A ts an“ Phebe " ne seit ey or Di Yo ry on Bat 7 ind DARIN TG REISTE IT, yi nel banat vital mae Hor aot ne . . Weine tra Ry het URE ES Austtindeac awe En HUM RN EE aie ag tt { +4) egret aie : aah a ae alte Whe sitet URL ee tte} iJ iy Raid In I eT A ann fa va {ER} HRBH teh Hy Y37 it Ay \ wiht itty f NENNT ty i phe \ a res Se Nit p Erin IE Ss: = +2 = ve * 4 ir Hy arts Hit * 4 ’ ar rit Gyiatearge ub trate tet AT Aah stale atari iyeinsyts PO heat 4 ns wy iM tise ara nv FIELEN ug FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Nay Phe vi Hye MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. — ee EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR PROFESSOR IN HEIDELBERG, Zi! SIEBENUNDZWANZIGSTER BAND. MIT 25 TAFELN UND 93 FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1899. rhandarınn a ; Krone iM ur CAGAO OSA H y ac WU ay EURE RES Oo 2 UBNR MA AMEE bP ly Sl "R { 73 ‚anna AaTeoıSHAnsopurge2 | RENT an LOAD KALTEN ar dm | { LF \ 3 DM he ne . % I RANA Pai. „ekanvr: a ay DAILY, r i Pl = Inhalt des siebenundzwanzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben am 21. Marz 1899. Seite Uber eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. Von E. Rosenberg. (ite tit und: J Hie im Pex: Ov eb ninaneemiinisiasngn”. 1 Die Schilddriise, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. Von F. Maurer. (Mit Taf. VI—VIII und 4 Fig. im Text). ...... 119 Zweites Heft. Ausgegeben am 28. April 1899. Über einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. Von H. K. Corning. (OSL) “EEO TAG D-II Ned es cere ee ee 73 Studien über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms bei den niederen Vertebraten. Von H. Lundborg. (Mit Taf. XI—XII HOMO RI ein Rett.) Shen ovis Mae: a Te Syn GEE aa te 242 Uber partielle und totale Scheidewandbildung zwischen Pleurahöhle und Peri- tonealhéhle bei einigen Sauriern. Von F. Hochstetter. (Mit Taf. XIII ni > Done eM A ES ee ee Se 263 Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. Von H. Adolphi. I Elek) ya An an a aa an 299 Ein M. coraco-antibrachialis beim Menschen. Beitrag zur Morphologie des M. biceps brachii. Von W. Lubosch. (Mit 1 Fig. im Text)... . . 309 Die Homologie der Brust- und Bauchmuskeln. Von L. Bolk...... . . 317 Mauthner’sche Fasern bei Chimaera. Von B. Solger. (Mit 1 Fig. im Text.) 322 IV Drittes Heft. a ER Ausgegeben am 7. Juli 1899. Seite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Selachii. Von C. K. Hoffmann. (Mit Taf. XxIV—XVIU nid a Big, am Text.) - . - = Sn -S algae 325 X Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. I. Theil. Die metotischen Urwirbel und spino-oceipitalen Nerven. Von H. Braus. (Mit Taf. XIX—XXI und 6 Fig. im Text.) . 45 A Kleinere Mittheilungen: Bemerkungen über die Mammarorgane der Monotremen. Von R. Semon. . 497 Besprechungen: Über die Einbettung des menschlichen Eies etc. Von H. Peters. . „= 499 Regeneration und Entwicklung. Won. H. Strasser, 2. „0.2 Sn Be... Viertes Heft. Ausgegeben am 19. September 1899. © Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. IJ. Theil. Die paarigen GliedmaBen. Von H. Braus. (Mit Taf. XXII—XXV und 6 Fig. im Text) oe 00 eye: Die Segmentaldifferenzirung des menschlichen Rumpfes und seiner Extremi- täten. Beiträge zur Anatomie und Morphogenese des menschlichen Körpers. III. Von L. Bolk. (Mit 51 Fig. im Text.) ya 2 > u 2 630 Bemerkungen zur Entwicklung der Eidechsenzunge. Von F. Bayer. (Mit ee er. - 712 Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. Von Dr. Emil Rosenberg, ord. Professor der Anatomie in Utrecht. Mit Tafel I—V und 3 Figuren im Text. In einem Vortrag, den ich bei der elften Versammlung der anatomischen Gesellschaft (Gent, April 1897) gehalten habe!, sind Beobachtungen an der entwickelten Wirbelsäule des Menschen von - mir mitgetheilt worden, welche einen Bezug haben auf den an dem genannten Organ sich vollziehenden Umformungsprocess, dessen Exi- stenz ich in einem früheren Aufsatz über die Wirbelsäule der Pri- maten darzulegen suchte?. In der erwähnten Mittheilung, die nur eine sehr kurze sein konnte, ist das Interesse, welches, wie mir scheint, den Beobachtungen zukommt, zwar angedeutet, jedoch nicht näher begründet worden. Auch war dabei die Möglichkeit nicht gegeben, den Werth von Einwänden und Zweifeln, die sich gegen meine Auffassung richten konnten, näher zu prüfen. Dessbalb er- schien es mir von vorn herein geboten, meine Beobachtungen an anderer Stelle ausführlich mitzutheilen und zu erörtern. Dieser Auf- gabe wünsche ich in dem vorliegenden Aufsatz nachzukommen. Das Interesse, welches, wie ich bemerkte, den mitzutheilenden Beobachtungen zukommt, liegt in dem Umstand, dass sie es ge- statten, Schlussfolgerungen zu bestätigen, die in Betreff des Um- formungsprocesses an der menschlichen Wirbelsäule aus einzelnen , ontogenetischen Befunden von mir hergeleitet wurden. Somit sind 1 97, pag. 123—131. 2 75, pag. 86—172. Morpholog. Jahrbuch. 27. 1 2 Emil Rosenberg diese Beobachtungen zunächst für die Anschauungen über die Um- gestaltungsvorgänge an der Wirbelsäule bedeutsam. Sodann scheinen sie mir auch desshalb der Beachtung werth, weil sie von Neuem an konkreten Beispielen darthun lassen, dass die Vorgänge der in- dividuellen Entwicklung im Hinblick auf die Zustände entwickelter Formen, also mit Benutzung der Gesichtspunkte der vergleichenden Anatomie, eine Interpretation erheischen und nicht ausschließlich zu beurtheilen sind von einem Standpunkt, dessen Horizont über die Species nicht hinausreicht, an der das ontogenetische Geschehen untersucht wird. Die Beobachtungen, an welche ich die Mittheilungen über Be- funde an der entwickelten Wirbelsäule anzuknüpfen habe, boten sich bei zwei menschliehen Embryonen dar und betreffen die Wirbel, . welche bei der Entwicklung des Sacrum in Betracht kommen. Bei einem etwa neun Wochen alten Embryo, bei welchem das Sacrum aus dem 26. bis 30. Wirbel zusammengesetzt sich zeigte, konnte wahrgenommen werden, dass die Pars lateralis im Allge- meinen als ein Continuum sich darstellt, aber an einer Stelle eine auf den Modus ihrer Entwicklung hinweisende Spur darbietet. Es dringt nämlich im Bereiche des vom 26. und 27. Wirbel zur Pars lateralis beigetragenen Antheils von der ventralen Seite her eine dünne Perichondriumschicht in die Pars lateralis hinein, die durch die ganze Breite derselben hindurch reicht, aber nicht bis zur dor- salen Oberfläche derselben gelangt. Diese Perichondriumschicht zeigt, dass die Verschmelzung der Seitenfortsätze des 26. und 27. Wirbels noch keine ganz vollständige ist. Mit Hilfe dieser Trennungsspur ist auch festzustellen, dass auf der rechten Seite die äußerste Spitze der ventral am meisten vorspringenden Partie der Pars lateralis dem 1 Derselbe ist in meiner ersten Arbeit über die Wirbelsäule unter der Bezeichnung IV. 3. A aufgeführt worden, cf. 75, pag. 89 Anmerk., wo auch die Maße angegeben sind. Die Wirbelsäule dieses Embryo ergiebt die Formel: (1—7) ev. (8—20) d. (21—25) I. (26—30) s. (31—35) ed. (ef. 75, pag. 91, 110—112, 130). Die Elemente dieser Wirbelsäule sind natürlich alle noch aus hyalinem Knorpel geformt. Ob dem siebenten Wirbel Anlagen von Rippen in der Gestalt isolirter, knorpeliger Gebilde angelagert waren, ‘wie ich sie bei anderen menschlichen Embryonen beobachtet habe (ef. 83, pag. 505), ist bei dem Embryo IV. 3. A nicht festgestellt worden, da der cervikale Ab- schnitt in frontale Schnitte zerlegt wurde, die nur dazu dienen sollten, eine sichere Zählung der Wirbel zu ermöglichen; es könnte also der Fall sein, dass der siebente Wirbel noch nicht ein typisch geformter Cervikalwirbel war, als welcher er in der Formel aufgeführt ist. Uber eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 3 26. Wirbel zugehört!. Diese Angabe habe ich durch eine Figur? illustrirt, welche einen Sagittalschnitt aus der Pars lateralis der rechten Seite darstellt; man sieht an der Figur, dass die erwähnte Perichondriumschicht etwa nur bis zur Mitte der dorso-ventralen Ausdehnung der Pars lateralis reicht, und im Übrigen ist durch leicht angedeutete Einkerbungen des dorsalen und ventralen Kontours der Pars lateralis der Antheil zu bestimmen, den der 27. und die weiter distal gelegenen Wirbel an ihr haben. Ich verkenne nun nicht, dass die eitirte Figur nur dann einen ganz einwandfreien Beleg für die behauptete Anwesenheit der erwähnten Perichondriumschicht in der Pars lateralis darstellt, wenn auch die anderen, derselben Serie an- gehörigen Sagittalschnitte betrachtet werden. Denn, isolirt betrachtet, könnte das gezeichnete Bild auch damit interpretirt werden, dass der betreffende Sagittalschnitt dem in dorso-ventraler Richtung durch das Sacrum hindurchführenden Kanal zwischen den Seitenfortsätzen des 26. und 27. Wirbels partiell so weit genähert war, dass die perichondrale Auskleidung desselben durch den Schnitt getroffen wurde. Um diesen Einwand zu widerlegen, erscheint es mir zweck- mäßig, hier auch das Verhalten der Pars lateralis der linken Seite desselben Sacrum, worüber ich früher keine Angaben gemacht hatte, zu schildern. Die linke Hälfte des Sacrum, sowie der nächst prä- sacral gelegenen Wirbel und der Caudalwirbel ist in eine Serie von Frontalschnitten zerlegt worden, die von der dorsalen zur ventralen Seite einander folgen. Beim Betrachten dieser (37 Schnitte enthal- tenden) Reihe sieht man, wie die Seitenfortsätze des 26. bis 30. Wir- bels derart das Continuum der Pars lateralis bilden, dass an der dorsalen Oberfläche der letzteren die auf jeden der genannten Wirbel entfallenden Antheile durch ganz seichte Furchen abgegrenzt sind. Die betreffende Furche ist an der Stelle, wo die Seitenfort- sätze des 26. Wirbels zur Pars lateralis hinzutreten, etwas tiefer. Sodann zeigt sich an weiter ventral gelegenen Schnitten der Seiten- fortsatz des 26. Wirbels kontinuirlich mit der knorpeligen Pars lateralis verbunden (das ist vom 17. bis zum 21. Schnitt zu konsta- tiren). Der 21. Schnitt ist in der umstehenden Textfig. Ia abgebildet in der Ansicht von der dorsalen Seite; der Sehnitt trifft die Stelle, an welcher die Pars lateralis, so weit sie von den an einander stoßenden Theilen der Seitenfortsätze des 26. und 27. Wirbels ge- bildet wird, relativ am breitesten ist. Man sieht an dem Objekt, 1 75, pag. 110, 111. 2 75, Taf. IV Fig. 28. 1* 4 Emil Rosenberg dass es sich um einen völlig kontinuirlichen Zusammenhang handelt. Zugleich zeigt die Figur, dass die Pars lateralis in demjenigen Ab- schnitt, der von mehr distal gelegenen Wirbeln gebildet wird (und das kann auch an der Fig. I ersehen werden) breiter und massiger ist als im Bereich der Stelle, wo der 26. und 27. Wirbel zusammen- treffen. Das Interesse, welches diesem Umstand zukommt, wird später zu erörtern sein. In den Schnitten, die ventral von dem in Fig. la abgebildeten liegen, findet sich nun auch auf dieser Seite Fig. 11. aio > 6337 cd.’ die für die Pars lateralis der rechten Seite schon erwähnte Tren- nungsspur zwischen dem 26. und 27. Wirbel in Gestalt einer quer hindurch reichenden und fast senkrecht zur Medianebene orientirten Perichondriumzone. Fig. Id zeigt dieselbe an einem Schnitt, der um sieben Schnitte weiter ventral liegt als der in Fig. Ia abgebildete. Die Betrachtung dieser Figur lehrt nun wohl, dass die vorhin er- wähnte Deutung, die dem Bilde des Sagittalschnittes möglicherweise ' Die Abbildung stellt die Objekte in einer Vergrößerung von nahezu 20/1 dar; die Kontouren wurden mit dem Agpgr'’schen Zeichenapparat (neueste Form) bei etwas stärkerer Vergrößerung aufgenommen, und das bei dieser Vergröße- rung gezeichnete Bild alsdann bei der Reproduktion verkleinert. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 5 hätte gegeben werden können, zu verlassen ist, und dass die Peri- chondriumschicht die Pars lateralis wirklich durchsetzt. Diese Tren- nungsspur kann eben. so deutlich an den noch weiter ventral gelegenen Schnitten gesehen und bis in die ventral am meisten vorspringende Spitze der Pars lateralis verfolgt werden. Am äußer- sten ventralen Ende dieser Spitze ist kontinuirlicher Zusammenhang der Seitenfortsätze des 26. und 27. Wirbels eingetreten, und nur durch eine Furche an der ventralen Oberfläche ist die Trennung noch angedeutet. Dieser Befund bot sich mir nicht unerwartet dar. Die Berück- sichtigung der Thatsache, dass bei den meisten Cynopithecinen 26 präsacrale Wirbel bestehen, veranlasste mich dazu, zu unter- suchen, ob nicht auch am 26. Wirbel des menschlichen Embryo noch Spuren einer früheren lumbalen Beschaffenheit sich würden nach- weisen lassen. Diese Voraussetzung war um so mehr zu statuiren, als die vorhergegangene, den 25. Wirbel betreffende Untersuchung ergeben hatte, dass dieser Wirbel, obgleich er bei der zur Zeit nor- malen Wirbelsäule des erwachsenen Menschen der erste Sacralwirbel ist, doch als Lumbalwirbel angelegt wird. Auch bei der so eben in Rede stehenden embryonalen Wirbelsäule ist der 25. Wirbel noch Lumbalwirbel, es ist indess der Seitenfortsatz links schon deutlich verdickt und mit dem proximalen Ende der Pars lateralis in nahe Berührung gekommen (ef. Fig. 1a), der Wirbel ist aber doch noch ‚völlig frei gegenüber den zum »Sacrum« verbundenen Wirbeln. In Bezug auf den 26. Wirbel lässt sich, wie aus dem Mitgetheilten her- vorgeht, nun zwar nicht mehr nachweisen, dass er in der Form eines Lumbalwirbels zur Anlage kommt, ailein die näher beschriebene Trennungsspur, die dem 27. Wirbel gegenüber besteht, lässt doch den Schluss zu, dass der 26. Wirbel später Sacralwirbel geworden ist als die anderen an diesem Sacrum betheiligten Wirbel. Darauf weist auch der Umstand hin, dass die Pars lateralis im Bereiche des 27. bis 30. Wirbels massiger ist als dort, wo die Seitenfortsätze des 26. und des 27. Wirbels zusammentreten. Somit war wenn auch nur ein einzelner Anhaltspunkt dafür gegeben, dass der 26. Wirbel, der bei der zur Zeit normalen Wirbelsäule des erwachsenen Men- schen den zweiten Sacralwirbel darstellt, früher lumbale Beschaffen- heit gehabt habe. Bei dem zweiten hier zu erwähnenden, etwa 8 Wochen alten Embryo! besteht das Sacrum aus dem 26. bis 30. Wirbel. Aus der 1 Es ist der Embryo, den ich (ef. 75, pag. 89 Anm.) unter der Bezeich- 6 Emil Rosenberg beistehenden Fig. II, die ich meinem früheren Aufsatz entnehme’, ist ersichtlich, dass der 26. Wirbel hier kontinuirlich in der Pars lateralis mit dem 27. zusammenhängt. Der 30. Wirbel ist der letzte Saeralwirbel und steht demgemäß auf beiden Seiten durch eine relativ massige, aus hyalinem Knorpel bestehende Fig. IL. Spange mit der Pars lateralis in kontinuirlicher Verbindung. Es zeigt derselbe auch darin noch SUB ein primitiveres Verhalten, dass die Bogenhälften Fa desselben an ihrem distalen Rande die Anlagen ia zu Proce. artice. distales aufweisen. Ba fd / Ein specielles Interesse bietet hier nun der Er 31. Wirbel. Derselbe liegt in der Form eines N Sacrocaudalwirbels2 vor. Auf der rechten Seite N (ef. Fig. II) ist ein fast kontinuirlicher Zusammen- nz ‚ hang der Pars lateralis mit den Seitenfortsätzen u. des 31. Wirbels durch eine Knorpelspange ge- 3 geben, die nur an einer ganz beschränkten, in OFS der Figur nicht angedeuteten Stelle durch dichtes Gewebe ersetzt ist. Auf der linken Seite findet sich in größerer Ausdehnung (in der Fig. II schraffirt dargestellt), statt eines Zusammenhanges durch Knorpel, die Verbindung durch nung III. 2 aufgeführt habe. Die Maße desselben sind in der eitirten Stelle angegeben. Die Wirbelsäule dieses Embryo hat die Formel: (1—7) ev. (8—20) d. (21—25) J. (26—30) s. 31. sed. (32—35) cd. ef. 75, pag. 90, 107—110, 129, 130, 136 Taf. IV Fig. 17—26). In Betreff etwaiger mit dem 7. Wirbel in Beziehung stehender Rippenanlagen gilt auch hier die Bemerkung, die ich pag. 2 in der Anmerkung gemacht habe. 175, pag. 108. Die Anmerkung auf der citirten Seite giebt an, wie die Figur durch Kombination der Bilder einer Serie von Querschnitten entstanden ist. 2 Diese Bezeichnung habe ich vorgeschlagen für einen Wirbel, der in ein- zelnen Eigenthümlichkeiten noch die Beschaffenheit eines Sacralwirbels besitzt, in anderen aber schon die Gestalt eines Caudalwirbels aufweist (ef. 75, pag. 117). Diese Bezeichnung soll also (in ähnlicher Weise wie die Ausdrücke: »Dorso- lumbalwirbele und »Lumbosacralwirbel«) andeuten, dass der betreffende Wirbel in Begriff steht, durch Umformung aus einer Region (der sacralen) in die nächst folgende (die caudale) überzugehen, wobei die zeitliche Aufeinanderfolge der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Region durch die Aufeinanderfolge der auf die Form Bezug habenden Wortbestand- theile markirt wird. Ich muss es desshalb für unberechtigt halten, dass Disse (96, pag. 63) von einer Art der mit dem Sacrum in Zusammenhang stehen- den »Übergangswirbel« sagt: >ist er dem Steißbein entzogen, so wird er ‚sacro- eaudaler‘ Ubergangswirbel genannt«. Hier wird eine mit der meinigen fast übereinstimmende Bezeichnung nicht in dem Sinne benutzt, in welchem ich das Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. —1 einen Strang dichten Gewebes vermittelt, weicher von einem distal- wärts gerichteten Fortsatz der Pars lateralis ausgeht und zu einem proximalwärts gewandten Vorsprung des Seitenfortsatzes des 31. Wir- bels führt. Dieser Wirbel ist zudem mit dorsal gerichteten Bogen- hälften versehen, an welchen Anlagen zu Proce. artice. proximales und distales sich zeigen!. Wort Sacrocaudalwirbel definirt hatte. Zudem ist der von Disse in Uberein- stimmung mit vielen Autoren angenommene Vorgang, der in dem eitirten Satz statuirt wird, meines Erachtens von Niemand wirklich nachgewiesen worden. Wäre das der Fall, so müsste von einem Caudosacralwirbel geredet werden, wenn man das für die Wortbildung von mir benutzte Princip, gegen welches ein Einwand nicht erhoben worden ist, auch in diesem Fall befolgen will. ! Indem ich auf früher von mir publieirte Beobachtungen in diesem Auf- satz Bezug nehme, habe ich eine Veranlassung, hier einem Zweifel entgegen- zutreten, der hinsichtlich der Zuverlässigkeit derselben geäußert worden ist. BIANCHI (95 a, pag. 13, 14) sagt über meine Beobachtungen: »le osservazioni del ROSENBERG mi lascian nel dubbio che si possa, in quel periodo cosi precoce, differenziare con sicurezza le vertebre sacrali da quelle delle regioni vicine senza esservi portati da preconcettic. Ich habe hiergegen zu bemerken, dass eine Betrachtung der von mir publieirten Abbildungen (75, Taf. IV Fig. 17—30 BIANCHI davon hätte überzeugen können, dass in den Stadien, auf deren Unter- suchung meine Angaben sich stützen, die betreffenden Skelettheile aus hyalinem Knorpel bestehen. Nun ist es aber sehr bekannt, dass in solchen Stadien die einzelnen Knorpel durch die Perichondriumschicht gut begrenzt sind und sich gegenüber der Umgebung deutlich abheben; daher ist es leicht, bei Benutzung brauchbarer Schnittserien die Form der Skelettheile durch Kombination der Einzelbilder zu rekonstruiren. Dass ich solche Schnittserien zur Verfügung hatte, ist von mir ausdrücklich gesagt worden, auch habe ich die Methode der Konstruktion eines Bildes angegeben. Ich muss hier BIANCHI gegenüber auch bemerken, dass die Benutzung brauchbarer Schnittserien ein Urtheil über die Form und die Beziehungen der Skelettheile nicht selten leichter und sicherer zu Stande kommen lässt, als das bei makroskopischer Untersuchung älterer Stadien, ja selbst des entwickelten Objektes der Fall ist; für frühe Stadien ist die Untersuchung an Schnittserien selbstverständlich die einzig zulässige. Ich kann mir den Zweifel Brancar’s nur durch die Annahme erklären, dass er selbst nicht in der Lage gewesen ist, Bestandtheile der Wirbelsäule in den hier in Betracht kommenden Stadien an kontinuirlichen Schnittserien zu untersuchen. Auch hat BIANCHI offenbar übersehen, dass meine Beobachtungen speciell hinsichtlich der Entwicklung des Sacrum eine Bestätigung erfahren haben, die seinen Zweifel hätte beseitigen können. H. PETERSEN (93) hat bei seiner im Labora- torium von Hıs ausgeführten Arbeit über die Entwicklung des menschlichen Beckens an einem Embryo die Beziehungen des Gliedmaßengürtels zur Wirbel- säule genau, und zwar auch durch die Anfertigung eines Plattenmodells, fest- gestellt. PETERSEN ist mit Recht der Meinung, dass dieser Embryo (Lo) als nächst älteres Stadium sich an den von mir untersuchten Embryo III. 2 an- schließt. In der That ergiebt der Befund beim Embryo Lo eine befriedigende Bestätigung meiner Anschauung. Der 25. Wirbel ist schon Sacralwirbel geworden, 8 Emil Rosenberg Als Deutung dieses Befundes konnte ich im Hinblick auf die übrigen bei der Untersuchung der ontogenetischen Entwicklung des Sacrum von mir gemachten Wahrnehmungen nur die Auffassung hinstellen, dass in diesem Befunde eine bereits eingeleitete Loslösung des 31. Wirbels aus der Verbindung mit dem Sacrum sich ausspreche'. Ich musste also annehmen, dass der 31. Wirbel in früheren Zuständen auch zum Sacrum gehört habe, aber bei der proximalwärts fort- schreitenden Sacrumbildung aus der Reihe der Sacralwirbel in die der Caudalwirbel gelange. Für diese Auffassung ließ sich eine Bestätigung gewinnen durch die morphologische Reihe, welche ich mit Benutzung des Verhaltens der Wirbelsäule verschiedener, entwickelter Cebinen und Lemurinen zusammengestellt habe?. Die Betrachtung dieser Reihe bietet die Möglichkeit, auf dem Wege der Vergleichung einen Theil des Um- formungsprocesses an der Wirbelsäule als ein Ergebnis phylogene- tischer Entwicklung zu erkennen. Man sieht unter Anderem dabei, wie der 31. Wirbel bei Nyctipithecus felinus noch die vorletzte Stelle im Sacrum einnimmt, während bei einer Species von Cebus, welche die oberste Stelle in der Reihe einnimmt, der 31. Wirbel schon erster Caudalwirbel geworden ist?”. Das lässt den geschilderten Befund beim menschlichen Embryo völlig verständlich erscheinen, und ich will hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass ich den erwähnten Befund beim Embryo hätte postuliren können, wenn ich bei der Formulirung der Fragen, mit welchen ich an die ontogenetische Untersuchung heranging, die Verhältnisse der genannten Cebinen mit berücksichtigt hätte. Ich hatte bei der Fragenstellung jedoch nur die Verhältnisse der Anthropoiden und der Cynopithecinen im Auge gehabt, bei welchen, so weit mir bekannt, in keinem Falle der 31. Wirbel noch Sacralwirbel ist. Daher bot sich mir der hier mehrere Einzelheiten lassen aber noch erkennen, dass dieser Wirbel am späte- sten zum Sacrum hinzugetreten ist. Und in Betreff des 31. Wirbels sagt PETERSEN: »Der 31. Wirbel des Lo, sein erster Coecygealwirbel, zeigt noch kräftige Seitenfortsätze, die beiderseits nach aufwärts ein deutliches Horn, einen Rest der ehemaligen Verbindung ausstrecken und so ein noch großentheils umschlossenes Foramen laterale herstellen« (cf. 93, pag. 78—80, Taf. VIII Fig. 19 —22; ef. auch pag. 67 und 92). Auf Grundlage des Vorstehenden darf ich wohl den Zweifel BIANCHTs Me einen unberechtigten bezeichnen. 1 75, pag. 110. 75, pag. 162—164. 3 Bei le ist der 31. Wirbel der letzte Sactalwitel (ef. 75, pag. 164 Anm.). Diese Form wurde aber aus einem naheliegenden Grunde nicht in die oben erwähnte morphologische Reihe aufgenommen. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 9 in Rede stehende Befund an der embryonalen Entwicklungsstufe des 31. Wirbels unerwartet dar. Er war aber, wie erwähnt, leicht zu deuten. So sehr nun auch diese Deutung und die an das oben erwähnte Verhalten des 26. Wirbels sich knüpfende die einzig mögliche mir zu sein scheint, so können doch, da es sich nur um zwei vereinzelte Wahrnehmungen handelt, die aus ihnen erschlossenen Theilerschei- nungen des Umformungsprocesses an der menschlichen Wirbelsäule als nicht hinreichend erwiesen angesehen werden. Es blieb daher das Postulat bestehen, dass entweder durch fortgesetzte ontogenetische Untersuchungen weiteres Beweismaterial herbeigebracht werde, oder dass an der entwickelten Wirbelsäule des Menschen die im Hinblick auf den 26. und den 31. Wirbel sta- tuirten Umformungen nachgewiesen würden. Auf das letztere Po- stulat beziehen sich die bier mitzutheilenden Beobachtungen. Hierbei habe ich zunächst eine den 31. Wirbel betreffende Beobachtung an- zuführen. Sie bot sich mir dar an der Wirbelsäule eines 40 jährigen Mannes, welche ich im Utrechter Präparirsaal untersuchte. Die Bestandtheile der Wirbelsäule blieben bei der Untersuchung in ihrem durch die natürlichen Bindemittel gegebenen Verbande, auch wurde das Objekt nicht in der meist üblichen Weise der Maceration! unterworfen. Diese Wirbelsäule ergiebt die Formel: , (17) cv. (8-19) d. 20 dl*(21—25) 1. (26-30) s. 31 sed. (32—34) ed. Schon ein Blick auf diese Formel lehrt, dass ein relativ primi- tiver Zustand der Wirbelsäule vorliegt. Es sind noch 25 präsacrale Wirbel vorhanden; unter diesen zeigt der 20. Wirbel die Entstehung des späteren ersten Lumbalwirbels aus einem letzten Dorsalwirbel ! Da bei noch so vorsichtiger Maceration von Wirbelsäulen dennoch Theile, die werthvoll sind, abhanden kommen können, und auch Zweifel hinsichtlich der Zusammengehörigkeit der Theile nicht immer sicher auszuschließen sind, so habe ich, seit ich die Untersuchung der Wirbelsäule der im Utrechter Prä- parirsaal zerlegten Leichen aufgenommen habe, es vermieden, die Objekte in toto der Maceration zu unterziehen. Ich bewahre die Objekte, welche beson- deres Interesse haben, entweder in intaktem Zustand oder nachdem sie in größere, zuverlässig etikettirte Segmente zerlegt worden, in schwachem Alkohol auf. Die Präparation der besonders interessirenden Abschnitte mit Messer und Pin- cette ist zwar sehr zeitraubend, gewährt dafür aber eine Sicherheit der Wahr- nehmung, die bei macerirten Objekten nicht erreicht werden kann. Nur selten kommen einzelne Segmente der Wirbelsäule nachträglich zur Maceration, nach- dem. das ganze intakte Objekt untersucht und die Formel der Wirbelsäule Sicher festgestellt worden ist. 10 Emil Rosenberg noch deutlich an, indem er an einer Seite (der linken) ein 2,5 cm langes Rippenrudiment trägt, während an der anderen Seite der Seitenfortsatz schon in der für einen ersten Lendenwirbel charakte- ristischen Gestalt formirt ist. Desshalb ist dieser Wirbel in der Formel als Dorsolumbalwirbel (d/) bezeichnet worden. Im Einklang mit der Beschaffenheit dieses Wirbels und mit der relativ großen Länge des 11. und des 12. Rippenpaares steht das Verhalten des 8. Rippenpaares (d. h. der Rippen des 15. Wirbels), das beiderseits noch am Sternum haftet. Der 25. Wirbel hat völlig die Gestalt eines typischen fünften Lendenwirbels, und das lässt es sehr natürlich erscheinen, dass das Sacrum mit dem 30. Wirbel abschließt. Das letztere zeigt, außer in diesem Umstand, auch darin ein primitives Verhalten, dass die Facies auricularis noch von drei Wirbeln, dem 26., 27. und zu einem kleinen Theil vom Seitenfortsatz des 28. Wirbels getragen wird. Der 26. Wirbel hat aber völlig die typische Gestalt eines ersten Sacralwirbels, und die ventral am meisten vorspringende Spitze der Pars lateralis liegt im Bereiche des genannten Wirbels. Eine Wirbelsäule von dieser relativ primitiven Beschaffenheit bietet die Möglichkeit, auch den 31. Wirbel in primitiverem Verhalten vorzufinden. Das ist hier der Fall, indem der 31. Wirbel in der Ge- stalt eines Sacrocaudalwirbels vorliegt. Auf der rechten Körperseite ist der Querfortsatz des 31. Wirbels durch eine etwa 4 mm breite, in dorso-ventraler Richtung abgeplattete Knochenspange mit dem distalen Ende der Pars lateralis verbunden. Links geht der Querfortsatz des 31. Wirbels in eine Knochenplatte aus, die proximalwärts gerichtet ist, sich zuspitzt und mit ihrer Spitze nahe heranreicht an einen vom distalen Ende der Pars lateralis sich distalwärts erstreckenden knöchernen Fortsatz, der ebenfalls zugespitzt und in dorso-ventraler Richtung abgeplattet ist. Die beiden einander zusehenden Spitzen sind nur um etwa einen Millimeter von einander getrennt, der Zwi- schenraum wird durch feste Bandmasse eingenommen!. Der Körper ! Es wurde diese Bandmasse sorgfältig abpräparirt, was bei einander so nahe liegenden Knochenyorspriingen nicht ganz leicht ist. In solch einem Falle würde, um zu entscheiden, wie weit der Knochen reicht und wo das Band be- ginnt, die Anwendung von Röntgenstrahlen leicht zum Ziel führen und jede Beschädigung des Knochens sicher ausschließen. Die Anwendung dieses Unter- suchungshilfsmittels, welches auch auf dem Gebiete der Anatomie schon sehr Beachtenswerthes geleistet hat, würde es in vielen Fällen auch sehr erleichtern. die Zahl und die Form der Caudalwirbel festzustellen; mir steht der betreffende Apparat nicht zur Verfügung. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 11 des 31. Wirbels ist relativ groß, in dorso-ventraler Richtung abge- plattet und mit dem Körper des 30. Wirbels eng, aber doch beweg- lich verbunden. Die Cornua coceygea stoßen mit den Cornua sacralia zusammen und sind durch sehr straffe Bandmassen mit einander verbunden. An den deutlich wahrnehmbaren Bogenrudimenten des 31. Wirbels sind somit Andeutungen an Proce. artiec. proximales vorhanden, Rudimente von Proce. artice. distales fehlen jedoch. Die Bogenrudimente stehen weit von der Medianebene ab, das ist am 30. Wirbel in geringerem Maße der Fall, und am Bogen des 29. Wir- bels ist ein Hiatus sacralis nur in der Form eines schmalen Spaltes vorhanden. Die drei Caudalwirbel haben die reducirte Gestalt, welche gewöhnlich bei den letzten Caudalwirbeln angetroffen wird, sie sind unter einander in etwas dislocirter Stellung verbunden und zum Theil seitlich dem Körper des 31. Wirbels angelagert. Aus diesen Angaben ersieht man, dass der 31. Wirbel hier in einer der Formen vorliegt, die postulirt werden müssen, wenn es wahr ist, dass dieser Wirbel aus einem Sacralwirbel zu einem Caudal- wirbel umgeformt worden ist. Der Wirbel zeigt sich hier wegen der auf einer Körperseite gegebenen völlig kontinuirlichen Verbindung mit der Pars lateralis sogar noch primitiver, als dies bei dem oben erwähnten menschlichen Embryo der Fall war, jedoch in so fern reducirter, als beim erwähnten Embryo am 31. Wirbel noch Anlagen zu Proce. artice. distales sich fanden. Indem ich diesen Befund in der angegebenen Weise als eine Bestätigung meiner Anschauungen über den Umformungsprocess an der Wirbelsäule deute, trete ich, wie ich nicht übersehe, in einen Gegensatz zu einer Auffassung, die zur Zeit vielfache Vertretung findet, aber allerdings dem 30. Wirbel gilt, wenn dieser Wirbel, der gewöhnlich der erste Caudalwirbel ist, partiell mit dem Sacrum zu- sammenhängt. Ein solches Verhalten wird meist als eine beginnende Verschmelzung des Wirbels mit dem distalen Ende des Sacrum auf- gefasst und als eine Alterserscheinung angesehen. Diese Auffassung kann ich nicht theilen, und da sie an einer späteren Stelle dieses Aufsatzes noch zu erörtern sein wird, so gehe ich hier auf dieselbe nicht näher ein. Ich bemerke nur, dass bei der vorliegenden Wirbel- säule nichts (auch nicht das Alter des betreffenden Individuums) für diese Anschauung spricht, dass aber gegen dieselbe der Umstand angeführt werden kann, dass meine Deutung des Befundes am 31. Wirbel der in Rede stehenden Wirbelsäule mit den morphologisch gleichartigen Befunden, die sich im Übrigen an dieser Wirbelsäule 12 Emil Rosenberg darbieten, im Einklang steht, also auch aus diesem Zusammenhang verständlich wird. Jetzt habe ich eine den 26. Wirbel betreffende Beobachtung an- zuführen. In der Sammlung des anatomischen Instituts in Utrecht habe ich ein Skelet vorgefunden, welches offenbar wegen der am Objekt vorhandenen Sirenenbildung aufgehoben worden ist. Den Dimensionen nach entspricht das Skelet dem einer menschlichen Frucht aus den letzten Monaten der Schwangerschaft. Es ist voll- ständig und die Elemente des Skelets sind durch die natürlichen Bindemittel in getrocknetem Zustande zusammengehalten. Es fehlte jegliche Angabe über das Objekt, das auch nicht im Katalog ver- zeichnet war. In Betreff desselben war ich lange der Meinung, dass es sich um ein Objekt handle, welches nicht für eine Publikation benutzt war’, ich kann jedoch jetzt nicht mehr im Zweifel darüber sein, dass mir eines der Objekte vorliegt, die W. VroLık bearbeitet hat? und das später, statt im Museum VROLIK in Amsterdam, in der Utrechter Sammlung einen Platz gefunden hat. Über die Wirbel- säule des Objekts hat VroLık die folgende kurze Angabe gemacht: »Sunt septem vertebrae cervicales, et quatuordeeim dorsales. Tre- decim tamen tantum sunt costae, quoniam costa prima utroque latere -est duplex, et parte altera extrema fissa e duabus vertebris pro- venit®. Utriusque costae primae partes extremae sternales sunt propterea simplices. Sunt sex vertebrae lumbales; inferior ligamenti ope utrumque conjugitur cum scuto iliaco«4. ! Diese Meinung hatte ich auch bei einem Vortrag, den ich (92) über das Objekt gehalten habe. ‘ ? Außer dem Skelet fand sich auch ein Wachsabguss einer mit Sirenen- bildung behafteten Frucht vor, welcher offenbar wegen der übereinstimmenden Größe und der Details der Extremitätenbildung eine Darstellung der intakten Frucht ist. Dieser Abguss gab mir einen Anhalt, die Herkunft des Objektes zu erkennen. Beim Durchmustern der Litteratur über Sirenenbildungen über- raschte mich die Ahnlichkeit, welche die Fig. 3 auf Taf. LXV des Vrorık’schen ~ Werkes (49) mit dem erwähnten Wachsabguss hat. Die Frucht ist allerdings in der Abbildung in etwas anderer Haltung dargestellt, allein die Ähnlichkeit ist eine sehr große, und wenn man die Abbildungen, die VRoLIk in Fig. 1, 2 und 3 auf der Taf. LXVI vom Extremitätenskelet giebt, mit dem Präparat ver- gleicht, so kann ein Zweifel an der Identität nicht mehr bestehen. ® Auch diese Angabe enthält eine Bestätigung dafür, dass mir das von VROLIK untersuchte Objekt vorliegt; der Auffassung, die sich in dieser Be- merkung VROLIK’s ausspricht, kann ich jedoch nicht beistimmen, wie später zu erörtern sein wird. * 49. Erklärung zur Taf. LXVI pag. 2. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 13 VROLIK zählt also 27 präsacrale Wirbel, was, wie mir scheint, nicht mit Sicherheit geschehen kann. Von der Wirbelsäule ist auf der diesem Aufsatz beigefügten Taf. V Fig. 1 eine Abbildung ge- geben, die das Objekt, welches auch in Bezug auf andere Punkte von Interesse ist, in natürlicher Größe und in der Ansicht von der linken Seite wiedergiebt. Die Betrachtung dieser Figur kann mit Bestimmtheit davon überzeugen, dass der 26. Wirbel nicht zum Sa- erum gehört, sondern Lumbalwirbel ist. Es lehrt aber auch die Betrachtung des Präparats, dass der Bogen des 27. Wirbels in einer Flucht gelegen ist mit den Bogen der unzweifelhaft zum Sacrum zu rechnenden Wirbel. Das ist besonders auf der rechten Seite (ef. Taf. V Fig. 3) ersichtlich, weniger auf der linken. Auch liegt der Körper des 27. Wirbels nahezu in einer Ebene mit dem des 28. Wirbels, während zwischen dem Körper des 26. und dem des 27. Wirbels ein sehr deutliches Promontorium sich findet. Es kommt hinzu, dass nicht mehr ermittelt werden kann, ob die Ligamente, von denen VROLIK sagt, dass sie den 27. Wirbel mit den verschmol- zenen Ilia verbunden hätten, nicht vielleicht einen Knorpel um- schlossen haben, der bis zur Pars lateralis reichte. Wegen dieser Umstände kann, wie mir scheint, nicht behauptet werden, dass der 27. Wirbel beim vorliegenden Objekte lumbale Beschaffenheit habe'. . Und auch wenn das der Fall wäre, so würde damit meiner Auf- fassung keine Schwierigkeit bereitet werden, im Gegentheil würde eine solche Wahrnehmung eine sehr belangreiche Bestätigung der- selben enthalten, aber eben desshalb sind die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung möglichst hoch zu stellen. Sicher ist bei der vorliegenden Wirbelsäule der 26. Wirbel ein Lumbalwirbel und höchst wahrscheinlich der letzte Lumbalwirbel. Es zeigt sich also, dass dieser Wirbel in der Form zur Beobachtung 1 Völlige Sicherheit hinsichtlich der etwaigen lumbalen oder sacralen Be- schaffenheit des 27. Wirbels hätte nur die Untersuchung einer Schnittserie geben können, die aber aus dem Objekte in dem Zustand, in welchem ich es antraf, nicht angefertigt werden konnte. Das Objekt war mit einem Firnis- überzug versehen, von dem ich es durch Anwendung von Alkohol befreite, es war aber nicht möglich, obgleich das Objekt lange Zeit mit schwachem Alkohol behandelt wurde, das Volum der knorpeligen Bestandtheile wieder herzustellen, diese sind an manchen Stellen nicht ganz intakt und haben die dunkle Färbung behalten. Dadurch war sowohl für die Beobachtung wie für die bildliche Dar- stellung eine Schwierigkeit gegeben. Das Objekt wird jetzt in Alkohol auf- bewahrt. 14 Emil Rosenberg kommen kann, die aus dem oben erörterten ontogenetischen Befunde erschlossen wurde. Diese Beurtheilung kann nicht dadurch entkräftet werden, dass hier nicht eine Wirbelsäule eines Erwachsenen vorliegt, denn in Be- zug auf die Gruppirung der Wirbel zu Regionen ist bei dieser Wirbelsäule sicherlich der individuelle Entwicklungsgang abgeschlos- sen, sie kann in dieser Hinsicht also als eine entwickelte angesehen und der eines Erwachsenen morphologisch gleichgestellt werden. Dagegen kann sich sehr wohl das Bedenken geltend machen, dass hier die Bildung eines Sacrum, zumal dasselbe in abnormer Orientirung zum lumbalen Abschnitt der Wirbelsäule vorgefunden wird (ef. Taf. V Fig. 1), unter pathologischen Verhältnissen zu Stande gekommen sei, diesem Objekte desshalb also nicht volle Beweis- kraft zugeschrieben werden könne. Dieses Bedenken muss ich als ein berechtigtes anerkennen und es wird, wie mir scheint, auch nicht dadurch beseitigt, dass noch bei einem anderen Objekt eine nahezu übereinstimmende Wahrnehmung sich ergeben hat. Schon vor langer Zeit hat RopArı eine mit Sirenenbildung be- haftete, etwa acht Monate alte menschliche Frucht untersucht und über die Wirbelsäule derselben mitgetheilt: »Columnam vertebralem dorsalem quatuordecim vertebrae constituunt. Quatuordecim costae dexterae numerantur, sinistrae tredecim«!. Diese kurzen und nicht ganz sicher deutbaren Angaben sind durch Tarurri?, der dasselbe Objekt später untersucht hat, vervollständigt worden. Der genannte Autor sagt, es besitze die Wirbelsäule »una vertebra dorsale ed una lombare insolite« und sie biete »l’esempio, forse unico, di 14 coste per parte, di cui due appartengono alla 13™ dorsale e due alla set- tima vertebra cervicale«. In Betreff dieser letzteren Rippen hat TARUFFI konstatiren kénnen*, »che la costa sinistra procede isolata per 18 mill. e giunta in correspondenza della meta della prima to- racica si salda con questa, e che la costa destra & congiunta colla prima toracica e non si distingue da questa che per la grossezza e per un solco verso il margine superiores. Endlich macht TARUFFI noch die Bemerkung, es sei »una sacrale di meno« vorhanden. Es ist aus diesen Mittheilungen ersichtlich, dass Ropati offen- 1 34, pag. 36, 37. 2 79, pag. 92. * Eine genaue Untersuchung des Verhaltens der Rippen zu dem Körper und Querfortsatz des 7. Wirbels war nicht möglich, da das Objekt mit einer »tenace vernice« überzogen ist. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 15 bar eine Rippe nieht bemerkt hat, und dass nicht der 21. Wirbel das letzte Rippenpaar trägt, wie es nach der Angabe von Roparı scheinen könnte, sondern der 20. Wirbel. Besonders interessirt hier aber, dass ein Lendenwirbel mehr als gewöhnlich vorhanden ist!. Es liegen also 26 präsacrale Wirbel vor und der 26. Wirbel hat, wie bei dem vorhin beschriebenen Objekte, lumbale Form. Die Angabe TARUFFTS über das Sacrum ist im Zusammenhalt mit der Beschaffen- heit des 26. Wirbels an sich leicht verständlich, allein es muss be- merkt werden, dass die distale Grenze des Sacrum im vorliegenden Fall natürlich nieht sicher hat bestimmt werden können. Die Bestätigung, die hinsichtlich des 26. Wirbels diesen Beob- achtungen entnommen werden kann, hebt, wie ich schon bemerkte, das vorhin erwähnte Bedenken nicht auf, aber immerhin kommt beiden Objekten, zumal sie in Bezug auf andere, später zu be- rührende Verhältnisse morphologisch verwerthbare Befunde darbieten, so viel Interesse zu, dass es mir zulässig schien, das Verhalten des 26. Wirbels derselben hier zu konstatiren?. Ich wende mich nunmehr zu dem Objekt, welches mir haupt- sächlich den Anlass zu dem vorliegenden Aufsatz bot. Die Kennt- nisnahme desselben verdanke ich der Freundlichkeit meines verehrten Kollegen Prof. T. ZAALJER, der mir im anatomischen Institute in Leiden eine Wirbelsäule eines erwachsenen Menschen vorlegte, weil sie eine ungewöhnliche Beschaffenheit zeige. Diese Beschaffenheit war erst bei der Maceration der Wirbelsäule, nach Entfernung der Rippen, bemerkt worden. Daher fehlen diese und das Sternum an dem Prä- parat; im Übrigen aber sind die Wirbel (mit Ausnahme der letzten Caudalwirbel) alle vorhanden. Prof. ZAAIJER hatte die Güte, diese Wirbelsäule mir zur Benutzung für meine Untersuchungen zu über- lassen und das Objekt mir nach Utrecht zu senden. Sodann war Prof. ZAAWER so freundlich, mir brieflich mitzutheilen, dass das Ob- jekt um das Jahr 1864 der Leidener Sammlung einverleibt worden sei und dass die Elemente dieser Wirbelsäule in ihrer natürlichen Aufeinanderfolge an einander gefügt worden; das sei unter seiner 1 Diese Angabe kann man bestätigt finden durch die Fig. 4, die RoDATI auf Taf. II seiner Abhandlung bringt; es fehlt eine Erklärung der Figur und im Text geht Roparı auf die Lumbalwirbel nicht näher ein. 2 Dass man bei Sirenenbildungen nicht stets ein derartig primitives Verhalten der Wirbelsäule antrifft, braucht wohl nicht im Einzelnen dargelegt zu werden; man vergleiche hierüber z. B. W. Vrorır’s (42, pag. 115, 116) Angaben. 16 Emil Rosenberg Mitwirkung geschehen, und ein Zweifel daran, dass alle Wirbel zu einander gehören, könne nicht bestehen. Es sei mir gestattet, bevor ich zu einer Schilderung dieses mir sehr werthvollen Untersuchungsobjektes übergehe, meinem hochver- ehrten Kollegen auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die Liberalität, mit welcher er das Objekt mir zur Verfügung gestellt hat. Bei der Betrachtung der Wirbelsäule konstatirte ich, dass dieses Objekt den von mir gesuchten Fall darbietet, in welchem der 26. Wirbel der letzte Lumbalwirbel ist. In tadelloser Form zeigt er die charakteristische Gestaltung eines fünften Lumbalwirbels, und er ist bei dieser Wirbelsäule in der That der fünfte der vorhandenen Lumbalwirbel. Und da das Sacrum dieser Wirbelsäule fünf Wirbel umschließt, so zeigt sich hier der 31. Wirbel in der postulirten Form eines typisch gestalteten letzten Sacralwirbels. Taf. I des vorliegen- den Aufsatzes zeigt die ganze Wirbelsäule nach einer photographi- schen Aufnahme. Im Hinbliek auf die oben erwähnten, den 26. und den 31. Wirbel menschlicher Embryonen betreffenden Wahrnehmungen muss der Be- fund an den gleichen Wirbeln der vorliegenden Wirbelsäule eines Erwachsenen als eine Bestätigung der Schlussfolgerungen aufgefasst werden, die aus dem Verhalten bei den untersuchten Embryonen gezogen wurden, und damit entsteht auch sogleich die Anschauung, dass die in Rede stehende Wirbelsäule eine relativ sehr primitive ist. Sie erscheint primitiver, als irgend eine der bisher bekannt gewordenen Formen der Wirbelsäule des Erwachsenen; sind doch bisher höchstens 25 freie, präsacrale Wirbel in atavistischen Fällen bei erwachsenen Menschen angetroffen worden. Diese Beurtheilung kann indess nur dann statuirt und acceptirt werden, wenn es völlig sicher ist, dass die an dem Objekte vor- liegende Anordnung der Wirbel als eine natürliche angesehen wer- den muss. Die sehr bestimmte Aussage von Prof. ZAAWER ist in dieser Hin- sicht gewiss von größtem Gewicht und könnte an sich schon jeden Zweifel ausschließen. Es kann aber wohl auch berechtigt erscheinen, einen Zweifel, der sieh dennoch etwa regte, nieht ausschließlich auf Grundlage der Aussage eines erfahrenen Fachmannes zurückzuweisen, sondern auch an dem Objekte selbst die etwaige Bedeutung eines Zweifels zu prüfen. Ich darf nicht unterlassen, der eben bezeichneten Aufgabe nachzukommen, weil in der Diskussion nach meinem Vor- Uber eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 17 trag auf der Anatomenversammlung mehrfach Zweifel an der Zu- sammengehörigkeit der Elemente dieser Wirbelsäule geäußert worden sind. Es hat v. BARDELEBEN im Hinblick auf die Form, welche der 13. Wirbel in der von mir der Versammlung vorgelegten Photographie der ganzen Wirbelsäule zeigt, die Frage aufgeworfen, »ob ‚Inter- polation‘ eines Wirbels, nicht im Sinne IHErıng’s, sondern etwa durch die Hand eines Präparators ausgeschlossen sei«!. Auch andere Fachgenossen äußerten Zweifel? Endlich muss ich bemerken, dass ich, noch bevor die erwähnten Bedenken erhoben waren, mich selbst veranlasst gesehen habe, Zweifel, die sich mir aufgedrängt hatten, durch eine wiederholte Untersuchung des Objekts zu prüfen. Es erscheint mir somit geboten, zunächst auf die Frage nach der Zusammengehörigkeit der Bestandtheile der vorliegenden Wirbel- säule einzugehen. Erst nach einer befriedigenden Erledigung der- selben könnte eine von morphologischen Gesichtspunkten geleitete nähere Betrachtung des Objekts unternommen und die Frage unter- sucht werden, ob auch andere Befunde an der vorliegenden Wirbel- säule eine primitive Beschaffenheit derselben dokumentiren. Die Erörterung der Frage, die uns zunächst zu beschäftigen hat, scheint mir an eine Betrachtung der Abbildung auf Taf. I an- geknüpft werden zu müssen, weil diese Figur wohl zunächst ge- eignet ist, dem Leser, der das Objekt selbst nicht betrachten kann, ein Urtheil zu ermöglichen. Zudem hat die Betrachtung der Photo- graphie, nach welcher diese Figur angefertigt ist, die oben erwähnte Frage v. BARDELEBEN’S verursacht. Auch mir selbst hat die er- wähnte Photographie zu Zweifeln, die ich oben schon berührte, Ver- anlassung gegeben. Die photographische Aufnahme des ganzen Ob- jekts, die in der vorliegenden Heliogravüre verkleinert wiedergegeben ist, wurde gemacht, nachdem ich die erste Untersuchung der Wirbel- säule (im Sommer 1896) beendet hatte. Es waren die Wirbel dabei von einander gelöst worden, und ich hatte bei der Betrachtung der einzelnen Stücke zunächst keinen Anlass gefunden, an der richtigen Zusammensetzung der Wirbelsäule ı Cf. die Diskussion zu meinem Vortrag (97). ?2 Im Hinblick auf diese Zweifel wäre es mir besonders erwünscht ge- wesen, den vorliegenden Aufsatz rasch publieiren zu können. Es haben jedoch zunächst die Schwierigkeiten, die bei der Beschaffung der Litteratur sich gel- tend machten, eine Verzögerung bedingt, und dann haben amtliche, auf das anatomische Institut sich beziehende Angelegenheiten aus von mir unabhängigen Gründen einen großen Zeitverlust verursacht. Morpholog. Jahrbuch. 27. 2 18 Emil Rosenberg zu zweifeln. Nach Untersuchung der einzelnen Wirbel wurde dann die Wirbelsäule mit Benutzung der für das Präparat verwandten Bindemittel wieder zusammengesetzt und in toto photographisch auf- senommen!. Erst bei späterer Betrachtung der Photographie, als‘ das Objekt selbst mir nicht mehr zur Hand war, fand ich Veran- lassung, mich bei dem Ergebnis der ersten Untersuchung nicht zu beruhigen, sondern zwei Mal eine neue Untersuchung vorzunehmen, die von Prof. Zaaıser freundlichst durch Übersendung der Wirbel- säule mir ermöglicht wurde. Bei der Betrachtung der vorliegenden Figur dürfte, wenn man von dem proximalen Ende der Wirbelsäule ausgeht, wohl zunächst der Umstand auffallen, dass nur sechs typisch geformte Halswirbel angetroffen werden, da der 7. Wirbel der Reihe an dem proximalen Rande seines Körpers jederseits eine ganze Fossa eostalis trägt. Er besitzt außerdem eine Fossa transversalis und am distalen Rande seines Körpers eine getheilte Fossa costalis. Diese Befunde sind leicht dadurch zu interpretiren, dass der 7. Wirbel im intakten Zu- stande des Objekts mit »Halsrippen« ausgestattet war. Sicherlich wird man dem Gedanken nicht Raum geben wollen, dass hier inner- halb der Reihe der vorhandenen sechs Halswirbel bei der Präparation ein Wirbel fortgefallen sei. Bei der gegebenen Sachlage kann wohl nur solehen Einwänden entgegengesehen werden, die an die scheinbar zu große Zahl von Prisacralwirbeln anknüpfen. Es fügen sich zu- dem die Gelenkfacetten der sieben ersten Wirbel so genau an ein- ander und zeigen die charakteristische, allmähliche Ablenkung der Gelenkebenen so deutlich, dass dieser Theil der Wirbelsäule zu einem Bedenken einen Anlass entschieden nicht geben kann. Der eine meiner Zweifel bezog sich dagegen auf das Verhalten des achten Wirbels zum neunten. Die Abbildung auf Taf. I lässt ersehen, dass die zu einander gehörigen Gelenkfacetten dieser bei- den Wirbel sich nicht genau an einander schließen; es begrenzen dieselben einen Spalt, der proximalwärts sich erweitert. Das konnte bedenklich erscheinen und die Vermuthung veranlassen, dass viel- leicht der achte und neunte Wirbel nicht zu einander gehören. Ich habe daher die Wirbel von einander gelöst und habe mich davon überzeugt, dass die erwähnte Erscheinung an den Gelenkfacetten 1 Die ursprünglich vorhandenen, an der Abbildung sichtbaren Bindemittel Korkscheiben) sind später entfernt worden und es sind dann- die Wirbel mit Ziffern, die der Stellung der Wirbel in der Reihe entsprechen, bezeichnet worden. OS eer Uber eine primitive Form der Wirbelsiiule des Menschen. 19 nur dadurch zu Stande gekommen ist, dass bei der Zusammenfiigung der Wirbel der Zwischenraum zwischen den Körpern durch die Korkscheibe, welche die Intervertebralscheibe ersetzen soll, nicht ‚genügend ausgefüllt ist. Werden die isolirten Wirbel in richtiger Stellung an einander gelagert, und in dieser Stellung durch eine Wachsscheibe, die zwischen die Körper gefügt wurde, fixirt, so sieht man (cf. Taf. II Fig. 2, Ansicht von der linken Seite), dass die Ge- lenkfacetten des achten und neunten Wirbels vollkommen genau zu einander passen, und bei diesem Modus der Aneinanderfügung der in Rede stehenden Wirbel tritt keine Divergenz zwischen den zu einander gehörigen Gelenkfacetten einerseits des neunten und zehnten Wirbels und andererseits des siebenten und achten Wirbels auf. Der erwähnte Zweifel ist somit leicht zu beseitigen. Das gleiche überzeugende Bild, wie es in Fig. 2 Taf. II sichtbar ist, bietet sich bei der Betrachtung des achten und neunten Wirbels von der rechten Seite dar, und bei der Betrachtung von der ventralen und der dorsalen Seite sieht man, dass die Körper und die Proce. spinosi der genannten beiden Wirbel sich den gleichnamigen Theilen der vorhergehenden und der folgenden Wirbel in tadelloser Weise anschließen und damit die Zugehörigkeit der betreffenden Wirbel zu einander dokumentiren. Es ist jetzt das von v. BARDELEBEN geäußerte Bedenken in Betreff des 13. Wirbels zu besprechen, sowie der zweite Zweifel, der sich mir selbst aufgedrängt hat. Dieser letztere betraf den 15. Wirbel und wurde dadurch hervorgerufen, dass mir bei der Be- trachtung der Photographie, die auf Taf. I reprodueirt ist, auf- fiel, dass der Körper des 15. Wirbels einerseits merklich höher ist, als der Körper des 16. Wirbels und andererseits einen relativ zu großen Höhenunterschied im Vergleich mit dem Körper des 14. Wir- bels darbietet. In dieser Region der menschlichen Wirbelsäule findet bekanntlich unter normalen Verhältnissen, distalwärts fortschreitend, eine allmähliche Zunahme der Höhe der Wirbelkörper statt, und dess- halb kann es ein Bedenken,erwecken, dass der Körper des 16. Wir- bels hier, wie die Abbildung lehrt, niedriger ist als der des 15. Wir- bels; das Umgekehrte wäre zu postuliren. Und da die an der Figur wahrnehmbare Höhe des Körpers des 16. Wirbels in dem zu postu- lirenden Verhältnis zu der Höhe des 14. Wirbelkörpers steht, so konnte die Vermuthung entstehen, dass der 15. Wirbel vielleicht nicht zu den benachbarten gehört, und irrthümlicher Weise zwischen dieselben hineingefügt worden sei. Dieser Vermuthung konnte auch 2 20 Emil Rosenberg der Umstand eine Stütze geben, dass, wie aus der Figur ersichtlich, der Proc. spinosus des 15. Wirbels eine auffallend abweichende Stel- lung gegenüber der Situation der Proce. spinosi des 14. und des 16. Wirbels einnimmt. Um den Werth dieser den 13. und 15. Wirbel betreffenden Zweifel zu prüfen, ist es erforderlich, zunächst die Konfiguration der ganzen Dorsalregion an der vorliegenden Wirbelsäule ins Auge zu fassen. Ein Blick auf die Figur der Taf. I zeigt deutlich, dass in dem proximalen Theil der Dorsalregion die dorsalwärts ge- richtete Krümmung der Wirbelsäule viel stärker ist als unter nor- malen Verhältnissen. Es ist eine nieht ganz geringe Kyphose vor- handen, und diese kombinirt sich zugleich mit seitlichen Verkrüm- mungen in diesem Abschnitt der Wirbelsäule (desshalb sind in der Figur auch die Enden der rechten Proce. transversi des 13. bis 16. Wirbels siehtbar); geht man nun vom distalen Theil der Dorsal- region aus, so sieht man, dass vom 19. bis zum 17. Wirbel eine ganz geringfügige seitliche Verbiegung besteht, deren Konkavität nach rechts gerichtet ist’. Alsdann macht sich aber vom 16. Wirbel ab eine zweite und zwar sehr deutliche seitliche Verkrümmung gel- tend, die ihre Konkavität nach links gewendet zeigt. Diese sko- liotische Verkrümmung ist am stärksten ausgeprägt im Bereich des 14., des 13. und des 12. Wirbels, und die Konkavität dieser Krüm- mung hat ihre tiefste Stelle im Bereich des 13. Wirbels. Vom 11. Wirbel ab proximalwärts folgt eine dritte, aber schwä- chere skoliotische Verkrümmung, bei der die Konkavität natürlich nach rechts gewendet ist. Diese Konkavität ist am tiefsten im Be- reiche des zehnten Wirbels. Die Verkrümmung ist auch noch am neunten Wirbel merkbar. Beim achten Wirbel dagegen tritt das normale symmetrische Verhalten der Wirbelsäule auf und ist in dem Cervicaltheil bewahrt geblieben. Über den Grad aller dieser Verkrümmungen gewinnt man eine genauere Vorstellung, wenn man die folgenden Maße überblickt, welche die Höhe der Wirbelkörper an der rechten und an der linken Seite (in einer Linie gemessen, die etwas ventralwärts von den Fossae costales angenommen wurde), sowie in der Medianebene angeben. 1 Die letzten Dorsalwirbel, sowie die Lumbalwirbel sind entweder völlig symmetrisch geformt, oder die Unterschiede in der Höhe der Körper auf der rechten und linken Seite sind so klein, dass sie nicht in Betracht kommen; dieser Theil der Wirbelsäule ist also als symmetrisch zur Medianebene orientirt anzusehen. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 21 Hohe (in Millimetern) 7 — [2 Manns! rechts Medianebene links 8. di 21 20 21 9.d? 19,5 20 20 10. d3 17 18 22,5 11. d4 18 18 22 12. d5 21,5 19 19,5 13. d6 22 12 14 14. di 22 18 19 15. d8 23,5 20 23° 16. d9 23 21 21,5 17. dW 22 21,5 23 18. di 23,5 20,5 24 19. d?2 24,5 21 25 20. 