun nicht in direktem Zusammenhang mit den Basalstümpfen (Fig. 12 Taf. XV Rund B). Sie liegen vielmehr frei im Gewebe des horizontalen Sep- tums (S.hor) und bleiben ein erhebliches Stück von ihren Basal- stiimpfen entfernt. An der lateralen Fläche der letzteren sind sie durch Bindegewebe (0) befestigt!. Schon mehrfach sahen wir rudimentäre Rippen ohne intimeren Zusammenhang mit der Wirbelsäule. Auch hier haben wir es mit Theilen zu thun, die, wie ihre Größenverhältnisse zeigen, rudimen- _ tiren Charakter besitzen. Die frühe Lösung ihres ursprünglichen Zusammenhanges mit den Basalstümpfen (s. pag. 169) erscheint daher als die Folge eingetretener Rückbildung. Der älteste untersuchte Embryo maß 70 mm Länge (Fig. 13 1 Mit diesen Befunden stimmen die Darstellungen, die RAgL für die Rippen von Pristiurus giebt, überein (s. u.). ‘ 174 Ernst Göppert Taf. XIV). Bei der mächtigen Entfaltung der Chordascheide (Ch-Sch) können wir hier bereits von Wirbelkörpern sprechen. . Ihr Knorpel- - gewebe hängt durch weite Lücken der Elastica (27) mit dem Knor- pel der Neuralbögen (N) und Basalstümpfe (B) zusammen. Untersucht man die Rippen (R), so findet man auch sie natur- gemäß stärker, ihre Intercellularsubstanz mächtiger entfaltet als vorher. Zwischen Basalstumpf und Rippe erkennt man eine schmale Zone (a), in welcher die Elemente dichter an einander liegen als medial und lateral davon. Diese Zone ist etwa drei. bis vier Zellen breit. Das Perichondrium zieht unbeeinflusst über sie hinweg. Untersucht man die kritische Stelle bei starker Vergrößerung und am besten an Präparaten, die mit Hämatoxylin gefärbt sind, so fin- det man, dass sich auch zwischen ihren Elementen die Grundsub- stanz des hyalinen Knorpels findet, wenn auch in dünneren Lagen als es in der Nachbarschaft der Fall ist. Diese Grundsubstanz geht, wie Fig. 14 Taf. XVI zeigt, medial in die des Basalstumpfes (B), lateral in die der Rippe (R) über. Auch die im vorherigen Sta- dium in der Entwicklung zurückgebliebene Zone (Fig. 11a) hat sich also zu hyalinem Knorpel weiter entwickelt. Die Knorpelgrund- substanz von Rippe und Basalstumpf hängen jetzt durch einen Be- reich schwächerer Entfaltung kontinuirlich mit einander zusammen. Selbst hier besteht also die Einheit von Rippe und Basalstumpf noch fort. Die verhältnismäßig späte und schwächere Ausbildung der Intercellularsubstanz an der Basalstumpf-Rippengrenze ist leicht als eine Wirkung der Muskelbewegungen zu verstehen. Die Kontrak- tionen der Seitenrumpfmuskulatur, die weiterhin, wie wir unten sehen werden, die Rippe völlig abgliedern, halten an der Stelle der spä- teren Lösung von vorn herein die Ausbildung einer festeren Grund- substanz zurück und lassen sie nicht zu stärkerer Entwicklung gelangen. Im Anschluss an die Untersuchung. der: Rippenentwicklung von Mustelus, wenden wir uns zur Prüfung der gleichen Frage bei Pri- stiurus melanostomus. Das jüngste untersuchte Exemplar maß 24mm. Es wurde in ganzer Länge in Querschnitte zerlegt (Fig. 15 Taf. XVI. Im Vergleich zu den Mustelusembryonen gleicher Größe ist hier die Entwicklung der Wirbelsäule schon weit vorgeschritten. Innerhalb Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 175 der scharf und deutlich hervortretenden Elastica (Z7) findet sich be- reits eine starke zellige Chordascheide (Ch-Sch). In den Anlagen der Neuralbögen, eben so in den Basalstumpfanlagen (B) hat sich bereits hyaline Grundsubstanz entwickelt. Dasselbe gilt für die schon vollkommen differenzirten Rippenanlagen (R). Genau wie bei Mustelus stehen die Rippenanlagen in vollständigem Zusammenhang mit den Basalstumpfanlagen. Ich müsste die Schilderung des Be- fundes bei einem etwa 48 mm langen Mustelus wiederholen, wenn ich die Verhältnisse bei dem vorliegenden Pristiurusembryo darstel- len wollte. Genau wie dort, ist in der gemeinsamen Anlage von Basalstumpf und Rippe der zwischen den Vasa intervertebralia und dem Spinalnervenstamm . liegende Abschnitt (a) in der Entwicklung etwas zurückgeblieben. Es fehlt hier noch die hyaline Zwischen- substanz. Der Raum zwischen den Kernen ist eingenommen von einer trüben, feinkörnigen Masse. Nach beiden Seiten hin, sowohl lateral- wärts als gegen die Wirbelsäule zu ist der Übergang in die hyalin- knorpligen Abschnitte der Anlage ein ganz allmählicher. Die Zwi- schenzone ist aber hier schmaler als bei Mustelus. Eben so wenig wie dort wird man ihre Elemente mit Bindegewebe verwechseln können. Diese Beschreibung gilt nicht nur für die Rippen des ganzen Rumpfes, sondern auch für die des Schwanzanfanges, die allmählich schwächer werdend bis zum fünften Schwanzwirbel angetroffen werden. Nur das letzterem angehörige Rippenrudiment, das eine ganz unbedeutende Anhäufung von Zellen darstellte, schien von dem Basalstumpf selbständig zu sein. Ein 34 mm langer Pristiurusembryo wies an den Basalstumpf- Rippenanlagen im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse auf, wie der oben beschriebene 70 mm lange Embryo von Mustelus. Die Wirbelsäule war hier schon weit entwickelt (Fig. 16 Taf. XVI). In der verhältnismäßig mächtigen Chordascheide (Ch-Sch) hatte verte- bral bereits die Abscheidung von hyaliner Grundsubstanz zwischen den Zellen begonnen. Die Intercellularsubstanz in den Bögen hat zugenommen. Der Theil der Basalstumpf-Rippenanlage, der zwi- schen Vasa intervertebralia und Spinalnerven gelegen, noch im vorigen Stadium in seiner Ausbildung zurückgeblieben war (a), hat jetzt die übrigen Theile der Anlage eingeholt, und hyaline Grund- substanz zwischen seinen Elementen abgeschieden. Er markirt deut- lich die spätere Grenze zwischen Basalstumpf und Rippe, indem hier die Zellen etwas dichter liegen als in der Nachbarschaft. Die Kerne 176 Ernst Göppert dieser etwa vier Zelllagen breiten Schicht besitzen vielfach ovale Form und sind mit ihren Längsachsen in die Ebene der späteren Trennung von Rippe und Basalstumpf eingestellt. Die hyaline Grundsubstanz zwischen diesen Elementen geht medial in die Grund- substanz des Basalstumpfes (B), lateral in die der Rippe über (R). Also auch hier hängen Rippe und Basalstumpf kontinuirlich mit ein- ander zusammen. Von der Existenz eines differenten Zwischenge- webes ist nicht die Rede. Genau das Gleiche gilt nun bei dem untersuchten Exemplar für sämmtliche Schwanzrippen (Fig. 17 Taf. XV R). Es wurden hier sechs gezählt. Sie hängen mit den ventral bereits verlängerten Basalstümpfen (2) kontinuirlich zusammen. Nur liegen die Ele- mente an der Stelle der späteren Abgliederung (a) an den zwei letzten Rippen etwas dichter als es vorn der Fall war. In den auf den sechsten Schwanzwirbel folgenden Segmenten fanden sich ent- sprechend der Lage des horizontalen Septums ganz schwache Höcker an der Außenseite der Basalstümpfe. Eine vollkommene Übereinstimmung mit den Thatsachen, die wir bei Mustelus und Pristiurus feststellen konnten, boten die Be- funde bei Embryonen von Scyllium canicula (von 25 und 34 mm Länge). In den vorderen Rumpfabschnitten finden wir einheitliche Basalstumpf-Rippenanlagen. In den Theilen derselben, die in den ventralen Leisten liegen, hat sich bereits hyaline Grundsubstanz entwickelt. Das Gleiche gilt für den Bereich der späteren Rippe mit Ausnahme ihres lateralen Endes. Die spätere Abgliederungs- stelle zeichnet sich auch hier dadurch aus, dass hyaline Grundsub- stanz zwischen ihren Elementen noch fehlt. Schließlich wollen wir noch unsere Befunde an von Torpedo ocellata mittheilen. Das jüngste untersuchte Exemplar maß 15 mm. Es war in eine Querschnittserie zerlegt, die ich Herrn Professor MAURER 'verdanke, und stellte den jüngsten Selachierembryo vor, der für meine Zwecke verwerthet werden konnte (Fig. 18 Taf. XVI). Von einer zelligen Chordascheide war hier noch nichts wahı- zunehmen. Die Chorda war von einem ganz diinnen hellen Saum umschlossen. Die vier leistenartigen Gewebsverdichtungen, die, wie Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 177 bekannt, der Chorda aufsitzend die Anlagen der Neuralbögen und Basalstümpfe enthalten, fehlen hier noch völlig. Wohl aber sind die Elemente in unmittelbarer Nachbarschaft der Chorda und zwar im Bereich ihres seitlichen Umfangs etwas dichter angeordnet als in der weiteren Umgebung. Genau entsprechend den Myosepten geht von diesen Gewebsanhäufungen ein breiter Strom von Zellen (A) aus, der gegen das locker gefügte embryonale Bindegewebe der Nach- barschaft nicht besonders scharf abgegrenzt ist. — Er verbindet die transversalen Myosepten mit dem perichordalen Gewebe. Der nächst ältere untersuchte Torpedo-Embryo maß 20 mm. Die Chordascheide enthält hier bereits Zellen, die in der bekannten koncentrischen Anordnung etwa 4 Lagen bilden. Nach außen von der Chordascheide findet man die Elastica, die dorsal und ventral von der Chorda deutlich hervortritt, in den übrigen Theilen dagegen nur bei genauer Untersuchung in spärlichen Resten erkennbar ist. Immerhin genügen diese Spuren zur Bestimmung des Bereiches der zelligen Chordascheide!. Nach außen von der Elastica hat sich das skeletoblastische Gewebe zu den bekannten vier Leisten verdichtet. Die dorsalen und ventralen Leisten hängen seitlich von der Chorda durch eine ziemlich dicke Zellenlage zusammen. Die innerste Schicht der letzteren, sowie die basalen Theile der Leisten zeigen bereits zwischen den Zellen hyaline Grundsubstanz. Während im Bereich der Chordascheide eine Segmentirung noch nicht eingetreten ist, ist sie innerhalb der Leisten bereits ausgebildet. Vertebral hat sich die helle Intercellularsubstanz weiter ausgedehnt, als es intervertebral der Fall ist. An Stelle der nur wenig scharf begrenzten Zellenmasse, die das perichordale Gewebe im vorher besprochenen Stadium mit den trans- versalen Myosepten in Zusammenhang setzt, gehen nun hier jeder- seits von den ventralen Leisten deutlich sich abhebende Zellenstränge aus, die schräg lateral- und gleichzeitig etwas caudalwärts ziehen. Ich brauche nach den bei den Squaliden gemachten Erfahrungen nicht erst darauf hinzuweisen, dass die Zellstränge die Basalstumpf- Rippenanlagen bilden. Jeder Strang besteht aus dicht an einander gelagerten Elementen der gleichen Art, wie sie die Theile der Leisten zusammensetzen, welche noch keine hyaline Grundsubstanz aufweisen. Er zieht, genau wie bei den Squaliden, zwischen dem Spinalnerven- stamm und den Vasa intervertebralia hindurch zu dem ihm ent- 1 Vgl. H. Kuaatscg, |. c. Morpholog. Jahrbuch, 23. 12 178 Ernst Göppert sprechenden transversalen Myoseptum. Hier geht er kontinuirlich in das Gewebe desselben über. In der Fortsetzung des Stranges ist das septale Gewebe besonders dicht und zeigt meist ovale Kerne, die mit ihren Längsachsen in der Verlaufsrichtung der Muskelfasern der Myomeren eingestellt sind. Weiter dorsal und ventral lockert sich innerhalb des Myoseptums das Zellengefüge etwas. Wie der Vergleich von Quer- und Horizontalschnitten lehrt, ist aber innerhalb der Muskulatur von einer abgegrenzten Rippenanlage noch nicht die Rede. Ein analoges Verhalten fanden wir auch bei den Squa- liden. Nur war dort bei dem jüngsten untersuchten Embryo die Basalstumpf-Rippenanlage in den medialen Theilen der Septen bereits differenzirt, während das hier noch nicht der Fall ist. Bei Torpedo liegen uns also frühere Entwicklungsstadien vor. Übrigens fehlt hier noch die Ausbildung des horizontalen Myoseptums, wenn auch durch eine Einknickung der noch einheitlichen Muskelplatte die Stelle seines späteren Auftretens angezeigt ist. In ihrer definitiven Länge finde ich die Rippen angelegt bei einem 24 mm langen Embryo. Zur allgemeinen Charakterisirung des Entwicklungsstadiums sei bemerkt, dass hier auch in der stark verdickten Chordascheide eine Segmentirung aufgetreten ist; intervertebral finden sich ihre Ele- ment dichter angeordnet als vertebral. Die Ausbildung der hyalinen Grundsubstanz innerhalb der Leisten hat zugenommen. Das die dorsalen und ventralen Leisten seitlich von der Chorda mit einander verbindende Gewebe zeigt gleichfalls segmentale Differenzirung durch schwächere Ausbildung in den intervertebralen Bezirken. Die Mus- kulatur besitzt bereits im Wesentlichen die gleiche Anordnung, wie beim fertigen Thier. | Auch hier finden wir eine einheitliche Basalstumpf-Rippenanlage. Anders als im vorhergehenden Stadium können wir sie aber jetzt in die Transversalsepten hinein verfolgen. Das Gewebe derselben hat im Übrigen lockere Fiigung angenommen und lässt dadurch die Rippenanlagen als Stränge dicht gedrängter Zellen scharf hervor- treten. Hier ist sogar der Bereich der späteren Rippe innerhalb der einheitlichen Anlage bereits erkennbar. Auch in dem Rippen- antheil ist nämlich hyaline Grundsubstanz aufgetreten, während sie in einer schmalen Zone, der späteren Abgliederungsstelle entsprechend, noch fehlt. Wie im Übrigen erkennen wir auch hierin eine Über- einstimmung mit dem Verhalten der Anlagen bei den Squaliden. Es möge endlich hier noch erwähnt werden, dass sich in der Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 179 Schwanzregion nur noch eine Rippenanlage zeigt, die genau wie die vorderen Rippen in kontinuirlichem Zusammenhang mit dem zuge- hörigen Basalstumpf stand, dieser hatte sich bereits mit dem ander- seitigen zu einem Hämalbogen vereinigt. Suchen wir uns jetzt im Zusammenhang ein Bild von der Rippen- entwicklung bei den Selachiern zu entwerfen. Es wird erlaubt sein, hierbei auch die jüngsten uns nur von Torpedo vorliegenden Ent- wicklungsstadien zu verwerthen. Wir gehen aus von einem Zustand, in welchem gesonderte Skeletanlagen noch fehlen (Torpedo 15 mm). Hier steht jedes trans- versale Myoseptum mittels eines Bezirkes dichterer Zellenanordnung mit dem perichordalen Gewebe in Zusammenhang. Letzteres zeichnet sich auch durch dichteres Gefüge vor dem Gewebe der weiteren Um- gebung aus. Weiterhin entstehen im perichordalen Gewebe die bekannten beiden Leistenpaare als erste Anlagen dorsaler und ventraler Bogen- bildungen. Die Verbindung mit den Myosepten erhält sich dabei. Die Zellbrücken, die den Zusammenhang vermitteln, grenzen sich als Stränge schärfer gegen die Umgebung ab und bleiben medial in kontinuirlichem Zusammenhang mit den ventralen Leisten. Lateral gehen sie ohne Grenze in das noch indifferente Gewebe der Myo- septen über. In den ventralen Leisten sind die Anlagen der Basen der Basal- stümpfe enthalten. Die beschriebenen Stränge entsprechen den late- ralen Enden der späteren Basalstümpfe und den medialen der späteren Rippen. Wir haben hier also ein Stadium, in welchem der mediale Theil einer einheitlichen Basalstumpf-Rippenanlage zur Son- derung gelangt ist (Torpedo 20 mm). Innerhalb der ventralen Leisten sondern sich die den Basal- stiimpfen zugehörigen vertebralen Theile durch das Auftreten hyaliner Intercellularsubstanz von den intervertebralen Abschnitten. Ferner sondert sich lateralwärts fortschreitend innerhalb des Gewebes der transversalen Myosepten ein Strang von dicht angeordneten Zellen in der direkten Fortsetzung des früher ausgebildeten Abschnittes der Basalstumpf-Rippenanlage. Er entspricht dem Haupttheil der späteren Rippe. Das Gewebe des Septums nimmt im Übrigen ein lockereres Gefüge an. Damit ist die einheitliche Basalstumpf-Rippenanlage in ihrer ganzen Ausdehnung entwickelt. 12* 180 Ernst Göppert Jetzt entsteht auch im Bereich der späteren Rippe hyaline Inter- cellularsubstanz zwischen den Elementen und zwar beginnt dieser Process innerhalb der Anlage medial und schreitet lateralwärts fort. Es bleibt also ein Bezirk, der, wie aus dem Vergleich mit älteren Stadien ersichtlich, der Gegend der späteren Abgliederungsstelle der Rippe entspricht, noch eine kurze Zeit auf dem Entwicklungszustand des vorhergehenden Stadiums. Diese Zone ist bei Seyllium und Pristiurus schmaler als bei Mustelus. Die Einheit der Anlage bleibt dabei vollkommen bestehen. Bald holt der zurückgebliebene Theil der Anlage die übrigen Theile ein. Wir haben dann eine durchweg hyalin-knorplige, ein- heitliche Basalstumpf-Rippenanlage. Die spätere Abgliederungsstelle ist aber noch dadurch kenntlich, dass hier die Knorpelgrundsubstanz schwächer entfaltet ist als in der Nachbarschaft. Später trennt sich die Basalstumpf-Rippenanlage an der bereits angezeigten Stelle in Basalstumpf und Rippe, indem hier die Knorpel- srundsubstanz fibrillär zerfällt und damit eine ligamentöse Verbin- dung entsteht (Fig. 2 Taf. XIII). Die frühzeitig auftretenden Beson- derheiten der Abgliederungsstelle, sowie der Abgliederungsvorgang selbst sind veranlasst durch die Aktionen der Seitenmuskulatur, die wir weiter unten noch würdigen wollen. Von dem hier geschilderten Entwicklungsgang weichen nur die rudimentären hintersten Rippen in einzelnen Fällen ab. Dies wurde bei Mustelus vulgaris beobachtet. Die hintersten Rippen lösen früh- zeitig ihre kontinuirliche Verbindung mit der Wirbelsäule und hän- gen dann nur durch Bindegewebe mit ibr locker zusammen. Da es sich aber um rudimentäre Theile handelt, ist ihr Verhalten zur Beurtheilung der Rippen nicht heranzuziehen. Wie der Leser sieht, enthalten meine Befunde eine Bestätigung der Angaben, die GOETTE, dann auch BALFOUR, von der Rippenent- wicklung der Selachier gegeben haben. Sie stehen im Gegensatz zu der Darstellung, die RaBL von demselben Vorgang gab, obwohl ich auch diejenige Art untersucht habe, die vor Allem Rasr’s Unter- suchungen gedient hat, nämlich Pristiurus. Es ist von Wichtigkeit meine Abweichung von RABL noch etwas zu beleuchten. Zunächst hat RABL, trotz seiner Ansicht von der Selbständigkeit der Rippenanlage, Beobachtungen gemacht, die augen- scheinlich mit den meinigen übereinstimmen. An einer Sagittalschnitt- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 181 serie durch einen Pristiurusembryo von 24 mm Länge findet er nämlich Folgendes (XV, pag. 101): »Die Rippenanlagen sind als Gewebsverdichtungen zu erkennen, die in den transversalen Muskel- septen an der unteren Fläche des in Bildung begriffenen horizontalen Septums liegen!. Diese Gewebsverdichtungen setzen sich nach ein- wärts bis zu den ventralen Längsleisten fort.« Dies ist das Gleiche, was ich speciell für Mustelus und Torpedo beschrieben habe. Wenn Rast dann fortfihrt, dass die Gewebsverdichtungen nicht dort am dichtesten sind, wo sie sich an die Längsleisten ansetzen, dass man sogar manchmal Mühe habe, sie unmittelbar neben den Längsleisten zu erkennen, so liegt doch auch in dieser Bemerkung die An- erkennung eines Zusammenhanges der Basalstumpfanlage und der Rippenanlage eingeschlossen. Ich habe aber im Gegensatz zu RABL bei meinem Material eine Schwierigkeit, die Rippenanlagen auf Quer- und Horizontalschnittserien bis zu den Längsleisten zu ver- folgen, nicht finden können (Fig. S und 9 Taf. XIV). RABL sagt dann ferner (pag. 102), dass bei seinen älteren Stadien von Pristiurus (bis zu 34 mm Länge) »das Gewebe, welches die Rippen- anlagen mit den Bogenstümpfen (= Basalstümpfen) verbindet, durch seine lockere Beschaffenheit sehr deutlich von jenem der Bogenstümpfe verschieden« ist, »so dass also von einem direkten Zusammenhang von Bogen und Rippen nicht die Rede sein kann«. Dem gegenüber kann ich mich nur auf meine auch in den Abbildungen dargestellten Befunde berufen, welche die Einheit der Basalstumpf-Rippenanlagen feststellen (vgl. Fig. 15 u. 16 Taf. XVI). Erklärlich werden mir aber die RABL- schen Angaben durch die vielfach betonte und auch völlig verständ- liche Thatsache, dass im Bereich der späteren Abgliederungsstelle die histologische Ausbildung der Anlage sich verzögert und erst später als im übrigen Theile Knorpelgrundsubstanz producirt wird. Damit kann wohl der bezeichnete Bezirk zeitweilig als eine Art Zwischen- stück zwischen Basalstumpf und Rippe erscheinen. Er hängt jedoch in kontinuirlichem Übergang mit den übrigen Theilen der Anlage zusammen, ist ja auch in früheren Stadien in keiner Weise von ihnen gesondert und wandelt sich später eben so wie alle anderen Theile der Anlage in hyalinen Knorpel um. Rap beschreibt und zeichnet nun aber, dass an einem vorderen Schwanzwirbel eines 34 mm langen Pristiurus zwischen Rippe und ! Die Lagerung der Rippen zum Horizontalseptum ist bereits oben (pag, 156) besprochen worden. 182 Ernst Göppert Basalstumpf Bindegewebe liegt (vgl. 1. c. Taf. VI Fig. 7). Ich kann natürlich hier nicht die Richtigkeit der Rapr’schen Beschreibung und Abbildung bezweifeln. Für die letzten rudimentären Rippen von älteren Mustelusembryonen habe ich Ähnliches feststellen können (Fig. 12 Taf. XV). Allerdings habe ich die Schwanzrippen eines 34 mm langen Pristiurusembryos eben so wie die vorderen Rippen (Fig. 16) in kontinuirlichem, hyalinknorpligem Zusammenhang mit den Basalstümpfen gefunden, wie Fig. 17 Taf. XV zeigt. Dennoch ist es denkbar, dass zwischen den Individuen derselben Art im Ver- halten der letzten schon mehr oder weniger rudimentären Rippen Verschiedenheiten bestehen. Ich muss aber nochmals betonen, dass Befunde gerade an diesen letzten Rippen keinerlei allgemeinere Schlüsse erlauben, weil man es eben mit in Rückbildung begriffenen Theilen zu thun hat. Im Gegensatz zu der RAagr’schen Auffassung halte ich also an der ursprünglichen Einheit der Anlage der oberen Rippe und des zugehörigen Basalstumpfes fest. Aus der Einheitlichkeit der embryonalen Anlage ergiebt sich auch mit größter Wahrscheinlichkeit ein phylogenetischer Zusam- menbang zwischen Basalstumpf und oberer Rippe. Wir sahen nun, dass die Anfänge der Basalstumpf-Rippenanlage in der Nähe der Wirbelsäule auftreten und sich von hier lateralwärts ausdehnen. — Das Gewebe der transversalen Myosepten selbst, in welchem der la- terale Theil der Basalstumpf-Rippenanlage zur Sonderung kommt, ist, wie RaBL feststellte, in gleichem Sinne vorwachsend zwischen die Myomeren eingedrungen. — Wir sehen ferner die weitere histo- logische Ausbildung der Basalstumpf-Rippenanlage im Wesentlichen in derselben Richtung vor sich gehen. Diese Beobachtungen spre- chen für eine gleichartige phylogenetische Entwicklung des Basal- stumpf-Rippenkomplexes. Die basalen Theile sind älter, als die lateralen. Die obere Rippe wird also als ein später abge- gliederter Auswuchs des primitiven Basalstumpfes aufzu- fassen sein. 2) Teleostier. An die Prüfung der Rippenentwicklung bei den Selachiern wol- len wir gleich die Untersuchung der Entwicklung der oberen Te- leostierrippen anschließen. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 183 Bereits Grassi bringt (X, pag. 40) hierher gehörige Beobachtungen für Salmo. Er sagt von den oberen Rippen oder Cartilagines inter- musculares Brucn’s: Esse sono riconoscibili un bel po’ pit tardi delle coste (d. h. Pleuralbögen) e gia al loro comparire sono unite cogli archi inferiori per mezzo di un tessuto connettivo compatto. Wir untersuchen eine 2,4 cm lange Forelle. Da die Entwicklung des Achsenskelets caudalwiirts fortschreitet und damit in den hinteren Abschnitten des Körpers noch primitivere Zustände sich vorfinden, als weiter vorn, so können wir hier verschiedene Stadien der Ent- wicklung der oberen Rippen antreffen. In Querschnitten durch den Anfang der hinteren Rumpfhälfte finden wir an der Stelle, die später die hyalin-knorplige obere Rippe einnimmt (vgl. pag. 162 u. Fig. XI pag. 200), einen Gewebsstrang, der sich auf den Schnitten als eine deutlich hervortretende Gruppe von Zellen mit rund- lichen Kernen darstellt. Diese erste Anlage verhält sich genau so wie die erste Anlage der Pleuralbogen (s. u.). Sie unterscheidet sich von ihr dadurch, dass sie nicht direkt mit dem Basalstumpf in Verbindung steht. Sie reicht vielmehr nur bis in die Mitte des horizontalen Septums und wird dann medial fortgesetzt durch einen Bindegewebsstrang, in dem zahlreiche langgestreckte Kerne hervortreten. Dieses Ligament liegt genau wie die Rippenanlage selbst im ventralen Rande des dor- salen Transversalseptums dem horizontalen Septum angeschlossen und befestigt sich medial an der Wirbelsäule. Verfolgen wir die Rippen- anlage lateralwärts, so sehen wir, dass sie nicht auf den Bereich des Horizontalseptums beschränkt bleibt, sondern in ihrem trans- versalen Septum zwischen dem dorsalen Theil des Muskels der Seitenlinie und der Hauptmasse der Seitenrumpfmuskulatur ein Stück dorsalwärts zieht. Ihr Ende verhält sich also eben so wie der dorsale Schenkel des Restes der oberen Rippen bei den Clupeiden. Die An- lage der oberen Rippe ist danach verhältnismäßig länger als der fertig gebildete Theil (s. 0. pag. 162 u. f.). Nach hinten zu werden die Rippenanlagen kürzer. Sie sind aber noch im Anfangstheil des Schwanzes anzutreffen. In den vordersten Abschnitten des Rumpfes finden sich die Rippenanlagen in gleicher Ausdehnung, wie eben dargestellt wurde. Im proximalen Theil der Anlage beginnt aber bereits die Bildung hyaliner Intercellularsubstanz. Lateral fehlt sie noch. An diesen Zustand lässt sich der Befund unmittelbar anreihen, den die Rippe bei der oben beschriebenen einjährigen Forelle dar- bot. Die Anlage hat sich zu einem hyalin-knorpligen Stab weiter 184 Ernst Göppert entwickelt. Gleichzeitig hat sie aber an Länge eingebüßt. Diese Verkürzung im Verlaufe der Ontogenese charakterisirt die obere Rippe der Teleostier zur Genüge als eine rudimentäre Bildung. Auf die- ser Eigenschaft beruht auch offenbar das Fehlen jeden direkten Zusammenhangs der oberen Rippen mit den Basalstümpfen. b. Die Entwicklung der unteren Rippen (Pleuralbögen). Es wird sich jetzt darum handeln, die Herkunft der unteren Rippen (Pleuralbögen) durch Untersuchung ihrer Ontogenese festzustellen. Mir standen Embryonen von Salmo salar und S. fario zur Ver- fiigung. Untersuchen wir einen Lachsembryo vom 34. Tage, so finden wir noch keine Spur von Rippenanlagen. Wohl aber sind die oberen Bögen und die Basalstiimpfe bereits angelegt. Betrachten wir die Basalstiimpfe genauer, so finden wir in ihnen schon hyaline Grund- substanz zwischen den Elementen in der Nähe der Chorda dorsalis. Letzterer sitzen die Basalstümpfe breit an. Ventralwärts verjüngen sie sich etwas, so dass sie auf dem Querschnitt dreieckig erscheinen. Gleichzeitig fehlt in dem von der Chorda entfernteren Theil der An- lage noch die helle Grundsubstanz. Die Zellen liegen hier dichter an einander und besitzen kleinere Kerne als dort. In der direkten Verlängerung der Basalstumpfspitze finden wir nun bei Embryonen vom 51. Tage die Pleuralbögenanlagen. Sie bestehen aus einem dünnen Strang von Zellen, der den medialen Rand des entsprechenden Myoseptums einnimmt. Auf Querschnitten trifft man hier kleine Gruppen von etwa vier bis fünf Zellen mit runden oder auch etwas ovalen Kernen. Dieser Strang geht dorsal- wärts kontinuirlich in den Basalstumpf über. Letzterer hat sich gegenüber dem vorigen Stadium durch stärkere Ausbildung der Grundsubstanz verändert. Distalwärts lässt sich die Pleuralbogen- anlage noch bis zum dorsalen Bereich der Leibeshöhle verfolgen. Auf etwas höherer Entwicklungsstufe treffen wir die gesammte Anlage bei Sdtägigen Lachsembryonen (Fig. 19 Taf. XVI). Nicht nur die Basalstiimpfe (B) haben durch weitere Ausbildung hyaliner Intercellularsubstanz eine höhere Entwicklungsstufe erreicht, auch die Anlagen der Pleuralbögen (Pb) erscheinen auf dem Querschnitt um- fangreicher und springen leicht in die Augen. Hyaline Grundsub- stanz fehlt ihnen aber noch gänzlich. Unschwer kann man sich von Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 185 ihrem völligen Zusammenhang mit den Basalstiimpfen überzeugen. Von einem Zwischengewebe ist nicht die Rede. Genau das gleiche Verhalten zeigten auch die ersten Anlagen der oberen Rippen bei den Selachiern. Es muss hier hervorgehoben werden, dass in diesem wie auch schon im vorhergehenden Stadium die Pleuralbogenanlagen leicht verwechselt werden können mit subperitonealen Bindegewebszügen, die vom Perichondrium der Basalstümpfe ausgehen (C). Diese fas- rigen Stränge bestehen aus lang ausgezogenen Zellen mit läng- lichen, spindelförmigen Kernen, die alle in gleicher Richtung ver- laufen. Die Rippenanlagen liegen unmittelbar nach außen von diesen Bindegewebssträngen, sind aber durch die Form und Größe ihrer Kerne deutlich von ihnen zu unterscheiden. Die eben beschriebene erste Anlage der unteren Rippen ist be- - reits GOETTE bekannt gewesen. Er beschreibt sie als einen »dichten, zellenreichen Gewebsstrang«, der vom Ende der knorpligen Bogen- basis ausgehend schräg rückwärts und abwärts zieht (Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XVI pag. 135 und Taf. VIII Fig. 14). Bei SCHEEL ver- misse ich eine Darstellung dieses ersten Stadiums der Rippenent- wicklung gänzlich. Der weitere Verlauf der Rippenentwicklung musste an Forellen- embryonen untersucht werden. Ein junger Salmo fario von 1,5 cm Länge stellt ein älteres Entwicklungsstadium vor, als der 55tiigige Lachsembryo. Man sieht dies beim ersten Blick auf die Wirbelsäule. Die Chordascheide, die bei jenem Lachs eine ganz dünne Lage unterhalb der Elastica dar- stellte, ist hier zu einer mächtigen Schicht angewachsen, augenschein- lich auf Kosten des Chordaepithels, das bei der vorliegenden Forelle bedeutend niedriger ist als bei dem Lachs von 55 Tagen. Auch die hyaline Grundsubstanz der Bögen hat sich verändert. Sie hat nicht nur zugenommen, sondern verhält sich jetzt auch Farbstoffen gegenüber anders. Während in dem jüngeren Stadium die Intercellu- larsubstanz sich mit Boraxkarmin schwach rosa färbt, nimmt sie hier keine Farbe mehr an. Das Verhalten der Anlagen der Pleuralbögen schließt sich aber unmittelbar an den oben geschilderten Zustand an. Vor Allem kon- statiren wir wieder ihren kontinuirlichen Zusammenhang mit den Basalstümpfen. Hier ist innerhalb der Pleuralbögenanlage bereits hyaline Grundsubstanz zwischen den Elementen aufgetreten. Dies ist aber nicht in direkter Fortsetzung des Bereichs hyalinen Knorpels 186 Ernst Göppert innerhalb der Basalstumpfanlage erfolgt. Von ihm ist vielmehr der betreffende Theil der Rippenanlage getrennt durch einen schmalen Bezirk, in welchem die Abscheidung von hyaliner Intercellularsub- stanz noch nicht eingetreten ist, der also noch in dem Zustand sich befindet, den vorher die gesammte Pleuralbogenanlage aufwies. Diese schmale Zone entspricht der späteren Abgliederungsstelle des Pleural- bogens. Auch im distalen Theil der Anlage fehlt noch hyaline In- tercellularsubstanz. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass Grassi einen derartigen Befund im Auge hatte, wenn er (X, pag. 37) sagt: »Nel luccio e nel salmone, tra l’arco trasverso e la costa, nel primo momento resta un sottile strato di tissuto connettivo embrionale.« Es handelt sich aber, wie man mit aller Sicherheit feststellen kann, an der bezeichneten Stelle nicht sowohl um embryonales Bindegewebe, sondern um einen in der Entwicklung etwas zurückgebliebenen Theil der einheitlichen An- lage von Basalstumpf und Pleuralbogen. Einen genau entsprechenden Zustand konnten wir auch bei der Entwicklung der Selachierrippe konstatiren. | In durchweg hyalinknorpligem Zustand treffen wir die gesammte , einheitliche Basalstumpf-Pleuralbogenanlage bei Forellen von 2,4 cm Körperlänge (Fig. 20 Taf. XVI). Auch im Bereich der späteren Grenze (a) zwischen unterer Rippe (Pl) und Basalstumpf (B) findet sich nunmehr zwischen den Elementen hyaline Grundsubstauz, die dorsal in die des Basalstumpfes, ventral in die des Pleuralbogens übergeht. Allerdings ist die Grundsubstanz in der späteren Tren- nungszone schwächer entwickelt als im übrigen Theil der Anlage. Analoge Verhältnisse trafen wir in späteren Stadien der Rippen- entwicklung bei den Selachiern. Wie dort, werden wir auch hier das Zurückbleiben der zukünftigen Abgliederungsstelle in ihrer histo- logischen Entwicklung auf dieselben Faktoren zurückführen, die wei- terhin die Lösung der Rippe vom Basalstumpf bewirken (vgl. pag. 190). Der kontinuirliche Zusammenhang der Basalstumpf- und Pleural- bogenanlage auch in diesem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium ist bereits durch A. MÜLLER, GOETTE, Grasst und ScHEEL bekannt geworden. Nachdem nunmehr auch in dem freien Ende der Pleuralbogen- anlage hyaline Grundsubstanz aufgetreten ist, stellt diese einen Stab vor, der an seinem vertebralen Ende dicker, weiterhin allmählich dünner wird und in seinem größten Theil aus einer einfachen Reihe von Knorpelzellen besteht. Er ist bereits, eben so wie der Basal- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 187 stumpf, von einer dünnen Knochenscheide überzogen (A), die nur sein freies Ende und die Abgliederungszone frei lässt. Von Bedeutung ist endlich noch, dass die Pleuralbogenanlage im Vergleich mit ihrer Ausdehnung beim ersten Auftreten bedeutend an Länge zugenommen hat. Sie umfasst bereits einen großen Theil des Umfangs der Leibeshöhle. Abweichungen von dem oben geschilderten Verhalten zeigen nur die letzten und gleichzeitig rudimentären Pleuralbögen. Bei der Forelle von 2,4 cm Länge hingen die letzten Pleuralbögen nicht un- mittelbar, sondern durch Bindegewebe mit den zugehörigen zur Um- schließung der Caudalgefäße verlängerten Basalstiimpfen zusammen. Wir wissen nun durch GOETTE, dass auch hier ursprünglich Basal- stumpf und Pleuralbogenanlage zusammenhängen, dass aber zwischen Pleuralbogen und Basalstumpf das weiche Gewebe der ersten Anlage sich früh in »Bandmasse« verwandelt. Derselbe Vorgang stellte sich auch an den letzten Rippen von Mustelus heraus. Hier wie dort bringen wir die frühzeitige Lösung der Verbindung von Basalstumpf und Rippe in Zusammenhang mit dem rudimentären Charakter der hintersten Rippenbildungen. Der erste Beginn einer Zerlegung der einheitlichen Anlage in Basalstumpf und Pleuralbogen fand sich bei einjährigen, 5 cm lan- gen Forellen. Die Entwicklung der Wirbelsäule ist hier natürlich schon sehr weit gediehen. Starke Knochenlagen umfassen die Chorda im Bereiche der Wirbelkörper. Die Knochenhüllen der Basalstiimpfe wie die der Rippen haben sich gegenüber dem früheren Zustand verdickt. Noch immer besteht aber ein kontinuirlicher Zusam- menhang des Knorpels von Basalstumpf und Rippe. Der Bezirk, in welchem die Abgliederung vor sich gehen soll, bildet eine ein bis zwei Zellen dicke Lage, die sich durch besonderes Verhalten ihrer Elemente auszeichnet. Fast durchweg sind die Kerne der hier lie- genden Knorpelzellen auffallend groß. Die schwach entwickelte Inter- cellularsubstanz ist nicht so durchscheinend, wie im Basalstumpf und im Pleuralbogen, sondern etwas trüber und dunkler als jene. Die Tren- nungszone ist ferner noch dadurch deutlich abzugrenzen, dass die ihr benachbarten Knorpelzellen beiderseits in der Richtung senkrecht zu ihr etwas abgeplattet sind. Endlich beobachtet man, dass zwi- schen Trennungszone und Basalstumpf einerseits, Pleuralbogen an- dererseits eine dünne Knochenlamelle von der Peripherie her in den Knorpel eindringt. Noch ist es hier nicht zu einer völligen Dürch- 188 Ernst Göppert trennung gekommen. Der Augenschein lehrt aber, dass sie in einem we- nig älteren Stadium vollendet sein muss. Die knorplige Zwischenzone verbindet dann die von Knochengewebe überzogenen Enden des Basal- stumpfes und des Pleuralbogens. Wenn wir uns an die sehr ähn- lichen Befunde an den Pleuralböügen von Calamoichthys erinnern (pag. 152), werden wir nicht daran zweifeln, dass aus dem verbinden- den Hyalinknorpel durch fasrigen Zerfall der Intercellularsubstanz das Basalstumpf und Rippe verbindende Ligament wird. Einen ent- sprechenden Vorgang zeigte uns auch die Ontogenese der Selachier- rippe. Mit dieser Darstellung weiche ich von den Angaben SCHEEL’s über den Vorgang der Abtrennung der Pleuralbögen bei den Salmo- niden ab. Nach ScHEEL soll eine Ringfurche von der Peripherie her eindringen und die Trennung bewirken. Das in dieser Ring- furche einwuchernde Bindegewebe soll später Basalstumpf und Pleu- ralbogen zusammenhalten. Die Trennung soll bereits bei 3—4 em langen Forellen vollendet sein. Ich kann diesen Angaben nur meine obige Beschreibung entgegenstellen. Übrigens hat SCHEEL für Rhodeus amarus einen Abgliederungsmodus des Pleuralbogens beschrieben, der mit meinen Beobachtungen an der Forelle im Wesentlichen über- einstimmt. Schließlich hätte ich noch zu erwähnen, dass die Pleuralbögen der einjährigen Forelle in der auch beim erwachsenen Thier be- kannten Weise weit ventralwärts herabreichen und den größten Theil des Umfangs der Leibeshöhle umfassen. Welche Antwort ergiebt sich nun aus der Ontogenese der Pleu- ralbögen auf die Frage nach ihrer Phylogenese? Die Basalstümpfe treten ontogenetisch früher auf als die Pleural- bögenanlagen. Sie sind also jedenfalls phylogenetisch älter. Die An- lagen der Pleuralbögen stehen ferner von vorn herein in Kontinuität mit den Basalstumpfanlagen. Die histologische Ausbildung der ein- heitlichen Anlage schreitet gegen ihr freies Ende fort, so dass die oberen Theile den unteren immer voraus sind. — Nur der Bereich der späteren Abgliederungsstelle bleibt aus begreiflichen Gründen (s. 0.) dauernd hinter den übrigen Theilen etwas zurück. — In glei- chem Sinne nimmt die Pleuralbogenanlage allmählich an Länge zu. Die ganzen Verhältnisse weisen darauf hin, dass die unte- ren Rippen (Pleuralbögen) als abgegliederte Fortsätze der Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 189 primitiven Basalstümpfe aufzufassen sind. Sie sind in die- sem Sinne gleichartig den oberen Rippen, wenn sie mit ihnen auch nicht homologisirt werden dürfen. Die Basal- -stiimpfe haben also, in zwei verschiedenen Richtungen aus- wachsend, obere und untere Rippen hervorgehen lassen. Es wäre nun aber doch möglich, dass man die Thatsachen der Rippenentwicklung bei Selachiern und Teleostiern anders beurtheilte, als es hier geschehen ist. Man könnte die Einheit der ersten Rippen- und Basalstumpfanlagen nur als die Folge einer rein ontogeneti- schen Zusammenfassung des Materials für ursprünglich gesonderte Theile auffassen, wie sie uns in der Ontogenese so vielfach ent- gegentritt. Die Rippenentwicklung wäre dann in hohem Maße cäno- genetisch umgestaltet. Der spätere hyanlinknorplige Zusammenhang von Rippe und Basalstumpf würde allerdings auf einen entsprechen- den phylogenetischen Zustand hinweisen. Dieser wäre aber als ein sekundärer zu beurtheilen. Die Möglichkeit einer solchen Auffassung fordert auf, uns ein- mal in ihrem Sinne die Phylogenese der Rippen vorzustellen: Das Auftreten von Rippen kann nur in geringen Anfängen begonnen haben. Es erfolgte in dem derben sehnigen Gewebe der Myosepten. Hier eingelagerte isolirte Stücke von hyalinem Knorpel können nun für die Leistung der Septen gar keine Bedeutung haben, denn diese beruht auf ihrer Festigkeit und auf ihrem Zusammenhang mit der Wirbelsäule. Beides wird durch die angenommenen jungen Rippen- bildungen nicht befördert werden. Wir könnten daher nur annehmen, dass die Anfänge der Rippen sich ohne wesentliche Leistung weiter entwickelt haben, bis sie, zur Verschmelzung mit Theilen des Achser- skelets gelangt, erst Bedeutung gewannen. Denken wir uns andererseits die Rippen phylogenetisch als Aus- wiichse der Basalstümpfe entstehen, so würden sie vom ersten Be- ginn ihrer Entwicklung an von Bedeutung sein, indem sie die An- satzfläche der Septen am Skelet vergrößern und den Zusammenhang beider verstärken. Auf der einen Seite erkennen wir also als den gestaltenden Faktor für die Rippenentwicklung die Leistung derselben, auf der anderen Seite fehlt ein soleher Faktor und damit jedes Verständnis für die Entstehungsursache der Rippen. Wir können also nicht zweifelhaft sein, welcher Auffassung wir uns zuwenden werden. Wir werden, wie es hier geschehen ist, die Ontogenese der Rippen als eine in der Hauptsache getreue Wiederholung ihrer Phylogenese betrachten 190 Ernst Göppert und sie nicht als einen ganz ciinogenetisch veränderten Vorgang an- sehen. c. Die Ursachen für die Abgliederung der Rippen. Die Umstände, welche die Abgliederung der Rippen bewirkt haben, werden jetzt noch unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. GEGENBAUR (VII) hat darauf hingewiesen, dass die Schwankun- gen im Volum der Leibeshöhle die Trennung der Rippen von den Basalstümpfen veranlasst haben. Zweifelsohne kommt diese Wir- kung der zeitweiligen Zu- und Abnahme des Leibesumfanges zu, die von dem wechselnden Inhalt der Baucheingeweide einerseits, der Wirkung der Bauchmuskeln andererseits, abhängt. Diese Veränderlichkeit des Leibesumfanges wird aber so gut wie ausschließlich für die unteren Rippen (Pleuralbögen) in Betracht kommen. Die oberen Rippen sind bei den Fischen dieser Wirkung fast ganz entzogen (vgl. Fig. XVIII pag. 207). Hier wird man die Abgliederung allein auf den Einfluss der Muskeln zu setzen haben, welche die seitlichen Bewegungen des Rumpfes veranlassen. Eine kurze Überlagerung zeigt, in welcher Weise er sich geltend macht. In der untenstehenden schematischen Figur (Fig. V a) stellt A BC zwei Wirbel vor, die bei B mit einander zusammenhängen. Fig. V. Die Linien EG und D F deuten zwei transversale Myosepten und gleichzeitig die in ihnen eingelagerten Basalstumpf-Rippenkomplexe an. JG FH ist das zwischen beiden befindliche Myomer. Kon- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 191 trahirt sich nun das bezeichnete Myomer, wie Fig. V 4 zeigt, so wird dadurch auf die beiden Wirbel ein Zug ausgeübt, der sie zu ein- ander in Winkelstellung bringt. Erfolgt die Kontraktion dabei durch die ganze Breite des Myomers gleichzeitig, so werden auch, vorüber- gehend wenigstens, die Basalstumpf-Rippenkomplexe Winkel bilden, deren Spitzen bei / und bei Z liegen, d. h. an ihren Eintrittsstellen in die Muskulatur. Es ist verständlich, dass eine häufige Wieder- holung dieser Bewegung die Abgliederung des innerhalb der Mus- kulatur gelegenen Theils bewirkt, und damit die »Rippe« vom »Basal- stumpf« trennt. In genau der gleichen Weise wird neben den Schwankungen des Leibesumfanges die Muskulatur auch die Pleural- bögen direkt beeinflussen. Die ihnen zugehörigen Theile der Mus- kulatur dienen aber nicht nur der Bauchpresse, sondern auch in er- heblichem Maße der Bewegung des gesammten Körpers. Die Hauptbewegungen des Fischkörpers sind seitlich gerichtet. Die dorso-ventral gerichteten Achsen für diese Bewegungen liegen also in der Medianebene. Nur dann werden Skelettheile durch die seitlichen Bewegungen abgegliedert werden, wenn sie mehr oder weniger gerade lateral gerichtet sind, also an ihrem Anfangsstück wenigstens mit der Medianebene mehr oder weniger große Winkel bilden. Skelettheile, die annähernd der Medianebene parallel ange- ordnet sind oder in sie hineinfallen, werden durch seitliche Bewe- gungen nicht abgegliedert werden. Dorso-ventral gerichtete Bewe- gungen würden diese Wirkung haben. So sehen wir auch, dass die Neuralbögen sowie die caudalen Hämalbögen im Allgemeinen in fester Kontinuität mit der Wirbelsäule bleiben, da die eben erwähnten Bewegungsarten von den Fischen augenscheinlich in nur unbedeuten- dem Maße ausgeführt werden. Immerhin treffen wir bei den Kno- chenganoiden in den vordersten Schwanzwirbeln Hämalbögen, deren costaler Bestandtheil beweglich mit dem basalen Theil verbunden ist. Durch BALFOUR und PARKER wissen wir, dass diese Trennung bei Lepidosteus erst während des embryonalen Lebens eintritt. Ob sie sich aber erklärt durch Erhaltung von Zuständen aus Zeiten her, in denen die jetzigen vorderen Schwanzwirbel noch der Rumpfregion angehörten, oder ob sie wirklich auf besonderen Bewegungen in ven- traler Richtung beruht, lässt sich vor der Hand nicht entscheiden. Wir haben oben gesehen, dass bei der Kontraktion der Myomeren die Myosepten einen Zug auf die Theile der Wirbelsäule ausüben, an denen sie Befestigung nehmen. Dieser Zug wird auf die Wirbel, zum Theil wenigstens, durch die Rippen übertragen, welche die 192 Ernst Göppert feste Verbindung der Septen mit den ersteren vermitteln. Wir können wohl in diesem Zuge auch die Veranlassung für das Auswachsen der Rippen an den primitiven Basalstümpfen erkennen. III. Theil. Die Beziehungen zwischen den Rippen und der Stammesmuskulatur. Wir haben im Laufe unserer Untersuchungen gesehen, dass die oberen Rippen resp. die sie bei Teleostiern vielfach vertretenden seitlichen Gräten und die unteren Rippen (Pleuralbögen) gar nicht selten neben einander vorkommen. In vielen Fällen fehlt aber der eine der beiden Theile, während der andere stark entwickelt ist. Bei den innigen Beziehungen zwischen Rippen und Muskulatur, auf die schon wiederholt hingewiesen wurde, wird man von vorn herein geneigt sein, die Bedingungen für das verschiedenartige Verhalten der Rippen in der Stammesmuskulatur zu suchen. Bereits GoETTE hat den damit bezeichneten Weg beschritten. Die Übereinstimmung der Hämalbögen mit den Neuralbögen ist für ihn der Ausgangspunkt. Nach seinen Ausführungen werden dann die Bedingungen für die Entstehung der Hämalbögen günstig sein, wenn die ventrale Muskulatur gleichartig angeordnet ist wie die dorsale. Dies ist nach ihm am Schwanz aller Wirbelthiere der Fall. Überall, wo sich nun dieses Verhalten auf den Rumpf fortsetzt, sollen. sich auch die den Haupttheilen der Hämalbögen entsprechenden Pleural- bögen finden (vgl. pag. 160). Dagegen sollen sie dann fehlen, wenn die ventrale Muskulatur wesentliche Umgestaltungen erfährt. So bei den Amphibien, Amnioten und auch bei den Selachiern. Indem dabei die Lage des horizontalen Septums nicht wesentlich geändert wird, können die oberen Rippen ungestört zur Entwicklung kommen. Damit ist gerade erst der Anfang zu einer Erklärung der ein- schlägigen Befunde gemacht, wie GOETTE selbst ausspricht. Wenn wir auch sehen, dass gleichzeitig mit dem Fehlen von Pleuralbögen die ventrale Muskulatur in ihrem allgemeinen Verhalten erhebliche Abweichungen von der Anordnung der dorsalen aufweist, so erklärt uns dieser Umstand allein noch nicht, warum früher ausgebildete Skelettheile geschwunden sind. Dazu gehört der Nachweis, dass sie in Zusammenhang mit Veränderungen der Muskulatur wirklich über- flüssig geworden sind. Ein entsprechender Nachweis ist natürlich auch für die Fälle erforderlich, die uns Rückbildungen früher aus- gebildeter oberer Rippen zeigen, ohne dass durch Ausbildung von Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 193 Gräten ein Ersatz eingetreten wäre. Derartiges ist uns an der Schwanzwirbelsäule der Selachier und von Calamoichthys begegnet. Endlich wird man sich die Frage vorzulegen haben, warum bei den Dipnoern und den meisten Ganoiden überhaupt keine Spuren von oberen Rippen zu finden sind, also voraussichtlich nie solche be- standen haben. Wir können hoffen, dass eine weitere Untersuchung der Stam- mesmuskulatur mit möglichster Berücksichtigung ihrer Leistung die bisher noch dunklen Verhältnisse wenigstens bis zu einem ge- wissen Grade aufhellen wird, und wollen zunächst die Bedin- gungen für die Rückbildung der Pleuralbögen festzustellen versuchen. a. Die Rückbildung von unteren Rippen. Bei allen höheren Fischen finden wir bekanntlich jederseits eine Trennung der seitlichen Muskulatur in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt durch das horizontale Myoseptum. Nur bei Am- phioxus und bei den Cyclostomen fehlt, wie RABL zeigte, diese Son- derung. Kontrahirt sich die Muskulatur einer Seite in ganzer Aus- dehnung oder in kleinerem Bereich, so kommt dadurch eine Krümmung des Fischkörpers zu Stande, deren Konkavität nach der Seite der Muskelkontraktion gerichtet ist. Isolirte Aktion einzelner Abschnitte der Muskulatur werden die verschiedensten Biegungen des Körpers zu erzeugen vermögen. Wir wissen durch die Untersuchungen Srrasser’s!, dass durch derartige Krümmungen nach dem Princip der Schlängelung die Ortsbewegung des Fisches im Wesentlichen erfolgt. Die ganze Seitenmuskulatur steht also im Dienst der Lo- komotion. Fiir den ventralen Theil der Muskulatur kommt ferner noch die Wirkung auf Schulter- und Beckengiirtel, dann vor Allem die Lei- stung als Bauchpresse hinzu: Sie beherrscht den Leibesumfang und damit den Inhalt des Darmrohres, des Urogenitalsystems, der Schwimmblase. Wir haben oben bereits gesehen, dass die Kontraktionen der Stammesmuskulatur durch die transversalen Myosepten auf die Wirbelsäule übertragen werden. Die Kontraktion eines Myomers übt mittels der zu ihm gehörigen Transversalsepten einen Zug auf je 1 H. STRASSER, Zur Lehre von der Ortsbewegung der Fische durch Bie- gungen des Leibes und der unpaaren Flossen. Stuttgart 1882. Morpholog. Jahrbuch. 23. 13 194 Ernst Göppert zwei Segmente des Achsenskelets aus, der beide in Winkelstellung zu einander zu bringen strebt. Im Dienst dieser Leistung der Trans- versalsepten stehen die Rippen. Sie finden sich in fester Verbindung mit dem Gewebe der Septen und verstärken durch ihren Zusammen- hang mit der Wirbelsäule deren Befestigung an jener. Das Verhältnis der Muskulatur zur Wirbelsäule kehrt sich natür- lich dann um, wenn die ventrale Muskulatur als Bauchpresse oder im Dienst der Bewegungen des Schulter- und Beckengiirtels wirkt. Die Wirbelsäule wird dann durch die antagonistische Wirkung der dorsalen Muskulatur festgestellt. Diejenigen Theile der Rumpfmuskulatur werden nun am ent- schiedensten die Stellung der Wirbelsäule beeinflussen können, welche ihr am nächsten anliegen. Je entfernter ein Muskelabschnitt von der Längsachse der Wirbelsäule liegt, desto geringer ist die Wir- kung des Zuges, den seine Kontraktion durch die Transversalsepten auf die Theile der Wirbelsäule ausübt. Die untenstehenden Figuren (VIa und 2) sollen dies Verhältnis illustriren. FG und D E in Fig. a stellen zwei Muskelabschnitte Fig. VI. a b dar, die bei A und C mit zwei Segmenten der Wirbelsäule verbunden sind. Beide Segmente stoßen bei B zusammen. Kontrahirt sich FG zu der Ausdehnung F’@’ (Fig. 5), so bringt es die beiden Wirbel in Winkelstellung zu einander. Die gleiche Wirkung würde nun aber offenbar die Verkürzung von D E zu D’ £’, also eine be- deutend geringere Kontraktion dieses Muskeltheils, haben. Das Ma- ximum der Wirkung eines unmittelbar an der Wirbelsäule gelegenen Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 195 Muskels auf die Stellung derselben wird also von einem entfernter gelegenen Muskel gar nicht erreicht werden. Können wir nun feststellen, dass ein Muskelabschnitt, der ur- sprünglich der Wirbelsäule nahe lag, sich sekundär von ihr entfernt, so erkennen wir hierin eine Abnahme seiner Leistung für die Be- wegung der Wirbelsäule und damit seiner Bedeutung überhaupt. Sollte in solchen Fällen eine Rückbildung von Rippen im Bereich des betreffenden Muskelabschnittes angetroffen werden, so würden wir ein Recht haben, den Grund hierfür in der Verringerung der Dignität dieses Theils der Muskulatur zu sehen, die nothwendig eine Minderung der Leistung der betreffenden Rippen im Gefolge hat. Wenn wir zunächst untersuchen wollen, ob wirklich die Aus- bildung und Rückbildung von unteren Rippen parallel geht dem Entwicklungszustand der ventralen Muskulatur, so wird hierfür Ca- lamoichthys ein besonders günstiges Objekt sein. Wir sahen ja, dass bei dieser Form in den hinteren Theilen des Körpers Pleural- bögen und obere Rippen neben einander vorkommen, während die ersteren vorn fehlen. Wir prüfen zunächst den vorderen, mit Pleuralbögen ausge- statteten Theil des Rumpfes. Beim ersten Blick auf Querschnitte durch diese Gegend (Fig. VII fällt die mächtige Entfaltung des dorsalen Abschnittes der Musku- latur auf. Seine Trennung von dem ventralen Abschnitt ist durch das horizontale Septum (S./or) und die oberen Rippen (O.R) aus- geprägt. Der Grad der Ausbildung der dorsalen Rumpfmuskulatur tritt deutlich zu Tage, wenn wir den Querschnitt von Protopterus (Fig. IX pag. 198) in Vergleich ziehen. Die dorsale Muskulatur von Calamoichthys nimmt den ganzen Bereich seitlich von der Wirbel- säule ein und überragt ihn sogar noch ein Stück nach der Ventral- seite zu. Durch dieses Verhalten wird die ventrale Muskulatur von der Wirbelsäule abgedrängt und so gut wie ganz auf die Umfassung der Leibeshöhle beschränkt. Ferner sehen wir, dass die dorsalen Transversalsepten (S.¢rsv.d) vielfach gebogen sind. Sie bilden drei über einander gelegene Kegelsysteme. Die Bedeutung dieser Bie- gungen beruht natürlich auf der dadurch bewirkten erheblichen Ver- größerung der Myomeren und der hiermit erhöhten Leistungsfähig- keit derselben. An der ventralen Muskulatur finden wir dagegen nichts der Art. Die Myomeren verlaufen ungebogen. 13* 196 Ernst Göppert Das ganze Verhalten zeigt ein erhebliches Überwiegen der dor- salen über die ventrale Muskulatnr. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass die Krümmung der Wirbelsäule in erster Linie durch den dorsalen Theil besorgt wird. e <2“ Calamoichihys Calabaricus. Querschnitt durch die vordere Rumpfhälfte. 16/1. K Knochenplatten i des Hautpanzers. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. Anders zeigen sich die Verhältnisse in den hinteren Theilen des Rumpfes, die außer mit oberen Rippen auch mit Pleuralbögen aus- gestattet sind (Fig. VIII). Auf den Unterschied, den die Querschnitts- form zeigt, ist schon oben hingewiesen worden. Gleichzeitig mit dem Auftreten der Pleuralbögen (£7) hebt sich das Niveau des horizontalen Septums (S.hor)!, d. h. die ventrale Muskulatur rückt an die Wirbelsäule heran. Diese Hebung nimmt caudalwärts zu. Am Anfang des Schwanzes liegt das Horizontal- septum bereits in der Höhe des queren Chordadurchmessers (Fig. XXI pag. 212). Dass hiermit eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der ! An den Stellen, an welchen die Basalstümpfe die Muskulatur erreichen, entfernt sich letztere etwas von der Wirbelsäule, während sie vor und hinter diesen Stellen sich wieder unmittelbar an die Wirbelsäule anschließt. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 197 ventralen Muskulatur verknüpft ist, geht aus dem oben Bemerkten ' hervor. Dazu kommt eine Verstärkung ihrer oberen Theile durch eine Einbiegung der Myomeren. Die Transversalsepten (S.trsv.v) stellen hier, wie aus Fig. VIII hervorgeht, in einander geschachtelte Kegel- mäntel vor. Dabei sehen wir den obe- Fig. VIII. ren Theil der ven- tralen Muskulatur jetzt dem Bereich der Leibeshöhle ent- riickt, dorsal von Ae? I ihr gelagert. Sonde le ay, Ne Wir finden also bei Calamoichthys das Bestehen von unteren Rippen gleichzeitig mit einer höheren, ihr Fehlen mit einer geringeren Be- deutung der ventra- len Muskulatur. Dass das Feh- len der unteren Rip- pen bei Calamoich- thys auf einem Ver- lust solcher beruht, h b . b Calamoichthys Calabaricus. Querschnitt durch die hintere Rumpf- aben wir oben ge- hälfte. 16/1. Bezeichnungen s. pag. 215. sehen. Auch das Verhalten der Muskulatur wird in den Theilen des Körpers, in welchen die Pleuralbögen verloren gegangen sind, als weniger pri- mitiv gelten müssen, als dasjenige in den Pleuralbögen besitzenden Theilen. Die ventrale Muskulatur hat also hier eine Rückbildung erfahren. Dies erklärt uns, dass in ihrem Bereich die unteren Rippen geschwunden sind. Es wird begreiflich, dass die oberen Rippen als Stütze für die ventrale Muskulatur ausreichen. Wir sahen ja im ersten Theil der Arbeit, dass diese auch letzterer dienen (pag. 150). 198 Ernst Göppert Es wird jetzt festzustellen sein, ob die bei Calamoichthys ge- machten Beobachtungen allgemeinere Bedeutung besitzen. Zunächst wollen wir untersuchen, wie sich bei den Formen mit wohlent- wickelten unteren Rippen die Muskulatur verhält. Von den Dipnoern wurde Protopterus annectens auf Querschnitten untersucht (Fig. IX). Hier wird die Seitenmuskulatur genau in der Höhe des Chordaquer- durchmessers vom hori- zontalen Septum (S.hor) durchschnitten. Die ventrale Muskulatur liegt der ventralen Hälfte der Wirbelsäule unmittelbar an. Das Gleiche ist übrigens noch am Schwanz der ‘ Fall. Offenbar hat durch diese Lagerung die ventrale Muskula- tur eine ganz beson- ders große Bedeutung für die Bewegungen der Wirbelsäule. Rein seitliche Biegungen derselben können gar nicht ohne ihre Be- Protopterus annectens. Querschnitt durch die Rumpfmitte. 4/1. u füh t L Lungen. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. theiligung ausgeru r werden. Etwas abweichende Verhältnisse zeigt Acipenser ruthenus. Be- kanntlich trägt nur der vordere Theil der Wirbelsäule ausgebildete Pleuralbögen, weiter hinten finden sich nur Rudimente von solchen. Querschnitte durch den vorderen Theil des Rumpfes zeigen das in Fig. Xa u. 5 dargestellte Verhalten. Das Horizontalseptum (S.kor) ist hier sehr zart. Es beginnt lateral in der Höhe des dorsalen Theils der Chorda an der Seitenlinie. Letztere prägt sich an der Muskulatur durch eine scharf einspringende Einkerbung aus, die den Ramus lateralis nervi vagi (N./) enthält. Von hier zieht das Horizontalseptum medialwärts und senkt sich dabei leicht nach der Ventralseite zu. Es kreuzt natürlich die Transversalsepten (S.2rsv) und endet in einiger Entfernung von der Wirbelsäule an der medialen Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 199 Fläche der Muskulatur. Es befestigt sich hier nicht wie bei Pro- topterus an der Chorda selbst, erreicht nicht einmal Theile der Basalstiimpfe (B), sondern nur den Anfangstheil der Pleuralbögen (Pld), allerdings unmittelbar jenseits der Enden der hakenartig ge- bogenen Basalstiimpfe. Auf Querschnitten, die gerade die Basal- stumpfenden treffen, liegt der mediale Rand des Septums etwas unter dem Niveau des transversalen Chordadurchmessers (Fig. X); auf Querschnitten, die vor und hinter diese Stelle fallen, kommt er ge- rade in die Höhe desselben zu liegen (Fig. X a). Fig. X. a 'S b Acipenser ruthenus. 12 em, Querschnitte durch den vorderen Theil des Rumpfes. 6/1. M.l Muskel \der Seitenlinie. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. : Die ventrale Seitenrumpfmuskulatur tritt also hier nicht unmittel- bar an die Wirbelsäule heran. Sie bleibt ein Stück von ihr entfernt. Stellen wir uns nun vor, dass die dorsale Muskulatur der einen Seite sich allein kontrahirt, so würde die Folge sein, dass sich die Wirbel- säule und damit der ganze Körper seitlich, aber gleichzeitig etwas dorsalwärts, krümmt. Zu rein seitlichen Biegungen muss sich noth- wendig dorsaye und ventrale Muskulatur einer Seite vereinigen. Der en 200 Ernst Göppert ventralen Muskulatur kommt also eine wesentliche Rolle auch für die lokomotorischen Bewegungen des Rumpfes zu. Das Gleiche gilt für die drei zur Untersuchung gelangten Te- leostier-Arten, die gut entwickelte Pleuralbögen besitzen. Figur XI zeigt den Querschnitt durch eine 5 cm lange Forelle. Das horizontale Septum ($.hor) liegt ziemlich genau in der Höhe des Querdurchmessers der Chorda dorsalis (CA). Es endet unmittel- bar an der Wirbelsäule. Im Bereich der Basalstiimpfe trifft es auf Salmo fario. 5 cm. Querschnitt durch die Rumpfmitte. Clupetde (Engraulis?). Querschnitt durch die Rumpfmitte. 16 12/1. Gr! schiefe Rückengräten. M.l Muskel der Seiten- Gr Seitengräte. Gr! schiefe Rückengräte. Gr" schiefe Bauchgrä linie. O.R obere Rippe (Cartilago intermuscularis Brucu’s). O.R obere Rippe (Bruc#’s Cartilago intermuscularis), M.l Mus Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. der Seitenlinie, Sb Schwimmblase. Sonstige Bezeichnungen s. pag, 21 die Seitenfläche ihrer obersten Theile. Die ventrale Seitenrumpf- muskulatur kommt ausgiebig in Kontakt mit der Wirbelsäule. Das Gleiche gilt, wie Fig. XI zeigt, für die O/upeiden (Engraulis ?), wenn hier auch das Horizontalseptum eine Spur tiefer liegt als beiSalmo. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 201 Bei Esox lucius liegt das Horizontalseptum wieder ziemlich genau im Niveau des Transversaldurchmessers der Chorda. In den vorderen Theilen des Rumpfes bleibt aber die ventrale Muskulatur um eine geringe Strecke von der Wirbelsäule entfernt. Bei allen bisher behandelten Formen findet sich also der Besitz von Pleuralbögen gleichzeitig mit einer erheblichen Bedeutung der ventralen Muskulatur. Außer ihrer Wirkung auf die Baucheinge- weide, auf Becken und Schultergürtel nimmt sie auch bedeutenden Antheil an den vornehmlich zur Ortsbewegung dienenden Biegungen der Wirbelsäule. | Wir wollen jetzt weiter die Arten untersuchen, deren Pleural- bögen rückgebildet sind. Zunächst beschäf- Fig. XI. tigen wir uns mit einem 7 Cottiden: Platycephalus spec. ?. Der Fisch ist in dorso-ventraler Rich- tung ziemlich stark ab- geplattet. Öffnet man ihn von der Bauchseite und untersucht die hin- tere Bauchwand, so findet man in dem vor- deren und dem hinteren Theil des Rumpfes ein verschiedenes Verhal- ten der Muskulatur. Vorn bemerkt man zunächst, dass die Hauptmasse der ven- tralen Muskulatur ein erhebliches Stück en Platycephalus spec.? Querschnitt durch die vordere Rumpf hälfte den Wirbelkörpern ent- eines älteren Exemplars. 3/1. a mediale Theile der veakalen fernt ist. Querschnitte Rumpfmuskulatar. RE eee Sonstige sind geeignet, diese Verhältnisse deutlich zu demonstriren (Fig. XIII). Der mediale Theil der bei den Cottiden besonders stark entwickelten Seiten- gräten (Gr) ist damit von der Ventralseite her leicht zugänglich. 202 Ernst Göppert Ventral liegt ihnen seitlich von der Wirbelsäule nur eine ganz dünne Schicht von Muskulatur (a) auf, die zwar der ventralen Seitenrumpf- muskulatur angehört, aber eine besondere Bedeutung gewonnen hat. Von der Ventralseite der Basalstumpfbasen entspringen nämlich lang- sehnig schwache platte Muskeln, die schräg lateral- und kopfwärts ziehen und an dem ganz vorn gelagerten Beckengürtel Befestigung nehmen. In ihrer ganzen Länge liegen sie .der Ventralfläche der Seitengräten an und finden sich in ihren lateralen Theilen zwischen letzteren und der Hauptmasse der ventralen Muskulatur. Für die Bewegungen der Wirbelsäule werden sie kaum in Betracht kommen. Die ganze Lateralfläche der Wirbelsäule wird eingenommen von der dorsalen Muskulatur. Das Horizontalseptum liegt etwa in der Höhe der Ventralseite der Wirbelkörper (W.K). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die laterale Lage der ventralen Rumpfmuskulatur keinen ursprünglichen Zustand vorstellt. Als ein solcher ist für die Teleostier viel eher das Verhalten der Muskulatur bei Clupea, Salmo und Esox anzusehen, denn hier haben wir auch ein primitiveres Verhalten des Stützapparates. Andererseits erkennen wir nach den obigen Ausführungen, dass die Abdrängung der ventralen Muskulatur von der Wirbelsäule die Bedeutung der- selben einschränkt. Die Leistung für die Bewegungen des Schulter- und Beckengürtels, sowie als Bauchpresse bleiben zwar unvermindert, die Wirksamkeit auf die Wirbelsäule nimmt aber ab. Hiermit steht augenscheinlich das Fehlen der Pleuralbögen in Zusammenhang. Es ist klar, dass die mächtige Entfaltung der dorsalen Muskulatur die Minderung der ventralen kompensirt. Darauf beruht wiederum die starke Entfaltung der Seitengräten. Gehen wir jetzt bei der Untersuchung der hinteren Bauchwand von Platycephalus weiter caudalwärts, so erkennen wir, dass die ventrale Muskulatur allmählich sich der Wirbelsäule nähert. Sie erreicht sie am 7. Rumpfwirbel und bleibt ihr von hier an dicht angeschlossen. Das nähere Verhalten der Muskulatur zeigt der in Fig. XIV wiedergegebene Querschnitt durch die hintere Rumpf- hälfte. Die ganze laterale Fläche der Wirbelsäule wird eingenom- men von der dorsalen Muskulatur, die ihr in breiter Masse anliegt. Das Horizontalseptum (S.hor) geht beiderseits im Bereich jedes Wir- belkörpers von einem leistenartigen Vorsprung (/) der Unterfläche des- selben aus, der mit dem anderseitigen eine Rinne begrenzt, in welcher die Aorta liegt. Lateralwärts fällt das Septum um ein Geringes nach der Ventralseite zu ab. In der nächsten Nähe der interverte- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 203 bralen Abschnitte der Wirbelsäule vergrößert sich natürlich der Wirbelquerschnitt. Der mediale Rand beider Horizontalsepten liegt aber auch hier noch ein kleines Stück ventral von der Unterfläche der Wirbel. Wenn also hier Fig. XIV. Abweichungen von 4 dem Verhalten der Muskulatur in der vorderen Körper- hälfte bestehen, so gilt doch trotzdem die gleiche Beurthei- lung. Der Zustand der Muskulatur kann nicht als ein ur- spriinglicher ange- sehen werden, da auch ihr Stützappa- rat durch den Verlust der Pleuralbögen Ab- weichungen von der Norm zeigt. Als sol- che gilt uns ein Ver- halten, das wir bei den mit Pleuralbögen ausgestatteten Fi- schen (z. B. bei Clu- pea) fanden. Von Platycephalus spec.? Querschnitt durch die hintere Rumpfhälfte i j eines jüngeren Exemplars. 5/1. Gr Seitengräte. J leistenartiger diesem leitet sich der Vorsprung der Wirbelkörper. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. Befund im hinteren Theil von Platycephalus ab durch eine Senkung des horizontalen Septums, d.h. durch eine Zunahme der dorsalen Muskulatur, eine Abnahme der ventralen. In Letzterem erkennen wir den Grund für die Rückbildung der unteren Rippen. Einen ganz anderen Typus von Fischen stellt die zweite Form vor, die durch den Mangel von Pleuralbögen unser Interesse erregt: Monacanthus fronticinctus (Fig. XV). War Platycephalus in dorso- ventraler Riehtung komprimirt, so ist Monacanthus in querer Rich- tung zusammengedrückt, aber dafür entsprechend höher gebaut. 204 Ernst Göppert Auch Monacanthus zeichnet sich durch starke Seitengräten aus. Es wurde ein junges 16 mm langes Exemplar eingehend untersucht. Betrachten wir einen Querschnitt durch die Mitte des Rumpfes. so sehen wir sofort, dass das Horizontalseptum ($.hor) viel tiefer steht als bei Clupea und Salmo. Es liegt ein ganzes Stück ventral von der Wirbelsäule. Wie oben bereits bemerkt, trifft es medial auf die Enden der langen Basalstümpfe (B), die ventral gerichtet von den Wirbelkörpern aus- gehen. Von der Berührung mit den Wirbelkörpern ist damit die ventrale Muskulatur völlig ausgeschlossen. Dieses Verhalten ändert sich etwas in den vordersten Segmenten des Rum- pfes. Hier divergiren die Basalstümpfe ventralwärts immer mehr und mehr. Die Folge davon ist, dass ihre Enden vorn etwas weiter dorsal liegen als in den hinteren Abschnitten des Rumpfes. Damit rückt aber auch das Niveau des horizontalen Septums etwas höher. Das Verhalten der Muskulatur wird jedoch dadurch nicht wesentlich geändert. Im dritten Rumpfsegment verlaufen die Basalstümpfe fast horizontal nach außen. Das Horizontalseptum ist von hier an nicht mehr erkennbar. Die Lage der Seitengräte zeigt aber die Grenze zwischen dorsaler und ventraler Monacanthus fronticinetus. Junges Exem- Muskulatur an. Das mediale Ende pss Que ha De ie der Gräten liegt bei der Länge der nungen s. pag. 215. Basalstümpfe ein beträchtliches Stück von der Wirbelsäule entfernt. Auch hier ist also die ventrale Muskulatur durch die dorsale völlig von der Seite der Wirbelkörper abgedrängt. Noch weiter vorn schieben sich zwischen Wirbelkörper und Muskulatur jederseits die Nieren ein. Damit wird die Ursprungsstelle der ersten Seitengräte am zweiten Rumpfwirbel dorsal verlagert, so dass sie sich an der Außenfläche der Neuralbögen vorfindet. Der Bereich der ventralen Muskulatur ua ua Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 205 greift also weit dorsalwärts vor. Wir werden ihr hier eine höhere Bedeutung für die Bewegungen der Wirbelsäule zusprechen müssen, als in den übrigen Theilen des Körpers. Dieser Zustand beschränkt sich aber auf einen ganz kleinen Bezirk, der gerade durch seine Lage unmittelbar am Kopfe die geringsten Biegungen ausführen kann. Verfolgen wir andererseits das Verhalten der Muskulatur von der Rumpfmitte caudalwärts, so finden wir noch am Ende des Rumpfes den in Fig. XV wiedergegebenen Tiefstand des Horizontal- septums. Im Schwanz beginnt sich das Niveau desselben allmählich zu heben. In den hinteren Theilen des Schwanzes erreicht es die Höhe des queren Chordadurchmessers, die es bis zum Schwanzende beibehält. Wir konstatiren also im weitaus größten Theil des Körpers von Monacanthus eine besonders tiefe Lage des horizontalen Septums. Wie schon wiederholt ausgeführt, bedeutet ein derartigerZustand eine Beschränkung der Leistung der ven- tralen Muskulatur, für welche die dorsale Rumpfmuskulatur kompensatorisch ein- tritt. Auch bei Mon- acanthus sind wir be- rechtigt, das Fehlen der Pleuralbögen auf diese Reduktion der ventralen Muskulatur zurückzuführen. Ein anderes Ver- halten der Muskula- tur als Monacanthus Gr Seitengräte. K Knochenplatten des Hautpanzers. Sonstige Be- und Platycephalus zeichnungen 3, pag. 215. weist Sygnathus auf, die dritte durch das Fehlen der Pleuralbögen ausgezeichnete Art, die zur Untersuchung kam. Dass die Seitengräten hier besonders stark entwickelt und synostotisch mit den Wirbelkörpern verwachsen sind, ist bekannt. 206 Ernst Göppert Im Rumpf ist die ventrale Muskulatur, wie Fig. XVI zeigt, außer- ordentlich weit von der Wirbelsäule abgerückt. Ihre transversalen Septen (S.érsv.v) befestigen sich am äußersten Ende der langen Seitengräten (Gr). Das horizontale Septum ($.hor) ist sehr schmal. In der Nachbarschaft der Gräten liegt die gesammte ventrale Mus- kulatur noch ein Stück unterhalb des Niveaus der Wirbelsäule (Fig. XVI). Vor und hinter den Gräten liegt das horizontale Sep- tum etwas höher, überschreitet aber nicht das Niveau der Unter- fläche der Wirbel. Am Schwanz hebt es sich bis zur Höhe des queren Durchmessers der Wirbelkörper. Es ist ersichtlich, dass am Rumpf die Bedeutung der ventralen Mus- kulatur für die Biegungen der Wirbelsäule durch ihre Entfernung von letzterer sehr beschränkt ist. Wiederum steht also das Fehlen der Pleuralbö- genin Zusammenhang mit einer Minderung der Be- deutung der ventralen Muskulatur, verglichen mit derjenigen bei Formenmit Pleuralbögen. Weniger deutlich ist der Zusammenhang bei- der Erscheinungen im hinteren Theil des Rum- pfes von Acipenser ruthe- nus, in welchem, wie be- kannt, die Pleuralbögen auf kurze Stummel redu- eirt sind. Vergleicht man einen Querschnitt durch diese Region (Fig. XVII) mit den Querschnitten durch den Vorderrumpf (Fig. X a und 3), so findet man allerdings eine erhebliche Differenz im Verhalten der Musku- latur. Die Innenfläche der Seitenrumpfmuskulatur in der Nähe des Horizontalseptums ist hinten viel mehr der Medianebene genähert als vorn. Gleichzeitig liegt aber der mediale Rand des horizontalen Septums etwas tiefer als vorn. Er befestigt sich an der Außen- Fig. XVII. Acipenser ruthenus. 12 em. Querschnitt durch den hinteren Theil des Rumpfes. 5,7/1. M.l Muskel der Seitenlinie, Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 207 fläche der Enden der Basalstümpfe (B), die hinten nicht mehr den langen quer gerichteten Vorsprung aufweisen, wie es vorn der Fall ist, sondern von der Unterseite der Chorda schräg ventral und etwas lateral gerichtet ausgehen. Durch dieses Verhalten reicht hinten die dorsale Muskulatur etwas weiter ventral als vorn. In der Höhe der Wirbelsäule liegt hinten ein kleinerer Abschnitt der ventralen Muskulatur als es vorn der Fall ist. Die Differenz scheint mir aber doch nicht genügend groß zu sein, um das Fehlen jeder Rippenbildung im hinteren Rumpf- abschnitt gegenüber der starken Entwicklung der Pleuralbögen im Vorderrumpf verständlich zu machen. Fig. XVII. Mustelus vulgaris. 7 em. Querschnitt durch die Rumpfmitte. 14/1. N Niere. 81 Seitenlinie. a Septum innerhalb der ventralen Muskulatur zwischen P.l-v: Pars latero-ventralis und P.m-v Pars medio-ventralis, Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. Wir wenden uns nunmehr zu den Selachiern. Ein Querschnitt durch die Rumpfmitte eines 70 mm langen 208 Ernst Göppert Mustelus vulgaris weist, wie Fig. XVIII zeigt, eine außerordentlich starke Entwicklung der dorsalen Seitenmuskulatur auf. Die trans- versalen Myosepten sind in komplieirter Weise gebogen, so dass wir vier über einander angeordnete Faltensysteme unterscheiden. Die dorsale Muskulatur nimmt die ganze Seitenfläche der Wirbelkörper ein und drängt die ventrale Muskulatur ganz von der Wirbelsäule ab. Das Horizontalseptum (S$.or) beginnt medial im Niveau der Unterfläche der Wirbelsäule von den Basalstümpfen (B) und zieht schwach dorsalwärts gebogen bis zur Seitenlinie, die etwa in der Höhe des Bodens des Rückgratkanals liegt (87). Gegenüber der mächtigen dorsalen Muskulatur erscheint die einfacher gebaute ventrale Muskulatur verhältnismäßig schwach ent- wickelt. Es fehlen ihr die eng in einander gefügten Trichtersysteme der dorsalen Myomeren. Nur eine einfache Biegung ihrer Myomeren findet sich, wie bereits oben (pag. 157) erwähnt, an der Grenze (a) der beiden Unterabthei- Piz, XIX. lungen (P./-v und P.m-v), in welche sie zerlegt ist (GOETTE, Humpury). Fer- ner sind, wie bekannt, der medialste Theil des Horizontalseptums und die ihm eingelagerten An- fangstheile der Rippen an ihrer ventralen Seite gar nicht von Muskulatur be- deckt. In den vorderen Theilen des Rumpfes reicht also die ventrale Muskulatur weniger weit medialwärts als die dor- sale. Weiter caudalwärts ändert sich dies. Das Horizontalseptum ist dann Bo; in ganzer Ausdehnung auf Scyllium canicula. 3,4 em. Querschnitt durch die Rumpfmitte. : N 26/1. Bezeichnungen wie in Fig. XVIII. beiden Seiten von Mus- kulatur eingeschlossen. Sehr ähnliche Verhältnisse wie Mustelus zeigte Pristiurus mela- nostomus. Bei Scyllium canicula (von 34 mm) bestand, wie Fig. XIX zeigt, Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 209 die Abweichung, dass der laterale Rand des horizontalen Septums und damit die Seitenlinie (S7) etwas tiefer liegt, als bei den zuerst erwähnten Formen. Beide lagen hier in der Höhe des queren Chorda- durchmessers. Wir vergleichen jetzt die Querschnitte der Selachier mit den Querschnitten der Forelle (Fig. XI). Der Unterschied des Selachier- querschnittes von dem des genannten Teleostiers beruht auf der außerordentlichen Entfaltung der dorsalen Muskulatur und der Zurück- drängung der ventralen Muskulatur bei dem ersteren. Es erscheint demnach unzweifelhaft, dass die ventrale Muskulatur der Selachier von verhältnismäßig geringerer Bedeutung ist, als die von Salmo. Ein Theil der Leistung für die Biegung der Wirbelsäule, die ihr dort zukommt, ist ihr bei den Selachiern durch die dorsale Musku- latur abgenommen. Könnten wir nachweisen, dass der jetzige Zustand der Selachier- muskulatur kein primitiver ist, sondern sich von einem Verhalten ableitet, in welchem der ventralen Muskulatur eine größere Bedeu- tung zukam, als es jetzt der Fall ist, so würde es verständlich sein, warum die unteren Rippen geschwunden sind, was wir ja als wahr- scheinlich annehmen (vgl. pag. 153 u. 154), und nur die oberen sich erhalten haben. Wir untersuchen Querschnitte durch einen jungen, 23 mm langen Embryo von Mustelus vulgaris (Fig. 7 Taf. XIV). Zunächst beob- achten wir, dass die Gestaltung des Querschnittes abweicht von dem des älteren Thieres. Er ist schmaler, verhältnismäßig höher als. dort und besitzt mehr die Form, die er bei Salmo zeigt. Die Seiten- muskulatur ist noch nicht in einen dorsalen und ventralen Theil zerlegt. Dennoch kann man bereits die Lage des späteren Horizon- talseptums und damit den Bereich der dorsalen und ventralen Mus- kulatur bestimmen. In der Höhe des queren Chordadurchmessers findet sich nämlich eine von außen her in die Muskulatur eindrin- gende Furche. Sie ist gegen die ventrale zellige Leiste gerichtet, welche, die Basalstumpfanlagen enthaltend, der Chorda ansitzt (Z). Die Furche entspricht der Seitenlinie. Sie enthält in ihrem Grunde ein longitudinal verlaufendes Blutgefäß. Nach außen von ihm liegt der Ramus lateralis nervi vagi (N./), der später unmittelbar an der Wirbelsäule lagert. Denkt man sich an dem beschriebenen Quer- schnitt die ventrale Begrenzung der erwähnten Furche medialwärts weitergeführt, so würde die Muskulatur von einer schräg ventral- warts absteigenden Scheidewand durchsetzt, die einen dorsaien und Morpholog. Jahrbuch. 23. 14 210 Ernst Göppert einen ventralen Abschnitt von einander trennt. Die Scheidewand würde ihrer Lage nach, wie der Vergleich mit älteren Stadien zeigt, dem Horizontalseptum entsprechen. | Vergleichen wir jetzt Fig. 7 Taf. XIV mit dem Querschnittsbild eines älteren Mustelus (Fig. XVIII), so fällt uns vor Allem auf, dass in dem jüngeren Stadium die dorsale Muskulatur noch nicht in der Weise das Übergewicht über den ventralen Theil besitzt, wie später. Einmal fehlen ihr noch die komplieirten Biegungen ihrer Myomeren, dann reicht sie noch nicht so unmittelbar an die Wirbelsäule heran; endlich erstreckt sie sich noch nicht so weit ventralwärts herab wie bei den älteren Thieren. Dem Niveau der ventralen Theile der Wirbelsäule entspricht ausschließlich ein Abschnitt der ventralen Muskulatur, während später auch dorsale Muskulatur in diesem Be- reich liegt. Daraus geht hervor, dass die Bedeutung der dorsalen Muskulatur beim älteren Thier relativ größer ist als beim jungen Embryo. Der laterale Rand des Horizontalseptums liegt anfänglich etwas tiefer als später. Er findet sich beim 23 mm langen Embryo in der Höhe des Querdurchmessers der Chorda, später über diesem Niveau. Vergleichen wir jetzt das Verhalten der ventralen Muskulatur in den beiden Stadien mit einander, so finden wir einmal, dass die Entwicklung derselben mit der dorsalen Muskulatur nicht gleichen Schritt hält. Dann vor Allem erkennen wir, dass die ventrale Mus- kulatur später durch die dorsale von der Wirbelsäule abgedrängt wird. Dieses Verhalten wird am klarsten, wenn wir den Durch- messer des Wirbelsiiulenquerschnittes als Maßstab nehmen. In halber Chordahöhe finden wir in dem jungen Stadium bereits im Abstand des halben Querdurchmessers von der Elastica die ventrale Musku- latur, im älteren dagegen erst in einer Entfernung, welche die Länge des Querdurchmessers übersteigt. Aus diesen Thatsachen, in Zu- sammenhang mit den oben gemachten Bemerkungen über die Be- deutung derartiger Veränderungen, ergiebt sich, dass die ventrale Muskulatur der Selachier während des embryonalen Lebens an funk- tionellem Werth einbüßt, indem ein Theil ihrer Leistung für die Bewegung der Wirbelsäule von der dorsalen Muskulatur übernommen wird. Dass ein ähnlicher Vorgang für die phylogenetische Entwick- lung anzunehmen ist, erscheint mehr als wahrscheinlich. Gesetzt, dass die Vorfahren der Selachier früher obere und untere Rippen gleichzeitig besessen haben, so ist es nach dem eben Mitgetheilten verständlich, dass bei der jetzigen Gestaltung der Mus- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 211 kulatur ein Paar von Rippen in jedem Segment genügte. Es ist auch begreiflich, dass das ventrale Paar schwand, das dorsale dagegen bei seinen Beziehungen zu beiden Theilen der Muskulatur (s. 0.) erhalten blieb!. j Wir können nunmehr die Untersuchung der Frage, warum in einer Reihe von Fällen die unteren Rippen (Pleuralbögen) ge- schwunden sind, abschließen. Ihre Rückbildung erklärt sich allgemein aus einer Abnahme der Bedeutung der ventralen Muskulatur, in deren Dienst sie stehen. Nur bei Acipenser lagen diese Verhältnisse nicht klar. Überall sonst, bei Calamoich- thys, Platycephalus, Monacanthus, Sygnathus, bei den Squaliden, also bei Vertretern verschiedenster Ordnungen und Familien macht es die Minderung der Leistung der ventralen Muskulatur verständlich, dass zu ihrer Befestigung die oberen Rippen resp. die Seitengräten ausreichen. Dass aber diese erhalten bleiben, erklärt sich aus ihrer doppelten Bedeutung für den dorsalen wie für den ventralen Theil der Seitenmuskulatur. Warum jedoch die bezeichneten Umbildungen des Muskelsystems eintreten, ist eine Frage, die ihrer Lösung noch harrt. b. Das Fehlen von oberen Rippen. Wir legen uns jetzt die Frage vor, warum bei den Dipnoern und den meisten Ganoiden die oberen Rippen gänzlich fehlen. Wir sahen, dass nichts dafür spricht, dass bei ihren Vorfahren obere Rippen bestanden haben. Es ist aber nicht möglich, aus dem Ver- halten der Muskulatur einen Grund für das Fehlen der oberen Rip- pen zu erkennen. Wir sahen nun, dass voraussichtlich die unteren Rippen (Pleuralbögen) phylogenetisch vor den oberen entstanden. Es bleibt in Zusammenhang damit nichts übrig, als anzunehmen, dass es sich hier um einen der häufigen Fälle handelt, in denen 1 Dass die Selachier, wie wir eben sahen, im allgemeinen Verhalten ihrer Stammesmuskulatur keineswegs primitive Verhältnisse aufweisen, wird nicht Wunder nehmen, wenn man berücksichtigt, dass derartig gewandte Schwimmer, wie die Selachier, nothwendig ein hochentwickeltes lokomotorisches Muskel- system besitzen müssen. Dass aber diejenigen Theile der Stammesmuskulatur, welche weniger der Ortsbewegung dienen, sondern vor Allem als Bauchpresse wirken, primitive Verhältnisse bewahrt haben, hat F. MAURER in seiner oben bereits eitirten Arbeit über die ventrale Rumpfmuskulatur nachgewiesen. 14577 912 Ernst Göppert eine Form auf primitiver Stufe verharrt und einen Organisations- fortschritt nicht erreicht, den andere Arten erwarben. Ähnliche Fälle liegen ja in Menge vor. Hierher gehört das Fehlen von Knochen- bildung am inneren Skelet der Selachier, der Mangel einer Wirbel- körperbildung am Achsenskelet der Dipnoer und der Knorpelganoi- den u. Ss. w. Hustelus vulgaris. 7 em. Querschnitt durch den Schwanz. 20/1. S.sag.d und v dorsales und ventrales Sagittalseptum. Sonstige Bezeichnungen s. pag. 215. Calamoichthys Calabaricus. Querschnitt durch den Schwanz. 19/1. Hb Hämalbogen. Sonstige Bezeichnungen] wie in Fig, XX. Die Rückbildung der oberen Rippe bei Salmo ist mir nur durch die Annahme begreiflich, dass sie mit dem Auftreten der schiefen Rückengräten in Zusammenhang steht. Verständlicher dagegen ist es, warum die oberen Rippen der Selachier und Crossopterygier in der Schwanzregion schwinden. Der Querschnitt (Fig. XX und XXI) durch den Schwanz von Mustelus und Calamoichthys zeigt, dass hier die ventrale Muskulatur im Gegen- satz zu ihrem Verhalten im Rumpf fest an die Wirbelsäule und ihre Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 918 ventralen Bogen angeschlossen ist, dass außerdem ihre beiden Hälf- ten innig mit einander durch das ventrale Sagittalseptum (S.sag.v) zusammenhängen. Dieses ganze Verhalten giebt der gesammten Mus- kulatur einen viel festeren Halt, als ihr am Rumpf zukam und er- klärt damit das Fehlen weiterer Befestigungsapparate, also dasjenige der oberen Rippen. Wenn wir jetzt den dritten Theil unserer Arbeit abschließen, so geschieht es in dem Bewusstsein, dass in ihm gerade erst der Anfang einer Klärung der einschlägigen Fragen gemacht worden ist. Zunächst konnte nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Arten untersucht werden. Dann bewegen wir uns auf einem Gebiet der Morphologie, das nur bei eingehender Berücksichtigung der phy- siologischen Verhältnisse behandelt werden kann, und doch fehlen vor der Hand gerade hier genauere Kenntnisse. Endlich haben wir vielfach mit Faktoren zu thun, die sich einer exakten Beurtheilung entziehen: Der specielle Charakter der Organismen, wenn ich so sagen darf, macht sich überall dort geltend, wo Veränderungen ein- treten und beherrscht das Maß und die Richtung der Umbildung. Allgemeineres Interesse beanspruchen aber die berührten Fra- gen dadurch, dass sie mit der Geschichte der Stammesmuskulatur auf das innigste verknüpft sind. Das Problem, das sich hier in erster Linie darbietet, betrifft die Entstehung der Scheidung der Rumpf- muskulatur in einen dorsalen und ‘einen ventralen Abschnitt durch das horizontale Septum, das ja eine relativ späte Erwerbung in der Wirbelthierreihe darstellt (RaBL). Es gehört ein umfassenderes Material dazu, als mir zu Gebote steht, um diese Frage in Angriff zu nehmen. Das Vorhandensein embryologischen Materials gerade von den hierfür wichtigsten Formen, von Dipnoern und Ganoiden, in den Händen verschiedener Forscher, lässt einen Fortschritt unse- rer Erkenntnis auch in dieser Richtung erhoffen. Den 24. Mai 1895. 214 Ernst Göppert Litteraturverzeichnis. I. F. M. BALFOUR and W. N. PARKER, On the Structure and Development of Lepidosteus. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Vol. CLXXII. Part II. London 1882. II. F. M. Batrour, A Monograph on the Development of Elasmobranch Fishes. London 1878. III. G. BAUR, Über Rippen und ähnliche Gebilde und deren Nomenklatur. Anatom. Anzeiger. Bd. IX. Nr. 4. Jena 1894. IV. C. Bruch, Vergleichend-osteologische Mittheilungen. III. Über eigen- thiimliche Anhänge der Fischwirbel. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XI. Heft 2. Leipzig 1862. V. L. Doro, Sur la Morphologie des Cötes. Bulletin scientifique de la France et de la Belgique. T. XXIV. pag. 1. Paris 1892. VI. —— Sur la Morphologie de la Colonne vertébrale. Ibidem. T. XXY. pag. 1. Paris 1893. VII. C. GEGENBAUR, Über die Entwicklung der Wirbelsäule des Lepidosteus, mit vergleichend-anatomischen Bemerkungen. Jenaische Zeitschrift fiir Medicin und Naturwissenschaft. Bd. III. Leipzig 1867. VII. —— Einige Bemerkungen zu GoETTE’s »Entwicklungsgeschichte der Unke als Grundlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbel- thiere«. Morphol. Jahrbuch. Bd. I. Heft 2. Leipzig 1876. IX. A. GoETTE, Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skeletsystems der Wirbelthiere. II. Die Wirbelsäule und ihre Anhänge. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XV u. XVI. Bonn 1878 und 1879. X. B. Grassi, Lo sviluppo della colonna vertebrale ne’ pesci ossei. Atti della R. Accademia dei Lincei 1882—1883. Roma 1883. XI. C. Hasse und G. Born, Bemerkungen über die Morphologie der Rippen. Zoolog. Anzeiger. II. Jahrgang. Nr. 21. Leipzig 1879. XII. B. Harscuex, Die Rippen der Wirbelthiere. Verhandlungen der Anat. Gesellschaft auf der dritten Versammlung. Ergänzungsheft zu: Anat. Anzeiger. IV. Jena 1889. XII. August MÜLLER, Beobachtungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Mediein. Jahrgang 1853. Berlin. XIV. JOHANNES MÜLLER, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Berlin 1834—1845. XV. C. RagBL, Theorie des Mesoderms. Fortsetzung. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. Heft 1. Leipzig 1892. XVI. C. ScHEEL, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Teleostierwirbel- säule. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. Heft 1. Leipzig 1893. XVII. R. WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. 3. Aufl. Jena 1893. Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 215 Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren, auch für die Textabbildungen, geltende Bezeichnungen. Tafel XIII—XVI. A.interv Arteria intervertebralis, Ao Aorta, B Basalstumpf- resp. Basalstumpfan- lage, B-R Basalstumpf-Rippenanlage, Ch Chorda dorsalis, Ch-Sch Chordascheide, EI Tunica elastica der Chorda, G Spinalganglion, L ventrale Längsleiste | der Wirbel- L’ dorsale Längsleiste eet M Muskulatur, M.sp Medulla spinalis, N Neuralbogen, NJ Nervus lateralis, O.R obere Rippe resp. Anlage, Pib Pleuralbogen (= untere Rippe) resp. Anlage, R Rippe resp. Rippenanlage, S Myoseptum, S.hor Septum horizontale, Spn Spinalnerv, S.trsv.d u. v Septum transversale dor- sale und ventrale, V.card Vena cardinalis, V.caud Vena caudalis, V.interv Vena intervertebralis. Sämmtliche Figuren sind mit Hilfe des Apg£'schen Zeichenapparats ent- worfen. In Fig. 1—6 sowie 14 ist der Knorpel blau gehalten. Laterales Ende einer oberen K Knochenplatte des Hautpanzers. Acanthias vulgaris. Rippen-Basalstumpfverbindung. 45/1. a peripheri- sches, gelenkkapselähnliches Band zwischen Basalstumpf (2) und Rippe Die verkalkten Theile der Salmo fario. 2,4 mm. Schwanzanfang. Horizontaler Längsschnitt, ven- P.sp Querschnitt des Processus spinosus S.sag.v Ven- Querschnitt. 230/1. Ende des Basalstum- Kno- Obere Rippe (Cartilago intermus- eularis BRucH’s) (O.R) in ihrer Lage an der Kreuzung des Horizon- Fig. 1. Calamoichthys Calabaricus. Querschnitt. Rippe (O.R). 60/1. Fig. 2. (R). 6 locker gefügtes Zwischengewebe. Rippe und des Basalstumpfes sind braun gehalten. Fig. 3. tral von der Chorda. 160/1. des letzten Pleuralbögen (Pld) tragenden Hämalbogens. trales Sagittalseptum. Fig. 4. Monacanthus fronticinctus. pfes (B) mit Anfangstheil der sogenannten Seitengräte (O.R). chengewebe braun. Fig. 5. Salmo fario. Querschnitt. 160/1. talseptums (S.hor) und des Transversalseptums (S.trsv.d und v). Fig. 6. Clupeide (Engraulis?). Querschnitt. 160/1. Rest der oberen Rippe (Cartilago intermuscularis Bruch’s) (O.R). Zur Orientirung vergleiche Fig. XII pag. 200. Gr Seitengräte. A Septum zwischen dem Muskel der Seitenlinie (links) und der Hauptmasse der Rumpfmuskulatur (rechts). Fig. Fig. ig. 12. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. Sebi 13: 15. 16. ily: 18. Ernst Göppert Mustelus vulgaris. 23 mm. Querschnitt. 100/1. A Verbindung der ven- tralen Leiste (Z) mit dem Gewebe der Transversalsepten. Rechts ist das Verhalten der Leiste vor resp. hinter dieser Verbindung dargestellt. Mustelus vulgaris. 21 mm. Horizontaler Längsschnitt durch die ven- trale Leiste (Z). Basalstumpf-Rippenanlage (B-R) und ihr Verhalten zum transversalen Septum (S). Die Chorda (Ch) zeigt bier keine Ab- grenzung nach rechts, da der Schnitt nur den ventralen Theil der Chorda getroffen hat und folglich ihre Hülle schief durchschneidet (vgl. Fig. 7). Mustelus vulgaris. 35 mm. Horizontaler Längsschnitt im Niveau der ventralen Leisten (Z). 108/1. Diese hier bereits segmentirt. Der Schnitt ist nicht genau horizontal. Die Chordascheide (Ch-Sch) ist nicht scharf begrenzt, die Elastica nicht sichtbar, da beide schief durchschnitten (s. Erklärung zu Fig. 8). Mustelus vulgaris. 48 mm. Horizontaler Längsschnitt durch das Niveau der ventralen Leisten (Z). 130/1. In den ventralen Theilen derselben bereits hyaline Grundsubstanz (hellbraun gehalten). Dasselbe im Be- reich der Rippen (R). a in der Entwicklung zurückgebliebener Theil der Basalstumpf-Rippenanlage. Mustelus vulgaris. 48 mm. Querschnitt durch die Basalstumpf-Rippen- anlage in den vorderen Theilen des Rumpfes. 160/1. Bezeichnung s. Erklärung zu Fig. 10. Mustelus vulgaris. 48 mm. Dasselbe Exemplar wie in Fig. 11. Quer- schnitt durch die Anlage der (rudimentären) vorletzten Rippe (R). 160/1. Die Chordascheide (Ch-Sch) und Muskulatur (M) nicht ausge- führt. 6 Bindegewebe zwischen Rippe und Basalstumpf (2). Mustelus vulgaris. 70 mm. Querschnitt durch einen Wirbel. 69/1. a Verbindungsstelle zwischen Basalstumpf (B) und Rippe (R). N Neuralbogen (nicht vollständig getroffen). Mustelus vulgaris. 70mm. Dasselbe Exemplar wie in Fig. 13. Quer- schnitt. Verbindung zwischen Basalstumpf (B) und Rippe (2) stark vergrößert. 290/1. Hämatoxylinpräparat. Hyaline Knorpelgrundsub- stanz blau gehalten. a s. bei Fig. 13. Pristiurus melanostomus. 24 mm. Querschnitt durch die Basalstumpf- Rippenanlage. 290/1. a in der Entwicklung zurückgebliebenes Stück der einheitlichen Basalstumpf-Rippenanlage, der späteren Abgliede- rungsstelle entsprechend. Bereich der hyalinen Grundsubstanz hell- braun. Pristiurus melanostomus. 34 mm. Querschnitt durch die Basalstumpf- Rippenanlage, Rumpfmitte. 270/11. Die Anlage durchweg hyalin- knorplig. Knorpelgrundsubstanz an der späteren Abgliederungsstelle (a) geringer entwickelt. Pristiurus melanostomus. 34 mm. Dasselbe Exemplar wie in Fig. 16. Querschnitt durch die vorletzte Schwanzrippe. 250/1. Chordascheide (Ch-Sch) nicht ausgeführt. a s. Erklärung zu Fig. 15 und 16. Torpedo ocellata. 15 mm. Querschnitt. Rumpfmitte. 100/1. Die laterale Urwirbellamelle ist eben im Begriff sich aufzulösen. M mediale Ur- wirbellamelle mit einer dicken Lage von Muskelfibrillen. A Zellen- Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 917 brücke zwischen dem skeletoblastischen Gewebe in der Umgebung der Chorda und den Transversalsepten. 5 Wourr’scher und MULLER’scher Gang. Salmo salar. 55. Tag. Querschnitt. 210/1. Basalstumpf (B) und An- lage der unteren Rippe (Pleuralbogen) (Pls) des nächst vorderen Wir- bels. C Bindegewebe an der Innenfläche der ventralen Muskulatur (M1). W.g Wourr’scher Gang. Salmo fario. 24 mm. Querschnitt. 290/1. Hyaline Knorpelgrund- substanz hellbraun. Einheit des Basalstumpfes (B) und des Pleural- bogens (Plb). a spätere Abgliederungsstelle, markirt durch geringere Entwicklung der Knorpelgrundsubstanz. K Knochenbelag des Pleural- bogens. _ Über die Persistenz des Ligamentum hepatocavo- duodenale beim erwachsenen Menschen in Fällen von Hemmungsbildungen des Situs peritonei. Von Dr. Hermann Klaatsch, Professor in Heidelberg. Mit Tafel XVII und 1 Figur im Text. Wenn meine auf vergleichend anatomischer Basis gewonnenen Anschauungen über den Situs peritonei des Menschen richtig sind, so werden dieselben sich auch in Fällen abnormer Lagerung des Darmkanales bewähren müssen. Mit Recht wird man verlangen dürfen, dass solche Fälle, so weit sie auf Hemmungsbildungen und nicht auf rein sekundäre pathologische Processe sich beziehen, von meinen Untersuchungen aus beleuchtet werden müssen, und anderer- seits wird derjenige, welcher meine Anschauungen theilt, eben solche Fälle als werthvolles Material zur Erkenntnis der Phylogenese der menschlichen Mesenterien begrüßen. Zu einer solchen Probe auf die Richtigkeit meiner Ansichten bieten sich nun zwei Fälle dar, von denen der eine im Tübinger anatomischen Institute beobachtet und von GROENROOS! im anato- mischen Anzeiger beschrieben wurde, während der zweite mir selbst ganz kürzlich hier in Heidelberg zur Beobachtung kam. Die Kennt- nis des letzteren Falles verdanke ich der Güte des Herrn Geheim- rath ARNOLD hier, in dessen pathologisch-anatomischen Institut am 1H. GROENROOS, Über einen Fall abnormer Lagerung des Darmkanals beim Erwachsenen. Anatom. Anzeiger. IX. Jahrgang (1893). Nr. 4. pag. 90. Vgl. auch Froriep. in: Verhandlungen der anatom. Gesellschaft in Göttingen. pag. 41 (1893). Taf XU. Fig.7. Calamoichthys —— -— =» . mn 8 Verlagen Wilh. Engelmann > Lay ,. BOT - d er Morpholog Jahrb. BAXXUI. TBEHV Fig.8. ; Mustelus. 21mm. HE “Mustelus. 35mm. 708, Fig. 73. Mustelus. 70mm. { ‘ nyt yar: yes Fig.70. Mustelus. 48mm: ?9% Fg. 77. MA re S BIT ! 2 ‘ scam a ae eo h een A0.----- Verlag vWilh. Engelmann ın Leipzig Taf. XV. Mustelus 48 mm. 194 Pristiurus 34 mm. 2% Veaagw Wilh. Engelmann in Lapzg. Lith dnsevE A Funke leipzig ET SPIRTOTRE , Morpholog. Jahrb. BÜKKUN. Fr Taf XN. aa | Beth -Ch-Sch a tl a - - Fig.15. Pristiurus 24 A z u 3 200, oe Fig.16. Prishurus 3mm. 270 ’ - Ch EL Ch -Sch -B El Torpedo 15mm. „ 3 Seen Kr 100, > { 4 ae tr Ae : ' . S FICHTE AT ee ed Pr | Fig.14. Mustelus 0mm. N Fig. 20. ae 2mm . 200, Fig.19. Lachs 551g. _ 210, EGoppert dei Lith AestvE A Funke Celpsig Verlagen Wilh. Engelmann ys lang. 4 Uber die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen etc. 219 92. Mai dieses Jahres bei der Sektion eines 29jährigen an Phthisis pulmonum und Pneumothorax verstorbenen Mannes die hier zu be- schreibende hochinteressante Abnormität der Mesenterien gefunden wurde. In der richtigen Erkenntnis, dass hier ein für meine verglei- chend anatomischen Untersuchungen sehr wichtiger Befund vorliege, hatte Herr Geheimrath ArnoLp die Freundlichkeit, mich über das Vorkommnis zu benachrichtigen und mir die Untersuchung und Pu- - blikation desselben zu überlassen. Es ist mir ein Bedürfnis, für dieses gütige Entgegenkommen Herrn Geheimrath ARNOLD hiermit meinen innigen Dank auszu- sprechen. Der Zustand, um den es sich hier handelt, ist in den wichtig- sten Punkten völlig verschieden von den Befunden des Tübinger Falles, wenn auch in mancher Hinsicht sich Übereinstimmungen zwi- schen beiden darbieten. Jeder der beiden Fälle ist für sich sehr werthvoll, und jeder in einer anderen Richtung; kombinirt legen beide Fälle für die Vor- geschichte des menschlichen Situs ein Zeugnis ab, welches meine kühnsten Erwartungen übertrifft. Ich werde zunächst den Heidelberger Fall ausführlich darlegen und beurtheilen, um ihn sodann mit dem Tübinger zu vergleichen. Als ich den vorliegenden Fall zur Prüfung erhielt, bot sich mir folgender Befund dar: Leber, Nieren und Milz waren entfernt, doch zeigten dieselben nach den Angaben des Herrn Prof. Ernst nichts Abnormes; auch soll das For. Winslowii frei durchgängig gewesen sein. Der Magen war disloeirt und bot nichts Auffallendes. Das Omentum majus ist relativ gering entwickelt. Nur auf der linken Seite zeigt es eine etwas stärkere Entfaltung und steht mit dem Enddarm in Beziehung. Im Übrigen entbehrt dasselbe gänzlich jeglichen Konnexes mit dem Enddarm. Das Omen- tum majus bietet bezüglich der vollständigen Erhaltung seines Lu- mens einen niederen Zustand dar. Nirgends finden sich Verklebun- gen der beiden Lamellen. Der Pylorus liegt in der Höhe des ersten Lendenwirbels. Das Duodenum liegt vollständig frei zu Tage. Mit seiner 220 Hermann Klaatsch rechten Fläche liegt es in normaler Weise der Wirbelsäule und seit- lichen Bauchwand auf; über die Beziehungen zur Niere konnte leider nicht mehr geurtheilt werden. Das Duodenum ist verhältnismäßig sehr mächtig entwickelt und bietet darin einen embryonalen Befund dar, auch ist sein Durch- messer etwas bedeutender als sonst. Es beschreibt einen fast voll- ständigen Kreisbogen, steigt abwärts bis zum oberen Rand des dritten Lendenwirbels, um wieder empor zu ziehen in derartig steilem Ver- lauf, dass seine Übergangsstelle ins Jejunum gerade vor den Pylorus zu liegen kommt. Von dem tiefsten, also am weitesten caudal ge- legenen Punkte des Duodenum entspringt eine ziemlich mächtige, annähernd dreieckig geformte Mesenterialplatte. Ohne Weiteres ist klar, dass wir hier ein Lig. cavoduodenale vor uns haben, und zwar in einer Vollständigkeit der Ausbildung, wie man es besser nicht erwarten kann. Das Band besitzt einen freien ventralen Rand, der, bei leichter Anspannung sich bedeutend zuschär- fend, uns zur Gegend der Vena cava führt und weiter caudal bis auf die Vena iliaca dextra, ja bis nahe zum Arcus cruralis zu ver- folgen ist. Nach rechts hin besitzt das Lig. cavoduodenale eine Ab- zweigung, welche mit nach vorn konkavem freien Rand sichelförmig zur seitlichen Bauchwand sich erstreckt und wohl bis zur Niere ge- reicht haben wird. Die Mitteldarmschlingen besitzen ein langes gemeinsames Mesen- terium, welches nicht aus einer gewöhnlichen (sekundären) Radix be- zogen wird, sondern kontinuirlich in das Mesenterium des Enddarmes übergeht. Zu diesem wenden wir uns zunächst. Seine caudalen Theile bieten einen ganz normalen Befund dar. Die Flexura sigmoidea ist gut entwickelt, ein Recessus intersigmoi- deus wird in sehr starker Entfaltung angetroffen. Hier besteht ein Mesenterium, welches sich der rechten Bauchwand nur unvollständig angeschlossen hat. Auch das Colon descendens ist nicht in der ge- wöhnlichen Weise fixirt und besitzt ein mäßig langes Mesenterium. Aufwärts steigend, gelangen wir zu einer scharfen Knickungssteile des Colon in der Gegend der Milz. Da diese entfernt ist, kann ich leider über das Verhalten des Lig. rectolienale keine genügenden Aufschlüsse geben. So viel ist sicher, dass hier an dieser wohl als Flexura coli lienalis zu deutenden Stelle leichte Beziehungen des Colon zum Omentum majus bestehen, ob dieselben aber unmittelbare sind oder ob sie durch ein Lig. rectolienale (oder colicolienale) ver- mittelt werden, muss ich dahingestellt lassen. Die Hauptsache ist, Über die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen etc. 221 ass nach rechts von diesem Punkte jegliche Beziehung es Enddarmes zum Omentum majus aufhört. Das Colon zieht on der Flexura lienalis in querer Richtung nach rechts hinüber, eine Strecke weit unter dem Pankreas her, ohne Mesenterium der irbelsäule eng angelagert, und erreicht das Lig. cavoduodenale (s. Taf. XVII und die Textfigur). An dieses ist es befestigt, und zwar sehr fest. Wir haben ge- rade an diesem wichtigen und kritischen Punkte den Recessus duo- denojejunalis, oder besser gesagt, rectoduodenalis zu suchen. Der letztere Name kann in unserem Fall Anwendung finden. Wir finden an der Stelle des Recessus eine leichte Grube zwischen zwei Falten, deren rechte in den Rand des Lig. cavoduodenale übergeht, aber der Recessus als solcher ist nicht sehr stark entwickelt, ein Punkt, über dessen Erklärung ich mich später noch äußern werde. Von dieser Anheftungsstelle des Enddarmes am Lig. cavoduo- denale aus hebt er sich frei empor und bekommt wieder ein langes Mesenterium, welches ohne irgend eine Abgrenzung in das Mesen- terium des Ileum übergeht. Dieser freie Theil des Enddarmes, wel- cher das normale Colon transversum und ascendens in sich schließt, hat die bedeutende Länge von einem halben Meter. Seine Be- schaffenheit bezüglich der Taenia und Haustra stimmt vollkommen mit derjenigen des übrigen Enddarmes überein und es besteht hierin keine Abweichung von der Norm. Besonders frappirend wirkt es natürlich, dass das Cöcum jeg- licher Fixation entbehrt. Vielleicht steht hiermit der sehr geringe Entwicklungsgrad dieses Darmtheiles zusammen. Wenigstens ist das Cöcum selbst eine unbedeutende Ausbuchtung des Colons, während ‘der Proc. vermiformis eine nicht unbeträchtliche Länge besitzt. An ihm fällt das sehr ausgedehnte, als dreieckige Platte aus dem all- gemeinen Gekröse sich erhebende Mesenteriolum auf. Das Pankreas ist ganz normal und lagert über der Art. mesen- terica sup. Auch diese zeigt, so viel ich konstatiren konnte, keine Abweichung; der von mir als Fortsetzung des Stammes betrachtete Ileoeöcaltheil zeigte das gewöhnliche Verhalten. Die Art. mesenterica sup. liegt in jener Mesenterialplatte, welche sich zwischen Duodenum und dem Enddarm ausspannt. Dieselbe lässt sich am besten übersehen, wenn man sämmtliche Darmschlingen kopfwärts emporschlägt, wie es auf der Taf. XVII dargestellt ist. Dann erkennt man die Beziehungen dieses Mesenterialtheils, seine Lage über dem Lig. cavoduodenale und seine allmähliche Verbreiterung 222 Hermann Klaatsch zum Mesenterium commune (Mes.com). Dieser Stiel des Mesenterium commune stellt offenbar nichts Anderes dar als jene Platte, die ich bei niederen Säugethieren als primäre Radix mesenterii bezeichnet habe. An seiner unteren Fläche hängt es mit dem Lig. cavoduode- nale (rectoduodenale) zusammen. Ich habe in meiner früheren Arbeit (921) gezeigt, dass der nor- male Situs durch die Drehung dieses primären Radix zu Stande kommt. Dieselbe stellt somit in ihrer selbständigen Erscheinungs- form eine vorübergehende Bildung dar. Schema des Darmkanals des hier beschriebenen Falles (Mann, 29 Jahr alt). Ma Magen, D Duode- num. + bezeichnet die Stelle der Jejuno-Ileum-Schlingen. @ Cöcum. Co Colon. Fes Flexura coli sinistra, Spl Milz. VIIII, VIIV, VIV dritter, vierter, fünfter Lendenwirbel. Ve Vena cava inferior. Om Omentum majus. Lcd Ligamentum cavoduodenale. Da dieselbe nun im vorliegenden Falle erhalten geblieben ist, so wird uns damit ein Fingerzeig gegeben, wie die vorliegende Ab- 1 KLAATscH, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbelthiere. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVIII. pag. 386—448. Uber die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen etc. 223 weichung erklärt werden kann, d. h. von welchem Zustand aus die- selbe sich entwickelt haben muss. Wir müssen hierbei zwei Punkte aus einander halten. Da die Überlagerung des Enddarmes über den Mitteldarm unterblieben ist, so haben wir es mit einer Hemmungsbildung zu thun. Wir können dieselbe mit thierischen Befunden vergleichen und werden feststellen, mit welehen hier die Verknüpfung vorzunehmen ist. Da zweitens der menschliche Embryo diese thierischen Zustände durchläuft, so werden wir zu eruiren haben, in welcher Embryonal- zeit diese Hemmungsbildung sich entwickelt hat, und welche sekun- däre Veränderungen hinzugetreten sind. Was den ersten Punkt betrifft, die vergleichend-anatomische Verwerthung des Falles, so führt uns derselbe bis auf sehr nie- dere Zustände zurück. Nicht bei Affen oder Prosimiern, sondern beim Urzustand aller Säugethiere müssen wir anknüpfen, wenn wir den vorliegenden Befund begreifen wollen. Dies gilt natürlich nicht von allen Punkten, und gerade diese Mischung von typischer mensch- licher Entfaltung mit rein thierischer Ausbildungsweise ist ja für die Hemmungsbildungen charakteristisch. Die Entfaltung des Darmkanals als solche bietet ja nur wenig Störungen dar. Der Enddarm namentlich hat trotz seiner abnormen Lagerung die gewöhnliche Differenzirung und eine bedeutende Längen- entfaltung erfahren. Hingegen sind die Mesenterien auf niederem Zustande verblieben. Die primäre Radix besteht unverändert fort. Ich zeigte sie in meiner früheren Arbeit als eine horizontale zwischen Duodenum und Rectum ausgespannte Platte. In ihrem Bereich vollzieht sich die Annähe- rung des Enddarmes an den Mitteldarm, und durch ihre Drehung kommt die Verlagerung des Enddarmes nach rechts, die Fixation des Cöeum und Colon ascendens an das Lig. eavoduodenale zu Stande. Die Drehung der primären Radix ist unterblieben. Darin liegt das Wesentliche der ganzen Abnormität. Alle anderen Ab- weichungen sind lediglich Folgezustände dieser Haupterscheinung. Da der Enddarm sich nicht über den Mitteldarm fortschob, so konnte er auch nicht den Anschluss ans Omentum majus gewinnen; wenig- stens war dies nur an einer ganz beschränkten Stelle möglich, näm- lich links, im Bereich des Lig. rectolienale; dort ist denn auch der Anschluss erfolgt. 334 Hermann Klaatsch Ferner mussten in ursprünglichem Zustande verharren das Duo- denum und seine Bandapparate. Freilich, die Anlagerung der rechten Fläche des Duodenum und Mesoduodenum an die seitliche Bauch- wand ist eine von der Drehung der Radix gänzlich unabhängige Erscheinung, und diese ist denn auch in normaler Weise eingetreten. Aber die linke Fläche des Duodenum musste frei bleiben und ist es auch geblieben. Blieb dies Alles aber unverändert, so muss auch das Lig. cavo- duodenale nachweisbar sein. Man wird sich erinnern, dass gerade der Nachweis dieses Bandes beim Menschen in meiner Diskussion mit ToLpr eine Hauptrolle. spielte!. Dieser Nachweis sollte mir angeblich nicht gelungen sein. Ich habe dann den Zustand eines 9 cm langen menschlichen Embryo abgebildet und mit dem eines erwachsenen Aretopitheken verglichen. Ganz deutlich konnte man da in jener kleinen, erst von der Umbiegungsstelle des Duodenum, später vom Cöcum aus zur Vena cava ziehenden Falte das gesuchte Band nachweisen. Ich sagte damals: »Dass der Mensch sich in diesem Punkte primitiver verhalten sollte als Echidna, scheint mir allerdings nicht erwartet werden zu diirfen.« Nun, der vorliegende abnorme Fall übertrifft meine Erwartungen weit; denn in der That haben wir hier ein Lig. cavoduodenale vor uns, wie es in soleher Ausdehnung nur bei niederen Säugethieren sich findet. Es liegt hier ein sehr wichtiger Punkt vor. Bestände im vor- liegenden Falle der von mir postulirte Befund nicht, wäre kein Lig. cavoduodenale vorhanden, so würde dadurch freilich meine Ableitung nicht gefährdet werden und es müsste eine Reduktion des Theiles angenommen werden. Der positive Befund giebt aber eine derartig glänzende Bestätigung der Richtigkeit meiner ganzen Beurtheilung des menschlichen Situs, dass daran der, letzte Widerspruch, falls sich ein solcher erheben sollte, scheitern müsste. Das Lig. cavoduodenale ist im vorliegenden Falle nicht nur er- 1 ©. ToLDT, Über die maßgebenden Gesichtspunkte in der Anatomie des Bauchfells und der Gekröse. Denkschriften der math.-naturw. Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften. Bd. LX. 1893. C. ToLDT, Über die Geschichte der Mesenterien. Referat. Verhandlungen der anatom. Gesellschaft in Göttingen. 1893. H. KraAtscH, Zur Beurtheilung der Mesenterialbildungen. Morph. Jahr- buch. Bd. XX. 1893. Über die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen etc. 225 halten geblieben, es hat auch noch eine wichtige Rolle bei den Lage- veränderungen des Enddarmes gespielt. Normaliter ist ja der Anschluss der Enddarm-Mitteldarmgrenze an das Lig. cavoduodenale der Endpunkt der zum fertigen Situs des Menschen führenden Veränderungen. Dieser Anschluss erfolgt, in- dem der Enddarm sich von vorn und rechts her an die rechte Seite des Lig. cavoduodenale anlegt. Dieser Anschluss ist im vorliegenden Falle durch die fehlende Drehung der primären Radix mesenterii unmöglich geworden. Es liegt aber der Versuch vor, denselben auf anderem Wege, nämlich von links und von hinten, an die linke Seite des Lig. eavoduo- denale zu gewinnen. Dies ergiebt sich leicht bei der Betrachtung jenes Enddarmstückes, welches von der Flexura coli lienalis aus quer hinüberzieht zum Lig. cavoduodenale. Ich habe erwartet und auf Taf. XVII wiedergegeben, dass hier der Enddarm an das Lig. cavoduodenale fixirt ist. Da dies der letzte Punkt einer Fixation in proximaler Richtung ist, so wird die funktionelle Bedeutung des- selben nicht unterschätzt werden dürfen. Diese Art der Befestigung des Enddarmes ans Duodenum ist uns aber auch vergleichend-anatomisch keine neue oder fremde Er- scheinung. Bei vielen Säugethieren habe ich diese Anknüpfung des Enddarmes ans Lig. cavoduodenale beschrieben. Dasselbe wurde in solchem Falle zum Lig. rectoduodenale. Besonders frappant waren diese Verhältnisse beim Hunde ausgeprägt, auf dessen Beschreibung in meiner früheren Arbeit (pag. 647 ff.) ich hiermit verweise. Freilich ist diese Art der Fixa- tion beim Hunde mit einer Drehung der Radix kombinirt. Auch bei Beutelthieren fand sich Ähnliches. Diese Verhältnisse sind sehr wichtig für die Beurtheilung des Recessus rectoduodenalis (oder duodenojejunalis) im vorliegenden Falle. Ich habe einen solchen zwar als seichte Grube am Lig. cavo- duodenale gefunden, aber er ist ziemlich unbedeutend. Dies könnte auffallend erscheinen. Habe ich doch in meiner früheren Arbeit mit Recht betont, dass der Recessus um so ursprünglicher als eine tiefe Grube sich erhält, je primitiver das Lig. cavoduodenale per- sistirt. Nun hier Letzteres der Fall ist, wird man auch Ersteres er- warten. Dieser. scheinbare Widerspruch lässt sich leicht aufklären, und zwar gerade durch das, was ich in meiner Arbeit über den Recessus dargethan habe. Ich habe dort. den Faktor nachgewiesen, der: die Morpholog. Jahrbuch. 23. 15 226 Hermann Klaatsch Reduktion dieses Recessus hervorruft: es ist der Anschluss des End- darmes an das Lig. cavoduodenale von der linken Seite ther. Je mehr dies sich ausprägt, um so mehr wird er reducirt, und da hier gerade die Gegend des Recessus in der stärksten Weise zur Fixation ausgenutzt wird, so muss man sich nur wundern, dass überhaupt noch ein Rest davon nachweisbar ist. Wir müssen uns nun die Frage vorlegen, wie der vorliegende abnorme Befund ontogenetisch sich herausgebildet haben mag. In erster Linie wird dabei zu entscheiden sein, an welches embryo- nale Stadium er anknüpft, oder in welcher Embryonalperiode der störende Faktor angegriffen haben muss. Alsdann wird es nicht schwer sein, die sekundären Veränderungen aufzudecken, die den definitiven Zustand herbeiführten. Die erste Frage lässt sich leicht beantworten. Die Abweichung vom normalen Entwicklungsgang muss in einer Zeit erfolgt sein, wo die Drehung der primären Radix und somit die Überlagerung des Mitteldarmes durch den Enddarm noch gar nicht eingetreten war. Ein solches Stadium, wo der Urzustand der Säugethiere noch ziem- lich getreu rekapitulirt wird, findet sich nun beim Menschen nur in ganz früher Embryonalzeit. Indem ich auf meine hierauf bezüg- liche Schilderung der Ontogenese des menschlichen Situs peritonei (pag. 688 ff.) verweise, hebe ich hervor, dass bereits im frühesten Stadium, welches überhaupt (und zwar von ToLpr) beschrieben wor- den ist, sich die betreffenden Veränderungen anbahnen. Die Abnor- mität muss also im Stadium der »Nabelschleife«, im ersten oder am Anfang des zweiten Monats eingesetzt haben; ja es liegt der Ge- danke nahe, dass diese dem Menschen eigenthümliche Formation der »Nabelschleife« in ursächlichem Zusammenhang mit der Hemmungs- bildung stehen könnte durch Schädlichkeiten, welche. vielleicht Drehungen der Nabelschnur oder dergleichen betrafen. Doch dieser Punkt, der vorläufig gänzlich dunkel bleiben muss, ist für die Be- urtheilung des Falles gleichgültig. : So viel ist sicher, dass bei dem etwa 2—3 cm langen Embryo die gewöhnliche Drehung der Nabel- schleife entweder überhaupt nicht erfolgt ist, oder aber, falls sie bereits begonnen hatte, wieder rückgängig ge- macht worden ist. Für Letzteres kinnte-man den Befund des Co- lons ins Feld führen, welches links den Anschluss ans große Netz gewonnen hat. Gerade dieser Punkt ist von Interesse. Wie ich seiner Zeit nachgewiesen habe, ist es die Flexura coli lienalis, welche vermöge ihrer Beziehungen zum Lig. rectolienale zuerst den Anschluss Uber die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen ete. 927 ans Omentum gewinnen muss. Diese Flexur liegt etwas distal von der Umbiegungsstelle der Nabelschleife in den übrigen Enddarm, eine Knickungsstelle, die ToLpr fälschlich für die Flexura lienalis gehalten hatte. Diese Knickungsstelle dürfte im vorliegenden Falle jener scharfen Umbiegungsstelle des fixirten Enddarmes in den freien »posteöcalen« Theil, wie ich ihn bei manchen Säugethieren. benannt habe, entsprechen. Ich halte es also für die am meisten wahrscheinliche Erklärung, dass die eben begonnene Drehung der Nabelschleife sistirt wurde in dem Zeitpunkt, als sich die Flexura coli lienalis gebildet hatte, also kurz vor jenem Stadium, welches ich (im Anschluss an JOH. MÜLLER) auf Textfigur 18 pag. 693 wiedergegeben habe. Alle der Nabelschleife angehörenden Darmtheile behalten nun ihr freies Mesenterium, welches zum Mesenterium commune auswächst. Jeg- liche Überlagerung des Mitteldarmes, speeiell des Duodenum, durch den Enddarm unterbleibt, sowie dem weiteren Anschluss desselben ans Omentum ein Ziel gesteckt ist. Daher bleibt die linke Fläche des Duodenum und Mesoduode- num ganz frei. Von diesen Störungen unberührt sind die Vorgänge auf der rechten Seite des Duodenum. Hier vollzieht sich die An- lagerung des Darmtheiles an die benachbarten Theile derart, dass von den proximalen Abschnitten, speciell vom Lig. hepatoduodenale inferius, nicht mehr erhalten bleibt als in den gewöhnlichen Fällen. Aber der distale Theil dieses Apparates — das Lig. cavoduode- nale, persistirt in voller Ausdehnung, weil es nicht — in der ge- wöhnlichen Weise — vom Enddarm und speciell vom Cöcum zur Fixirung benutzt wurde. In Folge dessen konnte auch keine sekun- däre »Radix mesenterii« entstehen, deren genetische Beziehung zum Lig. cavoduodenale dadurch in Bestätigung meiner früheren Angaben vorzüglich dargethan wird. Welche sekundären Veränderungen haben sich nun auf dieser ontogenetischen Basis abgespielt? Ein beträchtlicher Theil des Enddarmes war frei, und dieser ungünstige Zustand wurde durch etwas wenigstens theilweise kom- pensirt: Jene Nabelschleifen-Enddarm-Knickung, welche bereits mit dem Duodenum in Beziehung getreten war, heftete sich in der Gegend des Recessus rectoduodenalis oder duodenojejunalis fester an die benachbarten Theile an. Dies geschah einmal durch Verstrei- chung des Mesocolon an dieser Stelle, so dass eine direkte Auflage- rung des Enddarmes auf die Wirbelsäule resultirte, sodann aber durch 15* 228 Hermann Kiaatsch innigen Anschluss an die rechtsseitige Wandung des Re- cessus, d.h. an das Lig. cavoduodenale. In Folge dessen wurde die primäre Radix an ihrem Stiel außer- ordentlich verschmälert, und anstatt über den Dünndarmschlingen, schob sich das Colon unter denselben gegen das Lig. cavoduode- nale hin. So wird dieses Band hier trotz aller Störungen zum Fixa- tionspunkt des Enddarmes, wenn auch in ganz anderer Weise als sonst, da sich derselbe nicht von oben und rechts, sondern von unten und links an dasselbe anlegt. Hieraus erklärt sich denn auch die oben berührte Reduktion des Recessus duodenojejunalis. Ganz sekundäre Verlöthungen haben sich nur in geringem Maße entwickelt. So zeigte sich auf der proximalen (kopfwärts gelegenen) Platte der primären Radix zwischen der Pars postcoecalis und dem Jejunum eine leichte Querfalte. Auch sollen die schlingenförmig gewundenen Theile der Pars postcoecalis auf der vorderen Fläche der Leber angelöthet gewesen sein. So bietet denn dieser Fall ein überaus klares und einfaches Bild dar, das in allen Einzelheiten sich aus der Phylogenese und Ontogenese des Situs verstehen lässt. Eine werthvolle Ergänzung erfährt derselbe durch den Tübinger Fall, zu dessen vergleichender Betrachtung ich mich nunmehr wende. Beim Tiibinger Fall sind es besonders die auf der rechten Seite des Duodenum gelegenen Bandapparate, welche unsere Aufmerksam- keit auf sich ziehen. Weniger klar liegen die Zustände am Dick- darm, da hier pathologische Verlöthungen das Bild beeinträchtigen. Was zunächst das Colon betrifft, so gewinne ich aus der Be- schreibung den folgenden Eindruck: Offenbar ist, wie auch GROEN- Roos vermuthet, die Drehung der Nabelschleife in den Anfängen sistirt worden, und in diesem Punkte zeigt sich eine bemerkens- werthe Übereinstimmung mit meinem Falle. Es ist aber auch, wie es scheint, dem Enddarm jegliche Möglichkeit der Fixirung ans Duodenum benommen worden. Dies kann nur dadurch erklärt wer- den, dass das Lig. cavoduodenale eine Störung erfahren hat, und in der That suchte GRoENROOs vergeblich nach distalen Theilen des Lig. hepatocavoduodenale, während er die proximalen Theile des- selben auffand. Der Hauptpunkt liegt also in der abnorm freien Beweglichkeit des Duodenum, und gerade der Umstand, dass sich rechts von demselben überaus primitive Zustände erhalten haben, weist auf einen Faktor hin, der gerade am Duodenum eine Sistirung der normalen Vorgänge zur Folge hatte. Das in dieser sehr frühen Uber die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen etc. 229 Zeit noch sehr zarte Lig. cavoduodenale muss dieser Störung zum Opfer gefallen sein. Erwägt man nun die hohe Bedeutung dieses Apparates für die Fixirung des Enddarmes, so ist es begreiflich, dass für den letzteren kompensatorische Einrichtungen ge- schaffen werden mussten, um wenigstens einige Abhilfe für den De- fekt zu schaffen. Rechts war das nicht möglich, so geschah es links, und es ist in hohem Grade interessant zu sehen, wie hier die Gegend des Lig. rectolienale in einer ganz extremen Weise zu dem bezeichneten Zwecke ausgenutzt wurde. Wie GROENROOS beschreibt, hat sich der größte Theil des Enddarmes unter reichlicher Schlingenbildung links gegen das Omentum vorgeschoben und hat hier eine Festheftung gewonnen, welche wohl durch sekundäre Ver- löthungen noch mechanisch verstärkt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus wird mir der Tübinger Fall ganz verständlich und es ist auch vollkommen begreiflich, dass auf der rechten Seite des nun vollkommen entlasteten Duodenum sich so primitive Zustände erhalten konnten, dass an den Urzu- stand der Säugethiere direkte Anknüpfung geboten wird. Ich habe in meiner früheren Arbeit (pag. 689) erwähnt, dass nach den Angaben der Autoren in ganz früher Zeit ein nicht unbe- trächtlicher Theil der Leber rechterseits zwischen Duodenum und Cölomwand sich einschiebt. Dieser muss dem Lobus descendens der Säugethiere entsprechen, und die Vermuthung, dass hier sich die- selben Bandapparate wie bei den niederen Formen auch beim Men- schen sich finden, wird durch GROENROos’ vortreffliche Schilderung über jeden Zweifel erhoben. Dieser Autor, der meine Darstellung vollkommen richtig aufgefasst und mit großem Scharfblick die an seinem Objekte morphologisch wichtigen Punkte erkannt .hat, fand an der kritischen Stelle jenen Theil des Lig. hepatocavoduodenale, den ich als Lig. hepatoduodenale inferius beschrieben habe. Es zeigt sich in diesem Falle, dass »ein Foramen Winslowii in seiner gewöhnlichen Form und Begrenzung nicht vorhanden ist (pag. 96). Den Zugang zur Bursa omentalis bildet eine geräumige Öffnung«, das Foramen hepatoentericum. »Die Umrandung dieser Öffnung wird vorn vom freien Rande des Lig. hepatogastroduodenale gebildet, in welchem der Ductus choledochus zum Duodenum ver- läuft« ete...... Die »dorsocaudale. Umgrenzung« wird von einer Mesenterialplatte gebildet, »welche sich im Anschluss an den rechten Rand der Vena cava inferior vom hinteren Rand der unteren Fläche des rechten Leberlappens zum oberen Theil der rechten Niere und 230 Hermann Klaatsch zum Mesoduodenum im Gebiet des Pankreaskopfes ausspannt«. Die weitere Beschreibung und Abbildung des Bandes .auf Fig. 2 (GROEN- Roos) lassen keinen Zweifel darüber, dass wir hier ein völlig unverändertes Lig. hepatoduodenale inferius vor uns haben. Ja, sogar von jener Grube, die ich als rechten Theil der Bursa hepatoenterica beschrieben habe, besteht noch ein beträchtlicher Rest fort. So wird uns durch GROENROOS ein ganz primitiver Zu- stand des Lig. hepatocavoduodenale beim Menschen vorge- führt, und wenn wir diesen Befund kombiniren mit dem, welchen ich jetzt beobachtet habe, so gelangen wir zur Annahme einer Beschaffenheit des Duodenum und seiner Bandapparate beim Menschen, welche derjenigen der nie- deren Säugethiere vollkommen entspricht. Gerade an die allerprimitivsten Zustände schließt sich der Befund an. Erst kürz- lich hatte ich Gelegenheit, Echidnaembryonen zu untersuchen und hier das Lig. hepatoduodenale inferius in einer viel größeren Aus- dehnung und besseren Erhaltung anzutreffen, als mir dies früher an wenig gut erhaltenen erwachsenen Thieren gelungen war. Gerade an solche Befunde, die ihrerseits wieder an Hatteria erinnern, müssen wir die menschlichen Zustände anreihen. Was uns nun hier in abnormen Fällen entgegentritt, das ist nichts Anderes als ein embryonaler Zustand, der bald in diesem, bald in jenem Punkte sich treu erhalten hat. Ohne Zweifel würde auch eine genaue Untersuchung gut erhaltener junger Embryonen zu ähnlichen Ergebnissen führen, aber so klar und übersichtlich wie in diesen Fällen von Hemmungsbildung werden die Befunde nie- mals sein. Sicherlich werden auch schon früher in den Fällen von Mesenterium commune diese Dinge gesehen worden sein, aber da die Untersucher nichts damit anzufangen wussten, so erwähnen sie nichts davon. Aus diesem Grunde hat es auch keinen Werth, hier auf die älteren Beschreibungen von Abnormitäten des Situs einzu- sehen. Wir müssen vielmehr hoffen, dass jetzt, nachdem durch meine Untersuchungen .die richtigen Gesichtspunkte gewonnen wor- den sind, sich die Beobachtungen über das Lig. hepatocavoduodenale beim Menschen häufen werden. Wenn in der kurzen Zeit, welche seit dem Erscheinen meiner früheren Arbeit verstrichen ist, schon zwei so eklatante Fälle konstatirt werden konnten, so berechtigt das zu weiterer Hoffnung. Sehr erwünscht wäre es, wenn von recht Über die Persistenz des Lig. hepatocavoduodenale beim erw. Menschen ete. 231 vielen Seiten her dem Gegenstande Aufmerksamkeit gewidmet würde. Dies würde dankbarer sein, als manche Aufgabe der Varietäten- statistik. Namentlich würde die Hilfe der pathologischen Anatomen und der Praktiker sich hier als sehr nützlich erweisen und dazu beitragen, dass meine Anschauungen über den Situs peritonei des Menschen, welche Anfangs so großen Widerspruch erfahren haben und sich nur schwer einbürgern konnten, bald dem allgemeinen Ver- ständnis zugänglich gemacht werden. Erklärung der Abbildung. Tafel XVII. Duodenum und distaler Theil des Enddarmes des im Text beschriebenen Falles (Mann, 29 Jahre alt) (verkleinert). Der frei bewegliche Theil des End- darmes (von dem nur ein Theil gezeichnet ist) und sämmtliche Dünndarmschlin- gen (nicht gezeichnet) sind emporgeschlagen. Man übersieht das ganze Duode- num bis zur Flexura duodenojejunalis. Auf der Wirbelsäule durch den Peritonealüberzug hindurch sichtbar sind Vena cava inferior und Aorta angedeutet. Von der Wirbelsäule sind die drei letzten Lendenwirbel sichtbar. D Duodenum, 7c Vena cava inferior, Co Colon, Led Ligamentum cavoduodenale, von Fes Flexura coli sinistra, dem tiefsten Punkt des Duodenum Cope frei beweglicher posteöcaler Theil zur Gegend der Vena cava ziehend, des Colon, x Ausbreitung desselben zur rechten Cof fixirter Theil des Colon, Cölomwand, VIILII, VIIV, ViV dritter, vierter, fiinf- Mes.com Mesenterium commune für Je- ter Lendenwirbel, junoileum und Colon. Ao Aorta, Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. Von Hans Salzer, stud. med. (Aus dem ersten anatom. Institut des Herrn Prof. Zuckerkandl in Wien.) Mit Tafel XVIII. LuscHkA hat in seiner Arbeit »Die Venen des menschlichen Halses« die Behauptung aufgestellt, dass die abführenden Gefäße der Schädelhöhle beim Embryo dieselbe nicht an einer dem künf- tigen Foramen jugulare entsprechenden Stelle verlassen, sondern durch eine Öffnung, welche weiter vorn als das Foramen jugulare liegen soll und später von diesem durch die Pyramide des Schläfen- beines geschieden ist. Diese Austrittsstelle bezeichnet er, falls sie noch am ausgebildeten Schädel vorhanden ist, als Foramen jugulare spurium. Ob LuscuKa diesen Gefäßverlauf beim menschlichen Em- bryo gesehen hat, ist aus seiner Arbeit nicht ersichtlich, da er nur angiebt, dass das abführende Gefäß die Schädelhöhle immer »neben dem künftigen Ohrlabyrinth, seitwärts von der Basis eranii, bei dem einen Thier mehr nach vorn, bei dem anderen mehr nach hinten«', verlässt. LuscHkA stützt sich bei diesen Angaben auf RATHKE, der in seiner Arbeit: »Über den Bau und die Entwicklung des Venen- systems der Wirbelthiere. 