413 25 21 24,5 21. dt 25 22 25 Es erschien mir geboten, auch durch die vorstehenden Zahlen nähere Angaben über diese Verkriimmungen der Wirbelsäule zu machen, obgleich dieselben ja als pathologische Erscheinung hier kein Interesse haben und für die morphologische Deutung des Ge- sammtbefundes unwesentlich sind. Aber die Existenz dieser Ver- krümmungen hat einer Anzahl Wirbel Merkmale aufgeprägt, die sehr brauchbare Anhaltspunkte ergeben für die Beurtheilung der Frage nach der Zusammengehörigkeit der Wirbel. Berücksichtigt man die Existenz der vom neunten bis zum elften Wirbel reichenden seitlichen Verkrümmung, so kann man die Form der Wirbelkörper dieser Krümmung so vollkommen angepasst finden, auch die Proce. articulares und spinosi schließen sich derart natür- lich an einander, dass hier jeder Zweifel hinsichtlich der Zusam- mengehörigkeit der Wirbel ausgeschlossen ist. Der 12. Wirbel ist mit dem 11. zum Theil synostotisch verbunden!. Es folgt jetzt der 13. Wirbel, dessen Form v. BARDELEBEN zu einem Bedenken Anlass gegeben. Welche Formeigenthümlichkeit hierbei besonders in Betracht gekommen, ist nicht erwähnt worden. Ich muss nun !: Im Bereich der Proce. artieulares; rechts geht die knöcherne Verbindung auch auf.die Bogen bis zum Ursprung des Proc. transversus über, links liegt eine Synostose allein der Proce. artieulares vor, diese ist in der Figur der Taf. I sichtbar. wo 2 Emil Rosenberg im Hinblick aut diesen Zweifel zuniichst bemerken, dass v. BARDE- LEBEN die Form dieses Wirbels nur auf Grundlage der von mir demonstrirten Photographie beurtheilen konnte. Diese zeigt den Wirbel in der Ansicht von der linken Seite und lässt seine hoch- gradige Asymmetrie nicht erkennen. Diese letztere Formeigenthüm- lichkeit ist nun aber nicht nur erklärlich, sondern muss geradezu postulirt werden, weil, wie aus den oben angegebenen Maßen deut- lich hervorgeht, dieser 13. Wirbel auf der Höhe der mittleren sko- liotischen Verkrümmung steht. Wenn man am Objekte diesen Wirbel betrachtet und die Krümmung der Wirbelsäule berücksichtigt, so gewinnt man sogleich die Überzeugung, dass dieser Wirbel noth- wendig zu den benachbarten Elementen der Säule gehört. Zudem finden sich an dem Rande des Körpers desselben, sowie an ent- sprechender Stelle an den Körpern des 14. und 12. Wirbels Form- eigenthümlichkeiten (kleine, in einander greifende Vorsprünge und Einsenkungen), die an sich schon die Zusammengehörigkeit bekunden. Dieselbe geht auch aus der Beschaffenheit der einander tangirenden Proee. artieulares des 12. und des 13. Wirbels hervor, die später noch näher zu berühren sein wird'. Es ist somit völlig sicher, dass der 13. Wirbel nicht durch die Hand eines Präparators »interpolirt« worden ist. Es handelt sich jetzt um den 15. Wirbel. Meinen an diesen Wirbel anknüpfenden Zweifel kann ich nach erneuter Untersuchung des Objektes mit derselben Sicherheit beurtheilen wie den in Betreff des 13. Wirbels geäußerten. Es dürfte Jedem, der die Art und Weise näher betrachtet hat, in welcher die Dorsalwirbel vermittels ihrer Proce. articulares sich verbinden, bekannt sein, dass man bei notorisch zusammengehörigen Elementen einer Wirbelsäule nicht selten die Gelenkfacetten der Proce. articulares an macerirten Wirbeln derart gestaltet findet, dass dieselben, wenn man die Wirbel zusammenfügt, sich in ungezwun- gener, natürlicher Weise mit ihren fast planen Flächen an einander lagern, aber doch allein durch die Konfiguration dieser Flächen nicht immer ihre Zusammengehörigkeit sicher erkennen lassen. 1 Es ist mir belangreich, zu bemerken, dass ich, noch bevor ich den Ein- wand v. BARDELEBEN’s kennen gelernt hatte, in der Beschaffenheit der er- wähnten Proce. articulares des 12. und 13. Wirbels Anhaltspunkte gefunden hatte, die eine Zusammengehörigkeit dieser beiden Wirbel sicher erkennen lassen; diese Fortsätze waren auch schon im Hinblick auf eine später zu erörternde Frage photographisch aufgenommen worden. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 23 Die Gelenkfacetten der Proce. articulares der Dorsalwirbel (abgesehen von dem letzten oder den beiden letzten) haben eben eine einiger- maßen indifferente, nicht sehr specialisirte Form. Andererseits kom- men aber auch genugsam Fälle zur Beobachtung, in denen die zu einander gehörigen Gelenkfacetten sowie die Proce. artieulares kleine Formeigenthümlichkeiten zeigen, die oft wohl auf Entstellungen durch den Beginn von pathologischen Processen zurückzuführen sind, aber zugleich den einander tangirenden Facetten eine Konfiguration geben, welche die sichere Überzeugung gewährt, dass die betreffenden Fa- cetten und damit die Wirbel zusammengehören müssen. Einen derartigen Befund bieten nun an der vorliegenden Wirbel- säule die einander tangirenden Gelenkfortsätze des 14. und des 15. Wirbels. Die Proce. artice. proximales des 15. Wirbels sind asymmetrisch; links ist die Gelenkfacette groß (13,5 mm im Quer- durchmesser), sie zeigt an ihrem lateralen Rande eine eigenthüm- liche Ausbuchtung, und in der Ansicht von der dorsalen Seite sieht man (ef. Taf. II Fig. 4) an ihrem distalen Kontour eine einspringende Partie, die von einer wallartigen Erhebung begrenzt wird. Die Ge- lenkfacette am linken Proc. artic. distalis des 14. Wirbels ist gleich- falls groß (14 mm im Querdurchmesser), und sie sowie der Gelenk- fortsatz sind genau nach dem Modell des linken Proe. artic. proximalis des 15. Wirbels geformt. Fig. 1 der Taf. III lässt die beiden in Rede stehenden Gelenkfortsätze (nachdem die Wirbel in richtiger Stellung zu einander durch eine Wachsscheibe fixirt waren) in der Ansicht von der lateralen Seite sehen und zeigt, wie genau sie auf einander schließen, und aus Fig. 4 der Taf. II kann die Kon- gruenz des distalen Kontours beider Gelenkfacetten ersehen werden. Dieses Verhalten verbürgt die Zusammengehörigkeit beider Gelenk- fortsätze, und das wird bestätigt durch das übereinstimmende Ver- halten der Fortsätze der rechten Seite. Am 15. Wirbel hat die Gelenkfacette 8 mm im Querdurchmesser, sie ist glatt und scharf begrenzt. Auch am Proc. artic. distalis des 14. Wirbels beträgt der Durchmesser der Gelenkfacette nur 8 mm, und auch ihre Form stimmt überein mit der eben erwähnten Gelenkfacette des 15. Wirbels. Schon hieraus ist zu ersehen, dass der 15. Wirbel sicher zum 14. . gehört. Es erübrigt aber noch eine Bemerkung hinsichtlich der Be- schaffenheit des Proc. spinosus des 15. Wirbels, welche ja gleich- falls den Zweifel unterstützte. Um in Bezug hierauf den Zweifel als einen unberechtigten zu erkennen, genügt wohl ein Blick auf Fig. 4 der Taf. II, die den 13. bis 17. Wirbel in richtiger relativer 24 Emil Rosenberg Stellung, in der Ansicht von der dorsalen Seite, darbietet. Man er- kennt hier leicht die Verkriimmung des Proc. spinosus des 15. Wir- bels, man sieht aber auch, wie die Form desselben in vollkommen natürlicher Weise in die wellig gebogene Reihe hineingehört, welche die Proce. spinosi bilden, die sämmtlich nicht gerade gestreckt sind, sondern leichte Biegungen wahrnehmen lassen. Diese sind natürlich eine Folge der hier bestehenden Skoliose. Auch die Betrachtung der Proce. transversi kann das bisher gewonnene Urtheil bestätigen. Wenn man die Reihe derselben in der vorliegenden Figur übersieht und sich den 15. Wirbel eliminirt denkt, so erkennt man sogleich, wie nun die Querfortsätze des 14. und des 16. Wirbels eine für auf einander folgende Wirbel ganz unnatürliche Formdifferenz zeigen, und man überzeugt sich so, dass auch in Betreff der Querfortsätze der 15. Wirbel ein nothwendiges Element der Reihe ist. Seine Querfortsätze lehnen sich in der Richtung ihrer Längsachsen noch einigermaßen an die Richtung der Querfortsätze des 14. Wirbels an, aber durch ihre Verdiekung machen die Querfortsätze des 15. Wir- bels den zu postulirenden Übergang zu den relativ massigen Quer- fortsätzen des 16. Wirbels. Aus dem Gesagten ist also mit völliger Sicherheit zu entnehmen, dass der 15. Wirbel nicht »interpolirt« ist, und es wird jetzt wohl auch verständlich, wesshalb die Höhe seines Körpers in der Figur der Taf. I relativ zu groß erscheint gegenüber der Höhe der Kör- per des 14. und des 16. Wirbels. Diese drei Wirbel liegen im Beginn der Konkavität der mittleren seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule und sind in der auf Taf. I abgebildeten (linken) Seite sämmtlich niedriger als an der rechten Seite. Es handelt sich also darum, dass keine ganz gleichmäßige Zusammendrückung ihrer linken Seite stattgehabt hat; der 16. Wirbel ist wohl etwas zu stark, der 15. etwas zu wenig an der linken Seite zusammengedrückt. Alle diese Erörterungen lassen erkennen, dass an der vorliegen- den Wirbelsäule die Wirbel vom 1. bis zum 15. inkl. völlig sicher zusammengehören. Es könnte nun aber noch die Frage aufgeworfen werden, ob nicht vielleicht der 16. Wirbel »interpolirt« sei. Die einander zusehenden Endflächen des 15. und des 16. Wirbels lassen die zu postulirende Übereinstimmung der Form wahrnehmen, und der Körper des 16. Wirbels schließt sich auch im Übrigen, d. h. was seine Ausdehnung in dorso-ventraler und transversaler Richtung anlangt, in der erforderlichen Weise, besonders wenn die vorhandene Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 25 Skoliose berücksichtigt wird, an den Körper des 15. Wirbels an. Allein die einander tangirenden Gelenkfacetten der Proce. artieulares dieser beiden Wirbel sind nicht völlig kongruent. Am 15. Wirbel messen die Facetten an den Proce. articulares distales links 12 mm, rechts 11 mm im Querdurchmesser, und der Totalabstand ihrer late- ralen Ränder (in gerader Linie gemessen) beträgt 34 mm. Am 16. Wirbel beträgt an den Proce. artieulares proximales der Quer- durchmesser der Gelenkfacetten links 12,5 mm und rechts 11 mm. Dabei beträgt der Totalabstand der lateralen Ränder dieser Facetten 35,5 mm!. Diese kleinen Differenzen würden die Zusammengehörig- keit der Gelenkfortsätze nicht bezweifeln lassen, besonders da Ana- loges an notorisch zusammengehörigen Dorsalwirbeln gesehen werden kann, ein Zweifel könnte nur an die Form der Facetten anknüpfen. Was diese anlangt, so stimmt am 15. Wirbel die Facette am Proc. art. distalis der linken Seite in der Form gut überein mit der Facette am Proc. art. proximalis der linken Seite des 16. Wirbels, auch sind beide Facetten scharfrandig und die Flächen sind glatt. Es liegt hier jedoch der Fall vor, dass die Form der Facetten die Zusammengehörigkeit weder bestimmt zu behaupten noch zu ver- neinen gestattet. Die in Rede stehenden Facetten sind in Fig. 3 a, 35 der Taf. III abgebildet”. Auf der rechten Seite ist aber am 15. Wirbel die Facette des Proc. art. distalis gegen ihren lateralen Rand hin unregelmäßig begrenzt und im lateralen Dritttheil der Fläche rauh (ef. Fig. 3 a); es macht den Eindruck, als habe dort eine beginnende Knochenwucherung sich geltend gemacht. Die Facette 1 Bei Betrachtung der Fig. 4 auf Taf. II kann es wahrgenommen werden, dass die Gelenkfacetten an den Procc. artieulares proximales des 16. Wirbels nicht völlig gedeckt sind von den betreffenden Facetten des 15. Wirbels. 2 Die Fig. 3a zeigt die Facetten der Proce. artic. distales des 15. Wirbels in der Ansicht von der ventralen Seite, und die Fig. 35 die Gelenkflächen an den Proce. artic. proximales des 16. Wirbels von der dorsalen Seite her ge- sehen. Bei der Betrachtung dieser Figuren, sowie der Fig. 2 und 4, welche andere Wirbel in übereinstimmender Orientirung darstellen, ist zu berücksich- tigen, dass bei der photographischen Aufnahme die Facetten der proximalen Gelenkfortsätze so orientirt wurden, dass ihre Ebenen nahezu senkrecht zur optischen Achse des Apparates zu stehen kamen. Das war natürlich nicht möglich bei den zugehörigen Facetten der Proce. artie. distales, die bei solcher Stellung durch die Körper der Wirbel zum größten Theil verdeckt worden wären; daher war für diese distalen Facetten eine Orientirung unter nahezu 45° zur optischen Achse erforderlich; bei den Facetten der distalen Gelenk- fortsätze macht sich daher perspektivische Verkürzung geltend, was bei einer Vergleichung der Bilder im Auge behalten werden muss. 26 Emil Rosenberg am rechten proximalen Gelenkfortsatz des 16. Wirbels ist jedoch mit glatter Fläche versehen und scharfrandig auch in ihrem latera- len Bezirk (ef. Fig. 3 6). Bei der Beurtheilung dieser Inkongruenzen ist es nun wichtig, zu wissen, ob Analoges an notorisch zusammen- gehörigen Gelenkfacetten vorkommen kann. Diese Frage lässt sich mit Bestimmtheit bejahen und der Beweis für diese Behauptung kann an notorisch zusammengehörigen Wirbeln auch der hier in Rede stehenden Wirbelsäule erbracht werden. Hierher gehörige, zwei Wirbelpaare betreffende Befunde habe ich in den Figg. 2a, 25 und 4a, 46 der Taf. III wiederge- geben. Betrachtet man zunächst die letztere Figur, so bietet Fig. 4 a das Bild der distalen Gelenkfacetten des 18. Wirbels in der Ansicht von der ventralen Seite!. Links ist die Facette relativ groß (17 mm) rechts ist sie kleiner (13 mm). Die Facette des linken proximalen Gelenkfortsatzes am 19. Wirbel (cf. Fig. 45) stimmt nur in ihrem Kontour (man beachte besonders die Einziehung am distalen Rande) und in dem Detail der Flächenkonfiguration so vollständig mit der zugehörigen Facette am 18. Wirbel überein, dass man (auch abge- sehen von dem anderweitigen Verhalten beider Wirbel) schon aus dieser Übereinstimmung die Zugehörigkeit der beiden Wirbel zu einander erschließen kann. Trotzdessen ist, wie Fig. 4 zeigt, eine deutliche Inkongruenz zwischen den Facetten der rechten Seite vor- handen. Am 18. Wirbel hat diese Facette eine nahezu rechteckige Gestalt mit abgerundeten Ecken und die Facette ist glatt, während die rechte Gelenkfacette des 19. Wirbels (ef. Fig. 4 5) eine nahezu dreieckige Gestalt hat und an ihrem lateralen Rand Rauhigkeiten trägt, die wohl auch hier auf beginnende pathologische Veränderun- gen zu beziehen sind. Zudem ist diese Facette um 2mm schmäler als die am 18. Wirbel. An dem Objekte tritt die Übereinstimmung der linken Gelenkfacetten in völlig überzeugender Weise hervor, während die Figur, wegen der erwähnten Orientirung der Flächen, nicht so überzeugend wirkt. In dieser Hinsicht dürfte aber wohl bei den in Fig. 2 Taf. III abgebildeten Gelenkfacetten auch durch die Abbildung ein überzeugender Eindruck hervorgerufen werden. Fig. 2« zeigt die distalen Gelenkfacetten am 12. Wirbel und Fig. 2 6 die proximalen Facetten des 13. Wirbels. Erinnert man sich jetzt dessen, dass die frühere Betrachtung dieser beiden Wirbel (ef. pag. 22) wegen der Konfiguration der Körper die völlige Sicherheit 1 Cf. die Anmerkung 2 auf pag. 25. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 97, der Zusammengehörigkeit der beiden Wirbel ergab, so gewinnt die Betrachtung der zu einander gehörigen Facetten ein besonderes In- teresse. Aus der citirten Figur ist ersichtlich, dass von den in Rede stehenden Gelenkfacetten die der rechten Seite eine eigenthümlich unregelmäßige Gestalt haben und kleine Rauhigkeiten an der Fläche zeigen. Ferner sieht man medial von dem rechten proximalen Gelenkfortsatz des 13. Wirbels eine kleine spitze Knochenzacke hervorragen. Bringt man jetzt am Objekt beide Gelenkfacetten zur Deekung, so findet man, dass diese Unregelmäßigkeiten der Kon- figuration so genau in einander greifen, dass die Zusammengehörig- keit der Facetten außer Zweifel steht. Man kann darüber auch durch die Betrachtung der Fig. 2 Taf. III ein Urtheil erlangen. Am rechten proximalen Gelenkfortsatz des 13. Wirbels findet sich am distalen Rande der Gelenkfacette eine Einkerbung, an welche lateralwärts sich eine Erhöhung am Gelenkfortsatz anschließt, diese ragt, wenn die Wirbel auf einander gelegt werden, in die in Fig. 2« deutlich wahrnehmbare Einbuchtung des distalen Randes der ent- sprechenden Gelenkfacette des 12. Wirbels hinein. Medial von die- ser letzteren Gelenkfacette ist an der Fig. 2« sehr deutlich eine grubige Vertiefung zu sehen, welche die kleine Knochenspitze auf- nimmt, die medial neben der Basis des rechten Gelenkfortsatzes des 13. Wirbels aufsitzt (cf. Fig. 2 5). Die in der Figur sichtbare, etwas weiter proximalwärts und von dem Gelenkfortsatz selbst sich er- hebende abgestumpfte Spitze, fällt in eine Vertiefung, die neben dem proximalen Abschnitt des medialen Randes der rechten Gelenk- facette am 12. Wirbel sich befindet. Kurz, es besteht völlige Kon- gruenz dieser unregelmäßig gestalteten Gelenkfacetten. Im Gegensatz dazu steht das Verhalten der Facetten auf der linken Seite. Am proximalen Gelenkfortsatz des 13. Wirbels (ef. Fig. 2 4) ist die Gelenkfacette relativ schmal, sie ist scharfrandig, auch im lateralen Bezirk und die Fläche ist glatt. An der entsprechenden Facette des 12. Wirbels (cf. Fig. 2 a) ist dagegen der laterale Abschnitt rauh und der Rand abgerundet und unscharf begrenzt. Man trifft hier ein analoges Verhalten wie bei den linken, zu einander gehörigen Facetten des 15. und des 16. Wirbels und man sieht, wenn das oben geschilderte Verhalten des 18. und des 19. Wirbels berück- sichtigt wird, dass an notorisch zusammengehörigen Wirbeln noch größere Inkongruenzen der Gelenkfacetten vorkommen können, als diejenigen, welche zwischen den Gelenkflächen des 15. und des 16. Wirbels getroffen wurden. 28 Emil Rosenberg Dass aber an der vorliegenden Wirbelsäule derartige Inkon- gruenzen zusammengehöriger Gelenkfacetten, sowie Asymmetrien der Gelenkfortsätze eines und desselben Wirbels vorkommen, scheint mir leicht verständlich zu sein als eine Folgeerscheinung der be- stehenden Skoliosen. Unter dem Einfluss dieser Verkrümmungen der Wirbelsäule müssen die Gelenke in abnorme Verhältnisse gerathen und ungleichartig in Anspruch genommen werden. Das muss patho- logische Erscheinungen veranlassen, die entweder, wie bei dem 11. und 12. Wirbel, zur Synostose führen, oder, wie bei den anderen besprochenen Wirbeln, zu partiellen Störungen der Form der Gelenk- facetten. Diese Entstellungen können sehr wohl an den beiden zu einander gehörigen Gelenkfortsätzen nicht absolut gleichzeitig sich einstellen und damit wird es verständlich, dass die eine der zu ein- ander gehörigen Gelenkflächen noch relativ normal, die andere schon im Beginn der Entstellung sich antreffen lässt. Das Gesagte dürfte wohl schon jeden Zweifel an der Zusammengehörigkeit des 16. und des 15. Wirbels beseitigen. Will man indess die Vermuthung einer »Interpolation« des 16. Wirbels noch in einer anderen Weise prüfen, so kann das dadurch geschehen, dass man den 16. Wirbel entfernt und nun den Versuch macht, den 17. Wirbel an den 15. zu fügen. Man sieht dabei sofort, dass der Körper des 17. Wirbels relativ zu groß ist, um auf den des 15. folgen zu können; er springt sowohl ventral als seitlich treppenartig vor und der erste Blick überzeugt davon, dass der 16. Wirbel hier in der Reihe gar nicht entbehrt werden kann. Vom 17. Wirbel ab distalwärts bis zum 26. Wirbel, an welchen das Sacrum tadellos sich anschließt, liegen relativ leicht zu beurthei- lende Verhältnisse vor; die Wirbel haben so charakteristische For- men, dass jede Möglichkeit einer künstlichen Hineinfügung eines fremden Elementes von vorn herein ausgeschlossen ist. Man kann keinen Zweifel darüber haben, dass die hier vorliegenden Wirbel zu einander gehören. Das Resultat dieser Prüfung ist also, dass eine völlige Sicherheit darüber besteht, dass der vorliegende Befund von 26 präsacralen Wirbeln nicht dadurch interpretirt werden kann, dass ein Wirbel irgendwo in die Reihe ungehöriger Weise hineingefügt worden ist. Ich könnte hiermit die auf das Objekt als solches gerichtete Prüfung der vorliegenden Wirbelsäule abschließen. Indess besteht, wenn man ausschließlich das Objekt, wie es vorliegt, betrachtet, noch eine Möglichkeit, die Zusammengehörigkeit aller vorhandener Wirbel Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 29 anzustreiten. Und da diese gleich zu erörternde Möglichkeit das ultimum refugium eines Zweifels darstellt, so kann es nützlich sein, auch diese letzte Position, die ein Zweifel noch einnehmen könnte, zu beleuchten. 3 Da es sicher nachweisbar ist, dass an der vorliegenden Wirbel- säule die Wirbel vom 1. bis zum 15. incl. und eben so der 16. bis zum 26. Wirbel und das Sacrum zu einander gehören, so könnte, mit Bezugnahme auf die erörterte, geringe Inkongruenz der einander tangirenden Gelenkflächen des 15. und des 16. Wirbels, nur noch der Einwand gemacht werden, dass das vorliegende Objekt aus zwei Wirbelsäulen komponirt worden sei, wobei an ein proximales, aus dem 1. bis 15. Wirbel bestehendes Stück ein distales, einer anderen Wirbelsäule entstammendes Stück, welches die Wirbel vom 16. ab geliefert hätte, angefügt worden sei. Bei der Kritik eines solchen Einwandes wäre zunächst darauf hinzuweisen, dass die Betrachtung einer größeren Anzahl von Wirbel- säulen es lehrt, wie trotz gleicher Zusammensetzung der einzelnen Säulen doch bei den verschiedenen Objekten Besonderheiten vor- kommen, die jeder einzelnen Wirbelsäule etwas Individuelles geben und ihren Habitus, oder, wie man auch sagen könnte, ihre Physio- gnomie in einer Weise kennzeichnen, die schwer durch Worte oder Ziffern auszudrücken ist, aber doch die einzelnen Objekte eben so unterscheiden lässt, wie man etwa zwei einander sehr ähnliche Per- sonen durch kleine, dem Auge leicht zugängige aber in einer Be- schreibung nicht ausdrückbare Details der Gestalt oder der Physio- gnomie unterscheiden kann. Es müssten also, was an sich schon nicht leicht wäre, für eine Komposition, wie die zu prüfende, zwei Wirbelsäulen von sehr ähn- lichem Habitus verwandt worden sein. Gesetzt, diese Bedingung wäre erfüllt, — und als eine völlig unerfüllbare kann man sie nicht bezeich- nen, — so muss eine Prüfung der formulirten Vermuthung mit den folgenden zwei Möglichkeiten rechnen. Das proximale, aus 15 Wirbeln bestehende Stück sei gegeben (und zwar mit dem relativ seltenen Vorkommen einer Halsrippe!), so würden, um 26 präsacrale Wirbel zu liefern (das Sacrum kann aus einem leicht ersichtlichen Grunde außer Betracht bleiben), 11 Wirbel von einer anderen Wirbelsäule hinzuzufügen sein, d. h. fünf normal gestaltete Lumbalwirbel und sechs Brustwirbel. Diese 11 präsacralen Wirbel könnten nun herstammen entweder von einer der zur Zeit normalen Wirbelsäulen mit 24 präsacralen 30 Emil Rosenberg Wirbeln, oder von einer atavistischen Wirbelsäule mit 25 präsatra- len Wirbeln, von denen dreizehn Dorsalwirbel sein müssen. Im ersten Falle müssten die Dorsalwirbel vom 7. ab und die Wirbel bis zum letzten Lumbalwirbel das distale Stück der zu kom- ponirenden Wirbelsäule abgeben; im zweiten Fall müssten die Wir- bel vom achten Brustwirbel ab bis zum letzten Lumbalwirbel verwandt werden. Im ersten Fall müsste also auf den Wirbel 15. d5 des proxi- malen Stückes in der fraglichen Komposition folgen, der Wirbel 14. d’ als erster des distalen Stückes, d. h. es müssten in einer derartig komponirten Wirbelsäule der siebente und der achte Dorsalwirbel sich zweimal vorfinden und zwar einander derart folgen, dass an die distale Fläche des Wirbels 15. d° des proximalen Stückes die proximale Endfläche des Wirbels 14. d7 des distalen Stückes sich fügte. — Hierin liegt eine unüberwindliche Schwierigkeit, die man sich leicht vor Augen führen kann, wenn man, auch bei Benutzung von Wirbelsäulen mit möglichst ähnlichem Habitus, die bezeichnete Komposition ausführen will. Die Schwierigkeit ergiebt sich aus dem Umstand, dass die Körper der Dorsalwirbel in dem hier in Betracht kommenden Theil der Region allmählich und stetig an Höhe ge- winnen und dabei zugleich an Breite und in dorsoventraler Rich- tung zunehmen. Da weiter zugleich eine allmähliche Umformung der Gestalt der Endflächen der Körper innerhalb der Reihe statt- findet, und da die einander zugewandten, d.h. an dieselbe Inter- vertebralscheibe stoßenden Endflächen zweier Wirbelkörper völlig oder fast völlig kongruent sind, so muss an jedem einzelnen Wirbel- körper eine Formdifferenz zwischen seiner proximalen und seiner distalen Endfläche vorliegen. Wird nun an die distale Endfläche des Wirbels 15. d® die proximale Endfläche eines Wirbels 14. d’ gefügt, so lässt die Inkongruenz dieser Flächen (auch abgesehen von der Form des Körpers und der Gelenkfortsätze) sofort das Un- natürliche einer solchen Zusammenstellung erkennen. Im zweiten Fall, wenn das distale Stück der fraglichen Kom- position mit dem Wirbel 15. d® einer Wirbelsäule mit 25 präsaeralen Wirbeln beginnt, ist eine im Prineip gleichartige Schwierigkeit vor- handen. Die Endflächen des Wirbelkörpers 15. d® sind nicht ein- ander kongruent; besonders fällt an der distalen Fläche die relativ größere Breite im dorsalen Abschnitt leicht ins Auge, und das macht es (auch wenn man die Gelenkfortsätze außer Acht lassen will) Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 31 unmöglich, in einer Weise, die den Fehler nicht verriethe, die be- sprochene Komposition auszuführen. Bei dieser Sachlage kann ich unterlassen, noch zu erörtern, wie unwahrscheinlich die Annahme ist, es seien von zwei an sich sehr seltenen Formen der Wirbelsäule zufällig gewisse Abschnitte zu- sammengefügt worden. Es kann somit die auf das Objekt selbst sich richtende Unter- suchung der vorliegenden Wirbelsäule als abgeschlossen bezeichnet werden. Das Resultat derselben ist dahin zu formuliren, dass ein begründbarer Zweifel gegen die faktische Zusammen- gehörigkeit der die untersuchte Wirbelsäule charakteri- sirenden 26 präsacralen Wirbel und des Sacrum nicht erhoben werden kann, dass vielmehr eine Anzahl von Be- obachtungsergebnissen es sicher stellt, dass in dem vor- liegenden Präparat das natürliche Verhalten des seltenen Objektes bewahrt geblieben ist. Und wenn auch nicht der- jenige Grad unmittelbarer, auch dem Nichtfachmanne zugängiger Evidenz vorliegt, der gegeben ist, wenn die Wirbel durch die Inter- vertebralscheiben zusammengehalten werden, so beeinträchtigt das in diesem Fall die Benutzbarkeit der vorliegenden Wirbelsäule nicht, da die nähere, völlig objektive Betrachtung derselben zu dem oben formulirten Resultat geführt hat, welches die bestimmte Aussage des Fachmannes, der bei dem Zustande- kommen des Präparates betheiligt war, vollständig bestätigt. Nachdem dieses Ergebnis erlangt worden, kann nunmehr eine von morphologischen Gesichtspunkten ausgehende Betrachtung des Objektes unternommen werden. Es ist zu untersuchen, ob die vor- liegende Wirbelsäule neben dem Verhalten des 26. und des 31. Wir- bels auch an anderen ihrer Bestandtheile Merkmale einer primitiven Beschaffenheit darbietet. Eine jede der Regionen ist ins Auge zu fassen und dann sind einige Erörterungen anzustellen, welche die Wirbelsäule als Ganzes betreffen. A. Die Cervicalwirbel. Vom siebenten Wirbel wurde bereits erwähnt, dass er im in- takten Zustande des Objektes offenbar »Halsrippen« getragen hat. Besonders an der linken Seite sieht man deutlich eine den proxi- 32 Emil Rosenberg malen Rand des Körpers dieses Wirbels tangirende, große Gelenk- facette für das Capitulum einer Rippe (cf. Taf. I). Rechts ist eine entsprechende Facette weniger deutlich, aber der Wirbelkörper ist an der kritischen Stelle mit höckerförmigen Vorsprüngen ver- sehen, die eine Vertiefung umstellen, welche für die Aufnahme des Köpfehens der Rippe gedient hat. Am Proc. transversus ist beider- seits die Gelenkfacette, mit welcher das Tubereulum der Rippe ver- bunden war, sehr deutlich. Die Rippen selbst liegen leider nicht vor, es muss indess als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden, dass dieselben nicht lang gewesen sind. Das folgt aus dem Umstande, dass in der bekannten Zusammenstellung von Fällen von »Hals- rippen<, die GRUBER gegeben hat, auch diejenigen Fälle, welche GRUBER in seine erste, die kürzesten Halsrippen enthaltende Gruppe stellt, eine Artikulation der Rippe mit dem Körper und dem Quer- fortsatz zeigen’. Auch später sind noch mehrfach derartige Fälle beobachtet worden. Berücksichtigt man ferner die mangelhafte Ausprägung der Gelenkfacette an der rechten Seite des. Wirbel- körpers, so kann man auch darin einen Hinweis darauf finden, dass die Rippen nicht groß waren. Hieran muss sich jetzt die Frage schließen, wie ein siebenter, mit beweglichen Rippen versehener Wirbel des Menschen aufzufassen sei. Diese Frage wird noch immer nicht in übereinstimmender Weise von den Autoren beurtheilt, und daher können die folgenden Erörterungen nicht vermieden werden. Zudem sind dieselben er- forderlich im Hinblick auf Verhältnisse, die an anderen Stellen dieses Aufsatzes behandelt werden müssen. Diejenige Anschauung, welche, wie mir scheint, die einzig zu- lässige ist, hat J. F. MECKEL in der Hauptsache begründet. An die von ihm bestätigte Erscheinung des selbständigen Knochenkernes in der ventralen Spange des Querfortsatzes des siebenten Wirbels an- knüpfend und im Hinblick auf einen von ihm beobachteten Fall, der eine kurze Rippe am siebenten Wirbel darbot, betont MECKEL die Ähnlichkeit des siebenten Halswirbels mit einem Brustwirbel; der Knochenkern stelle das »Rudiment einer Rippe« dar®. Weiter hat MECKEL die Übereinstimmung, welche diese Rippe mit den das Brustbein nicht erreichenden Rippen der Vögel habe, hervorgehoben‘. 1 Cf. GRUBER 69, pag. 34, 35. ? Ich eitire nur als zwei Beispiele die von LeBoucg (85, pag. 3,4. Pl. II Fig. 3; 96, pag. 7) mitgetheilten Fälle. 3 16, pag. 42, 43, 47. 4 15, pag. 642. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 33 Und an einer anderen Stelle macht er im Hinblick auf das Verhal- ten des Knochenkernes und sein Verschmelzen mit dem Wirbelkörper und dem Querfortsatz die bedeutsame Bemerkung, dass diese »Eigen- heit des siebenten Wirbels« in doppelter Hinsicht wichtig sei: »Ein- mal wird durch sie die Analogie des Skelettes der Säugethiere und der übrigen Wirbelthiere größer als es bisher schien, weil man für die oberen Rippen der Vögel und Reptilien dort keine Analogie kannte; dann liefert sie einen Beitrag zu dem Gesetz, dass bei höhe- ren Thieren Durchgangsbildung ist, was bei den niedrigeren perma- nent ist’. Diese Auffassung statuirt also eine Rückbildung von Rippen am siebenten Wirbel der menschlichen Wirbelsäule. Der Ansicht MEcKEL’s hat sich BRESCHET? mit Entschiedenheit angeschlossen. Von den Autoren aber, die in einem langen, auf das Erscheinen der erwähnten Arbeiten MEcker’s folgenden Zeitraum über die Existenz von »Halsrippen« beim Menschen Beobachtungen publieirt haben, ist die von MECKEL begründete Auffassung nur wenig berücksichtigt worden. Es ist zwar z. B. von Knox®, Har- BERTSMA*, GRUBER® die »Analogie« der Rippen am siebenten Hals- wirbel des Menschen mit den Halsrippen von Reptilien und Vögeln hervorgehoben worden, allein selbst wenn man die behauptete >Ana- logie« als »Homologie« auffasst, wie das z. B. TURNER® thut, so ist damit für die Auffassung der Erscheinung nicht mehr gewonnen, als bereits durch MECKEL gegeben war; die genannten Autoren bleiben mit ihrer Auffassung sogar noch hinter derjenigen MECKEL's zurück. Ein Fortschritt konnte sich nur ergeben, sobald die festgestellte Homologie nach den Prineipien der neueren vergleichenden Anatomie für die Erkenntnis eines phylogenetischen Entwicklungsprocesses verwerthet wurde. Das ist durch GEGENBAUR”? geschehen, der bei 1 16, pag. 47 Anmerkung. 2 38, pag. 104, 105. BRESCHET bemerkt ausdrücklich, dass am siebenten Halswirbel >une avorton de cöte« nach der Deutung MEckEL’s zu konstatiren sei; er fasst also auch den von MECKEL gebrauchten Ausdruck »Rippenrudi- ment« in einem Sinne auf, der es ausschließt, diesen Ausdruck auf die An- fänge eines Gebildes zu beziehen. BRESCHET citirt auch BECLArRD als einen Anhänger der Ansicht MECKEL’s; er selbst suchte diese Ansicht zu unterstützen durch seine Deutung der Ossa suprasternalia. Diese seien anzusehen als die Rudimente des sternalen Endes der Rippen des siebenten Wirbels. Diese Deu- tung BRESCHET's ist indess eine irrthümliche, wie LuscHhka (59. pag. 13—17 nachgewiesen hat. 3 44, pag. 137,212. 458, pag. 47. 5 69, pag. 29. 6 69, pag. 137. 7 70, pag. 612, 616. Morpholog. Jahrbuch. 27. 3 34 Emil Rosenberg einer Beurtheilung der Verhältnisse der Reptilien und Vögel sagt: »Fehlen die Rippen am vorderen Abschnitt der Wirbelsäule einer größeren Wirbelzahl, oder erscheinen sie nur als Rudimente, so wird dieser als Halswirbelsäule bezeichnete Abschnitt in demselben Maße auf Kosten der folgenden ausgedehnt sein, als dieser verkürzt ist. So besitzen die Eidechsen eine geringere Halswirbelzahl als die Vögel, — aber dafür sind bei letzteren weniger Rippen ausgebildet, und der Brusttheil ist zu Gunsten des Halses verkiirzt.< Und in Betreff der Säugethiere bemerkt GEGENBAUR, dass die sieben Wir- bel betragende Zahl der Halswirbel sich erheben könne auf acht oder neun (Bradypus) oder sie sinke auf sechs (Choloepus, Manatus). »Wie | im ersteren Falle ein oder zwei der sonst das Brustbein erreichen- den Rippen rudimentär sind, so wird im letzteren Falle eine Ausbil- dung von Rippenrudimenten anzunehmen sein.« Das Verhalten von Choloepus und Manatus könnte auch anders aufgefasst werden, aber in den Äußerungen über die Befunde bei Bradypus und durch die Beurtheilung der Halswirbel der Reptilien und Vögel ist der phylo- genetische Vorgang, in dessen Bereich auch der siebente Wirbel des Menschen fällt, deutlich bezeichnet worden. Mit Recht hat SoLGER der Auffassung GEGENBAUR’s sich ange- schlossen und sie seiner an erwachsenen Bradypoden ausgeführten Untersuchung über den proximalen Abschnitt der Wirbelsäule und die mit ihm im Zusammenhang stehenden Plexus zu Grunde ge- legt. Eine weitere Prüfung resp. Ergänzung der in Rede stehenden Anschauung über einen Umformungsprocess in der Cervicalregion konnte, wie mir schien, erlangt werden, wenn eine ontogenetische Untersuchung ausgeführt würde, welche die erste, durch knorpelige Gebilde gegebene Anlage von Wirbeln und Rippen. zu berücksichti- gen hätte. Ich habe mich hierüber schon bei einer früheren Gele- genheit kurz geäußert?. Es lässt sich bei einer specielleren Ver- 1 SOLGER (75) macht dabei die zutreffende Bemerkung (cf. pag. 201), es sei »gewiss nicht zu kühn zu behaupten, derselbe Vorgang, der bei den Säuge- thieren im Allgemeinen zur Verkümmerung der ersten ursprünglichen Rippen bis zum siebenten Halswirbel führte, habe innerhalb der Familie der Faulthiere theils eher sistirt (Choloepus Hofmanni), theils weiter gegen das Körperende hin vorgegriffen (Bradypus)<. Die Halswirbelsäule von Bradypus repräsentire daher gegenüber dem Verhalten von Choloepus Hofmanni, sowie der Siebenzahl fast aller übrigen Säugethiere, den »späteren Zustande. 2 ef. 83, pag. 504—506. Das Ergebnis meiner Untersuchung hat GEGENBAUR in seinem Lehrbuch der Anatomie (85, pag. 134; cf. auch die späteren Auflagen) Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 35 gleichung des proximalen Abschnittes der Wirbelsäule verschiedener Saurier und Säuger die Hypothese formuliren, »dass die Halswirbel, vom dritten ab, durch Umformung aus Brustwirbeln entstanden seien, und zwar so, dass successive die Grenze zwischen der Brust- und Halsregion der Wirbelsäule distalwärts verlegt worden ist, wobei der augenblicklich letzte Halswirbel als der am spätesten umgebildete erscheintin den Thorax« und konstatirt ausdrücklich, dass er in einen Gegensatz trete zu der Anschauung von GEGENBAUR und SOLGER. Wie sehr übrigens auch in der neuesten Litteratur die Annahme einer Entstehung von Rippen am siebenten Wirbel des Menschen ihren Einfluss bekundet, möchte ich, außer durch das im Text Gesagte, noch durch einige Beispiele hervortreten lassen. So sagt z.B. ToLpr in der neuesten Auflage seines Lehrbuches (97, pag. 41): »Vermehrung der Rippen durch Abgliederung des Rippenelementes am siebenten Halswirbel. ist nicht sehr selten<. TESTUT (96, pag. 56) sagt vom siebenten Halswirbel: »Intermédiaire 4 la région cervi- eale et 4 la région dorsale, la septi¢éme cervicale présente des caractéres mixtes, rappelant encore les vertébres qui la précédent et se rapprochent déja des vertébres qui la suivente. In dieser Äußerung spricht sich die Vorstellung 40 Emil Rosenberg Sucht man nun den Werth dieser letzteren Anschauungsweise abzuwägen gegenüber dem der zuerst erörterten, die einen distalwärts fortschreitenden Umformungsprocess am proximalen Abschnitt der Wirbelsäule statuirt, also unter Anderem eine Reduktion von Rip- pen am siebenten Wirbel behauptet, so macht sich sogleich zu Gunsten der letzteren Auffassungsweise die Erwägung geltend, dass, so weit man ein sicheres Urtheil über die phylogenetische Entstehung von Rippen formuliren kann, diese als phylogenetisch sehr früh zu Stande kommende Körperbestandtheile angesehen werden müssen. Eine Entstehung und Ausbildung von Rippen bei so hoch differen- aus, es sei der siebente Wirbel auf dem Wege, aus einem Halswirbel zu einem Brustwirbel zu werden, und das involvirt natürlich die Annahme einer Ent- stehung und Ausbildung von Rippen an diesem Wirbel. Diese Auffassung des eitirten Satzes erscheint als die einzig mögliche, wenn man berücksichtigt, dass TESTUT (pag. 57) den ersten Brustwirbel ebenfalls als »une vertébre de transi- tion« bezeichnet, welcher Wirbel durch gewisse Charaktere »rappelle les ver- tebres cervicales« und durch andere »se rapproche des vertebres dorsales<. Sogar bei LEBOUCQ, über dessen mir völlig korrekt erscheinende Grundanschau- ung im Texte (pag. 37) referirt worden ist, finden sich an einzelnen Stellen Äußerungen, die man nur dann für zulässig halten kann, wenn man der An- schauung huldigt, dass die Umformung in der Halsregion proximalwärts fortschreite, dass also der siebente Wirbel aus der Halsregion in die Brust- region iiberzugehen im Begriff stehe. Bei der Beschreibung seines dritten, Hals- rippen darbietenden Falles (96, pag. 6) sagt LEBoucQ: »La 7° vertébre cervicale a deja les caracteres d’une vertcbre thoracique.« Hier ist es leicht zu sehen, dass das Gegentheil gemeint ist, dass nämlich der siebente Wirbel Eigenthüm- lichkeiten eines Brustwirbels noch besitze. Eine andere Stelle könnte dagegen wohl zu einem Missverständnis Veranlassung geben. LEBOUCQ sagt (pag. 34): »Nous avons vu, en effet, que l’apophyse transverse des vertebres cervicales est formée par une lamelle antérieure (parapophyse) et une portion costale placée latéralement, et qu’a la 7e, cette lamelle costale est devenue antérieure, tandis que la parapophyse s’est reduite, les deux parties s’étant fusionnées pendant le troisieme mois de. la vie foetale.< Die Beobachtungen, die in diesem Satz resumirt werden, kann ich bestätigen, nur meine ich, dass die- selben allein die Auffassung zulassen, dass die »lamelle costale« des siebenten Wirbels nicht eine vordere geworden, sondern eine vordere geblieben ist, und dass die »parapophyse« am siebenten Wirbel nicht reducirt worden sei, sondern noch nicht den Grad der Ausbilduug erlangt habe, den sie am sechsten Wirbel erreicht hat, dessen Rippenrudiment (das zudem einen höheren Grad der Reduktion aufweist) in Zusammenhang mit der Ausbildung der »parapo- physe« lateralwärts verlagert ist. Diese Interpretation der Beobachtungen steht in vollem Einklang mit der auch von LEBOUCQ vertretenen Anschauung, dass der siebente Wirbel später Halswirbel geworden ist als der sechste. Der letz- tere muss desshalb mehr Spuren der Umformung aufweisen als der siebente Wirbel; dieser ist gegenüber dem sechsten Wirbel der primitivere. ee A eu nn u fa u - iu I Aa 40 in Mee As Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 41 zirten Formen wie der Mensch oder andere Säuger muss desshalb schon a priori als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden. Die Vergleichung der Verhältnisse bei den Sauriern (ef. das pag. 35 Gesagte) ergiebt die Annahme einer distalwärts fortschrei- tenden Umformung, welche mit beweglichen Rippen ausgestat- tete Wirbel, unter Reduktion dieser Rippen, zu typischen Halswirbeln umgestaltet, die verschmolzene Rippenrudimente enthalten. Allein es muss hier bemerkt werden, dass ausschließlich auf dem Wege der Vergleichung entwickelter Formen die erwähnte Annahme in zwingender Weise nicht begründet werden kann, denn es wäre mög- lich, die Formen in umgekehrter Reihenfolge mit einander zu ver- knüpfen und der Reihe die Vorstellung einer Entstehung von Rippen zu entnehmen, wie das durch WELCKER im Hinblick auf die von ihm untersuchten Säugethiere ja in der That auch geschehen ist. Entscheidend sind in der vorliegenden Frage dagegen die onto- genetischen Wahrnehmungen !. In Betreff des Menschen rechtfertigen die Beobachtungen von LEBoucg und mir die Behauptung, dass während einer bestimmten, relativ frühen Zeit der Entwicklung am siebenten Wirbel eine An- lage zu Rippen als der normale, für die betreffenden Stadien cha- rakteristische Befund anzutreffen ist. Die Anlage zeigt sich in der Gestalt von isolirt auftretenden, knorpeligen Gebilden, die dem Kör- per und dem Querfortsatz des Wirbels anliegen. Zu diesem verte- bralen Theil der Anlage kommt dann noch der von LEBoUcCQ in einzelnen Fällen nachgewiesene sternale, sehr kleine Abschnitt. Die Verschmelzung des vertebralen Theiles der Anlage der Rippe mit dem Wirbel kann Schritt für Schritt ontogenetisch verfolgt wer- den. Nur wenn diese Verschmelzung ausbleibt, also ein normales Stadium persistent wird, tritt die Erscheinung einer »Halsrippe« im entwickelten Zustand auf. Von einer Entstehung durch »Abgliede- 1 Hinsichtlich der Saurier sei hier erwähnt, dass BLEssiG (85) die Onto- genese der Halswirbel untersucht hat von einer Form (Lacerta vivipara), bei welcher der dritte Wirbel der letzte typische Cervicalwirbel ist. Es ergab sich, dass in frühen Entwicklungsstufen dieser Wirbel konstant mit Rippen in Gestalt von Knorpelstäben versehen ist. Diese werden in späteren Stadien rasch reducirt, und zwar gewöhnlich von der Mitte aus; ein kleiner Theil des vertebralen Endes trägt zu der Bildung des Querfortsatzes bei. Die Rip- pen des achten Wirbels, welcher bei Lacerta vivipara der letzte Dorsocervi- calwirbel ist, konnten dagegen in den untersuchten Stadien nicht im Zusammen- hang mit dem Sternum angetroffen werden, ein Verhalten, welches von BLESSIG genügend interpretirt wird (85, pag. 18—20). 42 Emil Rosenberg rung« kann hier nicht die Rede sein. Die Länge, in welcher die Rippe zur Anlage kommt, ist offenbar eine sehr verschiedene. In seltenen Fällen ist die Anlage noch eine so vollständige, dass die Rippe auf einer Körperseite als kontinuirliches Gebilde vorliegt und mit dem Sternum in Beziehung geblieben ist. Es ist auch schon ein Fall bekannt geworden, der von PırLına ! beschriebene, in welchem die Anlage der Rippen auf beiden Körperseiten eine ganz vollständige gewesen sein muss. Dieser außerordentlich interessante Fall muss natürlich als der relativ primitivste angesehen werden. Es haben sich in demselben Gründe, die zunächst nicht näher be- zeichnet werden können, geltend gemacht, welche die Wirksamkeit des Reduktionsprocesses völlig sistirt haben. Dass bei mensch- lichen Embryonen zur Zeit gewöhnlich die Anlage der Rippen auf jeder Körperseite aus zwei Stücken besteht, bekundet dagegen, dass die Reduktion bereits mit so viel Erfolg wirksam gewesen ist, dass die Anlage, die natürlich als eine ursprünglich einheitliche zu denken ist, in zwei Theile zerfällt worden ist. Wollte man die Thatsache der Existenz gesonderter Stücke als Anlage für eine Rippe im Sinne einer Entstehung von Rippen am siebenten Wirbel des Menschen deuten, so müsste man die Annahme machen, dass diese beiden Theilstücke einander entgegenwachsen, sich treffen und sich vereinigen, was mit dem Entwicklungsgang der vollständig angelegten und vollstän- dig bleibenden Rippen nicht übereinstimmt. Dagegen ist die erwähnte Thatsache im Hinblick auf das Verhalten anderer, notorisch redueir- ter Skelettheile leicht in der vorhin bezeichneten Weise zu deuten? und bereitet die Annahme der Reduktion nicht nur keine Schwierig- keit, sondern unterstützt dieselbe. Es ergiebt sich somit die Überzeugung, dass ein siebenter Wirbel, der im entwickelten Zustand beim Menschen lange Rippen trägt, sich primitiver verhält, als ein mit kurzen noch beweglichen Rippen ver- sehener siebenter Wirbel. Dieser wiederum bekundet ein primitiveres Verhalten gegenüber dem zur Zeit als normal anzusehenden Zustand, in welchem die Rippenrudimente mit dem Wirbel verschmolzen sind. 194, pag. 19—22, Fig. 2. 2 Um ein Beispiel anzuführen, verweise ich auf den Knorpel des zweiten Kiemenbogens. Dieser ist bei Säugern und dem Menschen zweifellos als ein reducirter Skelettheil anzusehen, und an ihm kann ontogenetisch die Zerfällung in drei resp. (beim Menschen) zwei Stücke wahrgenommen werden; ef. KöL- LIKER, 79, pag. 476,477. Es handelt sich also bei der Annahme einer Zer- fällung nicht nur um eine Hypothese. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 43 Wenn von nicht wenigen Autoren die längsten »Halsrippen« als die am meisten »ausgebildeten« bezeichnet werden, so ist damit das eigentlich Charakteristische der Erscheinung gar nicht genügend bezeichnet worden, denn es handelt sich bei dem erwähnten Befunde im Wesentlichen darum, dass die Rückbildung unterblieben ist. Natürlich muss auch für die Rippen am siebenten Wirbel, jedoch in phylogenetisch sehr weit zurückliegender Zeit, eine all- mähliche Verlängerung und eine Betheiligung an der Bildung einer Sternalleiste statuirt werden, allein das sind Vorgänge, für die man -im entwickelten Zustand hochdifferenzirter Formen nicht mehr die Belege suchen darf!. Fasst man in der erörterten Weise die manrigfachen Befunde 1 Man kann sich das, wie mir scheint, leicht anschaulich machen. Ein phylogenetischer Process, der eine Entstehung und Ausbildung von Rippen am siebenten Wirbel des Menschen zuwege bringen soll, kann als produktiver (das Produeirte nicht bloß übertragender) Vorgang natürlich nur zu einer Zeit wirksam gedacht werden, in der das Skelet von seinem Träger benutzt wird, also in nachembryonaler Zeit und besonders beim Erwachsenen. Betrachtet man nun einzelne Formen von »Halsrippen« unter der Voraussetzung, dass sie beim Erwachsenen in weiterer Ausbildung begriffen seien, so gewinnt man leicht ein Urtheil über diese Voraussetzung. Als Beispiel kann ein von LEBOUCQ (96, pag. 6) beschriebener Fall verwandt werden. Es befinden sich jederseits ziemlich lange Rippen am siebenten Wirbel; das dem Sternum zugewandte Ende geht in einen Bandstreifen aus, welcher zu der Spitze eines kleinen Skelet- stückes führt, das mit dem Manubrium verbunden ist und dem proximalen Rande der Rippe des achten Wirbels anliegt. Links geht die Art. subelavia über die Rippe weg, und ein M. scalenus anticus ist an ihr angeheftet. Wird nun in diesem Befund eine Entwicklungsstufe gesehen, die zu einer vollstän- digen Rippe hinführen soll, so muss man annehmen, dass außer der oft be- haupteten »Abgliederung« vom Querfortsatz auch am Manubrium ein Bestand- theil sich herausgebildet habe unter Umständen und aus Gründen, über die Niemand einen Aufschluss wird geben können. Es muss die Entstehung eines beide Stücke verbindenden Ligaments, dessen Herkunft völlig unerklärlich wäre, angenommen werden. Dieses Band oder der mit dem Wirbel in Verbin- dung stehende Theil der zukünftigen Rippe müsste weiter die Möglichkeit gehabt haben, die Art. subelavia (sowie den Plexus brachialis) von der ersten Rippe abzuheben und auf die >Halsrippe« zu lagern. Ähnliches müsste in Betreff des Scalenus anticus (und medius) geschehen sein. Und wenn das Alles erfolgt wäre, so müsste angenommen werden, dass die durch ein Liga- ment verbundenen Skeletstücke in unerklärlicher Weise sich auf Kosten dieses Bandes zu einer vollständigen Rippe vereinigen. Es ist evident, dass man so zu unklaren, zum Theil teleologischen und jedenfalls völlig unbegründeten An- schauungen gelangt. Der erörterte Befund an den Rippen ist aber, wenn man ihn als Ausdruck einer Reduktion auffasst, so leicht verständlich, dass ich unterlassen kann, das näher auszuführen. 44 Emil Rosenberg am siebenten Wirbel des Menschen als Theilerscheinungen eines Umformungsprocesses auf, der distalwärts fortschreitend sich geltend gemacht hat, so ergiebt sich neben dem damit erlangten Verständnis - der Befunde noch in anderer Hinsicht ein Gewinn. Zunächst wird den Diskussionen darüber, ob ein mit »Hals- rippen« versehener Wirbel als »Halswirbel« oder als »Brustwirbel« zu betrachten sei, in so fern der Boden entzogen, als es ersichtlich ist, dass die Alternative »Halswirbel« oder »Brustwirbel« gar nicht gestellt werden darf. Die Bezeichnung »Halswirbel« kann natürlich nur einem Wirbel zukommen, bei welchem Rippenrudimente mit dem Wirbel verschmolzen sind. Und die »Brustwirbel« anlangend, kommen, gemäß der üblichen Abgrenzung der Dorsalregion gegenüber der Cervicalregion, hier nur die Wirbel des proximalen Abschnittes der Dorsalregion in Betracht, d.h. die Wirbel, deren Rippen mit dem Ster- num verbunden sind. Wenn nun Halswirbel aus Brustwirbeln, und zwar aus solchen Brustwirbeln, deren Rippen am Sternum haften, entstehen, so ist es selbstverständlich, dass der siebente Wirbel in einer Anzahl von Zuständen angetroffen werden muss, bei welchen er weder in den Anfang der Reihe der Brustwirbel, noch auch in die Kategorie der Halswirbel hineingehören kann. Diese Zustände sind Über- gangsformen, welche durch die Bezeichnung »Dorsocervical- wirbel« charakterisirt werden können. Es ist dabei zweckmäßig, diese Bezeichnung schon dann zu verwenden, wenn auch nur auf einer Körperseite die Rippe von dem Sternum sich gelöst hat‘, 1 In der betreffenden Litteratur kehren die oben erwähnten Diskussionen fast seit dem Anfang dieses Jahrhunderts immer wieder, und noch ganz neuer- dings hat Dısse (96, pag. 68) diese Frage berührt, indem er sagt: »Das Vor- kommen einer beweglichen Rippe am siebenten Halswirbel, das diesen einem Brustwirbel ähnlich macht, genügt noch nicht, um diesen Wirbel der Brust- wirbelreihe zuzurechnen.< Hierbei ist unberücksichtigt geblieben, dass Uber- gangsformen postulirt werden müssen. Führt man für diese eine neue Kategorie, die der Dorsocervicalwirbel, ein, so kann das natürlich nicht den Sinn haben, durch das Aufstellen einer neuen Rubrik das Klassifieiren (das ja an sich eine Interpretation der Erscheinungen nicht gewährt) zu ermöglichen, sondern es kann die Einführung der Kategorie nur den Zweck haben, beim Einreihen eines Wirbels in dieselbe auf das phylogenetische Geschehen hinzu- weisen und dieses näher zu markiren. Von diesem Gesichtspunkt aus könnte es wünschenswerth erscheinen, auch für die Wirbel im distalen Theil der Dorsalregion (die auf morphologisch höherer Stufe stehen als die übrigen Dorsalwirbel) eine besondere Bezeichnung einzuführen. Zur Zeit bedingt der Umstand, dass die Wirbel im proximalen und im distalen Theil der Dorsal- region nicht die gleichen Beziehungen zum Sternum besitzen, eine Schwierig- keit für die Definition des Begriffs »Dorsalwirbel<. Wollte man diese Schwierig- Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 45 Sodann ist hervorzuheben, dass die an den Rippen des achten Wirbels wahrgenommenen, vom »normalen« Verhalten abweichenden Befunde nunmehr auch verständlich werden. So viel mir bekannt, hat zuerst AEBY, anknüpfend an einen von ihm beobachteten Fall, in welchem die erste Rippe (d. h. die Rippe des achten Wirbels) auf einer Körperseite partiell durch ein Band ersetzt war, diese Erscheinung als eine beginnende Reduktion ge- deutet und damit die richtige Auffassung angebahnt für Wahr- nehmungen, die schon von früheren Autoren mehrfach gemacht waren!. In sehr bestimmter Weise ist sodann BLANCHARD? für die Auffassung eingetreten, dass die Reduktionserscheinungen an den Rippen des ersten Brustwirbels Ausdruck eines Umformungsprocesses seien, der möglicherweise das zur Zeit existirende erste Rippenpaar eben so zum Schwund bringen könne, wie das bei den Rippen des siebenten Wirbels geschehen ist und dass unter gewissen Umständen die Entstehung eines »type humain 4 huit vertébres cervicales« nur eine Frage der Zeit sei. Eine im Prineip übereinstimmende Auf- fassung hat WIEDERSHEIM? acceptirt. LeBoucg! hat mehrere, beson- ders interessante Fälle beobachtet und fasst sie gleichfalls auf als einen Ausdruck eines. fortschreitenden Umformungsprocesses und diese Anschauung bezeichnet auch HERSTLET als eine zulässige >. keit damit beseitigen, dass man als »Dorsalwirbel« diejenigen Wirbel bezeichnet, welche bewegliche Rippen tragen, so würde natürlich ein siebenter Wirbel, den ich oben einen »Dorsocervicalwirbel« genannt habe, als ein Dorsalwirbel zu bezeichnen sein. Es würden dann die oben erwähnten Diskussionen gleichfalls fortfallen können, allein man würde bei einer solchen Definition den Nachtheil haben, den phylogenetischen Process, der an dem Wirbel stattgehabt hat, durch die Bezeichnung des Wirbels nicht mehr markiren zu können. 1 Arpy, 68, pag. 71. Er sagt hierüber: »Vielleicht darf bei der fibrösen Umwandlung eines Rippentheiles an eine Form des allgemeinen Typus, an einen ersten Schritt zur Umwandlung des vollständigen Visceralbogens in einen unvollständigen, und eine Überführung der wahren Rippe in eine falsche ge- dacht werden. Bekanntlich finden sich derartige Mittelstufen normaler Weise am vorderen Rumpfende mancher Wirbelthiere.« 2 85, pag. 726. 3 87, pag. 11. 93, pag. 37. 4 96, pag. 3, 14—16. 5 HERSTLET (96, pag. 562—566), der einen Fall mit einem redueirten Rippen- paar am siebenten Wirbel und zugleich einen Fall mit reducirten Rippen am achten Wirbel beschrieben hat, sagt ganz treffend, dass im ersteren »we see what we have been« und im letzteren >»we see, what we shall be«. Er bezieht sich hierbei auf WIEDERSHEIM’s Anschauung, und er hat somit übersehen, dass diese Anschauung schon früher mehrfach vertreten worden ist. Der Auffassung ARBUTNOT LAnE’s, nach welcher eine reducirte erste Dorsalrippe als zu einem >supernumerären«, rippentragenden Cervicalwirbel gehörig zu betrachten sei, 46 Emil Rosenberg Indem sich so die Möglichkeit ergeben hat, die mannigfachen bis- her zur Beobachtung gelangten Reduktionszustände der Rippen des ach- ten Wirbels aufzufassen als die Symptome einer sich anbahnenden Fort- setzung desjenigen Umformungsprocesses, welcher die Cervicalregion hat entstehen lassen, wird dadurch die Berechtigung, diesen Vorgang zu statuiren, in nicht geringem Grade erhöht; es ergiebt sich für alle hier in Betracht kommenden Wahrnehmungen eine einheitliche Auffassung!. Wenn man dagegen die Annahme einer Entstehung tritt HERSTLET für seinen Fall entgegen, ohne sich jedoch im Princip gegen dieselbe auszusprechen, was mit Recht gethan werden könnte. Außer der im Text eitirten Anschauung lässt HERSTLET auch noch andere zu, denen ich nicht beistimmen kann. Seine Fälle könnten, wie er sagt, auch vom Standpunkt BATESOoN’s interpretirt werden als »forward and backward meristic variations of a homoeotic nature<, es bestehe kein Zweifel darüber, »that the costal carac- ters of the 7Tth segment of Case A have been almost exactly reproduced in the Sth segment of Case B«. Noch befriedigender scheint es ihm aber, seine Fälle zu betrachten, »as examples of what GALTON would call deviations from the law of averages; that is to say, a fully developed rib on the 8th segment is the bull’s eye of the developmental energy, but its target extends from the 6th to the 9th segment«. Diese Auffassungen sind meiner Meinung nach nur eine Umschreibung der -Thatsache, dass Variationen stattfinden, und sie bieten keinen genügenden Anhalt für ein Verständnis derselben. Sie verleiten, wie mir scheint, auch zu der Anschauung, es seien die Variationen gewissermaßen als regellose Oscillationen um einen die Norm darstellenden Mittelpunkt zu be- trachten, wobei dann zwei Variationen, die gleich weit vom Mittel- punkt abstehen, natürlich als einander gleichwerthig erscheinen müssen. Dass eine solche Auffassung der hier in Rede stehenden Variationen unzulässig ist, scheint mir daraus hervorzugehen, dass die mannigfachen Befunde am siebenten und achten Wirbel sich in eine Reihe ordnen lassen, die den all- mählichen Fortschritt eines Processes dokumentirt, dessen einzelne Stadien durch die einzelnen Variationen illustrirt werden. Hierbei ist es nun auch so- fort ersichtlich, dass der Werth zweier Variationen, die den gleichen Abstand von dem zur Zeit als normal angesehenen Befund (dem Mittelpunkt) haben, ein verschiedener sein muss. Eine gegebene Form reducirter Rippen am siebenten Wirbel ist eine atavistische Erscheinung, und dieselbe Form der Rippen am achten Wirbel bedeutet eine Zukunftsbildung. 1 Im Vergleich zu der Zahl von Fällen, in denen Rippenrudimente am siebenten Wirbel gesehen worden sind, ist die Zahl der bisher bekannt ge- wordenen Fälle mit reducirten Rippen am achten Wirbel relativ klein. Kürz- lich hat Herm (95) bei der Publikation der Beobachtung einer redueirten Rippe des achten Wirbels mitgetheilt, dass er in der Litteratur von 1853—1885 nur 16 Fälle gefunden habe. Seine Zusammenstellung ist indess auch für den von ihm berücksichtigten Zeitraum keine vollständige. So weit ich die betreffende Litteratur habe kennen lernen können, kommen hier noch in Betracht die Be- obachtungen von: HUNAULD, 1742, pag. 378; pl. 16 Fig. 2 (hohe Stufe der Re- duktion, die Rippe ventral vom Tuberculum mit der zweiten Rippe verschmol- zen), LEVELING, 1787, pag. 145, 146; Taf. V Fig. 3, 4, 5 (interessante, sehr hohe Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 47 und Ausbildung von Rippen am siebenten Wirbel des Menschen macht, so müssten die Erscheinungen an den Rippen des achten Stufe der Reduktion, auf beiden Körperseiten ist der ventrale Theil der Rippe bis zum Tuberculum redueirt. Der Wirbel mit den Rippen wird von LEVELING für einen »supernumeriiren Halswirbel« gehalten), HEUSINGER, 20, pag. 543, 544; Taf. V Fig. 4,5 (Anfangsstadium der Reduktion), VROLIK, 49, pag. 2 der Er- klärung zu Taf. LXVI (hohe Reduktionsstufe, cf. Fig. 1 und 2 der Taf. V des vorliegenden Aufsatzes), Ruan, 80, pag. 394 (Reduktion eines 2 cm langen Stückes aus der ventralen Hälfte der Rippe einer Seite), Rex [drei Fälle], 85, pag. 175; Taf. XV Fig. 4 (ähnliche Reduktionsstufe wie die von HUNAULD be- obachtete), 85, pag. 177, 178 (Reduktion eines Abschnittes der ventralen Hälfte beider Rippen, Rudiment des sternalen Endes vorhanden), 85, pag. 179 (nicht näher bestimmbare Reduktionsstufe, Angaben sehr unvollständig), ARBUTNOT LANE, 85, pag. 267, 268 (ziemlich hochgradige Reduktion der Rippen einer Seite, beginnende Reduktion der Rippe der anderen Körperseite), GROSSE, 93, pag. 410 —412 (auf beiden Körperseiten symmetrisch erfolgte Reduktion eines 6,5 cm langen Stückes der Rippe, sternales Rudiment vorhanden), PILLING, 94, pag. 18, 19; Fig. 1 (beiderseits hohe Reduktionsstufe, rechts die Rippe, mit der des neunten Wirbels verschmolzen), HERSTLET, 96, pag. 562 (Reduktion im ven- tralen Abschnitt beider Rippen), Lesoucg [drei Fälle], 96, pag. 14, 15; Fig. IX (beginnende Reduktion im ventralen Abschnitt der Rippe auf beiden Körper- seiten), 96, pag. 7—10; Fig. III» (rechts der ventrale Abschnitt redueirt, links beginnende Reduktion), 96, pag. 10, 11; Fig. VII (hohe Reduktionsstufe, auf der linken Seite der Schwund bis zum Tuberculum erfolgt, das Collum der Rippe verdünnt). Die beiden letzteren Fälle hat LeBoucg als »Halsrippen< beurtheilt; er nimmt an, dass in diesen Fällen durch Interpolation (im Sinne IHERING’s) die Zahl der Halswirbel um einen vermehrt sei. Die Argumente, die gegen die Annahme einer Interpolation geltend gemacht werden können, habe ich mit Bezugnahme auf die Litteratur vor einiger Zeit (cf. 96, pag. 336 —338) zusammengestellt, und ich habe mich auch noch kürzlich (97, pag. 131) gegen diese Anschauung geäußert; ich kann daher unterlassen, hier auf diesen Gegenstand näher einzugehen. Ich bemerke nur, dass LEBOUCQ die in der Litteratur mitgetheilten Argumente gegen die Theorie IHERING’s nicht erwähnt. Die Beobachtungen, welche LeBoucQ veranlasst haben, eine Interpolation anzu- nehmen (cf. 96, pag. 8—11) sind meiner Meinung nach auf eine Verschmelzung des Epistropheus mit dem dritten Wirbel zu beziehen. Ich beabsichtige, bei einer anderen Gelegenheit diese Deutung mit Benutzung einiger eigener Beob- achtungen zu motiviren und konstatire hier nur, dass ich einen Befund, der dem von Lesoucg geschilderten sehr ähnlich ist, angetroffen habe in einem Falle, in welchem der achte Wirbel ein normal gestalteter, erster Dorsalwirbel ist. Schon hieraus geht hervor, dass die Schlussfolgerung, die LEBOUCQ aus seinen Beobachtungen hergeleitet hat, nicht zwingend ist. Es sind, wenn man die hier citirten Fälle zu den von Heim aufgeführten hinzuzählt, bis jetzt mindestens an 32 Individuen (meist beiderseits) Reduktions- stufen des Rippenpaares am achten Wirbel zur Beobachtung gelangt. Die- selben illustriren alle Hauptstadien des Umformungsprocesses (es fehlen nur Be- obachtungen über eine beginnende Verschmelzung des Rudiments der Rippe mit dem Querfortsatz) und lassen ihn daher in der Hauptsache überblicken. Im 48 Emil Rosenberg Wirbels entweder als völlig unverständliche pathologische Befunde angesehen werden, oder aber man müsste annehmen, dass in einer bestimmten Menschengruppe die Umformung in proximaler Riehtung sich geltend macht und einen Halswirbel zu einem Brustwirbel um- gestaltet, während gleichzeitig in einer anderen Individuengruppe der erste Dorsalwirbel der Cervicalregion zugetheilt wird; das heißt, man müsste dann eben doch den distalwärts fortschreitenden Um- formungsprocess zulassen. Da sich nun aber bei den bisher ange- stellten Erörterungen ergeben hat, dass die Annahme einer jetzt stattfindenden Ausbildung von Rippen am siebenten Wirbel des Menschen unzulässig ist, so fehlt auch jeder Beweis dafür, dass die eben hypothetisch statuirte divergente Entwicklungsrichtung bei ver- schiedenen Menschengruppen sich geltend macht. Eine vergleichende Beurtheilung beider Anschauungsweisen führt somit zu dem Ergebnis, dass die Annahme eines an dem proximalen Abschnitt der Wirbelsäule sich geltend machenden, distalwärts fort- schreitenden Umformungsprocesses durch eine Reihe schwerwiegen- der Momente gestützt werden kann, und gegenüber der anderen, zurückzuweisenden Anschauung als die wissenschaftlich einzig be- rechtigte bezeichnet werden muss. Im Hinblick auf die vorstehenden Erörterungen darf es nunmehr wohl als genügeud begründet angesehen werden, wenn der siebente Wirbel der hier untersuchten Wirbelsäule als ein Dorsocervical- wirbel aufgefasst und in seinem Verhalten ein relativ primitiver Zu- stand erkannt wird. Bei dieser Auffassung ergiebt sich jetzt die Möglichkeit, einige andere Befunde leicht zu deuten. Einzelnen wäre der Vorgang besser erkennbar, wenn nicht den Beschrei- bungen und bildlichen Darstellungen die Unvollkommenheiten einer vorherr- schend deskriptiven Behandlung eines Organisationsverhältnisses in mancher Hinsicht anhafteten. Es wäre interessant, die Erscheinungen am siebenten und achten Segment der Wirbelsäule zum Gegenstand fortgesetzter, systematisch durchgeführter Untersuchung zu machen, um für die Frequenzverhältnisse Zah- len zu erhalten, die den Werth des Ergebnisses einer statistischen Untersuchung hätten. Es wäre ganz verständlich, wenn sich dabei herausstellen sollte, dass faktisch die Reduktionserscheinungen an den Rippen des achten Wirbels gegenüber den analogen Vorkommnissen am siebenten Wirbel zur Zeit in der Minorität sich befinden. Die Anschauung, dass der Process eben erst auf das achte Segment der Wirbelsäule überzugehen beginnt, während er am siebenten Segment abzulaufen im Begriff steht, würde bei einer solehen Untersuchung eine präcisere Fassung erhalten können, als das jetzt der Fall ist. Se a cz pees 16064 Bowe Fu a I Uber eine primitive Form der Wirbelsiiule des Menschen. 49 Am sechsten Wirbel, der hier der letzte Cervicalwirbel ist, hat die ventrale Spange des Querfortsatzes eine Form, wie sie gelegent- lieh auch am siebenten Wirbel! vorkommt, wenn dieser der letzte Halswirbel ist. Die ventrale Spange hat eine schlanke Form (ef. Taf. II Fig. 3 links, auf der rechten Seite ist ein Theil der Spange abgebrochen), sie zeigt eine nur schwache Verbindung mit dem Wirbelkörper und weist hierdurch darauf hin, dass das Rippen- rudiment, welches in ihr enthalten ist, noch nieht völlig in den Be- stand des Wirbelquerfortsatzes aufgegangen ist? Es ergiebt sich hier somit dieselbe Deutung, welche Lresouce für die gleiche Er- scheinung am siebenten Wirbel gegeben hat. Diese primitivere Form des sechsten Wirbels erscheint hier sehr natürlich, da auch der siebente Wirbel es zeigte, dass der Umformungsprocess bei dem vor- liegenden Objekt nicht so weit fortgeschritten ist, wie das zur Zeit der Fall zu sein pflegt. Auch am achten Wirbel kann eine mit diesen Befunden im Zu- sammenhang stehende, primitivere Beschaffenheit bemerkt werden. Sie liegt in dem Umstand, dass dieser Wirbel beiderseits an seinem proximalen Rande nur eine unvollständige Fossa costalis trägt (ef. Taf. I Fig. 2). Der dazugehörige Abschnitt der Fossa eostalis findet sich am distalen Rande des Körpers des siebenten Wirbels (ef. für die linke Seite Taf. I. Die Rippen des achten Wir- bels haben hier somit eine intervertebrale Einlenkung gehabt. Die- ses Verhalten ist schon mehrfach beobachtet worden, wenn der sie- bente Wirbel noch mit beweglichen Rippen ausgestattet war. KNox® hat das wahrgenommen, es ist auch in einem der von LuscHkA ! abge- bildeten Objekte deutlich zu konstatiren und TurNER® sagt, dass er diesen Befund mehrmals angetroffen habe. Auch in dem interessanten von Pırzıng® beschriebenen Fall mit noch vollständig erhaltenen Rippen am siebenten Wirbel ist, wie Pıruıns erwähnt, beiderseits eine Artikulation der »ersten Brustrippe« mit dem siebenten Wirbel vorhanden. 1 cf. LEBOUCQ, 96, pag. 29; Fig. XII. 2 An dem Querfortsatz der rechten Seite (cf. die Figur) ist ein kleiner, den Querfortsatz durchbrechender Kanal vorhanden; es handelt sich hier um eine Theilung des Foram. transversarium, die beim Erwachsenen nicht selten gesehen wird und die LEBouca (96, pag. 24; Fig. 8a) neuerdings auch am sechsten Wirbel bei einem menschlichen Embryo wahrgenommen hat. 3 44, pag. 168, Fig. 13. #59, Taf. I. 5 71, pag. 359. 6 94, pag. 19. Morpholog. Jahrbuch. 27. 4 50 Emil Rosenberg Die Thatsache der intervertebralen Artikulation der Rippen des achten Wirbels ist also wohl konstatirt, die Deutung derselben jedoch nicht erörtert worden. Es muss nun, wie mir scheint, schon eine Vergleichung mit dem Artikulationsmodus der distal folgenden Rippen (so weit diese intervertebral eingelenkt sind) die Anschauung er- geben, dass die hier angetroffene Artikulationsweise der Rippen des achten Wirbels gegenüber dem gewöhnlichen Verhalten dieser Rippen den primitiveren Zustand darstellt. Ich habe diese Angelegenheit jedoch auch auf ontogenetischem Wege zu prüfen gesucht. An den schon an einer früheren Stelle (cf. pag. 35) erwähnten 13 Embryonen - aus der 7. bis 10. Woche ließ sich wahrnehmen, dass die Köpfchen der noch völlig knorpeligen Rippen am achten Wirbel unter den 26 möglichen Beobachtungen zwölfmal eine rein intervertebrale Stel- lung zeigten, sechsmal etwas distalwärts herabgerückt erschienen und zweimal außer dem Körper des achten Wirbels nur der Band- scheibe zwischen dem siebenten und achten Wirbel anlagen; sechs- mal blieb die Beobachtung unentschieden. Schon der Umstand, dass in fast der Hälfte der Fälle die Artikulation der Rippen beim Em- . bryo eine intervertebrale war, rechtfertigt die vorhin gegebene Deutung dieses Befundes und sie wird in sehr intruktiver Weise bekräftigt, wenn man berücksichtigt, dass MACALISTER, der den Modus der Artikulation der ersten Rippen beim Erwachsenen speciell untersucht hat, darüber sagt: »Out of fifty first costo-vertebral joints — I have found not any instance of a true articular surface on the seventh cervical vertebra for the head of the first rib. I have seen the condition, but I believe it to be one of very rare occurrence ‘.<. Es wäre nicht ohne Interesse, zu wissen, wie oft, bei Vorhan- — densein von beweglichen Rippen am siebenten Wirbel, eine Koinei- denz mit dem relativ primitiven Artikulationsmodus der Rippen des achten Wirbels noch zu konstatiren wäre. Leider lassen die in der Litteratur vorliegenden Beschreibungen hierüber ein Urtheil nicht zu. Nur so viel ist zu ersehen, dass nicht ausnahmslos die erwähnte Koincidenz stattfinden müsse. Aus der Beschreibung, die GRUBER? von einem seiner Fälle gegeben hat, geht hervor, dass die Rip- pen des achten Wirbels eine intervertebrale Stellung des Capi- tulum jedenfalls nicht gehabt haben und es scheint mir ganz inter- essant zu sein, dass in diesem Fall recht stark redueirte Rippen am 1 MACALISTER, 93, pag. 253. 2 69, pag. 23. Taf. II Fig. 2. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 51 siebenten Wirbel vorliegen, von denen die eine zudem schon mit dem Querfortsatz verschmolzen ist. Bei weiteren Untersuchungen an Rippen des siebenten Wirbels müsste auf den Artikulationsmodus der Rippen des achten Wirbels genau geachtet werden. Es ist jetzt noch ein Blick auf die Processus spinosi der Cer- vicalwirbel zu werfen. Taf. I zeigt dieselben in seitlicher Ansicht und in Taf. II Fig. 1 sind die Cervicalwirbel in der Ansicht von der dorsalen Seite dar- gestellt. Der Processus spinosus des Epistropheus springt dorsal- wärts stark vor, sein Endabschnitt ist aber nur wenig gespalten. Der homodyname Fortsatz des dritten Wirbels ist an seinem Ende deutlich zweispitzig, aber nur der linke Abschnitt ist gut entfaltet, der rechte ist klein. Am vierten Wirbel zeigt sich nur eine etwa 2—3 mm tiefe Einkerbung des Endes des Dornfortsatzes. Beim fünften Wirbel ist dieses Ende etwas knopfförmig aufgetrieben und lässt nur eine leichte Furche an der proximalen Fläche, entsprechend der Median- ebene, wahrnehmen. Der Processus spinosus des sechsten Wirbels ist am Ende verdickt und ungetheilt und der des siebenten Wirbels ist ähnlich gestaltet. Letzterer liegt dem Dornfortsatz des achten Wir- bels dicht auf, er präsentirt sich also nicht in der Situation des Fort- satzes einer Vertebra prominens. Diese Bezeichnung kann man hier auch kaum dem sechsten Wirbel zuerkennen. Es ist leicht ersichtlich, wie sehr dieser Befund von dem ge- wohnlichen Verhalten, bei welchem die Dornfortsätze auch noch am sechsten Wirbel sehr deutlich zweispitzig zu sein pflegen, abweicht'. Das Interesse, weiches dieser Abweichung zukommt, ist, wie mir scheint, leicht zu definiren. Es ist von OwEn? wahrgenommen worden, dass an dem Skelet eines Buschmanns und bei einem weiblichen Australierskelet die Dornfortsätze der fünf unteren Halswirbel nicht gespalten waren, später hat Hamy? an dem von ihm untersuchten weiblichen Negrito- skelet nur den Dornfortsatz des Epistropheus entschieden gespalten gefunden, die übrigen Dornfortsätze zeigten nur eine geringe An- deutung an dieses Verhalten. Hamy hat auch an den Skeletten 1 Es ist mit Recht von Hamy (79, pag. 103), TURNER (86, pag. 65) und CUNNINGHAM (86, pag. 638) darauf hingewiesen worden, dass der Dornfortsatz am sechsten Halswirbel bei den weißen Rassen nicht stets ein zweispitziges Ende habe, CUNNINGHAM sagt sogar, dass dieser Dornfortsatz nur relativ selten bei Europäern gespalten sei. 2 2 57, pag. 98, 99. 3 79, pag. 192, 193. 4* 2 Emil Rosenberg or anderer außereuropäischer, gefärbter Menschenrassen Ähnliches kon- statirt und er führt besonders ein Skelet einer Buschmännin und ein weibliches Negerskelet auf, an welchen alle Dornfortsätze (mit Aus- nahme desjenigen des Epistropheus) ungespalten waren. Auch TURNER! hat einige hierhergehörige Beispiele aufgeführt. CUNNING- Ham? hat das Verdienst, diese Angelegenheit an einem ziemlich reichen Material statistisch untersucht zu haben, und er kommt da- bei zu dem Resultat, dass während bei den Europäern die Dorn- fortsätze des dritten, vierten und fünften Halswirbels in der Regel gespalten sind?, in den »low races« das umgekehrte Verhalten die Regel sei. Dazu macht er die Bemerkung, dass diese Dornfortsätze in dieser Hinsicht Ähnlichkeit hätten mit denen beim Chimpanse, nur seien sie mehr verkürzt und nicht so scharf am Endabschnitt. Mit dieser Bemerkung ist die Deutung der Erscheinung angebahnt. Denn der Umstand allein, dass bei den sogenannten »niederen« Rassen die in Rede stehenden Dornfortsätze ungespalten sind, ist noch nicht ausreichend, dieses Verhalten als das relativ primitive anzusehen‘; es ist keineswegs gerechtfertigt, anzunehmen, dass diese Rassen in jeder Beziehung eine morphologisch tiefere Stufe einneh- men. Dagegen kommt es hier darauf an, in erster Linie das Ver- halten der Primaten zu kennen. In Bezug auf diese kommt Sr. GEORG Mivart‘ bei seiner eingehenden Vergleichung der Formverhältnisse der einzelnen Wirbel zu dem Resultat, dass unter den Primaten (die Prosimier mit einbegriffen) bei den meisten Arten der Ordnung »the cervical spines are simple and rather short, generally increasing gradually in length from the third to the seventh«. Es ist dabei bemerkenswerth, dass auch der Epistropheus nach den Angaben von St. GEoRG@ Mivartr bei Primaten meist einen ungetheilten Dornfort- satz besitzt und dass es in der That nur vereinzelte Formen sind, bei denen an den anderen Halswirbeln die Dornfortsätze in zwei Spitzen, ähnlich wie beim Menschen, auslaufen. Der sechste Wirbel hat bei Primaten immer einen ungetheilten Dornfortsatz, wenn dieser nicht (wie bei Tarsius, Galago und Chiromys) rudimentär ist. 1 86, pag. 59. 2 86. 3 Den Epistropheus hat CUNNINGHAM unter allen von ihm untersuchten Objekten nur einmal, an dem Skelet eines Negers, mit einem nicht gespaltenen Dornfortsatz versehen gefunden. Owen (57, pag. 98) erwähnt einen Fall, wo an dem Skelet eines männlichen Australiers dieser Dornfortsatz nur eine An- deutung einer Spaltung zeigte. 4 65, pag. 548—553. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 53 Die seltenen Fälle, in denen beim Menschen der Epistropheus einen ungetheilten Dornfortsatz besitzt, bilden also atavistische Er- scheinungen und als Übergangszustände zu dem gewöhnlichen Ver- halten können diejenigen Fälle angesehen werden, wo, wie auch bei der vorliegenden Wirbelsäule, das Ende dieses Dornfortsatzes nur eine relativ schwache Einkerbung zeigt. Auf Grundlage des Ver- haltens der Primaten müssen natürlich auch beim Menschen ange- troffene Dornfortsätze mit ungetheiltem oder nur schwach getheiltem Ende als die relativ primitiveren angesehen werden. Es bieten demnach in dem vorliegenden Fall die Processus spinosi der Hals- wirbel eine relativ primitive Beschaffenheit dar, allerdings nicht die primitivste, die beim Menschen zur Zeit noch angetroffen werden kann!. Dieser Befund gewinnt noch ein besonderes Interesse im Hinblick auf die kürzlich von RANKE? gegebene Darlegung über die funktionellen Beziehungen der Dornfortsätze bei Primaten und anderen Formen. RANKE hat darauf hingewiesen, dass bei verschiedenen Ordnun- gen der Säugethiere, wenn der Lokomotionsmodus der »Vierfüßler« der gewöhnliche ist, die Dornfortsätze der ersten Brustwirbel besonders stark ausgebildet sind und die Angriffsflächen darbieten für die elastischen und muskulösen Halteorgane des Kopfes, dass aber unter den Säugern bei Primaten (auch bei den Vögeln kommen ähnliche Verhältnisse vor) die Dornfortsätze der Halsregion diese Funktion übernommen haben, unter deren Einfluss und im Zusammenhang mit dem Modus, wie bei Primaten der Kopf getragen wird, sie bei einzelnen Formen (z. B. beim Gorilla) sich sehr stark entfaltet haben. Beim Menschen ist wegen veränderter Konfigura- tion der Gelenkflächen des Atlas-Hinterhauptsgelenks und weil die Condylen des Os oceipitis mehr der Mitte der basalen Schädeltläche 1 Es hätte kein geringes Interesse, zu wissen, wie in den recht zahl- reichen in der Litteratur mitgetheilten Fällen, in welchen beim Menschen der siebente Wirbel als Dorsocervicalwirbel angetroffen wurde, die Dornfortsätze der Halswirbel sich verhielten. Man kann natürlich vermuthen, dass in solchen Fällen relativ oft ungetheilte Dornfortsätze würden gefunden werden können. In den Beschreibungen von Fällen mit »Halsrippen« ist dieser Punkt indess fast völlig unberücksichtigt geblieben, und ich finde nur bei PILLING (94, pag. 21, 22) die Angabe, dass in dem von ihm beschriebenen, sehr primitiven Fall der Proc. spinosus des sechsten Wirbels lang und ungespalten war. Das ist sehr verständlich bei der primitiven Beschaffenheit des siebenten Wirbels; über die übrigen Dornfortsätze theilt PıLLın& leider nichts mit. > 95, pag. 5—14. 54 Emil Rosenberg genähert sind, die aufrechte Haltung des Kopfes nur mit einem Minimum von Muskelarbeit verknüpft, daher die Dornen der Halswirbel nieht in gleichem Maße, wie bei Primaten, funktionell in Anspruch genommen sind. Es lässt sich auf Grundlage dieser Darlegungen von RANKE somit leicht verstehen, dass die Dornfortsätze beim Menschen sich verkürzten und unter dem Einfluss noch näher zu eruirender | Verhältnisse eine eigenartige Gestaltung ihres Endabschnittes er- warben. Es kann daher in den einfach und ungetheilt endenden Dornfortsätzen menschlicher Halswirbel noch eine Reminiscenz an Einriehtungen erkannt werden, die unter den Säugern für Primaten charakteristisch sind. B. Die Wirbel im distalen Theil der Dorsalregion und die Lumbalwirbel. Von den Dorsalwirbeln kommen hier der elfte und die distal- wärts folgenden in Betracht (cf. Taf. I). Der Wirbel 18. d'! trägt auf beiden Körperseiten am proximalen Rande seines Körpers eine Gelenkfacette, die etwa zwei Dritttheilen einer Fossa costalis ent- spricht, der dazugehörige Abschnitt findet sich am distalen Rande des Wirbels 17. d1°. Es hat somit das Rippenpaar des 11. Brust- wirbels hier eine intervertebrale Artikulation des Capitulum besessen. Zudem ist zu konstatiren, dass am Querfortsatz des 18. Wirbels jederseits eine Fossa transversalis sich befindet. Es ist also auch eine Articulatio costo-transversalis bei den Rippen des 18. Wirbels vorhanden. Beide eben erwähnten Befunde stehen im Zusammen- hang mit einander. Ich habe bei einer früheren Gelegenheit!, Be- zug nehmend auf das Verhalten von Troglodytes niger und auf ontoge- netische Befunde, die an menschlichen Embryonen sich mir darboten, dargelegt, dass ein solcher Artikulationsmodus des Rippenpaares am elften Brustwirbel des Menschen ein relativ primitives Verhalten dokumentirt und ich verweise hier auf diese frühere Darlegung, welche auch in Betreff der distal folgenden Wirbel die Anhaltspunkte für eine Beurtheilung darbietet. Der eben erwähnte Befund an den Rippen des 18. Wirbels macht es leicht verständlich, dass der 19. Wirbel gleichfalls ein re- lativ primitives Verhalten zeigt. Man findet an ihm eine ganze Fossa costalis für das betreffende Rippenpaar, diese liegt jedoch 1 75, pag. 96—98. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 55 noch dem proximalen Rande des Wirbelkörpers dicht an und zu- gleich ist an diesem Wirbel jederseits noch eine Fossa transversalis anzutreffen. Somit hat auch dieses Rippenpaar eine Artieulatio costo-transversalis noch besessen, welche Gelenkbildung, wie be- kannt, am Rippenpaar des 12. Brustwirbels bei der zur Zeit norma- len Wirbelsäule nicht mehr vorgefunden wird. In der erwähnten Beobachtung liegt eine Bestätigung einer Folgerung, zu der ich bei der eben citirten Erörterung gelangt war. Ich habe in Betreff des zwölften (sowie des elften) Rippenpaares des Menschen die Bemerkung gemacht, es »dürfte aus den mitgetheilten Beobachtungen hervorgehen, dass die intervertebrale Stellung des Capitulum früher aufgegeben worden ist, als die Gelenkverbindung der Rippe mit dem Querfortsatz«'. Man sieht, dass der Befund am Rippenpaar des zwölften Brustwirbels der hier vorliegenden primi- tiven Wirbelsäule ganz dieser Voraussetzung entspricht: die Articu- latio costo-transversalis ist noch vorhanden, das Capitulum ist aber nicht mehr intervertebral eingelenkt, sondern hat diejenige (relativ primitive) Stellung, welche ich bei den vier darauf hin untersuchten Embryonen (ef. 75, pag. 98) dreimal gefunden habe (bei dem vierten -Embryo war die Stellung noch primitiver, da das Capitulum der Rippe auch die proximale Intervertebralscheibe tangirte). Gegenüber dieser Bestätigung meiner Anschauung über die Umformungen am zwölften Rippenpaar? kann ich es unterlassen, auf den sachlich nicht begründeten Widerspruch einzugehen, den HoLL? gegen meine An- schauung erhoben hat. Auch am Körper des 20. Wirbels ist beiderseits eine deutliche, große Fossa costalis sichtbar, am Querfortsatz ist jedoch keine Gelenk- facette vorhanden; das Rippenpaar dieses Wirbels, das ziemlich stark entfaltet gewesen sein muss, hat also eine Articulatio costo-trans- versalis nicht besessen. Die Fossa costalis am Körper des 20. Wir- bels tangirt nicht den proximalen Rand desselben, sondern ist distalwärts und zugleich zum Theil auf die Basis des Bogens ge- rückt. Somit liegt der 20. Wirbel dieser Wirbelsäule — das Homo- logon des ersten Lumbalwirbels der zur Zeit normalen Wirbelsäule — hier noch evident als Dorsalwirbel vor; er dokumentirt durch die Übereinstimmung mit den Befunden, die hinsichtlich der Existenz freier Rippen am 20. Wirbel in einer gewissen, relativ frühen Ent- 3 82, pag. 29. 56 Emil Rosenberg wicklungsperiode menschlicher Embryonen von mir mitgetheilt wur- den!, seine primitive Beschaffenheit. Es bietet ein besonderes Interesse, dass in dem vorliegenden Fall der 21. Wirbel gleichfalls beiderseits eine Rippe getragen hat. Das beweist die Fossa costalis am Körper des Wirbels, die nur wenig kleiner ist als die ihr homodyname Facette am 20. Wirbel. Sie ist, was leicht zu verstehen ıst, noch mehr auf die Basis des Bogens gerückt, als am 20. Wirbel. Eine Artikulation am Querfortsatz hat das Rippenpaar am 21. Wirbel nicht gehabt und das erscheint sehr natürlich im Hinblick auf das Fehlen dieser Artikulation am 20. Wir- bel. Der am distalen Theil der menschlichen Wirbelsäule waltende, proximalwärts fortschreitende Umformungsprocess, der unter den zur . Zeit als normal geltenden Verhältnissen am 20. Wirbel freibewegliche Rippen nicht mehr bestehen lässt, so dass somit der 19. Wirbel als letzter Dorsalwirbel sich darstellt, hat in diesem Fall sogar den 21. Wirbel in dieser Hinsicht nicht beeinflusst und diesen als letzten Dorsalwirbel bestehen lassen?. Es ist also der Process hier viel 175, pag. 89—92. Aus den an dieser Stelle mitgetheilten Beobachtungen hatte ich gefolgert, dass die Existenz eines Rippenpaares am 20. Wirbel in der bezeichneten, relativ frühen Entwicklungsperiode eine normale Erscheinung sei, diese Rippen konnten nur in dem Sinne gedeutet werden, »dass sie einen Beleg für eine Descendenz von einer Form darbieten, die am 20. Wirbel im entwickel- ten Zustande konstant ein Rippenpaar truge. Auch hiergegen hat Hox (82, pag. 23—27) polemisiren zu müssen geglaubt. Er hat dabei über das Ergebnis meiner Untersuchung nicht richtig referirt und es auch außer Acht gelassen, dass man nicht erwarten kann, einen bestimmten ontogenetischen Befund bei einem jeden beliebigen Embryo anzutreffen. Desshalb werden meine Mittheilungen dadurch nicht widerlegt, dass HoLL in Stadien, die älter sind als die von mir untersuchten, die Rippen am 20. Wirbel als isolirte Gebilde nicht hat finden können. Bei dem Jüngsten Embryo, den er untersucht hat, hat er die Rippen gesehen, meine Angabe also bestätigen müssen. Wenn er noch andere Em- bryonen aus derselben Entwicklungsperiode untersucht hätte, so wäre seine Polemik wahrscheinlich unterblieben. In Betreff des Verbleibes der Rippen- rudimente am 20. Wirbel und hinsichtlich der Deutung der »Querfortsätze« der Lendenwirbel kommt Hott zu demselben Ergebnis, zu welchem ich schon früher gelangt war, er acceptirt auch die von mir vorgeschlagene Bezeichnung »Seiten- fortsatz«, welche den Unterschied gegenüber dem Querfortsatz eines Brust- wirbels markirt. Hieraus ist auch ohne ein näheres Eingehen auf Einzelheiten leicht ersichtlich, welcher Werth der gegen meine Anschauung gerichteten Polemik Horr’s beizulegen ist. 2 Als einen Dorsalwirbel habe ich den 21. Wirbel bei den von mir unter- suchten menschlichen Embryonen (cf. 75, pag. 99; Taf. IIL Fig. 9) nur bei einem Objekt (IV. 1 A) angetroffen; es fanden sich die Rippen in Gestalt isolirter knorpeliger Gebilde (Fig. 9) vor. Bei einem anderen Embryo (II. 2) zeigte sich Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 57 weniger weit vorgeschritten, als gewöhnlich; daraus ergiebt sich das primitive Verhalten der soeben besprochenen Wirbel. Zählt man zu den 14 Rippenpaaren, die an dem 8. bis 21. Wirbel bestanden haben, das Rippenpaar am siebenten Wirbel hinzu, so sieht man, dass an der in Rede stehenden Wirbelsäule 15 Rippen- paare vorhanden gewesen sind. Dieser Befund erscheint sehr be- merkenswerth; ich möchte jedoch dabei nicht den Nachdruck darauf legen, dass dieser Befund, so weit mir bekannt, sich hier zum ersten Mal dargeboten hat!. Die Seltenheit einer Beobachtung bedingt an sich den wissenschaftlichen Werth derselben nieht — ist doch im Grunde jedes Objekt ein Unicum —, dieser Befund hat aber zu- nächst darin sein Interesse, dass er ein unverkennbares Zeichen primitiver Beschaffenheit des Objektes ist und im Zusammenhang damit dokumentirt nun auch die Seltenheit des Befundes, dass der- ‚selbe einer schon vor langer Zeit überwundenen Entwicklungsstufe angehört, von der desshalb eben nur selten noch eine Andeutung in am 21. Wirbel bereits eine in geringer Ausdehnung zu Stande gekommene Ver- schmelzung der reducirten Rippen mit dem Bogen und dem Querfortsatz. Im Vergleich zu dem Verhalten des 20. Wirbels war also bei den untersuchten Embryonen ein Rippenpaar am 21. Wirbel nur relativ selten zu konstatiren. Das ist ein Umstand, der sehr deutlich dafür spricht, dass das Rippenpaar am 21. Wirbel phylogenetisch früher reducirt worden ist, als das Rippenpaar am 20. Wirbel. 1 Die Seltenheit der Beobachtung kann, wie mir scheint, einigermaßen beurtheilt werden, wenn man berücksichtigt, dass GRUBER seine reichen Er- fahrungen über sogenannte überzählige Rippen in folgendem Satz (49, pag. 7 zusammenfasst: »Eine überzählige Rippe oben (am letzten Halswirbel) und unten (am ersten Lendenwirbel) zugleich, in welchem Falle also 14 Rippen vor- handen wären, sah ich noch nie. — Abgesehen von den Spaltungen der Rip- pen, übersteigt wohl deren Zahl in der Regel nicht die von 13, erreicht höch- stens 14 in dem möglichen Falle von gleichzeitiger oberer und unterer Vermeh- rung.e Hieran knüpft GRUBER den folgenden Satz, der hier noch berücksichtigt werden muss. »BERTIN (Östeol. L. III. pag. 143) sprach mit Unrecht von einem Falle mit 15 Rippen, denn da die überzählige Rippe am siebenten Halswirbel bloß in drei Theile gespalten war, so kann ja nur von 13 Rippen die Rede sein.« Bei einer anderen Gelegenheit bespricht GRUBER (69, pag. 2) ausführ- licher die Behauptung Brerriy’s, er habe in einem Falle 15 Rippen an einer Seite gesehen. GRUBER bezeichnet diese Mittheilung als eine >ganz unklare<, die keinen Glauben verdiene. Ich habe Berrin’s Werk nicht erhalten können, da GRUBER aber die betreffende Stelle wörtlich eitirt, so bin ich nicht im Zweifel darüber, dass GRUBER die Angabe BErTIN’s zutreffend beurtheilt hat. Die von GRUBER statuirte Möglichkeit einer Anwesenheit von 14 Rippenpaaren bei der menschlichen Wirbelsäule ist durch die oben (pag. 14) citirte Beobach- tung von RODATI und TARUFFI realisirt. 58 Emil Rosenberg der Jetztzeit, zumal an der Wirbelsäule des erwachsenen Menschen, sich finden kann. Auch die Processus artieulares an den distalen Brustwirbeln und den Lumbalwirbeln zeigen Verhältnisse, die hier interessiren. Diese Fortsätze, und zwar auch die distalen, liegen am 19. Wirbel in der Form vor, die für Dorsalwirbel die charakteristische ist. Diese Form und die bezügliche Stellung der Gelenkflächen haben daher auch die Processus artieulares proximales des 20. Wirbels und erst an den Processus articulares distales dieses Wirbels ist die Gelenk- fläche ein wenig lateralwärts orientirt, aber noch nicht zu der Stel- lung gelangt, die für Lumbalwirbel die charakteristische ist. Diese Stellung ist auch nicht völlig erreicht an den Processus articulares distales des 21. Wirbels und das gilt auch für alle Lumbalwirbel dieser Wirbelsäule. Hierin liegen ebenfalls Merkmale einer primi- tiveren Beschaffenheit vor. In meiner früheren Arbeit! habe ich mitgetheilt, dass die Gelenkebenen der Lumbalwirbel beim Orang nur wenig abweichen in ihrer Stellung von denen der Dorsal- wirbel, bei welehen die Gelenkebenen wie beim Menschen orientirt sind. Darin lag die Veranlassung, zu untersuchen, in welcher Stel- lung die Gelenkflächen und Gelenkebenen der Lumbalwirbel bei menschlichen Embryonen angelegt werden und ob ein anfangs übereinstimmendes Verhalten mit denen der Dorsalwirbel würde konstatirt werden können. Das zeigte sich in der That und die Beobachtung mehrerer Stadien (über die an der eitirten Stelle nähere Angaben gemacht sind) ergab die Möglichkeit, die allmähliche Um- lagerung der Gelenkebenen zu erkennen? Bei der hier in Rede stehenden Wirbelsäule ist an den Gelenken zwischen dem 19. und 20. Wirbel noch das völlig primitive Verhalten in den entwickelten Zustand herübergenommen worden und an den mehr distal gelege- nen Gelenkpaaren sind zwei Stadien der Umlagerung der Gelenk- flächen bewahrt geblieben. Man sieht also auch hieraus, dass der proximalwärts fortschreitende Umformungsprocess nicht so weit vor- gedrungen ist wie gewöhnlich und dass er selbst bei den Lumbal- wirbeln in diesem Fall nicht den höchsten Grad der Umgestaltung 1 75, pag. 100—102. 2 Diese Beobachtungen sind von STRUTHERS nicht berücksichtigt worden; dieselben widerlegen die von dem genannten Autor (92, pag. 134) statuirte An- sicht, es seien die Gelenkfortsätze der Lumbalwirbel bei Säugern primitiver als die der Dorsalwirbel! Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 59 der Gelenkfortsätze, der sonst gewöhnlich erreicht wird, hat zu Stande kommen lassen (ef. Taf. IV Fig. 2). Die Lumbalwirbel der vorliegenden Wirbelsiiule geben mir noch zu zwei Bemerkungen den Anlass. Die Seitenfortsätze der hier vorhandenen fünf Lumbalwirbel bieten sich in einer Form dar, die sich fast völlig deckt mit der- jenigen, die als die typische der fünf Lumbalwirbel der zur Zeit normalen Wirbelsäule angesehen werden kann. Es nehmen dem- gemäß die Processus laterales der drei ersten Lumbalwirbel suc- cessive an Länge zu. Die betreffenden Maße sind: beim Wirbel 22. 71 — 1 em; bei 23. 2? — 1,5 em; bei 24.73 — 1,8 cm. Dabei sind diese Seitenfortsätze, wie das gleichfalls dem typischen Bilde entspricht, mit ihren Längsachsen horizontal gestellt. Der Seiten- fortsatz des vierten Lumbalwirbels — 25. 74 — ist auf beiden Kör- perseiten etwas kürzer als der des dritten und er hat auf der linken Seite die für die typische Form charakteristische, geringe, proximal- wärts gerichtete Ablenkung der Spitze, die Längsachse desselben steht also nicht horizontal; der Seitenfortsatz der rechten Seite hat eine nahezu horizontale Stellung. Die Seitenfortsätze des letzten Wirbels dieser Gruppe — 26. 25 — sind vielleicht etwas stärker verdickt, als das gewöhnlich der Fall ist, sonst zeigt dieser Wirbel aber in jeder Hinsieht die typische Gestalt eines fünften Lendenwirbels und ein deutlich und gut ausgebildetes Promontorium wird von diesem Wirbel und dem ersten Sacralwirbel gebildet. Es ist früher von mir nachgewiesen worden!, dass die als ty- pisch betrachtete Gestaltung der Seitenfortsätze der Lumbalwirbel vorliegen kann, wenn die Lumbalregion atavistischer Weise aus dem 21. bis 25. Wirbel besteht und dass, an diesen Befund anknüpfend, eine Reihe von Übergangsformen der Seitenfortsätze sich ermitteln lässt, die das typische Verhalten der Seitenfortsätze der Lumbal- region der zur Zeit normalen Wirbelsäule — also am 20. bis 24. Wirbel — auftreten lassen, wobei zugleich erkannt werden konnte, dass ein gegebener Wirbel in eine bestimmte Stellung innerhalb der Lumbalregion eintreten kann, ohne die für diese Stellung charakteri- stische, typische Form der Seitenfortsätze völlig zu besitzen; diese wird also erst in der betreffenden Stellung erlangt. Im Hinblick anf diesen Nachweis ist es, wie mir scheint, nicht ohne Interesse, darauf aufmerksam zu machen, dass die vorliegende Wirbelsäule es 175, pag. 137—143. 60 Emil Rosenberg beweist, dass die typische Konfiguration der Seitenfortsätze der Lendenwirbel, auch schon noch früher, wenn die Lumbalregion aus dem 22. bis 26. Wirbel besteht, wahrgenommen werden kann. Diese typische Konfiguration der Seitenfortsätze stellt sich an der mensch- lichen Wirbelsäule also wenigstens dreimal heraus und es ist ganz instruktiv, zu sehen, wie an dem hier vorliegenden, vierten Lumbal- wirbel, dem 25. der Reihe, auf einer Seite der Processus lateralis sich noch fast horizontal gestellt zeigt. Darin liegt ein Merkmal dafür, dass dieser Wirbel, der hier ein vierter Lumbalwirbel ist, auf einer noch früheren Stufe ein dritter Lumbalwirbel gewesen sein muss, wobei natürlich, auf solch früher Stufe, der 22. Wirbel mit beweglichen Rippen ausgestattet gewesen sein und damit die letzte Stelle in der Dorsalregion eingenommen haben muss. Noch ein viertes Mal würde die typische Gestaltung der Seitenfortsätze der Lumbalregion sich herstellen können, wenn der zur Zeit unter nor- malen Verhältnissen letzte Lumbalwirbel — der 24. der Reihe — zum ersten Sacralwirbel geworden und der 19. Wirbel aus dem letz- ten Dorsalwirbel zu einem ersten Lumbalwirbel umgestaltet worden ist. Dass Beides möglich ist, ist bekannt; es besteht dann die Lum- balregion aus dem 19. bis 23. Wirbel. Ob aber unter diesen Ver- hältnissen die Seitenfortsätze die »typische« Konfiguration schon erreicht haben, ist mir aus eigenen Beobachtungen oder aus Angaben in der Litteratur zur Zeit noch nicht mit Bestimmtheit ersichtlich, indess könnte es der Fall sein, dass bei einer von TENCHINI! be- obachteten Wirbelsäule diese Möglichkeit realisirt ist. Die zweite Bemerkung, die ich hier zu machen habe, betrifft die Körper der Lumbalwirbel und einiger Dorsalwirbel. Bei dem proximalwärts gerichteten Umformungsprocess an der Wirbelsäule ist die Verkleinerung der Zahl der präsacralen Wirbel eine so sehr in den Vordergrund tretende Theilerscheinung dieses Vorgangs, dass ich in meiner ersten Arbeit über diesen Gegenstand gelegentlich ? diesen Process als eine »Verkürzung der Rumpfwirbel- säule« bezeichnet habe. Diese Bezeichnung ist später mehrfach für den Umformungsprocess benutzt und gewissermaßen als das Charak- teristische desselben hingestellt worden. So sagt z. B. PATERSON, indem er über meine Arbeit referirt, ich hätte »formulated the theory of phylogenetic shortening of the human vertebral eolumn«®. RuGE?, 87, pag. 106, 107. 2 75, pag. 165 Anm. 3 93, pag. 124. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 61 der bei seinen Untersuchungen über Lagerungsverhältnisse ver- ‚schiedener Organe der Primaten meiner Anschauung sich angeschlos- sen hat, spricht gleichfalls von einem Verkürzungsprocess am Rumpfe und hat außerdem die Bezeichnung »metamere Verkürzung des Rumpfes« benutzt. Es geben nun einige, sogleich anzuführende Befunde an der vorliegenden Wirbelsäule mit 26 priisacralen Wirbeln mir die Gele- genheit, näher zu begründen, dass, wenn man das Wirksamsein des Umformungsprocesses an der Wirbelsäule zugiebt, daraus nicht ohne Weiteres gefolgert werden dürfe, dass eine absolute Verkürzung des Rumpftheils der Wirbelsäule und damit des Rumpfes eintreten müsse. Zu dieser Annahme kann allerdings der Ausdruck »Ver- kürzungsprocess« Anlass geben und in so fern ist diese Bezeichnung, die ich der Kürze wegen gebraucht hatte, nicht glücklich gewählt. Bei näherer Überlegung kann man, wie mir scheint, schon a priori darüber nicht im Zweifel sein, dass eine Verkleinerung der Zahl präsacraler Metameren nicht auch eine Verkleinerung des Körper- abschnitts, in dem sie enthalten sind (oder den sie zusammensetzen) zur nothwendigen Folge haben müsse. Es ist leicht, z. B. durch einen Blick auf den cervicalen Abschnitt des Rumpfes der Säuge- thiere sich davon zu überzeugen, dass die gleiche Zahl von Cervi- calwirbeln in verschiedenen Fällen in einem sehr verschieden langen Halse sich befinden kann. Die Länge eines gegebenen Körper- abschnitts ist also nicht unbedingt abhängig von der Zahl der in demselben enthaltenen Wirbel (diese als Repräsentanten der Meta- meren aufgefasst. Eine absolute Verkürzung müsste durch den proximalwärts fortschreitenden Umformungsprocess nur dann ver- anlasst werden, wenn die einzelnen Metameren, oder speciell die Wirbel während der phylogenetischen Entwicklung die gleiche Aus- dehnung in proximo-distaler Richtung beibehielten. Dass dieses der Fall sei, kann nicht behauptet werden, denn es ist die betref- fende Frage bisher weder gestellt noch untersucht worden. Wie mir scheint, kann man sehr wohl die Vermuthung zulassen, dass die Verringerung der Zahl der präsaeralen Wirbel sich verknüpfen könne mit einer Vergrößerung des Höhendurchmessers des Körpers derjenigen Wirbel, die auf einer phylogenetisch weiteren Entwick- lungsstufe im priisacralen Abschnitt der Wirbelsäule der betreffenden Form gefunden werden. Und es könnte daran gedacht werden, ob der Verlust an priisacralen Wirbeln, der aus der proximalwiirts fort- schreitenden Verlagerung des Beckengiirtels resultirt, auf dem ange- 62 Emil Rosenberg deuteten Wege nicht etwa kompensirt oder vielleicht sogar über- kompensirt wird. Es ist einleuchtend, dass die bezeichnete Frage mit Aussicht auf eine möglichst zuverlässige Antwort besonders dann wird unter- sucht werden können, wenn für eine und dieselbe Species mehrere und zwar phylogenetisch weit aus einander liegende Entwicklungs- stufen der Wirbelsäule benutzt werden können. Diese Gelegenheit bietet sich mir hier, wo eine menschliche Wirbelsäule mit 26 prä- sacralen Wirbeln, die wegen dieses Umstandes ein phylogenetisch sehr frühes Stadium repräsentirt, verglichen werden kann mit der- jenigen atavistischen Form der Wirbelsäule, die 25 präsacrale Wirbel besitzt und weiter mit der zur Zeit normalen, durch die An- wesenheit von 24 präsacralen Wirbeln gekennzeichneten Wirbelsäule. Die Möglichkeit einer Vergleichung ist allerdings in so fern wesentlich eingeschränkt, als an der Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln die Dorsalwirbel bis zum 15. durch die bestehende Verkrümmung eine pathologische Formveränderung erlitten haben, daher habe ich diese und auch den 16. Wirbel für die Vergleichung nieht benutzt. Demgemäß konnten von den anderen zu vergleichenden Wirbel- säulen auch nur die Wirbel vom 17. ab in Betracht gezogen werden. Zugleich mussten diese Wirbelsäulen natürlich gleichfalls macerirte und getrocknete Objekte sein'. Es stand mir nur ein Exemplar einer Wirbelsäule mit 25 präsacralen Wirbeln, das der eben erwähn- ten Bedingung entspricht, zur Verfügung ?; es ist aber ein günstiger 1 Es musste hier davon abgesehen werden, in Alkohol konservirte Objekte zur Vergleichung zu benutzen. Dass Messungen an einem und demselben Skelettheil, je nachdem derselbe in feuchtem oder in trockenem Zustand vor- liegt, ein unter Umständen sehr verschiedenes Resultat ergeben können, ist an sich sehr wahrscheinlich. Es ist aber auch von RuGe (ef. z. B. 92, pag. 209) durch Messungen nachgewiesen worden, dass Maße, die an Trockenskeletten genommen worden, eine inkonstante Verschiedenheit darbieten gegenüber Maßen, die an feuchten Objekten bestimmt wurden. Das macht es evident, dass es unzulässig ist, Ergebnisse von Messungen an feuchten und trockenen Skeletten ohne Weiteres mit einander zu vergleichen. Wenn an trockenen Objekten der- selben Art Maße bestimmt werden, so werden die erhaltenen Zahlen zwar wohl meist relativ zu klein sein, unter sich können diese Zahlen aber wohl als ver- gleichbar angesehen werden. Dabei muss es jedoch als wünschenswerth be- zeichnet werden, die Messungen an feuchten Objekten zu wiederholen, um genau zu bestimmen, welchen Einfluss das Trocknen der Objekte hatte. 2 Es ist das eine Wirbelsäule, die ich in -Dorpat eingesammelt habe und die auch schon für meine frühere Arbeit (75) benutzt worden ist (sie repräsentirt die auf pag. 135 bei 8 angegebene Formel). Die Wirbelsäulen mit 25 präsacralen Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 63 Umstand, dass diese Wirbelsäule (bei welcher der 8.—20. Wirbel Dorsalwirbel sind) in ihrem Habitus gut übereinstimmt mit dem uns hier beschäftigenden Objekte aus der Leidener Sammlung. Sodann benutzte ich drei Exemplare der zur Zeit normalen Wirbelsäule, von denen das eine (I) in dem Habitus der Wirbel sehr gut überein- stimmt mit den beiden atavistischen Wirbelsiiulen. Die beiden an- deren Exemplare (II und III) sind in ihren Einzelelementen in toto etwas graciler gebaut. Ich habe nun an der ventralen Seite in der Medianebene die Ausdehnung der einzelnen Wirbelkörper in proximo-distaler Richtung (die Höhe derselben kann dieses Maß kurz genannt werden) mit dem Zirkel gemessen und die erhaltenen Zahlen in der nachstehenden kleinen Tabelle zusammengestellt (das an dem ersten Sacralwirbel genommene Maß ist eingeklammert). Wirbelsäule nieces oS et Wirbelsäulen mit 24 prasacralen RE Wirbeln. Wirbeln. Utrecht, anat. Institut. Wirbel Wirbeln. |Utrecht, anat. en Tr je 1894 | peepee | a cad Nr. 284 | Nr. 48). | (Nr. 19). | Nr. 20). Hohe des Wirbelkérpers in Millimetern 17. 21,5 23 | 24 22 22 18 20,5 23 26 22 22 19 21 24 25 24 22 20 21 25,5 24 24 24 21 22 25,5 25 25 26 22. 24 25,9 27 25 26 23 27 27 28 26 27 24 29 27,5 29 28 26 25 29 24 (33) (30) 33) 26 28,5 (33,5) 17.—26, | 243,5 258,5 | 17.35.1315 LL add me’ 226 228 17.— 24. 186 201 | 208 196 195 17.—22. 130 146,5 | 151 142 142 ‚Man ersieht aus der Tabelle, dass bei der Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln die Summe der Höhen der Wirbel 17. bis 26. 243,5 mm beträgt, während bei der Wirbelsäule mit 25 prisacralen Wirbeln, die ich im Utrechter Präparirsaal beobachtet habe, sind in Alkohol aufgehoben worden, sie konnten somit hier nicht benutzt werden. 64 Emil Rosenberg Wirbeln die Summe derselben Wirbel merklich höher (258,5 mm) ist; hierbei ist allerdings für die letztere Wirbelsäule der erste Sacral- wirbel mitgerechnet, dessen Höhe (offenbar unter dem Einfluss der durch diesen Wirbel eingenommenen funktionellen Position) bedeutend vergrößert ist gegenüber der seines Homologon bei der primitivsten Wirbelsäule, wo dieser Wirbel noch letzter Lumbalwirbel ist. Aber auch wenn man bei beiden Wirbelsäulen die Wirbel 17. bis 25. ver- gleicht, sieht man, dass die Summe der Höhen der Körper bei der Wirbelsäule mit 25 präsacralen Wirbeln größer ist (um 10 mm) als bei der primitivsten und die Vergleichung der Werthe der einzelnen Wirbel lässt erkennen, dass bei den Wirbeln 17. bis 22. durchweg die Wirbelsäule mit 25 präsacralen Wirbeln höhere Werthe aufweist. Man sieht aber auch, dass, wenigstens in dem verglichenen Abschnitt der Wirbelsäule, trotz der Vergrößerung der Höhe der präsacralen Wirbel die Wirbel 17. bis 25. bei der Wirbelsäule mit 25 präsacralen Wirbeln einen geringeren Werth ergeben als die Wirbel 17. bis 26. bei der primitivsten Wirbelsäule. Es ist also eine völlige Deckung des Längenverlustes in der betrachteten Strecke, was wohl auch kaum erwartet werden kann, nicht eingetreten. Im Princip dasselbe zeigt die Vergleichung mit den vorliegenden drei Exemplaren der zur Zeit normalen Wirbelsäule. Es ist sehr auffällig, wie die Höhensumme der Wirbel 17. bis 24. bei der Wirbelsäule I größer ist als die Summe der homologen Wirbel bei der atavistischen Wirbelsäule mit 25 prä- sacralen Wirbeln. Und die Homologa bei der primitivsten Wirbel- säule sind zusammen sogar um 22 mm niedriger als bei der Wirbel- säule I. Bei den graciler gebauten Wirbelsäulen II und III ist, auch trotz dieses ungünstigen Umstandes, doch noch ein größerer Werth für die Wirbel 17. bis 24. zu finden als bei den homologen Elementen der primitivsten Wirbelsäule. Besonders instruktiv ist es, die Wirbel 17. bis 22. zu vergleichen, weil man den Eindruck gewinnt, dass inner- halb des ganzen verglichenen Abschnittes, besonders bei den be- zeichneten Elementen, eine Höhenzunahme auf phylogenetisch vor- geschrittener Entwicklungsstufe sich ergiebt. Auch hier zeigt es sich, dass diese Wirbel bei den Wirbelsäulen II und III doch noch höher sind als die homologen Wirbel bei der primitivsten Form. Ich kann nicht annehmen, dass die vorliegenden, in der Ta- belle enthaltenen Zahlen nur in ganz zufälliger Weise für die Richtigkeit des Gesichtspunktes, von dem aus ich die Messungen anstellte, zu sprechen scheinen. Aber natürlich verkenne ich nicht, dass für eine derartige Betrachtung, um eine definitive Entscheidung Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 65 zu erlangen, ein weit größeres Material verwandt werden müsste 1. Es wäre auch durchaus erforderlich, die Messungen an in Konser- virungsflüssigkeiten aufgehobenen Objekten zu machen. Auch wäre es natürlich geboten, die Intervertebralscheiben gleichfalls zu messen, da, eben so wie an den Wirbelkörpern, auch an diesen Elementen der Säule eine kompensatorische Vergrößerung sich geltend machen könnte. Sodann wäre die Vergleichung der Objekte nur nach kriti- scher Sichtung derselben vorzunehmen. Es wäre ein Fehler, ohne Weiteres die Maße der Wirbel von gracil gebauten weiblichen Indi- ! Im Anschluss an die Untersuchungen von CUNNINGHAM und TURNER über Rassenunterschiede in der »Lendenkrümmung« der Wirbelsäule und mit Benutzung der Methode der genannten Autoren hat BLUMENFELD (92) auf Ver- anlassung von H. VırcHmow Messungen an einer größeren Anzahl von Skeletten im Berliner anatomischen Institut angestellt und die Ergebnisse in seiner Dis- sertation veröffentlicht. Bei diesen Messungen sind auch die Höhen der »vor- deren Oberfläche der Wirbelkörper« in der Medianebene bestimmt worden. Die mitgetheilten Maße können indess mit den von mir ermittelten nicht verglichen werden, da in der Arbeit von BLUMENFELD die Lendenwirbel einfach mit den Ziffern I bis V resp. VI bezeichnet worden sind, ohne eine Angabe darüber, welche Stelle in der Gesammtreihe die vorhandenen Lendenwirbel einnehmen, Diese Stelle kann aber eine sehr differente sein. Die mitgetheilten zahlreichen Maße würden daher erst dann in zuverlässiger Weise verwerthbar sein, wenn nachträglich von jedem benutzten Skelet mitgetheilt würde, welche Formel die betreffende Wirbelsäule ergiebt. Es würde sich dann wohl auch herausstellen, dass es auch bei der Untersuchung solcher Fragen, wie die nach der >»Lendenkrümmung«, instruktiv ist, atavistische Fälle gegenüber den nor- malen und den Zukunftsformen zu unterscheiden. Bei TEncHını (87) finde ich einige Maßangaben, die hier verwerthbar sind. TENCHINI hat eine Wirbel- säule beobachtet, der er die Formel ’ Te+ild+5l+5s+ 4coce. = 32 giebt und die er damit interpretirt, dass in diesem Fall der 12. Brustwirbel mit den dazu gehörigen Rippen völlig fehlt (pag. 101, 105). Dieser Auffassung kann ich nicht beistimmen, da sie der Hypothese der Excalation sich bedient, gegen die ich mich bereits mehrfach (cf. 96, pag. 336—338) ausgesprochen habe. Ich kann die von TENCHINI beobachtete Wirbelsäule natürlich nur als eine Zu- kunftsform in dem schon früher von mir erörterten Sinne ansehen. Bei dieser Auffassung gewinnt es nun ein Interesse, die Höhen der Körper des 17, bis 23. Wirbels zu kennen. TENCHINI hat die betreffenden Maße notirt (cf. pag. 104, 106). Addirt man die für den zehnten und den elften Brustwirbel und die für die fünf Lumbalwirbel angegebenen Maße, so ergiebt sich ein Höhenbetrag von 202,5 mm. Die gleichen Wirbel (17 bis 23) haben an den von mir gemessenen normalen Wirbelsäulen (I, II, III) zusammen nur eine Höhe von 179 resp. 168 resp. 169 mm. Das heißt, es zeigt sich in diesen Differenzen der Größenzuwachs der Wirbel- körper, den ich von meinem Standpunkt aus für präsacrale Wirbel höher diffe- renzirter Formen der Wirbelsäule als wahrscheinlich bezeichnen musste. Morpholog. Jahrbuch. 27. 5) 66 Emil Rosenberg viduen mit denen, die an robusten, männlichen Wirbelsäulen ge- wonnen wurden, zu vergleichen. Die Beurtheilung des Habitus des Individuums und der betreffenden Wirbelsäulen ist mit Vorsicht und unparteiisch auszuführen. Selbstverständlich muss auch gefor- dert werden, dass die Vergleichung an allen Elementen der Wirbel- säule und nicht nur an einem Abschnitt derselben vorgenommen werde. Das war mir aus dem oben angeführten Grunde hier nicht möglich. Aber die aufgeführten Maßangaben genügen wohl zunächst dazu, den statuirten Gesichtspunkt zu charakterisiren, der eventuell nicht uninteressante Verhältnisse erkennen lassen könnte. Wenn die mit- getheilten Maße es zeigen, dass Andeutungen an eine relative Ver- srößerung der Wirbelkörper in den höheren phylogenetischen Ent- wicklungsstufen vorliegen, so kann es beachtenswerth erscheinen, dass diese Andeutungen besonders dem Verhalten der mehr proximal gelegenen, zum Theil noch der Dorsalregion angehörigen Wirbel entnommen werden können. Es ist hier zu berücksichtigen, dass RuGE bei seinen an Halb- affen und Affen ausgeführten Untersuchungen über das Längenver- hältnis zwischen dem thorakalen und dem lumbalen Abschnitt der Wirbelsäule eine relative Verkürzung der hinteren Wandung der Brusthöhle bei höher stehenden Formen konstatirt hat. Im An- schluss hieran hat RugE gezeigt, wie die derart gegebene Beschrän- kung des Raumes für die Bergung der Brustorgane durch eine kom- pensatorische Umformung der seitlichen und vorderen Wand der Brusthöhle ausgeglichen wird. Hieraus lassen sich die verschiedenen Thoraxformen erklären, so weit dieselben durch die Form und Aus- dehnung der Rippen und des Sternum bedingt sind!. Im Hinblick auf diese Nachweise würde es, wie ich meine, ganz verständlich sein, wenn weiter fortgesetzte Untersuchungen im thorakalen Abschnitt und ganz besonders im distalen Theil desselben eine relative Ver- gréBerung der Höhe der Wirbelkörper und der Intervertebralscheiben nachweisen würden. Es wäre damit ersichtlich, wie auch durch Umgestaltung der Wirbelkörper ein kompensatorischer Raumzuwachs für die Organe der Brusthöhle sich ergiebt. Die Andeutungen an eine relative Höhenzunahme der Wirbel- körper, welehe in den oben angeführten Maßen gegeben sind, haben noch in anderer Hinsicht ein Interesse. Man ersieht aus denselben, 1 ef.. RuGE, 92 a, pag. 210; 92 b, pag. 166. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 67 dass man nicht schlechthin von einer »Verkiirzung« des Rumpf- skelets oder des Rumpfes reden darf. Denn bei dem Umformungs- process, der die Zahl der präsacralen Segmente vermindert, kann es sich eben gleichzeitig auch um eine Verlängerung der im prä- sacralen Abschnitt verbleibenden Segmente handeln; diese darf nicht vernachlässigt werden, auch wenn sie keine völlige Kompensation für den Längenverlust bieten sollte, den der präsacrale Abschnitt auf phylogenetisch höheren Stufen bei proximalwärts gerichtetem Fortrücken des Beckengürtels erleidet. Diese Erörterungen zeigen nun auch, wie mir scheint, dass die Bezeichnung »metamere Verkürzung des Rumpfes« nicht besser ist als die Bezeichnung » Verkiirzungsprocess«. Wenn der Ausdruck »me- tamere Verkürzung« besagen soll, dass die Zahl der Metameren ver- ringert wird, so kann dem Ausdruck als solchem nicht beigestimmt werden und er sagt zudem nicht mehr als der Ausdruck » Verkiir- zungsprocess«. Soll die Bezeichnung »metamere Verkürzung« aber, woran man dem Wortlaut nach zunächst denken müsste, andeuten, dass die Gesammtverkürzung auf die Metameren vertheilt wird, also die einzelnen Metameren verkürzt werden, so ist dagegen einzuwen- den, dass Anlass besteht, gerade das Gegentheil, eine Verlängerung der einzelnen präsacralen Metameren, anzunehmen. Es scheint mir daher geboten, weder den Ausdruck »Verkiirzungsprocess« noch die Bezeichnung »metamere Verkürzung« zu verwenden. Es ist meiner Meinung nach am zweckmäßigsten, die Vorgänge am distalen Theil der Dorsalregion und an den distalwärts folgenden Regionen durch den Ausdruck »proximalwärts gerichteter Umformungspro- cess« zusammenzufassen. Die nähere Bezeichnung der Richtung ist gerechtfertigt nicht nur im Hinblick auf die Primaten oder andere Formen, sondern auch desshalb, weil sie auf die statthabende Ver- ringerung der Zahl präsacraler Wirbel hindeutet und diese nähere Bezeichnung wird nothwendig, weil an der Wirbelsäule der Säuger (und über den Kreis derselben hinaus) zugleich auch ein distal- wärts gerichteter Umformungsprocess (am proximalen Theil der Wirbelsäule) seine Wirksamkeit bekundet. Über das Verhältnis, in welchem diese beiden Umformungspro- cesse zu einander stehen, werden in dem Schlusskapitel dieses Auf- Satzes noch einige Bemerkungen zu machen sein; das vorliegende Kapitel beende ich: mit dem Hinweis darauf, dass wenigstens mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann, wie in der relativ geringen Höhe der Körper einer Anzahl Wirbel der 5* 68 Emil Rosenberg hier untersuchten Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln ein zu den bereits dargelegten hinzukommendes Merkmal primitiver Beschaffen- heit dieser Wirbelsäule vorliegt. C. Das Sacrum und die Sacrocaudalwirbel. Im Sacrum sind fünf Wirbel, der 27. bis 31., enthalten (ef. Taf. I; Taf. IV Fig. 3); in der Konfiguration ähnelt es sehr dem fünfgliederigen Saerum der zur Zeit normalen Wirbelsäule, mit wel- chem es aber nur den Besitz dreier homologen Wirbel theilt, die in dem vorligenden Sacrum natürlich eine andere Position haben. Die drei ersten Wirbel dieses Sacrum sind den drei letzten des Sacrum der zur Zeit normalen Wirbelsäule homolog, da dieses aus dem 25. bis 29. Wirbel besteht. Die Körper der Sacralwirbel sind völlig durch Knochenmasse mit einander verbunden und grenzen sich durch die bekannten leisten- förmigen Kämme gegen einander ab. Bemerkenswerth ist, dass die Trennungsspur zwischen den Körpern des ersten und des zweiten Sacralwirbels ganz besonders deutlich ist. Man ersieht daraus, dass. auch in diesem Fall der erste der vorhandenen Sacralwirbel der zu- letzt zum Sacrum hinzugetretene ist. Die Partes laterales sind symmetrisch geformt; die Facies auri- eularis wird auf beiden Seiten von demjenigen Antheil der Pars la- teralis getragen, welcher den Seitenfortsätzen des 27., des 28. und zugleich auch des 29. Wirbels entspricht; dieser letztere Wirbel ist noch mit etwas mehr als der proximalen Hälfte der lateralen Fläche seiner Seitenfortsätze an der Facies auricularis betheiligt. Ich habe bei früherer Gelegenheit! hinsichtlich des menschlichen Saerum dar- gelegt, wie der Umstand, dass der Beckengürtel mit drei Wirbeln in Kontakt steht, eine relativ primitive Beschaffenheit des betreffen- den Saerum bekundet und dass dieser Befund angetroffen werden kann, sowohl wenn das Sacrum atavistischer Weise aus dem 26. bis 30. Wirbel besteht, als auch wenn es, wie das der Norm ent- spricht, den 25. bis 29. Wirbel einschließt. Hier findet sich nun, dass auch auf noch primitiverer Stufe das gleiche Verhalten vorliegt, welches somit wenigstens dreimal sich herausstellt. Mit dieser Deu- tung steht im Einklang, dass an dem vorliegenden Sacrum die ventral am meisten vorspringende Partie der Pars lateralis zwar von dem ı 75, pag. 118, 119. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 69 27. und dem 28. Wirbel gebildet wird, aber noch im Niveau etwa der Mitte des Körpers des 28. Wirbels steht. Auch das spricht dafür, dass der 27. Wirbel am spätesten zum Sacrum hinzugetreten ist; er hat noch nicht die höchst ausgebildete Form, die ein erster Sacral- wirbel erreichen kann. Es wäre für dieses Sacrum, auch ohne dass ‘an dem Wirbelbestande etwas geändert wird, noch eine Anzahl von weiteren Ausbildungsstufen denkbar (analog denen, die ich an der eitirten Stelle besprochen habe), bei denen die ventrale Spitze der Pars lateralis sich allmählich mehr proximalwärts verlagert zeigen und schließlich im Niveau fast der Mitte des Körpers des 27. Wir- bels angetroffen werden müsste. Dabei würde das proximale Ende der Facies auricularis gleichfalls mehr proximalwärts gerückt sein und der 29. Wirbel würde dann an der Facies auricularis nicht mehr betheiligt sein. Mit einer solehen Koncentration der Facies aurieu- laris auf nur zwei Wirbel würde dann der beginnende Übertritt des 26. Wirbels ins Sacrum angedeutet sein. Die Bogen der vier ersten Sacralwirbel sind dorsal geschlossen und ihre Processus spinosi bilden die Crista sacralis media, die distal mit einem stumpfen Höcker abschließt, der den Processus spi- -nosus des vorletzten Sacralwirbels — des 30. der Reihe — darstellt. Dieser Befund vermittelt das Verhalten des 31. Wirbels, dessen Bo- genhälften sich dorsal nicht treffen und damit einen Hiatus sacralis bedingen. Der 31. Wirbel (cf. Taf. IV Fig. 5) ist durch massige Spangen an der Pars lateralis betheiligt und darin liegt (wie das schon pag. 11, 16 erértert wurde) ein noch primitiveres Verhalten vor, als ich es bei dem früher (pag. 6, 7) erwähnten menschlichen Embryo gefunden habe. Sehr beachtenswerth ist auch das Verhalten des 32. und des 33. Wirbels. Der 32. Wirbel (cf. Taf. IV Fig. 4, 5) hat noch ziemlich lange, horizontal gestellte Seitenfortsätze, die aber durch einen weiten Raum von dem distalen Ende der Pars lateralis ge- trennt sind. Desshalb kann dieser Wirbel nicht mehr als zum Sa- erum gehörig bezeichnet werden; er muss aber, da sein Körper noch den Zusammenhang mit demjenigen des letzten Sacralwirbels be- wahrt hat, als Sacrocaudalwirbel aufgefasst werden, d. h. als ein Wirbel, der früher Saeralwirbel gewesen und noch nicht völlig Caudalwirbel geworden ist!. Dafür sprieht auch das Verhalten der 1 Die in meiner früheren Arbeit gegebene Definition eines Sacrocaudal- wirbels (cf. 75, pag. 117 Anm.) muss etwas erweitert werden, sie muss den hier geschilderten Zustand einschließen. 70 Emil Rosenberg Bogenrudimente. Diese sind mit Processus articulares proximales versehen, die fest (durch Verknöcherung) verschmolzen sind mit den Processus artieulares distales des letzten Sacralwirbels. Ein Processus articularis distalis ist am Bogen des 32. Wirbels links nur in einem kleinen Rudiment (ef. Taf. IV Fig. 5) vorhanden, rechts ist derselbe stark ausgebildet und fest verschmolzen mit dem zugehörigen Pro- cessus articularis proximalis des 33. Wirbels. Diese beiden Gebilde stellen zusammen eine schlanke Knochenspange dar (ef. Taf. IV Fig. 4, 5), auf deren Existenz ich einiges Gewicht lege. Betrachtet man nämlich den 33. Wirbel (der Körper desselben hängt fest mit dem des 32. zusammen, daher erscheint auch dieser Wirbel noch als Sacrocaudalwirbel), so sieht man, dass er fast völlig die Form hat, ‘welche einem ersten Caudalwirbel der zur Zeit normalen Wirbelsäule zukommt. Die Seitenfortsätze sind zwar kurz, aber noch sehr deut- lich, auch Bogenreste sind vorhanden und von dem der linken Seite erhebt sich ein deutliches Rudiment eines Processus articularis proxi- malis, ein Cornu coceygeum bildend, während rechts der Processus articularis proximalis zum Zustandekommen der erwähnten Knochen- spange beigetragen hat. Ich muss es als einen die Deutung begün- stigenden Umstand bezeichnen, dass hier die feste Verbindung durch die Knochenspange und durch das Verhalten des Körpers des Wir- bels noch gewahrt ist. Wäre Beides nicht da, so würde sich wohl kaum ein Zweifel an der Zugehörigkeit dieses Wirbels zu dem vor- hergehenden beseitigen lassen. Man würde den Einwand festhalten, dass ein ungeschickter Präparator einen ersten Caudalwirbel einer gewöhnlichen Wirbelsäule dem Endabschnitt der hier vorliegenden Wirbelsäule angefügt habe. Ein solcher Einwand ist jetzt natürlich nicht möglich, und das hat im Hinblick auf die Deutung ein Interesse. Ich bin früher! auf vergleichend-anatomischem Wege, durch Benutzung der Befunde bei altkontinentalen und neukontinentalen Primaten sowie bei Prosimiern in Betreff der menschlichen Wirbel- säule zu der Folgerung gelangt, dass die Wirbel vom 30. bis zum 35. eine dreimalige Metamorphose durchgemacht haben und dass sie, nachdem sie die sacrale Beschaffenheit aufgegeben, so weit sie noch erhalten bleiben, als Caudalwirbel in ihrer vierten Form sich darstellen. Hier nun kann in Betreff des 32. und des 33. Wir- bels der in erster Linie postulirbare (und im Hinblick auf Wahr- nehmungen an der menschlichen Wirbelsäule auch allein zu erwar- 1 75, pag, 147—172. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 71 tende) Theil einer Bestätigung der bezeichneten Auffassung gefunden werden. Beide genannten Wirbel mussten als Sacrocaudalwirbel, d. h. als frühere Sacralwirbel, der Form nach aufgefasst werden; ihre Gestalt ist (weil diese Wirbel wenig Reduktionserscheinungen aufweisen) eine so primitive, wie sie noch nie an den homologen Wirbeln einer anderen menschlichen Wirbelsäule gefunden worden ist und sie weisen damit auf die frühere sacrale Beschaffenheit unverkennbar hin. Die primitive Beschaffenheit der vorliegenden Wirbelsäule ist somit auch an den soeben besprochenen Wirbeln erkennbar; dass noch andere Wirbel im Anschluss an dieselben vorhanden gewesen sein müssen, geht aus der Konfiguration der distalen Fläche des 33. Wirbels hervor, diese Wirbel fehlen leider an dem Präparat. Die eben erwähnten Einzelbefunde am Sacrum und den beiden auf dasselbe folgenden Wirbeln treten nun aber erst dann voll- kommen ins rechte Licht, wenn der Umstand berücksichtigt wird, dass diesem Sacrum 26 priisacrale Wirbel vorhergehen. Denn dar- aus resultirt das Urtheil, dass der proximalwärts fortschreitende Um- formungsprocess in diesem Fall bei der Bildung des Sacrum um zwei Segmente der Wirbelsäule hinter dem Ziel zurückgeblieben ist, das er gewöhnlich erreicht, wenn er an der menschlichen Wirbel- säule die zur Zeit normale Zahl von 24 präsacralen Wirbeln beste- hen lässt. Es ergiebt sich hierbei zugleich eine partielle Bestäti- gung der früher (75, pag. 165, 166) von mir begründeten Auffassung des Saerum, nach welcher dasselbe zu definiren sei als ein aus Lumbalwirbeln entstandener Wirbelkomplex, der einen Theil der Wirbelsäule bezeichnet, welcher zum Ilium Be- ziehungen besessen hat und noch besitzt. Es muss bei dieser Definition im Hinblick auf das menschliche Sacrum (oder überhaupt bei allen Formen, an denen eine proximalwärts fort- schreitende Saerumbildung erkannt ist) der am meisten distal gele- gene Wirbel im Sacrum als der älteste Sacralwirbel angesehen werden, während der erste der vorhandenen Sacralwirbel als der zu- letzt hinzugetretene aufzufassen ist. Man findet nun hier die Homo- loga des ersten und des zweiten Sacralwirbels der zur Zeit normalen Wirbelsäule in der Gestalt von Lumbalwirbeln vor: der 25. Wirbel ist der vorletzte und der 26. Wirbel der letzte der hier bestehenden Lumbalwirbel. Und dass diese successiv in die Sacrumbildung ein- gehen, kann aus der Thatsache gefolgert werden, dass nicht so ganz selten im entwickelten Zustand 25 präsacrale Wirbel gefunden werden, WH Emil Rosenberg wiihrend sich hier der erste, sicher zu beurtheilende Fall darbietet, in welchem außer dem 25. Wirbel auch der 26. noch Lumbalwirbel ist. Es ist nun hier auch am Platze, nochmals einen Blick zu wer- fen auf das Verhalten, welches der am Anfang dieses Aufsatzes er- wähnte, menschliche Embryo (IV. 3 A. ef. pag. 2—5) an den Wirbeln darbietet, die bei der Bildung eines »Sacrum« betheiligt sind. Die bei diesem Embryo erreichte Umbildungsstufe ist eine etwas höhere als diejenige, welche an den betreffenden Wirbeln der hier betrachteten Wirbelsäule eines Erwachsenen ausnahmsweise bewahrt geblieben ist. Der 25. Wirbel (cf. Textfig. I a, 6 pag. 4) ist bei diesem Embryo der letzte Lumbalwirbel; aber auf einer Seite (der linken) ist sein Seitenfortsatz schon recht dick und tritt in’ nahe Beziehung zu der Pars lateralis, mit der sich jedoch eine Verbindung noch nicht eingeleitet hat. Wie wichtig es nun ist, dass in der Pars lateralis zwischen dem 26. und 27. Wirbel dieses Embryo eine Tren- nungsspur erkennbar war, erhellt jetzt deutlich, nachdem bei der hier untersuchten Wirbelsiiule eines Erwachsenen es sich gezeigt hat, dass der 26. Wirbel noch als Lumbalwirbel vorgefunden werden kann. Die Schlussfolgerung, die ich früher auf Grundlage der Existenz dieser Trennungsspur gezogen hatte, ist also auch noch an der Wirbelsäule des erwachsenen Menschen zu bestätigen. Jetzt ist es auch beson- ders deutlich, wie bedeutsam es ist, dass bei dem in Rede stehenden Embryo die Pars lateralis in ihrem distalen Theil (cf. Textfig. I a, 2, pag. 4) massiger ist als in demjenigen Theil, der von den Seiten- fortsätzen des 26. und 27. Wirbels gebildet wird. Wir sahen, wie bei der sehr primitiven Wirbelsäule des Erwachsenen die zu einem »Sacrum« zusammengeschlossenen Wirbel ein Gebilde darstellen, das in der Reihe der Wirbel gegenüber dem zur Zeit normalen Verhal- ten um zwei Segmente mehr distalwärts gelegen ist. Daraus ergab sich eine Bestätigung für die Anschauung, dass die mehr distal gelegenen Sacralwirbel als Sacralwirbel die älteren sind. Es ist daher ganz begreiflich, dass bei dem vorliegenden Embryo beson- ders der 28., der 29. und der 30. Wirbel mit ihren Seitenfortsätzen eine massige Pars lateralis formiren. Die Verbindung des 30. Wir- bels mit der Pars lateralis ist eine sehr starke. Die so allgemein vertretene Anschauung, eine Verbindung dieses Wirbels mit dem Sa- crum sei eine Alterserscheinung, muss hier natürlich völlig unstatt- haft erscheinen. Auch die Annahme eines durch Assimilation be- dingten, nachträglichen Anschlusses des 30. Wirbels an das Sacrum muss aufgegeben werden. Es wäre unbegreiflich, wie eine solche —— Uber eine primitive Form der Wirbelsiiule des Menschen. ae Assimilation stattfinden soll, noch bevor der 25. und der 26. Wirbel die typische sacrale Beschaffenheit angenommen haben. Der 31. Wirbel ist beim vorliegenden Embryo nicht an der Pars lateralis betheiligt (was bei der sehr primitiven Wirbelsäule des Erwachsenen wohl der Fall ist), aber das ist ganz erklirlich, da der 26. Wirbel schon zum Sacrum hinzugezogen worden und nur eine kleine Trennungsspur noch übrig geblieben ist. Zudem hat dieser 31. Wirbel des Embryo, weil an ihm Anlagen von Bogen existiren, eine vollständigere Form als sein Homologon an der zur Zeit normalen Wirbelsäule und damit bekundet er eine primitivere Beschaffenheit, für die es nur die eine Erklärung giebt, dass dieser Wirbel auf noch primitiverer Stufe Sacralwirbel gewesen ist, wie bei der vorliegenden Wirbelsäule des Erwachsenen !. 1 Ich habe eine Veranlassung, auf diese ontogenetischen, die Bildung des Sacrum betreffenden Wahrnehmungen gegenüber einigen Äußerungen Hours die Aufmerksamkeit zu lenken. Der genannte Autor hat auch gegen meine Angaben über die Entwicklung des Sacrum Widerspruch erhoben. Es werden meine Mittheilungen dabei nicht richtig wiedergegeben, und sodann glaubt Hort das Ergebnis seiner Untersuchung gegen meine Anschauung geltend machen zu können. Er sagt: »Aus meinen Untersuchungen hat sich aber ergeben, dass simmtliche Lumbalwirbel in den ersten Stadien ihrer Entwicklung eine hohe Formähnlichkeit mit den Kreuz- wirbeln aufweisen (vide Fig. Z und X), und dass erst in der wei- teren Entwicklung der Lendenwirbel sich in der Form von der eines Kreuzwirbels differenzirt, wihrend, wenn es nicht ge- schieht, er einen lumbo-sacralen Wirbel darstellt. Dieses Nachge- wiesene beobachtend, müssten sohin, da in den primären Stadien die gesamm- ten Lendenwirbel sacrale Form und Beschaffenheit besitzen, diese sämmtlich als Sacralwirbel späterhin auftreten, und dies ist doch nicht richtig. In diesem Punkte, in den Formverhältnissen der ersteren Stadien der Lendenwirbel, liegt der Schwerpunkt der ROSENBERG’schen Theorie, und es ist einleuchtend, dass nach dem Vorhergehenden dieselbe nicht mehr haltbar ist« (82, pag. 33, 34). Bei einer Kritik dieser Sätze ist zunächst zu berücksichtigen, dass die von Hout eitirten Figuren je die Hälfte eines Querschnittes des ersten Lumbalwirbels und des ersten Sacralwirbels von einem menschlichen Embryo darstellen, dessen Wirbelsäule 20 mm lang ist (cf. pag. 5). Es handelt sich somit um ein Stadium, in welchem die Wirbel aus deutlichem, hyalinem Knorpel bestehen, und dafür sprechen auch die citirten Abbildungen. Die Abbildungen lassen eine Form- differenz erkennen; diese Figuren reichen aber natürlich nicht dazu aus, ein sicheres Urtheil über die Form der betreffenden Wirbel zu begründen. Dass ein Versuch gemacht wäre, die Form mit Benutzung einer kontinuirlichen Serie tadelloser Schnitte zu rekonstruiren, ist nicht gesagt worden, es ist mir auch nicht wahrscheinlich, dass Hort die bezeichnete Methode benutzt hat. Falls sie Verwendung fand, ist sie nicht genügend gehandhabt worden; denn wenn Jemand in einem Stadium, wie das von HoLL untersuchte, eine 74 Emil Rosenberg Die eben erörterten Befunde scheinen mir ein recht handgreif- liches Beispiel dafür zu bieten, dass die Entwicklungsvorgänge nicht von ihrem Ziel, — dem normaleu Verhalten des Erwachsenen — beherrscht werden, sondern von Ereignissen, welche in der Vergan- genheit, d. h. in der durchlaufenen phylogenetischen Entwieklung des betreffenden Organismus sich geltend gemacht haben. Desshalb sind die ontogenetischen Processe eben auch nur mit Berücksichti- gung der Phylogenese zu verstehen. Im Hinblick auf die erörterten Befunde ist es auch leicht einzusehen, wie diese der Annahme, die proximalen Wirbel eines Sacrum seien die primären und die mehr distal gelegenen die sekundär hinzugetretenen, widersprechen. Wäre diese Annahme richtig, so müssten der 25. und der 26. Wir- bel oder der 25. bis zum 27. Wirbel in einem Stadium, wo ein deutliches Saerum bereits vorliegt, sich fester und massiger mit ein- ander verbunden zeigen, als die mehr distal gelegenen Wirbel, von denen man bei der erwähnten Annahme erwarten sollte, dass sie in einem so frühen Stadium entweder noch völlig frei seien, oder »hohe Formähnlichkeit« sämmtlicher Lumbalwirbel mit den Sacralwirbeln findet, oder (cf. pag. 6) behaupten kann, >dass in der Form und Gestaltung des Kreuz- wirbels, verglichen mit dem Lendenwirbel, kein besonderer Unterschied existirt<, so beherrscht er die zu verwendende Untersuchungsmethode so wenig, dass er schon desshalb nicht in der Lage ist, in der hier in Rede stehenden Angelegen- heit ein richtiges Urtheil zu formuliren. Dass HoLr's Beobachtungen nicht zu- verlässig sind und dass dieselben daher meine Mittheilungen nicht zu wider- legen vermögen, geht ferner aus Folgendem hervor. HoLL sagt: »Bei meinen Untersuchungen fand ich aber auch, dass der Komplex von Wirbeln, welche das Sacrum aufbauen, schon in den frühesten Stadien ein fertiges Ganzes dar- stellen; dass die verwachsenen Partien der Partes laterales, der einzelnen Sa- cralwirbel, wie dies namentlich in späteren Stadien ungemein deutlich ersicht- lich ist, einen Rahmen darstellen, welcher in sich schließt den Komplex der das Sacrum aufbauenden Wirbel, aus welchen Rahmen kein Wirbel austreten, aber auch nicht eintreten kann« (pag. 34). Es zeigen nun aber meine Figuren (la, 6; IL pag. 4, 6) den successiven Eintritt des 26. und des 25. Wirbels ins Sacrum, sowie den Austritt des 31. Wirbels, und damit ist es evident, dass die bei der Bildung des Sacrum betheiligten Wirbel nicht »schon in den frühesten Stadien ein fertiges Ganzes darstellen«. HoLL übersieht auch den Widerspruch, in welchem der zuletzt eitirte Satz mit dem früher angeführten steht. Denn wenn die Sacralwirbel von vorn herein durch den »Rahmen« mit einander ver- bunden sind, so wären sie ja dadurch deutlich von den Lumbalwirbeln zu unterscheiden; es wird damit der früheren Behauptung, dass zwischen einem Kreuzwirbel und einem Lendenwirbel in den frühesten Stadien »kein beson- derer Unterschied existirt«, widersprochen. Ich wäre auf diese Angaben HOLL’s nicht eingegangen, wenn die betreffende Publikation nicht auch noch in neuer- dings erschienenen Handbüchern als Quelle der Belehrung eitirt würde. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 75 doch Spuren ihrer erst kürzlich erfolgten Verschmelzung in der Pars lateralis darböten, und mit besonderer Bestimmtheit wäre das in - Betreff des 30. Wirbels zu postuliren. Es zeigt sich aber, dass nahezu das Gegentheil beobachtet werden kann. D. Zusammenfassende Beurtheilung der untersuchten Wirbel- säule und daran sich schließende Erörterungen. Nachdem bis jetzt die Befunde in den einzelnen Regionen der uns beschäftigenden Wirbelsäule einer morphologischen Beurtheilung unterzogen worden sind, kann nunmehr ein zusammenfassendes Ur- theil gewonnen werden. Behufs Formulirung desselben kann ich ‚daran anknüpfen, dass ich oben (pag. 71) bemerkt habe, es ergebe sich aus dem Umstand der relativ distalen Lage des Sacrum die An- schauung, dass der proximalwärts fortschreitende Umformungsprocess in diesem Falle besonders weit hinter seinem gewöhnlichen Ziel zurückgeblieben sei. Damit muss, wie man sieht, die Erwartung . hervorgerufen werden, dass auch innerhalb der in diesem Fall vor- liegenden Reihe von 26 präsacralen Wirbeln der Einfluss des proxi- malwärts fortschreitenden Umformungsprocesses sich noch verhältnis- mäßig wenig geltend gemacht haben werde. Wie sehr diese Voraussetzung zutrifft, brauche ich jetzt nicht mehr im Einzelnen zu schildern, ich habe nur darauf hinzuweisen, dass — im Einklang mit den Befunden am Sacrum — der 20. und der 21. Wirbel als Dorsalwirbel vorgefunden wurden, d. h. in einer für diese Wirbel relativ primitiven Form, welche sie z. B. bei Hylobates noch haben können, während dann gleichzeitig der 27. Wirbel eben- falls der erste Sacralwirbel ist. Bei Cebus findet man dasselbe. nur dass in diesem Genus das Ilium erst bis zum 28. Wirbel vor- gedrungen ist, und diesem Wirbel die erste Stelle im Sacrum ver- liehen hat. Es ist intellektuell befriedigend, zu konstatiren, dass bei dem vorhin erwähnten Embryo (IV. 3 A), entsprechend der mor- phologisch etwas höheren Stufe, die er einnimmt, der 20. Wirbel der letzte Dorsalwirbel ist (die Rippen sind in einer etwas retardirten Anlage vorhanden), während am 21. Wirbel die Seitenfortsätze nur noch durch einige Reliefverhältnisse es andeuten, dass eine rudi- mentäre Rippe zur Formirung des Seitenfortsatzes beigetragen hat. In Übereinstimmung mit dem Umstande, dass bei der betrach- teten Wirbelsäule des Erwachsenen die Verlegung der Grenze zwi- schen der Dorsal- und Lumbalregion (ganz wie beim Sacrum) um zwei 76 Emil Rosenberg Segmente zurückgeblieben ist, steht es nun auch, dass das früher geschilderte Verhalten der Gelenkfortsiitze an allen Lumbalwirbeln und an dem letzten Dorsalwirbel Merkmale dafür bietet, dass der. Umformungsprocess an diesen Gebilden minder intensiv und auch an weniger Wirbeln als gewöhnlich zur Wirkung gekommen ist. _ Die Umformung erreicht eben erst die distalen Fortsätze des 20. Wir- bels und damit wird es sehr verständlich, dass das Rippenpaar des 18. Wirbels die primitive intervertebrale Stellung des Capitulum und die Artieulatio costo-transversalis noch beibehalten hat. Es reihen sich so alle Befunde an den Wirbeln, welche in den Wirkungs- bereich des proximalwärts fortschreitenden Umformungs- processes fallen, in befriedigender Weise einander an und die für die einzelnen Abschnitte des größeren distalen Theils der ganzen Wirbelsäule gegebenen Deutungen bestätigen und ergänzen ein- ander!. Da nun aber auch an dem früher (pag. 31—54) eingehend betrach- teten proximalen Theil der Wirbelsäule — im Wirkungsbereich des distalwärts fortschreitenden Umformungsprocesses —., ein relativ primitives Verhalten sicher erkannt werden konnte, so darf ich nunmehr das Ergebnis der morphologischen Beurtheilung der untersuchten Wirbelsäule dahin zusammenfassen, dass alle erör- terten Befunde, weil sie simmtlich ein primitives Verhalten dokumentiren, und an einem und demselben Objekte beob- achtet werden konnten, sich darstellen als zu einander gehörige Züge des Gesammtbildes einer menschlichen Wirbelsäule von sehr primitivem Gepräge. Mit der Formulirung dieses Ergebnisses darf ich indess die vor- liegende Untersuchung noch nicht abschließen. Wenn ich auch in diesem Ergebnis einerseits eine Bestätigung des Resultates sehen darf, zu welchem die Prüfung der Frage nach der Zusammengehörig- keit der Elemente der untersuchten Wirbelsäule führte und wenn auch andererseits das Ergebnis der morphologischen Beurtheilung dieses Objekts bestätigende Momente enthält im Hinblick auf die Anschauungen, die ich über einen proximalwärts fortschreitenden Umformungsprocess in meiner ersten Arbeit über die Wirbelsäule dargelegt habe, so kann ich doch nicht übersehen, dass die hier 1 Es muss auch als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden, dass, wenn die Rippen und das Sternum an dem Präparat erhalten geblieben wären, an diesen Theilen gleichfalls Primitives hätte wahrgenommen werden können. u EE un u a Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 77 gegebene Deutung im Widerspruch steht zu anderen Anschauungen und zugleich Postulate hervortreten lässt, durch welche die Unter- ‚suchung noch anderer Objekte nothwendig wird. Es ist also noch nach zwei Richtungen hin das bisher erlangte Ergebnis zum Ausgangspunkte von Erörterungen zu machen. Im Hinblick auf die verschiedenen Anschauungen, zu denen die Untersuchung der Wirbelsäule geführt hat, kann ich nicht umhin, “auch jetzt noch der Meinung zu sein, dass ich meine Ansicht über einen proximalwärts fortschreitenden Umformungsprocess, die ich nicht unbegründet hingestellt habe, nicht zurückzunehmen oder ein- zuschränken habe. Ich darf wohl auch an dieser Stelle darauf hin- weisen, dass meiner Anschauung zugestimmt worden ist und dass besonders FÜRBRINGER! und RugE? dieselbe überzeugend und für die eigenen Untersuchungen benutzbar gefunden haben. Und auch noch ganz kürzlich ist durch ApoLPHt? meiner Anschauung nach einer Prüfung an einem konkreten Objekt der Vorzug vor einer entgegengesetzten Auffassung gegeben worden. Es hat sich aber auch gezeigt, dass besonders seitens derjenigen Forscher, welche die menschliche Wirbelsäule untersucht baben, meiner Anschauung wider- sprochen worden ist. Durch die Meinung, welche ich mir über die 1 cf. 76, pag. 681, 682. 79,-pag. 327—329. 2 cf. 90, pag. 425. 92a, pag. 187—190. 93, pag. 311. 3 cf. 98, pag. 553, ADOLPHI sagt, er sei an seine Untersuchung »mit der Voraussetzung herangetreten, dass die Körpersegmente mit gleicher Ordnungs- zahl einander homolog seien«. Diese Ansicht sei von mir »ausgesprochen und näher begründet worden«. ADOLPHI macht jedoch zu dem Wort »homolog« die folgende Anmerkung: »Homolog, falls die Grenze zwischen Kopf und Rumpf an homologer Stelle liegt. Diese Grenze hat aber, wie kaum zu bezweifeln, bei verschiedenen Gruppen der Wirbelthiere eine verschiedene Lage. Vgl. PETER, 95<. ADOLPHI hat bei letzterer Bemerkung offenbar übersehen, dass ich als den Ausgangspunkt für die Bestimmung der speciellen Homologie der Wirbel nicht »die Grenze zwischen Kopf und Rumpf« bezeichnet habe, sondern (ef. 75, pag. 106, 107) den Atlas und den Epistropheus als brauchbaren Aus- gangspunkt empfohlen habe »wegen der nicht bezweifelbaren Homologie, die in sehr weiter Verbreitung für diese Wirbel besteht«. Im Hinblick auf andere Formen, bei denen nicht mit Sicherheit die speciellen Homologa des Atlas und Epistropheus zu erkennen sind, habe ich mich dessen enthalten, einen Ausgangs- punkt für die Zählung der Wirbel anzugeben, und sodann habe ich in Betreff der Selachier (cf. 84, pag. 22) eingehend erörtert, dass das Cranium derselben nicht bei allen von gleichem morphologischen Werth ist, weil z. B. bei Carcharias Wirbelelemente in das Cranium eingehen, die bei anderen nicht in demselben enthalten sind. Damit war es nachgewiesen, dass die »Grenze zwischen Kopf und Rumpf« eine verschiedene Lage haben könne. 78 Emil Rosenberg Entstehung und die Deutung des »Sacrum« gebildet hatte, bin ich zu der damals allgemein herrschenden Auffassung dieses Skelet- theiles in einen Gegensatz getreten und diese Meinung hat mehr als andere Theile meiner Anschauung Widerspruch hervorgerufen. In Bezug hierauf muss es mir aber von ganz besonderem Werthe sein, dass GEGENBAUR! in der ersten und allen folgenden Auflagen seines Lehrbuchs der Anatomie des Menschen meine Auffassung des Sacrum als eine sehr wahrscheinliche acceptirt, und die Lehre, es sei das Sacrum zusammengesetzt aus zwei oder drei primären oder wahren Sacralwirbeln und aus zu diesen hinzugetretenen falschen (aus Caudalwirbeln entstandenen) Sacralwirbeln, als eine andere Möglichkeit der Auffassung erkennen lässt, welcher er gegenüber der meinigen den Vorzug, wie es scheint, nicht giebt. Ich hatte in meiner ersten Arbeit über die Wirbelsäule besonders an GEGENBAUR’S damalige Ansicht von der Existenz zweier primärer Sacralwirbel bei Säugethieren angeknüpft und dabei war eine Arbeit von Broca, die mir damals nicht zugängig war, unberücksichtigt geblieben. Da der Meinung Broca’s noch neuerdings entschieden beigestimmt wor- den ist, so habe ich hier zu erwähnen, dass BROCA? in einer aus- führlichen Arbeit mit Bezugnahme auf die Primaten und den Men- schen mit großer Bestimmtheit die Lehre formulirt, es seien an dem Sacrum des Menschen und der anthropoiden Primaten die drei ersten ‚Wirbel als »sacrum necessaire« zu unterscheiden, während die folgenden Sacralwirbel ein »sacrum supplémentaire« darstellen, das ~ aus Caudalwirbeln entstanden sei unter dem Einfluss der aufrechten Haltung oder des aufrechten Ganges der betreffenden Organismen. Dieser Auffassung als solcher und zum Theil auch ihrer Begrün- dung hat vor einigen Jahren Branch? beigestimmt und damit hängt auch dieses Autors Meinung von einer nachträglich erfolgenden Ver- schmelzung des 30. Wirbels mit dem Sacrum zusammen. In ge- wissem Sinne ist es eine Modifikation der Lehre von der Existenz primiirer Sacralwirbel, wenn WELCKER? den ersten Saeralwirbel als »Stützwirbel« bezeichnet und die specielle Homologie der Stütz- wirbel verschiedener Formen behauptet. WELCKER’s Meinung hat 1 cf. 83, pag. 133, 134. 95, Bd. I, pag. 175. 2 72. 3 95.2. 481, pag. 176. WELcKERr’s Theorie der Bildung lipospondyler und auxi- spondyler Formen habe ich bei früherer Gelegenheit (96, pag. 338—343) als eine unzureichende Hypothese bezeichnen müssen; das berührt indess die Lehre vom »Stützwirbel« nicht direkt. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 79 HorL! sich angeschlossen und er tritt dabei meinen Angaben in einer Weise entgegen, die ich sowohl. in sachlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Form missbilligen muss. So sehr ich es nun auch als eine nothwendige, wenn auch par- tiell nicht gerade willkommene Aufgabe anzusehen habe, die eben angedeuteten und andere mit ihnen im Verband stehende Anschauungen in ausführlicher Erörterung zu besprechen und meine Auffassung gegen dieselben zu vertheidigen, so meine ich doch, das bei dieser Ge- legenheit unterlassen zu müssen. Ich beabsichtige, meine in den letzten Jahren an der menschlichen Wirbelsäule angestellten Beobachtungen in einem besonderen Aufsatz zu publieiren. In demselben wäre eine Besprechung der angedeuteten, der meinigen entgegenstehen- den Anschauungen ausführbar mit Benutzung von Wahrnehmungen, die in dem vorliegenden Aufsatz keine Erwähnung finden können; hinsichtlich dieses Themas beschränke ich mich hier auf die Be- merkungen, die ich oben (pag. 72—75) über die embryonale Entwick- lung des Sacrum gemacht habe. Ich meine aber in dem vorliegenden Aufsatz die Anschauung Parerson’s mit Benutzung der mitgetheilten Beobachtungen prüfen zu können. | Der theoretischen Grundanschauung, von der Parerson bei sei- ner Beurtheilung der Wirbelsäule ausgeht, bin ich schon an einem anderen Orte? entgegengetreten; hier handelt es sich jetzt um die Meinung, die PArerson hinsichtlich der Richtung des Umfor- mungsprocesses an der Wirbelsäule formulirt hat und besonders habe ich seine Anschauung über das Verhalten des Sacrum im Auge. Diese Anschauung ist in folgenden Sätzen kurz zusammengefasst: »There appear to be three influences acting separately upon the sacrum, and produeing differences in the number of bones, correla- ted variations and asymmetry — (1) A tendency for fusion of the first caudal vertebra with the sacrum; (2) a tendency on the part of the first sacral vertebra to be liberated from the rest, and to be assimilated with the lumbar series, by a backward shifting of the attachement of the ilium to the vertebral column; and (3) an opposite tendency towards fusion of the last lumbar vertebra with the sacrum, by a forward shifting of the iliac attachment. .... The second and third tendencies are opposed to one another. The former is more frequent than the latter, producing an additional lumbar or lumbo-sacral vertebra ; the latter producing a diminution in the number of lumbar vertebrae 1 92. 2 96, pag. 343, 344. s0 Emil Rosenberg by assimilation with the sacrum of the last lumbar vertebra. Shifting backwards of the iliac attachment is accompanied by inclusion of the first caudal vertebra into the sacrum in many cases: shifting forwards of the iliac attachment is often accompanied by liberation of the last sa- cral vertebraof KÖLLIKER (26), adopted by ROSENBERG (31), who regards the twenty-sixth spi- nal segment as the one with which the ilium is primitively and first of all connected« (93, pag. 130). Endlich findet sich noch eine dritte Stelle, an wel- cher, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, gewissermaßen im Tone eines Vorwurfs erwähnt wird: »ROSENBERG's hypothesis, made on the authority of KÖLLIKER’sS statement« (93, pag. 193). Unter der auf das eitirte Werk verwei- senden Ziffer (26) findet man in dem beigefügten Litteraturverzeichnis von PATERSON angegeben KÖLLIKER's »Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1861«. Dieses Werk ist 14 Jahre vor meiner Arbeit erschienen, und man könnte mir das Recht nicht absprechen, auf Beob- achtungen, die der Autor dieses vortrefflichen Buches mittheilt, mich zu stützen, In dieser ersten Auflage der »Entwicklungsgeschichte« von KÖLLIKER ist jedoch von den ontogenetischen Vorgängen, die PATERSON erwähnt, mit keinem Worte die Rede. Es kann sich auch nicht um einen Druckfehler im Citat handeln, und es kann nicht etwa die zweite Auflage der »Entwicklungsge- schichte« von KÖLLIKER gemeint sein. Denn dieses größere Werk von KOL- LIKER ist vier Jahre nach der Publikation meiner Arbeit erschienen Es folgt hieraus, dass PATERSON nicht nur denjenigen Theil des Textes meiner Arbeit, der iiber die Ontogenese des Sacrum handelt, sondern auch die dazu gehörigen 15 Figuren auf der betreffenden Tafel übersehen hat, und zugleich wird es zweifelhaft, ob PATERSON die zweite Auflage der Entwicklungsgeschichte von KÖLLIKER zur Hand genommen hat. Denn in diesem Werk hat KÖLLIKER bei der allgemeinen Schilderung der Entwicklung der Wirbelsäule an mehreren Stellen (79, pag. 403, 405, 411), an denen er meine Beobachtungen benutzt, mich erwähnt, und am Schluss dieses Kapitels giebt KÖLLIKER (79, pag. 412, 413) ein kurzes, aber sehr gutes Referat über meine Arbeit, welches die von PA- TERSON erwähnte Behauptung, das [lium sei zuerst mit dem 26. Wirbel im Kontakt, natürlich nicht enthält, da ich das in meiner Arbeit gar nieht gesagt habe. Zugleich leitet KÖLLIKER sein Referat durch einen Satz ein, der die Aufmerksamkeit des Lesers auf meine Arbeit wohl hätte richten können. In a un ee 7? u u A 5 Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 81 Ich habe aber an dieser Stelle zu untersuchen, in welchem Maße die eitirte Betrachtungsweise dazu befähigt, den Befund an der uns vorliegenden Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln zu interpretiren und verständlich zu machen. Hierbei ist zunächst zu erwähnen, dass PATERSON durchweg die von ihm sowohl beim Erwachsenen als bei menschlichen Embryonen beobachteten Fälle mit 25 präsacralen Wirbeln als Belege für eine »liberation« des ersten Sacralwirbels an- sieht, somit also eine distalwärts gerichtete Umformung für diese Fälle statuirt. Da nun PATERSON zugleich die Annahme einer Intercalation oder Interpolation von Wirbeln unzulässig findet (eine Meinung, die auch ich habe), so folgt daraus, dass der vorliegende Fall mit 26 präsacralen Wirbeln vom Standpunkte PATERson’s gleichfalls als ein Ausdruck distalwärts gerichteter Umformung angesehen werden muss. Der Prüfung dieser Anschauung am Objekt selbst hat nun zu- nächst die Erwägung vorauszugehen, dass ein derartiger Umformungs- process, wie der in Rede stehende, an der Wirbelsäule sich voll- ziehende nur dann verständlich erscheinen kann, wenn man ihn als eine Theilerscheinung eines phylogenetischen Vorganges auffasst. Der Ausspruch, es sei eine »tendency« vorhanden, diese oder jene Umformung zu Stande kommen zu lassen, wäre nur eine das Ver- ständnis durchaus nicht fördernde Umschreibung der bekannten That- sache, dass verschiedene Befunde an demselben Organ angetroffen ‘werden können, wenn man die »tendeney« nicht im Sinne einer phylogenetischen Umformung auffasst. Man muss sich auch dessen bewusst bleiben, dass der in Rede stehende phylogenetische Process nicht nur an der Wirbelsäule, sondern auch an einer Menge von Organen des Rumpfes, die mit der Wirbelsäule in Beziehung stehen, sich vollziehen muss. Schon diese letztere Erwägung muss es a priori sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass bei einer und derselben Species in einem relativ engen Zeitraum ihrer phylogene- tischen Geschichte ein Hin- und Herrücken des Beckengiirtels statt- den beiden Auflagen des »Grundrisses« findet sich dieses Referat nicht, dagegen eitirt KÖLLIKER (80, pag. 162, 166. 84, pag. 192, 196) mich auch dort bei der Anführung meiner von ihm verwertheten Beobachtungen. — Es liegt hier ein auffallendes Beispiel einer wenig sorgfältigen Benutzung der Litteratur vor, und ich wollte nicht unterlassen, dasselbe hervorzuheben, weil damit ein bezeichnendes Streiflicht auf den Umstand fällt, dass PATERSON sich aufge- fordert gefühlt hat, an zahlreichen Stellen seiner umfangreichen Publikation meine Anschauungen zu bekämpfen. Er kennt dieselben gar nicht genügend und da- her kann seine Kritik meiner Arbeit zu Ergebnissen, die sachlich bedeutungs- voll wären, nicht geführt haben. Morpholog. Jahrbuch. 27. for) 82 Emil Rosenberg haben könne, wobei eben Erreichtes gleich wieder aufgegeben wird, um dann nochmals und an derselben Stelle erzielt zu werden. Man muss auch nicht außer Acht lassen, dass die zu untersuchen- den phylogenetischen Vorgänge naturgemäß beim Erwachsenen, d.h. während der Funktion der betreffenden Organe sich vollziehen müssen. Eine Ortsveränderung des Beckengiirtels als ausschließlich beim Embryo stattfindend anzunehmen, hat gar keinen Sinn, da eine solche Bewegung in Bezug auf den Embryo selbst völlig gleich- gültig, ja widersinnig ist. Die beim Embryo wahrnehmbare Er- scheinung kann nur verstanden werden, wenn sie in Abhängigkeit gedacht wird von Vorgängen, die in der Ahnenkette der betreffenden Form stattgehabt haben, wie ich das in Betreff der Lokomotion des Beckengiirtels früher! dargelegt habe. | Gehen wir nun mit der hypothetischen Annahme eines distal- wärts gerichteten Umformungsprocesses und unter Berücksichtigung der eben angestellten Erwägungen zu der Betrachtung der Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln über, so muss natürlich vorausgesetzt wer- den, dass dieser Befund sich ableitet von einer Wirbelsäule mit 24 prä- sacralen Wirbeln. Es muss daher der Beckengürtel zunächst um einen Wirbel und dann auch noch um einen zweiten distalwärts rücken. Diese Wirbel — der 25. und der 26. — sind somit außer Kontakt mit dem Gürtel der Gliedmaße gerathen und nun steht man vor dem Problem, wie diese Wirbel, denen die sacrale Beschaffenheit durch das Fort- rücken des Gliedmaßengürtels allein natürlich nicht genommen werden kann, diese sacrale Form verlieren und Lumbalwirbel werden sol- len. Gesetzt, das wäre durch räthselhafte Muskelwirkungen erreich- bar, so entsteht nunmehr (abgesehen von Anderem, das bei Seite bleiben mag) die Frage nach der Herkunft der Intervertebralscheiben, die zwischen dem 25. und dem 26. Wirbel sowie zwischen diesem und dem 27. Wirbel an dem Objekt mit 26 präsacralen Wirbeln im intakten Zustand vorhanden waren. Der 25. und der 26. Wirbel sind bei der den Ausgangspunkt bildenden Wirbelsäule mit 24 prä- sacralen Wirbeln als erster und zweiter Sacralwirbel unter einander und der letztere mit dem dritten Sacralwirbel durch Knochenmasse verbunden, nachdem die embryonal vorhanden gewesenen Interverte- bralscheiben, die ein Erbstück aus früherer Zeit sind, durch den Ossifikationsprocess zerstört worden sind. Die bezeichneten Inter- vertebralscheiben müssten somit von Neuem gebildet werden und 1 ef. 75, pag. 164, 165. Le se CL Uber eine primitive Form der Wirbelsiiule des Menschen. ie zwar in einer Zeitperiode, während weleher das Skelet funktionirt. Nun ist eine Intervertebralscheibe keine indifferente Schicht von Bindegewebe, deren Entstehung man sich allenfalls denken könnte, während durch Reduktionsvorgänge die Körper der Wirbel von ein- ander gelöst werden, sondern eine Intervertebralscheibe hat eine komplieirte und regelmäßige Anordnung ihrer Bestandtheile. Schon darin liegt eine große Schwierigkeit, die Neubildung eines solchen Körpertheils anzunehmen und das wird vollends unmöglich, wenn man nur etwas auf die näheren Umstände achtet, unter denen eine solehe Neuentstehung sich vollziehen müsste. Betrachtet man den 25. Wirbel in den verschiedenen Formen, die er darbietet, wenn er die Gestalt eines ersten Sacralwirbels nicht völlig besitzt, so kann man eine Anzahl Zustände wahrnehmen, in denen dieser Wirbel durch seine Seitenfortsätze mit der Pars lateralis fest und zwar durch Knochenmasse verbunden ist; aber man sieht zugleich, dass zwischen seinem Körper und dem Körper des 26. Wirbels die Intervertebral- scheibe als eine verschieden dieke Schicht vorliegt. Dieselbe ist am dünnsten, ja nur in Spuren vorhanden, wenn der 25. Wirbel mit dem 26. Wirbel im Gebiet der Seitenfortsätze die stärkste Verbindung zeigt und zugleich seine Form der eines ersten Sacralwirbels am nächsten kommt. Hier müsste also der erste Beginn der Neubildung einer In- tervertebralscheibe gesucht werden! Sie müsste beginnen, sich zu bilden, zu einer Zeit, wo der Wirbel durch seine Seitenfortsätze noch knöchern, das heißt unbeweglich mit dem 26. Wirbel verbunden ist. Welches Wunder muss hier statuirt werden, um die Annahme einer distalwärts fortschreitenden Umformung zu retten! An diese Schwierig- keit scheinen PATERSON und alle anderen Autoren, welche eine Be- freiung des 25. Wirbels des Menschen vom Saerum und ein »Lumbal- werden« desselben annehmen, nicht gedacht zu haben. Wenden wir uns jetzt einen Augenblick dem distalen Ende des Saerum zu. Der 29. Wirbel ist bei der Wirbelsäule, die als Aus- gangspunkt des Processes zu betrachten ist, der letzte Sacralwirbel. Der Beckengürtel, welcher den 25. und den 26. Wirbel verlassen hat, ist nunmehr mit dem 27., dem 28. und wohl auch mit dem 29. Wir- bel in Kontakt gekommen. Das ist für den Gürtel der Gliedmaße eine ziemlich missliche Situation, da der distale Theil des Sacrum stark verschmälert ist. Gesetzt nun, der Gliedmaßengürtel, welcher einer Stütze bedarf, beeinflusse die genannten Wirbel dahin, dass sie sich stärker entfalten, so bleibt es doch noch unverständlich, wie der 30. und der 31. Wirbel, die gar nicht mit dem Beckengürtel 6* 84 Emil Rosenberg im Kontakt stehen, sich zu Sacralwirbeln umformen sollen. Aber nehmen wir nun auch an, es sei nun einmal ein unverbriichliches Gesetz, dass der Mensch fiinf Sacralwirbel haben miisse, und dass in Folge dessen der 30. und der 31. Wirbel herangezogen werden, so bleibt es immer noch ein unlösbares Räthsel, dass an der vor- liegenden Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln auch der 32. und der 33. Wirbel Ankliinge an sacrale Beschaffenheit haben. Dieser Befund ist jetzt völlig uninterpretirbar, es sei denn, dass man die Annahme machen wollte, es müsse als die Mission dieser Wirbel be- trachtet werden, auch dermaleinst den Beckengiirtel zu stützen und dass diese Wirbel desshalb schon jetzt anfangen, für diese zukünftige Rolle sich vorzubereiten. Dass man mit dieser Annahme ad absur- dum gelangt ist, kann nicht wohl verkannt werden. Erinnert man sich nun der Thatsache, dass bei der Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln am 20. und am 21. Wirbel Rippen sich befunden haben, deren Existenz früher, bei der Betrachtung von dem Standpunkt aus, welcher einen proximalwärts fortschreitenden Um- formungsprocess anerkennt, der Deutung nicht nur keine Schwierig- keiten bereitete, sondern dieselbe stützte, so sieht man jetzt, dass diese Befunde zum mindesten unverständlich bleiben. Man müsste angesichts derselben natürlich annehmen, dass während des distal- wärts gerichteten Fortrückens des Beckengürtels die genannten Wirbel, die Lumbalwirbel sind bei der Wirbelsäule mit 24 präsacra- len Wirbeln, Rippen erhalten haben; man müsste also die Annahme der Neuentstehung von Rippen bei einer hochdifferenzirten Form machen, eine Annahme, die ich schon bei einer früheren Gelegen- heit! mit Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Rippe eine sehr alte, phylogenetisch sehr früh zu Stande gekommene Bildung ist, als unzulässig bezeichnet habe. Ein Interesse bietet es ferner, jetzt nochmals auf das Verhalten der Gelenkfortsitze am 19. bis 26. Wirbel einen Blick zu werfen. Jetzt wo die Verhältnisse auf Grundlage der Annahme eines distal- wärts fortschreitenden Umformungsprocesses zu interpretiren wären, muss für die Gelenke zwischen den Lumbalwirbeln und für diejeni- gen zwischen dem 20. und dem 21. Wirbel angenommen werden, dass sie aus einer für die Lumbalwirbel charakteristischen, nämlich der gewöhnlich anzutreffenden Form, zu einer Form sich umzubilden beginnen, die für die Dorsalwirbel charakteristisch ist. Das Motiv 1 96, pag. 318. ee ee ee a un U IE See a —— | Uber eine primitive Form der Wirbelsiiule des Menschen. 85 dazu bleibt völlig dunkel und dürfte sich auch nicht aufdecken las- sen, da, wie früher (pag. 58) erwähnt wurde, die Anlage dieser - Gelenke beim Embryo (im Anschluss an ein Verhalten, das noch bei einem Anthropoiden bemerkbar ist) mit der Anlage der Gelenke von Dorsalwirbeln übereinstimmt. Und während man es früher leicht verstehen, ja postuliren konnte, dass die Form der Gelenke zwischen dem 20. und dem 21. Wirbel eine relativ geringe Umbildung be- kundet und die Gelenke zwischen dem 19. und 20. Wirbel unverän- dert sind, eben weil dieselben sich an der Peripherie des Wirkungs- bezirkes eines proximalwärts fortschreitenden Umformungsprocesses befinden, so muss jetzt die Annahme gemacht werden, dass gerade die in der Peripherie des Wirkungsbezirkes des distalwärts fort- schreitenden Umformungsprocesses gelegenen Gelenkfortsätze die in- tensivste Wirkung des Processes bekunden. Es haben nämlich die Gelenke zwischen dem 19. und dem 20. Wirbel vollkommen diejenige Form, wie sie bei den proximal gelegenen Brustwirbeln vorkommt. Die Schwierigkeit, die sich hiermit ergiebt für die Annahme eines distal- wärts gerichteten Umformungsprocesses, ist gleichfalls unüberwindlich. Wollte man aber die Einwände gegen die bezeichnete Annahme, die ich auf Grundlage der Existenz von freien Rippen am 20. und 21. Wirbel und der Befunde an den Gelenkfortsätzen formulirt habe, etwa damit entkräften, dass man darauf hinweist, PATERSON habe ja nur für das Sacrum und die unmittelbar an dasselbe grenzenden Wirbel die Möglichkeit einer distalwärts gerichteten Umformung statuirt, so ist dagegen zu erwidern, dass bei der Annahme eines proximalwärts gerichteten Umformungsprocesses sämmtliche Befunde, die an dem 18. bis zum 33. Wirbel erhoben werden konnten, mit einander im Einklange stehen und verständlich gemacht werden können, während die Annahme eines distalwärts gerichteten Um- formungsprocesses schon innerhalb des beschränkten Terrains, für welches sie statuirt ist, auf Schwierigkeiten stößt und ihre Insufficienz außer durch diesen Umstand auch dadurch sehr deutlich bekundet, dass eine Anzahl Befunde außerhalb des Horizonts dieser Annahme liegen bleiben, während man diese Befunde zugleich mit den anderen vom Standpunkt der entgegengesetzten Anschauung übersehen und ver- stehen konnte. Bei dieser Sachlage dürfte es, wie ich meine, nicht schwierig sein, zwischen beiden Anschauungen die Wahl zu treffen. Ich könnte es bei diesen Erörterungen bewenden lassen, wenn nicht noch einige Bemerkungen über die Annahme eines distalwärts gerichteten Umformungsprocesses, der in dem größeren distalen Ab- 86 Emil Rosenberg schnitt der Gesammtwirbelsäule waltete, zu machen wären. Ich habe selbst früher! die Möglichkeit einer distalwärts gerichteten Umfor- mung statuirt, aber auch hinzugefügt, dass ich dieselbe im Hinblick auf die Säugethiere für unwahrscheinlich hielte. Ich hatte auch, wie aus der eitirten Stelle ersichtlich ist, das Verhalten von Urode- len, Sauriern und Krokodilinen im Auge und ich dachte mir, dass man im Hinblick auf diese Formen die erwähnte Möglichkeit zu- lassen könne. Die Meinung, dass bei Säugethieren ein distalwärts gerichteter Umformungsprocess wahrscheinlich nicht wird erkannt werden können, lässt sich in Folgendem näher motiviren. Es war mir schon bei Gelegenheit meiner ersten Untersuchung über die Wirbelsäule nicht zweifelhaft, dass bei denjenigen Säuge- thieren, die eine reducirte Caudalwirbelsäule haben, ein distalwärts gerichteter Umformungsprocess wohl nicht möglich sei. Denn weil dieser Process als ein phylogenetisch sich vollziehender Umformungs- process zu denken ist, muss es a priori unmöglich erscheinen, dass der Gürtel der hinteren Gliedmaße zu einem rudimentär werdenden Theil der Wirbelsäule hingeführt werde, um an diesem Befestigungs- punkte zu gewinnen. Damit steht auch im Einklang, dass, wo bei Säugethieren eine redueirte Caudalwirbelsäule vorliegt und das Sacrum ein mehrstelli- ges ist, der Beckengürtel, wenn er nur mit dem Ilium das Sacrum berührt, stets am proximalen Ende desselben sich befindet. Man kann es leicht verstehen, wie dem proximalen Ende des jeweiligen Sacrum vorgelagerte Lumbalwirbel, die voll funktionirende, kräftige Elemente der Wirbelsäule sind, unter dem Einfluss neu gewonnener Beziehungen zum Beckengürtel und im Kontakt mit- ihm zu Sacral- wirbeln umgestaltet werden. Die im distalen Theil des »Saerum« befind- lichen, aber mit dem Ilium (oder mit diesem und dem Ischium) nicht im Kontakt stehenden Sacralwirbel lassen sich dabei leicht als ‚solehe Wirbel auffassen, die durch ihre sacrale Beschaffenheit noch darauf hinweisen, dass sie früher mit dem Beckengürtel im Kon- takt gestanden haben und nunmehr, im Hinblick auf die veränderte Lage dieses Gürtels, gleichsam überwundene oder verlassene Stand- punkte desselben darstellen. Und es ist auch verständlich, dass diese Wirbel, bei noch weiterem Fortrücken des Beckengürtels, die ihnen aufgeprägten Charaktere endlich verlieren und damit zu Caudalwirbeln werden ?. 175, pag. 166. 2 Ankniipfungspunkte zu einer näheren Interpretation dieses letzteren Vorganges habe ich friiher (75, pag. 169, 170 gegeben. — GE VI Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 87 Im Hinblick auf die Säugethiere meinte ich die Möglichkeit eines distalwärts gerichteten Umformungsprocesses vielleicht bei den- jenigen Formen annehmen zu können, welche eine lange und in ihrem proximalen Theil mit kräftigen Wirbeln ausgestattete Caudal- wirbelsäule besitzen. Auch im Hinblick hierauf wählte ich Myrme- cophaga jubata, wo die erwähnte Bedingung erfüllt ist, zu einem Untersuchungsobjekt. Nachdem sich nun aber auch bei einer solchen Form ergeben hat, dass die Annahme eines distalwärts gerichteten Umformungsprocesses keinen Boden findet, muss ich um so mehr bezweifeln, dass bei Säugethieren dieser Modus der Umformung Gel- tung haben könne. Anders liegen die Verhältnisse bei solehen Amphibien, die mit einem langen Schwanz ausgestattet sind und nur einen Sacralwir- bel haben; indess auch bei solchen Formen ist zur Zeit ein über- zeugender Nachweis eines am distalen Theil der Wirbelsäule statt- findenden, distalwärts fortschreitenden Umformungsprocesses, wie mir scheint, noch nicht erbracht worden '. 1 Ich nehme hier Gelegenheit, einige Äußerungen von Keren (91, pag. 360 361, 363, 364), welche die Richtung des Umformungsprocesses betreffen und meine Anschauung in Zweifel ziehen, zu berühren. KEIBEL erwähnt, dass ich die Wirbelsäule von Nycticebus tardigradus, bei welcher der 32. bis zum 37. Wirbel im Sacrum sich befinden, für die relativ primitivste Form bei Pri- maten ansehe und dass ich der Meinung sei, der letzte Wirbel im Sacrum von Nycticebus sei der älteste Sacralwirbel dieser Form. Mit Bezugnahme hierauf wirft KEIBEL dann die Frage auf: »Warum muss eine Form mit 36 präsacralen Wirbeln denn die primitivste, die Urform der Primaten sein? Ist denn die Mög- lichkeit ganz ausgeschlossen, dass bei gewissen Formen eine caudale Ver- schiebung des Beckens eingetreten ist, bei anderen eine eraniale? Theoretisch würde sogar in Betracht zu ziehen sein, dass ja beide Vorgänge, craniale und caudale Verschiebung des Beckens, mit einander abgewechselt haben kinnen.« In Betreff der Möglichkeit einer distalwärts gerichteten Verschiebung des Beckens verweist KEIBEL auf CREDNER. Dieser Autor »zeigt uns, dass beim Branchio- saurus während der Ontogenie das Becken um nicht weniger als sechs Wirbel caudalwarts rückt.