1838« auch die Verhältnisse der Venen des Kopfes und Halses berücksichtigt hatte. RATHKE beschreibt in dieser Arbeit, wie bei manchen Wirbelthieren nur eine Vena jugularis besteht, welche der Vena jugularis externa des Menschen entspreche; 1 12, pag. 5. D- Morpholog Jahrb. Bd. AAI. Taf XVII. erlag v Wilh. Engelmann in Lapzg Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 933 dann giebt er an, dass einige Säugethiere jederseits zwei Venen- stimme aufweisen, deren einer eine oberflächliche Lage einnimmt, _ während der andere neben der Luftröhre verläuft und von sehr ver- schiedener Stärke ist, je nachdem er mehr oder weniger weit distal- _ wärts, ja vielleicht sogar bis ins Schädelinnere reicht. In letzterem Falle zieht die Vene durch das Foramen jugulare. Nur beim Affen und beim Menschen geht alles Blut der Schädelhöhle durch das For. jugulare in die Vena jugularis interna, bei allen anderen durch diese Vene und auch durch das For. jugulare spurium in die V. jug. externa. Durch diese Befunde kommt RATHKE zu dem Schlusse, dass die Vena jugularis int. nahe am Ductus Cuvieri aus der Externa her- vorwachse, bei einigen Thieren nur bis zum Kehlkopfe, bei anderen bis zum Sehädelgrund und der Zunge, bei anderen schließlich auch ; in den Schädel hineingelange. Die Öffnung des Schädels, aus wel- . cher die Wurzel der Vena jugularis externa hervortritt, ist bei den 4 . } = meisten Säugern zwischen Kiefergelenk und den äußeren knöchernen Theilen des Gehörapparates gelegen. Nun hat LuscHhkA auch an -. einem menschlichen Schädel eine ähnlich gelegene Öffnung gefunden, die mit den Blutleitern des Schädelinneren in Verbindung stand. Auf Grundlage dieses Befundes hat nun LuschkA die Angabe ge- macht, dass beim Embryo das Blut die Schädelhöhle durch das sogenannte Foramen jugulare spurium verlasse, und diese Angabe ist von anderen Autoren ohne genügende Nachuntersuchung als that- sächlich bestehend angenommen worden. So giebt auch KÖLLIKER in seinem Lehrbuche der Entwicklungs- geschichte (11') an, dass das Blut des Sinus transversus die Schädel- höhle nicht durch das Foramen jugulare, sondern durch eine beson- dere, vor der Ohrgegend gelegene Öffnung verlässt, die am ausge- _ bildeten Schädel noch erhalten sein kann und dann am Schläfenbeine über dem Kiefergelenk liegt. Nach Verschluss dieser Öffnung wird das Blut durch eine aus dem untersten Ende der primitiven Jugularis _ hervorgesprossten Jugularis interna abgeführt. Die frühere Abfluss- bahn wird zur Vena jugularis externa. 4 Nun giebt LuscHkA selbst in seiner Arbeit an, dass das Foramen jugulare spurium, auf dessen Vorhandensein er doch ein so großes _ Gewicht legt, bei den Säugethieren eine sehr variable Lage besitze. _ So liege es bald unter, bald über dem Jochbogen, bald sei es, wie bei den Katzenarten, gar nicht vorhanden; Angaben, welche sich 1 pag. 928. 234 Hans Salzer durch die Untersuchung von Säugerschädeln leicht bestätigen lassen. Es stellt sich dabei heraus, dass das sogenannte Foramen jugulare spurium eine in Bezug auf Vorkommen, Größe, Lage und Zahl höchst variable Öffnung ist!. Dieser Befund musste schon berechtigte Zweifel an der Richtig- keit der Angaben der Autoren aufkommen lassen, da eine Öffnung, durch welche das venöse Blut bei den Säugern während des Em- bryonallebens die Schädelhöhle verlässt, doch wohl nicht, wenn sie sich bis zum definitiven Zustand erhalten sollte, ein so wechselndes Verhalten in Bezug auf Lage, Größe und Form aufweisen würde, wie dies thatsächlich mit dem sogenannten Foramen jugulare spuri- um der Fall ist. Andererseits musste auch die Angabe Bedenken erregen, dass das abführende Gefäß des Schädels in den ersten Entwicklungsstadien der Vena jugularis ext. des erwachsenen Thieres entspreche. Die Vena jugularis ext. zieht vor dem Ohre nach ab- wärts. Nun entwickelt sich aber die Anlage des äußeren Ohres aus der ersten Kiemenfurche und den an derselben gelegenen Auricular- höckern, es musste demnach eine Vene, welche der Lage nach der - Wurzel der Vena jugularis ext. des Erwachsenen entsprechen würde, das Gebiet der ersten Kiemenspalte in deren ventralem Gebiete durchsetzen, was schlechterdings nicht denkbar ist. Es wurde mir daher von Prof. F. HOCHSTETTER die Aufgabe ge- stellt, die Entwicklung der abführenden Schädelgefäße bei Säugern des Näheren zu untersuchen. Da das Meerschweinchen ein Foramen jugulare spurium besitzt und da mir von diesem Thiere eine voll- ständige Serie von Embryonen zur Verfügung stand, so wählte ich dieses für meine Untersuchung, deren Ergebnisse ich im Folgenden kurz schildern will?. 1 Ich habe auch die im ersten anatomischen Institute vorhandenen Säuger- schädel auf ein Foramen jugulare spurium hin geprüft und gefunden, dass ein solches am besten bei Hunden ausgebildet ist, wo es unmittelbar hinter dem Processus articularis des Kiefergelenkes vor dem Meatus auditorius ext. gelegen ist. Von den übrigen untersuchten Schädeln will ich nur einige Typen an- führen. So lag bei einigen Säugern die Öffnung oberhalb des Jochbogens (Erinaceus europaeus), bei anderen wieder zwischen Jochbogenfortsatz und äußerem Gehörgang (Mus decumanus), dann fanden sich auch mehrere Öffnungen in dieser Gegend (Sciurus vulgaris), auch hinter und über der Ohröffnung war das Loch gelegen (Cavia cobaya), bei Katzenarten war dagegen nirgends eine ähnliche Öffnung vorhanden, an Affenschädeln konnte ich nur bei Cebus eirrifer eine ziemlich große, hinter dem Proc. artieularis post. gelegene Öffnung nach- weisen. 2 Was die Methode der Untersuchung anlangt, so bestand dieselbe zunächst Ders ea Se — eS se Uber die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 935 Das jiingste von mir untersuchte Stadium betrifft einen Embryo yon 2!/; mm größter Körperlänge; sein Hirnrohr ist in den vorderen - Partien noch nicht geschlossen. Bei diesem Embryo sehen wir das _ abführende Gefäß des Kopfes eng dem Hirnrohre angeschlossen, dorsal von den Augenblasen an dem Vorderhirn entspringen und beiderseits medial von den Nervenanlagen zwischen ihnen und dem Hirnrohre caudalwirts ziehen. Die Beziehung der Vene zum Gehör- grübchen, das als Epithelverdickung angelegt ist, ist folgende: Es liegt die Vene knapp am Hirnrohre an der medialen Seite der La- byrinthanlage, von dieser in der Höhe des Facialis durch den Ner- ven getrennt. Verfolgt man sie weiter caudalwärts, so erkennt man, wie sie im Gebiete des ersten Urwirbels mehr nach außen gedrängt wird, um schließlich lateral von der Aorta zum Duetus Cuvieri zu gelangen. Dieses Gefäß bezeichne ich als Vena cardinalis anterior. Diese Verhältnisse erhalten sich beim Meerschweinchen nur sehr kurze Zeit. Schon bei Embryonen von 2,8 mm größter Länge finden wir, dass neben dem medial von den Kopfnerven gelegenen Gefäß eine Strecke weit eine Venenbahn aufgetreten ist, die den Kopfner- ven gegenüber eine laterale Lage einnimmt. Bis zum Acustico-fa- cialis hat. sich im Verlaufe des Gefäßes nichts geändert. Hier sehen wir jedoch, wie sich die Vene in einen medialen und einen lateralen Schenkel, die Nerven zwischen sich fassend, spaltet. Der mediale bleibt dem Hirnrohre eng angeschlossen, während der laterale an den unte- ren äußeren Rand des Gehörbläschens gelangt. Die beiden Venen sind in diesen Theilen von beiläufig gleicher Stärke. Hinter dem Facialis sind sie durch eine Anastomose mit einander verbunden. Mehr centralwärts verliert die mediale Vene bedeutend an Mächtig- keit, während die laterale stärker wird und an der lateralen Seite in der Anfertigung und Durchsicht lückenloser Querschnitt- (die jüngsten Sta- dien) und Sagittalschnittserien (die älteren Stadien). Die Köpfe der älteren Embryonen, bei denen der Schädel bereits zu verknöchern begann, wurden vor der Weiterbehandlung in einer wässrigen Phloroglueinlösung durch 2—3 Stunden entkalkt und nachher bis zur Säurefreiheit ausgewaschen. Die ältesten em- bryonalen Schädel war Prof. HOCHSTETTER so freundlich, mir mit einer durch Verreiben von Ölfarbe mit Xylol hergestellten Injektionsmasse zu injieiren; die Gefäße wurden dann auspräparirt und die sagittal durchschnittenen Schädel in Xylol aufgehellt. Die Venen der ausgewachsenen Thiere wurden theils mit TEICHMAnN’scher Masse, theils mit Celloidin nach der von HOCHSTETTER im Anatomischen Anzeiger, Bd. I angegebenen Methode injieirt. Bei den auf letz- tere Weise hergestellten Präparaten wurden die Weichtheile durch Maceration entfernt. 236 Hans Salzer der Vagusgruppe vorbei zum Ductus Cuvieri zieht. Eine Verbindung beider Venen centralwärts vom Vagus konnte ich, obwohl eine solche in einem bestimmten Entwicklungsstadium ja sicherlich vorhanden sein muss, in keiner meiner Serien genau nachweisen. Es scheint dies wohl mit der raschen Veränderlichkeit der Venen in diesem Stadium zusammenzuhängen. Die Lageveränderungen der Vene den Nerven gegenüber geht stets durch Inselbildung vor sich. An einigen Serien gewann ich, speciell beim Facialis, den Eindruck, dass die Vene in der Weise an die laterale Seite des Nerven gelange, dass sich unter dem als kurzer Stumpf angelegten Nerven ein Venenring bilde, dessen lateraler Theil sich so weit nach außen schiebe, dass später der Nerv bei seinem weiteren Längenwachsthum an die innere Seite des lateralen Schenkels gelangt; nachdem sich auf diese Weise um den Nerven eine Veneninsel ausgebildet hat, geht der mediale Schenkel dieser Veneninsel zu Grunde. Die Vene verläuft jetzt lateral vom Nerven. Bemerkenswerth scheint mir die Thatsache zu sein, dass in diesem jüngsten Stadium das Lumen der Venen peripheriewärts meist ein beträchtlich größeres ist als mehr centralwärts. In der Gegend der Kiemenspalten kann sich die Vene derart verengen, dass auf kurze Strecken hin gar kein Lumen, sondern nur die an ein- ander liegenden Endothelzellen sichtbar sind. Die medial von den Nerven gelegene Vene geht nun allmählich zu Grunde; doch muss diese Veränderung keineswegs auf beiden Seiten gleichen Schritt halten. So sehen wir an einem Schnitt, der von einem Embryo von 3 mm größter Länge herrührt (Fig. 1), auf der rechten Seite beide Venenbahnen ausgebildet, die medial vom Gehörbläschen verlaufende Vena cardinalis anterior‘! (Ven.c.a) und die lateral verlaufende Bahn, die ich als Vena capitis lateralis! (Ven.c./) bezeichne. Auf der linken Seite hingegen ist nur mehr die laterale Bahn vorhanden. Durch das vollständige Verschwinden der medialen Bahn in ihren centralwärts vom Trigeminus gelegenen Theilen kommen wir zu Verhältnissen, wie sie ein Embryo von 4 mm größter Körperlänge aufweist. Die vom Vorderhirn kommende, an der medialen Seite des Trigeminus gelegene Vene entfernt sich hinter diesem Nerven 1 Die Wahl dieser Nomenklatur wird bei Besprechung der einschlägigen Litteratur begründet werden. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 937 yom Hirnrohr und nimmt eine mehr oberflächliche Lage ein, zieht lateral vom Acustico-facialis, vom Gehörbläschen und vom Vagus centralwärts, um sich lateral von der aufsteigenden Aorta in den Duetus Cuvieri zu ergießen. Von der ursprünglichen am Hirnrohre gelegenen Vene ist nichts mehr nachzuweisen, natürlich nur in den Partien, die centralwiirts vom Trigeminus liegen, da bis zu diesem Nerven die Venenbahn die gleiche geblieben ist. Während in den jüngsten Stadien die Venenverhältnisse einem ziemlich raschen Wechsel unterworfen sind, sehen wir, dass sich die Verhältnisse von 4 mm langen Embryonen angefangen, wenig- stens in der Lage der Hauptabflussbahn zu den Nerven, ziemlich lange erhalten. So finden wir bei einem Embryo von 6 mm größter Länge und 51/, mm Kopflänge ganz ähnliche Verhältnisse wie bei dem früher beschriebenen 4 mm großen Embryo. In diesem Stadium der Fig. 2 ist von einer knorpeligen Schädel- anlage noch nichts vorhanden, das Herz befindet sich knapp unter den Kiemenbogen, die Extremitäten sind als kurze Stummel ange- legt. Das abführende Gefäß des Kopfes beginnt hier mit Zweigen, die von der Oberfläche des Vorder-, Zwischen- und Mittelhirns kom- men, und zwar liegen hier die stärkeren Wurzelzweige in den durch die Hirnbläschen gebildeten Einbuchtungen. Der stärkste dieser Zweige (s.s.s) kommt von den vordersten Theilen des Hemisphären- bläschens, läuft in nach außen konvexem Bogen, nahe der Mantelkante, um dieses herum und vereint sich lateral von der Hypophyse mit den von den hinteren Hirnabschnitten kommenden Venen, nachdem er noch eine zwischen Großhirnbläschen und Auge verlaufende Vene aufgenommen hat. Der aus diesen Gefäßen gebildete Stamm wendet sich nun etwas gegen die Mittelebene, um an die mediale Seite des Ganglion Gasseri zu gelangen (v.c.a). Hier nimmt er noch eine me- dial mit dem zweiten Ast des Trigeminus verlaufende Vene .auf. Centralwärts vom Ganglion des Trigeminus wendet sich die Vene wieder lateralwärts (v.c./) und gewinnt hierbei eine ganz oberfläch- liche Lage, vereinigt sich mit einem vom Hinterhirn kommenden Gefäß und zieht nun parallel dem Hinter- und Nachhirn an der lateralen Fläche des Facialis, des Gehörbläschens und der Vagus- gruppe nach rückwärts, nimmt hier noch eine mit dem Vagus ver- laufende, am Nachhirn sich bildende Vene auf und gelangt schließ- lich, zwischen Aorta (medial) und Nervus hypoglossus (lateral) ein- geschlossen, zum Ductus Cuvieri. Der Trigeminus und der Hypoglossus behalten also auch in diesem Stadium noch ihre laterale Lage der | | } q | rn nn 238 Hans Salzer Vene gegenüber bei, so dass der Anfangs- und der Endtheil derselben noch der Vena cardinalis anterior entspricht, während der mittlere Theil, zwischen dem fünften und zwölften Hirnnerven gelegen, als Vena capitis lateralis zu bezeichnen ist. Aus dem Endstück bildet sich schließlich die innere Jugularvene; doch halte ich es nicht für angezeigt, in einem Stadium, wo man noch nicht sagen kann: hier beginnt die innere Jugularvene, wo also die Schädelbasis noch nicht angelegt ist, diese Gefäßstrecke als Vena jugularis zu bezeichnen. Mit der in der Folge eintretenden raschen Vergrößerung des Gehirns und mit dem Auftreten der Anlage des Schädelskelettes ändern sich auch die abführenden Venenbahnen in Bezug auf Ver- lauf und Größe. So sehen wir, wie an dem Kopfe eines Meer- schweinchenembryos, dessen größte Länge 11 mm und dessen Kopf- länge 7 mm betrug, an dem das Gewebe der späteren Schädelbasis dadurch, dass es deutlich chondrogenen Charakter aufwies, gegen das umgebende Gewebe differenzirt war, einige wichtige Änderungen im Verlaufe der Venenbahnen des Kopfes (verglichen mit den Ver- hältnissen des Stadiums der Fig. 2) sich vollzogen. Die Vena jugularis setzt sich hier (Fig. 3) hauptsächlich aus zwei großen Gefäßstämmen zusammen, deren einer mit dem Facialis an der vorderen und seit- lichen Fläche des Gehörorgans, deren anderer mit der Vagusgruppe hinter dem Gehörorgan das Gewebe der Schädelbasis durchsetzt. Der vordere Ast der Vena jugularis bildet sich durch die Vereini- gung von Ästen, die vom Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn kom- men, während der neben dem Vagus verlaufende Ast das Blut des Hinter- und Nachhirns abführt. Die Hemisphärenbläschen bedecken das Zwischenhirn, ihre gegen einander gekehrten Flächen sind einander fast bis zur Berührung genähert. Der Mantelkante jeder Hemisphärenblase entlang verläuft jetzt der im Stadium der Fig. 2 noch an der äußeren Seite dieses Hirnabschnittes gelegene Ast von vorn nach rückwärts (s.s.s). Diese beiden, den Mantelkanten der Hemisphären folgenden Venen sind die Anlagen des Sinus sagittalis superior, der also zunächst paarig auftritt und erst in der Folge durch Verschmelzung der paarigen Anlage zu einem unpaaren Gefäßstamme wird. Am hinteren Um- fang der Großhirnbläschen wendet sich das die Fortsetzung der An- lage des Sinus sag. sup. bildende Gefäß in einem scharfen Winkel nach unten und außen, nimmt vom Zwischen- und Mittelhirn kom- mende Zuzüge auf und zieht hierauf lateral vom Ganglion Gasseri zur Außenfläche des Facialis (v.c./), mit welchem es das Gewebe Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 339 der Schädelbasis durchsetzt, um sich caudalwiirts von der Austritts- stelle des Facialis mit dem abführenden Gefäße des Hinterhirns und Nachhirns, das an der lateralen Seite des Vagus verläuft, somit durch das Foramen jugulare zieht, zu vereinigen. Bevor jedoch die Vene an der Seite des Ganglion Gasseri vorbeipassirt, giebt sie einen collateralen Ast ab, welcher schwächer ist als der Hauptstamm und, nach Aufnahme einiger vom Auge herkommender Venen an der medialen Seite des Ganglion Gasseri vorbeiziehend (v.c.a), unmittel- bar caudalwärts von demselben sich wieder mit der Hauptvenenbahn vereinigt. Es liegt somit das Ganglion Gasseri in diesem Stadium in einer _Veneninsel, deren medialer Schenkel die ursprüngliche Venenbahn darstellt (vgl. Fig. 2), während der an Mächtigkeit überwiegende laterale Schenkel eine Neuerwerbung ist, die etwas später, indem der mediale Schenkel der Veneninsel vergeht, zur alleinigen Abfluss- bahn für das Blut aus den vorderen Hirnpartien wird. Betrachten wir das Verhalten der Vena jugularis zum Nervus hypoglossus, so sehen wir, dass dieser Nerv, nun auch an der me- dialen Seite der Vene verlaufend, diese kreuzt. Es muss also die Vene ihre Lage diesem Nerven gegenüber ebenfalls geändert haben. Und zwar ist anzunehmen, dass diese Lageveränderung in ähnlicher Weise erfolgte, wie dieses für die Lageveränderung den übrigen Nerven gegenüber konstatirt werden konnte. Doch war es mir nicht möglich, ein Entwicklungsstadium zu erhalten, in welchem diese Lageveränderung eben in der Ausbildung begriffen war. Wir finden also jetzt, wie das Blut der Schädelhöhle auf zwei Wegen die Schädelbasis passirt, und zwar das Blut der vorderen Hirnabschnitte gemeinsam mit dem Facialis, das Blut des Hinter- und Nachhirns mit dem Vagus. Die ursprünglich medial von sämmt- lichen Kopfnervenanlagen verlaufende Venenbahn hat auf dem Wege der Anastomosenbildung eine laterale Bahn den Nerven gegenüber eingenommen, und zwar geschah dies in der Reihenfolge, dass zu- erst der Facialis und Vagus mit dem Accessorius, zum Schlusse der Trigeminus und Hypoglossus an die mediale Seite der Vene zu liegen kamen. Der Umstand, dass der größte Theil des Hirnblutes mit dem Facialis die Schädelbasis passirt, mithin an der vorderen Seite der Labyrinthanlage zum Vorschein kommt, dürfte wohl der Grund ge- wesen sein, wesshalb ältere Beobachter zu der Ansicht kommen konnten, dass es sich um eine Vena jugularis externa handle. So 240 Hans Salzer’ beschreibt KÖLLIKER ein Verhalten der Kopfvenen, welches voll- ständig dem eben von uns beschriebenen gleicht; da er jedoch diese Verhältnisse, wie es scheint, nicht an Schnittserien, sondern an lebenden Embryonen studirt hat, konnte er die Lage der Vene den Nerven gegenüber nicht bestimmen, giebt daher an, dass die Venen die Schädelhöhle »durch ein Paar Löcher (Foramina temporalia) in der Schläfengegend« verlassen. In dem eben beschriebenen Stadium sehen wir von der dorsalen Fläche der Labyrinthkapsel zwei Venen entspringen, die einen ein- ander entgegengesetzten Verlauf nehmen. Die distal gelegene Vene zieht nach vorn und mündet in den lateralen Theil des um den Trigeminus gelegenen Venenringes, während die proximale sich in die an der lateralen Seite des Vagus verlaufende Vene ergießt. Dureh diese beiden Venenäste wird nun bald dorsal vom Gehörorgan eine Anastomose hergestellt, so dass das Blut der vorderen Hirn- partien theils durch den neben dem Facialis verlaufenden Venen- kanal, theils durch das Foramen jugulare abgeführt wird. So finden wir bei einem Embryo (Fig. 4), dessen Kopflänge 7!/; mm betrug, dass die als Anlagen des Sinus sag. sup. bezeichneten Gefäße, nach- dem sie sich bis zur Berührung genähert hatten, mit einander zu einem einheitlichen Gefäß, dem definitiven Sinus longitudinalis su- perior, verschmolzen sind. Die Vene zieht dann, entlang dem hin- teren Umfang der Großhirnhemisphäre, schräg nach rückwärts und unten, stellt so einen Sinus transversus dar (s.Zr), der sich an der _ Gehörkapsel in zwei Äste spaltet, deren stärkerer mit dem Facialis, deren bedeutend schwächerer aus der vorhin erwähnten Anastomose hervorgegangen, mit dem Vagus die Schädelhöhle verlässt. Die Orbitalvenen sammeln sich zu einem Stamm (v.o), der in dem als Sinus transversus bezeichneten Abschnitt mündet. Der Sinus transversus hat sich also aus drei Theilen zusammen- gesetzt. Das Anfangsstück wird von der sich an das hintere Ende des Sinus sag. sup. anschließenden Vene, dem ursprünglichen Wurzel- stück der vorderen Cardinalvene, gebildet, während das mittlere durch die um den Trigeminus, das hintere Stück durch die um die Laby- rinthkapsel gebildete Anastomose dargestellt wird. Zu gleicher Zeit hat sich eine ziemlich starke Vene gebildet, die das Blut vom Ge- sichtsschidel, am inneren Orbitalrand beginnend, abführt (v.f.a). Wo sich diese Vene mit der Vena jugularis vereinigt, konnte ich an meinen Präparaten nicht finden, da ich von diesen älteren Entwick- lungsstadien nur den Schädel geschnitten habe. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 341 Es bildet sich jetzt — ich fand dies bei Embryonen von 8!/, mm Kopflänge — ein Zustand aus, der bestimmt ist, ziemlich lange Zeit, d. h. fast bis zur Geburt, zu persistiren. Indem sich das chondrogene Gewebe der Schädelbasis in echtes Knorpelgewebe umwandelt, ver- engt sich der den Facialis und die Vene einschließende Kanal der- art, dass die mit diesem Nerven verlaufende Vene obliterirt, dagegen die mit dem Vagus ziehende Vene an Mächtigkeit sehr gewinnt und so zur einzigen abführenden Bahn für das Hirnblut wird. Dass wir es hier mit einer Vena jugularis interna, wie sie beim erwachsenen Men- schen besteht, zu thun haben, erhellt nicht nur aus dem Umstande, dass das Gefäß durch das Foramen jugulare zieht und in der ober- sten Halsregion an der lateralen Seite des Vagus verläuft, sondern auch daraus, dass es bei einem Embryo von 3,9 cm Kopflänge durch Injektion -der Gefäße gelungen ist, sowohl eine Vena jug. interna als auch externa darzustellen. Die Vena jug. interna hat hier den typischen Verlauf an der lateralen Seite des Vagus, während die oberflächlich verlaufende Vena jug. externa die früher beim Embryo der Fig. 4 erwähnten Gefäße des Gesichtsschädels aufnimmt und sich knapp am Jugulum mit der inneren Jugularvene verbindet. In den bisher beschriebenen Stadien prävalirt der Hirnantheil des Kopfes bei Weitem über den Gesichtstheil desselben. Die Ge- sichtsvenen sind daher auch im Verhältnis zu denen des Gehirns sehr klein. Mit der jetzt erfolgenden mächtigen Ausbildung der Theile des Gesichtsschädels ändert sich selbstverständlich dieses Ver- hältnis zu Gunsten der vom Gesicht kommenden Venen. So finden wir bei einem 20 mm langen Embryo, dessen Kopflänge 12 mm be- trug (Fig. 5), noch das gesammte Blut des Schädels diesen neben dem Vagus verlassen, während neben der früher beschriebenen Ge- sichtsvene eine zweite aufgetreten ist (v.f.p), die das Blut von der Stirn und dem äußeren Ohr sammelt und sich mit der ihrem Ent- stehen nach älteren, welche die Venen aus der Orbita und eine mit dem zweiten Ast des Trigeminus verlaufende Vene aufnimmt, lateral am Kieferwinkel vereinigt. Es stellen somit diese beiden Venen die Venae faciales anteriores und posteriores dar. Nach verhältnismäßig langer Zeit erst stellt sich eine zweite Abflussbahn für das venöse Schädelblut her. Bei dem 3 cm langen Kopf eines Embryo sehen wir noch die weitaus größere Blutmenge die Schädelhöhle durch das Foramen jugulare verlassen; daneben hat sich aber auch eine Verbindung zwischen Sinus transversus und der vor dem Ohre herablaufenden Vene ausgebildet. Die Öffnung Morpholog. Jahrbuch. 23. 16 242 Hans Salzer in der Schädelkapsel, welche diese Verbindung zum Durchtritte be- nutzt, liegt über und hinter dem äußeren Gehörgang, entsprechend der Stelle, wo der Sinus transversus an die Felsenbeinpyramide her- ankommt, um, nach rückwärts gewendet, sich zum Foramen jugulare zu begeben. Erwähnt muss hier werden, dass sich jetzt auch eine Vene ausgebildet hat, die, medial den Unterkiefer kreuzend, das Blut aus der Tiefe des Gebietes des zweiten und dritten Trigeminus- astes aufnimmt und sich gleich unter dem Unterkiefer mit der vor- deren Gesichtsvene verbindet. Die Untersuchung der weiteren Stadien wurde an Injektions- präparaten vorgenommen. So fanden wir bei einem Embryo, dessen Kopflänge 3,9 cm betrug, neben dem Foramen jugulare noch drei Stellen, an denen das Hirnblut das Schädelinnere verlässt. Einmal die früher beschriebene Verbindung mit der hinteren Gesichtsvene, die jedoch jetzt schon bedeutend mächtiger geworden ist, während die Vena jugularis interna, die mit dem Vagus die Schädelhöhle verlässt, zu einem ziemlich unbedeutenden Gefäß geworden ist; dann eine zweite, die am inneren Augenwinkel entstanden ist und dadurch gebildet wurde, dass vom peripheren Ende des Sinus long. sup. quer nach beiden Seiten hin Venen aufgetreten sind, die am oberen Orbitalrand die knöcherne Schädelwand durchbohren und so eine Verbindung des großen Sichelblutleiters mit der vorderen Gesichts- vene vermitteln; schließlich die stärkste Verbindung, welche sich dadurch hergestellt hat, dass die früher beschriebene, medial vom Unterkiefer verlaufende Seitenvene der Vena facialis ant. sich mit den mächtig ausgebildeten Orbitalvenen und mit Venen, die durch das gerissene Loch die Schädelhöhle verlassen, verbunden hat. Das venöse Blut der Orbita, welches früher durch die Anlage des Sinus cavernosus (Fig. 5 s.o) sich in den Sinus transversus ergossen hat, hat seine Verlaufsrichtung geändert und strömt jetzt direkt in die Gesichtsvenen ab. Es hat sich nämlich beiderseits vom Keilbein- körper und vom basalen Theil des Hinterhauptbeines je ein mäch- tiger venöser Sinus gebildet — Sinus petrobasilaris und Sinus ca- vernosus —, welch letzterer sein Blut in die Augenvenen abführt. Mit diesem basilaren Sinus steht auch der Sinus transversus in Verbindung, und zwar durch eine Vene, welche längs der Kante der Felsenbeinpyramide vom queren Blutleiter nach vorn verläuft und sich in den basalen Sinus ergießt. Dieser Blutleiter entspricht dem Sinus petrosus sup. Dieser Verbindungsast sowohl als auch der Sinus cavernosus selbst haben sich aus dem früher beschriebenen Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 243 Venenabschnitte gebildet, der das Blut der Orbita dem Sinus trans- versus zufiihrte. An dem Präparate, welches dieser Beschreibung zu Grunde liegt, sind auf der linken Seite noch beide Jugularvenen vollständig erhalten, die äußere überwiegt jedoch die innere bereits etwas an Mächtigkeit; knapp über der Brustapertur vereinigen sich beide Venen. Auf der rechten Seite war neben einer mächtigen Vena jugularis ext. nur mehr ein kaum bis zur Mitte der Trachea reichen- des, neben dem Vagus verlaufendes Stück der inneren Jugularvene darstellbar, ein Verhalten, wie es dem von RATHKE (17) beschriebenen entspricht. Was schließlich die Kopfvenen des ausgewachsenen Meerschwein- chens anlangt, so stimmen diese mit den eben beschriebenen fast vollständig überein. Nur sehen wir, dass die Vena jugularis interna — in den meisten Fällen wenigstens — vollständig zu Grunde ge- gangen ist, so dass die Vena jugularis externa neben dem Wirbel- venenplexus das einzige abführende Gefäß für das venöse Blut des Schädels darstellt. In einigen Fällen war das Stück der inneren Jugularvene, welches sich direkt an das Foramen jugulare anschließt, noch deutlich vorhanden und stand dann mit der äußeren Jugular- vene durch den an der medialen Seite des Unterkiefers befindlichen Venenplexus in Verbindung. Fassen wir nun das über die Entwicklung der Venen des Kopfes bei den Embryonen von Meerschweinchen Gefundene zusammen, so ergiebt sich, dass die erste auftretende Venenbahn der Kopfregion an der medialen Seite sämmtlicher Kopfnervenanlagen, dem Hirn- rohre eng angeschlossen, verläuft. Bald bildet sich jedoch neben dieser medialen, vom Trigeminus an centralwärts bis zum Hypoglossus eine laterale Venenbahn aus, die sich so rasch entwickelt, dass die mediale Bahn, mit der sie durch Anastomosen in Verbindung steht, zu Grunde geht, und nun das Blut der Kopfregion sich in einem Gefäß sammelt, welches bis zum Trigeminus seine ursprüngliche Lage beibehalten hat, centralwärts von diesem Nerven jedoch bis zum Hypoglossus eine laterale Lage den Nerven gegenüber einnimmt. Schließlich gelangen auch der fünfte und der zwölfte Hirnnerv an die mediale Seite der Vene. Mit dem Auftreten der Schädelskeletanlage bildet sich ein Zustand aus, in welchem das Blut der vorderen Hirn- abschnitte die Schädelhöhle durch ein Gefäß verlässt, welches der lateralen Seite des Facialis eng angeschlossen ist (v.c./), während das Blut vom Hinter- und Nachhirn eine Bahn benutzt, die an der lateralen Seite der Vagusgruppe ihren Verlauf nimmt. Beide Gefäße 16* 244 Hans Salzer vereinigen sich knapp an der Hinterfläche der Labyrinthkapsel. Das mit dem Vagus verlaufende Gefäß stellt die Anlage der späteren Wurzel der Vena jugularis interna dar und ist bald bestimmt, das einzige abführende Gefäß der Schädelhöhle zu werden, nachdem sich an der dorsalen Seite des Gehörlabyrinths eine Anastomose zwischen vorderer und hinterer Hirnvene ausgebildet hat, und die neben dem Facialis passirende Abflussbahn der vorderen Hirnvene obliterirt ist. Dies ist ein Verhalten, wie es dem beim Menschen vollkommen ent- spricht. Zu der schon früher aufgetretenen, am inneren Augenwinkel entspringenden Gesichtsvene hat sich jetzt eine zweite gesellt, die das Blut vom äußeren Ohre und der Schädeloberfläche sammelt und sich mit der früheren am Kieferwinkel vereinigt. Durch die nun erfolgende mächtige Ausbildung des Gesichts- schädels im Vergleiche zum Hirnschädel erlangen auch die Gesichts- venen größere Mächtigkeit, und es stellen sich nun Verbindungen dieser beiden Venensysteme her, deren erste beim Meerschweinchen hinter und über dem äußeren Gehörgang auftritt und den Sinus transversus mit der hinteren Gesichtsvene verbindet. Inzwischen hat sich auch eine Vene ausgebildet, die aus der Tiefe des Gesichts- schädels das Blut abführt und sich mit der vorderen Gesichtsvene verbindet, nachdem sie den Unterkiefer an dessen medialer Seite gekreuzt hat. Eine weitere Verbindung zwischen Gesichts- und Schädelvenen entsteht am inneren Augenwinkel, indem hier zwischen Sinus sagittalis superior und der vorderen Gesichtsvene sich eine Anastomose ausbildet. Schließlich hat sich auch die an der medialen ~ Seite des Unterkiefers gelegene Vene mit den Orbitalvenen und so mit den zu beiden Seiten des Keilbeinkörpers gelegenen Sinus ver- bunden. Es übernimmt mithin allmählich die Vena jugularis externa die Abfuhr des venösen Schädelblutes, welche früher die innere Ju- gularvene allein besorgt hatte. So sehen wir, wie das Blut des Schädelinneren seine mit dem Facialis verlaufende Abflussbahn verliert, wie die neben dem Vagus verlaufende Bahn hierauf eine Zeit lang das einzige abführende Ge- fäß darstellt, wie sich schließlich Verbindungen der Gesichtsvenen mit den Hirnvenen herstellen, die eine solche Mächtigkeit erlangen, dass die Vena jugularis interna entweder ganz verschwindet oder nur als unscheinbares Gefäß bestehen bleibt. Für das Meerschwein- chen also haben die Angaben RaruKe’s über die Entwicklung der Venen des Halses und Kopfes, die Luscuxa zu den, wie sich gleich Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 345 zeigen wird, auch mit Rücksicht auf andere Säuger und den Men- schen unhaltbaren Angaben geführt haben, keine Geltung. Durch die Liebenswürdigkeit Prof. HocHSTETTER’s, der mir seine Schnittserien durch Säugerembryonen freundlichst zur Verfügung stellte, war ich in die Lage gesetzt, die Venenverhältnisse des Kopfes auch an anderen Säugerembryonen zu studiren. Dabei stellte es sich heraus, dass sich die am Meerschweinchen beschriebenen Ver- hältnisse bei den anderen Säugern in fast ganz gleicher Weise wie- derfinden. So standen mir ungefähr 27 vollständige Serien durch Kaninchenembryonen zur Verfügung, und zwar bildeten diese eine ununterbrochene Reihe von einem Stadium mit zwei Urwirbeln in der Anlage bis zum Alter von 15 Tagen. Um Wiederholungen von Beschreibungen zu vermeiden, will ich hier nur auf die mit dem Meerschweinchen übereinstimmenden und davon abweichenden That- sachen aufmerksam machen. So verläuft bei einem Kaninchenembryo vom 9. Tag die erste auftretende Vene der Kopfregion medial von sämmtlichen Hirnnerven, entspricht somit dem als Vena cardinalis anterior beim Meerschweinchen bezeichneten Gefäß; ein Kaninchen- embryo vom 11. Tage weist die gleichen Verhältnisse auf wie der in Fig. 2 abgebildete Meerschweinchenembryo, am 14. Tage setzt sich bei Kaninchenembryonen das abführende Gefäß bereits aus zwei Hauptwurzeln zusammen, deren eine mit dem Facialis, deren andere mit dem Vagus verläuft, ein Verhalten, wie wir es bei dem in Fig. 3 abgebildeten Meerschweinchenembryo näher beschrieben haben. Zu bemerken ist, dass beim Kaninchen nicht wie beim Meerschweinchen die in der Gegend des Gehörganges gelegene Verbindung der Ge- sichtsvene mit den Schädelvenen die erste ist, sondern dass früher als diese die Verbindung sich herstellt, die das Blut aus der Orbita und so auch aus dem Schädel an der medialen Seite des Unter- kiefers verlaufend, in die vordere Gesichtsvene abführt. Bei Katzenembryonen, von denen mir fünf vollständige Serien zu Gebote standen und Gesammtlängen von 8,5, 9, 9,4, 12 und 16mm aufwiesen, wiederholen sich die gleichen Verhältnisse. Dies scheint mir um so bemerkenswerther, als man daraus ersieht, dass in jungen Entwicklungsstadien die Venenbahnen der Säuger die gleichen sind, gleichviel ob beim erwachsenen Thier das Blut der Schädelhöhle diese durch ein Foramen jugulare spurium verlässt oder nicht, wie Letzteres ja bei der Katze der Fall ist. In einer dieser Schnittserien konnte ich auch um den Nervus hypoglossus eine deutliche venöse Inselbildung, welche der Verlagerung der Venen den Nerven gegenüber 946 Hans Salzer vorausgeht, nachweisen, ein Stadium, welches in meinen Schnittserien durch Meerschweinchenembryonen nicht auffindbar war, obwohl ein solches doch gewiss vorhanden sein muss. Ein Schweineembryo von 8,5 mm gesammter Länge und 4,7 mm Kopflänge bot die gleichen Venenverhältnisse dar, wie Meerschweinchenembryo Fig. 2. Auch an vier menschlichen Embryonen, deren Schnittserien mir von Prof. HocHSTETTER freundlichst zur Durchsicht überlassen wur- den, habe ich die Venenverhältnisse des Schädels studirt. Bei einem Embryo, dessen größte Länge 7 mm und dessen Kopfliinge. 5,25 mm betrug, verläuft das abführende Gefäß ziemlich eng dem Hirnrohre angeschlossen vom Vorderhirn, dorsalwärts von den Augenanlagen, caudalwärts, nimmt eine an der ventralen Seite der Augenblasen entspringende, centralwärts ziehende Vene auf, wendet sich dann mehr medial, um an die mediale Seite des Trigeminus zu gelangen. Von hier aus nimmt das Gefäß eine mehr oberflächliche Lage ein, um an die laterale Seite des Facialis und an die vordere, laterale Seite des Gehörbläschens zu gelangen. Besonders interessant ge- stalten sich die Verhältnisse im Bereiche des Vagus. Es bildet sich hier eben die laterale Bahn aus, und zwar derart knapp am Nerven, dass auf einigen Schnitten der Nerv im Lumen der Vene zu liegen scheint. Nur daran, dass eine doppelte Endothellamelle gekrösartig zum Nerven hinzieht und denselben umscheidet, erkennt man, dass derselbe nicht frei im Gefäßlumen liegt. Man sieht deutlich an einigen Schnitten, wie der Nerv lateral an die Vene andrängt und ~ so allmählich in das Venenlumen zu gelangen scheint. Weiter cen- tralwärts gelangt die Vene an die mediale Seite des Hypoglossus, der ihr eng anliegt. Wir finden also hier ganz ähnliche Verhältnisse wie bei dem Meerschweinchenembryo der Fig. 2. Dies ist ein Ver- halten, wie es bereits von Hıs in seiner Anatomie menschlicher Em- bryonen, 1880, genau beschrieben wurde. Bei einem Embryo von 11 mm größter Körperlänge und 9 mm Kopflänge finden wir ein gleiches Verhalten, nur hat sich hier um den Hypoglossus eine ähnliche Insel gebildet wie in dem früheren Stadium um den Vagus. Bei einem Embryo von 15 mm Steiß-Scheitellänge und 10 mm Kopflinge finden wir zwei als Sinus sagittales zu bezeichnende Ge- . fiBe, die an einigen Stellen bereits mit einander kommunieiren. An der hinteren Peripherie der Großhirnanlagen weichen beide lateral- wärts aus einander, — Sinus transversus — ziehen dann an der medialen Seite des Trigeminusganglion weiter, nehmen hier das Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 247 abführende Gefäß der Orbita, die primitive Anlage des Sinus caver- nosus auf, um mit dem Facialis, dessen lateraler Seite eng ange- schlossen, das bereits als chondrogenes Gewebe differenzirte Gewebe der Schädelbasis zu durchbohren. Caudalwärts und unter der An- lage des häutigen Labyrinths vereinigt sich dieses Gefäß mit der an der lateralen Seite des Vagus verlaufenden Vene, die das Blut vom Hinter- und Nachhirn sammelt und so mit der beim Meer- schweinchenembryo der Fig. 3 beschriebenen übereinstimmt. Von hier zieht die Vene weiter, quert den Hypoglossus an seiner lateralen Seite und gelangt schließlich zum Duetus Cuvieri. Auch hier ist bereits lateral vom Trigeminusganglion eine Vene aufgetreten, die mit der medial vom Ganglion verlaufenden Vene eine Veneninsel um dasselbe bildet. Ein Embryo, dessen größte Länge 20 mm und dessen Kopflänge 11,5 mm betrug, weist ähnliche Verhältnisse auf. Nur hat sich hier die Insel um die Labyrinthanlage bereits ausge- bildet, so dass ein Theil des venösen Blutes der vorderen Hirnpartien die Schädelhöhle durch das Foramen jugulare verlässt. Bevor die Vene den Facialiskanal erreicht, nimmt sie die Orbitalvene auf, welche längs der dorsalen Fläche der Labyrinthkapsel nach rück- wärts verläuft, mithin die Anlage des Sinus petrosus sup. darstellt. Bei einem dreimonatlichen menschlichen Embryo schließlich fanden sich bis auf die Anlage des Sinus cavernosus durchwegs Verhält- nisse, wie sie der erwachsene Mensch aufweist, nirgends ist auch nur eine Spur einer Verbindung der Venen des Hirns mit den Ge- sichtsvenen vorhanden, die jener das sogenannte Foramen jugulare spurium beim Menschen passirenden Verbindung entsprechen würde. Der Sinus cavernosus ist noch durch ein einfaches Gefäß dargestellt, welches folgenden Verlauf nimmt: Die Orbitalvenen sammeln sich in einem Stamm, der, zwischen Nervus opticus und zweitem Ast des Trigeminus eingeschlossen, zur Fissura orbitalis sup. zieht, durch diese in die Schädelhöhle eintritt, wo er, unter dem ersten Ast des Trigeminus und den Augenmuskelnerven vorbei, medianwärts zum Keilbeinkörper zieht. Hier, also im Bereich des Abschnittes, aus dem später der Sinus cavernosus hervorgeht, nimmt die Vene einige kleinere zuführende Gefäße auf, kreuzt dann die Carotis an ihrer .lateralen Seite, um schließlich medianwärts vom Ganglion Gasseri (von hier ab als Anlage des Sinus petrosus sup.), dann lateralwärts vom Acustico-facialis die Felsenbeinkante zu erreichen, entlang wel- cher sie nach rückwärts verläuft, um sich dann in den Sinus trans- versus zu ergießen. 248 Hans Salzer So finden wir bei den untersuchten Säugern sehr schön über- einstimmende Verhältnisse in Bezug auf die erste Entwicklung der Venen des Kopfes. Überall wird die ursprünglich medial von den Kopfnerven gelegene Vene durch ein Gefäß ersetzt, das eine laterale Lage den Nerven gegenüber einnimmt. Diese Lageveränderung geht durch Inselbildung vor sich, und zwar bilden sich derartige Inseln zuerst um Acustico-facialis, fast zu gleicher Zeit auch um den Vagus herum, dann erst erfolgt die Verlagerung der Venenbahn dem Hypo- glossus gegenüber; dem Trigeminus gegenüber behält die Vene ver- hältnismäßig lange ihre ursprüngliche Lage bei. Ist das knorpelige Skelet angelegt, so verlässt das Blut der vorderen Hirnabschnitte gemeinsam mit dem Facialis die Schädelhöhle, während das Blut des Hinter- und Nachhirns von einer Vene gesammelt wird, die durch das Foramen jugulare an der lateralen Seite des Vagus nach außen zieht; hier verbinden sich beide Gefäße zur Vena jugularis interna. Bald jedoch obliterirt nach Ausbildung einer Anastomose dorsalwärts vom Gehörorgan die neben dem Facialis austretende Vene, so dass die neben dem Vagus austretende Vene die einzige abführende Blutbahn des Schädels darstellt. An dieses Verhalten schließen sich die nun sekundär auftretenden Verbindungen der Gefäße des Schädelinneren theils mit den Gesichtsvenen, theils mit den Venen des Rückenmarkes an. Dabei geht die Bahn durch das Foramen jugulare entweder vollständig oder nur zum Theil zu . Grunde. Die bei den meisten Säugern auftretende sekundäre Ver- bindung ist die, welche das Foramen jugulare spurium zum Austritte benutzt, doch giebt es auch Thierformen, z. B. die Katze, bei denen ein solehes gar nicht zur Ausbildung kommt, obwohl die Vena ju- gularis interna fast vollständig zu Grunde gegangen ist. Hier treten eben die sekundären Verbindungen, welche die Orbital- und Nach- hirnvenen eingehen, für diese Gefäße ein. Mithin kann man wohl behaupten, dass die Vena jugularis interna als Fortsetzung des Sinus transversus, wie sie beim Menschen und beim Affen am schönsten ausgebildet ist, ein primitiveres Verhalten darstellt, als es sich uns in den Venenverhältnissen bei Thieren darbietet, bei welchen die Vena jugularis externa die hauptsächliche, wenn nicht einzige ab- führende Bahn des Schädelinneren darstellt. Über die Ursache für die Obliteration der Vena jugularis interna, dort wo eine solche er- folgt, wird sich wohl nur nach einer an einem sehr reichen Materiale ausgeführten vergleichend-anatomischen Untersuchung etwas Be- stimmtes aussagen lassen. Sein Hauptaugenmerk wird man da wohl Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 249 auf die Schädelformation, die Kopfhaltung und die theilweise durch diese bedingte stärkere Ausbildung der Muskulatur der dorsalen und ventralen Seite der Wirbelsäule, sowie auf das Verhalten dieser Muskulatur den Venen gegenüber richten müssen. Bei der Durch- sicht meiner Schnitte durch die Köpfe von Meerschweinchenembryonen hatte es den Anschein, als ob die mächtige Ausbildung der Bulla tympanica den Vaguskanal derart verenge, dass für die Vene nicht genügend Platz vorhanden wäre, wesshalb sich das Blut andere Ab- flussbahnen suchen müsse. Dass jedoch die mächtige Entwicklung der Bulla tympanica thatsächlich einen die Vene beeinträchtigenden Einfluss ausübe, dagegen sprieht der Umstand, dass es Säuger giebt, die trotz großer Bulla ein relativ weites Foramen jugulare besitzen, wie z. B. Phoca vitulina, Mus rattus, hingegen wieder bei anderen, so bei Dasypus, Petaurus flaviventer sowohl die Bulla als auch das Foramen jugulare sehr klein sind. Vergleicht man nun die eben geschilderten Verhältnisse der Ent- wicklung der Venen des Kopfes mit dem, was über die Entwicklung derselben Venen bei niederen Vertebraten bekannt geworden ist, so zeigen sich neben manchen Verschiedenheiten doch viele, wesentlich übereinstimmende Punkte. Betrachten wir zunächst die Entwicklung der Kopfvenen bei den Selachiern, so ist vor Allem der Arbeit Razr's (15) »Uber die Ent- wicklung des Venensystems der Selachier« Erwähnung zu thun. RABL beschreibt hier, wie die Vena cardinalis anterior medial von dem Ganglion des Trigeminus, des Acustico-facialis, des Gehörbläs- chens und der Wurzeln des Glossopharyngeus und Vagus immer eng dem Hirnrohre angeschlossen nach hinten zieht, um schließlich lateral von der Chorda, dann lateral von der Aorta den Ductus Cuvieri zu erreichen. Wir finden also hier genau die gleichen Lage- verhältnisse der Vene, wie in sehr jungen Stadien von Säugerem- bryonen. Bei Selachiern (Pristiurus) bildet sich nun neben der me- dialen auch eine laterale Venenbahn aus; dieselbe zieht lateral und etwas ventral vom Gehörbläschen nach hinten, um sich noch über dem Kiemendarm mit der medialen Bahn zu vereinigen. Der laterale Stamm wird nun so mächtig, dass er den eigentlichen Hauptstamm bildet, während der mediale nur mehr ein unbedeutendes Gefäß darstellt. | Es sind also hier in einem gewissen Entwicklungsstadium gleich- zeitig sowohl die mediale als die laterale Bahn in ihrer ganzen Länge ausgebildet. Mit diesen Angaben von Rast stimmen im 250 Hans Salzer Großen und Ganzen, so weit es sich um junge Entwicklungsstadien handelt, die von RAFFAELE (16) gemachten überein. Auch nach den Angaben dieses Autors ist das ursprünglich abführende Gefäß — RAFFAELE nennt es Vas cerebro-spinale — medial von den Hirn- nerven gelegen. Allmählich bildet sich dann von vorn nach rück- wärts, an der lateralen Seite der Kopfnerven gelegen, ein abführen- des Gefäß aus, welches sich knapp oberhalb des Ductus Cuvieri in das Cerebrospinalgefäß, welches unserer Vena cardinalis anterior entspricht, ergießt. Dieses sekundäre Gefäß wird als Jugularis oder Cardinalis anterior bezeichnet. Bald soll jedoch die Verbindung © dieser beiden Gefäße zu bestehen aufhören, und es soll, während das laterale Gefäß die gesammte Blutmasse des Kopfes ableitet, das Vas cerebro-spinale sich caudalwärts verlängern und zu einer Arterie werden, welche durch Vereinigung mit der der anderen Seite die Art. spinalis impar bildet. Bezüglich dieser letzteren Angabe be- merkt HocHSTETTER (8) jedoch, dass er sie für die Embryonen von Acanthias nicht bestätigen konnte. In dem für uns wichtigen Punkt stimmen jedoch die Angaben RAFFAELE’s mit denen der anderen Autoren überein, darin nämlich, dass die ursprüngliche abführende Bahn des Kopfes eine mediale, die sich später bildende eine laterale Lage den Nerven gegenüber einnimmt. Die definitiven Venenbahnen der Selachierschädel weisen Verhältnisse auf, welche nur in geringem Maße an das ursprüngliche Verhalten erinnern. Das venöse Blut der vorderen Hirnpartien wird durch eine Vena cerebralis ant. in den Orbitalsinus abgeführt, während das Blut der hinteren Hirnab- schnitte nach Rex (19) sich durch den Jugularkanal in die Jugular- vene ergießt. Dieser Jugularkanal führt jedoch nur die Vene nach außen, der Vagus verläuft durch einen in der Nähe befindlichen Kanal; GEGENBAUR (3), der auch diesen neben dem Vaguskanal ge- legenen Gang beschreibt, spricht sich nicht bestimmt darüber aus, ob durch diesen Kanal eine Vene oder eine Arterie das Cranium durchsetzt. Jedenfalls wäre es sehr interessant, die Entwicklung der definitiven Venenbahnen aus den primitiven bei Selachiern des Ge- naueren zu studiren. Was die Entwicklung der Kopfvenen der Amphibien anlangt, so finden wir hier ebenfalls zwei Venenbahnen, eine mediale und eine laterale. Houssay (9), auf dessen Arbeit hier näher. einzugehen uns zu weit führen würde, beschreibt eine medial von den Nerven gelegene Vena cardinalis anterior und eine oberflächlich gelegene Vena lateralis. Diese beiden Venen sollen zu gleicher Zeit auftreten. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 951 In jungen Stadien vom Axolotl hat FieLp (2)! nur eine Venenbahn beschrieben, die durch das Ganglion nodosum und faciale von der Arterie getrennt ist. Später gelangt die Vene von der medialen Seite auf die laterale Seite des Vagus. Etwas später hat Hocn- STETTER (8), unabhängig von FIELD, bei Salamandra atra ähnliche Verhältnisse in Bezug auf die Entwicklung der Venen des Kopfes gefunden, wie sie von RABL bei jungen Pristiurusembryonen ge- schildert wurden. So finden wir also auch bei Amphibien eine ursprünglich medial von den Hirnnerven gelegene Vene, welche später durch eine neugebildete, lateral gelegene ersetzt wird. Ein etwas mehr entwickeltes Stadium, in welchem die laterale Venenbahn schon einen höheren Grad der Ausbildung erlangt hat, beschreibt FIELD (1) für Embryonen des Axolotl. Er beschreibt hier zwei venüse Gefäßsysteme der vorderen Körperregion, ein ventrales und ein dorsales. Das erstere entsteht aus zwei Ästen, deren einer vom Mandibulare, der andere vom Basihyoid das Blut abführt. Das dorsale Gefäßsystem stellt das System der Jugularvenen dar. Die Jugularis interna giebt einen Ast ab, der neben dem Ganglion nodo- sum in die Schädelhöhle tritt und sich hier an den rückwärtigen Hirnabschnitten vertheilt. Dann ziehen Carotis und Jugularis ge- meinsam weiter bis zum Facialisganglion, hier trennen sie sich, in- dem die Carotis an der medialen, die Jugularis an der lateralen Seite des Nerven verläuft. Die Vene behält jetzt ihre laterale Lage bei, sendet aber noch einen Ast vor dem Trigeminusganglion in die Tiefe, der mit der Carotis weiterzieht; der Stamm der Vene selbst theilt sich schließlich in einen supraorbitalen und infraorbitalen Ast, deren letzterer sich zur Zahnleiste begiebt. Wir finden hier also ein Verhalten, wie es dem in Fig. 3 beim Meerschweinchen mitge- theilten entsprechen dürfte. Ein ähnliches Stadium wird von GOETTE (4) bei der Unke beschrieben. Was die definitiven Venenbahnen des Schädels der Amphibien an- langt, so giebt GRUBY (6) an, dass bei der Kröte sowohl eine Vena jugul. int. als auch externa bestehe, dass die innere Jugularvene mit dem Vagus durch das Foramen jugulare ziehe; somit weist sie noch das primitive Verhalten auf. Nach Rex (18) soll bei Urodelen der Sinus jugularis, weleher das Foramen jugularis aufsucht, mit dem neunten 1 Die betreffende Stelle, pag. 233 Anmerkung, lautet wörtlich: The vein is separated from the arterial trunk by the ganglia nodosum and faciale. Re- calling the earlier position of the vein, it will be seen that is has been trans- ferred from the median to the external side of the vagus nerve. 232 Hans Salzer und zehnten Hirnnerven die Schädelhöhle verlassen, während bei den Anuren das Blut neben dem Trigeminus die Schädelhöhle ver- lässt. Rex hält das Verhalten der Urodelen mit Rücksicht auf die mächtige Jugularbahn für das primitivere. Bei Reptilien haben Grosser und BREZINA im hiesigen Institut in nachstehender Arbeit (s. pag. 289) die Entwicklung der Kopfvenen untersucht, und, wie ersichtlich, stimmen die Verhältnisse hier mit denen bei Säugern rücksichtlich junger Entwicklungsstadien gefundenen bis zu einem Stadium, welches der Fig. 2 entspricht, sehr schön über- ein. Bei Eidechsen und Schildkröten bleiben diese Verhältnisse, wenn wir von den Hirnvenen absehen, fast unverändert bestehen, bei Tropidonotus dagegen bloß in den Theilen, welche caudal vom Facialis gelegen sind, während cranialwärts von diesem Nerven sekundäre Verhältnisse auftreten. Als Vena capitis lateralis kann man sowohl bei Sauriern als bei Säugern ein Venenstück bezeichnen, welches zwischen Facialis und Hypoglossus lateral von den Nerven gelegen ist. Von dieser Vene bleibt bei den untersuchten Säugern nur das kurze Theilstück erhalten, welches lateral von der Vagusgruppe und vom Hypoglossus gelegen ist. Wie aus der Arbeit GROSSER’S und Brezina’s ersichtlich ist, entspricht der Vena cerebralis anterior der Reptilien (RATHKE’s Sinus transversus) nur das Anfangsstück des Sinus transversus der Säuger, das Stück nämlich, welches zwischen dem Ende des großen Sichelblutleiters und dem Trigeminus gelegen ist. Eine Vene, welche der Vena cerebralis media, RATHKE’s Sinus petrosus, entsprechen würde, konnte ich bei Säugern nicht nach- weisen. Was den Sinus cavernosus betrifft, so bildet sich dieser bei Sauriern aus dem Anfangsstück der Vena cardinalis, während beim Meerschweinchen sich dieser Sinus aus den primitiven, das Blut des Auges und der Orbita abführenden Gefäßen entwickelt. Was schließlich die Vögel anlangt, so hat hier KASTSCHENKO (10) beim Hühnchen über Venenentwicklung am Schädel bemerkens- werthe Angaben gemacht. Er beschreibt hier, wie die erste auftre- tende Vene des Schädels bis zur Mitte des dritten Tages medial von sämmtlichen Hirnnerven verläuft; am Ende des dritten Tages liegen die Nn. faciales und glossopharyngei medial von dieser Vene, am sechsten Tage nimmt auch der Vagus diese Lage ein. Nach sechs Tagen wird der Trigeminus von starken Ästen der Vena jugularis bedeckt und erscheint so auch an der medialen Seite der Vene. Wie bei Säugern in jungen Entwicklungsstadien, finden wir auch hier, dass die ursprünglich medial von den Kopfnerven gelegene Vene durch ein Gefäß ersetzt wird, welches eine laterale Lage den Über die Entwieklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 953 Nerven gegeniiber einnimmt. Uber die Art und Weise, wie sich diese laterale Bahn entwickelt, macht KasrscHENKO ganz bestimmte Angaben. Er beschreibt nämlich, wie die drei Nervenstämme die Vene, ohne dass diese ihre Kontinuität verliert, allmählich durch- schneiden und so eine mediale Lage gegenüber der Vene einnehmen. Bei Säugern zeigte es sich hingegen, dass die Lageveränderung der Vene den Nerven gegenüber stets durch Inselbildung vor sich geht. Es kommen da zwar auch Bilder vor, welche den von KASTSCHENKO beschriebenen sehr ähnlich sind, wie wir dies bei einem mensch- lichen Embryo näher gezeigt haben, doch war der Nerv stets vom Lumen der Vene noch durch Endothel getrennt. Die Inselbildung erfolgte hier eben sehr knapp am Nerven. So finden wir in der ganzen Wirbelthierreihe, so weit bis jetzt Untersuehungen darüber vorliegen, wie das ursprünglich medial von den Kopfnerven gelegene abführende Gefäß durch .eine Vene ersetzt wird, die eine laterale Lage den Nerven gegenüber einnimmt, wie die Fortsetzung dieses Gefäßes im Bereiche des Halses durch seine Topographie als Vena jugularis interna anzusprechen ist, um ent- weder allein die gesammte Abfuhr des venösen Blutes der Schädel- höhle zu besorgen, oder, sei es theilweise, sei es vollständig, dies einer äußeren Jugularvene zu überlassen, die sich ganz unabhängig © von der früheren und in einer verhältnismäßig späten Periode des Embryonallebens entwickelt. Was schließlich die gewählte Nomenklatur anlangt, so habe ich das in der ganzen Wirbelthierreihe als erstes auftretende Gefäß des Schädels als Vena eardinalis anterior bezeichnet, während das lateral von den Kopfnerven verlaufende Gefäß als Vena capitis lateralis bezeichnet wurde, eine Vene, deren Fortsetzung, nachdem der Hals gebildet ist, von der Schädelbasis an wegen ihrer Lage und ihrem Austritt aus dem Schädel nur als Vena jugularis interna zu be- zeichnen ist. Das später als diese Vene auftretende Gefäß, das vom Gesichtsschädel entspringt, dokumentirt sich durch seinen Ur- sprung und seine oberflächliche Lage als Vena jugularis externa, und somit kann davon, dass eine äußere Jugularvene die erste Ab- flussbahn des embryonggen Kopfes darstellt, nicht mehr die Rede sein. Zum Schlusse sei mir noch gestattet, Herrn Prof. ZUCKERKANDL und Herrn Prof. HocHSTETTER für die Erlaubnis, im Institute arbeiten zu dürfen und für die liebenswürdige Unterstützung, die ich jeder Zeit in Rath und That fand, aufs wärmste zu danken. Wien, Mai 1895. 254 Hans Salzer Litteraturverzeichnis. 1) H. H. FieLD, Sur la circulation embryonnaire dans la tete chez l’Axolotl. Anatom. Anzeiger. 1893. pag. 634. 2) —— The development of the pronephros and segmental duct in Amphibia. Bulletin of the museum of comparative zoölogy at Harvard College. Vol. XXI. No.5. 3) C. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. III. Heft. Leipzig 1872. 4) A. GoETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 5) GROSSER und BREZINA, Uber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXIII. 6) Grupy, Recherches anatomiques sur le systeme veineux de la Grenouille. Paris 1841. 7) W. Hıs, Anatomie menschlicher Embryonen. I. Leipzig 1880. pag. 83. 8) F. HocHsTETTER, Entwicklung des Venensystems der Wirbelthiere. Ergeb- nisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Herausgegeben von MERKEL und Bonnet. Bd. Ill. pag. 460. 1893. 9) M. F. Houssay, Sur la circulation embryonnaire dans la téte chez l’Axolotl. Comptes rendus de l’académie des sciences. T. CXV. pag. 132. 10) KASTSCHENKO, Das Schlundspaltengebiet des Hühnchens. Archiv für Ana- tomie und Physiologie. Anatom. Abtheilung. 1887. 11) KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1879. pag. 928. 12) LUSCHKA, Die Venen des menschlichen Halses. Bd. XX der Denkschriften der mathemat.-naturwiss. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissen- schaften. 1862. pag. 5. 13) W. v. NOORDEN, Beitrag zur Anatomie der knorpeligen Schädelbasis mensch- licher Embryonen. Archiv für Anatomie und Physiologie 1887. 14) T. PARKER, On the blood-vessels of mustelus antarcticus. From the philo- sophical transactions of the royal society. Vol. CLXXVI (Part II. 1886). 15) C. Rast, Uber die Entwicklung des Venensystems der Selachier. Fest- schrift zum 70. Geburtstage LEUCKART’s. Leipzig 1892. 16) F. RAFFAELE, Sistema vascolare nei Selacei. Mittheilungen der Zoolog. Station zu Neapel. Juli 1892. 17) RATHKE, Uber den Bau und die Entwicklung des Venensystems der Wirbel- thiere. 1838. 18) H. Rex, Beiträge zur Morphologie der Hirnvenen der Amphibien. Morph. Jahrbuch. Bd. XIX. pag. 297. 19) —— Beitriige zur Morphologie der Hirnvenen der Elasmobranchier. Morph. Jahrbuch. Bd. XVII. pag. 417. Über die Entwicklung der Kopfvenen des Meerschweinchens. 355 Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. A Auge, v,j.i Vena jugularis interna, G Gehöranlage, v.o Vena ophthalmica, s.s.s Sinus sagittalis superior, V Nervus trigeminus, s.tr Sinus transversus, VII Nervus facialis, v.c.a Vena cardinalis anterior, VIII Nervus acusticus, v.c.l Vena capitis lateralis, IX Nervus glossopharyngeus, v.f.a Vena facialis anterior, X Nervus vagus, v.f.p Vena facialis posterior, XI Nervus accessorius, vj Vena jugularis, XII Nervus hypoglossus. v,j.e Vena jugularis externa, Fig. 1. Querschnitt durch die Kopfanlage eines 3 mm langen Meerschweinchen- embryo. Fig. 2. Profilkonstruktionsbild des Kopfes eines 6 mm langen Meerschweinchen- embryo. 17mal vergrößert. Fig. 3. Dasselbe eines 11 mm langen Meerschweinchenembryo. 17mal ver- größert. Fig. 4. Dasselbe eines Meerschweinchenembryo von 71/ mm Kopflänge. 13 mal vergrößert. Fig. 5. Dasselbe eines 20 mm langen Meerschweinchenembryo. 7mal vergrößert. Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. Von Paul Mathes, Demonstrator. (Aus dem ersten anat. Institut des Hrn. Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Wien.) Mit Tafel XIX und 10 Figuren im Text. In einer im Jahre 1892 erschienenen Arbeit! hat KLAATSCH den Versuch gemacht, den Zustand der Mesenterien bei höheren Wirbel- thieren auf Grund vergleichend-anatomischer Studien von den Me- senterialverhältnissen bei niederen Vertebraten abzuleiten. Als Aus- gangsformen für die Vergleichung wählte er die Amphibien, weil er glaubte, in dieser Klasse und speciell bei den Urodelen Formen gefunden zu haben, die durch die »Einfachheit« ihrer Gekrösverhält- nisse gewissermaßen die Grundlage für das Verständnis der Entwick- lung komplicirterer Bildungen bei den amnioten Wirbelthieren ab- geben könnten. Der von ihm hauptsächlich aus den Verhältnissen bei den Schwanzlurchen abgeleitete »Urzustand« stellt sich folgendermaßen dar: Der Darm durchzieht geradlinig in cranio-caudaler Richtung das Cölom; er zerfällt in drei Unterabtheilungen: den Vorder-, Mittel- und Enddarm. Die Grenze zwischen den beiden ersteren Abthei- lungen bildet die Pylorusklappe, während der Beginn des Enddarmes durch einen blindsackartigen Anhang gekennzeichnet ist. Ventral 1 Dr. HERMANN KLAATSCH, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbelthiere. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVII. | | Morpholog. Jahrbuch Ba XXI. Verlag von Wilh. Engelmann, Leipzig Sith Snstv. Werner 8 Winter Frankfurt Ot Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 257 und dorsal ist der Darm durch ventrales und dorsales Gekröse an der Cölomwand befestigt. Während sich das dorsale Gekröse über- all dort in größerer oder geringerer Ausdehnung erhält, wo der Darm - frei ins Cölom hineinragt, ist die Ausdehnung des ventralen Gekröses nur eine beschränkte, wie unten näher erklärt werden soll. In das ventrale Gekröse ist in der Höhe. des Vorderdarmes die Leber vom Darm aus hineingewachsen und theilt es in zwei Theile: in einen zwischen Leber und Cölomwand ausgespannten Theil: das ventrale Lebergekröse oder Ligamentum suspensorium hepatis, und in einen dorsal von der Leber zwischen ihr und dem Darm sich erstreckenden Theil: das Ligamentum hepato-entericum KraatscH’s. Außerdem besitzt die Leber an ihrer rechten Kante eine weitere mesenteriale Verbindung mit der hinteren Cölomwand, die von KLaArTscH und GOETTE als dorsales Lebergekröse be- zeichnet wird. Dieser Name scheint mir desshalb nicht ganz zu- treffend, weil die betreffende Gekrösplatte ja nicht an der dorsalen Leberfläche, sondern am rechten Leberrande ihren Ansatz findet; aus diesem Grunde und wegen ihres Verhaltens zur hinteren Hohl- vene und zu der Lunge, eine Beziehung, die noch näher erörtert werden soll, würde die wenn auch etwas weitläufige Bezeichnung Ligamentum hepato-cavo-pulmonale vorzuziehen sein. Das Ligamentum hepato-entericum fasst KLAATSCH zunächst als kontinuirlich verlaufende Platte auf, die erst dadurch eine Begren- zung ihrer Ausdehnung in caudaler Richtung über den Ductus cho- ledochus hinaus findet, dass sie sich rechterseits mit dem der Duo- denalschlinge angehörigen Abschnitte des dorsalen Gekröses vereinigt. Das dorsale Lebergekröse, das KraArscHh als Nebenplatte des ventralen Darmgekröses bezeichnet, soll an dem rechten Parietalge- kröse entspringen. Diese Behauptung findet ihre wesentlichste Stütze in einer Mittheilung GoETTE’s (12). Welches Gebilde beim erwach- senen Salamander, und nur solche hat KLAATscH bei seinen Unter- suchungen berücksichtigt, als Parietalgekröse im Sinne GoETTE’s zu bezeichnen wäre, ist aus den Ausführungen KLAATscn’s absolut nicht ersichtlich. GOETTE bezeichnet als solches bei den Embryonen von Petromyzon Peritonealbrücken, die zur Überleitung der Stammvenen zum Sinus venosus dienen und somit dem Mesocardium laterale KOLLIKER’s entsprechen würden. Eine caudale Fortsetzung des rechten Parietalgekröses bildet bei Petromyzonten eine Gekrösplatte, die GOETTE als dorsales Lebergekröse bezeichnet. In ähnlicher Weise lässt GoETTE auch bei Amphibien das dorsale Lebergekröse Morpholog. Jahrbuch. 23. = 17 358 Paul Mathes als eine caudale Fortsetzung des rechten Parietalgekröses entstehen. Aus den folgenden Beschreibungen ist klar ersichtlich, dass das Leberhohlvenengekröse der Urodelen sehr weit eranialwärts vom Ductus Cuvieri seinen Anfang nimmt und zu dem Ductus Cuvieri und daher auch zu dem Parietalgekröse in keinerlei direk- ter Beziehung steht. Was das distale Ende des Leberhohlvenengekröses (wie das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale auch genannt wird) anbelangt, bemerkt KraArtscH, dass es eben so wie das Ligamentum hepato- entericum mit dem dorsalen Darmgekröse verwächst. Weiter sagt KraarscH wörtlich (pag. 707): »Bei dieser Anordnung der Theile wird offenbar vom dorsalen und ventralen Darmgekröse in Gemeinschaft mit dem dorsalen Leber- hohlvenengekröse ein Cölomtheil umschlossen und von der übrigen Leibeshöhle gesondert, der rechts vom Darm, zwischen diesem und der Leber sich vom Parietalgekröse bis zum Vereinigungspunkte der drei Mesenterien erstreckt, die Bursa hepato-enterica. Durch mannig- fache Perforationen bald des dorsalen, bald des ventralen Darmge- kröses kommunieirt die Bursa mit dem übrigen Cölom.« . Die Darstellung, welche KraArscH von den Verhältnissen des Darmkanales und seiner Anhangsorgane liefert, ‚stimmt mit großer Präcision mit den thatsächlichen Befunden überein. Dasselbe gilt auch mit Rücksicht auf die Beschreibung der Gekrösverhältnisse. Dagegen erscheint die von KrAaarscH gegebene Deutung der bei Amphibien an den Mesenterien gewonnenen Befunde in mancher Be- ziehung anfechtbar, was vor Allem seine Erklärung darin findet, dass KLaAtscH bei seinen vergleichend-anatomischen Studien die Ontogenese der Mesenterialbildungen, insbesondere der Amphibien, zu wenig berücksichtigt hat. In dieser Beziehung sind es haupt- sächlich drei Punkte, die einer genauen Untersuehung bedürfen: 1) Die Entwicklung und Bedeutung des Ligamentum suspensorium hepatis, 2) Die Verhältnisse der Mesenterien am cranialen Ende des Cöloms, 3) Die Entwicklung des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale und seine Beziehungen zum Foramen hepato-entericum und zum Ligamentum hepato- entericum. Uber das Ligamentum suspensorium hepatis sagt KLAATSCH, dass Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 259 ‘es sich bei Amphibien in besonders großer Ausdehnung erhalte; er schreibt ihm somit eine gewisse primäre Bedeutung zu. Dass bei sehr jungen Embryonen von Amphibien ein zwischen Leber und ventraler Leibeswand ausgespannter Antheil des ventralen Darmgekröses bestehe, ist aus allgemein entwicklungsgeschichtlichen Gründen wohl mit Bestimmtheit anzunehmen; ein solches nachzu- weisen ist mir jedoch bei keiner der von mir untersuchten Species möglich gewesen, da die innige Aneinanderlagerung der Theile eine sichere Entscheidung nicht gestattet, ob eine zellige Verbindung zwischen Leber und vorderer Bauchwand besteht oder nicht. Bei älteren Stadien fehlt eine solche Verbindung wohl über- all, wenn man auch an einzelnen Schnitten der Serien darüber in Zweifel bleiben könnte (vgl. pag. 268). Das endgültig bestehende Ligamentum suspensorium hepatis nun ist bestimmt eine se- kundäre Bildung. Die Art seiner Entstehung wird später eine eingehende Besprechung erfahren. Um der verschiedenen Bedeutung der beiden Gebilde Rechnung zu tragen, wähle ich für das primäre Gekröse den Namen Meso- hepaticum anterius!, während ich bezüglich des sekundär ge- bildeten Gekröses an der alten Bezeichnung Ligamentum suspenso- rium hepatis festhalte. Eben so können die Gekrösverhältnisse am eranialen Ende der Leibeshöhle nur auf ontogenetischem Wege richtig gedeutet werden. KrAArtscH sagt darüber Folgendes (pag. 706): »Diese Stamm- venen riefen quere Mesenterialfalten hervor, welche vom ventralen Gekröse zur Rumpfwand zogen und welche am proximalen Ende des Cöloms, nach Sonderung der Perikardialhöhle, auch mit dem dorsalen Darmgekröse in Verbindung traten. So gehen am proxi- malen Leberende Parietalgekröse hervor, welche für die Leber eine dorsale Anheftung bedeuten. Damit ist der Ausgangspunkt gegeben für die Entfaltung eines dorsalen Lebergekröses.« i Das Lageverhältnis der Leber zum ventralen Darmgekröse lässt sich dem der Herzanlage zu demselben Gekröse vergleichen; gerade so wie dieses durch die Herzanlage in zwei Theile geschieden wird, die man als dor- sales und ventrales Herzgekröse (Mesocardium posterius und anterius) be- zeichnet, geschieht ein gleiches durch die Leber; somit erscheint es konsequent, die durch die Leber gebildeten zwei Theile des ventralen Darmgekröses ven- trales und dorsales Lebergekröse (Mesohepaticum anterius und posterius) zu nennen, und nicht gerade die letztere Bezeichnung auf eine Gekrösplatte anzu- wenden, die, wie schon oben erwähnt wurde, diesen Namen nicht vollkommen verdient. 17* 260 Paul Mathes Dass eine ähnliche Beziehung zwischen dorsalem Lebergekröse und sog. Parietalgekröse bei Amphibien nicht besteht, wurde schon oben (pag. 258) erwähnt. Eben so wenig lässt sich bei erwachsenen Formen eine Bildung nachweisen, die schlechthin als Parietalgekröse zu bezeichnen wire. KLAATSCH meint, wenn er von Parietalgekröse spricht, damit höchstwahrscheinlich den ventralen Theil der Scheide- wand zwischen Perikardialhöhle und übrigem Cölom. Dafür scheint das zu sprechen, was er über Cryptobranchus japonicus sagt. Er erwähnt nämlich, dass bei dieser Form zwischen ventraler Leber- fläche, Parietalgekröse und seitlicher Cölomwand rechts und links Gekrösfalten gebildet sind, die von der ventralen Seite her jeder- seits eine Bucht der Pleuroperitonealhöhlen begrenzen. KLAATSCH erklärt diese Buchten für die Anlagen der Pleurahöhlen. Solche Gekrösplatten fand ich ganz konstant und in großer Ausdehnung auch bei Tritonen und Salamandra; sie sind zwischen Leber, ven- tralem Diaphragma und seitlicher Cölomwand ausgespannt, woraus hervorgeht, dass KLAATSCH ganz offenbar das ventrale Diaphragma für die Parietalgekröse erklärt hat, wofür, wie schon oben bemerkt wurde, absolut kein Anhaltspunkt besteht, da es bei erwachsenen Amphibien Bildungen im Sinne von Parietalgekrösen thatsächlich nicht giebt. Die Entwicklung des Diaphragma und der seitlichen Gekrösplatten, die angeblich »Pleurablindsäcke« ventralwärts begren- zen, wird am Schlusse dieser Arbeit eingehend besprochen werden. Bezüglich der Erklärung der Verhältnisse, die sub 3 zusammen- gefasst sind, ergeben sich die größten Schwierigkeiten. Bei der all- gemeinen Besprechung der Angaben Kwuaatscn’s sind wir bei der Erwähnung der sekundären Perforationen in den Wänden der Bursa hepato-enterica stehen geblieben. KLAATSCH beschreibt bei Am- phibien Perforationsöffnungen, die sich im dorsalen und ventralen Darmgekröse an drei bestimmten Stellen finden: 1) Eine Öffnung im dorsalen Darmgekröse in dem Theile, der sich zwischen Milz und dorsaler Rumpfwand erstreckt; 2) in dem Theil des Ligamentum hepato-entericum, der cranial vom Ductus choledochus in der Kon- kavität der Vorder-Mitteldarmschlinge ausgespannt ist, und schließ- lich 3) eine Öffnung caudal vom Ductus choledochus zwischen Duo- denum und Vena cava. KLAATSCH nennt diese letztere Öffnung Foramen hepato-enteri- cum und verlegt ihren Sitz in das Ligamentum hepato-entericum ; dieses wird dadurch in zwei Theile geschieden: in einen cranial von dem Foramen und dem Ductus choledochus gelegenen Abschnitt, das Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 261 Ligamentum hepato-gastroduodenale, und in einen an der anderen Seite der Öffnung gelegenen Rest, das Ligamentum hepato-cavoduo- denale. Bei Urodelen fehlt nun dieses Foramen hepato-entericum, wie schon von HOocHSTETTER (16) angegeben wurde. Von Batrachiern soll nach KraArtscH Pipa keine Perforation an der Stelle besitzen, während sie bei Bufo stets vorhanden ist; bei Rana findet sie sich bald, bald wird sie vermisst. Bei amnioten Wirbelthieren ist sie, mit Ausnahme der Chelonier, Crocodilier und Schlangen, überall zu finden und unter dem Namen Foramen epiploicum Winslowii allge- mein bekannt; bei diesen Formen ist seine distale Begrenzung von der bei Amphibien verschieden, wesshalb KrAATscH den indifferenten Namen Foramen hepato-entericum mit Recht eingeführt hat. Es bildet somit das Ligamentum hepato-entericum mit dem Liga- mentum hepato-cavo-pulmonale eine bis zum dorsalen Darmgekröse kontinuirlich verlaufende Gekrösplatte, wie dies KLAATSCH von dem auf Grund der Befunde bei Urodelen aufgestellten Urzustand der Gekröse fordert. Das Foramen hepato-entericum soll nun durch sekundäre Perforation des caudal vom Ductus choledochus befind- lichen Abschnittes des Ligamentum hepato-entericum entstehen; KLAATSCH sagt (pag. 419), sie sei »von gleicher morphologischer Be- deutung resp. Unwichtigkeit, wie die proximal vom Ductus chole- dochus bei Urodelen und Anuren an zwei verschiedenen Punkten auftretenden Defekte«. Die erste Frage nun, welche zu beantworten sein wird, ist die, ob die Deutung, die KLaATscH bezüglich des Foramen hepato-enteri- cum gegeben hat, durch entwicklungsgeschichtliche Thatsachen be- gründet ist. Es ist von vorn herein eben so wahrscheinlich, dass das Foramen hepato-entericum primär gebildet ist und bei einzelnen Formen sekundär verschlossen wird, als dass das Ligamentum he- pato-entericum mit dem Ligamentum hepato-cavo-pulmonale zu einer kontinuirlichen Gekrösplatte verschmolzen ist, in der zwischen Ductus choledochus und Vena cava sekundär eine Perforation aufgetreten ist. Bei Urodelen fehlt das Foramen hepato-entericum: es ist da- her nachzuweisen, ob eine Perforation ausgeblieben ist, oder ob die primäre Öffnung sekundär zum Verschluss ge- langt ist. In der Litteratur finden sich nun zahlreiche mehr oder minder genaue Angaben über die Entwicklung des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale bei Amnioten, jedoch rücksichtlich der Amphibien nur 262 Paul Mathes eine ganz kurze Bemerkung GoETTE's, der dieses Mesenterium als Erster bei Bombinator igneus beschreibt und seine Beziehung zur hinteren Hohlvene hervorhebt, ferner eine etwas detaillirtere Angabe HocasTETTER's in dem schon oben (pag. 261) erwähnten Aufsatze »Uber das Gekröse der hinteren Hohlvene«. In diesem Aufsatze kommt bezüglich der Amphibien einer Angabe besondere Bedeutung zu, durch die nämlich hervorgehoben wird, dass das Foramen epi- ploicum Winslowii (Foramen hepato-entericum KLAATscH'’s) eine pri- märe Bildung sei, die bei Urodelen erst sekundär durch Auswachsen des »Hohlvenengekröses« verschlossen wird. Diese Angabe zog KLAATSCH weiter gar nicht in Rücksicht, sondern ging über dieselbe mit der Bemerkung hinweg (pag. 420), »dass diese Behauptung nicht durch eine Thatsache gestützt<« werde und weiterhin, »dass hierfür (für den Verschluss des Foramen) doch nicht dieses (das Hohlvenen- gekröse), sondern das Ligamentum hepato-entericum in Frage kommt«. Was die Amnioten anbelangt, so geht aus den Arbeiten von Ravn, Stross, HOCHSTETTER, C. K. HOFFMANN und Anderen bezüglich der Entwicklung des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale hervor, dass die Anlage desselben bei allen untersuchten Formen eine paarige ist und mit geringen Abweichungen bei allen Klassen in den Grund- zügen übereinstimmt. Ravn (6) beschreibt die Bildung dieser Gekrösplatte in ausführ- licher Weise bei Kaninchenembryonen von 9—12 Tagen in beiläufig folgender Weise: An jeder Seite des Vorderdarmes bildet sich im Bereiche der Recessus parietales dorsales, die die dorsale Kommu- nikation zwischen Perikardial- und Pleuroperitonealhöhle herstellen, in der Splanchnopleura eine Mesodermverdiekung, die der Lungen- anlage entspricht und in eaudaler Richtung in eine Leiste übergeht, die sich allmählich dorsal zur Anwachsungsstelle des dorsalen Me- senteriums an der Cölomwand hinüberzieht, die Plica venae cavae. Diese Bildung ist rechts bedeutender entwickelt als links. Der rechte Lungenflügel tritt alsbald mit einer ihm gegenüber an der Dorsalfläche des Sinus venosus entstehenden Leiste in Verbindung, wodurch eine cranial blind endigende Bucht vom übrigen Cölom ab- geschieden wird; zu dieser Zeit ist links von einer ähnlichen Bucht nichts zu sehen, sondern erst bei einem 11tägigen Embryo kommt eine solche auch links in sehr kurzer Ausdehnung zur Beobachtung. Durch die caudalwärts fortschreitende Verwachsung der ventralen Leiste und der als Fortsetzung des Lungenflügels gedeuteten Pliea venae cavae spannt sich die Platte schließlich auch zwischen Leber Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 263 und hinterer Cölomwand aus, so dass auch der von diesen Gebilden und dem Darme begrenzte Blindkanal an caudaler Ausdehnung ge- winnt und dann leicht als Recessus superior sacci omenti zu er- kennen ist, dessen Zugang vom übrigen Cölom aus caudal von der Verwachsungsgrenze der beiden genannten Leisten liegt und dem Foramen hepato-enterieum entspricht. Links ist die Bildung des analogen Blindkanales nicht weiter vorgeschritten, ja bei Embryonen von mehr als 11 Tagen sogar wieder vollkommen zurückgebildet. Das blinde Ende des Recessus liegt etwas mehr caudal und dorsal als der Lungenhilus. Damit ist die Beziehung der in Rede stehenden rechtsseitigen Gekrösplatte zum Foramen hepato-entericum als dessen eraniale Be- grenzung hinlänglich gekennzeichnet. Auf ganz demselben Stand- punkt stehen HocasTETTeEr (16) und Sross (19). Ersterer berichtigt Ravn’s Angaben nur dahin, dass dem Lungenflügel und dessen Fort- setzung vom Saccus reuniens aus keine Falte entgegenwachse, son- dern dass sich jener allein durch seine zunehmende Höhe direkt mit dem Sinus venosus verbinde. Sross bezeichnet den Recessus superior sacei omenti als Recessus pleuro-peritonealis; er bebt gleich- zeitig hervor, dass die Verdiekungen im Mesoderm zunächst nicht als Lungenflügel zu deuten sind, sondern dass die Lungen erst später in sie hineinwachsen und in ihnen zur weiteren Entwicklung ge- langen. Ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Kaninchenembryonen fand HocHSTETTER bei der Untersuchung der betreffenden Theile am Hühnchen; jedoch mit dem Unterschiede, dass die Gekrösplatte auch links eine bedeutendere Ausdehnung erlangt, ja sogar mit der Leber in Verbindung tritt. Die primitiven Lungenschläuche sind in die beiden Platten hineingewachsen, wobei es zu einer beträchtlichen Ver- diekung des sie umgebenden Gewebes gekommen ist. Über die Verhältnisse bei Lacerta theilt Hoc#stErrEr mit, dass sich die erste Anlage des Hohlvenengekröses ganz ähnlich wie bei den anderen Amnioten entwickle, dass sich dasselbe bei der erwach- senen Lacerta viridis, und dies wird auch von Ravn (7) bestätigt, in das Gekrése des Hodens resp. Ovariums fortsetze und dass ibm die rechte Lunge anhafte, während die linke Lunge ein selbständiges Gekröse besitzt, welches an der Wurzel des dorsalen Darmgekröses haftet. Auch diese Angabe wird von Ravn bestätigt; er findet in diesem Ligamentum pulmonale ein Homologon zu der entsprechenden Gekrösplatte der rechten Seite und beschreibt, dass dasselbe an der ventralen Lungenfläche eine Fortsetzung findet, die die Lunge mit 264 Paul Mathes der ventralen Leibeswand verbindet; zum Unterschiede von dem Ge- kröse der rechten Seite, das mit der Leber in Verbindung steht und außerdem in seinem ventralen Antheile caudalwärts bedeutend weiter entwickelt ist als der entsprechende Antheil der links befindlichen Gekrösplatte. Der zwischen Hohlvenengekröse, Leber, ventralem und dorsalem Magengekröse gelegene Raum entspricht dem Vorraum des Netzbeutels bei Säugerembryonen, und jene weite Kommunikations- öffnung zwischen freiem Rande des Hohlvenengekröses, Leber, freiem Rand des ventralen Magengekröses und dem dorsalen Darmgekröse mit der übrigen Bauchhöhle entspricht dem Foramen hepato-enteri- cum. Detaillirte, im Wesentlichen aber übereinstimmende Angaben macht HorrmMann über die Entstehung des Hohlvenengekröses bei Lacerta (8). Die Ontogenese der Mesenterialbildungen bei Säugern und Sau- ropsiden liefert somit keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Foramen hepato-entericum als eine sekundäre Perforationsöffnung entstehe, vielmehr lässt sich leicht erkennen, dass die Bildung dieser Öffnung sowie der Bursa hepato-enterica von der Entwicklung des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale abhängt und dass der freie Rand dieser Gekrösplatte, wie die betreffenden Autoren überein- stimmend angeben, stets die craniale Begrenzung des Foramen hepato-entericum bilde. Es erscheint daher auch. begreiflich, dass von den Autoren, die die Entwicklung des Ligamentum hepato- cavo-pulmonale nur bei Amnioten untersuchten, keiner daran dachte, die primäre Natur des Foramen hepato-entericum besonders hervor- zuheben. Nur HocHSTETTER, der auch die Verhältnisse bei Amphibien berücksichtigte, konnte ausdrücklich hervorheben, dass wir es im Foramen hepato-entericum nicht mit einer sekundären Bildung zu thun haben. Da jedoch seine diesbezüglichen Angaben von Seiten Kiaatscn’s keine Berücksichtigung fanden und andererseits eingehen- dere entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen der Gekrösbildungen bei Amphibien im Allgemeinen und des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale im Besonderen nicht vorliegen, gab mir Herr Professor HOCHSTETTER die Anregung zu vorliegender Arbeit, in der ich haupt- sächlich auf die Ausführung der drei Eingangs erwähnten Punkte Rücksicht nahm. Ehe ich die Arbeit definitiv abgeschlossen hatte, kam mir ein Aufsatz von ALBERT BRACHET (28) zu, in dem der Autor den zuletzt berührten Punkt zum Gegenstande einer Untersuchung an Axolotl- embryonen gemacht hatte. Bezüglich des Verschlusses des Foramen ttl a m » — Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 265 hepato-entericum stimmen die Resultate, zu denen ibn seine Unter- suchungen führten, wohl ziemlich mit den von mir gefundenen That- sachen überein; bezüglich vieler anderer Punkte weichen die von ihm erhobenen Befunde so sehr von den thatsächlichen Verhältnissen .ab, dass ich deren Besprechung erst auf Grund meiner Beschreibun- gen unternehmen kann. Die diesbezüglichen Untersuchungen stellte ich an Querschnitt- serien von Triton alpestris und cristatus, sowie von Siredon pisciformis an, die jedoch nur über die Verhältnisse bei älteren Entwicklungsstadien sichere Aufschlüsse zu geben vermochten, wäh- rend bei jüngeren Stadien wegen der in den Zellen reichlich abge- lagerten Dotterplättchen und der sich daraus ergebenden Schwierig- keit der Sonderung einzelner Gekrösplatten von einander und von den anliegenden Organen, sichere Resultate nicht zu erzielen waren. Viel geeigneter für derartige Untersuchungen erwiesen sich Embryonen von Salamandra atra und maculata; Querschnittserien von sol- chen wurden mir von Herrn Prof. Hocusrerrer in größerer Zahl -giitigst zur Verfügung gestellt. Die meiner Arbeit beigefügten Ab- -bildungen sind auch nach einzelnen Schnitten dieser Präparate an- ‚gefertigt worden. Der jüngste Embryo von Salamandra maculata (Fig. 1 und 2) ‚zeigt bezüglich seines Darmkanales noch relativ einfache Verhält- nisse. Der Schlunddarm besitzt ventral eine seichte rinnenförmige Ausbuchtung, die der Trachealanlage entspricht; die Vorder-Mittel- darmschlinge ist durch eine leichte Krümmung des Darmrohres nach links angedeutet. Die Leber steht durch den noch außerordentlich breiten Leberstiel mit dem Darm in Verbindung. Der Schnitt der Fig. 1 trifft den Darm (D) caudal von der Tra- chealanlage; ventral vom Darm befindet sich der Querschnitt durch den Sinus venosus (S.v), der mit dem Darm durch eine breite Zell- brücke, den Durchschnitt durch die Fortsetzung des Mesocardium posterius in caudaler Richtung, in Verbindung steht. Der Querschnitt ‘ventral vom Sinus venosus ist die Leber (77), und die dieses Organ mit dem Sinus venosus verbindende Zellbrücke der Durchschnitt durch das ventrale Darmgekröse (Z.A.e), und zwar des Theiles, den KuaatscH als Ligamentum hepato-enterieum bezeichnet. Ob die Leber ventral mit der vorderen Cölomwand in thatsächlicher Ver- bindung steht, ob also ein Mesohepaticum anterius bei diesem Sta- dium noch vorhanden ist, oder ob sie der Leibeswand nur sehr dicht angelagert ist, ließ sich bei diesem Embryo mit Sicherheit eben so 266 Paul Mathes wenig als bei allen anderen nahezu gleichaltrigen entscheiden. Der Darm selbst steht in breiter Verbindung mit der hinteren Leibes- wand (ein typisches dorsales Darmgekröse ist somit in dieser Höhe nicht nachweisbar. Von dem Mesodermüberzug des Darmes ent- springt rechterseits ein durchwegs nur aus zwei Zellreihen bestehen- der Strang (L.Ah.c.p), der, um die rechte Peripherie des Darmes ziehend, mit dem mesodermalen Überzug des Sinus venosus in Ver- bindung tritt; zwischen ihm und dem Darm besteht ein kapillarer, kaum sichtbarer Spalt. Der zweischichtige Zellstrang entspricht dem Querschnitt durch eine Mesenterialplatte, in der wir, wenn wir uns an die bei Amnioten gewonnenen Befunde erinnern, unschwer den cranialen Theil der ersten Anlage des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale erkennen. Der zwischen ihm und dem Darm befindliche Spalt ist der Querschnitt durch einen von der Leibeshöhle abge- sackten Theil der Leibeshöhle, der dem Recessus pleuro-perito- nealis (Sross) und der Bursa hepato-enteriea (KLAATSCH) ent- spricht. Linkerseits ist als Rest einer der rechten analogen Platte eine von der Mitte des Splanchnopleuraüberzuges des Darmes aus- gehende Zellanhäufung (Z.4.p) zu sehen, die einer am Darm in cau- daler Richtung auslaufenden Falte als Fortsetzung der Platte ent- spricht. Diese Falte begrenzt mit dem Sinus venosus und dem Darm eine Bucht, die mit der Leibeshöhle in weiter Kommunikation steht. Ein Schnitt weiter eranial (Fig. 2) (die Dieke jedes Schnittes be- trägt 15 «) zeigt rechterseits dieselben Verhältnisse wie auf Fig. 1; links ist jedoch, ausgehend von der Stelle, an welcher sich an dem früheren Schnitte die oben erwähnte Zellanhäufung fand, eine aus einer doppelten Reihe von Zellen gebildete Verbindung zwischen Darm und Sinus venosus (Z.h.p) nachzuweisen, die einen ähnlichen Spaltraum, wie er auch rechts gefunden wurde, abschließt. Dieser Spaltraum kommunieirt eaudalwärts, wie aus der Abbildung Fig. 1 ersichtlich ist, durch eine Öffnung mit der übrigen Leibeshöhle. Es besteht demnach in diesem Entwicklungsstadium auch links eine dem Ligamentum hepato-cavo-pulmonale der rechten Seite analoge Ge- krösplatte, die fernerhin Ligamentum hepato-pulmonale genannt werden soll. Je weiter eranial geführte Schnitte man nun betrachtet, desto weniger weit springt der Darm in das Cölom vor und desto näher rücken daher auch die dorsalen Insertionsstellen des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale der Mittellinie, indem sie sich am ventralen Umfange des Darmes gegen einander und gegen die Mittellinie hin verschieben. Dabei nehmen sie, entsprechend der Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 267 sich verkürzenden Entfernung zwischen den dorsalen Insertionsstellen und dem Sinus venosus, rasch an Höhe ab, bis sie selbst sowie die von ihnen abgesackten Cölomabschnitte aus dem Querschnittsbilde verschwinden, was für die rechte Platte sechs, für die linke vier Sehnitte eranialwärts vom Schnitt der Fig. 1 erfolgt. Rechterseits erreicht die Platte in caudaler Richtung noch den Ductus Cuvieri und endigt hier alsbald mit einem freien konkaven Rande, dessen dorsale Hälfte in Form einer Falte verlängert ist; diese Falte ent- spricht der »Plica venae cavae« (Ravn) der Amnioten. Somit kommunieirt caudal von diesem freien Rande des Ligamentum he- pato-cavo-pulmonale der Recessus mit dem übrigen Cölom durch eine Öffnung, die dem Foramen hepato-entericum entspricht und deren craniale Begrenzung eben durch den freien Rand des Liga- mentum hepato-cavo-pulmonale gebildet wird. Ein etwas weiter fortgeschrittenes Entwicklungsstadium der uns hier interessirenden Gekröse zeigt ein Embryo von Salamandra atra!. Der Leberstiel hat sich verschmälert und gestreckt, so dass er jetzt nahezu parallel mit der Längsachse des Leibes in caudaler und etwas ventraler Richtung verläuft; die Krümmung der Vorder-Mitteldarmschlinge hat bedeutend zugenom- men: Ein Querschnitt in der Magengegend (Textfig. 1) trifft auch schon die Kuppe der Duodenalschlinge, und zwar nur deren Wand, während ihr Lumen durch den Schnitt noch nicht eröffnet wird; eben so wenig wird das dorsale Darmgekröse an mehr als einer Stelle durch den Schnitt getroffen, weil es der Krümmung des Darmes noch nicht so weit gefolgt | ist. Auf die Kuppe der Duodenalschlinge läuft der Ductus eholedochus aus; das caudale Ende der Leber selbst stößt mit diesem Abschnitte des Darmes un- mittelbar zusammen. Das Ligamentum hepato-cavo- pulmonale ist mit der Leber in Verbindung getreten und erstreckt sich ein Stück weit auf dem rechten dorsalen Rand derselben caudal- wärts; es beherbergt in ziemlich großer Ausdehnung die rechte Lunge Bir. 1. 1 Da die Verhältnisse bei Salamandra maculata sich im Wesentlichen voll- kommen mit denen bei Salamandra atra decken und mir eine fast lückenlose Aufeinanderfolge der Stadien von letzterer Form zu Gebote stand, während dies mit Rücksicht auf Salamandra maculata nicht der Fall war, so habe ich der weiteren Beschreibung die Schnittserien von Salamandra atra zu Grunde gelegt. 268 Paul Mathes und endigt in der Höhe des am weitesten cranial gelegenen Vor- nierentrichters mit freiem Rande; das Ligamentum hepato-pulmonale endigt an der dorsalen Wand des Ductus Cuvieri sinister; sein Ver- halten zur Lunge stimmt mit dem der rechten Seite überein. Die Lungen sind nämlich im Laufe ihrer Entwicklung in die genannten Gekrösplatten hinein- und in ihnen in caudaler Riehtung weiterge- wachsen. Die näheren Umstände dieses Vorganges konnte ich wegen Mangels an geeigneten Zwischenstadien nicht verfolgen. Die in älteren Stadien erfolgende Trennung der Perikardialhöhle von der Pleuro-Peritonealhöhle ist schon jetzt durch die an die seit- liche Leibeswand tretenden mächtigen Ductus Cuvieri vorbereitet; dorsal und ventral von den Ductus Cuvieri bestehen weite Kommu- nikationsgänge, von denen der dorsale durch das ventrale Darmge- kröse, und zwar durch den als Ligamentum hepato-entericum be- zeichneten Antheil, in zwei Hälften geschieden ist. Diese Gänge erfahren durch die Ligamenta hepato-cavo-pulmonale und hepato- pulmonale und die in diesen eingelagerten Lungen gegen die seit- liche Cölomwand eine immer mehr zunehmende Verengerung; der ventrale Kommunikationsgang ist in diesem Stadium höchstens noch an einer Stelle, bezüglich der eine sichere Entscheidung nicht zu fällen ist, durch ein Mesohepaticum anterius in zwei Theile getheilt; ich besitze jedoch Präparate, an denen ein solches Gekröse be- stimmt nirgends mehr vorhanden ist. Der Schnitt auf Fig. 3 ist aus der Gegend der Vordermittel- darmschlinge genommen. Der Darmquerschnitt (D) besitzt eine nie- renförmige Gestalt; die Form des Querschnittes entspricht einer Lage- veränderung des Darmes von der Mittellinie und dorsal nach links und ventral, wie sie durch die Bildung der Vordermitteldarmschlinge bedingt ist. Die mesodermale Bekleidung des Darmes sowie das Darmepithel selbst bestehen aus mehreren Zellschichten. Rechts vom Darme findet sich ein Zellenkomplex, dessen Elemente ver- schiedenen Bildungen angehören. Das kreisförmige Lumen in der Mitte ist der Querschnitt durch den Ductus choledochus (D.ch), zwi- schen diesem und dem Darm lässt sich eine kleine Gruppe von Zellen (Pr) isoliren, die, bei Vergleichung der weiter cranial ge- führten Schnitte mit dem unserer Figur, als ventrales Pankreas zu erkennen ist; ganz dorsal liegt der Querschnitt der Vena portae (Vp). Ob die nach rechts vom Ductus choledochus liegende Zellgruppe schon dem Darm oder noch der Leber angehört, lässt sich bei dem unmittelbaren Anschluss der beiden Organe an einander und bei der 0 u ZZ 20 2 1 Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 969 unvollkommenen Differenzirung der einzelnen Gewebselemente von einander nicht sicher entscheiden; nach der Konfiguration derselben könnte man glauben, es schon mit der Wand der Duodenalschlinge zu thun zu haben. Jedenfalls geht dieser Zellenkomplex weiter caudal ohne Unterbrechung in die Wand der Duodenalschlinge iiber. Die ganze Gruppe dieser Querschnittsbilder steht mit dem Darmquer- schnitt durch eine Zellbriicke in Verbindung, die dem Theil des Ligamentum hepato-entericum angehört, der in der Konkavität der Vordermitteldarmschlinge ausgespannt ist; von einer Fortsetzung des Ligamentum hepato-entericumin caudaler Richtung iiber den Ductus choledochus hinaus ist keine Spur zu sehen. Das nächste Stadium von Salamandra atra, dessen Beschreibung nun folgt, ist schon bedeutend älter. Die Dotterplättchen sind fast ganz aus den Geweben geschwunden. Die Trennung der Perikardial- von der Pleuro-Peritonealhöhle ist auch hier noch nicht erfolgt, wenn auch die dorsalen Kommunikationsgänge schon um Vieles enger ge- worden sind. Das Darmrohr hat am Anfangstheil des Magens einen fast kreisrunden Querschnitt, der in caudaler Richtung allmählich in die Form einer Ellipse mit immer mehr zunehmender Excentricitit übergeht. Die Krümmung der Vordermitteldarmschlinge hat neuer- lich bedeutend zugenommen. Durch die Wendung des Magendarmes nach links und vorn wird auch die Leber, deren Querdurchmesser sich bisher in frontaler Richtung erstreckte, aus dieser Stellung in eine schräge verdrängt, so dass in dieser Gegend ihr Querdurch- messer von rechts hinten nach links vorn verläuft. Der Schnitt der Fig. 4 aus der Serie dieses älteren Embryo ent- stammt einer Stelle, die höher gelegen ist als die der Fig. 3 des jün- geren Embryo. Das Darmlumen (J) hat hier seine regelmäßige Querschnittsform verloren und erscheint etwas verzerrt als Ausdruck der hier eben beginnenden Magenkrümmung. Der vom ventralen Theil seines Umfanges nach vorn zur Leber (7) ziehende Zellstrang ist der Querschnitt durch das Ligamentum hepato-entericum (L./.e). Die Leber selbst ist von zahlreichen Blutgefäßen durchzogen. Der Querschnitt durch den Ductus Cuvieri dexter (D.C) erstreckt sich von der Leber bis zur lateralen Leibeswand, indem dieser Blutleiter quer durch die Leibeshöhle zieht. Da die Leber fest an dem Ductus Cuvieri haftet, so dass sie in die Bildung seiner caudal gerichteten Wand einbezogen ist, muss sie selbst auch mit der lateralen Leibes- wand verwachsen sein; ein Verhältnis, das sich schon bei sehr jun- gen Entwicklungsstadien beobachten lässt. Die weiteren Konsequenzen 270 Paul Mathes dieses Verhaltens werden später einer eingehenden Besprechung ge- würdigt werden. Eine ventrale Verbindung der Leber mit der ven- tralen Leibeswand im Sinne eines Mesohepaticum anterius besteht nicht mehr, während andererseits das Ligamentum suspensorium he- patis noch nicht gebildet ist. Links und rechts von der Ansatzstelle des dorsalen Darmgekröses an der dorsalen Leibeswand ziehen zwei Zellstränge zur rechten beziehungsweise linken Leberkante (Z.h.c.p und Z.A.p); innerhalb derselben finden sich die Querschnitte durch die beiden Lungensäcke. Diese Zellstränge stellen ohne Zweifel die Querschnitte durch die Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato- pulmonale dar. Der Umstand, dass die beiden Mesenterialplatten, dort wo sie die Lungen beherbergen, zwei- bis dreischichtig sind, während sie beim erstbeschriebenen Stadium nur zweischichtig waren, sowie ferner die Anwesenheit von zahlreichen Karyomitosen legen den Gedanken nahe, dass sich die hier wuchernden Zellen der bei- den Gekrösplatten an dem Aufbau des mesodermalen Lungenantheils direkt betheiligen. Die beiden von den beschriebenen Gekrösplatten abgeschlossenen Spalträume entsprechen den Recessus pleuro-peri- toneales (Sross), von denen der rechte mit der Bursa hepato-enterica (KLAATSCH) identisch ist. An einem der nichsten mehr caudal gelegenen Schnitte ist das Darmlumen noch mehr nach links und vorn verlagert; das Ligamen- tum hepato-pulmonale reicht dann nur mehr von der dorsalen Leibes- wand bis zur Lunge, wihrend der zwischen Lunge und Leber ge- legene Theil durch diesen Schnitt nicht mehr getroffen wird; es hat somit die ventrale Hilfte des Ligamentum hepato-pulmonale unter der Einwirkung der Krümmung des Darmes nach links eine Be- hinderung seines Wachsthums erfahren, so dass der nun noch er- haltene Theil nur mehr als Ligamentum pulmonale bis zum cau- dalen Ende der Leber zu verfolgen ist. Auf dem Schnitte der Fig. 6 hat der Darmquerschnitt (D) wieder eine annähernd kreisrunde Form erlangt; die. zahlreichen schräg ge- troffenen Zellschichten des mesodermalen Überzuges des Darmquer- schnittes an seiner rechten Cirkumferenz lassen jedoch erkennen, dass die Krümmung ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Vom Darmquerschnitt aus zieht ein dieker Strang, der Querschnitt, durch das Ligamentum hepato-entericum (Z.h.e) zur Leber (7). Im Quer- schnittsbilde der Leber finden sich die Gallenblase (Of), der Ductus hepaticus (D.h) und die Vena portae getroffen. Die Leber zeigt hier deutlich die oben erwähnte schräge Stellung ihres Querdurchmessers. Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 371 An der Stelle, an welcher bei den weiter cranialwärts gelegenen Schnitten das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale getroffen ist, findet sich eine Kommunikationsöffnung zwischen Bursa hepato-enterica und dem übrigen Cölom; sie wird von hinten her durch eine Zellan- häufung eingeengt, die dem dorsalen Mesenterium nahe seinem An- satze an der hinteren Leibeswand aufsitzt. Dieser Zellhaufen ent- spricht dem Querschnitte einer Falte, die vom freien Rande des eranialwärts vom Schnitte der Fig. 5 endigenden Ligamentum hepato- cavo-pulmonale caudalwärts ausläuft und als Pliea venae cavae (Ravn) bezeichnet werden kann (eben so wie bei dem pag. 267 be- schriebenen jüngeren Stadium). In der Kommunikationsöffnung selbst aber erkennen wir jene Öffnung, welche dem Foramen hepato-ente- ricum des ausgebildeten Zustandes anderer Formen entspricht; dieses ist somit in cranialer Richtung durch den freien Rand des Ligamen- tum hepato-cavo-pulmonale begrenzt. Vier Schnitte weiter caudalwärts (Fig. 5) liegt der Darmquer- schnitt (D) ganz in der linken Cölomhälfte. Von seiner ventralen Umgrenzung zieht ein Zellstrang, der Querschnitt durch das Ligamen- tum hepato-entericum, zur dorsalen, etwas nach links gewendeten Leberfliche. Der Querschnitt der Leber (7) hat an Ausdehnung bedeutend abgenommen; in ihm erkennt man die Gallenblase (Cf), dorsal davon den Duc- Fig. 2. tus hepaticus, der durch den Ductus eysti- cus mit der Gallenblase in Verbindung steht; zwischen dem Ductus cysticus und dem Darm liegt die mit Blutzellen gefiillte Vena portae (V.p); alle diese Theile sind im Querschnitt gesehen. Von dem rechten etwas dorsal- warts verschobenen Leberrande zieht eine mächtige, durch die Form und Anordnung ihrer zelligen Elemente individualisirte Zell- masse (Prd) zum dorsalen Mesenterium des Darmes. Sie verläuft in derselben Richtung, die auch das Ligamentum hepato-cavo-pul- monale in seinem caudalen Antheile inne hatte. Diese Zellmasse stellt den Theil des dorsalen Darmgekröses dar, der der äußer- sten Kuppe des Duodenums angehört; es ist an dieser Stelle ganz von Gewebe des dorsalen Pankreas erfüllt und daher so weit cranial 272- Paul Mathes gegen die Leber und den freien Rand des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale hinaufgedrängt!. Fig. 7 stellt einen Querschnitt dar, der acht Schnitte caudal von dem der Fig. 5 gelegen ist; er stammt demnach aus der Gegend des caudalsten Theiles der Vordermitteldarmschlinge. Die äußeren kon- centrischen Zellschichten der Splanchnopleura an dem links gelegenen Darmquerschnitte zeigen an, dass die Krümmung der Magendarm- schlinge wieder gegen die Medianlinie zurückkehrt. Rechts im Cö- lom sieht man den Querschnitt durch die Duodenalschlinge (Duod), deren Scheitel durch den Schnitt abgekappt ist; in ihrer Wand ist der Ductus choledochus (D.ch) an seiner Einmündungsstelle einge- schlossen. Der dicht geschichtete Zellenkomplex zwischen Ductus choledochus und absteigendem Schenkel der Magendarmschlinge ist der Querschnitt durch den letzten Rest des zwischen den beiden Schenkeln ausgespannten Theiles des Ligamentum hepato-entericum; ventralwärts und links davon findet sich noch Lebersubstanz (7). Das dorsale Mesenterium der Darmschlinge ist, seiner queren Lage entsprechend, der Fläche nach vom Schnitte getroffen (vgl. Text- figur 2) und beherbergt einen großen Theil des dorsalen Pankreas (Prd); diese dorsal von den Darmquerschnitten gelegene Platte bildet die caudale Begrenzung der Bursa hepato-enterica. Die Schlüsse, die sich aus den vorausgeschickten Beschreibungen ziehen lassen, sind folgende: Der Darm ist in seinem ganzen Verlaufe, sobald er caudal vom Ösophagus frei ins Cölom hineinragt, durch ein bei diesen jungen Entwicklungsstadien noch kontinuirliches dorsales Darmgekröse an der dorsalen Leibeswand befestigt. Eine Dehiscenz an der von KLaArscH beschriebenen Stelle tritt erst bei älteren Stadien auf, deren Foramen hepato-entericum schon zum Verschluss gelangt ist?. Schon bei sehr jungen Embryonen kommt es zur Anlage der Vorder- mitteldarmschlinge, die dann im Laufe der Entwicklung an Aus- dehnung immer mehr zunimmt, bis sie endlich die bedeutenden Dimensionen erreicht, die wir an erwachsenen Formen beobachten. 1 Die Vergleichung des vorstehenden Schemas wird das Verständnis der uns hier interessirenden Gekrösverhältnisse im Allgemeinen und insbesondere die Beziehung des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale zum Mesoduodenum, wie sie für dieses Entwicklungsstadium geschildert wurde, wesentlich erleichtern. Es sind nur die betreffenden Gekröstheile dargestellt. 2 Bei Axolotl findet sich diese Perforation, wie auch BRACHET gesehen hat, schon früher, so lange ein Foramen hepato-entericum noch besteht, wäh- rend Tritonen in dieser Beziehung eher mit Salamandrinen übereinstimmen. Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 273 Das ventrale Darmgekröse ist durch die Leber in zwei Theile geschieden: das Mesohepaticum anterius und das Ligamentum hepato- entericum (Mesohepaticum posterius). Die Ausdehnung und Form des - ersteren ist bei sehr jungen Embryonen nicht festzustellen, seine Anwesenheit jedoch mit Sicherheit vorauszusetzen, während es bei älteren Formen ganz oder nur theilweise (?) verschwindet und ein ähnliches Gekröse im Sinne eines Ligamentum suspensorium hepatis erst sekundär wieder gebildet wird (vgl. das Folgende, pag. 279). Das Ligamentum hepato-entericum, das sich zwischen dorsaler Leber- fläche und ventraler Darmwand ausspannt, geht eranialwärts in das Mesocardium posterius über und reicht caudalwärts bis zum Ductus choledochus, aber niemals über diesen hinaus: als seine caudale Grenze ist demnach der Ductus choledochus unbedingt festzuhalten. Die erste Anlage der Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pul- monale erfolgt schon zu sehr früher Zeit, offenbar in einer ganz ähn- lichen Weise, wie dies von den Autoren für die Amnioten beschrieben ist. Zu diesem Schlusse berechtigt wohl vollauf der Befund an dem Jüngsten oben beschriebenen Stadium. Es bildet sich wahrschein- lich! links und rechts in der mesodermalen Bekleidung des Darmes weit eranialwärts von dem Ductus Cuvieri eine Verdiekung in Form einer Falte, die durch zunehmendes Höhenwachsthum mit der dor- salen Fläche des Sinus venosus in Verbindung tritt und dadurch in Form einer Mesenterialplatte je einen Hohlraum zwischen sich und dem Darm vom übrigen Cölom abscheidet. Diese beiden Mesenterial- platten unterscheiden sich von den analogen Gebilden bei amnioten Wirbelthieren dadurch, dass sich an ihrem Aufbau nur eine doppelte Schicht Cölomepithel ohne dazwischengelagerte Membrana propria betheiligt, während bei letzteren auch nicht differenzirtes Mesodermgewebe in die Plattenbildung mit einbegriffen ist. Dieses Verhältnis zeigen bei älteren Embryonen fast alle Mesenterien, in- dem sie aus einer einfachen Kette von Cölomepithelzellen bestehen, die alternirend der einen und der anderen Cölomplatte angehören. Ein weiterer Unterschied in der Bildung der beiden Ligamente 1 In den letzten Tagen zeigte mir Herr Prof. HocHSTETTER eine frisch angefertigte Querschnittsserie eines 6 mm langen Embryo von Salamandra atra, der thatsächlich rechterseits nur eine ganz geringe Verdickung des Mesoderms an der erwähnten Stelle besitzt, ohne dass sonst eine Spur des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale zu sehen wäre. Morpholog. Jahrbuch. 23. 18 274 Paul Mathes besteht in Übereinstimmung mit Lacerta gegenüber anderen Amnioten darin, dass sich auch linkerseits das Ligamentum hepato-pulmonale sehr weit ausbildet, wenn auch seine Entwicklung langsamer erfolgt als rechts, und dass es selbst bei erwachsenen Formen in relativ größerer Ausdehnung erhalten bleibt. Dass das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale der Amphibien nicht ohne Weiteres mit dem dorsalen Lebergekröse bei Ammocoeten zu identifieiren ist, wie GOETTE es gethan hat, geht aus den topogra- phischen Beziehungen dieser Gekrösplatte zu den benachbarten Or- ganen hervor. Während sich nach GoETTE bei Petromyzonembryonen das dorsale Lebergekröse caudalwärts in der Fortsetzung der soge- nannten Parietalgekröse und von denselben ausgehend entwickelt, findet sich die Anlage des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale bei Ampbibien weit cranialwiirts von jener durch den Ductus Cuvieri gebildeten Verbindungsbrücke zwischen ventralem Gekröse (Leber) und lateraler Leibeswand, und tritt erst später im Laufe seines Wachsthums mit dem Ductus Cuvieri in Verbindung. Die beiden Lungenanlagen, die sich inzwischen gebildet haben, finden sich in den Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale eingeschlossen, indem sie deren Epithelblätter aus einander drängen; diese beginnen, wie oben geschildert wurde, durch energische Zell- wucherung die epithelialen Lungensäcke mit einer Mesodermhülle zu umgeben, so dass eine prineipielle Unterscheidung zwischen meso- dermaler Lungenanlage und den beiden Mesodermplatten, wie sie Stross bei Säugern konsequent durchgeführt wissen will, bei Am- phibien keine Anwendung finden kann. Mit dem fortgesetzten Wachs- thum der beiden Gekrösplatten in caudaler Richtung hält die Ent- wieklung der Lungensäcke ziemlich gleichen Schritt. Bis in die Gegend der Magenkrümmung geht die Ausbildung des Ligamentum hepato-pulmonale zwar langsamer als rechts, jedoch ganz gleichmäßig vor sich; der Umstand, dass der breite Fundus- theil des Magens sich weit in die linke Cölomhälfte vordrängt, hemmt das weitere Wachsthum des Ligamentum hepato-pulmonale in dem Theile, der zwischen Lunge und Leber ausgespannt ist, so dass von da an nur mehr der zwischen dorsaler Leibeswand und Lunge ge- legene Theil als Ligamentum pulmonale erhalten bleibt. Der ven- trale zwischen Leber und Lunge gelegene Theil des Gekröses er- fährt späterhin noch eine weitergehende Riickbildung, so dass bei erwachsenen Exemplaren nur mehr ein relativ kleines Stück (Fig. 8 (Z.h.p) erhalten bleibt, das nicht einmal mehr mit der Leber in Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 275 Verbindung steht!. Der linke Recessus pleuro-peritonealis (SToss) hat demnach eine nur geringe Ausdehnung in caudaler Richtung und steht mit dem übrigen Cölom zeitlebens in weiter Kommunikation. -Rechterseits erreicht bei den der Beschreibung zu Grunde gelegten Stadien auch das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale etwas cranial- wärts vom Scheitel der Duodenalschlinge ein vorläufiges Ende mit caudalwärts konkavem freien Rande, der dorsalwärts in eine Falte, die Plica venae cavae (Ravn), ausläuft. Weiter caudalwärts verläuft gegenüber und parallel mit dem freien Rande des Ligamentum he- pato-cavo-pulmonale der Theil des dorsalen Mesenteriums, der der Kuppe der Duodenalschlinge angehört und, ihrer Krümmung ent- sprechend, zu einer eranialwärts sehenden Kante geknickt ist (vgl. auch Textfigur 2, pag. 271). Zwischen diesen beiden Gebilden er- hält sich demnach in diesen Stadien noch eine Kommunikations- öffnung, die dorsal von der Plica venae cavae und ventral von Lebersubstanz begrenzt ist; es ist dies nämlich der Theil der Leber, der den Ductus choledochus umscheidet und mit der Kuppe der Duode- nalschlinge in innigster Berührung steht; dadurch wird das Liga- mentum hepato-enterieum eigentlich von der Begrenzung des Foramen hepato-entericum ausgeschlossen. Im Laufe der Entwicklung nur wenig älterer Embryonen gelangt auch der letzte Rest der Öffnung (beim letztbeschriebenen Embryo erstreckt sie sich nur mehr über drei Schnitte) zum definitiven Verschluss, indem der freie Rand des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale all- mählich mit dem ihm eaudalwärts gegenüber liegenden Darmgekröse dort, wo es die der Duodenalkrümmung entsprechende Abknickung erfährt (vgl. Textfigur 2), bis zur Leber hin verwächst. Durch diesen Verschluss des Foramen hepato-entericum bildet das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale mit dem dorsalen Darmgekröse, das dem Duodenum angehört, eine kontinuirliche Mesenterialplatte, so dass vorläufig jede Kommunikation zwischen Bursa hbepato-en- terica und übrigem Cölom aufgehoben ist. Die Grenze zwi- schen Ligamentum hepato-cavo-pulmonale und Duodenalgekröse ist durch das dorsale Pankreas markirt und auch bei erwachsenen Formen leicht festzuhalten. Die an zwei anderen von KLAATSCH genau bestimmten Stellen typisch auftretenden Perforationen des dorsalen und ventralen Darm- 1 Das Maß der Rückbildung dieses ventralen Antheiles schwankt in ge- wissen Grenzen, ohne dass man jedoch den Theil je vollkommen vermissen würde, wenn auch sein Nachweis nur mit Mühe gelingt. 18* 276 Paul Mathes gekröses stellen allerdings die Kommunikation zwischen Bursa he- pato-enterica wieder her, besitzen jedoch nur sekundäre Bedeutung. Den Zeitpunkt, an dem sie bei Salamandra auftreten, konnte ich nieht genau feststellen; keinesfalls fällt er vor den Verschluss des Foramen hepato-entericum. Auf die Verhältnisse des Ligamentum hepato - cavo - pulmonale von mir untersuchte Larven von Rana und Pelobates besaßen sämmt- lich ein noch offenes, durch den freien Rand des Ligamentum hepato- cavo-pulmonale cranial begrenztes Foramen hepato-entericum, während sich, wie auch KrAATscH erwähnt, diese Verhältnisse bei erwach- senen Formen äußerst variabel gestalten (vgl. pag. 261 vorliegender Arbeit). Daraus folgt nun weiterhin, dass also weder auf die Urodelen noch auf die Anuren die Bedingungen Anwendung finden, die KLAATSCH von einem Wirbelthiertypus verlangt, um von ihm aus die Peritonealverhältnisse bei Amnioten zu erklären. Viel eher wer- den diese Bedingungen von Lacertiliern mit freiem Rande des Liga- mentum hepato-cavo-pulmonale und persistirendem Foramen hepato- entericum erfüllt, obwohl KraArscHh dringend davor warnte, die Verhältnisse für so einfach zu halten als sie scheinen. Der Grund, warum gerade bei Amphibien der Verschluss des Foramen hepato-entericum in der Ordnung der Urodelen immer, bei Batrachiern häufig vorkommt, scheint mir in der bedeutenden und frühzeitigen Entwicklung der Vordermitteldarmschlinge zu liegen, wodurch die Duodenalschlinge und deren Gekröse so weit cranial- wärts liegt, dass das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale leicht mit ihm in Verbindung treten kann. BRACHET (28) hat zu seinen Untersuchungen über die Entwick- lung der uns hier interessirenden Gekrösverhältnisse ausschließlich Embryonen von Axolotl benutzt, die, wie wir oben gesehen haben, ein außerordentlich sprödes Untersuchungsmaterial gerade in Bezug auf die Mesenterialverhältnisse darstellen. Aus diesem Grunde musste BRACHET viel zu alte Stadien heranziehen, um überhaupt Mesenterial- platten von einander und von den ihnen anliegenden Organen ab- grenzen zu können. So führt er die Entstehung der »méso-lateraux< darauf zurück, dass die Lungen, die ursprünglich der Fläche nach mit dem Darm durch embryonales Bindegewebe verbunden sind, durch eine Ein- stülpung des Cöloms vom Darme abgedrängt werden. Gleichzeitig spricht er aber auch die Vermuthung aus, dass in dem mesodermalen Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 277 Gewebe zwischen Darm und Lungen schon vorher Spalten bestehen mögen, die sich jedoch dem sicheren Nachweise entziehen. Ganz willkürlich scheint mir ferner, dass BRACHET die Bursa hepato-enterica aus den beiden Recessus pleuro-peritoneales durch das partielle Verschwinden des Mesogastrium entstehen lässt. Diese beiden Cölomabschnitte sind prineipiell durchaus gleichwerthige Theile und als solche neben einander zu stellen; dass sie durch Perforation des Mesogastrium, das sie von einander scheidet, sekun- där in Kommunikation treten, ist für diese Auffassung kein Hinder- nis. Ganz offenbar unberechtigt ist BRAcHET’s Betrachtung der Bursa hepato-enterica bei erwachsenen Formen, bei denen man, wie aus Fig. 8 der vorliegenden Arbeit ersichtlich ist, von einem links vom Mesenterium gelegenen Antheil derselben nicht sprechen kann. Eine weitere Quelle von Irrthümern entspringt für BRACHET aus dem Umstande, dass er die Grenzen der drei am caudalen Ende der Bursa hepato-enterica zu einander in Beziehung tretenden Gekrös- platten nicht genügend priicisirt. Er spricht beispielsweise davon, dass die Vena cava inferior eine Strecke weit im Mesoduodenum verläuft, um zur hinteren Leibeswand zu gelangen. Ferner erwähnt er, dass der Hohlvenenfortsatz der Leber zwischen Ligamentum he- pato-entericum und Ligamentum hepato-cavo-pulmonale gelegen sei. Der Lebertheil, der rings um den Ductus choledochus das Ligamen- tum hepato-entericum begrenzt, ist nicht der Hohlvenenfortsatz, son- dern dieser entwickelt sich sekundär lediglich in das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale hinein. Aus demselben Grunde ist die Be- merkung unrichtig, dass das Ligamentum hepato-entericum sich cau- dalwärts ins Mesoduodenum, dorsalwärts in das Ligamentum hepato- cavo-pulmonale fortsetzt. Was nun die beiden anderen in der Einleitung besprochenen Punkte (nämlich die Entwicklung des Ligamentum suspensorium he- patis und die Verhältnisse der Mesenterien am cranialen Ende des Cöloms) anbelangt, berühren dieselben sekundäre Wachsthumsver- änderungen, die mit dem Abschluss der Perikardialhéhle vom übrigen Cölom Hand in Hand gehen und zum Theil durch die Lageverände- rung der Leber in caudaler Richtung bedingt sind. Über die Trennung der Perikardial- von der Pleuroperitoneal- höhle bei Amphibien finden sich in der Litteratur nur spärliche Be- 778 Paul Mathes richte!. GOoETTE (10) lässt sie dadurch zu Stande kommen, dass in der Höhe des eranialsten Bezirkes der Leber eine eirkuläre Falte im »parietalen Gekröse« sich erhebt und mit Leber und Lunge in Ver- bindung tritt, so dass craniale Leberfläche und die erwähnte Falte in Verbindung mit Darm und Lungen den Boden der Pericardialhöhle bilden sollen. Dabei geschieht jedoch des Raumes zwischen den be- züglichen Eingeweiden keine Erwähnung, so dass durch diese Zwi- schenräume noch Kommunikationsgänge zwischen Perikardial- und Pleuroperitonealhöhle bestehen mussten. Dass Leber und Lungen selbst in Folge der Wachsthumsverschiebungen schließlich nur mehr einen kleinen Theil des Bodens der Perikardialhöhle bilden, während der an Breite zunehmende ringförmige Theil, der aus dem »parie- talen Gekröse« entstanden ist, ihre Stelle einnimmt, hat GOETTE zwar beschrieben, über die folgenden Veränderungen bis zur Fixirung der definitiven Verhältnisse aber keine weiteren Mittheilungen gemacht. Wie schon bei der Beschreibung des dritten Entwicklungsstadiums (pag. 269) erwähnt wurde, ist die Leber mit ihrer cranial gerichteten Fläche mit der caudalen Wand der Ductus Cuvieri innig verwachsen; und zwar reicht diese Vereinigung Fig. 3. bis zum Eintritt dieser Blutleiter in die laterale Leibeswand, so dass auch die cranialsten seit- lichen Antheile der Leber mit der lateraleh Leibeswand verschmol- _ zen sind (Fig. 4). Von den bei- a a den Ductus Cuvieri aus schreitet - die Verwachsung der Leber mit der lateralen und ventralen Leibes- a= wand (Textfigur 3 5’) in zwei ven- tral und caudal gerichteten kon- vergirenden Spirallinien fort, die sich schließlich in der Mittellinie in einem Punkte treffen; dadurch wird zwischen Leber und Leibeswand ein trichterförmiger Hohlraum abgegrenzt, dessen Öffnung eranialwärts gerichtet ist. In diesem Hohlraum findet sich der Ventrikeltheil des Herzens untergebracht. Durch diesen Vorgang wird die ventral von den Ductus Cuyieri be- 1 Ganz kurz erwähnt AL» BLASCHEK (27) (Untersuchungen über Perikard, Herz, Endokard und Perikardialhöhle. Mittheilungen des embryologischen In- - stituts in Wien. 1885) eine Art des Verschlusses der Perikardialhöhle zu einer Zeit, in der ein solcher gewiss noch nicht erfolgt; im Übrigen sind seine Aus- führungen ziemlich unverständlich. Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 379 stehende Kommunikation zwischen Perikardial- und Pleuroperitoneal- höhle aufgehoben, und zwar zu einer Zeit, in der ein Foramen he- pato-entericum gerade noch besteht, wie dies bei dem ältesten oben beschriebenen Embryo (Figg. 4, 5, 6, 7) der Fall ist. Der Boden der ventralen Hälfte der Perikardialhöhle wird in diesem Stadium somit durch den ventral und etwas cranial gerichteten Oberflächenantheil der Leber gebildet. Ravn (6) bezeichnet bei höheren Wirbelthieren diesen Theil der Scheidewand zwischen Perikardial- und Pleuroperi- tonealhöhle als ventralen Theil des primären Diaphragma, eine Bezeichnung, die auch bei Amphibien unbedenklich angewendet werden kann. Der Umstand, dass sich diese beiden oben beschriebenen line- aren Verwachsungen in der Mittellinie vereinigen, ist nun von Be- deutung für die Entstehung des Ligamentum suspensorium hepatis. Von dem Vereinigungspunkte der beiden Linien, längs derer also die Leber mit der ventralen Leibeswand in Verbindung steht, ge- winnt die Anheftung der Leber an die ventrale Leibeswand immer größere Ausdehnung in caudaler Richtung, bis endlich die Verwach- sung ein Ende findet, sobald sie die gewöhnliche Ausdehnung des Ligamentum suspensorium hepatis erreicht hat. Wenn es nun schon von vorn herein aus den positiven Befunden an zahlreichen Schnittserien unwahrscheinlich sein musste, dass über- haupt ein Theil des Mesohepaticum anterius erhalten bleibt, so ge- winnt diese Voraussetzung durch den Entwicklungsmodus des Liga- mentum suspensorium hepatis eine wesentliche Stütze. Denn ein etwaiger Rest des Mesohepaticum anterius könnte nur dann zum Aufbau des Ligamentum suspensorium hepatis mit verwendet wer- den, wenn es erst caudalwärts von dem Vereinigungspunkte der bei- den Verwachsungslinien zwischen Leber und Leibeswand erhalten bliebe; und gerade in dieser Gegend lässt sich der Mangel eines sol- chen Restes des Mesohepaticum mit voller Bestimmtheit nachweisen. Aus diesem Entwicklungsgange des Ligamentum suspensorium hepatis erklärt sich auch das Verhalten der Vena abdominalis. GoETTE (10) und Hocusterrer (29) zeigten nämlich, dass die Vena abdominalis in ihrem typischen Verlaufe durch das Ligamentum sus- pensorium hepatis erst bei relativ alten Embryonen zur Beobachtung kommt, während früher das Blut der Bauchdecken direkt dem Duc- tus Cuvieri zuströmte, was ganz offenbar seinen Grund darin hat, dass das Ligamentum suspensorium hepatis erst spät zur Entwieklung kommt. 280 Paul Mathes Der vollkommene Abschluss der Perikardialhöhle von der Pleuro- peritonealhöhle nun ist nur mehr abhängig von dem Verschlusse der dorsal von den Ductus Cuvieri gelegenen Kommunikationsgänge, welche den Ductus pleuro-pericardiaci höherer Typen entsprechen; dieser Verschluss erfolgt etwas später als die Bildung der ventralen Hälfte des primären Diaphragma. Schon oben wurde erwähnt, dass die Ductus pleuro-pericardiaci durch die zunehmende Ausdehnung der beiden Lungensäcke immer mehr verengt werden. Der gänzliche Verschluss wird jedoch erst durch die allmählich erfolgende Obliteration gewisser Theile der Leibeshöhle zu einer Zeit angebahnt, in der die Bursa hepato-ente- rica bereits allseitig verschlossen ist. Diese Verödung gewisser cra- nialer Cölomtheile beginnt schon in jüngeren Stadien mit einer Ver- wachsung der seitlichen Darmtheile mit der lateralen Leibeswand in der Höhe des Sinus venosus, wodurch dorsal vom Darm, durch das dorsale Mesenterium von einander getrennt, links und rechts je ein cranial blind endigender Cölomsack abgeschieden wird (Textfigur 4 a, a‘). Diese blinden Buchten sind schon von GoETTE (10) bei der Unke beschrieben und ihre Entstehung von ihm auf die Geraderich- tung des anfänglich überstreckten Embryo zurückgeführt worden. Bei diesem Processe soll die starre Chorda dorsalis die das Cölom cranial begrenzenden Theile zurückhalten, während sich die übrigen ventralwärts liegenden Theile in caudaler Richtung verschieben. Da die Embryonen von Triton und Salamandra jedoch von vorn herein eine vollkommen gerade stäbehenförmige Gestalt besitzen, kann die von GOETTE gegebene Beschreibung dieses Entwicklungsganges bei diesen Formen nicht zutreffen, wogegen die Entstehung dieser beiden Buchten durch die sekundäre Verwachsung des Darmes mit der So- matopleura hinlänglich erklärt scheint. Diese beiden Blindsäcke sind es auch, die zur Vorniere in Beziehung stehen. Es münden nämlich die Wimpertrichter der Vorniere in diesen Leibeshöhlenab- schnitt, während von der Mittellinie aus der Glomerulus der Vor- niere in denselben eingestülpt erscheint. Indem nun caudalwärts — vom Vornierenglomerulus auf eine kurze Strecke weit eine Oblitera- tion des dorsalen Abschnittes der Leibeshöhle Platz greift, verliert der cranialste Theil des dorsalen Abschnittes der Leibeshöhle seine Verbindung mit dem übrigen Cölom und erscheint nun als Hohlraum des Mauriaui’schen Körperchens der Vorniere. Eben so wie die laterale Darmwand mit der Somatopleura ver- schmilzt, verwachsen auch die eranialen Abschnitte der Lungen mit Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 281 der seitlichen Cölomwand, so dass sie durch reichlich entwickeltes Mesodermgewebe mit dieser und dem Darm innig verbunden sind (Textfigur 4). Bei diesem Vorgange drängen die an Ausdehnung immer mehr zunehmenden Lungen die beiden Blätter der Ligg. he- pato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale gänzlich aus einander, so dass der zwischen Darm und Lunge ausgespannte Theil dieser Gekröse vollständig schwindet und in die gemeinsame Verwach- sungsmasse mit einbezogen wird (Textfigur 4). Die ventral von den Lungen gelegenen Antheile dieser Gekrösplatten treten mit einer neugebildeten Mesoderm- lamelle in Verbindung (Textfig. 4 Mhp); lateral von ihnen finden sich außerdem die beiden Re- cessus pleuro-pericardiaci, wäh- rend wir in den medial von ihnen gelegenen Cölomspalten die beiden Recessus pleuro-peritoneales er- kennen. Die Mesodermplatte nun, auf die die Ligg. hepato-cavo-pulmo- nale und hepato-pulmonale ventralwärts auslaufen, verdankt ihre Entstehung der Wanderung der Leber in caudaler Richtung. Bei dieser Ortsveränderung muss sich ja die Leber von den Ductus Cu- vieri entfernen und zieht, da sie mit diesen verwachsen ist, zwischen sich und den letzteren eine Platte aus, die eben so wie die cranialen seitlichen Theile der Leber mit der lateralen Leibeswand in Ver- bindung steht. Der Ventrikeltheil des Herzens, der früher haupt- sächlich dem ventral und cranial gerichteten Antheil der Leberober- fläche auflag, kommt nun auch zum großen Theil auf diese Mesen- terialplatte zu liegen. Da diese Platte demgemäß einen weiteren Bestandtheil des Bodens der Perikardialhöhle ausmacht und anderer- seits mit der Leber in direktem Zusammenhang steht, soll sie fernerhin Membrana hepato-pericardiaca genannt werden. Die fortgesetzte Weiterbewegung der Leber in caudaler Richtung bedingt, dass die Abschnürung der Leber von den mit ihr in Verbindung stehenden Theilen in immer weiterer Ausdehnung erfolgt, so dass sie ihre Be- theiligung an der Bildung des primären ventralen Diaphragmas voll- ständig aufgiebt. An ihre Stelle ist in Folge dieses Abschnürungs- Fig. 4. 