« i Im Hinblick auf diese Äußerungen muss ich zunächst bemerken, dass ich der bekannten, oft eitirten Abhandlung CREDNEr’s über den erwähnten Stego- cephalen keineswegs einen genügenden Beweis dafür habe entnehmen können, dass beim Branchiosaurus amblystomus ein distalwärts gerichtetes Fortrücken des Beckens sich geltend mache. Es ist mir mehr als ein Zweifel bestehen geblieben, der durch die vorliegenden Angaben nicht beseitigt werden kann; bei einer anderen Gelegenheit wünsche ich das näher darzulegen. Indess kann hier wenigstens die Möglichkeit einer distalwärts gerichteten Lokomotion des Beckengürtels zugegeben werden. Was dagegen die Primaten anlangt, so habe ich keine Veranlassung, meine früher dargelegte Anschauung zu modifieiren. Die Annahme eines abwechselnden Hin- und Herrückens des Beckengürtels hat bei 88 Emil Rosenberg Ich wende mich jetzt der zweiten der oben (pag. 77) bezeich- neten Aufgaben zu. Unter den mannigfachen Postulaten, zu deren Formulirung die Kenntnisnahme der hier behandelten Wirbelsäule einer relativ so eng begrenzten Ordnung wie die Primaten oder überhaupt im Hin- blick auf die einzelnen Ordnungen der Säugethiere mit derselben Schwierigkeit zu kämpfen, die ich schon oben (pag. 81) in Betreff des Menschen dargelegt habe, und diese Annahme muss auch desshalb verlassen werden, weil die verschie- denen Befunde bei den Primaten auch ohne dieselbe befriedigend interpretirt werden können. Bei einer Interpretation ist auch nicht an die Eventualität zu denken, dass bei einigen Primaten die Umformung proximalwärts, bei anderen dagegen distalwärts vor sich gegangen sei. Für die Beurtheilung der verschie- denen Befunde an der Primatenwirbelsäule ist zunächst die Art der Bestimmung der speciellen Homologie maßgebend. In dieser Hinsicht stimmt KEIBEL (cf. pag. 364) mir bei. Wird nun also die specielle Homologie der Wirbel nach der Stellung in der Reihe bestimmt, so sind die verschiedenen Zustände, die bei Affen und Halbaffen hier in Betracht kommen, aus den morphologischen Reihen zu ersehen, die ich in meiner ersten Arbeit (75, pag. 160—163) aufge- führt habe. Eine Vergleichung dieser Zustände kann nur — und zwar für alle Formen — zu der Annahme eines proximalwärts gerichteten Umformungs- processes führen, wenn man unter Berücksichtigung der speciellen Homologie den von mir genügend hervorgehobenen Umstand in Erwägung zieht, dass der Beckengürtel nur mit dem Ilium des »Sacrum« tangirt, und dass das [lium stets mit dem proximalen Ende des bei den verschiedenen Formen vor- kommenden »Sacrum« im Kontakt steht. Das hat KEIBEL offenbar übersehen oder nicht genügend beachtet. Ich habe es jedoch auch speciell in Bezug auf Nycticebus hervorgehoben unter Hinweis auf eine Angabe von BLAINVILLE, nach welcher bei Nycticebus das Ilium ausschließlich dem ersten Sacral- wirbel anlagert. Es ist somit evident, dass auch für Nycticebus die Annahme einer proximalwärts gerichteten Umformung gelten muss. Denn handelte es sich bei dieser Form um eine distalwärts gerichtete Umformung des »Sacrums, so müsste das Ilium mit dem distalen Ende des Sacrum im Kontakt sein. Ist aber nun, wie man leicht auf Grundlage des Gesagten sehen kann, das Sacrum bei Nycticebus ein bei proximalwärts gerichteter Umformung zu Stande ge- kommenes Gebilde, so ist es selbstverständlich, dass der 37. Wirbel der älteste Sacralwirbel sein muss, und dann bedarf es nur einiger Überlegung, um einzu- sehen, dass eine Form mit 36 präsacralen Wirbeln als die relativ primitivste im Hinblick auf Affen und Halbaffen anerkannt werden muss. Den Zweifeln, die KEIBEL gegen meine Anschauung geltend zu machen gesucht hat, kann ich somit kein Gewicht zuerkennen. Es finden sich die eben berührten Bemer- kungen von KEIBEL in einem Aufsatz, in welchem er die Deutung des Schwanzes menschlicher Embryonen behandelt. KEIBEL hat dabei meine Ansicht über das betreffende Gebilde als eine unhaltbare dargestellt; er geht jedoch von einem Referat über meine Ansicht aus, welches in wesentlichen Punkten un- richtig ist. Ich kann natürlich an dieser Stelle auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen und bemerke nur, dass meine Ansicht durch KEiBEL keineswegs widerlegt ist. Eine nochmalige Behandlung der betreffenden Frage hätte in methodologischer Hinsicht ein Interesse und wäre vorherrschend von diesem Gesichtspunkte aus zu unternehmen. wf er OE u Uber eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. $9 mit 26 präsacralen Wirbeln Anlass geben kann, wäre in erster Linie die Möglichkeit einer durch nochmalige Beobachtung einer derartigen Wirbelsäule gegebenen Bestätigung des geschilderten Befundes zu erwähnen. Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass es möglich sein müsse, die Beobachtung nochmals zu machen und es wäre selbstverständlich dabei außerordentlich wünschenswerth, dass ein ganz intaktes, auch die Rippen und das Sternum besitzendes Objekt zur Beobachtung käme und mit den natürlichen Bindemitteln der Theile konservirt würde. Allerdings legt es aber auch, wie mir scheint, in der Natur der Sache, dass eine derartig primitive, hoch- gradig atavistische Erscheinung zur Zeit nur sehr selten sich dar- bieten kann. Die Möglichkeit, die Beobachtung zu wiederholen, würde, wie ich meine, besonders dann gegeben sein, wenn die Wirbelsäule mit Benutzung des von mir geltend gemachten Ge- sichtspunktes für die Verwerthung der Arbeit im Priparirsaal! zu einem Gegenstande fortgesetzter und unter allen nöthigen Cau- telen ausgeführter Beobachtung gemacht würde. In Bezug auf einen Punkt aber glaube ich, dass relativ geringe Wahrscheinlich- keit besteht, ganz genau dasselbe wiederzufinden, was ich beschrie- ben habe. Es könnte sehr wohl möglich sein, dass eine intakte Wirbel- säule eines Erwachsenen mit 26 freien, präsacralen Wirbeln gefun- den wird, welche an allen Wirbeln vom 18. ab distalwärts bis zum 33. den gleichen Befund darbietet, dass aber unter solchen Umstän- den nothwendigerweise das beobachtete primitive Verhalten an den acht ersten Wirbeln gleichfalls sich darbieten müsse, kann, wie mir scheint, nicht erwartet werden. Ich möchte das durch einen Hin- weis auf die Wirbelsäule des schon am Anfange dieses Aufsatzes erwähnten Skelettes eines Neugeborenen mit Sirenenbildung näher begründen. An diesem Objekte (cf. Taf. V Fig. 1, 2) haben die sieben ersten Wirbel rein cervicale Beschaffenheit; am siebenten ist das Foramen transversarium gut sichtbar, die ventrale Spange des Querfortsatzes besteht aus Knorpel und hat noch keinen eigenen Knochenkern. Am achten Wirbel ist auf beiden Körperseiten eine reducirte Rippe vorhanden. Links (ef. Fig. 1) artikulirt die Rippe am 8. Wirbel vermittels ihres Capitulum und Tubereulum; ventral vom Tuberculum ist aber nur ein kurzer Abschnitt des Körpers der Rippe (11 mm) frei, wei- 1 95. 90 Emil Rosenberg terhin ist der knöcherne Theil der Rippe eine Verschmelzung ein- gegangen mit dem Os costale der Rippe des neunten Wirbels; es lässt sich, wenn auch nur auf eine kurze Strecke hin als Trennungs- spur eine Furche wahrnehmen an der konvexen Seite der aus der Verschmelzung beider Rippen hervorgegangenen Knochenspange. Der Knorpel der Rippe des neunten Wirbels ist auffallend dick; Merkmale, die eine Verschmelzung mit dem Knorpel des achten Wirbels bekundeten, sind jedoch nicht anwesend. Der Knorpel der Rippe des neunten Wirbels reicht bis zur Incisura clavieularis, er haftet also (cf. beistehende Textfigur III) am Seitenrande des dem späteren Manubrium entsprechenden Antheils des hier noch fast Fig. III". cs. 49); cs 710): es m! es 2): 6 es (73); 7 N es 114): Tha N es us): cs 6) cs 416): ae ; CS (17) es 'yn): völlig knorpeligen Sternum. In diesem befinden sich einige Knochen- kerne, unter denen derjenige eine besondere Größe hat, der im proximalen Theil des spiiteren Manubrium liegt. Rechts (ef. Fig. 2) ist die Rippe des achten Wirbels in der gleichen Weise wie links mit dem Wirbel selbst verbunden; der freie Theil (an welchem eine zufällig entstandene Fractur besteht) ist aber noch kürzer (7 mm). Die Verschmelzung mit der Rippe des ! Diese Figur giebt in Kontouren, die ohne Anwendung eines Zeichen- apparates entworfen wurden, ein Bild des Sternum und der an diesem haften- den Rippen, sowie eines Theiles des Rippenbogens in der Ansicht von der ventralen Seite und in natürlicher Größe. } ET 2 REEL PERL 2 ELBE Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 91 neunten Wirbels ist noch vollständiger (es ist jedoch auch hier durch eine kurze, seichte Furche eine Trennungsspur gegeben). Der Knor- pel der Rippe des neunten Wirbel ist auch auf dieser Seite relativ dick und reicht bis zur Incisura clavicularis. Auf Grundlage der ausführlichen Erörterungen, die ich vorhin (pag. 45—48), zugleich auch im Hinblick auf die hier mitgetheilten Befunde, angestellt habe, bedarf es jetzt keiner näheren Motivirung der Deutung, die diesen Beobachtungen zu geben ist. Es ist evi- dent, dass bei diesem Objekt der proximale Abschnitt der Wirbel- säule auf einer hohen Stufe der Umbildung steht. Der distalwärts fortscheitende Umformungsprocess hat in diesem Fall die Rippen des achten Wirbels sehr erfolgreich in Angriff genommen und sie redueirt und damit ist er an diesem Theil der Wirbelsäule weiter fortgeschritten, als das zur Zeit der Norm entspricht. Die Stufe der Umformung, die hier vorliegt, stimmt fast völlig überein mit derjenigen, welche der schon früher (pag. 46 Anm.) er- wähnte Fall zeigt, den HunAauup publicirt hat. An dem von Pıruıng ! beschriebenen und abgebildeten Skelet eines sechsmonatlichen Fötus ist, wenigstens was die rechte Seite anlangt, gleichfalls nahezu die- selbe Umformungsstufe zu erkennen. Bei diesem Objekt findet die Verbindung beider Rippen in ihren knorpeligen Theilen statt, es lasse sich, wie PILLING sagt, ungefähr 3 mm weit der Knorpel der ersten Rippe noch in dieser Verbindung verfolgen, »beide vereinig- ten Rippen« befestigen sich am lateralen Rande des Brustbeins »von der Incisura claviculae an bis zur Grenze zwischen Manubrium und Corpus sterniThe scientific value of this additional sternal rib — in a Darwinian sense — is simply great. It evinces in a clear and forcible manner a latent disposition in the human subject, either to revert to an original and lower condition, or to retain traces of that previous condition. We have already seen that some of the lowest forms of Primates have ten true ribs, others have nine, some eight, and others again seven, as in the human subject. But it is interesting, indeed, to find, that the conflict between the major number ten and the minor seven takes place in the lower Primates, as we pass op to the higher Pri- mates, there seems to be a decided tendency towards fixity at the number of seven true ribs. The number of ribs in the lower forms of monkey's seems to be a repetition of that in the Carnivora, and subject to the same fluctuations between seven and ten true ribs. From the proceeding facts it may be deci- dedly inferred, that the tenth, ninth and eigth true ribs are gradually lost in the transition from the lower to the higher Primates. The recurrence of the eighth true rib in the human subject cannot be looked upon as an accident.« rc 80392'a5°92 dD. 94 | Emil Rosenberg und dass sternal gewesene Rippen sich zum Rippenbogen vereinen. Besonders bemerkenswerth ist dabei, dass RuGE die primitivsten Formen des Thorax und die größte Zahl der sternalen Rippen bei denjenigen. Formen angetroffen hat, bei welchen auch die meisten prisacralen Wirbel sich vorfinden. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass der eben ge- schilderte Befund an dem mir vorliegenden Objekt ein sehr primi- tives Verhalten der distalen Region des Sternum und der distalwärts folgenden Rippen dokumentirt und dass er in Übereinstimmung steht mit der Existenz von 26 präsacralen Wirbeln. Man sieht somit, dass der proximalwärts fortschreitende Umformungsprocess an dem in Rede stehenden Skelet des Neugeborenen fast genau so weit hin- ter dem Ziel, welches bei der zur Zeit normalen Wirbelsäule erreicht wird, zurückgeblieben ist, wie bei der Wirbelsäule des Erwachsenen mit 26 präsacralen Wirbeln. Dennoch ist aber an dem ersteren Skelet der distalwärts fortschreitende Umformungsprocess, der die Halsregion in .die Erscheinung treten lässt, weiter vorgedrungen als das gewöhnlich der Fall zu sein pflegt. Dieses an einer und derselben Wirbelsäule stattfindende Zusam- mentreffen einerseits einer relativ geringen und andererseits einer hochgradigen Umformung scheint mir der Beachtung sehr werth zu sein. Es lehrt dasselbe zunächst, dass es nicht nothwendig sei, dass, wenn nochmals eine Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 prä- sacralen Wirbeln gefunden wird, die Halsregion derselben eben so primitiv sein müsse, wie das bei der hier untersuchten Wirbelsäule eines Erwachsenen zu konstatiren war. Sodann aber ist das er- wähnte Zusammentreffen, wie mir scheint, ganz geeignet, noch in einer anderen Hinsicht die Aufmerksamkeit zu fesseln. Es ist nicht unbeachtet geblieben, dass, wenn die Rippen am achten Wirbel rudimentär sind, zugleich im distalen Theil der Wir- belsäule Ungewöhnliches sich finden kann. So macht Srp‘ die Be- merkung, dass bei einem von ihm beobachteten Fall, der eine »Verkiimmerung der ersten Rippe« darbietet, Hand in Hand gehe ‚eine Vermehrung der Rippenzahl nach unten zu< (es fanden sich 2 cm lange Rippen am »ersten Lendenwirbel«). Ähnlich äußert sich auch Rex? Auf in der Litteratur mitgetheilte Fälle sich beziehend, sagt er, dass eine Verkümmerung der ersten Rippe begleitet sein könne »von einer Vermehrung der Wirbelzahl des Lendentheiles der Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 95 Wirbelsäule, sei es, dass der überzählige Wirbel als 13. Brust- wirbel, sei es, dass er als überzähliger Lendenwirbel in die Erschei- nung trat«. Und weiter sagt er von seinen eigenen Fällen: »Merk- würdiger Weise findet sich dieses Verhalten auch in meinen beiden oben beschriebenen Fällen vor, indem in dem erst beschriebenen Fall ein 13. rippentragender Brustwirbel, in dem zweiten ein über- ‘zähliger Lendenwirbel vorhanden ist, welcher allerdings in seiner rechten Hälfte sacralen Charakter angenommen. « Mit dieser Auffassung, welche, nebenher bemerkt, wegen der Annahme von »überzähligen«e Wirbeln eine richtige Interpretation der betreffenden Befunde nicht geben kann, ist der erwähnten Er- scheinung hinsichtlich einer Deutung keineswegs Genüge gethan. Es ist gar kein Grund vorhanden zu der Annahme, dass die Reduk- tion der Rippen des achten Wirbels eine »Ausbildung« von Rippen am 20. Wirbel zur Folge haben könne. Eine derartige neuerdings erfolgende Ausbildung eines Rippenpaares am 20. Wirbel kann an sich, wie ich mehrfach ausgeführt habe, nicht statuirt werden. — Vollends ist es unmöglich, in einer Reduktion der Rippen des ach- ten Wirbels einen Grund für die lumbosacrale Beschaffenheit des 25. Wirbels zu sehen. Diese Form des genannten Wirbels ist eine atavistische Erscheinung, die eine proximalwärts gerichtete Sacrum- bildung bekundet; wollte man diese Erscheinung mit der behaupte- . ten »Vermehrung der Rippen« in Zusammenhang bringen, so müsste man die lumbosacrale Form des 25. Wirbels auf eine Befreiung des Wirbels aus dem Sacrum beziehen, d. h. eine distalwärts fort- schreitende Sacrumbildung annehmen, was, wie früher (pag. $2 bis 85) dargelegt wurde, völlig unzulässig ist. Der in Rede stehenden Erscheinung kann, wie ich meine, nur dann ein Verständnis abgewonnen werden, wenn man zunächst die Überzeugung sich bildet, dass eine jede der mannigfachen Formen der Wirbelsäule des Menschen (und das Gleiche gilt von diesem Organ bei allen übrigen Säugethieren und wohl auch bei anderen Formen) im Hinblick auf die an ihr bestehende Gliede- rung in Regionen anzusehen ist als das Resultat der Wirksamkeit zweier Hauptfaktoren, die gleichzeitig und in gewissem Sinne auch gleichartig aber dennoch in entgegengesetzter Richtung auf die Wir- belsäule einwirken. Diese Faktoren sind die beiden Umfor- mungsprocesse, von denen der am kleineren, proximalen Abschnitt der Wirbelsäule wirksame distalwärts gerichtet ist, während der an dem größeren, distalen Abschnitt der 96 Emil Rosenberg Gesammtwirbelsäule zum Ausdruck kommende proximal- wärts fortschreitet. Der distalwärts fortschreitende Umformungsprocess hat die Cer- vicalregion in die Erscheinung treten lassen und sein Wirkungs- bezirk erstreckt sich auch schon auf den achten Wirbel und dessen Rippen; der Process ist auch deutlich bereits am proximalen Theil des Sternum und den Rippen des neunten und des zehnten Wirbels zu erkennen, wie Befunde, die hier nicht näher erörtert werden können, es lehren. Der proximalwärts fortschreitende Umformungsprocess beherrscht alle distalwärts von der Dorsalregion liegenden Abschnitte der Wir- belsäule und innerhalb der Dorsalregion macht er sich an den Wir- beln selbst proximalwärts sehr deutlich bis zum 18. Wirbel kenntlich; er dehnt sich aber auch auf die Rippen aus, die am Rippenbogen betheiligt sind, so wie auf den distalen Abschnitt des Sternum mit den ihm anhaftenden Rippen. Das Sternum und die mit ihm ver- bundenen Rippen sind das Gebiet, auf welchem die Wirkungsbezirke beider Umformungsprocesse einander nahe berühren, während eine Anzahl von Wirbeln, die der Dorsalregion angehören, ein Terrain bildet, durch welches die Wirkungsbezirke beider Processe noch geschieden sind. Dieses Terrain ist der relativ primitivste Theil des Gesammtorgans. Wenn nun diese beiden Umformungsprocesse in einem festen, nothwendigen Abhängigkeitsverhältnis zu einander ständen, so müss- ten auch die Befunde am proximalen Abschnitt der Wirbelsäule und die an ihrem distalen Theil einander genau proportional sein; es müsste möglich sein, aus den Befunden am proximalen Theil der Wirbelsäule auf dieam distalen Theil, oder umgekehrt, sicher zu schließen. Das ist indess nicht der Fall, denn es zeigen sich sehr verschiedene Kom- binationen der Ausbildungsstufen, auf welchen die von den bei- den Umformungsprocessen beeinflussten Abschnitte der Wirbelsäule stehen. Die Umformung in der Halsregion kann eine sehr hochgradige sein, und an derselben Wirbelsäule zusammentreffen mit einem außerordentlich primitiven Verhalten des größeren, distalen Theiles der Wirbelsäule. Diese Kombination ist repräsentirt durch die hier beschriebene Wirbelsäule eines Neugeborenen. In deutlicher, und wie mir scheint, sehr interessanter Weise kann an diesem Objekt wahrgenommen werden, wie bei dieser Kombination das Sternum (ef. Fig. III pag. 90) in seinem proximalen Abschnitt hochdifferen- ——————— iu Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 97 zirt und zugleich in seinem distalen Theil sehr primitiv sein kann }. Es kann aber auch die Halsregion relativ primitiv sich verhalten und zugleich im Wirkungsbezirk des proximalwärts fortschreitenden _Umformungsprocesses ein sehr geringer Effekt der Umformung und zwar der geringste bisher bekannt gewordene vorliegen. Das lehrt die hier untersuchte Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 prä- sacralen Wirbeln. Eine dritte Kombination entsteht, wenn die Halsregion sich pri- mitiv verhält, und der proximalwärts fortschreitende Umformungs- process dabei nahezu sein Maximum erreicht. Diese Möglichkeit ist realisirt durch eine Beobachtung von GRUBER?, der einen Fall mit »Halsrippen« beschreibt und hinsichtlich der Zusammensetzung der Wirbelsäule sagt, sie bestehe aus »7 Hals-, nur 11 Brust- und 5 Lendenwirbeln, einem Kreuzbein mit 5 Wirbeln und 4 Steißwir- beln«. Es ist also in diesem Fall, wenn die Beobachtung ganz zu- verlässig ist, der 19. Wirbel bereits erster Lumbalwirbel geworden und es sind nur 23 präsacrale Wirbel übrig geblieben. Leider fehlen hier Angaben über das Sternum ®. Eine vierte Kombination, wenn man nur die zur Zeit bekannt ge- .wordenen Maxima resp. Minima der Umgestaltung in jedem der beiden Bezirke berücksichtigt, wäre denkbar durch ein Zusammen- treffen einer Halsregion, an welche der achte Wirbel in der Gestalt eines Dorsocervicalwirbels sich anzuschließen beginnt, mit einer so hochgradigen Umformung im Gebiet des proximalwärts fortschreiten- den Umformungsprocesses, wie er in der eben erwähnten GRUBER- schen Beobachtung vorliegt. Ein solcher Fall ist mir nicht bekannt geworden, aber es schließt sich diese Möglichkeit nahe an die zur Zeit wohl schon zu beobachtende Kombination, bei welcher die Halsregion das normale Verhalten darbietet, gleichzeitig aber nur 1 Diese Möglichkeit sollte bei der morphologischen Beurtheilung eines gegebenen Sternum stets im Auge behalten werden. Man sollte es für unstatt- haft halten, isolirte Sterna mit einander zu vergleichen; die Fehlerquelle, die dabei zur Geltung kommen kann, ist oft übersehen worden. 2 69, pag. 23, 24. 3 Hierher gehört auch eine von BRAUNE beobachtete Wirbelsäule (cf. 72, Erklärung zu Tab. A, B pag. 2). Leider sind in Betreff des Sacrum der Text und die Abbildung nicht befriedigend. Dieser interessante Fall müsste noch- mals untersucht werden. Morpholog. Jahrbuch. 27. 7 98 Emil Rosenberg 23 präsacrale Wirbel vorliegen und der 19. Wirbel erster Lumbal- wirbel geworden ist!. Es ließen sich leicht mehr hierhergehörige Beispiele anführen auf Grundlage von Angaben, die über verschiedenartige Zu- sammensetzung der Wirbelsäule des Erwachsenen in der Littera- tur zerstreut enthalten sind. Allein das kann hier unterbleiben, da schon die angeführten Kombinationen es lehren, dass ein nothwen- diges, festes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Umfor- mungsprocessen nicht besteht. Es ist auch leicht ersichtlich, dass die Zahl der a priori statuirbaren Kombinationen eine recht große ist. In den angeführten Beispielen habe ich fast nur die Maxima resp. die Minima der Effekte der beiden Umformungsprocesse be- rücksichtigt. Es ist aber klar, dass für jeden dieser Processe ver- schiedene Stadien bestehen, auf denen dieselben beim Erwachsenen angetroffen werden können; es können also auch diese verschiedenen Grade der Umformung in jedem Bezirke an einer und derselben Wirbelsäule zusammen vorliegen, wodurch die Zahl der denkbaren Kombinationen sehr wächst. Es wäre interessant, bei sorgfältiger Betrachtung einer möglichst großen Zahl von Wirbelsäulen zu untersuchen, wie viele von den denkbaren Kombinationen in Wirklichkeit realisirt sind, in welchem Frequenzverhältnis die realisirten Kombinationen angetroffen werden und wie dieselben auf einander zu beziehen wären. Es ist a priori einleuchtend, dass der Fortschritt, den im Lauf phylogenetischer Ent- wicklung ein jeder der beiden erwähnten Umformungsprocesse macht, nicht ein absolut stetiger zu sein braucht. Das Nähere über den Modus dieses Fortschrittes würde einer größeren Zahl von Beob- achtungen sich entnehmen lassen, wobei jedoch der hier statuirte Gesichtspunkt, nach welchem jede einzelne Form der Wirbel- säule hinsichtlich der Gliederung in Regionen ein Produkt ist der Wirkungen der erwähnten beiden Umformungspro-- cesse, bei der morphologischen Beurtheilung des ganzen Organs festzuhalten wäre. Es würde sich dann auch zeigen, welches die 1 TOPINARD (77, pag. 631—633) hat eine, wie es scheint, zuverlässige, an einem präparirten Skelet gemachte Beobachtung mitgetheilt, die in dem an- gegebenen Sinne gedeutet werden kann, und ich habe vor einiger Zeit eine intakte Wirbelsäule untersucht, deren Verhalten sich eng an den eben erwähnten Befund anreiht; über diese Wirbelsäule wird an einem anderen Ort berichtet werden. Hier ist auch an die bereits oben (pag. 65 Anm.) besprochene Beob- achtung von TENCHINI zu erinnern. es ee Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 99 Hauptbahn ist, der die Entwicklung folgt und wo resp. wie begin- nende Abzweigungen von der Hauptbahn sich andeuten und welche von diesen letzteren etwa nur als zukunftslose Aberrationen anzu- sehen wären. In diesen Verhältnissen, die ich zunächst nur berührt habe, um zu begründen, dass eine Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wirbeln beim Erwachsenen in der Halsregion nicht immer so pri- mitiv sein müsse, wie die hier erörterte, liegen somit noch einzelne, nicht uninteressante Probleme, die ich indess hier nur nebenher streifen wollte. Nach dieser kleinen Abschweifung wende ich mich jetzt wieder zu den Postulaten, welche die Kenntnisnahme der hier in Rede stehenden Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 präsacralen Wir- beln zu formuliren Anlass giebt, und wünsche noch bei der Erör- terung der Möglichkeit stehen zu bleiben, nochmals den erwähnten Befund beim Erwachsenen und an einem nicht pathologisch entstell- ten Objekt antreffen ‚zu können. Außer durch das bisher Gesagte scheint mir diese Möglichkeit auch garantirt zu sein durch einige Angaben, die in der Litteratur enthalten sind. Als ich meine Beob- achtungen in der Anatomischen Gesellschaft mittheilte, war ich noch nicht im Stande gewesen, die Litteratur in dem Maße, als es mir wünschenswerth erschien, mir zugängig zu machen und ich kannte damals keinen Fall, der dem in meinem Vortrag erörterten einiger- maßen an die Seite hätte gestellt werden können. Fortgesetztes Nach- suchen in der Litteratur ist indess zu meiner Befriedigung nicht erfolglos geblieben. Ich habe hier jetzt zunächst eine Beobachtung anzuführen, welche D’AsuroLo! mittheilt. Es handelt sich um ein in der Sammlung des pathologischen Instituts in Bologna von ihm vorgefundenes Skelet einer menschlichen Frucht, welche im sieben- ten Monate der Schwangerschaft geboren worden ist. Die Glieder der Frucht waren normal geformt, der Kopf jedoch ist klein und im Bereiche der Mund- und Nasenhöhle pathologisch affieirt. Die Theile des Skelets werden durch die natürlichen Bindemittel zusam- mengehalten, die in getrocknetem Zustande vorliegen, wie die Ab- bildung vermuthen lässt. Die Wirbelsäule zeigt »sette cervicali, dodiei toracici (con dodiei paia di coste) sette e mezzo lombari e 5 sacrali«. Dann sagt D’AsuroLo weiter: »Ho detto ricisamente sette e mezzo vertebre lombari, perché lultima di essa offre caratteri cosi distinti di una vertebra lumbare da non potersi equivocare. Ed 1 88, Oss. I, pag. 284—286, 100 j Emil Rosenberg invero essa non ha la superficie anteriore del suo corpo piatta come una prima sacrale; oltre a cid trovasi rispetto agli ilei in un li- vello pitt elevato d’una prima sacrale vera, e finalmente possiede due tubereoli in ciascuna apofisi trasversa a simiglianza di tutte le altre vertebre lombari, uno dei quali rappresentante il tubereulo costale, l’altro il vero processo trasverso. La semi-vertebra giace nel lato destro tra il quinto ed il settimo corpo vertebrale (d. h. der Lumbalwirbel), i quali offrono i loro assi maggiori inversamente ob- liqui per costituire lo spazio cuneiforme, che accoglie la detta semi- vertebra!.« Aus dieser Beschreibung, die durch die Betrachtung der wenig instruktiven Figur leider nicht ergänzt werden kann, geht so viel mit Sicherheit hervor, dass der auf der rechten Seite vorhan- dene »Halbwirbel« auf den 24. Wirbel der Gesammtreihe folgt, also seinerseits auf einen 25. Wirbel zu beziehen wäre, und dass auf diesen »Halbwirbel« noch zwei intakte Lumbalwirbel folgen; somit ist der 27. Wirbel der Reihe hier der letzte Lumbalwirbel. Im Anschluss hieran seien jetzt noch zwei Beobachtungen von VARAGLIA? erwähnt. Die eine von den beiden hier in Betracht kommenden Wirbelsäulen, welche, wie die Abbildung lehrt, offenbar einem jugendlichen Individuum angehört hat, »presenta 7 vertebre cervicali, con una costolina mobile alla 7°; 13 vertebre toraciche con 13 paia di coste mobili. .... La porzione lombare, vista per il lato sinistro, si presenta costituita da 7 vertebre, vista per il lato destro da 5. Es sind hier zwei »semi-vertebre« vorhanden, von denen der proximale »é incastrata tra la 13° od ultima dorsale e la 1* intera vertebra lombare. Il semicorpo € fuso col corpo della sottostante vertebra, come pure l’apofisi articolare della semi-vertebra é fusa colla superiore della vertebra sottostante; ma la semi- vertebra presenta distinti il peducolo, il foro di conjugazione ed il processo trasverso. La lamina, quantunque distinta, aderisce colla 1 D’Asurtoro hält diesen Fall für ein Beispiel eines »aumento numerico reale« von Elementen der Wirbelsäule. Zugleich meint er, dass für die Inter- pretation desselben maßgebend sein müsse die von TARUFFI angenommene »aumentata segmentazione del rachide membranoso« (ef. 88, pag. 291, 296). Dieser Beurtheilung kann ich nicht beistimmen, ich muss es jedoch unterlassen, dieselbe hier zu diskutiren; es wäre dabei erforderlich, zugleich andere hierher gehörige Anschauungen von D’AsuUToLo und anderen Autoren in Betracht zu ziehen. Dazu fehlt mir in diesem Aufsatz der Raum, ich habe aber allen An- lass, bei anderer Gelegenheit die erwähnten Anschauungen zum Gegenstand einer Erörterung zu machen. 2 85, pag. 700, Fig. 9; pag. 701, 702, Fig. 10. EE ———————————— ee Uber eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 101 sottostante«. Der distale »Halbwirbel« befindet sich, wie die Abbil- dung zeigt, zwischen dem zweiten und dem dritten der intakten Lumbalwirbel (im Text giebt VaraGuıa die Lage an zwischen dem dritten und vierten Lumbalwirbel, was offenbar ein Irrthum ist). »La lamina della semi-vertebra si reca posteriormente e finisce nella linea mediana e sta da sola«. Verschmelzungen im Bereich der Gelenkfortsiitze oder des Körpers liegen nicht vor. Fünf Sacral- wirbel und vier Caudalwirbel sind vorhanden. In diesem Fall ist also der 21. Wirbel der Reihe nur in seiner linken Hälfte vorhanden und diese ist partiell verschmolzen mit der- selben Seite des 22. Wirbels. Der andere Halbwirbel repräsentirt die linke Hälfte des 24. Wirbels und auf ihn folgen noch drei in- takte Lumbalwirbel, so dass auch hier der 27. Wirbel der letzte Lumbalwirbel ist. Die Wirbel werden durch die Bandscheiben zu- sammengehalten, wenigstens beschreibt VARAGLIA eine derselben. Von dem zweiten hierhergehörigen Fall sagt VARAGLIA, dass er »piü semi-vertebre« darbiete, es werden jedoch nur zwei beschrie- ben, von denen der eine auf der rechten Seite zwischen dem dritten ‘und dem vierten vollständigen Cervicalwirbel liegt; der andere ist auf der linken Seite gelegen zwischen dem ersten und dem zweiten Brustwirbel. Beide Halbwirbel haben die betreffende Bogenhilfte. VARAGLIA resumirt seine Beschreibung folgendermaßen: »Nella re- gione cervicale trovansi dunque rappresentate 7 vertebre piü una semi-vertebra, nella dorsale 12 pit una semi-vertebra, nella lombare 6 vertebre, nella sacrale 4 vertebre. La regione coceigea é incom- pleta«!. Leider fehlen nähere Angaben über die Lumbalwirbel und die Form des Sacrum. Auch sind hier wie in den übrigen Fäl- len die Rippen und ihr Verhalten zum Sternum unberücksichtigt ge- blieben. In diesem letzteren Fall ist der proximale Halbwirbel auf den ‘ vierten Wirbel der Gesammtreihe und der distale auf den zehnten 1 85, pag. 702. Für die Auffassung dieser Befunde lässt VARAGLIA den Begriff einer »varietä per eccesso« zu und macht behufs Interpretation der- selben die Annahme einer »anomala segmentazione della colonna membranosa«, und zwar in etwas anderem Sinne als TARUFFI. VARAGLIA (pag. 706—709) meint nämlich, dass die Entwicklung der Wirbel von der Anordnung der Gan- glien abhängig ist. Gegen diese letztere Ansicht hat bereits D’AJUTOLO, wie mir scheint mit Recht, Bedenken erhoben. Der allgemeinen Grundanschauung VARAGLIA’s kann ich eben so wenig wie der von D’AJUTOLO zustimmen, und wünsche dieselbe gleichzeitig mit der letzteren bei einer späteren Gelegenheit zu erörtern. 102 Emil Rosenberg Wirbel zu beziehen, somit wäre dann auch in diesem Fall der letzte Lumbalwirbel der 27. der Reihe. Die Art und Weise, wie in diesen drei Fällen die Zählung der Wirbel von mir vorgenommen worden ist, könnte nur dann bean- standet werden, wenn die »Halbwirbel« als Erzeugnisse einer nur auf einer Körperseite stattgehabten »Interpolation« aufgefasst wür- den. Wie unzulässig die Hypothese der Interpolation ist, habe ich indess noch kürzlich in meinem Aufsatz über die Wirbelsäule von Myrmecophaga und in der Diskussion nach meinem Vortrag in der Anatomischen Gesellschaft erörtert und ich kann von dieser Hypo- these hier um so mehr absehen, als sich sehr wohl verständlich machen lässt, dass ein Fehlen einer Hälfte eines Wirbels zu Stande _ kommen kann. Die vortrefflichen Untersuchungen, die FRORIEP! über die Entwicklung der Wirbel bei einem Säugethier ausgeführt hat, können einer Interpretation der in Rede stehenden Erscheinung ~ einen Anhaltspunkt geben. Die isolirte Anlage der knorpeligen Bögen je eines Wirbels gegenüber der knorpeligen Anlage des Kör- pers desselben Wirbels ist durch FRORIEP dargethan worden und es ließe sich somit sehr wohl denken, dass die knorpelige Anlage des Bogens auf einer Körperseite unterbliebe, während die Anlage des Bogens der anderen Seite zusammen mit der Anlage des Körpers des Wirbels bestehen bleiben könnte und nach erfolgter Verknöche- rung den »Halbwirbel« darstellte. Es ließe sich aber auch denken, dass innerhalb der Periode, in welcher der knorpelige Wirbel aus seinen Komponenten als einheitliches, knorpeliges Gebilde sich her- stellt, noch keine Störung des Entwicklungsprocesses eingetreten wäre und dass eine Störung erst dadurch bedingt würde, dass einer der Verknöcherungspunkte des Wirbels nicht zur Entwicklung gelangt. Bei der Beschaffenheit der hier vorliegenden »Halbwirbel« müsste natürlich angenommen werden, dass jedenfalls der selbständige Knochenkern im Bereiche des Bogens an der Seite, wo die Hälfte des Wirbels fehlt, nicht zur Entwicklung gekommen sei und viel- leicht auch der perichordal gelegene Knochenkern in der Mitte des Körpers des Wirbels sich nicht entwickelt habe (darauf weist die geringe Größe des auf den Körper des Wirbels zu beziehenden An- theils der vorliegenden »Halbwirbel« hin). Ein Ausbleiben des Auf- tretens dieser Knochenkerne könnte leicht zur Folge haben, dass die als Knorpel wohl angelegten Theile später unter dem Einfluss 1 86. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 103 der angrenzenden Wirbel sich rückbilden und schwinden. Dass aber ein sonst gewöhnlich zu Stande kommender Knochenkern gelegent- lich nicht zur Entwicklung kommen könne, ist an sich ganz denk- bar und könnte die Folge davon sein, dass die Gefäße, welche bei der Entstehung eines Knochenkerns eine Rolle spielen, pathologisch affieirt waren, und dadurch das Auftreten des Knochenkerns un- möglich machten. Im Hinblick auf die erörterte Möglichkeit des Nichtauftretens eines sonst normalen Knochenkerns darf hier wohl auf die interessante Beobachtung verwiesen werden, die TuRNER‘ an dem Skelet eines Maori gemacht hat. Zwischen dem neunten und dem elften Brustwirbel fand sich ein zehnter Brustwirbel, der »showed a great defect in the ossification of the body, which was divi- ded by a mesial cleft into two lateral parts«. Der Spalt, der an der ventralen Seite 18mm Breite hatte, drang bis zum Wirbelkanal durch, und war dorsal noch 2 mm breit. Die Körperreste des Wir- bels sind auf beiden Seiten keilförmig gestaltet, die Querfortsätze und die Bogen jedoch ungestört in der Form. Die Körper des neunten und des zehnten Brustwirbels waren entsprechend dem Defekt im zehnten Brustwirbel in vertikaler Richtung stärker ent- faltet. TURNER meint diesen Befund darauf beziehen zu müssen, dass statt aus einem einzelnen mittleren Knochenkern, wie er der Norm entspricht, die Theile des Körpers dieses Wirbels ein jeder aus einem besonderen seitlichen Knochenkern hervorgegangen seien. Es konnte indess auch, wie TURNER meint, schon im knorpeligen Zustand des Wirbels der Knorpel in zwei seitliche Theile zerfällt worden sein, die in der Medianebene nicht mit einander im Zusam- menhang sich befunden hätten. Dieser letztere Interpretationsmodus scheint mir wenig Wahrscheinlichkeit zu besitzen, da die knorpe- lige Anlage des Wirbelkörpers bei Säugethieren, wie die Unter- suchung FRORIEP’s gelehrt hat, nicht evident bilateral ist, sondern nur Andeutungen an eine solche Beschaffenheit darbietet. Leicht scheint mir dagegen dieser Befund (sowie andere, von TURNER eitirte Fälle) damit interpretirt werden zu können, dass in diesem Fall der perichordal gelegene Knochenkern im Wirbelkörper nicht zur Anlage gekommen ist und dass somit nur diejenigen Theile des knöchernen Wirbelkörpers vorliegen, die vom Knochenkern im Bo- gen gebildet werden, diese Theile der Wirbelkörper haben sodann unter dem Einfluss des Druckes der benachbarten Wirbelkörper die 1 86, pag. 61, 62. 104 Emil Rosenberg Keilform angenommen, die diese »Halbwirbel« an dem Präparat zeigen. Es lassen sich also derartige »Halbwirbel<«, wie sie in den eitirten Beobachtungen an drei Wirbelsäulen konstatirt worden sind, leicht interpretiren und das giebt mir das Recht, die Angaben, welche über diese Wirbelsäulen vorliegen, so aufzufassen, dass ein jedes der beschriebenen Objekte die Möglichkeit einer Anwesenheit nicht nur von 26 sondern auch von 27 präsacralen Wirbeln bei der menschlichen Wirbelsäule dokumentirt. Aus der letzteren Anzahl von präsacralen Wirbeln erwächst für meine Auffassung über den Umformungsprocess an dem größeren, distalen Abschnitt der Wirbel- säule keine Schwierigkeit; es erhält vielmehr diese Anschauung durch den erwähnten Befund in so fern eine nicht unwichtige Bestä- tigung, als ich auf vergleichend-anatomischem Wege auch für den 27. Wirbel (wie für die übrigen, distalwärts folgenden Saeralwirbel) die frühere lumbale Beschaffenheit gefolgert hatte. Indess möchte ich diese Seite der Angelegenheit hier nur nebenher berühren. Zu betonen ist aber im Hinblick auf das hier in Rede stehende Thema, dass die eitirten Beobachtungen die Existenz von 27 präsaeralen Wirbeln zeigen an Objekten, von denen wenigstens bei zweien die einzelnen Theile der Wirbelsäule durch die natürlichen Bindemittel zusammengehalten werden. Besonders wichtig ist in dieser Bezie- hung der von D’AsuroLo beobachtete Fall mit nur einem »Halb- wirbele. Diesem Fall gegenüber müssen sogar diejenigen, welche die Hypothese der Interpolation für zulässig halten, zugeben, dass 26 präsacrale Wirbel vorkommen können unter Verhältnissen, wo die Entwicklung des Sacrum nicht durch die Verschmelzung der unteren Extremitäten, wie bei dem früher erwähnten Neugeborenen mit Sirenenbildung, möglicherweise pathologisch beeinflusst war, und wo zugleich ein Zweifel an der Zusammengehörigkeit der ein- zelnen Wirbel von vorn herein ausgeschlossen ist. Diese Beobach- tung unterstützt also in unverkennbarer Weise die Auffassung, dass die Wirbel der hier untersuchten Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 präsacralen Wirbeln zu einander gehörige Elemente eines Objekts sind und zugleich wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dieser Befund nochmals sich werde darbieten können. Diese Wahr- scheinlichkeit scheint mir auch dadurch nicht vermindert zu werden, dass die soeben erwähnte, von D’AsuroLo beobachtete Wirbelsäule einer Frucht angehört, deren Kopf pathologische Erscheinungen dar- Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 105 bietet, denn es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass diese einen Einfluss auf die Wirbelsäule gehabt haben können. Es sind jetzt noch einzelne Postulate zu erörtern, die ich in meinem Vortrag bereits namhaft gemacht habe. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Anzahl Beobachtungen postulirt werden müsse zu einer näheren Begründung der Deutung, dass die unter- suchte Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 präsacralen Wirbeln eine sehr primitive sei und ein relativ frühes Stadium des Umfor- mungsprocesses, der im größeren distalen Abschnitt der Wirbelsäule zur Geltung kommt, repräsentire. Es muss gezeigt werden, dass im entwickelten Zustand der’ menschlichen Wirbelsäule Übergangsformen sich finden, welche eine all- mähliche Umformung des 26. Wirbels zu einem ersten Sacralwirbel in derselben Weise bekunden, wie das in Betreff des 25. Wirbels bereits nachgewiesen ist. Für den 31. Wirbel müssen außer der vereinzel- ten, bereits vorhandenen sämmtliche andere Übergangsformen zu einem Caudalwirbel angetroffen werden. Endlich muss postulirt werden, dass Übergangsformen nachgewiesen würden, die erkennen lassen, dass der 21. Wirbel zu einem Lumbalwirbel wird und zwar zunächst zum ersten Lumbalwirbel und dass er dann in die zweite Stelle der Lumbalreihe rückt, nachdem auch der 20. Wirbel aus einem Dorsalwirbel zu einem Lumbalwirbel umgeformt worden ist. In Betreff des 26. Wirbels kann ich meine frühere Bemerkung, dass die zu postulirenden Übergangsformen sämmtlich noch nicht beobachtet seien, jetzt dahin einschränken, dass wenigstens eine der hier in Betracht kommenden Formen, wie es scheint, bereits vor- liegt. Das dürfte aus einer Mittheilung hervorgehen, die BIancHt! gemacht hat. Bei einer Zusammenstellung von Fällen, die »ano- malie numeriche« wahrnehmen ließen, wird von ihm die folgende Angabe über die Wirbelsäule eines 70jährigen Mannes gemacht: »Varietä per eccesso senza compenso — 6 vertebre lombari. Te+12d+62!+5s—= 30 Te+12d+6l!+55s +4e= 342 Regione lombare. — Le sei vertebre sono ben sviluppate e nor- malmente conformate. 1 95b, pag. 23, 24. 2 BıanchHi folgt STADERINI in Betreff der Art und Weise, wie die Formel der Wirbelsäule angegeben wird. Ich meine, man kann mit Recht gegen eine derartige Formel den Einwand erheben, dass eine Anzahl Angaben durch die Formel zwecklos wiederholt wird. 106 Emil Rosenberg Sacro. — Sebbene notasi un aumento di vertebre nella regione lombare, pure anche la prima sacrale presenta tendenza a lombaliz- zarsi; essa & infatti unita alla seconda per un disco intervertebrale (70 anni); il promontorio & costituito dall’ unione della I colla II sacrale; i due primi fori sacrali anteriori son situati in un piano posteriore ai sottostanti. Coceige. — La 1,° coccigea & libera con corti processi trasversi e corna; la 2,° pur essa libera; la 3,9 e la 4, saldate«. Das ist Alles, was iiber diesen offenbar sehr interessanten Fall mitgetheilt wird. Brancut steht, wie ich schon (pag. 78) erwähnt ‘habe, auf dem Standpunkt, welcher die Annahme eines »sacrum né- cessaire« zulässt und man sieht hier, wie diese Auffassung es ver- hindert hat, die Beobachtung richtig zu deuten. BIANCHI scheint es als paradox anzusehen, dass, obgleich schon sechs Lumbalwirbel vorhanden seien, dennoch der erste Sacralwirbel, wie er sagt, die Tendenz habe, zu einem Lumbalwirbel sich umzugestalten. Ganz anders muss natürlich die Deutung dieser Wirbelsäule ausfallen, wenn man sich auf den Standpunkt der Anschauung stellt, welche einen proximalwärts fortschreitenden Umformungsprocess sta- tuirt, und wenn die Annahme gemacht wird, dass die Elemente der vorliegenden Wirbelsäule wirklich zu einander gehören. Alsdann ist | es zunächst ersichtlich, dass durch die Existenz von 25 freien, prä- sacralen Wirbeln eine relativ primitive Beschaffenheit bekundet wird, die dazu hätte veranlassen können, zu untersuchen, ob am 20. Wir- bel nicht noch die Spuren der Existenz eines Rippenpaares sich finden und ob mit dem distalen Theil des Sternum nicht noch das achte Rippenpaar in Verbindung steht. Sodann muss bemerkt wer- den, dass es nicht nur nicht auffällig, sondern sehr erklärlich er- scheinen muss, dass bei einer primitiven Wirbelsäule mit 25 prä- sacralen Wirbeln der 26. Wirbel noch deutliche Spuren einer früheren lumbalen Beschaffenheit zeigt. In der That handelt es sich hier nicht darum, dass dieser Wirbel im Begriff steht ein Lumbalwirbel zu werden, sondern es zeigt der 26. Wirbel hier eine der zu postulirenden Übergangsformen, die den Wirbel aus einem letzten Lumbalwirbel in die Gestalt und die Stelle eines ersten Sacral- wirbels hinüberleiten. Die vorliegende Übergangsform ist eine recht hochentwickelte, also eine relativ späte. Wichtig wäre es nun auch, nähere Auskünfte über den distalen Theil des Sacrum dieser Wir- belsäule zu erhalten. Es wird nur angegeben, dass das Sacrum fünf Wirbel enthalte; somit schließt es mit dem 30. Wirbel ab. Das WERE EE EU Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 107 kann ganz verständlich gefunden werden im Hinblick auf den Um- stand, dass hier der 26. Wirbel schon ins Sacrum aufgenommen ist; daher ist der 31. Wirbel eben auch schon in die Caudalreihe über- getreten, während er bei der Wirbelsäule mit 26 präsacralen Wir- beln noch letzter Sacralwirbel ist. Es wäre sehr wünschenswerth, dass das eben erörterte Objekt, welches Brancur vorgelegen hat, zum Gegenstande einer nochmaligen, sorgfältigen Untersuchung gemacht und auch eine gute bildliche Darstellung desselben gebracht würde; es könnten in mancher Hinsicht an demselben Übergangsformen, die zu postuliren sind, sich darbieten. In Betreff der zu postulirenden Übergangsformen des 31. Wir- bels sind weitere Untersuchungen erforderlich, welche im Anschluss an die vereinzelte, oben (pag. 10) bereits geschilderte Übergangs- stufe die übrigen, wie man erwarten darf, zur Anschauung bringen werden. Diese Voraussetzung meine ich um so mehr hegen zu dürfen, als ich im Hinblick auf die Postulate, die sich an den 21. und den 20. Wirbel knüpfen, schon jetzt über einzelne, hierhergehörige Be- obachtungen berichten kann. Zwei dieser Beobachtungen lassen sich an dem bereits mehrfach erwähnten Skelet eines Neugeborenen mit Sirenenbildung machen. Die Rippen des 20. Wirbels dieses Ob- jekts (cf. Taf. V Fig. 1, 3) sind relativ sehr stark entwickelt; an der konvexen Seite gemessen, sind dieselben links 40 mm, rechts (wo der Knorpel etwas verletzt ist) 34 mm lang. Beide artikuliren mit dem Capitulum an einer Stelle, die dem Übergang der lateralen Fläche des Wirbelkörpers auf den Bogen entspricht. Die Rippen- höcker sind durch Bandmassen an die Querfortsätze geheftet; eine Artieulatio costo-transversalis ist also schon als rückgebildet anzu- sehen. Mit dieser bedeutenden Größe der Rippen des 20. Wirbels stimmt es überein, dass am 21. Wirbel auf der linken Seite eine Rippe haftet, die 29 mm lang ist; sie zeigt deutlich das Os costale und den Rippenknorpel. Eine Artieulatio costo-transversalis fehlt, und das erscheint sehr natürlich, da dieses Gelenk schon bei den Rippen des vorhergehenden Wirbels nicht mehr angetroffen wurde. Auf der rechten Seite ist die Rippe (die artificiell dislocirt ist) ein bedeutend dünneres Knochenstiibchen, das nur 6 mm lang ist, aber an seinem Ende eine Verletzung erkennen lässt; die Rippe ist also offenbar am intakten Objekt länger gewesen. Es kann die Größe dieser Rippe jedoch sicher nicht die gleiche gewesen sein, wie die der linken Seite, darauf weist die viel geringere Dicke derselben 108 Emil Rosenberg hin. Der 21. Wirbel ist hier also mit beweglichen Rippen ausge- stattet, von denen die der linken Seite sich noch sehr primitiv ver- hält, während die der rechten Seite eine Reduktionsstufe dieses Skelet- theiles aufweist, die als eine mittlere bezeichnet werden muss. Der Wirbel selbst ist in diesem Fall der letzte der vorhandenen Dorsal- wirbel, und man wiirde ihn als den 14. bezeichnen miissen, wenn nicht an diesem Objekt der achte Wirbel als Dorsocervicalwirbel vorläge. An einem anderen Objekt habe ich den 21. Wirbel nicht mehr als letzten Dorsalwirbel angetroffen, sondern in einer Übergangsform, — als Dorsolumbalwirbel —, die hier von Interesse ist. Es handelt sich um die Wirbelsäule eines 47jährigen Mannes, die ich im hiesigen Präparirsaal untersucht habe und zwar während das Objekt von den Weichtheilen umgeben war. Die Formel die- ser Wirbelsäule ist die folgende: (1—7) ev. (S—20) d. 21 dl. (22—25) 1. (26—30 )s. (31—34) ed. Schon ein Blick auf diese Formel lässt die primitive Beschaffen- heit dieser Wirbelsäule erkennen; dieselbe in allen Einzelheiten zu schildern, kann ich unterlassen, da es hier hauptsächlich auf den 21. Wirbel und den vorhergehenden ankommt. Der 21. Wirbel (ef. Taf. IV Fig. 1, 21. dl) zeigt auf der rechten Seite einen gut geformten, charakteristisch gestalteten Seitenfort- satz (Processus lateralis). Auf der linken Körperseite dagegen be- steht noch ein Rudiment einer 14. Rippe als isolirter Skelettheil. Desshalb ist der Wirbel als Dorsolumbalwirbel (d/) zu bezeichnen. Dieses Rippenrudiment ist ein noch ziemlich massiges, in dorsoven- traler Richtung leicht abgeplattetes Gebilde, das 11 mm lang ist. An den kurzen Querfortsatz ist es durch eine straffe Bandmasse angeheftet und von dem vertebralen, etwas zugespitzten Ende geht ein Bandzug zum Bogenhals. Nach Analogie der Erscheinungen an den verschiedenen Reduktionsstufen, die ich früher?! in Betreff des Rippenpaares des 20. Wirbels geschildert habe, liegt hier ein redu- eirter Abschnitt des Halses einer 14. Rippe vor; die Bandmassen, die das Rudiment an den Querfortsatz fesseln, entsprechen den Bän- dern, die zu einer Articulatio costo-transversalis gehören. Dieses Gelenk selbst ist natürlich nicht mehr vorhanden. Der Bandstreifen, welcher vom vertebralen Ende des Rudiments zum Halse des Wirbel- 1 75, pag. 92—95. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 109 bogens geht, ist anzusehen als hervorgegangen aus einer Umformung der Bänder, die einer Articulatio capituli costae zukommen; diese Articulatio ist bei dem Reduktionsprocess des Capitulum und Collum costae lateralwärts auf den Hals des Bogens verlegt worden und als solche geschwunden. Ein derartiger Befund lässt es leicht verstehen, wie der 21. Wirbel aus einem Dorsolumbalwirbel ein Lumbalwirbel werden kann, wenn das vorhandene Rippenrudiment mit dem Quer- fortsatz verschmilzt und somit ein Processus lateralis auch auf der. linken. Seite zu Stande kommt. Alsdann würde es sich nur noch darum handeln, dass dieser Processus lateralis unter dem Einfluss seiner funktionellen Verwendung sich etwas verlängert, um die bei einem ersten Lumbalwirbel anzutreffende, charakteristische Gestalt zu erlangen. An den in Rede stehenden Wirbeln kann auch leicht ersehen werden, wie der 21. Wirbel aus der Stellung eines ersten Lumbal- wirbels in die eines zweiten übergehen kann. Der 20. Wirbel ist bei dieser Wirbelsäule der letzte Dorsalwirbel, weil er auf beiden Körperseiten mit beweglichen, wenn auch reducirten Rippen ver- sehen ist. Auf der rechten Seite (cf. Taf. IV Fig. 1a, 20. d'%) ist die 13. Rippe noch 1,8 cm lang, sie hat aber schon eine Gelenkver- bindung sowohl mit dem Querfortsatz als auch mit der Wurzel des Bogenhalses eingebüßt und sie ist an den beiden bezeichneten Stel- len durch Bandmassen mit dem Wirbel verbunden. Auf der linken Seite ist das Rudiment der Rippe besonders klein, es ist nur ein 2 mm im Durchmesser betragendes, nahezu kugeliges Körperchen (Taf. IV Fig. 1 d, 20. d13), welches durch zwei Bandstreifen an den Bogenhals und den sehr niedrigen Querfortsatz gefesselt wird. Diese Bandstreifen sind homolog den Bändern auf der rechten Seite, oder homodynam den Bändern, die beim Rudiment der 14. Rippe be- schrieben und gedeutet wurden. Eine so kleine 13. Rippe, wie die hier vorliegende, habe ich bisher noch nicht kennen gelernt; der Befund scheint mir damit interpretirt werden zu müssen, dass hier ausnahmsweise die Reduktion der Rippe auffallend weit vorgeschrit- ten ist, während gleichzeitig die Rippe ihre Selbständigkeit bewahrt hat. Als normal wäre es anzusehen, wenn die Rippe, bevor sie so weit redueirt worden, eine feste Verbindung und später eine Ver- schmelzung mit dem Querfortsatz eingegangen wäre behufs Formi- rung eines Seitenfortsatzes. Das hier vorliegende, zum Theil ana- chronistische, zum Theil etwas abweichende Verhalten kann indess die Verwerthung des Gesammtbefundes am 20. Wirbel nicht wesent- 110 Emil Rosenberg lich beeinträchtigen. Man kann, besonders auf Grundlage des Ver- haltens der Rippe an der rechten Seite, sich leicht vorstellen, dass die rudimentiiren Rippen mit dem Querfortsatz durch Verschmelzung auf beiden Körperseiten einen Processus lateralis zu Stande kommen lassen. Alsdann wäre der 20. Wirbel aus einem letzten Dorsal- wirbel ein erster Lumbalwirbel geworden und damit wäre der 21. Wirbel in die zweite Stelle der Lumbalreihe eingetreten. In Bezug auf den 20. und 21. Wirbel können somit die oben (pag. 105) formulirten Postulate zur Zeit schon in einzelnen, wesentlichen Punk- ten als erfüllbare bezeichnet werden. Uberblickt man die zuletzt aufgeführten Beobachtungen, so ist, wie mir scheint, nicht zu verkennen, dass sie eine Bestätigung der Deutung enthalten, welche ich der in diesem Aufsatz behandelten Wirbelsäule eines Erwachsenen mit 26 präsacralen Wirbeln gegeben habe. Diese Deutung macht es ersichtlich, dass die Kenntnisnahme dieses Objektes unsere Vorstellungen über die Variationsbreite der menschlichen Wirbelsäule nicht unerheblich erweitert. Belangreich ist es dabei, dass diese Form der Wirbelsäule derjenigen primitiven, atavistischen Form des Organs, welche 25 präsacrale Wirbel besitzt, als eine noch frühere Stufe direkt, d. h. dieselbe Richtung einhal- tend, welche die übrigen, bereits festgestellten Stufen bekunden, sich anschließt. Die Variationen der Wirbelsäule erscheinen auch nach Kenntnisnahme der hier erörterten als bestimmt gerichtete und als Repräsentanten einzelner, auf einander folgender Etappen auf dem- jenigen Theil des Weges phylogenetischer Entwicklung, der aus den » Variationen« erschließbar ist. Es markirt dabei die Wirbelsäule mit 26 prisacralen Wirbeln die früheste Stufe, die beim Erwachsenen bis jetzt mit Sicherheit hat erkannt werden können. Diese Form der Wirbelsäule ist in ihren Eigenthümlichkeiten ganz vorherrschend bedingt durch den relativ geringen Fortschritt, den an ihr der proximalwärts gerichtete Umformungsprocess ge- macht hat. Dieser beherrscht den weitaus größeren Abschnitt der Wirbelsäule und es ist, wie mir scheint, von Interesse, darauf hin- zuweisen, dass in dem betreffenden Theil der Wirbelsäule alle Merkmale dieser frühesten bis jetzt bekannt gewordenen phylogene- tischen Entwicklungsstufe der Wirbelsäule derartige sind, dass sie in das Bild einer menschlichen Wirbelsäule leicht sich hinein- fügen lassen und nicht etwa auf speciell und ausschließlich nur bei anderen Primaten gegebene Erscheinungen zu beziehen sind. Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. 111 Wenn das sicher angenommen werden darf, so ergiebt sich damit, dass die zum jetzt lebenden Menschen hinführende Formenreihe von denjenigen Formenreihen, welche in den anderen, jetzt lebenden Primaten ihre momentanen End- glieder haben, sich früher abgezweigt haben muss, als das geschehen sein müsste, wenn die Wirbelsäule mit 25 prä- sacralen Wirbeln faktisch die relativ primitivste wäre, die beim Menschen vorkommen kann. In der Beurtheilung einer solchen Frage wird natürlich, so lange die Kenntnis der Ahnenreihe einer gegebenen jetzt lebenden Form eine sehr unvollständige ist, immer eine nicht geringe Unsicherheit bestehen müssen und auch bei einem vollständigen Überblick über die Ahnenreihe einer Form würde, da die Umformung, so weit wir wissen, ganz allmählich geschieht, in gewissem Sinne doch nur willkürlich die Grenze zu bestimmen sein, an welcher der Über- gang der einen Ahnenform in die andere, so wie in die Endform zu statuiren wäre. Bei dem hier in Rede stehenden Organisations- verhältnis scheint mir indess aus dem oben angeführten Grunde eine Form der Wirbelsäule mit 26 präsaeralen Wirbeln noch als eine speeifisch menschliche angesehen werden zu können und damit lehrt diese Form der Wirbelsäule, dass die dem Menschen eigen- thümliche Wegstrecke der Umformung eine längere sei, als das bis jetzt angenommen werden konnte. Man muss desshalb, wenn die Zeitdauer der Umformung für gleiche Abschnitte der bisher erkannten Wegstrecke die gleiche ist, zu dem Urtheil gelangen, dass das geologische Alter des Menschen ein recht hohes sein könne. Es ist naheliegend, dass aus dieser Anschauung Kriterien gewonnen werden können für eine Beurthei- lung der Ergebnisse paläontologischer Forschung über die Herkunft des Menschen, es ist aber auch evident, dass diese Anschauung es dringend geboten erscheinen lassen muss, bei einer Untersuchung der Frage, wie die Organisationsverhiltnisse des Menschen aus denen anderer Formen sich herleiten lassen, zu fordern, dass zunächst im Hinblick auf ein jedes Organisationsverhältnis ein möglichst großer Theil derjenigen Wegstrecke der Umformung, welche dem zur Zeit normalen Verhalten unmittelbar vorhergeht, festgestellt werde. Dieses Postulat lässt erkennen, dass es nothwendig ist, die » Variationen« zu einem Gegenstand rationeller, systematisch durchgeführter Unter- suchung zu machen. Utrecht, 15. August 1898. 16. 20. 34. 38. 44, 49. or =I Emil Rosenberg Verzeichnis der citirten Litteratur. M. HUNAULD, Recherches sur les causes de la structure singuliére qu’on rencontre quelquefois dans différentes parties du corps humain. Sur le nombre des cötes, moindre ou plus grand qu’a l’ordinaire. Histoire de l’Acadömie Royale des Sciences. Avec les Mémoires de Mathé- matique et de Physique. Année 1740. Paris 1742. pag. 377—381. Tb. 16, 17. LEVELING, Observationes anatomicae rariores. Norimbergae 1787. Cap. III. Tb. V. J. F. MECKEL, Uber einige Abnormitäten der Knochen. Archiv f. d. Physiol. Bd.I. 1815. pag. 641—644. Taf. VI Fig. 36. J. F. MEcker, Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. Il. 1816. HEUSINGER, Merkwürdige Metamorphose des Brustbeins und der ersten Rippen. Mecket’s Archiv. Bd. VI. pag. 541—544. 1820. 