282 Paul Mathes vorganges eine mesodermale Platte getreten, die sowie urspriinglich die Leber, an den oben besprochenen spiraligen Verwachsungslinien an der ventralen Leibeswand haftet. Mit dieser Platte steht die Leber nur mehr durch die Membrana hepato-pericardiaca und durch das Ligamentum suspensorium hepatis in Verbindung. Das sekun- dire ventrale Diaphragma besteht somit aus zwei Theilen, die einem gemeinsamen Entwicklungsmodus ihre Entstehung verdanken; diese beiden Theile sind: die obere Hälfte der Membrana hepato- pericardiaca und ventral davon die Mesodermplatte, die an der ventralen Leibeswand angeheftet ist. Die Grenze zwi- schen den beiden Antheilen ist an der caudalen Fläche des sekun- dären ventralen Diaphragma durch den Ansatz des caudalen Restes der Membrana hepato-pericardiaca zu erkennen pies. (Taf. XIX Fig. 8 und Textfigur 5). Von der mr Membrana hepato-pericardiaca caudalwärts ent- wickeln sich alsbald an jeder Seite der Leber in der Fortsetzung der Membrana hepato-peri- cardiaca zwei Mesodermfalten, die die seitlichen Leberränder an die laterale Leibeswand befesti- gen und eine ziemlich bedeutende Ausdehnung | gewinnen (Taf. XIX Fig. 8 und Textfigur 3); sie sollen laterale Lebergekröse genannt werden. Kehren wir nun wieder zur Betrachtung der Beziehungen zurück, in denen die Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale zur Leber und den angrenzenden Theilen stehen, so ist es klar ersicht- lich, dass die ventralen Insertionslinien dieser beiden Gekrösplatten von der dorsalen Wand des Sinus venosus und der Duetus Cuvieri erst über die hintere Fläche der Membrana hepato-pericardiaca ziehen müssen, um zur Leber zu gelangen; und zwar rückt dabei die ventrale Insertionslinie des Ligamentum hepato-pulmonale rasch lateralwärts ab, bis sie endlich die laterale Leibeswand erreicht hat, während das Liga- mentum hepato-cavo-pulmonale eine mehr schräge Verlaufsrichtung beibehält. Dadurch giebt sich jetzt schon eine gewisse Asymmetrie kund im Verlaufe der beiden Gekrösplatten und in der Ausdehnung der beiden Recessus pleuro-pericardiaci (vgl. Textfigur 4); nichtsdesto- weniger erfahren jedoch beide Ductus pleuro-pericardiaci eine relativ gleichmäßige Verengerung durch das Verhalten der noch freien An- theile der Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale, bis schließlich ihre endgültige Obliteration dadurch zu Stande kommt, dass endlich der letzte freie Rest der beiden Gekrösplatten mit den Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 283 anliegenden Theilen verwächst: und zwar das Ligamentum hepato- pulmonale mit der seitlichen Leibeswand und das Ligamentum he- pato-cavo-pulmonale mehr der Fläche nach mit der Membrana hepato- pericardiaca und auch mit der lateralen Leibeswand. Somit ist der gänzliche Abschluss der Perikardial- von der Pleuroperi- tonealhöhle endgültig erfolgt. Bezüglich der Vena cava inferior ist die Membrana hepato-pericardiaca von ähnlicher Bedeutung wie für die Insertion der Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pul- monale, in so fern sie auch hier als Brücke für die Vene dient, um ihr den Übertritt von der Leber zum Sinus venosus zu ermöglichen; und zwar verläuft die Vena cava in der linken Hälfte der Mem- brana hepato-pericardiaca eranialwärts in gerader Richtung zum Sinus venosus. Dass sich an dem Verschlusse der Ductus pleuro-pericardiaci bei Amphibien die Ductus Cuvieri nicht unmittelbar betheiligen, geht aus der gegebenen Beschreibung hervor, indem die endgültige Verwach- sung der entsprechenden Theile erst in der Höhe der Membrana hepato-pericardiaca als caudal von den Ductus Cuvieri erfolgt. Nach den Mittheilungen Ravn’s und Anderer spielen bei den kongruenten Vorgängen in Säugethieren die Ductus Cuvieri selbst eine hervor- ragende Rolle. Aus diesen komplieirten Verhältnissen erklärt sich auch die An- sicht KLAATscH’s, die dahin geht, dass das Leberhohlvenengekröse erst am Parietalgekröse (worunter er augenscheinlich schlechtweg die das craniale Ende der Pleuroperitonealhöhle abschließende Platte des Diaphragma zu verstehen scheint) seinen Ursprung nimmt. Die Verwachsung der Lungen und der Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale einerseits mit der lateralen Leibeswand und der Membrana hepato-pericardiaca andererseits reicht nämlich nur bis annähernd zum Niveau der eranialen Leberfläche; dort erscheinen die Gekrösplatten wieder frei (auf Fig. 8 Taf. XIX ist dieser Punkt aus der Knickung, die die beiden Platten in der Tiefe erfahren, er- sichtlich) und ihre ventralen Insertionslinien rücken, caudalwärts ver- folgt, indem sie auf die lateralen Lebergekröse übergehen (Fig. 8), gegen die Mittellinie vor, bis sie schließlich die seitlichen Leber- ränder erreichen. Das Verhalten des zwischen dorsaler Leibeswand und linker Lunge erhaltenen Theiles des Ligamentum hepato-pulmonale unter- liegt in seiner Ausbildung in späterer Zeit einigen individuellen Schwankungen, indem es einmal vollständig frei bleibt, ein anderes 284 Paul Mathes Mal mehr oder minder ausgedehnte Verwachsungen mit der linken Fläche des dorsalen Darmgekröses eingeht; ja bei einzelnen Exem- plaren fand ich es sogar mit der Milz verwachsen. Gleichzeitig mit den eben geschilderten Vorgängen spielen sich im Bereiche der Perikardialhöhle selbst noch einige geringfügige Veränderungen ab, die zu den definitiven Verhältnissen, wie wir sie bei erwachsenen Formen finden, direkt hinüberführen. Sie mögen zum Schlusse noch in Kürze erwähnt werden. Zunächst verwächst die hintere Wand des Ventrikels an einem Punkte mit dem ihr anliegenden Ductus Cuvieri dexter. Von diesem Punkte aus breitet sich in caudaler Richtung allmählich eine der Fläche nach sich ausdehnende Verwachsung zwischen dorsaler Ven- trikelwand und ventraler Fläche der Membrana hepato-pericardiaca aus, so dass diese beiden Theile in direkter Verbindung mit ein- ander stehen. Auf dem Wege dieser Anheftung zieht in deren cra- nialem Rande die Bulbusvene, in die sich das Blut des Bulbustheiles des Herzens ergießt, zum Ductus Cuvieri dexter (Textfigur 6 Bo). In Folge dieser Verschmelzung ge- winnt es den Anschein, als spann- ten sich zwischen hinterer Ventri- kelwand und der seitlichen Wand der Perikardialhéhle links und rechts je eine Mesodermplatte aus, in deren cranialwirts freiem Rande die Ductus Cuvieri verlaufen. Wir haben früher gesehen, dass die Ligg. hepato-cavo-pulmo- nale und hepato-pulmonale erst ziemlich weit caudal von den Ductus Cuvieri mit der lateralen Leibes- wand verwachsen; dadurch entstehen dorsal von den Ductus Cuvieri und von der Membrana hepato-pericardiaca zwei caudalwärts ge- schlossene, blindsackförmige Ausbuchtungen der Perikardialhöhle, die Reste der Ductus pleuro-pericardiaci (Textfigur 4 Rplps und Rpipd). Diese beiden Blindsäcke sind durch eine Scheidewand von einander getrennt. Diese Scheidewand endigt eranialwärts in der Höhe der Ductus Cuvieri mit einem konkaven freien Rande, so dass sie auf dem Schnitte der Textfigur 6 noch nicht zu sehen ist; sie besteht aus drei Mesodermplatten, die sich gegen den Rand zu einer einheit- lichen Zellmasse vereinigen (Textfigur 7Vp). Diese drei Blätter sind: I Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 285 der craniale Antheil des als Ligamentum hepato-entericum bezeich- neten ventralen Darmgekröses (Textfigur 8 Lhe) und die Ligg. hepato- cavo-pulmonale und hepato-pulmonale, die in dieser Gegend ihren eranialen Ursprung -nehmen (Textfigur 8 Licp, Lhp); zwischen den beiden letzteren befinden sich, durch das Ligamentum hepato-enteri- cum von einander getrennt, die cranialen blinden Enden der Recessus Fig. 7. Fig. 8. ED pleuro-peritoneales (Stoss), während lateralwärts die Recessus pleuro- pericardiaci gelegen sind. Die Ausläufer der beiden nun getrennten Leibeshöhlentheile sind somit in entgegengesetztem Sinne blind ge- schlossen und von einander durch die Ligg. hepato-cavo-pulmonale und hepato-pulmonale geschieden (vgl. Textfigur 9 pag. 286). Die Scheidewand zwischen den beiden Ausbuchtungen der Peri- kardialhöhle liegt nicht genau in der Mittelebene, wie es die ver- schiedene Verlaufsrichtung der Ligg. hepato-cavo-pulmonale und he- pato-pulmonale bedingt (vgl. pag. 282), so dass die rechtsseitige Ausbuchtung die geräumigere ist (vgl. Textfigur 7) und auch später- hin bleibt. Im cranialen freien Rande der Scheidewand verläuft die Vena pulmonalis (Textfigur 7 Vp), die das ventrale Darmgekröse benutzt, um von den Lungen zum Sinus venosus zu gelangen, an welchen sie sich in ihrem weiteren Verlaufe anlagert (vgl. auch Textfigur 6 Vp). Bei der stetigen Massenzunahme des Blutes dehnt sich im wei- teren Verlaufe der Entwicklung der Vorhofstheil des Herzens so bedeutend aus, dass er sich in die beiden blinden Buchten der 286 Paul Mathes Perikardialhöhle hineindrängt und dieselben auf Kosten ihrer Tiefe ausweitet; dabei wird die Scheidewand zwischen ihnen immer nie- driger, so dass auch die Ausdehnung der Recessus pleuro-perito- neales in eranialer Richtung eine bedeutende Abnahme erfährt (vgl. Textfiguren 9 und 10, auf denen in schematischer Weise die Verhält- nisse, wie sie sich auf Frontalschnitten darstellen würden, angedeutet une: Fig. 10. | ae //N Inn. | URN i: N Br S hp KN = Sr - Lhe. sind; das Lumen der Perikardialhöhle ist von rechts nach links, das der Pleuroperitonealhöhle von links nach rechts schraffirt). Der Bogen, den die Vena pulmonalis in ihrem Verlaufe bildet, wird an Konkavität in gleichem Maße zunehmen müssen. Die Scheidewand zwischen Perikardial- und Pleuroperitonelhöhle besteht somit aus zwei durch die Ductus Cuvieri geschiedenen An- theilen: aus dem sekundären ventralen Diaphragma, das durch die Abschniirung der Leber von den mit ihr verwach- senen Gebilden entstanden ist, und aus dem dorsalen An- theile, der durch die Ligg. hepato-cavo-pulmonale und he- pato-pulmonale gebildet wird. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass die Art des Ver- schlusses der Perikardialhöhle bei Amphibien in manchen Punkten von der Art des Verschlusses abweicht, wie ihn RAavx für Säuge- thiere beschreibt, wenn auch die parallelen Vorgänge in den Haupt- zügen viel Gemeinsames erkennen lassen. Eine Vermittelung zwischen den bezüglichen Entwicklungsstufen wird sich wohl durch die Unter- suchung der Verhältnisse bei Reptilien, wie sie Ravn in Aussicht gestellt hat, erwarten lassen. Schließlich drängt es mich, den Herren Professoren ZUCKERKANDL - und HocHSTETTER für das freundliche Entgegenkommen und die thatkräftige Unterstützung, die ich jeder Zeit fand, bestens zu danken. Wien, April 1895. Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. 287 Litteraturverzeichnis. 1) Jou. MÜLLER, Uber den Ursprung der Netze und ihr Verhältnis zum Peri- tonealsacke beim Menschen, aus anatomischen Untersuchungen an Em- bryonen. MECKEL’s Archiv. 1830. 2) C. ToLpt, Bau und Wachsthumsveränderungen der Gekröse des mensch- lichen Darmkanals. Denkschriften der mathem.-naturwiss. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Wien 1879. 3) —— Die Darmgekröse und Netze in ihrem gesetzmäßigen und gesetzwidri- gen Zustande. Ebenda 1889. 4) —— Maßgebende Gesichtspunkte in der Anatomie des Bauchfelles und der Gekröse. Ebenda 1889. 5) E. Ravn, Über die Richtung der Scheidewand zwischen Brust- und Bauch- höhle in Säugethierembryonen. Biolog. Centralblatt. Bd. VII. 6) —— Über die Bildung der Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle in Säugethierembryonen. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1889. 7) —— Untersuchungen über die Entwicklung des Diaphragma und der be- nachbarten Organe bei den Wirbelthieren. Ebenda. 8) C. K. Horrmann, Dr. H. G. Brony’s Klassen und Ordnungen des Thier- reichs. Bd. VI. 3. Abth. III. Schlangen und Entwicklungsgeschichte der Reptilien. 9) Jos. OELLACHER, Uber die erste Entwicklung des Herzens und der Peri- kardial- oder Herzhöhle bei Bufo einereus. Archiv für mikr. Anatomie Bd. VII. 1871. 10) ALEX. GOETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 11) —— Untersuchungen über die Entwicklung des Bombinator igneus. Archiv für mikr. Anatomie. 1869. 12) —— Entwicklungsgeschichte des Flussneunauges (Petromyzon fluviatilis). Hamburg und Leipzig 1890. 13) F. HOCHSTETTER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. I. Hühnchen. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIII. 1888. 14) —— Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. II. Reptilien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten III. Säuger. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. 16) —— Uber das Gekröse der hinteren Hohlvene. Anatom. Anzeiger. 1888. 17) H. KLAATSCH, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbelthiere. Morphol, Jahrbuch. Bd. XVIII. 2 18) —— Zur Beurtheilung der Mesenterialbildungen. Entgegnung an Herrn Professor ToLpT. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. 19) Ant. Stross, Untersuchungen über die Entwicklung der Verdauungsorgane, vorgenommen an Schafsembryonen. Aus dem anatomischen Institut der thierärztlichen Hochschule in München. Inaugural-Dissertation. : Leipzig 1892. 20) C. B. Lockwoop, The development of the great omentum and transverse mesocolon. The journal of Anatomy and Physiology normal and pathol. Vol. XVIII. 15) 288 Paul Mathes, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei en. 21) E. GÖPPERT, Die Entwicklung und das spätere Verhalten des Pankreas der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVII. 22) Hıs, Anatomie menschlicher Embryonen. 23) P. Martin, Zur Entwicklung der Bursa omentalis und der Mägen beim Rinde. Österr. Monatsschrift für Thierheilkunde. Wien 1890. 24) MAURER, Die erste Anlage der Milz und das Auftreten von lymphatischen Zellen bei Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVI. 25) Uskow, Über die Entwicklung des Zwerchfells, des Perikards und des Cö- loms. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXII. 1883. 26) C. Ras, Uber die Bildung des Herzens der Amphibien. Morphol. Jahrbuch, Bd. XII. 1887. 27) ALB. BLASCHEK, Untersuchungen über Herz, Perikard, Endokard und Peri- kardialhöhle. Mittheilungen des embryologischen Instituts in Wien. 1885. 28) Aus. BRACHET, Recherches sur le développement de la cavité hépato-enté- rique de l’Axolotl et de l’arriére-cavité du péritoine chez les Mammi- féres (Lapin). Extrait des Archives de Biologie, publiés par MM. Ep. VAN BENEDEN et CH. VAN BAMBEKE. Tome XIII. 1893. 29) F. HocHSTETTER, Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salaman- dra maculata. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXI. Heft 1. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Cf Gallenblase, Lhp Ligamentum hepato-pulmonale, D Darm, Ish Ligamentum suspensorium hepatis, D.C Duetus Cuvieri, M Mesenterium dorsale, D.h Ductus hepaticus, Mhp Membrana hepato-pericardiaca, Duod Duodenum, P Lunge, fhe Foramen hepato-entericum, Pr Pankreas ventrale, H Leber, Prd Pankreas dorsale, Lhep Ligamentum hepato-cavo-pul- Sv Sinus venosus, monale, Ve Vena cava, Ihe Ligamentum hepato-entericum, Vp Vena portae. Figg. 1 und 2 sind abgebildet nach Schnitten einer Querschnittserie von Sala- mandra maculata. Fig. 3 ist nach einem Schnitte aus der Gegend der Vordermitteldarmschlinge aus einer Serie von Salamandra atra gezeichnet. Figg. 4,5, 6 und 7 sind abgebildet nach Schnitten einer Querschnittserie von Salamandra atra. Fig. 8. Ansicht des cranialen Abschnittes der Pleuroperitonealhöhle; das be- treffende Präparat stammt von einem erwachsenen Exemplar von Sala- mandra maculata. = > ay ; Morpholog. Jahrbuch Bd. XXUT Taf, XIX. £ 7 Uber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Von Otto Grofser und Ernst Brezina, stud. med. stud. med. (Aus dem ersten anat. Institut des Herrn Prof. E. Zuckerkandl in Wien.) Mit Tafel XX und XXI. Uber die Entwicklung der Venen im Gebiete des Halses und Kopfes bei Reptilien finden sich bloß in der Arbeit Raruke’s über die Entwicklung der Natter ausführlichere Angaben. Dieses Buch, das überhaupt zuerst ein klares Gesammtbild der Entwicklung eines Reptils gab, brachte auch eine Fülle von Beobachtungen über die Bildung des Gefäßsystems. Speciell die Entwicklung der Kopfvenen erfuhr eine ausführliche Darstellung. Nun war aber gerade dieses Gebiet für RATHKE sehr schwer zu bearbeiten. Er musste an leben- dem Materiale mit der Lupe beobachten; um so bewunderungswür- diger ist seine besonders in Bezug auf die Hirnvenen in allem Wesentlichen richtige Darstellung. Freilich hat RATHKE namentlich über junge Embryonen nur sehr spärliche Angaben gemacht. Nun ließ sich aber nach den mit Hilfe der modernen Technik gewonnenen Ergebnissen vergleichend-entwicklungsgeschichtlicher und anatomi- scher Beobachtungen eine Reihe von wichtigen Vorgängen und Ver- änderungen im Gebiete des Kopfvenensystems der Reptilien und Säuger gerade in jungen Entwicklungsstadien voraussetzen, die frei- lich RaTHKE mit seinen primitiven Hilfsmitteln nicht in der Lage war nachzuweisen. Auf Grund dieser Voraussetzungen nun hat Herr Prof. Hocx- - STETTER uns die Anregung zu vorliegender Arbeit gegeben, die um Morpholog. Jahrbuch. 23. 19 29() Otto Großer und Ernst Brezina, so sicherer ein positives Ergebnis zu liefern versprach, als schon beim Beginne derselben die jetzt gleichzeitig erscheinenden Unter- suchungen H. Sauzer’s (14) an Säugethieren, die auch für diese Vertebratenklasse tiefgreifende Umgestaltungen des primitiven Kopf- venensystems festgestellt haben, in ihren Hauptzügen zu Ende ge- führt waren. In dieser Arbeit SALZEr’s wird man auch in einer Übersicht über die Litteratur das über die Entwicklung und Umbil- dung der vorderen Cardinalvene bei den einzelnen Vertebratenklassen bereits Bekannte zusammengestellt finden. Die von uns ausgeführten Untersuchungen wurden an den zwei bestbekannten Vertretern der Reptilien, an Lacerta agilis und Tropido- notus natrix, in der Weise vorgenommen, dass jeder von uns eines dieser Thiere mit Rücksicht auf die Entwicklung seiner Kopfvenen verfolgte. Es sei hier zunächst die Methode der Untersuchung in Kürze angegeben. Die in Pikrinsublimat (RAgL) fixirten Embryonen wurden in CzoxKor’s Koche- nillealaun oder in P. MAveEr’s Hämalaun gefärbt und in Sagittalserien zerlegt, die Schnitte wurden mit AgpE's Zeichenapparat gezeichnet und aus den Schnitt- bildern Profilkonstruktionen (Pauskonstruktionen) angefertigt. Außerdem wur- den einzelne Embryonen parallel dem Nachhirndach geschnitten, um bestimmte Verhältnisse überzeugender zur Darstellung zu bringen. Zum Studium der de- finitiven Verhältnisse bei Reptilien überhaupt wurden erwachsene Exemplare verschiedener Formen präparirt. Bei einer Zusammenfassung der Angaben RATHKE’s über die Natter (11) finden wir, wie bereits Eingangs erwähnt, dass er vor Allem Embryonen in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen hat, die bereits ziemlich weit entwickelt waren. An den jüngsten von ihm beobachteten Embryonen mit zwei Paaren von Kiemenspalten und drei Aortenbogen, von welchen der letzte noch sehr schwach ar, beschreibt er »zwei Venen« (rechts und links eine), die »von vom dicht über den Visceralfortsätzen, zwischen diesen und den Ge- hörbläschen in der Leibeswand zum Herzen verlaufen. Später, am Ende der ersten Entwicklungsperiode!, soll sich die V. jugularis, die ! RATHKE unterscheidet nämlich in der Entwicklung der Natter vier Pe- rioden, von welchen die erste »bis zum Erscheinen sämmtlicher Kiemenspalten und der Verschließung des Darmnabels<, die zweite dann »bis zur Verschließung aller Kiemenspalten«, die dritte wieder »bis zu der Färbung der Hautbedeckun- gen«, die vierte endlich »bis zur Abstreifung der Eihüllen« reicht. Wir werden im Laufe unserer Darstellung bei den einzelnen Embryonen anführen, welcher Periode RATHKE’s dieselben entsprechen. Uber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 291 er übrigens der V. jugularis externa des Menschen homologisirt, aus zwei Ästen zusammensetzen, von denen einer aus dem Gesichtstheile des Kopfes hervorgeht, V. facialis, ein anderer vom Gehirne sein Blut bezieht, V. cerebralis. Diese letztere Vene lässt RarukE aus dem Zusammenflusse der Anlagen des Sinus transversus und Sinus cavernosus entstehen, von welchen der erste, mit einer vorderen und einer hinteren Wurzel auf dem Zwischenhirndache entspringend, seit- lich vom Gehirn herabzieht, der andere von der Gehirnbasis her- kommt. Die Gesichtsvene soll mit mehreren Ästen ober- und unter- halb des Auges entspringen und dann in der Seitenwand des Kopfes verlaufen; die Hirnvene soll der Gesichtsvene parallel innerhalb der Schädelhöhle in den Hirnhäuten caudalwärts ziehen. Sie soll auch vor dem Hörbläschen noch »von oben« (von der dorsalen Seite des Hirnrohres) einen Zweig, den Sinus petrosus (superior) aufnehmen. Gesichts- und Hirnvene verbinden sich »dicht vor der Ohrkapsel nahe der Grundfläche der Hirnschale«, und zwar außerhalb derselben, zur V. jugularis.: In späteren Stadien (dritte Periode) schien RATHKE der Austritt der V. cerebralis aus der Schädelhöhle mit dem Durch- tritt des N. trigeminus zusammenzufallen. Die, wie erwähnt, vor dem Gehörorgane entstandene Jugularvene nimmt dann noch Venen hinter dem Ohre auf, von welchen eine später zum Sinus oceipitalis (posterior) ausgebildet wird. Der Sinus transversus liegt Anfangs so, dass bei der Betrach- tung von außen das untere Stück vom Auge verdeckt wird. Später, im Laufe der dritten Periode, entfernt er sich von demselben, indem das Auge nach vorn rückt, so dass er schließlich eine geraume Strecke hinter demselben verläuft. Inzwischen bilden sich auf dem Gehirndache in der Medianebene durch Ausweitung kapillarer Ana- stomosenketten und durch Verschmelzung von sagittal verlaufenden Wurzelzweigen der abführenden Hirnvenen Längssinus aus, von RATHKE Sinus longitudinalis und Sinus perpendieularis (Sinus quar- tus) genannt; der erste liegt nasal, der andere caudal von der Epi- -physe; und dieser zerfällt in zwei Abschnitte, deren Grenze der Abgang: des Sinus petrosus bildet. Mit der fortschreitenden Ent- wicklung dieser Längssinus geht die Rückbildung des Sinus trans- versus einher, der schließlich (während der vierten Periode) in der Mitte unterbrochen wird, während das proximale und das distale Ende als Hirnvenen erhalten bleiben. 19* 2923 Otto Großer und Ernst Brezina Es mögen nun zunächst unsere Beobachtungen an Tropidonotus mit denen RATHKE's verglichen und die dabei gewonnenen Resultate durch die Beschreibung der wichtigsten Entwieklungsstadien der Eidechse ergänzt werden. Um die successiven Umbildungen des primären Kopfvenensystems leichter überblicken zu können, sei dann auch, wenn nöthig, auf die zwei für die oben genannten Unter- suchungsobjekte entworfenen Schemen (Fig. 1 und 2) verwiesen. Bei ganz jungen Schlangenembryonen (Serie XXIII)!, bei denen noch keine Kiemenspalte durchgebrochen ist, bei welchen die Ein- stülpung der primären Augenblase eben beginnt, Linse und Hörbläs- chen erst als Epithelverdickungen erscheinen und nur ein Aorten- bogen gebildet ist, lässt sich im Gebiete des Kopfes noch keine Venenbahn nachweisen. Die Ganglienleiste bildet noch eine konti- nuirliche Zellkette, und die bei Tropidonotus zwischen Augenblase und Aortenbogen gelegene paarige Kopfhöhle besitzt einen größten Durchmesser von etwa 40 p. Erst bei einem älteren Embryo (Serie IX) finden sich venöse Ge- fäße im Kopfgebiete. Auch der zweite Aortenbogen hat sich inzwi- schen gebildet; die erste Kiemenspalte ist bereits durchgängig, wäh- rend am Grunde der zweiten Kiemenfurche Ektoderm und Entoderm einander berühren und die Schlundbucht der dritten Kiemenspalte angelegt ist. Die Kopfhöhlen sind bei diesem Embryo schon ver- schwunden. Das Linsensäckchen ist zwar geschlossen, aber noch nicht vom Ektoderm abgeschnürt. Die Hemisphärenbläschen beginnen sich zu entwickeln. Von einer Faltung des Rautenhirnbodens ist noch fast nichts zu sehen. Die Zellen der Ganglienleiste haben sich vor dem Hörbläschen in zwei Gruppen geordnet, von welchen die vordere, an der lateralen Fläche des Hinterhirns gelegen, der An- lage des Trigeminusganglion entspricht, während die hintere, die dicht vor dem Hörbläschen liegt, die Anlage des Facialis-Acusticus- Ganglion bildet. Ventral und lateral von Vorder- und Mittelhirn erstrecken sich nun venöse Blutbahnen mit unregelmäßig geformten Wandungen, die sich in einem größeren Blutraume ventral und cranial von der An- lage des Trigeminus vereinigen. Von da setzen sie sich in ein Ge- fäß fort, das ventral von den Ganglien und vom Labyrinthbläschen, dem Hirnrohre dicht anliegend, caudalwiirts verläuft, um in der ! Wir benennen die Embryonen nach der Nummerirung unserer Serien und späterhin auch nach der Nummer der Abbildung, die wir von ihnen geben. UL Zu Se a Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 293 Gegend der Nackenbeuge ventralwärts abzubiegen, die Aorta an deren lateraler Seite zu kreuzen und in den Ductus Cuvieri zu mün- den. In unserem Schema für Tropidonotus, Fig. 1, entspricht dieses Gefäß der schraffirten longitudinalen Kopfvene, deren erstes Stück mit v.ca. bezeichnet ist; wir wollen dieses Gefäß, die älteste Vene des Kopfgebietes, als vordere Cardinalvene, V. cardinalis anterior, bezeichnen. Bei einem etwas älteren Embryo als dem der Serie IX (SerieXVII, Fig. 5) sprosst vom Truncus arteriosus ein caudalwärts verlaufendes Gefäß hervor, das an zwei Stellen (X und X X) Erweiterungen zeigt, an den Abgangsstellen des späteren dritten und vierten Aortenbogens. Die zwei ersten Kiemenspalten sind durchgebrochen, im Bereiche der späteren dritten berühren sich Ektoderm und Entoderm; die Schlundbucht der vierten ist angedeutet. Die venöse Blutbahn des Kopfes, die Cardinalvene (v.ca.), reicht hier eranialwärts schon bis an die laterale Fläche des Zwischenhirns. In ihrem Verlaufe erhält die Vene als einzigen nennenswerthen Zufluss noch vor dem Trige- minus die in der Abbildung ersichtliche, später nicht mehr nach- weisbare Vene (Bv.) von der Mittelhirnbasis. Außerdem besitzt die Cardinalvene vor der Facialisanlage eine schwache dorsal gerichtete Ausbuchtung, die, wie sich später ergeben wird, mit Rücksicht auf die Entwieklung einer der Hirnvenen von Bedeutung ist. Am Hirnrohre treten die Hemisphärenbläschen deutlicher hervor als im früher beschriebenen Stadium. Die Faltungen des Rauten- hirnbodens sind jetzt so ziemlich in derselben Ausbildung und Deut- lichkeit zu erkennen, wie sie BERANECK (2) für etwa gleich weit entwickelte Embryonen von Lacerta beschreibt. Von Nerven sind der Trigeminus (V), der Facialis- Acustieus (VII —VIII) und der Glossopharyngeus (IX) aus der Ganglienleiste gesondert angelegt. Die Anlagen, von noch rein zelligem Charakter, sind nicht unwesent- lich größer als im Stadium der Serie IX. Die Anlage des Trige- minus erstreckt sich von ihrem Ursprung aus der Rautenhirnbreite lateral- und ventralwärts!; und in ähnlicher Weise zieht von der Anlage des Facialis-Acusticus eine Zellkette ventralwärts, deren Elemente sich später zum Ganglion genieuli gruppiren. Auch das 1 Im eranialen Theile dieser Anlage ist die Anordnung der Zellen am dichtesten; offenbar finden dort, im Zusammenhang mit der Anfangs weit über- wiegenden Ausbildung des orbitalen Trigeminusastes, sehr rege Wachsthums- vorgänge statt. 294 Otto GroBer und Ernst Brezina Labyrinthbläschen hat sich vergrößert und erstreckt sich jetzt weiter ventralwärts als früher. Alle diese Gebilde treten in interessante topographische Be- ziehung zur Cardinalvene. Diese ist durch die Entwicklung der Hirnnervenganglien in ihrem dorsoventralen Durchmesser etwas ein- geschränkt worden; gleichzeitig erstrecken sich aber Trigeminus, Facialis und Hörbläschen auch schon an ihrer lateralen Seite ven- tralwirts. Das Gefäß wird in Folge dessen gezwungen, sich an das Medullarrohr sehr knapp anzulegen; und da die Faltungen des. Rautenhirnbodens auch an der äußeren Oberfläche des Hinterhirns sich durch Einziehungen markiren, so schmiegt sich die Vene sogar in diese Einziehungen ein. Diese letztere Erscheinung findet in unserer Abbildung ihren Ausdruck in dem wellenförmigen dorsalen Kontour der Vene im Bereiche des genannten Hirnabschnittes. Nur wenig älter als der Embryo der Fig. 5 waren die jüngsten von RATHKE untersuchten Exemplare. Denn während wir in Fig. 5 den dritten Aortenbogen als schwache Erweiterung eines vom Trun- cus arteriosus ventralwärts verlaufenden Gefäßstammes angelegt finden, besaßen RATHkE’s Embryonen einen zwar schon vollständi- sen, aber noch sehr schwachen dritten Bogen. Vergleichen wir nun unseren Befund mit den Angaben RATHKE's, so muss auffallen, dass RATHKE offenbar die Vene des Kopfes viel zu nahe an die Körper- oberfläche (»in die Leibeswand«) verlegt. Sie liegt aber nicht dort, sondern dicht am Hirnrohre, nicht »zwischen Visceralfortsätzen und (sehörbläschen«, sondern medial von diesem und den Hirnnerven. Bei Embryonen, bei welchen der dritte und der vierte Aorten- bogen sich ausbilden, treten nun eine Reihe wichtiger Veränderungen in die Erscheinung, die zu Verhältnissen hinüberleiten, wie sie der Embryo der Fig. 6 darbietet. An der Hand: des Schemas Fig. 1 sind diese Veränderungen leicht zu verstehen; sie hängen innig zu- sammen mit der Entwicklung des Nervensystems, die bei der Er- klärung der Fig. 6 etwas ausführlicher dargestellt werden soll. Nur so viel sei hier im Vorhinein bemerkt, dass zunächst der erste Ast des Trigeminus, der Facialis und der Glossopharyngeus rasch heran- wachsen und der letztere durch eine starke Kommissur mit dem Ursprungsgebiete des Vagus in Verbindung tritt. Alle Nerven liegen lateral von der Cardinalvene und ihren beiden Wurzelzweigen. Diese Vene entsteht nämlich jetzt aus zwei Ästen, deren Verlauf wir am besten schon hier unter Bezugnahme auf Fig. 6 darstellen wollen. Die eine, vom Zwischenhirndache, aus der Gegend der späteren Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 295 Zirbelanlage kommend, ist eine Hirnvene (v.ce.a.); sie sieht bei jungen Embryonen aus wie eine Verlängerung der Cardinalvene; wir wählen für sie den Namen V. cerebralis anterior. Die zweite Vene, die Blut aus dem Auge und dessen Umgebung bezieht, aber vorläufig noch bedeutend schwächer ist als die Hirnvene, wollen wir mit Rücksicht auf ihr späteres Verhalten V. orbitalis inferior (v.o...) nennen. Die V. cerebralis anterior nun kreuzt in ihrem Verlaufe den ersten Ast des Trigeminus, wie dies auch im Schema ersichtlich ist (V, und v.ce.a.). Anfänglich liegt sie medial vom Nerven; sehr bald aber entsteht durch Ausweitung capillarer Anastomosen ein neues, lateral vom Nerven verlaufendes Gefäß, das proximal und distal von dem- selben mit der ursprünglichen Vene verbunden ist. In kurzer Zeit seht dann der ältere mediale Abschnitt des so entstandenen Ringes zu Grunde, so dass nur die laterale, im Schema etwas breiter ge- zeichnete Bahn erhalten bleibt. Es gelang uns zwar nicht, das Be- stehen dieser Ringbildung bei Tropidonotus direkt nachzuweisen; offenbar erhält sie sich eben nur ganz kurze Zeit; doch fand sich ein Stadium mit dieser Ringbildung bei Lacerta. Ein ähnlicher Vorgang findet jetzt auch in der Gegend des Hörbläschens statt. Lateral von diesem und dem Facialis entsteht eine Venenbahn, die vor dem Nerven aus der Cardinalvene abgeht und hinter dem Hörbläschen wieder in dieselbe zurückkehrt. Die so entstandene Veneninsel wird dann noch durch eine Queranasto- mose in zwei Unterabtheilungen getheilt, von denen die eine den Facialis, die andere das Hörbläschen umfasst. Im Schema Fig. 1 ist dieses Verhältnis deutlich zu erkennen; nur hat man im Auge zu behalten, dass von der starken lateral gelegenen, longitudinal verlaufenden Vene des Kopfes (dort V. capitis lateralis, v.c./., genannt; die Erklärung des Namens weiter unten) eben erst das den beschrie- benen Venenringen entsprechende Stück gebildet ist. Noch besser aber kann man die Ringbildungen an den beiden abgebildeten Quer- schnitten (Fig. 3 und 4) erkennen. Dieselben stammen von einem Embryo (Serie XXI), der um ein Weniges jünger ist als der der Fig. 6 (Serie XI}!; er besitzt auch bereits vier Aortenbogen, doch ist der vierte noch sehr schwach. An dem weiter eranialwärts ge- legenen Querschnitte (Fig. 3) sieht man, dass die V. cardinalis (v.ca. mit ihrem Endothel dem Hirnrohre unmittelbar anliegt, also auch medial vom Facialis und dem Hörbläschen verläuft; lateral von 1 Siehe pag. 296. 296 Otto Großer und Ernst Brezina diesen beiden Gebilden befindet sich aber auch ein Gefäß, das kopf- wärts und schwanzwärts mit der Cardinalvene verbunden ist (mit v.c.l. bezeichnet). Es ist dies wieder ein Theilstück der V. capitis lateralis. Der Glossopharyngeus liegt noch lateral von der Vene. Die vorhin erwähnte Queranastomose zwischen Labyrinthbläschen und Facialis findet sich erst auf weiter caudalwärts gelegenen Schnitten; so auf dem in Fig. 4 abgebildeten auf der rechten Körperseite des Embryo, wo dieser Anastomose die mit Qu. bezeichnete Gefäßstrecke entspricht. Allerdings ist hier der Querschnitt des Faeialis allein in einer Veneninsel zu sehen, da der Schnitt das Hörbläschen nicht mehr trifft. Lateral vom Faeialis liegt wieder die V. capitis late- ralis (v.c./.), medial die Cardinalvene (v.ca.); diese ist übrigens auf dem Schnitte zweimal getroffen, da sie gerade unter dem Labyrinth- bläschen einen ventralwärts konvexen Bogen zu machen gezwun- gen ist!. Von den beschriebenen Venenringen obliterirt binnen kurzer Zeit der mediale Abschnitt, also die primäre Blutbahn, die V. cardinalis. Was allein übrig bleibt und bedeutende Stärke erlangt, ist das laterale Gefäß. Ein ähnlicher Process wie beim Faeialis und dem Hörbläschen wiederholt sich aber auch noch bei den weiter caudal gelegenen Hirnnerven, so dass schließlich das gesammte Blut des Kopfes eine successive entstandene neue Vene zum Abflusse benutzt, die wir wegen ihrer topographischen Beziehungen als V. capitis la- teralis bezeichnen. — Sehen wir nun zu, in welcher Reihenfolge und in welchen Entwicklungsstadien die einzelnen Abschnitte dieser Vene entstehen. Der Embryo der Fig. 6, Serie XI, weist darin schon einen Fortschritt auf gegenüber dem der Serie XXI, von welchem die so eben beschriebenen Querschnitte stammen. Wir finden bei diesem Embryo vier Aortenbogen in Funktion. Das Nervensystem hat gegenüber dem Embryo der Fig. 5 bedeutende Fortschritte ge- macht. Der erste Ast des Trigeminus, dessen Ganglion sich aus der gemeinsamen Anlage der drei Äste differenzirt hat, ist bereits zu ziemlich hoher Entwicklung gelangt. Man erkennt an ihm schon 1 Wie in Fig. 3 und 4 ersichtlich ist, sind die Gebilde, die in den be- schriebenen Venenringen liegen, vielfach direkt mit dem Venenendothel in Be- rührung; größere Mesodermmengen werden nirgends mit eingeschlossen. So ist es auch mit den anderen Hirnnerven, so weit sie in Veneninseln aufgenom- men werden. Dies ist die Erscheinung, deren Analogon beim Hühnchen Kast- SCHENKO (8) veranlasst hat, von einem Durchsehnittenwerden der Vene durch den Nerven zu sprechen. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 297 einen cranialwärts gerichteten Seitenast, den späteren N. frontalis (n.f.)1; die Fortsetzung des Hauptstammes wird später zum N. naso- ciliaris (n.n.c.). Der zweite und dritte Ast des Trigeminus sind als zwei kurze hinter einander liegende Vorsprünge ihres gemeinsamen Ganglion zu unterscheiden?. Nervenfasern sind nur im Gebiete des ersten Astes nachweisbar. Facialis und Glossopharyngeus gelangen in geradem Verlaufe zu ihren Kiemenbogen. Der Glossopharyngeus . ist zu dieser Zeit mit dem Theile der Ganglienleiste, aus welcher der Vagus sich erst entwickeln soll, durch eine starke Kommissur verbunden (co. X); BERANECK (2), der dieselbe bei Reptilien (Lacerta) zuerst gesehen hat und von ihr als »bande nerveuse« spricht, homo- logisirt sie der dorsalen Vaguskommissur der Selachier (BALFouR [1)). Nach Chrarucı (5) ist sie eine Fortsetzung des N. accessorius bis zum Glossopharyngeus. Durch die Vereinigung der V. cerebralis anterior (v.ce.a.), welche bereits lateral vom ersten Aste des Trigeminus liegt, und der V. or- bitalis inferior (v.o.r.) entsteht, wie schon erwähnt, beim Embryo der Fig. 6 die Cardinalvene. Sie liegt dann medial von den Anlagen des zweiten und dritten Astes des Trigeminus. Der Facialis ist noch in einen Venenring aufgenommen; das Stück der Cardinalvene aber, das medial vom Hörbläschen lag, ist obliterirt und durch das ent- sprechende Theilstück der V. capitis lateralis ersetzt. Glossopharyn- geus und Vaguskommissur liegen aber wieder lateral von der Vene. Die beim Embryo der Fig. 5 erwähnte, dorsal gerichtete leichte Ausbuchtung der Cardinalvene ist in Fig. 6 schon deutlicher; sie ist die Anlage der V. cerebralis media (v.ce.m.), eines Gefäßes, das später Blut vom caudalen Abschnitte des Mittelhirndaches und vom proxi- malen Theile des Hinterhirndaches bezieht. Caudal vom Labyrinthbläschen sehen wir bei jungen Embryonen, und besonders deutlich in diesem Stadium, eine Anschwellung der Cardinalvene, von RATHRE als Bulbus v. jugularis bezeichnet. Doch ist die plötzliche Erweiterung der Vene hinter dem Hörbläschen wohl daraus. zu erklären, dass ihre Entfaltung, die cranial von dieser Stelle durch das Labyrinthbläschen sehr beschränkt wird, bier unge- "1 Die Namen der Nerven werden, so weit möglich, nach HOFFMANN (4) an- gegeben. i 2 BERANECK (2) erwähnt, dass bei Lacerta der zweite Ast später als der dritte, wie ein Seitenzweig desselben, entstehe. Wir fanden diese Angabe bei Lacerta bestätigt; bei Tropidonotus erscheinen beide Aste gleichzeitig und sind auch Anfangs gleich stark. 298 Otto GroBer und Ernst Brezina hindert ist. Diese Erweiterung als eine in die Venenbahn einge- schaltete besondere Bildung, als Bulbus v. jugularis zu beschreiben, diirfte wohl nicht gerechtfertigt sein. Der nächstältere abgebildete Embryo (Serie VIII, Fig. 7) hat, wieder einige Veränderungen in den Gefäßverhältnissen aufzuweisen. Der erste Aortenbogen ist obliterirt, der sechste erscheint schon als schwaches Gefäß!. Als: Rest des ventralen Abschnittes des ersten Bogens erscheint die spätere A. lingualis (A. carotis ventralis, a.l.). Bei diesem Embryo ist bereits der Oculomotorius zu sehen; er verläuft von der Gehirnbasis, und zwar von der Konkavität der Scheitelkriimmung, medial vom ersten Aste des Trigeminus gegen das Auge. Nach der Kreuzung mit dem Trigeminus zeigt er eine Anschwellung, die möglicherweise zur Bildung des Ganglion ciliare in Beziehung steht. Er liegt von vorn herein medial von der Car- dinalvene. An der Ausbildung des fiinften, siebenten und neunten Hirnnerven hat sich noch nicht viel geändert. Nur die Vaguskom- missur des Glossopharyngeus ist bereits schwächer als beim Embryo der Fig. 6. Dagegen ist jetzt auch der Vagus selbst nachzuweisen; er entspringt mit einer ziemlich großen Anzahl schwacher, in einer Reihe aus dem Hirnrohre austretender Wurzelbündel. Auch er wendet sich ventralwärts und kreuzt dabei die Cardinalvene an ihrer late- ralen Seite. Im Bereiche des Glossopharyngeus ist diese aber be- reits verschwunden und wieder durch ein Theilstück der V. capitis lateralis ersetzt, während die Vaguskommissur noch zwischen beiden Gefäßen in eine Insel aufgenommen ist. Da die beim Embryo der Fig. 6 noch bestehende Ringbildung um den Facialis durch Oblitera- tion ihres medialen Abschnittes bereits geschwunden ist, so ist von der Einmündung der hier schon deutlich unterscheidbaren V. cere- bralis media (v.ce.m.) bis zum Vagus exkl. die Bildung der V. capitis lateralis erfolgt. Beim Embryo der Fig. 7 ist ferner die ventral vom Auge ver- laufende V. orbitalis inferior (v.o.7.) bereits weiter entwickelt; der zweite, stärkere Wurzelzweig der Cardinalvene, die V. cerebralis. anterior (v.ce.a.), die nahe am Auge vorbeiläuft und wohl auch aus diesem Blut aufnimmt, entspringt mit zwei Zweigen, einem vorderen und einem hinteren, vom Zwischenhirndache. Das so eben beschriebene Stadium fällt ungefähr an das Ende ! Der fünfte Aortenbogen ist nicht vorhanden. Ob er schon verschwunden oder noch nicht gebildet ist, vermögen wir nicht zu entscheiden. Über die Entwieklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 299 der von RATHKE angenommenen ersten Periode. Wir finden nun bei Raruke (11)! für solche Stadien eine ziemlich ausführliche Dar- stellung der Venenverhältnisse; dieselbe weicht aber nicht unwesent- lich von der vorstehend gegebenen Beschreibung ab. RATHKE spricht, wie ja bereits erwähnt, von einer V. facialis und cerebralis, von wel- chen Gefäßen jedes aus zwei Hauptästen entstehen soll, deren je einer immer caudal, der andere ventral vom Auge zu liegen hätte; nur sollen die Wurzelzweige der V. facialis, die nach Raruke's Ab- bildungen (Taf. V Fig. 2) ähnliche Verlaufsrichtungen besitzen wie die der V. cerebralis (Taf. V Fig. 16), oberflächlicher liegen als die der letzteren. Gehirn- und Gesichtsvene sollen sich dann »vor der Ohrkapsel« zur Jugularvene verbinden. Wir haben aber in solchen Stadien nur zwei Wurzelzweige der Cardinalvene, und von der Ver- einigung dieser Wurzeln an bis zum Labyrinthbläschen, also medial vom zweiten und dritten Trigeminusaste, eben nur die Cardinalvene gefunden. Es entspricht unsere V. cerebralis anterior offenbar dem Gefäße, das Raruxe Anlage des Sinus transversus nennt, unsere V. orbitalis inferior den nach RATHKE ventral vom Auge verlaufenden Gefäßen. Unsere V. cerebralis media hat RATHKE als Sinus petrosus bezeichnet. Wie RaATHukE zur Annahme einer Trennung von Gesichts- und Hirnvenen gelangte, ist uns nicht recht verständlich. Dass viel- leicht ein Rückschluss aus den Venenverhältnissen späterer Stadien mitgewirkt haben mag, werden wir an entsprechender Stelle (pag. 309) darzulegen versuchen. Gehen wir nun in der Betrachtung der Entwicklungsvorgänge im Venensystem weiter, so finden wir, dass zunächst ein gewisser Stillstand eintritt. Bei einem Embryo aus der zweiten Periode RaTHKE’s befindet sich das Venensystem des Kopfes im Wesentlichen auf einer ähnlichen Entwicklungsstufe wie beim Embryo der Fig. 7. Immerhin dürfte es von Vortheil sein, wegen der Klarheit der Ver- zweigung und der topographischen Beziehungen der Venen einen sol- chen Embryo (Serie X, Fig. 8, Kopflänge bis zur Nackenbeuge 5 mm), bei welchem nur mehr die erste Kiemenspalte durchgängig ist, etwas eingehender zu betrachten. Wesentlich größer als die bisher be- schriebenen Embryonen, hat dieser Embryo auch einen bedeutenden Fortschritt in der Ausbildung von Arterien, Gehirn und Nerven ge- macht. 1 Dieselben Angaben hat RATHKE auch in einer anderen Schrift (10) ge- macht. 300 Otto Großer und Ernst Brezina Die dorsalen Aortenwurzeln entstehen hier nur mehr aus dem Zusammenflusse der vierten und sechsten Aortenbogen. Die Hirn- carotiden (Carotides dorsales, a.c.) entsenden einen dem Gehirme an- liegenden Zweig nach vorn und setzen sich, der Konkavität der Scheitelkrümmung folgend, an der Hirnbasis bis zum Rückenmark caudalwärts fort, ohne aber noch zu einer A. basilaris zu verschmel- zen. Die A. lingualis (A. carotis ventralis, «a.l.) hat sich beträchtlich verlängert. Die Hirnnerven sind sämmtlich gebildet. Der Olfactorius zieht in zwei Hauptbündeln einerseits zum Nasengang, andererseits zum JAcOBSON’schen Organ. In der Wand des Augenblasenstieles verläuft bereits eine große Zahl von Nervenfasern; der Hohlraum des Stieles ist auf eine schmale, im Querschnitte halbmondförmige Spalte beschränkt. Die fötale Augenspalte ist in ihrem lateralen Theile vollständig verschwunden; durch den medialen Theil ist be- reits der Pecten in den Hohlraum des Auges eingewachsen. Das ganze Auge hat eine relativ bedeutende Größe erreicht. Die Augen- muskelnerven sind gebildet; dem Oculomotorius liegt das Ganglion eiliare (g.c.) dicht an. Das Ganglion Gasseri zerfällt sehr deutlich in zwei Theile, in ein spindelförmiges Ganglion für den ersten Ast, der selbst wieder in einen Ramus frontalis (n.f.) und nasociliaris (n.n.c.) sich theilt, und in ein langgestrecktes, lateral verlaufendes Ganglion, welches zuerst den dritten, dann den zweiten Ast abgiebt. Der zweite Ast hat schon einen eigenen Ramus sphenopalatinus (r.s.p.), in dessen Verlaufe ein Ganglion aber noch nicht nachzuweisen ist. Der Facialis, dessen Ganglion dem des Trigeminus bereits sehr nahe liegt, zerfällt in einen vorderen Ast, Ramus Vidianus (». F%.), und einen hinteren, der sich in einen Ast für den Hyoidbogen theilt, Ra- mus hyoideomandibularis (WIEDERSHEIM [16]), und in einen starken Ast, der weiter caudalwärts wächst, um sich in einem späteren Ent- wicklungsstadium mit dem Glossopharyngeus zu verbinden. Es ist dies die Anlage der Jacopson’schen Anastomose (az.J.). Der Glosso- pharyngeus hat seine Kommissur zum Vagus verloren. Er besitzt in einiger Entfernung von seinem Ursprunge ein Ganglion und endet im Mesoderm des Mundhöhlenbodens. Die Wurzeln des Vagus, die in einer ziemlich langen Reihe aus der Medulla oblongata austreten, | reichen bis zum Rückenmark herab, umfassen also auch die dem N. accessorius entsprechenden Fasern. CmrArusı (5 und 6) leitet sie von dorsalen Wurzeln dreier Nn. oceipitales und der drei ersten Nn. cervicales ab, deren Kommissur dann den aufsteigenden Stamm des Accessorius vorstellt. Urspriinglich ging diese Kommissur bis ee Eee oo ee Uber die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 301 zum Glossopharyngeus als (dorsale) Vaguskommissur desselben (wie in Fig. 6 und 7). Ganz richtig bemerkt Cntarugı, dass die Fasern des Accessorius sich sämmtlich mit dem Hauptstamme des Vagus verbinden, dass also bei den Schlangen nur ein N. accessorius cere- bralis, oder wie CHIARUGI sich ausdrückt, ein »accessorio del vago« vorhanden ist. Der Hypoglossus, der hier auch schon gebildet ist, entsteht aus zwei Wurzeln; die eine entspringt ziemlich genau ven- tral vom Vagus, die andere weiter caudalwiirts. Beide Wurzeln ent- stehen wieder aus der Vereinigung mehrerer Wurzelbündel, ein Ver- halten, das Cmmruer (5 und 6) als Abstammung des Nerven aus ventralen Wurzeln mehrerer (bis fünf) Nun. occipitales deutet. Unsere Sehnittbilder zeigten namentlich die Zusammenfassung dieser Bündel in zwei Wurzeln sehr deutlich. Diese verlaufen neben einander ventralwärts und vereinigen sich erst in einiger Entfernung vom Gehirn zu einem Stamme, der die Cardinalvene und den Vagus von rückwärts umgreift, um an deren lateraler Seite vorbei in den Boden der Mundhöhle einzutreten. Der mächtigste Wurzelzweig der Cardinalvene in früheren Sta- dien, die V. cerebralis anterior (v.ce.a.), ist auch hier ein starkes Ge- fäß. Es entspringt mit je einem Aste vor und hinter der Zirbeldrüse (gl.pin.), verläuft an der Seitenwand des Mittelhirns herab und legt sich an das sehr groß gewordene Auge an; ja das Gefäß wird sogar vom Auge verdeckt (Aw. ist in Fig. 8 der Kontour des Auges), wäh- rend es früher in geringer Entfernung caudal von diesem verlief. Es nimmt auch Zuflüsse aus dem Auge auf (bei Av., Augenvene), erweitert sich sinusartig und verbindet sich mit der sehr stark ent- wickelten V. orbitalis inferior (v.o...), die, in ihrem proximalen Theile gleichfalls sinusartig erweitert, fast in ihrem ganzen Verlaufe medial vom Auge liegt. Die durch Vereinigung der genannten Stämme ge- bildete Cardinalvene verläuft medial vom zweiten und dritten Aste des Trigeminus und nimmt caudal von diesen die an der Seitenfläche - des Hinterhirnes verlaufende V. cerebralis media (v.ce.m.), vorläufig noch ein verhältnismäßig unbedeutendes Gefäß, auf. Den mit der Einmündung der V. cerebralis media beginnenden Abschnitt der Kopfvene, der lateral vom Facialis, Labyrinthbläschen, Glossopha- ryngeus und Vagus! liegt, haben wir wieder als V. capitis lateralis aufzufassen. Caudal vom Vagus verläuft die Vene in dorsalwärts 1 Der Vagus ist, wie die anderen Hirnnerven, zunächst in einen Venen- ring aufgenommen worden, dessen medialer Theil dann obliterirte. 24 302 Otto Großer und Ernst Brezina konvexem Bogen, um dann in geradem Verlaufe zum Hohlvenensinus zu gelangen. In diesem letzteren Abschnitte fließt das Blut wieder in der primären und bis nun allein gebildeten Bahn, in der V. car- dinalis, medial vom Hypoglossus. Dieser liegt der Vene an, ja er ist die Ursache einer in der Abbildung deutlich erkennbaren Ver- engerung derselben. An der Umbiegungsstelle ist die Vene etwas erweitert; hier nimmt sie eine ziemlich schwache Vene auf, die aus zwei Ästen! entsteht, von welchen der eine, an den Vagus an dessen caudaler Seite angeschlossen, bis zum Gehirn zu verfolgen ist, wäh- rend der andere sich etwas weiter caudalwärts im Kopfmesoderm verliert. Dieser letztere ist die Anlage des Gefäßes, das RATHKE als Sinus oceipitalis bezeichnet hat, und das wir V. cerebralis po- sterior (v.ce.p.) nennen wollen. Proximal von deren Einmündung wird dann noch eine Vene aus dem Unterkiefer (V. maxillaris inferior, v.m.i.) aufgenommen. Auch für dieses Stadium gilt das vorhin nach Beschreibung des Embryo der Fig. 7 über den Unterschied zwischen unserer und der Raruke’schen Darstellung Gesagte. Es war nur für RaTHKE in diesem Stadium vielleicht noch schwerer, die Verhältnisse richtig zu erkennen, da ein großer Theil der Gefäße von dem mächtig heran- gewachsenen, tief schwarz pigmentirten Auge verdeckt wird. Übri- sens ist selbst in diesem Stadium eine Differenzirung des Mesoderm- gewebes, welches das Gehirn umgiebt, eine »Schiidelkapsel<, die nach RATHKE zwischen Hirn- und Gesichtsvene liegen sollte, noch nicht gebildet. Im Laufe der dritten Periode vollziehen sich dann die Verände- rungen, welche zum definitiven Zustand hiniiberleiten. Zu ihrem Verständnisse gelangen wir durch Betrachtung eines Embryo vom - Schlusse dieser Periode (Serie XVI, Fig. 9, 7,5 mm Kopflänge). Bei diesem ist die Entwicklung von Arterien und Nerven wohl schon so gut wie abgeschlossen. Dies sehen wir zunächst an der rechten A. carotis communis (a.c.), von welcher, wie bei der erwachsenen Natter, nur mehr ein kleiner Rest nachzuweisen ist, der noch ein Stück weit den Vagus begleitet; in ihm ist der Blutstrom aber eaudalwärts gerichtet. Der größte Theil des Gefäßes, das Mittelstück, ist bereits 1 Im Konstruktionsbilde des hier besprochenen Embryo sind die beiden Äste nicht zur Darstellung gelangt, da ihre Bilder fast vollständig von dem des abgebildeten gemeinschaftlichen Stammes gedeckt werden. Der den Vagus begleitende Ast wurde im Schema nicht verzeichnet, um dasselbe nicht zu sehr zu komplieiren. ee en A Me en SE Da Me Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 303 obliterirt. Das Blut muss also der rechten Kopfhälfte auf einem anderen Wege zugeführt werden; es geschieht dies durch die A. oceipitalis (a.o.), von RATHKE A. vertebralis genannt, die innerhalb des Schädels mit der gleichnamigen Arterie der linken Seite anasto- mosirt. Die A. oceipitalis liegt lateral von Hypoglossus und Vagus und drängt sich dann zwischen diesem und dem Glossopharyngeus durch, um zur A. carotis. dorsalis zu gelangen. Diese speist dann die Carotis ventralis (A. lingualis, a./.), welche caudal von der Mün- dung der A. oceipitalis entspringt und das Endstück des Hypoglossus begleitet. Die A. carotis dorsalis verläuft neben der Kopfvene (der V. capitis lateralis). Beim Facialis angelangt, theilt sie sich in eine A. carotis cerebralis (a.c.e.) und facialis (a.c.f.). Die erste geht zu- nächst durch den Knochenkanal des N. Vidianus, dann in die Schädel- höhle, wo sie den schon früher bemerkbaren Ast (pag. 300) nach vorn abgiebt, der aber jetzt bis zum Riechlappen reicht. Einen an- deren Ast sendet sie an die Seitenfläche des Mittelhirns und einen dritten in den unpaaren Schidelbalken RATHKE’s, um schließlich mit der Arterie der anderen Seite zur A. basilaris (a.d.) sich zu verbinden. Die Carotis facialis (a.c.f.) entsendet zunächst einen Zweig mit dem dritten Aste des Trigeminus zum Unterkiefer (Ramus maxillaris in- ferior HOFMANN [4], a.m.), kreuzt dann die V. orbitalis inferior, giebt einen Zweig zum dorsalen Rande des Auges ab und zieht wieder ventralwärts, um mit der Radiation des zweiten Astes des Trige- minus in den Oberkiefer zu verlaufen. Am Gehirn ist neben der weitgehenden Differenzirung seiner Theile besonders die Streckung seiner Längsachse, also die Ausglei- ehung der Hirnbeugen, bemerkenswerth. Die Nerven sind bereits hoch entwickelt. (Die Bezeichnungen der Nerven s. auf dem’ Deck- blatte der Fig. 9.) Der Olfactorius (7) besteht aus einer sehr großen Zahl von Nervenbündeln, die zum Theile zum Nasengange, zum srößten Theile aber zum Jacogson’schen Organ verlaufen. Der Op- ticus (JZ) hat seinen Hohlraum verloren. Oculomotorius und Troch- learis (7IZT und JV) ziehen als ziemlich lange Nerven in die Orbita!. Der erste entspringt an der Basis, der andere an der Seitenfläche des Mittelhirns. Der Trigeminus? ist reich verzweigt. Es bestehen ı Die Einstrahlung der Augenmuskelnerven in ihre Muskeln konnte an dieser Serie nicht genau erkannt werden. 2 BERANECK (2) macht über die Art des Ursprunges des Trigeminus in alten Stadien von Lacerta folgende Angaben (pag. 564 ff.): >Le trijumeau.... présente dans ce stade (Embryo X, 14,5 mm lang ohne Schwanz) deux racines 304 Otto Großer und Ernst Brezina zwei streng getrennte Wurzeln und zwei Ganglien des Trigeminus. Die eine Wurzel, in der sich keine Ganglienzellen nachweisen lassen, zieht nasalwärts zum spindelförmigen Ganglion des ersten Astes, die andere, die weiter lateral und etwas dorsal von der ersten vom Ge- hirn abgeht, trifft sofort auf das Ganglion des zweiten und dritten Astes, welches dem Gehirn anliegt. Die Wurzelfasern liegen theils ventral von diesem Ganglion, theils durchsetzen sie dasselbe in seiner Mitte und theilen es dadurch in eine caudale und eine eraniale Hälfte. Die aus dem Gehirn austretenden Faserbündel setzen dann den dritten Ast zusammen, dem auch die caudal gelegenen Ganglienzellen an- gehören, während aus den cranialen Zellen die Fasern des zweiten Astes entspringen. Der erste Ast theilt sich sehr bald in einen Ra- mus frontalis (z.f.) und nasociliaris (».n.c.). Der erstere verläuft am Orbitaldache, der zweite an der medialen Wand der Orbita, geht lateral von der Ausbreitung des Olfactorius nach vorn und theilt sich in einen Zweig für den Nasenrücken und einen anderen für die Schnauzenspitze. Der zweite Ast (V,) senglet einen Hautast nach außen!, dain einen zweiten längs der Außenseite des Oberkiefers nach vorn und einen dritten zum Ganglion sphenopalatinum (g.s.p.). Dieses schiekt Zweige nach abwärts und nach vorn. In dem letz- teren am Auge hin verlaufenden Aste sind neuerdings zwei kleine Ganglien eingeschaltet. Der dritte Ast (V,) entsendet Zweige nach vorn und nach rückwärts zu den Kaumuskeln und verzweigt sich im Unterkiefer (N. mandibularis). Der Abducens entspringt an der - dont l'une est plus ventrale, l’autre plus dorsale..... Ces fibres (de la racine ventrale) s’&cartent bientöt de celles de la racine dorsale..... La racine ven- trale ... constitue la branche maxillaire inférieure. Il est eependant interessant de constater que ce nerf maxillaire inférieur de la cinquiéme paire ne comprend pas uniquement les fibres partant de la racine ventrale, mais quwil est en partie formé de fibres partant du ganglion de GASSER et qui sont.... en relation avec celles de la racirfe dorsale aboutissant 4 ce ganglion.... A cdté de ces fibres.... le ganglion de GASSER donne naissance 4 un autre faisceau de fibres ‘qui sort de sa partie supérieure. Ce faisceau est la branche maxillaire supé- rieürß.. . „= La troisitme..... ou branche ophthalmique.... parait partir non du ganglion de GASSER méme,.... mais directement de la racine dorsale. Sur des coupes transversales on voit une partie des fibres de la racine dorsale se recourber avant d’atteindre le ganglion et se diriger en avant. Apres un court trajet elles rencontrent un petit ganglion.« Unsere Beobachtungen an Tropi- donotus, die übrigens mit deneu an Lacerta in diesem Punkte vollständig über- einstimmen, weichen hiervon nicht unwesentlich ab. Siehe oben. 1 Derselbe ist in Fig. 5 nicht dargestellt. Er zweigt vom Hauptstamme ab, bald nachdem dieser von der A. carotis facialis gekreuzt wurde. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 305 Gehirnbasis, ventral und medial vom Ursprunge des Trigeminus, ver- läuft dann cranial- und dorsalwärts, geht medial am ersten Trige- minusaste vorbei und begleitet auf einer kurzen Strecke den N. frontalis. Das Ganglion des Facialis liegt jetzt mit seinem peri- ‘ pheren Theile dem des Trigeminus vollständig an; von der medialen Seite her schiebt sich ein Knorpelblatt ein Stiick weit zwischen die beiden. Der Facialis theilt sich wieder in den N. Vidianus (x. Vid.), der in das Ganglion sphenopalatinum eingeht, und in einen hinteren Ast, der motorische Fasern für verschiedene Muskelgruppen führt. Mächtig ist die JacoBson’sche Anastomose (an.J.), die, von diesem hinteren Aste abzweigend, zum Glossopharyngeus zieht und in das Ganglion petrosum, nachdem sie schon vorher von Ganglienzellen durchsetzt wurde, sich einsenkt. Der Glossopharyngeus entspringt wieder medial vom Gehörorgan; noch innerhalb des Schädels finden sich, in den Nerven eingeschaltet, größere Gruppen von Ganglien- zellen (Ganglion superius n. glossopharyngei, g.s..X). Der Nerv tritt dann in das Ganglion petrosum (Ganglion inferius n. glossopharyn- gei, 9..IX) ein und geht, durch Facialisfasern verstärkt, in den Mundhöhlenboden. Der Vagus besitzt schon innerhalb der Schädel- höhle ein ziemlich großes Ganglion (Ganglion superius n. vagi, g.s.X). Seine Fasern schließen sich beim Austritte aus dem Schädel denen des Glossopharyngeus so innig an, dass an. Sagittalschnitten eine Grenze kaum anzugeben ist. Außerhalb des Schädels findet sich neuerdings ein Ganglion (Ganglion inferius n. vagi, g.i.X), das kleiner ist als das intracranielle!. Aus dem außerhalb des Schädels ‚gelegenen Ganglion entspringt ein (in der Figur nicht angegebener) Ast, der an der Hinterwand des Pharynx verläuft. Bevor der Vagus den Aortenbogen kreuzt, bildet er neuerdings ein Ganglion. Einen - N. accessorius nachzuweisen, gelang bei diesem Embryo nicht. Die zwei Wurzeln des Hypoglossus, die wir schon beim Embryo der Fig. 8 konstatiren konnten, treten jetzt durch verschiedene Kanäle des Primordialeraniums aus (als Radix anterior und posterior n. hypoglossi, r.a. XII und r.p. XII). Die vordere Wurzel, die aus meh- reren (etwa vier) Wurzelbündeln entsteht, ist stärker als die hintere; sie tritt genau ventral vom intracraniellen Vagusganglion aus. ‚Die hintere Wurzel entsteht gleichfalls aus mehreren Wurzelfäden. Beide 1 Diese beiden Ganglien entsprechen offenbar dem Ganglion radicis und trunei n. vagi bei Horrmann (4). Uber die Ganglien des Glossopharyngeus’ macht derselbe keine Angaben. - Morpholog. Jahrbuch. 23. 20 306 Otto Großer und Ernst Brezina Wurzeln vereinigen sich caudal vom extracraniellen Vagusganglion, umgreifen lateral den Vagus und die Carotis und ziehen zur Zunge!. Die Cardinalvene ist im Bereiche der beiden hinteren Trige- minusäste und des Hypoglossus durch weitere Theilstücke der V. capitis lateralis ersetzt worden. Dieser Ersatz erfolgt zunächst im Gebiete des Hypoglossus, zu einer Zeit, da die Zellen des Mesoderms an den Stellen, wo Knorpel gebildet werden soll, sich diehter zu gruppiren beginnen; im Trigeminusgebiete findet dieser Vorgang später, aber immer noch vor der Differenzirung dieser Mesoderm- zellen zu Knorpelzellen statt?. Das orbitale Venensystem hat bedeutende Fortschritte in der Entwicklung gemacht. Die dem Auge ventral anliegende V. orbi- talis inferior (v.o.i.) ist zu einem bedeutenden Sinus herangewachsen, der jetzt vom Sehnerveneintritte bis fast an die Cornea reicht, also fast die ganze ventrale und caudale Fläche des Bulbus deckt. Lateral vom Äquator des Auges entspringt aus diesem Sinus die V. capitis lateralis (v.c./.), medial von demselben münden, wie noch zu besprechen, Hirnvenen. Caudal vom Hypoglossus finden wir die Vene an der Stelle ihres ersten Auftretens, medial von den Cervicalnerven, mit dem Va- gus und dem Reste der Carotis verlaufend. Sie entspricht also hier der Cardinalvene. Um den Blutabfluss aus dem Gehirn zu vermitteln, haben sich in der Medianebene verlaufende Venen gebildet, deren Entstehung durch Verschmelzung paariger Venen und durch Ausweitung kapil- larer Anastomosen RATHKE ausführlich schildert. Er nennt sie Sinus longitudinalis und perpendicularis; wir wollen aber lieber die Frage der Homologie offen lassen und das gesammte Längsgefäß V. longi- tudinalis cerebri nennen. Diese zerfällt naturgemäß in drei Theile. Der erste, die V. longitudinalis prosencephali (v.2.p.), beginnt zwischen den Riechlappen und reicht bis zur Epiphyse, zum Abgange der V. 1 Nach C. Voar (15), dessen Angaben HOFFMANN (4) eitirt, entspringt der Hypoglossus bei Python tigris nur mit einer Wurzel, verbindet sich aber, an den Vagus herangetreten, mit einem Aste desselben, »der sogar weit dicker ist als die Gehirnwurzel«< des Hypoglossus. Zweifellos ist aber dieser Ast des Vagus nichts Anderes als die vordere Wurzel des Hypoglossus. ? Bevor die Cardinalvene im Trigeminusgebiete obliterirt, wird sie bis in das Dach der Mundhöhle abgedrängt, wo ihre Lage dann vollständig mit der ‘bei Lacerta (pag. 315 und 316) übereinstimmt, so weit sich dies eben mit Rück- sicht auf die ja noch kaum angedeutete Skeletanlage bestimmen lässt. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 307 cerebralis anterior; der zweite, die V. longitudinalis mesencephali (v.Z.m.), liegt dorsal vom Mittelhirn und reicht bis zum Abgange der _V. cerebralis media; der dritte, die V. longitudinalis epencephali (v.l.e.), theilt sich schließlich in die beiden Vv. cerebrales posteriores (siehe auch das Schema). Die V. cerebralis anterior (v.ce.a.) liegt jetzt scheinbar ganz anders als früher (Embryo der Fig. 8). Sie verläuft von der Epiphyse (g/.pzn.) am konvexen Rande der Hemisphäre ventralwärts, liegt eine Strecke weit dem Trochlearis von außen an, während ihre Richtung früher (Fig. 8} auf der des Nerven senkrecht stand, kreuzt den Oculomo- torius und den ersten Ast des Trigeminus an deren lateraler Seite und vereinigt sich mit einem von der V. cerebralis media herkom- menden Gefäße (in Fig. 9 und im Schema Fig. 1 mit s.V., sekundäre Verbindung, bezeichnet), um in den orbitalen Sinus zu münden. Un- verkennbar hat die Vene hier denselben Ursprung und dieselbe Be- ziehung zu Gehirn und Orbitalvene, wie im Stadium der Fig. 8. Was sich sehr auffallend geändert hat, ist ihre Topographie zum Auge und ihre Verlaufsrichtung, verglichen mit der der Hirnnerven. Diese Änderung ist eine allmählich entstandene; sie beruht theils auf einer wirklichen Verschiebung der Vene caudalwiirts, bedingt durch die nach hinten sich wölbenden Hemisphären, theils auf einer Verschiebung des Auges gegen das Gehirn. Denn durch die Aus- gleichung der Hirnbeugen ist das Auge, das früher (Fig. 8) caudal vom Großhirn lag, an dessen ventrale und nasale Seite gelangt. So ist es erklärlich, dass die V. cerebralis anterior, die früher theilweise vom Auge verdeckt wurde, jetzt ziemlich weit caudal von demselben liegt. Das Blut, das sie früher (bei Av. in Fig. 8) aus dem Auge aufnahm, ist in Folge dessen jetzt gezwungen, eine eigene neu ent- standene Vene zum Abflusse in die V. orbitalis inferior zu benutzen. Diese in Fig. 9 und im Schema Fig. 1 abgebildete Vene können wir als V. orbitalis superior (v.o.s.) bezeichnen. Aus Fig. 9 ist auch zu . ersehen, dass der mittlere Theil der V. cerebralis anterior bereits schwächer ist als der übrige. Wie nämlich schon RATHKE gesehen hat, obliterirt das Gefäß später in der Mitte, und nur die Enden bleiben als Hirnvenen erhalten. Die V. cerebralis media (v.ce.m.), in diesem Stadium die Haupt- vene des Gehirns, entspringt in der Gegend der Kleinhirnanlage aus der V. longitudinalis cerebri, nimmt nahe ihrem Ursprunge eine größere Hautvene vom Nacken auf (in Fig. 9 mit v.cw., V. cutanea, bezeichnet), läuft dorsal vom Ganglion des zweiten und dritten 20* 308 | Otto Großer und Ernst Brezina Trigeminusastes vorbei und theilt sich in zwei Arme, von welchen der stärkere sich um den zweiten Trigeminusast an dessen medialer Seite herumschlingt, zwischen den hinteren Trigeminusästen den Schädel verlässt und an der mit + bezeichneten Stelle in die V. capitis lateralis mündet, während der schwächere, der in der Fig. 9 mit s.V., sekundäre Verbindung, bezeichnet ist, intracraniell zur V. cerebralis anterior verläuft, um mit dieser vereint in den orbitalen Venensinus abzufließen. Früher (Fig. 7 und 8) mündete die Vene zwischen Trigeminus und Facialis in das Hauptgefäß des Kopfes; jetzt geschieht dies im Wesentlichen cranial vom hinteren Trige- minusganglion, und außerdem in der Orbita. Diese Erscheinung erklärt sich in der Weise, dass die Annäherung der Ganglien des Trigeminus und Facialis, wie schon vorhin bei der Darstellung der Nervenverhältnisse erwähnt wurde, immer weitere Fortschritte macht und dadurch der zwischen diesen Ganglien für die Vene verfügbare Raum immer mehr eingeschränkt wird; daher sprosst zunächst dorsal vom Trigeminus aus der V. cerebralis media ein Seitenzweig hervor, der dorsal vom Ganglion des ersten Astes verläuft und sich mit der V. cerebralis anterior unweit von deren Vereinigung mit der V. orbitalis inferior verbindet. Wenn endlich das Venenstück zwischen den er- wähnten Ganglien (v.V und VIZ) vollständig zur Obliteration gelangt, . so bildet sich zum Ersatze die Vene, welche zwischen den hinteren ‘Trigeminusiisten nach außen dringt. Man kann sie als V. eerebralis media secundaria (v.ce.m.sec.) bezeichnen. Die V. cerebralis posterior (v.ce.p.) endlich bildet die Fortsetzung der V. longitudinalis cerebri (epencephali). Sie verlässt den Schädel durch das Hinterhauptsloch, nimmt eine kleine, mit der hinteren Wurzel des Hypoglossus verlaufende Hirnvene auf, kreuzt den Hy- _ poglossus und tritt in die V. capitis lateralis ein. Der beim Embryo der Fig. 8 erwähnte Zweig, der den Vagus bis zum Gehirn begleitet, ist nur so lange nachzuweisen, als das knorplige Primordialeranium noch fehlt; mit dem Auftreten desselben verschwindet das Gefäß, und das früher diesem und der V. cerebralis posterior gemeinschaft- lich angehörende Endstück, das in die V. capitis lateralis mündet, ist jetzt gänzlich in der hinteren Hirnvene aufgegangen. Endlich wäre noch bei der Darstellung der Hirnvenen eines Gefäßes zu gedenken, das bei dem Embryo der Fig. 9 nur auf einer Seite, der nicht konstruirten linken, sich verfolgen ließ, aber bei anderen Embryonen und beim erwachsenen Thiere beiderseits auftritt. Zuerst zu einer Zeit nachweisbar, wo die Knorpelanlagen Über die Entwieklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 309 als dichtere Zellhaufen vom übrigen Mesoderm sich zu differenziren beginnen, verläuft es von der Hypophyse zur V. cerebralis anterior, in die es nahe ihrer Verbindung mit der V. orbitalis inferior ein- tritt. Später mündet an derselben Stelle auch die sekundäre Ver- bindung zwischen V. cerebralis media und anterior. Ähnlich ist der Verlauf beim Embryo der Fig. 9, nur mündet das Gefäß jetzt etwas proximal von der erwähnten sekundären Verbindung. Dass in diesem Gefäße der von RATHKE beschriebene Sinus cavernosus zu sehen ist, ist möglich, aber kaum wahrscheinlich. Das Gefäß hat eine so ver- steckte Lage, dass es am lebenden Thiere kaum zu erkennen sein dürfte; und jedenfalls tritt es erst viel später auf, als RATHKE glaubte. Schließlich nimmt noch der Halstheil der Cardinalvene zwei Ge- fäße aus dem Gesichtstheile des Kopfes auf, eines aus dem Ober- kiefer, eines aus dem Unterkiefer (V. maxillaris superior und inferior, v.m.s. U. v.m.i.). Beide verbinden sich vor ihrer Einmündung zu einem kurzen Stamme. Die Oberkiefervene anastomosirt (bei An.) sowohl an der Schnauzenspitze als unter der Hypophyse mit dem entspre- ‚chenden Gefäße der Gegenseite. Für diese Periode macht auch RATHKE ziemlich ausführliche Angaben. Was aber dabei besonders interessant ist, das ist, dass der Embryo der Fig. 9 der Raruxe’schen Ansicht von dem getrennten Vorhandensein einer V. jugularis cerebralis und facialis, einer An- sicht, die er auch für diese Stadien festhält, als Beweismittel dienen könnte, wenn wir nicht in der Lage wären, aus der Entwicklung die Verhältnisse wie oben zu erklären. Denn jetzt verläuft wirklich eine Vene intracraniell zwischen V. cerebralis anterior und media, eben die sekundäre Verbindung (s.V.) der beiden; jetzt fließt das Blut des Gehirns wirklich der Hauptsache nach »mit dem N, trige- - minus, dicht vor der Ohrkapsel« aus dem Schädelinneren in das Hauptgefäß des Kopfes. Auch ober- und unterhalb des Auges be- finden sich Venen, unsere V. orbitalis superior und inferior, deren Abfluss, die V. capitis lateralis, die somit der V. jugularis facialis RATHRE’s entsprechen würde, extracraniell liegt. Nur besteht die Verbindung der V. cerebralis anterior mit der V. orbitalis inferior fort, und sind die übrigen Verhältnisse fast durchaus sekundäre, so- gar die Annäherung des Trigeminus an das Gehörorgan. Im Übrigen stimmt unser Befund mit dem Raruke's vollkommen überein. Die Entstehung der median-sagittalen Sinus, die Verschiebung der V. cerebralis anterior, des RaruKe’schen Sinus transversus, und 4 310 Otto Großer und Ernst Brezina ihre spätere Obliteration, ja, wie wir gesehen haben, eigentlich die gesammte Anordnung der Venen solcher Stadien hat RATHKE ge- kannt. Beim erwachsenen Thiere unterscheiden sich die Verhältnisse der Venen des Kopfes nur wenig von den so- eben beschriebenen (siehe Schema Fig. 1, die nicht schraffirten Gefäße). Die V. orbitalis inferior, die schon in dem so eben beschriebenen Stadium als Sinus orbitalis bezeichnet werden konnte, ist sehr stark entwickelt. Sie bezieht Blut aus der ganzen Orbita; die in sie einmündende V. or- bitalis superior (v.o.s.) bildet mit anderen Ästen einen geschlossenen Venenkranz am Rande der Cornea. Der Blutabfluss erfolgt durch die starke V. capitis lateralis, die lateral von allen Hirnnerven, nur vom Os quadratum und einigen Kaumuskeln gedeckt, eaudalwärts verläuft. Von der V. cerebralis anterior hat sich nur das Stück von der Einmündung der sekundären Verbindung mit der V. cerebralis media an erhalten; das Übrige, also die Verbindung mit der dor- salen Längsvene des Gehirns, ist verschwunden. Die V. cerebralis media geht hinter dem Mittelhirn von dieser Längsvene ab, verläuft dann in einer, wie wir gesehen haben, sekundären Bahn (als V. cerebralis media secundaria, v.ce.m.sec.) dorsal vom hinteren Trige- minusganglion und wendet sich, den zweiten Ast von der medialen Seite umgreifend, zwischen den hinteren Trigeminusästen nach außen zur V. capitis lateralis; außerdem ist sie mit den Orbitalvenen durch ein ziemlich starkes Gefäß verbunden, das aus der sekun- dären Verbindung zur V. cerebralis anterior und aus dem Endstücke dieser hervorgegangen ist. Die Grenze dieser beiden Abschnitte lässt sich noch aus ihrer topographischen Beziehung zum ersten Trigeminusaste erschließen. Die genannte sekundäre Verbindung liegt nämlich, wie erwähnt (pag. 308), dorsal von diesem Nerven; die V. cerebralis anterior zieht schon in verhältnismäßig frühen Sta- dien an der lateralen Seite dieses Nerven vorbei und liegt dann natürlich ventral. Wir finden nun beim erwachsenen Thiere, dass der Anfang der Verbindung zwischen V. cerebralis media und Orbital- venen dorsal vom genannten Nerven liegt, also der Vene s.V. des ‘Schemas entspricht; nach kurzem Verlaufe aber geht das Gefäß, an der lateralen Seite des Nerven vorbei, an dessen ventrale Seite; und in diesem Stücke haben wir einen Rest der V. cerebralis anterior zu erblicken. Derselbe ist verhältnismäßig beträchtlich länger als beim Embryo der Fig. 9; es rührt dies daher, dass das Auge im Verhältnis zum Gehirn noch um ein gutes Stück weiter nasalwärts Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 311 gerückt ist, als dies schon bei diesem Embryo der Fall war, so dass auch der Abstand zwischen Auge und Trigeminusursprung ver- hältnismäßig bedeutend größer geworden ist. In den vorhandenen Rest der V. cerebralis anterior mündet wieder die bei Beschreibung ‘ des Embryo der Fig. 9 erwähnte Vene, die im Bereiche der Hypo- physe entspringt. Eben so stark wie die V. cerebralis Ben ist jetzt auch die V. cerebralis posterior, die einen großen Theil des Blutes des sa- gittal verlaufenden Blutleiters (der V. longitudinalis cerebri) aufnimmt und beim Hinterhauptsloche austritt. Ober- und Unterkiefervene zeigen keine wesentliche Veränderung. Caudal vom Hypoglossus liegt die Vene wieder medial von den Cervicalnerven. Sie ist also ein direktes Derivat des entsprechenden Abschnittes der Cardinalvene. Dieser Abschnitt ist im Laufe der Entwicklung aus dem caudalen Theile der Cardinalvene junger Em- bryonen durch Verlängerung desselben allmählich entstanden. Denn bei ganz jungen Embryonen liegt ja das Herz noch theilweise im Kopfgebiete und rückt dann immer weiter caudalwirts; und nach Maßgabe dieser Verschiebung verlängert sich der Halsabschnitt der Cardinalvene. Derselbe verläuft in engem Anschlusse an den Vagus und an die A. carotis communis, resp. an deren Reste (auf der rechten Seite). Er ist daher nicht, wie RATHkE glaubte, der V. ju- gularis externa, sondern der V. jugularis interna des Menschen gleich- zusetzen. Eine äußere Jugularvene besitzen die Schlangen in keinem Stadium. Im Anschlusse hieran seien noch einige Worte über die Homo- logisirung der übrigen Gefäße und damit auch gleich die Recht- fertigung unserer Nomenklatur hier angefügt. Der Widerspruch, der im Begriffe »Jugularvene des Kopfes« liegt, wurde schon angedeutet; wir wählten daher für das primitive Gefäß lieber den indifferenten Namen »vordere Cardinalvene«. Der Name der V. capitis lateralis dürfte sich durch seine Prägnanz empfehlen. Die Hirnvenen in Jungen Stadien, wo eine starre Schädelkapsel noch fehlt, als Sinus zu bezeichnen, ging nicht wohl an. RATHkE selbst spricht daher auch Anfangs von diesen Venen als Anlagen der Sinus. Außerdem hat sich aber durch Vergleichung der Untersuchungen H. SALZER’s 1 Nach unserer Auffassung entspricht aber dieses Gefäß keineswegs der V. lateralis im Sinne von Houssay (7). Wir nennen es daher auch nicht V. la- teralis capitis. \ 312 Otto Großer und Ernst Brezina (14) mit den vorliegenden herausgestellt, dass die Bezeichnung des Sinus transversus sich nicht vom Säugethier auf das Reptil über- tragen lässt. Denn beim Reptil bezeichnete RATHKE damit eine Vene, welche von der Epiphyse zur Cardinalvene zieht, nämlich unsere V. cerebralis anterior, während der Sinus transversus der Säugethiere nur zum Theile aus dieser Vene hervorgeht. Auch der Sinus petrosus superior der Säugethiere ist unserer V. cerebralis media nicht homolog. Denn der Sinus petrosus geht nach SALZER (zusammen mit dem Sinus cavernosus) aus einer sekundären Ver- bindung der Orbitalvenen mit dem Sinus transversus hervor; die V. cerebralis media der Reptilien dagegen ist eine selbständige Hirn- vene. Der Name V. cerebralis posterior wurde der Gleichartigkeit der Bezeichnungen wegen angewendet. Übrigens hat schon RaTHKE Unterschiede zwischen dieser Vene und dem Sinus oceipitalis poste- rior der Säuger hervorgehoben. Dass wir einen Sinus cavernosus im Sinne RaruKe’s bei Tropidonotus in jungen Stadien nicht auf- “ finden konnten, und dass auch in späteren Stadien die Identität des von uns gesehenen basalen Hirngefäßes mit dem von RATHKE be- schriebenen zweifelhaft ist, wurde bereits erwähnt. Bei hoch ent- wickelten Embryonen und erwachsenen Schlangen liegt aber das erhalten gebliebene proximale Ende der V. cerebralis anterior nicht unähnlich dem Sinus cavernosus der Säuger. Doch hat dieser, wie oben erwähnt, nach SALZER (14) eine ganz andere Genese. Der von uns V. longitudinalis mesencephali genannte Gefäßabschnitt end- lich kann nicht mit dem Sinus perpendicularis der Säuger, wie dies RATHKE glaubte, verglichen werden, da der betreffende Sinus der Säugethiere in der Tiefe liegt, bedeckt von den Hemisphären, wäh- rend das Gefäß, das bei Reptilien in der Medianebene auf dem Mittelhirn verläuft, oberflächlich, in der Fortsetzung des zwischen, den Hemisphären hinziehenden sagittalen Gefäßes liegt. Ein Homo- logon der genannten Vene kann bei Säugern wegen der hohen Ent- wicklung von Kleinhirn und Hemisphären nicht zur Ausbildung kommen. Die Eidechse (Lacerta agilis) zeigt im Wesentlichen mit den bei Tropidonotus festgestellten übereinstimmende Verhältnisse; doch er- geben sich bezüglich mancher Einzelheiten Abweichungen. Diese seien nachstehend an der Hand einer Reihe von Stadien unter Benutzung des für die Eidechse entworfenen Schemas Fig. 2 hervorgehoben. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 313 Ein ziemlich junger Embryo (Lacerta, Serie XVIII), etwa in dem- selben Entwicklungsstadium wie Tropidonotus, Serie IX (pag. 292), mit zwei Aortenbogen, unterscheidet sich von dem citirten Nattern- embryo nur in Folgendem: Aus der Ganglienleiste sind Anlagen von Hirnnerven noch nicht: deutlich differenzirt; die Cardinalvene ist als deutliches Gefäß schon an der Seitenfläche des Zwischenhirnes zu erkennen, also etwa da, wo sie auch später durch Vereinigung der vorderen Hirn- und unteren Augenvene entsteht, ohne dass aber diese letzteren jetzt schon gebildet wären. Die mesodermatischen Kopfhöhlen bestehen noch, ja sind bedeutend mächtiger als über- haupt je bei Tropidonotus. Ein etwas älterer Embryo (Lacerta, Serie VIII), in der Entwick- lung zwischen den in Fig. 5 und 6 abgebildeten Schlangenembryonen stehend, besitzt zwei Trigeminusganglien, ein dem Labyrinthbläschen anliegendes Facialis-Acusticusganglion und ein eben solches, noch sehr kleines Ganglion des Glossopharyngeus. Vom Zwischenhirn- dache zieht bereits die V. cerebralis anterior an der Seitenfläche dieses Hirntheiles herab, nimmt einen Zufluss aus dem Auge auf (im Schema mit Av., Augenvene, bezeichnet) und geht in die Cardi- nalvene über. Wegen Mangels der V. orbitalis inferior lassen sich aber beide Venen noch nicht scharf gegen einander abgrenzen, viel- mehr erscheint die Cardinalvene als direkte Fortsetzung der Hirn- vene. Diese liegt noch medial vom ersten Aste des Trigeminus, die Cardinalvene medial von den anderen Hirnnerven, den Einziehungen, welche der Faltung des Rautenhirnbodens an der Außenseite ent- sprechen, angeschmiegt. Vor dem Hörbläschen stellt eine dorsal ge- richtete Ausbuchtung der Vene die Anlage der V. cerebralis media vor. Untersuchen wir nun ein Stadium (Lacerta, Serie XIII), das ungefähr dem Embryo der Fig. 7 entspricht. Dabei sehen wir aber, dass bei Lacerta der zweite Aortenbogen schon zu Grunde gegangen ist, während von der Anlage des fünften und sechsten noch fast nichts zu sehen ist. Die Anlage der A. basilaris ist noch paarig. Das Venensystem unterscheidet sich von dem des Schlangenembryo der Fig. 7 zunächst durch stärkere Ausbildung der V. orbitalis in- ferior, die, mit einem rückläufigen Stücke an der medialen Seite des Bulbus, dorsal vom Opticus, beginnt und dann den Opticus in ventralwärts konvexem Bogen umgreift. Die V. cerebralis anterior liegt noch immer medial vom ersten Aste des Trigeminus. Im Be- reiche des Facialis und Glossopharyngeus und des Labyrinthbläschens ist die Cardinalvene bereits durch die V. capitis lateralis ersetzt. . 314 Otto Großer und Ernst Brezina Erst im Laufe der weiteren Entwicklung erfolgt eine Inselbil- dung der V. cerebralis anterior um den ersten Ast des Trigeminus; dann geht der mediale Theil des entstandenen Ringes zu Grunde. Wenn ferner noch das Theilstück der V. capitis lateralis, welches im Bereiche des Vagus liegt, ausgebildet ist, dann zeigen Embryonen von Lacerta eine sehr weitgehende Ähnlichkeit mit dem Nattern- embryo der Fig. 8. Bei einem solchen Eideehsenembryo (Lacerta, Serie VI, Länge des Kopfes 3,1 mm) ist der sechste Aortenbogen gebildet; die dorsale Anastomose zwischen viertem Aortenbogen und dem Carotisbogen, die auch beim erwachsenen Thiere persistirt, lässt sich sehr schön nachweisen. Der fünfte Bogen ist schon obliterirt. Die Hirnnerven sind sämmtlich vorhanden, vom Trochlearis aller- dings erst ein ganz kurzes Stück. Die Venenverhältnisse unter- scheiden sich von denen des abgebildeten Natternembryo bloß da- durch, dass auch lateral vom Hypoglossus das entsprechende Theil- stück der V. capitis. lateralis schon aufgetreten ist, während die Cardinalvene noch besteht, so dass also der Nerv in einer Insel liegt. In den Abschnitt der V. capitis lateralis, der dem Vagusge- biete entspricht, ergießt sich eine Vene!, die caudal vom Labyrinth- bläschen, cranial und etwas lateral vom Vagus verläuft, ohne ihm aber unmittelbar angeschlossen zu sein, und das Blut des seitlichen Kopfmesoderms im Vagusgebiete aufnimmt. Bis an das Gehirn lassen sich ihre Wurzelzweige nicht verfolgen. Trotzdem fungirt das Gefäß später als Hirnvene. Vermuthlich entspricht es dem aller- dings an der caudalen Seite dem Vagus angeschlossenen Gefäße, dessen bei der Beschreibung des Schlangenembryo der Fig. 8 ge- dacht wurde (pag. 302). Die Ähnlichkeit der Venenverhältnisse mit denen von Tropidonotus geht so weit, dass auch bei Lacerta V. cere- bralis anterior, V. orbitalis inferior und das Anfangsstück der Car- dinalvene durch das große pigmentirte Auge verdeckt sind. Der hier beschriebene Zustand der Venen ist von den definitiven Verhältnissen nicht mehr weit entfernt. Um aber die noch erfolgen- den Veränderungen darstellen zu können, wollen wir zunächst die Venen eines Embryo (Lacerta, Serie XIV, Länge des Kopfes 4,1 mm), bei dem die Verknöcherung des knorplig angelegten Skelettes eben beginnt, betrachten. Die V. orbitalis inferior, sowie die beim vorigen ! Im Schema Fig. 2 ist das Gefäß (eben so wie das ähnlich verlaufende bei Tropidonotus im Schema Fig. 1) der Übersichtlichkeit wegen weggelassen. Uber sein Verhalten zur V. cerebralis posterior siehe pag. 317. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 315 Embryo erwähnten Theilstiicke der V. cardinalis und V. capitis la- teralis sind unverändert geblieben; selbst die Insel um den Hypo- glossus ist noch erhalten. Vom Bulbus zieht die Cardinalvene jetzt ventral vom ersten Aste des Trigeminus und seinem Ganglion, zu- nächst im Dache der Mundhöhle, caudalwärts, um dann lateral ab- zubiegen, knapp an der medialen Seite des Ganglion für den zweiten und dritten Ast des Trigeminus vorbeizuziehen und, nunmehr als V. capitis lateralis, in der dorsalen Wand der Paukenhöhle und von - da weiter, wie früher ausgeführt, zu verlaufen. Im Gebiete der Paukenhöhle liegt neben der Vene der Facialis. Fortschritte sind in der Ausbildung des Systems der Hirnvenen zu verzeichnen. Zunächst hat auch hier eine Bildung von Venen- bahnen dorsal vom Gehirn in der Medianebene stattgefunden; und zwar ist bereits das ganze (entsprechend der Nomenklatur bei Tro- pidonotus) als V. longitudinalis cerebri zu bezeichnende Gefäß, das wieder in eine V. longitudinalis prosencephali, mesencephali und epen- cephali zerfällt, vorhanden (v./.p., v.Z.m. und v.l.e. des Schemas Fig. 2). Dann ist die V. cerebralis anterior in ihrer Mitte unterbrochen wor- den; sie macht nämlich eine Lageveränderung, wie wir sie für Tro- pidonotus auf pag. 307 beschrieben haben, überhaupt nicht durch. Wenn das Großhirn sich entwickelt und das Auge nasalwärts rückt, geht das Mittelstiick der Vene zu Grunde; ihr proximaler Theil, welcher Blut aus dem Auge durch den im Schema mit Av. (Augen- vene) bezeichneten Seitenast aufnimmt, bleibt in Folge dessen er- halten und entspricht dann topographisch, aber nicht morphologisch, dem bei Tropidonotus als V. orbitalis superior bezeichneten, sekun- dir entstandenen Gefäße. Der distale Theil der V. cerebralis ante- rior bleibt Hirnvene. Das Hirnblut fließt jetzt hauptsächlich durch die mächtig ge- wordene V. cerebralis media ab. Deren Endstück wird aber auch, wie bei Tropidonotus, durch die sich immer mehr nähernden Ganglien des Trigeminus und Facialis eingeengt; daher sprosst wieder aus ihr ein Seitenast (im Schema mit v.ce.m.sec. bezeichnet) hervor, der dorsal vom hinteren Trigeminusganglion verläuft und nasal von dem- selben sich wieder mit der Cardinalvene verbindet. Wir finden da- her bei diesem Eidechsenembryo einen Venenring um das hintere Trigeminusganglion, dessen caudaler Schenkel aber bald zu Grunde geht. Die beim Eidechsenembryo der Serie VI erwähnte Vene, die in der Nähe des Vagus verläuft, ist jetzt zu einem ziemlich ansehnlichen 316 Otto GroBer und Ernst Brezina Gefäße geworden, das mit diesem Nerven, an dessen lateraler Seite gelegen, den knorpeligen Schädel verlässt. Die V. longitudinalis epencephali steht mit diesem Gefäße in Verbindung. Dasselbe be- kommt einen Seitenzweig von der Gegend des ersten Zwischen- wirbelloches, in welchem wir die Anlage der V. cerebralis posterior zu sehen haben, die aber vorläufig noch nicht bis ins Innere des Schädels verfolgbar ist. Während beim Eidechsenembryo der Serie VI eine ganz ähnlich wie beim Schlangenembryo der Fig. 8 verlaufende Unterkiefervene vorhanden ist, finden wir bei dem jetzt in Rede stehenden Lacerten- embryo auf jeder Seite der Trachea, an diese eng angeschlossen, eine Vene, die das Blut der Zunge, des Kehlkopfes, der Thyreoidea aufnimmt und sich nahe am Herzen in die vordere Cardinalvene er- gießt. Auf der linken Seite ist dieses Gefäß schwächer als rechts. Ein Embryo endlich, der nahezu reif ist zum Verlassen der Ei- hüllen (Lacerta, Serie XX, Länge des Kopfes 6,3 mm), dürfte aller Wabrscheinlichkeit nach den definitiven Zustand der Gefäße erreicht haben!. Bei einem solchen Embryo hat sich in der Orbita ein ganzer Plexus sinuöser Venen entwickelt, in den auch Venen vom Geruchs- organ münden. Aus diesem Plexus fließt das Blut (im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den Schlangen) dauernd durch das Anfangs- stück der alten Bahn, der V. cardinalis, ab. Diese liegt im Dache der Mundhöhle, ventral von der großen, durch die Dura mater ge- schlossenen Öffnung im knöchernen Schädel, welche Hirnraum und Augenhöhle in Verbindung setzt, ventral und etwas medial von dem extradural gelegenen Ganglion des ersten Trigeminusastes, mit dem sie an einer Stelle in Berührung tritt, medial von den beiden an- deren Ästen, von deren Ganglion sie durch eine Knorpellamelle ge- trennt wird. Aus dem Bereiche des Oberkiefers nimmt sie hier eine Vene auf. Wie früher zieht sie in scharfen Krümmungen zuerst lateralwärts und dann, als V. capitis lateralis, in der dorsalen Wand der Paukenhöhle mit dem Facialis caudalwärts, um: von da lateral von den Hirnnerven zu verlaufen. Erst caudal vom Hypoglossus wendet sich die Vene wieder medianwärts, um als V. jugularis zum Herzen zu ziehen. Hier liegen sogar die Zweige der Cervicalnerven, die sich noch mit dem Hypoglossus verbinden, lateral von ihr. Die V, cerebralis media ist in ihrem Verlaufe unterbrochen 1 Ein injieirtes erwachsenes Exemplar von Lacerta agilis stand uns leider nicht zur Verfügung. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 317 worden; das proximale und das distale Ende sind noch als schwache Gefäße nachweisbar, von welchen das erstere Blut vom hinteren Trigeminusganglion bezieht, während das zweite mit den ungemein gefäßreichen Ossifikationspunkten der noch größtentheils knorpeligen Labyrinthkapsel in Verbindung ist. Die beim Embryo der Serie XIV erwähnte Anlage der V. cere- bralis posterior hat sich zunächst mit dem den Vagus begleitenden Gefäße, in das sie ja extracraniell mündet (pag. 316), auch intra- eraniell in Verbindung gesetzt, so dass ein Gefäßring um den das Hinterhauptsloch begrenzenden Knorpel entstanden ist. Aber die den Vagus begleitende Vene hat vom Momente der Bildung dieses Ringes nur mehr sehr kurzen Bestand; beim Embryo der Serie XX ist sie bereits spurlos verschwunden, und nur das unmittelbar an die V. longitudinalis cerebri angeschlossene Theilstück sowie dasjenige, welches von der einstigen Einmündung der V. cerebralis posterior bis zur V. capitis lateralis sich erstreckt, sind erhalten, aber aufge- nommen in die V. cerebralis posterior, die nunmehr allein vorhan- dene ableitende Hirnvene. Eine Abgrenzung dieser einzelnen Theil- stücke der Vene fehlt. Von den beim Embryo der Serie XIV beschriebenen Begleitvenen der Trachea ist nur die rechte in ihrer ganzen Länge erhalten. Die Wurzelzweige, die aus der Zunge, dem Kehlkopfe etc. stammen, sind beiderseits gleich; die der linken Seite sammeln sich zu einem Ge- fäße, das etwa in der Höhe des Zungenbeinkörpers nach rechts ab- lenkt, dorsal von der Trachea, unmittelbar unter der Schleimhaut des Pharynx, verläuft und sich in die auf der rechten Seite mit der Trachea verlaufende Vene ergießt. Diese mündet dann in die vor- dere Cardinalvene, nahe am Herzen!. Zum Schlusse möge der Befund an einigen erwachsenen Exem- plaren von Sauriern verzeichnet werden. Zunächst konnten wir bei Lacerta ocellata konstatiren, dass die Hauptvene des Kopfes lateral von der Vagusgruppe und dem Hypoglossus verläuft. Wir haben es also hier mit einer V. capitis lateralis zu thun. Dieselbe nimmt eine V. cerebralis posterior auf. Im Bereiche des Halses verläuft die Vene mit dem Vagus und der Carotis und kann also mit Recht als V. jugularis interna bezeichnet werden. ! Dass rechts von der Trachea eine ziemlich starke Vene verläuft, wäh- rend links eine solche fehlt, lässt sich auch an der nicht injieirten erwachsenen Eidechse ohne Schwierigkeit sehen. 318 Otto Großer und Ernst Brezina Bei einem von uns untersuchten Exemplare von Varanus are- narius waren die Venen der Orbita nicht injieirt, ihr Abfluss daher nicht nachweisbar. Die V. capitis lateralis verläuft bei der genannten Art wie bei den beschriebenen Lacerta-Embryonen im Dache der Paukenhöhle und lateral von der Vagusgruppe, um im Bereiche des Halses sich an die mediale Seite der Cervicalnerven zu begeben und mit Vagus und Carotis zu verlaufen. Sie ist also vom Hypoglossus an wieder eine typische V. jugularis interna. Dieselbe nimmt ober- halb der oberen Brustapertur auf der rechten Seite ebenfalls eine neben der Trachea verlaufende Vene auf, die nur wenig schwächer ist wie die Jugularvene. Sie wurzelt theils in der rechten Hälfte der Zunge, des Kehlkopfes ete., theils in der linken, indem die dort entspringenden Venen durch eine dorsal von der Trachea (und vom Zungenbeinkörper) gelegene Querverbindung nach rechts übergehen!. Das Blut des Gehirns fließt wieder durch eine V. longitudinalis cerebri und eine V. cerebralis posterior ab. Außerdem ist ein in der Gegend der Epiphyse lateralwärts abgehendes venöses Gefäß vorhanden; aus diesem geht eine dorsal vom Labyrinth verlaufende Vene ab, die sich in die V. cerebralis posterior ergießt. Abgesehen von diesem letzteren Gefäße stimmen also die Verhältnisse der Kopf- venen von Varanus, so weit wir sie feststellen konnten, fast voll- ständig mit den beim ältesten Embryo von Lacerta agilis gefundenen überein. Auch bei Uromastix spinipes ließ sich nachweisen, dass in der hinteren Hälfte des Kopfgebietes eine V. capitis lateralis vor- handen ist, die im Bereiche des Halses nach Aufnahme einer V. cerebralis posterior in eine V. jugularis interna übergeht. Diese nimmt rechts wieder eine starke Begleitvene der Trachea auf. In gleicher Weise endlich verhält sich das Venensystem von Chamaeleo vulgaris, wo sich auch der Verlauf der Vene an der dorsalen Wand der Paukenhöhle, lateral und dorsal von der Colu- mella, darstellen ließ. 1 RATHKE (10) sagt: »Auch bei den Eidechsen.... kommen auffallender- weise jederseits zwei Jugularvenen vor: Die innere gehört nur der Zunge, dem Kehlkopfe, dem Schlundkopfe und der Luftröhre an, die äußere sendet.... einen Hauptast zum Hinterhauptsloche, wo er mit den Blutleitern der Schädel- höhle zusammenhingt.« Diese Angabe beruht offenbar auf einem Irrthume. Nur auf der rechten Seite des Halses kommen zwei stärkere Längsvenen vor; deren Deutung siehe im Text. Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 319 Leider konnten wir die Untersuchung der Entwicklung der Kopf- venen wegen Mangels an Material nicht auch auf andere Ordnungen der Reptilien ausdehnen; und die Litteratur bietet diesbezüglich sehr wenig. Zunächst kommen wieder zwei Werke RArtHke'’s in Betracht: »Über die Entwicklung der Schildkröten«, und »Untersuchungen über die Entwicklung und den Körperbau der Krokodile«. Die definitiven Venenverhältnisse bei Schildkröten hat Bosanus (3) ausführlich dar- gestellt. Außerdem hatten wir wieder Gelegenheit, an einigen Ver- tretern der genannten Ordnungen die Angaben über die Verhältnisse der erwachsenen Formen nachzuuntersuchen. Was zunächst die Schildkröten betrifft, so giebt RarHKE (12) eine Beschreibung der Hirnvenen eines Embryo von Emys europaea »etwa aus der Mitte des Fruchtlebens«. Es verlief bei diesem nach RaTHKE’s Angabe auf dem Vierhügel in der Mitte des Kopfes ein Sinus perpendicularis, der von den Hemisphären des großen Gehirns mit zwei Ästen entsprang und hinter dem Vierhügel sich in zwei Sinus transversi theilte. Diese schienen »vor dem vorderen Rande des Felsenbeines ....... sich zur Grundfläche der Hirnschale zu be-: geben«. Jeder dieser Sinus sandte einen kürzeren und etwas enge- ren Sinus nach hinten aus, der »dicht über dem Felsenbein« verlief, »hinter demselben in die V. jugularis überging und vor seinem Ende einen von der Medulla oblongata (und dem kleinen Gehirn?) her- kommenden Ast aufnahm«. Vor und unter dem Auge entsprang eine Vene, die sich mit einer Vene aus dem Unterkiefer verband und in die V. jugularis überging. Diese entsprach der V. jugularis externa des Menschen wegen des oberflächlichen Verlaufes unter der Haut des Halses. Es ist kein Zweifel, dass der Sinus perpendicularis obiger Dar- stellung unserer V. longitudinalis mesencephali entspricht. Die bei- den Äste, mit denen sie auf den Hemisphären entspringt, sind die noch unvereinigten Anlagen der V. longitudinalis prosencephali. Die Bezeichnung der hinter dem Mittelhirn absteigenden Vene als Sinus transversus ist nicht recht verständlich; denn die entsprechende Vene von Tropidonotus nennt RATHKE selbst (11) Sinus petrosus (superior). Die von der Medulla oblongata und dem Kleinhirn kommende Vene ist vielleicht die V. cerebralis posterior. Wenn die V. jugularis dieser Stadien wirklich den Namen einer V. jugularis externa verdient, so haben wir gewiss schon ein sekundäres Verhältnis vor uns, das allerdings dann, wie wir sehen werden, persistirt. Die definitiven Verhältnisse bieten viel Interessantes. Hier münden 320 Otto Großer und Ernst Brezina (nach BoJanus [3]) die Venen der Orbita und der Nase in einen Sinus cavernosus, der an der Seite der Hypophyse und Sella tureica liegt, medial von dem zum Durchtritte des zweiten und dritten Astes . des Trigeminus bestimmten Foramen sphenoidale; der Abfluss dieses Sinus verlässt den Schädel durchs Foramen lacerum, zusammen mit dem N. durus (dem Facialis). Den gleichen Kanal benutzt die A. carotis interna. Dieser Sinus bildet dann die eine Wurzel der Jugu- larvene. In der Mittelebene, dorsal vom Gehirn, verläuft der Sinus faleiformis, der sich am Foramen oceipitale in die beiden Sinus ocei- pitales theilt; diese sind noch unter der Medulla oblongata durch eine Anastomose verbunden und geben die zweite Wurzel der V. jugularis ab. Eine Verbindung zwischen Sinus cavernosus und falei- formis ist der Sinus lateralis, der mit dem ersteren noch vor der Sella tureiea mit dem letzteren etwas caudal von der Epiphyse zu- sammenhängt und dem caudalen Rande der Hemisphären ange- schlossen ist. Theilweise in ein (cavernöses?) Geflecht zerfallend, umspinnt er auch den zweiten und dritten Ast des Trigeminus an ihrer Austrittstelle. An diesem Punkte hängt mit ihm der Sinus petrosus zusammen, der gleichfalls theilweise in ein Geflecht zer- fällt und zuerst eine Strecke weit auf dem Felsenbeine caudalwärts verläuft und dann im rechten Winkel zum Sinus faleiformis aufwärts abbiegt. Die Jugularvene verläuft zufolge der Abbildung von Bo- JAnus nach Aufnahme eines Astes aus dem Unterkiefer zwischen den beiden Hörnern des Zungenbeines medial vom Glossopharyngeus und dem Ramus anterior n. hypoglossi, aber lateral vom Ramus posterior dieses Nerven caudalwärts, wobei sie sich aber fortwährend vom Vagus und der Carotis entfernt, da sie dorsalwärts ablenkt. In Folge dessen ist ihr Abstand von den genannten Gebilden an der oberen Brustapertur und an der Vereinigungsstelle mit der V. axil- laris ein ziemlich beträchtlicher. Außerdem finden sich im Bereiche des Halses eine V. vertebralis und eine V. oesophagea, die von der Gegend des Zungenbeines bis zur Brustapertur mit dem Ösophagus verläuft und einen neben der Trachea einherziehenden Ramus tra- ehealis aufnimmt. Die geschilderten Verhältnisse, die wir zum Theile an einem Exemplare von Testudo graeca kontrolliren konnten, weisen eine unverkennbare Ähnlichkeit mit denen bei Lacerta auf, wenn man die Verschiedenheit in der Ausbildung des knöchernen Schädels bei- der Formen berücksichtigt. Die Venen der Orbita entsprechen der zu einem Plexus aufgelösten V. orbitalis inferior; der Sinus caver- Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 321 nosus, dessen topographisches Verhalten zum Trigeminus dem des erhaltenen Restes der Cardinalvene bei Lacerta vollständig entspricht, ist vielleicht gleichfalls ein Rest der Cardinalvene. Dass das Ge- fäß bei Lacerta extracraniell liegt, mag seinen Grund darin haben, dass bei dieser Form die Hirnschale gegen die Orbita zu nur von der Dura gebildet wird und Knochen fehlt; bei anderen Formen mag dieser sich immerhin lateral von dem Gefäße gebildet haben, das ja auch hier vom Gehirne durch eine Lamelle der Dura ge- schieden ist. Vom Trigeminusgebiete ab liegt die Vene offenbar lateral von Facialis und Labyrinth und, wenigstens bei dem von uns secirten Exemplare, auch lateral von der ganzen Vagusgruppe; es besteht also auch bei Schildkröten in diesem Theile des Kopfes eine V. capitis lateralis. Im Gegensatze zu BoJanus fanden wir die Vene auch lateral vom vorderen Zungenbeinhorn. Im Halsge- biete liegt die Vene ganz oberflächlich unter der Haut; sie ist also jedenfalls ein morphologisch von der Jugularvene der bisher be- schriebenen Reptilienformen verschiedenes Gefäß. Ob vielleicht in der allerdings in nächster Nähe des Vagus und der Carotis ver- laufenden V. oesophagea ein Rest einer V. jugularis interna vorhan- den ist, muss dahingestellt bleiben. Der Sinus lateralis entspricht zweifellos der V. cerebralis anterior der anderen Reptilien. Denn er liegt dem caudalen Rande der Hemisphären sehr nahe. Der Sinus petrosus dürfte zum Theile dem von RarukE beim Embryo be- schriebenen, auf dem Felsenbeine liegenden Gefäße entsprechen. Dagegen, dass etwa der zweite aufsteigende Theil dieses Sinus ein Rest der V. cerebralis media sei, spricht seine ziemlich weit caudal gelegene Verbindung mit dem medianen Längssinus. Dieser ist unsere V. longitudinalis cerebri. Sie setzt sich fort in die Sinus ocei- pitales, die offenbar Derivate unserer Vv. cerebrales posteriores sind. Die von RA'THKE gesehene Vene, die vor und unter dem Auge ent- sprang und oberflächlich verlief, ist bei Bosanus nicht wieder aufzu- finden, also wohl im Laufe der Entwicklung zu Grunde gegangen. Was die Krokodile betrifft, so existiren bloß Angaben über die Venenverhältnisse des erwachsenen Thieres (RATHKE [13}). Dieses besitzt eine V. jugularis interna und externa. Die erstere entsteht aus einem Sinus transversus, der aus einer Art Toreular Herophili, zwi- schen Vierhügel und Kleinhirn, entspringt und durchs Foramen ju- gulare mit dem Vagus den Schädel verlässt. In das Toreular mündet von vorn ein Sinus longitudinalis, von rückwärts geht daraus ein Sinus oceipitalis posterior hervor, der sich in ein das Hinterhauptsloch Morpholog. Jahrbuch. 23. >31 392 Otto GroBer und Ernst Brezina umspinnendes Venengeflecht, den Sinus. foraminis magni, auflöst. Aus diesem entsteht der eine Ursprungsast der V. jugularis externa; er dringt zwischen den Nackenmuskeln nach außen und vereinigt sich medial vom Kiefergelenk mit dem zweiten Ursprungsaste, der V. facialis. Diese entsteht aus je einem Aste aus dem Ober- und Unterkiefer (V. dentalis superior und inferior). Der erstere »sendet hinter dem Os orbitale einen starken Zweig aus, der sich um dieses Knochenstück nach außen und vorn herumschlägt, sich zu der Augen- höhle begiebt und in derselben weit ausbreitet«. Mit den Venen der Augenhöhle hängt der Sinus cavernosus zusammen, der »von den Foramina optica zu den Foramina carotica interna« sich erstreckt und hinten sich in der harten Hirnhaut zu verlieren scheint. Dicht vor der Einmündung in die V. jugularis externa ist die V. facialis durch eine Anastomose mit der V. jugularis interna verbunden. Im Bereiche des Halses verläuft diese letztere mit dem Vagus und der A. collateralis colli!, die V. jugularis externa liegt »zwischen der Hautbedeckung und den Halsmuskeln, doch näher der oberen als der unteren Seite des Halses«. Beide Gefäße, die ungefähr gleich stark sind, werden durch eine eben so starke Anastomose verbunden. Die V. jugularis interna setzt sich in gerader Richtung in die V. anonyma fort, welche aus ihr und der V. subelavia entsteht; in diese wieder mündet die V. jugularis externa. Den Verlauf der Venen des Halses haben wir an zwei Exem- plaren von Alligator lucius nachuntersucht und dabei die Angaben RarHke’s bestätigt gefunden. Es hat sich dabei auch herausgestellt, dass die durch das Foramen jugulare verlaufende Vene lateral von der Vagusgruppe, aber medial vom Hypoglossus liegt. Die Ordnung der Krokodile ist, so weit bekannt, die einzige unter den Reptilien, in welcher das letztere Verhältnis zu beobachten ist. Wir ersehen aus diesen Angaben, dass das Venensystem des Kopfes und Halses der Krokodile sich von dem der übrigen Rep- tilien ziemlich weit entfernt, dafür aber dem der Säugethiere recht nahe kommt. Es lassen sich nur einige der Gefäße, die wir bei den übrigen Formen gefunden haben, beim Krokodil wiedererkennen. So vor Allem die V. jugularis interna. Doch ist das Verhalten der Wurzel dieses Gefäßes und seine topographische Beziehung zum Hypoglossus eine Eigenthiimlichkeit dieser Reptilienordnung. Auch 1 Entspricht nach J. Y. Mackay (9) der A. carotis ventralis (externa) an- derer Formen. ee Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. 323 einen Sinus transversus, der sich dem der Säugethiere homologisiren lässt, besitzen nur die Krokodile. Die V. longitudinalis cerebri er- scheint wieder als Sinus longitudinalis und Sinus oceipitalis posterior, die V. cerebralis posterior als Sinus foraminis magni und als Wurzel- ast der V. jugularis externa. Doch muss gerade diese letztere Ver- bindung eine sekundäre sein. Der Sinus cavernosus ist vielleicht wieder ein Rudiment der Cardinalvene; wie bei der Schildkröte reicht er in der Schädelhöhle bis zum Eintritte der Carotis in die- selbe. Auffällig ist aber, dass er mit so wenig anderen Venen Ver- bindungen eingehen soll; RATHKE lässt uns über den Weg, auf dem sein Blut abfließt, im Unklaren. Fassen wir nun die Ergebnisse unserer Untersuchungen kurz zu- sammen, so ergiebt sich, dass die einfachsten Verhältnisse bei Sauriern zu finden sind. Bei diesen erhält sich dauernd im Bereiche des Trigeminus die Cardinalvene, weiter caudal ist die V. capitis lateralis an ihre Stelle getreten. Die Schlangen besitzen im ganzen Bereiche des Kopfes ein laterales Gefäß. Beiden Formen kommt eine V. ju- gularis interna zu. Diese fehlt bei Schildkröten; dafür entsprechen die Kopfvenen in der Hauptsache denen der Saurier. Am weitesten entfernen sich von diesen die Krokodile, die nur das lateral von der Vagusgruppe gelegene Theilstiick der V. capitis lateralis und zwei Jugularvenen, eine oberflächliche und eine der V. jugularis interna vergleichbare, besitzen. Den Hirnvenen der erwachsenen Formen mag wohl überall ein System von Gefäßen zu Grunde liegen, das aus einer in drei Theile zerfallenden medianen Längsvene und drei in den Einziehungen zwischen den Hauptabtheilungen des Gehirns, resp. caudal von diesem verlaufenden, ableitenden Quervenen be- steht, aber schließlich mannigfach verändert wird. Zum Sehlusse erlauben wir uns, Herrn Prof. F. HocHsTETTER, der uns sein Embryonenmaterial für die vorliegende Arbeit zur Ver- fügung gestellt hat, und der uns während derselben stets in zuvor- kommendster Weise behilflich war, unseren wärmsten Dank zu sagen. In gleicher Weise möge es uns verstattet sein, Herrn Prof. E. ZucKER- KANDL dafür zu danken, dass er uns den Arbeitsplatz in seinem Institute und die Hilfsmittel desselben freundlichst zur Benutzung überließ. ois 324 Otto Großer und Ernst Brezina Litteraturverzeichnis. 1) F. M. BALrourR, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsch von ’ Dr. B. VETTER. 1881. 2) E. BERANECK, Sur le développement des nerfs craniens ches les lézards. Recueil zool. Suisse. I. 1884. 3) Bosanus, Anatome Testudinis Europeae. Vilnae 1819—1821. 4) Bronn’s Klassen und Ordnungen der Thiere: C. K. HOFFMANN, Reptilien. 5) G. CuraruGı, Lo sviluppo dei neryi vago, accessorio, ipoglosso e primi cervicali nei Sauropsidi e nei Mammiferi. Atti della Soc. Toscana di scienze natur. Pisa 1889. 6) —— Contribuzioni allo studio dello sviluppo dei nervi encephali. Florenz 1894. 7) Fr. Houssay, Sur la circulation embryonnaire dans la téte chez |’ Axolotl. C. R. Acad. Sc. 1892. T. CXV. 8) N. KASTSCHENKO, Das Schlundspaltengebiet des Hühnchens. Archiv für . Anatomie und Physiologie. 1887. 9) Joun YuLE Mackay, The development of the branchial arterial arches in birds. Philosophical transactions of the R. Society of London. 1888. 10) H. RATHKE, Dritter Bericht des naturwissenschaftlichen Seminars in Königs- — berg, nebst einer Abhandlung über den Bau und die Entwicklung des Venensystems der Wirbelthiere. Königsberg 1838. 11} —— Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. ha —— Über die Entwicklung der Schildkröten. Braunschweig 1848. 13) —— Untersuchungen über die Entwicklung und den Körperbau der Kro- kodile. Braunschweig 1866. 14) H. SALZER, Die Entwicklung der Kopfvenen beim Meerschweinchen. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIII. 1895. 15) ©. Voar, Zur Neurologie von Python tigris.. Jon. MÜLLER’s Archiv. 1839. 16) R. WIEDERSHEIM, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 3. Aufl. Jena 1893. Erklärung der Abbildungen, Tafel XX und XXI. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: a.b. Art. basilaris, a.m. Art. mandibularis, a.c. Art. carotis, a.o. Art. oceipitalis (A. vertebralis), a.c.c. Art. earotis cerebralis, An. Anastomosen der Gaumenvenen, a.c.f Art. carotis facialis, an.J. Anastomosis Jacobsonii, a.l. Art. lingualis (A. carotis externa), are.(ao.)I—VI Arcus aortae’ I—VI, Über die Entwicklung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Au. Kontour des Auges, Av. Zufluss der V. cerebralis anterior vom Auge her, Bv. basale Vene des Zwischenhirns, co.X. Vaguskommissur des Glossopha- ryngeus, g.Vi—3, g.VII Ganglien des Trigeminus und Facialis, , g.s.LX oberes Ganglion des Glossopha- ryngeus, g.i. IX unteres Ganglion des Glossopha- ryngeus, g.s.X oberes Vagusganglion, g.i.X unteres Vagusganglion, g.e. Ganglion ciliare, g.s.p. Ganglion sphenopalatinum, gl.pin. Glandula pinealis, Hb. Hörbläschen, nn.cerv. Nervi cervicales, n.fr. N. frontalis, n.n.c. N. nasociliaris, n. Vi., n. Vid. N. Vidianus, Qu. Queranastomose der V. cardinalis und V. capitis lateralis zwischen La- byrinthbliischen und Facialis, r.a.XII Radix anterior n. hypoglossi, 325 r.p. XII Radix posterior n. hypoglossi, r.s.p. Ramus sphenopalatinus n. trige- mini 2, s. V. sekundäre Verbindung der V. cere- bralis media mit der V. cerebralis anterior, v.cl. V. capitis lateralis, v.ca. V. cardinalis (anterior), v.ce.a. V. cerebralis anterior, v.ce.m. V. cerebralis media, v.ce.m.sec. V. cerebralis media secun- daria, v.ce.p.. V. cerebralis posterior, v.cu. V. cutanea, vj. V. jugularis, v.l.e. V. longitudinalis epencephali, v.im. V. longitudinalis mesencephali, vip. V. longitudinalis prosencephali, v.m.i. V. maxillaris inferior, v.m.s. V. maxillaris superior, v.o.t. V. orbitalis inferior, v.o.s. V. orbitalis superior, I—IV, Vı-3, VI—XTT die Hirnnerven, Isp., IIsp. erster, zweiter Spinalnerv, +, X und xx siehe im Text. Schema der Entwicklung des Kopfvenensystems bei Tropidonotus. In beiden Schemen sind die im Laufe des Wachsthums wieder zu Grunde gehenden Gefäße schraffirt. Fig. 1. Fig. 2. Dasselbe Schema für Lacerta. Fig. 3 und 4. Vergr. 40. Querschnitte durch den Embryo Serie XXI von Tropidonotus. Fig. 5—9. Profilkonstruktionen der Embryonen Serie XVII, XI, VIII, X und XVI von Trepidonotus. Fig. 5 30mal, Fig. 6—9 25 mal vergrößert. Zur Strukturlehre von Muskelindividuen. Von Georg Ruge. Bei den Untersuchungen iiber den Rumpf der Hylobatiden! wurde meine Aufmerksamkeit auch auf das für die hintere GliedmaBe bestimmte Nerven- geflecht gelenkt. Bei der angestrebten Auflösung des Geflechtes in spinale Wurzeln war es mir einige Male mit der erwünschten Sicherheit, welche prä- paratorische Methoden gewähren, gelungen, die zu einigen Muskeln der unteren Extremität ziehenden Nervenstränge auf deren spinale Zusammensetzung zu er- mitteln. Die betreffenden Muskeln waren theilweise mono-, größtentheils aber polymerer Natur, welche die Gliedmaßenmuskulatur, wie bekannt, zu beherr- schen pflegt. Das Sichergestellte an einigen polymer aufgebauten Muskeln rief die Ver- muthung in mir wach, dass die Struktur dieser Muskelindividuen in einer be- stimmten Abhängigkeit zur Art deren Innervation stehe. Aus Notizen und Abbildungen entnehme ich einige, den Musc. rectus femoris der Hylobatiden betreffende Zustände, welche aus dem Grunde an Bedeutung gewinnen, weil einige vor Kurzem durch L. BoLK? in diesem Jahrbuche ausgesprochenen Ver- muthungen durch sie an thatsächlichem Boden gewinnen. BOLK hat sich dahin ausgesprochen, dass die im Rectus femoris des Menschen befindliche frontal verlaufende Zwischensehne vermuthlicher Weise Reste eines Myocomma, eines primitiven Ligam. intermusculare sei. Die Begründung, welcher diese Muth- maßung zu Grunde liegt, wolle man im Bouk’schen Aufsatze nachlesen. Zwei Exemplare unter den mir zur Verfügung stehenden Objekten er- laubten, die Nerven des Muse. rectus femoris bis zum spinalen Ursprunge zurück zu verfolgen. Es handelte sich um einen jungen Hylobates syndactylus und um einen erwachsenen Hylobates leueiscus. Die Präparation an allen übrigen a hatte hier oder dort Lücken hinterlassen, so dass ich die Befunde aus- schließe. Der Reetus femoris ist beim jungen Syndactylus an der linken Seite ein monomerer Muskel gewesen. Der 16. thoraco-lumbale Spinalnerv versah ihn mit Asten. Die auf pag. 445 des Aufsatzes über Hylobatiden angegebenen Be- merkungen beziehen sich auf den hier zu erörternden Fall. Der Muse. rectus femoris ist beim Hylobates leuciscus ein diplomeres Gebilde. Aste des 15. und 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven gelangen zum Muskel. Die auf pag. 451 jenes Aufsatzes gegebenen Mittheilungen fanden auf diesen Thatbestand Anwendung. Es war ein glücklicher Zufall der Wahrnehmung, dass der gleich benannte Muskel bei zwei Vertretern des Genus Hylobates nicht allein keine komplete Homologie kund gab, sondern sogar in Bezug auf die Summe der den Muskel zusammensetzenden Körpersegmente sich grundverschieden verhielt. Es liegt in meiner Absicht, darzulegen, erstens wie die Struktur der bei- den verschieden segmentirten Muskeln zu einander, und zweitens wie die strukturellen Verhältnisse jeden einzelnen Muskelindividuums zu den Spinal- ästen sich verhalten. Der Rectus femoris des Hylobates syndactylus ist von schlanker Gestalt, ein wenig von vorn nach hinten abgeplattet. Die stattliche Ursprungssehne entsendet in den Muskelbauch ein sagittal gestelltes Sehnenblatt, welches die Muskelbündel in eine mediale und in eine laterale Gruppe scheidet. Die sagit- tale Zwischensehne erstreckt sich etwa durch die proximalen zwei Dritttheile des Bauches in distaler Richtung. Die Bündel, welche am Becken und am Sagittalblatte entspringen, ziehen median- und lateralwärts und wenden sich dabei zugleich der hinteren femoralen Fläche zu. Hier hat sich von der Patella aus in proximaler Richtung die Endsehne entfaltet; sie nimmt alle Bündel auf. Sie ist hinten frei entfaltet und lässt sich bis zur Höhe des proximalen Muskel- abschnittes verfolgen. Es handelt sich also um einen gefiederten Muskel, welcher durch die im Inneren des Muskels sagittal gestellte Ursprungssehne, durch die hierdurch wechselseitig bedingte Entfaltung auch der Endsehne längs der femoralen Fläche, seine Struktur empfangen hat. Die Bündel verlaufen im Muskel sehr 1 Max Weser’s Zoolog. Ergebnisse einer Reise in Niederl. Ostindien. Leyden 1890. 2 Rekonstruktion der Segmentirung der Gliedmaßenmuskulatur. 1895. Morpholog. Jahrbuch Bad. XXI. IM WCeMm.Sec i Vv mcem. ca N rcem oe VCE. arc. ao. ur arc.ao. I arc.ao. J Ze Verlag von Wilh Engels Sith Anst wWerner sWinter rankfurt?M — _— Dan N ee Be m er ET TUST HF FEIERT TT OLS a CEO ETT en ee ToT es m ya \\ IN Jahrbuch Bd X Zur Strukturlehre von Muskelindividuen. 397 wenig steil, sind kurz, aber sehr zahlreich. Die Kraftleistung, welche dem Muskel innewohnt, werden wir hoch anschlagen müssen. Ein starker Ast des N. femoralis betritt den Medialrand des Rectus fe- moris in dessen proximaler Zone. Der Nervenast theilt sich. Zweige für die medial und die lateral von der sagittalen Zwischensehne gruppirten Bündel sind sofort erkennbar. Der Rectus femoris des Syndactylus gehört dem 16. thoraco-lumbalen Myomer zu; er ist monomer. Die Nerven betreten den Medialrand des Muskels een sich hier in den zu den Seiten der Zwischensehne befindlichen Biin- deln auf. Die Art der Ausdehnung der Ursprungs- und Endsehne sowie das Ver- halten der Innervation decken sich, denn wir können keiner anderen Annahme beitreten als derjenigen, dass es sich beim Reetus femoris des Hylobates syn- dactylus um ein in neuromerer Hinsicht einheitliches Organ handele, in welchem die Bündel anfänglich parallel verlaufen sind, in gleicher Weise wie in jedem Myomer, von welchem ein Rectus sich herleiten könne. Weiterhin ist anzu- nehmen, dass die Bündel anfänglich dem Femur parallel gestellt gewesen seien. Die Indifferenz einer solchen Bündelanordnung kennzeichnet meist noch die Struktur des wenigst umgestalteten Sartorius. Die Umordnung der Bündel hat in dem vorliegenden Verhalten kraft der dem monomeren Muskel selbst innewohnenden Fähigkeit erfolgen müssen. Diese strukturelle Selbstdifferenzirung des segmentalen Muskelindividuums steht in einem gewissen Gegensatze zu dem Verhalten des polymeren Muskels bei Hylobates leuciscus. Der Muse. rectus femoris des Hylobates leuciscus mag nach Volum und Gestalt mit demjenigen des Syndactylus übereinstimmen. Der Bau beider Mus- keln ist indessen verschieden. Die kräftige Ursprungssehne pflanzt sich bei Leuciscus in distaler Richtung als ein den Muskelbauch durchsetzendes Zwi- schenband fort. Die Lage dieser Zwischensehne fällt in die frontale Ebene. Das Sehnenblatt scheidet die Muskelbündel in eine vordere (ventrale) und in eine hintere (femorale) Gruppe. Die vorderen ventralen Bündellagen sind haupt- sächlich im distalen, die hinteren dorsalen sind der Hauptsache nach im proxi- malen Abschnitte des Muskelbauches zur Entfaltung gekommen. Die vorderen Bündel gelangen alle zu einer Insertionssehne, welche von der Patella aus die Vorderfliiche des Muskelindividuums überzieht. Die hinteren femoralen Bündel- lagen erzeugten eine ähnliche Insertionssehne, welche von der Kniescheibe aus die hintere Muskelflache in sehr beträchtlicher proximaler Ausdehnung bekleidet. Die Ubereinstimmung des Muskels beider Thiere besteht in dem Besitze eines Sehnenblattes, welches das Organ vom Ursprunge an durchsetzt und die Fleischbündel in zwei, je andere Richtungen einschlagende Gruppen scheidet. Es handelt sich also um fiederförmige Anordnungen der Elemente, welche die Kraftleistung erhöhen. Die Übereinstimmung kommt auch darin zum Ausdrucke, dass die Zwischensehne parallel der Längsachse des Oberschenkels verläuft und die Bündelgruppen in einer schrägen Stellung zu letzterem angeordnet sind. Ab- weichungen in der Struktur beider Muskeln sind in der sagittalen Lage der Zwischensehne bei Syndactylus, der frontalen bei Leuciscus ausgesprochen. Ferner wird der Besitz von nur einer Endsehne an der femoralen Fläche bei Syndactylus und derjenige von zwei Endsehnen bei Leuciscus zu einem wich- tigen Unterscheidungsmerkmale. Neue Verschiedenheiten treten in der Art der Nervenversorgung zu Tage. Der Nerv, welcher für den Muskel bei Syndactylus bestimmt ist, erreicht nach der Loslösung vom Femoralisstamme die Medialfläche nahe dem Ursprunge vom Becken. Die Nervenzweige vertheilen sich sofort zur lateralen und zur medialen Bündelgruppe, welche sie der Länge nach durchsetzen. Alle Fasern sind auf den 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven, d. i. den 24. Spinalnerven der ganzen Reihe zurückführbar. Die vom Femoralisstamme zum Rectus femoris des Hylobates leuciscus sich begebenden Nerven betreten ebenfalls dessen Medialrand, aber nicht an einer circumscripten Stelle. Drei von einander isolirbare Zweige sind unter- scheidbar. Ein Nery betritt, nachdem feine Aste für die ventralen, am meisten proximal gelegenen Portionen sich abgelöst haben, an der Grenze vom ersten und zweiten Dritttheil den Bauch und löst sich in den Bündeln der vorderen 328 Georg Ruge, Zur Strukturlehre der Muskelindividuen. (ventralen) Gruppe auf. Alle Nervenfasern erschöpfen sich in letzterer; sie sind zum 15. thoraco-lumbalen Spinalnerven, d. i. den 23. Spinalnerven der Reihe, zurückführbar gewesen. Dieser Nervenast hält sich im Verlaufe bis zu den distalen Bündeln an der medialen Oberfläche des Muskels; er lagert unmittel- bar vor dem frontalgestellten Sehnenzwischenblatte und entsendet von hier seine feinen Zweige aus. Zwei andere. Nerven erreichen selbständig den Muskelbauch. Der eine von ihnen gelangt zu den proximalen kräftigen Bündeln der femoralen, dor- salen Muskelhilfte. Der andere Nerv gelangt am Ende des proximalen Dritt- theils zu den mehr distal gelegenen dorsalen Fleischbündeln. Beide Nerven haben mit Sicherheit zu dem 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven zurück verfolgt werden können. Beide Nervenäste dieses 24. Spinalnerven (in der ganzen Reihe) bewahren die Lage hinter dem Zwischensehnenblatte. Das ist das Wesentliche im Verlaufe dieser Nerven. Die Innervationsverhältnisse lehren die segmentale Einheitlichkeit des Muskels von Syndactylus, der metameren Doppelnatur des Muskels von Leuciscus. Das sagittale Sehnenblatt von Syndactylus scheidet zwei Bündel- gruppen, welche einem und demselben Myomer entsprossen sind. Das frontal gestellte Sehnenblatt bei Leuciscus scheidet streng die zwei Gruppen von Bün- deln, welche von zwei verschiedenen Myomeren sich herleiten. Das Sehnen- blatt nimmt hier also zu den kontraktilen Elementen eine ähnliche Lage ein, welche dem Theile eines Ligam. intermuscul. (Myocomma) zwischen den be- nachbarten Rumpfmyomeren im Indifferenzzustande zukommt. Wenn schon bezüglich der Lagebeziehungen der Bündel benachbarter Myomere zu einem Myocomma eine Übereinstimmung der Lage der verschieden innervirten. Bün- delgruppen zu dem Sehnenblatte bei Leueiscus besteht, so kann vorläufig je- doch nicht mit Sicherheit ausgemacht werden, ob ein Theil des Ligam. inter- musculare direkt zu jener Zwischensehne des Muskelindividuums sich umge- staltet habe. Für die Wahrscheinlichkeit einer solchen Annahme ist allerdings Mancherlei anzuführen, vor Allem die Parallelstellung der Zwischensehne mit der Längsachse des Femur. Mit voller Berechtigung lässt sich andererseits aussagen, dass das Zwischensehnenblatt bei Syndactylus demjenigen von Leu- eiscus unmöglich entsprechen könne. Solches anzunehmen, verbieten die be- schriebenen, verschiedenartigen Beziehungen der Sehnenblätter zu ganz ver- schiedenen Segmentbündeln hier und dort. Da die Bündel eines jeden indifferenten Myomers in paralleler Anordnung zu denken sind, so ist diese Anordnung in dem monomeren Muskel von Syn- dactylus unter Ausbildung der Fiederung und des Zwischensehnenblattes auf- gegeben worden. Der Rectus femoris des Leueiscus hingegen bewahrte die Parallelstellung der Bündel, welche je zu einem Myomere gehört haben. Aller- dings haben die Bündel, welche den zwei benachbarten Körpersegmenten ent- stammen, die primitive Lagerung zu einander eingebüßt. Die angeführten Punkte, welche eine Vergleichung zwischen dem Baue des Muskels einander sehr verwandter Thierformen gestatten, lassen den Wesens- unterschied der Struktur der Muskelindividuen erkennen. Das Leistungsver- mögen der strukturell nur wenig übereinstimmenden Gebilde mag natürlich trotzdem ein gleichbedeutendes sein. Auf zwei sehr verschiedene Weisen hat der Organismus, wie die Objekte unserer Betrachtung zeigen, Einrichtungen hervorgehen lassen, welche für ihn gleiche Dienste leisten. Die Strukturverhältnisse am Muskel des Hylobates leueiscus sind so ge- troffen, dass die Vermuthung, es liege im Zwischensehnenblatte der entfaltete Abschnitt eines Myocomma vor, an Boden gewinnt. Die von L. BOLK ausge- sprochene diesbezügliche Ansicht betreffs des menschlichen Muse. rectus fe- moris muss ihre tiefere Begründung durch genaue anatomische Analyse finden. Die Erscheinung, dass das Zwischensehnenblatt im Reetus femoris des Hylo- bates syndactylus keinerlei Beziehungen zu einem Myocomma besitze, mahnt zur Vorsicht vor Verallgemeinerungen und lässt es wünschenswerth erscheinen, eine Reihe verschieden gebauter Muskelindividuen auf die Innervation von dessen Bündelgruppen speciell zu prüfen. Auf diese Weise können wir einmal über Material verfügen, auf Grund dessen allgemein Gültiges von Besonderem zu trennen ist. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. Von Prof. I. Popowsky in Tomsk. ; Mit Tafel XXJI—XXIV. Die Frage von der Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen steht in engem Zusammenhange mit der Frage von der Entwicklungsgeschichte der mimischen Muskulatur, da die Bildung der Anastomosen und Geflechte im Gebiete des N. facialis beim Menschen von dem Differenzirungsprocess der Gesichtsmuskulatur abhiingt, wie dieses zuerst von Prof. GEGENBAUR ausgesprochen worden ist (9, Bd. II. pag. 448). Der betreffende Passus lautet: »Im Plexus parotideus besteht eine Auflösung und weitmaschige Durch- flechtung der Faserzüge des Facialis. Aufwärts tretende Züge wer- den wieder abwärts abgelenkt, und umgekehrt, bilden mit anderen neue Kombinationen, woraus unter Wiederholung dieses Verhaltens eben das Geflecht entsteht. Für diese eigenthümliche Bildung wird als Causalmoment eine stattgefundene Umlagerung der Muskulatur des Antlitzes angenommen werden müssen, so dass jene Muskeln, die wir schon als Differenzirungen des Platysma betrachteten, nicht von vorn herein die ihnen zukommenden Lokalitäten einnehmen und mit ihrer Wanderung zugleich Veränderung in der Anordnung der zu ihnen gehörigen Facialiszweige hervorriefen.