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IV wur- den die Objekte um ein Dritttheil verkleinert aufgenommen, für die Fig. 2 der Taf. IV wurde die Aufnahme in der Hälfte, für Fig. 3 der Taf. IV in einem Dritttheil der natürlichen Größe gemacht. Das Objekt der Fig. 1 Taf. IV wurde aufgenommen, während es von Alkohol bedeckt war (bei senkrecht ge- stelltem Apparat); es wurde von jeder Körperseite eine besondere Aufnahme gemacht, nachdem das Segment der Wirbelsäule etwas um seine Längsachse gedreht war. Die Verkleinerung ist bei diesem Objekt nur eine geringe; der dargestellte Theil ist 1 cm kürzer als der entsprechende Abschnitt des Ob- jektes. In Betreff der Fig. 1 Taf. IV ist noch zu bemerken, dass die Inter- vertebralscheiben und die Bänder in unscharfer Zeichnung sich darstellen. Diese Theile affieiren die Platte in hohem Maße; wenn die Exposition, die bei Verwendung eines kleinen Diaphragmas vorgenommen werden muss, nur so kurze Zeit dauert, bis ein scharfes Bild der Bänder entsteht, so treten die knöchernen Theile nicht genügend hervor; um diese gut sichtbar zu machen, müssen die Bänder relativ zu lange exponirt werden. Dieser Umstand bedingt eine wesentliche Schwierigkeit beim Photographiren von Skelettheilen, die in Alkohol aufbewahrt werden müssen. ° Die Abdrücke der Negative (Celloidinpapier) resp. die besonders inter- essirenden Theile derselben wurden auf schwarzen Karton geklebt und in der erforderlichen Stellung zu einer Tafel kombinirt. Diese Tafeln’ wurden alsdann in toto aufgenommen, wobei dieselben um ein ganz Geringes verkleinert wur- den. Die Figuren der Taf. II—IV entsprechen also nicht ganz vollständig dem angegebenen Maß der Verkleinerung bei der Aufnahme der Objekte. Die Figuren der Taf. V geben die Objekte in natürlicher Größe wieder. Die Kontouren habe ich mit dem SCHROEDERr’schen Diopterographen aufge- nommen, und alsdann wurden die Abbildungen unter meiner Aufsicht vom Zeichner am Institut, Herrn L. IssELs, hergestellt. Die Wirbel sind, wie ich das bereits mehrfach gethan habe, durch Ziffern bezeichnet worden, welche der Stellung der Wirbel in der Gesammtreihe entsprechen und die specielle Homologie der Wirbel andeuten. Die Stellung eines Wirbels innerhalb: der Region, zu der er gehört, ist durch Buchstaben angegeben worden, welche auf die Region oder auf die Übergangsformen Bezug haben; ferner ist eine Ziffer hinzugefügt, welche die Stelle des Wirbels in der Region bezeichnet. Es bedeutet cv Cerviealwirbel, dev Dorsocervicalwirbel, d Dorsalwirbel, di Dorsolumbalwirbel, 2 Lumbalwirbel, 7s Lumbosacralwirbel, s Sacralwirbel, sed Sacrocaudalwirbel. Da die Figuren im Text eingehend berücksichtigt wurden, so dürften hier die folgenden Angaben und Citate genügen. 118 Emil Rosenberg, Über eine primitive Form der Wirbelsäule des Menschen. Tafel I. Wirbelsäule eines erwachsenen Menschen mit 26 präsacralen Wirbeln; cf. pag. 15, 16. Die Figuren der Taf. II und III, sowie die Fig. 2 bis 5 der Taf. IV be- ziehen sich auf einzelne Theile der auf Taf. I abgebildeten Wirbelsäule. Tafel II. Fig. 1. Processus spinosi der Cervicalwirbel, cf. pag. 51—54. Fig. 2. Der erste und der zweite Dorsalwirbel, cf. pag. 18, 19. Fig. 3. Der sechste Cervicalwirbel in der Ansicht von der proximalen Seite, cf. pag. 49. Fig. 4. Dorsalwirbel; in Betreff der Processus spinosi und transversi cf. pag. 23, 24. Tafel III. Fig. 1. Gelenk zwischen dem siebenten und dem achten Dorsalwirbel, ef. pag. 23. Fig. 2. Die Facetten der Gelenke zwischen dem fünften und dem sechsten Dorsalwirbel, ef. pag. 26, 27. Fig. 3. Die Facetten der Gelenke zwischen dem achten und dem neunten Dorsalwirbel, ef. pag. 25, 26. Fig. 4. Die Facetten der Gelenke zwischen dem elften und dem zwölften Dorsalwirbel, cf. pag. 26. Tafel IV. Fig. 1. Segment der Wirbelsäule eines 47jährigen Mannes. Der 20. Wirbel ist der letzte Dorsalwirbel; am 21. Wirbel befindet sich auf der linken Seite eine rudimentäre Rippe, cf. pag. 108—110. Fig. 2. Stellung der Gelenkfortsätze der Lumbalwirbel, ef. pag. 58. Fig. 3. Sacrum; Betheiligung des 29. Wirbels an der Facies auricularis, cf. pag. 68. Fig. 4. Distaler Theil des Saerum und die Sacrocaudalwirbel in der Ansicht von der dorsalen Seite und von rechts her, cf. pag. 69, 70. Fig. 5. Dieselben Theile wie in Fig. 4; Ansicht von der dorsalen Seite. Tafel V. Fig. 1. Wirbelsäule einer menschlichen Frucht mit Sirenenbildung, cf. pag. 12 bis 14. Fig. 2. Der siebente bis zehnte Wirbel desselben Objektes; Ansicht der rechten 5 Seite, cf. pag. 91, 92. Fig. 3. Die letzten Dorsalwirbel und die distalwärts folgenden Wirbel des- selben Objektes; Ansicht der rechten Seite, cf. pag. 107, 108. un VER, ae ir u h Ey A Vee i al Ba AD 5 Ay ‘ "7 5 , i wa ea & ie ES BERN gi a ’ 1 i re 1 i he Y he i. Albi : i, V7 Ad " TT Ph f A y 2) al : ar i } ovata kt y a KO OL AR EEE : a er 2 hae at fof) 4 ih i f a a) N; nf i by ‘" it Hy Ki Be ER N ACH, hi rigt 194° 20.4° Fig.1 2413 251+ 3615 Morpholog. Jahrbuch Bd.XXVIL > Taf V tel Meisenbach Riffarth u.Co., Leipz Die Schilddrüse, Thymus und andere Schlund- spaltenderivate bei der Eidechse. Von Professor F. Maurer in Heidelberg, Mit Tafel VI—VIII und 4 Figuren im Text. Als ich vor Jahren meine Untersuchungen über die Schilddrüse, Thymus ete. bei Teleostiern und Amphibien veröffentlichte, hatte ich die Absicht, diese Organe auch bei höheren Formen zu untersuchen. Es unterblieb, weil mich seither andere Fragen beschäftigten. In- zwischen sind zahlreiche Arbeiten über die genannten Organe bei Säugethieren erschienen. Von diesen schlossen sich wohl die ersten an meine Arbeiten an und übernahmen auch meine Bezeichnungen, in den Arbeiten der letzten Jahre aber sind meine Arbeiten gar nicht mehr erwähnt!. Indem ich im Folgenden den Fachgenossen die Befunde der Schilddrüse, Thymus und anderen Schlundspaltenreste bei der Ei- dechse vorlege, greife ich die schon früher angeregten Fragen wieder auf und halte dabei den von der Natur vorgezeichneten Weg ein. Wie ich zuerst in den Knochenfischen (Salmo, Esox) Wirbelthiere untersuchte, welche zeitlebens die Kiemenathmung beibehalten, kamen in Anschluss daran die Amphibien zur Bearbeitung, bei welchen während des Larvenlebens der cadueibranchiaten Formen eine Kiemenathmung besteht. Mit dem Übergang zum Landleben und der Lungenathmung erleidet in der Ontogenese der Kiemenapparat eine Rückbildung. 1 Eine genauere Berücksichtigung haben sie in allerjüngster Zeit gefunden in der umfassenden Abhandlung von VERDUN (13), auf die ich noch zurück- komme. 120 F. Maurer Nachdem die hier bestehenden Verhältnisse genau bekannt geworden sind, handelt es sich wohl darum, die niedersten Amnioten vorzu- nehmen, bei welchen zum ersten Male ein respiratorischer Kiemen- apparat überhaupt nicht zur Ausbildung kommt. Erst wenn die Zustände bei diesen Formen genau festgestellt sind und ihr Verhalten mit den Befunden bei niederen Wirbelthieren verglichen worden ist, so dass ihr Zustandekommen verständlich ist, wird man zu den höheren Formen übergehen können. Es sind die thatsächlichen Befunde von vielen Säugethieren schon bekannt geworden, aber die Deutung der Befunde und speciell die Ableitung von niederen Zuständen ist bis jetzt nieht mit der nöthigen Genauigkeit möglich, weil die Grund- lage zur Vergleichung fehlt. Dies betrifft auch die Arbeiten über diesen Gegenstand von DE MEURON, VAN BEMMELEN und VERDUN!. Einleitung. Bei Fischen, welche zeitlebens die Kiemenathmung beibehalten, bestehen neben dem funktionirenden Kiemenapparat: die Schilddrüse, die Thymus und der Supraperikardial- oder postbranchiale Körper, der letztere nicht bei allen Formen. Die unpaar sich anlegende Schilddrüse ist von W. MÜLLER auf Anregung HAECKEL’s hin als homolog der Hypobranchialrinne der Tunicaten bezeichnet und bei niederen Wirbelthieren beschrieben worden. Bei Petromyzonten ist sie in früheren Entwicklungsstadien noch ein secernirendes Organ. Ihre phylogenetische Ableitung ist somit sichergestellt. Sie besteht in Form von geschlossenen Bläschen (von Epitbel ausgekleidet und mit Colloid gefüllt) bei allen Fischen, welche daraufhin untersucht wurden (VAN BEMMELEN, DOHRN, MAURER). Bei Knochenfischen umgiebt sie in Form vieler kleiner Bläschen- komplexe den Stamm der Kiemenarterie (MAURER). 1 Die Arbeiten der Ersteren erschienen vor meiner Arbeit über die Am- phybien und VERDUN giebt in Betreff der Amphibien ein Referat meiner Ar- beit, hinsichtlich der Reptilien beschränkt er sich auf eine Wiederholung der Angaben DE MEURON’s und VAN BEMMELEN’s. Die große Abhandlung VERDUN’S ist immerhin eine ausgezeichnete Arbeit, welehe für alle folgenden Autoren eine Grundlage bilden wird. Sie ist erschienen, als die hier folgenden Unter- suchungen über Lacerta schon vollkommen abgeschlossen und niedergeschrieben waren. Ich habe an Ostern 1898 schon über diese Fragen auf der Versamm- lung der Anatomischen Gesellschaft berichtet und das Manuskript meines Vor- trages ist bereits vor dem Erscheinen des Verpun’schen Buches zum Druck gekommen. Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 121 Die Thymus ist von DoHrn zuerst bei Selachiern geschildert und abgebildet worden. Sie geht aus Wucherungen des Epithels der dorsalen Taschen der Kiemenspalten hervor. Diese Wucherun- - gen schließen sich dorsalwärts an die sprossenden inneren Kiemen an. In Hinblick darauf wurde von Dourn ein Versuch der phylo- genetischen Deutung der Thymus gemacht. Donrn erblickt darin Aquivalente von nicht mehr zur Ausbildung kommenden Kiemen- sprossen. Dagegen ist einzuwenden, dass Kiemensprossen sich nur in einer gewissen Ausdehnung von der Wandung der Kiemenspalten ausbilden. Ein Übergreifen auf weitere Strecken ist nirgends beob- achtet worden. Wenn dorsal Epithelwucherungen entstehen, so hat man nicht das Recht, diese als Kiemenrudimente zu betrachten, denn solche könnten alsdann auch an allen anderen Grenzstellen der Kiemen entstehen. Die dorsalen Epithelwucherungen setzen voraus, dass hier dorsal von den Kiemen noch andere Gebilde bestanden, welche die stammesgeschichtliche Grundlage der Thymus darstellen. Welcher Art diese Bildungen waren, ist bis jetzt nicht anzugeben, so dass die Phylogenese der Thymus noch nicht erkannt ist. Bei Selachiern lösen sich die Thymuswucherungen sehr rasch von ihrem Mutterboden ab und verschmelzen zu einer einheitlichen Masse jederseits mit einander. So kommt ein lappiges Organ in paariger Anordnung zu Stande, welches dorsal von den Kiemenspalten ange- ordnet ist (Dourn). Bei Teleostiern (Salmo, Cottus, Esox, Gadus, Gasterosteus) bildet sich die Thymus ebenfalls aus Epithelwuche- rungen der dorsalen Kiementaschen. Sie verschmelzen beiderseits zu einer einheitlichen Masse, die aber sehr lange, oft noch beim ausgewachsenen Thier (Gasterosteus), mit ihrem Mutterboden in Zu- sammenhang bleibt. Hier liegt sie dann gleichfalls dorsal und lateral von den Kiemenspalten und ist vom Kiemendeckel überlagert (MAURER 5, 6). Auch bei Cyelostomen sind in neuerer Zeit Wucherungen der dorsalen Taschen der Kiemenspalten beschrieben worden, welche “wohl mit Recht der Thymus der höheren Fische gleichgestellt wur- den. Hier sind nicht nur dorsale, sondern auch ventrale Epithel- knospen an sieben Spalten jederseits vorhanden (SCHAFFER). Ob wir diese dorsalen und ventralen Gebilde in gleicher Weise als Thymus ansprechen dürfen, erscheint mir sehr zweifelhaft. Einen Versuch ihrer Deutung will ich am Schlusse der vorliegenden Ar- beit geben. In histologischer Beziehung bietet die Thymus bei Fischen ein 122 F. Maurer gleichartiges Verhalten dar. Den ersten Zustand bilden epitheliale kompakte Zellenwucherungen. In diese dringen von der Umgebung mesodermale Elemente und Blutgefäße ein. Es entwickelt sich dann ein lymphatisches Organ. Zwischen den Lymphzellen treten die koncentrischen (HASALL’schen) Körperchen auf, in welchen man Reste der epithelialen Thymusanlage erblicken muss. Im Centrum des Organs treten bei Knochenfischen späterhin Erweichungsherde auf, wodurch eine Rückbildung des ganzen Gebildes eingeleitet wird. Diese führt aber auch bei alten Thieren nicht zum völligen Schwund. Aus dem feineren Bau des Organs bei Fischen ergiebt sich die Be- _ rechtigung, dasselbe für gleichwerthig der Thymus der Säugethiere zu erachten (MAURER 6, 7, SCHAFFER 11). Der Supraperikardial- oder postbranchiale Körper ist von VAN BEMMELEN (1) bei Selachiern zuerst entdeckt und beschrieben worden. Er bildet sich als eine paarige Ausstülpung der ventralen Schlundwand hinter der letzten Kiemenspalte. Diese Ausstülpung schnürt sich rasch von ihrem Mutterboden ab und liegt als paariges kugeliges Bläschen jederseits dem vorderen Theil des Perikards auf. In Folge dieser Anordnung hat van BEMMELEN dies Gebilde als Supraperikardialkörper bezeichnet. Das Bläschen wuchert weiter und erzeugt eine große Anzahl geschlossener mit Epithel ausge- kleideter gleichartiger Gebilde. Von diesen Bläschen sagt van BEMMELEN weiter (l. ec. pag. 169): »womit ihr Innenraum gefüllt ist, weiß ich nicht genau zu sagen, es macht mir aber den Eindruck, als ob er eine Flüssigkeit enthielt«. Bei Teleostiern, welche ich untersucht habe, fand ich einen solchen Supraperikardialkörper nicht; doch sind das nur wenige Formen, so dass ich nicht sagen möchte, dass ein solches Organ bei Knochenfischen überhaupt fehle. Im Anschluss an die Befunde bei Fischen untersuchte ich Amphibien. Bei Urodelen und Anuren bestehen verschiedene Verhältnisse. Bei beiden ist der Larvenbefund verschieden von den Zuständen nach der Metamorphose. Die Perennibranchiaten und Urodelenlarven zeigen die einfachsten Befunde, die leicht mit den Zuständen bei Fischen in Einklang zu bringen sind. Auch hier findet man die offenen Kiemenspalten. Die äußeren Kiemen kom- men für unsere Fragen nicht in Betracht. Innere Kiemen sind durch die vier Kiemenplatten dargestellt. Auch bei diesen Formen’ besteht nun neben dem respiratorischen Kiemenapparat eine Schild- drüse, Thymus und postbranchialer Körper. Die beiden erstgenannten Organe verhalten sich genau wie bei = Ferre Te Schilddriise, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 123 ‘Fischen. Die Schilddrüse legt sich unpaar an als Ausstülpung der ventralen Wand der Kopfdarmhöhle, gerade vor der vorderen Theilungsgabel des Herzschlauches. Sie schnürt sich sofort von ihrem Mutterboden ab. Ihr Bau ist der gleiche wie bei Fischen. Die durch Wucherung größer gewordene Anlage theilt sich in zwei Hälften und bildet ein paariges Organ, das aus Colloid enthaltenden, mit Epithel ausgekleideten Bläschen besteht (W. MULLER). Die Thymus geht ebenfalls aus einer Epithelwucherung der dorsalen Taschen von drei oder vier Kiemenspalten hervor. Sie lösen sich frühzeitig von ihrem Mutterboden ab, und die Derivate der einzelnen Kiemenspalten bleiben in vielen Fällen von einander getrennt, so dass man jederseits mehrere hinter einander liegende Thymusknötchen findet, und zwar drei bis vier an der Zahl. Die postbranchialen Körper der Urodelenlarven verhalten sich verschieden. Stets bilden sie sich hinter der letzten Kiemen- spalte aus. Bei den von mir untersuchten Formen (Triton, Siredon, Salamandra) findet er sich nur linksseitig. Bei Necturus hat Miss Prarr ihn doppelseitig gefunden und meine früheren Angaben er- gänzt. Auf die Bedeutung dieser Sache komme ich noch zurück bei Besprechung der Befunde an der Eidechse. Für mich war die Anordnung der fraglichen Gebilde hinter der letzten Kie- _ menspalte maßgebend für ihre Benennung. Van BEMMELEN nannte die Organe Supraperikardialkörper und deutet sie aller- dings phylogenetisch als Rudiment einer letzten Kiemenspalte. Nun ist aber die Zahl der vor diesem Organ gelegenen Kiemenspalten nicht gleich. Bei Selachiern liegen sieben, bei Triton bloß fünf Kiemenspalten davor. Das erschwert die Deutung dieser Gebilde als rudimentäre Spalten. Jedenfalls wären dann die gleichbenann- ten Gebilde bei Selachiern und Urodelenlarven nur serial ho- molog. Das ist nicht erwiesen. Ich muss bis jetzt diese Organe - für vollkommen homolog halten. Sie liegen eben hinter der letzten Kiemenspalte, mag diese nun die fünfte oder sie- bente sein. Somit scheint mir die Bezeichnung postbranchialer Körper, der ihre wichtigste Beziehung berücksichtigt, geeigneter als die Benennung: Supraperikardialkörper. Die zufällig topographische Beziehung zum Perikard ist bei Urodelen nicht sehr ausgeprägt und später gar nicht mehr vorhanden. Hinsichtlich des feineren Baues stellt dieses Organ bei Urodelen nur links, hinter der fünften Kiemenspalte gelegen, einen langen - ‚mit Epithel ausgekleideten, an beiden Enden blind endigenden 124 | F. Maurer Schlauch dar, von dem sich einzelne kugelige Bläschen abgeschnürt haben. Nirgends besteht Colloid im Lumen. Zur Zeit der Metamorphose verkümmern nun die äußeren Kie- men, die Kiemenplatten schließen sich zusammen und es bilden sich unter völligem Verschluss der Kiemenspalten durch Wucherung des Epithels der zweiten und dritten Spalte jederseits zwei kleine ei- förmige Körperchen aus, welche ventral von der Thymus liegen und von vorn herein von ihr getrennt sind, da sich die Thymus ja schon früher von ihrem Mutterboden abgelöst hatte. Da diese Körperchen epithelialen Ursprungs sind, habe ich sie als Epithelkörperchen bezeichnet. Sie zeigen ein Gewebe, wie es sonst nirgends vorkommt: sie bestehen aus fest zusammengepressten Zellen, welche in eigen- thümlich spiraligen Windungen angeordnet sind, offenbar durch den Druck einer äußeren bindegewebigen Kapsel. Ich habe diesen Bau in meiner früheren Arbeit auch bildlich dargestellt. Außer diesen Epithelkörperchen, welche von den großen Arterienbogen direkt kleine Ästehen beziehen (s. meine Abbildungen Morphol. Jahrbuch, Bd. XIII, Taf. XI Figg. 10, 23—26), bildet sich zur Zeit der Metamorphose bei Urodelen auch die Carotidendrüse aus. Sie entsteht an der Stelle, wo sich die ventrale Fortsetzung der ersten Kiemenvene mit der ersten Kiemenarterie verbindet. Ob das Epithel der ersten Kiemenspalte an ihrer Bildung Theil nimmt, konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden. So kommen also bei Urodelen während der Metamorphose zur Schilddrüse, Thymus und postbranchialen Körper noch die Carotiden- drüse und Epithelkörperchen, letztere sicher als Derivate der Kiemen- spalten, hinzu. Bei Anuren sind die Verhältnisse anders. Hier finden wir bei ganz jungen Larven, Kaulquappen mit stark entwickelten äußeren Kiemen, bei welchen die inneren Kiemen gerade sich auszubilden beginnen, die unpaare Schilddrüse, ferner die Thymus, welche hauptsächlich aus der dorsalen Tasche der dritten Kiemenspalte sich entwickelt, und den postbranchialen Körper, welcher sich stets paarig hinter der letzten Kiemenspalte als kugeliges Bläs- chen anlegt. Zugleich aber bildet sich jetzt schon erstens vom ventralen Ende der ersten Kiemenspalte eine kleine epitheliale Knospe, welche sich an der Stelle, wo die ventrale Fortsetzung der ersten Kiemenvene den Stamm der ersten Kiemenarterie kreuzt, zwischen beide Gefäße einschiebt und die epitheliale Anlage der Carotidendriise darstellt. Diese bildet sich unter Entwicklung eines Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 125 Gefäß-Anastomosen-Netzwerkes zwischen den genannten Gefäßen während der Larvenzeit schon fertig aus. Ferner bilden sich in Form kleiner epithelialer Knospen die Epithelkörperchen der Anu- renlarven.aus. Sie entstehen von der ventralen Tasche sowohl der zweiten als auch der dritten Kiemenspalte aus und lösen sich sehr rasch von ihrem Mutterboden ab. Diese Organe, die bei Urodelen erst zur Zeit der Metamorphose zur Ausbildung kommen und bei Perennibranchiaten ganz fehlen, treten bei Anuren schon in ganz früher Larvenperiode auf. Diese Verschiedenheit zwischen Anuren und Urodelen habe ich schon früher gedeutet. Sie findet ihren Grund in der Ausbildung der inneren Anurenkiemen, welche den Urodelen ganz fehlen. Sie bilden sich bei Anuren an der Strecke aus, welche der direkten Anastomose zwischen Kiemenarterie und Kiemenvene der drei vorderen Gefäßbogen bei Urodelenlarven ho- molog ist. Dies wurde schon früher genau von mir dargestellt (8, 9). Wir sehen dadurch die zur Bildung der Epithelkörperchen bestimm- ten Theile der zweiten und dritten Kiemenspalte ganz weit ventral- wärts herunter geschoben, schon in der Zeit, wann die inneren Kiemen der Anurenlarven sich bilden. Ferner sehen wir dann bei Anuren während der Metamorphose noch Reste der inneren Kiemen auftreten, die ich als dorsale, mittlere und ventrale be- zeichnete. Die letzteren sind am meisten verbreitet und am kon- stantesten. Sie bestehen, wie die mittleren und dorsalen Reste, aus lymphatischem Gewebe. Die Epithelkörperchen zeigen den gleichen _ Bau wie bei Urodelen, eben so die Carotidendriise. Die ventralen Kiemenreste wurden früher mehrfach als Schilddrüse beschrieben. Die inneren Kiemenreste der Anuren sind naturgemäß an das Be- | stehen solcher Kiemen geknüpft, sie kommen also nur den Anuren | speciell zu, wir dürfen Homologa derselben, so wenig wie sie bei Urodelen bestehen, eben so wenig bei Amnioten erwarten. | Aus meinen früheren Arbeiten (7, 8, 9) ergiebt sich, dass ich die Epithelkörperchen der Anuren und Urodelen für homolog halte. In Anschluss an diese Befunde bei Amphibien entsteht nun die Aufgabe zu untersuchen, wie bei den niedersten Amnioten sich die Ausbildung der Schilddrüse, Thymus und des postbranchialen Kör- pers vollzieht, ob hier, wo respiratorische Kiemen überhaupt nicht mehr zur Ausbildung kommen, bei dem Verschluss der Kiemenspalten noch Gebilde irgend welcher Art aus dem Epithel der Kiemenspalten _ entstehen und ob solche mit Kiemenresten der Amphibien verglichen werden dürfen. ” 126 F. Maurer Die fraglichen Organe sind schon mehrfach untersucht worden. Gerade bei der Eidechse haben DE Meuron und vAN BEMMELEN die Entwieklungsvorgänge geschildert und auch Abbildungen davon gegeben. Nach Beiden bildet sich die unpaare Anlage der Schild- drüse bei der Eidechse eben so wie bei niederen Wirbelthieren aus. Die Thymus entsteht aus den dorsalen Taschen der zweiten und dritten Schlundspalte. Dr Meuron nimmt auch noch Theile der vierten Spalte dafür in Anspruch. Das Schema, welches DE MEURON von den Verhältnissen bei Lacerta giebt (Taf. XXVII C), ist unvoll- ständig, da die Carotidendriise ganz fehlt. Der Supraperikardial- körper VAN BEMMELEN’s, den DE Meuron als Glande thyreoide ac- cessoire bezeichnet, bildet sich nach beiden Autoren nur linksseitig aus. Hinsichtlich der Zahl der bei Lacerta zum Durchbruch kom- menden Schlundspalten stimmen beide nicht überein. DE MEURON giebt ihre Zahl auf vier an, VAN BEMMELEN schildert fünf solche. Auch in Betreff der Thymus sind beide nicht einig. DE MEURON schildert die Thymus jederseits als ein einheitliches Gebilde, wäh- rend van BEMMELEN die Derivate der zweiten und dritten Schlund- spalte stets getrennt bleiben lässt, so dass auf jeder Seite zwei ge- sonderte Thymusknötchen liegen. Es bestehen somit hinsichtlich des thatsächlichen Verhaltens dieser Organe bei Lacerta Kontroversen, die eine nochmalige genaue Untersuchung wünschenswerth erscheinen lassen. Ferner sehe ich meine Hauptaufgabe in Anschluss an die Klarstellung der Thatsachen in der Vergleichung mit den Zuständen der Anamnien, welche von den genannten Autoren noch nicht ge- geben werden konnte wegen mangelnder Kenntnis der bei Am- phibien bestehenden Verhältnisse. Auf die Angaben von VAN BEM- MELEN und DE MEURON werde ich bei Schilderung der Befunde zurückkommen. Hier füge ich noch an, dass van BEMMELEN werth- volle Angaben über die Zustände bei anderen Reptilien gemacht hat, woraus hervorgeht, dass bei Schlangen, Schildkröten und Krokodi- liern komplieirtere Zustände bestehen, als bei Lacertiliern. Aus den Darstellungen, welche VERDUN giebt, wird die Be- ziehung der Thymus und Epithelkérperchen (Corpuscules glanduli- formes) zur Schlundspalte nicht klar. Die Schemata, welche er von Am- phibien nach meinen Arbeiten und von Reptilien nach van BEMMELEN giebt, sind unbrauchbar. Demnach würden die Epithelkörperchen bei Reptilien aus ganz anderen Theilen der Schlundspalten hervor- gehen als bei Amphibien. Das entspricht nicht den thatsächlichen Verhältnissen, eben so wenig wie die Darstellung ihrer Beziehung Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 127 zur Thymus (s. VERDUN die Tafel der Schemata pag. 202). Da ich auf die Verhältnisse bei Säugethieren in einer späteren Arbeit zu- rückzukommen gedenke, unterlasse ich hier auf die wichtigste Litte- ratur, die bis jetzt darüber vorliegt, einzugehen. Befunde. Den folgenden Schilderungen lege ich eine von mir selbst ge- züchtete Entwicklungsserie von Lacerta agilis zu Grunde. Die jüng- sten Embryonen wurden aus Uteruseiern, die älteren aus abgelegten Eiern genommen und für die hier zu behandelnden Fragen in Chrom- Osmium-Essigsäure konservirt. Die in Paraffin eingebetteten Objekte, für unsere Fragen nur Kopf und Hals der Embryonen, wurden theils in Quer-, theils in Sagittalschnittserien zerlegt. Das jüngste Stadium, das hier in Betracht kommt, entspricht einem Embryo, der aus einem Uterusei entnommen wurde. Er zeigte sich noch gestreckt dem Dottersack aufgelagert und besaß eine Länge von 4mm. Zur Charakterisirung führe ich an, dass Linsen- anlage und Gehörbläschen gerade im Begriff sind, sich zu geschlos- senen Blasen vom Ektoderm abzulésen. Von der Kopfdarmhöhle zeigt sich die erste Schlundspalte, hinter dem Kieferbogen gelegen, durchgebrochen. Die zweite Schlundtasche erreicht das Ektoderm, ist aber noch geschlossen. Die dritte Schlundtasche ist noch kaum an- gedeutet und die hinteren sind noch gar nicht erkennbar. Gerade hinter der ersten Schlundspalte hat sich von der ven- tralen Wandung der Kopfdarmhöhle eine halbkugelige Einsenkung gebildet, deren Wandung aus hohen eylindrischen Zellen besteht. Diese gehen allseitig in das niedrigere Epithel der Kopfdarmhöhle über. In dieser Ausbuchtung haben wir die erste Anlage der Glan- dula thyreoidea vor uns, die schon bekannt ist (VAN BEMMELEN, DE - Meuron). Taf. VI Fig. 1 stellt einen Querschnitt dieses Gebildes dar. Man erkennt auf der Abbildung, dass die Schilddrüsenanlage in die vordere Theilungsgabel des Herzschlauches hereinragt, ein - Verhältnis, auf das ich bei der Anlage dieses Organs auch bei Te- . leostiern und Amphibien schon hingewiesen habe. Ich führe dieses Stadium hier an, um zu zeigen, dass die unpaare Anlage der Schild- 4 drüse bei der Eidechse in der Ontogenese sehr frühzeitig auftritt, zur _ Zeit, wo erst die Kieferspalte allein durchgebrochen ist und der ganze übrige Schlundbogen- und -Spaltenapparat noch nicht an- ; gelegt ist. Die Art und der Ort der Schilddrüsenanlage, sowie ihre 128 -F. Maurer Beziehung zum Herzschlauch ist die gleiche wie bei anamnien Wirbel- thieren. Das zweite Stadium, welches hier zu schildern ist, entspricht Embryonen von Lacerta, welche fünf Tage nach der Ablage aus dem Ei genommen wurden. Hier sind vier Kiemenspalten durch- gebrochen und jede zeigt besondere Verhältnisse, welche für die Ausbildung ihrer späteren Derivate eine Grundlage bilden. Ich gebe auf Taf. VI Figg. 2—7 in Querschnittsbildern die Dar- stellungen der einzelnen Spalten. Eine jede Figur ist aus mehreren Schnitten kombinirt. Fig. 2 zeigt das Verhalten der ersten Schlund- spalte, welehe hinter dem Mandibularbogen liegt. Man erkennt hier die einfache offene Spalte. Von ihrer dorsalen Wandung erstreckt sich dorsal und medialwärts, schräg verlaufend, ein solider Zellenstrang zwischen zwei Blutgefäße hinein. Lateral von diesem Zapfen liegt die Vena jugularis (vj), medial der erste Arterienbogen (art) im Querschnitt. Der hier dargestellte dorsale Zellenzapfen erhält Be- deutung, wenn man die zweite Schlundspalte in Vergleichung zieht. Daraus ergiebt sich, dass man es hier mit einer Bildung zu thun hat, die einer Thymusknospe entspricht. Ganz Ähnliches habe ich auch früher an der ersten Schlundspalte von Rana beschrieben (7). Dieses Gebilde bei Lacerta wurde von VAN BEMMELEN und DE MEURON übersehen. Die zweite Schlundspalte, hinter dem Hyoidbogen, ist auf Fig. 3 dargestellt. Man erkennt ihre dorsale Tasche, welche medial- wärts gekrümmt einen kompakten Zellenstrang mit leicht verdicktem Ende bildet. Dieses Gebilde erstreckt sich zwischen Vena jugularis und Ganglion und Arterienbogen hinein, so dass letzterer medial, Vene und Ganglion lateral von ihm liegen. Hier haben wir eine bleibende Thymusknospe vor uns, welche somit eine Wucherung des Epithels der dorsalen Kiementasche darstellt. Im Übrigen ist das diese Schlundspalte auskleidende Epithel gleiehartig ausgebildet und stimmt mit dem Epithel der Kopfdarmhöhle, in welche es kontinuir- — lich übergeht, vollkommen überein. Ich schließe mich hierin den An- gaben von DE MEURON und VAN BEMMELEN an. Auf diesem Schnitte ist auch die Anlage der Schilddrüse zu erkennen. Dieses Organ hat sich nieht nur von seinem Mutterboden, dem Epithel der Kopf- darmhöhle, ganz abgelöst, sondern zeigt auch schon Wucherungs- vorgänge seiner Elemente, welche eine Vergrößerung des Gebildes vorbereiten. Sie stellt jetzt noch ein einheitliches Bläschen von rundlicher Form dar, das ein einheitliches Lumen besitzt. Dies Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 129 letztere ist aber durch Einwucherung des Epithels der Wandung zu einem feinen Spaltraum geworden, der unregelmäßige Form zeigt: Es erscheint auf dem vorliegenden Schnitt dreitheilig. Die Anord- nung des Organs ist noch die frühere, es liegt noch vor der Thei- lungsgabel des ersten Arterienbogens, der. allerdings schon sehr schmächtig geworden ist, da er von den Arterienbogen der hinteren Schlundbogen schon überflügelt ist. Die dritte Schlundspalte, auf Fig. 4 dargestellt, ist ebenfalls weit offen. Auch hier erkennt man das Epithel ihrer dorsalen Tasche in starker Wucherung begriffen. Es bildet eine kompakte Zellen- knospe, welche gerade dorsalwärts zwischen der medial gelegenen Arterie und der lateralen Vena jugularis hinaufragt. Im Übrigen zeigt auch hier das Epithel dieser Schlundspalte noch einfaches Ver- halten, übereinstimmend mit dem Epithel der Kopfdarmhöhle dieser Gegend. Während das Verhalten dieser drei ersten Schlundspalten auf der rechten und linken Körperhälfte völlig übereinstimmen, zeigt die vierte Kiemenspalte rechts und links verschiedenen Befund, was in späteren Stadien auch zu Weiterungen führt. Fig. 5 stellt die vierte Schlundspalte der linken Seite dar. Dieselbe zeigt keine dorsale und keine ventrale Tasche und ihr Epithel ist überall ein- fach und gleichartig ausgebildet. Sie besteht aus einem engen, zuerst leicht ventral-abwärts, dann horizontal-lateralwärts verlau- fenden Kanal. Auf dem gleichen Querschnitt mit ihr liegt der Aditus laryngis. Dorsal von der Spalte liegen zwei Aortenwur- zeln, ventral die Arteria pulmonalis. Man erkennt dorsal Arterie, Ganglion und Vena jugularis, genau wie auf Fig. 3 von der zwei- ten Schlundspalte, aber es fehlt hier die dorsal zwischen diese Organe einragende Epithelknospe. Fig. 6 zeigt die vierte Schlund- spalte der rechten Körperseite. Auch diese stellt einen engen Kanal dar, dem sowohl dorsale wie ventrale Tasche fehlt. Er verläuft wie links zuerst leicht ventralwärts gekrümmt abwärts und dann horizontal-lateralwärts.- Aber genau an der Stelle, wo der horizon- . tale Verlauf beginnt, es ist dies etwa in der Mitte der Länge des ganzen Kanals, zeigt diese Spalte eine bläschenförmige kugelige Erweiterung. Während das Epithel der ganzen Spalte eben so ein- fach und gleichartig ausgebildet ist wie auf der linken Seite, zeigt es sich im Bereich der bläschenartigen Erweiterung zu hohen Cylinderzellen verdickt. Die ganze Spalte hat kein einheitliches Morpholog. Jahrbuch. 27. 9 130 F. Maurer Lumen, sondern ihr lateraler horizontal verlaufender Theil stellt einen kompakten Zellenstrang dar und das erwähnte Bläschen be- sitzt ein eigenes Lumen, welches medialwärts ebenfalls abgeschlossen ist. Gerade dorsal über dem Bläschen liegt die vom dritten Arterien- bogen stammende Aortenwurzel. Hinter dieser vierten Spalte, die beiderseits in der geschilderten Weise verschieden ausgebildet ist, finde ich in diesem Stadium am vorliegenden Exemplar keine fünfte Kiemenspalte mehr. Auf der rechten Seite verjüngt sich die Vorder- darmhöhle allmählich zum Ösophagus, der noch kein Lumen besitzt. Vorher, so weit sich das Lumen erstreckt, erscheint dieser im Quer- schnitt halbmondförmig mit dorsaler Konvexität. In der Mitte seiner ventralen Wand findet sich der Aditus laryngis. Auf der linken Seite wird dieser Übergang in den Ösophagus dadurch komplieirt (Fig. 7), dass unmittelbar hinter der vierten Kiemenspalte ein ventral- wärts gerichtetes kugeliges Bläschen ausgebildet ist, welches gerade an die Lungenarterie herabreicht. Dieses Bläschen, dessen weites Lumen in offener Kommunikation mit dem Darmlumen steht, besitzt eine Wandung aus sehr hohen Cylinderepithelzellen, die in das niedrigere Darmepithel kontinuirlich übergehen. Dieses nur links vorhandene Bläschen ist, was ich besonders betone, hinter der vierten Kiemenspalte und sein Epithel ist viel höher, wie auch das ganze Gebilde etwa doppelt so groß ist wie die auf der rechten Seite geschilderte kleinere bläschenförmige Erweiterung im Verlauf der vierten rechten Schlundspalte. Diese beiden Gebilde sollen also zunächst nicht für gleichwerthig gehalten werden. Wir haben zu- erst ihr späteres Schicksal zu untersuchen. Das im Vorstehenden geschilderte Stadium von Lacerta ist von großem Interesse, weil es eine Vergleichung mit den Befunden bei kiemenathmenden Wirbelthieren, speciell den Teleostiern und Urodelenlarven gestattet. Zunächst ist die unpaare Anlage der Schilddrüse und ihre An- ordnung genau übereinstimmend mit jenen Formen. Ferner. sehen wir, dass Thymusanlagen dargestellt sind durch Wucherungen des Epithels der dorsalen Taschen von den drei ersten Kiemenspalten, - es bestehen also wie bei Knochenfischen und Amphibienlarven dor- sale Thymusknospen. Außerdem ist bei Lacerta auf der linken Seite ein postbran- chialer Körper schon in diesem Stadium bei offenen Schlundspalten angelegt, genau wie bei Anuren, bei welchen er allerdings doppel- seitig auftritt. Aber die Form der Anlage ist die gleiche hier wie Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 131 dort. Bei Urodelenlarven tritt dies Gebilde aber nach meinen früheren Schilderungen ebenfalls nur linksseitig auf. Von Epithelkörperchen, die bei Anuren schon in früher Larven- periode sich ausbilden, ist hier bei Lacerta noch nichts zu erkennen, dieser Befund ist mit den Zuständen bei Urodelenlarven zu ver- gleichen, wo ebenfalls die Epithelkörperchen noch nicht angelegt sind. Die bläschenförmige Erweiterung im Verlauf der vierten rechten Schlundspalte ist zuerst noch auf ihr späteres Verhalten zu prüfen, bevor man sie deuten kann. Wir haben nun im folgenden Stadium zu untersuchen, in wel- cher Weise der Verschluss der Kiemenspalten die Weiter- bildung der Schilddrüse, Thymus und des postbranchialen Körpers beeinflusst und ob hierbei nun weitere Epithelwuche- rungen auftreten, die etwa eine Vergleichung mit den Epithelkör- perchen der Amphibien, speciell der Urodelen gestatten. Ich wähle hierzu einen Embryo, der acht Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Die Querschnittbilder Taf. VI Figg. 8—12 stellen die hier bestehenden Verhältnisse dar. Die erste Schlund- spalte ist abgeschlossen, sie ist in ihren lateralen Theilen jetzt noch sehr eng. Es besteht aber eine dorsale Tasche, die dem Befund des letzten Stadiums (Fig. 2) entspricht. Man erkennt hier, dass sich eine kleine kompakte Gruppe von Epithelzellen von dem dor- salen Gipfel dieser Tasche abgelöst hat und zwischen dem Stamm der Vena jugularis und Arteria carotis lagert. Auf dem Quer- schnitt besteht dies Gebilde etwa aus fünf bis sechs Zellen, und im Verlauf der Serie stellt es sich als ein kleines kugeliges Körper- chen dar. Auch die zweite Schlundspalte ist abgeschlossen. Sie ist auf Fig. 8 in ihrer ganzen Ausdehnung dargestellt. Ihr mächtigster Theil ist die dorsale Thymusknospe (7'm.f), welche durch einen schlanken Epithelstiel noch mit der Schlundwand in Verbindung steht. Die Thymusknospe selbst bildet ein birnförmiges kompaktes - Knötchen, aus gleichartigen Zellen zusammengesetzt, die epithelialer - Herkunft sind. Sie lagert zwischen Aortenwurzel und Vena jugu- laris dorsal vom Sehlundrohr und zeigt noch den gleichen schräg - dorsal- und medialwärts gerichteten Verlauf wie im vorigen Stadium. Der übrige Theil der zweiten Schlundspalte besteht aus niederem - Epithel, das keinerlei Wucherungserscheinungen zeigt, vielmehr den Beginn der Rückbildung erkennen lässt. So besitzt die ventrale Tasche schon gar kein Lumen mehr, erstreckt sich vielmehr als dünner kom- O* 132 F. Maurer pakter Zellstrang ventral- und medialwärts eine kurze Strecke weit unter den ventralen Schenkel des knorpeligen Hyoidbogens, um dann blind zu endigen; er erreicht also nicht mehr das Ektoderm. Nach diesem Befund ist nicht zu erwarten, dass außer der dorsalen Thy- mus von der zweiten Schlundspalte später ein weiteres Derivat übrig bleiben werde. Die Anlage der Schilddrüse (Fig. 9) ist an ihrer alten Stelle vor der Theilungsgabel des Arterienstammes. Sie hat sich wesentlich ver- breitert, besitzt aber immer noch einen Rest ihres früheren einheit- lichen Lumens. Die Zellen ihrer Wandung haben sich reichlich vermehrt, liegen in lockeren Gruppen zusammengeschlossen. Colloid ist noch nicht gebildet, es bestehen auch noch keine abgrenzbaren, mit Lumen versehenen Bläschen. Den komplicirtesten Befund zeigt die dritte Schlundspalte. Auf Figg. 9 und 10 ist sie dargestellt. Fig. 9 zeigt die Schilddrüsen- anlage dieses Stadiums. Auf der rechten Seite ist der erste und zweite Arterienbogen dargestellt, welche sich dorsal in die Aorten- wurzel fortsetzen. Dorsal über der Aortenwurzel liegt ein kreisrunder Querschnitt, welcher schon der dorsalen Thymusknospe der dritten Schlundspalte zugehört. Zwischen den beiden Arterienbogen erkennt man zwei kleine Zellenkomplexe, die ebenfalls der dritten Schlund- spalte angehören, wie die nächsten Schnitte ergeben. Auf Fig. 10 ist die dritte linke Schlundspalte in ihrer ganzen Ausdehnung zu über- sehen (vgl. auch Taf. VIII Fig. 32). Sie ist nach außen abgeschlossen, d. h. sie besteht nicht mehr als offene Spalte. Sie steht aber noch mit dem Schlundrohr in offener Kommunikation. Man hat an ihr drei Theile zu unterscheiden: einen dorsalen, mittleren und ventralen. Der dorsale Theil ist keulenförmig verdickt und enthält die schon im vorigen Stadium bestehende dorsale Thymusknospe. Dieselbe besitzt keinerlei Lumen, sondern besteht aus einer kompakten Masse gleichartiger Zellen, welche alle epithelialer Herkunft sind. Die äußerste Zellenlage stellt noch ein Cylinderepithel dar, während im Inneren dieses Gebildes locker zusammengelagerte rundliche Zellen liegen, an welchen zahlreiche Mitosen nachweisbar sind. Ventralwärts geht diese dorsale Thymusknospe mit einem nur | leicht verjüngten Stiel in den mittleren Theil der dritten Schlund- tasche über. Dieser enthält noch ein Lumen, welches mit dem Darmlumen kommunicirt. Während die mediale Wand dieses Ab- schnittes, die direkt in das Epithel der Schlundwand übergeht, aus niedrigen kubischen Zellen besteht, zeigt sich die laterale Wand Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 133 ganz bedeutend verdickt durch eine hier bestehende starke Ver- mehrung der Epithelzellen. Diese bilden eine kolbenförmige kom- _ pakte Masse, welche auf dem Schnitt lateralwärts scharf abgegrenzt ist, nach vorn, wie aus Fig. 9 ersichtlich, in die zwei dort ange- zeichneten kleinen Fortsätze übergeht. Letztere liegen zwischen den Arterienbogen. Die Zellen in dieser mittleren Wucherung der dritten Schlundspalte zeigen eine eigenthümliche Anordnung. Sie sind fest zusammengepresst und bilden Reihen und spiralige Touren, die eine auffallende Ähnlichkeit zeigen mit dem Bau, den ich früher bei den Epithelkörperehen der Amphibien geschildert und abgebildet habe. Dieser Theil der dritten Schlundspalte war im vorigen Sta- dium noch nicht vorhanden, obgleich eine dorsale Thymusknospe schon bestand. Der dritte ventrale Theil der dritten Schlundspalte erstreckt sich als schmächtiger Fortsatz der medialen Wandung des mittleren Abschnittes dieser Spalte ventral- und medialwärts hinab. Er besteht aus leicht pigmentirten Epithelzellen und zeigt einen dünnen Stiel und ein leicht keulenförmig verdicktes Ende, so dass das ganze Gebilde eine schlanke Birnform besitzt. Hier ist in dem mittleren Abschnitt dieser Spalte zum ersten Mal eine Bildung aufgetreten, welche erst nach dem Schluss der Kiemenspalte entsteht und nicht der primitiven Thymusknospe zugehört, wohl aber mit dieser in kontinuirlicher Verbindung steht. Die vierte Kiemenspalte ist in diesem Stadium ebenfalls ge- schlossen und zeigt hier im Gegensatz zu dem vorigen Stadium beiderseits gleiches Verhalten. Ich habe es auf Fig. 11 dargestellt. Hier erkenut man, dass wenige Schnitte hinter dem in Fig. 10 ab- gebildeten Befund, ventral unter dem dorsoventral abgeplatteten Schlundrohr, der Anfang der Trachea liegt. Nach beiden Seiten zu schließt sich an den mit deutlichem Lumen versehenen Schlund ein feiner solider Epithelstrang an, welcher sich lateralwärts in ein kleines Bläschen erweitert. Die Wandung dieses Bläschens ist aus einschichtigem Cylinderepithel gebildet, sein Lumen ist nicht weit. Diese Gebilde sind lateralwärts ganz abgeschlossen. Im Übrigen ist von der vierten Schlundspalte nichts nachzuweisen, und eine fünfte Spalte finde ich ebenfalls nicht auf. Wenn wir die vierte Spalte mit dem auf Figg. 5 und 6 dargestellten Befunde des vorigen Sta- diums vergleichen, so ist hier (Fig. 11) beiderseits ein Zustand ge- geben, dem das Verhalten der Fig. 6 vorausgegangen sein muss; d. h. während beim jüngeren Embryo nur an der rechten vierten Schlund- spalte eine bläschenförmige Erweiterung bestand und die gleiche 134 F. Maurer Spalte der linken Seite als feiner Kanal ohne bläschenförmigen Ab- schnitt nach außen verlief (Fig. 5), muss an diesem älteren Embryo jener bläschenförmige Abschnitt an der vierten Schlundspalte beider ° Seiten bestanden haben. Es hat lateral der Verschluss der Spalte sich vollzogen, das Epithelbläschen hat somit keine Beziehung zur Oberhaut mehr, sein Zusammenhang mit dem Schlundrohr ist aber noch erhalten. Dieser Befund der vierten Schlundspalte ist von großer Bedeutung für die Beurtheilung des früheren Stadiums. Wenn wir nämlich die Querschnittserie weiter nach hinten verfolgen, so erhalten wir das Bild, wie ich es auf Fig. 12 dargestellt habe. Der Schlundquerschnitt wird schmäler, ventral davon liegt der Quer- schnitt der Trachea. Auf der rechten Seite der Figur liegt ventral unter der lateralen Schlundkante ein abgeschlossenes Bläschen, das mit sehr hohem Cylinderepithel ausgekleidet ist und ein weites Lu- men besitzt. In diesem Gebilde haben wir den nur linksseitig aus- gebildeten postbranchialen Körper vor uns. Derselbe hat sich von seinem Mutterboden, dem Schlundepithel, ganz abgelöst. Der hier abgebildete Zustand schließt sich an den früheren Befund, der auf Fig. 7 dargestellt ist, an. Es konnte nach den auf Figg. 5, 6 und 7 dargestellten Verhält- nissen des fünf Tage alten Embryo zweifelhaft erscheinen, ob der postbranchiale Körper dort nicht doch in paariger Anordnung be- steht. Es könnte dies Gebilde auf der rechten Körperhälfte etwas weiter vorn angelegt sein als links und dadurch auf der rechten Seite in nähere Beziehung zur vierten Schlundspalte getreten sein als links. Diese Vorstellung erwächst aus der Thatsache, dass eben rechts nur jene bläschenförmige Erweiterung der vierten Schlundspalte be- steht, ein postbranchialer Körper fehlt, während links nur der letz- tere vorhanden ist, ein bläschenförmiger Abschnitt der vierten Spalte aber nicht existirt. Dadurch, dass nun hier bei dem acht Tage alten Em- bryo das aus der vierten Schlundspalte entstehende Epi- thelbläschen beiderseits ganz gleichartig entwickelt ist, daneben aber außerdem auf der linken Seite ein postbran- chialer Körper besteht, wird erwiesen, dass.die beiden Gebilde verschiedene Bedeutung haben. Die vierte Schlund- spalte kann sich rechts und links verschieden verhalten, hinter ihr erscheint aber ohne Zusammenhang mit ihr ein postbranchialer Körper, bei den bisher beschriebenen Em- bryonen in nur linksseitiger Ausbildung. Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 135 Es ist hier noch ein Wort über die Zahl der Schlundspalten an- zuschließen. Ich habe bei den von mir untersuchten Embryonen stets nur vier offene Spalten gefunden; ich befinde mich hierin in Übereinstimmung mit pe Meuron, im Widerspruch mit van BEN- MELEN. Letzterer giebt fünf Spalten an und lässt den postbran- chialen Körper hinter der fünften Spalte linksseitig entstehen. Ich kann hier nur sagen, dass ich an den mir vorliegenden Em- bryonen mit aller Mühe nach einer fünften Spalte gesucht, sie aber niemals gefunden habe. Ich möchte nun den Angaben van BEN- ' MELEN’S nicht direkt widersprechen, mache vielmehr auf das ver- schiedene Verhalten der vierten Schlundspalte, wie ich es geschildert habe, aufmerksam. Vielleicht hat van BEMMELEN ebenfalls Aus- buchtungen der vierten Schlundspalte beobachtet und hält sie für eine fünfte Spalte. Da van BEMMELEN keine Abbildungen darüber gegeben hat, kann ich das nicht entscheiden. In dem zuletzt geschilderten Stadium der Eidechse hatten sich alle Schlundspalten geschlossen, sie waren vom Ektoderm abgelöst. Dagegen stehen alle vier Spalten noch mit der Schlundhöhle in Zu- sammenhang. Ganz abgelöst vom Mutterboden ist nur die unpaare Anlage der Schilddrüse und der nur links ausgebildete postbranchiale Körper. Die Thymusknospen der drei ersten Schlundspalten stehen noch mit ihrem Mutterboden, dem Epithel der Spalten, in Verbin- dung. Die Thymus der ersten Spalte ist ganz minimal, die der zweiten kräftig entwickelt, stellt nur eine dorsale Knospe dar, am mächtigsten ist die Thymus der dritten Spalte, der sich ventralwärts noch weiter gewucherte Partien des Epithels der dritten Spalte an- schließen. ; Die vierten Spalten bestehen jederseits in zwei kugeligen Epi- thelbliischen, die noch mit dem Schlundrohr verbunden sind. Zur Schilderung eines späteren Stadiums diene eine Querschnitt- serie, welche einem Embryo entstammt, der zwölf Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. | Hier sind die Verhältnisse der Schilddrüse und der drei ersten Schlundtaschen einfach weiter gebildet. Die erste Schlundtasche zeigt gegen die Basis des Gehörlaby- rinths eine deutliche neue Ausbuchtung, die Anlage des späteren Cavum tympani. An der Stelle, wo vom Darmlumen her lateral- wärts diese Ausbuchtung beginnt, erkennt man dorsalwärts ein kleines kugeliges Knötchen, das durch einen epithelialen Stiel mit 136 F. Maurer dem Schlundepithel in Verbindung steht; dies ist das Rudiment einer dorsalen Thymusknospe der ersten Schlundspalte. Die zweite Schlundspalte hängt auch hier noch mit dem Schlund- rohr zusammen, aber nur durch einen feinen, sehr lang ausgezogenen epithelialen Stiel. Sie bildet dorsal ein großes birnförmiges Knöt- chen, aus gleichartigen Zellen bestehend, die erste bleibende dorsale Thymusknospe. An diese schließt sich ventral noch ein mit Lumen versehener Abschnitt der dorsalen zweiten Schlundtasche an, der dann in jenen dünnen epithelialen Stiel übergeht. Ventrale Theile der zweiten Schlundtasche bestehen nicht. Von der dritten Schlundtasche sind, wie aus dem vorigen Sta- dium zu erwarten, mehr Theile zu unterscheiden. Auch diese Schlundtasche steht noch durch einen sehr feinen epithelialen Strang mit dem Schlund in Verbindung. Jener Strang erweitert sich lateralwärts und geht in eine kugelige Zellenmasse über, welehe durch drei bis vier Zapfen zwischen Blutgefäße ein- ragt, die im Verlauf des zweiten Arterienbogens einen Plexus bilden. Diese Zapfen und die kugelige Zellenmasse, von welcher die- selben ausgehen, stellen den mittleren Theil der im vorigen Stadium geschilderten dritten Schlundspalte dar. Der dorsale Theil dieser Spalte ist als Thymusknötchen stärker geworden. Derselbe verjüngt sich ventralwärts, und der hier bestehende mittlere Theil ist ein kugeliges Bläschen, das ein weites ganz in sich abgeschlossenes Lumen besitzt. Besonders die vordere Wand dieses Bläschen ist stark gewuchert und bildet jene Zapfen, die in-den Gefäßplexus sich erstrecken. Die seitliche und hintere Wandung dieses Ab- schnittes bestehen aus mehrschichtigem Plattenepithel, das keinerlei Wucherungserscheinungen zeigt. Der im vorigen Stadium geschil- derte ventrale, ganz schmächtige Theil der dritten Schlundspalte besteht in diesem Stadium nicht mehr. Er hat sich gänzlich rück- gebildet, nimmt also auch nicht Theil an der Bildung späterer Organe. Von der vierten Kiemenspalte konnte ich beiderseits bei diesem Exemplare keine Reste entdecken. Es bestehen wohl leicht ge- wucherte Stellen an der lateralen Kante des Schlundrohres, aber Bläschen, welehe den auf Figg. 6 und 11 dargestellten Gebilden vergleichbar wären, konnte ich nicht finden. Dagegen zeigte sich nun hinter der Stelle, an welcher die Schlundspaltenreste zu er- warten waren, beiderseits ventralwärts gerichtete Einsenkungen des Schlundrohres, und an beide schloss sich, ventralwärts dieselben Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 137 begrenzend, ein kugeliges Epithelblischen an, der postbranchiale Körper. Derselbe ist also hier nicht bloß linksseitig, sondern beiderseits ausgebildet (Fig. 14). Freilich sind die beiden Bläschen nicht von gleicher Größe, sondern das linke besitzt etwa das doppelte Volum des rechten. Die Wandung besteht bei beiden aus hohem Cylinderepithel. Das Lumen ist beim linken Organ weiter als bei dem der rechten Seite. Aus diesem Befund ergiebt sich, dass die Bildung des postbranchialen Körpers verschieden ist. Wenn auch die einseitig linke Anlage vorherrscht, so kommt doch auch ein doppelseitiges Auftreten vor. Ferner geht aus der Vergleichung mit dem vorigen Stadium hervor, dass die Ablösung vom Schlund sich verschieden rasch vollzieht; denn bei dem acht Tage alten Embryo war es schon abgetrennt, während es hier bei dem zwölf Tage alten Exemplar noch in Verbindung mit der Schlundwand war. Da im Übrigen die Schlundspalten durchaus gleichartig in der Rückbildung fortgeschritten waren, so ergiebt sich hieraus wieder die Unabhängig- keit des postbranchialen Körpers von den Schlundspalten, wenngleich er stets unmittelbar hinter ihnen liegt. Im folgenden Stadium (Embryo von Lacerta agilis, 16 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen) haben sich die zweite bis vierte Schlundtasche vom Schlundrohr abgelöst. Die erste Schlund- tasche hat sich zum Cavum tympani mehr erweitert. Das Rudiment einer ersten Thymusknospe ist kaum mehr nachzuweisen. Die erste bleibende Thymus, als Derivat der dorsalen Tasche der zweiten Schlundspalte, ist ein unregelmäßig rundliches, ganz abgeschlossenes Körperehen. Es liegt dorsal vom Schlundrohr, medial von ihm liegt die Arteria carotis, lateral der Nervus hypoglossus und die Vena Jugularis. Im Übrigen ist von der zweiten Schlundspalte gar nichts mehr nachweisbar. Der im vorigen Stadium geschilderte, ventral sich an die Thymus anschließende, mit Lumen versehene Theil der epithe- lialen dorsalen zweiten Schlundspalte ist vollkommen rückgebildet. Nach hinten ist dem ersten Thymuskörper unmittelbar ange- schlossen die zweite bleibende Thymus, die aus der dritten Schlund- spalte hervorgeht. Diese lässt nun wieder drei Theile unterscheiden: der. dorsale Theil, der Thymus der zweiten Schlundtasche entsprechend, ist wie diese gebaut. Sie bildet ein rundliches kompaktes Knötehen. Dieses setzt sich aber ventral wenig verjüngt in einen mittleren, mit einem weiten Lumen versehenen Abschnitt fort. Die Wandung dieses Theiles 138 F. Maurer besteht aus mehrschichtigem Epithel, dessen rundliche Zellen in starker Vermehrung begriffen sind. Ventralwärts schließt sich an diesen mittleren Abschnitt ein ventraler Theil an, der wiederum kompakt ist. Er weicht in seinem Bau dadurch von dem dorsalen Theile ab, dass er nicht aus gleichartigen rundlichen Zellen besteht, sondern mehrere in einander geschobene Gruppen und Züge von . Zellen unterscheiden lässt. Die viel intensivere Färbung dieses ven- tralen Theiles zeigt, dass in demselben gerade im vorliegenden Sta- dium eine äußerst reichliche Zellenvermehrung stattfindet. Dieser ventrale Theil lagert dem zweiten Arterienbogen fest an, es er- strecken sich aber nicht Fortsätze, wie ich dies im vorigen Sta- dium schilderte, zwischen den Gefäßplexus hinein. Letzterer besteht überhaupt nur noch aus einem oder zwei Ästen. Von diesen hat sich aber der epitheliale Theil der dritten Schlundspalte ganz zu- rückgezogen. Fragen wir nun, wie dieser Befund der dritten Schlund- tasche von den beiden früheren Stadien abzuleiten ist, so sehen wir, dass in dem auf Fig. 10 dargestellten Befunde in dem mittleren Theile die Anlage des mittleren und ventralen Theiles unseres Sta- diums enthalten ist. Der ventrale schmächtige Abschnitt der Fig. 10 war dort schon durch seine sehr schwache Färbung und ganz schmäch- tige Ausbildung nicht als ein stärker proliferirender Bestandtheil der Kiemenspalte zu erkennen. Im späteren Stadium (zwölf Tage alt) war dieser ventrale Theil überhaupt gänzlich rückgebildet, es war am Derivat der dritten Schlundspalte nur ein dorsaler und ventraler Theil unterscheidbar. Der ventrale Theil also, der dem mittleren Abschnitt der Fig. 10 entspricht, sondert sich in zwei Theile da- durch, dass der Schwerpunkt einer neuen Wucherung an seinem ventralen Ende sich ausbildet. Wie diese verschiedenen Abschnitte sich zur bleibenden Thymus verhalten, bleibt später zu besprechen. Suchen wir im vorliegenden Stadium die Reste der vierten Schlundspalte auf, so verhalten sich diese wieder verschieden. Nur auf der rechten Seite besteht ein Gebilde, das aus der vierten Spalte abzuleiten ist und offenbar den auf Fig. 6 und 11 dargestellten Bil- dungen entspricht. Hier stellt es ein vom Schlundrohr abgelöstes kompaktes Körperchen dar, welches, weit lateralwärts vom Schlund- rohr abgerückt, ventral vom Ganglion vagi liegt. Dorsal vom Vagus liegen wieder lateral die Vena jugularis und medial die Aorten- wurzel. Gemäß seiner Anordnung haben wir hier ein Gebilde von der vierten Kiemenspalte vor uns, welches genau dem ventral von Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 139 der dorsalen Thymus der dritten Spalte gewucherten Theil der dritten Spalte entspricht. i Auf der linken Seite des vorliegenden Exemplars fehlt ein sol- ches Gebilde, das von der vierten Spalte stammt. Dagegen sehen wir, dass hier hinter der Gegend der vierten Spalte ein postbran- chialer Körper ausgebildet ist. Derselbe ist ganz von der Schlund- wand abgelöst und liegt als großes kugeliges Bläschen, mit weitem Lumen und einer Wandung aus sehr hohem Cylinderepithel, ventral vom Schlundrohr, gerade neben dem Anfang der Trachea. Rechts fehlt dies Gebilde vollkommen. Wir haben hier somit wieder einen Befund der Art, dass rechts nur ein epithelialer Rest der vierten Schlundspalte, links nur ein postbranchialer Körper ausgebildet ist. Wir müssen uns aber hüten, diese beiden Gebilde für phylogenetisch gleichwerthig zu erklären, sie sind vielmehr aufs strengste aus einander zu halten. Im Ganzen war im vorliegenden Stadium ein Fortschritt gegen- über dem vorher beschriebenen Zustand geboten, in so fern hier alle Derivate der Schlundspalten vom Schlundrohre abgelöst waren. Sehen wir nun, wie sie sich weiterhin verhalten. In Taf. VII Figg. 15—18 gebe ich diese Verhältnisse von einem Lacerta-Embryo wieder, der 21 Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommen wurde. | Unter der Ausbildung des Vorderkopfes und besonders des Kieferapparates mit der Zunge hat sich das Herz und damit seine großen Arterien nach hinten zurückgezogen. . Mit den Arterienbogen haben auch die Derivate der Schlundspalten eine leichte Verlagerung nach hinten erfahren. Das betrifft in höherem Maße die aus der unpaaren Anlage hervorgegangene Schilddrüse, in geringerem Maße die Thymus und am wenigsten den postbranchialen Körper. Die Folge davon ist, dass die Schilddrüse etwas näher an den postbran- chialen Körper heranrückt. Sie liegt ventral von der Trachea, und zwar in gleicher Querschnittebene mit dem vorderen Theil der aus der dritten Schlundspalte hervorgehenden Thymusanlage. Hieraus erkennt man, wie weit sie nach hinten gerückt ist, denn bei ihrer ersten Anlage in früheren Stadien lag sie sogar noch vor den Derivaten der zweiten Schlundspalte. Die Entfernung der postbranchialen Körper von der hintersten Thymusbildung ist die gleiche geblieben. Man kann also sagen, dass der ganze Apparat der Schlundspalten-Derivate nach hinten 140 F. Maurer gerückt ist, die Schilddrüse am meisten, Thymus und postbranchiale Körper weniger weit, aber gleichmäßig. Betrachten wir nun die einzelnen Theile, so zeigt sich, dass die Schilddrüse nicht nur beträchtlich an Volum zugenommen hat, son- dern dass sie auch in ihrer histologischen Differenzirung wesentlich weitergebildet ist. Fig. 16 zeigt ihre Anordnung und Ausdehnung. Sie stellt ein bilateral symmetrisches aber unpaares Organ dar, wel- ches aus zwei langgestreckten, lateralwärts verlaufenden Lappen be- steht. Letztere hängen durch einen medianen, leicht verdünnten isthmus zusammen. Das ganze Organ ist sehr reichlich vascu- larisirt, die Lumina der ohne Injektion nachweisbaren Kapillaren sind sehr weit. Das epitheliale drüsige Gewebe ist eine aufge- lockerte Zellenmasse. Die Zellen bilden Schläuche und Gruppen und es besteht an vielen Stellen schon die Neigung zu Bläschen- bildung. Colloid konnte ich noch nicht nachweisen. Die Thymus besteht aus zwei Abschnitten, die ganz von ein- ander getrennt sind. Ein thymusartiges Derivat der ersten Schlund- spalte, das früher in rundimentärer Anlage bestand, ist nicht mehr nachweisbar. Die vorderste hier bestehende Thymus liegt dorsal vom Schlundrohr, ist von rundlicher Form und stellt die dorsale Thymusknospe der zweiten Schlundspalte dar. Sie liegt in gleicher Beziehung zu Gefäßen und Nerven wie früher. Medial und leicht ventral von der Thymus verläuft der Stamm der Arteria carotis und lateral von ihr liegt der Hypoglossus, dem sich weiter lateral die Vena jugularis anschließt (Fig. 15). Gerade ventral von diesen Organen liegen die dorsalen Enden der drei letzten Kiemenbogenknorpel. Nach hinten, diesem vorderen Thymusknötchen dicht angeschlossen, doch so, dass sie noch zum Theil mit ihr auf dem gleichen Quer- schnitt sichtbar ist, folgt die zweite Thymus, das Derivat der dritten Schlundspalte (Fig. 17). An diesem Theil der Thymus sieht man die Verhältnisse, welche im letzten Stadium vorbereitet waren, weitergebildet. Im Ganzen zeigt diese hintere Thymus dorso-ventral sich viel mächtiger ausgebildet, so dass sie kein rundliches Knöt- chen, sondern einen dorso-ventral verlaufenden, lang gestreckten Körper darstellt. Derselbe ist schräg gelagert, so dass der dorsale Theil weiter kopfwärts, der ventrale Theil schwanzwärts liegt. Auf Fig. 17 habe ich dies Gebilde, aus sechs Schnitten kombinirt, dar- gestellt. Man kann deutlich drei Theile daran unterscheiden: 1) einen dorsalen Abschnitt, der genau entspricht der aus der zweiten Schlundspalte hervorgehenden vorderen Thymus; 2) einen mittleren Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 141 Theil, gegen welchen der dorsale Abschnitt durch eine halsartige Einschnürung abgesetzt erscheint. Dieser mittlere Theil besitzt noch immer ein Lumen. Seine epitheliale Wandung zeigt aber ihre Zellen in reichlicher Vermehrung begriffen, so dass sie schon kompakte Massen bilden. 3) Ein ventraler Abschnitt schließt sich wieder durch einen ganz leicht verdünnten Stiel an den. mittleren Abschnitt an. Dieser ventrale Theil ist, sehr mächtig gewuchert, in diesem Stadium eben so groß wie der dorsale Theil dieser Bildung. Seine Zellen sind wieder in Zügen in einander geschoben, wie ich dies früher schon schilderte. Die innige Beziehung zum Carotisstamm besteht nicht mehr, das Gebilde ist vielmehr durch embryonales Binde- gewebe von dem Arterienstamm getrennt. Die früher bestehende Plexusbildung an diesem Gefäßstamm ist nur noch durch einen leicht gewundenen Verlauf an dieser Stelle und durch kleine Unregelmäßig- keiten des Lumens zu erkennen. Auch in diesem Stadium sind demnach die Derivate der dritten Schlundspalte viel reichlicher als die der zweiten Spalte. Nur im dorsalen Theil ist das Homologon der vorderen Thymus enthalten. Wie der mittlere und ventrale Abschnitt zu deuten sei, ist erst später zu entscheiden. Von der vierten Schlundspalte kann ich an dem mir vorliegen- den Exemplar gar keine Reste erkennen, dagegen besteht hier ein doppelseitig entwickelter postbranchialer Körper. Die beiden Ge- bilde sind vollkommen gleichmäßig ausgebildet (Fig. 18). Sie stellen jederseits ein kugeliges Bläschen dar, mit weitem Lumen und einer Wandung von mehrschichtigem Cylinderepithel versehen. Die tie- feri Zellenlagen des letzteren bestehen aus reichlich ausgebildeten rundlichen Elementen. An den Cylinderzellen der oberflächlichen Lage erkennt man sehr reichliche Mitosen. Die beiden Körper liegen ventral vom Schlundrohr, zu beiden Seiten des Anfangstheiles der Trachea. Wenn ich nun zur Schilderung eines älteren Zustandes über- gehe (Embryonen, welche 31 Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommen wurden), so bemerke ich dazu, dass diese Embryonen un- mittelbar vor dem Verlassen des Eies stehen. Wir haben hier Befunde, welche im Wesentlichen schon die Verhältnisse des er- wachsenen Thieres zeigen. Die Schilddrüse ist so weit nach hinten gerückt, dass sie gerade vor dem vorderen Ende des Sternum liegt, sie hat also die Lage, die ihr auch später zukommt. Dabei liegt sie ventral von der Trachea. Sie zeigt den früher schon geschilderten 142 F. Maurer bilateral symmetrischen Bau. Die beiden Lappen hängen durch einen medianen nur wenig verdünnten Isthmus zusammen und er- strecken sich lateral und dorsalwärts, leicht bogenförmig gekrümmt, um jederseits spitz ausgezogen zu endigen. Das ganze Organ ist von einem weiten Lymphraum umgeben. In seinem feineren Bau hat es sich weiter ausgebildet. Es besteht jetzt aus zahlreichen geschlossenen Bläschen und Schliuchen, die in ihrem Lumen theils Spuren einer hellen Flüssigkeit, an vielen Stellen aber auch schon deutlich colloide Substanz in einem weiten Lumen enthalten. Das auskleidende Epithel besteht aus einfacher Lage kubischer oder eylindrischer Zellen. Größere Colloid enthaltende Bläschen finden sich besonders in den mächtigeren medialen Theilen der Schilddrüse, nahe dem Isthmus. Die Thymus besteht aus zwei ungleichwerthigen Lappen. Der vordere ist das Derivat der zweiten Schlundspalte. Diese liegt ge- rade hinter der knorpeligen Gehörkapsel, ventral davon, im Bereiche des Atlas. Sie ist dorsal von der lateralen Kante des Schlundrohres zwischen Carotis und Vagus eingelagert. Lateral vom Vagus folgt die Vena jugularis. Diese vordere Thymus ist ein rundliches Knöt- chen, das aber nun eine höckerige Oberfläche besitzt (Fig. 31). Auf dem Sehnitt erkennt man, dass eine Mark- und Rindenschicht von verschiedenem Bau zu unterscheiden ist, worüber im histologischen Abschnitt genauer berichtet werden soll. Getrennt von dieser vorderen Thymus, aber ihr nach hinten so dicht angeschlossen, dass ihr vorderer Theil lateral von ihr auf dem gleichen Querschnitt erscheint, liegt die hintere Thymus, das Derivat der dritten Schlundspalte. Sie ist größer als die vordere Thymus, hat eine längliche Form und ist schräg von dorsal und kopfwärts nach ventral und schwanzwärts verlaufend angeordnet. Sie ist walzenförmig, besitzt eine unregelmäßig höckerige Oberfläche. Auf dem Schnitt zeigt sich, dass ein dorsaler und ventraler Abschnitt unterscheidbar sind. Dieselben sind durch einen unregelmäßigen engen Spaltraum getrennt, welcher den Rest des Lumens der dritten Schlundspalte darstellt (Fig. 34). Er ist begrenzt von abgeplatteten Epithelzellen. Um diese folgt das Thymusgewebe, welches im dor- salen wie im ventralen Theil dieses Organs sich gleichartig verhält. Auch hier ist eine Mark- und Rindenschicht unterscheidbar. Die- selben kommen zwar den beiden Abschnitten gemeinsam zu, doch zeigt sich an der Stelle der erwähnten Spalte, welche den Rest der dritten Schlundspalte darstellt, eine leichte Einschnürung, wodurch Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 143 im Wesentlichen die Markschicht beeinflusst wird, die hier durch jene Spalte unterbrochen wird. Davon Genaueres im histologischen _ Theil. Hier ist nur als sehr wiehtig anzusehen, dass diese hintere Thymus einen ventralen Abschnitt besitzt, welcher der vorderen Thymus fehlt. Verfolgt man nun die walzenförmige hintere Thymus nach ihrem ventralen Ende, so zeigt sich, dass sie hier in einen kurzen kräftigen Strang sich fortsetzt, der aus Thymusgewebe besteht und in ein kugeliges Knötehen übergeht, welches dem Carotidenstamm ange- lagert ist. Dieses Körperchen erhält von dem Arterienstamm ein starkes gewundenes Ästchen, ist aber sonst durch Bindegewebe, wie ich dies schon im vorigen Stadium angab, von dem Gefäßstamm ge- trennt. Das genannte Körperchen zeigt einen von der Thymus ver- schiedenen Bau, besitzt ebenfalls eine höckerige Oberfläche. Es ist auf beiden Seiten, links wie rechts, vollkommen gleichartig ausge- bildet. Das Gebilde liegt nicht mehr dorsal, sondern lateral vom Schlundrohr und ebenfalls lateral vom aufsteigenden zweiten Arterien- bogen, während dorso-lateral von ihm der Vagus und die Vena ju- gularis gelagert ist. | Hinter diesem paarigen Gebilde finde ich am vorliegenden Exemplar nur noch ein einziges der hier zu behandelnden Organ- gruppe zugehöriges Organ. Irgend welche drüsig oder lymphatisch gebaute Reste der vierten Schlundspalte sind nirgends nachweisbar, auf der rechten Seite eben so wenig wie links. Es besteht nur auf der linken Seite ein postbranchialer Körper, der ventral vom Schlund- rohr, seitlich von der Trachea angeordnet ist. Er besitzt eine recht beträchtliche Größe und ist von kugeliger Form, zeigt eine fein- höckerige Oberfläche. Auf dem Schnittbild erkennt man, dass im Centrum dieses Gebildes noch ein. sehr weites Lumen besteht, das mit Flüssigkeit, aber nicht Colloid, gefüllt ist. Es wird begrenzt von geschichtetem Cylinderepithel, an dessen basale Zellen schließen sich aber überall selbständige kugelige Gruppen rundlicher Zellen an. Diese Gruppen sind durch Bindegewebe von einander getrennt und bilden die Anlagen von geschlossenen kleinen Bläschen. Durch sie ist die höckerige Oberfläche des Organs bedingt. Es ist also hier das Gebilde in intensivem Wachsthum begriffen. Von diesem Stadium ist hervorzuheben, dass die histologische Differenzirung der Schilddrüse, Thymus und des postbranchialen Körpers beträchtlich fortgeschritten ist. Ferner ist hervorzuheben, dass ein thymusartiges Derivat der 144 F. Maurer ersten Schlundspalte nicht mehr nachweisbar ist. Nur die zweite und dritte Spalte bilden bleibende Thymuskörper. Die beiden sind aber nieht gleichwertbig. Die zweite Schlundspalte bildet als vor- dere Thymus nur ein Derivat der dorsalen Schlundtasche aus. Diese ist völlig homolog der Thymus der zweiten Kiemenspalte von Fischen und Amphibien. Die hintere Thymus als Derivat der dritten Schlund- spalte ist bei der Eidechse viel komplieirter als die vordere. Sie besteht aus drei Theilen, einem dorsalen, welcher der vorderen Thymus genau entspricht, d. h. ihr serial homolog ist, einem mitt- leren und ventralen Theil, welche aus ventralen Theilen der dritten Schlundspalte hervorgegangen sind durch Wucherung ihrer epithe- lialen Wandung. Der ventrale Theil ist die Carotidendrüse. Sie steht durch einen kompakten Strang mit dem mittleren Theil in Verbindung. Reste der vierten Schlundspalte sind nicht vorhanden, der postbranchiale Körper ist nur auf der linken Seite ausgebildet. Mit diesem Stadium sind die hier zu behandelnden Organe in ihrer Lagerung fertig gebildet. Spätere Veränderungen sind rein histologischer Natur, wodurch allerdings die Größe der Organe wesentlich beeinflusst wird. Betrachten wir die Zustände, wie sie bei der jungen Eidechse bestehen, so zeigt z. B. ein kleines Exemplar einer Lacerta muralis von 5em Gesammtlänge folgenden Befund: Die Schilddrüse ist ein mächtiges Organ geworden, von der gleichen Form und Anord- nung wie oben im letzten Stadium geschildert. Sie besteht dureh- weg aus kugeligen Bläschen von fast gleicher Größe, die alle mit Colloid gefüllt und mit einschichtigem kubischem Epithel ausge- kleidet sind. In dem spärlichen zarten interstitiellen Bindegewebe ist ein sehr reichliches Blutkapillarnetz ausgebildet, das sehr weite Lumina besitzt. Mit dem Bindegewebe sind auch reichliche Chro- matophoren in das Organ eingedrungen. Die Thymus besteht auch hier jederseits aus zwei ganz getrenn- ten Lappen. Die vordere Thymus ist von rundlicher, die hintere von länglicher Form. Mark und Rinde sind an beiden zu unterscheiden. Die beiden Organe sind viel zellenreicher. Besonders in der Rinde sind die Kerne ungemein dieht angeordnet und sehr intensiv ge- färbt, was auf eine noch weiter stattfindende reichliche Vermehrung hinweist. In Verlängerung der hinteren Thymus, schräg ventral und schwanzwärts, liegt jenes kleine Körperchen, welches in naher Beziehung zum Carotisstamme liegt, indem es dessen lateraler Seite an der Theilungsgabel in die Carotis externa und interna ange- Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 145 schlossen ist. Dieses Gebilde (die Carotidendrüse) ist auf der linken Seite ganz von der hinteren Thymus abgelöst, rechts steht es mit ihrem ventralen Ende durch einen dünnen gewundenen Strang kompakten lymphatischen Gewebes in Zusammenhang. Vergleicht man diese Gebilde mit den gleichen Organen in früheren Stadien, so fällt in die Augen, dass sie sehr im Wachsthum zurückgeblieben sind. Sie stellen auch nicht ein einfaches rundliches Knötchen dar, sondern sind abgeplattete, länglich ovale Körperchen, welche jederseits aus zwei Läppchen bestehen, so dass nur das eine der dritten, das an- dere wohl der vierten Schlundspalte entstammt. Ferner sind diese Gebilde hier so dieht dem Carotidenstamme angelagert, dass sie in der Adventitia eingelagert sind. Letztere verläuft zum Theil aubßer- halb dieser Kérperchen. Daraus ergiebt sich, dass man diese Ge- bilde hier nur unter Verletzung des Carotisstammes von diesem ab- lösen kann. Die beiden Thymuslappen sind umgeben von einer bindegewebigen Kapsel, welche so zahlreiche Chromatophoren enthält, dass das Or- gan mit einer schwarzen Hülle völlig umschlossen erscheint. Die pigmentirten Zellen dringen auch an mehreren Stellen ins Innere der Thymus ein. Eben so ist die Schilddrüse von einer Pigment- hülle umgeben. Eine solche fehlt den der Carotis angelagerten Kör- perchen. Die innige Beziehung dieser Gebilde zum Carotisstamm mag hier wohl von vorn herein bestanden haben und auch späterhin beibehalten worden sein. Bei Lacerta agilis, im zuletzt geschilderten Stadium, war diese Beziehung eine losere, während sie in früheren Stadien eben so innig war. Wie sich bei älteren Exemplaren von Lacerta agilis dies Gebilde verhält, ist später noch zu besprechen. Aus der Vergleichung mit Fig. 33 nehme ich die Berechtigung, das, eine dieser Gebilde von der dritten Spalte abzuleiten, das andere hingegen als ein hier erhaltenes Derivat der vierten Spalte zu be- trachten. Ein weiterer Rest der vierten Kiemenspalte war weder rechts noch links bei der jungen Lacerta muralis zu finden. Ein postbranchialer Körper ist wieder nur linksseitig aus- gebildet, stellt aber ein sehr verkümmertes Organ dar. Nach seiner mächtigen Ausbildung im zuletzt geschilderten Stadium von Lacerta agilis sollte man ein stärkeres Drüschen erwarten; allein es besteht nur aus einer geringen Zahl von sehr kleinen Bläschen, die mit Cylinderzellen ausgekleidet sind und ein minimales Lumen besitzen. Colloid ist darin nicht enthalten. Auch dieses Gebilde ist umhüllt Morpholog. Jahrbuch. 27. 10 146 F. Maurer von einer Menge dicht zusammengelagerter Chromatophoren, die auch, ins Innere eindringend, jedes einzelne Epithelbläschen umgeben. Ich komme nun auf den Befund bei der ausgewachsenen Eidechse und brauche hier dem zuletzt Gesagten nur wenig hin- zuzufügen. Ich bemerke hierzu, dass bei der jungen Eidechse im Wesentlichen dieselben Zustände bestehen wie bei alten, mehrjähri- gen Thieren. Nur hinsichtlich des hinteren Thymusläppcehens und des postbranchialen Körpers fand ich Unterschiede, die ich nachher kurz anführe. Gehen wir zunächst auf die Schilddrüse ein, so macht man sich dieselbe am besten von der Ventralfläche aus zugänglich. Man bringt also ein Thier in Rückenlage und nimmt nach Entfernung der Haut, von einem Schnitt in der ventralen Mittellinie aus, in der Halsgegend die Museuli mylo-hyoidei und sterno-hyoidei weg. Dann übersieht man das Skelet des Zungenbeines und den Kehlkopf, in die Trachea fortgesetzt, welche hinter dem Brustbein in die Brusthöhle verläuft. Gerade vor dem Sternum resp. dem ventralen Abschnitt des Sehultergürtels, nicht ventral-, sondern oralwärts von diesem, liegt die zweilappige Schilddrüse. Die beiden Lappen bilden einen stum- pfen, nach hinten, schwanzwärts, offenen Winkel. Die mediane Por- tion ist der mächtigste Theil der Drüse und ihre beiden Lappen verjüngen sich, lateralwärts und schwanzwärts verlaufend, allmäh- lich, so dass sie spitz ausgezogen endigen. Bei Lupenbetrachtung erkennt man die mit Colloid gefüllten, hell glänzenden Bläschen zwischen den zahlreichen Chromatophoren, welche das Organ um- spinnen. In diesem Organ haben wir die ausschließlich aus der vorderen unpaaren Anlage hervorgegangene Schilddrüse vor uns. Paarige Theile, von den Kiemenspalten ableitbar, sind nicht an ihrem Aufbau betheiligt. Eine specielle nähere Lagebeziehung zu den großen Gefäß- stämmen existirt nicht. Vielmehr liegen die großen aus dem Herzen austretenden Arterienstämme weiter dorsal und schwanzwärts von der Schilddrüse. Letztere besteht ausschließlich aus colloidenthalten- den kugeligen Bläschen, die mit einschichtig kubischem Epithel aus- gekleidet sind. Zwischen diesen findet man ein zartes interstitielles Bindegewebe, reich an Chromatophoren, und hier verbreitet sich auch ein sehr reichliches Blutkapillarnetz. Die Blutkapillaren be- sitzen sehr weite Lumina. Von der ventralen Fläche aus kann man sich auch den post- Schilddrüse, Thymus und andere Sehlundspaltenderivate bei der Eidechse. 147 branchialen Körper sehr gut sichtbar machen. Diesen habe ich seither bei allen Eidechsen, die ich, nachdem sie das Ei verlassen hatten, untersucht habe, nur linksseitig entwickelt gefunden. Man hat, um das Gebilde sichtbar zu machen, den ventralen Theil des Schultergürtels mit seiner gesammten Muskulatur, sowie das Sternum mit den vier vorderen Rippen vorsichtig abzutragen. Damit eröffnet man den vorderen Theil der Brusthöhle und legt das Perikard und die großen Arterienstämme frei. Drängt man nun den vorderen Arterienbogen, den Carotidenbogen, mit einer Präparirnadel leicht nach hinten, schwanzwärts, so erkennt man gerade dorsal von ihm, dicht der linken Seite der Trachea angelagert, ein kleines Körper- chen von oval abgeplatteter Form. Bei jungen Thieren ist es von beträchtlicher Größe, während es bei mehrjährigen Individuen sehr klein ist. Auf der rechten Seite verläuft parallel der Trachea eine starke Vene, links ist diese nur sehr schwach ausgebildet. Das er- wähnte Körperchen, der postbranchiale Körper, liegt also auch bei erwachsenen Thieren dorsal von den Arterienbogen, ist ganz ge- trennt von der Schilddrüse und liegt dorsal und schwanzwärts von der letzteren. Hinsichtlich seines Baues besteht er aus einer Gruppe geschlossener kugeliger Bläschen, die ein sehr enges Lumen be- sitzen, niemals Colloid enthalten und mit Epithel ausgekleidet sind. Bei jungen Thieren sind die Bläschen zahlreicher und ihr Epithel besteht aus hohen Cylinderzellen, bei älteren Thieren ist die Zahl der Bläschen geringer, und vor Allem ist ihr Epithel aus niedrigen Zellen gebildet. Durch beide Momente ist die Verkleinerung des Organs im Alter bedingt. Bei alten Thieren ist ferner eine reich- liche Umspinnung der Bläschen mit Chromatophoren nachweisbar. Auch die Thymus kann man bei ventraler Ansicht wohl er- kennen, doch übersieht man ihre Anordnung, speciell ihre Lage- beziehung zu den großen Blutgefäßstämmen und Nerven viel klarer bei Seitenansicht (vgl. Fig. 20). Um diese Organe frei zu legen, hat man die Haut durch einen, unmittelbar hinter dem Trommelfell senkrecht dorso-ventral verlaufenden Schnitt zu spalten und nach hinten zurückzuschlagen, nachdem man von dem dorsalen und ven- tralen Ende des senkrechten Schnittes je einen nach hinten gehenden Längsschnitt ausgeführt hat. Nimmt man dann vorsichtig den Schulter- gürtel mit seiner ganzen Muskulatur, sowie die vorderen Rippen fort, so erhält man hinter dem Trommelfell das Zungenbeinskelet, dahinter die großen Nerven- und Gefäßstämme und das Perikard in freier 10* 148 F. Maurer Ansicht. Ich spalte noch das Perikard und trage es vorsichtig ab, so dass das Herz selbst mit Venen und Arterien sichtbar ist. Man erkennt nun, wie unmittelbar hinter dem Trommelfell, ven- tral von der Seitenlinie, die starke Vena jugularis gerade nach hinten, schwanzwärts, verläuft. Sie beschreibt dann ventralwärts einen leichten Bogen, um in den rechten Vorhof einzutreten. Ventral vom Venenstamm treten zwei Nerven hervor, der eine, der Hypo- glossusstamm, zieht ventralwärts im Bogen nach vorn herab. Unter ihm kommt der Vagusstamm zum Vorschein, welcher in Begleitung der Vena jugularis schwanzwärts verläuft. Gerade ventralwärts vom Venenstamm liegen nun, wenige Millimeter hinter dem hinteren Rande des Trommelfelles, die beiden Thymuslippchen. Das vordere kleinere, abgeplattete, ist gestreckt gelagert, da der Hypoglossus- stamm an seiner lateralen Fläche herabläuft und meist einen leichten Eindruck auf dem Organ veranlasst. Die hintere Thymus ist mit ihrem vorderen Theil von der vorderen Thymus etwas überlagert, tritt aber mit ihrem hinteren Theil in oberflächlichere Lage. Hier zieht der Vagusstamm der Länge nach über ihre laterale Fläche weg. Er bildet unmittelbar hinter der Thymus ein mächtiges Gan- glion. Unter dem genannten Nerven tritt das hintere Thymus- läppchen deutlich zu Tage. Es ist größer als die vordere Thy- mus und ist ebenfalls durch den Druck der umgebenden Weichtheile, besonders der Schultermuskeln, abgeplattet. Im Übrigen wird ihre Form durch die genannte Vene und Nervenstämme bedingt, zwi- schen welchen sie eingelagert ist. Die hintere Thymus zeigt an ihrem ventralen Ende einen langen, leicht gewunden verlaufenden Fortsatz, welcher kontinuirlich in ein kleines eiförmiges oder länglich walzenförmiges Körperchen übergeht. Dies letztere ist dem Carotis- bogen angeschlossen, der bekanntlich den vordersten arteriellen Ge- fäßbogen darstellt. Das Körperchen ist hier nur in loser Beziehung zum Gefäßstamm, lässt sich mit einer Präparirnadel leicht von dessen Wandung abdrängen und liegt der lateralen Cirkumferenz des Ge- fäßes gerade da an, wo derselbe, medialwärts einbiegend, sich in die Carotis externa und interna theilt. Der nur links bestehende postbranchiale Körper liegt medial vom ersten Arterienbogen, der ventralen Fläche der Ösophaguswandung angeschlossen, lateral und leicht dorsal von der Trachea (Fig. 20 p). Hinsichtlich der Thymus bestehen bei jungen und alten Exem- plaren von Lacerta agilis Verschiedenheiten, in so fern die vordere sowohl wie die hintere Thymus bei alten Thieren kleiner ist als Schilddrüse, ‘'hymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 149 bei jungen, aber die Größendifferenz ist nicht stark, und auch bei den ältesten Thieren fand ich stets die beiden Thymusläppchen wohl ausgebildet. Der ventrale. Fortsatz des hinteren Thymuslippchens ist bei jungen Thieren kürzer und dicker als bei alten, und der anhängende Körper ist größer als bei alten Individuen, besitzt meist kugelige Form. Jedenfalls fand ich demnach die Beziehung dieses Gebildes zum Carotidenstamm bei Lacerta agilis anders als bei Lacerta muralis. Bei letzterer ist seine Verbindung mit der Gefäßwand eine sehr innige, während es bei Lacerta agilis dem Gefäßstamm nur lose angelagert ist. Andere Reste der Kiemenspalten konnte ich bei alten Thieren niemals nachweisen, vor Allem fand ich nirgends Körperchen, welche ich als Reste der vierten Spalte hätte deuten können. Die geschil- derten Organe verhalten sich bei Lacerta sehr gleichartig, ich habe viele Exemplare untersucht und fand nirgends Verschiedenheiten, welche nach den verschiedenen Befunden bei Embryonen eigentlich zu erwarten wären. Histologisches. Über das feinere histologische Verhalten, die gewebliche Diffe- renzirung der Schlundspaltenderivate habe ich in den vorstehenden Schilderungen nur allgemeine Angaben gemacht, um den Gang der Darstellung nicht zu sehr zu kompliciren. Im Folgenden sei nun speciell auf die feineren Strukturverhältnisse der seither geschilderten Organe genauer eingegangen. 1) Schilddrüse. So lange die Schilddrüsenanlage als halbkuge- liges Bläschen noch frei mit der Kopfdarmhöhle kommunicirt, ist ihr Epithel sehr scharf von dem angrenzenden Schlundepithel abgegrenzt. Es stellt ein mehrschichtiges Cylinderepithel dar, aus sehr hohen faserartigen Zellen bestehend. Auffallend ist, dass im Protoplasma- körper dieser Zellen sehr reichlich Fetttröpfehen auftreten, die im Schlundepithel fehlen. Durch Osmiumbehandlung sind diese Tröpf- chen geschwärzt, ähnlich wie Dottertropfen, mit welchen sie wohl auch identifieirt werden müssen. Es ist ja schon sehr häufig beob- achtet worden, dass Organe, deren Elemente in reiehlicher Wuche- rung begriffen sind, in frühen Embryonalstadien reichlich Dotter- plättchen enthalten. Nach der Ablösung der Schilddrüsenanlage vom Schlundrohr verschwinden diese Dottertröpfehen sehr bald aus ihren Zellen. Das Organ bildet dann ein kugeliges Bläschen, dessen 150 F. Maurer Lumen aber durch einwucherndes Epithel eingeengt wird und un- regelmäßige buchtige Form annimmt. Die Epithelzellen stellen dann reichliche Massen dar; es bleibt ein geschichtetes Epithel, doch die Schichtenzahl ist sehr verschieden. An den Seiten besonders bleibt meist zwei- bis vierschichtiges Cylinderepithel, während an der dor- salen und ventralen Wand die Schichten sehr reichlich werden, zehn bis zwölf Lagen kugeliger Zellen das Epithel darstellen. Die zahlreichsten Mitosen findet man an den der freien Oberfläche des Epithels, also dem Lumen zunächst gelegenen Zellen. An der Ober- fläche des Organs erkennt man Bindegewebszellen in tangentialer Anordnung um das ganze Gebilde gelagert, eine fibröse Kapsel vor- bereitend. In der Folge zeigt sich, wie ein starkes Wachsthum des Or- gans in die Breite stattfindet. Dabei bekommt das Organ die Form eines querstehenden gekrümmten, nach vorn konvexen walzenförmigen Körpers mit beiderseits abgerundeten Enden. An diesen beiden Enden sitzen kappenförmig halbkugelige Bläschen mit einer Wandung von mehrschichtigem Cylinderepithel auf, welehe das Organ beiderseits abschließen. Hier besteht noch ein Lumen. Das Epithel dieser Bläschen geht aber medialwärts allseitig in eine Gewebsmasse über, welche den ganzen Drüsen- körper in diesem Stadium bildet. Diese Drüsenmasse zeigt, dass aus dem umgebenden Bindegewebe Zellen mit Blutgefäßen einge- drungen sind. Dadurch wird die. epitheliale Zellenmasse in eine groBe Anzahl von sehr verschieden gestalteten Komplexen zertheilt. Zum Theil sind diese kugelig, zum Theil strangartig. In wenigen dieser Gruppen sieht man ein feines Lumen, die meisten sind noch kompakt. Diese Differenzirung der Schilddriise vollzieht sich vom sechsten bis zwölften Tage nach der Ablage des Kies. Am achten Tage gelingt es, noch in der Mitte des Organs Reste des primitiven Lumens der ersten bläschenförmigen Anlage zu erkennen. Es er- halten sich demnach hier am längsten die Zellen der oberflächlichen Lage, in weleher wir auch, nach den reichlichen Mitosen zu schließen, die reichliehste Zellvermehrung finden (Taf. VIII Fig. 22). Auch an den beiden lateralen Enden erhält sich der Rest des Lumens des ersten Schilddrüsenbläschens lange Zeit. Der Charakter des Epithels ist hier lange der primitive. Das zeigt sich noch am zwölften Tage nach der Eiablage, zu einer Zeit, wo schon in meh- reren Bläschen und Schläuchen des mittleren Theiles der Drüse feine Lumina erkennbar sind. Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 151 Dieses Bild, welches Taf. VII Fig. 23 darstellt, lässt die Vorstellung zu, dass hier am lateralen Ende der Organanlage andere Theile sich sekundär angeschlossen haben könnten: paarige Theile, welche nicht aus der unpaaren Schilddrüsenanlage hervorgehen, sondern etwa Derivate hinterer Schlundspalten seien. Eine Vergleichung mit jün- geren Stadien schließt diese Annahme aber mit vollkommener Sicher- heit aus. Man kann das Auswachsen der unpaaren Schilddrüsen- bläschen Schritt für Schritt aufs deutlichste verfolgen. Es ergiebt sich daraus, dass an den lateralen Enden am längsten der primitive Charakter der Anlage sich erhält, während die mittleren Theile unter Vermehrung der Elemente und Eindringen von Bindegewebe mit Blutgefäßen den Bau des späteren Organs vorbereiten. Man findet diesen Zustand auch noch bei Embryonen, die 16 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurden. Bei fünf Tage älteren Exemplaren (vom 21. Tage) zeigt sich, dass die Blutgefäße in der Drüse sich mächtig ausgebildet haben und ihre Kapillaren ganz außerordentlich weite Lumina besitzen. Dadurch wird auch das Drüsenparenchym viel deutlicher gesondert. Dies findet sich wieder in den mittleren Theilen des Organs, während nahe den lateralen Enden noch jederseits ein Vegetationspunkt besteht. An diesen bleiben einfachere Zustände am längsten, in so fern noch kompakt zusammenliegende Zellengruppen bestehen, zwischen welche erst spär- liche Bindegewebszellen eingedrungen sind. Den für die Schilddrüse charakteristischen Bau und die erste deutlich nachweisbare Colloidsubstanz fand ich bei Embryonen kurz vor dem Ausschlüpfen (31 Tage nach der Eiablage). Hier zeigt das ganze Organ gleichmäßiges Verhalten. Die lateralen Theile sind eben so weit differenzirt wie die medialen Abschnitte. Man sieht allenthalben scharf abgegrenzte Bläschen, deren Mehrzahl ein Lumen besitzt. Das interstitielle Bindegewebe und die weiten Blutkapillaren trennen die Bläschen weit von einander. Allenthalben zerstreut zwischen solchen mit kaum angedeutetem oder sehr feinem Lumen sieht man in unregelmäßiger Anordnung, aber im ganzen Organ auch Bläschen, welehe deutlich Colloidsubstanz enthalten (Fig. 24). Erst nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei tritt die colloide Sub- stanz reichlicher auf. Dadurch werden die Drüsenbläschen stark vergrößert, ihr Epithel ist ein einschichtig kubisches. Zu dieser Zeit treten auch die ersten Chromatophoren in der bindegewebigen Kapsel auf. Diese dringen dann bald zwischen die Drüsenbläs- chen ein (Taf. VII Fig. 25). 152 F. Maurer 2) Der postbranchiale Körper macht in den ersten Stadien eine der histologischen Entwicklung der Schilddrüse sehr ähnliche Differenzirung durch, nur kommt es niemals zur Bildung von Colloid. Seine Differenzirung erfolgt etwas später als die der Schilddrüse. Nach seiner Absehnürung vom Schlundepithel stellt er ein kugeliges Bläschen mit einem weiten Lumen dar. Das auskleidende Epithel ist mehrschichtig, aus eylindrischen Zellen gebildet. So besteht es noch bei Embryonen, die 21 Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommen wurden. Dabei zeigen sich stets an den dem Lumen zu- nächst gelegenen Zellen, also der oberflächlichen Cylinderzellen- schicht, die reichlichsten Mitosen, während die tiefen Zellenlagen aus reichlichen rundlichen Zellen bestehen. Stärkere Wucherungsvor- gänge konnte ich erst bei Embryonen nachweisen, welche 25 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurden. Hier fand ich in der Umgebung des Gebildes eine reichlichere Ausbildung von Blutkapil- laren, und dem entsprechend sprossten überall von der Oberfläche des kugelförmigen Organs kleine Zellgruppen hervor, wodurch die Oberfläche eine leicht höckerige Beschaffenheit erhielt. Diese Sprossen waren noch ganz kompakt, ihrer Anordnung entsprechend sah man aber deutlich auch Ausbuchtungen des einheitlichen kugeligen Lu- mens angedeutet. An ihrer Außenfläche waren diese Fortsätze alle von eindringenden Bindegewebszellen umgeben und dadurch scharf abgegrenzt (Taf. VII Fig. 26 und 27). Bei Embryonen, die 31 Tage nach der Ablage dem Ei ent- nommen waren, sind diese Sonderungsvorgänge weiter gediehen. Es besteht noch immer das erste Mutterbläschen mit seinem weiten Lumen, aber sein Epithel ist vielfach einschichtig eylindrisch, die Elemente seiner früheren tiefen Lagen haben sich zum großen Theil abgelöst und bilden selbständige Gruppen, zum Theil schon mit kleinem Lumen versehene Bläschen, die von Bindegewebe umgeben sind. An vielen Stellen ist das Epithel des Mutterbläschens auch noch mehrschichtig und man beobachtet, dass hier der Ablösungs- process der tiefen Zellgruppen sich gerade vollzieht. Hier erkennt man auch, dass die eindringenden Bindegewebszellen offenbar eine aktive Rolle bei der Zertheilung des epithelialen Bildungsmaterials spielen. Bei eben ausgeschlüpften Thieren erkennt man das Mutterbläs- chen kollabirt, unregelmäßig gestaltet, von einschichtigem Cylinder- epithel ausgekleidet. Im Lumen ist nur spärliche helle Flüssigkeit enthalten. Um das Mutterbläschen liegen zahlreiche kleine Bläschen Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 153 mit gleichem Bau und sehr feinem Lumen. Zwischen diesen Bläs- . chen ist reichliches Bindegewebe, viel reichlicher als bei der Schild- drüse entwickelt, wodurch die einzelnen Bläschen weit von ein- ander getrennt sind. Die Blutgefäße sind lange nicht so stark ausgebildet wie bei der Schilddrüse. Das ganze Gebilde besitzt aber eine noch beträchtliche Größe gegenüber älteren Stadien, wo es ein unscheinbares kleines Körperchen wird. Es zeigt dann außer kleinen Bläschen auch kompakte Zellgruppen, meist gelingt es aber, auch bei älteren Thieren, im Centrum ein größeres Bläschen nach- zuweisen, das wohl als Rest des ersten Mutterbläschens aufgefasst werden muss. Ich betone nochmals, dass es mir niemals gelang, in dem Lumen eines der Bläschen Colloid nachzuweisen (Fig. 28). 3) Die Thymus. In den ersten Stadien stellen die Thymus- anlagen als Zellwucherungen der dorsalen Epitheltaschen der zweiten und dritten Schlundspalten kompakte Gebilde dar, welche aus ganz gleichartigen rundlichen Zellen bestehen. Diese hat man nach ihrer Entwicklung als epitheliale Elemente aufzufassen. Schon bevor die Ablösung der vorderen Thymus vom Schlund- spaltenepithel sich vollzieht, treten Veränderungen bestimmter Art an den sie zusammensetzenden Zellen hervor, ohne dass ein Ein- dringen von Bindegewebszellen von außen her stattgefunden hat. Das zeigt sich schon bei Embryonen, die acht Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurden (Taf. VIII Figg. 29 und 32), noch deutlicher ist es bei solchen, die zwölf Tage nach der Ablage konservirt wurden. Man erkennt hier die Thymusknospe durch eine deutliche, ganz glatte Basalmembran scharf gegen das umgebende Bindegewebe ab- gegrenzt. Die peripheren Zellen der Thymus, die sich direkt an diese Basalmembran anschließen, sind Cylinderzellen, welche reich- lich Mitosen zeigen. Sie liegen fest zusammengepresst. Nach dem Centrum der Knospe zu ändern sich die Zellen, sie werden kugelig, kleiner, und ganz im. Centrum sind sie locker gefügt. Es bestebt hier entweder zwischen den Elementen spärliche Flüssigkeit, oder die Zellen haben in ihrem Plasmakörper Flüssigkeitstropfen gebildet, die in kleinen Vacuolen des Zellkörpers enthalten sind. Welcher der beiden Vorgänge hier stattfindet, vermag ich aus dem mikro- skopischen Bilde nicht zu entscheiden. Jedenfalls steht aber fest, dass auch diese central angeordneten Elemente direkte Derivate des Epithels der Kiemenspalte darstellen. Fig. 30 stellt einen Durchschnitt durch die Thymus der zweiten Schlundspalte eines Lacerta-Embryo dar, welcher 16 Tage nach der 154 F. Maurer Ablage dem Ei entnommen wurde. Hier finde ich verschiedene Verhältnisse beachtenswerth. Erstens ist eine Rinden- und eine Markschieht unterscheidbar, deren Elemente hauptsächlich von der epithelialen Anlage des Organs abgeleitet werden müssen. In der tindenschicht sind diese Zellen sehr dicht zusammengelagert und befinden sich in reger Vermehrung. Durch die fortwährenden Theilungen nehmen die Zellen eine charakteristische Reihenanordnung an. Diese Reihen sind nur in der Rinde erkennbar und verlaufen radiär von dem Mittelpunkt des Organs nach der Oberfläche. Die Zellen gehen kontinuirlich in die Zellen der Markschicht über, mit welchen sie identisch sind. Im Mark liegen die Zellen lose gefügt, stehen mit feinen Protoplasma- fortsätzen unter einander in Zusammenhang. Ihr Verhalten erinnert an das Bild, welches das embryonale Bindegewebe in frühesten Stadien zeigt, oder ähnlich der Schmelzpulpa in den Zahnsäckchen. Zweitens finde ich jetzt zum ersten Male, dass mesodermale Zellen ins Innere des Organs eindringen. Es sind nicht lymphatische Zellen, sondern Bindegewebszellen, welche als spindelförmige Ble- mente in geringer Zahl zwischen den Thymuszellen nachweisbar sind. Es erscheint mir in diesem Stadium bedeutungsvoll, dass das erste lymphatische Gewebe der Thymus epithelialer Herkunft ist und nicht durch von außen eingedrungene Zellen gebildet wird. Ein älteres Stadium zeigt dies noch deutlicher. Taf. VII Fig. 31 und Taf. VIII Fig. 34 stellen Durchschnitte durch die Thymus der zweiten und dritten Schlundspalte eines Lacerta-Embryo dar, welcher 31 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde, d. h. unmittelbar vor dem Ausschlüpfen stand. Hier sind mit dem Bindegewebe auch Blutgefäße in das Organ eingedrungen. Man kann wieder deutlich Rinden- und Markschicht unterscheiden. Die Rindenschicht besteht aus Rundzellen, die in reichlicher Vermehrung begriffen sind und wie im vorigen Stadium in senkreeht zur Oberfläche des Organs stehenden Reihen angeordnet sind. Diese Zellen stellen den wesentlichen Theil des Thymusparenchyms dar mit vollkommen lymphatischem Charakter. Sie sind offenbar die gleichen Elemente wie die im vorigen Stadium geschilderten und demnach wie diese epithelialer Herkunft. In der Markschicht des Organs findet man nun drei Formen von Zellen: erstens die glei- chen Zellen wie in der Rinde, nur in geringerer Zahl, zweitens Bindegewebszellen und Fasern, die hier, wie zwischen den Zellen der Rinde, nur stützende und ernährende Bedeutung haben, letztere Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 155 dadurch, dass in ihrer Begleitung Blutgefäße in die Thymus einge- drungen sind. Außerdem aber findet man im Mark große Zellen, theils einzeln, theils in Gruppen zusammengelagert. Diese Zellen besitzen einen großen Plasmakörper, der eine feinkörnige Struktur, zuweilen auch eine deutlich koncentrische Streifung erkennen lässt. Die Form des Zellkörpers ist verschieden, bald kugelig, bald eiför- mig oder abgeplattet, so dass die Zellen im Schnitt Spindelform zeigen. Die Kerne dieser Zellen sind sehr groß, eiförmig, blass gefärbt und zeigen stets ein großes deutliches Kermkörperchen. Diese Zellen bilden an verschiedenen Stellen Cysten. Auf Fig. 34 bei 6 begrenzen sie als abgeplattete Zellen einen größeren Spalt- raum, den Rest des Lumens der dritten Schlundspalte. Dadurch geben sich diese Elemente als Epithelzellen aufs klarste zu erkennen. Wir sehen in diesem Stadium der Thymus demnach zweierlei Derivate der epithelialen Anlage dieses Organs bestehen. Erstens typisches lymphatisches Gewebe, welches die Hauptmasse des Thy- musparenchyms darstellt, und zweitens in der Markschicht Zellen, welche wieder ihren epithelialen Zellencharakter angenommen haben. Sehen wir nun, wie sich dies in älteren Stadien weiter bildet. Taf. VIII Fig. 35 giebt ein Stück eines Durchschnittes durch die Thymus einer halbwüchsigen Lacerta muralis, wo man ein Stück der Rinde und des Marks erkennt. Die Rinde besteht auch hier aus adenoidem Gewebe, im Mark findet man zwischen den lymphatischen Zellen wieder jene epithelioiden großen Zellen theils einzeln, theils in Gruppen zusammengeschlossen in regelloser Vertheilung. In Taf. VII Fig. 36 gebe ich einen kleinen Theil eines Thymus- schnittes von einem ausgewachsenen Exemplar von Lacerta agilis. Hier bildet die Rinde nicht mehr eine ganz geschlossene Schicht, sondern nur an bestimmten, allerdings zahlreichen Stellen ist ade- noides, sehr zellenreiches Gewebe erhalten. Auf der Fig. 36 ist eine solche Stelle wiedergegeben. Das Markgewebe ist an vielen Stellen bis zur Oberfläche des Organs vorgedrungen und zeigt überall den gleichen Bau. In den Maschen eines retieulären Gewebes liegen zerstreut, nicht sehr reichlich, lymphatische Zellen, dazwischen in reichlicher Zahl große Zellen von rundlicher Form. Der Plasma- körper dieser letzteren ist matt glänzend, fein granulirt oder mit feiner koncentrischer Streifung versehen. Die Kerne sind blass ge- färbt, theils rundlich, theils geschrumpft, so dass sie platt, oft ge- krümmt erscheinen. Vergleichen wir diese Zellen mit den früheren Stadien, so sind sie für gleichwerthig den großen epithelioiden Zellen 156 F. Maurer des Marks zu erklären. Auf den ersten Blick erinnerten mich die Zellen an Ganglienzellen, wie sie in sympathischen Ganglien sich finden. In dem Organ, welches der Fig. 36 zu Grunde liegt, finde ich diese Zellen alle isolirt angeordnet, es besteht keine Neigung zur Bildung koncentrischer Körper. Indessen fand ich solche in anderen Exemplaren und es unterliegt keinem Zweifel, dass die Hasaur'schen Körperehen von diesen großen Zellen gebildet werden. Übersehe ich den Bau der Thymus, wie er sich aus seiner Ent- | wicklung ergiebt, so komme ich zu einer etwas von meiner früheren Ansicht abweichenden Auffassung von der Genese des Thymus- gewebes. | Früher nahm ich, der üblichen Vorstellung folgend, an, dass zwar die erste Anlage der Thymus eine epitheliale sei und dass die epithelialen Zellen unter reichlichen Theilungsvorgängen ein indiffe- rentes Aussehen, ähnlich den lymphatischen Zellen, annähmen. Das spätere adenoide Gewebe der Thymus aber wurde nach meiner früheren Ansicht durch einwanderndes mesodermales Zellenmaterial geliefert, welches zwischen die epithelogenen Elemente einrücken sollte und sie aus einander drängte, indem sie an ihrer Stelle sich reichlich vermehrten (siehe auch SCHAFFER, 11). Die einzigen Reste der epithelialen Anlage der Thymus würden alsdann die zerstreut in der Marksubstanz liegenden epithelioiden Zellen und koncentrischen Körperchen darstellen. Vergleiche ich die Befunde, welche auf den Figg. 29—32 und 34—36 dargestellt sind, so ergiebt sich eine andere Auffassung. Die epithelogenen Elemente der Thymusanlage bilden das adenoide Gewebe der Thymus. Nur ein Theil der epithelogenen Zellen nimmt schon frühzeitig wieder eine epithelioide Form an, wie das schon Figg. 31 und 34 zeigen. Dass das adenoide Gewebe, welches besonders charakteristisch in der Rindenschicht besteht, aus der epithelialen Anlage sich bildet, zeigt die Vergleichung der Figg. 29 und 30 mit den Figg. 31 und 34. Es existirt kein einziger Grund, weleher die Berechtigung giebt, die peripheren Thymuszellen der Fig. 34 als etwas Anderes aufzufassen als die Zellen an der Peripherie der Figg. 29 oder 30, und dass die letzteren epithelialer Herkunft sind, wird Niemand bezweifeln. Die eigenthümliche An- ordnung der sich vermehrenden Rindenzellen in senkrecht zur Ober- fläche angeordneten Reihen, die in allen diesen Stadien gleichmäßig besteht, bestätigt das noch weiter. Betrachten wir ältere Stadien, so sehen wir, dass allmählich die Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 157 reichliche Vermehrung der Iymphatischen Zellen nachlässt. Die Thymus besitzt nicht mehr eine kontinuirliche Rindenschicht, son- dern diese bleibt nur an einzelnen Stellen der Oberfläche bestehen. Ein großer Theil des lymphadenoiden Gewebes lässt seine Zellen ihre Weitervermehrung einstellen, und in Folge dessen fallen in reichlicher Zahl diese Elemente in den epithelioiden Charakter zu- rück. Nur auf diese Weise ist die viel größere Anzahl und allge- meinere Verbreitung der epithelioiden Zellen in der Thymus aus- gewachsener Thiere verständlich. Sie können sich nicht aus sich selbst reichlich vermehren, denn schon im embryonalen Organ (Figg. 31 - und 34) machen diese Zellen den Eindruck von Elementen, welche das Ende ihrer Differenzirung erreicht haben und vielleicht sogar schon abgestorben sind. Das ist noch viel mehr der Fall bei diesen Zellen in der Thymus älterer Thiere. Niemals kann man Thei- lungsvorgänge an ihnen erkennen. Ich bin demnach der Ansicht, dass die epithelialen Zellen der ersten Thymusanlage das adenoide Gewebe dieses Organs ausbilden, dass einige Zellen frühzeitig als epithelioide Elemente in ihren epi- thelialen Charakter zurückfallen. Im Weiterverlauf nimmt die Wuche- rung des adenoiden Gewebes allmählich ab und es nehmen dann immer mehr solche epithelogene lymphatische Zellen wieder ihren epithelialen Charakter an. Wir haben in den epithelioiden Zellen und den koncentrischen Körperchen somit zwar Reste der epithelialen Anlage dieses Organs vor uns, sie sind aber nicht die einzigen Reste. Vielmehr ist auch das adenoide Gewebe der Thymus epithelialer Herkunft. Das in die Thymusanlage einrückende Bindegewebe mit den Blutgefäßen spielt nur die Rolle des interstitiellen Bindegewebes und sorgt für die Ernährung, wie in anderen Organen auch. 4) Die Carotidendrüse der Eidechse ist in ihrem histologischen Verhalten in verschiedenen Stadien auf Taf. VIII Figg. 32—34 und Taf. VII Fig. 37 dargestellt. Sie stimmt völlig überein mit den Epithel- kérperchen der Amphibien, mit welchen sie auch homolog ist. Das Organ ist eine Wucherung der Epithelzellen der dritten Schlundspalte, und zwar an deren ventralem Ende. Obgleich es in kontinuirlichem Zusammenhange mit der Thymusanlage dieser Spalte steht, an deren ventrales Ende sie sich anschheßt, zeigt die Wucherung hier von vorn herein ein von der Thymus völlig verschiedenes Verhalten. Fig. 32 zeigt sie in ihrem ersten Zustand. Hier ist sie kugelig und auf dem kreisrunden Querschnitt erkennt man sie scharf abge- grenzt im Epithel der Schlundspalte. Sie stellt hier eine nur aus 158 F. Maurer Epithelzellen bestehende Wucherung dar. Diese ist nicht gleich- mäßig, sondern es befinden sich darin an verschiedenen Punkten starke Vermehrungsherde. Auf dem Schnitt sind drei sehr deutlich, ein vierter weniger deutlich erkennbar. Durch die lokalisirten Ver- mehrungscentren werden die umgebenden Zellen abgeplattet und auf dem Querschnitt erscheinen förmliche Wirbel oder Strudel von Zellen: Ein Zustand, der eine starke Spannung im Inneren des Organs vor- aussetzt. Ich kenne von keinem anderen Organ ein ähnliches histo- logisches Bild. Da hier nur Epithelgewebe am Aufbau betheiligt ist, habe ich diese Gebilde bei Amphibien als Epithelkörperchen be- zeichnet. Während Fig. 32 einem Eidechsen-Embryo entstammt, der ° acht Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde, ist Fig. 33 einem 17 Tage älteren Embryo entlehnt. Hier sieht man erstens, dass ein Rest des Lumens der dritten Schlundspalte im Inneren des Organs besteht. Ferner sind die Epithelzellen reichlicher gewuchert und es erscheinen einzelne Bindegewebszellen zwischen sie einge- drungen. Abgesehen von dem Schwinden eines jeden Lumens, zeigt das Organ später den gleichen Bau. Fig. 34, einem Fötus unmittel- bar vor dem Verlassen des Eies entnommen, zeigt den gleichen Bau: zahlreiche Proliferationscentren von Epithelzellen, fest zusammen- gepackt und in einander geschoben, und dazwischen spärliche Binde- gewebszellen. Dass dieser Gewebscharakter später beibehalten wird, zeigt Fig. 37, die einem alten ausgewachsenen Exemplar von Lacerta agilis entnommen ist. Der Bau ist ein durchaus eigenartiger epi- thelialer, man kann ihn aber nicht drüsig nennen, denn die Zellen liegen stets in kompakten Massen zusammen und es zeigt sich keinerlei Lumen in den Zellgruppen. Wenn Reste der vierten Schlundspalte bestehen, zeigen diese einen völlig mit der Carotiden- drüse übereinstimmenden Bau. Ein solehes Gebilde ist auf Fig. 33 dargestellt. Es ist homolog den Epitbelkörperchen der vierten Schlundspalte bei Amphibien und erleidet bei Lacerta meist früh- zeitig eine völlige Riickbildung. Zusammenfassung und Beurtheilung der Befunde. Die bei Lacerta bestehenden Verhältnisse der Schlundspalten- derivate sind leicht von den Zuständen der Amphibien ableitbar. Wir haben zwei Gruppen der Organe scharf zu trennen: 1) solche, die schon bei wasserlebenden, mit respiratorischem Kiemenapparat ver- sehenen Thieren auftreten, das sind: Schilddrüse, Thymus und post- Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 159 branchiale Körper, und 2) solche, die erst unter Obliteration des respi- ratorischen Kiemenapparats entstehen und Derivate von dessen epi- thelialer Auskleidung darstellen: das sind die Epithelkörper- chen, von welchen das eine die Carotidendrüse darstellt. Hinsichtlich der ersten Organgruppe zeigt die Schilddrüse eine Entwicklung, die völlig gleichartig ist mit der bei Fischen und Am- phibien bekannt gewordenen. Sie geht aus einer unpaaren Anlage hervor. Paarige Gebilde nehmen keinen Antheil an ihrer Ausbildung. Das ausgebildete Organ zeigt in so fern andere Verhältnisse, als es bei Reptilien zeitlebens ein unpaares Gebilde bleibt. Es besteht aus zwei in der Medianebene zusammenhängenden Lappen, zeigt somit einen bilateral-symmetrischen Bau. Mit der Schilddrüse der Fische und Amphibien ist dies Organ bei Lacerta vollkommen ho- molog. ‘Varietäten der Schilddrüse irgend welcher Art konnte ich weder bei einer großen Zahl von Embryonen jeglichen Stadiums, noch bei erwachsenen Thieren nachweisen. Der postbranchiale Körper der Eidechse kommt stets hinter der letzten Kiemenspalte (der vierten) zur Ausbildung als Ausstül- pung der Schlundwand, die sich rasch zu einem kugeligen Bläs- chen abschnürt. Es unterliegt Verschiedenheiten, in so fern ich es bei zahlreichen Embryonen in paariger Anordnung fand. In einigen Fällen waren das rechte und linke Organ von ganz gleicher Größe, in einem Fall war das rechtsseitige Organ nur halb so groß als das linksseitige, und in mehreren Fällen war nur auf der linken Seite ein solches Organ ausgebildet. Den letzteren Zustand fand ich bei allen erwachsenen Thieren. Das rechtsseitige Organ ist demnach in Rückbildung begriffen. Dass ich dasselbe nie bei einem erwach- senen Thier fand, ist wohl nur Zufall, wenn man nicht annehmen will, dass es da, wo es embryonal angelegt ist, im weiteren Verlauf der Ontogenese eine völlige Rückbildung erfährt. Ich habe auch die Möglichkeit erwogen, dass dieses Gebilde sich der Schilddrüse anschließen könne und einen Zustand vorbereite, wie er bei Säuge- thieren vielfach geschildert wurde. Ich konnte indessen nichts Der- artiges feststellen. Es wäre auch schwer verständlich, warum der linke postbranchiale Körper dann nicht auch gelegentlich eine Ver- bindung mit der Schilddrüse einginge. Der postbranchiale Körper ist kein konstantes Organ. Schon bei Selachiern zeigt er Verschiedenheiten, in so fern er bei Heptan- chus ganz fehlt, bei Acanthias nur einseitig, bei Raja paarig aus- gebildet ist (DoHRN, BEArD). Bei den bis jetzt untersuchten Formen 160 F. Maurer der Knochenfische fehlt er ganz (Maurer). Bei anuren Amphibien ist er paarig, bei urodelen unpaar ausgebildet (MAURER), nur bei Necturus ist er paarig (PLarr). Bei Lacerta zeigt er sich zuweilen paarig, häufiger nur linksseitig angelegt. Trotz dieser Verschiedenheit seines Auftretens zeigt er doch, wenn vorhanden, ein gleichartiges Verhalten. Er stellt ein Bläs- chen oder einen Schlauch dar, der sich in viele mit Epithel ausge- kleidete Bläschen theilt. Bei allen von mir untersuchten Formen fehlt die Bildung von Colloid in den Bläschen. Jederzeit, und das erscheint mir von großer Bedeutung für die Beurtheilung dieses Gebildes, tritt es hinter der letzten Kiemenspalte auf, mögen nun sechs, wie bei Acanthias und Raja, fünf wie bei Anuren, oder vier wie bei Lacerta vor ihm liegen. Da es in der Anlage gleichartig ist und eben so stets zu demselben Gebilde heranwächst, auch bei wasserlebenden mit Kie- menapparat versehenen Formen, und da es nach Obliteration der sämmtlichen Kiemenspalten bei Amphibien und Lacerta doch in glei- cher Weise weiter besteht, so halte ich die Auffassung, dass man es hier mit einer letzten rudimentären Kiemenspalte zu thun habe, wie VAN BEMMELEN es meint, für falsch. Seine Phylogenese muss eine andere sein, doch vermag ich kein Organ anzuführen, das hier- für die Grundlage bildete. Die Thymus ist bei allen Fischen, eben so wie bei Amphibien, eine Wucherung der dorsalen Taschen der Kiemenspalten. Es be- stehen nur Unterschiede hinsichtlich der Zahl der hier in Anspruch genommenen Spalten. Bei Selachiern sahen wir schon Verschiedenheiten. Bei Heptan- chus werden von sieben Spalten (DoHrn), bei Raja nur von fünf (BEARD), bei Acanthias nur von vier Spalten (DoHRN) Thymusknospen gebildet. Die erste Spalte bildet in keinem Fall eine Knospe, bei Acanthias unterbleibt ihre Bildung auch an der sechsten Spalte. Bei Teleostiern werden nach meinen Beobachtungen vier Thymusknospen gebildet, und zwar von der zweiten bis fünften Spalte, VERDUN giebt in seinem Schema fünf Thymusknospen an. Er hat wohl andere Formen als ich untersucht. Danach bestehen auch bei Teleostiern Verschiedenheiten. Bei Amphibien zeigt die Thymus der Urodelen sich an fünf Spalten angelegt, die zwei ersten Thymusknospen erleiden eine kückbildung, die bleibende Thymus geht also aus der dritten bis fünften Spalte hervor. Bei Anuren bilden nur die zwei ersten Spalten Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 161 Thymusknospen, und von diesen erleidet die erste eine Riickbildung, die zweite allein bildet die bleibende Thymus. Bei Lacerta bestehen nun nach meinen Beobachtungen drei Thymusknospen von der ersten bis dritten Schlundspalte. Die Knospe der ersten Spalte erleidet eine Rückbildung (sie ist sowohl VAN BEMMELEN wie DE MEURON entgangen). Die drei Knospen ver- halten sich zuerst genau wie die Thymusknospen der Fische und Amphibien, d. h. sie stellen Wucherungen des Epithels der dorsalen Spaltentaschen dar. Später entwickeln sich aber diese drei Gebilde ganz verschieden weiter. Die erste verschwindet. Die zweite bildet sich genau wie bei Fischen und Anuren weiter aus und wird zum vorderen Lappen der bleibenden Thymus, welcher vollkommen homolog ist der Thymus der zweiten Kiemenspalte bei Fischen und anuren Amphibien. Die Thymus der dritten Schlundspalte zeigt die interessantesten Verhältnisse. In ihrem dorsalen Theil ist sie homolog der Thymus der dritten Spalte bei Fischen und urodelen Amphibien, und serial homolog der Thymus der zweiten Spalte der Eidechse. Sie geht aber in einen ventralen Theil kontinuirlich über, welchen man als eine Neuerwerbung dieser niedersten Amniotengruppe auffassen muss. Sie ist so zu verstehen, dass nicht nur der Gipfel der dor- salen Schlundtasche eine Thymuswucherung bildet, sondern dass auch ventral davon gelegene Theile der dritten Schlundspalte ihr Epithel zu Thymusgewebe wuchern lassen. Dieser Befund erhält meines Erachtens große Bedeutung, wenn man die höheren Amnioten zur Vergleichung heranzieht: insbesondere die Säugethiere. Nach Angaben sämmtlicher Autoren geht die Thymus der Säugethiere aus der dritten Schlundspalte hervor. Bei einigen Formen bilden sich auch Knospen an der zweiten und der vierten Spalte aus. Der Schwerpunkt aber liegt in der dritten Spalte, und die hieraus ent- stehende Thymus zeigt eine mächtige Entfaltung ventralwärts. Dieser Zustand ist in der Thymus von Lacerta vorbereitet und man darf die Thymus dieser Spalte nicht für einfach homolog der Thy- mus der Fische und Amphibien erklären, sondern sie enthält auch ventrale Theile der Schlundspalten, welche bei jenen For- men nicht zur Thymusbildung herangezogen werden. Ich war vor Kurzem noch der Ansicht und habe mich auf der letzten Versammlung der Anatomischen Gesellschaft auch dahin ge- äußert, dass die ventralen Theile der Eidechsenthymus aus den Epithelkörperchen der Amphibien beständen. Morpholog. Jahrbuch. 