« Wir wissen gegen- wärtig bereits genau, dass die mimische Muskulatur beim Menschen ein Produkt der Differenzirung des Platysma darstellt. Es ist uns ebenfalls bekannt, dass das Platysma sich im Gebiet des Hyoid- bogens entwickelt. Von hier aus dehnt es sich nach oben und vorn Morpholog. Jahrbuch. 23. ‘ 22 330 I. Popowsky zum Kopfe zu aus und bildet um jede äußere Öffnung der specifischen Sinnesorgane einerseits den Sphincter, andererseits die Dilatatores. Bei dieser Wanderung führt das Platysma auch seinen Nerv mit sich fort, welcher, entsprechend der Differenzirung des Muskels, sich seinerseits differenzirt, resp. in einzelne Zweige zerfällt; der Nerven- stamm verdickt sich aus diesem Grunde, verändert seine ursprüng- liche Lage, tritt in Verbindung mit anderen in dieser Region früher bestehenden und genetisch dem Antlitz zugehörigen Nerven (N. tri- geminus) etc!. Auf solche Weise erklärt sich die Bildung der Nervengeflechte, die Ausdehnung des Pes anserinus major, des Ra- mus auricularis posterior et subcutaneus colli superior; alle diese Zweige zusammengenommen, dessgleichen auch die Zweige zum hinteren Bauch des M. biventer maxillae inferioris und zum M. stylo- hyoideus, entsprechen dem Ramus hyoideus des N. facialis bei den niederen Thieren. Als Hauptmoment bei der Bildung der Nervengeflechte im Ge- sicht muss man auf Grund der uns bis jetzt zu Gebote stehenden Daten der vergleichenden Anatomie die Differenzirung der Gesichts- muskulatur ansehen. So kann ich auf Grund eigener Untersuchungen bestätigen, dass bei den niederen Ordnungen der Säugethiere (z. B. den Nagern [22]) nicht allein Geflechte, sondern auch Anastomosen der Zweige des N. facialis fehlen. Auch von Anastomosen zwischen den Zweigen des N. facialis und N. trigeminus kann bei ihnen keine Rede sein. Bei den Halbaffen — wie dieses RugE (28) nachge- wiesen hat — erscheinen bereits Anastomosen der Zweige des N. facialis, aber sie sind nicht zahlreich. Eine Geflechtbildung in der Region des N. facialis und Anastomosen zwischen den Zweigen des N. facialis und N. trigeminus finden wir zuerst bei den Primaten (Ruge [29], Popowsky [25]). Diese Erscheinung steht in vollkom- mener Übereinstimmung mit dem bedeutenden Progress der Gesichts- muskulatur bei letzteren Thieren. Wenn das Faktum der verglei- chenden Anatomie so festgestellt wird, dass die Differenzirung der Gesichtsnerven von der Differenzirung der Muskulatur abhängt, so kann dieses gleichwohl nur bedingungsweise zugelassen werden. Es ist möglich, dass zukünftige zahlreichere Untersuchungen, haupt- sächlich im Gebiete der vergleichenden Embryologie, beweisen wer- den, — was im hohen Grade wahrscheinlich ist — dass eigentlich 1 Die vergleichend-anatomischen und embryologischen Untersuchungen zeigen, dass der N. trigeminus im Gesicht sich viel früher entwickelt als der N. facialis. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 331 das umgekehrte Verhältnis stattfindet, nämlich dass die Differenzirung der Muskulatur von der Differenzirung der Nerven abhängt, mit an- deren Worten, dass das ursprüngliche Moment im gegebenen Falle gerade in der Differenzirung der Nerven (des N. facialis) bestand, in Folge dessen eine Differenzirung der peripherischen motorischen Nervenendorgane, d. h. der Muskeln eintrat. Ich stelle mir den Entwicklungsprocess der Gesichtsmuskulatur im Thierreich folgender Weise vor. Nach Maßgabe der Entwick- lung (am Kopfe) der äußeren mechanischen Apparate der specifischen Sinnesorgane (der Ohrmuschel, der Lippen etc.) werden beständige Erregungen reflektorisch (d. h. vom sensiblen Nerven — N. trige- minus — des äußeren mechanischen Apparates durch das Nerven- centrum auf den motorischen Nerv) durch den N. facialis auf das Platysma übertragen. Der N. facialis steigt nun in Folge dieser beständigen Erregungen von seinem ursprünglichen Gebiet — dem Hyoidbogen — in der Richtung zu den specifischen mechanischen Sinnesorganen empor. Von hier aus sich weiter entfaltend, zieht er auch seine peripherische Endigung — das Platysma — mit sich fort, welches sich entsprechend und in Abhängigkeit von der Fort- bewegung und Differenzirung des Nerven, selbst differenzirt hat und in der Nähe der äußeren Apparate der Sinnesorgane in einzelne Muskeln, den Sphincter und die Dilatatores dieser Organe zerfallen ist. Ein solcher Gang der Entwicklung erscheint im hohen Grade wahrscheinlich. Er widerspricht durchaus nicht unserer Vorstellung, weder in Bezug auf das physiologische Verhalten des motorischen Nerven zu seiner peripherischen Endigung — dem Muskel, noch in Bezug auf den phylogenetischen und ontogenetischen Entwicklungs- gang des centrifugalen Nerven. In Anbetracht der uns bekannten Thatsachen der vergleichenden Anatomie und Embryologie zur Ent- wicklung der centrifugalen Nerven (KLEINENBERG [20], Eimer [7], Hertwie [15], V. Hessen [13 und 14], W. His [16—19]), sind wir schon jetzt berechtigt anzunehmen, dass der Nerv und nicht der Muskel die ursprüngliche Triebfeder ist, welche den Muskelmecha- nismus (der die peripherische Endigung des Nerven darstellt) zur Differenzirung in Bewegung setzt. Es ist mir ganz unverständlich, wie der Muskel —. ein peripherisches Gebilde, das vom Nerv ab- hängig ist — sich selbst willkürlich zuerst differenziren und danach eine Differenzirung des motorischen Nerven hervorrufen kann. Ich glaube im Gegentheil annehmen zu dürfen, dass die ursprünglichere Erscheinung im gegebenen Fall die Differenzirung des Nerven war, 22* 332 I. Popowsky und an zweiter Stelle erst die des Muskels. Aber wie dem auch sein mag, ob wir nun der Ansicht GEGENBAUR’s in dieser Frage bei- pfliehten oder der so eben ausgesprochenen, die faktische Sachlage wird dadurch durehaus nicht geändert. Die Thatsache, dass die Differenzirung der Nerven und die Differenzirung der Muskulatur im Gesicht in enger Verbindung und Abhängigkeit von einander stehen, bleibt als unumstößlich bestehen. Die nachfolgende Dar- legung von Untersuchungen betreffs der Entwicklung des N. facialis beim Menschen wird in dieser Richtung neue, unzweifelhafte Beweise liefern. Indem wir das Faktum von der gegenseitig von einander ab- hängigen Muskel- und Nervendifferenzirung feststellen, tragen wir noch nichts zur Lösung einer anderen Frage bei — nämlich der über die Grundursache, welche eine Entwicklung und Differenzirung der Gesichtsmuskulatur und des Nervensystems bei den Thieren hervor- ruft. Freilich hat GEGENBAUR und nach ihm auch WIEDERSHEIM (33, pag. 266) a priori die Abhängigkeit der Entwicklung der Gesichts- muskulatur bei den Thieren von der Entwieklungsstufe des Gehirns behauptet. Letzterer sagt: »Sie (die mimische Muskulatur) steht in engstem Konnex mit dem psychischen Leben, ja, man kann sagen: sie steht in gerader Proportion zur Entwicklungsstufe des Gehirns. « Aber zur vollständigen Erkenntnis dieses Verhältnisses ermangelte es bis jetzt noch der genauen Data. Man könnte allerdings einige Erwägungen allgemeinen Charakters anführen, welche die so eben ausgesprochene Idee bis zu einem gewissen Grade bestätigen. So erscheint z. B. die mimische Muskulatur im Thierreich zuerst bei den Säugern; bei den niederen Klassen der Wirbelthiere ist dieselbe noch nicht vorhanden. Andererseits unterscheiden sich die Säuger scharf von den anderen Klassen der Wirbelthiere durch eine ver- hältnismäßig bedeutendere Entwicklung des Gehirns. Auf solche Weise kann man, im Allgemeinen gesprochen, das Erscheinen und die Entwicklung der mimischen Muskulatur bei den Thieren in eine gewisse Verbindung mit der Entwicklung des Gehirns bringen. Zu den verschiedenen Ordnungen der Säugethiere übergehend, können wir ferner, gestützt auf eigene Untersuchungen (24), zum Theil auf Grund der bekannten Forschungen Ruge’s (28 und 29), Folgendes konstatiren: Je höher wir die Stufenleiter im Thierreich hinaufgehen, eine .desto mannigfaltigere Differenzirung der Gesichtsmuskulatur werden wir nach und nach antreffen. So ist z. B. die mimische Muskulatur bei den Nagern schwächer entwickelt als bei den Raub- Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 333 thieren, bei den letzteren schwächer als bei den Hufthieren, bei diesen wiederum schwächer als bei den Halbaffen!, und schließlich am stärksten ist sie entwickelt bei den Primaten. Im engsten Zu- sammenhange damit steht auch die verschiedene Entwicklungsstufe des Gehirns bei diesen Thieren. Was nun die Ordnung der Primaten anbetrifit, so kann man hier mit mehr Recht als irgendwo die That- sache konstatiren, dass je entwickelter das Gehirn bei irgend einer der Gattungen der Primaten ist, eine desto mannigfaltigere Differen- zirung der mimischen Muskulatur bei den Repräsentanten dieser Gattung angetroffen wird. So stehen z. B. in dieser Beziehung am niedrigsten die Arctopitheci: bei ihnen ist das Gehirn schwach ent- wickelt und die mimische Muskulatur befindet sich auf einer niederen Entwicklungsstufe. Dann folgen die Platyrrhini: nach Maßgabe der größeren Entwicklung des Gehirns bietet die mimische Muskulatur eine bedeutendere Differenzirung dar. An’ die letztere Affenart schließen sich unmittelbar die Catarrhini: das Gehirn ist bei ihnen entwickelter als bei den vorgenannten und zugleich macht auch die Gesichtsmuskulatur einen Schritt vorwärts. Darauf folgen die An- thropoiden. Unter den drei Repräsentanten derselben zeichnet sich der Orang-Utan durch eine größere Entwicklung des Gehirns aus; auch die Gesichtsmuskulatur zeigt sich bei ihm mehr differenzirt als beim Gorilla und Schimpanse (Rue [29, 30]). Wenn wir jetzt zum Menschen übergehen, so treffen wir auch hier dieselbe Thatsache: das Gehirn des Negers steht dem des Weißen in der Entwicklung bei Weitem nach; dessgleichen zeigt die mimische Muskulatur des Negers eine viel geringere Entwicklung als die des Weißen (Po- POWSKY [26]); sie erinnert uns in vielen Zügen an die Gesichtsmus- kulatur des Orang-Utans. Gehen wir noch weiter: das Gehirn des Gebildeten ist mehr entwickelt als das des Ungebildeten. Man ver- ! Dass die Gesichtsmuskulatur bei den Halbaffen eine höhere Entwick- lungsstufe einnimmt als bei den anderen Säugern (Nagern, Raubthieren, Huf- thieren), zu Gunsten dessen spricht einerseits die schärfere Sonderung der Ge- sichtsmuskulatur vom Platysma, und andererseits die mehr hervortretende Differenzirung in einzelne selbständige Muskeln. Wenn man bei den niederen Ordnungen der Säuger (Nager, Raubthiere, Hufthiere) von höher entwickelten Gesichtsmuskeln spricht, so kann sich dieses nur auf die Ohrmuskeln beziehen. Obwohl nun sich die Ohrmuskeln bei den Primaten und beim Menschen auf einer weit niedrigeren Stufe der Entwicklung als bei anderen Säugern befinden, so kann demungeachtet dieser Umstand der Behauptung nicht im Wege stehen, dass im Allgemeinen die Gesichtsmuskulatur bei den Primaten und beim Men- schen auf einer höheren Stufe steht, als bei anderen Ordnungen der Säuger. 334 I. Popowsky gleiche die Mimik eines intelligenten, gebildeten Menschen mit der eines Ungebildeten. Welch großer Unterschied! Das erste Auftreten neuer Muskeln beim Menschen kann man ebenfalls in Verbindung setzen mit der stärkeren Entwicklung des — Gehirns. So ist es uns namentlich genau bekannt, dass der M. transversus menti und der M. risorius, wie auch einige andere in der Nähe des Mundes gelegene Muskeln (Mm. incisivi superiores et inferiores) zuerst beim Menschen auftreten. Dieser Umstand steht in Verbindung mit der größeren Entwicklung des menschlichen Gehirns und der damit im Zusammenhange stehenden Sprachfähigkeit. Wir sind schon jetzt im Stande zu erklären, auf welche Weise die größere Entwicklung des menschlichen Gehirns das Auftreten neuer Muskeln um den Mund hervorgerufen hat. Nach Maßgabe der größeren Ent- wicklung der Gehirnhemisphären beim Menschen, erfolgt, im physio- logischen Sinne, die Sonderung einer bestimmten Parcelle des Stirn- theiles (in der linken Hemisphäre), und zwar des hinteren Theiles der unteren Stirnwindung zu mehr oder weniger selbständigen Win- dungen (den Windungen Broca’s [4]), in welchen sich das psychische Centrum der Sprache lokalisirt. Es ist bekannt, dass bei der arti- . kulirten Rede außer dem Kehlkopf die Veränderung der Form der Mundhöhle und der Mundöffnung eine wichtige Rolle spielt. Zur Erreichung des letzteren Zieles nun — zur Veränderung der Form der Mundöffnung — trat die Nothwendigkeit einer Muskeldifferen- zirung um den Mund hervor. Auf solche Weise kann man das Auf- treten neuer Muskeln um den Mund des Menschen mit der von ihm erlangten Fähigkeit zur artikulirten Sprachbildung in Verbindung setzen. Diese Fähigkeit aber steht in engem Zusammenhange mit der größeren Entwicklung des Gehirns. In gleicher Weise lässt sich durch die größere Entwicklung des menschlichen Gehirns und die damit verbundene größere Ent- wicklung der psychischen Fähigkeiten des Menschen, wie auch, in Folge dessen, durch die Erwerbung gewisser konkreter Sinne zuerst beim Menschen das Auftreten neuer, um die Lidspalte belegener Muskeln erklären (M. transversus glabellae, M. eorrugator supercilii, M. zygomatieus minor), Muskeln, welche zum Ausdruck bestimmter psychischer Eindrücke dienen. Das Studium der Vertheilung der Äste des N. facialis in ver- schiedenen Perioden des embryonalen Lebens des Menschen und ihr Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 335 Verhalten zur Gesichtsmuskulatur bietet ein großes wissenschaftliches Interesse dar, einerseits zur Bestätigung der Ansicht über die mor- phologische Einheit der gesammten Gesichtsmuskulatur und dem Hervorgehen derselben aus dem Platysma, andererseits zur Begründung der Genese der einzelnen Gesichtsmuskeln. Wenn einerseits die morphologische Einheit der Gesichtsmuskeln und ihr Ursprung aus dem Platysma auch ihre glänzendste Bestäti- gung namentlich in der Thatsache findet, dass diese Muskeln ihre Nervenzweige vom Facialis empfangen, welcher, wie die vergleichende Anatomie und Embryologie beweist, eigentlich dem Gebiet des Hyoid- bogens angehört, demnach ursprünglich dem Gesichte ganz fremd erscheint und sich zusammen mit dem Platysma zum Gesicht ver- breitet, so kann andererseits die Frage über die Genese der einzel- nen Gesichtsmuskeln des Menschen ebenfalls in dieser Thatsache ihre Stütze finden. Bei der Erklärung der Vertheilung der peripherischen Verzwei- gungen des Facialis bei menschlichen Embryonen werden wir das Verhalten der verschiedenen Zweige desselben zu den einzelnen Muskeln des Gesichts erläutern und unter Anderem aus einander setzen, welchen Antheil das Prineip der Innervation an der Erklärung der Genese dieses oder jenes Muskels hat. Bei diesem Studium werden wir uns mit einer sehr interessanten Thatsache bekannt machen, nämlich der allmählichen Bildung der Geflechte im Bezirke des Fa- cialis und der Entstehung von Anastomosen zwischen den Zweigen des N. facialis und des N. trigeminus. Dieser Umstand bietet ein um so größeres Interesse dar, als in den ersten Stadien der Ent- wicklung des menschlichen Embryo nicht nur keine Geflechte, sondern auch keine Anastomosen zwischen den Zweigen des N. fa- cialis vorhanden sind. Von Anastomosen zwischen den Ästen des N. facialis und des N. trigeminus kann bei Embryonen in dieser Zeitperiode überhaupt noch keine Rede sein. Außerdem ist dieses Studium auch in der Hinsicht interessant, dass dadurch in der ekla- tantesten Weise die Abhängigkeit der Geflechtbildung der Zweige des Facialis von der Muskulatur-Differenzirung konstatirt wird. Denn in der That treten beim menschlichen Embryo zuerst Anastomosen und Verflechtungen zwischen den Zweigen des N. facialis gerade in jenen Bezirken auf, wo die Gesichtsmuskulatur zuerst anfängt eine Differenzirung zu zeigen, — das ist vorzugsweise in der Oberkiefer- region. Und im Gegentheil, die allereinfachste Verbreitung der Zweige des N. facialis, ohne alle Bildung von Anastomosen, finden 336 I. Popowsky wir dort, wo die Muskulatur ihren ursprünglichen Charakter bewahrt hat, wie z. B. im Naeken. Außerdem kann man ferner die Bildung von Anastomosen zwischen den Zweigen des N. facialis und des N. trigeminus beim menschlichen Embryo mit derselben Thatsache in Verbindung bringen, nämlich mit der allmählich auftretenden Differen- zirung der Muskulatur in einigen Bezirken des Gesichts. Diese Er- scheinung kann unmöglich eine zufällige sein. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich zur Darlegung der Verbreitung der peripherischen Verzweigungen des Facialis in verschiedenen Perioden des embryonalen menschlichen Lebens über. Als Material zu meinen Untersuchungen dienten mir 12 mensch- liche Embryonen verschiedenen Alters — von 2 bis 9 Monaten — und außerdem einige (8) Neugeborene. Alle diese Objekte wurden in Salpetersäure (5%) aufbewahrt und untersucht. Die Präparation und Untersuchung der kleineren Objekte geschah unter Zuhilfe- nahme eines REIcHErRT’schen Dissektions-Mikroskopes. Außerdem wurde zur Bestimmung des Charakters der anliegenden Gewebe ein Mikroskop von Zeiss zu Hilfe genommen. Da die Mehrzahl der Facialisäste unter der subeutanen Muskulatur gelegen ist, so musste ich zuerst letztere, d. h. das Platysma und die Gesichtsmuskeln untersuchen, wobei besondere Aufmerksamkeit auf die Verbindung derselben unter einander, wenn auch mittels sehr feiner und zarter Muskelbündel, zu richten war, und dann erst konnte zur Unter- suchung der Verbreitungsart der Nerven geschritten werden. In Folge dessen ist es verständlich, dass letztere Untersuchung eine Zerstörung der früher präparirten Theile herbeiführen musste. Verbreitungsart des Nervus facialis beim menschlichen Embryo. 1) Embryo von zwei Monaten. Bei dem menschlichen Embryo von zwei Monaten erscheint der N. facialis bereits entwickelt; er liegt unter dem Rande des Unter- kiefers im Bezirk des Hyoidbogens (Fig. 1). Er erstreckt sich in direkter Richtung von der Ohranlage bis zum Zungenbein. Hier endigt er in einem feinen Muskelplättchen, welches einen kleinen Raum einnimmt. Das ist der Keim des Platysma. Auf solche Weise zeigt sich das “Platysma ebenfalls bereits entwickelt, es ist aber am Zungenbein belegen. Eine weitere Ausdehnung des Platysma nach hinten, unten und oben war nicht zu konstatiren. Eben so wenig Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 337 konnte ich selbst bei sorgfältiger, vielfach wiederholter mikrosko- pischer Untersuchung an einigen Objekten (drei) eine subeutane Muskulatur im Gesichte entdecken, obgleich hier die Zweige des N. trigeminus bereits existirten. Dieser thatsächliche Zustand bei dem zweimonatlichen mensch- lichen Embryo erscheint in vieler Beziehung sehr wichtig. Er kon- statirt: 1) dass der N. facialis und das Platysma sich beim Men- schen im Bezirk des Hyoidbogens entwickeln und folglich ursprünglich dem Gesicht ganz fremd sind; 2) dass das Platysma sich zuerst in Form eines feinen Muskelplättchens bei dem Zungenbein entwickelt; 3) dass im Gesicht in diesem Stadium noch keine subeutanen Muskeln und Facialisiste existiren, obgleich die Zweige des N. trigeminus schon entwickelt sind. 2) Embryo von drei Monaten (Fig. 2). Bei dem dreimonatlichen menschlichen Embryo. verläuft der Stamm des N. facialis noch unter dem Rande des Unterkiefers. Man kann bemerken, dass er in einige Astchen zerfällt: 1) ein Ästehen, welches bogenförmig vorwärts und nach unten verläuft und ‘im oberen Theil des Platysma endigt, — das ist der ursprüngliche N. subeutaneus colli superior; dabei ist bemerkenswerth, dass eine Anastomose zwischen ihm und dem bereits entwickelten N. subeutaneus colli medius, welcher im unteren Theil des Platysma endigt, zu konstatiren nicht möglich war; 2) ein zweites Astchen, welches hinter dem Ohr zur Muskelschicht nach hinten zum Nacken verläuft - (M. auriculo-occipitalis), — das ist der N. auricularis posterior; 3) ein drittes Astchen, welches nach vorn zu einem Muskelplättchen verläuft, welches sich zwischen der Lid- und Mundspalte hinzieht, ist der N. supramaxillaris; 4) ein viertes und letztes, äußerst feines Ästchen, welches schräg nach oben und nach vorn zur Schläfe verläuft, ist der N. temporalis. Außer den soeben aufgezählten Hauptzweigen entsendet der N. facialis sogleich bei seinem Austritt aus dem Schädel ebenfalls ein feines Ästehen zu den Muskeln, welche ihre Richtung zum Zungenbein nehmen, — Mm. stylo-hyoideus und hinterer Bauch des M. biventer. Die Theilung des Stammes des N. facialis in vier Astchen, welche ihre Richtung nach unten zum Halse, nach hinten zum Nacken, nach vorn zur Oberkieferregion und nach oben zur Schläfe nehmen, weist darauf hin, dass das Platysma in diesem Stadium bereits eine 338 I. Popowsky Tendenz zur Ablenkung von seinem urspriinglichen Bezirk, dem Hyoidbogen, nach diesen vier Richtungen hin erhalten hat. Die einzelnen Phasen dieser Stellveränderung des Platysma zu verfolgen ist äußerst schwierig, wenigstens ist es mir aus Mangel an betreffen- dem Material nicht gelungen. Vielleicht dass andere Forscher in dieser Hinsicht glücklicher sein werden. Ich kann nur konstatiren, dass das Platysma in dieser Zeitperiode sich vom Halse zum Kopf verbreitet und ohne jede Unterbrechung seinen Weg zu den Ge- sichtsmuskeln fortsetzt: die letzteren bilden zusammen mit dem Pla- tysma eine kontinuirliche, nicht gesonderte Muskelschicht und nicht allein in der Oberkieferregion, sondern auch in der Schläfen- und Nackenregion. Auf solche Weise findet der von GEGENBAUR aus- gesprochene Gedanke, dass die Gesichtsmuskeln des Menschen aus dem Platysma hervorgehen, vom Gesichtspunkte der Ontogenese aus seine glänzende Bestätigung, worüber ich bereits Gelegenheit hatte, mich in einem Artikel über die Gesichtsmuskulatur des Negers (Popowsky, 26) auszusprechen. Dem primitiven Zustande der Gesichtsmuskulatur bei dem drei- monatlichen menschlichen Embryo, bei welchem noch keine Spur einer beginnenden Differenzirung der Muskeln vorhanden ist, ent- spricht durchaus eine eben so einfache Vertheilung der Zweige des N. facialis, ohne alle Andeutung zur Bildung irgend welcher Anasto- ınosen zwischen den einzelnen Zweigen. 3) Embryo von vier Monaten (Fig. 3). An dem Embryo von vier Monaten erblickt man eine weitere Entwicklung der Zweige des N. facialis. Sie besteht darin, dass der N. temporalis bald nach seiner Sonderung vom Facialisstamme in drei Äste zerfällt, von denen der hintere nach oben und nach hinten verläuft und in dem noch vereinigten Muskel, welcher den M. auricularis anterior und M. auricularis superior umfasst, endigt; der mittlere Ast verläuft nach oben und nach vorn und endigt im M. frontalis und in dem Oberlidtheil des M. orbieularis oculi, und der untere Ast, welcher dieselbe Richtung einschlägt wie der mittlere, erreicht den äußeren Lateraltheil des M. orbieularis oculi und M. zygomaticus, welche mit einander vereinigt sind. Hierbei muss man bemerken, dass alle diese Aste eben so wie diejenigen, von welchen später die Rede sein wird, sich in ihrem Verlaufe dichotomisch ver- zweigen, Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 339 Ferner zerfällt der N. supramaxillaris, welchen man seiner Dieke wegen für eine unmittelbare Fortsetzung des Facialisstammes halten kann, bald in zwei Äste, den oberen und den unteren, welche in ihrem weiteren Verlaufe durch eine Anastomose mit einander verbunden sind', die ihre Richtung von hinten und oben nach vorn und unten nimmt. Der obere Ast endigt in der oberflächlichen . Schicht der Muskeln, welche zwischen der Lid- und Lippenspalte, Mm. orbicularis oculi, levatores labii superioris, belegen sind, und der untere Art endigt in der hefen Muskelschicht — M. orbicularis- buccinator. Der N. inframaxillaris? begiebt sich parallel dem Rande des ‘Unterkiefers zu den Muskeln der Unterlippe; außerdem entsendet er in seinem Verlaufe drei Zweige zum Platysma. Schließlich verläuft der N. auricularis posterior zum Nacken und endigt im M. auriculo-occipitalis. Die soeben beschriebene Erscheinung der weiteren Entwicklung der Nerven entspricht vollkommen der beginnenden Differenzirung der Gesichtsmuskulatur. Und in der That wird bereits in diesem Stadium die Sonderung der Gesichtsmuskulatur vom Platysma zur Regel; letzteres steht nur hie und da in primitiver Verbindung mit den Gesichtsmuskeln — dieses findet statt am Nacken, an der Unter- lippe und in der Nähe des Mundwinkels. Die im Bezirk der Schläfe gelegenen Muskeln aber sind bereits einer Sonderung vom Platysma ‚unterworfen und haben in ihrer Entwicklung einen Schritt vorwärts ' gemacht, welcher darin besteht, dass der M. frontalis sich vom M. auricularis anterior, der mit dem M. auricularis superior noch ein Ganzes bildet, abgetheilt hat. In einiger Beziehung entspricht dem Progress in der Muskulatur des Schläfenbezirks das Zerfallen des N. temporalis in die drei oben angeführten Zweige. Die in der Oberkieferregion gelegenen Muskeln sind außer der Sonderung vom Platysma ebenfalls einer beginnenden Differenzirung unterworfen, welche in der Sonderung der oberflächlichen Schicht (Mm. levatores labii superioris) von der tiefen (M. orbicularis-bucci- nator) besteht. Als Pendant dazu ist auch der N. supramaxillaris ! Bei einem anderen Embryo von vier Monaten habe ich diese Anasto- mose nicht angetroffen. 2 So werden wir den Nerv benennen, welcher längs des Unterkiefers ver- läuft und sich in einem weiteren Stadium der Entwicklung, wie wir sehen wer- den, in zwei Nerven, den N. subeutaneus colli superior und den N, marginalis, zu theilen pflegt. 340 I Popowsky einer Theilung in zwei Äste unterworfen, welche mit einander mittels einer Anastomose verbunden sind. Das Erscheinen dieser Anastomose kann uns gewissermaßen als Andeutung dienen, dass eine genetische Verwandtschaft zwischen einigen Gliedern der oben- genannten Muskeln der oberflächlichen und tiefen Schicht besteht. In der That erweisen die vergleichend-anatomischen Data (RuGe, 28), dass der M. levator labii superioris proprius zum System der tiefen Muskelschicht — M. orbieularis-buceinator gehört und ein Abkömm- ling dieser Schicht ist, während die Mm. levator und orbieularis oculi Abkömmlinge der oberflächlichen Schicht — M. platysma- zygomaticus bilden. 4) Embryo von vier bis fünf Monaten (Fig. 4). Am Schlusse des vierten oder zu Anfang des fünften Monats erfolgt die Theilung des N. temporalis in zwei isolirte Äste, dem hinteren und dem vorderen, oder, um es genauer auszudrücken, diese beiden Äste gehen selbständig aus dem N. supramaxillaris hervor, indem der Facialisstamm den Eindruck macht, als ob er kurz nach . seinem Hervortreten aus dem Schädel durch das Foramen stylo- mastoideum sich in zwei Nervenäste theile: den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris. Der hintere Ast des N. temporalis steigt ganz vektäklal empor und begiebt sich zu den Mm. auricularis superior und auricularis anterior, welche noch mit einander verbunden sind, wobei er unterwegs ein feines Ästchen zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel entsendet. Der vordere Ast des N. temporalis verläuft schräg nach oben und indem er sich dichotomisch verzweigt, endigt er im M. frontalis und in dem oberen Lidtheil des M. orbicularis oeuli. Diese beiden Nerven sind von der oberflächlichen Schlifenfascie bedeckt. Der N. supramaxillaris verläuft zur Oberkieferregion und entsendet unterwegs ein feines Ästchen zum lateralen Theil des M. orbieularis oculi und zu dem M. zygomaticus, welche mit einander vereinigt sind. Ferner theilt sich der N. supramaxillaris unter dem M. zygomaticus in zwei Aste, den oberen und den unteren, die mit einander durch eine Anastomose verbunden sind, welche von unten und hinten nach oben und vorn gerichtet ist. Der obere Ast endigt im unteren Lidtheil des M. orbieularis oculi und in den Mm. leva- tores labii superioris, während der untere Ast in den Mm. orbicu- laris-buceinator tritt. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 341 Was den N. inframaxillaris anbetrifft, so verläuft er über dem Rande des Unterkiefers und ihm parallel zu den Muskeln der Unterlippe. Gleich beim Anfang entsendet er den N. subeutaneus colli superior, welcher sich bogenförmig nach unten und nach hinten windet und, sich dichotomisch in zwei Äste theilend, im Platysma endigt. Eine Anastomose zwischen ihm und dem N. sub- cutaneus colli medius zu konstatiren war nicht möglich. Der Stamm des N. inframaxillaris (N. marginalis!) selbst zerfällt in zwei Aste, den oberen und den unteren, von welchen der obere in dem Unter- lippentheil des M. orbicularis oris endigt, und der untere in dem M. quadratus labii inferioris und M. triangularis (?). Außerdem geht von dem N. marginalis ein sehr feines Ästchen — der N. intermedius? — aus, welches zum Mundwinkel verläuft und zur Versorgung des M. buccinator bestimmt ist. Der Theilung des N. inframaxillaris in zwei Äste entspricht vollkommen die beginnende Differenzirung der Muskulatur an der Unterlippe, welche Differenzirung im Erscheinen des M. quadratus und triangularis besteht. Der N. auricularis posterior zeigt keine Eigenthümlichkeiten. 5) Embryo von fünf bis sechs Monaten (Fig. 5). Am Schlusse des fünften oder zu Anfang des sechsten Monats kann man die Anzeichen einer ferneren Differenzirung der Nerven beobachten, welche hauptsächlich den N. temporalis und den N. supramaxillaris betrifft. Auch hier theilt sich der N. faeialis bei seinem Hervortreten aus dem Schädel in zwei Äste, den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris. Von dem N. supramaxillaris gehen zwei Aste aus, welche dem N. temporalis entsprechen. Der hintere Ast des N. temporalis theilt sich, nachdem er einen Nerv zu den an der Ohrmuschel gelegenen Muskeln abgegeben, in zwei Äste, von denen der vordere im M..auricularis anterior endigt und der hintere, sich ! Diese Benennung muss man der anderen — N. subcutaneus mandibulae — vorziehen, weil letztere der topographischen Lage des Nerven nicht ent- spricht: der Nerv liegt unter dem Platysma und nicht unter der Haut. 2 Mit diesem Namen werden wir Nerven bezeichnen, welche zwischen den beiden Hauptstämmen, dem N. supramaxillaris und dem N. inframaxillaris be- legen sind und entweder aus dem einen oder aus dem anderen, oder aber aus beiden entspringen. 342 I. Popowsky dichotomisch verzweigend, an den M. auricularis superior heran- reicht. Der vordere, entwickeltere Ast des N. temporalis ist durch eine Anastomose mit dem Stamme des N. supramaxillaris selbst verbunden. Diese Anastomose verläuft in annähernd horizontaler Richtung, in Folge dessen sich eine in die Länge gezogene dreieckige Nerven- schlinge bildet. Dann nimmt der vordere Ast des N. temporalis seine Richtung schräg nach oben und nach vorn und zerfällt in einer Entfernung von 1 cm vom lateralen Augenwinkel in drei dichotomisch sich verzweigende Astchen, von welchen das obere für den M. fron- talis, das mittlere für den oberen Lidtheil des M. orbieularis oeuli und das untere für den lateralen Theil des letzteren Muskels wie auch für den Anfang des M. zygomaticus bestimmt ist. Der N. supramaxillaris zerfällt, nachdem er zwei feine, dichotomisch sich verzweigende, zum M. zygomaticus verlaufende Ästehen abgegeben, in zwei Äste, den oberen und den unteren. Der obere Ast verläuft unter dem M. zygomaticus und über dem M. le- vator labii superioris proprius zum inneren Augenwinkel und endigt im M. levator communis, wobei er unterwegs zwei sehr feine Astchen zum unteren Lidtheil des M. orbieularis oculi entsendet. Der untere Ast des N. supramaxillaris verläuft unter dem M. zygomatieus und unter dem M. levator labii superioris proprius zur Oberlippe und endigt, dichotomisch sich theilend, in letzterem Muskel und in dem oberen Lippentheil des M. orbicularis oris. Am Anfang des Astes entspringt ein feiner Zweig (c), der nach unten und nach vorn zu dem sich differenzirenden M. caninus verläuft. Außerdem geht vom Anfangstheil des N. supramaxillaris ein langer Ast (N. intermedius) aus, der sich zum Mundwinkel begiebt; unterwegs entsendet er einige kleine Zweige (db, b, b) zum M. buc- cinator und endigt selbst, dem Anscheine nach, im M. orbieularis oris. Die Vergleichung des Zustandes der Verzweigungen des N. supramaxillaris bei einem fünfmonatlichen Embryo mit dem eines viermonatlichen offenbart einen wesentlichen Unterschied in dreifacher Hinsicht: 1) der M. levator labii superioris proprius erhält beim fünfmonatlichen Embryo seine Innervation von dem Nerven, welcher für das tiefe Muskelsystem — M. orbieularis-buceinator — bestimmt ist, während beim viermonatlichen Embryo der genannte Muskel von jenem Nerven innervirt wird, welcher zur Versorgung der oberfläch- lichen Muskeln — Mm. orbicularis oculi und levator communis — Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 343 dient; 2) aus dem unteren Aste des N. supramaxillaris entpringt ein besonderer kleiner Zweig, der für den erscheinenden M. caninus bestimmt ist; 3) der N. intermedius entspringt hier aus dem N. supramaxillaris und nicht aus dem N. inframaxillaris, wie dieses bei dem viermonatlichen Embryo stattfindet. Der N. inframaxillaris theilt sich in einiger Entfernung von seiner Ursprungsstelle in zwei Nerven: den N. subeutaneus colli superior und den N. marginalis. Der N. subeutaneus colli superior wendet sich bogenförmig nach unten und nach hinten und erreicht das Platysma. Eine Ana- ‘stomose zwischen ihm und dem N. subcutaneus colli medius ist noch nicht vorhanden. Der N. marginalis zerfällt seinerseits in zwei Äste, von denen der untere zum M. quadratus und zum M. triangularis und der obere zum M. orbicularis oris verläuft. Auch hier entspricht der Theilung der Nerven, des N. infra- ‘maxillaris und ferner des N. marginalis in zwei Äste die weitere Differenzirung der Muskulatur an der Unterlippe, welche Differen- zirung einerseits in einer beginnenden Absonderung der Muskeln vom Platysma und andererseits in einer weiteren Entwicklung des M. quadratus und des M. triangularis oris besteht. Der N. auricularis posterior fährt fort denselben primitiven Charakter an sich zu tragen, wie es hier der noch fehlenden wei- teren Muskeldifferenzirung entspricht. 6) Embryo von sechs bis sieben Monaten (Fig. 6). Hier erscheinen einige Eigenthümlichkeiten in der Art der Ver- zweigung des Facialis. Diese Eigenthümlichkeiten bestehen haupt- sächlich in dem Auftreten zweier Nervenschlingen von dreieckiger Form: a) einer in der Parotissubstanz belegenen Schlinge zwischen dem hinteren Ast des N. temporalis und dem Facialisstamm, und b) einer zweiten Schlinge zwischen dem N. inframaxillaris und dem N. supramaxillaris, welche vor der Parotis gelegen ist. Weitere Eigenthümlichkeiten betreffen die Theilungsstellen des Facialisstammes. Bei den bisher untersuchten Embryonen begegneten wir stets einer Theilung des Facialisstammes in zwei Hauptäste (N. supramaxillaris und N. inframaxillaris) kurz nach seinem Aus- tritte aus dem Schädel, während die Theilung des Facialisstammes in die benannten beiden Äste bei obigem Objekte weit nach vorn stattfindet, und zwar beim Austritte des Nerven aus der Parotis. 344 I. Popowsky Man muss annehmen, dass diese Erscheinung eine rein zufällige ist und eine Varietät vorstellt, da das Zerfallen des Facialis in seine beiden Hauptäste gleich nach seinem Hervortreten aus dem Schädel beim menschlichen Embryo eine beständige Erscheinung zu sein pflegt. In Folge der soeben erwähnten Eigenthümlichkeit sondern sich die Äste, welche den N. temporalis bilden, bei diesem Embryo nicht vom N. supramaxillaris ab, wie es bei den früher untersuchten Embryonen der Fall war, sondern vom Facialisstamm selbst. Was einige Details der Vertheilungsart der Faeialisäste bei diesem Embryo anbetrifft, so kann ich darüber nur Folgendes bemerken: Der M. levator labii superioris proprius erhält seine Innervation von dem Nerven, welcher aus dem oberen Ast des N. supramaxillaris entspringt und für die oberflächlichen Muskeln — M. levator com- munis und den Unterlidtheil des Orbieularis oculi bestimmt ist; der M. caninus aber empfängt den Nerven (c), der aus dem unteren Ast des N. supramaxillaris hervorgeht und für die tiefen Muskeln — Orbieularis-buceinator — bestimmt ist. Der N. intermedius geht aus dem N. inframaxillaris hervor und entsendet Aste zum M. buccinator und M. orbicularis oris. Der N. inframaxillaris zerfällt wie gewöhnlich in zwei Äste, den N. subeutaneus colli superior für das Platysma und den N. margi- nalis für die Muskeln der Unterlippe. Eine Anastomose zwischen dem N. subcutaneus colli superior und N. subeutaneus colli medius hat sich noch nicht entwickelt. 7) Embryo von sieben bis acht Monaten. Bei zwei Embryonen von 7—8 Monaten, die meinen Unter- suchungen zu Gebote standen, konstatirte ich einen in jedem der- selben verschiedenen Zustand. Bei einem (Fig. 7) bestand die Eigenthümlichkeit in dem Vor- handensein zweier langgestreckter Nervenschlingen: a) einer, in Folge des Auftretens einer Anastomose zwischen dem N. inframaxillaris und dem N. supramaxillaris (diese Schlinge liegt in der Parotissub- stanz), und b) einer zweiten Schlinge, in Folge des Vorhandenseins einer Anastomose zwischen dem Stamme des N. supramaxillaris und dem unteren Aste dieses Nerven, der für das tiefe Muskelsystem — M. orbicularis-buccinator — bestimmt ist. Diese zweite Schlinge ist vor der Parotis und über dem Ductus Stenonianus gelegen. Von dem unteren Arme dieser Schlinge geht der N. intermedius hervor, Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 345 welcher sich zum Mundwinkel begiebt und den M. buceinator und zum Theil den M. orbieularis oris innervirt. Ferner entspringen aus ihm zwei kleine Astchen (c,c) zum M. caninus. Bei dem zweiten Embryo (Fig. 8) wurden andere Eigenthümlich- keiten gefunden. Zunächst springt eine langgestreckte Schlinge im Verlaufe des N. supramaxillaris-Stammes in die Augen, welche in der Parotissubstanz gelegen ist. Durch diese Schlinge gehen die A. temporalis superficialis und V. facialis posterior hindurch. Aus dem oberen nach oben gewölbten Arme dieser Schlinge entpringen nach einander folgend drei Äste des N. tem poralis. Sie verlaufen unter der oberflächlichen Schläfen-Faseie ganz vertikal zur Schläfe. Der hintere Ast zerfällt alsbald in zwei Nerven, von denen der hintere sich bogenförmig zu den kleinen Ohrmuschel-Muskeln begiebt und der vordere, sich dichotomisch theilend, mit einem nach vorn gewölbten Bogen zum M. aurieularis superior emporsteigt, wobei er unterwegs ebenfalls den M. helieis innervirt. Der mittlere Ast er- hebt sich ausschließlich zum M. aurieularis anterior. Der vordere Ast steigt Anfangs ebenfalls ganz vertikal in die Höhe und zerfällt in drei Nerven, von denen der hintere und der mittlere die vertikale Richtung beibehalten und sich dichotomisch theilend zum M. frontalis - begeben; der vordere verläuft mit einer scharfen Wendung nach vorn zu letzterem Muskel und zum Oberlidtheil des M. orbicularis oculi. Vergleicht man die Vertheilung der Nervenäste in der Schläfenregion bei diesem Embryo mit anderen, so zeigt es sich, dass in dieser Beziehung ein bedeutender Unterschied zwischen denselben besteht. Während bei diesem Embryo die Nervenäste der Schläfenregion einen vollkommen vertikalen Gang einhalten und von den orbitalen Ästen ziemlich weit entfernt sind, näherten sie sich einander bei den früher von mir untersuchten Embryonen und zeigten einen mehr oder we- niger schrägen Aufstieg. Hierüber folgt übrigens unten Genaueres. Ferner gehört zur Zahl der hervorragenden Eigenthümlichkeiten bei diesem Embryo das Vorhandensein einer Anastomose zwischen dem Stamme des N. supramaxillaris und dem N. intermedius; letz- terer Nerv bildet aber einen Ast des N. marginalis. Diese Anastomose ist in fast vertikaler Fläche belegen; von ihr gehen drei Nerven (0, 6,6) zum M. buceinator aus. Schließlich muss ich noch des Vorhandenseins einer Anastomose zwischen dem N. subeutaneus colli superior und dem N. subeutaneus colli medius erwähnen. Hier ist es am Platz, zu bemerken, dass diese Anastomose, nach meinen Beobachtungen, durchaus kein be- Morpholog. Jahrbuch. 23 23 346 I. Popowsky ständiges Vorkommnis zu sein pflegt, wie sie denn auch bei dem anderen von mir untersuchten achtmonatlichen Embryo gar nicht ent- wickelt war und ich sie ebenfalls bei einigen Neugeborenen nicht angetroffen habe, wenngleich sie bei anderen (Neugeborenen) gut zum Ausdruck gelangt. Am Schlusse des achten oder gegen Anfang des neunten Monats ist die Anordnung der Zweige des Facialis in den Hauptzügen die- selbe, wie wir sie soeben kennen gelernt haben. Nicht in dieser Anordnung liegt die Besonderheit, sondern darin, dass man in dieser Zeitperiode das Auftreten von Anastomosen zwischen den Zweigen des N. facialis und des N. trigeminus konstatiren kann. Zuerst er- scheinen die Anastomosen in der Oberkieferregion zwischen den Zweigen des N. supramaxillaris und des N. infraorbitalis, und ein wenig später in der Schläfenregion zwischen den Zweigen des N. temporalis und des N. auriculo-temporalis und N. subcutaneus malae. In anderen Regionen konnte ich bei den Embryonen keine Anasto- mosen mit dem N. trigeminus antreffen. Letztere erscheinen viel später; gewöhnlich, obgleich nicht immer, begegnet man ihnen bei Neugeborenen. Ich gehe jetzt zur Erörterung der Vertheilung der Facialisäste bei Neugeborenen über. Neugeborene. Es stand mir ein ziemlich reichhaltiges Material an Neugeborenen zur Verfügung und zwar acht Objekte: fünf Mädchen und drei Knaben. Die Untersuchung dieses Materials, welche, wie ich iın Voraus an- führen kann, bemerkenswerthe individuelle Verschiedenheiten in der Vertheilungsart der Facialisiste aufwies, gab mir die Möglichkeit, im Verein mit den Daten, welche aus der Untersuchung des Facialis bei Embryonen gewonnen waren, eine ganze Reihe von Entwicklungs- stufen aufzustellen und sogar ein vollständiges Bild der ontogene- tischen Entwicklung des Facialis beim Menschen zu zeichnen. Bei jedem Neugeborenen fand ich stets irgend eine Besonderheit, bald in dieser, bald in jener Region, wobei in einer Region ein mehr primitiver Zustand vorhanden sein konnte, während in der anderen eine bedeutende Differenzirung eingetreten war. In Folge dessen stellt sich die Nothwendigkeit heraus, den thatsächlichen Zustand der Vertheilungsart der Facialis-Verzweigungen bei jedem Neu- geborenen besonders darzulegen. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 347 I. (Fig. 9.) Bei einem neugeborenen Mädchen kann man noch mit vollem Recht von einer Theilung des Facialisstammes kurz nach seinem Austritt aus dem Schädel in zwei Hauptäste, den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris, sprechen. Im Verlaufe des Stammes des N. supramaxillaris bemerkt man eine langgestreckte Nervenschlinge in der Parotissubstanz. Von dem oberen, nach oben gewölbten Arm dieser Schlinge gehen zwei Äste aus, welche den N. temporalis bilden, von denen der hintere als- bald in zwei Nerven zerfällt, den hinteren und den vorderen. Der hintere Nerv, welcher mit dem N. auriculo-temporalis anastomosirt, verläuft in einem nach vorn gestreckten Bogen zum M. auricularis superior und entsendet ebenfalls einen Ast zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel. Der vordere Nerv steigt vertikal zum M. auricu- laris anterior empor, welcher sich noch in primitiver Vereinigung mit dem M. aurieularis superior befindet. Der Anfangstheil dieses Nervs ist mit dem nachfolgenden Ast mittels einer feinen Anastomose verbunden, welche eine schräge Richtung hat, in Folge dessen sich an dieser Stelle eine dreieckig hingezogene Schlinge bildet, welche ebenfalls schräg gerichtet ist. Der vordere Ast des N. temporalis verläuft schräg nach oben und nach vorn und erreicht, dichotomisch sich theilend, den M. frontalis und den Oberlidtheil des M. orbicularis oculi; außerdem entsendet er in seinem Verlauf Astchen zum lateralen Theil des M. orbicularis oculi und zum Anfangstheil des M. zygo- maticus. Eins dieser letzteren Ästchen anastomosirt mit dem N. sub- cutaneus malae. Von dem unteren, nach unten gewölbten Arm der oben erwähnten Nervenschlinge des N. supramaxillaris entspringt der N. intermedius (superior), welcher sich zum Mundwinkel begiebt und in seinem Verlauf Astchen zum M. buccinator entsendet. Eine Anastomose mit dem N. buccinatorius (des N. trigeminus) war nicht aufzufinden. Der Stamm des N. supramaxillaris selbst begiebt sich in langausgestrecktem Gange zur Oberkieferregion und zerfällt unter dem M. zygomaticus in die beiden gewöhnlichen Äste, von denen der obere über dem M. levator labii sup. proprius zum M. orbicularis oculi, zum M. levator communis und zu dessen Abkömmling, den M. procerus nasi!, und der untere unter dem M. levator proprius zu ! Die Innervation des M. procerus nasi mittels eines Astes, der aus einem Nerv entspringt, welcher für den M. levator communis bestimmt ist, kann 23* 348 I. Popowsky letzterem, zum Oberlippentheil des M. orbicularis oris und zum M. nasalis verläuft. Zwischen dem unteren Aste des N. supramaxillaris und dem N. infraorbitalis sind die Anastomosen gut ausgebildet. Außerdem entsendet der N. supramaxillaris von sich aus nach oben und nach vorn ein feines Ästchen (z) zum M. zygomaticus und nach unten und nach vorn einen ziemlich langen Ast (c) zum M. caninus. Es ist bemerkenswerth, dass von diesem letzteren Ast ein sehr feines Astchen (z) ausgeht, welches emporsteigt, in seinem Ver- lauf den Stamm des N. supramaxillaris selbst durchkreuzt und im M. zygomaticus endigt. Die morphologische Bedeutung dieses Äst- chens ist im hohen Grade räthselhaft, denn es ist uns bekannt, dass der M. zygomaticus in genetischer Hinsicht zur oberflächlichen Ge- sichtsmuskelschicht und der M. caninus zur tiefen Muskelschicht gehört. Hier wird also durch den Nerv eine Verbindung zwischen zwei, so zu sagen ganz heterogenen Muskeln hergestellt. Der N. inframaxillaris theilt sich in die zwei gewöhnlichen Aste, den N. subeutaneus colli superior und den N. marginalis. Der N. subeutaneus colli superior begiebt sich bogenförmig zum Platysma; eine Anastomose zwischen ihm und dem N. subeutaneus colli medius konnte ich nicht konstatiren. Der N. marginalis zerfällt in drei Äste, von denen die beiden unteren zum M. triangularis und zu den Mm. quadratus et levator menti verlaufen und der obere sich zum Unterlippentheil des M. orbi- cularis oris begiebt. Außerdem entspringt aus dem N. marginalis der N. intermedius (inferior), weleher zum Mundwinkel, zum M. orbieularis oris und, wie es scheint, auch zum M. triangularis verläuft. Eine Anastomose zwischen den Ästen des N. marginalis und dem N. mentalis war nicht zu konstatiren. Der N. auricularis posterior theilt sich kurz nach seinem Hervortreten in zwei Äste, den vorderen und den hinteren. Der vordere Ast begiebt sich zum M. aurieularis aurieulae proprius und der hintere zerfällt seinerseits in zwei Nerven, von denen der vordere für den M. auricularis posterior und der hintere für den M. auriculo- occipitalis bestimmt ist. ebenfalls als Bestätigung der Idee (RuGE) dienen, dass derselbe aus letzterem Muskel und durchaus nicht aus dem M. frontalis hervorgeht, wie dieses HENLE (12, pag. 136) und andere Anatomen annehmen. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 349 II. (Fig. 10.) Bei einem neugeborenen Knaben kann man ebenfalls mit vollem Rechte von der Thatsache der Theilung des Facialisstammes in die beiden Hauptäste, den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris sprechen; aber bei ihm verbinden sich diese beiden Äste mit ein- ander durch eine bedeutende Anastomose, welche sich nach vorn und leicht nach oben erstreckt. Und da diese Anastomose ihrerseits mit dem N. supramaxillaris mittels eines nach hinten verlaufenden Anastomosenfadens verbunden ist, so bilden sich hier in Folge dessen zwei in die Länge gezogene Nervenschlingen drei- und viereckiger Form, von denen die hintere bedeutend größer ist als die vordere; beide Schlingen liegen in der Parotis. Aus dem oberen Arm der vorderen Schlinge entspringt mit einer starken Wurzel der N. temporalis, welcher nach kurzem Verlauf sich in zwei Äste theilt, den hinteren und den vorderen, die mit einander durch eine schräg verlaufende Anastomose verbunden sind. Der hintere Ast des N. temporalis steigt ganz vertikal zum M. auricularis superior und M. auricularis anterior, welche noch mit einander vereinigt sind, und zum M. helieis major empor. Was die anderen kleinen Muskeln der Ohrmuschel (Mm. tragicus, antitragicus, helieis minor) anbetrifft, so werden sie durch einen besonderen Nerv innervirt, der aus dem Facialisstamme selbst während seines Verlaufs unter der Ohrmuschel entspringt. Der vordere Ast des N. temporalis ist mit dem N. supramaxillaris mittels einer Anastomose verbunden, welche in annähernd horizontaler Fläche gelegen ist. Er verläuft nach oben und nach vorn und zer- fällt bald in zwei Nerven, den hinteren und den vorderen, welche in der Nähe des lateralen Augenwinkels durch eine senkrechte Ana- stomose mit einander in Verbindung stehen. Der hintere Nerv ver- zweigt sich im M. frontalis und im Oberlidtheil des M. orbieularis oculi und entsendet außerdem nach hinten zum M. auricularis an- terior zwei feine Astchen, von denen das untere mit dem N. sub- cutaneus malae anastomosirt, während der vordere Nerv sich im lateralen Theil des M. orbicularis oculi und im Anfangstheil des M. zygomaticus verzweigt. Der Stamm des N. supramaxillaris selbst theilt sich in die beiden gewöhnlichen Äste, den oberen für die oberflächliche Schicht, und den unteren für die tiefe Schicht der Muskeln, welche zwischen Lid- und Lippenspalte liegen. Die Anastomosen zwischen dem unteren 350 I. Popowsky Aste des N. supramaxillaris und dem N. infraorbitalis sind deutlich ausgedrückt. Der N. inframaxillaris zerfällt in drei Äste: den N. subeu- taneus colli superior, den N. marginalis und den N. intermedius. Der N. subeutaneus colli superior biegt sich bogenförmig zum Platysma, welches außerdem noch ein feines Astchen vom Facialis- stamme selbst empfängt. Die Anastomose mit dem N. subcutaneus colli medius ist gut entwickelt. Der N. marginalis begiebt sich zu den Muskeln der Unterlippe und der N. intermedius zum M. buceinator und zum Winkeltheil des M. orbicularis oris. Eine Ana- stomose zwischen dem N. marginalis und dem N. mentalis konnte ich nieht konstatiren. i Ill. (Fig. 11.) Bei einem anderen neugeborenen Knaben kann man ebenfalls von einem Zerfallen des Facialisstammes in zwei Hauptäste, den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris sprechen, welche mit ein- ander durch eine bedeutende Anastomose verbunden sind; zufolge des letzteren Umstandes bildet sich eine große dreieckige Schlinge, durch welche die A. temporalis superficialis und die V. facialis po- sterior hindurchgehen. Diese Schlinge liegt in der Parotissubstanz. Aus dem N. supramaxillaris entspringen der Reihe nach vier Äste des N. temporalis, von denen die zwei vorderen durch eine fast horizontal verlaufende Anastomose mit einander verbunden sind; von dieser Anastomose verläuft ein Ast (az) zur Vereinigung mit dem N. auriculo-temporalis nach hinten. Der hintere Ast steigt vertikal zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel empor. Der darauf folgende zweite Ast erhebt sich ebenfalls senkrecht zum M. auricularis superior, wobei er ein feines Astchen zum M. helieis major entsendet. Der dritte Ast steigt ebenfalls ganz vertikal zum M. auricularis anterior und zum M. frontalis empor. (Es ist zu bemerken, dass alle diese Muskeln von einander isolirt sind, daher werden sie durch einzelne, isolirt hervorgehende Aste innervirt.) Der vierte, vorderste Ast | schließlich begiebt sich ein wenig schräg nach oben und nach vorn und . zerfällt in zwei Nerven, den hinteren für den M. frontalis und den vorderen für den Oberlidtheil des M. orbicularis oculi; in seinem Verlaufe entsendet er ein sich dichotomisch verzweigendes Astchen zum lateralen Theil des M. orbieularis oculi und zum Ursprung des M. zygomaticus. Von den, für den Oberlidtheil des M. orbicularis oculi bestimmten Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 351 Ästehen konnte ich ein Ästchen, das oberste (s), bis zum M. corru- gator supereilii verfolgen. Es muss hier bemerkt werden, dass dieser Muskel an dem vorliegenden Objekt von dem Oberlidtheil des M. orbicularis oculi gut zu trennen ist, was augenscheinlich eine Aus- nahme bildet, da er bei den anderen Neugeborenen und namentlich bei den Embryonen gar keine Selbständigkeit besitzt und mit dem M. orbieularis oculi eng verbunden erscheint. In Einklang hiermit steht bei letzterem auch das Fehlen eines speciellen Nervenästchens, das sich von dem für den Oberlidtheil des M. orbieularis oculi be- stimmten Nerv ablöst. Die Innervation des M. corrugator supereilii mittels eines Nervenästchens, welches aus dem Nerv hervorgeht, der für den Oberlidtheil des M. orbicularis oculi bestimmt ist, kann als eine Bestätigung der Idee von dem Hervorgehen des M. corrugator supereilii aus letzterem Muskel dienen. Dieses Nervenästchen ent- wickelt sich nur allmählich, meistentheils nach der Geburt, und ent- spricht dadurch vollständig unserer Vorstellung von der hohen emo- tionalen Bedeutung des M. corrugator supercilii, welcher, wie die elektro-physiologischen Untersuchungen DuCHENNE’s (6, pag. 39—53) zeigen, zum Ausdruck solcher feinen Gemiithsbewegungen, wie Seelen- leiden, Kummer, Sehnsucht, bestimmt ist. Kann aber bei Neugeborenen, oder gar bei Embryonen von Seelenleiden die Rede sein? Auf Grund dieser Betrachtungen! erlaube ich mir die Meinung auszusprechen, dass der M. corrugator supercilii einen ausschließlich menschlichen Muskel darstellt und bei Thieren und sogar bei Anthropoiden nicht vorkommt, obgleich Owen (22, pag. 28) ihn beim Orang-Utan, MACALISTER (21, pag. 342) beim Schimpanse und RuceE beim Gorilla angetroffen hat. Letzterer Autor beschreibt ihn folgendermaßen 1 Die gesammte Gesichtsmuskulatur entwickelt sich ja ontogenetisch wäh- rend eines Zustandes, in welchem sie noch außer Funktion steht. Was für den Corrugator supereilii in Anspruch genommen wird, gilt daher auch für die anderen Muskeln. Dass er ein erst später (ontogenetisch wie phylo- genetisch) auftretender Muskel ist, wird dadurch nicht bestritten. Sein durch Prof. RuGE erfolgter Nachweis beim Gorilla wird aber vom Herrn Verfasser durch die Betonung einer vom Menschen differirenden Innervation nicht wider- legt. Es handelt sich hier doch nur um Zweige eines und desselben Facialis- astes. Wie sehr diese variiren können, hat der Herr Verfasser beim Neuge- borenen in umfassender Weise dargethan und damit auch die Untersuchungen von Fr. Frouse (Die oberfl. Nerven des Kopfes. Berlin-Prag 1895) bestätigt. Hinsichtlich der Funktion des Corrugator möchte ich nur bemerken, dass ja auch bei anderen Muskeln des Gesichts manche Verschiedenheit aus dem ana- tomischen Verhalten zu erschließen ist. Anmerkung des Herausgebers. 352 I. Popowsky (30, pag. 495): »Der Muskel entspringt in zwei Bündeln vom Processus frontalis des Maxillare, bedeckt vom Lig. palpebr. med. und in innigem Zusammenhange mit den hier inserirenden, von oben kom- menden, oberflächlichen Orbieularisbündeln. Die tiefen Bündel liegen dem Thränensacke eng an, ohne eine Einwirkung auf diesen äußern zu können; sie steigen divergirend auf- und medianwärts und inseriren an der subeutanen Fascie der Glabella, an der sie dem Frontalis innig sich anlehnen. Die Ursprungsbündel dieser tiefen Schicht sind von dem am Skelette sich anheftenden M. frontalis durch die Sutura maxillo-frontalis geschieden. An der Glabella sind die In- sertionstheile vom M. depressor supereilii theilweise bedeckt. Auf der Fig. 2 wurde nur der Ursprungs- und der Insertionstheil des Corrugator supereilii abgebildet, damit der von ihr bedeckte sich anheftende Frontalis erkennbar wurde. In der Wirkung unterstützt hier der Corrugator den M. depressor supercilii, welche gemeinsam die Haut der Augenbraue herabzuziehen vermochten.« Ferner sagt Ruce (p. 527), dass dieser Muskel (M. corrugator supercilii) einen Nervenast empfängt, der von dem Nerv, welcher zum M. frontalis bestimmt ist, entspringt. Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass der genannte Muskel bei dem Gorilla kein solches charakteristisches Kennzeichen besitzt, wie der M. corrugator supereilii beim Menschen. Und in der That gehören zu den charakteristischen Kennzeichen des M. corrugator . supereilii beim Menschen: sein Anfang auf dem inneren Theil des Arcus supereiliaris, sein bogenförmiger Verlauf nach oben und nach außen, und seine Befestigung an der Augenbrauenhaut; außer den bogenförmigen Muskelbündeln, welche nach außen verlaufen, begeg- nete ich häufig auch senkrechten Muskelbündeln, welche unzweifel- haft diesem Muskel angehören (24, pag. 137). Nur durch das Vor- handensein von vertikal verlaufenden Muskelbündeln lässt sich die schräge Lage der Augenbrauen bei der Kontraktion dieses Muskels erklären. Gerade durch die Zusammenziehung des M. corrugator supercilii beim Menschen, sei sie nun eine freiwillige oder künstliche, durch elektrische Erregung des zu diesem Muskel hinleitenden Nerven hervorgerufene, kann man folgende Erscheinungen beobachten: 1) das innere Ende der Augenbraue steigt nach oben; 2) die Augenbraue erhält eine schräge Richtung, indem sie zwei Krümmungen beschreibt, die innere, mit einer Ausbuchtung nach oben und die äußere, mit einer Ausbuchtung nach unten; 3)in der Mitte der Stirn bilden sich einige Hautfalten mit einer leichten Ausbuchtung nach oben (DUCHENNE). Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 353 Beim Vergleichen dieser anatomischen und physiologischen Kenn- zeichen, welche den M. corrugator supercilii des Menschen charak- terisiren, mit denen beim Gorilla, kann man sich leicht davon über- zeugen, dass fast auf jedem Schritt ein wesentlicher Unterschied existirt. So wollen wir unter Nichtberücksichtigung der thatsächlichen Zustände hinsichtlich des Anfangs, des Verlaufs und der Befestigung dieses Muskels beim Gorilla, nur bei zwei Punkten stehen bleiben: 1) bei dem Gorilla senkt dieser Muskel bei seiner Kontraktion die Augenbrauenhaut nach unten, ganz entgegengesetzt, wie es bei seiner Kontraktion beim Menschen der Fall ist; 2) beim Gorilla wird er durch den Nerv innervirt, der für den M. frontalis bestimmt ist, während er beim Menschen seine Innervation durch einen Nervenast erlangt, der für den Oberlidtheil des M. orbicularis oculi bestimmt ist. Auf Grund dieser Thatsachen erlaube ich mir die Meinung aus- zusprechen, dass der von RuGE beschriebene Muskel bei dem Gorilla nicht den M. corrugator supereilii darstellt. Kehren wir zu den Ästen der Schläfenregion zurück, welche einige Eigenthümlichkeiten aufweisen. Die Vergleichung der An- ordnung dieser Äste bei dem vorliegenden Neugeborenen mit denen anderer Neugeborenen zeigt in einigen Beziehungen einen wesent- lichen Unterschied. Während diese Äste bei dem vorliegenden Ob- jekte einen vertikalen Verlauf nehmen und von den Ästen der Orbitalregion mehr oder weniger weit entfernt sind, befinden sie sich bei den anderen Neugeborenen, wie auch bei den Embryonen, in der Nähe der letzteren Äste und nehmen einen schrägen Verlauf. Diesen Unterschied muss man der verschiedenen Entwicklung des Schädels, namentlich der Stirn- und Scheitelregion zuschreiben. Bei dem be- schriebenen Neugeborenen war die Stirn- und Scheitelregion ver- hältnismäßig stärker als bei den anderen Neugeborenen, und um so mehr noch als bei den Embryonen entwickelt. Nach Maßgabe der weiteren Entwicklung der Stirn- und Scheitelregion, welche von dem größeren Umfange des Vorderhirns abhängt, nach Maßgabe der Erhöhung und Verlängerung der Stirn- und Scheitelregion in sagittaler Riehtung müssen sich die Nervenäste der Schläfenregion natürlich nach oben ausdehnen, um ihre peripherische Endigung zu erreichen und als Resultat muss sich ein mehr vertikaler Verlauf derselben ergeben. In Folge der sagittalen Verlängerung der Stirn- und Scheitelregion muss sich auch selbstverständlicher Weise die Ent- fernung zwischen den Augenhöhlen und den Ohren vergrößern und in Folge dessen wird sich ebenfalls allmählich ein weiterer Abstand 354 I. Popowsky der Äste der Schläfenregion von denjenigen der Orbitalregion ergeben. Auch beim erwachsenen Menschen trifft man in dieser Beziehung erhebliche individuelle Schwankungen an: bald nehmen die Nerven- äste des Facialis der Schläfenregion einen ganz vertikalen Verlauf, bald einen ‚schrägen nach vorn und nach oben, und in letzterem Falle nähern sie sich mehr den Ästen der Orbitalregion als in ersterem. Ob nun dieser Unterschied im Verlauf der: Nerveniiste der Schläfen- region im Zusammenhange steht mit dem verschiedenen Baue des Schädels, das können erst fernere Untersuchungen erweisen, dess- gleichen, wie uns vielleicht erst zukünftige Untersuchungen des Ge- sichtsnervensystems bei Menschen-Rassen, welche in anthropologischer Hinsicht niedrig stehen und sich überhaupt durch eine niedrige Stirn auszeichnen, viele primitive Eigenthümlichkeiten nachweisen werden. Dieses ist eine Aufgabe der Zukunft. Der Stamm des N. supramaxillaris selbst zerfällt, wie ge- wöhnlich, in zwei Äste, den oberen und den unteren. Der obere Ast verläuft unter dem Mm. zygomaticus major et minor und über dem M. levator labii superioris proprius zu dem Unterlidtheil des M. orbicularis oculi, zum M. levator communis und zum M. procerus nasi. Indem er unter dem M. zygomaticus major seinen Fortgang nimmt, giebt er zwei, drei Astchen ab, welche nicht allein den M. zygomaticus major, sondern auch den M. zygomaticus minor erreichen. Die gemeinsame Innervation dieser beiden Muskeln mittels ein und desselben Nervenästchens spricht zu Gunsten des Hervorgehens des M. zygomaticus minor aus dem M. zygomaticus major. Außerdem theilt sich vom oberen Aste des N. supramaxillaris ein feiner Nerv ab, welcher horizontal nach innen verläuft und am lateralen Rande des M. caninus mit einem gleichartigen Nerv anastomosirt, der aus dem unteren Ast des N. supramaxillaris entspringt. Zufolge dieser Anastomose erfolgt die Bildung einer Nervenschlinge von rhomboi- daler Form, welche unter den Mm. zygomaticus major et minor ge- legen ist. Aus dem vorderen Winkel dieser Schlinge gehen einige Ästchen (c) hervor, welche für den M. caninus bestimmt sind. Was den unteren Ast des N. supramaxillaris betrifft, so verläuft er nach vorn und nach innen unter den Mm. zygomaticus major, minor, levator proprius und über dem M. caninus; auf letzterem Muskel zerfällt er in vier Ästchen, von denen das obere an der Bildung der soeben angeführten Nervenschlinge Antheil nimmt, wäh- rend das untere mit einem der Astchen in Verbindung steht, welche aus der Theilung des N. intermedius hervorgehen; diese vier Astchen Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 355 endigen in der Region der Mm. nasalis und orbicularis oris. Außer- dem entsendet der untere Ast des N. supramaxillaris zwei feine Ästehen zum M. buceinator (b, 3). Der N. intermedius entspringt aus dem vorderen nach vorn gewolbten Arm der Nervenschlinge, welche sich in der Parotis be- findet und vom Platysma und anderen oberflächlichen Muskeln bedeckt ist. Er verläuft zur Oberlippenregion, wo er in einige Ästchen zer- fällt und endigt im M. orbicularis oris. In seinem Verlauf entsendet er Astchen zum M. buceinator (2, 5, 4) und zum Mundwinkel. Der N. inframaxillaris theilt sich, wie gewöhnlich, in die N. subeutaneus colli superior und N. marginalis, deren Ver- zweigungen keine Besonderheiten aufweisen. Der N. subeutaneus colli superior anastomosirt mit dem N. subcutaneus colli medius. Der N. auricularis posterior besteht aus zwei Nerven, dem vorderen und dem hinteren, welche durch eine Anastomose (p) mit einander verbunden sind. Der vordere Nerv verläuft zum M. auri- cularis auriculae proprius. Der hintere Nerv entsendet ein Ästchen ebenfalls zu letzterem Muskel und zerfällt in zwei Äste, von denen der vordere im M. auricularis posterior und der hintere im M. occi- pitalis endigt. Aus dem Dargelegten geht hervor, dass das vorliegende Objekt dadurch von Interesse ist, dass an ihm die Nervenanordnung in der Schläfen-, Oberkiefer- und Nackenregion sich in einem progressiven Zustande befindet; dagegen bewahrt sie in der Unterkieferregion ihren primitiven Charakter. In Übereinstimmung damit lässt sich leicht das Vorhandensein von Anastomosen zwischen den Ästen des Facialis und des N. trigeminus in den oben erwähnten Regionen konstatiren. So existirt in der Schläfenregion außer der oben angeführten Ana- stomose noch eine solche zwischen dem zweiten Aste des N. temporalis und dem N. auriculo-temporalis. In der Stirnregion anastomosirt der vordere Ast des N. temporalis mit dem N. frontalis. In der Ober- kieferregion bestehen zahlreiche Anastomosen zwischen den Ästen des N. supramaxillaris und des N. infraorbitalis, wie auch zwischen dem N. intermedius und dem N. buccinatorius. Und schließlich in der Nackenregion konnte ich Anastomosen zwischen dem N. aurieu- laris posterior und dem N. auricularis magnus konstatiren. Dagegen | existiren keine Anastomosen in der Unterkieferregion zwischen dem N. marginalis und dem N. mentalis. 356 I. Popowsky IV: Bei dem zweiten neugeborenen Mädchen (Fig. 12) kann man nur in einem gewissen Sinne von einer Theilung des Facialisstammes in den N. supramaxillaris und N. inframaxillaris sprechen, weil der N. inframaxillaris in zwei Wurzeln von gleicher Stärke aus dem Facialis hervorgeht, wobei beide mit einander durch Anastomosen verbunden sind, eine obere bogenförmige und eine untere horizon- tale; in Folge dessen werden an dieser Stelle drei Nervenschlingen gebildet, von denen nur die obere in der Parotissubstanz liegt, die beiden unteren aber sich unter der Drüse befinden; durch die obere Schlinge gehen die A. temporalis superficialis und die V. facialis posterior hindurch. Drei Aste des N. temporalis entspringen isolirt aus dem Facialis- stamme selbst und bieten in ihrem Verlaufe und ihrer Verzweigungs- art nichts Besonderes dar. Der hintere Ast anastomosirt unter spitzem Winkel mit dem N. auriculo-temporalis und der vordere unter rechtem Winkel mit dem N. frontalis. Der nachfolgende Nerv entspringt aus dem N. facialis mit zwei Wurzeln, von deren Vereinigungspunkt aus ein feiner Nervenstrang seinen Anfang nimmt, welcher unter dem N. supramaxillaris nach unten und leicht nach vorn verläuft und sich in den N. intermedius einsenkt. Dieser Nerv begiebt sich zum äußeren Augenwinkel, zer- fällt in dessen Nähe in vier Ästchen und endigt im lateralen Theil des M. orbieularis oculi und im Ursprungstheil des M. zygomaticus major. Es ist augenscheinlich, dass dieser Nerv bereits den typi- schen N. zygomaticus s. N. malaris des erwachsenen Menschen darstellt. Bis jetzt haben wir ihn nur in primitiver Form als feines Astchen, das sich bald von dem vorderen Aste des N. temporalis, bald vom Supramaxillarisstamme, bald von beiden gemeinschaftlich abtheilt, angetroffen. Hier aber erscheint er zuerst in voller Selb- ständigkeit als Nerv, der mit dem N. temporalis nicht mehr in Ver- bindung steht, sich dagegen aufs Neue mit einem Nerv vereinigt, welcher für das System der tiefen Gesichtsmuskeln bestimmt ist. Eines seiner Astchen anastomosirt unter rechtem Winkel mit dem N. subeutaneus malae. Bei dem N. supramaxillaris kann man auch hier leicht zwei Äste unterscheiden, den oberen oberflächlichen und den unteren tiefen, welche durch eine schräg nach oben und nach vorn gerichtete Ana- stomose mit einander verbunden sind. Der oberflächliche Ast ist für Zur Entwieklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 357 den Unterlidtheil des M. orbieularis oculi, für den M. levator communis und den M. procerus nasi, der tiefe fiir den M. orbicularis oris und für den M. nasalis bestimmt; zu letzterem Muskel verläuft außerdem ein feines Ästehen (n) aus der Anastomose zwischen dem oberen und unteren Aste des N. supramaxillaris. Der N. supramaxillaris ent- sendet während seines Verlaufes unter dem M. zygomaticus major zwei Astchen (2,2) für den M. zygomatieus minor nach oben und ebenfalls zwei Astchen (c,c) für den M. caninus nach unten. Außer- dem entspringt aus dem N. supramaxillaris der N. intermedius, welcher zwei, drei Astchen (2, ,5) zum M. buccinator entsendet und sich selbst in zwei Äste theilt, die fast rechtwinklig aus einander gehen und von denen der obere im M. caninus und der untere im oberen Theil des M. tringularis endigt. Die gemeinsame Innervation dieser beiden Muskeln im gegebenen Falle durch einen und den- selben Nerv spricht ebenfalls zu Gunsten ihrer genetischen Verwandt- schaft mit einander. Der untere Theil des M. tringularis wird auch hier wie immer von Ästen aus dem N. marginalis innervirt. Die Anastomosen zwischen den Ästen des N. supramaxillaris und des N. infraorbitalis, wie auch zwischen dem N. intermedius und dem N. buceinatorius sind deutlich ausgedrückt. Der N. inframaxillaris theilt sich wie gewöhnlich in den N. subeutaneus colli superior für das Platysma und den N. marginalis für die Muskeln der Unterlippe; ersterer anastomosirt mit dem N. subeutaneus colli medius und letzterer mit dem N. mentalis. Der N. auricularis posterior bietet keine Besonderheit dar. m. Bei dem dritten neugeborenen Mädchen (Fig. 13) kann schon entschieden weder von einer Theilung des Facialisstammes in die beiden Hauptäste, den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris, noch von einem Übergewicht des einen Astes über den anderen die Rede sein. Der allgemeine Charakter der Anordnung der Äste an diesem Objekte ist der eines schlingenförmigen, wie es sogleich aus s der Darlegung des thatsächlichen Befundes erhellen wird. Der N. inframaxillaris entspringt aus dem Facialisstamme mit zwei Wurzeln von gleichmäßigem Kaliber, welche sich bald mit ein- ander vereinigen. Ferner ist bemerkenswerth, dass sich vom Stamme des N. inframaxillaris eine bedeutende Anastomose nach oben und ~ 358 I. Popowsky leicht nach hinten erhebt, welche in die untere Wurzel des N. inter- medius (superior) sich einsenkt. Der N. intermedius (superior) nimmt seinen Anfang vom Faeialis- stamme mit zwei Wurzeln von fast gleichmäßiger Dicke; außerdem steht dieser Nerv durch eine bedeutende Anastomose mit einem der Äste (dem unteren), in welche der N. supramaxillaris zerfällt, in Verbindung. Ferner kann man sagen, dass auch der N. temporalis (eigent- lich sein vorderer Ast) aus dem Facialisstamme ebenfalls mit zwei Wurzeln entspringt, der hinteren langen, fast horizontal verlaufenden und der vorderen kurzen, schrägen. Aus der hinteren Wurzel nimmt der hintere feine Ast seinen Ursprung und begiebt sich bogenförmig nach hinten zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel, während der mittlere bedeutende Ast des N. temporalis sich senkrecht zum M. auricularis anterior und zum M. auricularis superior erhebt, welche mit einander vereinigt sind. Der N. temporalis selbst (oder sein vorderer Ast) steigt schräg empor und zerfällt in zwei Nerven, von denen der hintere für den M. frontalis und der vordere für den Ober- lidtheil des M. orbicularis oculi und für den M. corrugator supercilii _ bestimmt ist. Der N. supramaxillaris zerfällt nach kurzem Verlauf in drei Äste, den oberen, mittleren und unteren. Der obere Ast setzt sich mit dem mittleren durch eine schräg verlaufende Anastomose in Ver- bindung, entsendet ferner Astchen zu dem lateralen Theil des M. orbieularis oculi und zu den Mm. zygomaticus major und minor, ver- läuft in einem leichten Bogen zum inneren Augenwinkel und erreicht sein Endgebiet in dem Unterlidtheil des M. orbicularis oculi, im M. levator communis und im M. procerus nasi. Der mittlere Ast theilt sich in zwei Nerven, von denen der obere zum M. levator proprius und zum M. nasalis und der untere zum M. orbieularis oris verläuft. Der untere Ast steht mit letzterem Nerv mittels zweier fast hori- zontal belegenen Anastomosen in Verbindung; er verläuft bogen- förmig mit einer unteren Wölbung zum M. orbicularis oris. Der N. intermedius superior, von dessen Ursprung oben die Rede war, begiebt sich zum Mundwinkel, entsendet unterwegs vier Astchen zum M. buceinator und endigt im M. caninus. Der N. inframaxillaris, dessen Ursprung ebenfalls bereits erwähnt wurde, verläuft parallel dem Rande des Unterkiefers und zerfällt in zwei Nerven: den N. marginalis, der sich zu den Muskeln der Unterlippe begiebt, und den N. intermedius infe- Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 359 rior, welcher sich bogenförmig mit einer oberen Krümmung zum Mundwinkel, zum M. orbieularis oris und zum M. triangularis erhebt. Der N. inframaxillaris entsendet während seines Verlaufes zwei feine Ästehen zum Platysma, welches außerdem noch einen Ast vom Facialisstamme selbst während dessen Verlaufs unter der Ohrmuschel empfängt. Eine Anastomose mit dem N. subeutaneus colli medius ist nicht vorhanden, vielleicht aus dem Grunde, weil im gegebenen Falle der typische N. subeutaneus colli superior nicht existirt. Der N. auricularis posterior bietet keine Besonderheit dar. Die Anastomosen zwischen den Ästen des N. facialis und des N. trigeminus sind in der Schläfen-, Stirn-, Ober- und Unterkiefer- region vollkommen entwickelt. In Folge der hervorgehobenen Besonderheit des Hervortretens der Hauptäste des Facialis aus zwei Bündeln entsteht eine neue Eigenthümlichkeit — die Bildung vieler Schlingen (8) von drei- eckiger und unregelmäßig viereckiger Form, bald größeren, bald geringeren Umfangs. Solche Schlingen existiren: zwischen dem N. inframaxillaris und dem Facialisstamme zwei Schlingen — eine drei- eckige und eine viereckige; zwischen dem N. intermedius superior und dem Facialis ebenfalls zwei Schlingen — eine dreieckige und eine ovale; zwischen dem N. temporalis und dem Facialis eine drei- eckige; zwischen den Asten des N. supramaxillaris drei Schlingen — eine dreieckige und zwei viereckige. Daher kann man im gegebenen ‚Falle überhaupt von einer schlingenförmigen Anordnung der Äste des Facialis sprechen — einer progressiveren Differenzirung als der einfach dichotomischen Anordnung, wie wir sie stets bei den Em- bryonen antreffen. VI. (Fig. 14.) Mit demselben Rechte kann man auch bei dem vierten neuge- borenen Mädchen (Fig. 14) von einer schlingenförmigen Anordnung der Facialisäste sprechen. Und in der That finden wir bei ihm folgende Nervenschlingen: 1) Der N. facialis zerfällt bald nach seinem Austritt aus dem Schädel in zwei Äste, den oberen und den unteren, schwächeren, durch deren Vereinigung eine große, in die Länge gezogene Schlinge von halbmondförmiger Gestalt entsteht; diese Schlinge findet sich unterhalb der Ohrmuschel. Aus ihrer unteren Peripherie gehen zwei Äste für das Platysma hervor, und aus der vorderen Peripherie ent- springt der N. inframaxillaris. 360 | I. Popowsky 2) Ferner befindet sich im Verlaufe des Facialisstammes eine zweite Schlinge von ovaler Form, welche in der Parotissubstanz ge- legen ist. Aus dem nach oben konvexen Schenkel dieser Schlinge entspringen die vier Aste des N. temporalis. 3) Unter dieser Schlinge befindet sich eine dritte Schlinge von dreieckiger Form, welche ebenfalls in der Parotis liegt; sie wird durch zwei Schenkel gebildet, mit denen der N. intermedius superior seinen Anfang aus dem Facialis nimmt. 4) In Folge einer zwischen dem dritten und dem vierten Aste des N. temporalis schräg sich hinziehenden Anastomose bildet sich im unteren Theil der Schläfenregion eine Schlinge von unregelmäßig viereckiger Form. 5) Zufolge des Vorhandenseins einer Anastomose zwischen dem N. zygomaticus und dem Stamme des N. supramaxillaris bildet sich in der Nähe des lateralen Randes des M. zygomaticus major eine neue, ebenfalls viereckige Schlinge. 6) Und schließlich durch die Vereinigung des unteren tiefen -Astes des N. supramaxillaris mit dem oberen Aste des N. intermedius superior entsteht eine große langgestreckte Schlinge von unregelmäßig fünfeckiger Form. Aber kehren wir zur Darlegung des thatsächlichen Zustandes zurück. Er bietet in einigen Beziehungen hervorragende Besonderheiten dar. Oben ist bereits erwähnt, dass vier Äste des N. temporalis aus dem nach oben gewölbten Arm der zweiten Nervenschlinge her- vorgehen. Der hintere schwächste Ast steigt vertikal zu den kleinen Muskeln.der Ohrmuschel empor, mit Ausnahme des M. helieis major. Der zweite Ast erhebt sich bogenförmig mit einer nach vorn ge- streckten Wölbung. zum M. auricularis superior, indem er unterwegs ein Astchen zum M. helieis major entsendet; er anastomosirt mit dem N. auriculo-temporalis. Der dritte Ast vereinigt sich durch eine Anastomose mit dem nachfolgenden und begiebt sich vertikal zum M. aurieularis anterior. Schließlich erhebt sich der vierte, bedeu- tendste Ast ein wenig schräg zum M. frontalis, zum Oberlidtheil des M. orbieularis oculi und zum M. corrugator supercilii. Eine Ana- stomose desselben unter rechtem Winkel mit dem N. frontalis ist deutlich ausgedrückt. Auch im vorliegenden Falle steht das isolirte Hervorgehen jedes der vier Nervenäste in der Schläfenregion in vollem Einklang mit der stattgefundenen Theilung .der ursprünglich ' einheitlichen Muskelschicht in einzelne Theile: den M. auricularis superior, M. auricularis anterior und M. frontalis. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 361 Der N. supramaxillaris entsendet bei seinem Hervortreten aus der Parotissubstanz in der Richtung nach dem lateralen Augen- winkel den N. zygomaticus, welcher sich alsbald in einen oberen und einen unteren Ast theilt. Der obere Ast erhebt sich, seine ur- sprüngliche Richtung beibehaltend, bis zum lateralen Augenwinkel, zerfällt in einige (vier) Astchen und endigt im lateralen Theile des M. orbieularis oculi und im M. zygomaticus major; diese Astchen dringen, wie gewöhnlich, von der tiefen Seite der Muskeln in dieselben ein. Das hintere Astchen anastomosirt unter spitzem Winkel mit dem N. subeutaneus malae. Der untere Ast, welcher mit dem Stamme des N. supramaxillaris selbst durch eine Anastomose in Verbindung steht, wendet sich nach vorn, verläuft unter dem M. zygomaticus major und erreicht, nachdem er in zwei Ästchen zerfallen, den M. zygo- maticus minor, indem er sich ebenfalls von dessen tiefer Seite aus in denselben einsenkt. | Darauf theilt sich der N. supramaxillaris selbst nach kurzem Verlaufe .unter dem M. zygomaticus in seine zwei gewöhnlichen Aste, den oberen und den unteren. Der obere Ast begiebt sich über dem M. levator labii superioris proprius und unter dem M. levator com- munis zum inneren Augenwinkel, entsendet unterwegs Ästehen zum Unterlidtheile des M. orbieularis oculi und endigt im M. levator com- munis und im M. procerus nasi. Der untere Ast vereinigt sich durch eine bedeutende Anastomose mit einem der Ästchen (dem oberen), in welche der N. intermedius superior zerfällt, verläuft darauf unter dem M. zygomaticus minor und M. levator proprius und zerfällt über dem M. caninus in zwei Nerven, von denen der obere im M. nasalis und der untere im Oberlippentheile des M. orbicularis oris endigt. Der M. caninus erhält seine Innervation durch Astchen, welche aus der soeben erwähnten Anastomose hervorgehen. Die Anastomosen zwischen dem unteren Ast des N. supramaxillaris und dem N. infra- orbitalis unter rechtem Winkel sind deutlich ausgeprägt. Der N. intermedius superior entspringt, wie gesagt, aus dem N. facialis in zwei Bündeln von gleicher Dicke. Er begiebt sich unter dem Ductus Stenonianus direkt nach vorn zur Oberlippen- region, entsendet unterwegs Astchen zum M. buceinator und zerfällt selbst in drei Äste, welche in dem Oberlippentheil des M. orbieularis oris endigen. Von einer Anastomose des oberen Astes dieses Nerven mit dem unteren Ast des N, supramaxillaris war bereits oben die Rede, hier ist nur noch zu bemerken, dass auch seine Anastomosen mit dem N. infraorbitalis leicht zu konstatiren sind. Morpholog. Jahrbuch. 23. 24 362 I. Popowsky Der N. inframaxillaris zerfällt sogleich nach seinem Her- vortreten aus der vorderen gekrümmten Peripherie der ersten Schlinge des N. facialis in zwei Nerven: den N. subeutaneus colli superior und den N. marginalis. Der N. subeutaneus colli superior verläuft vertikal nach unten und senkt sich, nachdem er in einige Ästchen zerfallen, in das Platysma. Eins dieser Ästchen (das hintere) anastomosirt mit dem N. subeutaneus colli medius. Außerdem erhält das Platysma noch vom N. facialis zwei Äste (p, p), welche aus der unteren Peripherie der ersten Nervenschlinge hervorgehen. Es ist zu bemerken, dass dieses Objekt darin eine Besonderheit aufweist, dass das überhaupt stark entwickelte Platysma sich mit seinen hinteren Muskelbündeln bis zum Nacken erstreckt, wo es den typischen M. transversalis nuchae bildet, der an der Linea nuchae superior befestigt ist und durch einzelne Fasern mit dem M. auriculo-occipitalis in Verbindung steht. Die beiden erwähnten Nervenäste erstrecken sich oben in bogen- formigem Gang nach hinten zum Nackentheil des Platysma. Ob sie bis an den M. transversalis nuchae heranreichen, oder ob dieser seine Innervation vom N. auricularis posterior oder irgend einem anderen Nerv erhält, darüber kann ich nichts Bestimmtes mittheilen. Der N. marginalis verläuft parallel dem Rande des Unter- kiefers unter dem Platysma und unter dem M. triangularis zu den Muskeln der Unterlippe — Mm. orbieularis oris, triangularis, qua- dratus und levator menti. Seine Anastomosen mit dem N. mentalis sind entwickelt. Von ihm sondern sich außerdem zwei Nerven, ein oberer und ein unterer ab. Der obere lange Nerv — der N. inter- medius inferior — begiebt sich zum Mundwinkel; unterwegs entsendet er Ästehen zum M. buceinator, zum Mundwinkeltheil des M. orbieularis oris und ein eigenartiges Ästchen (r), welches sich in der Nähe des Mundwinkels gebogen nach hinten windet, um bis an den M. risorius-triangularis (Santorini) heranzureichen. Der andere, ziemlich schwache untere Nerv (fr) verläuft direkt nach vorn zum oberen Theil des M. triangularis und auch zum M. risorius. Im ge- gebenen Falle kann das Prineip der Innervation dieser beiden Mus- keln als Bestätigung der Ansicht über die genetische Verwandtschaft derselben mit einander dienen. Auf welche Weise überhaupt der M. platysma-risorius und der M. zygomatieo-risorius innervirt werden, kann ich aus Mangel an entsprechendem Material nicht sagen. Aber es lässt sich voraussetzen, dass der M. platysma-risorius seine Inner- vation vom N. subeutaneus colli superior, und der M. zygomatico- Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 363 risorius die seinige vom N. zygomaticus erhält. Diese, wie auch viele andere diesen Gegenstand betreffende Fragen müssen durch künftige Forschungen aufgeklärt werden. Der N. auricularis posterior zerfällt alsbald nach seinem Hervorgehen aus der oberen Peripherie des Facialis in zwei Nerven: den vorderen für den M. auricularis aurieulae proprius und den hin- teren für den M. auriculo-occipitalis. Eine Anastomose zwischen ihm und dem N. aurieularis magnus hat sich nicht entwickelt. Bei den letzten zwei Objekten, einem neugeborenen Knaben und einem neugeborenen Mädchen, ist außer der progressiven, schlingen- förmigen Anordnungsart der Facialisäste der Umstand von beson- derem Interesse, dass an beiden Seiten des Gesichts eine bedeutende Verschiedenheit der Anordnung der Facialisäste existirt, wie aus Folgendem hervorgeht. VII. Der Knabe. Linke Seite (Fig. 15). In der Ausdehnung des Facialis- stammes in der Parotissubstanz trifft man fünf Schlingen an — drei obere und zwei untere. Von den oberen Schlingen hat die hinterste eine unregelmäßige, fast viereckige und die beiden vorderen eine rein quadratische Form. Der obere Winkel der hinteren Schlinge dient als Ausgangspunkt des hinteren Astes des N. temporalis. Aus der mittleren Schlinge entspringt der N. intermedius superior, welcher sich unter dem N. supramaxillaris zur Oberkieferregion begiebt. Aus dem vorderen oberen Winkel der vorderen Schlinge geht der N. supramaxillaris hervor, welcher den N. intermedius superior von vorn durchkreuzt. Von den unteren Schlingen hat die hintere, große, eine spindel- förmige Gestalt und die vordere, kleinere, eine rhomboidale. Der untere stumpfe Winkel der letzteren Schlinge dient als Ausgangs- punkt des N. subeutaneus colli superior und der vordere spitze Winkel als Ausgangspunkt des N. marginalis. Von den anderen Schlingen wird später die Rede sein. In der Schläfenregion existiren vier Äste des N. temporalis. Der hintere Ast geht aus der hinteren oberen Schlinge hervor, er- hebt sich vertikal zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel* und anastomosirt unter spitzem Winkel mit dem N. auriculo-temporalis. 24* 364 I. Popowsky Der darauf folgende mittlere Ast entspringt aus dem N. intermedius superior und steigt senkrecht zum M. aurieularis superior empor, in dem er unter dem Stamme des N. supramaxillaris verläuft. Die beiden vorderen Äste gehen aus dem N. supramaxillaris in einer gemeinsamen kurzen Wurzel hervor, welche sich alsbald in zwei Äste theilt, den hinteren und den vorderen. . Der hintere Ast, welcher durch eine Anastomose mit dem Stamme des N. supramaxillaris selbst in Verbindung steht, erhebt sich vertical zum M. aurieularis superior. In Folge dieser Anastomose entsteht zwischen ihm und dem N. supra- maxillaris eine dreieckige Schlinge. Außerdem bildet dieser Ast in seinem Verlauf noch eine kleine spindelförmige, in die Länge ge- zogene Schlinge, welche in Folge der Zerspaltung des Astes in zwei Faserbündel entsteht, die sich darauf wieder vereinigen. Der vordere Ast verläuft schräg nach oben und nach vorn, durchkreuzt unter rechtem Winkel die soeben erwähnte Anastomose von vorn und reicht bis zu dem M. frontalis, dem Oberlidtheil des M. orbieularis oculi und dem M. corrugator supereilii heran. Der Stamm des N. supramaxillaris selbst verläuft nach vorn unter den Mm. zygomaticus major und minor, versorgt sie an ihrer tiefen Seite mit Nerven und zerfällt, wie gewöhnlich, in zwei Äste, den oberen und den unteren. Der obere Ast begiebt sich zu den Mm. orbieularis oculi, levator communis und procerus nasi, und der untere zu dem M. nasalis. Dieser letztere Ast ist durch eine in einen Winkel gekrümmte Anastomose mit dem Stamme des N. supra- maxillaris selbst verbunden. Von dieser Anastomose verläuft ein feiner Faden (ax) nach hinten, welcher sich in die Parotissubstanz versenkt. In Folge dessen wird eine Nervenschlinge von rhomboidaler Form gebildet, welche unter den Mm. zygomaticus major und minor ge- legen ist. Von .dem unteren stumpfen Winkel dieser Schlinge ent- springt ein Ast (c), der zum M. caninus verläuft, und aus dem vor- deren spitzen Winkel der Schlinge geht ein Ast (a) hervor, welcher sich zum M. orbieularis oris begiebt. Der N. intermedius superior, von dessen Ursprung bereits die Rede war, verläuft gerade nach vorn unterhalb des. Ductus Ste- nonianus, entsendet unterwegs.Ästehen zum M. buccinator und endigt im oberen Lippentheil des M. orbicularis .oris. Der N. marginalis, welcher, wie schon erwähnt, aus dem vorderen spitzen Winkel der vorderen unteren Schlinge hervorgeht, zerfällt in zwei Aste, den unteren und den oberen. Der untere Ast theilt sich sogleich nach seinem Hervortreten in zwei, welche sich Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 365 unter dem Platysma und dem M. triangularis oris nach vorn zu den Muskeln der Unterlippe — Mm. quadratus. menti, levator menti und orbicularis oris begeben. Der obere Ast (N. intermedius inferior) verläuft zum Mundwinkel und entsendet Aste zu den Mm. buccinator, triangularis, risorius und orbicularis oris; der Ast, welcher fiir den Unterlippentheil des letzteren Muskels bestimmt ist, anastomosirt auf dem Kinn mit einem der Endästchen des N. marginalis. Der Stamm des N. intermedius inferior selbst anastomosirt außerdem mittels eines feinen Nervenfadens, welcher nach unten und nach vorn ver- . läuft, mit dem oberen Ast des N. marginalis. Aus dem Anfangstheil des N. marginalis entspringt ein eigen- artiger Nerv, welcher nach kurzem Verlauf (1 cm) nach vorn bei dem vorderen’ Rande des M. masseter in zwei Äste zerfällt, die nach — entgegengesetzten Seiten aus einander gehen; der obere Ast tritt bogen- förmig nach oben und hinten, um sich in den N. intermedius superior zu senken, und der untere Ast verläuft ähnlich.nach unten unter dem Stamm des N. intermedius inferior und verbindet sich mit dem oberen Ast des N. marginalis. Der N. subcutaneus colli superior entspringt aus dem unteren stumpfen Winkel der vorderen unteren Schlinge und zerfällt in einige Äste, welche zum Platysma verlaufen. Zu letzterem be- giebt sich noch ein Ast, der aus dem. Vereinigungspunkt zweier unteren Schlingen des Facialis hervorgeht. Die Anastomose mit dem N. subeutaneus colli. medius ist entwickelt. Der N. auricularis posterior entspringt aus dem Facialis in zwei Ästen: dem vorderen, schwachen und dem hinteren, starken. Der vordere Ast begiebt sich zum M. auricularis auriculae proprius und der hintere zu den Mm. auricularis posterior und oceipitalis. Rechte Seite (Fig. 16). Der Facialis- bildet kurz nach seinem Hervortreten aus dem Schädel eine Schlinge von spindelartiger Form, deren oberer Schenkel dünn und der untere dick ist. Da der obere Arm mit dem unteren mittels eines feinen, nach unten und vorn gerichteten Nervenfadens verbunden ist, bilden sich hier zwei Schlingen, eine hintere, große, von spindelartiger Form, und eine vordere, kleinere, von unregelmäßig dreieckiger Form. Durch die hintere Sehlinge geht der vordere Ast des N. auricularis magnus, welcher sich zur hinteren Oberfläche der Ohrmuschel begiebt, hindurch. Kurz vor diesen, Schlingen theilt sich der Facialisstamm in zwei Äste — den N. supramaxillaris und den N. inframaxillaris. In der letzteren Beziehung kommt hier wieder etwas Primitives zum Vorschein. 366 I. Popowsky Da aus dem N. inframaxillaris der N. intermedius inferior hervor- geht, welcher mit dem N. supramaxillaris mittels einer unter einem Winkel gebogenen Anastomose verbunden ist, so bildet sich hier eine zwischen dem N. supramaxillaris und dem N. inframaxillaris gelegene Nervenschlinge von fiinfeckiger Form. Der vordere Winkel dieser Schlinge dient als Ausgangspunkt des N. intermedius superior und eines feinen Anastomosenfadens, welcher sich zur Vereinigung mit dem N. auriculo-temporalis nach oben und nach hinten biegt. Da ferner zwischen dem N. intermedius superior und dem N. inter- medius inferior wiederum eine ebenfalls unter einem Winkel ge- bogene Anastomose sich findet, so bildet sich hier eine zweite Schlinge, gleichfalls fünfeckiger Form, welche vor der vorhergehenden Platz nimmt. Aus dem vorderen Winkel dieser Schlinge geht ein feiner Nervenfaden hervor, dessen Charakter und Endigung ich nicht bestimmen konnte. Drei Äste des N. temporalis entspringen aus dem N. supra- maxillaris. Der hintere Ast geht mit zwei Wurzeln hervor, in Folge dessen sich an dieser Stelle eine dreieckige Schlinge bildet; dieser Ast begiebt sich zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel. Der folgende, mittlere Ast steigt schräg zu den Mm. auricularis anterior und auricularis superior empor, welche sich mit einander in primi- tiver Vereinigung befinden. Der vordere Ast theilt sich nach einem Verlauf von 1 em in zwei Nerven, den hinteren und den vorderen. Der hintere Nerv begiebt sich schräg zum M. frontalis und zum Oberlidtheil des M. orbicularis oculi und der vordere zum lateralen Theil des M. orbieularis oeuli und zum Anfangstheil des M. zygo- maticus. Folglich stellt dieser letztere Nerv den N. zygomaticus dar, aber in primitiver Form. Der Stamm des N. supramaxillaris selbst verläuft zur Ober- kieferregion. Er entsendet nach hinten einen feinen Anastomosen- faden (am), der sich mit dem N. auriculo-temporalis verbindet. In der Nähe des äußeren Randes des M. zygomaticus major entsendet er ein Ästchen (c) zum M. caninus, verläuft selbst unter den Mm. zygo- maticus major und minor und zerfällt in einige (7—8) Nervenästchen, welche an verschiedenen Stellen mit einander Anastomosen bilden. In Folge dessen entsteht hier ein wahres Geflecht, an dessen Bildung auch die Äste des N. infraorbitalis Antheil nehmen. Aus diesem Geflecht entspringen zwei Nervenästchen, welche zu den Mm. zygo- , maticus major und minor emporsteigen. Das vordere Astchen ana- stomosirt mit einem Nerv, der ebenfalls aus dem genannten Geflecht Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 367 hervorgeht und für die Mm. orbieularis oculi, levator communis und procerus nasi bestimmt ist; außerdem gehen aus diesem Geflecht Ästehen zur Versorgung der Mm. levator proprius nasalis und orbi- cularis oris hervor. Der N. intermedius superior, von dessen Ursprung schon die Rede war, begiebt sich ebenfalls zur Oberkieferregion, entsendet Astchen zum M. buccinator und endigt im Oberlippentheil des M. orbi- cularis oris. Der N. inframaxillaris senkt sich nach seiner Trennung vom Facialisstamme Anfangs nach unten parallel dem Rande des Unterkieferastes, an dessen Winkel er sich in den N. subeutaneus colli superior und N. marginalis theilt. Der N. subeutaneus colli superior zerfällt in fünf Zweige, welche zum Platysma verlaufen. Der N. marginalis begiebt sich parallel dem Rande des Unterkiefers zu den Muskeln der Unterlippe und entsendet außerdem ein feines Ästehen zum Mundwinkel. Der N. intermedius inferior verläuft in gerader Richtung zum Mundwinkel und entsendet nach oben Astchen zum M. buceinator und nach unten zu den Mm. risorius und triangularis. Der N. auricularis posterior erscheint auch hier in zwei Nerven, von denen der vordere, schwache, welcher aus dem oberen Arm der ersten Schlinge des Facialis hervorgeht, sich zum M. auri- cularis auriculae proprius begiebt und der hintere, stärkere, aus dem Anfangstheil des Facialisstammes selbst entspringt und zu den Mm. auricularis posterior und oceipitalis verläuft. VII. Das Mädchen. Rechte Seite (Fig. 17). Aus dem N. supramaxillaris entspringen zwei Äste des N. temporalis, welche mit einander durch eine schräg verlaufende Anastomose verbunden sind. Der hintere Ast begiebt sich zum M. aurieularis superior und zu den kleinen Muskeln der Ohrmuschel, und der vordere zum M. frontalis, zu dem Oberlid- theil des M. orbieularis oculi und zum M. corrugator supercilii. Von der Innervation des M. auricularis anterior wird später die Rede sein. Aus dem N. supramaxillaris entspringt ferner der N. zygo- maticus mit einer hinteren starken, und einer vorderen feinen Wurzel, außerdem ist dieser Nerv mit dem Stamme des N. supra- maxillaris selbst mittels einer vertikal verlaufenden Anastomose ver- bunden. In Folge dessen bilden sich zwischen diesen beiden Nerven 368 I. Popowsky zwei Schlingen — eine hintere dreieckige und eine vordere vier- eckige. Der N. zygomatieus begiebt sich zum lateralen Augenwinkel — zu den Mm. orbieularis oculi und zygomaticus. Der N. supramaxillaris verläuft unter dem letzteren Muskel und theilt sich in einen oberen Ast für die Mm. orbicularis oculi, levator communis und procerus nasi, und einen unteren Ast für die Mm. caninus, levator proprius und nasalis. An der unteren Peripherie des N. supramaxillaris entspringt in der Parotissubstanz der N. intermedius superior, welcher mit dem Stamme des N. supramaxillaris mittels einiger Anastomosen ver- bunden ist, in Folge dessen sich zwischen ihnen fünf Nervenschlingen theils dreieckiger, theils viereckiger Form bilden. Der N. intermedius superior begiebt sich zur Oberlippenregion und durchkreuzt in seinem Verlauf unter spitzem Winkel den Ductus Stenonianus. Sein End- gebiet ist der M. orbieularis oris. Der N. intermedius superior ist außer der angegebenen Verbindung mit dem N. supramaxillaris noch mit dem N. intermedius inferior mittels dreier Anastomosen ver- bunden, aus denen feine Ästchen zum M. buceinator entspringen (B, 8, b). Der N. marginalis geht selbständig aus dem Stamme des Facialis hervor, aber er ist mit dem N. subeutaneus 6olli superior mittels einer horizontal verlaufenden Anastomose verbunden. Er ver- läuft über dem Rande des Unterkiefers zu den Muskeln der Unter- lippe, welche er mit seinen beiden Endästen erreicht. Aus dem N. marginalis nehmen zwei Nerven ihren Anfang, ein unterer und ein oberer. Der untere Nerv — das ist der typische N. intermedius inferior, dem wir schon oft begegnet sind. Er entspringt mit zwei Wurzeln und begiebt sich zum Mundwinkel, zur Ober- und Unter- lippe, wobei er durch seine Aste die Mm: orbicularis oris, triangularis und risorius Santorini versorgt. Was den oberen Nerv (pr) betrifft, so begegnen wir ihm zum ersten Mal!. Bald nach der Sonderung vom N. marginalis entsendet er nach hinten zum Facialisstamme ‚einen feinen Anastomosenfaden, in Folge dessen sich zwischen ihm, dem Facialisstamme und dem N. marginalis eine in der Parotis ge- legene Nervenschlinge von unregelmäßig viereckiger Form bildet, durch welche die A. und V. temporalis superficialis hindurchgehen. Dieser Nerv nähert sich in seinem ferneren Verlaufe dem unteren Rande des Ductus Stenonianus, begleitet ihn eine kurze Strecke weit 1 Wir wollen ihn wegen seiner tiefen Lage N. intermedius superior pro- fundus nennen. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 369 und begiebt sich unter dem N. intermedius superior zur Oberkiefer- region, wo er unter den Mm. caninus und levator proprius Platz greift; diese Muskeln wie auch der M. nasalis bilden das Endgebiet des Nerven. In der. Parotissubstanz gehen von ihm zwei Anastomosen- Nerven aus — ein oberer und ein unterer (az). Der obere verläuft ganz oberflächlich nach hinten und nach oben zur Ohrmuschel und durchkreuzt von vorn den Stamm des Facialis und den hinteren Ast des N. temporalis; er anastomosirt auf der hinteren Oberfläche der Ohrmuschel mit dem N. auricularis magnus. Der untere Nerv ver- läuft bogenförmig nach unten, nach hinten und nach innen und ana- stomosirt mit dem N. auriculo-temporalis. Kurz nach dem Hervor- treten dieses Nerven aus der Parotis entspringt aus ihm der mittlere Ast des N. temporalis (m), welcher vertikal und ganz oberflächlich zur Schläfenregion emporsteigt, wobei er den N. intermedius superior, den N. supramaxillaris und den vorderen Ast des N. temporalis durchkreuzt; er.erreicht den M. auricularis anterior, in welchem er sich ausschließlich verzweigt. Weiter nach vorn gehen von diesem Nerven zwei Äste zum M. buceinator aus (B, b). Der N. subeutaneus colli superior theilt sich selbständig vom Facialisstamme ab und zerfällt nach einem leicht bogenförmigen Verlaufe nach unten und nach vorn in vier Äste, von denen der zweite mit dem dritten mittels einer feinen Anastomose verbunden ist. Die beiden ersten Äste verlaufen, dichotomisch sich theilend, in gerader Richtung nach unten und nach vorn zum vorderen Theil des Platysma; der dritte Ast biegt. sich nach hinten und anastomo- sirt mit dem .N. subcutaneus colli medius; der vierte, hinterste Ast steigt bogenförmig am vorderen Rande des M. sterno-cleido-mastoi- deus empor und vereinigt sich mit einem Nerven, der kurz nach dem Hervortreten des Facialisstammes aus dem Schädel von diesem Stamme ausgeht. Aus dieser Anastomose entspringen zwei Ästchen nach hinten zum hinteren Bauche des M. biventer und ein Ästchen nach vorn und nach innen zum M. stylo-hyoideus. In Folge dieses eigenthümlichen Weges des hinteren Astes des N. subcutaneus colli superior bildet sich zwischen ihm und dem Facialisstamme eine große Nervenschlinge von ovaler Form. Der N. aurieularis posterior ist hier durch zwei Nerven dargestellt, den vorderen, der für den M. auricularis auriculae pro- prius und den hinteren, der für die Mm. occipitalis und auricularis posterior bestimmt ist. 370 I. Popowsky Die Anastomosen mit den Ästen des N. trigeminus sind überall gut ausgebildet. Linke Seite (Fig. 18). Auf dieser Seite besteht im Gebiete der Verzweigungen des N. marginalis, des N. subeutaneus colli superior und des N. auricularis posterior eine fast vollkommene Übereinstimmung mit denselben Nerven der rechten Seite. Eine Verschiedenheit findet hauptsächlich im Charakter der Nervenver- zweigungen im Gebiet des N. supramaxillaris statt. Aus dem N. supramaxillaris entspringen zwei Äste des N. tem- poralis; der hintere Ast ist für den M. auricularis anterior, den M. auricularis superior und für die kleinen Muskeln der Ohrmuschel bestimmt; der vordere Ast, welcher mit dem N. zygomatieus hervor- geht, ist für den M. frontalis, den Oberlidtheil des M. orbieularis oculi und für den M. corrugator supercilii bestimmt. Von letztem Ast verläuft ganz oberflächlich nach hinten zur Ohrmuschel ein Nervenfaden (az), welcher den hinteren Ast des N. temporalis von vorn durchkreuzt und auf der Ohrmuschel mit dem vorderen Ast des N. auricularis magnus anastomosirt. Es ist bemerkenswerth, dass dieser vordere Ast des N. auricularis magnus durch eine kleine Nervenschlinge von spindelförmiger Gestalt hindurchgeht, welche sich an dem Facialisstamme selbst befindet. Der N. zygomaticus, von dessen Ursprung schon die Rede war, ist durch eine vertikal verlaufende Anastomose mit dem Stamme des N. supramaxillaris verbunden, so dass sich zwischen ihnen eine dreieckige Nervenschlinge bildet. Der genannte Nerv ist fiir den lateralen Theil des M. orbicularis oculi und fir den M. zygomaticus bestimmt. Der Stamm des N. supramaxillaris verläuft unter dem letzteren Muskel und theilt sich in zwei Nerven, den oberen und den unteren; von dem oberen Nerv geht nach hinten und unten ein Anastomosen- faden aus, welcher sich in zwei Fäden theilt, die sich in den unteren Nerv begeben; in Folge dessen befinden sich zwischen diesen beiden Nerven zwei Schlingen. Der obere Nerv begiebt sich, wie gewöhn- lich, zum inneren Augenwinkel und entsendet Ästehen zu den Mm. zygomaticus minor, orbicularis oculi, levator communis und procerus nasi. Der untere Nerv verläuft unter dem M. levator proprius nach vorn und zerfällt über dem M. caninus in 6—7 Astchen, welche durch verschiedene Anastomosen unter einander ein wahres Geflecht bilden. Aus diesem Geflechte entspringen Astchen für die tiefe Muskulatur des Gesichts — Mm. orbicularis-caninus-nasalis. Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. 371 Aus dem N. supramaxillaris geht während seines Verlaufs durch die Parotis der N. intermedius superior hervor, welcher mit dem Supramaxillaris-Stamme durch drei Anastomosen verbunden ist, so dass zwischen diesen beiden Nerven drei Schlingen sich bilden: zwei hintere von dreieckiger und eine vordere von vierekiger Form. Aus dem vorderen Winkel der letzteren Schlinge nimmt ein Nerven- ast (av) seinen Anfang, der sich nach hinten und leicht nach oben begiebt, unter dem Stamme des N. supramaxillaris verläuft und sich mit dem N. auriculo-temporalis vereinigt, während aus dem unteren Winkel der genannten Schlinge ein langer feiner Ast (tr) hervor- geht, der zum Mundwinkel (zu den Mm. triangularis, risorius San- torini) verläuft und mit einem der Ästchen anastomosirt, in welche der N. intermedius inferior zerfällt. Der N. intermedius superior ist ferner mit dem N. supramaxillaris durch eine bogenartig nach vorn gekriimmte Anastomose verbunden; von dieser Anastomose gehen drei Astchen (2,6) zum M. buceinator hervor. Der N. intermedius superior zerfällt in der Nähe des Mundwinkels in drei Äste, die für die Mm. orbieularis oris und buceinator bestimmt sind. Aus dem dargestellten thatsächlichen Befunde des Facialis ist ersichtlich, dass fast jeder Neugeborene eine Besonderheit in der Anordnung der Facialisiiste vorstellt, bald in dieser, bald in jener Region, wobei in einer Region ein primitiver Zustand bestehen kann, in der anderen aber ein bedeutend differenzirter. Diese Besonder- heiten bilden die Basis, auf welcher man die Lehre von den Varia- tionen (den sog. Anomalien) der Facialisäste bei dem Erwachsenen gründen kann, worüber uns bisher fast nichts bekannt ist. Natür- lich müssen als Grund zur Erklärung der Genese der verschiedenen Variationen der Facialiszweige beim erwachsenen Menschen nicht nur die von mir aus dem Studium der Entwicklungsgeschichte des Facialis bei dem menschlichen Embryo und beim Neugeborenen er- haltenen Daten dienen, sondern auch diejenigen der vergleichenden Anatomie, zu welchen in erster Reihe die bekannten werthvollen Untersuchungen Ruge’s über die Halbaffen und Primaten gehören. Diese embryologischen und vergleichend-anatomischen Daten benutzend, hoffe ich in nächster Zeit Untersuchungen über die Varia- tionen des N. facialis beim erwachsenen Menschen vorzuführen, zu deren Studium ich bereits übergegangen bin. Ein sehr interessantes Factum ist schon jetzt arwuhantencntt 372 I. Popowsky Ich meine die verschiedene Anordnung der Facialisäste auf beiden Seiten des Gesichts bei einem und demselben Individuum. Der thatsächliche Zustand der Facialisäste beim Neugeborenen lässt ver- muthen, dass man auch beim Erwachsenen oft eine ungleiche An- ordnung dieser Nervenäste auf beiden Gesichtsseiten antreffen kann, von deren Thatsächlichkeit ich mich bereits überzeugen konnte. Dieses bietet ein hohes Interesse nicht nur in morphologischer, son- dern auch in physiologischer Beziehung dar. Ferner lässt sich auch jetzt schon vermuthen, dass die größte Anzahl Variationen im Gebiete jener Nerven anzutreffen sein wird, welche für diejenigen Muskeln bestimmt sind, die zuerst beim Menschen erscheinen. Dieses kann Erklärung finden in dem weniger stabilen Charakter dieser Nerven, als bedeutend jüngerer Bildungen in der phylogenetischen Geschichte des Thierreichs. Tomsk, den 1. Mai 1895. Litteraturverzeichnis, 1) BISCHOFF, Über die Großhirnwindungen des Menschen. München 1868. —— Über das Gehirn eines Gorilla. München 1877. 3) Broca, Etude sur le cerveau du Gorille. Revue d’Anthropologie. Paris 1878. ) —— Du siége de la faculté du langage articulé. Paris 1865. ) ) to = 5) —— De la difference fonctionelle des deux hémispheéres cérébraux. Paris 1887. 6) DucHENNE, Mécanisme de la physiognomie humaine ou analyse électro-phy- siologique de l’expression des passions. Paris 1876. 7) Ermer, Zoologische Untersuchungen. 1874. Archiv fiir mikr. Anatomie. Bd, XIV. 1877. 8) R. Fick, Vergleichend-anatomische Studien an einem erwachsenen Orang- Utan. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1895. 9) GEGENBAUR, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 4. Aufl. Leipzig 1890. ) 10) GRATIOLET, Les plis cérébraux de !’homme et des primates. Paris 1854. 11) —— Bulletins de la Soc. d Anthropologie. T. IV. 1869. 12) HENLE, Handbuch der Anatomie des Menschen. 1858. 13) V. Hensen, Zur Entwicklung des Nervensystems. VIRCHOW’s Archiv. Bd. XXX. 1864. 14) —— Über die Nerven im Schwanz der Froschlarven. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. IX. 15) O. und R. HerrwiıG, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 1878, Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. .373 16) W. Hıs, Die Neuroblasten und deren Entstehung im embryonalen Mark. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Leipzig 1889. 17) —— Histogenese und Zusammenhang der Nervenelemente. Archiv für Anatomie und Physiologie. Leipzig 1890. 18) —— Anatomie menschlicher Embryonen. 8°. Mit Atlas. Fol. Heft I, II, III. 1880—1885. 19) —— Acustico-facialisgebiet. Archiv für Anatomie und Physiologie. Ana- tomische Abtheilung. Suppl. 1889. 20) KLEINENBERG, Hydra. Leipzig 1872. 21) MACALISTER, Annals and Mag. of Nat. Hist. Vol. VII. 1871. 22) Owen, Proceedings of Zoolog..Soc. 1830. 23) Panscu, Die menschenähnlichen Affen des Hamburger Museums. Über die Furchen und Windungen am Gehirn eines Gorilla. Hamburg 1876. 24) I. Popowsky, Skizze der vergleichenden Anatomie der Gesichtsmuskulatur der Thiere und des Menschen. Kiew 1888. (Russisch.) 25) —— Untersuchung über die Gesichtsmuskulatur des Cercocebus ‘und das Verhalten des N. facialis zu. derselben. Kiew 1890. (Russisch.) 26) —— Les muscles de la face chez un negre Achanti. L’Anthropologie. Paris 1890. 27) Romanes, Phil. Trans. 1876—1877. 28) RUGE, Uber die Gesichtsmuskulatur der Halbaffen. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XI. 1885. 29) —— Untersuchungen über die Gesichtsmuskulatur der Primaten. Leipzig 1887. 30) —— Die vom Faeialis innervirten Muskeln des Halses, Nackens und des Schädels eines jungen Gorilla. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XII. 1887. 31) THANE, Nature. Vol. XV. London 1876. 32) TURNER, The convolutions of the human brain. Edinb. Medical Journal. Vol. XI. 1866. 33) WIEDERSHEIM, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 1886. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXII—XXIV. Fig. 1. Embryo von 2 Monaten. Dargestellt sind: der N. facialis und das Platysma. Fig. 2. Embryo von 3 Monaten. Anordnungsart der Zweige des N. facialis: N. auricularis posterior, N. subcutaneus colli superior, N. temporalis, N. supramaxillaris. Fig. 3. Embryo von 4 Monaten. Außer dem N. auricularis posterior und dem N. subeutaneus colli superior sind noch dargestellt: drei Äste des N. temporalis, zwei Äste des N. supramaxillaris, welche durch eine Ana- stomose mit einander verbunden sind, und der N. inframaxillaris. Fig. 4. Embryo von 4—5 Monaten. Außer den oben angeführten Asten des N. facialis ist noch der N. intermedius dargestellt. 374 I. Popowsky, Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5. 10. 11: 12. 13. 14. 15. 16. dee 18. Embryo von 5—6 Monaten. Außer den oben angegebenen Nerven sind unter 4, 5, 6 die zum M. buccinator leitenden Astchen, und unter c das zum M. caninus führende Ästchen dargestellt. Embryo von 6—7 Monaten. Es sind zwei Nervenschlingen dargestellt, eine zwischen dem N. supramaxillaris und dem N. temporalis, und die zweite zwischen dem N. supramaxillaris und. dem N. inframaxillaris befindliche. Embryo von 7—8 Monaten. Zwei Nervenschlingen, eine zwischen dem N. supramaxillaris und dem N. inframaxillaris, und die zweite zwischen dem N. supramaxillaris und dessen unterem Aste. Die Ästchen zum M. caninus sind mit c, ce bezeichnet. Embryo von 7—8 Monaten. Eine Nervenschlinge im Verlaufe des Supramaxillarisstammes, aus welcher die Äste des N. temporalis ihren Anfang nehmen. Eine Anastomose zwischen dem N. supramaxillaris und dem N. intermedius. Eine Anastomose zwischen dem N. subcu- taneus colli superior und dem N. subcutaneus colli medius. Mit den Buchstaben 8, b, b sind die Astchen zum M. buceinator, mit c ein Äst- chen zum M. caninus, und mit z ein Astchen zum M. zygomaticus be- zeichnet. Neugeborenes Mädchen. Außer dem N. intermedius superior ist noch der N. intermedius inferior dargestellt. Mit dem Buchstaben e ist ein Ästchen zum M. caninus, und mit z, z sind Ästchen zum M. zygoma- ticus bezeichnet. Neugeborener Knabe. Zwei Nervenschlingen zwischen dem N. supra- maxillaris und dem N. inframaxillaris und eine Nervenschlinge zwi- schen dem N. supramaxillaris und dem N. temporalis. Neugeborener Knabe. An eine Anastomose zum N. auriculo-tempo- ralis; b, 5,5, 2,5 Astchen zum M. buceinator; ce ein Ästehen zum M. caninus; s ein Astchen zum M. corrugator supercilii; p eine Anasto- mose zwischen dem vorderen und dem hinteren Ast des N. auricularis posterior. Neugeborenes Mädchen. 43, b, b Astchen zum M. buceinator; e,c zum M. caninus; n ein Astchen zum M. nasalis; 2, 2 Astchen zum M. zygo- maticus. Neugeborenes Mädchen. Neugeborenes Mädchen. Zygom. N. zygomaticus; Pp Astchen zum Nackentheil des Platysma; r ein Ästchen zum M. risorius Santorini; Tr ein Ast zum M. triangularis. Neugeborener Knabe. Linke Seite. An eine Anastomose; ¢ ein Äst- chen zum M. caninus; o ein Ast zum M. orbicularis oris. Rechte Seite desselben neugeborenen Knaben. An eine Anastomose zum N. auriculo-temporalis; ce ein Astchen zum M. caninus. Neugeborenes Mädchen. Rechte Seite. 5, 5, 6, 6 Astchen zum M. buceinator; an, an Anastomosen, welche vom N. intermedius superior profundus ausgehen; pr der N. intermedius superior profundus; zygom. N. zygomaticus. Die linke Seite desselben neugeborenen Mädchens. An, an Anasto- mosen. 5,2,b Ästchen zum M. bueeinator; ¢ ein Ast zum M. trian- gularis. - i 4 I Morpholog.Jahrb.Bd.XXlll. Taf XXIL. Factalis Platysma Aurieularis post.------- N Facialis ---.. +. JInframamı ---------- ~~ Fig. 2. De un \ Subeut.colli sup.-- Aurienlarıs post > ’ u aS Facialis------------ | 4 \ / / | / | S i sup.-- Fig. 5. ubent.colli sup ve Temp. ae ely Auricwlarts post ) = ~~ Factalis i 5 = = Snbent:colli / Ss re Aurdı s |. Subcut urteularıs post. = J Ba a Factatis. ------- at Jnframax -- ---------------> Subent. collt sup. Aurtcularts post.----..-- Factalls. ~~ Unframax:.----.---2--------) Auricularis past. + Subont. colli, sup. Facia een ies Auricnlaris post JInfrumar.-- ~~~ Subent colt nu. senses Facialis Subcut.colli med. -— - Subent coll sup. Verlag vWilh Engelmann m Lew2iy hth Anat rEAFanke Leipzig Morpholog.Jahrb. Bd.XXIll. : { : Taf. XXIII. Fig. tap Aurteularis --> Pee Post. er Anrienlaris past. Snpramas. ~~ ~~~ „Iurieularts post. Se = Facialis. ------ ; Factalıs, = | Fuctalts. % Jnfiumax. --------- JF ‚Jnframax. -----!=-----=<--\ Jufimmax. a Subeut.collt sup=-------- Subeut.colli. sup --- ei. Subcut colt sup. . Maryinalis. --------- . Anvientaris post _ Aurtentarts post. - ua "Factalıs = Faetalts *Factatts kee = Inframaz.. Jnframaz, ~ Jntermedius taf -- -Subcut. colli sup. Subent colli sup. Maryinalis. Lith Anst EA Funke Leipzig : ; ‘ ; i — Da 4 a4 N ; SER ER ‚ Morpholog. Jahrb. Bd. XXIII. Fig.15. - durienlarts post. Aurieularis post. --- == - Facialis 2 Supramas, ===----==---==9 Factalts- ~~~ ~- Subent. colli sup Untermedins sup. ~~~ Snbeut collt snp lurieularts post / ZZ = J ow : \ 3 a N ( lurteularts post .-- ==... N CH: > Facialis, Fachills.-----+--------N = Juframus - - == == Hrn nennen N Subeut. coll Sup... nn Verlagy Wilh. Engelmann in Lespzig Tath AnstzBAFanke.Laprig I as eS Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. Von Dr. H. K. Corning in Basel. Mit Tafel XXV. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über frühe Entwicklungs- vorgänge bei Reptilien habe ich auch die Entstehung der Allantois verfolgt und einige Thatsachen gefunden, die vielleicht geeignet sind, ein neues Licht auf die Stellung dieses Organs zu werfen. Es handelt sich, kurz gesagt, um eine frühzeitig auftretende und lange bestehende Verbindung zwischen der Allantoishöhle und dem Cölom, eine Verbindung, die sehr bald nach dem Beginn der Höhlenbildung in der ursprünglich soliden Allantoisanlage auftritt, bevor der Durch- bruch der Allantoishéhle gegen den Hinterdarm hin stattfindet. Später, z. B. noch bei einem Embryo von Lacerta viridis mit 16 Ur- wirbeln und bereits bläschenförmiger Allantois ist eine direkte Ver- bindung des Hinterdarmes mit der Allantoishöhle und der letzteren mit dem Cölom vorhanden. Ich habe diese Verhältnisse bei Flächen- präparaten, Quer- und Sagittalschnittserien von Lacerta viridis, agilis und muralis, sowie von Tropidonotus natrix und Anguis fragilis verfolgt. Uber die Anlage der Allantois bei Reptilien liegen Angaben von STRAHL! und von C. K. HoFFMANN? vor. STRAHL hat zuerst darauf 1 STRAHL, Uber die Entwicklung des Canalis myelo-enterieus und der Allantois der Eidechse. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1881. — Über Canalis neurentericus und Allantois bei Lacerta viridis. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1883. 2 C. K. Horrmann, Weitere Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. Morph. Jahrbuch. Bd. XI. 1886. 376 H. K. Corning aufmerksam gemacht, dass die Allantois als solide Anlage hinter dem Canalis neurentericus entsteht und dass in dieser soliden Anlage ein Lumen auftritt, welches sich erst sekundär mit dem Hinterdarm verbindet. STRAHL sagt (Arch. f. Anat. u. Phys. 1881. pag. 150): »Es tritt am hinteren Ende des Primitivstreifens ein Anfang (der Allantois) auf, der schon mit bloßem Auge zu sehen ist. Er besteht aus einer völlig soliden Zellmasse, von dem Aussehen des Primitivstreifens. An der Stelle, wo er in seiner ganzen Breite mit dem Primitivstreifen zusammenhängt, geht nach oben die hintere Amnionfalte, nach unten Darmfaserplatte und Entoderm ab.« Die Vorgänge sollen ähnlich sein, wie beim Meerschweinchen. »Bei beiden wächst zwischen Haut- faserplatte und Darmfaserplatte ein solider Zapfen in die Pleura- peritonealhöhle..... In einem ganz direkt auf dieses Entwicklungs- stadium folgenden bildet sich inmitten des bis dahin nur von einer stellenweise abgegrenzten Lage von Zellen umsäumten Allantoiswulstes ein kleiner unregelmäßig gestalteter Hohlraum. Er ist im Anfang nöch von den verschiedensten Balken von Zellen durchzogen und nur in einem Theile seiner Wand lassen sich zwei Zellenlagen unter- scheiden. ... Der Allantoishöhle kommt von vorn eine Art von Gang entgegen, der in seiner oberen Wand von dem Endwulst, in seiner unteren von Darmfaserblatt und Entoderm gebildet wird; es ist die Anlage des Allantoisganges..... Als nächste Fortsetzung in der Entwicklung ist das Auftreten einer Kommunikation zwischen der bis dahin isolirten Allantoishöhle und dem Enddarm zu verzeichnen.« STRAHL hebt dann noch den Unterschied hervor, der zwischen der Allantoisentwicklung bei Reptilien einerseits und bei Vögeln und Säugethieren andererseits durch das Auftreten einer Anfangs soliden Anlage, die erst sich später aushöhlt, gegeben ist. STRAHL wendet sich in seiner zweiten Abhandlung aus dem Jahre 1883 gegen die Kuprrer’sche Annahme, dass die Allantois aus einer Ausbuchtung der hinteren Wand des Urdarmes schon in einem sehr frühen Stadium . entstehen soll. | C. K. Horrmann tritt, wie ich gleich isin SE will, mit Unrecht gegen die Angaben von STRAHL auf, indem er für Tropidonotus natrix behauptet, dass die Allantois nichts Anderes sei »als der hinterste Abschnitt des Schwanzdarmes, welcher sich bei der Abschnürung des hinteren Endes des Embryo bildet. Sie entsteht in einem Entwick- lungsstadium, in welchem alle Zellen des postembryonalen Theils noch durchaus indifferent sind, und indem sich die Wände der Allantois fast unmittelbar an einander legen, scheint die Höhle zu Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 377 fehlen, obgleich sie schon vorhanden ist. Bei der weiteren Ent- wieklung wird der postembryonale Theil höher, aber schmäler, und sobald die Abschnürung der Gegend des Blastoporus sich nähert, nehmen die Zellen des Hypoblast, für so weit sie die Schwanzdarm- höhle begrenzen, eine cylinderformige Gestalt an. Gleichzeitig be- ginnt die Anlage der Allantois sich zu einer großen Blase zu ent- falten, und da diese Entfaltung sich auch nach vorn hin fortsetzt, tritt die Allantois mit dem Schwanzdarm in »freie Kommunikation«, obgleich beide nur scheinbar und nicht in Wirklichkeit von einander getrennt waren.... Die Allantois bildet sich gleichzeitig mit der Abfaltung des postembryonalen Theils, also unter direkter Betheili- gung des Hypoblast und des Mesoblast, und in dieser Beziehung . verhalten sich die Schlangen und die Saurier vollkommen ähnlich und stimmen durchaus mit den Vögeln überein, wie ich dies schon früher näher zu begründen versucht habe«. Ich habe die Ansichten von STRAHL und von C. K. HOFFMANN in extenso eitirt, weil es die einzigen Angaben sind, die bisher über die erste Anlage der Allantois erschienen sind. Was meine eigenen Untersuchungen angeht, so beginne ich mit einem Stadium, welches weit früher ist als das früheste Stadium, in welchem man die erste Entstehung des Allantoishöckers zu verlegen hat; dem Stadium der Gastrulation. Die Gastrulation bei Reptilien hat in neuerer Zeit durch WENCKEBACH! (Lacerta muralis) und durch WiLL? (Gecko und Schild- kröte) eine eingehende Darstellung erfahren. Ursprünglich war es meine Absicht, die an die Gastrulation sich anschließenden Stadien von Lacerta, sowie von Tropidonotus natrix und so weit mein Ma- terial reichte, auch von Anguis fragilis umfassend, durchzuarbeiten, speciell von dem Gesichtspunkte der Chorda- und Mesodermbildung aus. Durch die so eben eitirten Abhandlungen von WILL und von WENCKEBACH ist dies wohl überflüssig geworden, und ich beschränke mich hier auf einige Einzelheiten, die mit der Entstehung der Allantois in Verbindung zu bringen sind. Fig. 1 stellt einen Sagittalschnitt durch eine Keimscheibe von Tropidonotus natrix dar. Die Reptilienkeimscheibe ist in der Regel 1 WENCKEBACH, Der Gastrulationsprocess bei Lacerta agilis. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. ® WILL, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Reptilien. I. Die Anlage der Keimblätter beim Gecko (Platydactylus facetanus Schreib.). Zoologische Jahrbücher. Bd. VI. Morpholog. Jahrbuch. 23. 25 378 H. K. Corning in ähnlicher Weise zum Dotter orientirt, wie die Vogelkeimscheibe; ihre Längsachse entspricht der Querachse des ovalen Kies. Diese Thatsache ist für das Hühnchen von DuvAarL in einer schönen Ab- handlung aus dem Jahre ‚1884 nachgewiesen! und auch von WILL für Gecko bestätigt worden. Letzterer bildet ein der Fig. 1 ähnliches Stadium von Gecko ab?. Meine Figur zeigt zunächst das noch nicht an allen Stellen einschichtige Ektoderm (e), sowie eine Anzahl ver- schieden großer, stark dotterhaltiger Zellen (sec. ent), die zwischen Ektoderm und Dotter in mehr oder weniger dichter Lagerung an- geordnet sind. Diese Zellen werden von Wii als sekundäres Ento- derm bezeichnet, im Gegensatze zum primären Entoderm, welches durch Einstülpung vom Urmund aus entsteht. Ich schließe mich dieser Bezeichnungsweise an. An einer Stelle (pr), die dem hinteren Ende der Keimscheibe entspricht, findet sich eine stärkere Anhäufung derartiger dotterhaltiger Zellen, welche nach oben hin ohne ‘scharfe Grenze in die Zellen des Ektoderms übergehen. Ich vermag zwar nicht an meinen Präparaten ein Verhalten dieser Zellmasse gegen das Ektoderm zu erkennen, wie es WıLL in seiner Fig. 35 abbildet, wo die großen dotterhaltigen Zellen des sekundären Entoderms bis an die Oberfläche dringen, indem die platten Zellen des Ekto- derms gegen diese Stelle hin eine scharfe Grenze zeigen. Das sekundäre Entoderm, welches hier bis auf die Oberfläche reicht, wird von WILL als Primitivplatte bezeichnet; in ihrem Bereiche verschmelzen sekundäres Entoderm und Ektoderm, oder mit WILL zu sprechen, das Ektoderm differenzirt sich nicht im Bereiche der Primitivplatte. Es ist dies eine Stelle, welche wir für die Entwicklung der Allantois ‚von vorn herein im Auge zu behalten haben. Auf Fig. 2 (Lacerta viridis) haben wir den ersten Anfang der Gastrulation. Im vorderen Bereiche der Keimscheibe ist das Ekto-. derm derart, wie man es während der ersten Entwicklung der Me- dullarplatte auf Sagittalschnitten anzutreffen pflegt. Links von der mit g bezeichneten Grube sind die Ektodermzellen niedrig, ja sie besitzen den Charakter von Plattenepithelien. Unter diesen platten- férmigen Epithelzellen liegen dotterreiche Zellen, dichtgedrangt, be- sonders an der Stelle, wo die Gastrulaeinstülpung (g) beginnt. Vor dieser Stelle ist der Charakter der unter dem Ektoderm liegenden Zellen ein anderer; ‘sie sind zwar eben so dotterreich wie die Zellen ı M. Duvar, De la formation du blastoderme dans l’oeuf d’oiseau. Annales des Sciences nat. T. XVIII. 1884. 2 Loe. cit. Fig. 35: Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 379 hinter der Einsenkung (g), doch sind sie mehr langgestreckt und machen den Eindruck, als ob sie von der Verdickung, die unmittelbar unter der beginnenden Einsenkung (g) liegt | pr.pl = Primitivplatte), nach vorn hin auswachsen würden. Es ist dies der Vorgang, den WiLL auf seiner Fig. 45 darstellt, wo allerdings das Ektoderm hinter der Primitivplatte einen scharfen Abschluss erreicht und ein Theil der Primitivplatte, etwa zwischen g und * meiner Fig. 2, nicht vom Ektoderm bedeckt wird. Es ist mir nicht gelungen, auf meinen Präparaten eine derartige Grenze zu sehen, womit ich nicht gesagt haben will, dass sie bei Gecko nicht vorhanden sei. Aus den Unter- ‘suchungen von WiLL geht hervor, dass die Geckonen und die Schild- kröten in Bezug auf die Gastrulation, sowie auf die Chorda- und Mesodermbildung sehr ursprüngliche Verhältnisse aufweisen. Immerhin will ich an die Schwierigkeit erinnern, welche für die Erkennung einer scharfen Grenze eines einschichtigen Plattenepithels auch bei vorzüglich konservirtem Material besteht. Die Zellenlage, welche sich hinter der Einsenkung (g) unter dem Ektoderm hinzieht, gehört - zum Theil der Primitivplatte an, zum Theil ist sie wohl von den Zellen der Primitivplatte nach hinten gewuchert. Fig. 3 stellt einen Längsschnitt durch ein typisches Gastrula- stadium von Lacerta viridis vor dem Durchbruch des Urdarmes dar. Zunächst interessirt uns das Verhalten der Primitivplatte. Sie ist hier stark in die Länge gezogen, die Zellen liegen meist mehr so dieht zusammen, wie im vorhergehenden Stadium. Unter der Primi- tivplatte, sowie unter der ganzen übrigen Keimscheibe mit Ausnahme einer Stelle*, an welcher der bei Reptilien regelmäßig vorkommende Durchbruch der Gastralhöhle gegen den Dotter hin erfolgen wird, liegen einzeln oder zu Zellklumpen angeordnet die Zellen des sekun- dären Entoderms. Das sekundäre Entoderm, von Kuprrer als Para- derm bezeichnet, ordnet sich erst spät zu einem einschichtigen Blatte, wobei die eigenthümlichen Zellstränge (eri.str) in den Dotter hinein- wachsen, die KuUpPFFER! zuerst bei Coluber Aesculapii auffand und die ich? später für Tropidonotus natrix beschrieb und hypothetisch zur Blutbildung in Beziehung brachte. Ich benutze diese Gelegen- heit um zu erklären, dass ich jetzt, nach Untersuchung einer größeren 1 KUPFFER, Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbel- thiere und die Bedeutung des Primitivstreifs. Archiv für Anatomie und Phy- siologie. Anatom. Abtheilung. 1882. 2 Corninc, Zur Frage der Blutbildung aus dem Entoderm. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXVI. 25* 380 H. K. Corning Anzahl von Schlangenkeimscheiben, die Herkunft des Blutes aus derartigen Zellsträngen entschieden in Abrede stellen muss. Das Ektoderm ist vor dem Urmunde als Medullarplatte differenzirt; seine Kerne stehen mit ihren Längsachsen senkrecht auf die äußere Ober- fläche. Der Urdarm ist als eine nach vorn hin enger werdende Spalte entwickelt. Die untere Wand des Urdarmes wird von Zellen gebildet, die von der Primitivplatte (pr.p/) ausgehen und den Cha- rakter der Zellen der Primitivplatte wahren; sie zeichnen sich den Zellen des sekundären Entoderms gegenüber durch ihre geringere Größe und durch ihre langgestreckte Form aus. Die dorsale Wand des Urdarmes geht nach vorn hin in eine Zellenmasse über (z), in deren Bildung wohl auch einzelne Zellen des sekundären Entoderms aufgehen, wenigstens lässt sich_keine Grenze zwischen dieser von der dorsalen Wand und dem vorderen Ende des Urdarmes ausgehenden Zellmasse und den großen, dotterhaltigen, lose zusammenliegenden Zellen des sekundären, Entoderms ziehen. Die letzte Figur, welche einen Sagittalschnitt durch ein eigent- liches Gastrulastadium darstellt, ist Fig. 4 (Lacerta muralis). Sie unterscheidet sich von Fig. 3 dadurch, dass der Urdarm ventralwärts durchgebrochen ist, nnd zwar geschieht dies, wie WıLL auch für Gecko angiebt, nicht etwa am vorderen Ende, sondern annähernd in der Mitte des auf der Höhe der Entwicklung stehenden Urdarmes. Ein kleiner Theil der unteren Wandung ist in unserer Figur noch dargestellt (g,). Das Ektoderm verhält sich vor dem Urmund ähnlich wie auf Fig. 3, oder auf der folgenden Fig. 5, wo die Medullar- platte nach vorn hin scharf abgegrenzt ist. Die dorsale Wand des Urdarmes (w.d) ist mächtiger als das darüber liegende Ektoderm, die Zellkerne sind nicht regelmäßig angeordnet, die Zellmasse wird nach vorn hin allmählich schmächtiger und hört in einiger Entfernung vom Urmunde ganz auf (z). Das sekundäre Entoderm hat sich zu einem bald ein-, bald mehrschichtigen Blatte differenzirt, seine Zellen sind noch stark dotterhaltig, aber kleiner als im Stadium der Fig. 3. Ganz anders als bei Fig. 3 verhält sich die Primitivplatte (pr.pi). Sie ist ventralwärts von dem sekundären Entoderm überzogen, welches hier aus platten Zellen besteht. Die Zellen der Primitiv- platte sind dicht zusammengedrängt, besonders in ihrem vor- deren Theil, wo sie die hintere und untere Wand des Urdarmes bildet. Hinten erhebt sich ein Höcker, in einiger Entfernung von der vorderen Urmundlippe gelegen und mit dieser eine Einsenkung begrenzend, an deren vorderem Ende der Urmund (g) den Eingang Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 381 in den Urdarm bildet. Der hinterste Theil dieser Einsenkung, un- mittelbar nach vorn von dem Hocker (A) zeigt eine Anordnung der Zellkerne, aus der man schließen kann, dass hier die Zellen des Ektoderms oder der Primitivplatte Cylinderform angenommen hätten. Etwas Ähnliches hat schon Kuprrer gesehen ' und als erste Anlage der Allantois gedeutet; ich kann seiner Deutung nicht zustimmen, um so weniger, als auf späteren Stadien, wo hinter dem Canalis neurentericus ganz unzweifelhaft die Allantoisanlage vorhanden ist, von einer derartigen Einstülpung nichts zu sehen ist. Übrigens ist letztere durchaus keine konstante Erscheinung und tritt nur vorüber- gehend auf, da man sie durchaus nicht auf allen Präparaten dieses _ Stadiums antrifft. Von der Primitivplatte aus nach hinten finden sich einzelne spindelförmige Zellen, welche die erste Anlage des peristomalen nach hinten auswachsenden Mesoderms bilden (per. mes). Sie treten wohl schon früher auf, sogar im Stadium der Fig. 2 scheinen derartige Zellen von der Primitivplatte aus nach hinten zu wuchern. Das letzte Bild, welches hierher gehört, ist Fig. 5, ebenfalls von Lacerta muralis, ein Stadium, in welchem sich die Medullar- platte nach vorn hin ganz scharf abgegrenzt hat, indem sich auch der vorderste Theil der Medullarplatte zur Hirnplatte (R.pZ) differen- zirt hat. Das Flächenbild des Embryo wird durch die Fig. 6 wieder- gegeben. Auf Fig. 6 haben wir am hinteren Ende des Embryo die Primitivplatte (pr.p/), vor der Primitivplatte den hell erscheinenden Urmund (g) (das Präparat ist nach Färbung mit Alaunkochenille bei durchfallendem Lichte gezeichnet). Vor dem Urmund sieht man die Chordaanlage durchschimmern (ch), das Mesoderm hat sich bereits stark entwickelt und zwar das peristomale Mesoderm (RABL) vom Urmund aus nach hinten, das perigastrale Mesoderm von dem Ur- darm aus nach beiden Seiten und nach vorn hin, so dass nur noch vor dem Embryo die sogenannte »mesodermfreie Stelle« noch den unmittelbaren Kontakt des Ektoderms und des sekundären Entoderms anzeigt. Auf der Fig. 5 sehen wir, dass der Canalis neurentericus viel steiler verläuft als der Urdarm bei Fig. 3. Die Chorda (ch) hat sich schon in bedeutender Ausdehnung entwickelt, nach vorn bis zu einem Punkte, welcher unter der Hirnplatte 1 KUPFFER, Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbel- thiere und die Bedeutung des Primitivstreifs. Archiv für Anatomie und Phy- siologie. Anatom. Abtheilung. 1882. » 382 H. K. Corning gelegen ist. Nach hinten vom Urmunde haben wir, die Zellenmasse ‚ ; der Primitivplatte, die nach hinten hin zum peristomalen. Mesoderm (per.mes) auszuwachsen anfängt. Das Cölom ist in diesem. Stadium: noch nicht aufgetreten. Unter der Primitivplatte liegt das einschichtige platte Epithel des sekundären Entoderms. In Bezug auf den steileren Verlauf des Canalis neurentericus möchte ich bemerken, ‚dass Wit! diesen Vorgang durch die Annahme erklärt, dass die Primitivplatte, ‘ welche er für homolog dem Dotterpfropf der Amphibien ansieht, sich _ im Laufe der Entwicklung zurückzieht. Bei Amphibien zieht sich r bekanntlich der Dotterpfropf auf einem gewissen Entwicklungsstadium aus dem immer enger sich schließenden Blastoporus zurück, respek- tive wird aus demselben zurückgedrängt und kommt dan ins Innere der Gastralhöhle zu liegen. In wie fern die Verhältnisse bei Amphibien und Reptilien zu vergleichen seien, möchte ich vor der Hand nicht entscheiden. Fassen wir noch kurz den Vorgang der Gastrulation zusammen,” so haben wir Folgendes zu beachten: In einem sehr frühen Ent- wicklungsstadium findet sich am. hinteren Ende der Keimscheibe eine Verdiekung, die Primitivplatte, eine Stelle, an welcher die _ Zellen des sekundären Entoderms (WILL) mit dem Ektoderm ver- schmelzen, ja möglicherweise direkt an die Oberfläche treten, in- ~ dem das Ektoderm im Umfang der Primitivplatte überhaupt fehlt (WitL). Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird eine Einsenkung auf Fig. 2, die sich als eine auf die vordere Partie der Primitiv- platte beschränkte Delle darstellt. Von dieser Einsenkung geht nach vorn hin eine Zellenwucherung (auf Fig. 2 und 3 (z) zu sehen), der Kopffortsatz (Witt). Das Ektoderm vor der Einsenkung diffe- renzirt sich zur Medullarplatte, hinter der Einsenkung ist das Ekto- derm niedrig. Das sekundäre Entoderm zieht in der ganzen Aus- dehnung der Keimscheibe hin in Form von mächtigen, dotterreichen Zellen, die eng mit den Zellen der Primitivplatte zusammenhängen. Es folgt nun die Ausbildung des Urdarmes, die Primitivplatte bildet den Boden derselben. Später, Fig, 4, bricht der Urdarm ventralwärts durch, seine vordere Strecke verliert die untere ventrale Wandung und lässt aus ihrer dorsalen Wand die Chorda hervorgehen, die hintere Strecke, von dem Urmund (g) an bis zur Durchbruchsstelle (g,), "bildet den als neurentericus. IN | Die wichtigste Stelle für die Bildung der Allantois ist die Primitiv- I WILL, lec. cit. Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 383 platte. Sie giebt, in der Form, wie sie in Fig. 5 vorliegt, den Boden ab fiir die Bildung erstens des peristomalen nach hinten und nach der Seite hin auswachsenden Mesoderms, in welchem bei Embryonen von :3—4 Urwirbeln (Lacerta muralis) deutliche Cölomspalten auf- zutreten anfangen; zweitens der Allantoisanlage, die als solider Knopf in das Célom hineinwuchert und zwar gerade nach hinten, in der Fortsetzung der Liingsachse des Embryo; drittens der Schwanz- knospe. Es wird für das Verständnis am ersprieBlichsten sein, wenn ich jetzt die Schilderung eines Längsschnittes anschließe, an welchem man die Bildung der Allantois, des Schwanzhöckers und des Cöloms erkennt, ohne jedoch den Zusammenhang mit der Schilderung der Fig. 5 zu verlieren. Die Fig. 7 stellt einen Sagittalschnitt durch einen Em- bryo von Lacerta muralis dar, Fig. 8 die Flächenansicht des hinteren Körperendes eines auf gleicher Entwicklungsstufe stehenden Embryos. An dem Sagittalschnitt sehen wir zunächst Folgendes: Nach rechts hin den Urmund (g) und den hintersten Theil der Medullar- rinne (m), die hier noch nicht geschlossen ist. In Bezug auf die Entwicklung der hintersten Enden der Medullarwülste bei Rep- tilien möchte ich hier eine Bemerkung einschalten, die ich wegen der Abgrenzung meines Themas nicht näher begründen oder mit Abbildungen erläutern kann.. Es geht der Abschluss des Medullar- rohres: nach hinten hin in ganz ähnlicher Weise vor sich, wie. er von Rk. von ERLANGER! und Anderen für Amphibien geschildert wird. Die Medullarwülste umgreifen nach hinten hin den Urmund und schließen sich dorsalwärts von demselben; es bildet. dann der hintere Theil des Urdarmes, oder der Canalis neurenterieus die Ver- bindung. zwischen Medullarrohr und Darm. Man kann sehr gut auf Querschnitten durch die Gegend hinter dem Urdarm den Anschluss der hinteren Enden der Medullarwülste erkennen und sieht, dass in einem gewissen Stadium zwischen den Medullarwülsten eine Zell- masse von der Primitivplatte aufsteigt, die vollkommen das Aussehen eines »Pfropfes« besitzt, wie sie auch WiLL mit dem Dotterpfropf der Amphibien vergleicht. Derartige Bilder giebt Wim. mehrere. Die Zellmasse nun, welche hinter dem Urmund gelegen ist (Fig. 7), erhebt sich zu einem Hicker (Sch.kn), Schwanzknospe oder Schwanzhöcker, auf welche sich die Medullarwülste hinter dem Ur- 1 v. ERLANGER, Über den Blastoporus der anuren Amphibien, sein Schick- sal und seine Beziehungen zum bleibenden After. Zool. Jahrb. Bd. IV. 2 WILL, loc. cit. 384 H. K. Coming munde zusammenschließen. Nach hinten hin grenzt der Schwanz- höcker an eine Einsenkung, a, welche das hintere Ende der Primi- tivplatte bezeichnet. Diese Einsenkung bezeichnet die Stelle, an welcher der Durchbruch des Afters stattfinden wird, würde also nach den neueren Forschungen dem hinteren Ende des linearen Blasto- porus der Amphibien entsprechen. Hinter dieser Einsenkung erhebt sich schon die hintere Amnionfalte (amr). Das Cölom hat sich hinter der Primitivplatte als eine mächtige Höhle gebildet, in welche der nunmehr deutlich sichtbare Allantoishöcker vorgewachsen ist. Der Allantoishöcker neigt sich mit seiner Spitze etwas ventralwärts und zeigt ein doppeltes Lumen, dessen Wand von hohen cylindrischen Zellen gebildet wird. Das größere dieser beiden Lumina steht in offener Verbindung mit der Cölomhöhle an einer Stelle, die annähernd der Spitze des Allantoishöckers entspricht. Diese Kommunikation ist bloß einfach vorhanden, an späteren Stadien werden wir sehen, dass noch eine zweite, ja eine dritte Verbindung der Allantoishöhle mit dem Cölom vorkommen kann, und zwar nach dem Durchbruch der Allantoishöhle in den Hinterdarm. Dem Sagittalschnitt der Fig. 7 entspricht das Flächenbild Fig. 8. Die Bezeichnung ist die nämliche, = ist die Stelle des Durchbruchs der Allantoishöhle in die Cölomhöhle, a/ der Allantoishöcker, in welchem mehrere kleine Lumina zu bemerken sind. Bei a eine hellere Stelle, entsprechend der Einsenkung a auf Fig. 7; vor dieser helleren Stelle die Schwanzknospe Sch.kn. Das Flächenpräparat ist außerordentlich günstig, es ist das einzige, auf welchem ich die Kommunikation zwischen Allantoishöhle und Cölom bei einem in toto in Kanadabalsam eingebetteten Embryo habe sehen können. Uber- haupt muss man die Embryonen zur Anfertigung von Sagittalschnitt- serien sehr sorgfältig aussuchen, indem schon in diesem Stadium (7—8 Urwirbel) eine Drehung des Embryo um seine Längsachse stattgefunden hat. Das Auftreten des Lumens in der Allantoisanlage ist außer- ordentlich inkonstant. Bald ist in verhältnismäßig früher Zeit ein großes, einheitliches Lumen vorhanden, bald sind, wie bei dem Embryo der Fig. 7 und der Fig. 8, mehrere Lumina zu erkennen. Zur Erläuterung der früheren Stadien der Allantoisentwicklung gebe ich noch die Figg. 9 und 10. Bei ersterem geht der Allantois- höcker als solide Anlage direkt nach hinten, ein Lumen ist noch nicht zu sehen. Die Schwanzknospe ist schon deutlich entwickelt. Der Embryo besitzt sechs Urwirbel. Beim Embryo der Fig. 10 sind Über die erste Aulage der Allantois bei Reptilien. 385 zehn Urwirbel entwickelt, die Allantoishöhle ist halbmondförmig, deut- lich abgegrenzt, eine Kommunikation derselben mit dem Cölom ist nicht sichtbar. In diesem Stadium ist die Entwicklung des Allan- toishöckers etwa so weit fortgeschritten, wie beim Embryo der Fig. 8. Ich habe die früheste Entwicklung der Allantois auch bei La- certa viridis, Lacerta agilis und bei Tropidonotus 'natrix und Anguis fragilis verfolgt. Ich verzichte darauf eine eingehendere Darstellung davon zu geben, denn sie würde sich so ziemlich mit dem über La- certa muralis Gesagten decken. Doch möchte ich Eines hervor- heben, nämlich das verschiedene Auftreten der ersten Allantoisanlage bei den untersuchten Embryonen, verglichen mit der Ausbildung der übrigen Organe. Ich habe mir über eine größere Zahl von Flächen- priparaten genaue Notizen gemacht und denke, dass es von Interesse sein dürfte, einzelne Klassen der Reptilien in dieser Beziehung unter einander zu vergleichen. Am spätesten tritt die Allantoisanlage bei Anguis fragilis auf. Man kann überhaupt schon durch diese Eigenthümlichkeit Embryonen der Blindschleiche von Schlangen- und Eidechsenembryonen unter- scheiden. Bei einem Embryo von Anguis fragilis mit 17 Urwirbeln und geschlossenem Medullarrohr ist von einer Allantoisanlage noch nieht die Rede, erst bei einem Embryo mit 27 Urwirbeln tritt sie in Form eines kleinen Knopfes am hinteren Ende der Embryonalanlage hervor, ungefähr auf der gleichen Stufe der Entwicklung, wie sie Fig. 9 für einen Embryo von Lacerta muralis mit sechs Urwirbeln dar- stellt. Der Unterschied ist also ein ganz beträchtlicher. Einen ge- wissen Maßstab für- den Vergleich zwischen den einzelnen Reptilien- klassen glaube ich in der Ausbildung der Vorniere angeben zu können. Bei günstigen Flächenpräparaten, d. h. solchen, bei denen die Drehung des Embryo auf die rechte Seite nicht zu stark ist, kann man die Vornierenbläschen deutlich abzählen und auch die zugehörigen Ur- wirbel erkennen. Die Vornierenbläschen fangen bei Eidechsen, Schlangen und Blindschleichen am sechsten Urwirbel an. Zuerst war ich im Zweifel darüber, ob nicht der Beginn der Vorniere am fünften Urwirbel anzusetzen sei, denn der erste Urwirbel ist so klein, dass man ihn, besonders bei stark gefärbten Präparaten, leicht übersieht. Allein die Durchsicht einer Anzahl von Flächenpräparaten ergab den sechsten Urwirbel als den ersten, der sich an der Bildung der Vor- niere betheiligt. Beim Hühnchen giebt nach Ferıx! der fünfte Ur- 1 FELıx, Die erste Anlage des Exkretionssystems beim Hühnchen. Zürich 1891. 386 H. K. Corning wirbel das erste Vornierenbläschen ab und zwar reicht nach ihm die Vorniere bis zum 15. Urwirbel ‚nach rückwärts. Die Aus- bildung der Vorniere entspricht bei Reptilien der Ausbildung der Urwirbel, sie beginnt bei allen von mir untersuchten Embryonen am ‚sechsten Urwirbel und nimmt ihr Ende nach hinten hin in verschie- dener Ausdehnung. Bei Lacerta agilis,, viridis und muralis beginnt die Bildung der ersten Vornierenbläschen in einem Stadium mit 8—9 Urwirbeln, den Beginn der Vornierenbildung bei Schlangen und Blindschleichen habe ich nicht feststellen können. Bei dem Embryo von Anguis fragilis mit 16—17 Urwirbeln. reicht die Vorniere vom 6. bis zum 13. oder 14. Urwirbel; ‚bei dem Embryo mit 27 Urwirbeln vom 6.—18. Urwirbel als Vornierenbläschen, am 19. und 20. Urwirbel sind die Bläschen deutlich sichtbar, haben sich jedoch noch nicht von den Urwirbeln abgelöst. Bei einem anderen Embryo von Anguis fragilis mit 55—60 Urwirbeln beginnt sich der Schwanz bereits zu krümmen, es sind drei Kiemenspalten vorhanden, die Allantoisanlage ist bläschenförmig und hat sich bereits ventralwärts gewandt, , die Vornierenbläschen erstrecken sich. über etwa 40 Urwirbel.. Bei einem anderen Embryo mit vier Kiemenspalten, an welchem die Zahl der Urwirbel nicht zu bestimmen war, ist die Allantois bereits gestielt, birnenförmig gestaltet; sie überragt kaum die schon angelegte erste Schwanzwindung. ‚Früher als bei Anguis scheint sich die Allantois bei Schlangen anzulegen. Es steht mir hier nur eine kleine Zahl von Präparaten zu Gebote; ich finde bei einem Embryo mit 18 Urwirbeln den Allan- toishöcker mit einem Lumen und einer Kommunikation mit dem Cölom versehen; die Vornierenbläschen reichen vom 6.—15 Urwirbel. Bei einem Embryo mit 43 Urwirbeln ist die Allantois in Gestalt eines langen, birnförmigen Sackes ventralwärts ausgewachsen, in der Allan- tois sind Zellstränge zu erkennen, die Reste der ursprünglich vor- handenen Scheidewände zwischen den verschiedenen Lumina, die im Allantoishöcker auftreten. Bei einem Embryo mit 51 Urwirbeln ist die erste Schwanzkrümmung angelegt, der Stiel der Allantois ist noch länger als bei dem Embryo mit 43 Urwirbeln. | Was die Entwicklung bei Lacerta agilis, muralis und viridis angeht, so tritt die erste Anlage der Allantois in einem Stadium mit noch offenem Medullarrohr und etwa 6—8 Urwirbeln auf. , Die Ent- wicklung des Allantoislumens scheint nicht regelmäßig, in einem durch die Zahl der Urwirbel genau bestimmten Entwicklungsstadium vor sich zu gehen. Ich habe mir von zwei Exemplaren von Lacerta Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 387 viridis notirt: 1) Allantois mit deutlichem, halbmondförmigen Lumen, : Vornierenbläschen am 6. und 7. Urwirbel abgelöst, am 8! schon ant ~ gelegt, noch nicht abgelöst und 2) Allantois ohne Lumen, etwas weiter entwickelt als bei Lacerta muralis mit sechs Urwirbeln, Fig:.9 Vormierenbläschen am 6. und 7. Urwirbel schon angelegt, aber noch - nicht, abgelöst. — Es sind also hier individuelle Unterschiede in der Entwicklung vorhanden, die sich sowohl auf die Ausbildung: der Allanteis, als auch auf die Entwicklung der Vorniere beziehen. Ich möchte beiläufig erwähnen, dass die Kopfhöhle hinter dem Auge auf Flächenpräparaten erst bei Embryonen mit 15—16 Urwirbeln zu sehen ist, und in diesem Stadium ohne Weiteres Eidéchsen und Schlangen- embryonen unterscheiden lässt. Da sich Anguis fragilis durch die späte, Ausbildung der Allantois von Schlangen, wie von Eidechsen unterscheidet, so sind Anhaltspunkte gegeben, um die Embryonen, wenigstens dieser drei Reptilienklassen schon in früher Entwicklungs- periede von einander zu unterscheiden. ‚Vielleicht gelingt es weiter- gehenden ‘Studien in den frühesten Entwicklungsstadien, sogar schon während . der, Furchung speeifische Unterscheidungsmerkmale zu er- kennen; ich mache darauf aufmerksam, dass sich die Sehlangen- gastrula durch die Weite der Gastralöffnung sofort von den’Gastral- stadien der Eidechsen und der Blindschleiche unterscheiden ‘lässt, und dass auch die Furchungsstadien von Tropidonotus natrix Eigen- thümlichkeiten aufweisen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. Die Allantois wendet sich nun bald nach dem Stadium der Fig. 10 ventralwärts, während sich der Schwanzhöcker. deutlicher abhebt und sein Wachsthum nach hinten beginnt. . Der. Schwanz- höcker setzt sich von der Allantois ab durch eine Einsenkung a, eine Stelle, an welcher später der After zum Durchbruche kommen wird. Die Fig. 11 zeigt die Allantoisanlage bei einem Embryo von Lacerta viridis mit 20—21 Urwirbeln. Die Höhle der Allantois (al.h) ist schon beträchtlich, die Allantois hat sich. ventralwärts :ge- wandt, und wird von der Schwanzknospe getrennt: durch eine Ein- senkung (a). Die Schwanzknospe ist bereits nach hinten etwas aus- gewachsen. Eine Kommunikation mit dem Darm ist auf dem Flächen- präparat nicht sichtbar, jedoch bereits vorhanden. Die Kommunikation mit dem Cölom konnte ich nicht nachweisen. Nachdem- ich die Verbindung von Darm und Célom durch die Allantoishöhle gefunden hatte, musste es mir daran liegen, die- selbe in späteren Stadien der Entwicklung noch zu verfolgen. Es ist dies nicht leicht, da’ Sagittalschnitte sich wegen der starken Ver- 388 H. K. Corning kriimmung der Embryonen nur ausnahmsweise gewinnen lassen. In Fig. 12 habe ich eine Zeichnung aus mehreren Schiefschnitten kom- binirt, welche die Verbindung noch bei einem Embryo von Lacerta muralis mit 16 Urwirbeln zeigt. Richtiger gesagt es existiren zwei Verbindungen mit dem Cölom, überhaupt scheint die Zahl der Verbindungen nicht regelmäßig zu sein. Der Darm (d) ist schräg getroffen, sein Epithel ist nicht so hoch, wie das Epithel der Allantois- höhle. Die Lichtung der Allantoishöhle ist vielleicht doppelt so groß wie diejenige des Darmes. An der Öffnung der Allantoishöhle gegen das Cölom (coel) bildet das Epithel der Allantoishöhle mit dem Epithel der Splanchnopleura (Sp.p/) zwei Lippen, welche die Öffnung (z) einfassen. Von einem Kunstprodukte kann nicht die Rede sein, das Epithel der Allantois geht ohne Weiteres in das niedrige Epithel der Splanchnopleura über. Die Blutgefäße der Allantois haben sich bereits mächtig entwickelt (al.g). Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob die Verbindungen mit dem Cölom noch in späteren Stadien nachzuweisen seien, jeden- falls ist es mir nicht gelungen, sie nach dem Stadium von Lacerta muralis mit 16 Urwirbeln zu sehen. Doch muss man bei der Be- urtheilung ihres Vorkommens mit der Schwierigkeit, günstige Schnitte zu gewinnen, rechnen. Jedenfalls ist aber die Thatsache, dass eine derartige Verbindung existirt, bemerkenswerth. Es wird sich bei ihrer Beurtheilung fragen, ob ihr ein cänogenetischer oder ein phylogenetischer Werth zukommt; ist sie eine Erwerbung innerhalb der Klasse der Reptilien, oder be- sitzt sie für die Beurtheilung der Herkunft des Organs eine Be- deutung? Zunächst sah ich mich in der Litteratur um, ohne Erfolg. Die Entwicklung der Allantois des Hühnchens ist wiederholt durch- gearbeitet worden, zuletzt von M. Duvau', welcher die Bildung der Höhlung als eine Ausstülpung aus dem Entoderm beschreibt und von einer Kommunikation mit dem Cölom nichts erwähnt. Zwar stammt die Untersuchung Duvar's aus dem Jahre 1877, also vor der Einführung der Paraffinmethode, welche allein die Herstellung ge- nügender Schnittserien ermöglicht. Vielleicht dass hier die neueren Methoden auch neuere Aufschlüsse bringen werden. ı M. Duvar, Etude sur lorigine de lallantoide chez le poulet. Revue des sciences naturelles. 1877. Über die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. 389 In dem Aufsatz von R. Bonner! über die Bildung der Allantois und des Afters bei. den Wiederkäuern glaube ich einen Anhaltspunkt zu finden für die "Annahme, dass auch bei Säugethieren eine Verbindung zwischen Darm und Cölom vorkommt. Zwar erwähnt BONNET eine derartige Verbindung nicht, aber er zeichnet sie so deutlich ab, dass ich an ihrem Vorkommen zuerst nicht zweifelte. Man vergleiche die Fig. 8 von Bonnet, darstellend einen Sagittalschnitt durch das Caudalende eines Schafembryo von 17 Tagen 8 Stunden mit 12 Paar Ur- segmenten. Genau in der gleichen Weise, wie ich es in der Fig. 7 gezeichnet habe, geht hier das Epithel der Allantoishöhle am hinteren Ende der Allantois in das Epithel des visceralen Blattes des Mesoderms über. Die Öffnung ist sogar viel weiter als ich sie bei Lacerta muralis gefunden habe. Die Fig. 9 von BoNNET, nach MıHALcovics, ein Sagittalschnitt durch einen Kaninchen- embryo von 10 mm Länge mit bläschenförmiger Allantois, zeigt keine Verbin- dung zwischen Allantoishöhle und Cölom. In Bezug auf seine Fig. 8 theilt mir Herr Professor BoNNET mündlich mit, dass die betreffende Öffnung als Riss aufzufassen sei, ich erwähne daher die Figur an dieser Stelle nur, weil sie ge- eignet ist, die Vorstellung aufkommen zu lassen, als ob die bei Reptilien vor- handene Kommunikation zwischen Darm und (Allantois) Cölom auch bei Säuge- thieren zu finden sei. Ich vermag, wie bereits erwähnt, keine Erklärung für das Vorkommen einer derartigen Verbindung zu geben. Nach der Cölomtheorie sind Cölom und Darm ursprünglich gleicher Herkunft, aber diese Thatsache erklärt nicht das sekundäre Auftreten einer Verbindung zwischen den beiden Höhlen in relativ späten Entwicklungsstadien. Dass eine derartige Verbindung in der Ontogenese auftritt und eine Zeit lang bestehen bleibt, ist eben so wenig erklärlich wie die Kommunikation der Peritonealhöhle mit der Außenwelt vermittels der Pori abdominalis. Wir können nur hoffen, dass in dem einen wie in dem anderen Falle durch neue Untersuchung Licht geschaffen werde. Basel, 15. Juli 1895. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. al Allantoishöcker, coel Cölom, al.h Allantoishöhle, can.n Canalis neurentericus, amn Amnion, d Darm, al.g Allantoisgefäße, e Ektoderm, ch Chorda, ent.str Entodermstrang, ch, vorderes Ende der Chorda, ent Entoderm, 1 Bonnet, Über die Entwicklung der Allantois und die Bildung des Afters bei den Wiederkäuern und über die Bedeutung der Primitivrinne und des Pri- mitivstreifs bei den Embryonen der Siiugethiere. Anatom. Anzeiger. 1888. pag. 105. 390 4H. K. Corning, Uber die erste Anlage der Allantois bei Reptilien. g Gastrulaeinstülpung, sec.ent sekundäres Entoderm, h.pl Hirnplatte, Sch.kn Schwanzknospe, h hinteres’ Ende der von KUPFFER be- sp.pl Splanchnopleura, schriebenen und als erste Allantois- ¢ »mesodermfreie Stellec, ' anlage gedeuteten Einstülpung der wd Urdarm, Primitivplatte, u.w letzter Urwirbel, - m Medullarrinne, | x Kommunikation zwischen Allantois- pr.pl Primitivplatte, höhle und Cölom. per.mes peristomales Mesoderm, Bip 1; Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5 Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10 Fig. 11 Fig. 12 ‘Sagittalschnitt durch eine Keimscheibe von Tropidonotus natrix. Sagittalschnitt durch eine Keimscheibe von Lacerta muralis im Sta- dium der beginnenden Gastrulation. Sagittalschnitt durch ein Gastrulationsstadium von Lacerta muralis. Sagittalschnitt von Lacerta muralis. Spiites Gastrulationsstadium. . Sagittalschnitt von Lacerta muralis. Unmittelbar vor der Bildung des ersten Urwirbels. Flächenansicht von Lacerta muralis. Unmittelbar vor der Bildung des ‘ersten Urwirbels. Sagittalschnitt durch das hintere Körperende eines ee von La- certa muralis mit 7—8 Urwirbeln. Flächenansicht. Lacerta muralis, 7—8 Urwirbel. Flächenansicht. Lacerta muralis, 6 Urwirbel. Flichenansicht. Lacerta muralis, 10 Urwirbel. Flächenansicht. Lacerta viridis, 20—21 Urwirbel. Lacerta muralis, 16 Urwirbel, hinteres Körperende aus mehreren Schnit- ten kombinirt. wei tr Morpholog: Jahrbuch. Bd XX. a nn a» Ze mma s reigned 1227 i secent Corning del Verlag von With Exgelmann, Leipzig Lith Anst.v Werner «Winter, Frankfurt Die Sklerozonie des Humerus. ‘Zugleich ein Beitrag zur Bildungsgeschichte dieses Skelettheiles. . Von Louis Bolk. (Aus dem anatomischen Laboratorium zu Amsterdam.) Mit 12 Figuren im Text. In der folgenden Abhandlung beabsichtige ich die Sklerozonen am Humerus in deren Verlaufe und gegenseitigem Verhalten zu be-. ‚schreiben und von ihnen aus einige Schlüsse auf die Genese des Knochens zu ziehen. Es handelt sich hier um eine direkte Fort- setzung meiner beiden vorhergegangenen Aufsätze, wesshalb ich, mit Bezug auf die Grundanschauung der Korrelation zwischen Skelett- und Muskelsystem, auf die dortigen Auseinandersetzungen verweisen darf (s. Morph. Jahrb. Bd. XXI—XXI]). Wie am Femur, so ist auch am Humerus, sowie am ganzen Skelette der freien Extremität, das kontraktile Material eines Myo- meres an zwei einander gegenübergestellten Flächen zur Anheftung gekommen. Die eine Fläche der Extremitätensprosse sah dorsal-, die andere ventralwiirts. Am ganzen Skelette der freien Gliedmaße lassen sich also mit Bezug auf die Muskelanheftung zwei Flächen unterscheiden; an die eine heftet sich das ursprünglich dorsal vom axialen Blastem sich erstreckende Myomerenmaterial fest, an die andere Fläche kommt das ventral vom mesenchymatösen Mutterboden sich befindende kontraktile Material zur Anheftung. Ich werde diese beiden Flächen als Dorsoplanum und Ventroplanum . unter- scheiden. — Weleher Oberflächentheil dem Dorsoplanum, welcher 392 Louis Bolk dem Ventroplanum anheimfällt, lehrt uns die Innervation der Muskeln. Das Ventroplanum stellt sich zusammen aus den Insertionsstellen der ventral innervirten Muskeln. Diese Muskeln sind Derivate der ursprünglich ventral vom axialen Blastem gelagerten indifferenten Muskelmasse. Dasselbe gilt mutatis mutandis für das Dorsoplanum. Die untenstehende Tabelle giebt Auskunft darüber, in welchen Muskeln des Oberarms wir das Material der verschiedenen Myomeren wiederfinden. Das vierte Cervicalmyomer trägt zum Aufbaue der betreffenden Muskulatur nicht immer bei. Ausnahmsweise kann es im M. supra- spinatus wiedergefunden werden (cf. EısLEr, Die Homologie der Extremitäten). Zugehörigkeit Innpreann dorsalen oder Muskeln des Oberarmes aus folgenden cervi- ie 2 Hr ventralen Ge- calen Spinalnerven 3 bieten Supraspinatus (4. 5.) 5. 6. d. Infraspinatus 5. 6. d. Deltoides 5. 6. d. Brachio-radialis Sy (re d. Teres minor 6. d. Teres major 6. 7. d. Anconaeus extern. 6. d. Latissimus dorsi 6. 7.8 d. Extensor carpi rad. B: 1:8: d. Anconaeus intern. 1983 +0. Brachialis int. Slee Yard; Pectoralis major 5. 6.7. v. Coraco-brachialis fe Vv. Die Angaben in dieser Tabelle sind aus dem anatomischen Bau desselben Individuums entlehnt, welches zur Angabe der In- nervation Dienste leistete, sofern diese die Feststellung der Sklero- zonie am Schultergürtel ermöglichte. Vergleicht man die in der Tabelle niedergelegten Befunde mit jenen, welche von EisLER mit- getheilt und für eine Konstruktion der Sklerozonie der Scapula jüngst benutzt sind, so erhellt, dass bei dem von mir verwertheten Indi- viduum der ganze Schultergürtel ein wenig mehr distal angelegt war als bei dem durch EısLeR untersuchten Objekt. Trägt man diesem Umstand Rechnung, so decken sich innere Konstruktionen bezüglich der Scapularplatte vollkommen. Die Sklerozonie des Humerus. _ 393 Auffallend ist der Umstand, dass so wenig Muskelindividuen ventralen Ursprungs an der Diaphyse des Humerus sich festheften. Wir treffen nur drei derartige an, nämlich den M. pectoralis major, den Coraco-brachialis und den Brachialis internus. Der letztgenannte Muskel ist, was die Tabelle angiebt, theils von dorsaler, theils von ventraler Herkunft. Der diploneure Charakter des Muskels erläutert das. Die Elemente des Brachialis internus, welche vom N. musculo- eutaneus innervirt werden, sind ventraler Natur, jene, welche vom N. radialis versorgt sind, gehören der dorsalen Muskulatur zu; sie entsprechen jener Portion des Muskels, welche hinter der Deltoides- insertion Ursprung nimmt. Das Ventroplanum dehnt sich aus über die Insertionsstellen des Pectoralis major, Coraco-brachialis und größtentheils des Brachialis Fig. 1. Fig. 2. Vorderansicht des Humerus, Bei a sind die Ur- Hintere Fläche des Humerus, bei a mit den Ur- sprungsflächen der Muskeln durch punktirte Zo- sprungsflachen der Muskeln, bei b mit Angabe nen abgegrenzt, und ist angegeben, aus welchen der Sklerozonengrenzen, cervicalen Myomeren die unterschiedenen Mus- keln aufgebaut sind. Bei b ist durch Schraffi- rung das Ventroplanum vom Dorsoplanum zu unterscheiden und sind die Sklerozonengrenzen angegeben. internus. Die übrige Oberfläche des Humerus fällt dem Dorsoplanum zu. Die Fig. 1 bringt die Ausdehnung des Ventroplanum zur An- Morpholog. Jahrbuch. 23. ; 26 394 Louis Bolk schauung. Am Ventroplanum können wir zwei Ränder unterscheiden, von denen der eine ursprünglich eranialwärts, der andere caudalwärts gerichtet gewesen war. Embryologische Daten und die zu konstruirende Bir zeigen, dass der laterale Rand des Ventroplanum ursprünglich eranialwärts, der mediale caudalwärts gerichtet gewesen sind. Dem Lateralrande entlang werden wir dem zufolge auch das meist proxi- male Myomer zur Anheftung kommen sehen. Proximal hört das Ventroplanum nach Einschluss der Pectoralisinsertion auf, es kommen proximalwärts am Humerus keine ventrale Muskeln mehr zum An- satz. Das nach oben verjüngte Ventroplanum kann man sich aber zum Sulcus intertubercularis fortgesetzt denken, und, obwohl hier keinerlei Muskeln zur Anheftung gelangen, findet man den Sulcus intertubereularis doch ausgefüllt von der Sehne des langen Biceps- kopfes. Dieser ist aber ein ventraler aus dem fünften und sechsten cervicalen Myomer herstammender Muskel. Diese Thatsache soll später Verwerthung finden. Unter Hinweis auf eine früher geäußerte Deutung der Membranae intermusculares (Morph. Jahrb. Bd. XXII. pag. 360) mache ich dar- auf aufmerksam, dass wir die beiden Membranae auch am Humerus wieder zwischen ventraler und dorsaler Muskulatur sich ausbreiten sehen, und dass ihre Anheftungslinie am knéchernen Skelette zu- sammenfällt mit beiden Grenzen des Ventroplanum. Das zum vierten cervicalen Myomer gehörige Sklerozon. Dasselbe ist nicht immer am Humerus anwesend. Nur in den- jenigen Fällen, in denen der M. supraspinatus noch aus dem be- treffenden Myomer Material entlehnt (EISLER, ego, |. c.), erstreckt sich das vierte Sklerozon über eine auf Fig. 1 umschriebene Fläche der oberen Facetten des Tuberculum majus aus. Der Vollständig- keit halber ist das Sklerozon auf den Abbildungen mit in Betracht gezogen worden. Das zum fünften cervicalen Myomer gehörige Sklerozon. Dasselbe wird in seinem ventralen Abschnitte — dort also, wo es dem Ventroplanum zugehört — in sich fassen müssen: einen Theil der Anheftungsflächen des Brachialis internus und Pectoralis major. In seinem dorsalen Abschnitte umfasst es den übrigen Theil des Die Sklerozonie des Humerus. 395 Supraspinatus, fernerhin einen Theil der Insertionsflächen des Infra- spinatus, Subseapularis, Deltoides, Brachio-radialis und jenen Theil des M. brachialis internus, welcher vom N. radialis innervirt ist. Der Radialisast für diesen Muskel stammt in den meisten Fällen aus dem fünften cervicalen Spinalnerv und nur bisweilen aus dem fünften und sechsten (HERRINGHAM, The minute Anatomy of the brachialis Plexus. Journ. of Anat. a. Phys. Vol. XLI). Der Verlauf des Sklerozons ist auf Grund dieser -Angaben unschwer zu kon- struiren. Das Sklerozon umfasst eine Zone, welche sich unmittelbar längs des lateralen Randes des Ventroplanum erstreckt. Es bestreicht den lateralen Abschnitt der Ursprungsfläche des Brachialis internus, um dann proximalwärts verlaufend eine schmale laterale Zone von der Pectoralisinsertion in sich zu fassen. Danach verläuft es proxi- mal- und zugleich ein wenig medianwärts in der Art, dass es den oberen Theil der Subseapularisinsertion und des Suleus intertubereu- laris schneidet, um nun über den lateralen Theil des Gelenkkopfes zu ziehen. Das dem vierten Cervicalmyomer zugehörige Sklerozon wird umgriffen, und darauf erreicht das fünfte Sklerozon die Hinter- fläche des Humerus. Es fasst einen lateralen Abschnitt der mittleren Facette des Tubereulum majus in sich und läuft dann an der lateralen Kante des Humerus derartig abwärts, dass es einen Theil der Del- toidesinsertion, die Ursprungsfläche der dorsalen Elemente vom M. brachialis internus und einen schmalen Abschnitt der Ursprungsfläche des Brachio-radialis in sich aufnimmt. Der Verlauf ist also ein sehr einfacher. Beiderseits vom lateralen Rande des Ventroplanum, weiterhin bogenförmig um das 4. Sklerozon verlaufend, nimmt das 5. Sklerozon jenen Theil der Humerusoberfläche ein, welcher zur Zeit, als die Extremitätensprosse transversal vom Rumpfe abstand, proximalwärts sah. Auch am Humerus tritt die- selbe Erscheinung zu Tage, welche auch am Femur besteht, dass nämlich die ventralen und dorsalen Derivate des meist proximalen Myomers einander direkt angelagert sind. Das zum sechsten cervicalen Myomer gehörige Sklerozon. In allen ventralen Muskeln, welche an der Humerusdiaphyse sich festheften, findet sich Material dieses Myomers wieder, so dass im Ventralabschnitte des bezüglichen Sklerozons ein Theil dieser . Anheftungsflächen gesucht werden muss. Mit Ausnahme des M. anco- naeus internus entlehnen eben so alle dorsalen Muskeln Material vom 26* 396 Louis Bolk 6. cervicalen Myomer. Der Ventralabschnitt dieses Sklerozons nimmt distal den ganzen restirenden Theil der Ursprungsfläche des Brachialis internus ein, da dieser Muskel nur aus dem 5. und 6. cervicalen Myomer gebildet ist. Der Ventralabschnitt verläuft weiter proximalwärts erst über die Insertionsfläche des Coraco-brachialis, von dem er einen lateralen Theil in sich aufnimmt. Danach, nach oben sich verjüngend, zieht er über eine mittlere Zone der Pectoralis- insertion, um nun unter rascher Verbreiterung medial ausbiegend den unteren Theil des Sulcus intertubercularis, den oberen Theil der Insertion des Latissimus dorsi und Teres major und den restirenden, distalen Theil der Subscapularisinsertion in sich aufzunehmen. | Danach verläuft das Sklerozon über den Humeruskopf, welchen es fast ganz in Anspruch nimmt, um nun erst an der Dorsalfläche des Humerus den restirenden Theil des Tubereulum majus mit den In- sertionen des Infraspinatus und Teres minor, und weiterhin einen lateralen Theil der Ursprungsflichen des Anconaeus externus in sich aufzunehmen. Danach begiebt es sich wieder zur vorderen Fläche des Humerus, nimmt unter allmählicher Verschmälerung den restirenden Theil der Deltoidesinsertion in sich auf, um über die Ursprungs- flächen des Brachio-radialis und der Extensores carpi-radiales an der vorderen Fläche des Humerus zu enden. Ein ansehnlicher Theil der Humerusoberfläche fällt also diesem Sklerozon zu, welches dasjenige des 5. cervicalen Myomers an allen Seiten ringförmig umfasst. Das zum siebenten cervicalen Myomer gehörige Sklerozon. Der metameren Anlage der Muskeln zufolge erstreckt sich dieses Sklerozon über die Insertionsflächen der ventralen Mm. coraco-bra- chialis et pectoralis major und über die Flächen der dorsalen Mm. latissimus dorsi, teres major, anconaeus externus et internus und des Extensor carpi-radialis. Es heften sich am distalen Theile der Vorderfläche der Diaphyse keine Muskeln fest, welche aus dem 7. cervicalen Myomer sich differenzirt haben. Das 7. Sklerozon umfasst den restirenden Theil der Insertion des Coraco-brachialis, nimmt weiterhin in sich auf die meist mediale Zone der Pectoralis- insertion, eine mittlere Partie der Insertion des Latissimus dorsi, den distalen Theil der Insertion des Teres major. Das Sklerozon biegt nunmehr zur hinteren Fläche des Humerus um, wo es über die restirende mediale Ursprungsfläche des Anconaeus externus und über Die Sklerozonie des Humerus. 397 die laterale Fläche des Anconaeus internus sich ausdehnt. Hierbei fasst es zugleich einen Theil der Ursprungsfläche des Extensor carpi- radialis in sich. Das zum achten cervicalen Myomer gehörige Sklerozon. Entlehnt der Pectoralis major, wie bei dem von mir untersuchten Individuum, kein Bildungsmaterial aus diesem Myomer, so findet sich dasselbe nur in den dorsalen Mm. latissimus dorsi et anconaeus internus wieder. Es beginnt an der ventralen Seite des Humerus, wo es den distalen Abschnitt der Insertion vom Latissimus dorsi in sich fasst, biegt dann zur Dorsalseite des Knochens um und erstreckt sich hier über den restirenden medialen Theil der Ursprungsfläche des Anco- naeus internus. Es wird auffallen, dass, obgleich auch der Extensor carpi radi- alis longus aus dem 8. cervicalen Myomer sich differenzirt hat, das Sklerozon in den Figuren nicht über dessen Ursprungsfläche verläuft. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, dass für eine richtige Konstruktion der Sklerozonen an den Epicondylen des Humerus, die genauere Kenntnis erforderlich ist, welche Myomeren sich an ihnen festheften, in wie fern die kontraktilen Elemente an den Sehnen zwischen den Muskelbäuchen ihren Ursprung nehmen. An die Darstellung der Sklerozonie füge ich im Folgenden einige Bemerkungen an, welche zu verschiedenen Folgerungen Ver- anlassung geben. Die metamere Muskelanheftung tritt am Humerus deutlich zu Tage. Sie konnte auch für andere Theile des Extremitätenskelettes nachgewiesen werden. Es ist auch hier wieder ausdrücklich hervorzuheben, dass die Sklerozonie einen Flächenbegriff und keinen morphotischen Begriff bedeute. Ich schließe also aus der Sklerozonie nicht etwa auf eine metamere Anlage des Skelettes im Sinne der metameren Muskel- anlage zurück. Ich bin allerdings der Ansicht, dass das Mesenchym, woraus derjenige Theil des Skelettes sich bildet, welcher von einem Sklerozon bestrichen wird, aus demselben Segment stamme, wie das zu diesem Sklerozon gehörige Myomer. Daraus folgt aber nicht, dass nun auch das gesammte Mesenchym je einer Segmentirung unterbreitet gewesen sei, eine wirkliche Metamerie besaß. Die mesen- 398 Louis Bolk chymatöse Extremitätensprosse stellt dann auch beim Menschen, bevor sie mantelartig von den Myotomsprossen umwachsen ist, eine ein- heitliche Masse dar. Die Sklerozonie erscheint als ein sekundäres Ge- präge und rührt vom segmentirten Muskelsystem her, welches bereits zur Zeit der segmentalen Anordnung mit der mesenchymatösen Unter- lage engere Verbindung eingeht, und während der Zeit seiner Diffe- renzirung den früh gewonnenen Verband mit dem Skelette selbst nicht mehr abändert. Die vielfachen Erscheinungen, welche mit der Sklerozonie zusam- menhängen und früher für andere Gebiete des Skeletmuskelsystems dargelegt sind, sollen nun auch für den Humerus dargelegt werden. Die Ursprungs- und Insertionsflächen eines polymeren Muskels kommen in diejenigen Sklerozone zu liegen, welche zu den Myomeren, woraus der Muskel sich bildet, gehören. Es ist demnach nothwendig, dass zwischen der Verlaufsweise der Sklerozonen sowohl über die Ursprungs- als auch über die Insertionsflächen eine vollkommene Übereinstimmung besteht. Differenzirte sich z. B. ein Muskel aus dem 5. und 6. Myomere, so müssen die Muskelbündel, deren Urprung an der Scapula dem 5. Sklerozon zugetheilt worden ist, auch mit ihrer Insertion am Humerus in demselben Sklerozon liegen. Auf diese Weise kann man die Richtigkeit des Verlaufes der Sklerozonen an Scapula und Humerus gegenseitig prüfen, wobei dem Faserverlauf des Muskels Rechnung getragen sein muss. Der Pectoralis major z. B. bildete sich aus dem 5. bis 7. Myomere. Nun habe ich früher schon in Übereinstimmung mit EısLer und HerrıneHAm darauf hin- gewiesen, dass das Material des 7. Myomers nur im distalen Theil des Muskels sich vorfinde. In der Portio clavicularis finden sich nur Elemente des 5. und 6. Myomers, in der Portio sterno-costalis solche des 6. und 7., eventuell auch des 8. Myomers. Das eigenthiimliche Verhalten des Biindelverlaufes im Pectoralis ist bekannt. Die Portio clavicularis des Pectoralis major kommt an eine laterale Zone der Insertionsfliche zur Anheftung, die Portio sterno-costalis indessen derartig, dass die meist distal entspringenden Bündel sich am meisten medial und proximal inseriren. Es sind diejenigen Bündel, welche den Sulcus intertubercularis oftmals nicht überbrücken und an der. medialen Lefze dieses Sulcus, oder an der medialen Membrana inter- muscularis zum Ansatze kommen. In Übereinstimmung mit den Innervations- und Strukturverhältnissen ist nun auch die Insertions- fläche des Pectoralis major auf die Sklerozonen derartig vertheilt, dass die meist laterale Zone dem 5., die meist mediale dem 7. Skle- Die Sklerozonie des Humerus. 399 rozon zufällt. Auch für die anderen Muskeln kann diese Überein- stimmung nachgewiesen werden. Auf Grund der Sklerozonie bildet sich der Humerus aus dem Mesenchym des 5. (4.) bis 8. cervicalen Myomers. Der Umstand, dass am proximalen Theile des Knochens keine ventrale Muskulatur zum Ansatz kommt, dieser Theil vielmehr ganz von dorsalen Mus- keln umfasst wird, setzt uns in den Stand, unsere Auffassungen von der Art dieser Anlage etwas genauer anzugeben. Die Ursache, warum an genannter Stelle keine ventrale Muskulatur sich festsetzt, wird ohne Untersuchung niederer Formen und daran sich anknüpfende Vergleichung wohl nur schwer zu entschleiern sein. Man darf aber nichtsdestoweniger aus dem Befunde beim Menschen die Auffassung entnehmen, dass der proximale Theil des Humerus nur aus der dor- salen Masse des dort befindlichen axialen Blastems sich entwickelt habe. Da keine ventrale Muskeln am proximalen Humerusabschnitte zum Ansatz kommen, wurde wohl auch die ventrale Masse des axialen Blastems in den Ossifikationsprocess nicht hineinbezogen. Denn man darf wohl behaupten, dass die Insertion kontraktiler Elemente dem axialen Blastem den formativen Reiz verleihe, welche die höhere histogenetische Differenzirung nöthig hat. Der einzige ventrale Muskel, welcher proximal am Humerus sich be- findet, ist der lange Bicepskopf. Das vom 5. und 6. cervicalen Fig. 3. I Schematische Darstellung der Entstehung des Sulcus bieipitalis und der Einschränkung des Ventro- planum an ihm. Die um letzteres und um das Dorsoplanum lagernde Muskulatur ist durch die punktirten Flächen angegeben, Cf ‘ Myomer herstammende Material dieses Muskels befindet sich am proximalen Humerusabschnitte vor der ventralen Fläche des axialen Blastems, ohne Verbindung damit einzugehen. Die ursprüngliche ventrale Fläche des axialen Blastems werden wir also im Grunde 400 Louis Bolk des Sulcus bieipitalis wiederzufinden haben. Der Bicepskanal kann als der Ausdruck gelten, dass die ventrale Masse des axialen Bla- stems sich nicht differenzirt hat. Fig. 3 erläutert uns die Entstehungs- weise des Sulcus bicipitalis. Das stark sich entwickelnde Skelet- material, welches aus dem dorsalen Axialblastem Ursprung nahm, umgreift, da die ventrale Blastemmasse sich nicht entwickelt, all- mählich die sich differenzirende Sehne des langen Bicepskopfes und bildet auf diese Weise die knöcherne Halbrinne. Es wird der Sul- cus intertubereularis also nicht allein unter mechanischen Einflüssen als eine Einschnürung des Skelets durch die Sehne des Caput longum zu Stande gekommen sein; es ist vielmehr anzunehmen, dass die unter der Sehne gelegenen Gewebsmassen keine Entwick- lung genommen haben. Wir haben also den proximalen Theil des Humerus zu betrachten als ein Produkt von einem dorsal gelagert gewesenen Wachsthumscentrum, während die Ventralmasse des axi- alen Blastems an dieser Stelle histogenetisch nieht weiter differenzirt ist. An geeigneter Stelle soll für diese Annahme ein weiterer Grund angeführt werden. Der Sklerozonenverlauf am Femur weicht von jenem über den Humerus in zwei Punkten ab, wodurch das Verhalten am Humerus sich komplieirter erweist, als am Oberschenkel. Erstens ist der Umstand zu erwähnen, dass am proximalen Theil des Humerus keine ventrale Muskulatur sich anheftet. Hierdurch ist das aus den Ventralabschnitten der gesammten Sklerozone hergestellte Ventro- planum von diesem Theil des Humerus ausgeschlossen. Derartiges kommt am Femur nicht vor. Die ganze Länge dieses Knochens wird an der einen Seite zur Insertion ventraler Muskeln benutzt. Der Übergang der ventralen Abschnitte der Sklerozonen in die dorsalen findet aus diesem Grunde beim Femur am Gelenkkopfe und oberen Rande des Trochanter major statt (l. e. Fig. 4). Bei dem Hu- merus indessen findet sich die proximale Übergangslinie des Dorso- in das Ventroplanum an der vorderen Fläche, etwa am Ende des proximalen Drittels. Die dorsalen Abschnitte der Sklerozonen ver- laufen daher von hier aus über den Kopf des Oberarms hinweg zur Hinterfläche des Knochens. Hieraus folgt, dass man bei Querdurch- schnitten im proximalen Theile des Humerus jene dorsalen Abschnitte der Sklerozonen zweimal in der Cirkumferenz des Knochens treffen ' muss, was aus der Fig. 4 I hervorgeht. Der zweite Umstand komplieirterer Art tritt in dem eigenthüm- lich tordirten Verlaufe der Sklerozonen über die Oberfläche des Die Sklerozonie des Humerus. 401 Humerus hervor. Am Femur verlief die Längsachse der Sklerozonen beinahe parallel der Längsachse des Knochens; am Humerus besitzt die Längsachse einen mehr oder weniger torquirten Charakter. Dieses führt die Fig. 5 vor Augen. Hier sind die Sklerozonen einzeln in ihrer ganzen Ausdehnung, etwa so wie sie auf der Humerusoberfläche verlaufen, dargestellt. Man erkennt, dass besonders das 7. und 8. Sklerozon die erwähnte eigenthümliche Drehung besitzen. Und doch — trotz dieser Komplieirungen zeigen die auf Fig. 4 segebenen Durchschnittsbilder des Humerus, dass die Sklerozonen | Fig. 4. SS NN: N | — WS i Sechs Querdurchschnitte durch einen rechten Oberarm (I—VI) in verschiedener Höhe, welche am Humerus in der Längsansicht angegeben sind. Es kommt die Lage des dunkel gehaltenen Ventro- planum zum hellen Dorsoplanum, sowie die Lage des 4.—6. cervicalen Sklerozons zur Anschauung. regelmäßig zu einander angelagert sind. An der Grenze von Ventro- und Dorsoplanum sieht man den dorsalen und ventralen Theil des meist proximalen Sklerozons in unmittelbarer Berührung. Der ven- trale Abschnitt des 6. Sklerozons ist vom dorsalen Abschnitte durch das ganze 5. Sklerozon abgetrennt ete. (Man vergleiche zum rich- tigen Verständnis dieses Verhaltens besonders Fig. 11 des Aufsatzes im Morph. Jahrb. Bd. XXII.) 402 Louis Bolk Die Membranae intermusculares sind früher als jene Theile des axialen Blastems von mir gedeutet, welche in mesenchymatésem Zu- stand verharren. Auf Grund dieser Auffassung wird das Vorhandensein der Membrana intermuscularis medialis am Oberarm verständlieh. Die Membran beginnt proximal un- Fig. 5. gefähr in der Höhe des Schnit- tes III der Fig. 4, um abwärts bis unter den Schnitt VI sich auszustrecken. Betrachtet man den Schnitt II, so erkennt man, dass der dorsale und ventrale Theil des 7. Sklerozons an ein- ander grenzen. Auf den folgen- den Schnitten III—VI aber stößt an korrespondirender Stelle der dorsale Abschnitt des 8. Skle- rozons an die ventralen Ab- schnitte des 7. oder 6. Sklero- zons. An demjenigen Ventral- ; N theile des axialen Blastems, 3. 6. ro über welchen das 7. und 8. Verlaufsweise der 5—8 Sklerozone über die vordere Myomer hinwegzogen ? ist also und hintere Fläche des Humerus. Die Sklerozonen keine. Muskulatur zur Anhef- sind einzeln in ihrer ganzen raumlichen Aus- dehnung dargestellt, um die verschiedene Torsion tung gekommen, SO dass der an ihnen zur Anschauung zu bringen. Die punk- Reiz zur weiteren Differenzi- tirte Linie stellt die Grenze zwischen Dorso- und 5 e Ventroplanum dar. rung ausblieb. Das axiale Bla- stem blieb an dieser Stelle dem entsprechend mesenchymatös. Ausnahmsweise tritt an solchen Stellen noch eine Verknöcherung auf, welche die Veranlassung zur Ent- stehung eines Processus supracondyloideus ist. Die Querschnittsbilder der Fig. 4 und die Darstellung der räum- lichen Ausdehnung der Sklerozonen auf Fig. 5 setzen uns in den Stand, über die Genese des Humerus Aufschluss zu empfangen und insbesondere die viel behandelte Frage der Humerustorsion auch von unserem Standpunkte zu beleuchten. Der Querschnitt I der Fig. 4 ist desshalb wichtig, weil derselbe, nahe dem Schultergürtel entnommen, den direkten Verband zwischen der Sklerozonie der Scapula und derjenigen des Humerus zeigt. Der proximale Theil des Humerus fällt dem Dorsoplanum ganz zu. Der Gelenkkopf ist also ein durchaus dorsales Gebilde und ist, wie Die Sklerozonie des Humerus. 403 ebenfalls aus der Fig. 1 zu ersehen ist, im Mesenchym des 5.—7. Halssegmentes angelegt. Die Protuberanz der ersten Facette des Tuberculum majus ragte in das 4. Segment hinein. Dieser Umstand stimmt mit demjenigen an der Gelenkpfanne der Scapula überein. Auch diese fällt ganz in den Dorsalabschnitt des Schultergiirtels; sie wird ebenfalls vom 5.—7. Sklerozon bestrichen (ef. l.c. Fig. 12 ete.). Der dorsale Charakter des Gelenkkopfes, welcher auf Grund der Sklerozonie erschlossen wird, findet eine Bestätigung durch die Lagerung der Fig. 6. Gelenkpfanne der Scapula. Stellt doch die Scapula den dorsalen Theil, das Co- racoid aber den ventralen Theil des Schultergiirtels vor. Das Schultergelenk stellt sich in dieser Hinsicht in einen Gegensatz zum Hüftgelenk, da letzteres gerade auf der Grenze zwischen dorsalen und ventralen Theilen des Beckengiirtels sich entwickelt hat, wodurch ventrale und dorsale Knochentheile an der Bildung des Acetabulum gleichen Antheil nehmen (cf. Schema des Verlanfes des 4.8. cer- Morph. Jahrb. Bd. XXL 9). vikalen tr Scapula und Über den regelmäßigen, kontinuir- | lichen Übergang der Sklerozone von der Scapula auf den Humerus- kopf orientirt die Fig. 6. In distalen Querschnitten durch den Humerus wird Dorso- und Ventroplanum getroffen (Fig. 4, I—VI). Trotz hervorgehobener Kom- plikationen lagern die Sklerozonen doch regelmäßig zu einander. Man erkennt aber, dass die Cirkumferenz des Knochens in sehr un- gleicher Weise von den einzelnen Sklerozonen in Anspruch genommen sind. Im ventralen Abschnitte erstrecken sich proximal die Skle- rozonen des 5.—7. Myomers, distal befinden sich an der Diaphyse nur jene des 5. und 6. Myomers. Im dorsalen Abschnitte finden sich die Sklerozonen des 5.—8. Myomers allerdings in sehr wech- selnder Ausbreitung. Auf dem Quersehnitte II, III, IV sind diese ziemlich gleichmäßig über die Cirkumferenz vertheilt. Auf dem Schnitte V und VI waltet ein Übergewicht des 7. und 8. Sklerozons vor, während das 5. und 6. auf einen schmalen Streifen beschränkt sind. Es geht hieraus hervor, dass im Inneren des Humerus ganz eigenthümliche Wachsthumsvorgänge sich abgespielt haben müssen. Diese ergeben sich in genauerer Weise auf Grund der Auffassung, 404 Louis Bolk dass das Knochengewebe, an welchem die Derivate eines Myomers sich festheften, auch zu denjenigen Theilen der mesenchymatisen Matrix Beziehungen hat, über welche das betreffende Myomer sich ausstreckte. An der Bildung der proximalen Abschnitte der Diaphysen war das Mesenchym sämmtlicher Segmente nahezu gleich betheiligt. Der distale Theil der Diaphyse wird aber an der Vorderfläche fast ganz vom ventralen Abschnitte des 5. und 6. Sklerozons, an der hinteren Skeletfläche vom dorsalen Abschnitte des 7. und 8. Sklerozons ein- genommen. Ich schließe hieraus, dass das Knochengewebe an der Vorderfläche des distalen Diaphysenendes aus jenem Theile des axialen Blastems sich entwickelt habe, an welchem die ventralen Elemente des 5. und 6. Myomers sich festhefteten, dass der ent- sprechende Theil der Hinterfläche zur Matrix den Theil des Mesen- chyms gehabt habe, mit welchem dorsale Elemente des 7. und 8. Myomers in frühe Beziehung traten. Es bestanden also bei der Bildung des Distalendes der Humerusdiaphyse zwei Wachsthums- centren, von denen das eine ventral in der Höhe des 5. und 6., das andere dorsal im Bereich des 7. und 8. Myomers gelagert war. Die Fig. 7 ver- anschaulicht die Lage.der beiden Wachs- thumscentren. Es erhebt sich die Frage, ob ein Connex bestehe zwischen der eigen- thümlichen Lagerung beider einander schräg gegenüber gestellter Wachsthumscentren zwischen der schrägen Stellung der Quer- achse des distalen Diaphysenendes, im MIN mind, Un ua Vergleiche mit der Achsenstellung am pro- Lage der beiden Wachsthumscen- ximalen Abschnitte und zwischen der statt- a dor Hancrvediaphye, gehabten Torsion des Humerus? Auf Grund des Sklerozonenverlaufes muss ich mich auf Seite der Autoren stellen, welche den Humerus als einen tor- quirten Knochen auffassen. Über die Art dieser Torsion habe ich, ebenfalls auf Grund der Sklerozonie, eine eigenartige, bisher nicht vertretene Ansicht mir bilden können. Die Frage, um welche Achse die Humerustorsion stattgefunden habe, ist bisher nicht erörtert worden. Bisher war, ohne weitere Prüfung darüber angestellt zu haben, die Ansicht die geltende, -dass die Torsionsachse identisch mit der Humerusachse war. Dies geht daraus hervor, dass die Autoren, welche mit der Torsionstheorie Die Sklerozonie des Humerus. 405 sich einverstanden erklären, das Gegentheil nicht behaupten, und dass die Gegner der Torsionstheorie (z. B. ALBRECHT, HOLL) bei dem angewendeten Verfahren des Decalcinirens und des Retordirens des Knochens, stillschweigend die Identität von Diaphysen- und Torsionsachse annehmen. Die Sklerozonie des Humerus mahnt vor der Annahme der vorgeführten Identität. Es fällt bei der Betrachtung der auf Fig. 5 gegebenen bildlichen Darstellung von den räumlich ausgedehnten Sklerozonen auf, dass der spiralige Verlauf in gleichem Maße durchaus nicht alle Sklerozonen auszeichnet. Das Sklerozon des meist proximalen 5. Myomers giebt diese Erscheinung fast gar nicht kund. Es streckt sich in seiner ganzen Länge über die Lateral- fläche des Humerus aus, und die Achse desselben verläuft fast parallel der Humerusachse. Das zum 6. cervikalen Myomer gehörende Skle- rozon indessen dreht sich im Verlaufe über die Humerusoberfläche deutlich spiralférmig um die Humerusachse. Der ventrale Abschnitt beginnt distal an der Ulnarseite der Diaphyse, verläuft dann auf- wärts, erst unter Verschmälerung und darauffolgender Verbreiterung, ohne hier jedoch die parallele Lage zur Humerusachse aufzugeben (Fig. 1 und 2). An der hinteren Fläche des Humerus tritt aber der spiralförmige Verlauf sehr deutlich hervor, da die proximal in der . Mitte sich findende Lage distalwärts sich allmählich in eine exquisit laterale umändert. Hiernach beugt das Sklerozon wieder aufs Neue auf die vordere Fläche des Humerus um. Schärfer noch tritt der spiralige Verlauf am 7. Sklerozon zu Tage, am schärfsten aber an dem meist distalen Sklerozon, welches zum 8. cervicalen Myomer gehört. Obgleich dieses nur über eine beschränkte Länge des Humerus und außerdem nur mit einem dorsalen Abschnitte sich ausdehnt, so zeigt dieses Sklerozon doch eine ausgesprochen spiralige Drehung. | Wir sehen also, dass die mehr distal befindlichen Sklerozonen einer immer stärkeren Spiraldrehung unterliegen als die proximalen. Diese Thatsache ermöglicht es, die Art der Torsion etwas genauer zu ergründen. Es geht zunächst aus jenem Thatbestande hervor, dass der ursprünglich proximale Rand des Humerus, das ist jener, längs welchem das 5. Myomer zur Anheftung kam, nicht torquirt ist, dass andererseits der primitive distale Rand des Humerus, an welchem das 8. cervicale Myomer sich festgeheftet hat, eine starke Drehung erfahren hat. Es ist leicht, den primitiven proximalen Rand der Humerusanlage am Knochen des Erwachsenen wieder aufzufinden. Die Scheidungslinie zwischen der Insertion der dorsalen und ven- 406 Louis Bolk tralen Elemente des 5. cervicalen Myomers giebt den primitiven proximalen Rand an; diese Scheidungslinie stellt die äußere Grenze des Ventroplanum dar. In proximaler Richtung muss man diese Linie sich fortgesetzt denken bis zur ersten Facette des Tuberculum majus, an welcher die Elemente des 4. Myomers sich festheften. Der erwähnte Rand wird also durch eine Linie angegeben, welche an der oberen Facette des Tuberculum majus beginnt und zum lateralen Rande der Eminentia capitata sich begiebt. Der primitive proximale Rand der Humerusanlage ist also mit der lateralen Kante des er- wachsenen Humerus identisch; er findet sich ein wenig medial von der lateralen Humeruskante. In geradem Verlaufe längs beider Seiten dieser Linie erstreckt sich das Sklerozon des 5. cervicalen Myomers. Es findet sich im Bereiche dieser Linie keine Andeutung von spiralförmig verlaufenden Leisten auf der Humerusoberfläche. Solche Leisten befinden sich aber besonders an jenen Theilen der Humerus- oberfläche, über welchen die beiden distalen Sklerozonen, das 7. und 8., sich ausdehnen. Die Richtung dieser Leisten fällt mit dem torquirten Verlauf beider Sklerozonen zusammen. Auf Grund des Vorhergehenden darf die Sklerozonie des Hu- merus als eine neue Stütze der Torsionstheorie angeführt werden. Ferner muss diese Torsion, wie es auch GEGENBAUR gethan hat (Jen. Zeitschr. f. Med. u. Naturw. Bd. IV. 1868), auf Wachsthumsvor- gänge im Humerusgewebe zurückgeführt werden. Drittens geht aber auf Grund unserer Befunde hervor, dass die Torsionsachse nicht mit der Humerusachse zusammenfällt. Wäre das der Fall, so müsste auch das fünfte Sklerozon einen spiralig gedrehten Verlauf erlangt haben. Die Torsion hat um eine excentrische Achse stattgefunden, welche nahezu mit dem primitiven proximalen Rande der Humerus- anlage zusammenfällt. Ich schließe mich nach dem Vorhergehenden den Vertretern der Torsionstheorie des Humerus an, kann aber C. GEGENBAUR darin nicht beipflichten, dass die Torsion so groß gewesen sei, dass die primitive vordere Fläche zur hinteren, und die hintere Fläche zur vorderen sich umgestaltet baben. Gegen diese Auffassung sind einige Einwände zu erheben. Sollte nämlich das Ventroplanum, d. h. die primitive ventrale Fläche der Skeletanlage, so torquirt worden sein, dass man es an der hinteren Fläche des Distalabschnittes des er- wachsenen Humerus wiederfände, so müsste der distale Abschnitt in Hinsicht auf den proximalen Abschnitt des Humerus um 100° sich gedreht haben. Dieses kann, wie die Fig. 8 zeigt, kaum der Fall Die Sklerozonie des Humerus. 407 gewesen sein. Wir finden auf der Figur eine Reihe von Querschnitten des Humerus in ihrer natürlichen gegenseitigen Lagerung bildlich wiedergegeben. An den Kontourbildern ist je die Ausdehnung des Ventroplanum angegeben worden. Da die Schnittbilder, sowie die in sie eingezeichneten Strecken des Ventropla- Fig. 8. num in ihrer natürlichen Lagerung zur Achse des Humerus sich befinden, so ist aus der Figur zu entnehmen, dass das Ven- troplanum in distaler Richtung wohl eine mehr mediale Lagerung als proximal einnimmt, dass die Drehung aber keines- wegs um 180° erfolgt ist. Nach der GEGEN- BAUR Schen Auffassung sollte fernerhin der pri- Am ganzen Skelette sind durch 1-5 die Stellen angegeben, mitive orale Rand der von welchen die Querschnittsbilder 1—5 entnommen sind. 3 Letztere sind gegen einander in ihrer natürlichen Stellung ge- Humerusanlage rap, also zeichnet, um die Drehung des Ventroplanum um die Längs- jener Theil langs dessen achse anzugeben. das fünfte Myomer sich festgeheftet hat, — wenn er am Humerus des Erwachsenen proxi- mal an der lateralen Seite gelagert war, distal an der medialen Seite wieder zu-finden sein. Dies trifft nun in so fern nicht zu, als der pri- mitive orale Rand in ganzer Ausdeh- nung sich nahezu geradlinig erstreckt und den lateralen Rand des Humerus einnimmt. Meiner Auffassung zufolge hat am Humerus wohl eine Torsion des dista- len Endes nach innen stattgefunden, Schema zur Verdeutlichung der Drebuts jedoch in der Art, dass der Torsions- terale Achse. punkt etwa in den lateralen Epicon- dylus fällt. Die primitive ventrale Fläche kam dadurch ventro- medial zu liegen. — Fig. 9 veranschaulicht diese Auffassung. Von der Voraussetzung ausgehend, dass eine aktive Verschiebung 408 Louis Bolk der Muskelinsertionen während der Ontogenese des Extremitäten- ‘skelettes nicht stattfinde, habe ich bei einer früheren Besprechung der Oberschenkelmuskulatur aus einander setzen können, wie in der gegenseitigen Lagerung der Muskelbäuche Primitives bewahrt ge- blieben ist. Es konnte nachgewiesen werden, dass die ventrale und dorsale Muskulatur auch Fig. 10. noch beim Erwachsenen zwei scharf von ein- ander gesonderte Grup- pen bilden, und dass in jeder dieser Gruppen die primitive segmen- tale Anordnung wieder aufgefunden werden könne. Die Fig. 10—12 bestätigen auch für die . Muskulatur, welehe die Seapula und den Hume- rus umgeben, das Bei- behalten einer segmen- talen Anordnung. Das meist proximale, vierte cervicale Myomer, wel- ches zur Bildung der Durchschnitt durch die Muskulatur der Schulter und Brust, Oberarmmuskeln bei- Die fette Linie giebt die Grenze zwischen ventralen und dor- n salen Myomerenderivaten ab. Die anderen Linien bedeuten getragen hat, findet sich die Grenze zwischen den Produkten des 4.—9. cervico-thora- s : ; A Ss kalen Myomers. Das Durchschnittsbild ist nach Panscu aus- u. M supraspinatu geführt. wieder. Es handelt sich hier aber nur um dor- sale Elemente. Die ventralen Elemente dieses Myomers sind theil- weise in das Diaphragma übergegangen und können ausnahmsweise auch im M. subelavius nachgewiesen werden. Eine jede der Fig. 10—12 liefert für sich den Beweis dafür, dass, obgleich die Septa zwischen den Myomeren verschwunden sind, dennoch das aus einem jeden Segmente herstammende kontraktile Material seine primitive Lagerung zu den Derivaten der benachbarten Segmente beibehalten habe. Allerdings hat die Stellungsänderung des Extremitätenskelettes auf die gegenseitige Lagerung der Muskel- bäuche Einflüsse ausgeübt, wodurch der Verlauf der Scheidungslinien zwischen den Elementen der gesonderten Myomere nicht mehr so Die Sklerozonie des Humerus. 409 regelmäßig geblieben ist, als dies von den ursprünglichen Ligg. intermuseularia gilt (s. Morph. Jahrb., Bd. XXII, pag. 370, Fig. 11). Durch die im Schultergelenk stattgefundenen Deviationen könnten große Schwierigkeiten in der Bestimmung der Scheidungslinien in Fig. 10 entstehen. Bei der Rekonstruktion der Segmentation in jenem Durchschnitte habe ich das von EisLER und mir bestätigte HERRING- HAM’sche Gesetz zu Hilfe genommen, dass nämlich an den polymeren Muskeln im Proximaltheile die proximalen, im Distaltheile die distalen Myomere sich wiederfinden. Der Verlauf der Scheidungslinien in Fig. 10 ist mit diesem Gesetze in voller Übereinstimmung. EISLER Rig. TI. Fig. 12. Querschnitt durch den proximalen Abschnitt des Humerus Querschnitt durch den distalen Humerustheil (nach (nach Panscu). Die eingefügten Linien bedeuten dasselbe Panscu). Uber die Bedeutung der eingefügten Linien wie auf Fig. 10. vergleiche Fig. 10. hat die von mir angenommene strengste Korrelation zwischen Muskeln und Skelet der Extremität ebenfalls im Wesentlichen acceptirt und in Anwendung der von mir am Beckengiirtel angegebenen Methode den Verlauf der Sklerozonen über die Scapula bestimmt (EısLEr, Die Homologie der Extremitäten). Der Autor hat auf Grund hiervon die Form der eben angelegten Scapula konstruirt. Wennschon ich mit E1sLer’s Grundanschauung hinsichtlich dieser Rekonstruktion voll- kommen übereinstimme, so kann ich mich doch mit des Autors spe- cieller Auseinandersetzung nicht einverstanden erklären. Die Sklero- zonie, welche EısLer uns von der Scapula vorführt, weicht bezüglich des Coracoids von der durch mich gegebenen ab. Ich bin, auf Morpholog. Jahrbuch. 23. 37 410 Louis Bolk Grund der Entstehungsweise der Crista scapulae, des Akromion und der Clavicula der Meinung, dass die Sklerozonen der Scapula direkt über dem Akromion auf die Clavicula sich fortsetzen, dass das Cora- coid aber ein eigenes System von Sklerozonen besitze, welche nur an der Wurzel des Coracoids vermittels des fünften und sechsten cervicalen Sklerozons mit dem System der Scapula zusammenhängen (vgl. Morph. Jahrb., Bd. XXII, pag. 373, Fig. 12 ss. qq.). Abgesehen davon, dass die durch mich rekonstruirte Urform vom Schultergiirtel von derjenigen yon EISLER gegebenen desshalb abweichen muss, so habe ich gegen die Rekonstruktion des letzteren (l. e., pag. 53, Fig. 8) noch einige Bedenken. Ester lässt die ganze Ventralportion des Schultergürtels nur durch den kleinen, die Coracoidanlage dar- stellenden Fortsatz dargestellt sein, durch welchen, wie der Autor sagt: »die ventrale Mittellinie nicht erreicht« wird. Diese Auffassung ist durch Thatsachen nicht zu befestigen, denn die Sklerozonie kann uns nur Aufschluss geben über die intersegmentalen und über die proximo-distalen Grenzverhältnisse der Urform des Schultergürtel- abschnittes, indessen wir keine Andeutungen über die dorso-ventrale Ausdehnung erhalten. Und ob die erste Anlage des Coracoids die Ventrallinie erreiche oder nicht, lässt sich aus der Sklerozonie nicht ablesen. Wir sind nur im Stande anzugeben, dass das Coracoid, da nur ventrale Muskeln sich an ihm festheften, im Ventraltheile der Segmente sich anlegte, wobei die Innervation der an ihm inserirenden Muskeln genauere Auskunft darüber ertheilt, in welchen Segmenten diese Anlage stattgefunden habe. Auch gegen die Ausdehnung in proximo-distaler Richtung der von Hister gegebenen Coracoidanlage habe ich Bedenken vorzu- bringen. EISLER hätte, wie ich meine, die Innervation des M. pec- toralis minor nicht vernachlässigen dürfen. Dieser Muskel stammt nämlich, wie der Autor selbst auf pag. 97 seiner Abhandlung an- giebt, vom 7. und 8. cervicalen Myomer her. Bei meinem Indi- viduum war der Muskel ein Derivat des 7. bis 9. Myomers, was _ mit den HERRINGHAM’schen Angaben übereinstimmt. Nach EısLer’s Angabe selbst müsste die Coracoidanlage sich also bis in das 8. cervicale Segment erstreckt haben, und nicht nur auf eine kleine Strecke des 7. Segmentes beschränkt bleiben. Bildete sich der Muskel aber, wie bei dem von mir untersuchten Individuum auch aus dem Materiale des 9. Myomers, so muss auch die Anlage im 8. und im 9. Segment erfolgt sein. — Bei reiflicher Überlegung ist also, wie ich meine, die von EısLer behauptete Reduktion der An- Die Sklerozonie des Humerus. 411 lage des Ventraltheiles des Schultergürtels,. wenigstens in proximo- distaler segmentaler Richtung, nicht aufrecht zu erhalten. Es ist im Gegentheile die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass ein "Gegensatz bestehe zwischen der relativ ausgedehnten An- lage des Coracoid und der späterhin so geringen Entfaltung dieses Skelettheiles. Gerade in der Coracoidanlage ist ein sehr instruk- tives Beispiel gegeben, welches zeigt, dass die Sklerozonie uns Hilfe leisten kann, sobald es gilt, Aufschlüsse darüber zu erlangen, in welchem Maße frühe ontogenetische Entwicklungsstufen am Skelette phyletisch ältere Zustände rekapituliren. Die durch die Sklerozonie zu Tage tretende, sehr ausgedehnte Anlage des Coracoid in proximo- distaler Richtung ist ein Hinweis auf Formen in der menschlichen Ahnenreihe, bei denen das Coracoid eine ansehnliche Entfaltung be- saß. Die phyletische darauf gefolgte Reduktion dieses Skelettheiles rekapitulirt sich ontogenetisch durch die geringe Entwicklung dieser Anlage. Ich sehe hier von einer Rekonstruktion der Urform des Schulter- gürtels ab, und unterlasse es, die Beziehungen des Verlaufes der Nerven zum Skelette an dieser Stelle zu besprechen, was früher für den Beckengürtel geschehen ist. Bei dem Schultergürtel stößt man — will man die Urform ete. rekonstruiren, auf größere Schwierig- keiten, als dies bei dem Beckengiirtel der Fall gewesen ist. Es ist mir noch nicht gelungen, einen klaren Einblick in die betreffenden Verhältnisse zu bekommen, und ich bin der Meinung, dass erst niedere Formen bezüglich der Beziehungen zwischen Muskeln, Nerven- verlauf und Skeletanlage am Schultergürtel genauer untersucht wer- den müssen, bevor wir einen klaren Einblick über die komplieirten Zustände bei höheren Formen erhalten können. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien, speciell des Arcus volaris sublimis. Von Ernst Schwalbe. Mit Tafel XXVI und XXVII. In einer Arbeit unter dem Titel »Die Varietäten der mensch- lichen Arteria mediana in ihrer atavistischen Bedeutung« (27) habe ich bereits die Befunde der Unterarmarterien einiger Thiere be- schrieben. Ich durfte mich für den Zweck, den ich bei der er- wähnten Arbeit im Auge hatte, auf die Anführung einiger Befunde beschränken, welche zur Erläuterung der menschlichen Varietäten dienten, und konnte im Übrigen auf die Arbeit von E. ZUCKERKANDL (31) verweisen. In der folgenden Erörterung möchte ich es nun unternehmen, meine Befunde bei Beutelthieren, Carnivoren und Halb- affen zu schildern. Ich werde dabei die schon vorhandene Litteratur in angemessener Weise berücksichtigen, um ein möglichst vollstän- diges Bild der Unterarmarterien der betreffenden Thierklassen zu geben. Ich werde auch kurz einige Befunde der Oberarmarterien beschreiben, ohne jedoch später vergleichend auf dieselben einzu- gehen. Zwei Punkte scheinen der Rechtfertigung zu bedürfen. Erstens, warum ich eine solche Veröffentlichung nach dem Erscheinen der ZUCKERKANDL’schen Arbeit noch unternehme; zum zweiten, warum ich nicht, wenn ich eine vergleichend-anatomische Studie der Unter- armarterien durchführen will, zum mindesten alle Säugethierklassen berücksichtige. Was den ersten Punkt betrifft, so gebe ich zu, dass es gewagt erscheinen mag, nach einer soleh umfassenden Arbeit, wie die Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 413 ZUCKERKANDL’sche, über dasselbe Thema zu schreiben. — Zunächst muss ich bemerken, dass ein großer Theil der Resultate meiner Ar- beit schon zu der Zeit gewonnen war, als die ZUCKERKANDL’sche Abhandlung im Druck erschien. Ich bin also auf gleiche Resultate wie ZUCKERKANDL ganz unabhängig von ihm gekommen. So dürfte auch der Theil meiner Arbeit, welcher nur die ZUCKERKANDL'schen Resultate bestätigt, im Interesse der Sache nicht unerwünscht sein. — Andererseits ist es natürlich, dass ich zum Theil andere Thiere untersucht habe und auch einiges Andere gesehen als ZUCKERKANDL, das zur Ergänzung dienen kann. Auch muss die Anordnung der Beschreibung, der Grad der Wichtigkeit, der den einzelnen Befunden beigelegt wird, je nach dem Gesichtspunkt, dem ein Jeder in seiner Beweisführung folgt, etwas verschieden sein. In wie fern sich meine Arbeit in dieser Hinsicht von ZucKERKANDL’s Arbeit unterscheidet, muss aus ihr selbst klar werden. Ich bin auch gerade bei meinen neuesten Untersuchungen, die ich nach der Niederschrift meiner ersten Arbeit angestellt habe, auf einige höchst wichtige, vermittelnde Befunde gestoßen, die manches Neue bringen dürften. So hoffe ich, wird man die Veröffentlichung gerechtfertigt finden, und ich komme zur Beantwortung der anderen Frage, warum ich nur diese drei Thierklassen beschreiben will. Zunächst halte ich selbst die Untersuchungen, die von mir über die zu behandelnden Fragen angestellt sind, keineswegs für abschließend. Dann aber hatte ich vor Allem die Absicht, das Verständnis der menschlichen Varietäten durch meine Arbeit zu fördern. Hierzu scheinen mir nun die angeführten drei Thierklassen besonders wichtig. Die Beutel- thiere sind dadurch ausgezeichnet, dass sie nach den Monotremen — die mir zur Untersuchung nicht zur Verfügung standen — in sehr vielen Beziehungen den primitivsten Zustand der Säugethiere ausdrücken. Die Carnivoren entwickeln in vieler Beziehung die Beutelthierzustände weiter, wie es ja auch wohl sicher ist, dass sie beuteltragende Vorfahren besessen haben (19). Daneben aber zeigen sie auch eine interessante einseitige Entwicklung. Die Prosimier endlich erscheinen als unmittelbare Vorläufer der Affen und des Menschen und lassen sich andererseits oft unmittelbar an die Beutel- thiere anknüpfen. Auch aus der folgenden Arbeit wird hervorgehen, dass die angeführten Thierklassen zum Verständnis der menschlichen Varietäten ausreichen, und dass sich in mancher Beziehung eine Ent- wieklungsreihe aufstellen lässt, die von den Beutelthieren durch Carnivoren und besonders Halbaffen zu höheren Formen überleitet. 414 Ernst Schwalbe Durch die Veröffentlichung dieser Thierbefunde sollen die schon in meiner ersten Arbeit enthaltenen Resultate noch besser begründet und vertieft werden. Ich will zunächst auf die Litteratur über die zu behandelnden Gebiete im Allgemeinen eingehen, ich werde bei jeder einzelnen Klasse die Speciallitteratur noch genauer berücksichtigen. In den Lehrbüchern der vergleichenden Anatomie findet man wenig über unser Thema. Meist wird den Arterien des Armes nur ein kleiner Abschnitt von einigen Zeilen gewidmet, und es liegt in der Natur der Sache, dass diese kurzen Angaben den Stoff wenig erschöpfen und nur für wenige Thiere zutreffen. In dem neuesten Buch von WIEDERSHEIM (30) z. B. ist ganz allgemein gesagt, dass »die Brachialis in Radialis und Ulnaris zerfällt, aus welchen in der Vola manus der Primaten der hohe und tiefe Hohlhandbogen, sowie die Fingerarterien hervorgehen«. GEGENBAUR (11) giebt nur den Ur- sprung der Arterien der vorderen Gliedmaßen aus der Aorta an. In einigen älteren Lehrbüchern finden sich Notizen über das zu be- handelnde Gebiet, so bei Cuvier (6), Srannius (28), MECKEL (23). Doch ist diese ältere Litteratur von nicht allzugroßem Werthe, weil, wenn auch die thatsächlichen Verhältnisse richtig beobachtet wurden, die Deutung der Arterien eine falsche war, und daher durch die Be- schreibung zum Theil durchaus falsche Anschauungen hervorgerufen werden. An demselben Fehler leiden auch die Einzelabhandlungen aus der älteren Zeit. HyrrL (15) war der Erste, der, um die den menschlichen Arterien homologen thierischen Gefäße zu finden, den Verlauf der Arterien mit den Nerven und ihre Lage zu der um- liegenden Muskulatur beriicksichtigte. Leider hat er in seinen so vorzüglichen Tafeln nur die Gefäße abgebildet, die Nerven fortge- lassen. Da er aber auf diese in seinen Beschreibungen so eingehend Rücksicht nimmt, so ist dieser Mangel nicht so empfindlich. Jeden- falls gebührt HyrrL das Verdienst, zum ersten Mal die Verhältnisse der Arterien des Armes bei einer Anzahl von Thieren richtig dar- gestellt zu haben, wenn er auch mitunter nicht frei von Inkonse- quenzen ist. — Die Angaben, welche uns in den Lehrbüchern der Anatomie der Haussäugethiere zu Gebote stehen, die vom Stand- punkt des thierärztlichen Unterrichts geschrieben sind, lassen sich für unsern Zweck wenig verwerthen, da meist die menschliche Nomenklatur ohne die nöthige Kritik auf die thierischen Befunde angewandt wurde. — In neuester Zeit hat E. ZUCKERKANDL eine um- fassende Arbeit über die Unterarmarterien erscheinen lassen, die ich Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien. 415 bereits wiederholt citirt habe. Er hat mit Nachdruck geltend ge- macht, dass die Arterienbefunde nur durch gleichzeitige Berück- sichtigung des Nervenverlaufs und der Lage zu den Muskeln zu verstehen sind. Er hat zum ersten Mal allgemeine Schlüsse aus einer großen Untersuchungsreihe gezogen. Er hat die Litteratur in umfassender Weise gesammelt. Einzelheiten über die betreffende Litteratur finden sich vor den Beschreibungen der Formen der einzelnen Klassen. Beutelthiere. | Uberblickt man die Litteratur, welche vor der Arbeit von E.ZucKkEr- KANDL sich mit der Anatomie der Unterarmarterien der Beutelthiere beschäftigt, so geht klar genug hervor, dass die älteren Autoren zwar durchaus richtig beobachtet haben, dass aber die Deutung der Arterien, die sie sahen, eine falsche war. Fand man am Unterarm zwei stirkere Arterien, so sollte stets die mehr ulnar gelegene der Ulnaris des Menschen, die radial gelegene der Radialis entsprechen. So sind die Irrthümer der älteren Autoren zu erklären. — Schon Cuvier (6) und MEckKEL (23) haben durchaus richtige Beobachtungen angestellt. CuvIEr sagt zwar, dass bei den Marsupialiern die A. brachialis sich in Ulnaris und Radialis theilt, deutlich genug geht aber aus der ferneren Beschreibung hervor, dass der Verlauf der »Ulnaris« des Kängurus ein ganz anderer ist, als der Verlauf der gleichnamigen Arterie beim Menschen. Um überhaupt von einer »Ulnaris« und »Radialis« reden zu können, ist CUVIER gezwungen, sogar ein Stück der Oberarmarterie noch als Ulnaris zu bezeichnen. Er beschreibt dann speciell die Arterien des Riesenkängurus, aus welcher Beschreibung deutlich hervorgeht, dass er mit »Artére eubi- tale« ein Gefäß bezeichnet, das den Canalis supracondyloideus durch- setzt. Es ist also klar, dass er hier den Verlauf der Brachialis schildert. MECKEL (I. ec.) in seinem »System der vergleichenden Ana- tomie« giebt an, dass für die Säugethiere eine Theilung der Brachialis in Ulnaris und Radialis typisch sei. Die Unterschiede würden nur durch die verschiedene Höhe der Theilungsstelle gegeben. Bei den Beutlern speciell theile sich die Brachialis in der Höhe des Ellbogengelenkes. Dass MECKEL trotzdem die Lage der Arterien richtig beobachtet hat, wird durch folgende Worte, die er kurz danach ausspricht, klar: »Meistens liegen alle Gefäße ganz frei, da- gegen tritt bei mehreren Thieren entweder die ganze Armpulsader 416 Ernst Schwalbe oder Ellbogenpulsader, gewöhnlich die erstere mit dem Mittel- armnerven durch das Gelenkloch des Oberarmbeines. — Namentlich gilt dies für... mehrere Beutelthiere, wie Didelpys, Phascolomys, Halmaturus ...« Also hat MECcKEL den Durchtritt der Brachialis durch den Canalis supracondyloideus richtig beobachtet, er ist nur unklar über die Bedeutung der Arterie, welche diesen Kanal durch- setzt, da er in manchen Fällen dieselbe schon als Ulnaris bezeichnet. — Barkow (1) bildet die Gefäße von Halmaturus giganteus richtig ab, bezeichnet aber die Mediana falsch. — Hyrrr (15) bildet die Vorderarmgefäße von Halmaturus Parii :in einer Weise ab, welche zeigt, dass hier in vieler Beziehung derselbe Befund vorgelegen hat, wie bei Halmaturus ualabatus. Ich komme daher auf die Hykrr’sche Beschreibung noch einmal zurück, wenn ich die Arterien von Halma- turus ualabatus besprechen werde. Mit Recht hebt ZUCKERKANDL hervor, dass die Bezeichnungen A. ulnaris und A. radialis in der Hyrru’schen Beschreibung falsch sind, dagegen hat HyrrL die A. mediana als Hauptgefäß des Unterarmes richtig bezeichnet. Er ist also der Erste gewesen, der die Bedeutung der A. mediana als Haupt- gefäß des Unterarmes richtig erkannt und beschrieben hat. Freilich hat erst ZUCKERKANDL (32) mit Nachdruck auf diese Verhältnisse aufmerksam gemacht und durch weitere Untersuchungen klar gelegt, dass die Mediana als Hauptgefäß des Unterarmes bei den Beutelthieren allgemein verbreitet ist. Er untersuchte Macropus giganteus, Macropus thetidis, Phascolomys Wombat, Halmaturus Benetti. Im Nachtrag theilt er weitere Untersuchungen über Macropus Benetti und Phascolomys Wombat mit. — Ich habe in meiner ersten Arbeit eine Beschreibung der Unterarmgefäße von Halmaturus uala- batus und Phalangista gegeben. Ich werde noch die Beschreibung der Arterien von Dasyurus Mangei, sowie einige Notizen über Pera- meles nasuta hinzufügen, sowie meine früheren Beschreibungen durch Abbildungen erläutern. Damit diese nicht unverständlich bleiben, werde ich mit einigen Worten auch auf die bereits geschilderten Formen eingehen müssen. Dasyurus Mangei. Fig. 1 und 2. Die Medianusschlinge liegt hoch in der Achselhöhle vor der Arteria axillaris. Sehr bald gelangt jedoch der Nerv an die laterale Seite der Arterie. Arterie und Nerv gelangen in der angegebenen Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 417 Lagerung in den Suleus bicipitalis internus. Lässt man die Mediana in situ, ohne sie abzuheben, so bemerkt man, dass ein kleines Astchen etwa am unteren Drittel des Oberarmes abgegeben wird, welches medial quer über den Nervus ulnaris verläuft und sich am Anconaeus verzweigt. Ein feines Ästchen begleitet eine Strecke den Nervus ulnaris. Dieser Ast der Brachialis dürfte eine A. collateralis ulnaris superior darstellen (Fig. 1, 2 c.u.s.). Es folgt etwa in der Mitte des Oberarmes ein schräg distal und medialwärts ziehender Ast, der etwas vor der Ellenbeuge den Nervus ulnaris erreicht und ihn auf seinem Wege um die Ulna begleitet. Er endet erst in den Flexoren des Unterarmes. Diesen Ast der Bra- chialis kann man als Collateralis ulnaris inferior betrachten (Fig.1 c.w.2.). An der oberen Grenze des letzten Drittels des Oberarmes wird die Radialis superficialis (a.rad.s.) abgegeben. Diese zieht über den Biceps hinweg in die Radialrinne. Während dieses Verlaufes giebt sie Aste zum Pronator teres und zum Biceps. Nach hinten und radialwärts giebt die Brachialis während ihres Verlaufes am Oberarm eine mit dem Nervus radialis zur Streckseite tretende Profunda (Pr.dr.) ab. An dem Öberflächenpräparat (Fig. 1) bemerkt man außer Nervus ulnaris und medianus noch einen Nerven von eigenthümlichem Ver- lauf (n.m.s.). Er entspringt aus dem Winkel, der gebildet wird von dem Ulnaris und der ulnaren Wurzel des Medianus. Er zieht dann, — vor der A. mediana gelagert, mit dieser bis zum Abgange der Radialis superfieialis, folgt dann der Radialis superficialis, bis diese einen ulnaren Ast abgiebt. Dieser ulnare Ast der Radialis superficialis begleitet dann den einen der Endäste dieses Nerven und gelangt zu den Flexoren des Unterarmes. Der andere Endast des Nerven be- giebt sich ebenfalls, jedoch etwas mehr proximal, zu den Flexoren des Unterarmes. Der eben beschriebene Nerv dürfte am ehesten mit dem N. eutaneus brachii int. major des Menschen zu homologisiren sein. Durchschneidet man die oberflächlichen Flexoren und den Pro- nator teres am Unterarm (Fig. 2), so erkennt man den weiteren Ver- lauf der Armarterie und des Nervus medianus. Es ist kein Foramen supracondyl. vorhanden. Die Hauptarterie des Unterarmes ist eine Mediana. Unterhalb der Ellenbeuge giebt die Mediana zunächst einen ulnaren Ast ab, der zu der ulnaren Beugergruppe sich begiebt. Ein kleiner ulnarer Ast kreuzt den Nervus ulnaris. Vielleicht ist in diesem eine Andeutung der A. ulnaris zu erkennen. Es folgt die Abgabe der Interossea. Die Interossea com- 418 Ernst Schwalbe munis theilt sich sehr bald in Interossea interna und externa, giebt jedoch vorher noch einen feinen Muskelast ab, der mit einem Nerven- ästchen des Medianus zu den Beugern verläuft. Die Interossea ex- terna endet sehr bald nach Durchbohrung der Membran in der Muskulatur der Streckseite. Die Interossea interna begiebt sich zum Pronator quadratus. Die Mediana theilt sich in der Hand zur Fingerversorgung vier- fach zu den Fingern 2—5. Der Nervus medianus theilt sich unmittelbar, nachdem er von der Radialis superficialis gekreuzt wurde, in mehrere Äste.. Ein Ast läuft radialwärts, wird von der Sehne des Flexor carpi rad. gekreuzt und gelangt in die Radialrinne zur A. radialis superf. Ein ulnarer Ast geht zum Pronator teres. Der mittlere Ast setzt den Haupt- stamm fort, begleitet die Mediana, indem er radial von ihr liegt. Er giebt einen Interosseus int. ab, der von der gleichnamigen Arterie begleitet wird. Der Nerv. interosseus int. giebt ein kleines Ästehen zu den Flexoren, das von dem vorhin erwähnten Ästehen der Inter- ossea begleitet wird. Eine ausgebildete A. ulnaris fehlt. — Von dorsaler Fingerversorgung konnte ich nichts nachweisen. Perameles nasuta Geoffr. (Das Exemplar ist schlecht injieirt.) Die Medianusschlinge liegt vor der Arterie, der ulnare Schenkel der Medianusschlinge ist links länger als rechts. Subscapularis und Circumflexa entstehen links gemeinsam, rechts sehr nahe bei einander. Eine Profunda brachii geht mit dem Radialis zur Streckseite. Der Medianus liegt am Oberarm lateral von der Arterie, er tritt vor ihr durch das Foramen supracond. Am unteren Drittel der Brachialis entspringt eine Radialis superficialis, die jedoch nicht sehr stark entwickelt ist (links stärker als rechts). — Die Hauptarterie des Unter- armes ist eine einheitliche Mediana, die sich erst in der Hand theilt. Die Mediana giebt eine Interossea commun. ab, die sich sofort in interna und externa spaltet. An der Abgangsstelle der Interossea giebt die Mediana zugleich einen ulnaren Muskelast ab, der sich zu den ulnaren Flexoren begiebt. Radial giebt die Mediana in derselben Höhe ein Astchen zum Pronator teres ab. (Es entspricht der Abgang etwa der Stelle des Abgangs der menschlichen Radialis. Vielleicht ist durch die senMuskelast die Andeutung der menschlichen A. ra- dialis gegeben.) Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 419 Halmaturus ualabatus. Fig. 3. Zur Erläuterung der Abbildung ist es wohl am besten, wenn ich noch einmal die kurze Beschreibung aus meiner ersten Arbeit, um ein weniges erweitert, wiederhole. Etwa 1 cm über dem Canalis supracondyloid. geht eine Radialis superficialis ab. Diese verzweigt sich am Biceps und geht dann in die Radialrinne über. In ihrem Verlauf über den Biceps giebt sie einen starken medialen Ast ab. Dieser verläuft oberflächlich über den Pronator teres und Palmaris longus und verzweigt sich an diesen Muskeln, nachdem er sofort nach seinem Abgang von der Radialis superf. einen tiefen Ast zum Flexor digg. prof. abgegeben hat. Einer der Endäste dieses oberflächlichen medialen Astes der A. radialis superf. senkt sich etwa in der Mitte des Unterarmes in die Arteria mediana, stellt also eine Anastomose zwischen A. mediana und A. Radialis superficialis her. Die Brachialis tritt nach Abgang der Radial superfieialis bald in den Canalis supracondyloideus und zwar ulnar vom Nerven. Der Canalis supracondyloideus ist nur sehnig geschlossen. Die Mediana verläuft dann als Hauptgefäß des Unterarmes ulnar und dorsal längs des Medianus. Sie giebt eine starke Interossea ab, unmittelbar danach einen ulnaren Muskelast zum Flexor digg. profundus und einige stärkere Äste zur umgebenden Muskulatur. Sie theilt sich in der Mitte der Vola in Äste, welche sämmtliche Finger versorgen. Am stärksten ist die Digit. communis für Zeigefinger und Daumen ausgebildet, die als Fortsetzung des Stammes imponirt. Der Ast der Mediana für den Daumen anastomosirt sehr fein mit einem Ramus volaiis superficialis aus der Art. radialis super. Doch konnte ich diese Anastomose mit voller Sicherheit nachweisen. — Die A. rad. superf. hat den typischen Verlauf am Unterarm. Sie theilt sich, nachdem sie den Biceps gekreuzt hat, in einen volaren und dorsalen Ast. Der volare Ast verläuft in der Radialrinne, giebt den schon erwähnten Ram. vol. superf. ab und begiebt sich unter der ; chne des Abductor poll. zur Dorsalseite. Dort versorgt er die drei ersten Interstitia interossea. Der Ast für das zweite Interstitium in- terosseum anastomrsirt an der Grundphalange III mit der Digitalis aus der Mediana. — Der dorsale Ast scheint als Muskel oder Binde- gewebsast zu enden sein weiterer Verlauf war nicht mit Sicherheit nachweisbar. 420 Ernst Schwalbe Die Interossea ext. durchbohrt sofort die Membran und ver- theilt sich. Die Interossea interna ist ziemlich stark und in dem sehr engen Zwischenknochenraum vom Pronator quadratus eingehüllt. Ich konnte keinen distalen Übertritt zur Dorsalseite nachweisen. Die Interossea begiebt sich distal vielmehr, die volaren Schichten des Pro- nator quadratus durchbohrend, zum ulnaren Handrand. Hier endet sie. Eine Ulnaris existirt nicht, durch den erwähnten Muskelast ist vielleicht eine Andeutung gegeben. Wie ich schon hervorhob, ist dieser Befund in vieler Beziehung übereinstimmend mit dem von Halmaturus Parii, den Hyrru abbildet. Sehr interessant ist der oberflichliche ulnare Ast der Radialis super- ficialis, von Hyrrt mit Unrecht als Ulnaris bezeichnet. Es handelt - sich hier vielmehr um eine Inselbildung, deren Wichtigkeit für die Erklärung menschlicher Varietäten RugE (26) betont hat. Schon in meiner ersten Arbeit wies ich darauf hin, dass diese Bildung vielleicht zur Erklärung der oberflächlichen Mediana, wie sie TIEDEMANN (29) beschrieben hat, herangezogen werden kann. Man wird diesen Ver- bindungsast am einfachsten als Truncus communicans bezeichnen, da sich das Bedürfnis einer besonderen Benennung kaum finden wird. Phalangista vulpina. Fig. 4. Etwas vor dem Foramen supracondyloideum giebt die Brachialis eine ziemlich schwache Radialis superfieialis ab. Die Brachialis tritt dann hinter dem Nervus medianus durch das Foramen supra- condyloideum. Etwas unterhalb der Ellenbeuge folgt eine Dreitheilung in Interossea, Mediana und einen ulnaren Ast. Der letztere erreicht nicht den Nervus ulnaris, sondern dringt in die Muskelmasse des Flexor digit. subl. ein, in der er ziemlich weit verfolgbar ist. Die Mediana ist das stärkste Gefäß des Unterarmes. Sie giebt etwas über der Mitte des Unterarmes einen radialen Ast ab, der mit einem oberhalb abgegebenen Nervenast des Medianus verläuft und sich durch mehrere Anastomosen mit der A. radialis superficialis verbindet. Der Hauptstamm dieses radialen Astes der Mediana tritt endlich über der Sehne des Abductor poll. long. zur Dorsalseite, wo er mit der Radialis superficialis vereint die radialen dorsalen Fingerarterien abgiebt. Vor seinem Übertritt zur Dorsalseite giebt er ein Astchen ab, das den typischen Verlauf des Ramus volaris superficialis der Art. radialis des Menschen hat. — Der fortgesetzte Stamm der Me- Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 491 diana theilt sich in der Vola zur Versorgung sämmtlicher Finger. Der Zweig für die Radialseite des Daumens anastomosirt mit dem erwähnten Ramus volaris superfieialis radialis, der Ast für die Ulnar- seite des Daumens anastomosirt mit einem tiefen Ast der Radialis. Eine Ulnaris ist nicht vorhanden. In Begleitung des unteren Theils des Ulnaris habe ich ein feines Arterieniistchen gesehen, das von der Interossea abzustammen scheint. Die Interosseae scheinen sich ähnlich zu verhalten wie bei Halmaturus. Auch der ulnare Theil der dorsalen Digitales wird von den Interosseae geliefert. Fassen wir nun das Ergebnis der eben geschilderten Befunde, sowie die Beschreibungen von ZUCKERKANDL, auch Hyrrr’s Be- schreibung von Macropus giganteus zusammen, so ergiebt sich, dass ein Charakteristikum der Beutelthiere die ausgebildete Mediana als Hauptgefäß des Unterarmes ist, wie dies bereits ZUCKERKANDL hervorgehoben hat. In wie fern diesem Befund Wich- tigkeit zur Erklärung menschlicher Varietäten zukommt, habe ich in meiner ersten Arbeit dargethan; hier interessiren uns aber nur die Beutelthiere für sich als Thierklasse, und wir müssen sehen, ob vielleicht bei ihnen sich Unterschiede in der Ausbildung der Mediana finden. Da ist zu antworten, dass diese sehr gering, aber jedenfalls doch vorhanden sind. Am besten geht dies aus dem verschiedenen Befund hervor, den ZUCKERKANDL an den beiden Seiten eines Wombat gehabt hat. Er fand, dass sich hier auf der einen Seite die A. me- diana typisch verhielt, während auf der anderen Seite ihre »proxi- male rudimentäre Hälfte als Muskelast endete, während die distale Hälfte mit der starken Radialis superficialis in Verbindung trat«. Es ist schade, dass ZUCKERKANDL diesen Befund nicht durch eine Abbildung erläutert. Aber auch in der Ausdehnung des an der Hand von der Medi- ana versorgten Gebietes bestehen kleine Verschiedenheiten. Bei Dasyurus konnte ich keine Betheiligung einer anderen Arterie an der Handversorgung nachweisen, bei Halmaturus gelangen schon Endäste der Interossea und Radialis superficialis zur Hand, bei Phalangista findet sich eine selbständige Versorgung der Dorsalseite. Eben so bestehen Verschiedenheiten in der Abgabe und Aus- bildung der Äste der Mediana. Eine A. ulnaris fehlt zwar den von mir untersuchten Thieren, jedoch sind Andeutungen derselben vor- 422 Ernst Schwalbe handen. ZUCKERKANDL hat für Macropus thetidis jedoch schon eine ausgesprochene, wenn auch schwache Ulnaris beschrieben. Ein ul- narer Muskelast wird mitunter auch von der Interossea, unmittelbar nach ihrem Abgang von der Mediana abgegeben. Auf die Bedeutung der Anastomose der A. mediana mit einem Ramus vol. superficialis der A. radialis superficialis habe ich bereits aufmerksam gemacht. Dieser Befund ist bei Halmaturus ualabatus und Phalangista beschrieben. Sehr interessant ist der mediano-radiale Ast bei Phalangista, der bedeutungsvoll desshalb ist, weil er sich in Begleitung eines Nerven befindet. Einen Ramus mediano-radialis beschreibt ZUCKERKANDL ferner für den Wombat. Dieser Ast scheint mir nach der Beschreibung etwas höher aus der Mediana zu ent- springen, als der entsprechende Ast bei Phalangista, also ungefähr in derselben Höhe wie die A. radialis des Menschen. Ein solcher, allerdings sehr redueirter mediano-radialer Ast wird vielleicht auch durch den Muskelast dargestellt, den ich an entsprechender Stelle bei Perameles gesehen habe. Auch auf der Abbildung Hyrrr’s von Halmaturus Parii findet sich ein mediano-radialer Ast. Die Radialis superficialis ist ebenfalls nicht bei allen unter- suchten Beutelthieren gleich stark ausgebildet. Sie erscheint bei ihrem Abgang von der Brachialis nicht sehr stark bei Phalangista, freilich wird sie in ihrem distalen Theil durch einen bedeutenden Ast der Mediana verstärkt. An der Stelle ihres Abgangs von der Brachialis ist sie bei Halmaturus am stärksten. Auch ihr Verbreitungsgebiet erscheint nicht ganz gleichmäßig. — Dasselbe gilt von der Inter- ossea. Die Interossea ist bei manchen Formen sehr schwach (Dasyurus), bei anderen sogar auffallend stark entwickelt (Halma- turus). Doch tritt auch bei starker Entwicklung der Interossea keine Reduktion der Mediana ein. ZUCKERKANDL hält den radialen Ast der Interossea, den er bei Macropus giganteus als unter dem Ab- ductor pollicis zur Dorsalseite tretend beschreibt, für homolog dem entsprechenden Stück der menschlichen Radialis. Diesen radialen Ast habe ich bei Halmaturus ualabatus nicht gefunden, eben so wenig den mittleren Ast, sondern nur den ulnaren. Bei Halmaturus uala- batus halte ich das Stück der Radialis superficialis, das unter dem Abductor pollieis zur Dorsalseite tritt, für homolog dem entsprechen- den Stück der menschlichen Radialis. Aus dem Gesagten geht hervor, dass auch bei den Beutlern keine absolute Übereinstimmung, sondern eine Entwieklung in der Klasse existirt, daneben auch eine Variabilität innerhalb derselben Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 423 Art. Sollte man sagen, welehe Form den urspriinglichsten Zustand darstellt, so scheint mir Dasyurus diese Form zu sein. Er zeigt den gemeinsamen Medianatypus in ausgebildetster Weise und eine nur geringe Ausbildung der anderen Arterien (Radialis superficialis, Interossea). Nach ihm möchte ich Halmatu- rus und seine Verwandten nennen, die jedoch schon eigenartige Entwicklung in bestimmter Richtung zeigen. So findet sich bei einer Art eine ausgesprochene Art. ulnaris. Perameles scheint in die- selbe Kategorie wie Halmaturus zu gehören. — Am entwickeltsten sind Phalangista und Phascolomys, die zum Theil Überleitung zu Zuständen geben, denen man in Bag Thierklassen in ausgebil- deter Weise begegnet. Man könnte auch meinen, dass vielleicht Halmaturus gerade wegen der starken Ausbildung der Interossea den ursprünglichen Zustand darstellt. Man könnte vielleicht. glauben, dass hier. ein wichtiges Übergangsstadium vom Interosseatypus, der nach ZuCKER- KANDL der primäre ist und sich bei Reptilien und Amphibien findet, zu dem Medianatypus vorliegt. Ich glaube aber, dass dies nicht der Fall ist. Die primitivsten Säugethiere, die Monotremen, haben nach Hyrtw’s (16) Beschreibung höchst wahrscheinlich eine A. me- diana. Außerdem findet man starke Ausbildung der Interossea bei einzelnen Vertretern vieler Thierklassen, so dass mir die starke Entwicklung der Interossea bei Halmaturus eine sekundäre, für die Art charakteristische Weiterbildung, weit eher zu sein scheint, als ein alter Zustand. Ein tiefliegender Hohlhandbogen existirt bei den Beutlern natürlich nicht im Sinne der menschlichen Anatomie. Bei Halmaturus versorgt die Interossea die tiefliegenden Schichten der Hohlhand. — Hinweisen möchte ich noch auf die dorsalen Finger- arterien, die ich besonders bei Phalangista gut beobachten konnte. Carnivoren. Die Litteratur, welche sich auf Carnivoren bezieht, ist umfang- reicher, als die über Beutelthiere. Es finden sich über Carnivoren in folgenden im Litteraturverzeichnis angeführten Werken Notizen: 3, 4, 6, 7, 8, 9, 14, 15, 18, 21, 22, 23, 24, 27, 28, 31. Im Allge- meinen kann ich, was die Kritik der. früheren Litteratur anbetrifft, auf ZUCKERKANDL verweisen. Ich will daher nicht alle Einzelheiten wiederholen. Hervorheben möchte ich noch, dass Cuvier die End- vertheilung der Mediano-radialis bei der Katze vollkommen richtig 424 Ernst Schwalbe beschreibt. Für Viverren, Mustelen, Lutra giebt MECKEL das Gleiche an, wie für Halmaturus, Didelphys, Phascolomys (s. pag. 416). HyRTL hat eine sehr gute Beschreibung und Abbildung von Viverra Linsang gegeben. Gerade hier spricht HyRTL es aus, dass die »A. mediana den oberflächlichen Hohlhandbogen bildet«. Er beschreibt für Me- diana und Radialis ein schwaches Wundernetz. HyrrL kennt be- reits den Ramus mediano-radialis, den er als Radialis inferior s. brevis bezeichnet. — ZUCKERKANDL hat Hund, Bär, Katze, Löwe, Tiger, Viverra zibetha, Galictis vittata, Wiesel untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass »die Carnivoren am Vorderarm eine Mediana besitzen, welche, nachdem sie einen Ramus mediano-radialis ent- wickelt hat, in die Hohlhand eintritt und den oberflächlichen Arterien- bogen herstellt«. Er sagt dann, die Ulnaris sei vorhanden, jedoch schwach entwickelt, doch sei »eine Anastomose mit dem Are. vol. 'subl. bereits entwickelt«. Dieser allgemeine Schluss scheint mir nach seinen Beschreibungen etwas zu allgemein, da von den 8 Car- nivoren, die ZUCKERKANDL beschreibt, er von 5 (Hund, Bär, Viverra, Galictis, Wiesel) diese Anastomose gar nicht erwähnt, bei einigen ausdrücklich hervorhebt (z. B. Bär), dass die Ulnaris gar nicht die Hand erreicht. Es bleiben also nur die Feliden, bei denen ZuckErR- KANDL die Einmündung der Ulnaris in den Arcus vol. subl. gesehen hat. Und diese haben einen außerordentlich rudimentären Hohlhand- bogen, da sie den Mediano-radialis-Typus besitzen. Ich werde nun zu der Beschreibung meiner Befunde übergehen und bei der Vergleichung natürlich auch die Befunde der anderen Autoren berücksichtigen. Crossarchus faseiatus. Fig. 5. Die Medianusschlinge liegt am Ausgang der Achselhöhle vor der A. brachialis. Am Oberarm giebt die Brachialis eine ziemlich starke Profunda ab, welche sich mit dem Nervus radialis in die Tiefe senkt. Unmittelbar nach der Profunda wird ein schwacher Bicepsast abgegeben, der hinter dem Nervus medianus zum Biceps verläuft. Crossarchus besitzt einen Canalis supracondyloideus, durch den Ar- terie und Nery hindurchtreten. Hierbei liegt der Nervus medianus vor der Arterie. Kurz vor Eintritt in den Canalis supracondyloideus giebt die Brachialis eine Radialis superficialis ab. Diese Radialis superficialis verläuft vor dem Nerven zur Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 495 Ansatzstelle des Biceps und sendet zuerst einen ulnaren Zweig ab. Dieser theilt sich in ein schwaches Astchen fiir den Anconaeus quintus und einen stärkeren Ast fiir die Anconaei. Mit diesem ulnaren Ast zusammen giebt die Radialis superfieialis einen radialen Ast ab, der eine Nutritia humeri vorstellt. Es folgt die Abgabe zweier oberflächlichen, ulnaren Arterien, die sich auf der ulnaren Flexorenmasse des Unterarmes vertheilen. Diese erinnern an die oberflächliehen Äste des Kängurus (s. auch Dasyurus). Zwischen dem Abgang der beiden ulnaren Äste liegt der Abgang eines Astes, der sich rückläufig zu dem Deltoideo-pectoralis begiebt. Durch die Abgabe dieser Äste hat die Radialis superficialis bedeutend an Vo- lumen verloren. Sie gelangt in die Radialrinne und verliert sich am Handgelenk. Doch konnte ich an der rechten Seite nachweisen, dass sie sich bis zur Dorsalfläche der Hand fortsetzt und den Daumen sowie anscheinend auch den Zeigefinger radial versorgt. Die Brachialis (a.dr.) giebt unmittelbar nach Abgang der Ra- dialis superficialis eine ulnare Arterie ab, die zum Nervus ulnaris gelangt, um diesen auf seinem Weg um den Condylus zu begleiten und am Anfang des Unterarmes als Muskelast zu endigen. Es ist diese Arterie wohl als Collateralis ulnaris inferior (a.coll.u...) zu be- » zeichnen. Am Unterarm giebt der Arterienstamm zunächst einen kleinen ulnaren Muskelast, sodann eine bedeutende dorsale Arterie ab. Dieser letztere Stamm giebt nach ganz kurzem Verlauf eine nicht unbedeutende Ulnaris ab und theilt sich dann in Interossea interna und externa. Die Ulnaris erreicht etwa in der Mitte des Unterarmes den Nervus ulnaris und zieht mit diesem auf dem Flexor carpi ulnaris! gelagert zur Hand. Hier konnte ich ihr Verzweigungsgebiet nicht feststellen. Ein dorsaler Ast wird von der Ulnaris abgegeben, der zum Dorsum manus gelangt und Finger V, sowie IV ulnar zu versorgen scheint. Die Ulnaris erscheint jedenfalls schon im distalen Theil des Unter- armes in ihrem Volumen außerordentlich reducirt. 1 Ich bin gezwungen, die Muskeln nach Analogie der menschlichen zu benennen, womit ich jedoch keineswegs eine wirkliche Homologie der betreffen- den thierischen und menschlichen Muskeln behaupten will. Über die Extremi- tätenmuskeln ist bis jetzt wenig gearbeitet, so dass es weiteren Forschungen vorbehalten bleiben muss, wirkliche Homologien der betreffenden Muskeln auf- zudecken. Auch konnte ich nicht die gesammte Litteratur, welche, sich mit den Muskeln der Thiere beschäftigt, genügend durchsehen. Morpholog. Jahrbuch. 23. 28 426 Ernst Schwalbe Die Interossea interna ist eine kleine Arterie, die sich bald im Pronator quadratus verliert. Die Interossea externa durch- bricht die Membran und vertheilt sich an den Muskeln der Streck- seite. Der bedeutendste Zweig versorgt den Extensor carpi ulnaris. Als Hauptarterie des Unterarmes erscheint eine Mediana (a.m.). Die Lagerung der Arterie zum Nerven scheint nicht immer dieselbe zu sein. Links verlief der Nerv ulnar von der Arterie, während er rechts von der Arterie gekreuzt wird, so dass er im distalen Theil, oberhalb des Handgelenks, radial von der Arterie liegt. Dieselbe Verschiedenheit fand sich bei einem zweiten Exemplar, nur war die Kreuzung hier auf der linken Seite. . Die Mediana giebt auf ihrem Verlauf einen starken mediano- radialen (r.m.r.) Ast ab. Dieser zweigt sich etwa am oberen Drittel des Unterarmes ab und verläuft nach unten radial, um unter die Sehne des Abductor poll. zu gelangen. Er versorgt die radiale Daumenseite. Die Mediana verläuft weiter zur Hohlhand und theilt sich hier in die Digitales. Als Fortsetzung des Stammes erscheint die Digitalis zum dritten und vierten Finger. Ein zweites Exemplar bietet keine abweichenden Befunde dar. Mephitis zorilla (Stinkthier). Die Medianusschlinge liegt hoch in der Achselhöhle vor der Arterie. Die Profunda, welche sich mit dem Nervus radialis zur Streckseite begiebt, ist unbedeutend. Etwa 1 em über dem Canalis supracondy- loideus, etwa am unteren Drittel des Vorderarmes, geht eine Radialis superfic. von der Brachialis ab. Diese Radialis superficialis sendet sofort einen kleinen ul- naren Ast ab, der sich vor dem Nervus ulnaris zu den Anconaei begiebt (s. Crossarchus). Alsdann giebt die Radialis einen Ast zum Biceps und darauf einen oberflächlichen Ast, der am Unterarm sich auf die Flexoren auflagert. — Der Endast der Radialis superf. ver- läuft als schon ziemlich schwache Arterie zur Radialrinne und ver- liert sich in derselben am Flexor carpi radialis. Sogleich nach Abgabe der Radialis superficialis schickt die Brachialis eine Arterie ulnarwärts zum Nervus ulnaris, also eine Collateralis ulnaris inferior. Die Arteria brachialis durchzieht hinter dem Nervus medianus den Canalis supracondyloideus. — Unmittelbar nach Durchsetzung des Canalis supracondyloideus liegt die Arterie radial vom Nerven. Am Unterarm findet eine abermalige Kreunzug ae i i Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 497 von Arterie und Nerv statt. Am Anfang des Unterarmes liegt die Arterie radial — wie erwähnt —, in der Mitte vor, am Ende ulnar vom Nerven.. Nach Austritt der Arterie aus dem Canalis supracondyl. giebt sie sofort einen radialen Ast ab, der als Muskelast endet. (Andeutung der Radialis profunda des Menschen?) Etwas tiefer wird ein kleiner ulnarer Muskelast abgegeben, der hinter dem Nervus medianus zu den Flexoren zieht. Die Hauptarterie des Unterarmes ist als Mediana zu bezeichnen. Es folgt der Abgang eines kurzen Stammes von der Mediana, der sich sofort in drei Arterien theilt, in Ulnaris, Interossea interna und externa. Die Ulnaris erreicht etwa in der Mitte des Unterarmes den _ Nervus ulnaris, verzweigt sich aber sehr bald an die umgebende Muskulatur. | Die Interossea externa durchzieht die Membran und verzweigt sich sehr rasch an den Muskeln der Streckseite. Die Interossea interna zeigt ein typisches Verhalten. Sie zieht zum Pronator quadratus, begiebt sich unter diesen und gelangt an dem distalen Theil des Vorderarmes zur Streckseite, wo sie bald endet. Die Mediana giebt auf ihrem weiteren Verlauf am Vorderarme einige Muskeläste zur umliegenden Muskulatur. Beachtenswerth er- scheint ein Ramus mediano-radialis. Dieser entspringt in der- selben Höhe wie der entsprechende Ast bei Crossarchus und nimmt denselben typischen Verlauf zur Sehne des Abductor pollieis. — Die Mediana theilt sich in der Hand in typischer Weise, zuerst geht der Ast für den Daumen, dann der für den Zeigefinger ab. Auf der rechten Seite entspringt die Collateralis uln. inf. sofort nach Abgang der Radialis superfic. und ist bedeutend stärker als links. Bei Bassarus.astuta Lichtst. konnte ich eine Mediana als Hauptarterie des Vorderarmes, sowie einen Ramus mediano-radialis konstatiren. Zu weiteren Untersuchungen war das Thier wegen gänzlich unbrauchbaren Zustandes nicht geeignet. Herpestes griseus. Fig. 6. Die Medianusschlinge liegt ziemlich hoeh an der Grenze der Achselhöhle. Der Medianus zieht am Oberarm medial von der Ar- 28* 428 Ernst Schwalbe terie, kreuzt sie unmittelbar vor dem Abgang der Radialis super- ficialis und durchzieht vor ihr den Canalis supracondyloideus. Am Unterarm liegt der Nerv medial (ulnar) von der Arterie. Sehr dicht oberhalb des Canalis supracondyl. wird N der Arterie die Radialis superfic. abgegeben. Die Radialis superfieialis (a.rad.sup.) sendet sofort nach ihrem Abgang mehrere Zweige ab. Radial verläuft ein Zweig zum Biceps und eine Nutritia humeri; ulnar ein Ast zum Anconaeus, der vor dem Ulnaris vorbeizieht (a.az.). Außerdem wird ulnar ein längerer oberflächlicher Ast abgegeben, der sich am Pronator teres und der Flexorenmasse oberflächlich ver- theilt (ef. Dasyurus). Der Stamm der Radialis superficialis zieht tiber den Biceps hinweg zur Radialrinne, giebt einen kleinen radialen Zweig für die darunter liegende Muskulatur. Etwas nach der Mitte des Unterarmes, nachdem ihr Volumen schon bedeutend reducirt ist, verlässt die Radialis-superf. diese Rinne und begiebt sich zur Dorsal- seite. Sie ist bis zur Dorsalseite des Daumens verfolgbar, jedoch besteht keine Anastomose mit dem Medianagebiet. Gleich nach Abgabe der Radialis superficialis giebt die Brachi- alis, noch vor Eintritt in den Canalis supracond., eine Collateralis ulnaris inferior ab (auf der Figur nicht sichtbar), die mit dem Nervus ulnaris sich zum Condylus begiebt. Nachdem die Arteria brachialis den Unterarm erreicht hat, zieht sie als A. mediana in Begleitung des Nervus medianus zur Vola manus. Sie giebt zunächst am Unterarm zugleich Interosseae und Ulnaris ab. Der Urspung dieser Arterien liegt auf der dorsalen Seite der Mediana. Die Interossea externa durchbohrt sofort die Membran und vertheilt sich an den Muskeln der Streckseite. Ihre Ausläufer sind nicht über die Mitte des Unterarmes verfolgbar. Die Interossea interna zieht auf der Membran zum Pronator quadratus, begiebt sich unter diesen, durchbohrt am distalen Ende die Membran und vertheilt sich dorsal am Handgelenk. Die Ulnaris ist nicht sehr stark, doch gut verfolgbar. Sie gelangt zum Nervus ulnaris und theilt sich in zwei Äste, von denen der eine der volaren, der andere der dorsalen Seite angehört. Der dorsale Ast ist bis zum Interstitium des vierten und fünften Fingers verfolgbar. Der volare Ast gelangt in die Vola und anastomosirt ganz fein mit der Mediana. Die Mediana giebt außer einigen Muskelästen einen größeren Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 429 radialen Ast etwa in der Mitte des Unterarmes ab, der einer Medi- ano-radialis (r.m.r.) entspricht. Dieser mediano-radiale Ast begiebt sich unter die Sehne des Abductor pollicis, gelangt -so zum Hand- rücken, um dann im ersten Interstitium metacarp. wieder zur volaren Seite überzutreten. In der Tiefe der Vola ist er bis zum Mittel- finger verfolgbar (Analogie mit dem tiefen Hohlhandbogen). Die Mediana gelangt zur Vola, giebt sofort einen radialen Ast für den Daumen ab und theilt sich weiterhin in die Digitales für die übrigen Finger. Die Digitales für Finger III und IV laufen eine Strecke vereint, erst im Interstitium phalang. findet die Theilung statt. Die Digitalis V bildet schon einen distalwärts konkaven Bogen und empfängt an ihrer Umbiegungsstelle phalangenwärts eine feine Anastomose der Ulnaris. Es ist hier also mit Sicherheit der mediano-ulnare Bogen vorhanden, der sich bei mensch- lichen Varietäten findet. | Galictis barbara. Die Medianusschlinge liegt vor der Arteria axillaris an der Grenze der Achselhéhle. Der Nervus medianus tritt vor und etwas ulnar von der Arterie durch das Foramen supracondyloideum. Ober- halb desselben giebt die Brachialis eine A. radialis superfie. ab, die nach Abgabe von Ästen zum Biceps und eines oberflächlichen Astes zu den Flexoren in der Radialrinne verläuft. — Das Haupt- gefäß des Unterarmes ist die Mediana, die einen sehr starken, typisch verlaufenden Ramus mediano-radialis abgiebt. Es ist bereits eine ziemlich gut ausgebildete A. ulnaris vorhanden. Interossea ex- terna und interna bieten den gewöhnlichen Befund. - Galietis vittata. Diese Form ist bereits von ZUCKERKANDL beschrieben, auf dessen Beschreibung ich also verweisen kann. Es ist ein Foramen supracondyloideum vorhanden, durch das der Nerv vor der Arterie hindurchtritt. Im Übrigen schließt sich Galietis an die marderartigen Thiere an. — Die Mediana giebt gleich am Anfang des Unterarmes einen gemeinsamen Stamm ab, von dem die Interossea externa und eine ziemlich wohl entwickelte Ulnaris geliefert werden. Es folgt der Abgang der Interossea int. von der Mediana. 430 Ernst Schwalbe Weiterhin giebt die Mediana einen gut entwickelten Ramus mediano-radialis ab. Eben so ist eine typische Radialis super- ficialis vorhanden. — An meinem Exemplar ist also dem ZUCKER- KANDL'schen gegenüber in so fern ein abweichender Befund festzu- stellen, als Interossea ext. und Ulnaris an meinem Exemplar gemeinsam entspringen und der mehr proximale Ast dieser Interosseo- ulnaris die Interossea externa war, während ZUCKERKANDL sagt: »Von der Armschlagader gehen der Reihe nach folgende Arterien ab: 1) eine mäßig starke Ulnaris, 2) die Interossea externa, 3) die Interossea interna.« Es kommen also auch bei diesen Formen Variationen vor. Putorius foetidus (Iltis). Eine Beschreibung der Arterien des Iltis findet sich in BARKow, Disquisitiones (4). Barkow beschreibt unter dem Namen der Ra- dialis sehr gut die Radialis superficialis, er giebt an, dass die Radialis superf. dorsal, nachdem sie 4 dorsale Interosseae abgegeben hat, mit einem dorsalen Ast der Ulnaris anastomosirt, und dass aus dieser Anastomose die dorsale ulnare Seite des 4. Fingers und die radiale des 5. Fingers versorgt werden. Auch erhellt aus BARKOW’s weiterer Beschreibung, dass er sehr genau die Verhältnisse des Iltis studirt hat. Die.A. mediana bezeichnet er nicht als solche, sondern bis zum Abgang der Mediano-radialis, die von ihm als »dorsaler Ast« bezeichnet wird, als Brachialis, dann als volaren Ast der Bra- chialis. Er beschreibt einen oberflächlichen Hohlhandbegen, der von diesem volaren Ast der Brachialis und der Ulnaris gebildet wird (mediano-ulnarer Bogen — Herpestes). — Nach meinen eigenen Unter- suchungen lasse ich die Beschreibung folgen. Die Medianusschlinge liegt oben in der Achselhöhle vor der Ar- terie, der Nervus medianus kreuzt am Oberarm die Arterie, indem er zuerst medial, dann vor der Arterie liegt. Er tritt mit der Arterie durch das Foramen supracondyl. Etwas oberhalb des Foramen wird eine Radialis superfi- cialis abgegeben, die den. Medianus kreuzt, dann über den Biceps zur Radialrinne verläuft. — Die Hauptarterie des Unterarmes ist die Mediana, die sich in der Vola theilt. Ein mediano-radialer ‘ Ast ist ausgebildet. Eben so findet sich eine mäßige Ulnaris. Die nterosseae bieten nichts Besonderes. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 431 An der linken Seite verläuft distal am Unterarm, etwas oberhalb ‘des Handgelenks, ein querer Ast von der Mediana zur Ulnaris, der beide Arterien verbindet. Da ich diesen Ast rechts nicht nachweisen konnte, eben so wenig bei einem zweiten Exemplar, so kann ich keinen besonderen Werth auf diesen Befund legen, der ja eine Zu- fallsbildung ohne morphologische Bedeutung sein kann. Jedenfalls steht der Befund vereinzelt da. Im Übrigen kann ich auf Barkow’s Beschreibung verweisen. Die nach alten Anschauungen gewählten Namen in BARKow’s Ab- handlung lassen sich ja leicht umformen. — Im Allgemeinen: liegen beim Iltis dieselben Verhältnisse vor, wie beim Stinkthier. Arctitis binturong. Fig. 7. Die Medianusschlinge liegt an der Grenze der Achselhöhle vor der Arterie. Am Oberarm liegt die Arterie medial vom Nervus medianus. Der Nerv kreuzt die Arterie etwas oberhalb des Canalis supracondyloid. Etwas-unterhalb der Mitte des Oberarmes giebt die Brachialis eine schwache Radialis superfieialis ab. Die Radialis superficialis (a.rad.s.) giebt Aste zum Biceps und ulnar zu den Flexoren einen Oberflächenast, gelangt dann in die Radialrinne. Etwa in der Mitte des Unterarmes tritt sie ganz zur Dorsalseite des Armes und ist bis zum Dorsum der Hand verfolg- bar. Sie versorgt die oberflächlichen Schichten des Armrückens und endet in der oberflächlichen Handfascie. Die Brachialis giebt nach der Radialis superf. sofort noch eine starke Collateralis ulnaris inferior (a.c.2.7.) ab. Am Unterarm zieht die Hauptarterie an der radialen Seite des Nerven bis etwa zum unteren Drittel, dann wendet sie sich radialwärts, gewinnt den typischen Verlauf der Mediano-radialis und tritt unter der Sehne des Abductor poll. zur Dorsalseite. Ein schwaches Astchen ist in Begleitung des ‚Nervus medianus noch eine Strecke weit distal verfolgbar. Wir haben hier also den Be- ‘ fund einer Mediano-radialis, wie er sich sonst nur bei den Katzen findet; das Ästchen, das den Nervus medianus distal begleitet, ist das Rudiment der Mediana. Man kann nach diesem Befund nicht mehr behaupten, die Mediano-radialis sei charakteristisch für die Felidae. ; Am Unterarm giebt die Mediano-radialis zunächst fast zu gleicher 432 Ernst Schwalbe Zeit die beiden Interosseae und die Ulnaris ab. Es liegt der Ur- sprung der Interossea externa am meisten proximal, der der Interossea interna am meisten distal. — Die Interossea externa durchbohrt sofort die Membran und verzweigt sich an der Muskulatur der Streck- seite. — Die Interossea interna begiebt sich unter den Pronator quadratus, durchsetzt dann distal die Membran und endet unmittelbar über dem Handgelenk. Die Ulnaris (a.«.) ist gut entwickelt. Sie zieht unter dem Flexor digg. direkt zum Nervus ulnaris und begleitet diesen bis zur Vola. .Sie giebt auf diesem Wege Zweige an die umliegende Mus- kulatur und theilt sich unmittelbar vor dem Handgelenk in zwei feine Aste. Der eine zieht unter der Sehne des Flexor carpi ulnaris dorsal und endet bald in der Muskulatur, der andere zieht mit dem Nerven zur Vola, um hier gleich nach Eintritt in die Vola als Muskel- ast zu enden. Die Versorgung der Finger geschieht von einer tiefen Arterie aus, die das Ende der Mediano-radialis darstellt. Die Mediano- radialis gelangt unter der Sehne des Abductor poll. zum Dorsum der Hand. Hier theilt sie sich in zwei Äste. Der schwächere Ast zieht im ersten Interstitium metacarp. dorsale nach vorn und ver- sorgt den Daumen, der also eine dorsale Versorgung erhält. — Der andere Ast tritt unter der Sehne des Extensor carpi rad. long., der sich am Metacarpale II inserirt, hindurch, verläuft zum Inter- stitium metacarp. II und tritt durch dasselbe zur Vola, nachdem er noch ein feines Ästehen zum Interstitium phalang. II abgegeben hat. — In der Vola erfolgt zunächst Abgabe eines feinen queren Astchens und sodann die Abgabe der einzelnen Digitales. Eine volare Daumen- arterie konnte ich nicht nachweisen. Ein Astchen verlief quer zum Daumen, verlor sich aber am periostalen Gewebe des Metacarpale. Im Übrigen erhalten die zugekehrten Seiten der Finger je einen Ast von einer Digitalis. Die auf der Tafel punktirte Digitalis konnte ich nicht finden, ihre Existenz scheint mir aber nach Analogie der anderen Digitales sicher. Zu bemerken ist noch, dass die Mediano-radialis in ihrer dis- talen (radialen) Strecke eine Art Wundernetz bildet; ein Ast verlässt sie, läuft eine Strecke neben der Hauptarterie, um dann wieder in diese zu münden (s. Figur). Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 433 Nasua soeialis. Die Medianusschlinge liegt in der Achselhöhle vor der Arterie. Der Medianus liegt am Oberarm Anfangs lateral, dann hinter, zuletzt medial und hinter der Arterie. Es ist ein sehr starkes Foramen supracond. vorhanden, das vom Nervus medianus allein durchsetzt wird. Die Arterie zieht vor dem Canalis supracondyl. zum Unterarm. Hier wird sie zur Mediana und giebt einen sehr starken mediano-radialen Ast ab, der unter dem Abductor poll. zur Dorsalseite der Hand tritt. — Wegen mangelnder Injektion konnte ich nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, ob die Mediano- radialis oder die fortgesetzte Mediana das Hauptgefäß des Unterarmes und der Hand ist. Doch erschien beim Abgang die Mediano-radialis allein injieirt. So scheint. mir nach Analogie mit Arctitis auch bei Nasua der mediano-radiale Typus vorhanden zu sein. Meiner Ansicht nach ist die Arterie auf der Strecke, auf welcher sie, den Nervem verlassend, vor dem Canalis supracondyloideus zieht, nicht einer Art. brachialis homolog. Offenbar ist hier ein »Collateral- stamm« im Sinne Ruge’s benutzt. Es ist mir nicht möglich, diesen Collateralstamm bei anderen Formen mit Foramen supracond. nach- zuweisen. Es ist aber zugleich durch diesen Befund bei Nasua eine Andeutung des Modus der Verlagerung der Arterie nach vorn ge- geben. Der Nerv ist dieser Verlagerung noch nicht gefolgt. Katze. Auch von der Katze existirt von BArKow (4) eine Beschreibung. Für die Katze existirt bereits die genaue Beschreibung von ZuCKER- KANDL. Ich kann dieselbe, wie ich schon in meiner ersten Arbeit erwähnte, durchaus bestätigen. Die Katze besitzt eine typische Mediano-radialis. Ich beschränke mich, indem ich auf die ZUCKERKANDL’sche Beschreibung verweise, hier auf einige wenige Ergänzungen, die ich an einem Exemplare gewonnen habe, bei dem die Injektion besonders gut gelang. Die A. radialis superf. gelangt aus der Radialvinnd zum Dorsum der Hand und giebt hier Aste fiir die Interstitien der Phalangen ab. Diese münden, wenigstens die Aste fiir Interstitium II—IV in die Digitales, welche aus dem tiefen Hohlhandbogen heraufziehen. — Das distale Rudiment der Mediana bildet eine rudimentäre Mediana- theilung in der Vola, und ich konnte nachweisen, dass diese distale 434 Ernst Schwalbe Medianatheilung sowohl mit Mediano-radialis als mit Ulnaris anasto- mosirt. Es wird von der Mediano-radialis, unmittelbar vor ihrem Durchtritt unter der Sehne des Abductor pollicis ein sehr feiner Ramus volaris superf. abgegeben, der genau den Verlauf des gleichen menschlichen Astes hat. Dieser geht die Anastomose mit der Mediana ein. — Wir haben also hier den Befund eines ganz rudimentären feinen Ulno-mediano-radialis-Bogens, wie er oft in guter Aus- bildung bei menschlichen Varietäten vorkommt. Bemerkenswerth ist, dass bei demselben Exemplare, dessen Hohlhandbogen ich eben schilderte, der Nervus medianus die Arterie des Unterarmes rechts erst viel weiter distal verlässt, als links. Löwe und Tiger bieten nach ZUCKERKANDL’s Untersuchungen einen im Wesentlichen mit der Katze übereinstimmenden Befund. Beide folgen dem Mediano-radialis-Typus. Hund. Auch der Hund ist naturgemäß oft beschrieben worden. Barkow (4) giebt eine recht kurze Beschreibung. Auch die Beschreibungen, welche sich in den für das thierärztliche Studium bestimmten Hand- büchern finden, genügen nicht. ZUCKERKANDL hat eine Beschreibung geliefert, der ich mich anschließe. Ich kann seine Befunde bestätigen. Sonderbar ist beim Hund der Befund der Interossea interna, die sehr stark entwickelt ist und den tiefen Hohlhandbogen durch ihre Verzweigung ersetzt. Die Medianusschlinge liegt beim Hund unter der A. radialis super- fieialis, diese Arterie reitet gewissermaßen auf der Medianusschlinge. Die A. radialis superf. wird am unteren Drittel des Oberarmes ab- gegeben. Die Medianusschlinge liegt also auffallend tief. Ein Foramen supracondyloideum existirt nicht. Auch bei einem Fuchs konnte ich mich von dem Tiefliegen der Medianusschlinge überzeugen. Zusammenfassung und Vergleichung. Die Carnivoren besitzen im Allgemeinen als Hauptgefäß des Unterarmes eine ausgebildete Mediana. Eine Ausnahme machen die Katzen und Arctitis, vielleicht auch Nasua. Diese besitzen eine Mediano-radialis als Hauptgefäß des Unterarmes. Dieser Befund ist Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 435 also nicht absolut auf die Katzen beschränkt, sondern kommt auch bei gewissen Bärenarten vor. Aber auch die Carnivoren, welche Medianatypus besitzen, stellen diesen nicht mehr in der reinen Form dar wie die Beutelthiere. Die A. ulnaris erscheint zwar oft noch schwach, aber durchgehends doch weit bedeutender ausgebildet als bei den Beutelthieren. Eine sehr wichtige Form ist Herpestes. Hier konnte ich mit Sicherheit eine Betheiligung der schwachen Ulnaris an der oberflächlichen Hand- versorgung, die Bildung eines mediano-ulnaren Bogens nachweisen. Durch diesen Befund bei Herpestes ist ein Fingerzeig gegeben, wie allmählich sich die Umwandlung der Medianatheilung in den Zustand, der beim Menschen Regel ist, vollzog. Noch ist die Mediana das Hauptgefäß für die Blutversorgung der Finger. Der schwache Blut- strom, der den Fingern aus der feinen Ulnaris zufließt, kommt kaum in Betracht. Aber der erste Schritt zur Umwandlung ist geschehen, eine, wenn auch geringe Betheiligung der Ulnaris ist vorhanden, und schrittweise wird die Ulnaris erobernd vorgegangen sein nach dem Gesetz des Kampfes der Theile im Organismus selbst. Die Gesetze aber, nach denen dieser Kampf vor sich geht, die Faktoren, welche im speciellen Fall eine Änderung der Arterienversorgung bewirkt haben, sind schwer festzustellen, und ich muss es weiteren Forschungen überlassen, hierüber nähere Aufklärung zu schaffen. — Solche Be- funde wie bei Herpestes werden sich übrigens noch bei manchen anderen Carnivoren nachweisen lassen. Ja es könnte sein, dass auch bei von mir untersuchten Arten, für welehe ich einen solchen mediano-ulnaren Bogen nicht beschrieben habe, sich ein solcher doch in feiner Ausbildung findet. Barkow scheint einen mediano-ulnaren Bogen beim Iltis gesehen zu haben. Es bietet sich hier die Gelegen- heit, darauf hinzuweisen, dass nicht bei allen Thieren die Injektion in gleicher Weise gelingt, das Gelingen auch vom Zustand des Materials abhängig ist, und dass es desshalb nicht wohl zu verlangen ist, dass bei allen Thieren jede Einzelheit mit gleicher Genauigkeit gesehen wird. Wäre die Injektion überall so gut gelungen, wie z. B. bei der Katze, so hätte ich vielleicht öfter einen mediano-ulnaren Bogen beschreiben können. Doch genügt ja der eine Befund, um eine Überleitung zu geben. Für die marderartigen Thiere und eben so beim Hunde findet sich ein etwa in der Mitte des Unterarmes abgehender mediano- radialer Ast sehr konstant. Ich fand denselben unter den Beutel- thieren bei Phalangista und zwar von einem Nerven begleitet. Diesen Nerven habe ich bei den Carnivoren nicht nachgewiesen. Doch ist 436 Ernst Schwalbe es wichtig, dass auch diese Arterie einst einer Nervenbahn folgte. Dieser mediano-radiale Ast stellt eine der menschlichen Radialis ganz analoge Bildung dar. Ist er vorhanden, so erscheint die Radialis superfie. weniger ausgebildet (Crossarchus, Mephitis etc.). Es hat hier also ein in der Mitte des Unterarmes abgehender Ast allmählich das Gebiet der Radialis superfieialis übernommen. Denkt man sich die Radialis superf. ganz zurückgebildet, so hat man einen Zustand, dessen Analogie mit dem menschlichen einleuchtet. Es ist dann eine Radialis vorhanden, die nur etwas tiefer entspringt als die menschliche. Dieser Typuskommt thatsächlich vor und zwar beim Bären, bei welchem ZUCKERKANDL das Fehlen der »Radialis« hervorhebt. Er giebt an, die Radialrinne sei leer, es scheint danach also keine Radialis super- ficialis vorhanden zu sein. — Dieser Befund ist wichtig, weil er zeigt, von wie verschiedenen Arterientypen dasselbe Gebiet bei verschiedenen Thierklassen versorgt werden kann. Der ursprüngliche Typus ist die Radialis superficialis, es haben sich zum Ersatz derselben nach zwei verschiedenen Richtungen in verschiedenen Thierklassen einerseits der mediano-radiale Ast des Bären, andererseits die Radialis des Menschen entwickelt. Aus den Formen, welche einen mediano-radialen Ast be- sitzen, ist andererseits die ausgebildete Mediano-radialis als Hauptgefäß des Unterarmes unter Rückbildung der Mediana hervorgegangen! - (Felidae, Arctitis). Für die Entstehung der Mediano-radialis haben wir also eine schöne Entwicklungsreihe. Gehen wir vom Mediana- typus aus, so geht die Entwicklungsreihe über Phalangista zu den marderähnlichen Thieren (Crossarchus etc.) und weiter zu den Katzen und Arctitis. Wie genau die rudimentären Organe oft die alten Zu- stände der Vorfahren bewahren, kann man ausgezeichnet an der noch so typischen Handvertheilung der so ganz rudimentären A. mediana bei der Katze sehen, wie ich es oben beschrieben habe. Wenn wir gesehen haben, dass sich einige allgemeine Regeln über die Arterienversorgung und den Arterienverlauf der Carnivoren aufstellen lassen, so müssen doch einige Befunde auffallen, die außerhalb der Reihe zu stehen scheinen. So ist der Interosseabefund? 1 ZUCKERKANDL hat bereits die Ableitung des mediano-radialen Typus der Katzen vom Medianatypus vermittels des Ramus mediano-radialis betont. 2 Es wird mir nicht ganz klar, wie die Interossea des Bären verläuft. ZUCKERKANDL giebt an: >»Die Interosseae des Bären verhalten sich typisch.« — Da er aber gesagt hat, die Arterien des Bären hätten große Ähnlichkeit mit denen des Hundes, so erscheint es möglich, dass auch für die Interosseae ein solcher hundeähnlicher Befund vorliegt. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 437 des Hundes, den ZUCKERKANDL in einer schönen Tafel abbildet, und den auch ELLENBERGER und Baum beschreiben, ein alleinstehender, der sich aus den Befunden, die Andere und ich bei Carnivoren ge- habt haben, nicht erklären lässt. Nach den ZUCKERKANDL’schen Untersuchungen über die Bedeutung der Interossea als ursprüng- lichstes Hauptgefäß des Unterarmes könnte man meinen, dass hier ein atavistischer Rückschlag erfolgt sei, dass die Interossea wenig- stens theilweise wieder zu ihrer alten Bedeutung gelangt sei und, wie es ja früher geschah, die Vola manus versorgt. — Auch die Lagerung der Medianusschlinge erscheint beim Hund auffallend. Eben so ist der Hund von allen von mir untersuchten Formen der Carnivoren die einzige, welche keinen Canalis supracondyl. besitzt. — Eben so ist es unter den Carnivoren eine ganz vereinzelt dastehende Thatsache, dass bei Nasua die Arterie vor dem Canalis supracondyl. verläuft. Bei Aretitis, einer ziemlich nahestehenden Form ist dieser Befund nicht vorhanden. Wir werden aber dasselbe Verhalten wie bei Nasua noch bei Lemur catta antreffen. Prosimier. Über die Prosimier finden sich in der Litteratur nur wenige Notizen. MECKEL (l. e.) giebt an, dass bei Lemur die Brachialis schon am Oberarm in ihre beiden Vorderarmäste zerfällt. Unter den Thieren, bei denen die »Brachialis oder Ulnaris den Canalis supracondyl. durchsetzen«, führt er auch die Makis auf. Hyrrt (I. e.) giebt eine genaue Beschreibung und Abbildung von Lemur rufus und eine kürzere Beschreibung von Otolicnus senegalensis. Bei Lemur rufus scheinen die Verhältnisse ähnlich zu liegen wie bei Lemur varius. HyrTL unterscheidet bei Lemur rufus eine A. mediana superior und inferior. Es scheint da etwas Ähnliches vorzuliegen, wie ich bei Stenops gefunden habe. Die Mediana inferior soll ein Ast der Radialis superficialis sein. Nur ist eine Anastomose der Mediana superior und inferior, ein Befund, der dem von Stenops ent- sprechen würde, bei HykrL nicht verzeichnet. Doch kann ich weder aus der Hyrru’schen Beschreibung noch Abbildung ersehen, wo die Mediana superior enden soll. Trotzdem HyrrrL, wie ich bereits hervorhob, die Wichtigkeit des Verhältnisses des Arterienverlaufes zu begleitenden Nerven erkannt hat, sagt er in diesem Falle: Eigent- lich müsse die Brachialis schon in ihrem Verlauf durch den Canalis supracond. als Ulnaris bezeichnet werden, da Radialis und Mediana 438 Ernst Schwalbe abgegeben seien. Trotzdem sagt er selbst, dass die Arterie in Be- gleitung des Medianus den Kanal durchsetze. Hier also zeigt HYRTL eine entschiedene Inkonsequenz. — Die weitere Angabe Hyrrr's, dass bei allen Halbaffen zwei Arterien den Canalis supracond. durch- setzen, ist in dieser Verallgemeinerung nicht richtig. Otolienus sene- galensis wird von HyRTL nur kurz beschrieben, doch scheint es mir nach der Beschreibung, dass eine Ulnaris und eine Radialis super- ficialis bei dieser Form vorhanden sind. ZUCKERKANDL (I. ec.) hat Lemur varius, Lemur mongoz, Lemur catta beschrieben. Meine Untersuchungen erstreckten sich auf Lemur Macaco, Lemur catta und Stenops tardigrada. Lemur Macaco. Fig. 8. Die Medianusschlinge liegt hoch oben in der Achselhöhle, lateral von der Arterie. Am Oberarm verläuft der Nervus medianus erst lateral, dann hinter der Arterie. Die Arteria brachialis (a.br.) giebt eine nicht sehr starke Profunda am Oberarm ab, bald darauf einen Zweig, der sich lateral vor dem Medianus zum Biceps begiebt (r.b.). Bald nach Abgabe dieses Bicepsastes giebt die Brachialis etwa in der Mitte des Oberarmes eine starke Radialis superficialis ab, um sich nach weiterem Verlauf vor dem Nervus medianus in den Canalis supracondyl. zu senken. Die Radialis superficialis (a.rad.s.) quert den Nervus me- dianus, darauf den Biceps, wobei sie diesem einen Zweig abgiebt, und gelangt dann in die Radialrinne. Ungefähr in der Mitte des Unterarmes spaltet sie sich in einen oberflächlichen (auf der Figur allein sichtbaren) und tiefen Ast (volaren und dorsalen Ast). Der oberflächliche Ast verläuft weiter in der Radialrinne und gelangt zu dem Interstitium interosseum metacarp. I. Dieses durchbohrt er, nachdem er einen volaren Ast zur radialen Daumenseite abgegeben hat. Er gelangt zur Dorsalseite. Hier versorgt er ulnare Daumen und radiale Zeigefingerseite. — Der tiefe Ast liegt tief im Binde- gewebe, verläuft jedoch nur durch Bindegewebe vom oberflächlichen Ast getrennt zur Sehne des Abductor pollieis. Unter dieser tritt er . zur Dorsalfläche der Hand, theilt sich an der Basis des Metacarpale II in zwei Äste. Von diesen versorgt der eine die zugekehrten Seiten von Finger II und III, der andere die übrigen Finger dorsal. ". Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 439 Die Arteria brachialis liegt nach Durchtritt durch den Canalis supracondyloideus in der Ellenbeuge vor dem Ansatz des Biceps. Der Nerv liegt radial. Einige kleine Äste werden an die um- sebende Muskulatur abgegeben. Dann erfolgt eine Theilung. Volar trennen sich Mediana und Ulnaris, dorsal wird ein Stamm abgegeben, der sofort in die Interosseae zerfällt. Die Ulnaris (a.«.) ist die stärkste Arterie und stellt die Haupt- versorgung des Unterarmes dar. Sie gelangt sofort zum Nervus ulnaris, giebt einige kleine Ästchen an die umgebende Muskulatur und zieht ulnar vom Nervus ulnaris zur Vola. Die Mediana ist bedeutend schwächer als die Ulnaris, sie zieht ulnar vom Nervus medianus zur Vola. Die Interossea externa ist schwach entwickelt. Die Interossea interna zieht zum Pronator quadratus, be- giebt sich unter denselben und gelangt dann distal zur Dorsalseite. Sie wird über dem Handgelenk oberflächlich. Sie vertheilt sich oberhalb des Handgelenks. An der Dorsalversorgung der Hand nimmt sie nicht Theil. In der Vola findet sich ein typischer mediano-ulnarer Hohl- handbogen, der sehr an gewisse menschliche Varietäten erinnert. Die Ulnaris bildet hier die Hauptarterie, doch ist der Antheil der Mediana an der Blutversorgung auch nicht unbedeutend. Eine sehr feine Anastomose zwischen Radialis superfieialis und Mediana konnte ich nachweisen, doch entsprach diese Anastomose nicht dem Ramus volaris superficialis arteriae radialis, sondern lag tiefer. Von dem Hohlhandbogen werden alle Finger von I ulnar bis V auf der volaren Seite versorgt. Lemur eatta. Von dieser Art existirt eine Beschreibung von ZUCKERKANDL. Die A. radialis superficialis entspringt an der Grenze des Oberarmes und verhält sich im Wesentlichen wie bei Lemur Macaco. Das Verhältnis der A. brachialis und des Nervus medianus hat schon ZUCKERKANDL hervorgehoben. Der Nery verlässt am Oberarm die Arterie und begiebt sich in den Canalis supracondyloideus, während die Arterie über den Kanal hin fortzieht. Was die Bedeutung der Arterie betrifft, die wir wohl auf. dieser Strecke kaum als eine der gewöhnlichen Brachialis homologe Bildung ansehen dürfen, so gilt ‚ das bei Nasua Gesagte. Die ZUCKERKANDL’sche Beschreibung der Arterien von er 440 Ernst Schwalbe catta kann ich bestätigen. Zur Ergänzung möchte ich hinzufügen, dass ein tiefliegender Hohlhandbogen,zu Stande kommt, indem ein Zweig des dorsalen Astes der Radialis superfieialis, der über das Interstitium metacarpale II zieht, sich durch dieses Interstitium zur Vola begiebt und mit dem tiefen Ast der Ulnaris verbindet. Auch möchte ich hervorheben, dass bei Lemur catta ein dem menschlichen sehr ähnlicher Arcus volaris sublimis existirt, da ich eine deutliche Anastomose des volaren Astes der Radialis superfieialis mit der Ulnaris, welche die Hauptarterie des Unterarmes darstellt, nachweisen konnte. Für die Vertheilung der Digitales, den Verlauf der Inter- osseae verweise ich auf die Beschreibung von Lemur Macaco. Die A. mediana ist bei Lemur catta sehr rudimentär, so dass der Ulnaris noch weit mehr die fast ausschließliche Versorgung des Unterarmes zukommt als bei Lemur Macaco. Jedoch konnte ich die Mediana als ganz feines Ästchen bis zum Handgelenk nachweisen, und es schien mir, als ob sie auch ganz fein in den Hohlhandbogen miinde. Doch konnte ich die letzte Strecke vom Handgelenk bis zum Hohlhandbogen nicht mit Sicherheit nachweisen. Bei Otolienus Galago (Galago senegalensis) konnte ich, da das Thier nicht injieirt war, nur nachweisen, dass die Ulnaris die Hauptarterie des Unterarmes ist. Stenops tardigrada. Stenops zeigt die ausgezeichnetsten Wundernetze am Oberarm. Die Medianusschlinge liegt hoch in der Achselhéhle. Am Oberarm wird der Nervus medianus gänzlich von dem Wundernetzgeflecht der A. brachialis bedeckt. Dieses Wundernetzgeflecht setzt sich haupt- sächlich in die Radialis superficialis fort, die Brachialis wird nach Abgabe der Radialis superficialis mehr zu einem einheitlichen Stamm redueirt und tritt mit dem Nervus medianus durch das Foramen supracondyloideum. Vorher giebt sie noch die Collateralis ulnaris inferior ab, die gleichfalls noch ein Wundernetzgeflecht zeigt. Die Radialis superficialis reducirt sich am Unterarm zu einem einheitlichen Gefäß, das in oberflächlichen und tiefen Ast (volaren und dorsalen Ast) zerfällt. Die Ulnaris ist das Hauptgefäß des Unterarmes und liefert die Handversorgung. Sie wird von einer kleinen A. comitans als Rest der Wundernetzbildung begleitet. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 441 Die Mediana ist rudimentär. Sie ist am proximalen Theil des Unterarmes sehr schwach, empfängt aber in der Mitte des Vorder- armes durch einen Ast der Radialis superficialis Verstärkung. Den- noch gelangt sie nicht zur Hand. Die Interossea interna befindet sich in Begleitung des gleich- namigen Nerven. Die Wundernetzbildung bei Stenops ist schon lange bekannt. Schon Stannıus (28) erwähnt dieselbe. In GEGENBAUR’s (11) Grund- zügen wird die Wundernetzbildung bei Stenops ebenfalls angeführt. Für die Entstehung der Wundernetze ist meines Wissens noch keine befriedigende Erklärung gegeben. Es bietet sich für die Erklärung die Schwierigkeit, dass einzelne Formen in einer Thierklasse Wunder- netze besitzen, während andere nahe Verwandte derselben Klasse, die auch in der Lebensweise übereinstimmen, kein Wundernetz haben. ‚Zusammenfassung und Vergleichung. Betrachten wir die Prosimier als Klasse für sich, so lässt sich sagen, dass der Medianatypus bei ihnen geschwunden ist, dass man vielmehr jetzt von einem Ulnaristypus reden könnte. Die Ulnaris ist bei Weitem die bedeutendste Arterie des Unterarmes und ver- sorgt fast ausschließlich die volare Seite desselben. Doch auch in dieser Klasse findet sich verschiedene Ausbildung der Arterien. Am besten ist die Mediana noch bei Lemur Macaco ausgebildet, und hier kommt ein mediano-ulnarer Hohlhandbogen zu Stande, bei welchem jedoch die Ulnaris die Hauptrolle spielt. Der Medianabefund bei Stenops erinnert an den Befund des Truncus communicans bei Hal- maturus. Bei Lemur catta ist die Mediana noch rudimentärer als bei Stenops. Die Radialis superfieialis findet sich in guter Ausbildung. Sie theilt sich in zwei Äste. Den tiefliegenden Ast bezeichnet ZUCKERKANDL direkt als Radialis profunda. Wenn damit gesagt werden soll, dass dieser Ast in seinem ganzen Verlauf der Radialis des Menschen homolog zu setzen sei, so erscheint mir diese Bezeich- nung als nicht ganz treffend. Ein Gefäß, das der Radialis des Menschen homolog sein soll, muss unter allen Umständen, meiner Meinung nach, aus der Brachialis entspringen. Dass dieser Ast den Weg vorzeichnet, den die menschliche Radialis nimmt, will nicht viel sagen, das thut die Radialis superficialis vieler niederer Säuge- thiere in ihrer distalen Strecke auch, ich brauche beispielsweise nur Morpholog. Jahrbuch. 23. 29 442 Ernst Schwalbe an Halmaturus zu erinnern. Aber eine Überleitung zu menschlichen Befunden wird allerdings durch den erwähnten Verlauf des Radialis- astes gegeben. Der tiefliegende Hohlhandbogen kommt durch einen Ast der A. radialis superfieialis und einen Ast der Ulnaris zu Stande. Er ist bei Lemur catta besprochen. Zusammenfassung der Ergebnisse und Vergleichung. Nachdem wir die drei Thierklassen, deren Vertreter wir unter- suchten, für sich betrachtet und bei jeder einzelnen Klasse eine vergleichende Betrachtung angestellt haben, erwächst uns die Auf- gabe, die Beziehungen der drei Klassen zu einander festzustellen und zu versuchen, ob sich ein Anschluss an niedere Formen einer- seits und an höhere Formen, speciell den Menschen, andererseits finden lässt. Offenbar sind ja die Medianatheilung in der Hohlhand, wie sie sich bei Beutelthieren findet und der Arcus volaris sublimis des Menschen zwei ganz verschiedene Zustände. Ich kann ZuCkKER- KANDL nicht zustimmen, wenn er von der Medianatheilung bei Ge- legenheit der Beschreibung von Macropus giganteus sagt: »Diese. dem Arcus volaris sublimis entsprechende Gefäßformation will ich, trotzdem hier, wie in allen folgenden Fällen ein arkadenartiger Ab- schluss der Arterie nicht zu Stande kommt, doch als oberfläch- lichen Hohlhandbogen bezeichnen, weil, wie wir sehen werden, ihre Homologie mit dem Arcus sublimis der menschlichen Hand keinem Zweifel unterliegt.« Auch später weist ZUCKERKANDL aus- drücklich auf die Homologie beider Bildungen hin. Diese Homologie ist meiner Ansicht nach nicht vorhanden. Ich will auf den bogen- förmigen Abschluss kein großes Gewicht legen, aber ich glaube nicht, dass man die Endtheilung einer einzelnen Arterie der ana- stomosenbildenden Endtheilung zweier ganz verschiedener Arterien homolog setzen kann. Ich meine, hier könnte man höchstens von einer Analogie, jedenfalls nicht einer kompleten Homologie sprechen. Dass vielleicht im menschlichen Hohlhandbogen ein distaler Rest der Mediana enthalten ist, habe ich in meiner ersten Arbeit hervor- gehoben, doch ist das ja eine andere Sache. Ich glaube, dass die Medianatheilung in der Vola und der Arcus volaris sublimis des Menschen zwei verschiedene Bildungen darstellen, und dass es eine Aufgabe der vergleichenden Anatomie ist, beide Zustände durch Übergangsformen zu verbinden. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien etc. 443 In Bezug auf die Unterarmarterien stellen die Beutelthiere unter den untersuchten drei Thierklassen den primitivsten Zustand dar. Sie haben den ausgesprochensten Medianatypus. Die Carnivoren zeigen schon eine größere Annäherung an höhere Formen, sie leiten einerseits zu den Halbaffen über, andererseits zeigen sie auch eine einseitige, für sich stehende Entwicklung von Beutelthierzuständen (Mediano-radialis). Die Halbaffen endlich bieten für das Verständnis höherer Formen Anknüpfungspunkte. Sie zeigen schon eine aus- gebildete Ulnaris. Wir können wohl bemerken, dass, je mehr die Mediana redueirt wird, desto bedeutender die Ulnaris sich entwickelt, dass ein alternirendes Verhalten in der Ausbildung beider Gefäße besteht. Die Formen mit ausgebildeter Ulnaris stehen ohne Zweifel dem Menschen näher und es lässt sich so eine Entwicklungsreihe auf- stellen von dem Befund der ausgebildeten Mediana bis zu dem ihrer fast völligen Reduktion etwa in folgender Weise: I. Ausgebildete Mediana. Medianatheilung in der Vola. Die Mediana versorgt sämmtliehe Finger. — Art. ulnaris fehlt oder ist außerordentlich rudimentär: Dasyurus, Halmaturus, — Macropus Benetti (nach ZUCKERKANDL). II. Ausgebildete Mediana. Typische Medianatheilung in der Vola. — Ulnaris vorhanden, erreicht jedoch die Hohlhand nicht: Mephitis, Galietis vittata, — Viverra (nach ZUCKERKANDL). III. Ausgebildete Mediana. Typische Medianatheilung in der Vola. A. ulnaris vorhanden, erreicht die Vola, anastomo- sirt mit der Mediana, so dass ein mediano-ulnarer Bogen zu Stande kommt, so jedoch, dass die Mediana bei Weitem das Haupt- gefäß darstellt: Herpestes. IV. Mediana reducirt. Ulnaris gut ausgebildet. In der Vola mediano-ulnarer Bogen, so jedoch, dass die Ulnaris das stärkere Gefäß darstellt: Lemur Macaco. V. Die Ulnaris ist das Hauptgefäß des Unterarmes. Die sämmt- lichen Fingerarterien werden von der Ulnaris abgegeben. Mediana reducirt, erreicht die Hohlhand nicht: Lemur catta, — Le- mur varius (nach ZucKERKANDL), Lemur rufus (nach Hykın). — Die Reihe könnte nicht vollständiger sein. Vergleichen wir nun damit die höheren Zustände bei Affen und Menschen, so finden wir, dass der Ulnaris die Hauptrolle in der Bildung des Arcus volaris sublimis verbleibt. Es betheiligen sich an der Bildung eines Arcus volaris sublimis beim Menschen die 29* 444 Ernst Schwalbe Radialis, bei Affen die Radialis, eventuell die Radialis superficialis. Bei niederen Affen, bei Hapale rosalia, Lagothrix! Humboldtii trägt die A. radialis superficialis zur Bildung des Hohlhandbogens bei und von diesem Hohlhandbogen werden sämmtliche Fingerarterien abge- geben, während beim Menschen bekanntlich die A. princeps pollieis und die A. volaris indieis radialis aus dem tiefen Hohlhandbogen entspringen. Denselben Befund wie der Mensch scheint der Orang darzu- bieten. Es fragt sich nun, wie der Befund des Menschen an die niederen Befunde angeschlossen werden kann. Man kann da zwei Möglichkeiten annehmen. Entweder war bei Vorfahren des Menschen ein solch ausgebildeter Ulnaristypus wie bei den Lemuren einmal vor- handen, sekundär gewann die Radialis — sei es nun die Radialis superficialis oder Radialis propria — Verbindung mit der Ulnaris, es bildete sich ein Zustand, wie er jetzt etwa bei Hapale gefunden wird. Durch Anastomose mit dem tiefen Hohlhandbogen kam dann der endgültige Zustand des Menschen zu Stande. Ich muss jedoch bemerken, dass diese Reihe unvollkommen ist, da Hapale kein voll- kommenes Übergangsglied darstellt. Bei Hapale wird nämlich der Hohlhandbogen nicht durch einen Ramus volaris superf. der Radialis superf., sondern durch einen tieferen Ast gebildet, wie aus der Figur ZUCKERKANDL'S hervorgeht. Oder zweitens, es wäre möglich, dass Vorfahren des Menschen den ausgebildeten Ulnaristypus von Lemur nie besessen haben. Ich habe mit Sicherheit eine Anastomose der A. mediana mit einem Ramus volaris superf. art. rad. (superf.) beim Känguru nachweisen können. Dieser Ramus volaris superfieialis ist also eine sehr alte Bildung. Auch die Katze ließ einen solchen Ramus vol. superf. als radialen Ast des sehr redueirten oberflächlichen Hohlhandbogens deutlich erkennen. Stellen wir uns nun vor, dieser Ramus vol. superf. sei konstant geblieben in der Ahnenreihe des Menschen, im Übrigen sei die ! ZUCKERKANDL bezeichnet bei Lagothrix Humboldtii eine Arterie, die BAYER (5) als Brachialis superficialis beschrieben hat, einfach mit »Radialis<. Da ZUCKERKANDL mit »Radialis« im Allgemeinen die Radialis profunda des Menschen oder ein ihr homologes Gefäß bezeichnet, während er die Brachialis superficialis BAYEr's Radialis superficialis nennt, so scheint hier eine Verschie- denheit der Angaben vorzuliegen. Doch geht aus der Beschreibung ZUCKER- KANDL’s hervor, dass es sich in diesem Falle um eine Radialis superficialis handelt, und dass sein Befund mit dem Bayver’schen vollständig übereinstimmt. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 445 Reduktion der Mediana und das Auftreten des mediano-ulnaren Bogens in der geschilderten Weise erfolgt. Dann werden wir einen Zustand erhalten, der dem bei Lemur Macaco entspricht, wenn wir uns bei diesem Befund noch die erwähnte Anastomose des’ mediano- ulnaren Bogens mit dem Ramus vol. superf. hinzudenken. Von diesem Zustand ist dann leicht der menschliche abzuleiten. Es würde für den menschlichen Zustand die Entwicklungsreihe bis Lemur Macaco gelten, von da an fehlen die Zwischenformen. Dieselben sind uns aber in menschlichen Varietäten gegeben, bei denen sich bisweilen ein mediano-ulnarer Bogen, sowie eine Ana- stomose dieses Bogens mit dem Ramus vol. superf. art. rad. findet. — Die Versorgung des Daumens und der radialen Zeigefingerseite durch die A. princeps pollieis und die A. volaris indieis radialis ist jeden- falls erst eine sehr späte Änderung. Sehr interessant ist es, die thierischen Befunde mit den mensch- lichen Varietäten zu vergleichen. Es findet sich eine überraschende Übereinstimmung. Ich kann hierfür auf meine frühere Arbeit ver- weisen. ‘Der mediano-ulnare Bogen wird häufig als menschliche Varietät gefunden, eben so ein ausgebildeter Medianatypus. — Dass man auch eine Mediano-radialis als Varietät beim Menschen findet, und welche Bedeutung diesem Befund beizumessen ist, habe ich eben so in meiner ersten Arbeit dargethan. — Unter den thierischen Befunden bin ich auf keinen Fall gestoßen, in dem die Ulnaris den größeren Theil der Finger versorgt, während die Mediana die Ver- sorgung von Daumen und Zeigefinger (radial) beibehalten hat. Es ist dies ein für menschliche Varietäten typischer Befund. Aber es ist auch durchaus nicht zu erwarten, dass eine vollständige Ent- wicklungsreihe unter den Thieren sich auffinden lässt, die auch ganz der Reihe der menschlichen Varietäten entspricht. Erstens kann es sehr wohl noch Thiere geben, welche eine nähere Aufklärung ver- schaffen und den menschlichen Varietäten mehr entsprechen. _ Ver- hältnismäßig sind ja die Untersuchungen noch sehr lückenhaft, und wie sehr selbst nahe Verwandte unter einander verschieden sind, wird durch den verschiedenen Befund bei Lemur Macaco und Lemur catta dargethan. Dann aber brauchen auch durchaus nicht alle Übergangsformen erhalten zu sein. Man muss eben beides kombi- niren, thierische Befunde und menschliche Varietäten, um sich die allmählichen Wandlungen, die der Arterienverlauf durchgemacht hat, vorzustellen. In allen untersuchten Formen sehen wir eine Radialis super- 446 Ernst Schwalbe ficialis ausgebildet mit ganz wenigen Ausnahmen. Die Radialis superfieialis ist offenbar eine sehr alte Bildung, deren Funktion später durch andere Arterien, einerseits durch die Mediano-radialis, anderer- seits durch die Radialis des Menschen ersetzt wurde. Bei allen von mir untersuchten Formen war die Ursprungshöhe ziemlich dieselbe, etwas unterhalb der Mitte des Oberarmes, eine Strecke oberhalb des Canalis supracondyl. in den Fällen, wo dieser vorhanden war. Bei‘ einigen Affen entspringt nach BAYER (5) die Radialis superficialis in der Achselhöhle über der Medianusschlinge, eben so in Fällen mensch- licher Varietäten nach Ruse (26). ‘Wir können also eine A. radialis superfieialis superior und inferior unterscheiden. Jedenfalls sind beide Arterienursprünge so verschieden, dass man auch die Arterien als ganz verschieden ansehen muss. Man könnte das distale Stück vielleicht in beiden Fällen als homolog ansehen und ‚sich den ver- schiedenen Ursprung als durch Collateralkreislauf (RuGE) entstanden denken. Von beiden Arterien existiren beim Menschen Rudimente. Das Rudiment der A. radialis superf. inf. wird durch den Bicepsast beim Menschen repräsentirt, der etwa in der Mitte des. Oberarmes quer vor dem Nervus medianus zum Biceps verläuft. Das Rudiment der A. rad. superf. super. wird durch ein kleines Ästchen, das auf der Medianusschlinge, »reitet«, repräsentirt. Es ist auch nicht selten (s. BAYER, Ruge). Interessant ist der Befund des Hundes, welcher eine relativ weit distal entspringende Radialis superf. sup. besitzt. Doch bleibt es zweifelhaft, wie man sich die Verknüpfung . beider Arterienarten vorstellen soll. Könnte man doch vielleicht behaupten, dass die A. rad. superf. sup. die ältere Bildung darstelle, da die . Hand der Affen in mancher Beziehung niedere Zustände darstellt, als die Hand der Beutelthiere (Opponirbarkeit des Daumens). Doch wird, wenn wir die übrigen Arterienbefunde in Betracht ziehen, es allerdings wahrscheinlich, dass die A. rad. superf. inf., welche mit dem ausgebildeten Medianatypus zusammen vorkommt, die ältere Bildung darstellt. Bayer (l.e.) erwähnt die Möglichkeit, dass »wir es bei der Wanderung des Ursprungs der Gefäße mit einem doppelten Process zu thun haben«, dass wir also die drei Fälle: 1) der Rad. superf. inf., 2) der A. rad. superf. sup., 3) der menschlichen A. radialis in der gegebenen Reihenfolge, wollen wir sie nach dem Alter ordnen, anführen müssen. Er hält also auch die Rad. superf. inf. für die ältere Bildung. Ich kann dieser Ansicht nur vollkommen beistimmen. Wir haben aus den vorliegenden Beschreibungen gesehen, dass die Radialis superficialis in den Fällen, in denen andere Arterien Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien ete. 447 für sie eintraten, eine Rückbildung erleidet. Ich will diese Ent- wicklung in die Form einer Tabelle zu bringen suchen, man wird aus dieser Tabelle zugleich die Entwieklungsreihe der Mediano-radi- alis ersehen, über die das Nöthige bei den Carnivoren gesagt ist. Ausgebildete A. radialis superf. — Halmaturus, Dasyurus. Reihe I. Reihe II. ‘Allmähliche Ausbildung der Mediano-radialis, dabei | Allmähliche Ausbildung Reduktion der Radialis superfieialis., einer Radialis profunda. 1. Phalangista Reduktion der Radialis 2. Crossarchus 2 superfieialis. A 1. Wombat ine Be ae dee 2. Lemur 3a. Bir (Rad. sup. fehlt!) 3b. Katze an ET (Mediano-ra- dialis, Hauptgefäß des Unterarmes.) Die zweite Reihe ist nicht so gut wie die erste Reihe, da hier viele Übergangsformen fehlen. Man könnte diese Reihe besser aus menschlichen Varietäten bilden, bei denen in der That eine schwache Radialis superfieialis bei gleichzeitig bestehender Radialis vorkommt. Haben wir doch noch im normalen menschlichen Zustand einen Rest der Radialis superfieialis in dem erwähnten Bicepsast. Vielleicht füllen spätere Untersuchungen diese Lücke aus. Was die Ulnaris betrifft, so ist schon in Verbindung mit der Mediana vorhin das Nöthige gesagt worden. Die Interosseae bieten wegen ihres ziemlich gleichartigen Verhaltens bei allen Säugethierformen ein geringeres Interesse. Sehr gleichartig ist die Interossea externa, die stets sofort die Mem- bran durchbohrt und sich an den Muskeln der Streckseite vertheilt. Die Interossea interna zeigt schon größere Verschiedenheiten. Doch lässt sich aus den Säugethierklassen keine vergleichend ana- tomische Reihe für ihre Entwicklung oder Reduktion aufstellen wie für Ulnaris und Mediana. Die Interossea zeigt sich schon innerhalb der Beutelthiere verschieden stark. Bei Macropus giganteus bildet sie eine tiefe Hohlhandtheilung (ZucKERKANDL). Eine gleich starke Ausbildung findet sich beim Hund. In anderen Fällen betheiligt sich die Interossea an der dorsalen Fingerversorgung. Im: All- gemeinen aber behält sie einen sehr gleichartigen Typus durch 448 Ernst Schwalbe sämmtliche Säugethierklassen hindurch. Mit Recht sieht hierin ZUCKERKANDL einen Beweis für das hohe Alter der Interossea. Es ist ihm gelungen nachzuweisen, dass die Interossea das Stammgefäß des Unterarmes bei Reptilien und Amphibien ist. Jedenfalls haben also die Säugethiere Vorfahren mit »Interosseatypus« besessen, und man wird die starke Ausbildung dieser Arterie bei einzelnen Formen entweder als atavistischen Befund zu deuten haben, oder man muss annehmen, dass es sich um eine für die Art charakteristische Weiter- bildung, die keine allgemeine morphologische Bedeutung hat, handelt. Interessant sind die Untersuchungen von J. JANOSIK (17) an menschlichen Embryonen. Der genannte Forscher will für solche die A. mediana als Hauptgefäß des Unterarmes nachgewiesen haben. ZUCKERKANDL widerspricht ihm und hält auf Grund seiner Untersuchungen an Kaninchenembryonen den Interosseatypus auch für menschliche Em- bryonen für das Wahrscheinliche. Was den tiefen Hohlhandbogen anbetrifft, so lässt sich nach meinen Untersuchungen bis jetzt keine zum Menschen führende Reihe aufstellen. Bisweilen versorgt die Interossea die tiefen Schichten der. Vola, oft fehlt überhaupt eine tiefe Hohlhandversorgung und wir finden eine dorsale Fingerversorgung. Eine Art von tiefem Hohl- handbogen findet sich bei den Halbaffen, doch entspricht er nicht ganz dem menschlichen, wohl aber stellt er eine Vorstufe des menschlichen Befundes dar. Jedenfalls scheinen mir die Verhältnisse des tiefen Hohlhandbogens noch nicht hinreichend klar. Die dorsale Fingerversorgung ist bei vielen Formen unter Beutlern und Carnivoren verbreitet. Meist betheiligen sich an der dorsalen Fingerversorgung Radialis superficialis (Halmaturus) und Interossea (Phalangista), bisweilen auch die Ulnaris (Herpestes). Den Canalis supracondyloideus vermisste ich unter den von mir untersuchten Formen nur bei Dasyurus und Canis. Ich kann hier nicht auf die Bedeutung des Canalis supracondyloideus, sowie auf seinen Einfluss auf die Arterienlagerung eingehen!. Kurz möchte ich noch einmal an den Befund von Nasua und Lemur catta erinnern. Ich habe bereits bei der Beschreibung von Nasua darauf hingewiesen, dass das Stück der vor dem Canalis supracond. verlaufenden Arterie nicht einer Brachialis im eigentlichen Sinne homolog zu setzen ist. Das Gebiet, das ich soeben zum Theil behandelt habe, ist ein weit 1 Ich verweise hier speciell auf die im Litteraturverzeichnis angeführte Arbeit von RUGE. : Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien etc. 449 umfassendes, das noch lange nicht erschöpft erscheint. Auber der Entstehung des tiefen Hohlhandbogens giebt es noch manche andere Punkte, die der Aufklärung bedürfen. So müsste das Verhalten der oberflächlichen Äste der A. radialis superf. noch genauer verfolgt werden, die mitunter, wie ich es für Halmaturus und Stenops be- schrieben habe, mit der A. mediana anastomosiren. Die Verhältnisse der Collateralis ulnaris, der Profunda brachii, verdienten ebenfalls noch nähere Prüfung. Die Abhängigkeit der Extremitätenarterien in ihrem Verlauf von dem Verlauf der Nerven bedürfte ebenfalls einer zusammenfassenden Prüfung. Es fragt sich, wie diese Be- ziehung von Arterien und Nerven zu erklären ist. So lassen sich noch zahlreiche Fragen aufwerfen und bieten der weiteren Unter- suchung ein geräumiges Feld. Diese Arbeit wurde im anatomischen Institut zu Heidelberg aus- geführt. Ich möchte nicht verfehlen, Herrn Geheimrath Prof. GEGENBAUR für die Überlassung des Materials, sowie Herrn Professor Dr. KLaartscH für manchen willkommenen Rath bei der Anfertigung dieser Arbeit, hiermit meinen besten Dank öffentlich auszusprechen. Litteraturverzeichnis. 1) Barkow, Komparative Morphologie. Breslau. 1862. 2) —— Die Blutgefäße, insbesondere die Arterien des Menschen. Fol. Breslau 1866. 3) —— in: Mecker’s Archiv für Anatomie und Physiologie. Bd. IV (mir nicht zugänglich). 4) —— Disquisitiones circa originem et decursum arteriarum mammalium. Leipzig 1829. 5) L. Bayer, Beitrag zur vergleichenden Anatomie der Oberarmarterien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. Heft 1. Inaugural-Dissertation. 6) G. Cuvier, Lecons d’anatomie comparée. Tom. VI. 7) W. ELLENBERGER und H. Baum, Systematische und topographische Ana- tomie des Hundes. Berlin 1891. 8) ELLENBERGER, Die Anastomosen zwischen der A. radialis und A. ulnaris beim Hunde. Deutsche Zeitschrift für Thiermediein und vergleichende Pathologie. Bd. XVI. Heft 3, 4. 9) L. FRANK, Handbuch der Anatomie der Hausthiere. 3. Aufl. Von P. MarTIN. Stuttgart 1892. 450 Ernst Schwalbe 10) C. GEGENBAUR, Handbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig (5. Aufl.) 1892. 11)° srundzüge der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1870. 12) —— Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1878. 13) W. GRUBER, Zur Anatomie der A. radialis. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1864. 14) GuURLT, Anatomische Abbildungen der Haussäugethiere mit ER Next. 15) J. Hyrkrz, Neue Wundernetze und Gefäße etc. in: Denkschriften der kaiserl. Akademie. Bd. XXII. Wien 1864. 16) —— Das arterielle Gefäßsystem der Monotremen. Denkschriften der Aka- demie zu Wien. Bd. V. Wien 1853. 17) J. JANOSIK, Sur les vaisseaux sanguins et les nerfs des membres supérieurs chez Thomme et chez quelques autres animaux. Prag 1891. Französ. Résumé. 18) KApyı, in: Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. Wien 1892 (war mir nicht zugänglich). 19) H. KraATscH, Uber Marsupialrudimente bei Placentaliern. Morph. Jahrbuch. Bd. XX. 1893. 20) W. KRAUSE, in: J. Hexte’s Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Bd. III. Braunschweig 1876—1879. 21) LEISERING und C. MÜLLER, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere. Berlin 1885. 22) LeyH, Handbuch der Anatomie der Haussäugethiere. Stuttgart 1850. 23) MECKEL, System der vergleichenden Anatomie. Bd. V. Halle 1821—1833. 24) F. MÜLLER, Lehrbuch der Anatomie der Haussiiugethiere. Wien 1885. 25) R. Quan, The anatomy of the arteries of the human body ete. London 1844. 26) G. Ruan, Beiträge zur Gefäßlehre des Menschen. Morph. Jahrbuch. Bd. IX. 27) E , ScHWALBA, Uber die Varietiiten der menschlichen A. mediana in ihrer atavistischen Bedeutung. Inaugural-Dissertation. Heidelberg 1895. 28) H. Srannıus, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, als zweiter Band von: v. SIEBOLD und STANNIUS, Lehrbuch der verglei- chenden Anatomie. “Berlin 1846. 29) TIEDEMANN, Tabulae arter. Karlsruhe 1822. 30) R. WiEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1893. 31) E. ZUCKERKANDL, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Arterien des Vorderarmes. Anatomische Hefte von MERKEL und Bonnet. 1894. Zur vergleichenden Anatomie der Unterarmarterien etc. 451 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVI und XXVII. Mehrfach gebrauchte Bezeichnungen. Arterien. a.c.u.s. Art. collateralis ulnaris superior, a.c.u.t. Art. collateralis ulnaris inferior, a.br. Art. brachialis, a.pr.br. Art. profunda brachii, a.rad.s. Art. radialis superficialis, a.m. Art. mediana, a.u. Art. ulnaris, amy. Art. mediano-radialis, r.m.r. Ramus mediano-radialis. Nerven. nm. Nervus medianus, nu. Nervus ulnaris, n.r. Nervus radialis. Muskeln. bi. Musc. biceps, lat.d. Latissimus dorsi, d.p. Muse. deltoideo-pectoralis, anc.V. Musc. anconaeus quintus, pr.t. Musc. pronator teres, flex.u. ulnare Flexorengruppe, flex.digg. Muse. flexor digitorum, abd.poll. Muse. abductor pollicis. t.c.supr. Tegmentum canalis supracond. p p Allgemeine Bemerkung. Die Muskeln der Hand sind nicht einzeln dargestellt, um das Bild nicht zu kompliciren. Fig. 1. Dasyurus maugei. Oberfliichenpriiparat des Unterarmes. n.m.s. ober- flächlicher Nerv, wahrscheinlich dem Cutaneus brachii int. major ent- sprechend. Fig. 2. Dasyurus maugei. Fig. 3. Halmaturus ualabatus. Fig. 4. Phalangista vulpina. Fig. 5. Crossarchus fasciatus. Fig. 6. Herpestes griseus. Fig. 7. Arctitis binturong. Fig. 8. Lemur Macaco. Tiefere Arterien. Pronator teres durehsehnitten. a.an. Art. anconaea. r.b. Ramus bicipitalis. iF a i pi Nay ee cP ee N + ? es EA ih b + ae. “ ‘ k 5 ram SE Woe tulistieniunitl th Are Here - bi Zu \ , < J - 4 4) . > ‘ “ ne ‘ . s = | 7 P aus Er ne Ex A 7 „ i ne ) er - . u \ | oF - ‚gi nun P ’ ‘ : | u. rar re u. iw re a) a ee V4 IVA i TU Ce a . 2 1:2 art | , vs Dr : i = £ 3 ‚ { f % . 4% en if , ni teola allem ‘ sf “ ay" t “ , Are op oot i ; “3 . a I). , ‚€ } en . 4 . I F 216 sh if 4 ‘ 5 ; Moth \ . rea aij \ i re ail ! 7 i) 5 j HM # f ' 2 ‘PB 1 J £ ; é > 5 ‘ © db (eae a vi = u We ig rag oka +" if fi: tere : rs dt , u | 2 Aphis | boy | i : hee 2 , eh? | i’ : ' al ih Br. ] u, ; u 2 a e ir ver - Io. 7 ; - 2 a | ILE ¥4Z . ” - 2 x en ; ; Jude. Agi fi var a i : 2. S % r vii ee | Ube 5 2 Palla feed ” , ’ + He & 5 rt iB a ina a é , ieee A FE - « CAD arr 2 \ ” r ae } id s#eech to 2 nes bs { ven te i i a Pr I » * in) Pa a £ 25, . ov = my ; iv a 4 L> ae > - f. ‘ = . ‘ y ian & A % E - wer. foe - ; e ; % ‘ t . oe * é E + e { 2 “vat + N * 7 * : : : iy? » ’ a Cady | ates om gues # et al? id Z . a a di oan hae Pw eee af oat 2 u Pa we PS! ‚Morpholog. Jahrbuch Bd.XXH. Taf XN. = i = : = = = > = : : 2 “See rar 2 = B e abr | Fig.d Pig. 4. bi | lat.d Le.supr. CUS, a.rad.s Algeschnittener Deltotdeo-pectoralis aprbr abr. ab abr ~acut ACILS, } bi Anc.l nm n.m.s „arad.s Prt am rm.r: a.rad.s. mm Rane vol. Anastomose superf arty: m. Rad. superf: rvol.sup.a.r arad.s GT . e = ; N N mit d \ Ast el. Rail) } X en: a.rad.s Abgeschnittene Arterien zum Tastballen ” ‘ is v Morpholag: Jahrbuch Bd.AXH. Taf. XXVIL Fig.3. Fig.6. a.rad.s, aan nr. aprbr Oberfl Ast tcsupr ~—arad §. -a. rad. sup. prt au rm.n Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung. Von Dr. med. 0. Seydel, Lektor der Anatomie an der Universität Amsterdam. Mit 22 Figuren im Text. Bis in die neueste Zeit hinein ist das JacoBson’sche Organ der Wirbelthiere ein Gegenstand der Forschung gewesen und die Litte- ratur über dasselbe ist eine recht umfangreiche. Bei Amphibien, Reptilien und Säugethieren wurde dasselbe aufgefunden und in seiner Anordnung, seinem gröberen und feineren Bau und in seiner Ent- wicklung untersucht. Die Menge der Thatsachen, die im Laufe der Jahre von vielen Forschern zusammengetragen wurden, ist groß, aber trotzdem sind wir noch weit von dem morphologischen Verständnis des Organs entfernt. Findet sich doch nirgends in der Litteratur der Ver- such einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Formzu- stände, in denen das Organ in den einzelnen Thiergruppen erscheint. Die Homologie desselben in der Wirbelthierreihe wird als bewiesen erachtet zunächst durch das übereinstimmende Verhalten, welches das Organ bei den verschiedenen Thierformen in seiner ersten ontogene- tischen Anlage erkennen lässt. Allenthalben entsteht dasselbe als eine blindsackartige Ausstülpung der medialen Wand der (primitiven) Nasen- höhle. Das zweite Moment, auf welches sich die Beweisführung stützt, ist dem Charakter des fertigen Organs entnommen. Es stellt sich als Sinnesorgan dar, welches durch die Beziehung zum N. olfactorius und dureh die Ähnlichkeit seines specifischen Epithels mit dem Sinnes- epithel der Regio olfactoria als ein Nebenapparat der Nasenhöhle er- scheint. Man bezeichnet es desshalb auch mit Recht als accessori- sches Geruchsorgan. Sicherlich sind in diesen Thatsachen Momente gegeben, die für die morphologische Beurtheilung des Organs direkt Morpholog. Jahrbuch. 23. 30 454 0. Seydel und in positivem Sinne verwerthbar sind. Aber die Aufgabe ist doch damit noch lange nicht erschöpft. Bei der bisher geübten Betrach- tungsweise werden eigentlich nur die Punkte der Übereinstimmung — und oft genug in recht kritikloser Weise — hervorgehoben, wäh- rend die weitgehenden Differenzen, die das Organ im ausgebildeten Zustande aufweist, unberücksichtigt bleiben. Aber gerade auf diese, für die einzelnen Thiergruppen charakteristischen Unterschiede ist bei der morphologischen Betrachtung der Schwerpunkt zu legen. Es wäre der Versuch zu machen, durch eine Vergleichung der verschie- ‘denen Formzustände des Organs den Modus aufzuklären, nach wel- chem sie phylogenetisch entstanden sind, und den Ursachen nachzu- gehen, welche die verschiedene Ausgestaltung bedingten. Bei .der Beantwortung dieser Fragen kann die Untersuchung nicht auf das JacoBson’sche Organ allein beschränkt bleiben; sind doch eine ganze Reihe charakteristischer Merkmale gerade in den verschiedenen Beziehungen zu Nachbarorganen gegeben. Bei Am- phibien, wo sich das Jacogson’sche Organ allgemein als ein Theil der Nasenhöhle darstellt, musste die ganze Konfiguration der letzteren in Betracht gezogen werden; im Hinblick auf die Verhältnisse bei Amnioten war auch die Beschaffenheit des Mundhöhlendaches, im Speciellen die Form und Lage der Choanen zu berücksichtigen. Bei Reptilien und Säugethieren ist das Organ von der Nasenhöhle ab- geschnürt und zur Mundhöhle in engere Beziehung getreten. Um die speciellen Verhältnisse klar zu legen, wäre der Modus, wie'sich in beiden Gruppen der Abschluss des Cavum nasale gegen das Cavum oris vollzieht, und die Bildungsweise des sekundären knöchernen Gaumens mit in Betracht zu ziehen. Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit dem JAcoBsSoN- schen Organ der Amphibien. Die Amphibien sind bis jetzt die niedrigsten Thierformen, bei denen ein JacoBson’sches Organ mit Sicherheit nachgewiesen wurde; bei einigen ihrer primitivsten Ver- treter fehlt dasselbe. Es drängt sich daher die Frage in den Vorder- grund, ob wir nicht aus den verschiedenen Zuständen des Organs, wie sie sich in dieser Gruppe bieten, einen Einblick in die phylo- genetische Entstehungsgeschichte desselben gewinnen können. Weiter- hin wäre die Frage zu untersuchen, ob die verschiedenen Form- zustände, in denen das Organ in den einzelnen Abtheilungen dieser Klasse erscheint, sich auf einander beziehen lassen, und eventuell, - wie sie von einander ableitbar sind. Endlich wäre das Verhalten des JacoBson’schen Organs zur sogenannten Kieferhöhle der Am- Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 455 phibien in Betracht zu ziehen, und die Frage zu diskutiren, ob diese thatsächlich mit der Kieferhöhle der Säugethiere zu homologisiren ist; findet sich doch in der Litteratur wiederholt die Meinung ausge- sprochen, das Jacopson’sche Organ habe den Anlass zur Entstehung ‚dieses Sinus gegeben. Ich stütze mich im Folgenden meist auf eigene Untersuchungen, da die Darstellungen in der Litteratur, von anderen Gesichtspunkten aus unternommen, oft gerade solche Punkte nicht berücksichtigen, die für mich von Werth sind. Auf die Gefahr hin, mir den Vor- wurf zuzuziehen, dass ich Bekanntes wiederhole, gebe ich doch eine genaue Darstellung meiner Befunde in der Überzeugung, dass die zusammenhängende Vorführung derselben für das Verständnis meiner Schlussfolgerungen wünschenswerth und nothwendig sei. Dabei wird die Litteratur nach bestem Wissen berücksichtigt werden. Befunde und Vergleichung. I. Perennibranchiaten. Proteus (Fig. 1 A—G@)!. Die Nasenhöhle von Proteus zeigt einen äußerst einfachen Bau. Sie stellt ein rundliches Rohr dar, das am vorderen und hinteren? . Ende kuppelförmig abgeschlossen ist. Dicht am vorderen Ende des Rohres und zwar an seinem Boden öffnet sich in dasselbe der Ein- führungsgang der Nasenhöhle (Fig. 1 A). Derselbe ist spaltförmig und steigt von unten und lateral nach oben und medial gegen den Boden des Geruchssackes an; er ist außerdem noch nach hinten gerichtet. Seine Wandung trägt ein mehrfach geschichtetes Epithel, dessen oberflächlichste Zellen abgeplattet sind. Die schräg nach hinten’ aufsteigende Richtung des Einführungsganges bedingt es, dass das indifferente Epithel desselben sich am Boden des eigentlichen 1 Sämmtliche die Nasenhöhle betreffenden Figuren sind nach Frontal- schnittserien mit der Camera gezeichnet; sie sind nur in der Ausführung sche- matisch gehalten. Knorpel schwarz; Knochen punktirt; das Sinnesepithel ist durch Strichelung angegeben, indifferentes Epithel einfach durch die Kontour- linie dargestellt. Die Bowman’schen Drüsen sind meist in die Zeichnungen nicht eingetragen. 2 Bei der Beschreibung denke ich mir den Kopf so orientirt, dass die Gaumenfläche horizontal steht, eine Stellung, die im Allgemeinen mit der ge- wöhnlichen Haltung übereinstimmen wird; ich gebrauche dann die Bezeichnungen vorn, hinten, oben, unten im landläufigen Sinne. 30* 456 0. Seydel Geruchssackes noch eine Strecke weit nach hinten ausdehnt (Fig. 1 B,C, resp). — Der eigentliche Geruchssack ist mit Riechepithel ausgekleidet, welches in typischer Weise die bekannte knospenförmige Anordnung erkennen lässt. Vorn ist das Riechepithel gegen das indifferente Epithel des Einführungsganges scharf abgegrenzt. Theil der Nasenhöhle überzieht das Sinnesepithel die ganze Cirkumferenz der Wandung (Fig. 1 D, E). Erst weiter nach hinten, kurz vor der Apertura in- terna, tritt am Boden des Geruchssackes wiederum ein Streifen von indifferentem Epithel auf (Fig. 1 F, resp), der sich nach der Apertura nasalis interna zu verbreitert, um am Rande derselben in das Epithel der Mundhöhle umzubiegen. Die Apertura nasalis interna ist ein ovales, im Boden der Nasenhöhle lie- gendes Loch; an der nach oben ge- richteten Begrenzung desselben und zwar am hinteren und den beiden seit- lichen Rändern grenzt sich das Epi- thel der Regio olfactoria scharf von dem indifferenten Epithel ab, das von der Mundhöhle her in die Öffnung ein- dringt (Fig. 1 G). Das Lumen der eigentlichen Nasen- höhle war an meinem Objekte äußerst eng. Es stellt einen Spalt dar, der im vorderen Abschnitt senkrecht gestellt ist und nach hinten zu allmählich eine horizontale Lage annimmt. Der Riechschleimhaut selbst fehlen Drüsenbildungen (vgl. BLAUE (4)! pag. 287). Nur in der Mitte der Länge des Geruchssackes, an der medialen Wand, fand ich einen kleinen unbedeutenden Drüsenschlauch, welcher im Bereiche des Riechepithels ausmündet (Fig. 1 E ! Die hinter den Autorennamen stehenden eingeklammerten Zahlen be- Proteus anguineus, ziehen sich auf das Litteraturverzeichnis am Ende der Arbeit. Im mittleren Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 457 bei G/).. An der Grenze zwischen Atrium und Haut münden mehrere . Drüsenschläuche; eine genaue Darstellung ihrer Anordnung findet sich bei OPpEL (27). Unsere Befunde stimmen im Allgemeinen überein; nur dehnen sich an meinem Objekt die Drü- senschläuche höchstens bis zur Mitte der Nasenhöhle nach hinten aus, während sie OPPEL bis zum rudimentären Auge hin verfolgen konnte. Hervorheben möchte ich gegenüber OPPpEL, dass ich an meinem Exemplar von einem Thränenkanal keine Spur nachweisen konnte. Auch kann ich ihm in der Deutung seiner Befunde nicht bei- pflichten, spreche vielmehr den gegen das Auge verlaufenden, blind endenden Schlauch, den er als Thränenkanal auf- fasst, eben so wie die benachbarten | Schläuche als Drüse an, und zwar aus folgenden Gründen. Einmal liegt in der Figur, die OPppeL giebt, das blinde Ende des Schlauches medial von dem rudi- mentären Auge |vgl.4, Taf. XXVIII Fig. 8); wihrend man doch mindestens erwarten sollte, dass sich dasselbe der Oberfläche nähern müsste, wenn es sich wirklich | um einen Thränenkanal handelte. Der proteus anguineus. Frontalschnitte . zweite Grund ist in der Lage der Mün- {ch die ee verer dung des Schlauches gegeben. Nach OpPEL’s genauer Angabe, die ich bestätigen kann, findet sich dieselbe an der Grenze des Atriums gegen die Haut, genau wie die der übrigen benachbarten Schläuche; also eigentlich bereits außerhalb des Cavum nasale. Wo auch ein Thränenkanal existirt, und wie er sich auch im Speciellen verhalten mag, gerade an dieser Stelle findet sich nirgends seine Mündung. Das Knorpelskelet der Nasenregion zeigt sich sehr unvollständig. Es ist beschränkt auf zwei medial von den Riechsäcken liegende Balken, Fortsetzungen der Trabeculae eranii, die sich nach vorn bis 1 An Fig. 16 ist die mediale Begrenzung der Choane in Ausdehnung der punktirten Linie ergänzt, weil das Präparat an der Stelle defekt war. 458 0. Seydel in die Schnauzenspitze verfolgen lassen. Dazu kommt noch jenes Gitterwerk von feinen Knorpelstäben, das bereits von LEYDIe (25) beschrieben wurde, und auch von WIEDERSHEIM (40) erwähnt wird. Dasselbe lagert direkt den Wandungen des Geruchssackes an, und um- fasst das vordere Ende desselben mit einer kleinen Kuppel, die auch zu der Apertura nasalis externa als Stütze in Beziehung tritt. Von einer specielleren Untersuchung desselben wurde Abstand genommen. Proteus entbehrt demnach eines. JAcoBson’schen Organs - voll- ständig. Ferner ist das Verhalten der Schleimhaut des Geruchssackes hervorzuheben. Das indifferente Epithel tritt in seiner Ausbreitung der Riechschleimhaut gegenüber ganz erheblich zurück. Es ist auf die zwei schmalen Streifen beschränkt, die sich von der Apertura interna und externa aus am Boden der Nasenhöhle ausdehnen. Es besteht demnach keine einheitliche Regio respiratoria. Siren lacertina (Fig. 2 A—Z). Uber das periphere Geruchsorgan von Siren liegt eine Arbeit von A. H. WıLDer (43) vor; ich kann die Angaben WILDER’s im All- gemeinen bestätigen und in mancher Hinsicht erweitern. Die Nasenhöhle von Siren zeigt in zwei Richtungen viel cea plicirtere Verhältnisse als die von Proteus. Zunächst findet indiffe- rentes Epithel eine viel ausgedehntere Verwendung. Es erstreckt sich am Boden der Nasenhöhle von vorn bis hinten durch die ganze Länge derselben und ist vielfach in unregelmäßigen medialwärts ge- neigten Falten erhoben, so dass seine gesammte Flächenausdehnung eine recht beträchtliche ist. An dem Wırver’schen Präparat fehlen diese Faltenbildungen (vgl. Taf. XI 39, Fig. 12 a—e). Die zweite Komplikation liegt in der bereits von H. WILDER erwähnten Blindsack- bildung. Sehen wir von diesen Verhältnissen zunächst ab, so kann man sagen, die Nasenhöhle von Siren habe die Gestalt eines nie- drigen Spaltraumes. Der größte, quere Durchmesser desselben ist im vorderen Theil schräg von oben medial nach unten lateral, im mitt- leren Theil annähernd horizontal gestellt. Das vordere und hintere Ende des Spaltraumes ist verjüngt und kuppelförmig abgeschlossen. Dieht am vorderen Ende, und zwar an der unteren lateralen Ecke, mündet der Einführungsgang der Nasenhöhle, der sich in seiner An- ordnung ähnlich verhält wie bei Proteus (Fig. 2A). Dicht am hinteren Ende des Geruchssackes, im Bereich: der lateralen Hälfte des Bodens liegt die Apertura interna (Fig. 2 L). Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 459 Die Anordnung des Riechepithels verhält sich folgendermaßen. Im vordersten Ende des Riechsackes ist es auf die mediale Hälfte der Spaltwandungen beschränkt (Fig. 2 A—D). Weiter nach hinten dehnt es sich am Dache des Spaltes mehr und mehr lateralwärts =~ | Uy Aperture nasal, Z at. a nn — en vo \ rin, Fir UA ER a —~_ | - Sphenoid. lomer. Gland. Jacobs. Siren lacertina. Cavum nasale. | FeV \ es Wr f \ 3 e\\ \ Atrium. N | N ~ aus, während es am Boden in medialer Richtung zuriickweicht. In der Mitte der Nasenhöhle über- zieht es die niedrige mediale Wand und das ganze Dach derselben (Fig. 2 E und F). So ist die An- ordnung auch in der Gegend, wo der Blindsack mit der Haupthöhle kommunieirt (Fig. 2 Gu. 7). Noch weiter nach hinten dehnt sich das Riechepithel am Boden aufs neue mehr lateralwärts aus und über- zieht etwa die mediale Hälfte des- selben (Fig. 2 7 und X). In der Gegend der Apertura interna reicht es bıs an den medialen Rand der Öffnung und überzieht auch den hinteren Abschluss des Geruchs- sackes. Der vom specifischen Epithel frei bleibende Theil der Wandung, wesentlich also der Boden und die seitliche Wand des Spaltraumes, wird von, 'indifferentem, mehr- schichtigem, in den obersten La- gen abgeplattetem Epithel be- deckt, das sich allenthalben scharf gegen die Riechschleimhaut ab- setzt. Dieser Theil der Schleim- haut zeigt an meinem Präparat, wie schon erwähnt, unregelmäßige von vorn nach hinten verlaufende Falten, deren freie Ränder medial- wärts in das Lumen der Haupt- höhle vorspringen. Die Höhe die- ser Falten ist in der Mitte der 460 O. Seydel is Jacobs. Organ. VYomer. (Pars medial) (Pars lateral) > Bu Jacobson O . en EN [b ) Siren lacertina. Nasenhöhle am mächtigsten, und das Lumen erhält durch sie eine komplicirte Gestaltung. Eine die- ser Falten tritt zur Offnung des Blindsackes in Beziehung. Der als Jacosson’sches Or- gan bezeichnete Blindsack (Fig. 2 E—lI) stellt einen verhältnis- mäßig sehr mächtigen Neben- raum dar. Er liegt unter der eigentlichen Nasenhöhle, etwas medial gegen diese verschoben; er formirt einen ganz niedrigen, aber stark in die Breite entfal- teten Spaltraum, der eine me- diale und eine laterale. Abthei- lung erkennen lässt. Beide Theile stehen in direkter Verbindung mit einander, das Lumen des ganzen Blindsackes ist ein durch- aus einheitliches. Die Kommunikation mit der Haupthöhle erfolgt durch eine schlitzförmige Öffnung (Fig. 2 G und H). Dieser Schlitz ist ver- tikal gestellt und verläuft von vorn nach hinten, und zwar am Boden der Haupthöhle, dicht neben der medialen Wand der- selben. Nach vorn ist die Öff- nung scharf begrenzt. An der medialen Lippe der Spaltöffnung findet das Riechepithel der Haupthöhle seine Grenze. Es biegt hier der Boden der letz- teren in rechtem Winkel nach unten um und bildet die mediale Wandung des Spaltes. Die late- rale Wand wird in ähnlicher Weise von der respiratorischen Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 461 Schleimhaut gebildet. Diese ist dabei an der oberen Öffnung des Sehlitzes zu einer Falte erhoben, die lippenartig die Spaltöffnung begrenzt (in den Figuren mit einem * bezeichnet). Diese Falte lässt sich nach vorn über die Öffnung hinaus verfolgen; sie ver- streicht dabei allmählich. Der Schlitz führt von oben her in den Blindsack und zwar gerade an der Grenze zwischen dem medialen und lateralen Theile desselben. Der mediale Theil ist, wenn man durch den Spalt eindringt, allein in medialer Richtung ent- faltet (Fig. 2 G, H, J). Seine Epithelauskleidung spreche ich als Sinnesepithel an; dasselbe lässt eine Sonderung in einzelne Knospen nicht erkennen. Der laterale Abschnitt des Jacopson’schen Organs dehnt sich in seitlicher Richtung und nach vorn aus, so dass sein blindes Ende die Zugangsöffnung ganz beträchtlich nach vorn überragt. Auf der Frontalschnittserie er- scheint dieser Theil daher zu- nächst als ein breiter, aber ganz niedriger Spaltraum, der abge- schlossen unter dem Boden der Haupthöble liegt (Fig. 2 E u. F). ea \ > Erst weiter nach hinten findet er Jomer at Anemia inl sich in Verbindung mit dem zu- eigen essen, Braten dern 2s Pühraäden) Spalt (Fig. 2.4): und mit dem medialen Abschnitt (Fig. 2 7). Der ganze seitliche Theil ist mit hobem Cylinderepithel ausgekleidet, welches der Sinneszellen entbehrt; nur an der niedri- gen, medialen und lateralen Wand scheint Sinnesepithel zu bestehen. Sichere Angaben in dieser Hinsicht erlaubt mein Präparat nicht 462 0. Seydel Nach hinten ist der laterale Theil nicht scharf abzugrenzen; nachdem der mediale seine hintere Abgrenzung gefunden hat, setzt sich der laterale in Form einer Rinne weiter nach hinten fort (Fig. 2 I, Jacobs. Org., Pars lateral). Die Lichtung dieser Rinne ist Anfangs nach unten und lateral, weiter hinten gerade nach unten gerichtet (Fig. 2 K bei R). Unter allmählicher Verflachung lässt sie sich bis dicht an die. Apertura nasalis interna hin verfolgen; sie verläuft dabei gleichzeitig lateralwärts, so dass ihr Ende in der seitlichen Eeke des Geruchssackes dicht vor der Apertura interna verstreicht. Das Epithel dieser rinnenförmigen Fortsetzung des Blindsackes geht all- mählich aus dem hohen Cylinderepithel in gewöhnliches indifferentes Epithel über. Die laterale Begrenzung der Rinne bildet dabei jene Falte, die wir an der seitlichen Begrenzung des spaltförmigen Zu- gangs zum JACOBSON’schen Organ fanden; diese Falte setzt sich gleichfalls, indem sie niedriger wird, nach hinten bis in die Nähe der Apertura interna fort. (Sie ist in Fig..2 G—K mit einem * be- zeichnet.) Der spaltförmige Zugang zum JAcopson’schen Organ ent- behrt nach hinten einer scharfen Abgrenzung. Betrachtet man die ganze Bildung im Zusammenhange, so kann man den. Befund so formuliren: Am Boden der Nasenhöhle, und zwar dicht vor der Apertura nasalis interna, in der seitlichen Ecke des Geruchssackes beginnend, verläuft eine rinnenförmige Einsenkung schräg nach vorn und medial; ihr hinteres Ende ist seicht und liegt im Gebiet des respiratorischen Epithels; nach vorn vertieft sie sich allmählich und zieht gerade an der Grenze zwischen Regio olfactoria und Regio respiratoria hin; ihr vorderes Ende ist in Form eines mächtigen Blindsackes nach vorn und nach medial entfaltet. Der mediale Abschnitt dieses Blindsackes trägt Sinnesepithel, der late- rale (vorwiegend) hohes Cylinderepithel. — Für unsere Zwecke von Wichtigkeit ist einmal, dass das Jacogson’sche Organ von Siren durch jene Rinne eine Beziehung zur inneren Nasenöffnung er- kennen lässt, ferner dass die Öffnung des Blindsackes, d. h. mit an- deren Worten, die Stelle, an welcher er entstanden sein muss, am Boden der Nasenhöhle, dicht an ihrer medialen Wand, und zwar gerade an der Grenze der Riechschleimhaut liegt. Mit dem Jacogson’schen Organ steht eine mächtig entfaltete Drüse in Verbindung (Gland. Jacobs.); sie mündet am Boden .des Organs an der Grenze zwischen medialem und lateralem Abschnitt aus. Ihre vielfach verzweigten Schläuche dehnen sich durch eine sehr große Strecke der Nasenhöhle sowohl nach vorn als nach hinten Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 463 aus und liegen, lose neben einander gefügt, medial von dem Ge- ruchskanal. Andere Drüsen habe ich in der Nasenhöhle nicht nach- weisen können. Das korplige Gerüst der Nasenhöhle habe ich im Speciellen nieht untersucht. Jedenfalls ist das Septum derselben und der Dachtheil vollständiger entwickelt als bei Proteus. Ein Bodentheil der Kapsel fehlt so gut als vollständig, es empfängt daher auch das Jacopson’sche Organ keine knorplige Stütze. Vergleich mit Proteus. Vergleichen wir den Befund bei Siren mit dem bei Proteus, so ergiebt sich bei ersterer Form eine Kom- plieirung der Gestaltungsverhältnisse des Cavum nasale in mehr- facher Hinsicht. Zunächst ist, wenn wir vom JacoBson’schen Organ ganz absehen, das Lumen der Nasenhöhle bei Siren umfänglicher als bei Proteus. Bei der hiermit verbundenen größeren Flächen- ausdehnung der Wandung erscheint das specifische Epithel nicht nennenswerth vermehrt; dagegen hat das indifferente, respiratorische Epithel sieh ganz beträchtlich entfaltet. Bei Siren ist in der gan- zen Länge der Nasenhöhle an der Schleimhaut eine Sonderung in einen sensiblen und einen respiratorischen Abschnitt vorhanden; die einheitliche Regio respiratoria nimmt den Boden und den seitlichen Theil des Cavum ein. Bei Proteus dagegen findet sich respiratori- sches Epithel in Form zweier Streifen, die sich einmal von der äußeren Nasenöffnung an der lateralen Wand nach hinten, ferner am Boden von der Choane aus nach vorn erstrecken. Außer diesen zusammenhängenden Distrikten von indifferentem Epithel findet sich solches bei beiden Formen zwischen den Riech- knospen im ganzen Bereich der Regio olfactoria verstreut. Die Schleimhautfalten, welche die einzelnen, grubenförmig eingesenkten Riechknospen von einander abgrenzen, und die an den nach Frontal- schnitten gezeichneten Figuren allenthalben als pilzförmige Erhebungen erscheinen, sind mit indifferentem Epithel überzogen, das sich scharf gegen die specifischen Elemente der Knospen absetzt. Von der Fläche gesehen würden diese Falten ein zusammenhängendes Netz formiren, in dessen Maschen die Knospen eingelagert sind. Es wäre hier zu erwägen, auf welche Weise die geschlossene Regio respiratoria, die sich bei-Siren und bei allen höheren Formen findet, entstanden zu denken sei. Der Befund bei Proteus legt den Gedanken nahe, dass jene durch die Riechschleimhaut ausgebreiteten Züge indifferenten Epithels die Quelle hierfür abgeben könnten. Mit der Entfaltung des Lumens der Nasenhöhle, die wir uns als 464 0. Seydel eine Anpassung an die respiratorische Funktion derselben vorstellen dürfen, könnte eine lokale Vermehrung dieses indifferenten Epithels erfolgt sein, die natürlich von der Apertura externa und interna als den Öffnungen des Geruchssackes ausgeht und zunächst zu der Ent- stehung jener beiden Streifen führen würde, wie sie bei Proteus bestehen. Mit der zunehmenden Ausdehnung des Lumens würden diese Streifen sich mehr und mehr entfalten und schließlich durch ihre Konfluenz die einheitliche, durch die ganze Länge der Nasenhöhle ausgedehnte Regio respiratoria hervorgehen las- sen. Es müsste dann die konti- nuirliche Überkleidung mit Riech- epithel im mittleren Abschnitt der Nasenhöhle von Proteus als ein pri- mitives Verhalten beurtheilt werden. Doch scheinen mir andere That- sachen gegen diese Auffassung zu sprechen. Es standen mir zwei Serien von Menobranchuslarven zur Verfügung!. Bei einer Larve von 20 mm und einer von 43 mm hat das Cavum nasale die Form eines einfachen Schlauches mit rundlichem Lumen. Schon bei dem jüngeren Thier verbindet ein schmaler Streifen indifferenten Epi- thels die äußere und innere Öffnung der Nasenhohle (Fig. 3 resp). Vorn liegt derselbe an der seitlichen Wand, um nach hinten allmählich auf den Boden überzugehen. Die Menobranchus. Larve, 43 mm. Frontalschnitte. gleichen Verhältnisse zeigt die A durch den mittleren, B durch den hinteren . \ Theil der Nasenhöhle. Larve von 43 mm (Fig. 4 A und B), Fig. 3. Menobranchus, Larve, 20 mm. Fron- talschnitt durch die Mitte der Nasenhöhle. 1 Ich verdanke dieselben Herrn Dr. med. E. GörpErT in Heidelberg, der mir die fertigen, tadellosen Serien zur Verfügung stellte. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 465 . wo sich die Gliederung der Anfangs einheitlichen Riechschleimhaut in die Knospen eingeleitet hat. Ein ähnliches Verhalten der Schleim- ‚haut zeigen Urodelen und Anuren in sehr frühen Entwicklungsstadien (Fig.5AundB. Die Verbindungslinie zwischen Apertura externa und interna der Nasenhöhle entspricht nun der Stelle, an welcher die Nasengaumen- rinne, durch deren partiellen Verschluss die primitive Choane ent- standen ist, zur Bildung des Nasenhöhlenbodens mit einander ver- schmolzen sind. Es ist möglich, dass bei der Bildung des Nasen- höhlenbodens gerade an der Nahtstelle indifferentes Epithel in die Wandung der Nasenhöhle mit einbezogen worden ist. Es würde dann das Auftreten von respiratorischem Epithel in zusammenhängen- der Lage in ganz frühen phyletischen Stadien im Anschluss an die Bil- dung der inneren Nasenöffnung erfolgt sein. Der einheitliche, von der Fig. 5 2. Fig. 5 A. resp. Frontalschnitte durch den mittleren Theil der Nasenhöhle. A von einer Tritonlarve, 7,5 mm, B von einer Rana esculenta-Larve, 7 mm. Apertura externa bis zur Apertura interna durch die ganze Liinge der Nasenhöhle sich erstreckende Streifen indifferenten Epithels, wie er bei Menobranchus und bei anderen Amphibien in frühen Stadien auftritt, würde demnach auf das primitive Verhalten hindeuten. Bei Proteus müsste dann durch stärkere Entfaltung der Riechschleimhaut das in- differente Epithel im mittleren Abschnitt der Nasenhöhle verdrängt worden sein. Bei der Rückbildung der Augen würde eine kompen- satorische höhere Ausbildung des Geruchssinnes, und damit die um- fänglichere Entfaltung der Regio olfactoria nicht unwahrscheinlich. Ein strikter Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich unter Berücksichtigung der Amphibien allein nicht führen. Die ontogenetische Forschung versagt hier. Nach den Darstellungen Gorrre’s (16) über die Entwicklung der 466 0. Seydel Anuren-Nase ist jedenfalls sichergestellt, dass jener Streifen in- differenten Epithels erst sekundär zur Begrenzung der Nasenhöhle hinzutritt, mit der Ausbildung der seitlichen Nasenplatte GoETTE's. Im Übrigen sind die Entwieklungsvorgänge augenscheinlich so stark cänogenetisch beeinflusst, dass sie sich im Speciellen für die Ent- scheidung der angeregten Frage nicht verwerthen lassen. Ein zweiter wichtiger Unterschied zwischen den Nasenhöhlen von Siren und Proteus ist durch das Fehlen des Jacopson’schen Organs bei Proteus gegeben. Das Jacogson’sche Organ von Siren stellt sich als Blindsack dar, welcher gerade an der Grenze zwischen Regio olfactoria und Regio respiratoria mit dem Lumen der Nasenhöhle zusammenhängt. Er ist zum Theil mit Sinnesepithel, zum Theil mit indifferentem Epithel ausgekleidet. Der nach vorn und medial ausgestülpte Blind- sack setzt sich nach hinten in eine Rinne fort, ‘welche seitlich gegen den vorderen Rand der Apertura nasalis interna ausläuft, ohne indess diese Öffnung zu erreichen. Die Apertura interna liegt nun in der seitlichen Hälfte des Nasenhöhlenbodens. Ein Wasserstrom, der von der Mundhöhle aus das Cavum nasale passirt (er sei im Folgenden kurz als exspiratorischer Strom bezeichnet‘, wird durch jene Rinne und die die seitliche Begrenzung derselben bildende Schleimhautfalte aus der gerade nach vorn gehenden Richtung theilweise abgelenkt und dem Blindsack zugeführt werden, wo er einer sinnlichen Kon- trolle unterzogen werden kann. Diese Prüfung des Exspirationsstromes kann wohl nur die Bedeutung haben, die in die Mundhöhle auf- genommenen Nahrungsbestandtheile unter die Kontrolle des Geruchs- sinnes zu stellen. — Es sind also am Jacopson’schen Organ von Siren zwei Theile unterscheidbar: einmal der eigentliche sensorielle Absehnitt und zweitens der Zuleitungsapparat für diesen. Der erstere verräth allein schon durch seine umfängliche Entfaltung eine ziemlich hohe Entwicklungsstufe. Der Zuleitungsapparat liegt im Bereich der Regio respiratoria, er ist als ein Theil derselben aufzufassen, der als Hilfsapparat zu dem Sinnesorgan in Beziehung getreten ist. Der ganze Apparat liegt im Bereich der Nasenhöhle, ist ein -Theil derselben und muss durch eine Differenzirung dieser entstan- den sein. Das Sinnesorgan entbehrt der direkten Verbindung mit dem Cavum oris, doch besteht durch den Zuleitungsapparat eine in- direkte Beziehung zu demselben. — Nach der von WIEDERSHEIM ge- gebenen Definition: »Unter dem Jacopson’schen Organ versteht man eine vom Cavum nasale schon in embryonaler Zeit sich gänzlich ab- Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 467 schnürende paarige Nebennasenhöhle, die vom Olfactorius und vom Trigeminus versorgt wird und durch eine besondere Öffnung mit der Mundhöhle in Verbindung steht« (39, pag. 319), wäre der Blind- sack von Siren kein JacogBson’sches Organ. Doch trifft diese Defi- nition auch nicht für das Divertikel der Urodelen zu, welches sich weder gänzlich vom Cavum nasale abschnürt noch durch eine be- sondere Öffnung mit der Mundhöhle in Verbindung steht, aber gleich- wohl von WIEDERSHEIM — wenige Zeilen später — als Jacopson- sches Organ besprochen wird. — Siren gegenüber lässt Proteus keine Spur von einem JACOBSoN’schen . Organ erkennen; eben so verhält sich nach den Angaben der Autoren Menobranchus, der auch sonst im Verhalten der Nasenhöhle große Ähnliehkeit mit Proteus aufweisen soll. Wie das Fehlen des accessorischen Geruchsorgans bei Proteus und Menobranchus aufzufassen sei, lässt sich unter Berücksichtigung der Amphibien allein nicht ausmachen. Der ganze Habitus der Nasenhöhle ist ein einfacher und man könnte, auch im Hinblick auf die übrige Organisation dieser Formen, zu der Annahme kommen, dass hier primitive Verhältnisse vorliegen. Andererseits können die einfachen Formverhältnisse auch durch Rückbildung aus komplicirteren entstanden sein. Mit der Möglichkeit, dass bei beiden das Jacos- son’sche Organ verloren ging, vielleicht als eine Folge des Aus- bleibens der Metamorphose und die dauernde Anpassung an das Leben im Wasser, ist mindestens zu rechnen. _Es fragt sich zunächst, ob bei niederen Formen, also bei Fischen, ein homologes Gebilde nachgewiesen ist. In der Litteratur über das Geruchsorgan der Fische finden sich vereinzelte Angaben über das Vorkommen von Organen, die mit ' größerer oder geringerer Reserve als JacoBson’sche gedeutet werden. Es wären zunächst die Beobachtungen von Scorr (35) an Pe- tromyzon Planeri zu erwähnen. Scorr beschreibt ein medianes un- paares Divertikel, das bei Larven von 12,5 mm im hinteren unteren Abschnitt der Nasenhöhle auftritt und unterhalb des Riechepithels — also auch außerhalb des Bereiches desselben — entsteht. Weiter- hin wird dasselbe größer, endet in zwei Blindsäcke und scheint sich von der Nasenhöhle abzuschnüren. Beim erwachsenen Petromyzon findet sich ebendaselbst eine mächtig entfaltete Drüse. Scorr bringt dieses Organ in Beziehung zum Jacopson’schen Organ der Amphibien. BuJour (7) schließt sich dieser Auffassung an. Schon an und für sich erscheint es bedenklich, das Geruchsorgan 468 QO. Seydel der Petromyzonten mit dem anderer Thierformen direkt zu vergleichen. Seine Unpaarigkeit, seine mediane Lage und andere, accessorische Einrichtungen weisen auf eine sehr specialisirte Beschaffenheit des Organs hin, ein Umstand, der nothwendig zur größten Vorsicht bei der Vergleichung mahnt. Ein Divertikel der Nasenhöhle, in welches eine Drüse mündet, ist noch kein Jacogson’sches Organ. Das Diver- tikel müsste Sinnesepithel, und zwar vom N. olfactorius versorgtes Sinnesepithel enthalten. Nach den Angaben und Abbildungen von Scorr liegt das Divertikel am unteren Rande der Regio olfactoria, im Bereich des indifferenten Epithels und ist mit solchem indifferenten Epithel ausgestattet. Es fehlt ihm also vollständig der Charakter als Sinnesorgan. Hierin scheint mir ein zwingender Grund zu liegen, jenes Divertikel nicht als Jacopson’sches Organ, auch nicht als einen Vorläufer eines solchen aufzufassen. Der Einzige, der meines Wissens ein Homologon des fraglichen Organs bei Teleostiern erwähnt, ist WINTHER (44). Er beschreibt bei Salmo trutta zwei aufwärts gerichtete blind endende Kanäle, die sich zwischen dem unteren Rande der Rieehgrube und der Mittellinie öffnen. Es fehlt diesen Kanälen die Beziehung zur Nasenhöhle und WINTHER versucht eine Erklärung dieses abweichenden Verhaltens. Schon JUNGERSEN (21) bezweifelte die Zuverlässigkeit der Beobach- tungen WINTHER’S, indem er gleichzeitig auf die Mangelhaftigkeit der bildlichen Darstellungen hinweist. Eben so weist SAGEMEHL (32) die Behauptungen WINTHER’s mit aller Entschiedenheit zurück. Nach SAGEMEHL liegt eine Verwechslung mit Schleimkanälen vor. — FLEISCHER (13) suchte vergeblich nach einem Jacopson’schen Organ bei der Forelle, bei Alburnus, Carassius und Osmerus. Ich schließe mich auch auf Grund eigener Erfahrungen der schon längst von SAGEMEHL aufgestellten Behauptung an, dass den Teleostiern ein JAcoBson’sches Organ durchaus abzusprechen sei. Das Gleiche gilt für die Selachier. FLEISCHER (13) untersuchte Embryonen (Acanthias vulgaris) ohne positives Ergebnis; ich selbst konnte bei erwachsenen Formen, Pristiurus, Seyllium, Raja, Torpedo, Squatina nichts finden, | was sich auf das fragliche Organ beziehen ließe. Unter den Ganoiden soll nach WIEDERSHEIM (39, pag. 308) bei Polypterus bichir eine Bildung bestehen, die vielleicht als Andeutung eines JacogBson’schen Organs aufzufassen sei. Nach der Darstel- lung WALDScHMIDT’s (38) besteht die eigentliche Riechgrube aus zwei Abtheilungen, die durch eine Schleimhautfalte von einander geschie- den sind. Die eventuell als Jacogson’sches Organ zu deutende Ab- Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 469 theilung ist kleiner als die andere, als eigentliche Riechgrube aufzu- fassende, und liegt am oberen und vorderen Rande der letzteren. In ihrem Bau unterscheidet sie sich nicht von der Haupthöhle. WaArLp- SCHMIDT hält es für unzulässig, diese Nebenhöhle als JAcoBson’sches Organ aufzufassen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil bei derselben »von den für ein derartiges Organ eine conditio sine qua non bildenden Bedingungen (Kommunikation mit der Mundhöhle) bei diesem Fische eben so wenig wie bei irgend einem anderen die Rede sein kann«. Diese Begründung ist keineswegs ausschlaggebend. Bei Siren und auch bei anderen Amphibien öffnet sich der mit Sicherheit als Jacopson’sches Organ aufzufassende Blindsack ausschließlich in die eigentliche Nasenhöhle und nur durch gewisse Einrichtungen lässt sich eine Beziehung desselben zur Apertura nasalis interna und damit zur Mundhöhle erkennen. Die Möglichkeit, dass die Gliederung der Nasenhöhle in eine Haupt- und Nebenhöhle schon erfolgt war, bevor die Verbindung der Nasen- und Mundhöhle sich ausbildete, ist ohne Weiteres nicht von der Hand zu weisen. Der Befund bei Polypterus könnte ein Paradigma für diese Möglichkeit sein. Auch aus dem Fehlen eines selbständigen Olfaetoriusastes für die Nebenhöhle, das WALDSCHMIDT erwähnt, lässt sich kein Beweis gegen diese Auf- fassung ableiten, da ein solcher auch bei Amphibien vermisst wird. Wenn mir nun auch die Beweisführung WALpscHmipr’s nicht überzeugend erscheint, so muss ich ihm in der Deutung des Befundes doch beipflichten. Auch ich spreche jene Nebenhöhle nicht als JACOBSON’sches Organ an. Die Nebenhöhle liegt an der vorderen und oberen Begrenzung der Haupthöhle; während sich das JAacopson- sche Organ von Siren medial am unteren Rande der Regio olfactoria der Haupthöhle findet; an der gleichen Stelle legt es sich bei den Amphibien und Amnioten in der ontogenetischen Entwicklung an. Es sind also keineswegs homologe Punkte der Riechorgane, an denen bei Polypterus auf der einen, bei Amphibien auf der anderen Seite der Blindsack gelagert ist — hierin liegt meines Erachtens der Grund dafür, dass man von einer Homologisirung der Blindsäcke abzusehen hat. Was endlich die Dipnoer anlangt, so habe ich bei der Durch- sicht der Litteratur keine Andeutungen dafür gefunden, dass bei ihnen ein JAcopson’sches Organ bestände. Das Hauptinteresse scheint sich hier auf die doppelte Öffnung des Geruchssackes zu beziehen; iu Betreff der Konfiguration der Nasenhöhle selbst wird allenthalben auf die Ähnlichkeit mit Selachiern hingewiesen. Morpholog. Jahrbuch. 23, 31 470 O. Seydel Aus alle Dem geht hervor, dass bei Fischen ein Jacopson’sches Organ nicht besteht, zum mindesten, dass bis jetzt Spuren eines solchen nicht nachgewiesen sind. Unter Berücksichtigung dieser Thatsache neige ich dazu, das Fehlen desselben bei Proteus als einen primitiven Zustand auf- zufassen. DBestärkt werde ich hierin durch die Angaben von H. WILDER. So weit sich aus dessen Arbeit (42) ersehen lässt, ist ein JacoBsoN’sches Organ bei Amphiuma tridactylum — wenn es über- haupt besteht — nur in Andeutungen vorhanden; bei Menopoma alleghaniense ist es gleichfalls nicht stark ausgeprägt. Leider geht WILDER mit seinen Darstellungen zu wenig in das Detail ein, als dass eine weitergehende Verwerthung seiner Arbeit möglich wäre. Die Thatsache, dass unter den tiefststehenden Amphibien sich Formen finden, denen das Jacopson’sche Organ gänzlich fehlt (Proteus, Menobranchus), ferner solche, bei denen es auf einer geringen Ent- wicklungsstufe steht (Amphiuma, Menopoma) und endlich solehe, bei denen es bereits eine hohe Ausbildung erreicht hat (Siren), diese Thatsache, in Zusammenhalt mit dem Faktum, dass Spuren des Or- gans bis jetzt in keiner Abtheilung der Fische nachgewiesen werden konnten, macht es mir sehr wahrscheinlich, dass das JAcoBson’sche Organ sich thatsächlich erst in der Amphibienreihe ausgebildet hat. Siredon pisciformis (Fig. 6 A—A#). Zur Untersuchung kam ein halberwachsenes Exemplar von etwa 12 em Linge. Die allgemeine Konfiguration der Nasenhöhle ist einfach. Das mit Plattenepithel ausgekleidete Atrium ist kurz und verläuft von der Apertura externa aus in schräger Richtung medial und etwas nach hinten. Es öffnet sich von der Seite her in die eigentliche . Nasenhöhle. Letztere stellt sich als ein Kanal dar, der vorn und i hinten kuppelförmig abgeschlossen ist. Ihr Lumen erscheint auf frontalen Durchschnitten als ein Oval, dessen größter Durchmesser von unten und lateral nach oben und medial ansteigt; im vorderen Ab- schnitt ist der Durchmesser steiler gestellt als weiter hinten; ferner nimmt der Umfang des Lumens nach hinten allmählich zu. Dicht vor dem hinteren Ende des Kanals, am Boden desselben, liegt die Apertura interna, welche die Form eines langgezogenen Ovals hat und in der lateralen Hälfte des Bodens liegt (Fig. 6 7). Auch beim Axolotl findet neben dem specifischen Sinnesepithel Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 471 indifferentes Cylinderepithel bei der Bekleidung des Nasenkanales Verwendung. Die allgemeine Vertheilung ist so, dass die Riech- schleimhaut die mediale, die indifferente Schleimhaut die laterale Seite des Geruchssackes einnimmt. Im Speciellen überzieht das Sinnesepithel den größten Theil des Bodens, die mediale Wand und das Dach des Kanals. Im vorderen Theil bleibt die ganze laterale Wand frei davon, aber weiter nach hinten greift es vom Dache her mehr und mehr auch auf diese nach abwärts über (Fig. 6 G, H). Der hintere wie der vordere kuppelförmige Abschluss der Nasenhöhle erhält gleichfalls einen Überzug von Riechepithel. Auf Fig. 6 X sind die Riechknospen des hinteren Endes im Flachschnitt getroffen. Die übrig bleibenden Theile der Wandungen der Haupthöhle sind mit Cylinderepithel iiberkleidet. Dasselbe lässt sich an der lateralen unteren Ecke des Geruchssackes durch dessen ganze Länge verfolgen, und weist hier bestimmte, gleich zu besprechende Modifikationen auf. Da die Apertura interna ganz lateral am Boden der Nasenhöhle liegt, so fällt ihre Öffnung in das Bereich des indifferenten Epithels. Im Bereiche dieses indifferenten Epithels und zwar gerade .an der Stelle, wo der Boden der Nasenhöhle in die seitliche Wand um- biegen würde, verläuft fast durch die ganze Länge der Nasenhöhle eine rinnenförmige Einsenkung der Schleimhaut. Diese Rinne, die ich weiterhin als seitliche Nasenrinne oder seitlichen Nasengang be- nennen will (in den Figuren mit A bezeichnet), beginnt am vor- deren Ende des Geruchssackes als eine schwache, aber deutlich ab- gegrenzte Einsenkung der Schleimhaut, deren Lumen gerade nach unten gerichtet ist. Weiter nach hinten gewinnt die Rinne schnell an Tiefe, ihre Lichtung stellt sich dabei schräg nach lateral und unten. Unter bestimmten gleich zu besprechenden Modifikationen setzt sich die Rinne nach hinten fort bis in das Bereich der Aper- tura interna, an deren lateraler Wand sie verstreicht (Fig. 6 7). An der seitlichen Nasenrinne lassen sich zwei Abschnitte unter- scheiden; ein vorderer, der mit Cylinderepithel ausgekleidet ist, und ein hinterer, der stellenweise sensorielles Epithel trägt. Im vorderen Abschnitt (Fig. 6 A—F) ist die Rinne deutlich gegen den Boden der Nasenhöhle abgesetzt, indem gerade am Rande der Rinne eine leichte, faltenförmige Erhebung der Schleimhaut verläuft. Bis zu dieser Falte dehnt sich auch die Riechschleimhaut am Boden der Nasenhöhle aus. Die seitliche, mit Cylinderepithel bekleidete Wand der Haupthöhle setzt sich kontinuirlich in die Wandung der Rinne fort, so dass hier eine scharf markirte Grenze nicht besteht. 31* 472 Es liegt demnach der vordere Ab- schnitt des seitlichen Nasenganges ausschließlich im Bereich des indif- ferenten Epithels. In diesen Theil der Rinne mündet der Thränenkanal (Fig. 6 D); die Mündung hat die Form eines längsgestellten Schlitzes, der sich dieht am Grunde der Rinne in ihrer oberen (lateralen) Wand fin- det. In der Gegend der Thränen- kanalmündung tritt nun auch an der oberen (lateralen) Wand des seit- lichen Nasenganges eine schärfere Begrenzung desselben auf durch eine leichte Schleimhautfalte, die im Be- reiche des Cylinderepithelbelags der lateralen Wand der Haupthöhle auf- tritt. Eine kurze Strecke hinter der Mündung des Ductus naso-laerymalis beginnt der hintere Abschnitt des seitlichen Nasenganges, welcher da- mit in wesentlichen Punkten seinen Charakter ändert. Die Rinne vertieft sich plötzlich und zwar ziemlich genau in lateraler Richtung (Fig. 6 G); diese Vertiefung ist nach vorn blindsackartig ausgestülpt. Auf weiter nach vorn liegenden Frontalschnitten finden wir diesen Blindsack lateral neben der seitlichen Na- senrinne liegend; er hat die Form einer Ellipse, sein Lumen stellt sich als horizontal lie- gender Spalt dar (Fig. 6 D—F, Jacobs. Org.). — Ferner tritt eine Anderung in der Begren- zung der Rinne ein. Die Falte, Duct naso-laer. d Jacobs. Ory. O. Seydel . a x <= (7186, = ( ' / > ’ Vomer. Naxıll. sup. Fig. 6 D Gl nasal. 4, ext ws, é Gl Jacobs. | Vomer. Maxill. sup. Maxill, @JAeobs. Yomer SUp. Siredon pisciformis. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. die weiter nach vorn den oberen Rand derselben mar- kirte, wird deutlicher und springt lippenartig vor. In dieser Gegend der Nasenhöhle dehnt sich die Riechschleim- haut schon auf die laterale Wand der Haupthöhle bis an die Basis dieser Falte aus, doch ist die Falte selbst mit Cylinderepithel überzogen. Die seitliche Wand der Na- senhöhle geht in scharfer Knickung in die obere Wand der Rinne über, während sie weiter vorn in gleicher Flucht mit derselben lag. Anderer- seits wird die Abgrenzung der Rinne gegen den Boden der Nasenhöhle undeutlicher; die Falte, welche im vor- deren Abschnitt die Scheide zwischen bei- den bildete, ver- schwindetund es liegt die untere Wand der Rinne in der Fort- setzung des Bodens der Nasenhöhle (Fig. 6 G). Die Vertiefung der Rinne, wie die blindsackartige Aus- stülpung, sind mit Sinnesepithel ausge- kleidet. Dieses unter- scheidet sich in eini- gen Punkten von dem der Regio olfactoria. Zunächst ist es konti- Fig. 6 F. Duct.naso-lack~ x, Jacobs Og. , 7% & th ( SUP Fig. 6 @. | ‘ « Maal. Gl ’ Jacobs Vomer. 473 Vomer. Duct. naso-lacr. Apert.nasal. Vomer intern. Siredon pisciformis. Gl. Jacobs Gl, Jacobs. 474 0. Seydel nuirlich angeordnet und lässt nichts von jenen knospenartigen Bil- dungen erkennen, die der eigentlichen Riechschleimhaut ihr eigen- thümliches Gepräge geben. Ferner sind die Kerne in den hohen eylindrischen Zellen diffus durch die ganze Ne 8. Dicke des Epithels ol verstreut, während sie in der Regio ol- _ZinteresZinde 5 ji der Nasenhöhle eh factoria vorwiegend em in einer breiten ba- gwsital. salen Zone zusam- 4% mengedrängt sind. Auch scheint mir die Zahl der specifischen Sinneszellen im Epi- Maxill. sup. D Siredon pisciformis, Nasenhöhle; Frontalschnittserie. thel des Blindsackes BENDER et Pterygopalatin. geringer zu sein als in den Riechknospen. Endlich fehlen Bowman’sche Drüsen. Dieses Epithel überzieht kontinuirlich die Wandungen des Blind- sackes und kleidet den Boden der Rinne aus: nach den Rändern derselben geht es allmählich in das indifferente Cylinderepithel über; am oberen Rande ist dieser Übergang allenthalben sehr deutlich, da die begrenzende Schleimhautfalte indifferentes Epithel trägt; da- gegen verwischen sich am Boden der Nasenhöhle die Verhältnisse. Anfangs ist zwar auch hier, wie in Fig. 6 G, zwischen Riechschleim- haut und dem Sinnesepithel der Rinne ein schmaler Streifen Cylinder- epithel eingeschoben, aber weiter nach hinten tritt an einzelnen Stellen das Epithel der Regio olfactoria in direkteste Nachbarschaft zum Sinnesepithel der Rinne, und ich konnte dann an meinen aller- dings ziemlich dieken Schnitten eine scharfe Grenze zwischen beiden nicht konstatiren. In diesem Verhalten prägt sich eine gewisse Beziehung zwi- schen dem Sinnesepithel der Regio olfactoria und dem des seitlichen Nasenganges aus. Das Gleiche kommt in der Innervation zum Ausdruck. Zum Sinnesepithel der Rinne lässt sich ein Zweig des ventralen Olfactoriusastes verfolgen. Mit Sicherheit konnte ich nach- weisen, dass dieser Zweig auf seinem Verlaufe auch kleine Äste ab- giebt, die zur Riechschleimhaut treten. Der Nerv verläuft unter dem Boden der Nasenhöhle schräg nach lateral und vorn, tritt zu dem Blind- sack und dem sensoriellen Theil der Rinne und umgreift dieselbe Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 475 von unten her, indem er sich in mehrere Zweige spaltet. Es ist also kein besonderer Ast des N. olfactorius, durch den die Versorgung des zu einem Sinnesorgan umgestalteten Abschnittes der seitlichen Nasenrinne erfolgt. Verfolgt man den seitlichen Nasengang nun weiter nach hinten, so nimmt seine Tiefe allmählich ab, das specifische Epithel desselben verschwindet, indem es ganz allmählich in indifferentes Cylinder- epithel übergeht (Fig. 6 7). Ihr Lumen wird flacher, ihre Ab- grenzung undeutlicher und endlich verstreicht sie an der lateralen Wandung der Apertura interna (Fig. 6 J). Der Sinnesepithel tragende Theil der seitlichen Nasenrinne wird in der Litteratur als Jacopson’sches Organ bezeichnet. Drüsen der Nasenhöhle. Im ganzen Bereich der Regio ol- factoria kommen zahlreiche Bowman’sche Drüsen vor. Von größeren Drüsen bestehen einmal Glandulae nasales externae; ich zählte deren sechs. Die Mündungen derselben liegen dicht bei einander an der Grenze zwischen Atrium und eigentlicher Nasenhöhle und zwar an der oberen Cirkumferenz dieser Grenze, in der Gegend, wo das Plattenepithel des Atriums an das Cylinderepithel der seitlichen Nasenhöhlenwand anstößt. Die Drüsen stellen einfache Schläuche mit etwas erweitertem Ende dar; sie erstrecken sich, lateral vom Geruchssack gelagert, gerade nach hinten. Ihr Ende liegt ungefähr in einer Frontalebene mit der nasalen Mündung des Ductus naso- lacrymalis (vgl. Fig. 6 B—D, Gl.nasal.ezt.). Mächtig entfaltete Drüsen stehen mit dem JAcoBson’schen Organ in Verbindung (Fig. 6 E—I, Gil.Jacobs.). Es bestehen zwei solcher Drüsen; sie münden in den blindsackartigen Theil des Organs, dicht an dessen vorderem Ende, an der medialen Wand. Die schlauch- formigen Drüsen dehnen sich unter leichten Verzweigungen und Schlängelungen nach hinten und medial aus; sie liegen zunächst unter dem Geruchssack ; weiter nach hinten erstrecken sie sich mehr und mehr an dessen mediale Seite, so dass sie dem knorpligen Septum benachbart sind. In dieser Lage lassen sie sich nach hinten bis in die Nähe des Foramen n. olfactorii der knorpligen Kapsel verfolgen. Diese Drüsen sind in der Litteratur auch als G]. nasa- les mediales' bezeichnet. In ihrem Verhalten sind sie deutlich von den Bowman’schen Drüsen unterschieden durch das trübe, mit Karmin sich schwach tingirende Protoplasma ihrer Zellen. Knorplige Nasenkapsel (Fig. 7 und 8). Das knorplige Skelet des Cavum nasale ist vollständiger als bei Siren. Ein mäch- 476 0. Seydel tiges knorpliges Septum verbindet die beiderseitigen Kapseln; das- selbe reicht uicht so weit nach vorn als die letzteren, so dass zwischen den beiderseitigen Kapseln der Internasalraum frei bleibt. Vom oberen, beziehentlich vom unteren Rande des Septums, geht lateralwärts, in ziemlich horizontaler Richtung, das Dach und der Boden der Kapsel aus, die einen spaltförmigen, den Geruchssack aufnehmenden Hohlraum zwischen sich fassen (vgl. Fig. 6). Nach vorn, sowie — dem Internasalraum entsprechend — nach vorn und medial vereinigt sich jederseits der Boden und das Dach, sowie die Pie..7. Fig. 8. >» Bw Xe Andorbital-Eortsatz ü Siredonpisciformis. Knorplige Nasenkapsel, Siredon pisciformis, Knorplige Nasenkapsel. Nach einem Plattenmodell. Dorsale Ansicht. Ventrale Ansicht des Modells von Fig. 7. Fortsetzung des Septums zu einer geschlossenen Kuppel, die die Lichtung der ganzen Nasenkapsel nach vorn abschließt. Medial ragt an dieser Kuppel in der Höhe des Bodens ein stumpfer Fort- satz (a) hervor, an den sich das Praemaxillare anlegt. Lateral von der Basis desselben findet sich eine Unterbrechung des Bodens (Fig. S 4). Im Übrigen formirt der Boden der Kapsel eine zusammen- hängende Platte, deren orale Fläche fast plan ist und nur eine ganz schwache Wölbung zeigt. Lateral endet der Boden mit freiem Rande. Dieser Rand verläuft von der vorderen Kuppel zunächst lateral und nach hinten, dann ein kurzes Stück gerade nach hinten (c); an dieser Stelle ist der Rand etwas nach oben umgebogen. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 477 Weiterhin verläuft er in der Richtung nach hinten und medial bis zur Wurzel des Antorbitalfortsatzes. Diese Strecke zeigt an meinem Modell eine doppelte Einbiegung; der hinteren entspricht die Lage der Apertura nas. int. An Kontrollpräparaten, die direkt untersucht wurden, konnte ich von dieser doppelten Biegung nichts erkennen. — Der Antorbitalfortsatz verläuft als freier Fortsatz nach lateral und vorn. Er begrenzt mit dem freien Rande des Bodens der Nasen- kapsel eine Öffnung, welche der inneren Öffnung des Geruchssackes entspricht. Das Dach der Kapsel stellt gleichfalls eine lateral mit freiem Rande endende Platte vor. Dieser Rand ist nach unten umgebogen. Im mittleren Drittel der gesammten Kapsel entsteht durch eine stärkere Abbiegung des Daches nach unten eine seitliche Wand der Nasenkapsel (vgl. Fig. 6 F—/). Hinter dieser Stelle, die der mäch- tigsten Breitenentfaltung der Kapsel entspricht, weicht der Rand schräg medialwärts und nach hinten zurück. In diesem Abschnitt endet das Dach mit horizontal gerichtetem Rande. Eine Verbindung von Dach und Boden wird medial durch das Septum vermittelt, vorn durch den kuppelförmigen Abschluss. Seitlich sind beide Theile nur im vorderen Abschnitte durch einen dünnen Knorpelpfeiler in Verband. Dieser Pfeiler (Fig. 7 d) löst sich vom Boden dicht an dessem freien Rande ab, steigt schräg nach hinten, medial und oben auf und verbindet sich mit dem zu einer seitlichen Wand ab- gebogenen Theil des Daches (vgl. auch Fig. 6 C—F, d). Es entsteht so vorn an der Seite der Nasenkapsel eine ziemlich große allseitig von Knorpel umschlossene Öffnung. Durch diese Lücke (Apert. nasal.ext. der Fig. 7) öffnet sich der Geruchssack vermittels der äußeren Nasenöffnung, ferner tritt der Ductus nasolacrymalis hindurch, indem er der hinteren Umrandung des Loches direkt angelagert ist. Der Thränenkanal verläuft von hier, der äußeren Wand der Nasen- kapsel angelagert, nach hinten und aufwärts. Die entsprechende Strecke der Nasenkapsel (Fig. 7 e) zeigt eine ganz leichte mulden- förmige Einsenkung, die gerade hinter der Öffnung sich anschließt; sie verstreicht nach hinten auf dem seitlichen Wandtheil der Kapsel. Gerade an dem Platze wo sie endet, findet sich eine Offnung (f Fig. 7) für einen Zweig des R. nasalis des Trigeminus, der hier aus dem Inneren der Kapsel austritt, um dann zur Haut der Schnauzen- gegend zu treten. Eine zweite größere, an meinem Objekt doppelte Öffnung für den Schnauzenast des Trigeminus liegt an der Basis 478 0. Seydel der vorderen Kuppel, an der medialen Wand derselben (Fig. 7 9). Ein hinterer Abschluss fehlt der knorpligen Kapsel". Im Allgemeinen liegt nun der Geruchssack in dem lateralen Theil des spaltförmigen Raumes, den die knorpelige Kapsel um- schließt (Fig. 6). Es bleibt zwischen dem Geruchssack und dem knorpeligen Septum ein Raum übrig, der mit Bindegewebe etc. aus- gefüllt ist. Im vorderen Theil schmal, verbreitert er sich nach hinten ganz beträchtlich. Das Jacogson’sche Organ liegt, mit seinem vordersten Ende wenigstens, dem Boden der Knorpelkapsel auf, und zwar entspricht seine Lage der dreieckigen Strecke des Bodens, die hinter und la- teral von dem aufsteigenden Knorpelpfeiler auf Fig. 7 zu erkennen ist. Dieser Theil des Bodens zeigt eine leichte muldenförmige Ein- senkung der Oberfläche, entsprechend der Wölbung des Blindsackes. Uber die Lagebeziehung zwischen Kapsel und Jacogson’schem Or- gan wird der Vergleich von Fig. 7 und 8 mit den Durchschnittsbil- dern Fig. 6 orientiren. Im hinteren rinnenförmigen Theil des Or- gans fehlt eine knorplige Stütze desselben. Amblystoma punetatum. Nach der Darstellung von BAWDEN zeigt die Nasenhöhle in allen wesentlichen Punkten eine völlige Übereinstimmung mit der von Siredon. Man vgl. 1, Taf. V Fig. 1—15 mit meiner Fig. 6. Vergleichung von Siredon mit Siren und Proteus. Vergleichen wir die Nasenhöhle von Siredon mit der von Siren, so ergiebt sich zunächst eine gewisse Übereinstimmung in der An- ordnung der Regio olfactoria. Bei beiden Formen erstreckt sich das Riechepithel von der medialen Wand des Geruchskanales aus sowohl über das Dach wie über den, Boden in lateraler Richtung. Bei Siredon überzieht es fast die ganze Breite des Bodens, während es bei Siren auf einen schmalen, erst im hinteren Theile der Nasen- 1 Vergleiche über die Nasenkapsel von Siredon auch WIEDERSHEIM, Kopf- skelet der Urodelen (Morph. Jahrbuch. Bd. III. pag. 471). Jene Darstellung ist in so fern zu berichtigen, als die Kapsel seitlich unvollständig ist, da Bo- den und Dachtheil nur dicht hinter der Apertura externa durch den erwähnten Knorpelpfeiler verbunden sind. Auch besteht für den R. nasalis trigemini kein besonderes abgegrenztes Loch in der knorpligen Kapsel. Es ist nur ein feiner Seitenzweig dieses Nerven, der sich früh vom Hauptstamme abspaltet und selbständig die Kapsel durchsetzt, den WIEDERSHEIM auf pag. 472 bespricht und auf Taf. XXI Fig. 28 durch einen Pfeil andeutet. — Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 479 höhle an Breite gewinnenden Streifen beschränkt ist. Bei beiden Formen zeigt die Riechschleimhaut einen knospenartigen Bau. Beim Axolotl sind diese Knospen indess unregelmäßiger und streckenweise ist die Schleimhaut kontinuirlich angeordnet, ein Verhalten, das durch die Jugendlichkeit des untersuchten Exemplars bedingt sein kann, da bei noch jüngeren Thieren die Schleimhaut überhaupt nichts von Knospen erkennen lässt. Siren fehlen Bowman’sche Drüsen, die beim Axolotl reichlich vorhanden sind. | Das respiratorische Epithel ist bei Siren umfänglicher entfaltet als beim Axolotl; während es bei letzterem auf die untere laterale Ecke des Geruchssackes beschränkt ist und nur im vorderen Theil der Nasenhöhle auch auf die seitliche Wand sich ausdehnt, über- zieht es bei Siren den größeren lateralen Theil des Bodens, dazu wird seine Oberfläche durch die Faltenbildungen ganz erheblich ver- 'größert. Im vorderen Theil der Nasenhöhle vom Axolotl formirt der respiratorische Theil der Schleimhaut eine deutlich gegen das Lu- men der Nasenhöhle abgegrenzte Rinne, welche die Mündungen des Thränenkanals aufnimmt (die seitliche Nasenrinne). Eine ähnliche Bildung ist bei Siren nicht vorhanden, wenngleich sich das respira- torische Epithel mit seinen Faltenbildungen bis zur Apertura externa hin verfolgen lässt. Bei beiden Formen liegt die Apertura nasalis interna lateral zum Lumen der Nasenhöhle und im Gebiet der Regio respiratoria der Schleimhaut. Bei beiden Formen geht von der Nasenhöhle eine blindsack- artige Ausstülpung aus, die Sinnesepithel trägt: beide besitzen ein Jacopson’sches Organ. In dem Verhalten desselben ergeben sich neben wichtigen Differenzen auch Übereinstimmungen in wesent- lichen Punkten. Bei beiden Thieren liegt der Zugang zum Organ am Boden der Nasenhöhle, und zwar gerade an der Grenze zwischen Regio olfactoria und Regio respiratoria. Da beim Axolotl diese Grenze stark lateral verschoben ist, entsprechend der Ausdehnung des Riechepithels über den ganzen Boden der Nasenhöhle, so liegt auch der Zugang zum JacoBsoN’schen Organ ganz lateral; während bei Siren, wo die Riechschleimhaut einen größeren seitlichen Theil des Bodens frei lässt, der Zugang dicht an der medialen Wand des Geruchssackes sich findet (vgl. Fig. 2 G pag. 460 u. Fig. 6 G pag. 473). Demgemäß liegt das Organ bei letzterem unter, beim Axolotl seitlich von dem Cavum nasale. Bei beiden Formen setzt sich der Blind- sack des Jacogson’schen Organs rückwärts in Form einer allmählich verstreichenden Rinne fort, die im Gebiet des respiratorischen Theiles 480 QO. Seydel der Schleimhaut liegt. Bei Siren verläuft dieselbe am Boden der Nasenhöhle schräg nach lateral und hinten und verstreicht dicht vor der Apertura interna; bei Siredon liegt sie in der lateralen Ecke der Nasenhöhle und verliert sich am seitlichen Rande der inneren Nasenöffnung. Beim Axolotl ist der Blindsack verhältnismäßig klein und aus- schließlich mit Sinnesepithel ausgekleidet, und dieses setzt sich noch in die rinnenförmige Verlängerung des Organs nach hinten fort; bei Siren dagegen ist der Blindsack viel umfänglicher und das Sinnes- epithel auf einen medialen Theil desselben beschränkt, während ein zweiter größerer und selbständig nach vorn entwickelter Abschnitt indifferentes, hohes Cylinderepithel (vorwiegend) trägt. Es könnte die Vorstellung entstehen, als sei der Blindsack von Siren durch. eine Ausstülpung der Nasenhöhlenwand entstanden, die sowohl Sinnes- epithel als respiratorisches Epithel betroffen hätte, während bei Sire- don nur das speeifische Epithel in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Hier wie dort ist das Sinnesepithel kontinuirlich ohne An- deutungen von Knospenbildungen und unterscheidet sich hierdurch vom specifischen Epithel der Regio olfactoria. Bei beiden Formen stehen mit dem Blindsack mächtig entfaltete Drüsen in Verbindung, deren Schläuche sich in medialer Richtung unter dem Geruchssack hin gegen das Septum narium ausdehnen. Zwischen diesem und der medialen Wandung des Geruchssackes breiten sie sich bei Siren gleichmäßig nach vorn und hinten, bei Siredon ausschließlich nach hinten aus. Die Drüsen von Siredon münden in der Nähe des blinden Endes des JacoBsoN’schen Organs im Bereiche des Sinnesepithels desselben; für Siren konnte ich die Mündungsstelle am Boden des Blindsackes, und zwar an der Grenze seines medialen und lateralen Abschnittes, feststellen; ob sie im Be- reich des Sinnesepithels erfolgt oder nicht, erlaubte mein Präparat nicht zu entscheiden. Als Punkte der Übereinstimmung ergeben sich: 1) die Lage am Boden und an der Grenze zwischen Regio olfactoria und respiratoria; 2) die rinnenförmige Fortsetzung nach hinten im Bereich der Regio respiratoria; 3) die kontinuirliche Beschaffenheit des speeifischen Epithels; 4) die Drüsen in ihrer medialen Ausbreitung. Die Unter- schiede kommen zum Ausdruck 1) in der Lage des Organs zur ganzen Nasenhöhle; 2) in der Entfaltung des Blindsackes und 3) in dem Verhalten der Schleimhautauskleidung desselben. Es fragt sich nun, wie diese Differenzen zwischen beiden Formen Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 481 zu beurtheilen sind. Die mediale Lagerung des Organs bei Siren — darin schließe ich mich H. WILDER (43) an — ist als ein primitiver Zustand aufzufassen. Es stützt sich dieses Urtheil auf die That- sache, dass allenthalben in der ontogenetischen Entwicklung die An- lage des Organs an der medialen Seite des Geruchssackes erfolgt (vgl. auch BURCKHARDT, 8). In der seitlichen Lage des Organs bei Siredon würde demnach ein Fortschritt in der Entwicklung zum Ausdruck kommen, ein Fortschritt, bei dem sich das JacoBson’sche Organ als solches allerdings völlig passiv verhält. Es handelt sich um eine Verlagerung desselben, die von außer ihm liegenden Mo- menten abhängt. Trotz der verschiedenen Lage der Blindsäcke zur gesammten Nasenhöhle bei Siren und Siredon, erweisen sich die Stellen des Geruchssackes, an denen die Blindsäcke mit der Haupt- höhle zusammenhängen, als homologe; denn sie liegen am Boden gerade an der Grenze zwischen Regio olfactoria und Regio respira- toria. Die Verlagerung der Kommunikationsstelle ist eine Folge von Verschiebungen, die den ganzen Geruchssack betreffen. Der Vergleich von Fig. 2 pag. 459 und Fig. 6 pag. 472 ergiebt, dass bei beiden Thieren die Riechschleimhaut am Dache des Ge- ruchssackes ziemlich gleich weit in lateraler Richtung ausgedehnt ist, während sie sich am Boden bei Siredon viel weiter seitwärts erstreckt als bei Siren. Im Vergleich zu Proteus hat beim Axolotl wie bei Siren das Lumen des Cavum nasale an Umfang gewonnen; die hiermit Hand in Hand gehende Vergrößerung der Wandflächen kommt vor- wiegend bei ersterem dem sensoriellen Theile der Schleimhaut, bei letzterem dem respiratorischen Abschnitt zu Gute. Die Ausdehnung der Regio olfactoria bei Siredon erfolgt vorwiegend in den vom Septum auf den Boden übergreifenden Partien und führt so zu der Verlagerung der Grenzlinie zwischen specifischem und indifferentem Epithel und somit auch zu einer Verlagerung des JaAcosson’schen Organs. Ein zweiter Faktor, welcher bestimmend auf die Richtung einwirkt, in welcher diese Verschiebung erfolgt, ist in dem Raumverhältnisse des Schädels gegeben. Bei der starken Abplattung desselben ist eine räumliche Entfaltung des Cavum nasale nur im queren Durchmesser möglich. Lässt sich doch bei der Übersicht der Amphibien überhaupt in aller Deutlichkeit erkennen, wie die Nasenhöhle in dem Maße, als ihr Lumen an Umfang gewinnt, sich immer ausgesprochener dem platten und breiten Schädel anpasst. Demnach stellt sich die seitliche Lage des JacoBson’schen Organs beim Axolotl als eine Folge der seitlich gerichteten Entfaltung des 482 0. Seydel Nasenhöhlenlumens dar. Es würde sich nun weiter die Frage er- heben, wie der Bau des Organs bei Siren und Siredon zu beurtheilen ist. Bei ersterem empfängt der Blindsack eine Bekleidung durch sensorielles und indifferentes Epithel; bei letzterem ausschließlich durch Sinnesepithel. Das indifferente Epithel des Blindsackes bei Siren unterscheidet sich in seinem histologischen Verhalten von dem respiratorischen Epithel der Nasenhöhle. Letzteres ist ein mehr- schichtiges kubisches Epithel, dessen oberflächlichste Zellen abge- plattet sind, während das des Blindsackes ein hohes mehrschichtiges Cylinderepithel ist. Dasselbe findet sich in dem seitlichen Theil des JAcopson’schen Organs; es wurde erwähnt, dass an der seitlichen . Ecke desselben — wahrscheinlich — Sinnesepithel sich findet. Die zugehörige Drüse mündet beim Axolotl an der Spitze des Blindsackes im Bereiche des Sinnesepithels, bei Siren am Boden des Organs an der Grenze des medialen und lateralen Abschnittes, wobei unent- schieden bleiben musste, ob im Gebiet des specifischen oder des indifferenten Epithels. Diese Thatsachen veranlassen mich zu der Annahme, dass die gesammte Blindsackbildung von Siren ursprüng- lich ausschließlich Sinnesepithel trug, dass aber mit der sehr mäch- tigen Entfaltung der Ausstülpung eine stellenweise Rückbildung des . specifischen Epithels stattgefunden hat. Solche partiellen Reduktionen von Sinnesepithel sind nichts Ungewöhnliches; es werden uns weiter unten noch analoge Beispiele begegnen. Auch braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dass die Rückbildung des specifischen Epithels im lateralen Theile des Blindsackes keineswegs als ein Zeichen in Anspruch genommen zu werden braucht, das auf eine Rück- bildung des ganzen Organs deute. Vielmehr bahnt sich durch diese Sonderung des Organs in zwei verschiedenartige Abschnitte eine höhere Ausgestaltung desselben an. Demnach wäre der Befund bei Siren von einem einfacheren Zustand abzuleiten, wo ein kleinerer aber allseitig mit Sinnesepithel ausgekleideter Blindsack bestand. Auf dieser Entwicklungsstufe finden wir das Organ bei Siredon. Das Jacogson’sche Organ des Axolotls bewahrt in seinem Bau primitive Verhältnisse, entfernt sich aber durch seine seitliche Lage von dem hypothetischen Ausgangsstadium. Gerade umgekehrt zeigt Siren in der Ausgestaltung des Blindsackes eine höhere Entwicklung, während die primitive Lage bewahrt bleibt. Damit ergiebt sich für beide Formen hinsichtlich des JacoBson’schen Organs eine Divergenz des phyletischen Entwicklungsganges. Das eigentliche Jacogson’sche Organ setzt sich in beiden Fällen Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 483 nach hinten in eine Rinne fort, die bis zur Apertura nasalis interna verfolgbar ist. Bei Siren geht dabei das hohe Cylinderepithel all- mählich in das gewöhnliche Epithel der Regio respiratoria über. Bei Siredon setzt sich das Sinnesepithel des Jacogson’schen Organs nach hinten im Bereich der Rinne in mehrschichtiges Cylinderepithel fort, wie es sich auch in der ganzen Regio respiratoria findet. Bei beiden Formen tritt also die Regio respiratoria zu dem Organ in Beziehung. Für Siren wurde bereits auf die funktionelle Bedeutung der Rinne als Zuleitungsapparat für das eigentliche Sinnesorgan hingewiesen; Ähnliches gilt auch für Siredon. Hier liegt die Apertura nasalis interna lateral zum hinteren Ende der Haupthöhle; der exspiratorische Wasserstrom wird — wenigstens im hinteren Theil des Cavum na- sale — in der lateralen Hälfte des Geruchskanals am intensivsten sein; so liegt auch hier die Bedeutung des hinteren Abschnittes der seitlichen Nasenrinne als Zuleitungsapparat für den Blindsack auf der Hand. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Richtung, in welcher die Ausstülpung des Jacopson’schen Organs erfolgt, der Richtung des exspiratorischen Stromes entspricht. Es fängt sich das ausströmende Wasser gewissermaßen in dem Blindsack, und es wird so eine innige Berührung mit den Sinnesapparaten desselben ermöglicht. Bei Siredon tritt zum Theil wohl wegen der geringen Entfaltung der Regio respiratoria der Zuleitungsapparat viel augenfälliger hervor als bei Siren, doch macht sich in der Ausdehnung bis in die Aper- tura nasalis interna hinein ein deutlicher Fortschritt in seiner Aus- gestaltung geltend. | Bei der Vorführung des Befundes von Siredon stellte ich das Verhalten des Jacopson’schen Organs so dar, als sei dasselbe ein Theil der seitlichen Nasenrinne, die von der Apertura externa bis zur Apertura interna die ganze Länge des Geruchssackes durchsetzt. In der That erhält man bei einer unbefangenen Prüfung der Nasen- höhle diesen Eindruck, da das Organ direkt.in der Verlängerung des vorderen mit indifferentem Epithel ausgekleideten Abschnittes der seitlichen Nasenrinne liegt, - gegen den es allerdings durch die größere Tiefe und die nach vorn gerichtete Ausstülpung scharf ab- gegrenzt ist. Bei Siren besteht im vorderen Theil der Nasenhöhle keine Andeutung einer seitlichen Nasenrinne. Hier tritt das respira- torische Epithel wohl in Beziehung zu der spaltförmigen Öffnung des Blindsackes, indem es dieselbe in Form einer Falte begrenzen hilft; indess liegt die Hauptmasse des respiratorischen Epithels lateral von dem Spalt und setzt sich von hier aus nach vorn bis zur Aper- 484 O. Seydel tura externa nasalis fort, und zwar ohne eine Andeutung einer rinnen- formigen Einsenkung erkennen zu lassen. Die unregelmäßigen Falten, die die indifferente Schleimhaut formirt, verstreichen im vorderen ‚Abschnitt des Cavum. Bei Siredon dagegen kommt durch die seitliche Verschiebung des Jacosson’schen Organs in Verbindung mit der viel geringeren Entfaltung des respiratorischen Epithels im mittleren Abschnitt der Nasenhöble, der Zugang zu dem Blindsack gerade hinter das indiffe- rente Epithel des vorderen Abschnittes des Geruchssackes zu liegen. Dass nun das Jacopson’sche Organ einen Einfluss gehabt hat auf die rinnenförmige Gestaltung dieses Abschnittes, ist wohl nicht anzunehmen. Einmal kann man sich ein funktionelles Zusammen- wirken beider Theile nicht recht vorstellen. Bei der Richtung des Blindsackes nach vorn kann die an der Apertura nasalis externa beginnende Rinne nicht als Zuleitungsapparat für das Jacopson’sche Organ aufgefasst werden, da ein von vorn kommender inspira- torischer Strom über die Öffnung des Blindsackes hinwegstreichen wird. Auch fehlt bei Siren trotz der höheren Entwicklung des JACOBSON’schen Organs und trotz der größeren Entfaltung des re- spiratorischen Epithels eine gleichwerthige Einrichtung. Nun nimmt die Rinne den Thränenkanal auf, und es wäre möglich, dass sie diesem ihre Entstehung verdankt. Das Fehlen der Rinne bei Siren, wo kein Thränenkanal besteht, wäre in diesem Sinne verwerthbar. Dass der Ductus naso-lacrymalis Anlass geben kann zur Komplicirung des Nasenhöhlenlumens, dafür scheint mir der Zustand bei Anuren zu sprechen, wo derselbe in eine eigene Blindsackbildung endet. Vielleicht dient die einfache Rinne bei Siredon als Weg, um die Flüssigkeit, welehe durch den Thränenkanal in die Nasenhöhle ein- tritt, der Apertura externa zuzuführen und entstand durch die An- passung an diese Funktion. Jedenfalls wird anzunehmen sein, dass die Rinne im vorderen Theil der Nasenhöhle erst sekundär in be- stimmte Lagebeziehungen zum JAcopson’schen Organ getreten ist. Demnach lassen sich an der als seitliche Nasenrinne bezeichneten Bildung drei ungleichwerthige Abschnitte unterscheiden. Der älteste Theil ist der mittlere, der Sinnesepithel trägt und ‘durch die Blind- sackbildung komplieirt ist; daran schließt sich der hintere Abschnitt, der mit indifferentem Epithel bekleidet ist und sich bis zur Apertura | interna fortsetzt; er bildet einen Hilfsapparat für das Sinnesorgan und tritt bereits bei Siren auf. Dazu kommt als jüngstes Glied der vorderste Theil, welcher gleichfalls respiratorisches Epithel trägt Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 485 und die Mündung des Thränenkanals aufnimmt. Seine Entstehung ist vielleicht mit dieser letzten Thatsache in Verbindung zu bringen. Er tritt sekundär in topographische Beziehungen zu dem mittleren Abschnitt. Die Bezeichnung JAcoBson’'sches Organ ist in Rücksicht auf noch vorzuführende Verhältnisse auf den sensoriellen Theil zu be- schränken. Da der hintere wie der vordere Abschnitt der seitlichen Nasenrinne der Regio respiratoria angehört, so kommt das Jacon- son’sche Organ von Siredon, in viel ausgesprochener Weise als es bei Siren der Fall ist, in dieses Gebiet zu liegen. Schon bei Siren und bei Siredon stehen mit dem JacoBson’schen Organ besondere Drüsen in Verbindung und es ist damit eine Ein- richtung gegeben, die fast allgemein verbreitet ist. Die mächtige Entfaltung der Drüsen, wie die Konstanz, mit der sie auftreten, lässt auf ihre wichtige funktionelle Bedeutung schließen. Worin diese Bedeutung liegt, lässt sich nur vermuthen. Bei der Beziehung, die das Jacosson’sche Organ allenthalben zur Mundhöhle hat, wird das Sekret der zugehörigen Drüsen natürlich in diese abgeführt und es ist wohl möglich, dass es hier noch eine besondere Rolle zu spielen hat, eine Ansicht, die gelegentlich geäußert wurde. Aber unmöglich kann hierin ihre wesentliche Leistung liegen. Die ana- tomischen Beziehungen der Drüsen zu dem Sinnesorgan sind so enge, dass nothwendig ihre. Funktion mit der Funktion des letzteren in Verbindung stehen muss. Um die Ansicht zu entwickeln, die ich mir über diese Frage gebildet habe, ist es nothwendig, kurz an die Bedeutung der Drüsen der Regio olfactoria der Nasenhöhle zu erinnern. Von Amphibien an aufwärts finden sich sowohl bei wasser- wie bei luftlebenden Thieren in der Regio olfactoria Bowman’sche Drüsen. Das Sekret derselben überzieht die freie Oberfläche der Riechschleim- haut und dient so als schützende Decke für die sensiblen End- apparate. Die Zahl und die Vertheilung der Drüsen ermöglicht einen kontinuirlichen Abfluss und Ersatz der schützenden Flüssig- keitsschicht. Kleine Fremdkörper, die an der Fläche der Riech- schleimhaut haften bleiben könnten, werden durch den kontinuir- lichen Wechsel der Flüssigkeitsschicht entfernt und so die Oberfläche des Riechepithels stets rein gehalten. Das Sekret der BowmAn’schen Drüsen erfüllt so eine ähnliche Aufgabe, wie die schleimsecernirenden Drüsen und Zellen in den Bronchien. Bei luftathmenden Thieren kommt noch das Feuchthalten der Schleimhaut hinzu. Außer durch diese Schutzfunktion erhält aber das Sekret noch dadurch Bedeutung, Morpholog. Jahrbuch. 23. 32 486 0. Seydel dass es den direkten Kontakt zwischen dem riechenden Medium und den nervösen Endapparaten verhindert. Es muss also auch in Beziehung zur Geruchsperception stehen, indem es die Einwirkung der riechen- den Substanzen auf die Endapparate vermittelt. Um die Bedeutung dieser Thatsache in das rechte Licht zu setzen, sei an die Verhält- nisse der Regio olfactoria bei euosmatischen Säugethieren erinnert. Die eingerollten Theile der Muscheln liegen hier, und zwar vielfach gerade mit ihrem Riechepithel tragenden Abschnitt, direkt einander an; die äußerst feinen Spalten sind durch das Drüsensekret gefüllt; die Lufteirkulation kann hier ausschließlich in den von den Ein- rollungen umschlossenen Hohlräumen stattfinden; große Strecken der Riechschleimhaut sind von dem direkten Kontakt mit der Luft aus- geschlossen. Es liegt auf der Hand, dass in diesem Falle die Perception nur durch die Vermittlung der Flüssigkeitsschicht statt- finden kann, indem diese die Erregung durch die Spalten hin fort- leitet. Man darf vielleicht noch weiter gehen und sagen, dass jenes enge Spaltensystem in der Regio olfactoria der Säuger nur entstan- den sein kann unter der Bedingung, dass eine Vermittlung der Per- ception durch die die Riechschleimhaut überziehende Sekretschicht stattfindet. Eine ähnliche doppelte Bedeutung schreibe ich dem Sekret der Jacopson’schen Drüsen zu. Zunächst wird durch den jedenfalls reichlichen Erguss desselben die Reinhaltung des Blindsackes be- wirkt, indem etwa eingedrungene körperliche Theile aus demselben gewissermaßen herausgespült werden. Mit dieser Annahme stimmt gut überein, dass sich die Drüsenmündungen meist am Ende des Blindsackes oder doch in der Nähe desselben finden. Da die Ober- fläche des Sinnesepithels mit dem Sekret befeuchtet ist, wird das- selbe auch hier die Erregung der sensiblen Endapparate zu vermitteln haben. Noch wichtiger wird diese Aufgabe in den Fällen, wo, wie bei Siredon, die Lichtung des JAcopson’schen Organs sehr. eng ist, so dass von einem Eindringen des exspiratorischen Stromes in die Tiefe des Blindsackes, der überdies noch das Drüsensekret enthält, kaum die Rede sein kann und damit der direkte Kontakt des zu prüfenden Stromes mit den sensiblen Endapparaten absolut ausge- schlossen ist. Auch hier wird. das Drüsensekret die Erregung der in der Tiefe des Blindsackes liegenden Sinnesapparate vermitteln, in ähnlicher Weise wie in den engen Spalten in der Regio olfactoria gewisser Säugethiere. Eben so erkläre ich mir auch die Erregung des JAcopson’schen Organs bei den Säugethieren. Der Blindsack, Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 487. den dasselbe hier formirt, ist sehr lang, sein Lumen sehr eng; auch hier münden die meist mächtig entfalteten Drüsen in der Nähe des geschlossenen Endes. Nun kommen bei Säugethieren in der Um- gebung des Blindsackes gelegentlich wohl venöse, cavernös angeordnete Gefäße und glatte Muskelzellen vor (vgl. Prana [29], HERZFELD [18)}), unter deren Einfluss eine Veränderung des Lumens, vielleicht auch eine Aspirationswirkung zu Stande kommen kann; aber derartige Ein- richtungen sind keineswegs allgemein verbreitet. Über die Schwierig- keit, wie wir uns in diesen Fällen die Erregung der in der Tiefe des Blindsackes verborgenen nervösen Endapparate vorzustellen haben, hilft uns die Annahme hinweg, dass das Sekret der mächtigen Drüsen dieselbe vermittle. Wie sich im Speciellen ein derartiger Vorgang abspielt, ist schwer zu bestimmen, doch kann man sich den- selben so vorstellen, dass die sensoriell zu prüfenden Substanzen in dem Sekret aufgelöst werden, oder dass eine chemische Wechsel- wirkung zwischen denselben und dem Drüsenprodukt statt hat. Il. Urodelen. Triton (Fig. 9 A—I). Untersucht wurden Triton taeniatus und T. alpestris. Beide Formen bieten in allen wesentlichen Punkten Übereinstimmung. Die Nasenhöhle ist in dem größten hinteren Abschnitte ziemlich stark abgeplattet, ihr Lumen stellt einen niedrigen, aber breiten Spalt dar, der schräg von medial und oben nach lateral und unten geneigt ist; diese Neigung wird in den hinteren Abschnitten aus- gesprochener. An der lateralen Seite bildet die stark entwickelte seitliche Nasenrinne eine deutlich abgesetzte Ausbuchtung. Der Bo- den der Haupthöhle setzt sich ohne scharfe Grenze kontinuirlich in die untere Wand der Rinne fort. Dagegen ist das Dach der Haupt- höhle durch die ganze Länge des Cavum nasale durch eine lippen- förmig vorspringende Schleimhautfalte gegen die seitliche Nasenrinne abgegrenzt. Die Riechschleimhaut, — die die typische Anordung in Knospen erkennen lässt, — überkleidet den Boden und das Dach der spalt- förmigen Haupthöhle; an der ganz niedrigen medialen Wand be- steht im größeren hinteren Abschnitt eine Unterbrechung des Riech- epithels. Der Boden erhält einen kontinuirlichen Überzug durch die speeifische Schleimhaut und es setzen sich die Riechknospen noch 32* 488 O. Seydel in das Bereich der seitlichen Nasenrinne fort. Erst kurz vor der Choane macht das Riechepithel am Boden dem indifferenten Epithel Platz. — Mics 9A: Z Zz G Z % 5 TI IN Triton alpestris. Die Riechschleimhaut überkleidet den größten Theil des Daches; doch erreicht sie lateral ihre Grenze, bevor sie die lip- penförmige Begrenzung der seitlichen Nasenrinne er- reicht. Es besteht hier zwischen dem Rande der Falte und der lateralen Grenze des Riechepithels ein Streifen respiratori- schen Epithels, der sich durch die ganze Länge der Nasenhöhle fortsetzt. — Die seitliche Nasen- rinne (R der Figg.) selbst ist in ihrem vorderen, den Thränengang aufnehmen- den Abschnitt (Fig. 9 A —D, R) mächtiger ent- faltet als bei Siredon. Ihre ' Lichtung ist horizontal ge- stellt und ziemlich geräu- mig. Nach vorn hin läuft sie wie beim Axolotl unter- halb des unteren Randes der Apertura externa hin, um, allmählich niedriger und unbedeutender wer- dend, ihr Ende an dem vorderen kuppelförmigen Abschluss der Nasenhöhle zu finden. Gleich hinter der Einmündung des Thränenkanals (Fig. 9 D, E) vertieft sich die Rinne (Jacobs.Org.) und ist nach vorn in einen ganz kurzen Blindsack ausgestülpt. Der vielschichtige Epithelbelag desselben weist zwischen sehr hohen Cylinderzellen Sinneszellen auf; diese Thatsache in Verbindung mit dem Nachweis des Zutritts Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 489 Pie. 9D. Fig. 9 E. Jacobs.Org. Gil. Jacobs. Fig. 9 F. : > N Dud.naso-laer. Mazill.suı. Jacobs. Org. Gl. internasal. Vomer Gl. Jacobs. Nerv. Jacobs. Fig. 9 G. Triton alpestris. von Olfactoriuszweigen be- weist die sensorielle Natur des Epithels. Die Sinnes- zellen stehen am zahlreich- sten am Boden der Rinne; und es geht von hier aus das specifische Epithel am Dache der Rinne ganz all- mählich in das aus nie- drigen Cylinderzellen be- stehende respiratorische Epithel über; am Boden dagegen schließt das gleich- mäßige Sinnesepithel der Rinne kontinuirlich an die Riechknospen der Regio olfactoria an (Fig. 9 F). In der Fortsetzung der Rinne nach hinten geht das Sin- nesepithel derselben in ganz allmählichem Übergange in gewöhnliches respiratori- sches Epithel über (Fig. 9 G, H). In das vordere Ende des Blindsackes mündet eine mächtig entfaltete Drüse, deren Ausbreitung unter dem Boden der Na- senhöhle hin medialwärts erfolgt (Gl. Jacobs.). Triton (alpestris und eristatus) ist demnach im Besitz eines JAcoBson’schen Organs, dasin allen wesent- lichen Punkten mit dem von Siredon übereinstimmt. Ein Unterschied besteht nur in der viel geringeren Entfal- tung des Blindsackes. 490 O. Seydel Ein wichtiger Fortschritt macht sich im hinteren Theil der Nasen- ‚höhle an der seitlichen Nasenrinne geltend. Beim Axolotl endet die- selbe an der lateralen Wand der Apertura nasalis interna. Bei Triton ist die Rinne in ihrem hin- Fig. 9 H. teren Abschnitt viel um- finglicher, tiefer und sie setzt sich durch die innere Nasenöffnung hindurch auf das Dach der Mundhöhle fort. Ihr Boden wird dabei von einer medialwärts vor- springenden scharfrandigen Leiste gebildet (vgl. Fig. 9 T und Fig. 18 pag. 508 Gau- menfortsatz). Am Gaumen erstreckt sich die Rinne weit über die eigentliche Aper- >= Sri ers Wer > 2 SEY :@ BEN — 288 ae. WA 2 Juctuliler tyya nasalis interna hinaus | AIO a N GE ‘ i . / SQ C RN AN nach hinten und läuft schließ- 2) RE f : ar N | lich am inneren Rande des EN RER \ Kiefers aus. Durch diese OG =D) \AQ \ efers aus. Durch dies 7 ER NB Verhältnisse nimmt die Cho- 7 (= NER N 5 : Vomer: 6 Jacobs KR IEN ane von Triton ihre charak- Choane. N TEEN 4: : EIS SENN teristische Form an. Die Se A \ . . be : GaumenFortsalan. yi medial liegende Hauptöff- \ nung ist nach lateral und Tritonalpestris. Frontalschnitte durch die Nasenhöhle. Vergr. ca. 18:1. hinten in einen Spalt aus- gezogen, der in der be- zeichneten Richtung gegen den Kieferrand ausläuft. Die ~férmig gekrümmte Form des Spaltes ist durch die Gestalt jener Leiste be- dingt, die den Boden der seitlichen Nasenrinne bildet. Analoge Ver- hältnisse des hinteren Endes der seitlichen Nasenrinne, und damit der Gestaltung der Choanenöffnung, finden sich bei Salamandra und bei Anuren; ich komme später auf die Bedeutung dieser Einrich- tungen zurück. Den bisher besprochenen Formen gegenüber ergiebt sich bei Tritonen ein Fortschritt durch die größere Entfaltung des Gesammt- lumens der Nasenhöhle. Diese erfolgt in Anpassung an die ge- gebenen räumlichen Verhältnisse des Schädels im Querdurchmesser. Zum Theil mag mit dieser Entfaltung des Lumens eine Entfaltung Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 491 des Riechepithels am Boden der Nasenhöhle Hand in Hand gegan- gen sein; dagegen findet am Dachtheile der Wandung eine Zunahme des indifferenten respiratorischen Epithels statt. Eine Ausgestaltung hat ferner die seitliche Nasenrinne betroffen, so weit dieselbe nicht das Jacogson’sche Organ darstellt. Salamandra maculata (in der Metamorphose). (Fig. 10 A—K). Die Nasenhöhle von Salamandra zeigt zur Zeit der Metamor- phose eine weitgehende Übereinstimmung mit den Befunden beim Axolotl. Die allgemeine Form der Nasenhöhle stimmt mit der von Sire- don überein; das Lumen erscheint auf Frontalschnitten elliptisch; im vorderen Theil ist der größte Durchmesser senkrecht gestellt, weiter nach hinten ist er von oben medial nach unten lateral ge- neigt; diese schräge Stellung des größten Durchmessers ist viel aus- gesprochener als beim Axolotl. An der unteren und seitlichen Ecke des Kanals verläuft von vorn nach hinten die seitliche Nasenrinne (R). Ihre Lage zur Haupthöhle wie ihre Abgrenzung zeigen ähn- liche Verhältnisse wie beim Axolotl; nur ist die Rinne, namentlich in den weiter nach hinten liegenden Theilen, viel stärker entfaltet. Auch lässt sie sich nach hinten weiter verfolgen; bei Siredon läuft sie am Beginne der Apertura nasalis interna aus, bei der Salamander- larve setzt sie sich an der lateralen Wand derselben noch fort und läuft schließlich, stark seitlich abbiegend, am Dache der Mundhöhle aus (Fig. 10 H, I, K). Bei jüngeren Larven endet die Nasenrinne am seitlichen Rande der Apertura nasalis interna; erst kurz vor der Metamorphose dehnt sie sich in der angegebenen Weise weiter nach hinten aus. Die Anordnung der Riech- schleimhaut entspricht, ‚wie aus Salamandra maculata in der Metamorphose. dem Vergleich der Fig. 6 und Fig. 10 A. 492 0. Seydel Fig. 10 ersichtlich, ziemlich genau den Verhältnissen bei Siredon. An der seitlichen Wand, zwischen der lateralen Grenze des Riech- epithels und dem oberen Rande der Z as N Gland a \ \ Salamandra maculata in der Metamorphose. seitlichen Nasenrinne, verläuft auch hier ein Streifen indiffe- renten Epithels. Im vordersten Theil der Nasenhöhle dehnt sich an der bezeichneten Stelle . von der hinteren Umrandung der Apertura externa her Plat- tenepithel eine Strecke weit nach hinten aus, welches nach und nach durch Cylinderepithel verdrängt wird (Fig. 10 B, pl). An der seitlichen Nasen- rinne ist wieder der vordere Abschnitt, der die Mündung des Ductus naso-laerymalis auf- nimmt, von dem hinteren zu unterscheiden. Gegen Axolotl ergiebt sich eine geringfügige Differenz darin, dass der das JacoBson’sche Organ darstel- lende Abschnitt direkt hinter der Mündung des Thränenka- nals beginnt (in Fig. 10 C ist bereits die JAcoBson’sche Drüse auf dem Schnitt getroffen), wäh- rend beim Axolotl die beiden Punkte mehr aus einander ge- rückt sind. Durch die plötz- liche Vertiefung der Rinne ist das vordere Ende des JACoB- son’schen Organs ganz scharf begrenzt; doch fehlt eine blind- sackartige Ausstülpung. Ge- rade am Beginn der Vertiefung mündet die JAcoBson’sche Drüse. — Der Grund der Rinne trägt Sinnesepithel (Fig. 10 D —E, Jacobs. Organ), das sich Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 493 am Dache derselben schnell und in allmählichem Übergange in in- differentes Epithel fortsetzt. Am Boden der Rinne hängt das spe- “ eifische Epithel ohne scharfe Grenze mit dem Riechepithel zusammen, das den Boden der Haupthöhle ae: überkleidet. Es besteht also TER noch hier bis zur Metamor- Ow N phose hin ein sehr enger An- schluss des specifischen Epi- ‘ thels der Regio olfactoria an das des JaAcoBsoN’schen Organs. In der beschriebenen Weise lässt sich das JacoBson’sche Organ nach hinten verfolgen bis in die Nähe der Choane. Kurz vor derselben wird das Sinnesepithel der Rinne von dem der Regio olfaetoria durch einen Streifen indifferenten Epi- thels abgedrängt (Fig. 10 G*); wenig weiter nach hinten schwindet das specifische Epi- thel in der Rinne; und im*Be- reiche jenes Streifens indiffe- Dacenwo-lcpn. venten Epithels öffnet sich die Duct.naso-lacıym. Gland, Jacobs N, \ N N ag RN 5 endaama. Choane. Die Fortsetzung der IR Rinne ist mit Cylinderepithel ER ausgekleidet. £ N Der Entwicklungsgrad des Apertura Nasa inlern. ) den Salamanderlarven kaum niedriger als beim Axolotl. Zwar fehlt die Blindsackbil- dung, dafür dehnt sich aber das speeifische Epithel viel weiter nach hinten aus als bei \ Jacogson’schen Organs ist bei Siredon. Die Drüse des JACOBSON- schen Organs, die am vorderen Ende desselben mündet, zeigt Salamandra maculatain der Metamorphose. Fron- , 7 talschnitte durch die Nasenhohle. Vergr. ca. 14:1. EINE analoge Anordnung wıe Gr \ Noffactor aU NY 494 0. Seydel beim Axolotl. Außer dieser sind noch zu erwähnen die Gll. nasales externae, die an der oberen und hinteren Cirkumferenz der äußeren Nasenöffnung münden; ihre leicht gewundenen Schläuche dehnen sich nach hinten aus und liegen zunächst in einer Lücke, weiter nach hinten in einer leichten muldenförmigen Einsenkung der knorp- ligen Nasenkapsel (Fig. 10 Gland.nasal.ezt). Zwischen ihnen verläuft der Thränenkanal nach hinten. Das Knorpelskelet der Nasenhöhlen ist viel vollständiger als bei Siredon. Man kann es sich vorstellen als zwei neben einander lie- gende Röhren, die in ihrer Mitte durch ein breites solides Knorpel- septum verbunden sind. Die Höhe des Septums entspricht der der Röhren. Nach vorn ragen die letzteren frei vor und sind vorn mit einer stumpfen Kuppel abgeschlossen (Fig. 11 %). Sie fassen den Internasal- raum zwischen sich; derselbe empfängt ein knorpliges Dach durch eine Platte, die vom oberen Rande des Septums ausgeht und seitlich mit den Knorpel- röhren zusammenhängt (vgl. Fig. 10 B bis D). Auch nach hinten ragen die Knorpelröhren frei über das Septum hinaus, und fassen wiederum einen Aus- schnitt, das vordere Ende der Schädel- höhle, zwischen sich; dieser Raum em- Salamandra maculata in der Meta. Pfängt einen knorpligen Boden durch morphose. Knorplige Nasenkapsel; ven- eine horizontal gestellte Platte, die vom a nmodell- unteren hinteren Rande des Septums ausgeht und seitlich sich mit den Bo- dentheilen der Knorpelröhren verbindet (vgl. pl Fig. 10 4, J, K). Die lateralen Wände dieses Ausschnittes setzen sich nach hinten kontinuirlich in die Seitenwände des Primordialeraniums fort; sie tragen ein rundliches Loeh, durch welches der Olfactorius hindurch- tritt. Die untere Fläche des Septums und jene Bodenplatte ent- sprechen der Gaumenfläche. Die laterale Wand der Knorpelröhren trägt vorn eine große längsovale Öffnung; diese entspricht in ihrem vorderen Theil der Apertura nasalis externa; durch den hinteren Theil tritt der Thränen- kanal. Im Übrigen ist die Seitenwand solid bis auf eine kleine Öffnung, die in der Nähe der Apertura interna und gerade an der Übergangsstelle zwischen seitlicher Wand und Boden gelegen ist Fig. 11. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 495 (vel. 7 Fig. 10 F,G, H). Nach hinten biegt die Seitenwand konti- nuirlich in den hinteren Abschluss der Nasenkapsel um; nach oben geht sie in sanfter Wölbung in das Dach, nach unten in ziemlich scharfer Biegung in den Boden des Knorpelrohres über. Gleich hinter, der Apertura externa ist sie in Form einer seichten Mulde eingebogen. In dieser Vertiefung der Oberfläche liegt der Thränen- kanal und die Schläuche der äußeren Nasendrüse (Fig. 10 D, E, F). Die hintere Kuppel ist gleichfalls von einem Loch durchbrochen, durch welches der Nasenast des N. trigeminus hindurchtritt; diese Öff- nung liegt lateral von der Fortsetzung der Nasenkapsel in die Seiten- wand des Primordialeraniums; der Strich bei ¢ auf Fig. 11 markirt die Lage derselben. — Der Boden der knorpligen Röhren besitzt in seiner hinteren Hälfte und ganz lateral gerückt einen längsge- stellten ovalen Ausschnitt, durch welchen sich die innere Nasen- öffnung öffnet. Dieselbe ist allseitig knorplig umgrenzt. — Wie er- wähnt, biegt die Seitenwand der Nasenkapsel in scharfer Biegung in den Boden um; durch jene muldenförmige, ziemlich deutliche Ein- senkung der seitlichen Nasenwand grenzt sich im Hohlraum des Nasenrohres, und zwar an der Übergangsstelle zwischen Boden und Seitenwand eine rinnenförmige Aushöhlung ab, in welcher die seit- liche Nasenrinne mit dem JAacogson’schen Organ eingelagert ist (vgl. auch Fig. 10 D, E, F). In der Gegend der Choanenöffnung wird die Rinne undeutlicher und entbehrt einer seitlichen Wand, da sich hier die erwähnte Lücke der Seitenwand findet. Sie läuft schließlich an der hinteren und seitlichen Ecke der Choanenwand aus, welche in seitlicher Richtung ausgezogen ist. Im Allgemeinen füllt der Geruchssack den Hohlraum der Knorpel- kapsel viel vollständiger aus, als es bei Siredon der Fall war; doch bleibt auch hier zwischen der medialen Wand desselben und der Nasenkapsel ein nach hinten sich verbreiternder Raum, der von Bindegewebe, eingelagerten Drüsen und Nerven ausgefüllt ist. Das Jacogson’sche Organ erhält hier in ziemlicher Ausdehnung eine knorplige Umhüllung. Es besteht indess kein gesonderter Jacogson’scher Knorpel; es ist ein Theil der gesammten Nasen- kapsel, der zu dem Organ in Beziehung tritt. Salamandra maculata. (Erwachsen.) (Fig. 12 A—M.) Im allgemeinen Verhalten zeigt die Nasenhöhle von Sala- mandra eine große Ähnlichkeit mit der der Tritonen. Der Höhen- O. Seydel Apert nasal et. Intermaxtll. A Gland. SS D> ee Na N IN Vomer Bun XYrm AM Jntermaxill. Gland intermax SB oe Vomer Salamandra maculata. durchmesser des Ca- vum ist in dem größe- ren hinteren Abschnitt kleiner als bei Triton, dagegen hat der Quer- durchmesser sich noch mächtiger entfaltet. Die seitliche Nasenrinne stellt durch ihre grö- Bere Tiefe einen ziem- lich bedeutenden Ne- benraum der Gesammt- nasenhöhle dar. Im vordersten Theil der Nasenhöhle, die nach vorn wieder kup- pelförmig abgeschlos- sen ist und an der seitlichen Wand die Apertura externa trägt, ist der Querschnitt des Lumens annähernd kreisförmig (Fig. 12 A, B). Ein kurze Strecke hinter der äußeren Na- senöffnung nimmt das Lumen auf Frontal- schnitten eine drei- eckige Gestalt an. Die Spitze des Dreiecks ist medial und auf- wärts gerichtet, wäh- rend die Basis durch die laterale Wand des Cavum gebildet wird (Fig. 12 C). Weiter nach hinten vergrößert sich der quere Durch- messer des Geruchs- sackes, der etwas Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 497 Fig. 12 D. __ Gland.nasal. ext. Gland.iniermax. Maxil.super Fig. 12 E. Gland. nasal.ext Duct.naso-lacr. Maxill. super. Gland. nasal.ext. Duct. naso-lacr Salamandra maculata. schräg nach la- teral und unten gestellt ist, ziem- lich schnell, die Höhe der seit- lichen Wand nimmt ab, und es nimmt das Lu- men allmählich die Form eines niedrigen, aber sehr breiten Spal- tesan. Dergrößte Durchmesser des- selben ist schräg nach lateral und unten geneigt; weiter nach hin- ten tritt dann im- mer deutlicher auf den Frontal- schnitten eine bo- genförmige Ge- stalt des Spaltes hervor, und zwar so, dass die me- diale Hälfte hori- zontal steht, wäh- rend die laterale etwas nach unten abgebogen ist (Fig. 12 Z—K). Am Boden, im Bereiche des la- teralen Abschnit- tes, öffnet sich die Choane. Der me- diale Theil setzt sich nach‘ hinten ‚noch über die 498 0. Seydel Fig. 12 G. Septum carthilag. Duct.naso-aer. Sphenoid. Duct.naso-laer. Duct.respirat. Maxill. super Jacobs. Org. Pr Ifactor. : TIT Mine | UM Sphenoid. Q = lacobs. Org. Salamandra maculata. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 499 Fig. 12 K. Taf Duct olfactor = OT TOTEM Olf ven. Duct. naso-lacr. Duct. respirator. R | Jacobs.” aa Mail. super. aumen- Fortsatz. Fig. 12 Z. Salamandra maculata, Erwachsen. Frontalschnittserie durch die Nasenhöhle,. Vergr. ca. 10:1. 500 O. Seydel Apertura interna hinaus fort und ist dann kuppelförmig abgeschlossen (Fig. 12 M, Cav.nas.). Das Riechepithel überzieht das Dach und den Boden des Ge- ruchssackes; die niedrige mediale Wand bleibt fast in ihrer ganzen Länge davon frei, nur im vordersten Theile geht die Riechschleim- haut vom Boden kontinuirlich längs der: medialen Wand in die des Daches über. Die Rückbildung der specifischen Elemente an der niedrigen medialen Wand trat schon bei Triton in die Erscheinung; sie ist beim Salamander noch ausgeprägter entwickelt. In den hin- teren Abschnitten der Nasenhöhle greift das indifferente Epithel auch noch in geringem Maße auf das Dach und den Boden über und setzt sich in den hinteren kuppelförmigen Abschluss der Haupt- höhle fort. Für die Besprechung der lateralen Ausdehnung der Regio olfac- toria ist es nöthig, die Anordnung der seitlichen Nasenrinne (R) zu berücksichtigen. Diese beginnt wie bei Triton als seichte Einsen- kung, deren Lumen gerade nach unten gerichtet ist, am vorderen kuppelförmigen Abschluss der Nasenhöhle, zieht unter der Apertura externa hin, an der Stelle, wo der Boden des Cavum nasale in die seitliche Wand umbiegt. Während das Lumen der Rinne sich ver- tieft, geht es aus der gerade nach unten sehenden Richtung allmäh- lich in eine laterale und wenig nach unten geneigte Stellung über, die es weiterhin beibehält. Im hinteren Theil der Nasenhöhle, wo sich auf den Frontalschnitten die bogenförmige Anordnung des Lu- mens zeigt, liegt die Lichtung der Rinne gerade in der Verlängerung des Lumens der Haupthöhle (Fig. 12 H, J, X). Im vorderen Theil der Nasenhöhle, wo das Lumen im Frontal- schnitt die dreieckige Gestalt besitzt, ist eine laterale Wand des Cavum deutlich. Weiter nach hinten reducirt sich die seitliche Wand mehr und mehr, in dem Maße als das Lumen die spaltförmige Konfiguration annimmt. In der vorderen Hälfte der Nasenhöhle biegt die laterale Wand derselben ohne scharfe Abgrenzung in das Dach der seitlichen Nasenrinne um, in der hinteren Hälfte zeigt sie sich etwas schärfer durch eine lippenförmig vorspringende Falte von dieser abgesetzt (Fig. 12 G—K). Diese laterale Wand trägt in ihrer ganzen Länge indifferentes Epithel, welches sich in den vorderen zwei Dritteln der Nasenhöhle durch eine leichte faltenförmige Er- hebung scharf gegen die Riechschleimhaut des Daches abgrenzt. Im hinteren Drittel ändern sich allmählich diese Verhältnisse. Die scharfe Grenze zwischen respiratorischer und sensorieller Schleim- Über die. Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 501 haut schwindet, und es setzt sich das indifferente Epitbel von der nunmehr ganz niedrigen seitlichen Wand auch auf eine mehr und mehr an Ausdehnung zunehmende Strecke des Daches der Haupt- höhle fort (Fig. 12 H—Z). Kurz vor der Choane ist schließlich der ganze Theil des Daches mit indifferentem Epithel überzogen, der dem lateralen, nach unten abgebogenen Abschnitt des Cavum nasale angehört. Es wird also im hinteren Drittel der Nasenhöhle die Regio olfactoria mehr und mehr eingeschränkt, indem das respira- torische Epithel von der seitlichen Wand her auf das Dach übergreift. Ähnliches .zeigt sich am Boden der Nasenhöhle. Der Boden der Haupthöhle liegt ziemlich in einer Flucht mit dem Boden der seitlichen Nasenrinne, aber er ist durch eine, nur im hinteren Drittel stellenweise undeutliche, faltenförmige Erhebung von diesem abge- grenzt. In den vorderen zwei Dritteln der Nasenhöhle reicht die Regio olfactoria gerade bis zu jener, die Begrenzung der seitlichen Nasenrinne abgebenden Falte. Weiter nach hinten aber dehnt sich ~ das indifferente Epithel in zunehmendem Maße von dieser Stelle aus medialwärts aus; dabei verwischt sich die scharfe Grenze zwischen specifischem und indifferentem Epithel, so dass ersteres allmählich in letzteres übergeht. Schließlich trägt auch der Theil des Bodens, der dem lateralen, nach unten abgebogenen Abschnitt der Haupt- höhle angehört, einen Überzug von indifferentem Epithel (Fig. 12 X). Man kann diese Verhältnisse wie folgt formuliren. Am vordersten Ende des Geruchssackes überkleidet das Sinnesepithel kontinuirlich den nach vorn gerichteten kuppelförmigen Abschluss und erstreckt sich von hier aus in Form zweier breiter Streifen am Dach und am Boden der Nasenhöhle nach hinten. In den vorderen zwei Dritteln ist es der ganze Boden und das ganze Dach, welche Riechschleim- haut tragen, während die an Flächenausdehnung unbedeutende me- diale und laterale Wand mit respiratorischem Epithel bekleidet ist. Im hinteren Drittel dehnt sich nun das indifferente Epithel von der Seite her sowohl am Dache wie am Boden der Haupthöhle medial- wärts in allmählich zunehmender Weise aus. Damit ist eine Son- derung der Haupthöhle in zwei Abschnitte gegeben, die neben ein- ander angeordnet und nicht scharf gegen einander abgegrenzt sind: ein medialer, den man als Ductus olfaetorius bezeichnen könnte, weil seine Wandungen die Riechschleimhaut tragen und einen lateralen, den Ductus respiratorius, der durch das indifferente Epithel seiner Wandungen bestimmt ist. Die Choanenöffnung liegt im Bereich dieses lateralen, respiratorischen Abschnittes. Morpholog. Jahrbuch. 23. 33 502 0. Seydel Eingeleitet fanden sich diese Verhältnisse schon bei Tritonen, bei denen sich indifferentes Epithel an den korrespondirenden Stellen angeordnet findet. Bei Salamandra zeigt dasselbe nur eine größere regionale Entfaltung, und so kommt es zur schärferen Ausprägung ‘ jener zwei Abschnitte. Die seitliche Nasenrinne schließt in ihrer Anordnung direkt an die Verhältnisse bei Triton an; in ihrem vorderen, den Thränenkanal aufnehmenden Abschnitt ist sie bereits tiefer als bei Triton; direkt hinter der Mündung des Ductus naso-laerymalis schließt wiederum der das Jacogson’sche Organ enthaltende Abschnitt an: Diese Strecke ist gegen den vorderen Abschnitt durch die Zunahme der Tiefe der Rinne abgesetzt, doch fehlt eine nach vorn gerichtete Ausstülpung. Das Sinnesepithel ist beschränkt auf den seitlich gerichteten Grund der Rinne, während die obere und untere Wand der letzteren mit indifferentem Cylinderepithel bekleidet ist (Fig. 12 #—/, Jacobs.Org.). Bei Siredon, Triton und auch noch bei der Salamanderlarve ließ sich der enge Anschluss des Sinnesepithels des JacoBson’schen Or- gans an das Riechepithel des Bodens erkennen. Beim erwachsenen Salamander ist diese Beziehung aufgegeben, das JacoBson’sche Or- gan durch einen breiten Streifen indifferenten Epithels von der Regio olfactoria getrennt. Diese Thatsache wird mit der Vertiefung der seitlichen Nasenrinne in Verbindung zu bringen sein. Beide Thatsachen zusammen involviren einen Fortschritt in der Entwick- lung. Die Längsausdehnung des JacogBson’schen Organs ist dabei nicht unbetrichtlich. Das Sinnesepithel setzt sich am Grunde der Rinne bis in eine Frontalebene mit dem vorderen Choanenrand fort. Wenn auch ein vorderer Blindsack fehlt, und wenn auch die Ab- gliederung vom Riechepithel mit einer partiellen Rückbildung von Sinnesepithel verbunden gewesen sein mag, so darf der gesammte Zustand des Jacopson’schen Organs bei Salamandra doch nicht als ein rückgebildeter bezeichnet werden. Auch die zugehörige Drüse ist mächtig entfaltet; sie mündet in das vordere Ende des JAcos- son’schen Organs (Fig. 12 F—K, Gland.Jacobs.) und zeigt im Übrigen eine ähnliche Anordnung wie bei Triton. Wie bei den übrigen Formen geht das Sinnesepithel nach hinten langsam in indifferentes Epithel über, so dass eine scharfe Mar- kirung des hinteren Endes des Jacopson’schen Organs fehlt. Es vertieft sich dabei die seitliche Nasenrinne noch mehr (&, Fig. 12 X). Die Choanenöffnung liegt am Boden des Ductus respiratorius, der nach unten gegen den Ductus olfactorius geneigt ist; die Off- Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 503 nung der Choane ist in Folge dessen gleichfalls schräg gestellt. Ihre laterale Begrenzung bildet der Theil des Mundhöhlendaches, welcher den Boden der seitlichen Nasenrinne bilden hilft. Das Lumen der seitlichen Nasenrinne öffnet sich daher von der Seite her in die Choane (Fig. 12 Z). Der hintere Rand der Choanenöffnung wird gebildet, indem ihr medialer Rand sich mit der lippenförmig vorspringenden oberen Be- grenzung der seitlichen Nasenrinne vereinigt (Fig. 12 Z und M). Da- durch verliert das Lumen der letzteren die Beziehung zur Nasenhöhle, steht vielmehr durch einen medialwärts sich öffnenden Spalt mit der Mundhöhle in Verbindung. Von der Choane an wird demnach der Boden der seitlichen Nasenrinne durch einen plattenartigen Fortsatz gebildet, der von den seitlichen Theilen des Gaumens ausgeht und mit medialwärts gerichtetem freien Rande endet. Er sei als Gau- menfortsatz bezeichnet (fF, Fig. 12 M). Der freie Rand desselben verläuft vom vorderen Choanenrande an in ~férmiger Krümmung nach hinten und lateral und läuft am inneren Rande des Kiefers aus. So erhält die Choane die für Urodelen und auch für die Anuren charakteristische Form. Von der Mundhöhle gesehen (Fig. 18, pag. 508) können wir zwei Abschnitte unterscheiden. Eine größere rundliche Öffnung am medialen Ende der Apertur, welche direkt in die Nasenhöhle führt, ferner einen spaltartigen, nach lateral und hinten verlaufenden, doppelt gekrümmten Theil, der das Ende der seitlichen Nasenrinne bezeichnet, und direkt in diese führt. — Der vordere Theil des Gaumenfortsatzes erhält eine knöcherne Stütze, die vom Vomer und vom Maxillare superius gebildet wird. Ferner ist dem Theile des freien Randes, der der eigentlichen Hauptöffnung direkt benachbart ist, ein Knorpelfortsatz eingelagert (Fig. 12 A, Gaumenfortsatz). Derselbe löst sich weiter nach vorn vom Boden der knorpligen Nasenkapsel (vgl. Fig. 13, Gaumenfortsatz), und ist dem Vomer und zum Theil dem Maxillare ‘superius aufgelagert (Fig. 12 X und L). Diese festen Stützen sind nur auf den vorderen Theil des Gaumenfortsatzes beschränkt; sein hinterer, gegen den inneren Kieferrand auslaufender Theil wird durch eine Schleimhaut- falte gebildet (Fig. 12 M). Wegen des Verhaltens der knorpligen Nasenkapsel beim erwach- senen Salamander kann ich auf die Darstellung Born’s verweisen. Born bespricht (5, pag. 626) ausführlich die Nasenkapsel von Tri- ton, in allen wichtigen Punkten trifft seine Darstellung auch für Salamandra zu. Ein eigener JacoBson’scher Knorpel besteht auch 33% 504 0. Seydel hier nicht; das Organ erhält eine unvollständige knorplige Umhül- lung, indem es sich mit seinem vorderen Ende gerade in die Bucht einlagert, die durch die Umbiegung des Bodens der Kapsel in ihre seitliche Wand entsteht (vgl. Fig. 12 7, G). Weiter nach hinten findet sich gerade an der Stelle, wo Ben diese Umbiegung erfolgen würde, ‘ ; eine Liicke in Form eines lang- m: | > gezogenen Spaltes. Durch die- A | sen Spalt ragt das Organ in Be 2 2)» seitlicher Richtung hervor und & ce. "ist direkt der Ausbuchtung des En Oe Meee |. Maxillare superius angelagert (vgl. Fig. 12 G, H, I). Diese Lücke war schon, wenn auch in viel geringerer Ausdehnung, bei vi Ks Re der Larve vorhanden (vgl. Fig. 10 ” nr F,G,Hbeil). — Weiter nach hin- A as ay ten, wo das Sinnesepithel des Or- . gans schon sein Ende gefunden Gumiefirteat ; hat, findet die Liicke ihren hinte- Salamandra maculata (erwachsen). Kuorplige ren Abschluss, indem sich wieder Nasenkapsel; orale Fläche. Lage der Choane. (Nach die seitliche Wand der Kapsel einem Plattenmodell.) ca. 7:1. mit ihrem Boden vereinigt. (An den Querschnittsfiguren kommt dies Verhalten nicht deutlich zum Ausdruck.) — Bei den Larven lief der Theil des Bodens der Kapsel, welche die Stütze für die seitliche Nasenrinne abgiebt, late- ralwärts und nach hinten gegen die hintere seitliche Ecke des Choanenausschnittes aus (vgl. Fig. 11). Während der Metamorphose entsteht gerade an dieser Stelle jener Fortsatz, der dem Boden der seitlichen Nasenrinne eingelagert ist. Über Lage und Gestalt des- ‚selben orientirt Fig. 13, die die ventrale Ansicht der rechten Knorpel- kapsel des erwachsenen Salamanders zur Anschauung bringt, und wo der Fortsatz als Gaumenfortsatz (sc. der knorpligen Nasenkapsel) bezeichnet ist. Die Lage der Choane ist in Kontourlinie eingezeichnet. — Uber die Beziehung des Fortsatzes zur Choane ist oben das Nöthige angegeben. UROORER - "ausschniäl, Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 505 Vergleich der Urodelen und Perennibranchiaten. Übersehen wir das Verhalten der Nasenhöhle bei Urodelen, so ‚liegt es auf der Hand, dass sich dasselbe in direkte Beziehung zu dem Befunde bei Siredon (Amblystoma) bringen lässt. Es treten keine weiteren Komplikationen auf; die bei Siredon bestehenden Ein- richtungen sind nur weiter ausgestaltet. Zunächst nimmt das Gesammtlumen der Nasenhöhle ganz erheb- lich zu; und in Anpassung an den breiten, platten Schädel erfolgt die Ausdehnung in querer Richtung; das mehr rundliche Nasen- lumen des Axolotls geht in den schmalen, breiten Spaltraum der Salamandrinen über. Die Vergrößerung des Lumens dürfen wir wohl als eine Anpassung an die respiratorische Funktion der Nasen- höhle auffassen. Sie scheint Hand in Hand zu gehen mit einer Ausdehnung der Regio olfactoria. Die Flächenausdehnung des Riech- epithels ist umfangreicher, auch stehen die Riechknospen bei Sala- mandrinen dichter gedrängt, als beim Axolotl. Es gewinnt demnach die Dignität des Geruchssinnes. Hier wie dort ist es der medial gelegene Abschnitt des Geruchssackes, der die Riechschleimhaut trägt. Beim Axolotl besteht eine geschlossene, wenn auch wenig um- fängliche Regio respiratoria. Bei Salamandrinen nimmt auch dieser Theil der Wandung erheblich an Ausbreitung zu, und zwar haupt- sächlich im hinteren Abschnitt der Nasenhöhle, wo den Raumver- hältnissen des Schädels entsprechend, auch die größte Entfaltung der Quere nach möglich ist. Bei Tritonen ist diese Zunahme der Regio respiratoria etwas weniger ausgesprochen als bei Salamandra, wo wir im hinteren Theil der Nasenhöhle einen besonderen Ductus respiratorius unterscheiden konnten. Die seitliche Nasenrinne gewinnt an Tiefe und erfährt eine weitere Ausgestaltung. Wie bei Siredon sind auch bei Salaman- drinen drei Abschnitte an derselben unterscheidbar. Der vorderste, mit indifferentem Epithel ausgekleidete, nimmt den Thränenkanal auf. Daran schließt sich noch hinten der mittlere, mit Sinnesepithel ausgestattete, das Jacopson’sche Organ. Durch die plötzliche Vertie- fung ist es gegen den vorderen Abschnitt deutlich abgegrenzt, wäh- rend es nach hinten allmählich in den dritten Abschnitt übergeht, der wiederum indifferentes Epithel trägt. In das vorderste Ende des JABOBSON’schen Organs münden die Drüsen, die sich ihrerseits medial- wärts und nach hinten unter dem Geruchssack hin mächtig entfalten. Die beim Axolotl ausgesprochene Blindsackbildung fehlt bei Sala- 506 0. Seydel mandrinen; doch hindert die umfängliche Ausdehnung des Sinnes- epithels innerhalb des rinnenförmigen Organs die Annahme, dass eine Riickbildung an demselben Platz gegriffen hätte. Wie bei Siredon so schließt auch bei Triton und bei der Salamanderlarve das Sinnesepithel des Jacopson’schen Organs am Boden der Haupt- höhle direkt an den seitlichen Rand des Riechepithels an. Es liegt das JacoBson’sche Organ in direkter Nachbarschaft zur Regio olfac- toria. Durch die mächtige Tiefenzunahme der seitlichen Nasenrinne, sowie durch die Flächenausbreitung des indifferenten Epithels wird beim erwachsenen Salamander das Jacogson’sche Organ von der Regio olfactoria abgedrängt und liegt nun als ein durchaus selb- ständiges Sinnesorgan im Grunde der seitlichen Nasenrinne. Es be- hält bei Urodelen die gleichen Beziehungen zur Nasen- und Mund- höhle wie bei Siredon. Der hintere Abschnitt der seitlichen Nasenrinne, bei Siredon nur bis zur seitlichen Wand der Apertura nasalis interna verfolg- bar, erfährt eine mächtige Ausgestaltung, die wichtige Veränderungen im Bereich der Apertura nasalis interna zur Folge hat. Um diese in das rechte Licht setzen zu können, ist es nothwendig, auf das Verhalten der letzteren näher einzugehen. Die untersuchten Urodelen zeigen im Verhalten der Choanen- öffnung in allen wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung. Im Vergleich mit den niederen Amphibien (Proteus, Siren, Siredon) er- giebt sich eine Komplicirung der Verbindungsöffnung zwischen Mund- und Nasenhöhle; diese ist bedingt durch die Ausgestaltung der seit- lichen Nasenrinne, welche sich durch die Apertura nasalis interna bis in das Bereich des Mundhöhlendaches fortsetzt. Gleichzeitig ändert sich die Lage der Apertura interna an der Gaumenfläche. Beim Axolotl liegen die Aper- turae nasal. intern. in der rinnen- förmigen Einsenkung, die einerseits N Anertur nasal. Von dem zahntragenden Rande des WE ern. Maxillare und Intermaxillare, an- EP EN dererseits von dem zahntragenden & 7 1393 ~ N # eee Sy \ Rande des Vomer und Palatinum. (Pterygopalatinum) begrenzt wird, und zwar an der Grenze zwischen Vomer und Palatinum (Fig. 14). Der Anordnung der Gaumenknochen gemäß erhalten die Öffnungen nur an der medialen und lateralen Seite eine knöcherne Begrenzung, Siredon pisciformis. Gaumenfläche. ca, Al: Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 507 durch das Maxillare einerseits, die Vomero-palatin-Verbindung anderer- seits. Es sind einfach berandete ovale Öffnungen; ihr lingster: Durchmesser ist von vorn nach hinten gestellt. Ähnlich _ verhält sich Proteus; durch Fig. 15. die spitze Form des Kopfes scheinen die Aperturen weiter rück- wärts zu liegen als bei Zahntragender Teil desYomer ~~. c Date Apertur nasal, 4 Siredon; doch ist ihre intem fer relative Lage zur Vo- zammeugende Teil des Falatin. mero - palatin - Verbin- dung die gleiche wie bei diesem. In der Gaumenfläche. Siren lacertina, THAN Se Lage zeigt die innere Nasenöffnung bei Siren das gleiche Verhalten (Fig. 15); doch findet sich hier eine Komplici- rung an der Offnung durch eine klappenartig vom medialen Rande der- selben vorspringende Schleimhautfalte (a), die als Verschlussapparat für die Öffnung funktioniren mag. Bei den übrigen untersuchten Formen fehlt eine analoge Einrichtung (vgl. auch Fischer, 12). Bei jungen Salamanderlarven nun zeigt die Konfiguration des Mundhöhlendaches bis in das Detail eine Übereinstimmung mit dem von Siredon (vgl. Fig. 14 und Fig. 16). Die für die erwachsenen Thiere charakteristische Ausgestaltung des Gaumens entsteht während der Metamorphose. Es seien nur die für die hier verfolgten Zwecke wichtigen Veränderungen and iB hervorgehoben. Die Wöl- a bung des Gaumens nimmt ayer zu; der Abstand zwischen % I Zahntragender Teil dem bezahnten Rand des en. Maxillare und dem bezahn- Ps ae “ 4 Beak ten Theil des Vomer wird RER größer, und es entsteht un- ter weiterer Umgestaltung des Vomer auf der Mitte der Gaumenfliche die leierföürmige Figur der Vomerzahnreihe. — Die inneren Nasenöffnungen behalten ihre Lage zwischen dem bezahnten Theil des Vomer und dem Kieferrand, ungefähr in der Mitte zwi- schen beiden; sie nehmen dabei eine mehr rundliche Gestaltung an, oh k X “ate 105, int. 5 Salamandra maculata, junge Larve. Gaumenfläche. 8.1. 508 0. Seydel und entsprechend der Gaumenwölbung eine schräge Stellung des queren Durchmessers. Bei Larven verstreicht die seitliche Nasenrinne an der seitlichen Wand der Apertura interna; erst während der Metamorphose erfolgt - ihre Ausgestaltung. Die Entwicklung der definitiven Form der Choane ist nur eine Theilerscheinung dieses Vorganges. Von der vorderen und seitlichen Umrandung der Apertura in-. terna aus entsteht eine kleine nach hinten und lateral verlaufende Fig. 17. Fig. 18. nn Zahntragender Tal des Ll Me» _. Vomer = \ . Choane at - “ Gaumen-Fortsat, Salamandra maculata, in der Metamorphose. Salamandra; erwachsen, Gaumenfläche. 7:1. Gaumenfläche.. ca. 2:1. Falte (Fig. 17, Gaumenfortsatz). Diese bildet den Boden der sich ausdehnenden seitlichen Nasenrinne. Sie entsteht eben dadurch, dass die seitliche Nasenrinne im Bereiche der inneren Nasenöffnung tiefer wird, sich außerdem nach hinten, längs der lateralen Wand der Öffnung auf das Dach der Mundhöhle fortsetzt. Jene Falte ist die erste Andeutung des Gaumenfortsatzes. Weiterhin gewinnt sie so- wohl an Länge wie an Breite, Letzteres namentlich in ihrem vorderen Abschnitte. Die Folge davon ist, dass die eigentliche (bei der Larve ausschließlich bestehende) Apertura nasalis interna zum Theil durch den Gaumenfortsatz überdeckt wird (Fig. 18). Die knöcherne Umgrenzung der Choane bildet beim erwachsenen Salamander im Wesentlichen der Vomer. Die plattenförmige Ver- breiterung desselben, die den größten Theil des Mundhöhlendaches bildet, besitzt an ihrem hinteren, dem Orbitalboden zugewendeten Rande einen halbkreisförmigen Ausschnitt, in welchem die Öffnung liegt. Die Choane erhält also medial, vorn und lateral ihre Be- grenzung durch den Vomer; auch die knöcherne Stütze des Gaumen- fortsatzes wird von diesem Skelettheil wesentlich gebildet; doch ist auch der Gaumenfortsatz des Oberkiefers daran betheiligt. Beide Knochen sind so in engere Beziehung zur Choane getreten, während das Palatinum, wenn es auch, wie aus den WIEDERSHEIM’schen Ab- Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 509 bildungen (40) hervorgeht, mit dem Vomer verschmolzen ist, keine Be- ziehung zur Choane aufweist, da es nur im hinteren Ende des Vomer gesucht werden kann. Aus diesen Thatsachen ergeben sich zwei wichtige Schluss- folgerungen. 1) Der ganze hinter der eigentlichen Apertura nasalis interna liegende Theil der seitlichen Nasenrinne, wie er bei Urodelen (und Anuren) sich findet, entsteht in der Weise, dass die anfänglich nur auf das Cavum nasale beschränkte Rinne durch die Apertura nasalis interna auf das Dach der Mundhöhle übergreift. Die Lich- tung dieses Abschnittes stellt einen Theil des Cavum oris dar, der erst sekundär in engere Beziehungen zum Cavum nasale tritt. 2) Die Choane der Urodelen (und der Anuren) ist nicht streng homolog der Apertura nasalis interna der Perenni- branehiaten und Derotremen. Nur der größere mediale Theil der Urodelenchoane entspricht der inneren Nasenöffnung der niederen Amphibien; der lateral anschließende spaltförmige Theil ist eine Neubildung, deren Entstehung durch eine formale Ausgestaltung der Nasenhöhle bedingt ist. Durch die Nomenklatur ist diesen Verhält- nissen Rechnung zu tragen. Bei Perennibranchiaten und Derotremen ist die Öffnung, welche die Kommunikation zwischen Mund- und Nasenhöhle vermittelt, als Apertura nasalis interna (oder pri- mitive Choane) zu bezeichnen. Urodelen und nach GOETTE auch die Anuren besitzen in der Larvenperiode gleichfalls die primitive Apertura nasalis interna. Im erwachsenen Zustande sind die Ver- hältnisse hier durch den Gaumenfortsatz komplieirt; durch denselben wird die primitive Öffnung theilweise verdeckt und seitlich verlän- gert. Für diese Formen ist die Bezeichnung Choane (oder sekun- däre Choane) anzuwenden. Durch die Ausbildung des Gaumenfortsatzes kommt es auch zu Veränderungen der Konfiguration des Mundhöhlendaches. Der Gau- menfortsatz tritt bei Caducibranchiaten als neue Bildung auf; die Apertura nasalis interna wird durch ihn in ihrer direkten Beziehung zur Mundhöhle beschränkt und ein Theil des Cavum oris in engere Beziehung zur Nasenhöhle gebracht. Demnach handelt es sich hier um die ersten Schritte zur Bildung eines sekundären Gaumens. Es sind nur die ersten Andeutungen eines solchen, welche bei höheren Wirbelthieren in verschiedener Weise weiter ausgebildet werden. Der hintere Abschnitt der seitlichen Nasenrinne funktionirt bei- Siredon als ein Hilfsapparat für das Jacopson’sche Organ, indem es 510 O. Seydel a den exspiratorischen Strom diesem zufiihrt. Bei Salamandrinen, wo die seitliche Nasenrinne umfänglicher geworden ist und sich bis in das Bereich der Mundhöhle fortsetzt, wird ein großer Theil des ex- spiratorischen Stromes von der Mundhöhle aus direkt in die seitliche Nasenrinne eintreten müssen und streicht weiterhin über das Sinnes- epithel des Jaconson’schen Organs hinweg. Die funktionelle Be- ziehung des Jacogsonx’schen Organs zur Mundhöhle bleibt also in gleicher Weise wie bei den niederen Formen bestehen. Das Jacos- son’sche Organ steht demnach auch hier noch nicht durch eine »be- sondere Öffnung« mit der Mundhöhle in Verbindung; es stellt viel- mehr immer noch einen Theil der gesammten Nasenhöhle dar. | Außer dieser Beziehung zum Jacopson’schen Organ macht sich noch ein zweites Moment geltend, welches auf die Ausgestaltung der seitlichen Nasenrinne und die hierdurch hervorgerufenen Verände- rungen an der Apertura nasalis interna von Einfluss ist. Die Nasen- höhle der Amphibien steht im Dienste der Respiration. Nun kann man sich leicht davon überzeugen, dass bei geschlossenem Munde der Zungenrücken in großer Ausdehnung der Gaumenfläche angelagert ist; hierdurch wird nothwendiger Weise der angesogenen Inspirations- luft ein Hindernis in den Weg gelegt, und dieselbe ist gezwungen, seitlich um die Zunge herum nach hinten zum Kehlkopfeingang zu passiren. Durch die Ausgestaltung der seitlichen Nasenrinne, welche die seitliche spaltförmige Verlängerung der Choanenöffnung zur Folge hat, wird die inspirirte Luft in die seitlich an der Zunge vorbei- führende Bahn geführt und in entsprechender Weise auch dem Ex- spirationsstrome der Weg erleichtert. Es ist bekannt, wie bei höheren Wirbelthieren der Athmungsluft durch die Gestaltung des Gaumens ein gesicherter Weg geschaffen wird. “Ähnliches tritt uns hier bei . den Amphibien entgegen. Anfänglich dient die seitliche Nasenrinne in ihrem hinteren Abschnitt nur als Zuleitungsapparat für das Jacogson’sche Organ (Siren, Siredon, Amblystoma); sie entstand unter Anpassung an diese Funktion; sie besitzt also von vorn herein einen gewissen Einfluss auf die Stromregulirung innerhalb der Nasen- höhle. Mit der Entfaltung des Nasenhöhlenlumens, welches fast den ausschließlichen Respirationsweg darstellt, erweitert sich auch die funktionelle Bedeutung der seitlichen Nasenrinne; sie dient nicht mehr ausschließlich dem accessorischen Sinnesorgan als Hilfsapparat, sondern sie gewinnt einen weitergehenden Einfluss auf die Regulirung des gesammten Respirationsstromes. Die Beziehung zur Apertura na- salis interna, von vorn herein gegeben, ermöglicht es, dass sie den Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 511 Übertritt des Respirationsstromes aus der Mund- in die Nasenhöhle zu beeinflussen vermag; ihr fällt die Aufgabe zu, diesen Übertritt in der zweckmäßigsten Weise zu vermitteln. Unter Anpassung an diese neue, wichtigere Aufgabe erfährt sie ihre weitere Ausgestaltung, mit der die Veränderungen an der Apertura nasalis interna Hand in Hand gehen. Wir kommen so zu dem wichtigen Schluss, dass der erste Anstoß zur Bildung einer sekundären Choane und eines sekundären Gaumens schon bei bei Amphibien ge- geben wird, und zwar durch die Anpassung der Nasenhöhle an die Regulirung des Respirationsstromes. Ill. Anura. Eine ausführliche Darstellung der Nasenhöhle der Anuren hat Born (5) gegeben. Bezüglich der speciellen Verhältnisse sei auf jene Arbeit verwiesen. Uber eine detaillirte Vergleichung der Nasenhöhle der Anuren mit der der Urodelen ist mir nichts bekannt geworden. Meinungen über die Deutung der Blindsäcke sind indess wiederholt geäußert worden; GoETTE (16), FLEISCHER (13), BORN (5), KÖLLIKER u. A. treten dafür ein, dass der untere Blindsack dem Jacogson’schen Organe homolog sei, während Brarp (2) sich mit großer Entschie- denheit gegen diese Homologisirung ausspricht. — Die Gebrüder Sarasin (30) sprechen den mittleren, den Ductus laerymalis aufneh- menden Blindsack als Jacogson’sches Organ an. Die Frage, die wir hier zu erwägen haben, ist die: Lassen sich die blindsackartigen Ausstülpungen der Anurennasenhöhle mit be- stimmten Theilen der Urodelennasenhöhle in Beziehung bringen, und eventuell mit welehen? Ich will versuchen, die Vergleichung unter diesem Gesichtspunkt durchzuführen und lege meine Befunde an Rana esculenta dabei zu Grunde; ich ‘werde diese den Verhältnissen, wie sie Salamandra maculata bietet, gegenüberstellen. Rana esculenta. Im hinteren Theil und vor der Choane (Fig.:19 G, H) lassen sich an der Nasenhöhle von Rana zwei Abschnitte unterscheiden, die neben einander angeordnet und scharf von einander abgegrenzt sind. Der mediale (Cavum nasale) besitzt in einiger Entfernung von der Choane (Fig. 19 G) einen eiförmigen Durchschnitt; die, Spitze ‘des Eies ist nach unten und außen gerichtet. Die mediale Wand 512 Ö. Seydel dieses Raumes ist mit Riechepithel überkleidet, welches sich von hier auf den Dach- und den Bodentheil der Wandung fortsetzt. > er # Carnasal By \ A x Fig. 19 2. aide Anertur. nasal.eat. (/ Caunasal. 7 \ N f 4 7 }} \ Len AN 3 “A CO ~~ bland. nasal.eat. \ Fig. 19 C. nn Anertur. nasal.ext. Rana esculenta. liegt in einer Flucht mit dem Boden des Nebenraumes. Nach der Spitze des eiför- migen Durchschnittes hin geht das Sinnesepithel all- mählich in einfaches Cy- linderepithel über. Dieser Abschnitt des Cavum nasale charakterisirt sich durch die Entfaltung des speci- fischen Sinnesepithels als die Pars olfactoria oder den Hauptraum der Nasenhöhle. — Der laterale Abschnitt (in der Figur als seitlicher Nasengang bezeichnet; Kie- ferhöhle Born’s) stellt einen engen Spalt dar; sein Hö- hendurchmesser ist gering, während der quere stark entfaltet ist. Seine Wan- dungen tragen niedriges Cylinderepithel. Die Abgrenzung die- ses Nebenraumes von der Haupthöhle wird durch eine Schleimhautfalte (f) vollzogen, die frei vom Dache der Gesammtnasen- höhle herabhängt. Das untere Ende dieser Falte ist in lateraler Richtung umgebogen und ist dem Bodentheile der Nasenhöhle in breiter Fläche fast bis zur Berührung genähert. Der Boden der Haupthöhle Es kom- municiren also beide Abschnitte der Nasenhöhle durch eine schlitz- förmige Offnung. Nicht unwichtig ist die ventilartige Anordnung der Über die Nasenhöhle und das foie bean ixclie Organ der Amphibien: 513 Falte, welche einen Luftstrom in der Richtung vom Nebenraum in die Haupthöhle erschweren dürfte, während sich einem umgekehrt Fig. 19 D. Fig. 19 E. Y Gland. nasal.ext. N Gl.nasal.ext. Duct.naso-laer Rana esculenta. laufenden Strome kaum ein Widerstand ent- gegenstellt. Verfolgen wir die Räume nach hinten ge- gen die Choane, so än- dert sich die Konfigura- tion des medialen in etwas (Fig. 19 7). Er nimmt an Breite zu und am Boden erhebt sich ein ziemlich beträcht- licher Wulst. Derselbe liegt im Bereiche der Riechschleimhaut. Durch die Breitenzunahme der Haupthöhle erscheint der Nebenraum in sei- nem Querdurchmesser beschrinkt; die abgren- zende Falte wird nie- driger und verstreicht in der Gegend der Choane. Die Choane (Fig. 19 7) öffnet sich am Boden gerade an der Grenze zwischen Haupt- und Nebenhöhle. Beide Räume treten so in Kommunikation mit der Mundhöhle. Der Haupt- raum schließt sich hinter der Choane kuppelför- ‘mig ab, während der Nebenraum durch die Choane hindurehtritt und am Dach der Mundhöhle ausläuft. Bei Salamandra (vgl. Fig. 12 X und Z) ließen sich im hinteren Theil der Nasenhöhle gleichfalls zwei Abschnitte unterscheiden; ein 514 O. Seydel größerer medialer (die Haupthöhle), dessen Wandungen zum größeren Theil mit Riechschleimhaut überzogen sind, der sich durch die Choane Rana esculenta. Fig. 19 G. TER, PR [7 nasale. \ \ KULT \ ON \ \ ow Duct.naso-lacr. sul ER )) x a8 A Ge = N = Se % N \ \ re | , Fig. 19 I. en \ ky nn EN jy Cavum nasale. EN | ji EN \ / ALU ZN EN N { KON EN N AS = EN N Duet.naso-laer. AS ta ee N, \ \ 4 WS SN ~ SS +f Choane Gaumen-Fortsatx rae \ Seitl. Näseng gang. = N, Sn Frontalschnitte durch die Nasenhöhle. ca. 8:1. = Seill. Nasengang. mit der Mundhöhle verbunden zeigt, und der nach hinten kuppelförmig abge- schlossen ist. Der kleinere laterale Ab- schnitt (die seitliche Nasenrinne) ist mit Cylinderepithel aus- gekleidet, grenzt sich gegen den Hauptraum durch leichte Schleimhaut- "falten ab, liegt la- teral von der Cho- ane und setzt sich durch diese hin auf das Dach der Mund- höhle fort. Es er- giebt sich also, dass die Abschnitte im hinteren Theil der Nebenhöhlebei Rana und Salamandra in wichtigen Punkten übereinstimmen. Es erscheint die Homo- logisirung der Haupthöhle von Rana mit der von Salamandra, sowie die der Nebenhöhle mit dem seitlichen Nasengange gestat- tet. Es besteht ei- gentlich nur darin ein Untersehied, dass die Abgrenzung beider Räume gegen einander bei Rana eine sehr deutliche ist, während sie bei Salamandra nur Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 515 angedeutet erscheint; ferner darin, dass beim Frosch die Nebenhöhle viel umfänglicher entfaltet ist als beim Salamander. Verfolgt man die Nasenhöhle von Rana weiter nach vorn, so bleibt die gegenseitige Lagebeziehung der beiden Räume, so wie die Art ihrer Kommunikation zunächst im Wesentlichen unverändert. Nur gewinnt die abgrenzende Falte (f) an Mächtigkeit und empfängt eine knorplige Stütze (Fig. 19 F). (Letztere hängt weiter nach vorn mit dem übrigen Knorpelskelet der Nasenhöhle zusammen.) SchlieB- lich verschmilzt der nach unten gerichtete Rand der Falte mit dem Boden; die Nebenhöhle (in der Fig. 19 E als Jacobs. Organ be- zeichnet) schließt sich von der Haupthöhle ab. Dieser Abschluss er- folgt in einer Frontalebene, die dicht hinter dem hinteren Rande der Apertura nasalis externa liegt. Fig. 19 E giebt diese Stelle wieder. Die Nebenhöhle, mit Cylinderepithel ausgekleidet, ist völlig gegen den Hauptraum abgeschlossen und liegt noch lateral von letz- terem. Der Abschluss ist nun in der Weise erfolgt, dass ein Theil des Kommunikationsspaltes als eine rinnenförmige Einsenkung an der lateralen und unteren Ecke der Haupthöhle bestehen bleibt (r, Fig. 19 E). Auf dem Frontalschnitt erscheint die letztere ungefähr kreisförmig; oben, medial und unten trägt ihre Wandung Riech- epithel, während die laterale Wand mit nicht specifischem Epithel überzogen ist. Der Boden geht in scharfer Knickung in die Rinnen- wand über, während sich die ‘laterale Wand ohne Abgrenzung in die entsprechende Wandung der Rinne fortsetzt. Die Rinne selbst ist mit Cylinderepithel ausgekleidet. An der Stelle, wo sich die Haupthöhle vom Nebenraum abschließt, ist die Lichtung der Rinne nicht sehr tief und ist gerade abwärts gerichtet, weiter nach vorn wird sie tiefer, und ihr unteres Ende biegt in medialer Richtung ab, ihr Lumen wird dabei umfänglicher. Weiter nach vorn wird schnell die Sonderung der Rinne in zwei Abschnitte deutlich, indem sich der medial abgebogene Grund der Rinne vertieft (a, Fig. 19 D) und deut- licher gegen den Theil der Rinne absetzt, der die Kommunikation mit der Haupthöhle vermittelt (r, Fig. 19 D). Von der lateralen Seite her, und zwar gerade am Knickungswinkel, öffnet sich in die Rinne der Thränenkanal. Ein wenig weiter nach vorn schließt sich der untere abgeknickte Theil der Rinne, der den Thränenkanal auf- genommen hat, von dem oberen, die Kommunikation mit der Haupt- höhle vermittelnden Abschnitt ab. Der untere Theil (a, Fig. 19 C) setzt sich dann nach vorn als ein abgeplatteter, nach vorn: blind endender Hohlraum fort (a, Fig. 19 A—C; mittlerer oder seitlicher 516 0. Seydel Blindsack Born’s). Jener Abschnitt dagegen, der in Beziehung zur Haupthöhle bleibt, verläuft als eine niedrige, aber deutlich abgegrenzte Rinne weiter nach vorn, und zwar gerade an der Stelle, wo der Boden der Haupthöhle in die Seitenwand umbiegt. Er lässt sich nach vorn bis zum vorderen kuppelförmigen Abschluss der Nasen- höhle verfolgen (r, Fig. 19 A—C). Der vordere kuppelförmige Ab- schluss der Haupthöhle wird von Born als oberer Blindsack be- ‘ zeichnet. Etwas schematisirt können wir diese komplieirten Verhältnisse so zum Ausdruck bringen: Im vorderen Theile stellt die Nasenhöhle von Rana ein cylindrisches Rohr vor, welches nach vorn kuppel- förmig abgeschlossen ist und in der Nähe des vorderen Endes oben und lateral die Apertura externa trägt. An der Übergangsstelle des Bodens in die seitliche Wand verläuft von vorn nach hinten eine seichte rinnenförmige Einsenkung. Diese Rinne zeigt sich plötzlich vertieft und in der Richtung nach vorn und medial blindsackartig ausgestülpt; dieser Blindsack nimmt den Thränenkanal auf. Hinter dieser Ausstülpung wird die Rinne für eine ganz kurze Strecke wieder seichter, um dann plötzlich abermals eine Vertiefung nach lateral und etwas nach unten zu erfahren, und zwar in sehr bedeutender Weise. Auch diese Vertiefung ist nach vorn und medial als mächtiger Blindsack ausgestülpt (unterer Blindsack Born’s; in meinen Figuren als Jacobson’sches Organ bezeichnet). Es ist noch auf einige specielle Verhältnisse dieses a nannten Blindsackes einzugehen. An der Stelle, wo er sich ab- schnürt, liegt er lateral zur Haupthöhle (Fig. 19 E, Jacobs.Org.). ‚Weiter nach vorn rückt er mehr und mehr medialwärts und ist schließlich dem knorpligen Septum narium benachbart; er schiebt sich dabei unter die Haupthöhle und liegt dem Boden der knorpe- ligen Nasenkapsel auf (vgl. Fig. 19 A—E). Sein Lumen stellt einen niedrigen, aber breiten Spaltraum dar; nach vorn erfährt er, ent- sprechend der Verjüngung der Schnauze, eine allmähliche Reduk- tion der Breite. Die Wandungen sind zum weitaus größten Theil mit Cylinderepithel überzogen. Nur im vordersten Ende, und zwar medial und vorn, an der Stelle, wo das Dach des Blindsackes in den Boden umbiegt, findet sich Sinnesepithel (Fig. 19 A, B), zu welchem sich Zweige des Olfactorius verfolgen lassen. Bei Salamandra konnten wir in der ganzen Länge der Nasen- höhle die Haupthöhle von dem seitlichen Nasengang sondern. Die Haupthöhle zeigt sich nun bei Urodelen und Anuren in ihrer ganzen Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 517 Anordnung in Übereinstimmung. Sie stellt ein Rohr dar, das vorn und hinten kuppelförmig abgeschlossen ist; in der Nähe des vorderen Endes, und zwar oben und lateral, trägt es die Apertura externa; in der Nähe des hinteren Endes kommunieirt es durch die am Boden liegende Choane mit der Mundhöhle. Durch den Überzug von Riech- epithel, der den größten Theil seiner Wandungen trägt, ist dieser Abschnitt als die Haupthöhle des Cavum nasale charakterisirt. Un- wesentlich für unsere Zwecke ist der Unterschied in der Konfigura- tion der Lichtung des Kanals. Derselbe ist bei Salamandra viel stärker abgeplattet als bei Rana, ein Verhalten, das in erster ‚Linie mit der Gestaltung des vorderen Schädelabschnittes in Beziehung zu bringen sein wird. Mit diesem Unterschiede in den räumlichen Ver- hältnissen des Hauptkanals steht dann wohl auch der geringfügige Unterschied in der Anordnung des Riechepithels in Verband. Die Unterbrechung des Riechepithels im hinteren Theile der Nasenhöhle an der niedrigen medialen Wand bei Salamandra fehlt bei Rana. Da wir die Haupthöhlen bei beiden Formen in den wesentlichen Punkten in Übereinstimmung finden, so ergiebt sich, dass die Aus- gestaltung der Nasenhöhle bei Anuren auf den lateralen Theil be- schränkt sein wird. Eine fortschreitende Ausgestaltung des respira- torischen Abschnittes ließ sich schon in der Urodelenreihe feststellen. Diese erscheint nun bei Anuren in bestimmter Richtung weitergeführt. Ich habe bereits ausgeführt, dass im hinteren Theil der Nasen- höhle der seitliche Raum bei Rana die gleichen Verhältnisse erkennen lässt wie der seitliche Nasengang von Salamandra. Bei Urodelen stellt ein mittlerer Theil dieses Ganges das Jacopson’sche Or- gan dar; das vordere Ende desselben zeigt sich gegen den vor- dersten Abschnitt des seitlichen Nasenganges durch eine tiefere Ein- senkung scharf abgesetzt. Bei bestimmten Urodelen tritt gerade an dieser Stelle eine blindsackartige, nach vorn gerichtete Ausstülpung auf. Wir brauchen uns nur vorzustellen, dass der hintere Theil des . seitlichen Nasenganges sich mächtiger entfaltet, dass ferner die Ausstülpung nach vorn größere Dimensionen annimmt und auch solche Theile der Wandung betrifft, die nicht mehr mit Sinnesepithel überzogen sind, um die Verhältnisse entstehen zu sehen, wie sie sich bei Rana und anderen Anuren verwirklicht finden. Das Sinnes- epithel des Jacopson’schen Organs kommt dadurch an die Spitze des Blindsackes zu liegen, dessen Wandungen im Übrigen mit Cy- linderepithel ausgekleidet sind. Mit der Verlagerung des‘ Sinnes- epithels nach vorn erfährt auch die Mündung der Drüse des: JACOB- Morpholog. Jahrbuch, 23. 34 518 0. Seydel son’schen Organs eine entsprechende Verschiebung. Bei Urodelen liegt die Mündung in der Nähe des vorderen Endes des JACOBSON- schen Organs, gleichgültig, ob dasselbe blindsackartig ausgestülpt ist oder nicht; bei Rana findet sie sich an der medialen Wand des Blindsackes, gerade an der Stelle, wo der Sinnesepithelbelag der- selben beginnt. Die Drüse (Gl.Jacobs. Fig. 19 A—H) selbst er- scheint bei Anuren viel mächtiger entfaltet als bei Urodelen; es lässt sich dieses Verhalten wohl mit der Größenzunahme des Blind- sackes in Beziehung bringen, da dieser im Übrigen der Drüsen ent- behrt. Bei Anuren wie bei Urodelen hat der Drüsenkörper eine mediale Lagerung. Schon die Befunde bei Urodelen hatten zu der Annahme geführt, dass das Jacogson’sche Organ die Aufgabe habe, den Luftstrom, der von der Mundhöhle her die Nasenhöhle passirt, einer sinnlichen Kontrolle zu unterziehen. Bei Anuren tritt die gleiche Beziehung in noch eklatanterer Weise hervor. Der untere Blindsack setzt sich nach hinten kontinuirlich in den lateralen Nebenraum fort, der sich durch die Choane fortsetzt, um auf dem Mundhöhlendach auszulaufen. Ein Theil des exspiratorischen Luftstromes wird so gewissermaßen schon an der Choane abgefangen und durch den Nebenraum bis zum vorderen Ende des Blindsackes geführt, wobei jener ventilartige Abschluss des Nebenraumes von der Haupthöhle in Thätigkeit tritt. Für die Ausgestaltung dieses Theiles des Cavum nasale lässt sich, ähnlich wie bei Urodelen, die Anpassung an die Regulirung der Lufteirkulation innerhalb der Nasenhöhle als ursächliches Mo- ment erkennen. Ob noch andere Faktoren auf die mächtige Ent- faltung des unteren Blindsackes eingewirkt haben, muss dahingestellt bleiben. Aus dieser Vergleichung ergiebt sich mit Sicherheit, dass der untere Blindsack (Born) der Anurennasenhöhle dem JACOBSON- schen Organ der Urodelen homolog ist. ‘Der vor dem Jacopson’schen Organ gelegene Abschnitt der seitlichen Nasenrinne der Urodelen nimmt die Mündung des Thränen- kanals auf und zeigt keine weitere Besonderheiten. Bei Anuren lässt dieser Abschnitt durch die Bildung des seitlichen Blindsackes eine weitere Ausgestaltung erkennen. Da dieser Blindsack den Thränenkanal aufnimmt, oder anders ausgedrückt, gerade an der Mündung desselben entstanden ist, so liegt es nahe, eben in dieser Beziehung das ursächliche Moment für seine Entstehung zu suchen. Doch ist mir im Speciellen der Causalnexus keineswegs klar ge- worden. Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 519 Aus der Vergleichung der Nasenhöhle der Anuren mit der der Urodelen ergiebt sich also, dass die Haupthöhle des Cavum, welche die Regio olfaetoria enthält, sich in beiden Fällen wesentlich gleich- artig verhält, und dass die Komplicirung der Anurennasenhöhle her- beigeführt wird durch die formale Ausgestaltung des Abschnittes, den wir. bei Urodelen als den seitlichen Nasengang bezeichneten. Diese Ausgestaltung tritt einmal durch die räumliche Ausdehnung und durch die schärfere Abgrenzung dieses Abschnittes gegen die Haupthöhle im hinteren Theil der Nasenhöhle in die Erscheinung, ferner durch die Bildung von Blindsäcken. Der mächtige untere Blindsack nimmt seine Entstehung von der Stelle des seitlichen Nasenganges, der bei Urodelen das Jacopson’sche Organ darstellt. Unbedeutende nach vorn gerichtete Ausbuchtungen fanden sich an dieser Stelle schon bei Urodelen; sie betreffen hier ausschließlich den mit Sinnesepithel überzogenen Theil der Wandung. Bei Anuren erreicht die Ausstülpung ein sehr bedeutendes Maß, und die mit Sinnesepithel überzogene Strecke bildet nur einen Bruchtheil von der Wandung. des ganzen Blindsackes. Eine zweite Ausstülpung, der seitliche Blindsack Born’s, nimmt seine Entstehung von der Stelle der seitlichen Nasenrinne, an welcher der Thränenkanal aus- mündet. ‘ Wenn es nun auch gelingt, die verschiedenen Abschnitte der Nasenhöhle der Anuren mit bestimmten Abschnitten von der der Urodelen in Beziehung zu bringen, so ist damit nicht gesagt, dass die Zustände bei den ersteren von denen bei Urodelen direkt ab- zuleiten seien. Namentlich die mächtige Entfaltung des unteren Blindsackes (Jacogson’sches Organ) bei Anuren könnte gegen eine solche Annahme geltend gemacht werden, eben desshalb, weil bei Urodelen eine Tendenz zur Blindsackbildung am JacoBson’schen Or- gan fast gar nicht hervortritt. Dagegen erinnert der Befund bei Rana an den Zustand, wie wir ihn bei Siren fanden, wo der Blindsack gleichfalls sehr mächtig entfaltet und auch zum Theil mit indifferentem Epithel ausgestattet war. Auch die Lage der Drüsenmündung am Rande des speeifischen Epithels stimmt in beiden Fällen überein, während bei Siredon und unseren Urodelen die Drüse im Bereich des Sinnesepithels selbst mündet. Das scheint mir dafür zu sprechen, dass die Anuren ziem- lich tief am Amphibienstamme sich abzweigten. Die Ähnlichkeiten, die in anderen. Punkten zwischen Anuren und Urodelen bestehen, z. B. im Verhalten des hinteren Abschnittes der seitlichen Nasenrinne 34% 520 0. Seydel und im Verhalten der Choane, können sehr wohl Konvergenzer- scheinungen sein. Ein sicheres Urtheil in dieser Frage ist unter Berücksichtigung einer Form allein natürlich nicht abzugeben. Dass es möglich sein wird, durch die Untersuchung einer größeren For- menreihe weitere Aufschlüsse zu erhalten, geht aus der Bemerkung von LEE (26) über die Nasenhöhle von Pipa americana hervor. Leider ist die Angabe zu wenig detaillirt, als dass ich sie für die hier ver- folgten Zwecke verwerthen könnte. IV. Gymnophiona. Es erübrigt noch einen Blick auf das Verhalten der Nasenhöhle und des Jacopson’schen Organs bei Gymnophionen zu werfen. In einer neueren Arbeit von BAwDeEn (1) ist die Ansicht ausgesprochen, dass gerade diese Formen es seien, die im Verhalten des JACOBSON- schen Organs primitive Zustände zeigten; es wird weiter der Versuch gemacht, die Gymnophionen als Ausgangspunkt für die Beurtheilung der Zustände bei den übrigen Amphibien darzustellen. Ich selbst habe keine Gelegenheit gehabt, Gymnophyonen zu untersuchen; doch verdanken wir namentlich P. und F. Sarasin (33) werthvolle Beiträge zur Kenntnis der Nasenhöhle bei Ichthyophis. Ich lege die genauen und durch sorgfältige Abbildungen illustrirten Darstellungen jener Forscher meinen Ausführungen zu Grunde. Auch in der WIEDERSHEIM schen BE. ek Arbeit über die Gymno- R ee en phionen (41) ist verwerth- SEE bares Material nieder- a, gelegt. Ich will zunächst die Nasenhöhle von Ichthyo- phis mit den Zuständen derselben bei den übrigen Dud.olfactor Amphibien vergleichen. Zur Erleichterung der Ori- entirung füge ich einige Maxill.sup. Jacobs. Org Ichthyophis. Querschnitt durch Nasenhöhle und Jacogson- Figuren bei, die nach den sches Organ. Nach P. u. F, Sarasin (41) Taf, XVI Fig. 17; Abbildungen der Gebrüder wenig schematisirt. SARASIN unter leichter Schematisirung in der Ausführung gezeichnet wurden. Den aus der Vergleichung gewonnenen Gesichtspunkten entsprechend, werde ich Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 521 dann der Bawpen’schen Auffassung gegenüber Stellung zu nehmen haben. Das Lumen der Nasenhöhle ist bei Ichthyophis sehr weit und geräumig. Durch einen am Boden sich erhebenden breiten Wulst, der sich durch die ganze Länge Fig. 21. der Nasenhöhle von vorn nach —__. hinten erstreckt, wird das Ca- vum unvollkommen in zwei ne- ben einander liegende Kanäle gesondert. Die Wandungen des medialen Raumes bekleidet Riech- epithel, die Wandungen des la- | A teralen sind mit indifferentem ne val | Duet ollactor Epithel überzogen; am Boden des DISA pea letzteren liegt hinten die Choane, is hia hice vorn öffnet sich von der Seite her Ichthyophis me, durch die Nasenhöhle = sie ls ee an der Einmündungsstelle des Jaconsox’schen Or- [CH hatte ausgeführt, wie sich von gans. Nach P.u.F. Sarasin ib. Taf. XVI Fig. 24. niedrigsten Amphibien an die Re- gio respiratoria allmählich mehr und mehr entfaltet; bei Salamandra konnten wir wenigstens im hinteren Abschnitt der Nasenhöhle einen einigermaßen selbständigen Ductus respiratorius unterscheiden. Bei Ichthyophis ist der respi- ratorische Theil noch weiter entfaltet; er durchzieht die ganze Länge der Nasenhöhle und ist durch den längsverlaufenden, bodenständigen Wulst ziemlich scharf von dem Ductus olfactorius geschieden. Zum größeren Theile ist diese Erhebung des Bodens mit Riechepithel überzogen, und es wird durch ihn für die specifische Schleimhaut die Möglichkeit einer größeren Oberflächenvergrößerung geboten. — Ein ähnliches Verhalten des Lumens zeigt Epierium und Siphonops nach WIEDERSHEIM; während bei Coecilia diese Scheidung nur in Andeutungen erkennbar ist. Ob mit diesem Verhalten des Lumens auch eine entsprechende Anordnung des Epithels besteht, geht aus der Darstellung nicht hervor. — In dieser Ausgestaltung des Lumens haben demnach die Gymnophionen eine höhere Entwicklungsstufe erreicht als die übrigen Amphibien. Von der seitlichen Nasenrinne fehlt in der ganzen Länge des Cavum jede Spur. Die Apertura interna zeigt einfache Verhältnisse. Eine für unsere Zwecke gleichgültige Komplikation ist im Choanen- schleimbeutel gegeben; eine Einrichtung, die jedenfalls nichts mit Daci. respirator 522 0. Seydel _ ‘der Bildung eines sekundären Gaumens zu thur hat. In dem ein- fachen Verhalten der Apertura interna weist Ichthyophis primitivere Zustände als die Urodelen und Anuren auf. Ein eigenthümliches Verhalten zeigt das Jacosson’sche Organ. Dasselbe stellt sich als blindendender Schlauch dar, der medial von der Choane etwas vor ihrem vorderen Rande in die Nasenhöhle mündet (Fig. 21). Unter dem Cavum nasale gelegen, zieht der Blind- sack zunächst gerade nach vorn, um dann im rechten Winkel seit- wärts abzubiegen. In sein Ende mündet der Thränenkanal (Fig. 20). Der Blindsack ist nicht allseitig vom Sinnesepithel überzogen; an seiner nach oben sehenden Fläche zieht ein Streifen indifferenten Epithels hin; zu beiden Seiten desselben gerade an der Grenze gegen das specifische Epithel münden zahlreiche Drüsen. Durch die Mün- dung des Organs in direkter Nähe der Apertura nasalis interna ist auch hier die funktionelle Beziehung zur Mundhöhle ersichtlich. Ob durch die Vermittlung des Ductus laerymalis das Organ von Ich-' thyophis auch noch als Schnüffelapparat dient, wie SARASIN’s aus- führen, lasse ich dahingestellt. Auch bei anderen Formen (Epierium, Coecilia) stellt nach Wır- DERSHEIM das Organ einen geschlossenen Blindsack dar, der unter der Haupthöhle liegt und in die Choane mündet. Uber das Ver- halten des Epithels, der Drüsen und des Thränenkanals fehlen An- gaben. Aber hier wie dort erfolgt die Innervation des Sinnesepithels durch den ventralen Ast des Olfactorius. 1 In vielen wichtigen Punkten tritt das Jacopson’sche Organ von Ichthyophis in Gegensatz zu den bisher besprochenen Verhältnissen. Zunächst ist die Lage der Öffnung medial von der Apertura nasalis interna zu nennen. Bei Siren liegt das Organ zwar medial unter der Haupthöhle; aber durch seine rinnenartige Verlängerung nach hinten tritt es in Verbindung mit dem lateralen Rande der Apertura nasalis interna. Bei Siredon, bei Urodelen und Anuren ist es in viel ausgesprochener Weise der seitliche Rand der inneren Nasenöffnung, zu dem das Organ in Beziehung tritt. Ferner erscheint bei Ichthyophis die Mündung sehr weit nach hinten gerückt, bis in die direkte Nachbarschaft der Apertura nasalis interna; bei anderen Gymnophionen mündet es direkt in diese ein. Bei Siren liegt der Zugang zum Organ etwa in der Mitte der Länge der Nasenhöhle; bei Siredon und bei Urodelen liegt der Punkt, wo sich die seitliche Nasenrinne zum JacoBsox’schen Organ vertieft, etwa am Ende des ‘ersten Drittels der Nasenhöblenlänge. Auch im Bau ergaben sich Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 523 Unterschiede; der Blindsack beim Axolotl ist allseitig gleichmäßig mit Sinnesepithel ausgekleidet; bei Ichthyophis tritt noch ein Streifen indifferenten Epithels hinzu. Drüsen sind hier in großer Zahl vor- ‘ handen und münden am Rande des Sinnesepithels, während wir sonst nur ein oder zwei mächtig entfaltete’ Drüsen finden, deren Ausführgang im Bereiche des Sinnesepithel endet. Das Auffallendste ist endlieh die Mündung des Ductus lacrymalis in das laterale Ende des Blindsackes, für die sich ein Analogon weder bei den übrigen Amphibien noch bei den höheren Wirbelthieren findet. Trotz dieser Eigenthümlichkeiten ist der Blindsack als Jacosson- sches Organ aufzufassen. SARAsiIn’s suchen schon den Beweis für die Homologie desselben mit dem JAconson’schen Organ der höheren Wirbelthiere zu erbringen. Der Grundgedanke ihrer Beweisführung er- scheint mir durchaus berechtigt. Weiterhin ist von BURCKHARDT (8) die Homologie des Blindsackes von Ichthyophis mit dem Jacogson’schen Organ der Urodelen auf Grund der Entwicklungsgeschichte begründet worden. Der Vergleich, den BuURCKHARDT zwischen der Entwicklung des Organs bei Triton und bei .Ichthyophis durchführt, lässt sich in einzelnen Punkten unter Berücksichtigung der Beobachtungen der Gebrüder Sarastn noch mehr in das Specielle ausführen. Ich glaube, dass sich dann auch die Abweichungen im Bau und in der Anordnung des Organs, die mediale, weit nach hinten gerückte Lage seiner Öffnung und die Beziehung des Thränenkanals zu demselben ver- ständlich machen lassen; BURCKHARDT lässt diese Punkte bei der Vergleichung unberücksichtigt. Das Jacogson’sche Organ legt sich bei Ichthyophis an derselben Stelle an wie bei Urodelen, und zwar am unteren Rande der Riech- schleimhaut an der medialen Wand des Cavum nasale. Es gestaltet sich weiterhin zu einer rinnenförmigen Einsenkung, die sich nach hinten bis an die Apertura nasalis interna erstreckt. In ganz glei- cher Weise verhält sich das Organ bei jungen Tritonlarven und beim jungen Siredon, nur dass das Sinnesepithel weniger weit nach hinten ausgedehnt ist und die Apertura nasalis interna nicht er- reicht. — Unter Erweiterung des Nasenlumens dehnt sich weiterhin das Riechepithel von der medialen Wand des Geruchssackes her am Boden desselben in lateraler Richtung aus. Das JacoBson’sche Organ erfährt die Verlagerung im gleichen Sinne. — Bei Urodelen, wo das Organ in seiner ganzen Länge vor der Apertura nasalis interna gelegen ist, setzt sich seiner Verlagerung kein Hindernis entgegen, und wir finden später das ganze rinnenförmige Organ 524 | 0. Seydel lateral zur gesammten Nasenhöhle, aber immer noch am Rande der Riechschleimhaut angeordnet. Nun erst bildet sich in der Fortset- zung des Organs der hintere Theil der seitlichen Nasenrinne aus, durch den dasselbe zur lateralen Wand Fig. 22. der Apertura nasalis interna in Beziehung _ tritt. — Bei Ichthyophis reicht schon in ; früher Zeit das Organ bis an die Apertura N, > nasalis interna heran; es spricht sich hier- 2) al in von vorn herein eine höhere Entwick- 2 lung desselben aus. Bei der nun erfolgen- den Drehung des Geruchssackes wird der seitlichen Verschiebung des Organs am hinteren Ende naturgemäß durch die Off- ee nung am Boden der Nasenhöhle ein Ziel F. Sarasin Taf. XVII Fig. 30. gesetzt; so finden wir in gewissen Stadien ‘ der Entwicklung das Ende der Rinne gerade an dem medialen Rande dieser Apertur. Vor der inneren Nasen- öffnung dagegen dehnt sich (Fig. 22) wie bei Salamandrinen das Epithel der Regio olfactoria ungehindert über den Boden des Geruchs- sackes hin lateralwärts aus; und so finden wir hier bei älteren Larven genau wie bei Urodelen das JAcogson’sche Organ als Rinne ganz lateral gelagert und zwar immer an der seitlichen Grenze der Regio olfactoria. In der Lage gerade am seitlichen Rande des Riechepithels der Haupthöhle, sowie in der rinnenförmigen Gestaltung des Organs stimmen Ichthyophislarven dieses Stadiums vollkommen überein mit Salamandrinenlarven und selbst noch mit ausgewachsenen Urodelen. Die Differenz in der Lage des hinteren Endes der Rinne zur Apertura nasalis interna erklärt sich ohne Schwierigkeit aus den ontogenetischen Vorgängen. Wir werden nicht fehl gehen mit der Annahme, dass die individuelle Entwicklung hier die phylogenetische wiederhole. Die Divergenz der Entwicklung, durch diese Verhältnisse bereits deutlich, tritt weiterhin immer eklatanter hervor. Bei Urodelen bildet sich unter den oben ausgeführten Bedingungen der hintere Abschnitt der seitlichen Nasenrinne mächtig aus. Bei Ichthyophis dagegen hat das Jacoson’sche Organ selbst eine Verbindung mit der inneren Nasenöffnung erreicht; die Beziehung zur Mundhöhle ist dadurch eine direktere geworden. Es bleibt daher die Bildung eines Zulei- tungsapparates für dasselbe aus und es kommt auch nicht zu jenen Umgestaltungen an der Apertura nasalis interna, für deren Ent- Jarobs.Or obs. Org. Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 525 stehung ja bei Urodelen der erste Anstoß vom Jacopson’schen Organ ausging. Weiterhin wird, gegen Ende der Larvenperiode, das rinnenför- mige Organ in einen blindgeschlossenen Schlauch übergeführt. Sarasın hat diesen Vorgang leider nicht direkt beobachten können, doch erlaubt wohl der Bau des fertigen Organs einen Rückschluss in dieser Hinsicht. Der Blindsack bei Siredon ist allseitig von Sinnesepithel umwandet; er wird entstanden sein, indem das vordere Ende der Einsenkung unter Vermehrung der Elemente des Epithels sich nach vorn vorbuchtete. Bei Ichthyophis betheiligt sich ein Streifen indifferenten Epithels, der sich durch die ganze Länge des Blindsackes hinzieht, an der Auskleidung desselben. Dies Verhalten macht es mir wahrscheinlich, dass die Überführung der Rinne in den Schlauch durch eine von vorn nach hinten fortschreitende Ver- wachsung der Rinnenränder erfolgt; an der Nahtstelle gelangt dabei indifferentes Epithel in die Wandung des Schlauches. Hiernach be- stände in dem Blindsack beim Axolotl und dem des Ichthyophis ein prineipieller Unterschied; ersterer entsteht durch eine Ausbuchtung einer gegebenen Einsenkung; letzterer durch eine Abschnürung der Einsenkung vom übrigen Lumen der Nasenhöhle. Bei dieser Auffassung erklärt sich auch ohne Weiteres die so weit nach hinten gerückte Lage der Öffnung des Blindsackes bei Ichthyophis. Es wird weiterhin auch die Verbindung des Thränenkanals mit dem Blindsack dem Verständnis näher gerückt. Bei Siredon liegt die Mündung des Ductus naso-lacrymalis in ziemlicher Entfernung vom vorderen Ende des JacoBson’schen Or- gans. Bei Urodelen fanden wir seine Nasenöffnung dicht an die. Stelle herangerückt, wo die seitliche Nasenrinne sich zum JACOBSON- schen Organ vertieft. Wir brauchen nur das gleiche Verhalten für die Stammform von Ichthyophis anzunehmen, um zu verstehen, wie bei der Abschniirung der Rinne die Mündung des Thränenkanals in das Bereich des Blindsackes gezogen wird. Unentschieden muss allerdings bleiben, welche funktionellen Momente hier mitspielten. — - Dass in der Ontogenie von Ichthyophis der Thränenkanal mit dem Organ erst in Verbindung tritt, nachdem sich dasselbe von der Nasen- höhle abgeschnürt hat, spricht nieht gegen diese Auffassung. Auch bei den übrigen Amphibien tritt die Thränenkanalanlage erst später mit dem Epithel der Nasenhöhle in Verbindung. Aus alledem ergiebt sich, dass wir Ichthyophis von einer Form abzuleiten haben, die ein Jacogson’sches Organ besaß, welches als 526 0. Seydel eine Rinne medial am Boden der Nasenhöhle in direkter Nachbar- schaft zu dem Rande der Regio olfactoria lag; also von einer Form, die sehr wohl als Ausgangspunkt für die Zustände bei allen übrigen Amphibien gedient haben kann. Aber von vorn herein macht sich den anderen Gruppen gegenüber eine divergente Entwicklung geltend. Dieselbe kommt im Wesentlichen zum Ausdruck durch die Lage der Öffnung an der medialen Seite der Apertura nasalis interna, durch den Modus der Abschniirung des Blindsackes, und durch die Ein- beziehung der Thränenkanalmündung in denselben. — Aus diesen Ausführungen ergiebt sich meine Stellung der Baw- DEN’schen Auffassung gegenüber. Ichthyophis, und in ähnlicher Weise wohl auch die übrigen Gymnophionen, zeigen im JACOBSON- schen Organ hochentwickelte Zustände, die kaum als Ausgangspunkt für die phylogenetische Entwicklung angenommen werden können. Ich wüsste keinen einzigen Grund für die Meinung BAWDEN’s anzuführen, dass das Jacopson’sche Organ ursprünglich eine laterale Lage gehabt hätte. Wo auch immer die Entwicklung des Organs verfolgt wurde, überall legt sich dasselbe an der medialen Wand der Nasenhöhle an, und Schritt für Schritt wurde bei Amphibien, Sauriern und Säugern seine allmähliche Verschiebung bis zur Er- reichung der definitiven Lage verfolgt. Wie sich auch das Organ im fertigen Zustande verhalten möge, der Ort, an welchem es sich anlegt, wurde überall als der gleiche nachgewiesen. Ist doch in dieser Thatsache ein wichtiges Argument für die Homologie des Or- gans in der Wirbelthierreihe gegeben. Eben weil sich das Organ allenthalben an der medialen Wand der Nasenhöhle anlegt, so liegt darin ein zwingender Grund, auch seine ersten phylogenetischen Entwicklungsstadien an der medialen Seite des Nasenkanals zu er- warten. | Ohne jeden Zwang lassen sich die verschiedenen Zustände, in denen das Organ in der Thierreihe auftritt, unter dieser Voraus- setzung verstehen, und es besteht keine einzige Thatsache, die gegen. diese allgemein gültige Anschauung vorzubringen wäre. Der Auf- fassung BAWDEN’s kann ich demnach eine innere Berechtigung nicht zuerkennen. | Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 527. Schlussfolgerungen. Ubersicht über das Jacopson’sche Organ und die Nasenhöhle der Amphibien. Aus den angeführten Befunden geht hervor, dass die mit Sinnes- epithel ausgekleideten Nebenräume der Nasenhöhle (Jacopson’sches Organ) in den verschiedenen Amphibiengruppen thatsächlich auf ein- ander, beziehbar sind. Als hypothetisches Ausgangsstadium dürfen wir für alle Formen ein rinnenförmiges Divertikel annehmen, wel- ches in ganzer Ausdehnung mit Sinnesepithel ausgekleidet und medial am Boden des Geruchssackes gerade am Rande des Riechepithels ge- lagert ist. Von einem solehen Stadium lassen sich die Gymnophi- onen in der Weise ableiten, dass zunächst die Rinne eine größere Ausdehnung nach hinten gewinnt, dass ferner der vordere Theil der- selben durch eine Drehung des ganzen Geruchssackes eine laterale Lagerung empfängt, während ihr hinteres Ende in dieser Verschiebung durch die Apertura nasalis interna aufgehalten wird. Es schnürt sich weiterhin die Rinne durch Verwachsung ihrer Ränder vom übri- gen Lumen ab; dabei wird. die Nasenmündung des Thränenkanals in das Ende des Schlauches einbezogen. So scheint mir das schlauch- formige, am medialen Rande der Apertura nasalis interna mündende Jacopson’sche Organ von Ichthyophis entstanden zu sein. Bei Siren erscheint das vordere Ende der Rinne zu einem mäch- tigen Blindsack ausgestülpt, der die primitive Lage bewahrt. Innerhalb des Blindsackes hat sich wohl durch partielle Reduktion des Sinnes- epithels eine weitere Differenzirung vollzogen; durch eine rinnenför- _ mige Fortsetzung des Blindsackes, die sich im Gebiet des respiratori- schen Epithels findet und als Zuleitungsapparat für das Sinnesorgan funktionirt, tritt dasselbe in Beziehung zur lateralen Begrenzung der Apertura nasalis interna. — Von einem ähnlichen Zustand dürften sich wohl die Verhältnisse bei Anuren ableiten. Der Blindsack entfaltet sich immer mächtiger, eben so die rinnenförmige Fortsetzung des- selben. Wenn dabei auch das vordere blindgeschlossene Ende des Sackes eine mediale Lage gerade unter der Haupthöhle erkennen lässt, so erfährt doch der spaltförmige Zugang zu demselben im hinteren Theile der Nasenhöhle eine Verschiebung in seitlicher Rich- tung. Diese Verlagerung des Zuganges geht Hand in Hand mit einer Ausdehnung der Regio olfactoria am Boden in dem gleichen Sinne. Bei Siredon und Amblystoma hat das rinnenförmige Organ dureh 528 0. Seydel Verschiebung des Geruchssackes eine laterale Lage erhalten; es hat sich nach vorn blindsackartig ausgebuchtet und ist außerdem durch eine rinnenförmige Verlängerung, die wieder im Gebiete des respi- ratorischen Epithels liegt, mit dem seitlichen Rande der Apertura nasalis interna in Verbindung getreten. An diesen Befund lassen sich ziemlich direkt die Zustände bei Urodelen anreihen. Die nach vorn gerichtete Blindsackbildung ist wenig ausgeprägt. Das JAcoB- son’sche Organ beharrt auf dem rinnenförmigen Zustande; aber der Zuleitungsapparat zu demselben (der hintere Theil der Nasenrinne) entfaltet sich mächtiger und führt — eben so wie bei Anuren — zu den Umgestaltungen an der Apertura interna, die sich kurz als die erste Bildung eines sekundären Gaumens bezeichnen lassen. Die Entwicklung der Haupthöhle des Cavum nasale in der Am- phibienreihe ist wesentlich durch die Entfaltung des Gesammtlumens charakterisirt; dieselbe erfolgt unter Anpassung an die gegebenen - Raumverhältnisse des Schädels. Die Vergrößerung der Wandungen des Geruchssackes geht bei den höheren Formen Hand in Hand mit einer Ausdehnung des specifischen Sinnesepithels über größere Flä- chen; allenthalben behält dabei die Regio olfactoria ihre Lage in der medialen Hälfte des Geruchskanals. Mehr in die Augen sprin- gend ist die Entfaltung der respiratorischen Partien der Schleim- haut; gerade in diesem Gebiete treten die wichtigsten Komplikationen auf. Wie das respiratorische Epithel bei Siren, Siredon, Urodelen und Anuren zum Jacospson’schen Organ in Beziehung tritt, und wie sich der hintere Theil der seitlichen Nasenrinne bei Caducibranchiaten weiter ausgestaltet, wurde bereits erwähnt. — Im vorderen Theil der Nasen- höhle bildet sich bei Siredon und bei Urodelen im Gebiete der Regio respiratoria eine Rinne, die die Thränenkanalmündung auf- nimmt; sie beginnt vorn am vorderen Ende der Nasenhöhle; nach hinten schließt sich direkt in ihrer Verlängerung die Einsenkung des Jacosson’schen Organs an. Bei Anuren ist diese Rinne gerade an der Mündung des Ductus naso-lacrymalis zu einem Blindsack entfaltet (mittlerer Blindsack Born’s). Eine gleichwerthige Bildung fehlt bei den Formen, die eines Thränenkanals entbehren (Proteus, Siren); sie fehlt ferner bei Gymnophionen, wo die Thränenkanal- mündung in das Jacosson’sche Organ einbezogen ist. Diese Ver- hältnisse scheinen mir ein weiteres Argument dafür abzugeben, dass die Entstehung jener Rinne im vorderen Abschnitt der Nasenhöhle irgend wie mit dem Ductus laerymalis in funktionelle Beziehung zu bringen sein wird. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 529 Zur Genese des JACOBSON’schen Organs. Nothwendig muss das Jacogson’sche Organ als eine Differen- zirung der Nasenhöhle aufgefasst werden; dafür zeugen die entwick- lungsgeschichtlichen Thatsachen nicht minder als die Innervation durch den Olfactorius. — Bei den Amphibien lässt sich aus der Be- ziehung des Organs zur Mundhöhle die Funktion desselben vermuthen; die gleichen funktionellen Beziehungen zur Mundhöhle sind es, die bei den höheren Wirbelthieren die weitere Ausgestaltung des Organs beherrschen. Für die Genese des Organs liegen nun zwei Möglichkeiten vor; entweder es entstand unter der Anpassung an die bezeichnete Funk- tion; dann können wir es nur bei solchen Formen erwarten, bei denen die primitive Riechgrube bereits mit dem Cavum oris in Verbindung getreten ist; also von den Dipnoern (und bestimmten Selachiern) an aufwärts. Die andere Möglichkeit wäre die, dass das Organ bereits ausgebildet war, bevor jene Verbindung sich einleitete. Dann müsste mit der Entstehung der Apertura nasalis interna ein Funktionswechsel des Organs stattgefunden haben. Diese letztere Möglichkeit können wir füglich außer Acht lassen, da bei Fischen bis jetzt kein Organ bekannt ist, das auf das Jacopson’sche Organ der höheren Formen bezogen werden kann. Es bleibt nur die erstgenannte Möglichkeit zu erwägen, dass das Organ entstand unter Anpassung an die Funktion, den Mund- höhleninhalt durch Vermittelung des Exspirationsstromes einer Kon- trolle durch den Geruchssinn zu unterziehen. Bei Proteus und Menobranchus fehlt das accessorische Geruchs- organ, bei anderen niederen Amphibien zeigt es eine geringe Aus- . bildung. Diese Thatsachen führten mich zu dem Schluss, dass das JAcoBson’sche Organ in der Amphibienreihe entstanden ist. Bei Siredon findet sich das Organ durchaus auf der gleichen Stufe der Ausbildung wie bei Amblystoma nach der Metamorphose. Bei den Formen, welche es im erwachsenen Zustande besitzen, legt es sich bereits in früher Larvenperiode an und erreicht noch vor Ein- leitung der Metamorphose einen hohen Grad der Ausbildung (Uro- delen, Ichthyophis); das deutet darauf hin, dass das JacoBson’sche Organ schon während des Larvenlebens funktionire. Diese That- sache spricht meines Erachtens gegen die Annahme, dass Proteus und Menobranchus etwa durch das Ausbleiben der Metamorphose und durch die erneute, dauernde Anpassung an das Wasserleben das 530 O. Seydel Jacogson’sche Organ wieder eingebüßt hätten. Wäre dies der Fall, so könnte man erwarten, dass in frühen Entwicklungsstadien eine vorübergehende Anlage des Organs auftreten würde. Für Meno- branchus trifft auch dieses nach meinen Beobachtungen an Larven von 12 und 43 mm Länge nicht zu. Von den oben ausführlich berücksichtigten Befunden kann keiner als ein phylogenetisches Anfangsstadium des Organs hingestellt wer- den. Aber wenn wir uns die einzelnen Thatsachen vergegenwärtigen und auch die Entwicklungsgeschichte in Betracht ziehen, so lässt sich doch eine Vorstellung über die Entstehungsgeschichte desselben gewinnen. Bei Triton legt sich das Jacogson’sche Organ (Larve von 12 mm) im Bereiche der Regio olfaetoria dicht am unteren Rande der Riechschleimhaut an (vgl. BURCKHARDT 8, Fig. 22, 23, 24). Es ist also ein Theil der anfänglich einheitlichen Regio olfaetoria, die sich zu dem accessorischen Geruchsorgan entwickelt. _Das Gleiche wurde auch bei höheren Formen beobachtet; man vergleiche die Abbil- dungen, die Bearp (2) von den ersten Entwicklungsstadien von La- certa giebt (Taf. XXXVII Fig. 12; Fig. 25—30 pag. 766). Die Abgliederung des accessorischen Organs von der eigentlichen Riechschleimhaut erfolgt in der Weise, dass aus der Tiefe Binde- gewebe an der Grenze zwischen beiden eindringt. Die Scheidung erfolgt also in ähnlicher Weise, wie sich in späteren Entwicklungs- stadien die Gliederung der Regio olfactoria in die einzelnen Riech- knospen vollzieht. Diese Verhältnisse sind gut bei der Salamander- larve (Fig. 10 E, #’) zu übersehen (vgl. auch BURCKHARDT 8, Fig. 26). Bei erwachsenen Thieren schließt vielfach das Sinnesepithel des JAcoBson’schen Organs an das der Regio olfactoria direkt an, und wiederholt konnte beobachtet werden, dass die Grenze zwischen beiden wenigstens stellenweise undeutlich war (Siredon, Triton, Sala- manderlarve). Der enge genetische Zusammenhang spricht sich weiterhin auch in der Innervation aus. Es ist der ventrale Ast des Olfactorius, der hier in Frage kommt. Die Hauptmasse desselben tritt zur Riech- schleimhaut; ein Zweig innervirt das JAcopson’sche Organ; bevor er aber dieses erreicht, giebt er noch feine Seitenzweige ab, die zur Regio olfactoria treten (beobachtet bei Siredon und der Sala- manderlarve). LEE (26) vermuthete dieses Verhalten des ventralen Olfactoriusastes bei Spelerpes. Mit Recht tritt Lee dafür ein, dass das Jacopson’sche Organ ~ Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 531 nicht die Ursache ist für die Theilung des Olfactorius in seine zwei Äste. Das Organ tritt im Gebiete des ventralen Astes auf und wird von den Zweigen desselben versorgt, gerade so wie die benachbarte Riechschleimhaut. Erst mit der höheren Ausgestaltung des Organs gewinnt auch der JAcoBson’sche Nerv eine gewisse Selbständigkeit. Aus alledem ergiebt sich, dass wir das Sinnesepithel des JACOBSON’schen Organs aufzufassen haben als einen diffe- rent gewordenen und abgegliederten Theil der Riechschleim- haut. Dieser Epithelabschnitt erfährt eine Ausbuchtung. Solche Aus- buchtungen sind an der Riechschleimhaut nichts Besonderes und kön- nen allenthalben auftreten. Stellen doch auch die sogenannten Riech- knospen gerade bei den niederen Amphibien grubenartige Vertiefungen der Oberfläche vor. Namentlich wenn die einzelnen Knospen etwas umfänglicher sind, und wenn das indifferente Epithel, welches sie von den benachbarten scheidet, etwas stärker vorspringt, lässt sich ohne Schwierigkeit die »Riechknospe« als die Wandung einer Grube oder eines kleinen Blindsackes auffassen. Bei Proteus, Siren und Siredon ‚sind diese Bildungen im Einzelnen sehr verschieden gestaltet; neben größeren finden sich kleinere; bald sind sie rundlich, bald mehr in die Länge gezogen; in letzterem Falle könnte man von einer rinnen- förmig eingesenkten »Knospe« sprechen. Vielleicht lässt sich auch die Ausstülpung des Jacogson’schen Epithels auf solche Riechgruben oder -Knospen beziehen. Dass in der Ontogenie die Abgliederung desselben von der Regio olfactoria in ähnlicher Weise erfolgt wie die Gliederung der Riechschleimhaut in die einzelnen Knospen, wurde erwähnt. Dass das Erstere früher auftritt als das Letztere, - ist bei der größeren funktionellen Bedeutung des JAcoBSoN’schen Organs nichts Auffallendes. Das Sinnesepithel desselben fand ich bei allen untersuchten Formen einheitlich, nirgends konnte ich eine knospenartige Gliederung desselben erkennen. Dem stehen aller- dings Beobachtungen von Lee (26) gegenüber; bei Spelerpes und Salamandrina sollen BLAuE’sche Geruchsknospen auch im JACOBSON- schen Organ bestehen. Die Bowman’schen Drüsen münden nach BLAuE (4) in die Knos- pen, nicht etwa an der Grenze zwischen denselben. Die JACOBSON- schen Drüsen! münden bei Siredon und Urodelen im Bereich des 1 Ichthyophis zeigt auch im Verhalten der JAacogson’schen Drüsen — große Zahl derselben, Mündung am Rande des Sinnesepithels des Blindsackes — Zustände, die von denen bei den übrigen Amphibien abweichen. 532 O. Seydel Sinnesepithels des Organs; bei Siren allerdings am Rande des Sinnesepithels; aber hier ließ sich wahrscheinlich machen, dass eine partielle Reduktion der specifischen Elemente stattgefunden hatte. Es ergeben sich also eine Reihe von Momenten, die auf eine ge- wisse Übereinstimmung zwischen den Knospenbildungen der Regio olfactoria und dem primitiven JAcoBson’schen Organ hinweisen. Es wäre möglich, dass eine oder mehrere soleher Riechknospen, die gerade am medialen unteren Rande der Regio olfactoria lagerten, die Grundlage abgegeben haben, auf der sich das JAcoBson’sche Organ entwickelte. t Der Anstoß für die Differenzirung desselben wird meines Er- achtens durch die Verbindung des Cavum nasale mit dem Cavum oris vermittels der Apertura interna gegeben. Wo diese Verbindung fehlt, hat die Nasengrube allein die Aufgabe, das umgebende Me- - dium sensoriell zu prüfen. Mit der Ausbildung der Apertura nasalis interna erweitert sich die Leistung der Nasenhöhle. Außer für den ursprünglichen Zweck, dient sie nun auch als Respirationsweg; da- mit ist die Möglichkeit gegeben, auch den exspirirten Strom und damit den Mundhöhleninhalt unter die Kontrolle des Geruchssinnes zu stellen. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass — bei Siredon z. B. — die Prüfung der aufgenommenen Nahrung erst in der Mund- höhle erfolgt. Ein hungriger Axolotl schnappt nach Allem, was man ihm vorhält. Nicht Zusagendes wird durch einen intensiven Wasserstrom aus dem Maule herausgespült. Es liegt auf der Hand, dass die Zuhilfenahme des Geruchssinnes bei der Prüfung des auf- genommenen Bissens dem Thiere von Vortheil sein wird. Bei Proteus und Menobranchus wird die ganze Regio olfactoria an der sensoriellen Prüfung des Exspirationsstromes betheiligt sein. Es ist nun sehr wohl denkbar, dass ein für den Exspirationsstrom vielleicht besonders günstig gelegener Abschnitt der Regio olfactoria ausschließlich diese specielle Leistung übernimmt und unter Anpas- sung an diese Funktion eine besondere Ausgestaltung erfährt. Es leitet sich so eine Sonderung der anfänglich einheitlichen Regio olfactoria in zwei Abschnitte ein; der eine behält die ursprüngliche Aufgabe des Geruchsorgans, die Prüfung des umgebenden Mediums; dem zweiten fällt die besondere, erst durch die Ausbildung der Nasenhöhle als Respirationsweg ermöglichte Aufgabe zu, den Exspira- tionsstrom und damit den Mundhöhleninhalt zu kontrolliren. Letz- terer wird zum JacoBson’schen Organ. Die Differenzirung des- Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 533 o selben stellt sich so als die Folge einer Arbeitstheilung an den percipirenden Apparat des Geruchsorgans dar. Bei den meisten Amphibien bestreicht der Exspirationsstrom allerdings auch noch die Regio olfactoria. Aber je mehr sich die Nasenhöhle aus- gestaltet, desto mehr wird der Exspirationsstrom von der Regio olfac- toria abgedrängt. Die Entfaltung der Regio respiratoria bei Urodelen wirkt bereits in diesem Sinne. Bei Gymnophionen markirt der längsverlaufende Wulst am Boden der Nasenhöhle eine Scheidung in den medialen Ductus olfactorius und in den lateralen Ductus respiratorius, in dessen Gebiet die innere und äußere Nasendffnuitg liegt. Bei Säugethieren verhindert die Lamina terminalis ziemlich vollkommen den Zutritt des Exspirationsstromes zur Regio olfactoria; beim Menschen ist es die Concha inferior, die durch ihre Anordnung die exspirirte Luft zwingt, den unteren Nasengang zu passiren. Bei Amphibien erscheint das Jacogson’sche Organ noch als ein Theil des Cavum nasale, der nur funktionell und weiter- hin durch Vermittelung von mehr oder weniger hoch entwickelten Hilfsapparaten in Beziehung zur Mundhöhle getreten ist. Nur bei Gymnophionen ist die Abschnürung von der Nasenhöhle vollzogen und durch die Mündung in die Apertura nasalis interna (oder doch in direkter Nähe derselben, Ichthyophis) die direkte Verbindung mit der Mundhöhle eingeleitet. Bei Sauriern und Ophidiern eman- eipirt sich das Organ völlig von der Nasenhöhle und ge- winnt die direkte Verbindung mit der Mundhöhle. Für seine Funktion wird dabei die vermittelnde Rolle, die ursprünglich der Exspirationsstrom spielte, überflüssig. Die seitliche Nasenrinne der Urodelen und Anuren und der Sinus maxillaris der Säugethiere. Die seitliche Nasenrinne der Cadueibranchiaten ist in ihrem hinteren Theile wiederholt mit dem Sinus maxillaris der Säuger ver- glichen worden. Meines Wissens war Born (5) der Erste, der dieser Meinung Ausdruck verlieh. Er sagt (5, pag. 583), durch die Kürze des Gaumens sei es bedingt, dass bei Amphibien die Kieferhöhle in das Cavum oris sich öffnet; .mit der Ausbildung des Gaumens bei Säugern gelange sie ganz in das Bereich der Nasenhöhle. WIEDERSHEIM stellt sich gleichfalls auf diesen Standpunkt; er geht aber noch weiter in seiner Hypothese als Born; in der neue- sten Auflage seines Grundrisses (pag. 318) äußert er sich: »Erwägt Morpholog. Jahrbuch. 23. 35 534 0. Seydel man weiter, dass bei Amphibien und Reptilien stets auch noch die Kieferhöhle von Riechschleimhaut ausgekleidet ist, so wird die ur- sprüngliche Bedeutung dieser Nebenhöhlen als wichtige Beigaben zum Riechorgan ersichtlich. « Ich habe diesen Ausspruch nur hinsichtlich der Amphibien auf seine Berechtigung zu prüfen. Wenn ich WIEDERSHEIM recht ver- stehe, soll der Sinus maxillaris bereits bei Amphibien bestehen und soll seine Entstehung in analoger Weise, wie dies von ZUCKERKANDL (45) und mir (36) für den Sinus frontalis und sphenoidalis bei Säuge- | thieren ausgesprochen wurde, durch die Ausgestaltung des peri- pheren Geruchsorgans bedingt sein. Nun wird aber der mit Riech- schleimhaut versehene Theil der Kieferhöhle wenige Seiten später mit dem Jacosson’schen Organ verglichen. Man muss hieraus natur- gemäß den Schluss ziehen, dass das Jacogson’sche Organ den Anlass gebe zur Entstehung des Sinus maxillaris. Eine derartige Annahme erweckt schon’ an und für sich Be- denken, wenn man die Anordnung der Theile bei Säugethieren in Betracht zieht; der Sinus an der lateralen Wand der Nasenhöhle oberhalb des Maxilloturbinale, das Jacopson’sche Organ am Septum im Bereich des unteren Nasenganges. Es ist mir absolut unmöglich, . mir vorzustellen, wie diese beiden, durch ihre Beziehungen zur übri- gen Nasenhöhle so ganz verschiedenen Theile sich aus der einheit- lichen Anlage bei Amphibien ableiten sollten. Die seitliche Nasenrinne der Urodelen erhält eine mehr oder weniger vollständige Wandung durch die knorplige Nasenkapsel. Das trifft auch für den Sinus maxillaris der Säugethiere zu, dessen ontogenetische Anlage eine Umwandung von der Knorpelkapsel em- . pfängt. Außer der knorpligen Wandung erhält die seitliche Nasen- rinne noch eine knöcherne, und zwar durch das Os maxillare; sie liegt in dem Winkel, den der aufsteigende Fortsatz und der Gaumen- fortsatz desselben mit einander bilden. Diese Beziehung zum Ober- kiefer dürfte wohl den ersten Anlass zu der irrthümlichen Auffassung der seitlichen Nasenrinne als Kieferhöhle gegeben haben. Dabei ergiebt sich aber schon ein Unterschied; der Sinus maxillaris der Säugethiere stellt eine Ausbuchtung der Nasenhöhle in den Körper des Maxillare dar. Ein Körper fehlt aber dem Oberkieferknochen der Urodelen. Um die Frage zur Entscheidung bringen zu können, ob zwischen den genannten Bildungen Beziehungen bestehen oder nicht, ist es nöthig, etwas weiter auszuholen. Eine Antwort, hierauf wird nur zu ‘Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 535 finden sein, wenn das Verhalten der fraglichen Theile zur ganzen ‚Nasenhöhle in Betracht gezogen wird. Der Sinus maxillaris der Säugethiere stellt durchgehends eine lateral gerichtete Ausbuchtung der Nasenhöhle dar, die mehr oder weniger deutlich gegen die letztere abgegrenzt ist. Bei niederen Säugethieren liegt der Zugang vor der Regio olfactoria; bei Pri- ‘maten liegt er unterhalb derselben; aus dieser Beziehung lässt sich demnach ein sicheres Kriterium nicht ableiten, da sich schon inner- halb der Säugethiere so erhebliche Verschiebungen ergeben. Wich- tiger ist die Lage zum Maxilloturbinale; der Zugang zum Sinus liegt allenthalben oberhalb desselben, wie auch die Konfiguration der Nasenhöhle beschaffen, wie auch im Speciellen gerade die untere Muschel angeordnet sei. Es ist also für den Sinus maxillaris der Säuger die Lage oberhalb des Maxilloturbinale als typisches Merkmal festzustellen. Eine Bildung bei tiefer stehenden Thier- formen, die diesem Nebenraume gleichzusetzen sein soll, müsste sich in gleicher Lage zu dem Homologon des Maxilloturbinale finden. Die Muschel der Saurier ist nach GEGENBAUR (15) homolog dem Maxillo- turbinale der Säuger; bei Amphibien fehlt im Allgemeinen jegliche Muschelbildung; wenn es aber möglich ist, die Stelle zu bestimmen, an welcher die Muschelbildung erfolgt, so müsste ein Sinus maxil- laris oberhalb dieser Stelle liegen. Gegen diese Erwägung ließe sich einwenden, dass bei den ein- greifenden Umgestaltungen, welche die Nasenhöhle im Laufe ihrer phylogenetischen Entwicklung erfährt, sich sehr wohl derartige Lage- beziehungen verändern können. Es könnte auf das JAacoBson’sche Organ mit seinem mannigfachen Ortswechsel hingewiesen werden. Aber bei diesen Lageveränderungen lässt sich Schritt für Schritt der durchlaufene Weg verfolgen, und bestimmte Lagebeziehungen bleiben dabei immer gewahrt. Der Abschnitt der Nasenhöhle, mit welchem das Jacogson’sche Organ in Verbindung steht, ist in der ganzen Thierreihe gleichwerthig. Die Verschiebungen im Bereiche der Na- senhöhle, so großartig sie auch erscheinen mögen, haben doch ihre Grenzen. Nun ist es klar, dass eine seitlich gerichtete Ausbuchtung des Cavum nasale nicht einen in das Lumen hineinragenden Vor- sprung seiner Wandung ohne Weiteres passiren kann. Mit anderen Worten, es erscheint unmöglich, dass wir den Zugang zum Sinus maxillaris einmal oberhalb, das andere Mal unterhalb der Muschel finden. — Es genügt daher die Stelle an der Wandung der Am- phibiennasenhöhle zu bestimmen, an welcher die Muschelbildung 35* 536 0. Seydel erfolgt, um einen sicheren Anhaltspunkt für die Entscheidung der angeregten Frage zu gewinnen. Schon Born (6, pag. 136) hat ausgeführt, dass diese Stelle bei Amphibien genau festgestellt werden kann, dass sie überdies bereits leicht gegen das Lumen der Nasenhöhle vorgebuchtet ist. Ich kann die Angaben Born’s bestätigen. Schon bei Siredon ist ein solches Verhalten nachweislich. Bei der Besprechung der Knorpelkapsel wies ich auf eine leichte muldenförmige Einsenkung der seitlichen Partie des knorpligen Nasenhöhlendaches hin. Sie schließt sich an den hinteren Rand der der Apertura nasalis externa entsprechenden Öff- nung der Kapsel an und verstreicht nach hinten allmählich. An ihrem hinteren Ende findet sich ein Loch, durch welches ein Zweig des Nasenastes des N. trigeminus nach außen hindurchtritt. In dieser Mulde liegt der Thränenkanal und der Deckknochen, der denselben umwandet. Man kann sagen, die leichte Einsenkung der Kapsel sei durch die Auflagerung des Thränenkanals bedingt. Die- selbe findet sich im Bereiche des Riechepithels. Salamanderlarven zeigen ähnliche Verhältnisse, nur ist die Ein- buchtung der seitlichen Nasenwand viel deutlicher ausgeprägt als bei Siredon; sie besitzt aber die gleiche Lage zum hinteren Rande der Apertura externa und zu dem Nervenloch. Außen liegt in dieser Mulde wiederum der Thränenkanal, ferner noch die Schläuche der Gll. nasales externae. Die Tiefenzunahme der Mulde kann durch letztere bedingt sein. Die Einsenkung der Kapsel ruft an der Innen- fläche des Geruchssackes eine ganz leichte Vorwölbung hervor; auf derselben verläuft die Grenze zwischen Riechschleimhaut und Regio respiratoria. Durch die Lage zwischen dem hinteren Rande der Apertura externa und dem Nervenloch ist diese Vorwölbung genau bestimmt. Ihre Beziehung zur Regio olfactoria kann sich verändern. Wir finden auch beim erwachsenen Salamander diese nach innen gerichtete Vor- wölbung der Nasenkapsel, aber die Grenze zwischen Riechschleim- haut und indifferentem Epithel verläuft oberhalb derselben. Für die Genese der Nasenmuschel überhaupt sind die Befunde bei Siredon und bei der Salamanderlarve von großer Bedeutung. Eine Vorwölbung der Nasenwandung im Bereiche der Regio olfactoria wird bier augen- scheinlich durch ein von außen wirkendes Moment hervorgerufen, nämlich durch den Verlauf des Ductus lacrymalis über die äußere Fläche der Kapsel hin, sowie durch die Auflagerung von Drüsen auf dieselbe. Uber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 537 Vergegenwärtigen wir uns kurz das Verhalten der Sauriermuschel (vgl. Born, 6). Das knorplige Gerüst derselben verhält’ sich bei La- certa so, als wenn die seitliche Wandung der Nasenkapsel eine | kurze Strecke hinter der Apertura externa stark nach hinten gegen die Lichtung des Geruchskanals eingedrückt sei. Es formirt so einen nach hinten gerichteten, konisch verjüngten Blindsack, der frei in das Lumen der Nasenhöhle vorspringt, sich an der Außenfläche der Kapsel mit einem rundlichen Loche öffnet und an den Rändern dieser Öffnung kontinuirlich mit der übrigen Nasenkapsel zusammenhängt. Am oberen Rande dieser Öffnung liegt ein Loch, durch welches ein Zweig des R. nasalis n. trigemini an die Oberfläche tritt. Das ganze Lumen ist ausgefüllt mit den Schläuchen der mächtig entfalteten Gland. nasalis externa. Der Thränenkanal, der bei Sauriern eine Anordnung zeigt, die völlig von der bei den Urodelen abweicht, hat keine Beziehung zur Muschel. Von der dem Nasenlumen zuge- kehrten Fläche der letzteren ist der nach oben sehende Theil mit Riechepithel überzogen, der nach unten gerichtete trägt indifferentes Epithel. In ihrer Lage zwischen dem hinteren Rande der Apertura ex- terna und dem Nervenloch stimmt die Muschel genau mit jener Vor- wölbung der Amphibiennasenhöhle überein. Unter Berücksichtigung anderer Kriterien komme ich also zu demselben Resultat wie Born. Von den bei Siredon und der Salamanderlarve bestehenden Verhält- .nissen ausgehend, stelle ich mir die Genese der Sauriermuschel in folgender Weise vor. Durch den Thränenkanal entstand zunächst jene leichte, gegen das Nasenlumen gerichtete Einsenkung der Wand im Bereiche der Regio olfactoria bei Siredon. Diese verstärkt sich durch die Schläuche der Gl. nasalis externa, die sich der Außen- fläche der Kapsel auflagern (Salamanderlarve). Weiterhin entfaltet sich die äußere Nasendrüse, die bei den untersuchten Formen nur einen geringen Grad der Ausbildung besitzt; sie benutzt die vorge- bildete Einsenkung zu ihrer Ausbreitung und trägt ihrerseits zur Vergrößerung derselben bei. Der Thränenkanal entzieht sich ferner- hin dieser Region. Der Einbiegung der Wand von außen entspricht natürlich eine Vorwölbung derselben nach innen. Von Anfang an liegt diese im Bereich der Regio olfactoria. Die Oberfläche des Geruchsackes wird durch sie vergrößert, und so die Möglichkeit für eine Ausbreitung der Riechschleimhaut gegeben. Neben dem ersten, von außen wir- kenden Moment ist damit für die Muschelbildung ein zweites, phy- 538 O. Seydel siologisches gegeben. Das Geruchsorgan, das von den Amphibien zu den Sauriern eine bedeutende Ausgestaltung erfährt, zieht die durch äußere Momente veranlasste Bildung in seinen Dienst und bedingt eine weitere specialisirte Ausgestaltung derselben. Ich kann Born durchaus beipflichten, wenn er die leichte Vor- wölbung an der Nasenhöhlenwandung der Amphibien als ein — stadium der Muschelbildung auffasst. — Die seitliche Nasenrinne und das Jacopson’sche-Organ der Uro- delen liegt im Bereiche der Regio respiratoria, also unterhalb der Stelle der Wandung, an welcher sich die Muschelbildung ein- leitet; eben so liegt die sog. Kieferhöhle der Saurier (Born) unterhalb der Muschel. Nach den obigen Ausführungen ist sowohl für die seit- liche Nasenrinne der Amphibien, wie für die sog. Kiefer- höhle der Saurier die Homologie mit dem Sinus maxillaris der Säuger auszuschließen. Da die Homologie des Jacosson- schen Organs in der Amphibienreihe nachgewiesen werden konnte, so ist dieser Schluss auch auf die sog. Kieferhöhle der Gymnophionen (WIEDERSHEIM) auszudehnen. Irgend welche genetische Be- ziehungen zwischen dem JacogBson’schen Organ und dem Sinus maxillaris der Säuger lassen sich demnach nicht nachweisen. | Resultate. Das Jacogson’sche Organ entsteht wahrscheinlich in der Reihe der Amphibien; das Fehlen desselben bei Proteus und Menobranechus ist demnach wohl als primitiver Zustand aufzufassen. Meiner Meinung nach erfolgt der Anstoß zur Bildung des Or- gans durch eine Arbeitstheilung in der Funktion der Regio olfactoria. Die ursprüngliche Aufgabe des Geruchsorgans, in der Prüfung des umgebenden Mediums gegeben, komplieirt sich nach Ausbildung der Apertura nasalis interna durch die sensorielle Kontrolle des Exspira- tionsstromes und — durch Vermittelung desselben — des Mund- höhleninhaltes. Unter Anpassung an diese Funktion wird ein Theil der Regio olfactoria different, - gliedert sich von derselben ab und lässt ein besonderes Organ hervorgehen, das JacoBson’sche Organ. Durch den engen Anschluss des specifischen Epithels desselben an das Sinnesepithel der Regio olfactoria, sowie durch die Innervation ~ kommt der genetische Zusammenhang zwischen beiden bei Amphibien noch vielfach zum Ausdruck; nieht minder deutlich durch die onto- genetischen Vorgänge bei diesen wie bei den höheren Wirbelthieren. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 539 Als primitivste Form nehme ich — hypothetisch — eine rinnen- förmige Einsenkung der Regio olfactoria an, welche medial am unteren Rande der letzteren liegt. Vielleicht ist diese Einsenkung ‘auf die allgemein verbreiteten grubenförmigen Einsenkungen der Riechschleimhaut (Riechknospen) zu beziehen, indem eine oder meh- rere solcher Knospen die rinnenförmige Organanlage hervorgehen ließen. oii ; | Von einem derartigen Zustande scheinen mir die verschiedenen Befunde in den einzelnen Amphibiengruppen in divergenten Rich- tungen ableitbar. Bei Gymnophionen (Ichthyophis) dehnt sich die Rinne weiter nach hinten aus; sie erfährt durch Verschiebungen des ganzen Ge- ruchssackes in ihrem vorderen Theil eine Verschiebung in seitlicher Richtung; ihrem Ende wird durch die Apertura interna in der glei- chen Bewegung ein Hindernis in den Weg gelegt. Durch Verwach- sung der Rinnenränder entsteht ein schlauchförmiger Blindsack. Bei der Abschnürung wird der Thränenkanal mit seiner nasalen Mündung in das Bereich desselben gezogen; die Mündung des Schlauches liegt an der medialen Wand der inneren Nasenöffnung. ' Bei Siren erfährt die Rinne eine blindsackartige, nach vorn ge- richtete Ausstülpung, die sich durch partielle Rückbildung des Sinnes- epithels in zwei Abschnitte gliedert; das Organ behält dabei seine mediale Lage. Ein ähnliches Verhalten kann als Ausgangspunkt für - die Zustände bei Anuren dienen; nur ist der Zugang zum Organ in lateraler Richtung verschoben, und erfährt der Blindsack unter zu- nehmender Ausdehnung des indifferenten Epithels eine mächtige Ent- faltung. Durch Wachsthumsverschiebungen in den Wandungen des Ge- ruchssackes erfährt das Organ bei Siredon und Urodelen eine seit- liche Verlagerung; sein vorderes Ende buchtet sich beim Axolotl nach vorn zu einem Blindsack aus; bei Urodelen ist die Blindsack- bildung weniger deutlich ausgeprägt. . Dem Sekret der Drüsen, die mit dem Organ allenthalben in Verbindung stehen, schreibe ich die Funktion zu, das Divertikel von eingedrungenen Fremdkörpern zu reinigen, ferner die Erregung der nervösen Endapparate zu vermitteln. Von den primitiven Amphibienformen zu den höher stehenden vollzieht sich, wohl als Anpassung an die Funktion der Nasenhöhle als Respirationsweg, eine Entfaltung des Nasenhöhlenlumens. Die hierdurch veranlasste Oberflächenvergrößerung der Wandung. kommt 540 0. Seydel zum Theil der Regio olfactoria zu Gute. Es spricht sich hierin eine zunehmende Dignität des Geruchsorgans aus. Die einzigen Komplicirungen, die im Gebiet der Regio olfactoria auftreten, sind wulstförmige Erhebungen am Boden der Nasenhöhle, durch welche eine größere Flächenausdehnung der Riechschleimhaut ermöglicht wird. Andeutungsweise bei Anuren auftretend, zeigen sie bei Gym- nophionen eine bedeutende Ausgestaltung. In stärkerem Maße als es an der Regio olfactoria ersichtlich ist, führt die Erweiterung des Lumens zu-einer Entfaltung der Regio respiratoria. Die einheitliche Regio respiratoria, in Form eines verhältnismäßig schmalen Streifens indifferenten Epithels, welcher die Apertura na- salis externa mit der inneren Nasenöffnung verbindet, entsteht wahr- scheinlich mit dem Verschluss der Nasengaumenrinne. Der Zustand bei Proteus, wo die einheitliche Regio respiratoria fehlt, wäre dem- nach als ein sekundärer aufzufassen. — Im Gebiete der Regio re- spiratoria vollziehen sich die wichtigsten Differenzirungen in der Amphibienreihe. Im hinteren Theil der Nasenhöhle treten in der Fortsetzung des Jacopson’schen Organs rinnenförmige Einsenkungen im Gebiet der Regio respiratoria auf, die zunächst nur als Hilfsapparate für jenes Sinnesorgan dienen. Bei Siren verläuft eine solche Rinne gegen den seitlichen Rand der Apertura nasalis interna, bei Siredon setzt sie sich bis in das Bereich desselben fort; bei Urodelen, noch mehr bei Anuren, hat sie an Tiefe und Weite gewonnen und verläuft durch die Öffnung hindurch, um am Dache der Mundhöhle ihr Ende zu finden. Sie behält dabei ihre Funktion als Zuleitungsapparat für das JAcoBsoN’sche Organ, gewinnt aber einen weitergehenden Ein- fluss auf die Stromregulirung in der Nasenhöhle. Beide Momente wirken bei ihrer Ausgestaltung zusammen. Ihre Entfaltung bedingt Veränderungen im Bereich der Apertura nasalis interna. Durch die seitliche, spaltförmige Verlängerung der primitiven inneren Nasen- öffnung entsteht die sekundäre Choane, und es wird hierdurch der erste Anstoß zur Bildung eines sekundären Gaumens gegeben. Im vorderen Theil des Cavum nasale entsteht vielleicht unter dem Einfluss der Thränenkanalmündung gleichfalls eine rinnenför- mige Einsenkung. Sie fehlt bei Proteus und Siren, die des Ductus laerymalis entbehren, sie fehlt bei Ichthyophis, wo der Kanal zum Jacogson’schen Organ in Beziehung tritt. Sie ist dagegen deutlich bei Siredon, Amblystoma und Urodelen, wo der Thränenkanal in sie mündet. Sie liegt hier in einer Flucht mit dem Jacosson’schen Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 541 Organ und dessen Fortsetzung und wurde desshalb mit der letzteren unter der Bezeichnung »seitliche Nasenrinne« zusammengefasst. Durch diese Bezeichnung soll nicht eine morphologische Einheit ausgedrückt werden. Der genetisch älteste Theil der seitlichen Nasenrinne der Urodelen ist das Jacogson’sche Organ; daran schließt der hintere Abschnitt, der als Zuleitungsapparat für das letztere entstand, später eine mächtigere Entfaltung unter Erweiterung seiner Funktion er- fuhr. Als dritter Abschnitt kommt der vorderste Theil hinzu, der den Ductus naso-lacrymalis aufnimmt. Im Gebiete des letzteren, gerade an der Mündungsstelle des Thränenkanals, entwickelt sich bei Anuren ein besonderer Blindsack. Die Entfaltung des Gesammtlumens der Nasenhöhle erfolgt unter Anpassung an die gegebenen Raumverhältnisse des Schädels vor- wiegend im queren Durchmesser. Die Regio olfactoria behält dabei allenthalben eine mediale Lage. Mit der zunehmenden Ausdehnung der Regio respiratoria entstehen Einrichtungen, die auf eine Ab- lenkung des exspiratorischen Stromes von dem Gebiete der Riech- schleimhaut hinzielen. Andeutungsweise treten diese bei Urodelen auf, wo sich bei Salamandra wenigstens im hinteren Theil des Ca- vum nasale bereits ein besonderer Ductus respiratorius erkennen lässt. Noch deutlicher ist diese Scheidung bei einigen Gymnophionen durchgeführt, wo die Nasenhöhle durch den bodenständigen, längs- verlaufenden Wulst in ihrer ganzen Länge in den medialen Ductus olfactorius und den lateralen Ductus respiratorius geschieden ist. Bei Anuren ist eine ähnliche Einrichtung in ihren ersten Anfängen zu erkennen. Eine Kieferhöhle, die dem gleichnamigen Gebilde bei Säuge- thieren zu homologisiren wäre, fehlt den Amphibien. Die sogenannte Kieferhöhle der Urodelen und Anuren, eben so die der Gymnophionen, darf nicht in Parallele gestellt werden mit dem Sinus maxillaris der Säugethiere, ist auch kein Vorläufer derselben.. In der vorliegenden Arbeit wurde dem durch Vermeidung der bisher üblichen Bezeichnung und durch Ersatz derselben durch den Namen »seitliche Nasenrinne oder seitlicher Nasengang« Rechnung getragen. 542 O. Seydel Benutzte Litteratur. 1) H. H. BAwpen, The Nose and JAconson’s Organ with especial Reference to Amphibia. Journ. of Camparat. Neurolog. 1894. pag. 115. 2) J. BEARD, The nose and JAcoBson’s Organ. Morph. Studien. 1. Jena 1889. Zoolog. Jahrb. Abtheilung für Morphologie. II. 3) BiSCHOFF, Lepidosiren paradoxa. Leipzig 1840. 4) J. BLAUE, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen und Amphibien, namentlich über Endknospen als Endapparate des Nervus olfactorius. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1884. 5) G. Born, Uber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang :der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. II. 1876. 6) —— Die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere. I. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 7) P. Busour, Contribution 4 l'étude de la metamorphose de l’Ammocoetes branchialis et Petromyzon Planeri. Revue biologique du Nord de la France. 1890/91. pag. 382. or 8) P. BURCKHARDT, Untersuchungen am Gehirn und Geruchsorgan von Triton und Ichthyophis. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. LII. 1891. 9) P. ConrI@GLiacHı e M. Rusconi, Monographia del proteo anguineo di Lau- renti. Pavia 1819. pag. 93—95. 10) Auex. DocıEL, Über den Bau des Geruchsorgans bei Ganoiden, Knochen- fischen und Amphibien. Archiv fiir mikrosk. Anatomie. Bd. XXIX. 11) A. ECKER, Die Anatomie des Frosches. III. Abth. Lehre von den Ein- geweiden, dem Integument und den Sinnesorganen. Bearbeitet von R. WIEDERSHEIM. Braunschweig 1882. 12) J. G. Fischer, Anatomische Abhandlung über die Perennibranchiaten und Derotremen. 1864. 13) FLEISCHER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des JAcoBSon’schen Or- gans und zur Anatomie der Nase. Sitzungsberichte der phys.-med. Societät zu Erlangen. 1877. 14) E. Gaupp, Primordialeranium und Kieferbogen von Rana fusca. Eine ent- wicklungsgeschichtliche und vergleichend-anatomische Untersuchung. Morphologische Arbeiten. Herausgegeben von SCHWALBE. II. 1893. 15) C. GEGENBAUR, Über die Nasenmuscheln der Vögel. Jenaische Zeitschrift. VII. 1873, 16) A. GoETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 17) GÜNTHER, Ceratodus. Phil. Trans. Vol. CLXI. 1871. 18) P. HERZFELD, Uber das Jacogson’sche Organ des Menschen und der Säuge- thiere. Zoolog. Jahrb. Abtheilung für Anatomie und Ontogenie. III. 19) T. H. Huxıey, On the position of the anterior nasal apertures in Lepido- siren. Proc. of the Zool. Soc. of London. 1876. 20) HyRTL, Lepidosiren paradoxa. Prag 1845. 21) JUNGERSEN, Bidrag til kundskaben om det JAcoBSsoN’ske Organ hos tvirvel- dyrene. Saertigk af Metropolitanskolens Indbydelseskrift for 1881. 22) A. v, KÖLLIKER, Über die Jacogson’schen Organe des Menschen. Gratu- lationsschrift der Würzburger med. Fakultät für RINECKErR. 1877. Über die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Amphibien. 543 23) A. v. KÖLLIkErR, Zur Entwicklung des Auges und Geruchsorgans mensch- licher Embryonen. en der phys.-med. Gesellsch. Würz- “pure: N. F. AVIE. © Nr. 8. 24) P. LANGERHANS, Untersuchungen iiber Petromyzon Planeri. Berichte der naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. VI. 3. 25) LEYDIG, Anatomische und histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin 1853. 26) Sv. Lex, Zur Kenntnis des Olfactorius. Berichte der naturforsch. Gesell- schaft zu Freiburg i.B. Bd. VI. 27) A. OppEu, Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXIV. 1889. 28) W. N. PARKER, Zur Anatomie und Physiologie von Protopterus annectens. Berichte der naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. IV. 1889. 29) G. P. Prana, Contribuzione alla connoscenza della Struttura e della. fun- zione dell’ Organo del Jacopson. Mem. d. Accad. delle Scienze del’ instituto di Bologna.. Serie IV. Tomo I. 1880. pag. 421. 30) L. POGoJEFF, Uber die feinere Struktur des Geruchsorgans des Neunauges. Archiv fiir mikr. Anatomie. Bd. XXXI. 31) H. RATHKE, Bemerkungen über den inneren Bau der Esko ‘der des Pe- tromyzon fluviatilis des Linneus. Danzig 1825. 32) M. SAGEMEHL, Beiträge zur vergl. Anatomie der Fische. III. Morpholog. Jahrbuch. Bd. X. pag. 77. 1885. 33) P. und F. Sarasın, Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon. Wiesbaden 1887—1893. II. pag. 175. 34) W. B. Scott, Beiträge zur Entwicklung des Petromyzon. Morphol. Jahrb. Bd. VII. 1882. 35) —— Notes on the Development of Petromyzon. Journal of Morphology. Boston. I. 1887. 36) O. SEYDEL, Uber die Nasenhöhle der höheren Säugethiere und des Menschen. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVII. 1891. 37) LEON VAILLANT, Mémoire pour servir 4 histoire anatomique de la Sirene lacertine. Annal. d. Sciences natur. Paris. XIX. 1863. 38) WALDSCHMIDT, Beiträge zur Anatomie des Centralnervensystems und des Geruchsorgans von Polypterus bichir. Anatomischer Anzeiger. 1887. pag. 308. 39) R. WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1893. III. Aufl. 40) —— Das Kopfskelet der Urodelen. Morphol. Jahrbuch, Bd. III. 1877. 41) —— Anatomie der Gymnophionen. Jena 1879. 42) H. H. WıLDEr, Die Nasengegend von Menopoma alleghaniense und Amphi- uma tridaetylum, nebst Bemerkungen über die Morphologie des Ra- mus ophthalmicus profundus trigemini. Zoolog. Jahrbücher. Abthei- lung für Anatomie und Ontogenie. Bd. V. 43) —— A-contribution to the Anatomy of Siren lacertina. Dissertation. Zool. Jahrbücher. Bd. IV. ’ 44) G. WINTHER, Fiskenes Ansigt. Naturhistorisk Tidskrift 3. R. 10. B. 1875 und 1876. Kjöbenhavn. 45) E. ZUCKERKANDL, Das periphere Geruchsorgan der Säugethiere. Stuttgart 1887. Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- und der Extremitätenmuskulatur der Vögel und Säugethiere. Von Dr. Alfred Fischel, Prosektor am anatomischen Institute der deutschen Universität in Prag. Mit Tafel XXVIII. Durch die Untersuchungen von BALFOUR, DOHRN und Rast ist nachgewiesen worden, dass sich an der Bildung der Extremitäten der Selachier die Urwirbel mit Fortsätzen ihrer ventralen Kanten — den sogenannten Muskelknospen — betheiligen. Aus den zahlreichen folgenden Arbeiten schien als ein allge- meines Gesetz hervorzugehen, dass in der ganzen Reihe der Wirbel- thierklassen die Extremitäten- und ventralen Rumpfmuskeln aus sol- chen Knospen der Urwirbel hervorgehen. So berichtet CoRNING, dass bei Teleostiern der 2. bis 6. Urwirbel Knospen in die Ex- tremitätenanlage aussenden; FıELDp und MAURER beschreiben bei den Amphibien Fortsätze der ventralen Myotomkante als Anlage der ventralen Rumpf- und Extremitätenmuskulatur; van BEMMELEN zeigt — und MOoLLIER hat jüngst diese Befunde bestätigt — dass bei Eidechsen der 1. bis 5., der 6. bis 13. und 27.(28.)—31. (32.) Urwirbel Knospen aussenden, welche zur Grundlage der Zungen- und Extremitätenmuskulatur werden. Von den folgenden Klassen sind nähere Beschreibungen und Abbildungen (eigentlich nur von menschlichen Embryonen) von KOLL- MANN und KAESTNER gegeben worden. Indem sie ausdrücklich angeben, dass die Befunde bei menschlichen Embryonen sich mit denen bei Vögeln und Säugethieren decken, schildern sie überein- stimmend den Vorgang in der Art, dass aus der äußeren Lamelle Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 545 der Urwirbel an der ventralen Urwirbelkante durch rege Zell- wucherung ein »bandartiger Streif« entsteht, welcher entlang dem Ektoderm der Extremität fortwachsend, das aus der So- matopleura entstandene Bindegewebe — das »axiale Blastem« — umgreift, in späteren Stadien jedoch an der Spitze der Extremität von dem letzteren durchbrochen und so in einen dorsalen und ventralen Abschnitt zerlegt wird. Aus diesem dorsalen und ventralen Theile des »embryonalen Muskelmantels« (KOLLMANN) soll sich hierauf die Streck- und Beugemuskulatur entwickeln. Wenn also auch nach dieser Darstellung eine so regelmäßige Knospenbil- dung wie bei Selachiern nicht statt hat, so sollen sich dennoch die ventralen Rumpf- und die Extremitätenmuskeln aus direkten Fort- sätzen der Myotome, und zwar nur aus deren äußerer Lamelle, ent- wickeln. Diametral steht dieser Ansicht die von PATERSON gegenüber. Er lässt wohl die Myotome bis in die Somatopleura eindringen, nie- mals aber sollen sie bis in die Extremität selbst eintreten; die Mus- kulatur soll sich vielmehr an Ort und Stelle in dem Bindegewebe der Worrr'schen Leiste selbst entwickeln. Diese Ansicht steht in schroffem Gegensatze zu dem Befunde bei allen übrigen Wirbelthier- klassen; denn nach ihr sollen sich die ventralen Rumpf- und Extre- mitätenmuskeln der Vögel und Säugethiere ohne Betheiligung der Urwirbel entwickeln. Untersuchungen, die an Vogel- und Säugethierembryonen aus- geführt wurden, führten mich zu wesentlich anderen Resultaten. Die im Nachstehenden folgenden Mittheilungen beziehen sich zu- nächst auf die Vögel. Es wurden Hiihner- und Entenembryonen untersucht; im Folgenden sind jedoch nur die Befunde bei den letz- teren berücksichtigt. Ich bespreche zunächst das Verhalten der Myo- tome, die proximal von der vorderen Extremität liegen; dann das der Myotome im Bereiche der Extremitätenanlagen und endlich das der Myotome zwischen den beiden Extremitäten und im Schwanze. — Was zunächst die proximal von der vorderen Extremität gelegenen Myotome betrifft, so lassen sich Fortsätze ihrer ven- tralen Kanten niemals nachweisen. Vielmehr findet man, dass be- reits frühzeitig — schon bei Embryonen mit 21 Urwirbeln — sich Zellen von der ventralen Myotomkante loslösen (Fig. 1). Diese Ablösung erfolgt jedoch in keiner bestimmten Form, sondern es treten längs der ganzen ventralen Myotomkante Zellen aus, die in das unterhalb derselben befindliche embryonale Bindegewebe | 546 Alfred Fischel ° treten; ist dies geschehen, so vermag man sie bald nicht mehr von den Zellen des letzteren zu unterscheiden. An Flächenbildern von Embryonen mit 30—34 Urwirbeln gewinnt man allerdings den Ein- druck, als ob von den ventralen Kanten des vierten bis achten (inkl.) Myotoms breite Zellstränge ausgingen, und zwar in der Richtung, dass der Fortsatz des vierten nach abwärts, die Fortsätze der übri- gen jedoch nach vorn gegen den vierten Kiemenbogen zu verlaufen. Da jedoch Serienschnitte solcher Stadien, außer dem beschriebenen diffusen Austritt von Zellen aus den ventralen Myotomkanten, keine besondere Abgrenzung und bestimmte Verlaufsrichtung dieser Zell- massen erkennen lassen, ist‘es wahrscheinlich, dass das oben be- schriebene Bild nur durch die Verlaufsrichtung der Gefäße zwischen den Myotomen vorgetäuscht wird, und dass in Wirklichkeit die aus den Myotomen austretenden Zellen einfach nach abwärts in das em- bryonale Bindegewebe treten. Durch diesen lebhaften Zellaustritt nun verliert die senbiads Myotomkante immer mehr und mehr ihren epithelialen Charakter. Ihre urspriinglich hohen Cylinderzellen sind im Stadium von 34 Ur- wirbeln nicht mehr so hoch wie die an der dorsalen Myotomkante; sie werden immer kleiner und rundlicher und im Stadium von 44 Ur- wirbeln vermag man eine epitheliale Kante ventral am Myotom nicht mehr zu erkennen. Die proximal von der vorderen Extremität gelegenen Myotome dieses Stadiums geben vielmehr folgendes Bild: Nur ihr dorsales Ende besteht noch aus zwei Lamellen — hier be- wahren sowohl die laterale als auch die mediale Lamelle des Myo- toms ihren ursprünglich epithelialen Charakter am längsten; der. übrige Theil der lateralen Lamelle ist bereits vollständig zu em- bryonalem Bindegewebe aufgelöst, der der Muskellamelle in seiner Differenzirung begriffen, und sein ventrales Ende bildet nunmehr auch das ventrale Ende des Myotoms. An der medialen Fläche der Muskel- lamelle liegen die zur Wourr’schen Leiste ziehenden Äste der Spinal- nerven, und indem sie, um in die letztere zu gelangen, leicht lateral- wärts und nach vorn zwischen je zwei Myotome abbiegen, ist auch das ventrale Ende der Muskellamelle des Myotoms leicht lateralwärts abgebogen. Unterhalb dieses ventralen Endes der Myotome und der um dasselbe abbiegenden Nerven befindet sich eine Zellmasse, die sowohl aus Zellen der Somatopleura als auch aus Zellen, die — wie früher beschrieben — der ventralen Myotomkante ent- stammen, zusammengesetzt ist. Hier entstehen später die ven- tralen Rumpfmuskeln: Ob nun die aus den Myotomen austreten- Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur etc. 547 den Zellen diese Muskeln selbständig bilden, oder ob sie — den aus der Somatopleura entstammenden Zellen des embryonalen Bindegewebes der Worrr’schen Leiste vollkommen gleich werdend — in Gemeinschaft mit den letzteren sich an der Muskelbil- dung betheiligen, kann man nicht entscheiden. Denn die aus dem Myotom ausgetretenen Zellen sind von den umliegenden Binde- gewebszellen nicht zu unterscheiden. Doch können wir, gestützt auf die Befunde bei den niederen Klassen, das Erstere vermuthen, nach- weisen aber kann man es nicht. Ich gehe nun zu den Befunden an den Myotomen im Be- reiche der Extremitätenanlagen über. — Die Anlage der vor- deren Extremität findet sich als flache, langgestreckte Verdickung im Bereiche des 16.—20. (inkl.) Urwirbels; diese Lage behält die Extremität auch fernerhin bei, und eben so sind die ihr entsprechen- den Urwirbel stets dadurch gekennzeichnet, dass sie — im Bereiche der Extremitätenanlage noch rasch zunehmend — die breitesten des Körpers sind. Cornine berichtet, dass die bei Teleostiern an die Pectoralplatte Knospen abgebenden Urwirbel sich frühzeitig durch ihre Breite auszeichnen und fasst daher diese Breitenausdeh- nung als erste Anlage der Muskelknospen auf. Für die Ente möchte - ich dies nicht behaupten, und zwar desshalb nicht, weil eine ent- sprechende Verbreiterung an den der hinteren Extremität zukommen- den Urwirbeln fehlt, ja diese sogar eben so wie die hinter der vor- deren Extremität gelegenen Urwirbel gleichmäßig an Breite abnehmen. Wahrscheinlicher ist es, dass diese Verbreiterung in Krümmungs- ' verhaltnissen des Embryo ihre Ursache hat. Die Entwicklung der Extremität nun folgt dem von Rast für die Entwicklung der Selachierextremität angegebenen Schema. Wir bemerken zunächst eine mächtige Zellwucherung der Somato- pleura. Bereits bei Embryonen von 15 Urwirbeln vermag man an den hinter der Herzanlage gelegenen Urwirbeln wahrzunehmen, wie sich die Zellen der Somatopleura durch rege Theilung vermehren. Im Stadium von 17 Urwirbeln findet man bereits zahlreiche Zellen zwischen Ektoderm und Somatopleura — die erste Anlage der WoLFF- schen Leiste!. Scharf gekennzeichnet tritt die letztere jedoch erst 1! Ich bemerke, dass die Bezeichnung der seitlichen Kante der Leibeswand, innerhalb deren sich auch die Extremitäten entwickeln, mit dem Namen: WOLFF- sche Leiste (His) keine allgemeine ist. So bezeichnet MinoT in seinem Lehr- buche die Nephridialleiste als Wourr’sche Leiste. 548 Alfred Fischel vom Stadium mit 21 Urwirbeln hervor: Durch die zahlreichen, mit der Theilungsachse senkrecht zum Ektoderm gestellten Karyokinesen ist eine Zellmasse zwischen Ektoderm und Somatopleura — und zwar vom 8. bis ungefähr zum 13. Urwirbel — entstanden, welche eine leicht halbmondförmige Ausbuchtung des Ektoderms hervorruft. Im Gegensatze zu dem Befunde bei Selachiern (RABL) sind Einfaltungen der Somatopleura gegen das Ektoderm, durch deren Beihilfe viel- leicht diese Zellmasse entstehen könnte, fast gar nicht zu finden; und man muss daher die Entstehung der erwähnten Zellmasse auf die — charakteristisch gestellten — Karyokinesen zurückführen. In dieser Zellmasse erscheinen im Stadium von 23 Urwirbeln bereits zahlreiche Gefäße, und mit der fortschreitenden Entwicklung des Embryo breitet sich die Wourr’sche Leiste immer weiter nach hinten aus. Im Stadium von 34 Urwirbeln nun lässt sich innerhalb derselben die erste Anlage der vorderen Extremität nach- weisen: Indem nämlich entsprechend dem 16.—20. Urwirbel die mesodermale Zellmasse mächtiger ausgebildet ist, hebt sie das Ekto- derm über das Niveau der Wourr schen Leiste hervor. Diese An- lage der Extremität hat eben so wie die WoLrr'sche Leiste ursprüng- lich auf dem Querschnitte die Form eines Halbkreises. Indem nun die Zellwucherung in der Längsachse der Extremität am stärksten statt hat, entsteht allmählich aus der halbkugeligen Form der Extre- mität eine dorsal und ventral leicht plattgedrückte. Schon im nächsten Stadium (35—36 Urwirbel) vermag man an dieser Extremitätenanlage die Entwicklung der Ektodermfalte wahrzunehmen. Sie erfolgt in der Art, dass die Ektodermzellen der beiden Extremitätenflächen — die übrigens von diesem Stadium ab immer höher werden — an der Übergangsstelle der dorsalen in die ventrale Fläche der Extremität rasch an Höhe zunehmen und ihre größte Höhe etwas unterhalb der Mitte der Extremität erlangen. Diese ektodermale Verdickung findet sich jedoch nicht — wie es entsprechend der Seitenfaltentheorie der Extremitätenentwicklung zu erwarten wäre — auch in der zwischen den beiden Extremitäten befindlichen Strecke und tritt auch nicht gleichzeitig auf der ganzen Extremität auf. Sie erscheint vielmehr zuerst in deren Mitte, fehlt also am vorderen und hinteren Rande, an welchen Stellen sie noch bei Embryonen von 42 Urwirbeln nicht deutlich entwickelt ist. Im Stadium von 48 Urwirbeln (Brutzeit 4 Tage 20 Stunden) findet sich an Stelle dieser ektodermalen Verdickung eine Ektodermfalte, deren beide Lamellen eng an einander liegen. Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 549 Als drittes an der Entwicklung der Extremität sich betheiligen- des Element kommen endlich die ventralen Kanten der Myotome in Betracht. Über ihr Verhalten bei Entenembryonen lässt sich Fol- gendes feststellen: Eben so wie von den ventralen Kanten der proxi- mal von der vorderen Extremität gelegenen Myotome sich Zellen ablösen und in das embryonale Bindegewebe der Wourr'schen Leiste treten, so geben auch die im Bereiche der Extremität gelegenen Myotome Zellen in das embryonale Bindegewebe der letzteren ab. Diese Abgabe von Zellen erfolgt hier in besonders reichem Maße, so dass man an Flächenbildern — gewonnen durch Abtragung der seitlichen Leibeswand sammt der Extremitätenanlage — die ventralen Kanten der Myotome pinselförmig sich auffasern sieht. An Schnitt- serien sieht man, wie sich sowohl von der ventralen Myotomkante selbst als auch von der äußeren Lamelle derselben Zellen ablösen, und zwar theils einzeln, theils in kleinen Gruppen zu zweien oder dreien, um sich theils mehr gegen das Ektoderm, theils mehr, gegen die Somatopleura zu wenden. An manchen Stellen sieht man an demselben Schnitte (bei 7 und m Fig. 2) auch zwei solcher Zell- gruppen vom Myotom abgehen, die eine mehr lateral, die andere mehr medial gelegen. Diese Zellgruppen zeigen verschiedene Länge und Form; meist langgestreekt oder gabelig getheilt, zeigen sie oft auch ein kolbig verdicktes Ende. Aus diesen Zellgruppen lösen sich alsbald die Zellen ab, treten in das embryonale Bindegewebe, um hier sofort ihre Epithelform zu verlieren. Sie sind hierauf von den Zellen des sie umgebenden Gewebes nicht mehr zu unterscheiden. Durch diese reichliche Abgabe von Zellen wird die ventrale Myotomkante immer weniger deutlich epithelial: Entenembryonen von 30—38 Urwirbeln zeigen, wie die Epithelzellen immer niedriger und kugelig werden; endlich schwinden sie und vom Stadium mit 48 Urwirbeln ist ventralwärts nur noch die mediale in Differenzirung begriffene Lamelle vorhanden. Aber dieser Process vollzieht sich zeitlich ungleich in der Extremität: Während bei Embryonen von 44 Urwirbeln die ventralen Enden der proximalen Myotome in der eben beschriebenen Weise verändert sind, zeigen die caudal gelegenen Myotome noch eine ventrale epitheliale Kante. Diese selbst zeigt, je weiter wir in der Extremität nach hinten gehen, immer deutlicher einen Fortsatz in Form eines schmalen Schlauches auf (Fig. 3 mf). Von diesem Myotomfortsatz, der gegen das Myotom leicht abge- knickt ist, gehen Zellen und Zellgruppen in eben derselben «Weise ab, wie dies früher angegeben wurde. Dadurch aber wird sein Epithel Morpholog. Jahrbuch. 23. i 36 550 Alfred Fischel immer undeutlicher. Im Stadium von 48 Urwirbeln ist dieser Fort- satz fast ganz aufgelöst; an seiner Stelle ist das Gewebe nur noch etwas dichter. Zusammenfassend können wir also sagen, dass sich bei der Ent- wicklung der Extremität unterscheiden lässt: Eine Wucherung der Somatopleura, die Ausbildung der ektodermalen Falte und der Austritt von Zellen — theils einzeln, theils in kleinen Grup- pen — aus der ventralen Myotomkante oder aus einem Fort- satze derselben. Nirgends dagegen lässt sich nachweisen, dass bei der Ente die äußere Myotomlamelle zu einer Muskelknospe in die Extremität und über diese hinaus in die Bauchwand aus- wächst, wie dies KoLLMANN vom Menschen behauptet und KAESTNER, KoLLMANN sich anschließend, als allgemein für Amnioten zutreffend bezeichnet. Diese Behauptung erklärt sich vielmehr in folgender Weise: Untersucht man — nach KoLLmAnn’s Angabe — ältere Stadien mit schwacher Vergrößerung (»40—60mal«), so kann man an dem . embryonalen Bindegewebe der Extremität und der Wourr'schen Leiste zwei Zonen unterscheiden (Fig. 4 a und p): Eine der Somato- pleura anliegende lockere, von zahlreichen Gefäßen durchsetzte (a), und eine dichtere, dem Ektoderm anliegende (p); diese letztere er- streckt sich, ungefähr an der ventralen Myotomkante beginnend und parallel mit der dorsalen und ventralen Fläche der Extremität ver- laufend, bis unter die Extremität in die seitliche Bauchwand; ihre größte Dichte erreicht sie an der ventralen Fläche der Extremität. Wenn aber KoLLMANN in seiner Fig. 15 (von einem menschlichen Embryo) die Grenze dieser dichteren Zellschicht gegen die lockere Zone, das sogenannte »axiale Blastem«, besonders im dorsalen Ab- schnitte, scharf markirt, wenn ferner diese dichtere Zellmasse als »Muskelknospe« oder »Myotom«, entstanden aus einer Verbreite- rung der äußeren Myotomlamelle, bezeichnet wird, so entspricht dies nicht den thatsächlichen Verhältnissen, und zwar aus folgenden Grün- den: Einmal besteht gar keine scharfe Grenze zwischen dem sogenannten axialen Blastem und der peripherischen, dichteren Zell- masse; beide gehen vielmehr — wie aus Fig. 4 und 8 (letztere von einem menschlichen Embryo) ersichtlich — kontinuirlich in einander über. Gegen den Zusammenhang und die Entstehung dieser Zell- masse aus der äußeren Myotomlamelle aber sprechen der Befund bei stärkerer Vergrößerung und endlich ihre Entwicklung. Den ersteren Umstand betreffend, vermag man bei stärkerer Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 551 Vergrößerung nur nachzuweisen, dass — wie früher gezeigt wurde — einzelne Zellen aus dem Myotom austreten, dieses aber sonst überall scharf gegen die erwähnte Zellmasse abgegrenzt ist (Fig. 2, 3, 4). In jenen späteren Stadien, in welchen die ven- trale Myotomkante nicht mehr epithelial ist (48 Urwirbel), ist die äußere Lamelle überhaupt — bis auf einen kleinen Rest an der dorsalen Myotomkante — als Epithel nicht mehr vorhanden, vielmehr vollständig in das Gewebe der Cutis aufgelöst, und selbst in diesen Stadien besteht zwischen dem embryonalen Bindegewebe der späte- ren Cutis und dieser Zellmasse noch immer eine scharfe Trennungs- grenze!; erst bei Embryonen vom Ende des 4. Tages gehen beide Zellmassen allmählich in einander über. Noch mehr spricht aber gegen die Ansicht KoLLmann’s die Entwicklung dieser peripherischen Zellmasse. Nach ihrer Deutung von Seite KOLLMANN’s müssten wir erwarten, das allmähliche Aus- wachsen dieses »embryonalen Muskelmantels« vom Myotom in die Extremitäten und in die Wourr'sche Leiste verfolgen zu können; dieser »Muskelmantel« müsste also zuerst dorsal in der Extremität als Fortsatz des Myotoms auftreten, um langsam immer mehr und ‘ mehr ventralwärts zu rücken. Aber es ist gerade das Gegentheil der Fall: Embryonen von 31 Urwirbeln lassen in der WoLrr'schen Leiste (und solche von 36 Urwirbeln in der Extremitätenanlage) die erste Andeutung einer Scheidung ihrer embryonalen Bindegewebs- masse in eine axiale lockere und peripherische dichte Zellmasse nicht dorsal, sondern ventral, also ohne Zusammenhang mit dem Myotom, erkennen (Fig. 5), und die weitere Ausbreitung dieser Ver- 1 Ich möchte mich an dieser Stelle gegen die Behauptung KAESTNER’s wen- den, dass sich dem aus der äußeren Myotomlamelle entstammenden Bindegewebe der Cutis Zellen aus der Somatopleura beimischen, die zwischen Ektoderm und Myotom dorsalwärts »sich heraufschieben«. Gegen ein solches Verhalten spricht (wie die Fig. 2, 3 und 4 zeigen) die noch in späten Stadien scharfe Abgrenzung der Zellen der Somatopleura und des dermalen Bindegewebes. Sind aber (am Ende des 4. Tages) beide Zellschichten einander ganz nahe gerückt, so kann ein »Heraufschieben<« überhaupt gar nicht nachzuweisen möglich sein. Eben so ° wenig wie also ein solches Verhalten für Vögel und Säugethiere zutrifft, findet es sich auch nicht bei Lacerta, wie ich aus MOLLIER ersehe. Denn dieser sagt, »dass es geradezu auffallend ist, wie die dicht gestellten Zellen des Extremi- tätenzapfens nach außen von dem Myotomspross genau an der Abgangsstelle des Ektoderms auf die Extremitätenanlage wie abgesperrt Halt machen, und nicht in den Raum zwischen lateraler Myotomlamelle und Ektoderm dorsal vor- dringen«. 36* 552 Alfred Fischel dichtung des Gewebes erfolgt in dorsaler, nicht in reia ventraler Richtung. Diese dichte peripherische Zellmasse als Muskelknospe des Myotoms zu deuten, ist daher unzulässig. Sie ist vielmehr auf eine rege Wucherung der aus der Somatopleura hervorgegangenen Zellen _ — dafür sprechen die zahlreichen und charakteristisch (nämlich fast durchwegs senkrecht und nicht, wie es nach KOLLMANN sein müsste, parallel zum Ektoderm) gestellten Karyokinesen — und darauf zurückzuführen, dass sich dieser an sich schon dichten Zell- masse noch zahlreiche Zellen aus den Myotomen beimischen. Sie istkeineaus dem Myotom herausgewachsene Muskelknospe!, sie ist vielmehr ein Gemisch von aus der Somatopleura und “aus dem Myotom hervorgegangenen Zellen. _ Übergehend zur hinteren Extremität, berichte ich zunächst, dass ihre Anlage zwischen dem 30.—35. Urwirbel gelegen ist. Ab- gesehen von sehr geringen zeitlichen Unterschieden, erfolgt ihre Ent- wicklung in derselben Weise wie die der vorderen Extremität: Wu- cherung der Somatopleura leitet sie ein, es folgt die Ausbildung der ektodermalen Verdiekung — wiederum zuerst in der Mitte, und im Vergleiche mit der vorderen Extremität fast schneller sich zur ektodermalen Falte entwickelnd — und frühzeitiger Austritt von Zellen aus den viel länger epithelial bleibenden und keinen Fortsatz aufweisenden Myotomkanten. Die Scheidung des embryonalen Bindegewebes in eine axiale, loekere und eine pe- ripherische, dichtere Zellmasse findet sich auch hier vor. Aber die axiale Schicht ist nicht so locker gebaut und weniger ausgebreitet als wie an der vorderen Extremität, ein Umstand, der sich aus der 1 KAESTNER giebt zu, dass es schwer sei, die Ausbreitung der »Muskel- knospe« zu verfolgen; »immerhin liegen die Muskelbildungszellen dichter ge- drängt als die Bindegewebszellen, und man ist bei einiger Übung im Stande, ihre Ausbreitung zu verfolgen. Da aber die Zellen, sobald sie das Myotom verlassen haben, sofort ihren epithelialen Charakter verlieren und — wie KAEST- NER selbst zugiebt — keinerlei histologisch charakteristisches Moment gegen- über den sie umgebenden Bindegewebszellen haben, scheint es mir, dass man _ auch keine »Muskelbildungszellen« sehen, noch weniger mit irgend welcher »Übung« durch nichts charakterisirte Zellen in ihrer Ausbreitung verfolgen kann, Wenn KAESTNER ferner als »indirekten Beweis« für das Eindringen der ventralen Myotomfortsätze in die Extremität den Umstand geltend macht, dass die letzteren im Bereiche der Extremitätenanlage in der Bauchwand fehlen, so - erklärt sich dies einfach aus dem Umstande, dass im Bereiche der Extremitäten- anlagen die Bauchwand natürlich viel tiefer beginnt; überall aber — sowohl im Bereiche der Extremitäten als außerhalb derselben — reichen die Urwirbel gleich tief. Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 553 sichtbar viel -reichlicher erfolgenden Wucherung der Somatopleura erklärt. Wäre hier die peripherische, dichtere Zellmasse eine Fort- _ setzung der Myotome, so müsste man fast die ganze Extremität als von ihr erfüllt erklären. Aber dagegen spricht die ganz besonders scharfe Abgrenzung der Myotomkante, die übrigens auch noch lange Zeit hindurch hohe Epithelzellen besitzt, wenn schon die ganze Ex- tremität von der »Muskelknospe« KOLLMANN’s umsäumt wird. Schreitet man in der Untersuchung der weiteren Entwicklung der Extremitäten fort — ich habe die Entwicklung bis zur Mitte des 7. Tages verfolgt — so findet man die der ventralen Fläche der Extremitäten anliegende Zellmasse immer mächtiger und besonders dort, wo die ventrale Fläche der Extremität sich von der seitlichen Bauchwand in scharfem Bogen absetzt, ist sie ganz besonders dicht (vgl. auch Fig. 4). Dagegen schwindet in Folge reichlicher Zell- wucherung in der Mitte der Extremität der Gegensatz zwischen dem »axialen Blastem« und der peripherischen Zellmasse in demselben Maße, als sich die Extremität streckt. Aus demselben Grunde schwindet dieser Gegensatz auch an der Spitze der Extre- mitäten, und es wird daher keineswegs — wie KoLLMANN: be- hauptet — ein »embryonaler Muskelmantel« hier von dem »axialen Blastem« durchbrochen und in einen dorsalen und ventralen Ab- schnitt zerlegt. Der medialen Lamelle der Myotome entlang verlaufend, gelangen _ die Nerven der Extremitäten zwischen den dorsalen und ventralen Abschnitt der dichten Zellmasse, theilen sich in dorsale und ventrale Äste, von welchen die letzteren die mächtigeren sind. In diesem Theilungswinkel tritt zuerst prächondrales Gewebe als erste Anlage des Extremitätenskelettes auf. Am 7. Tage findet man im proximalen Theile der Extremität bereits deutlich entwickelte Muskelfasern, im distalen Theile beginnt erst ihre Differenzirung. Die ersten Muskelfasern nun entstehen in jener peri- pherischen Zellmasse, an deren Bildung sich sowohl Zellen der Somatopleura als auch der Myotomkanten betheiligen. Es wäre gewiss von allgemeinem Interesse nachzuweisen, in welcher Weise sich diese beiden Zellarten an der Bildung der Muskeln be- theiligen. Aber dies ist wohl unmöglich. Denn, da die einmal aus den Myotomen ausgetretenen Zellen sich durch kein besonderes Merkmal von den Zellen der Somatopleura unterscheiden lassen, ist es auch unmöglich, ihre weitere Differenzirung zu verfolgen — höchstens wenn es einmal gelingen sollte, sie tinktoriell zu sondern. 554 Alfred Fischel Vermuthen allerdings können wir, — im Rückblick auf die Selachier, — dass die aus den Myotomen stammenden Zellen nur Mus- kelfasern bilden; die Zellen der Somatopleura würden dann die iibrigen Elemente des Muskels (Fascien, Sehnen ete.) liefern; doch wäre es eben so gut möglich, dass die aus den Myotomen stammen- den Zellen sich nach zwei Richtungen hin differenzirten: zu Muskel- fasern und zu Bindegewebszellen. Es eriibrigt noch das Verhalten der zwischen den beiden Extremititenanlagen und der im Schwanze gelegenen Myotome zu besprechen. Während die letzteren noch in späteren Stadien eine rein epitheliale Kante aufweisen, aus welcher sich wiederum einzelne Zellen ablösen, um in dem unterliegenden embryonalen Bindegewebe zu verschwinden, zeigen die zwischen den Extremitätenanlagen be- findlichen Myotome folgendes Verhalten: Wie bereits im caudalen Abschnitte der Kon Extremität (Fig. 3), sind auch die Myotome, die hinter der letzteren liegen, an ihrer ventralen Kante mit einem epithelialen, gegen den übrigen Theil des Myotoms leicht abgeknickten, schlauchförmigen Fortsatze versehen. An dem ventralen Ende desselben sieht man nun bei Embryonen von 44—46 Urwirbeln stellenweise aus drei oder mehre- ren Zellen bestehende Knospen aufsitzen, welche nach verschiedenen Richtungen gestellt sind. Da man (Fig. 6 zkn) diese Zellknospen einmal fast mit einem förmlichen Stiele mit dem Myotomfortsatz in. Verbindung sieht, und ferner auch (Fig. 7 zn) unter der ventralen Myotomkante zahlreiche, aus zwei bis sechs Zellen bestehende, iso- lirt im Bindegewebe liegende rundliche Zellgruppen findet, so kann man schließen, dass von den Myotomen zwischen den Extremitäten- anlagen sich gestielte Zellknospen ablösen und in das darunter ge- legene embryonale Bindegewebe treten. Da in späteren Stadien von diesen Knospen nichts nachzuweisen ist, sie also sich auflösen und mit dem embryonalen Bindegewebe vermischen, ist man auch außer Stande, ihr endgültiges Schicksal anzugeben und es ist daher unentschieden, ob sie die ventralen Rumpfmuskeln dieser Region bilden helfen, oder ob sie den Abortivknospen der Selachier zu ver- gleichen sind. Auch in dieser Region aber vermag man das Auswachsen einer »Muskelkhospe« im Sinne KOLLMAnN’s nicht zu konstatiren. Viel- mehr findet man im Stadium von 45 Urwirbeln bei rein epithelialer ventraler Myotomkante die erste Spur einer Verdichtung wiederum zuerst im ventralen Abschnitte der Worrr'schen Leiste und völlig Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur etc. 555 getrennt vom Myotom. Dieser Stelle entsprechend zeigt aber die Somatopleura eine rege Zellwucherung. Am 6. Tage findet man hierauf an jener Stelle, an welcher in früheren Stadien der Myotomfortsatz und die von ihm abgelösten Zellknospen lagen, ein dichtes Gewebe: Hier entwickelt sich die ventrale Rumpfmuskulatur. Die wesentlichen Resultate zusammenfassend, ergiebt sich, dass bei den Vögeln in die aus der Wucherung der Somatopleura ent- standene Bindegewebsmasse der WoLrr'schen Leiste und der Extre- mitätenanlage — nachdem bei der letzteren auch noch die ektoder- male Seitenfalte sich entwickelt hat — Zellen aus dem Myotom treten, und zwar niemals in Form einer breiten Bandmasse, sondern diffus aus der ganzen ventralen Myotomkante, theils einzeln, theils in kleinen Gruppen, im Bereiche der zwischen den Extremitäten liegenden Strecke auch in Form kleiner Knospen. Die auf diese Weise von den Myotomen abgelösten Zellen vermischen sich innig mit den Zellen des embryonalen Bindegewebes der Wourr’schen ‘ Leiste und der Extremitäten, welches letztere entsprechend dem ekto- dermalen Überzuge derselben — und zwar ventral früher — viel dichter angeordnet ist als in deren Achse. Da die Zellen aus den Myotomen vorwiegend in zwei Richtungen — lateral gegen die dorsale und medial gegen die ventrale Fläche der Extremität — austreten und sich in das an und für sich schon dichtere embryonale Bindegewebe dieser Stellen einfügen, entsteht längs der dorsalen Wand der Ex- tremität sowohl als auch längs der ventralen — an der letzteren insbesondere an der Umbiegungsstelle in die seitliche Bauchwand — eine dichte Zellmasse. In dieser entwickeln sich später die ersten Muskelfasern. Aus dem Befunde bei den niederen Klassen, insbe- sondere mit Rücksicht darauf, dass nach MOoLLIER bei Lacerta die Muskelfasern ebenfalls aus einer dichten, von der Somatopleura nicht unterscheidbaren, aus der Auflösung der Muskelknospen entstandenen Zellmasse entstehen, dürfen wir vielleicht vermuthen, dass die den Myotomen entstammenden Zellen und Zellgruppen die kontraktilen, die aus der Somatopleura entstandenen aber die bindegewebigen Ele- mente der Extremitäten und des ventralen Rumpfabschnittes liefern. Da sich die vorstehenden Mittheilungen nur auf die Ente be- ziehen, wäre es — trotzdem Karstner und KoLLmann die Gleich- heit der Entwicklung bei Vögeln und Säugern betonen — ja immer- hin möglich, dass sich dennoch die von KoLLMAnN beschriebene Entwicklung nur bei Säugern und speciell beim Menschen vorfinde. 556 | Alfred Fischel Ich gestehe, dass mir dies sehr unwahrscheinlich erschien, nachdem eine genauere Untersuchung mich bei der Ente, trotz der scheinbaren Richtigkeit der Darstellung von KoLLMAnn und KAESTNER, zu we- sentlich anderen Resultaten geführt hatte. Da mir Herr Prof. RABL seine eigenen Serien vom Kaninchen und Menschen zur Unter- suchung überließ, habe ich mich überzeugen können, dass wirklich — gemäß den Angaben KoLımann’s und KArsrner’s — die Ent- wieklung der ventralen Rumpf- und Extremitätenmuskeln bei den Säugern eben so wie bei den Vögeln erfolgt — allerdings aber nicht, wie KoLLMANN und KAESTNER angeben, in Form einer Knospenbildung, sondern in derselben Weise, wie es von der Ente näher beschrieben wurde. Da eine nähere Schilderung nur eine Wiederholung des Früheren wäre, will ich nur kurz das Wesentliche hervorheben. - Zunächst der Befund bei Kaninchenembryonen, und zwar hin- sichtlich der proximal von der vorderen Extremität gelegenen Myo- tome. Bei Embryonen, bei welchen das Gehörbläschen — bis auf einen schwachen Verbindungsstrang — vom Ektoderm abgelöst ist, eine ‚primäre Augenblase, aber noch keine Linsenanlage vorhanden ist, sieht man aus der ventralen Myotomkante wiederum in diffuser Weise Zellen austreten; bei Embryonen, bei welchen das Gehörbläschen bereits völlig abgelöst, eine sekundäre Augenblase vorhanden und die Linsengrube nur in der Mitte offen ist, ist nur noch die dorsale. Myotomkante epithelial, die äußere Lamelle und die ventrale Kante sind dagegen völlig aufgelöst; an Stelle der letzteren befindet sich ein dichtes embryonales Gewebe. Auch hier also löst sich wie bei der Ente die ventrale Myotomkante auf, ohne eine »Muskelknospe« abzugeben. Das verdichtete Gewebe, das KoLuLmann als solche deutet, beginnt vielmehr auch hier wiederum zuerst ventral in der Wo rFr’schen Leiste, also unabhängig vom Myotom, sich zu entwickeln, und zwar durch einen regen Zelltheilungsprocess der Somatopleura. Der Gegensatz zwischen lockerem axialen und dichtem peripherischen Gewebe ist übrigens beim Kaninchen weniger deutlich ausgesprochen als bei der Ente. Eben so wenig vermag man in den Extremitätenanlagen ein Ein- dringen von Muskelknospen aus den Myotomen nachzuweisen. Auch hier beobachtet man nur den Austritt von Zellen in das embryonale Bindegewebe; dieses letztere ist ferner durchaus nicht allein längs der dorsalen und ventralen Extremitätenfläche dieht angehäuft: Die Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 557 Anhäufung ist vielmehr eine in der ganzen Extremität weit gleich- mäßigere und die Scheidung in eine axiale und peripherische Schicht wenig ausgesprochen. Was die Verhältnisse bei menschlichen Embryonen betrifft, so brauche ich wohl nur auf Fig. 8 — ein Querschnitt durch die hintere Extremität eines Embryo vom Ende der vierten Woche — zu verweisen: Eine aus der äußeren Myotomlamelle auswachsende »Muskelknospe« lässt sich nicht nachweisen. Wohl ist wiederum das Gewebe axial locker, peripher dieht — aber beide diese Schich- ten sind wiederum — wie bei der Ente und beim Kaninchen — nicht scharf von einander gesondert, sondern gehen ganz ale) in einander über. Eben so wenig wie bei den Vögeln findet sich daher auch bei den Säugern eine Muskelknospe an den Myotomen. Die Entwick- lung der ventralen Rumpf- und Extremitätenmuskulatur erfolgt bei beiden Klassen aus einer dichten Zellmasse, in welche Elemente der Somatopleura und der ventralen Myotomkante eingehen. Mit Sicher- heit lässt sich keine dieser Zellarten in ihrer weiteren Differenzirung verfolgen, da die aus den Myotomen stammenden Zellen — in das embryonale Bindegewebe der Somatopleura eingetreten — alsbald ihren epithelialenCharakter verlieren. und sich durch nichts von den embryonalen Bindegewebszellen unterscheiden lassen. Doch können wir vermuthen, dass es diese den Myotomen entstammenden Zellen sind, welche die ventrale Rumpf- und Extremitätenmuskulatur liefern, und zwar sprechen hierfür drei Gründe: Einmal die Entwicklung dieser Muskeln aus Fortsätzen der Urwirbel bei Selachiern, Tele- ostiern, Amphibien und Reptilien; ferner der Umstand, dass nach vAN BEMMELEN und MoLLIEr die Muskelknospen der Urwirbel bei Lacerta, bevor sie zu Muskeln werden, eine dichte, von der Somato- pleura schwer unterscheidbare Zellmasse bilden; endlich die meta- merische Anordnung dieser Muskeln, wie sie von GOODSIR, PATERSON und BoLk dargethan wurde. — Wenn also auch die Auswanderung von Zellen aus den Myo- tomen feststeht und die Differenzirung dieser Zellen zu Muskeln mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthet werden kann, so ist man doch in keiner Weise berechtigt, den Austritt dieser Zellen als in bestimmter Form (»Muskelknospen«), als Auswuchs der äußeren Myotomlamelle, erfolgend zu beschreiben und noch viel weniger diesen Vorgang als den allgemeinen Typus der Entwicklung der ventralen Rumpf- und der Extremitätenmuskulatur hinzustellen. Bei 558 Alfred Fischel Vögeln und Säugethieren giebt es vielmehr überhaupt gar keine »Muskelknospen«. Was als solche beschrieben wurde, ist ein Gemisch von Zellen, die theils aus der Somatopleura, theils aus den Myotomen stammen. .»Muskelbildungszellen« lassen sich eben so wenig in diesem Zellgemische unterscheiden, denn alle Zellen der peripherischen Zellmasse der Wourr'schen und Extremitätenleiste sehen einander völlig gleich. Wir können nur konstatiren, dass in dem peripherischen Zellgemische die Muskeln sich entwickeln und — aus den früher angeführten Gründen — diese Entwicklung auf die den Myotomen entstammenden Zellen zurückführen. In Bezug auf die allgemeine Differenzirung der Myotome in der Reihe der Wirbelthiere lässt sich hiernach Folgendes sagen: Die Differenzirung der ventralen Myotomkante erfolgt bei den Selachiern, Teleostiern, Amphibien und Reptilien in einer bestimmten Form — in Gestalt der sogenannten Muskelknospen; bei den Vögeln und Säugethieren dagegen findet ein dif- fuser Austritt von Zellen aus der ganzen ventralen Myo- tomkante statt. Die allgemeine Entwicklung der Skeletmuskulatur er- folgt bei den Wirbelthieren in folgender Weise: Die primäre oder dorsale Rumpfmuskulatur entwickelt sich bei allen Klassen aus der medialen Myotomlamelle; die ventrale Rumpf- und die Extremitätenmuskulatur dagegen entwickelt sich in anderer Weise. Während sie bei den Selachiern, Teleo- stiern, Amphibien und Reptilien aus Fortsätzen der ven- tralen Myotomkanten, den sog. Muskelknospen, entstehi, entwickelt sie sich bei Vögeln und Säugethieren in der pe- ripherischen, dichten Zellmasse der Wourr’schen, bezie- hungsweise der Extremitätenleiste, welche keine Muskelknospe, sondern vielmehr ein Gemisch von Zellen der Somatopleura und Zellen, die den Myotomen entstammen, darstellt. Nur mit Rücksicht auf die Befunde bei den niederen Wirbelthierklassen, insbesondere bei den Selachiern, auf die metamerische Anordnung der Muskulatur, auf die Entwicklung bei Amphibien (FiELp) können wir vermuthen, dass die den Myotomen entstammenden Zellen auch die Muskelbildungszellen sind. Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- u. der Extremitätenmuskulatur ete. 559 Nachtrag. Während des Druckes dieser Arbeit erschien der Vortrag Cor- nıng’s auf dem Anatomenkongresse in Basel: »Über die Entwicklung | der Zungenmuskulatur bei Reptilien 6 Morpholog. Jahrbuch. Ba.X. Pr: Fischel gem Verlag von With Engelmann, Leipzig TER. Anst r Werner &Winter, Frankfure®t. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 563 auffasst; und so giebt es noch mehrere andere Fälle!. In der Frage, ob die Kontour- oder die Dunenfedern primitiver sind, wird vielfach kein bestimmtes Urtheil abgegeben, oder es wird die letztere Auf- fassung als zweifellos richtig hingestellt mit der Begründung, dass doch auch das Embryonalkleid aus dunenartigen Federn zusammen- gesetzt sei, womit dann zugleich angenommen wird, dass diese pri- mitive Gebilde seien, ein Punkt, der doch auch wieder fraglich er- scheinen muss. Über die Fadenfedern wird meistens nur sehr wenig gesprochen. So weiß z. B. auch Gapow? nichts besseres zu thun, als NırzscH’ Beschreibung vom Jahre 1840 wörtlich zu übernehmen. Auch die Abgrenzung dieser Sorte erfolgt in sehr verschiedener Weise: so rechnet Craus auch die Vibrissen am Mundwinkel hierher, welche von Anderen als Kontourfedern aufgefasst werden. Es leuchtet ein, dass dergleichen Differenzen der Ansichten fortbestehen werden, so lange nicht durch erneute Untersuchungen die Unterscheidung der Federsorten auf sichere, mehr in der Natur begründete Kennzeichen * basirt wird. Dazu möge meine Abhandlung einen Beitrag liefern. Den Schwerpunkt habe ich bei der vorliegenden Arbeit auf die Untersuchung der erwähnten Fadenfedern gelegt. Es ist allgemein bekannt, dass ein gerupfter Vogel an Stellen, welche mit Kontour- federn besetzt waren, Gebilde zeigt, welche von den Laien wegen ihrer Form oft Haare genannt werden. Diese langen, am Ende mit einer kleinen Fahne versehenen Federn sind die Fadenfedern NrrzscH. Doch hat mir die genauere Untersuchung gelehrt, dass Federn, welche offenbar derselben Sorte zugehören, weder in der Form noch in der Anordnung der Beschreibung NirzscH’ zu ent- sprechen brauchen, und dass im Allgemeinen diesen Federn eine viel größere Bedeutung zukommt, als man nach den Mittheilungen dieses Autors vermuthen sollte. Zunächst ist ihre Form von Interesse. Gehen wir aus von der am längsten bekannten, von NızscH besprochenen Form von Faden- federn, so ist diese hauptsächlich dadurch charakterisirt, dass der nackte untere Theil des Schaftes eine bedeutende Länge erreicht; aus diesem Grunde fallen ja diese Gebilde schon dem unbewaffneten Auge so sehr auf. Am unteren Ende des Schaftes sitzt eine sehr 1 Man vergleiche Max FÜRBRINGER, Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel. II. Bijdragen tot de Dierkunde. 1888. pag. 1007. 2 Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Vögel. 1891. pag. 530. 964 J.C. H. de Meijere kurze Spule; oben trägt er einige wenige, fast an einer Stelle ent- springende Strahlen!, welche mit Nebenstrahlen besetzt sein können. Diese Nebenstrahlen bestehen hier wie sonst aus einer Zellenreihe; letztere sind länger als breit, unten abgestutzt, oben mit ein Paar wimperartigen Anhängen versehen (Fig. 1). Diese Federform stimmt Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. | Fig. 1. Phoenicopterus antiquorum. Fadenfeder des Rückens. Fig. 2. Milvus govinda. Fadenfeder der Brustflur (27 mm lang). Fig. 3. Saxicola rubetra. Fadenfeder der Spinalflur. Fig. 4. Caprimulgus europaeus. Fadenfedern der Spinalflur. also mit der Kontourfeder durch die Anwesenheit eines verhältnis- mäßig starken Schaftes überein, sie entbehrt jedoch der Häkchen. Von einem Afterschafte ist keine Spur vorhanden. Wenngleich diese Form von Fadenfedern wohl die verbreitetste ist, so giebt es doch ! Ich gebrauche hier die Terminologie von Davies. Im Allgemeinen trägt der Schaft Äste oder Strahlen, diese tragen Nebenstrahlen. Doch kommen letztere, durch ihren Bau (als Zellenreihe) gekennzeichnete Gebilde auch wohl unmittelbar am Schafte selbst vor. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 565 “ auch schon eben so lange, welche ein anderes Aussehen darbieten (man vgl. Fig. 2). Hier ist die Anzahl der Strahlen sehr redueirt, aber es kommen relativ viele Nebenstrahlen vor. Ich fand solche bei Milvus govinda, Crex pratensis u. A. In der Fig. 3, welche die Fadenfedern von Amadina faseiata, Saxicola rubetra u. A. illustrirt, sitzen zweireihig angeordnete Nebenstrahlen direkt dem Fig. 5. Fig. 6. EIN 8 Gallus domesticus (Negerhuhn). Anordnung der Fadenfedern bei einer größeren Kontourfeder. Fadenfeder der Spinalflur. Schafte auf, während keine Äste entwickelt sind. Dagegen fehlen wieder in anderen Fällen gerade die Nebens‘rahlen, obgleich der Schaft am Ende einige Äste trägt. So ist das Verhalten bei Ca- primulgus europaeus, Plictolophus roseicapillus u. A. (Fig. 4). Dem gegenüber kommen zuweilen bei langen Fadenfedern die Strahlen nicht nur an der Spitze, sondern vereinzelt am ganzen Schafte vor. NrrzscH hat dies schon bei einigen Hühnern beob- Morpholog. Jahrbuch. 23. 37 566 J. C. H. de Meijere achtet, und ich selbst erhielt den gleichen Befund bei der als Neger- huhn bekannten Rasse. Die Form einer solchen Feder ist aus Fig. 5 ersichtlich. Fig. 7. Phalacrocorax carbo. Fadenfeder des Halsesim Hoch- zeitskleide. Außer diesen langen Fadenfedern bestehen noch andere in viel größerer Zahl, die erst bei der Untersuchung mit dem Mikroskope nach- weislich sind. Zieht man eine Kontourfeder aus, schneidet dann ihren Follikel mit seiner nächsten Umgebung mit einem Rasirmesser oder Schere ab, und betrachtet dieses Stückchen in Glycerin, dann finden sich um den Follikel herum meistens mehrere Fadenfedern in ver- schiedenster Ausbildung. Einige unterscheiden sich nur durch den kürzeren Schaft von der oben beschriebenen längeren Sorte, andere haben eine noch viel mehr reducirte, ja bis- weilen gar keine Fahne, so dass der Schaft einfach dünn ausläuft. Ein solches Verhalten zeigt Fig. 6, in der die Umgebung einer größe- ren Kontourfeder abgebildet ist. Wie ersicht- lich, sind die kleinsten Fadenfederchen nur äußerst winzige, unscheinbare Gebilde. Dies sind im Allgemeinen die Hauptformen der Fadenfedern, wie sie bei den Carinaten über den Körper verbreitet sind; in einigen Fällen aber sind noch stärker entwickelte an bestimmten Stellen beobachtet worden. Nrrzscu! fand solche bei einigen Passerinen und Tri- chophorus im Nacken und bei Halieus (= Phalacrocorax) im Hochzeitskleide am Halse. | Letztere (Fig.7) bilden wohl die höchst ent- wickelte Sorte, welche NırzscH überhaupt hat finden können. Auch hier ist der Schaft dünn, aber steif, und ein wesentlicher Unterschied anderen Fadenfedern gegenüber liegt darin, dass sie von unten bis zur Spitze Äste tragen. Doch giebt es an den Grenzen der von ihnen gebildeten weißen Stelle schon solche, ' System der Pterylographie. pag. 20. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 567 welche nur am Ende eine kurze Fahne besitzen, also den gewöhn- lichen näher stehen. Über die Federn, welche im Hochzeitskleide von Phalacrocorax den weißen Flecken am Oberschenkel bilden, hat Nirzscu sich das Urtheil vorbehalten!. Die Untersuchung eines frischen Exemplars hat mir aber keinen Zweifel gelassen, dass wir es- auch in diesem Falle mit echten Fadenfedern zu thun haben. Die weißen Federn stehen hier neben schwarzen Kontourfedern, welche von ihnen ganz bedeckt werden, da sie beträchtlich kleiner sind (die Kontourfedern 2'/, em, die Fadenfedern bis 6 cm). Am Rande des Fleckens gehen letztere allmählich in die viel kleineren, nur am Ende mit einer Fig. 8. Fig. 9. \ 2 . \ Ys NN ba fen iA | | | I| 4 I {| ,; er yf ty Be \ Casuarius westermani. Rhea americana. Feder und Fadenfeder des Halses. Fadenfeder des Halses. Fahne versehenen gewöhnlichen Fadenfedern über. Es zeigt sich nun an diesen größten Fadenfedern die höchst merkwürdige That- sache, dass sie auch Häkchen besitzen, also ganz wie Kontourfedern gebaut sind. Von einem Afterschafte findet sich keine Spur, das Grübehen ist aber in ganz gewöhnlicher Weise vorhanden. — Auch den Ratiten kommen wohl immer Falenfedern zu. Die von Rhea (Fig. 8) sind außerordentlich klein, und, wie ich immer fand, oben abgestutzt, auch im Ganzen gebogen und von durchaus rudimen- tärem Charakter. Auch bei Casuarius sind sie meistens nur winzig, doch sind 1 System der Pterylographie. pag. 218. Bit hy 568 J. C. H. de Meijere hier die Schäfte meistens vollständig und scharf zugespitzt; bisweilen bestehen auch Äste, ja selbst Nebenstrahlen, wie z. B. bei der in Fig. 9 abgebildeten Fadenfeder des Halses. Struthio, der als ältester recenter Vogel (FÜRBRINGER) von be- sonderem Interesse ist, hat stellenweise auch durchaus kleine Faden- federn, so z. B. an den Schenkeln. Zwischen den Schwanzfedern Fig. 10. Fig. 11. Struthio molybdophanes. Fadenfeder Phoenicopterus antiquorum, Dunenfeder des Schwanzes. (20 mm lang) mit den Fadenfedern. kommen längere vor (Fig. 10). Der lange Hals zeigt ein eigenthüm- liches Verhalten. Scheinbar ist er mit kurzen Federchen einer ein- zigen Sorte bedeckt, doch ergiebt sich bei genauerer Betrachtung, dass immer eine längere von vier bis fünf kürzeren umgeben ist. Diese Federn, die also eine Gruppe bilden, sind auf einem Felde eingepflanzt, und diese verschiedenen, alternirend gestellten Felder fallen z. B. an der Kehle schon dem bloßen Auge auf. Dass hier die kürzeren die Fadenfedern sind, wird durch ihre Anordnung sehr wahrscheinlich. Die Form aller Fadenfedern bei Struthio weicht Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 569 von den bisher beschriebenen dadurch ab, dass ihr Schaft, wenn er auch eine bedeutende Länge erreicht, doch meistens nur am unteren Ende Äste trägt. Doch fehlten auch den übrigen von mir unter- suchten Ratiten die echten, langen Fadenfedern der Carinaten. Was nun die Anordnung der Fadenfedern anbelangt, so muss ich zunächst darauf hinweisen, dass ich die Fadenfedern bei allen von mir untersuchten Vögeln wenigstens neben den Kontourfedern in sehr wechselnder Anzahl gefunden habe. Wichtig ist es, dass ich auch die Dunenfedern sehr oft mit ihnen vergesellschaftet fand; das gilt nicht allein für Dunen, welche auf Rainen sitzen, sondern auch für die, welche zwischen den Kon- tourfedern angeordnet sind. Diese Fadenfedern sind immer kurz, oft ganz rudimentär, wie sie auch in Fig. 11 vorkommen; hierin mag wohl die Ursache liegen, dass sie bis jetzt nicht beobachtet wurden. ‘Mehrmals aber ließ sich keine Spur von ihnen entdecken. Vielleicht sind bei kleineren Dunen die Fadenfedern zuerst sehr rück- gebildet, später ganz verschwunden. Jedenfalls steht es fest, dass in sehr vielen Fällen sowohl Kontourfedern als Dunen von einigen Fadenfedern umgeben sind, also mit ihnen zusammen je eine Feder- gruppe bilden; nach den bisherigen Beobachtungen kann man ferner sagen, dass wohl allen recenten Vögeln solche Federgruppen eigen sind. Es liegt nun die Frage nach der Bedeutung dieser Fadenfedern nahe. Ob sie in ihrer gegenwärtigen Ausbildung noch irgend wel- chen Nutzen haben, darüber lässt sich nichts Sicheres sagen. Wenn- gleich die größeren noch einigermaßen zur Kérperbedeckung mit- helfen mögen, so lässt sich dieses für die ganz kleinen, wie sie ja so häufig vorkommen, schwer behaupten. Meines Erachtens spricht Alles dafür, uud zwar in erster Linie ihre sehr wechselnde Ausbil- dung, dass wir es hier mit rudimentären Gebilden zu thun haben; Rudimenten von Federn mit einer Spule, einem gut entwickelten Schafte, Ästen und Nebenstrahlen, welche letzteren aus mit Wimper- chen versehenen Zellen gebildet sind. Dass sie auch Häkchen ge- tragen haben, dafür liegen wenige Argumente vor. Sie waren also wie Kontourfedern gebildet, hatten aber wahrscheinlich keine Häkchen. Vielleicht geben die, welehe im Nacken von Phalacrocorax vorkom- ‘men, noch das richtigste Bild über ihre Beschaffenheit, wenngleich ich natürlich nicht meine, dass diese Federn als solche ererbt sind; vielmehr liegt hier wohl ein Fall von sekundärer Vergrößerung ru- dimentärer Organe vor. Eine weitere Frage ist es, ob es vielleicht 570 J. C. H. de Meijere Rudimente sein können von Federn, die während der Entwicklung der Vögel eine Rolle zu spielen haben. Doch auch für diese Auf- fassung liegt kein Grund vor. Die Zahl der Embryonaldunen scheint ‘an den Fluren der Zahl der späteren Kontourfedern etwa zu ent- sprechen, während sich im Erstlingsgefieder von den Fadenfedern noch keine Spur vorfindet. Es bleibt demnach nur die Annahme übrig, dass die Faden- federn Rudimente sind aus einem phylogenetisch früheren Stadium, mit anderen Worten, es gab eine Zeit, in welcher * @ * die Vögel eine mehr gleich- ‘ mäßige, aber reichere Be- fiederung besaßen als jetzt: die Federn standen in Gruppen, in denen eine in der Mitte stehende Feder (die Mittelfeder) ursprüng- lich vielleicht nicht von - den anderen verschieden * war. Später begannen diese Mittelfedern, so zu sagen auf Kosten ihrer Nachbarn, an Größe und Komplikation ihres Baues zuzunehmen, und jetzt bilden die Faden- federchen noch das letzte Zeichen des einstmaligen * @ üppigen Federwuchses. Numida ptilonorhyncha. Anordnung der Federn = den Besse Qualität hat hier im fast nackten Theilen des Kopfes. Kampf mit größerer Quan- tität den Sieg errungen, Es ist bemerkenswerth, in welchem Maße sich die Fadenfedern selbst neben den rudimentärsten Kontourfedern erhalten haben. So vermisst man sie z. B. nicht an den fast nackten Kopftheilen vom Perlhuhn (Fig. 12), vom Truthahn ete. Zuweilen sind sie an solchen Stellen den Kontourfedern an Länge überlegen, wie an den rothen Kopflappen des Fasans, wo sie etwa fünfmal länger sind als ihre winzigen Kontourfederchen. Somit finden wir bei den Vögeln Federgruppen in ähnlicher Weise wie bei den Säugethieren Haargruppen. Da liegt die Frage Fig. 12. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 571 nahe, in wie weit auch hier die Gruppenstellung etwa mit Schuppen im Verbande steht. Das ist indess nicht so leicht auszumachen und es sind wohl ausgedehntere Untersuchungen, welche ich eben in An- griff genommen habe, nöthig, bevor wir eine befriedigende Antwort geben können. An befederten Füßen findet sich sicher oft je eine Feder hinter, zuweilen auch auf einer Schuppe, und namentlich letztere Erscheinung ist mir noch durchaus unklar. Doch kann ich nicht umhin, hier schon einen Fall zu erwähnen, welcher eine bestimmte Ahnlichkeit darbietet mit der Anordnung der Dreihaargruppen auf beschuppten Säugethierschwänzen. Es waren nämlich bei einer jungen Strix flam- mea je drei Federn hinter den Schup- ear pen des Fußes vorhanden (Fig. 13), von welchen die Mittelfeder viel linger war als die winzigen lateralen, welche hier die Fadenfedern darstellen, wie aus dem Verhalten mehr oben am Beine erhellt. Jedenfalls scheint mir die Grup- penstellung der Federn eine sehr wichtige Thatsache, und obwohl der Gedanke mir fern liegt, daraus zur Homologie mit Haaren schlieBen zu wollen, so lässt sich doch nicht leug- nen, dass dieses Verhalten ein nicht unwichtiges Argument fiir die ge- nannte Homologie darbieten wiirde, wenn auch andere Gründe dafür sprichen. Das ist aber beim jetzi- gen Standpunkt unserer Kenntnis sehr zweifelhaft. Doch scheint es mir der Mühe werth, beide Bildungen einmal *'rix flammoa, Juv.) Sehuppen und Be in ihrer Anordnung zu vergleichen. _ Bei den Säugethieren fanden wir typisch die Dreihaargruppe, mei- stens aber eine Neigung zur Vergrößerung der Anzahl Haare jeder Gruppe; nur in einigen Fällen, so z. B. bei Homo, Hippopotamus, war Reduktion eingetreten. Am Rumpfe sind alle Gruppen in der Regel ähnlich gebildet. Bei den Vögeln fällt zunächst die große Einförmigkeit auf; bei allen recenten Vögeln finden wir das gleiche Schema, nämlich Gruppen, in welchen immer nur die Mittelfeder 572 J. C. H. de Meijere stark ausgebildet ist, während alle übrigen mehr oder weniger rudi- mentär sind. In analoger Weise findet man z. B. beim Menschen, Chimpanse ete. neben jedem ziemlich starken Mittelhaare oft noch ein Paar sehr feine, farblose Härchen, die man den Fadenfedern vergleichen könnte. Ähnliche Verhältnisse bestehen am Schwanze von Acanthion javanicum, wo viele Mittelhaare zu großen hohlen Stacheln ausgebildet sind, während die lateralen Haare sehr klein sind oder fehlen. Bei den Vögeln sind ferner die Mittelfedern von zweierlei Art: bald treten sie als Kontourfedern, bald als Dunen auf. Auch dieses findet bei den Säugethieren seine Parallele in der ver- schiedenen Ausbildung der Mittelhaare einerseits am Rumpfe, anderer- seits am Schwanze und an den Pfoten. So bildet z. B. auch der bestachelte Rücken des Igels eine Art Flur der unbestachelten Bauch- | fläche gegenüber; nur sind hier in jeder Haargruppe mehrere Haare zu Stacheln ausgebildet. Ich muss hier eines Versuches von Fıcargr! Erwähnung thun, zwischen Haar und Feder einen Übergang zu finden. Fıcausı be- trachtet als solchen die haarähnlichen Gebilde, welehe in einem Büschel an der Brust des männlichen Truthahns zusammensitzen. Nach seiner Beschreibung sind diese wie Schuppen gebaut, aber wie Schuppen mit einer sehr hohen und feinen, drahtförmigen Papille, welche auch hier von der Epidermis bekleidet wird. Aus solehen Gebilden, meint Fıcaugr, seien einerseits die Haare, andererseits die Federn hervorgegangen, und er betrachtet diese Haare des Truthahns als direktes Überbleibsel der Integumentanhänge im Urzustande. Wäre diese Auffassung richtig, so würde diesen sonderlichen Haaren eine große Bedeutung zukommen; doch scheint sie mir auf sehr schwache Argumente gegründet zu sein. Gerade der einfache Bau dieser Gebilde, welche doch in der That nichts sind als haarförmige Hautpapillen, erschwert es meines Erachtens sehr, ihren vergleichend- anatomischen Werth zu beurtheilen; es scheint mir desshalb die größte Vorsicht bei der Deutung geboten. FicALsr scheint nicht untersucht zu haben, in wie weit bei anderen verwandten Vögeln ähnliche Bildungen vorkommen. Er würde dann, wie ich-meine, ge- funden haben, dass dergleichen Befunde bei Gallinacei nicht gerade selten sind und dass diese Bildungen bei Meleagris nur eine größere Länge als sonst erreichen. So hat Numida ptilonorhyncha einen 1 Atti della soc. Tose. di Sc. nat. Pisa. Vol. XI. 1891. pag. 227. Sulla architettura istologica di alcuni peli degli uccelli. Uber die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 573 Büschel von 10—15 mm langen Faden am Scheitel, und bei Hühnern und Fasanen sind Papillenbildungen am Kopfe ebenfalls weit ver- breitet, welche fast ganz übereinstimmen mit den Randpapillen am Borstenbündel des Truthahns, wie es mir auch die Untersuchung von Sehnitten ergeben hat, und von welchen die langen Borsten eben bloß durch ihre Länge verschieden sind. Es will mir nicht ein- leuchten, dass schon die Länge letztere zu primitiven Haaren macht, da doch auch die genannten Papillen wohl nichts mit Haaren zu schaffen haben. Eher ließen sie sich als etwas modifieirte Schuppen deuten; vielleicht sind es aber auch nur Bildungen sui generis von untergeordnetem Werthe. Wenn ich später die Fußschuppen einer näheren Untersuchung unterwerfe, werde ich auch diese Frage nicht außer Acht lassen. Fıcargr's Behauptungen! »non divido poi affatto le opinioni di KLEE che i rettili progenitori degli uccelli dovessero esser coperti di tubercoli sfibrillati nella parte Cornea: nulla prova, ne la ontogenia, né le considerazioni filogenetiche, che le filoplume possano avere avuto questa origine: in esse, lo ripeto, le barbe si originano su phiegettamenti della papilla dermica. Il primo cenno della penne € in produzioni dermo-epidermiche, non in sfibrillamenti _ di parte cornee« kann ich keinen allzugroBen Werth zusprechen, da sie sich gerade auf seine oben besprochenen Ansichten stiitzen. Doch kehren wir zu unseren Fadenfedern zurück. Außer der ursprünglichen Gruppenstellung der Federn ist noch mehr daraus zu erlernen. Wenn die von mir vertretene Deutung derselben die rich- tige ist, dann folgt nämlich daraus die wichtige Thatsache, dass auch an den Rainen früher Federn vorhanden waren mit starkem Schaft. Zu jener Zeit waren also die langschäftigen Federn relativ noch viel zahlreicher als jetzt, wenn überhaupt die Dunen als solche exi- stirten. Diese Thatsache dürfte wohl für die Auffassung des Ver- bandes zwischen Kontourfedern und Dunen von Gewicht sein. Gehen wir zunächst darauf ein, worauf die Unterscheidung dieser beiden Sorten sich gründet. Verschieden sind sie hauptsächlich in zweierlei Hinsicht, nämlich 1) im Verhalten des Schaftes, 2) im Bau der Nebenstrahlen. Bei Kontourfedern finden wir einen langen Schaft und abgeplattete Nebenstrahlen, welche Häkchen und Wimpern be- sitzen; in einzelnen Fällen können noch allerlei Eigenthümlichkeiten von untergeordnetem Werth eintreten, wie deren z. B. von CLEMENT? 1 ]: e. pag.. 264. ? Structure microscopique des plumes. Bull. Soc. Zool. France. 1. 1876, pag. 282. 574 J. C. H. de Meijeer beschrieben sind. Bei den Dunen dagegen findet sich ein schwacher, _ kürzerer Schaft, welcher bisweilen ganz fehlt, so dass. die Federn doldenförmig aussehen, wie bei Pelecanus, und ihre Nebenstrahlen zeigen sehr verschiedenartige Bildungen. Oft sind die Zellen, welche diese Nebenstrahlen zusammensetzen, am Ende stark erweitert und mit meistens vier Zähnchen versehen, so dass der Strahl knotig aus- sieht (Fig. 14); bald ist keine Spur von solcher Gliederung nach- weisbar, und haben die Zellen am Ende nur ein Paar Wimperchen Fig. 14. Fig. 15. "Fig. 16. | i! ! Dendrocygna arcuata. Ne- Spheniscus demersus. Ne- Plictolophus -roseicapil- benstrahl einer Dune des Rumpf- benstrahl einerDune vom Rücken. lus. Nebeustrahl einer Dune seitenrains. der Brustflur. (Fig. 15), Bei Papageien, Adler ete. (Fig. 16) sind die Zellen sehr fein und die Strahlen selbst äußerst zahlreich. Alle diese Formen von Nebenstrahlen lassen sich von solchen herleiten, wie sie die Fadenfedern noch oft zeigen. Sind sie doch dort meistens aus überall gleich breiten Zellen gebildet, welche am Ende oft ein Paar Wimper- chen, ja zuweilen selbst schon Häkchen tragen. In Betreff der Breite stehen diese Zellen in der Mitte zwischen Kontourfedern und Dunen. Indem die Wimpern bald in stumpfe Zähne, bald in Häkchen über- gehen, erhält man die typischen Anhänge der zwei Federsorten. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 575 Was die Nebenstrahlen anbelangt, so haben sich die Kontourfedern in die eine, die Dunenfedern in die andere Richtung vom primitiven Verhalten mehr oder weniger entfernt, letztere oft sehr wenig. Doch scheint es mir ein wichtiger Befund, dass auch unzweifelhafte Dunen Spuren von Häkchen aufweisen können. Ich fand solche bei 12 bis 17 mm langen echten Dunen des Rumpfseitenrains von Numida me- leagris. Die distalen Nebenstrahlen am unteren Ende der Äste sind hier in Besitz von echten Häkchen, gerade so wie bei Kontourfedern. Es bleibt nun noch die Frage, ob ein kurzer oder ein langer Schaft das primitivste Verhalten repräsentirt. Meines Erachtens bietet die Anwesenheit der Fadenfedern neben den Dunen ein wichtiges Argument für die Ansicht, dass der kurze Schaft der Dunen ein sekundärer Zustand ist. Es wäre sonst schwer zu verstehen, wie die Fadenfedern des Raines ihre langen Schäfte erhalten haben. Leider geben die recenten Vögel auch für diese Frage keine direkten Be- weise; wohl giebt es bekanntlich Vögel ohne Raine (Ratiten, Apte- nodytes), aber es spricht Vieles dafür, dass alle diese flugunfähigen Vögel von guten Fliegern herzuleiten sind. Es ist somit wohl wahr- scheinlich, dass im Verhalten ihrer Pterylose ein Rückschlag vor- liegt, beweisen lässt sich dies aber nicht. Es erübrigt uns nun noch einige Worte dem Embryonalkleide der Vögel zu widmen. Es ist vielfach darin das genaue Bild der Urbefiederung gesehen worden, doch scheint es mir sehr fraglich ob mit Recht. Allerdings sind die Embryonalfedern oft sehr einfach gebaut, indem sie z. B. bei Columba am Ende des schaftähnlichen Grundstückes nur einige gleichwerthige Äste ohne Nebenstrahlen zeigen, doch kann man sie darum noch nicht als primitiv betrachten. Das Rudimentäre ähnelt dem Primitiven gar zu oft. Ist doch wohl keine Embryonaldune einfacher zusammengesetzt als die oben be- schriebenen winzigen Fadenfederchen, welche doch wohl sicher rück- gebildet sind. Es darf meines Erachtens nicht vergessen werden, dass das am besten entwickelte Embryonalgefieder den Nestflüchtern eigen ist,. wozu doch wohl die ältesten Vögelgruppen gehören. Ihre Jugend- dunen haben selbst mehrmals einen Afterschaft (Dromaeus, und, wie ich fand, auch Cygnus!). Ja, es lassen sich bei Cygnus schon ' Es hat auch vor Kurzem Pycrart (A Contribution to the pterylography of the Tinamiformes. The Ibis, January 1895. pag. 11) den Afterschaft bei mehreren Neoptilen aufgefunden, so bei Meleagris, Gallus (a small one), namentlich soll derselbe bei Calodromas elegans und Nothura maculosa 976 J. C. H. de Meijere im Embryonalkleide deutlich zweierlei Sorten von Federn unter- scheiden, nämlich längere (30—35 mm) mit gut entwickeltem Schafte und Hyporhachis; und kürzere (6—15 mm), wo die Äste dolden- förmig am Ende des kurzen Schaftes angeordnet sind. Die Tauben, deren Embryonalfedern wegen ihrer einfachen On- togenese oft als eine Art Urfedern beschrieben sind, sind aber echte Nesthocker. Davies! behauptet wohl: »wenn wir beachten, bis zu welchem Grade die Erstlingsdunen bei der Taube entwickelt sind, so müssen wir sie als in Funktion stehend betrachten, und es ist schwer zu begreifen, dass, wenn Nebenstrahlen einmal erworben waren, sie wieder verloren gegangen wären. Bei Vögeln, deren Erstlingsdunen sehr rudimentär sind, ist dieses in der Anzahl und Größe der Federn ausgesprochen; die Nebenstrahlen erhalten sich bis zum Untergang der Feder, wo sie fehlen, liegt wohl ein niederer Zustand der Dune, nicht ein rückgebildeter vor«, aber Beweise für diese Ansichten führt er nicht an. Ich dagegen meine, dass an vielen Fadenfedern die Nebenstrahlen wohl bestimmt verloren gegangen sind (Caprimulgus, Plictolophus), und warum sollte dies auch an den Erstlingsdunen nicht haben stattfinden können. Ich kann in den Taubenfederchen eben so wenig etwas Primitives erblicken, als ich bei den Papageien die Nacktheit der Jungen als solches zu be- trachten wage. Mir will es vielmehr scheinen, dass wenigstens die einfachsten Formen der Erstlingsdunen reducirte Gebilde sind, und wir also noch höchstens in beträchtlich entwickeltem Kleide vieler junger Nestflüchter primitives Verhalten vermuthen können. Doch auch hier liegt wohl schon manche cinogenetische Änderung vor; namentlich möchte die oft vorkommende Schwäche der Schäfte auch hier eine sekundäre Erscheinung sein. Als wichtige Stütze für diese Ansicht betrachte ich es, dass bei Rhea, Casuarius, Cygnus ete. dieser Schaft absolut gut entwickelt ist. Schon das baldige Auftreten einer neuen Federgeneration, noch ehe die Embryonalfedern eine abge- schlossene Wurzel erhalten haben, weist darauf hin, dass letztere stark entwickelt sein (»the aftershaft almost equals the main feather in size). Von Interesse scheint mir auch, dass schon bei diesen Embryonaldunen die distalen Nebenstrahlen sich anders verhalten als die proximalen (»by the unaided eye the feathers of the dorsal surface can be sharply differentiated into a distal pennaceous and a proximal downy half; this of course, is due to the structure of the radii..... The radii of the distal end of the feather are in no wise to be distinguished from those of such pennaceous feathers as do not interlock, yet, by reason of their stiffnes and close arrangement, form a vexillume«). 1 Morpholog. Jahrbuch. Bd. XV. 1889. pag. 630. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 577 überhaupt behufs einer speciellen, nur einer kurzen Periode im Leben des jungen Vogels angemessenen Bekleidung, modifieirt sind. Ich möchte hier als analogen Fall das Haarkleid der jungen Säuger in Betracht ziehen; es kommen hierin wohl niemals primitive Haarbildungen vor, da wir doch z. B. beim jungen Igel schon Sta- cheln, bei anderen Wollhaare und Grannen unterscheiden können wie bei den erwachsenen Thieren. Es liegt hier offenbar nichts als eine dem Umfang und den Lebensverhältnissen des jungen Thieres angepasste Haargeneration vor, in der aber die Haare selbst in keiner Hinsicht ein primitiveres Verhalten zeigen als beim älteren Thiere. Noch eher ließ sich dies bei den Vögeln denken. Haben doch die Erstlingsdunen Nebenstrahlen, welche weder typisch kontour- federartig, noch typisch dunenartig gebaut sind (Fig. 17). Ihre Zellen sind am Ende meistens nicht breiter, und sind da oft mit Wimpern besetzt. Sie sind aber bestimmt at stärker als bei echten Dunen, zeigen aber wieder keine Spur von Häkchen. Somit ähneln sie den- | jenigen vieler Fadenfedern, und es spricht nichts dafür, dass sie solche jemals besessen haben, wenngleich man sich immer gegenwärtig halten muss, dass auch bei unzweideutigen Kontourfedern Häkchen sehr leicht verloren gehen können (z. B. bei Pinguinen; auch bei anderen Vögeln findet man oft sehr wenig Häkchen an echten Kontour- federn, wie es mir besonders bei Turacus persa auffiel). \ Zum Schlusse will ich noch zwei Punkte be- 4 riihren, welche in einer Federnbeschreibung nicht i | übergangen werden dürfen. Das ist erstens der Cyanı° a en Afterschaft, zweitens das Ratitengefieder. Für beide geren Nestdunen. fragliche Punkte bringt leider meine Untersuchung nichts wesentlich Neues. Wenn auch den jetzigen Fadenfedern all- genfein ein Afterschaft abgeht, so achte ich es doch für unvorsichtig, daraus weitgehende Schlüsse zu ziehen. Es bleibt immer eine auf- fallende Thatsache, dass schon bei den ältesten Vögeln in dieser Hin- sicht so viel Verschiedenheiten bestehen. Welches Verhalten älter ist, dasjenige des Casuars mit zwei gleichen Schäften oder dasjenige von Struthio ganz ohne Afterschaft, bleibt künftigen Untersuchungen vor- - behalten. Nur will ich eine Beobachtung erwähnen, welche ich beim Casuar machte. . Es waren dort im hinteren Theile des Rückens viele 578 J. C. H. de Meijere Federn mit zwei Afterschäften vorhanden. Dergleichen sind auch wohl früher beschrieben worden!, doch wurden sie wohl oft als Monstrosität betrachtet, während ich. es dafür halten muss, dass sie allen Casuaren eigenthümlich sind und also nicht so sehr vernachlässigt werden mögen, wie es in den neueren Handbüchern der Ornithologie meistens der Fall ist. Es scheint mir ihr Auftreten nicht dafür zu sprechen, dass wir im langen Afterschafte der Casuare überhaupt etwas Pri- mitives zu sehen haben. Das Ratitengefieder ist 1) durch das Fehlen der echten, kurz- schäftigen Dunen?, 2) durch das Fehlen der Häkchen an den Strahlen ausgezeichnet. Durch beides gleicht es wohl einem lang verflossenen Stadium der Vögelbekleidung. Doch ist es sehr zweifelhaft, ob wir es hier mit primitiven oder pseudoprimitiven Verhältnissen zu thun haben. Da Alles dafür spricht, dass diese Thiere von guten Fliegern abstammen, ist wenigstens das Fehlen der Häkchen an den Remiges mit großer Wahrscheinlichkeit als sekundäres Verhalten zu deuten, indem ja »vereinzelte Wimpern als Annäherung an den Typus der Häkchen ein knotenförmig verdicktes Ende zeigten*.« Ob dieses auch für die anderen Federn gilt, und ob diese an den den Rainen entspre- chenden Stellen jemals einen schwächeren oder kürzeren Schaft, also größere Ähnlichkeit mit den Carinatendunen besessen haben, das lässt sich für jetzt weder bejahen noch verneinen, und scheint mir überhaupt für unsere Frage von geringerem Interesse, doch deutet das Auftreten von Fluren und Rainen beim jungen Strauße darauf hin, dass früher die Federn wenigstens weniger gleichartig waren als jetzt. ! Minne EDWARDS, Legons sur la physiologie et l’'anatomie comparée. X. pag. 53 (chez le Casoar de la Nouvelle-Hollande). KLEE, Bau und Entwicklung der Feder. Zeitschr. für Naturwissenschaften. Halle. Bd. LIX. pag. 132. Fatio, Mém. soc. phys. Genéve. XVIII. 1866. pag. 253 (chez le Casoar de l’archipel Indien). 2 Es bilden hier nur die Erstlingsdunen von Struthio eine Ausnahme. Das allgemeine Hervortreten der langschäftigen Federn als primitivere Form und ihr häufiges Auftreten im Erstlingsgefieder der Nestflüchter macht es mir jedoch unmöglich, hierin mit Gapow (Bronn, Vögel, systematischer Theil, pag. 93) ein primitives Verhalten zu erblicken. Ich glaube, dass diese Federn schon stark modifieirt sind, worauf schon die eigenthümlichen plattenförmigen Gebilde hinweisen, welche am Ende der längeren Strahlen vorkommen, und welche gerade besonders zur Darstellung der schützenden Pfeffer- und Salzfarbe mithelfen. 3 FÜRBRINGER, Bijdragen tot de Dierkunde. 1888. pag. 1482. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 579 Was endlich die Archaeopteryx anbelangt, so herrschen über deren Befiederung noch wenig einmüthige Anschauungen. Doch scheinen mir zwei Thatsachen von besonderem Interesse: 1) dass bei ihnen keine kurzschäftigen Federn, wie die echten Dunen der Carinaten, nachgewiesen sind; 2) dass ihre größeren Federn in Vie- lem an die der Ratiten erinnern, indem sie u. A. einen ziemlich schwachen Schaft besitzen, so dass es fraglich erscheint, ob sie wohl zum eigentlichen Fliegen dienen konnten. Nach FURBRINGER! machen sie einen schwächeren Eindruck als diejenigen von Rhea und Stru- thio. Ob sie Häkchen besaßen, ist noch zweifelhaft, aber jedenfalls gleichen sie sehr der Urform der Feder, welche ich nach meinen Untersuchungen an recenten Vögeln habe annehmen müssen. Wie es sich etwa mit den Federgruppen bei Archaeopteryx ver- hält, darüber lässt sich wenig Bestimmtes sagen, doch sprechen meines Erachtens namentlich die zweireihig angeordneten Federn des Schwanzes dafür, dass auch hier schon nur die Mittelfedern stark entwickelt waren; ob daneben noch kleinere Federchen, also Faden- federn vorkommen, kann nur durch neue Untersuchungen am Exem- plare selbst festgestellt werden. Es sei mir erlaubt, hier noch einmal meine Hauptresultate mit- zutheilen. Ich glaube, eine Reihe von Thatsachen, welche meine Untersuchungen ergeben haben, berechtigen zu der Annahme, dass in einem gewissen Stadium in der Entwicklung des Vogeltypus die Körperbekleidung bestand aus alternirenden Gruppen von unter ein- ander ähnlichen Federn, deren langer Schaft zweireihig angeordnete Äste trug, welche ihrerseits mit Nebenstrahlen besetzt waren. Letz- tere bestanden je aus einer Reihe von Zellen, welche am Ende ein Paar Wimperchen, vielleicht hier und da auch Häkchen besaßen. In späteren Zeiten bildeten sich mehr und mehr die Mittelfedern der Gruppen auf Kosten der anderen aus, so dass von letzteren jetzt nur noch die Reste in der Form von oft sehr winzigen Fadenfedern vorhanden sind. Die Mittelfedern selbst wurden entweder zu echten Kontourfedern, indem die Wimpern sich mehr und mehr in Häkchen umbildeten und Schaft und Nebenstrahlen stärker wurden, oder sie _ wurden zu echten Dunen dadurch, dass 1) ihre Nebenstrahlen relativ schwächer und zahlreicher, ihre Zellen überdies am Ende erweitert oder in anderer Weise metamorphosirt wurden, und 2) ihr Schaft bedeutend schwächer und kürzer wurde. Wo wir jetzt — und das 1]. c. pag. 1534. 580 J. €. H. de Meijere möchte ich auch für das Embryonalgefieder annehmen — doldenförmige Federn finden, haben wir es mit redueirten langschäftigen Federn zu thun. Welche Form an dieser langschäftigen Urform voranging, darüber wissen wir zur Zeit nichts Gewisses. Speciellere Angaben über die untersuchten Vögel. Zweckmäßigkeitshalber habe ich die Arten nach dem bis jetzt gebräuch- lichen System, wie es z. B. in dem Lehrbuche von CLAUS vertreten ist, an- geordnet. Natatores Spheniscus demersus (Fig. 15). Am Rücken finden sich die gewöhnlichen drei Sorten von Federn: Kon- tourfedern, Dunen und Fadenfedern. Von den Dunen finden sich mehrere in jedem von vier Kontourfedern gebildeten Viereck. Sie haben einen kurzen Schaft und sind fast doldenförmig. Ihre Nebenstrahlen sind nicht knotig, die Zellen tragen am Ende ein Paar ziemlich lange Wimpern. Auch die Endzellen der Nebenstrahlen von den Kontourfedern haben solehe Wimperchen. Meistens kommt zu beiden Seiten einer Kontourfeder eine bisweilen lange Fadenfeder vor. Ihr Schaft entbehrt der Äste oder ist am Ende gefurcht. Die zweireihig angeordneten Nebenstrahlen sind nicht knotig und ohne Wimperchen. Auch an der Stelle, wo sonst der Rumpfseitenrain liegt, findet sich bei Spheniscus obiges Verhalten. Nur schienen mir dort die Fadenfedern seltener zu sein. Die Dunenfedern sind einander ziemlich gleich, sie haben eine Länge von 13—17 mm. Daneben habe ich keine Spur von Fadenfedern auffinden können. Auch den letzten Kontourfedern der hinteren Extremität, da wo die Schuppen anfangen, fehlten die Fadenfedern. — Es ist bemerkenswerth, dass nach STUDER’s Mittheilungen! sich das Federkleid bei Eudyptes chrysocoma anders verhält: da sollen die Dunen überhaupt fehlen, während die Kontour- federn als Ersatz einen Afterschaft besitzen. Letzterer fehlt dagegen bei Spheniseus. Auch NırzscH fand beim Pinguin überall Dunen zwischen den Kontourfedern. STUDEr’s Behauptung, dass das Gefieder des Pinguin sich von dem anderer Vögel dadurch unterscheidet, dass die Federn >nicht in verschiedene Federformen gesondert sind, wie solche bei anderen Vögeln eine Sonderung in Kontourfedern und Dunenfedern bedingen«, trifft also wohl für Eudyptes, nicht für die ganze Gruppe der Impennes zu. > Phoenicopterus antiquorum (Figg. 1 und 11). Spinalflur. Neben den Kontourfedern ein Paar längerer Haarfedern, am Ende mit etwa drei Ästen, welche Nebenstrahlen tragen. Neben den dazwischen stehenden schwarzen, 6—9 mm langen Dunen kommen ein bis drei rudimentäre, astlose Haarfederchen vor. Die Dunennebenstrahlen sind kaum knotig, ge- wimpert, eben so wie die, Nebenstrahlen der längeren Haarfedern, deren Zellen aber breiter sind als bei den Dunen. ! Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XXX. .. * Uber die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordoung. 581 Am Halse fand ich neben jeder Kontourfeder eine Haarfeder. Den Kon- tourfedern an der Außenfläche des Patagiums kamen mehrere mittelmäßige Fadenfedern zu, deren Fahne sehr verschieden ausgebildet war. Auch hier fand ich neben den zwischenstehenden Dunen kleine Fadenfedern. Eben so waren an den längeren Dunen der Innenfläche des Patagiums solche, auch ganz unverzweigt, vertreten. An dem Ubergang des gefiederten in den beschuppten Theil der hinteren Extremität fehlten bei den Kontourfederchen die Fadenfedern. Cygnus olor (Fig. 17). Spinalflur. Zwischen den Kontourfedern stehen zwei Arten von Dunen- federn, wie dies bei manchen Schwimmvögeln der Fall. Es finden sich näm- lich in jedem von vier Kontourfedern gebildeten Vierecke eine längere, in der Mitte stehende Dunenfeder, und etwa vier kürzere. Die Nebenstrahlen sind stark knotig. Auch neben den längeren Dunenfedern fehlten Haarfedern. Neben den dichtgedrängt stehenden Steuerfedern kommen längere Haar- federn vor. Ein neugeborener Schwan zeigte auf der Spinalflur zweierlei Sorten von Federn. 1) Federn von 30—35 mm, mit langem, deutlichem, ziemlich starkem Schafte, welcher zweireihig angeordnete Strahlen trägt, und diese wieder die nicht knotigen Nebenstrahlen; ihre Zellen besitzen Wimperchen. Hyporhachis vorhanden. 2) Federn von 6—15 mm. Schaft sehr kurz, Strahlen also alle beisammen am Ende desselben. An der Gegend des Rumpfseitenrains hatten die längsten Embryonaldunen (etwa 20 mm) einen dünnen, aber doch ziemlich weit zu verfolgenden Schaft. Dendrocygna arcuata (Fig. 14). Spinalflur. Dunen wie bei Cygnus. Auch neben den centralen längeren Dunen (15 mm) fehlen die Haarfedern. Der Rumpfseitenrain hat längere und kürzere Dunen. Neben den ersteren (22—25 mm) fand ich mehrmals eine mittelgroße, am Ende einige Aste tra- gende Fadenfeder, dagegen fehlten sie an den kürzeren (12—16 mm). Dafila sp. Zwischen den großen Steuerfedern, theilweise selbst auf dem Follikel der- selben wurzelnd, kommen Dunenfedern von 10—12 mm Länge vor, deren Neben- strahlen stark knotig sind. Neben diesen Federchen fand ich ein oder zwei ‘ Fadenfedern, deren Schaft meistens am Ende gefurcht war. Jeder dieser Aste war mit kurzen, ungegliederten Nebenstrahlen besetzt. Phalacrocorax carbo (Fig. 7). Die Fadenfedern, welche im Prachtkleide am Nacken vorkommen, sind etwa 20—25 mm lang. Viele sind von oben bis unten mit Nebenstrahlen be- setzt, andere, namentlich an den Grenzen der weißen Stelle, haben nur an der Spitze eine kleine Fahne. Die Zellen der Nebenstrahlen sind überall gleich- Morpholog. Jahrbuch. 23. 38 582’ breit und gewimpert. J. C. H. de Meijere Die unteren, dunenartigen Nebenstrahlen der Kontour- federn dieser Gegend sind viel feiner und ein wenig knotig. Fig. 18. Phalacrocorax carbo, Nebenstrahl einer Faden- feder vom Halse im Pracht- kleide, Die weißen Flecken am Oberschenkel werden von sehr großen Fadenfedern gebildet. In der Mitte des © Fleckens erreichen diese eine Länge von 6 em; nach den Rändern hin werden sie kürzer (4,2 resp. 2 cm), während die schwarzen Kontourfedern im ganzen Flecken etwa 2,5cm lang sind und also ganz von den Faden- federn bedeckt werden. Neben jeder Kontourfeder fin- ‘det man eine derartige lange, und überdies noch ein bis zwei winzige Fadenfedern von gewöhnlichem Bau. Dass die langen Fadenfedern hier auch Häkchen be- sitzen, wurde schon pag. 565 erwähnt. Die am Rande des Fleckens befindlichen Fadenfedern zeigen nur am oberen Ende eine kleine Fahne, schließen sich also unmittelbar den gewöhnlichen Fadenfedern von Phalacrocorax an. Eben solche finden sich auch am Halse und an der Stelle des weißen Fleckens, wenn die Vögel nicht im Prachtkleide sind. | Neben den Dunenfederchen der Spinalflur konnt ich keine Fadenfedern auffinden. Sterna hirundo. Spinalflur. Zu beiden Seiten jeder Kontourfeder finden sich ein bis zwei Fadenfedern, deren Nebenstrahlen ungegliedert sind. Neben den Dunen, die zwischen diesen Kontourfedern vorkommen, fehlen die Fadenfedern. Die Neben- strahlen der Dunen lassen kaum eine Gliederung erkennen und sind ungewimpert. Grallatores. Charadrius upuanus. An der Spinalflur kommt neben jeder Kontourfeder eine ziemlich kurze Haarfeder vor, an deren Schaft die Nebenstrahlen mehr oder weniger zweireihig angeordnet sind. Neben den Dunenfedern fand ich sie nicht. Die Nebenstrahlen der Dunen sind ziemlich stark knotig, aber am Ende der Zellen kommen keine Zähnchen vor. Tringa pugnacx. Unterflur. Neben den Kontourfedern je eine Haarfeder mit zweireihig angeordneten Nebenstrahlen am Schafte. Auch neben den etwa 12 mm langen Dunenfedern des Rumpfseitenrains kommen Fadenfedern vor, von z. B. 1— 1,5 mm Linge, auch mit zweireihig angeordneten Nebenstrahlen. Die Zellen der Dunennebenstrahlen sind wohl am Ende erweitert, aber ungezähnt. Ardea nycticorax. Bei einem noch mit Embryonaldunen bekleideten Exemplare trug die Spinalflur eine Art von Erstlingsfedern von 12—15 mm Länge. Sie waren fast doldenförmig und ihre Nebenstrahlen trugen Wimpern. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 583 Ardea cocot. Neben den Kontourfedern der Spinalflur finden sich mehrere Haarfedern, von denen die liingeren am Schafte zweireihig angeordnete Nebenstrahlen be- sitzen, während die kleineren einfach haarförmig sind. Zwischen diesen Kon- tourfedern kommen etwa 20 mm lange Dunenfedern vor mit deutlichem Schafte und ungegliederten Nebenstrahlen. Auch sie werden von mehreren Haarfedern begleitet, welche aber meistens rudimentär sind; ihr Schaft theilt sich z. B. am Ende bloß in ein Paar Äste und ist ganz farblos. Sie sind etwa 0,6 mm lang. Auch neben den etwa 28 mm langen Dunen an der Innenfläche des Pata- giums kommen einige kleine Fadenfedern vor. Diese Dunenfedern besitzen sehr zahlreiche, nicht knotige Nebenstrahlen. An beiden Seiten des Rückens finden sich einige Federn von eigenthüm- lichem Bau. Es sind dies nämlich Kontourfedern, welche nieht nur unten dunige Strahlen besitzen, sondern an der einen Seite von unten bis oben einen dunenartigen Saum. Die betreffenden Äste sind also in ihrer unteren Hälfte mit häkchentragenden, oben mit dunenartigen Nebenstrahlen besetzt. Auch zwischen den Puderdunen des Hinterrückens fehlen die Fadenfedern nicht. Sie sind hier aber klein, astlos und am Ende abgebrochen, etwa 0,5 mm lang und 0,013—0,02 mm breit. Eben so verhält es sich an den Brustpuder- dunen. Die Puderdunen sind bei dieser Art viel länger als bei A. purpurea nämlich bis 50 mm lang. Ardea purpurea. Auch hier fand ich zu beiden Seiten der Dunen des Rückens ein bis zwei Fadenfedern. ¢ Zwischen den Puderdunen finden sich kleine, farblose, unverzweigte Faden- federchen von etwa 0,5 mm Linge. Neben den untersten Federn der Pfoten, da wo schon die Schuppen an- fangen, kommen auch noch kleine Fadenfederchen, und zwar ein oder zwei bei jeder Kontourfeder, vor. Etwas höher am Fuße wird ihre Anzahl sofort größer, aber sie sind auch dann meistens noch astlos. Crex pratensis. Die Spinalflur besitzt nur. spärliche Fadenfedern, meistens nur eine auf jeder Seite einer Kontourfeder, von welchen beiden dann die eine viel länger zu sein pflegt als die andere. Die Nebenstrahlen an den zwei bis drei Ästen sind zweireihig angeordnet. Die Zellen ihrer Nebenstrahlen sind überall gleich breit, nur am Ende der Nebenstrahlen mit Wimperchen umgeben. Den Dunen- federchen der Spinalflur fehlten die Fadenfedern. Die Nebenstrahlen dieser Dunen sind knotig. Fulica atra. Spinalflur. Die längsten Dunen erreichen hier 5—6 mm Länge; neben ihnen kamen keine Fadenfedern vor. Die 8—9 mm langen Dunen der Brustflur fand ich dagegen bisweilen von einer kurzen Haarfeder begleitet. Die nur 3 mm langen Dunenfederchen, welche ebenfalls an der Brustflur zwischen den anderen Federn vorkommen, entbehrten dieser Fadenfedern. Am Rumpfseitenrain kommen hauptsächlich dreierlei Sorten von Dunen vor, nämlich 1) solehe von etwa 25 mm. Diese Dunen haben einen deutlichen : 38* 584 J. C. H. de Meijere Schaft und Afterschaft; nur hier und da, besonders an der Basis der Neben- strahlen, sind ihre Zellen am Ende mit knotenartiger Erweiterung versehen, welche vier Zähne trägt. Dies ist besonders auch am Afterschafte der Fall. Am Ende der Nebenstrahlen dagegen sind die Zellen nicht erweitert und nur mit Wimpern versehen. Neben den Dunen dieser Sorte kann eine kleine, mit zweireihig angeordneten Nebenstrahlen besetzte Haarfeder vorkommen. 2) Dunen von etwa 12mm. Übrigens der vorigen Sorte gleich. 3) Dunen von nur 3 mm, mit‘ kurzer Spule und fast ohne Schaft. Daneben findet sich keine Spur von Haarfedern. Otis tarda. Am Rücken finden sich neben den Kontourfedern sehr lange (bis 51/2 em) Fadenfedern, welche nur am Ende mit kleiner Fahne von 2—3 mm Länge ver- sehen sind. Neben den 12—15 mm langen Dunen! auf der Spinalflur fand ich keine Fadenfedern. Es sind diese Dunenfedern fast doldenförmig. Die bis 3!/; em langen Dunen des Rumpfseitenrains besitzen einen viel deutlicheren Schaft. Es finden sich neben ihnen zuweilen zu beiden Seiten kleine, unverästelte, gebogene oder abgestutzte Fadenfederchen. Auch neben den untersten Federn des Fußes sind noch kleine Fadenfedern nachweisbar. Gallinacet. Meleagris gallopavo. An der Spinalflur sind die Fadenfedern sparsam und kurz. Ihr Schaft trägt am Ende einige wenige Strahlen, welche mit Nebenstrahlen besetzt sind. Neben den Dunenfedern des Rumpfseitenrains kann auch eine kurze Fadenfeder vorhanden sein. Die Nebenstrahlen der Dunen sind nicht knotig, kurz gewimpert. Die Federn des fast nackten Halses sind offenbar rückgebildete Kontour- federn. Sie haben einen langen Schaft und nur am unteren Ende einige Äste. Zu beiden Seiten einer solchen Feder kommt oft ein noch viel kleineres, ast- und farbloses Federchen vor, welche ich demnach als die Fadenfeder betrachten möchte. Gallus domesticus (Fig. 5). Die kleinen Kontourfederchen, welche in der papillentragenden Haut in der Nähe des Kammes wurzeln, sind jederseits von einer gut entwickelten, am Ende einige Äste besitzenden Fadenfeder begleitet. Nebenstrahlen fehlen hier aber. Es sind also auch in dieser fast nackten Hautpartie noch die Gruppen von Federn nachweisbar. An dem Fuße eines Hahnes, der bis unten mit Federn besetzt war, fand ich von Fadenfedern keine Spur. Auch mehr nach oben am Fuße, wo die Schuppen schon nicht mehr auftraten, waren sie nur sparsam und sehr klein. ‚Dagegen zeigte sich bei einem sogenannten Negerhuhne an der Stelle, wo die Schuppen aufhören, neben den untersten Federn noch immer jederseits eine Fadenfeder. o')'4 Teh’ bin hier in Widerspruch mit Nirzscu und GADow, nach welchen bei den Otiden Dunen nur auf den Rainen vorkommen würden. CE Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 585 Die Kontourfedern sehen bekanntlich bei dieser Rasse dunenartig aus. Ihre Nebenstrahlen sind nicht knotig; die Zellen derselben am Ende mit vier ‚Zähnchen versehen. Diese Zähnchen schienen mir an den echten Dunen dieser Rasse weniger ausgebildet. Die Äste aller dieser Federn sind hier oft mehr- fach verzweigt. : An der Spinalflur finden sich lange Fadenfedern, welche nicht nur oben, sondern auch hier und da mehr nach unten hin Aste mit Nebenstrahlen tragen; letztere zeigen nur Andeutungen von Knoten und sind kurz gewimpert. Neben den Dunen des Rumpfseitenrains kommen 3—5 mm lange Faden- federn vor von einfacherem Bau: ihr Schaft trägt nur am Ende einige Äste, welche der Nebenstrahlen entbehren. Phasianus torquatus. Neben vielen Kontourfedern der Spinalflur kommt eine lange Fadenfeder vor. Ihr Schaft trägt am Ende einige wenige Äste, welche mit Nebenstrahlen besetzt sind. Auch neben den sehr kleinen Kontourfederchen beim Auge kommen noch Fadenfederchen vor; hier sind sie aber meistens unverzweigt. Eben so findet sich neben den untersten Federn des Beines meistens je eine Fadenfeder. Am rothen, papillentragenden Kopflappen des & sind neben den sehr kleinen Kontourfederchen von etwa 1 mm, welche hier sparsam vorkommen, Fadenfederchen vorhanden, welche auffallenderweise diese Kontourfedern in Länge weit überragen. Sie sind bis 5 mm lang, am Ende entweder nicht oder sehr wenig verästelt. Pavo cristatus. An der Spinalflur sind neben den Kontourfedern sparsame Fadenfedern vorhanden. Am Ende ihres Schaftes sitzen einige mit wenigen kurzen Neben- strahlen besetzten Äste. Die Kontourfedern haben einen etwa 20 mm langen Afterschaft. Dunen fehlen hier. Am Rumpfseitenrain kann neben den Dunen noch eine kleine farblose, am Ende mit drei bis vier nackten Ästen besetzte Fadenfeder vorhanden sein. Auch diese Dunen, welche sich alle gleich verhalten und ca. 35 mm Länge er- reichen, besitzen einen Afterschaft; die Zellen ihrer Nebenstrahlen sind überall gleich breit, mit kurzen Wimpern versehen. Am basalen Theile der Äste waren an den dort kurzen und dicken Nebenstrahlen noch einige Häkchen nachweis- bar, jedoch viel weniger als bei Numida meleagris. Pavo muticus. An der Spinalflur sind alle Kontourfedern von mittelmäßigen Fadenfedern begleitet: von diesen kommen z. B. jederseits zwei vor. Diese sind dunkel pigmentirt, am Ende mit einigen Ästen versehen, welche aus fast gleich brei- ten, kurzgewimperten Zellen bestehende Nebenstrahlen tragen. Der After- schaft dieser Kontourfeder ist sehr kurz (etwa 4 mm, also beträchtlich kleiner als bei P. cristatus). Dagegen finden sich hier zwischen den Kontourfedern Dunenfedern von etwa 20 mm mit deutlichem, aber schwachem, etwa 5 mm ‚langem Schafte; ihre Nebenstrahlen sind nicht knotig, mit Wimpern besetzt. Auch neben diesen Dunen kam vereinzelt eine Fadenfeder vor. Es bildet also P. muticus eine Ausnahme von der von Nirzscu (Ptery- 586 J. ©. H. de Meijere jographie, pag. 160) vertretenen Ansicht, dass den Hühnervögeln die Dunen zwischen den Kontourfedern immer fehlen. Häkchen konnte ich an diesen Dunen nicht beobachten. An den kleineren Kontourfedern des Kopfes waren die Fadenfedern nicht immer vorhanden; eben so sind sie an den Beinen sparsam. Numida meleagris. Am Rumpfseitenrain kommen Dunenfedern von 12—17 mm vor; diese be- sitzen einen mittelmäßigen Afterschaft und ihre Nebenstrahlen sind nur hier und dort knotig. An der Basis der unteren ‚Strahlen fielen deutliche Häkchen an den distalen Nebenstrahlen auf. Zwischen den Steuerfedern fand ich kleine Dunen von 6—7 mm Länge, welche bisweilen von einer kleinen, rudimentären Fadenfeder begleitet werden. Die Nebenstrahlen dieser Dunen sind nicht knotig und kurz gewimpert. Neben den Steuerfedern selbst kommen sparsame, aber lange Fadenfedern vor. Numida ptilonorhyncha (Fig. 12). Am Übergang zwischen dem befiederten und behaart aussehenden Theile des Kopfes kommen neben den kleinen Kontourfederchen noch unverzweigte Fadenfederchen vor. An dem fast kahl aussehenden Theile des Kopfes kommen rudimentäre Kontourfedern von etwa 5 mm Länge und 0,08 mm Breite vor, mit astlosem oder doch nur wenig verzweigtem Schaft. Nur bisweilen sind an diesen Ästen, welche meist am unteren Ende des Schaftes vorkommen, noch einige Neben- strahlen vorhanden. Jede dieser Kontourfedern wird von zwei bis vier noch viel kleineren (0,5—0,9 mm langen, 0,012 mm breiten) Fadenfedern begleitet. Pterocles alchata. An der Spinalflur findet sich meist zur Seite jeder Kontourfeder je eine Fadenfeder; diese haben am Ende drei bis vier Äste mit Nebenstrahlen. ‘An den Füßen tritt unter jeder Schuppe eine kleine Kontourfeder hervor. Hier fehlen die Fadenfedern. Columbinae. Caloenas luzonica. Neben den Halbdunen am Rande der Unterflur kommt meist je eine Faden- feder vor; diese hat am Ende des Schaftes einige nackte Strahlen. An den Halbdunen selbst sind nur die unteren Nebenstrahlen knotig; die oberen sind überall gleich breit, gewimpert, aber ohne Häkchen. An den Steuerfedern sind die Fadenfedern sparsam; meistens ist nur eine solche vorhanden, welche dann aber lang sein kann. Ihre Aste sind mit weni- gen kurzen, ungegliederten Nebenstrahlen besetzt. Goura coronata. Fadenfedern finden sich an der Spinalflur nur in geringer Ausbildung. Sie sind sparsam und überhaupt farblos, meistens auch astlos. Dunen fehlen an dieser Stelle. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 587 Scansores. Corythatx persa. Am Riicken (Spinalflur) sind die Haarfedern sparsam (z. B. eine neben einer Kontourfeder), aber ziemlich lang. Am Ende des Schaftes finden sich etwa . drei gleich starke Äste, welche grünlich aussehen und an ihrem unteren Ende einige wenige, aber ziemlich lange Nebenstrahlen mit braunem Pigmente tragen. Die Zellen derselben besitzen keine Wimpern. e Picus major. An der Spinalflur finden sich nur wenige Fadenfedern neben den Kontour- federn; bisweilen aber doch zwei an einer Seite. Ihr Schaft trägt häufig am Ende zwei Äste, welche jederseits mit Nebenstrahlen besetzt sind, deren Zellen überall gleich breit und wimperlos sind. Plictolophus roseicapillus (Fig. 16). Brustflur. Die Kontourfedern besitzen nur spärliche Haarfedern, welche von mittlerer Länge sein können, und entweder. keine oder nur wenige (z. B. drei) Äste am Ende tragen. Nebenstrahlen sind nicht da. Zwischen den Kontour- federn kommen Dunen von .ca. 15 mm vor, neben denen bald jederseits, bald bloß an einer Seite, eine dünne astlose und farblose Fadenfeder wurzelt. Zu- weilen finden sich auch zwei solcher Fadenfedern neben einander. Die Neben- strahlen der Dunen sind ungemein lang, fein und zahlreich, deutlich knotig. Neben jeder der Steuerfedern finden sich mehrere Fadenfedern, unter wel- chen einige längere. Am Ende haben sie einige Äste; Nebenstrahlen fehlen aber. Zwischen den Steuerfedern sind Dunen von 15—20 mm vorhanden, welche ebenfalls von einer oder mehreren Fadenfedern begleitet werden. Diese sind aber astlos und klein. Zwischen den Puderdunen am Hinterrücken kommen auch gewöhnliche Dunen vor. Neben diesen fand ich mehrmals sehr winzige Fadenfederchen. Palaeornis torquatus. Neben den ca. 14 mm langen Dunen, welche an der Spinalflur zwischen den Kontourfedern stehen, ist zuweilen jederseits eine astlose, farblose, etwa 0,5 mm lange Fadenfeder vorhanden. Die Dunennebenstrahlen sind sehr zahl- reich, fein, und stark knotig. Neben den Kontourfedern sind jederseits ein oder zwei Fadenfedern vorhanden von verschiedenartiger Ausbildung, bald ast- los oder nur gegabelt, bald am Ende mit z. B. drei Ästen besetzt, welche Nebenstrahlen tragen. Am Rumpfseitenrain finden sich Dunen von etwa 13 mm Länge. Sie haben ebensolche Fadenfederchen neben sich wie die Dunen der Spinalflur. Auch neben den unteren Federn des Fußes finden sich noch Fadenfederchen. Platycercus eximius. Am Scheitel war an jeder Seite jeder Kontourfeder eine am Ende ge- gabelte Fadenfeder vorhanden. 958 J. C.H. de Meijere Passeres. Bei einem Kolibri zeigten sich an der Spinalflur keine Fadenfedern; da- gegen waren sie neben den Steuerfedern vorhanden, am Ende war ihr Schaft mit zweireihigen Nebenstrahlen besetzt. Eine solche Feder war im Ganzen nur 11/5, mm lang. Caprimulgus europaeus (Fig. 4). Fig. 19. i i An der Spinalflur waren die Fadenfedern, welche /| neben den Kontourfedern vorkommen, fast alle am Ende gegabelt. Am Afterschafte und den unteren Asten der Kontourfedern sind die Nebenstrahlen ungegliedert, haben auch keine Wimpern oder Zähnchen. Cyanurus pileatus. Die Fadenfedern, welche an der Brustflur neben den Kontourfedern sparsam vorhanden sind, haben am Ende ihres Schaftes zweireihig angeordnete Nebenstrahlen, deren Zellen iiberall gleich breit und weder gewimpert noch ge- zähnelt sind. Neben den großen Steuerfedern kommen jederseits HE roa mehrere Fadenfedern vor, welche zuweilen sehr ausge- eth fac derSpinalflur, Dildet sind, z. B. am Ende vier Aste tragen, welche dicht mit Nebenstrahlen besetzt sind. Zwischen den Steuer- federn, zum Theil auch auf ihren großen Follikeln wurzelnd, kommen kleine 10—15 mm lange Dunen vor, welche einen deutlichen Schaft und knotige Neben- strahlen besitzen. Parus biarmicus. Fig. 20. 5 : 3 F Hier konnte ich an dem von mir untersuchten Stück- 7 chen der Spinalflur keine Fadenfedern auffinden. Doch werden sie auch hier wohl nicht ganz fehlei. An den Kontourfedern war auffallend, dass viele Nebenstrahlen direkt dem Schafte angeheftet waren. _ Saxicola rubetra (Fig. 3). Fadenfedern sind auf der Spinalflur nur spärlich ver- treten. Der Schaft trigt am Ende zweireihig geordnete Nebenstrahlen, welche ungegliedert und ungewimpert sind. Der Schaft ist dort öfters ein wenig verdickt und zeigt im Inneren deutliches Mark. Cyanurus pileatus, Nebenstrahl einer Faden- Turdus merula. feder vom Schwanze. An der Spinalflur findet sich höchstens eine Faden- feder neben jeder Kontourfeder; diese kann aber eine beträchtliche Länge er- reichen. Am Ende des Schaftes sind zweireihig angeordnete Nebenstrahlen vorhanden; Äste fehlen also. Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 589 Amadina chalybeata. Jede Kontourfeder der Spinalflur wird von einer langen Fadenfeder be- gleitet. Am Ende des Schaftes findet sich jederseits eine Reihe von Neben- strahlen. Auch den Dunen des Rumpfseitenrains kommt je eine Fadenfeder zu, welche eben so wie die der Spinalflur gebaut, aber kürzer ist. Die Zellen der Dunen und Nebenstrahlen sind am Ende einigermaßen erweitert, mit wenig entwickelten Zähnchen versehen. Am Unterflügelrain fand ich neben den Dunen keine Fadenfedern. Amadina fasciata. Spinalflur wie bei der vorigen Art. Weder neben den kleinen Kontourfederchen in der Nähe des Schnabels, noch neben den Mundborsten waren Fadenfedern vorhanden. Die Mundborsten sind offenbar Kontourfedern, deren Schaft entweder gar keine oder nur am unteren Ende ein Paar Äste mit wenig entwickelten Nebenstrahlen trägt. Raptatores. Strix flammea (Fig. 13). Junges Thier von 9 cm Rumpflinge. Die Füße sind deutlich beschuppt; hinter jeder Schuppe stehen drei Federn, von welchen die Mittelfeder viel län- ger (2—2,5 mm) ist als die äußeren (0,35—0,5 mm), welche offenbar Fadenfedern sind. Doch sind auch diese Mittelfedern rudimentär, indem sich nur am unteren Ende des langen Schaftes ein Paar wenig entwickelte Äste zeigen. An der Schiene fanden sich, obgleich die Schuppen fehlten, ebensolche Gruppen von drei Federn; hier ist aber die Mittelfeder viel mehr ausgebildet und mit einer dunenartigen Fahne versehen. Am Rücken sind die Fadenfedern eben durchgebrochen. Bei einem erwachsenen Exemplare war von den seitlichen Federn hinter den Fußschuppen nur hier und da eine übergeblieben. Am Rumpfseitenrain zeigten sich auch neben den Dunenfedern einige Haarfedern, welche fast keine Äste besitzen und der Nebenstrahlen entbehren. Neben den Kontourfedern der Brust kommen nur sparsame und ziemlich kurze Fadenfedern vor. Vultur papa. Am Halse kommen deutliche mit Häkchen versehene Kontourfedern vor, zwischen denen Dunen stehen. Die Kontourfedern werden von zwei bis vier ganz winzigen Resten von Fadenfedern begleitet. Es sind dies farb- und ast- lose, am Ende öfters abgestutzte Gebilde. Die Nebenstrahlen der Dunenfedern sind fast überall gleichbreit, sehr zahlreich und fein. Ihre Zellen tragen am Ende kurze Wimperchen. Den rudimentären, kleinen Kontourfedern des Kopfes fehlten die Fadenfedern ganz. Aquila audax. Neben den Kontourfedern der Spinalflur finden sich lange Fadenfedern, deren Schaft am Ende einige gleichgroße Aste trägt, welchen ziemlich zahl- reiche, ungegliederte und kurz oder nicht gewimperte Nebenstrahlen aufsitzen, 990 J. C. H. de Meijere Den zwischen den Kontourfedern zerstreuten Dunen fehlten die Faden- federn. Sie besitzen sehr zahlreiche und feine, ungegliederte und ungewimperte Nebenstrahlen. ; Falco tinnunculus. Juvenis. Die Spinalflur sowie der Rumpfseitenrain sind mit etwa 5 mm langen, doldenförmigen Embryonaldunen besetzt, deren zahlreiche Nebenstrahlen unge- gliedert und mit Wimperchen besetzt sind. Milvus govinda (Fig. 2). Brustflur. Neben den Kontourfedern finden sich jederseits zwei oder drei, längere oder kürzere Fadenfedern. Ihr Schaft trägt am Ende zwei bis drei Äste, welche mit zweireihig angeordneten Nebenstrahlen dicht besetzt sind. Zwischen je vier Kontourfedern finden sich mehrere, unter einander nicht sehr verschiedene Dunen von 20—25 mm, deren Nebenstrahlen sehr fein und zahl- reich, ungegliedert und fast nicht gewimpert sind. Einmal traf ich auch neben einer Dune noch eine kleine Fadenfeder. Am vorderen Patagium zeigte sich weder an der Ober- noch an der Unter- fläche neben den Dunen eine Spur von Fadenfedern. An den untersten Kon- tourfederchen des Fußes fanden sich kleine Fadenfederchen vor. Ratiten. Struthio molybdophanes (Fig. 10). - Neben den dicken Schwanzfedern finden sich je vier bis fiinf kleme Faden- federn von 3—15 mm, deren Schaft entweder ganz nackt ist, oder am unteren Ende einige Äste trägt. Die obere Hälfte des Halses ist mit rudimentären Federn dicht besetzt. Diese haben meistens nur am Grunde des langen, am Ende oft gegabelten Schaftes einige Äste, welche mit kurzen, aber ziemlich breiten Nebenstrahlen besetzt sind. Namentlich an der Kehle war deutlich erkennbar, dass die Federn in alternirenden Gruppen angeordnet waren. Immer stehen um eine längere Mittelfeder von 15—25 mm zwei bis fünf kürzere (3—6 mm) herum. Letztere repräsentiren die Fadenfedern. Diese sind hier also gleichgebildet wie die Mittelfedern der Gruppen; beide gleichen in ihrem Bau den Mundborsten an- - derer Vögel. An der unteren Hälfte des Halses findet ein allmählicher Über- gang statt von den Mittelfedern dieser Gruppen in größere Federn, wie sie sich auch am ganzen Rumpfe finden, während die Fadenfedern dort kleiner (1—2 mm) und weniger zahlreich werden. Am oberen Ende der Pfoten finden sich zwischen ‚den Andeutungen von Schuppen zerstreute Federchen von 10—15 mm, welche nur am Ende mit kleiner Fahne versehen sind. Auch neben dieser fand ich hier und da noch eine kleine Fadenfeder von ca. 2mm. Am Rücken und neben den Deckfedern des Flügels kommen nur vereinzelte sehr kleine Fadenfederchen vor; neben den Schwung- federn aber finden sich mehrere, bis 15 mm lange, welche meistens nur aus einem nackten Schafte bestehen. 2 Über die Federn der Vögel, insbesondere über ihre Anordnung. 591 Rhea americana (Fig. 8). Die Fadenfedern sind hier sehr spärlich und winzig. Sie stellen gebogene, am Ende abgestutzte, astlose Gebilde dar von etwa 0,6 mm Länge und 0,025 mm Breite. Solche finden sich vereinzelt, zuweilen aber auch zu zwei neben den Federn des Schenkels, der Brust, des Halses. Sie sind entweder farblos oder bräunlich. Neben den untersten Federn des Beines vermisste ich sie ganz. An den langen Handschwingen sind die Nebenstrahlen meistens unge- gliedert, ziemlich breit, und mit ziemlich langen Wimpern besetzt. ‘ Casuarius westermant (Fig. 9). Am hinteren Theile des Rückens finden sich mehrere Federn mit doppel- tem Afterschafte. Am Rücken sind die Fadenfedern spärlich und klein; selten ist eine Kon- tourfeder jederseits von einer solchen begleitet. Sie sind astlos, gekrümmt ‚bisweilen am Ende abgebrochen, bald farblos, bald braun. Eben so ist das Verhalten am Halse, doch traf ich hier auch einige mehr ausgebildete Fadenfedern, wie z. B. die in Fig. 9 abgebildete, welche 7 mm lang war und an der nicht allein Äste, sondern selbst Nebenstrahlen bestanden. Der rothfarbige Theil des Halses trägt rudimentäre Federn, deren Schaft ganz astlos ist oder unten nur ein bis drei Äste trägt. Doch fehlen selbst neben diesen die Fadenfedern nicht. Bald jederseits, bald nur an einer Seite, findet sich neben einem solchen braunen haarähnlichen Federchen noch eine viel winzigere, farb- und astlose Fadenfeder. Somit sind auch hier noch die Feder- gruppen nachweisbar. Am Übergange zwischem beschuppten und gefiederten Theile des Beines sind mehrere Federn von ein oder zwei mittelmäßigen Fadenfedern begleitet. Sie sind hier bis 10 mm lang und 0,05 mm breit, schwarz; der Schaft trägt nur unten ein Paar feine, lange Strahlen. Apteryx. Die Nebenstrahlen der Brust- und Rückenfedern sind aus überall gleich- breiten, am Ende kurz gewimperten Zellen zusammengesetzt. Besprechung, Leche, Wilhelm, Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere, zugleich ein Beitrag zur Stammesgeschichte dieser Thiergruppe. I. Theil. Ontogenie. Bibliotheca Zoologica. Heft 17. Stuttgart, Verlag von Erwin Nagele. 1895. gr.4. 1608. Mit 19 Tafeln (169 Figuren) und 20 Textfiguren. Einzelpreis „4 32,—. Iu diesem umfangreichen und in jeder Hinsicht vorzüglich ausgestatteten Werke giebt der als Autorität auf dem Gebiete der Morphologie und insbe- sondere der Odontologie der Mammalia bekannte Verfasser den ersten Theil seiner langjährigen Untersuchungen über. das Zahnsystem dieser Wirbelthier- klasse; zahlreiche kleinere und größere Abhandlungen in den letzten 20 Jahren, von denen namentlich die 1892 und 1893 im Morphologischen Jahrbuche ver- öffentlichten Studien hervorgehoben seien, bilden seine Vorläufer. Ein zweiter, noch umfangreicherer Theil, dessen Vorarbeiten schon abgeschlossen sind, soll unter Benutzung der ontogenetischen Ergebnisse die vergleichende Anatomie und Paläontologie des Säugethiergebisses behandeln und dessen Palingenie er- schließen. So liegt hier eine Arbeit vor, die bereits Großes leistet und noch Größeres in Aussicht stellt. ; LecHe hat für seine ontogenetischen Untersuchungen das sehr reiche Ma- terial von 28 Säugethierarten benutzt, und zwar 7 Insectivora (Erinaceus, Eri- culus, Sorex, Crossopus, Talpa, Scalops, Condylura), 3 Carnivora (Felis, Canis, Phoca), 4 Chiroptera (Phyllostoma, Desmodus, Vesperugo, Cynonycteris), 6 Mar- supialia (Didelphys, Myrmecobius, Perameles, Trichosurus, Phascolarctus, Hal- maturus), 5 Edentata (Tatusia peba und hybrida, Bradypus, Tamandua, Manis), 2 Cetacea (Phocaena, Balaenoptera) und Homo sapiens, die meisten in mehreren (bis 11) Stadien, von denen durchweg liickenlose Schnittserien gewonnen wurden. Rodentia und Ungulata wurden absichtlich von der Untersuchung ausgeschlossen, von Prosimiern fehlte ein geniigendes Material. Mit der Untersuchung der Säugethiere verband er diejenige von Vertretern der Amphibia (Siredon) und Reptilia (Anguis, Lacerta, Iguana). Die Darstellung beginnt mit einer Einleitung, welche über den Umfang der gestellten Aufgabe und die kritische Auslese der zu ihrer Bewältigung ver- wendeten Arbeitsmethoden handelt und zugleich die Fragen fixirt, deren Lösung der Verfasser in Aussicht genommen hat; dieselbe enthält ferner eine objektive historische Darstellung des bisherigen Standpunktes unserer Kenntnis von der Ontogenese der Milch- und Ersatzzähne. i Darauf folgt der specielle Theil, welcher die genaue Beschreibung der an den oben angeführten Thieren gewonnenen Befunde giebt; unter denselben LP LE LU 2 ee 2 ee Besprechung. 593 beanspruchen theils durch ausführlichere Behandlung, theils durch höhere Be- deutung für die vorliegende Aufgabe Erinaceus, die Sorieidae, Felis, Phoca, Didelphys, Myrmecobius, Halmaturus, Tatusia, Bradypus und Phocaena ein be- sonderes Interesse. Der Darstellnng der Einzelbefunde folgt bei jeder Familie eine verbindende. Betrachtung der Ergebnisse und Folgerungen, die sich zu- meist zu Resultaten von allgemeinerer und größerer Bedeutung erhebt. Der allgemeine Theil fasst Alles zusammen und gelangt damit zugleich zur Besprechung der wichtigsten auf dem Gebiete der Odontologie noch schwe- _ benden Fragen und Kontroversen, fast allenthalben zur Lösung derselben nennenswerthe Beiträge liefernd. Namentlich sind es die folgenden Punkte, welche hier behandelt werden: Zahnwall und Zahnfurche; Schmelzleiste und Schmelzkeim; Abschnürung des letzteren von ersterer; Kriterien zur Entschei- dung, ob im gegebenen Falle ein Zahn zur ersten oder zweiten Dentition ge- hört; Begriff der Dentition; verschiedene Wirkungsart der Reduktion in den beiden Dentitionen, Stellung der Molaren zu den Dentitionen; vierte und prä- lacteale Dentition; Entwicklungsgang und Genese der vier Dentitionen (Zahn- generationen) bei den Säugethieren; über die Möglichkeit einer Vermehrung der Zahnanzahl; Verschmelzungshypothese. Den Schluss bildet eine kurze Ab- wägung der Leistungsfähigkeit der ontogenetischen Forschung für die Auf- gaben der Morphologie des Zahnsystems. Allenthalben verbindet der Verfasser mit der Darstellung seiner Resultate die Besprechung der von anderen Forschern erhaltenen Ergebnisse. Seine Kritik ist hierbei durchweg wohlwollend und anerkennend gegen die Unter- suchungen der anderen Autoren, auch wo er mit denselben differirt, streng und gewissenhaft gegenüber der eigenen Arbeit. Dessgleichen begnügt er sich nicht mit der bloßen Reproduktion der durch die ontogenetische Untersuchung erhaltenen Befunde und der daraus zu ziehenden Schlüsse, sondern prüft die- selben allenthalben so weit möglich an der höheren Instanz der vergleichenden Anatomie und Paläontologie; auch sucht er wiederholt die morphologischen Entwicklungsgänge an der Hand der Funktionirungen zu erklären resp. zu ver- anschaulichen. Nach vielen Seiten hin kann seine Darstellung als ein Muster gelten. Eine Besprechung des LecHe’schen Werkes muss sich bei dem überaus reichen Inhalte desselben auf einige (daraus hervorzuhebende Resultate von all- gemeinerer Bedeutung beschränken; hinsichtlich aller Details und zahlreicher anderer dort behandelter Fragen sei auf das Werk selbst verwiesen. Zahnwall und Zahnfurche, welche in ihrer Existenz und Anordnung bei den Säugethieren sehr variiren, haben keine ursächliche Beziehung zur Zahnentstehung oder Zahnentwicklung, sondern sind für die Konfiguration der Mundhöhle während der zahnlosen Lebensperiode von Bedeutung; dessgleichen hebt LEcHe die Selbständigkeit der Lippenfurche gegenüber der Zahnfurche hervor. Mit Nachdruck wird die Unabhängigkeit der Zähne von den sie umgebenden Skelettheilen betont und vor Irrthümern gewarnt, welche da- durch entstehen können, dass die verschiedenen Zähne nach diesen Skelettheilen determinirt und homologisirt werden. Den wesentlichen Ausgangspunkt für die Entstehung der Zähne bildet die ektodermale Schmelzleiste; aus ihrer labialen Fläche entwickeln sich die Schmelzkeime der einzelnen Zähne und Dentitionen in von einander unab- hängiger Weise. Wo die Schmelzleiste tief genug in das Mesoderm einwuchert, ruft sie in demselben eine Verdichtung hervor, welche eine einfache Reaktion 594 Besprechung. des Bindegewebes darstellt, aber an sich noch nichts mit der Zahngenese zu thun hat. Die Schmelzleiste ist nur die Voraussetzung für Jie Entstehung der Zahnanlagen. Diese werden erst durch die sich weiter entwickelnden und mit einem Zahnsäckchen sich umgebenden Schmelzkeime ausgebildet, welche sich den mesodermalen Papillen auflagern resp. anlagern und von wirklich form- bildender Bedeutung für die Zahnbildung sind; durch die gegenseitige Ein- wirkung beider Komponenten erfährt hierbei der Schmelzkeim eine successive Umwandlung in ein knospen-, kappen- und glockenförmiges Stadium. Verfasser stellt sich hiermit auf den von BAUME, namentlich aber von RösE, VON BRUNN und BALLOWITZ geschaffenen Boden und bestätigt deren Untersuchungen durch eigene Befunde; von speciellem Interesse sind seine Angaben über die Reduk- tionserscheinungen am Schmelzkeime gewisser, des Schmelzes an ihren Zähnen entbehrender Edentaten (Bradypus) und Cetaceen (Balaena). Unter Umständen können sich auch Zahnanlagen unmittelbar unter dem Mundepithel, ohne direkte Vermittelung der Schmelzleiste anlegen (priilacteale Zähne, gewisse Antemolaren bei verschiedenen Säugethieren); andererseits bekundet die Persistenz des Zu- sammenhanges zwischen Mundhöhlenepithel und Schmelzleiste eine fortgesetzte Zeugungsfähigkeit der letzteren. Einer Verallgemeinerung der von RöseE auf- gestellten primären und sekundären Schmelzleiste, sowie der von diesem Autor bei verschiedenen Wirbelthieren beschriebenen, frei über das Niveau der Schleim- haut hervorragenden Papillen steht LEecHE mit Reserve gegenüber. Größere Schwierigkeiten bietet die Lehre von den einzelnen Dentitionen oder Zahngenerationen dar. Giebt es bei den Säugethieren verschiedene Dentitionen? Wie kann man unterscheiden, zu welcher Dentition ein Zahn ge- hört? Wie macht sich die Reduktion in den beiden gewöhnlich angenommenen Dentitionen geltend? Wohin gehören die Molaren? Existiren mehr als zwei Dentitionen und wie steht es um deren Genese? Der Verfasser hebt vor Allem hervor, dass zur Entscheidung dieser Bee in den meisten Fällen die Ontogenie nicht genüge; eine umfassende Verglei- chung der ontogenetischen Stadien mit möglichst vielen entwickelten Gebissen lebender und fossiler Thiere, eine sehr sorgfältige Abwägung aller hierbei in Frage kommenden Instanzen ist geboten, und gar oft muss man sich mit der Aufstellung von bloßen Wahrscheinlichkeiten bescheiden. LEcHE ist prineipieller Anhänger der Lehre vom Zahnwechsel und be- kennt sich zum Diphyodontismus; den von verschiedenen Autoren vorgetragenen Anschauungen eines Monophyodontismus resp. Scheindiphyodontismus kann er nicht folgen, wenn ihm auch die neueste in dieser Richtung sich bewegende Hypothese (von SCHWALBE) in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Forscher verdient. Wo bei Säugethieren Monophyodontismus auftritt, da handelt es sich entweder um mangelhafte Ausbildung resp. um sekundären Ausfall einer Den- tition, oder um Verschiebungen der ursprünglich zweireihig stehenden Zähne in eine einzige Reihe in Folge sekundärer Kieferverlängerung. Zu den zwei gemeinhin aufgestellten Dentitionen (Milchzähne + Molaren und bleibende Antemolaren) kommt aber noch, wie er schon früher (1892): nach- gewiesen und wie er im vorliegenden Werke des Specielleren darthut, eine älteste erste, labialwärts gelegene (prälacteale) und eine jüngste vierte, lingualwärts befindliche Dentition hinzu; zumeist nur durch die Anlage von bloßen Schmelzkeimen repräsentirt, kann die erste bei gewissen Marsupialia (Myrmecobius, Macropodidae, Phascolaretus), vielleicht auch bei einzelnen Ro- dentia (Lepus), die letzte bei Insectivora (Erinaceus) und Carnivora (Phoca) Besprechung. 595 dureh wirkliche verkalkte Zahnrudimente vertreten sein, wodurch auch die bloßen Schmelzkeime bei anderen Vertretern die richtige Beleuchtung erhalten. Hinsichtlich der von einzelnen Autoren mit der prilactealen Reihe identificirten, von Röse aber (nach des Referenten Meinung) wohl mit gutem Rechte als pa- thologische Gebilde gedeuteten, schmelzlosen Zahnrudimente enthält sich LECHE der Entscheidung. Für die vier Dentitionen, die neuerdings auch von SCHWALBE und auf Grund eigener Untersuchungen von RÖSE acceptirt wurden, schlägt Verfasser die Bezeichnungen Dentitio I, II, III und IV vor (ScHWALBE be- nennt sie als 0., 1., 2., 3. Dentition). Mit dem Nachweise dieser vier Zahngenerationen ist die Anknüpfung des Zahnsystems der Säugethiere an den Polyphyodontismus der Reptilien er- leichtert, zugleich aber auch die Entscheidung, was bei weniger Zahnreihen als der 1., 2., 3. oder 4. Dentition angehörig zu deuten sei, erschwert. Verfasser giebt auf pag. 150 und 151 eine Übersicht über die bezügliche Reihenfolge bei den Marsupialia und Placentalia, welche ganz besonders der Beachtung des Lesers empfohlen wird. Hinsichtlich der Verhältnisse bei den Marsupialiern theilt er in der Hauptsache die von KÜKENTHAL, ROSE und ihm selbst früher ausgesprochenen Auffassungen. In der Beurtheilung der selbst innerhalb der ein- zelnen Familien wechselnden Beziehungen bei den Placentaliern kommt er bald zu einer bestätigenden, bald zu einer abweichenden Stellung gegenüber den An- gaben anderer Autoren. Manches, wie z. B. die Beurtheilung der Dentitionen bei den Cetaceen, hält er, unter Angabe von guten Gründen, noch nicht für spruch- reif; damit tritt er in Gegensatz zu KÜKENTHAL, der übrigens in einer beson- deren, nach dem Erscheinen von LEcHE’s Werk veröffentlichten Abhandlung seine bezügliche Deutung (im Wesentlichen lacteale Dentition) mit großer Be- stimmtheit aufrecht erhält. Innerhalb der Edentaten scheint bald das Milch- gebiss (Dentitio II), bald das bleibende Gebiss (Dentitio III) zu prävaliren; doch ist hier noch viel zu untersuchen. Hinsichtlich der Verhältnisse bei den übri- gen Placentaliern muss auf das Werk selbst verwiesen werden. — Interessant sind die Angaben über Heterodontie und Homodontie der Säugethiere, wobei die letztere theils als primärer, theils und zumeist als sekundärer, d. h. aus einer früheren Heterodontie der Zähne hervorgegangener Charakter zu beurtheilen ist. Die früheren Dentitionen rekapituliren die paläontologisch älteren Gebisse reiner als die späteren, mehr umgewandelten Dentitionen; mannigfache Belege werden dafür gegeben. Hinsichtlich der Genese der 4 Zahngenerationen gelangt Verfasser, ausgehend von der sicheren Beobachtung, dass bei den tieferstehenden Mammalia die früheren, bei den höheren die späteren Dentitionen überwiegen, dazu, die beiden ersten Dentitionen in der Hauptsache als Vererbungen von den reptilien- ähnlichen Vorfahren der Säugethiere, die beiden letzten im Wesentlichen als Neuerwerbe der Säuger aufzufassen; die Dentitio IV wird ihm gewissermaßen zum Zukunftsgebiss (vgl. auch auf pag. 151 und 152 die weiterhin dafür ange- führten Gründe). Mit dieser, auch von KÜKENTHAL neuestens scharf ange- griffenen Auffassung kann sich Referent nicht ganz vereinigen, wenngleich er keineswegs die Gründe gering. achtet, welche LECHE zu dieser Folgerung führten. Referent hält wie die meisten neueren Autoren, sämmtliche Zahn- generationen für ererbt von den tieferstehenden polyphyodonten Wirbelthieren; die embryonale Schmelzleiste kann er sich nur als ein Gebilde vorstellen, wel- ches die bei diesen funktionirenden Dentitionen ontogenetisch in nuce rekapi- tulirt, somit in sich die Fähigkeit besitzt, mehrfache Schmelzkeime, und 596 Besprechung. damit auch Zahnreihen zu erzeugen. Gern aber stimmt er in so weit bei, einerseits, dass bei den tieferstehenden Säugern die älteren, labial liegenden Zahngenerationen (namentlich Dentitio II) allein zu einer besseren Entfaltung gelangten, die jüngeren, mehr lingual befindlichen (Dentitio III und IV) dagegen schon in frühen Anfängen der mammalen Entwicklung einem regressiven Bil- dungsgange verfielen, andererseits, dass bei den höheren Säugern gerade Den- titio III sich zur dominirenden Reihe entwickelte, Dentitio II aber, zufolge der Unnothwendigkeit und Unzweckmäßigkeit eines mehrreihigen heterodonten Gebisses, im entsprechenden Maße in Rückbildung trat. So verschob sich allerdings in der Phylogenese des mammalen Gebisses der Schwerpunkt seiner Ausbildung nach und nach von außen nach innen; sehr möglich, dass noch ältere uns unbekannte Mammalia eine am besten oder wenigstens recht gut entwickelte Dentitio I gehabt haben, welche successive im phylogenetischen Gange der Entwicklung von Dentitio II und danach Dentitio III abgelöst wurde. Ob auch Dentitio IV in Zukunft in diesen Wettkampf der Dentitionen mit Erfolg eintreten mag, dürfte nur mit großer Vorsicht zu beurtheilen sein; die Möglichkeit soll nicht bestritten werden. Ein embryonaler, abortiv bleiben- der Schmelzkeim kann an sich in recht abweichender Weise phylogenetisch gedeutet werden: entweder als regressives Gebilde, welches die phylogeneti- schen Endstadien eines einstmals gut ausgebildeten Zahnes repräsentirt, oder als progressive Bildung, welche den neuen Aufschwung eines Jange Zeit hin- durch redueirten und brachgelegenen Zahnindividuums bekundet. In den mei- sten Fällen wird wohl die erstere Deutung am Platze sein, doch wird man auch nicht zu selten an die letztere denken können; die Entscheidung dürfte für jeden einzelnen Fall nur nach einer sehr sorgfältigen und vorsichtigen Ab- wägung aller hierbei in Frage kommenden Instanzen und bei dem jetzt ver- fügbaren Materiale auch dann nicht immer mit Sicherheit zu geben sein. Diese Ausführungen mögen zeigen, dass Referent, wenn er auch die LECHE’sche Auf- fassung von einer eigentlichen Neuerwerbung der Dentitio III et IV nicht theilt, doch dessen an verschiedenen Stellen seines Werkes ausgesprochenen prineipiellen Anschauungen zustimmt; die genaue Lektüre des LecHE’schen Buches zeigt überhaupt dem aufmerksamen Leser, wie umsichtig und tief der Autor über alle diese Fragen nachgedacht hat. Ferner wirft der Verfasser die Frage auf: Kann eine Vermehrung der Zahnanzahl bei den Siiugethieren stattfinden? und beantwortet sie in be- jahendem Sinne. Die von KoLLMANN, ROsE und ihm bei verschiedenen Mam- malia nachgewiesenen Schmelzkeimsprossen, die unter Umständen sich zu aus- gebildeten Zähnen entfalten können, sowie KUKENTHAL’s und seine Befunde an dem longimaxillaren Gebisse der Phocidae und Cetacea bestätigen ihm die Entwicklung von neugebildeten Zähnen zwischen den bereits vorhandenen; doch betont er zugleich, dass diese Fälle von den auch zu beobachtenden Vor- kommnissen atavistischer Natur wohl zu unterscheiden seien, dass überhaupt vor verfrühten Verallgemeinerungen, vor einer schablonenhaften Behandlung der Frage zu warnen sei. alae Noch in anderer Richtung wurde die Vermehrung der Anzahl der Zähne zu begründen gesucht: es ist die bekannte Theorie vom Zerfall resp. der Theilung (Division) mehrspitziger Zähne in ihre einzelnen, einfacher gebauten Theilstücke, welche auf den von ESCHRICHT, GAUDRY und KÜKENTHAL an Cetaceen, aber auch an Edentaten und Pinnipediern gemachten Beobachtungen basirt und insbesondere von dem letzterwähnten Autor weiter ausgebildet wurde. Besprechung. ‘597 LECHE acceptirt auch diese Möglichkeit einer Vermehrung, vermag ihr aber nicht die fundamentale Bedeutung beizumessen wie die Anhänger der genannten Theorie. Zu der Divisionstheorie bildet eine andere Theorie, die von der Ver- schmelzung (Concrescenz SCHWALBE) einfacher gebauter Kegelzähne zu komplieirteren, mehrhöckerigen Zahnbildungen eine gewisse Ergänzung. Dort Auflösung in die einzelnen Komponenten, hier der Aufbau aus denselben. Bekanntlich wurde diese Verschmelzungstheorie von GIEBEL, GAUDRY, MAGITOT, DyBowskI, KÜKENTHAL, ROSE, SCHWALBE u. A. aufgestellt und weiter ausge- bildet. Die drei letztgenannten Autoren dürften unter den Neueren die Haupt- vertreter derselben sein; wohl unzweifelhafte Verschmelzungsbefunde bei Ceta- ceen (KUKENTHAL) und beim Menschen (SCHWALBE) — bei letzterem allerdings pathologischer Natur und in einem Zahngebiete, wo normalerweise keine Ver- wachsung von Zähnen aus zwei verschiedenen Dentitionen eintritt — bilden den Ausgangspunkt und führen zugleich zu der Hypothese, dass nicht nur die Zähne derselben Dentition, sondern auch die Zähne zweier oder mehrerer Den- titionen mit einander zu komplieirteren Gebilden verschmelzen können. KÜkEN- THAL tritt in entschiedener Weise für die Verallgemeinerung seiner Befunde ein, wenn er auch nicht verkennt, dass die Ontogenie nur vereinzelte, unan- greifbare Beweise dafür geliefert habe; SCHWALBE erblickt in 'sämmtlichen Prämolaren und Molaren des Menschen Verschmelzungsprodukte von Zähnen der ersten und zweiten Reihe (Dentitio Il und III Lecun’s), wobei ihm und Anderen die einzelnen Höcker der Molaren einzelnen einfacher gebauten Zahn- individuen gleichwerthig sind; Röse gelangt in verschiedenen seiner Schriften zu noch weitergehenden Schlüssen. Dieser Concrescenztheorie steht die nament- lich von CoPE und OsBoRN, sowie von RYDER, SCOTT, SCHLOSSER, JAEKEL und anderen Paläontologen begründete und weiter ausgeführte Theorie gegen- über, wonach alle komplieirteren Zahngebilde auf dem Wege einer allmählichen Hoherentwicklung durch successive Entfaltung von Kronenhöckern und Wurzel- theilungen aus urspriinglichen einfachen Kegelziihnen, somit durch Differen- zirung (SCHWALBE) aus denselben hervorgegangen sind. Die meisten Vertreter beider Richtungen nehmen einen mehr oder minder exklusiven Standpunkt ein. LECHE acceptirt beide Möglichkeiten für die höhere Ausbilduug der Zähne, erkennt aber der Höherentwicklung auf dem Wege der Differenzirung eine weitere Verbreitung: und allgemeinere Bedeutung als der jenigen durch. Verschmelzung zu. Ohne Frage bildet die Entscheidung, welche: Zähne Aurel Osnabestens, welche durch Differenzirung ihre höhere Ausbildung und Komplikation ge- wonnen haben, eine der schwierigsten Aufgaben der Morphologie des Zahn- systems; in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle gehen uns noch die ersten Vorkenntnisse und Methoden ab, welche für diese Entscheidung Aus- gangs- und Angriffspunkte darbieten könnten. Abgesehen von den oben ange- führten ganz vereinzelten Beispielen, wo der ontogenetische — hinsichtlich seiner palingenetischen Tragkraft immerhin mit Vorsicht zu beurtheilende — Nachweis einer Concrescenz bei Säugethieren gelang, fehlen uns hier noch gesicherte und überzeugende Thatsachen; die von verschiedenen Seiten angeführte, separat beginnende Verkalkung der einzelnen Spitzen des vielhöckerigen Backzahnes dürfte, wie auch schon andererseits hervorgehoben worden, bei der Einheit- lichkeit des Schmelzkeimes desselben keine Beweiskraft besitzen. Aber auch die auf vergleichendem Wege ins Feld geführten Vorkommnisse von der Con- Morpholog. Jahrbuch. 23. 39 598 Besprechung. crescenz lophodonter und hypselodonter Zähne etc. gewähren nicht die sichere Überzeugung für die zu beweisende Theorie. LECHE ist somit nach des Refe- renten Ansicht mit seiner Mahnung zur Vorsicht in der Beurtheilung der . einzelnen Fälle gewiss im Rechte. Immerhin mehren sich bei den Säuge- thieren und bei den anderen Wirbelthieren die Beispiele, welche wenigstens mit einiger Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verbreitung der Concrescenz das Wort reden; es sei hier u. A. an das Gebiss der Allotherien (Multi- tuberculaten) und Monotremen erinnert, das gerade bei dem großen Alter und der tiefen Stellung dieser uralten und primitiven Säugethiere von erheblicher Bedeutung ist, weiter an die auch in BURCKHARDT's verdienstvoller Abhand- lung angeführten Conerescenzfälle bei Reptilien (Uromastix, Hatteria ete.), ferner- -hin an die Stegocephalen, Dipneusten, Holocephalen und endlich an die von ROSE hervorgehobenen Verwachsungen bei Haien (Xenacanthus, Chlamydosela- chus) und Gymnodonten. Weitere gründliche Arbeit, in der sich die ontogene- tische und vergleichende Methode kombiniren muss, namentlich auch ein genaues Studium der Zahnpulpen und des Verhaltens der in sie eintretenden Nerven mit Rücksicht auf ihren konvergenten oder divergenten Verlauf, dürften zur allmählichen Abgrenzung der Kompetenzgebiete beider Theorien und zur Ver- söhnung der noch scharf gegenüber stehenden Meinungen führen. Der am Schlusse von LECHE gegebene Rückblick hebt nochmals hervor, was die bisherige Untersuchung hinsichtlich der. Leistungsfähigkeit der Onto- genie im Dienste der Morphologie des Zahnsystems ergeben hat. Die Dienste dieser Disciplin sind nicht zu unterschätzen; manche specielleren Erkenntnisse, welche durch die phylogenetische Forschung nur hypothetisch vorausgesetzt werden konnten, hat sie erst zur gesicherten Thatsache erhoben. Aber im Großen und Ganzen ist ihre Leistungsfähigkeit eine bescheidene und be- schränkte; auch können die ontogenetischen Thatsachen, wenn diese allein als Prämisse morphologischer Schlüsse verwandt werden, zu argen Irrungen führen. Wie allenthalben kann auch die Morphologie des Zahnsystems des kritischen Zusammenarbeitens der Ontogenie und vergleichenden Anatomie (nebst Palä- ontologie) nicht entrathen, und auf letztere ist hierbei der Schwerpunkt zu legen. Mit dem hier vorliegenden ersten Theile seines Werkes hat LEcHE der morphologischen Welt eine Gabe dargeboten, für die ihm aufrichtiger Dank gebührt, Hoffen wir, dass die großen Erwartungen, zu welchen der zweite, die vergleichende Anatomie und Paläontologie enthaltende Theil berechtigt, durch ein baldiges Erscheinen desselben erfüllt werden! Max Fürbringer. AUCH TE EL PER ’ Nah is i Morphologise} G.ise nes AUG 1 1932. N Aug Wii 100130355