27. 11 162 F. Maurer Dadurch würden diese Gebilde eine für die Thymusfrage große Be- deutung erhalten. Ich bin von dieser Ansicht zurückgekommen und habe mich dem entsprechend auch in den Sitzungsberichten korrigirt. Ich schließe hier an die Besprechung der Thymus diejenige der Epithelkörperchen an. Diese Organe, welche von mir bei Amphibien zuerst aufgefunden wurden, fehlen vollkommen bei Fischen, und setzen zu ihrer Ausbildung die Reduktion des respira- torischen Kiemenapparates und die Rückbildung der Schlundspalten voraus. Sie treten zum ersten Mal bei Amphibien auf und zeigen hier ein verschiedenes Verhalten. Bei Urodelen fehlen sie den Perennibranchiaten und den Larven der Caducibranchiaten. Sie entstehen zur Zeit der Metamorphose. Da die Thymusbildungen sich schon während der frühen Larvenperiode von den Schlundspalten abgelöst haben, so stehen die Anlagen der Epithelkörperchen niemals in Verbindung mit der Thymus. Bei Urodelen entstehen jederseits drei Epithelkörperchen. Sie bilden sich durch Wucherungen des Epithels der obliterirenden Schlundspalten, und zwar aus deren ventralen Theilen. Das aus der zweiten Schlundspalte entstehende Gebilde tritt in Beziehung zur Carotis und wird in die Carotidendrüse auf- genommen, welche im Übrigen einen Gefäßplexus darstellt. Die aus der dritten und vierten Schlundspalte hervorgehenden Epithel- körperchen bleiben als kleine rundliche Knötchen den Arterienbogen angeschlossen. Bei Anuren treten die Anlagen der Epithelkérperchen schon in früher Larvenperiode auf. Das steht in Widerspruch mit meiner Angabe, dass diese Gebilde eine Obliteration der Schlundspalten voraussetzen. Ich habe aber früher genauer aus einander gesetzt, wie dies seine Begründung findet in der eigenthümlichen Ausbildung der inneren Anurenkiemen. Diese Bildungen haben weder bei Fischen noch bei Urodelen ihres Gleichen, und zur Zeit ihres Bestehens sind die Theile der Kiemenspalten bei Anuren, welche außerhalb des Be- reichs der inneren Kiemen liegen, schon in gleicher Weise umge- bildet, wie dies bei Urodelen erst zur Zeit der Metamorphose geschieht. Die Epithelkörperchen treten auch bei Anuren als drei Paare auf. Sie entstehen als Knospen der ventralen Enden der Kie- menspalten. Ihr späteres Verhalten ist genau wie bei Urodelen. Das vorderste Gebilde von der zweiten Spalte nimmt Theil am Aufbau der Carotidendrüse, während die der dritten und vierten Spalte ent- stammenden selbständig bleiben. Sie wachsen nach der Metamorphose Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 163 stärker aus und liegen in oberflächlicherer Lage als bei Urodelen, entfernter von den Arterienbogen. Sie erscheinen etwas weiter nach vorn und ventral angeordnet. Diese Verhältnisse habe ich genau abgebildet im Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIII, Taf. XI. Welche Gebilde bei Lacerta sind nun diesen Organen der Am- phibien homolog? Es sind hier zwei solche vorhanden, Derivate der dritten und vierten Schlundspalte. Die zweite Schlundspalte bildet kein derartiges Körperchen. Das Epithelkörperchen der dritten Schlundspalte steht hier in festem Zusammenhang mit dem ventralen Ende der Thymusanlage dieser Spalte. Dadurch unterscheidet es sich von dem gleichen Ge- bilde der Urodelen. Doch ist dieser Unterschied leicht verständlich, wenn man zwei Momente bedenkt: 1) dass die Urodelen zur Zeit der Ausbildung und Ablösung der Thymus von dieser Kiemenspalte noch eine respiratorische offene Kiemenspalte besitzen. Dadurch ist die Thymus frühzeitig vom Mutterboden des Epithelkörperchens ab- gelöst. Bei Lacerta findet die Obliteration der dritten Schlundspalte, die hier ja nie respiratorische Bedeutung erhält, gleichzeitig mit der Ausbildung der Thymus und des Epithelkörperchens statt. Der Mutterboden beider ist also zur Zeit der Entwicklung beider Organe ein einheitlicher, und so ergiebt sich der Zusammenhang beider als naturgemäß; 2) hat man zu bedenken, dass die Thymusanlage dieser Spalte sich, wie oben ausgeführt, ventralwärts weiter auf die Schlund- spalte ausdehnt als bei Urodelen, und hierdurch erscheint auch die so lange dauernde Verbindung des Epithelkörperchens mit der Thy- mus verständlich. In vielen Fällen bleibt das Epithelkérperchen der dritten Spalte zeitlebens durch einen Strang lymphatischen Gewebes mit der Thy- mus dieser Spalte in fester Verbindung, in anderen Fällen löst es sich davon ab, indem der verbindende Strang eine Rückbildung er- leidet. Zuweilen findet man auf beiden Seiten in dieser Beziehung verschiedenes Verhalten. Dieses Organ stellt die Carotidendrüse der EKidechse dar, welche demnach homolog ist dem Epithelkörperchen der dritten Spalte bei Amphibien. Mit der Carotidendrüse der Amphibien ist es nur serial homolog, da deren epithe- lialer Bestandtheil der zweiten Schlundspalte entstammt. Bei der Eidechse bildet die zweite Schlundspalte kein Epithel- kérperchen. Wohl aber findet man embryonal an der vierten Sehlund- spalte ein solches Gebilde angelegt. Dieses tritt zuweilen nur ein- 11* 164 F. Maurer seitig, zuweilen paarig auf und stellt die einzige Wucherung des Epithels der vierten Schlundspalte dar. An letzterer fehlt eine dor- sale wie eine ventrale Tasche. Sie bildet einen gekrümmten Kanal, in dessen Mitte jene Wucherung sich ausbildet. Die Homologie dieses Gebildes mit einem Epithelkörperchen ergiebt sich aus seinem Bau, der völlig mit jenen Organen übereinstimmt und durchaus eigenartig ist. Das Gebilde ist für homolog dem Epithelkérperchen der vierten Schlundspalte bei Amphibien zu erklären. Hier bei der Eidechse ist es nicht von langem Bestand. Bei ausgeschlüpften Eidechsen und alten Thieren vermisst man es meistens. Ich konnte es nur bei einem älteren Exemplar von Lacerta muralis nachweisen, wo es nahe bei der Carotidendrüse lag und einen mit dieser über- einstimmenden Bau zeigte. In embryonalem Zustand habe ich es mit der Carotidendrüse auf Fig. 33 dargestellt. Die Eidechse besitzt demnach zwei Paar Epithelkörperchen, welche den gleichbezeichneten Gebilden der Amphibien völlig ho- molog sind. Das vorderste dieser Organe stellt die Carotidendrüse der Eidechse dar. Obgleich es in vielen Fällen in dauernder Ver- bindung mit dem ventralen Ende der Thymus der dritten Schlund- spalte bleibt, ist es doch als ein von der Thymus völlig verschie- denes Gebilde aufzufassen. Das ergiebt sich erstens aus seinem durchaus eigenartigen Bau. Ferner ist es in phylogenetischer Be- ziehung vollkommen von der Thymus zu trennen. Während die Thymus schon bei Fischen eine allgemeine Verbreitung findet, fehlen dort die Epithelkörperchen vollkommen. Ihre Entwicklung setzt die Obliteration der respiratorischen Kiemenspalten voraus. Zusammenfassend wiederhole ich, dass die Schlundspaltenderivate in zwei Gruppen zu sondern sind: 1) Organe, die gleichzeitig mit einem offenen respiratorischen Kiemenapparat beste!’en (Schilddrüse, postbranchialer Körper, Thymus), und 2) Organe, die sich aus den respiratorischen Kiemenspalten als Reste entwickeln, welche somit eine Rückbildung dieses Apparates voraussetzen (Epithelkörperchen, Carotidendriise). Aus den Befunden sehen wir, dass bei Lacerta die Organe der ersten Gruppe sich mit Ausnahme gewisser Theile der Thymus genau so verhalten wie bei Fischen und Amphibien. Die Schilddrüse bildet sich genau so aus und besitzt denselben mikroskopischen Bau wie bei allen anamnien Wirbelthieren. Der postbranchiale Körper ist auch in. völliger Übereinstimmung mit den niederen Wirbelthieren vorhanden, bald paarig, bald unpaar. Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 165 Auch sein Verhalten bei Lacerta bestätigt mir die Berechtigung der Bezeichnung: »postbranchialer Körper«. Er liegt stets hinter der letzten Kiemenspalte, mag dies die vierte, fünfte oder sechste sein, und sein Bau ist völlig verschieden von Resten vorderer Spalten, so dass er als etwas von Kiemenspalten Differentes sich erweist. Ein Anschluss an die Schilddrüse wird bei Lacerta nicht erreicht. Die Thymus entsteht gleichfalls wie bei Fischen und Amphibien. Sie ist hier auf die drei ersten Schlundspalten beschränkt. Die erste schwindet, die zweite ist vollkommen homolog dieser Bildung bei Fischen und Amphibien. Das Derivat der dritten Spalte dehnt sich ventralwärts weiter aus als bei Fischen und Amphibien, wo- durch es die Zustände der Säugethierthymus vorbereitet. Auch bei dieser geht der Hauptkeim der Thymus von der-dritten Spalte aus, Von Epithelkörperchen kommen zwei Paare zur Anlage, das vordere Paar, der dritten Spalte entstammend, bleibt stets erhalten und stellt die Carotidendrüse der Eidechse dar. Das hintere Paar, der vierten Spalte entstammend, erleidet meist frühzeitig eine völlige Rückbildung. Zum Schlusse füge ich hier einige Schemata bei, welche das Vorstehende erläutern sollen. Sie sind zum Theil Ergänzungen meiner früheren Arbeiten. Die Schilddrüse ist in ihrer Anlage über- all ganz gleich, darum habe ich von den Verschiedenheiten in ihrem späteren Verhalten bei der schematischen Wiedergabe Abstand ge- nommen. Ihre phylogenetische Ableitung von der Hypobranchialrinne der Tunicaten kann ich durch alle seitherigen Beobachtungen nur als bestätigt betrachten. Bei Teleostiern habe ich früher die Thymus- knospen nur von der dritten bis sechsten Spalte abgeleitet, doch kommt auch an der zweiten Spalte eine dorsale Thymusknospe vor (VAN BEMMELEN), welche allerdings meist eine Rückbildung erfährt, wie überhaupt der Schwerpunkt der späteren Thymusbildungen in den Derivaten der zwei hintersten, fünften und sechsten Spalte liegt. Um eine genaue Darstellung davon zu geben, welche Theile der einzelnen Kiemenspalte zur Bildung der Thymus und der Epithel- körperchen herangezogen werden, habe ich, abweichend von DE MEURON und VERDUN, an einer jeden Spalte eine dorsale (in der Figur nach oben gerichtete) und ventrale (in der Figur abwärts ge- richtete) Tasche angegeben. Hierdurch wird das Verhältnis zwi- schen Thymus und Epithelkörperchen ersichtlich. In dieser Be- ziehung sind die VERDUN’schen Schemata unbrauchbar. Bei Anuren 166 F. Maurer Figg. a—d. a. Teleostier. b. Urodelen. Tr. © ce. Anuren. d. Lacerta. Ari Krv: Ard. Krm. Aro: Schematische Darstellung der Kiemenspalten und ihrer Derivate bei niederen Wirbelthieren. Fig. a: Teleostier. Fig. b: urodele Amphibien. Fig.c: anure Amphibien. Fig. d: Reptilien (Lacerta). Bei jeder Kiemenspalte stellt die nach oben gerichtete Ausbuchtung die dorsale, die nach unten ge- richtete die ventrale Kiementasche dar. J, II, III, IV, V, VI: die betreffenden Kiemenspalten. Zr: Schilddrüse. Zmı 5: die Thymusknospen. ¢:—3: die Epithelkörperchen. cd: Carotidendrüse, p: post- branchiale Körper. Zu Fig. c: Krd: dorsale Reste der inneren Kiemen (nicht immer vorhanden), Arm: mittlere Reste derselben (selten vorhanden), Arv: ventrale Reste dieser Kiemen (stets vorhanden). Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 167 sind die Zustände durch das Bestehen innerer Kiemen komplicirt. Diese bilden konstante ventrale Kiemenreste, weniger konstant sind dorsale Kiemenreste, und in wenigen Fällen bleiben mittlere Reste bestehen. Auf den Schemata habe ich dies durch verschiedene Schraffirung angedeutet. Hier erkennt ;man auch das Verhältnis zu den Urodelen, und vor Allem sieht man, wie die Bildung der Epithelkörperchen bei Anuren schon zur Zeit des Bestehens der inneren Kiemen möglich ist. Auffallend erscheint, dass bei Anuren an den drei hinteren Kiemeuspalten Thymusbildungen ganz fehlen. Bei der Eidechse erkennt man die Thymusbildung der zweiten und dritten Schlundspalte und sieht, wie das Derivat der dritten Spalte sich ventralwärts ausdehnt und so die Verhältnisse bei Säuge- thieren vorbereitet. Das Epithelkörperchen dieser Spalte bei Lacerta ist, trotzdem es in Verbindung mit dieser Thymusanlage steht, doch durch seinen besonderen Bau stets scharf von ihr zu unterscheiden. Hinsichtlich des Verhaltens der Cyelostomen halte ich die Deu- tung, welche SCHAFFER seinen Beobachtungen giebt, nicht für richtig. VERDUN giebt ein Schema nach den ScHAFFER’schen Schilderungen. Hier bestehen an allen sieben Spalten sowohl dorsale als ventrale Knospenbildungen, welche von SCHAFFER als Thymusbildungen an- gesprochen werden. SCHAFFER unterscheidet somit dorsale und ven- trale Thymusknospen. Ich bin der Ansicht, dass nur die dorsalen Knospen den Thymusbildungen höherer Wirbelthiere homolog sind, dass hingegen die Homologa der ventralen Knospen bei Cyclostomen in den Epithelkörperchen der höheren Wirbelthiere gegeben sind. Es würde dann eine gewisse Ähnlichkeit mit den Zuständen bei Anurenlarven bestehen, der ich aber phylogenetisch keine Bedeutung zuschreiben möchte. — Meine Beurtheilung der Verhältnisse der hier besprochenen Or- gane bei Säugethieren werde ich in Kürze auf Grund der Befunde bei Echidna vorlegen. Heidelberg, Juli 1898. 168 F. Maurer Litteraturverzeichnis. 1) van BEMMELEN, Über vermuthliche rudimentäre Kiemenspalten bei Elasmo- branchiern. Mittheil. der Zoolog. Station zu Neapel. 1885. Heft 2. 2) —— Die Visceraltaschen und Aortenbogen bei Reptilien und Vögeln. Zoolog. Anzeiger. 1886. Nr. 231 und 232. 3) —— Die Halsgegend der Reptilien. Zoolog. Anzeiger. 1887. Nr. 244. 4) DoHRN, Studien zur Urgeschichte der Wirbelthiere. Mittheil. der Zoolog. Station zu Neapel. 1884 und 1885. 5) MAURER, Mittheilung über die Schilddrüse und Thymus der Teleostier. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. XIX. 1885. 6) —— Schilddrüse und Thymus der Teleostier. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XI. 1886. 7) —— Schilddriise, Thymus und Kiemenreste der Amphibien. Morphol Jahrbuch. Bd. XIII. 1888. 8) —— Die Kiemen und ihre Gefäße bei Urodelen und Anuren. Mittheilung. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIII. 1888. 9) —— Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien und die Umbildung der beiden ersten Arterienbogen bei Teleostiern. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIV. 1888. 10) DE MEURON, Recherches sur le développement du Thymus et de la glande thyroide. Recueil Zoologique suisse. Premiere Serie. Tom. III. 1886. 11) SCHAFFER, Über den feineren Bau der Thymus und deren Beziehungen zur Blutbildung. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissen- schaften in Wien. Mathem.-Naturw. Klasse. Bd. CII. Abtheil. IH. Juli 1893. 12) — Über die Thymusanlage bei Petromyzon Planeri. Zweite vorläufige Mittheilung über den feineren Bau der Thymus. Bd. CIII. Abth. II. Mai 1894. 13) VERDUN, Dérivés branchiaux chez les Vertebrés superieurs. Toulouse 1898, 14) WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1898. Im Übrigen siehe das Litteraturverzeichnis meiner sub 7 eitirten Abhandlung. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI—VIII. Sämmtliche Abbildungen sind von Lacerta agilis entnommen, mit Aus- nahme der Figg. 28 und 35, welche von Lacerta muralis stammen. Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 169 Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. a Gehörbläschen, i Larynx, ao Aorta, m Rumpfmuskulatur, art Arterienquerschnitt, p der postbranchiale Körper, e Herz, sp Centralnervensystew, Ch Chorda dorsalis, t Trachea, e3 u. e4 Epithelkörperchen der dritten Zm,, Tm, Tm; Thymus der ersten, und vierten Schlundspalte; das Epi- zweiten und dritten Schlundspalte, thelkörperchen der dritten Spalte Zr Schilddrüse, ist die Carotidendriise, vy Vena jugularis. G Ganglion, I, LI, ITT, IV die betreffenden Schlund- _ Lumen der Kopfdarmhöhle und des spalten. Schlundes, Fig. 1. Querschnitt durch den Kopf eines Embryo von 4mm Gesammt- länge (einem Uterusei kurz vor der Ablage entnommen). Zur De- monstration der Schilddrüsenanlage (fr) und ihrer Beziehung zur vor- deren Theilungsgabel des Herzschlauches (ce). 45/1. Figg. 2—7. Kombinirte Querschnitte durch den Kopf eines Embryo, der fünf Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Zur Demonstration des Verhaltens der einzelnen Kiemenspalten und ihrer Derivate. Fig. 2. Kopfquerschnitt in der Gegend der ersten linken Schlundspalte, rudimentäre erste Thymusknospe (Z’m,), aus zwei Schnitten kom- binirt. 45/1. Fig. 3. Kopfquerschnitt in der Gegend der zweiten rechten Schlundspalte. | Zur Demonstration der zweiten Thymusknospe (Z’m>) und der An- lage der Schilddrüse (ir), aus drei Schnitten kombinirt. 45/1. Fig. 4. Kopfquerschnitt in der Gegend der dritten linken Schlundspalte. Zur Demonstration der dorsalen Thymusknospe dieser Spalte (Z’m;), aus drei Schnitten kombinirt. 45/1. Fig. 5. Kopfquerschnitt im Bereich der vierten linken Schlundspalte. Diese Spalte stellt einen Kanal dar, ohne epitheliale Wucherung, aus drei Schnitten kombinirt. 45/1. : Fig. 6. Kopfquerschnitt im Bereich der vierten Schlundspalte der rechten Seite. e4 Anlage des Epithelkörperchens dieser Spalte, aus drei Schnitten kombinirt. 45/1. Fig. 7. Kopfquerschnitt unmittelbar hinter der vierten Schlundspalte der linken Seite. Zur Demonstration des hier nur einseitig bestehen- den postbranchialen Körpers (p). Aus zwei Schnitten kombinirt. 45/1. Figg. 8—12. Kombinirte Querschnitte durch den Kopf eines Embryo, der acht Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Zur Demonstration der einzelnen Schlundspalten und ihrer Derivate. Fig. 8. Kopfquerschnitt im Bereich der linken zweiten Schlundspalte. Zur Demonstration der dorsalen Thymusknospe dieser Spalte, die noch nicht von ihrem Mutterboden abgelöst ist (Z’ma). Aus vier Schnitten kombinirt. 30/1. Fig. 9. Kopfquerschnitt im Bereich zwischen der zweiten und dritten linken Schlundspalte. tr Schilddrüse; e3 zapfenartige Fortsätze des Epi- thelkörperchens der dritten Spalte, zwischen die Äste des Arterien- bogen (art) hinein. Darstellung eines einzigen Schnittes. 30/1, 170 F. Maurer Fig. 10. Kopfquerschnitt im Bereich der dritten Schlundspalte, zur Demon- Fig. stration der Anlage der Thymus (7Zms3) und des Epithelkörper- chens (e), welches spiiter die Carotidendriise darstellt. Aus zwei Schnitten kombinirt. 40/1. 11. Kopfquerschnitt durch die Gegend der vierten Schlund spalte Beiderseits Reste dieser Spalte als Anlage von Epithelkörper- chen (eq), die in der Regel später eine Rückbildung erleiden. Aus drei Schnitten kombinirt. 30/1. Fig. 12. Kopfquerschnitt unmittelbar hinter der vierten Schlundspalte. Zur Fig. 13. Fig. 14. Demonstration des hier nur linksseitig bestehenden postbranchialen Körpers (p). Darstellung eines einzigen Schnittes. 30/1. Sagittaler Längsschnitt durch den Kopf eines Embryo, der sieben Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Zur Demonstration der Kiemenspaltenderivate. Aus sechs Schnitten kombinirt. ce Gehirn; n Riechorgan; « Zunge; oe Speiseröhre; ep Epiphysis. Im Übrigen siehe die für alle Figuren gültigen Bezeichnungen. 24/1. Theil eines Kopfquerschnittes von einem Embryo, der zwölf Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Der Schnitt liegt un- mittelbar hinter der vierten Schlundspalte und zeigt die doppelseitige Ausbildung eines postbranchialen Körpers (p). Dies Organ ist links in normaler Größe, auf der rechten Seite nur halb so groß angelegt. ap Arteria pulmonalis. 40/1. Fig. 15—18. Kopfquerschnitte eines Embryo, der 21 Tage nach der Ablage Fig. Fig. Fig. 19. Fig. 20. dem Ei entnommen wurde, zur Demonstration der Derivate der ein- zelnen Kiemenspalten. 15. Kopfquerschnitt im Bereich der zweiten Schlundspalte, zur De- monstration der Thymus dieser Spalte, die von ihrem Mutterboden abgelöst ist, als dorsale Knospe angelegt war. 30/1. . 16. Kopfquerschnitt zwischen zweiter und dritter Schlundspalte, zur Demonstration der Schilddrüse (fr). Zmg3 dorsaler Theil der Thy- mus der dritten Spalte. Aus zwei Schnitten kombinirt. 30/1. . 17. Kopfquerschnitt im Bereich der dritten Schlundspalte, zur Demon- stration der Thymus und des Epithelkörperchens (Carotidendrüse) dieser Spalte. Die Anlagen haben sich von der Kopfdarmhöhle ganz abgelöst. 30/1. 18. Kopfquerschnitt unmittelbar hinter der vierten Schlundspalte, zur Demonstration des hier auf beiden Seiten gleich stark ausgebil- deten postbranchialen Körpers (p). 30/1. Sagittaler Längsschnitt durch den Kopf und Hals eines Embryo, der 25 Tage nach der Ablage dem Ei entnommen wurde. Aus 10 Schnitten kombinirt. Zur Demonstration der Schlundspaltenderivate. ce Gehirn; au Bulbus oculi; x Riechorgan; z Zunge. Im Übrigen siehe die für alle Figuren gültigen Bezeichnungen. Die Thymusknospe der ersten Schlundspalte ist rückgebildet. Es bestehen zwei Epithelkörperchen: das erste, der dritten Spalte entstammend (Carotidendrüse), und das zweite, ein Derivat der vierten Spalte. 25/1. Kopf und Hals einer halbwüchsigen Eidechse von 10 cm Gesammt- länge in Seitenansicht, zur Demonstration der Schlundspaltenderivate. Schultergürtel mit der oberen Extremität und Brustwand abgetragen. 3 Schilddrüse, Thymus und andere Schlundspaltenderivate bei der Eidechse. 171 hy Zungenbeinknorpel; ad rechtes Atrium; X Vagusstamm; XII Hypo- glossus. Im Übrigen siehe die für alle Figuren gültigen Bezeich- nungen. 10/1. Figg. 21—25. Darstellungen der Histologie der Schilddrüse in verschiedenen Entwicklungsstadien. Fig. 21. Fig. ig. 23. Fig. nw bo . 24. 25. Durchschnitt durch die Schilddrüse eines Embryo, fünf Tage nach der Ablage. Er entspricht dem Stadium der Fig.3. Im Lumen der Bläschen noch kein Colloid nachweisbar. Zahlreiche Mitosen in den oberflächlichen, dem Lumen zugekehrten Zellen der epithe- lialen Auskleidung des Bläschens. 350/1. Schnitt durch den medianen Theil der Schilddrüse von einem Em- bryo, acht Tage nach der Eiablage; entspricht Fig. 9. 7 Lumen, aus dem Lumen des ersten Bläschens direkt hervorgegangen, noch nicht Colloid enthaltend. » Blutgefäß. 350/1. Laterales Ende der Schilddrüsenanlage eines Embryo, 12 Tage nach der Eiablage, entspricht dem Embryo der Fig. 14. 7 lateraler Rest des Lumens des primären Schilddrüsenbläschens. Schnitt durch den medianen Theil der Schilddrüse eines Embryo, 31 Tage nach der Eiablage. Schilddrüsenbläschen in verschiedenen Stadien der Ausbildung, zum Theil schon Colloid enthaltend. v Blutkapillaren. Einige Colloid enthaltende Schilddrüsenbläschen, aus einem Schnitt dieses Organs von einer alten ausgewachsenen Eidechse Das ganze Organ besteht aus solchen Bläschen. Figg. 26—28. Durchschnitte durch den postbranchialen Körper der Eidechse in verschiedenen Entwicklungsstadien bei starker Vergrößerung. Fig. 26. Postbranchialer Körper eines Embryo, acht Tage nach der Eiab- Fig. Fig. 28. 27. lage. Entspricht der Fig. 12. 350/1. Dasselbe Organ von einem Embryo, 31 Tage nach der Eiablage. Zur Demonstration der Epithelsprossen und deren Ablösung vom Mutterbläschen. 350/1. Dasselbe Organ von einer halbwüchsigen Lacerta muralis. Einige Epithelbläschen, nicht colloidhaltig. 350/1. Figg. 29—37. Darstellungen der mikroskopischen Anatomie der Thymus und der Epithelkörperchen (Carotidendriise) der Eidechse an Schnittbildern. Verschiedene Entwicklungsstadien. 350/1. Fig. 29. Epitheliale Thymusknospe der zweiten Schlundspalte eines Embryo, acht Tage nach der Eiablage; entsprechend der Fig. 8. 350/1. Fig. 30. Von der Kopfdarmhöhle abgelöste Thymus der zweiten Schlund- Fig. 31. spalte, von einem Embryo 16 Tage nach der Eiablage. Epitheliale Rinden- und Markschicht unterscheidbar. Einrücken weniger Binde- gewebszellen. 350/1. Durchschnitt durch die Thymus der zweiten Schlundspalte eines Embryo, 31 Tage nach der Eiablage. Rindenschicht aus epithe- logenen Zellen mit Lymphzellen-Charakter. Im Mark sind viele Elemente der epithelialen Anlage in ihren epithelialen Charakter zurückgefallen. Spärliche Bindegewebszellen durchsetzen das Or- gan, in welchem reichliche Blutgefäße nachweisbar sind. 350/1. Fig. Fig. Fig. . 32. 30. . 34. 35. 13, F. Maurer, Schilddrüse, Thymus etc. bei der Eidechse. Epitheliale Thymus und Epithelkörperchen (Carotidendrüse) der dritten Schlundspalte von einem Embryo, acht Tage nach der Eiablage. dm Rest des Spaltenlumens; v Rudiment einer ventralen Kiemenspaltentasche. 350/1. Die beiden Epithelkörperchen eines Embryo, 25 Tage nach der Eiablage, entspricht der Fig. 19. e3 (cd) Epithelkiérperchen der dritten Spalte (Carotidendrüse) mit einem Rest des Lumens dieser ~ Spalte (Im); ds ein Strang epithelogenen Gewebes, durch welchen die Carotidendrüse mit dem ventralen Ende der Thymus (Z'mg3) in Verbindung steht; e4 Epithelkörperchen der vierten Schlund- spalte. 350/1. Thymus und Carotidendrüse der dritten Schlundspalte, von einem Embryo 31 Tage nach der Eiablage. Lymphatische Rindenschicht epithelialer Herkunft. Im Mark zahlreiche Zellen, die wieder ihren epithelialen Charakter angenommen haben. 5 Rest des Spalten- lumens; e3 (ed) Epithelkörperchen, Carotidendrüse, mit der Thymus in Verbindung stehend. 350/1. Theil eines Schnittes durch die Thymus einer halbwüchsigen ri certa muralis. # lymphatische Rindenschicht epithelialer Herkunft; m Markschicht mit einigen Zellen, die wieder epithelialen Cha- rakter angenommen haben. 350/1. Theil eines Schnittes durch die Thymus einer alten ausgewachsenen Eidechse. AR lymphatische Rindenschicht; m Markschicht, reich an großen epithelialen Zellen, die, einzeln angeordnet, keine Nei- gung zur Bildung koncentrischer Körper zeigen. Theil eines Schnittes durch die Carotidendrüse (das Epithelkörper- chen der dritten Schlundspalte) einer ausgewachsenen Eidechse. Sih Anstın Werner a Vinter Praukfart @. Tat vm. Tahaan werner einer Frankfurt" E Mar del = BZ Widiim Eugeim- re an Berg sea Wein Pegebmase, Lape Über einige Entwicklungsvorginge am Kopfe | der Anuren. Von H. K. Corning. Mit Tafel IX und X. Im Jahre 1876 beschrieb GoETTE in seinem Unkenwerk Gebilde, die er mit dem Namen: laterale und mediane Kopfsegmente bezeich- nete und die unter diesen Namen bis auf den heutigen Tag eine Rolle in der Lehre von der Segmentirung des Kopfes gespielt haben. Eine Nachuntersuchung derselben, speciell bei Batrachiern, ist meines Wissens nicht erfolgt, wenngleich ihre Ausnutzung in theoretischer Hinsicht, besonders bei der Besprechung der Kopfhöhlen und des Kiemenbogencöloms der Selachier nicht ausblieb, Die Entstehung und die Umwandlung des Kopfmesoderms der Amphibien fand erst durch Miss PLarr wieder eine Bearbeitung (PLArr, 94, 97), welche darauf hinzielte, den einheitlichen Begriff des Kopfmeso- derms zu beseitigen und an die Stelle desselben zwei histoge- netisch verschiedene Zellmassen zu setzen, die als Ekto- und Ento- mesoderm bezeichnet wurden. Ich hatte Veranlassung bei einer noch nicht abgeschlossenen Arbeit über die Entwicklung nnd Um- bildung der Augen und Kiemenbogenmuskulatur der Reptilien auf die Bedeutung der GoETTE’schen medialen und lateralen Kopfseg- mente hinzuweisen, als die Abhandlung von Miss Prarr erschien, welche die ganze Frage in ein neues Stadium brachte. Ich fand, dass ich ohne eigene Anschauung mich kaum zurechtfinden würde und so kam ich dazu die Umbildung des Kopfmesoderms zunächst bei Rana fusca, dann bei dem weit günstigeren Materiale von Rana esculenta zu untersuchen und meine Beobachtungen mit genauen Zeichnungen zu belegen. Die Untersuchung führte mich aber weiter Morpholog. Jahrbuch. 27. 12 174 H. K. Corning als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Einerseits war von KUPFFER (KupFFeEr, 94) ein Bildungsmodus der Hypophysis bei Amphibien angegeben worden, der sich mit der Art und Weise der Bildung der ersten Kopfhöhle bei Reptilien, sowie auch mit ähnlichen Verhältnissen bei Säugethieren nicht in Einklang bringen ließ. Kuprrer schildert in seiner Arbeit eine Ausstülpung des Entoderms, die sich dem ektodermalen Abschnitt der Hypophysisanlage anschließen und eine dritte, entodermale Anlage der Hypophysis darstellen soll. Diese entodermale Anlage soll sich nach KUPFFER auch bei Säugethieren finden, jedoch rudimentär bleiben und später gänzlich verschwinden. Ich hatte dieselbe sehr bald bei Kaninchen-Embryonen mit 12—16 Ur- wirbeln gefunden, allein ich glaubte sie als Anlage der Augenmus- kulatur, oder vielmehr als Kommunikation zwischen den beider- seitigen Anlagen der letzteren deuten zu müssen. Daraus ergaben sich auch Zweifel an die Kuprrer’schen Befunde bei Amphibien, und so richtete ich mein Augenmerk speciell auf die Untersuchung der Ent- wieklung der Hypophysis bei Rana fusca und Rana esculenta. Da- neben verfolgte ich die Beziehungen der Kopfnerven zu den Zell- massen, aus welchen die Anlagen der Kiemenbogenmuskeln hervorgehen und wurde auf diese Weise auch veranlasst die Bildung der Gan- glienleiste und die Beziehung des Ektoderms zur Bildung der Kopf- nervenganglien zu untersuchen. Auch hier hatte ich mit Angaben von KUPFFER zu rechnen, welche, wie die Arbeit von Miss PLATT, sich gegen die Einheit der Keimblätter wenden (KUPFFER, 90, 91, 94, 95). Es ist mir nicht leicht geworden die verschiedenen Beob- achtungen in Zusammenhang zu bringen, um so mehr als das Ma- terial zu dem schwierigsten gehört, das ich, vielleicht mit Ausnahme der Teleostier, bis jetzt untersucht habe. Über Technik möchte ich bloß bemerken, dass ich die Embryonen in Pikrinsäure -Sublimat nach RagL (1 Pikrinsäure, 1 koncentrirte wässrige Sublimatlösung + 2 Aq. dest.) härtete und sofort mit frisch zubereiteter Alaunkochenille färbte. Die sofortige Färbung ist sehr wesentlich für die Erhaltung klarer Bilder. Eingebettet wurde nach dem Verfahren von O.SCHULTZE, aus Chloroform in 45° Paraffin, dann in ein Gemisch von 52° und 56° Paraffin, wobei die Embryonen nur 20—25 Minuten je im Chloro- form und in den zwei Paraffinsorten verblieben. Ich habe mich über Brüchigkeit des Dotters nicht zu beklagen gehabt. Die ersten Angaben über Segmentation am Kopfe der Amphibien finden sich, wie gesagt, bei GoETTE. Von der Segmentirung über- haupt sagt GOETTE pag. 202: sie beginne in der Gegend des Hinter- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 175 kopfes, »von dort aus setzt sich die Theilung nach den beiden Körper- enden fort, erreicht aber das Kopfende früher, als sie in die Nähe des Schwanzes gelangt ist. Die Segmente entstehen in der Weise, dass die Platten rechtwinklig zur Medianebene in schmale Leistchen zerfallen, welche aber mit ihren unteren äußeren Enden noch mit den Seitenplatten zusammenhängen. Eine besondere Erwähnung verdienen hier schon die vier vordersten Segmente, welche die Gren- zen und die Ausdehnung des Kopfes bestimmen«. Pag. 205 spricht GOETTE von der Entwicklung der Chorda, die als solche niemals bis zur ektodermalen Hypophysisanlage heranreicht, sondern eine Strecke weit durch Gewebe vertreten wird, welches GoETTE (pag. 205 unten) als eine »unvollkommene Fortsetzung« der Wirbelsäule er- wähnt, und welches bis an die ektodermale Hypophysisanlage heran- reicht. Diese Gewebsmasse stellt, wie wir sehen werden, nichts Anderes dar als das Mesoderm des Kopfes, welches von der Median- linie aus nach beiden Seiten auswächst, genau in der gleichen Weise, wie auch am Rumpfe das Mesoderm durch solide Wucherungen beiderseits von der Chordawand seine Anlage nimmt. Später bildet sich der mediale Theil des Kopfmesoderms zurück; es ist dies der Abschnitt, welcher den Verbindungsstrang zwischen den ersten Kopf- höhlen (Oculomotorius-Kopfhéhlen) bei Reptilien liefert, sowie auch die Verbindungskanäle, resp. Verbindungsstränge zwischen den drei ersten Kopfhöhlen der Selachier (siehe C.K. Horrmann, 96). »Die Wirbelsäule wird seitlich eingefasst von den Segmenten, welche im Kopfe sehr bald nach dem Beginn der ganzen Gliederung fertig sind, in dem medialen Theil breit und niedrig, an ihrer oberen Seitenkante aber mit den umfänglichen Auswüchsen ihrer äußeren Schicht in den Kopfwulst hineinragen. Da diese Zellenwucherung von der Segmentirung mitbetroffen wird, und darauf von ihrer Unter- lage sich ablöst, so gehen daraus selbständige Stücke, eben die äußeren oder lateralen Segmente hervor, welche nach Zahl und Lage dem Reste der ursprünglichen oder den inneren Segmenten (Stammsegmenten) entsprechen. Da diese Sonderung, welche die wichtigsten dem mittleren Keimblatt angehörigen Anlagen des Kopfes ausschließlich herstellt, auf die vier ersten Segmentpaare beschränkt ist, so ist die hintere Kopfgrenze schon in früher Zeit ganz bestimmt abgesteckt (pag. 206). Die drei hinteren inneren Kopfsegmente lie- gen an jenem Abschnitt der Wirbelsäule, welche als eine auch in der Richtung ununterbrochene Fortsetzung ihres Rumpfabschnittes die hintere Kopfhälfte bis zur Umbiegungsstelle durchzieht; die zu- 12* 176 H. K. Corning gehörigen äußeren Segmente nehmen vom hintersten oder vierten bis zum zweiten an Größe zu, und da sie über die Seitenlinie des Rumpfes hinausragen, bedingen sie eine seitliche Ausladung des dor- salen Kopftheiles, und überhaupt sein vorgewölbtes Relief ..... Die genannten drei Segmentpaare gehören der hinteren Kopfhälfte an. Die vordere Kopfhälfte enthält das erste innere und äußere Segmentpaar ...... (pag. 208 oben). Das erste äußere Segment- paar ist sehr bald länger, als alle übrigen ....... « GOETTE bespricht nun die Um- und Ausbildung der vier Kopfsegmente (pag. 216 sq.). Die äußeren Kopfsegmente sollen sich gewissermaßen auf Kosten der zurückbleibenden inneren Segmente entwickeln; spä- ter bilden sich auch letztere weiter aus. Der hinteren Kopfregion gehören an das vierte, dritte und zweite innere und äußere Kopf- segment. GOETTE versucht das Auswachsen der Kopfsegmente in Zusammenhang zu bringen mit den Krümmungen der Hirnplatte und mit dem Schluss derselben zu einem Rohre. »Eine Überein- stimmung zwischen den inneren Kopf- und den Rumpfsegmenten wird erst durch die spätere, histologische Sonderung evident. Die ersteren verwandeln sich nämlich im Inneren in Muskelbündel, welche als eine unmittelbare Fortsetzung der Rückenmuskeln nach vorn zu nur im Durchmesser abnehmen, so dass sie in einen dünnen, runden Strang auslaufen; rund um die Muskeln erzeugen die inneren Kopf- segmente ebenfalls Bindegewebe und zur Seite des Hirns Ganglien und Nervenwurzeln« (pag. 217). — Die lateralen, äußeren Kopfseg- mente sollen der äußeren Segmentschicht des Rumpfes entsprechen, welche, wie ich der Beschreibung der Rumpfsegmente, die GOETTE auf pag. 212 giebt, entnehme, etwa dem Myotom (Muskel und Cutis- lamelle) entsprechen würde, während die innere Segmentschicht durch das Sklerotom dargestellt würde. Die lateralen Kopfsegmente sollen nach GOETTE (pag. 218) »nach innen von der Epidermis vollständig oder zum größten Theil den Umfang des Körpers umschreiben, fer- ner erzeugen sie die Lederhaut, das subeutane Bindegewebe, sowie .. Muskeln«. Von letzteren sagt GOETTE nicht, ob sie der Kiemen- bogenmuskulatur angehören, bloß der M. sternocleido-mastoideus soll aus dem hintersten, vierten, lateralen Kopfsegmente entstehen. Ich habe die Angaben GoETTE’s über die von ihm sogenannten lateralen und medialen Kopfsegmente in extenso wiedergegeben, weil es nicht leicht ist das Wesentliche der an verschiedenen Stellen zertreu- ten Ausführungen zu erkennen. Der Leser wird sich, wenn er nicht etwa den Atlas zu Gorrre’s Werk zur Hand hat, einen beiläufigen Uber einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. 477 Begriff von den »lateralen und medialen Kopfsegmenten« machen, wenn er meine Fig. 7 Taf. XXVI betrachtet. Hier sind die von GOETTE geschilderten Gebilde dargestellt, wie sie auf Horizontalschnittserien durch ein gewisses Stadium von Rana esculenta zu erkennen sind; die lateralen unter dem Ektoderm liegenden Zellmassen, mit V, VII + VIII, IX und X bezeichnet, stellen die äußeren, die innen angrenzenden, größeren Zellmassen die inneren Kopfsegmente GOETTE’s dar. Es handelt sich also nach Goerre’s Darstellung um Gebilde, | die Urwirbeln oder Theilen von Urwirbeln vergleichbar und geeignet wären, die Segmenttheorie des Schädels zu stützen, indem sie die Zusammensetzung des Kopfes in früh embryonaler Zeit aus ein- zelnen segmentalen Abschnitten beweisen würden. In diesem Sinne haben auch die Goerre’schen Kopfsegmente eine ziemlich ausge- dehnte Verwerthung gefunden, obgleich eine Nachuntersuchung bis zum Erscheinen der Arbeit von Miss PLArr ausblieb. Miss PLarr (94, 97) hat den Versuch gemacht die Entwicklung des Kopfmesoderms bei Necturus zu verfolgen. Sie gelangt in der ersteren Arbeit (94, pag. 959) zu dem Resultat, dass im Kopfmesoderm zwei durch ihren Gehalt an Dotterplättehen scharf getrennte Ge- webe nachzuweisen seien, die sie als Mesektoderm und Mesentoderm bezeichnet. Das Kopfmesoderm soll sich zusammensetzen: erstens aus Zellen, die von dem Entoderm auf dem gewöhnlichen Wege der Mesodermbildung herstammen und zweitens aus Zellen, die aus dem Ektoderm austreten und sich durch geringeren Dotter- und größeren Pigmentgehalt von den ersteren unterscheiden. Miss PLarr legt ganz besonderen Werth auf die »Dotterdifferenzirung« der Zellen und fasst ihre Betrachtungen (pag. 959, 94) in den Schlusssatz zusammen: »Necturus gewährt also durch die Dotterdifferenzirung seiner Zellen die Gelegenheit, die ektodermale Herkunft des die Kopfknorpel bildenden Bindegewebes zu beweisen und wie KLEINENBERG sagt: »Es giebt gar kein mittleres Keimblatt, so zeigt es auch Necturus.« Aus der Neuralleiste sollen nach Miss Prarr (94, pag. 961 unten) nicht bloß Nerven hervorgehen, sondern die Neuralleiste trägt auch zur Bildung des mesektodermalen »Bindegewebes« (die Anführungs- zeichen sind von Miss Prarr) bei und auch »nachdem Ganglien nnd Bindegewebe sich von einander getrennt haben« schließen sich Ektodermzellen noch weiter dem Mesoderm an«. In der zweiten Abhandlung (Part, 97) geht Miss PLarr auf die Bildung des knor- peligen Primordialeraniums und der Visceralbögen ein. Ihren Schlüssen 175 H. K. Coming ist gewiss der Reiz der Neuheit nicht abzusprechen und im Falle sie sich als richtig erweisen sollten, auch. nicht eine weittragende Bedeutung für die Auffassung und den Werth der Entwicklungs- geschichte. Kurz gesagt, sollen nach Miss Puarr Theile des Pri- mordialschädels und der Visceralbögen aus dem Ektoderm, andere Theile aus dem Entoderm entstehen, wobei sie den in der Arbeit vom Jahre 94 aufgestellten Unterschied zwischen Mesoderm ekto- dermalen und Mesoderm entodermalen Ursprungs festhält und weiter ausführt. 97 pag. 457 sagt sie: »The branchial cartilages and the anterior part of the trabeculae arise in tissue of ectodermic origin. The basal plate of the skull, the anditory capsules and the occipital arch are of mesodermic origin« (mesodermic wohl gleichbedeutend mit der von Miss PLATT eingeführten und häufig angewandten Be- zeichnung »mesentodermic«). Das Mesektoderm von Neeturus ent- spricht auf einem gewissen Stadium den von GOETTE sogenannten lateralen Kopfsegmenten, das Mesentoderm von Miss PrArr den GoErTTE'schen inneren Kopfsegmenten. Das Mesektoderm stellt nach Miss PLArr die Anlage der vier an Kiemenbogen gehenden Kopf- nerven, des Trigeminus, Acustico-Facialis-, Glosso-pharyngeus und Vagus dar, ferner die bindegewebliche Anlage der Visceralbogen und der vorderen Partie der Trabeeulae; das Mesentoderm, auch (97, pag. 457) »mesothelial tissue« genannt, liefert die Branchial- muskulatur und einzelne Theile des knorpeligen Primordialeraniums, wie die Basalplatte, die Gehörkapseln und den Occipitaltheil des Schädels. Auf die Angaben von Miss Jutta PLATT komme ich später aus- führlicher zurück. Zur Einführung in den gegenwärtigen Stand der Frage möge das Gesagte genügen. Miss PLarr hat die lateralen und medialen Kopfsegmente GoETTE’s wieder bei Necturus gefunden, lässt aber ihre weitere Ausbildung in einer Art und Weise vor sich gehen, die dem bisher angenommenen Entwicklungsmodus des Kopf- mesoderms und der Kopfnerven geradezu ins Gesicht schlägt. Es hat sich zwar schon GORONOWITSCH in verschiedenen Publikationen über die »Ganglienleiste« ausgesprochen, und bestimmt angegeben, dass die »Ganglienleiste« mit der Entwicklung der Nerven nichts zu thun habe (GORONOWITSCH, 93), indem letztere, insbesondere auch die »wahren Ganglien im mesodermalen Abschnitt des Stammes in un- mittelbarer Nähe der Frorızr’schen Anlage erscheinen«. Ich gehe auf die Angaben von Goronowi1rscH, deren Tendenz aus dem obi- gen Citat wohl genügend hervorgeht, nicht weiter ein, sondern Über einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. 179 beschränke mich auf die Besprechung der Befunde von Miss PLATT, die sich auf Amphibien beziehen. Es ist derartigen Angaben, die in den letzten Jahren sehr häufig gegen die sogenannte Speeifität der Keimblätter gemacht wurden, zweierlei Eigenschaften gemein. Erstens ihre Bestimmtheit, der jedoch, wie ich gleich jetzt bemerken will, bei Miss Prarr die Klarheit und Beweisfähigkeit der bild- lichen Belege nicht entsprechen, und zweitens die Thatsache, dass sie sich auf Material stützen, das theils wegen der Schwierigkeiten der technischer Vorbereitung (Härtung, Färbung ete.), theils wegen der Feinheit oder sonstiger Eigenschaften der zelligen Elemente (z. B. Anfüllung der Zellen mit Dotterplättehen, bei Petromyzon und Amphibien), als ungünstig bezeichnet werden muss. Eine bestimmte Angabe über Entwicklungsvorgänge bei Selachiern, die von dem bis- her Gesehenen und Angenommenen abweichen, erscheint mir glaub- würdiger, als eine ähnliche Angabe über Amphibien, da ich wohl annehmen darf, dass die Vorgänge bei Selachiern wegen der Größe der Elemente und ihrer für histologische Untersuchung günstigeren Beschaffenheit auch klarer und bestimmter zu sehen sind und auch eine klarere und bestimmtere Deutung zulassen, als dies z. B. bei Amphibien der Fall wäre. Man muss sich stets bei Bearbeitung eines ungünstigen Materials der Grenzen bewusst sein, welche der Beobachtung und in Folge dessen auch den Schlussfolgerungen ge- zogen sind. Der Vorwurf, dies unterlassen zu haben, trifft viele der neueren Abhandlungen über embryologische Gegenstände und ganz besonders auch, wie es mir scheinen will, manche der Arbeiten, welche gegen die Specifitiit des Mesoderms gerichtet sind. Mit einer Aufzählung der Litteratur und der Autoren, die sich für oder gegen eine Frage ausgesprochen haben, ist in der Regel wenig gewonnen. Miss PLArr spricht z. B. pag. 36 in der Einleitung zu ihrer letzten Abhandlung über die Entstehnng der Blutgefäße, welche von manchen Autoren aus dem Entoderm hergeleitet werden, eine Ansicht, die sich selbstverständlich gegen die Einheit des Mesoderms richtet, und eitirt GOETTE (75), ScHwinck (91), Houssay (93), HOFFMANN (93) und ZIEGLER (92). Angaben aus dem Jahre 1875 über feinere histogenetische Vor- gänge, die bloß auf lückenlosen Schnittserien studirt werden können, sind nicht als gleichwerthig mit Angaben aus dem Jahre 1893 zu eitiren, die Angaben und vor Allem die Bilder von Scuwinck sind nicht beweisend für die Herkunft des Blutes aus dem Entoderm, werden übrigens von dem Autor in seiner sehr sorgfältigen Unter- suchung nicht als vollständig entscheidend hingestellt (ScHwinck, 180 H. K. Corning pag. 328). Die Angaben von HorrmAnn sind anscheinend auf mangel- hafte Präparate zurückzuführen, wie wohl Jeder zugeben wird, der Querschnitte von Selachier-Embryonen in großer Zahl gesehen hat — ZIEGLER’s Angaben deuten auf das Mesoderm, als der Bildungs- stätte des Blutes, er giebt nur zu, dass auf eine »theoretisch denk- bare« Weise im Laufe der Phylogenie die Ursprungsstätte des Blutes und der Blutgefäße von dem Mesoderm in das Entoderm verlegt worden sei. Rasgr’s Angaben über Amphibien, die Miss PLATT pag. 381 eitirt, weisen nicht bestimmt auf die Herkunft von Blut und Blutgefäßen aus dem Entoderm hin, Miss PLATT ist also nicht im Rechte, wenn sie sagt: »RABL confirms the statement for the Amphibia.« Übrigens ist die Schwierigkeit bei Amphibien die Zellen, die den einzelnen Keimblättern angehören, aus einander zu halten an jenen Stellen, wo sie an einander angrenzen, ferner die Erkennung von Kerntheilungsfiguren in den stark dotterreichen Zellen so groß, dass man von vorn herein Angaben, die sich auf solche Vorgänge bezie- hen, mit einem gewissen Misstrauen aufnehmen sollte. In einer Reihe von Arbeiten hat sich KupFFER mit der Entwick- lung des Kopfes der Cranioten, speciell auch von Petromyzon und von Amphibien beschäftigt. Kurrrer’s Untersuchungen gehen theil- weise auch darauf hinaus, dass ein einheitliches Mesoderm nicht entsteht, sondern dass Bestandtheile des Mesoderms aus dem Ekto- | derm abzuleiten seien. Zwar wird KUPFFER die Angabe, dass die ventrale Längsmuskulatur der Kiemenregion sich aus dem Ektoderm entwickle (die Muskulatur, die bei höheren Thieren zur Hypoglossus- muskulatur wird, siehe KUPFFER, 95, pag. 120), wohl nicht mehr aufrecht erhalten, da NEAL (97, pag. 443) den Muskel von den vor- dersten Myotomen ableitet. Dagegen hat KuPFFER (95, pag. 110) die Kiemenknorpel des Ammocoetes von der Epidermis abzuleiten versucht, und auch eine eigene Schicht von Zellen unterschieden, die dem Ektoderm entstammen sollen, die sogenannte Branchio- dermis (KUPFFER 95, pag. 119), die zunächst eine »einfache regel- mäßige Lage« darstellt. »Aber diese Zellen finden keine einheit- liche Verwendung. In welcher Weise und Ausdehnung ein Theil derselben bei der Bildung der branchialen Nerven mitgewirkt, habe ich bereits an einer anderen Stelle erwähnt. Die Branchiodermis liefert, je nach der Lokalität, Verschiedenes, hier soll nur betont werden, dass daraus auch Organe und Gewebe entstehen, die die heutige Keimblättertheorie ausschließlich als mesodermale Gebilde aufzufassen berechtigt erscheint.« In der Arbeit über die Petromyzon- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 181 entwicklung aus dem Jahre 1890 (Kuprrer, 90) hat auch schon diese »Branchiodermis« eingehende Berücksichtigung gefunden, und in den beiden Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Cranioten 2. Heft (Die Entwicklung des Kopfes von Am- mocoetes Planeri, 1894) und 3. Heft (Die Entwicklung der Kopfnerven von Ammocoetes Planeri, 1895/6) kommt Kuprrer darauf zurück und beschreibt auch eine Menge von Einzelheiten, welche für die Ent- wicklung der Kopfnerven, insbesondere auch ihrer Ganglien, von der größten Bedeutung erscheinen. Ich werde bei der Besprechung meiner Befunde, die theilweise das von KUPFFER Gesehene bestä- tigen, auf die Kuprrer’schen Angaben genauer eingehen; ich er- wähnte diese Einzelheiten jetzt schon, da sie im Wesentlichen mit den Angaben von Miss PLarr übereinstimmen und da mir an ihrer Bestätigung oder Richtigstellung wegen der daran angeknüpften theo- retischen Betrachtungen sehr viel gelegen war. Wenn die Angaben, die Kuprrer und Miss PLATT über die Rolle des Ektoderms gemacht haben, sich bestätigen sollten, so wäre es gewiss mit der Vorstellung von der Speeifität der Keimblätter vorbei. Ein weiterer Gesichtspunkt für die Durcharbeitung dieser Ver- hältnisse erwuchs aus der Erkenntnis, dass das Ektoderm der Anuren schon sehr frühzeitig in zwei Schichten gesondert wird, die sich in Bezug auf ihre zelligen Bestandtheile und noch mehr in Bezug auf die Gebilde, welche sich aus ihnen ableiten lassen, different erweisen. GOETTE hat diese Zustände für die Unke beschrieben und mit vorzüglichen Abbildungen belegt, doch sind seine Angaben in Bezug auf ihre Wichtigkeit für die Auffassung der weiteren Ent- wicklungsvorgänge, besonders des Nervensystems und der Sinnes- organe, unbeachtet geblieben. GOoETTE unterscheidet (1876, pag. 141) eine Umhüllungshaut (Deckschicht) als selbständiges Keimblatt von dem darunter befindlichen Theile der primären Keimschicht, dem Nervenblatt (Grundschicht). Die Deekschicht kann sich an Bildungs- akten der Grundschicht (außer der Bildung des Gehörbläschens) be- theiligen, erzeugt für sich allein nur die einigen Batrachiern eigen- thümlichen Haftorgane in der Nähe des Mundes und verschmilzt darauf mit der übrigen Grundschicht zu der Epidermis, welcher ge- wiss Niemand die Bedeutung eines morphologisch durchaus einheit- lichen Organs absprechen wird. Nach ihrer Produktionsfähigkeit besitzt die sog. Umhüllungshaut nieht den geringsten Anspruch auf die Bezeichnung eines besonderen Keimblattes. — Dies gilt von den Batrachiern eben so wie von den Knochenfischen, bei denen gleichfalls 182 H. K. Corning eine besondere Deckschicht des oberen Keimblattes vorkommt.« GoETTE kommt in Bezug auf die Deckschicht zu dem Schlusse, dass sie nur »als eine zeitweilige Sonderung des oberen Keim- blattes anzusehen sei, welche ohne Bedeutung für die morpholo- gisch-embryonale Entwicklung vielleicht einem ähnlichen Zweck dient, wie das Amnion und wegen ihres immerhin nicht ganz flüch- tigen Bestandes eine besondere Bezeichnung erhalten mag.« Erst vor Kurzem wurde die Schichtenbildung des Ektoderms Gegenstand weiterer Untersuchungen. E. MEHNERT hat in einer Ar- beit (95) über Entwicklung des Amnions bei Schildkröten Verhält- nisse beschrieben, die für die Beurtheilung des Ektoderms von Wich- tigkeit erscheinen. Menxert's Aufmerksamkeit wurde erregt durch Vacuolenbildungen, die sich in dem Ektoderm von Schildkröten- Embryonen auf gewissen Stadien der Entwicklung finden. Er wies nach, dass diese Eigenthümlichkeit sich mit einer ganz regelmäßigen Stellung der Kerne verbindet in der Weise, dass man berechtigt ist, eine äußere Schicht von Kernen, oder sagen wir gleich von Zellen, von einer inneren Schicht zu unterscheiden. Nur »in der medianen, dicht über dem Medullarrohr gelegenen Zone« lässt sich in dem frühen Entwicklungsstadium, das zum Ausgangspunkt von MEHNERT'S Betrachtungen dient, eine Kernschicht erkennen. In etwas späteren Stadien sind die zwei Zellschichten in der ganzen Ausdehnung der Embryonalanlage zu erkennen, dagegen verschwinden die Vacuolen- bildungen, die ganze Ektodermschicht nimmt an Höhe ab, indem die äußere Zellschicht sich abplattet, während die innere Schicht aus kubischen oder eylindrischen Zellen besteht. Die Zellen der beiden Schichten unterscheiden sich auch durch Eigenschaften. ihres Proto- plasmas, »das Protoplasma der Plattenzellen ist intensiv trübe, dunkel, während die kubischen Zellen klar und durchsichtig er- scheinen«. Auch im Bereich des Amnions sind die zwei Zellschichten mit den erwähnten Eigenschaften zu erkennen. Sie sind in ihrer weiteren Umbildung von MEHNERT nicht verfolgt worden, dagegen hebt er (pag. 213) hervor, dass die aus kubischen Zellen bestehende Schicht das Substrat abgebe für das bleibende Epithel bei der Schildkröte, und leitet daraus die Berechtigung ab, die obere Schicht von Plattenepithelzellen als supraepitheliale Schicht zu bezeichnen. MEHNERT betrachtet diese supraepitheliale Schicht als »die äußerste lebende Grenzmembran gegen die unorganisirte Materie« und belegt sie mit dem Namen »Grenzschicht« oder »Telo- derm«. MEHNERT hat auch bei anderen Reptilien (Lacerta muralis, Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 183 Tropidonotus), bei Vögeln (Ente, Huhn) und bei Säugethieren eine ähnliche Schicht gefunden und spricht sich dahin aus, dass bei allen Amniotenklassen eine Spaltung der primitiven äußeren Epithelschicht des Körpers (von Meunert als Ektoblast bezeichnet) in zwei Schichten vorkomme, in die innere Schicht, welche zur Matrix für das bleibende Epithel wird (Ektoderm), und in eine äußere Schicht, Grenzschicht oder Teloderm, das nach MEHNERT ein Blatt sui generis darstellen soll. Ganz besonders interessant sind die Ausführungen MEHNERT's über die Verhältnisse bei Säugern, zunächst mit Hinblick auf die als RAUBER'sche Deckschicht oder RAuger’sche Deckzellen beschriebene Zelllage, sowie auf die Zelllage, welche WELCKER als Epitrichium, Kergerr als Epitrichialschicht beschrieben haben. Das Epitrichium und die Rauger’sche Deckschicht sollen nichts mit einander gemein haben, MEHNERT beschreibt dagegen das Epitrichium WELCKER's als echtes Teloderm, welches die gleichen Verschiedenheiten in der Färbbarkeit seiner Zellen gegenüber denjenigen der inneren Schicht (MEunerr’s Ektoderm) aufweist, wie bei Reptilien. Ich bin nach meinen Untersuchungen an Amphibien geneigt, den Beobachtungen MEHNERT's eine große Bedeutung beizumessen. Zunächst kann ich seine Angaben über Reptilien und Säuger an einer Anzahl von Serien gut konservirter Embryonen bestätigen. Besonders bei ersteren ist das Auftreten der Vacuolenbildung in dem primitiven Ektoderm, die zwei Schichten von Zellkernen und die spätere ganz distinkte Trennung von zwei Zellschichten sehr leicht zu verfolgen. Aber auch bei Amphibien lässt sich das Gleiche mit aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit erkennen, und ferner lässt es sich feststellen, dass aus den zwei Schichten ganz verschiedene Bildungen hervorgehen. Aus der inneren Schicht entsteht Alles, was zum Aufbau des centralen und des peripheren Nervensystems bei- trägt, ferner die Sinnesorgane, die Linsenanlage, die Epithelzapfen, die sich an der Bildung der Kiemenspalten betheiligen, kurz Ab- kömmlinge, welche zum Aufbau des Embryos wesentlich beitragen. Aus der äußeren Schicht entsteht das Epithel der Saugwarze, das sich frühzeitig in Form von sehr hohen, stark pigmentirten eylindri- schen Zellen differenzirt, ferner eine Schicht, die von vom herein pigmenthaltig ist und bei der Weiterentwicklung noch mehr Pigment aufnimmt, das vorzugsweise an der äußeren Oberfläche der Zellen in einer kontinuirlichen Schicht abgelagert ist, während die Basis der Zellen nur geringeren Pigmentgehalt aufweist. Ich werde zu beschreiben haben, wie auch die Medullarplatte hauptsächlich auf die 184 H. K. Corning Wucherung der inneren Epithelschicht zurückzuführen ist, dass der- selben auch die Kopfganglien oder die Ganglienleiste und die se- kundär an die Ganglienleiste sich anschließenden Partien, die man als Froriep’sche und Kuprrer’sche Anlage beschreibt, entstammen, Höchst eigenartig ist die Bildungsweise der Linse und des Gehörbläs- chens. In Bezug auf die erstere genügt es wohl, auf die Schilderung Ragr's und auf seine Abbildungen von der Entwicklung der Linse beim Axolotl zu verweisen (RABL, 97). Über die letztere finde ich Einiges in der Abhandlung von C. Porı (97). Er sagt ganz richtig pag. 669: »Die Gehörinvagination entspringt aus einer Einsenkung der Unter- schicht des Ektoderms und ist somit nach außen von Anfang an durch die Oberflächenschicht des Ektoderms abgegrenzt. Die Schließung der Gehörblase ist vorzugsweise als das Ergebnis einer von den Rändern oder Lippen der Invagination ausgehenden Zellenprolifera- tion. zu betrachten. Der Recessus labyrinthi ist noch vor Abschluss der Blase sichtbar und ist somit nicht der äußerste Punkt, an wel- chem sich die Gehörinvagination von der Ektodermschicht ablöst.« Ich hebe hervor, dass die Linse und die Sinnesorgane der Lateral- linie sich nicht anders entwickeln, wir werden sehen, dass im Be- reich der Medullarplatte die oberflächliche Schicht des Ektoderms nur eine untergeordnete Rolle spielen, wenn sie auch als innerste Abgrenzung des Medullarkanals bei dem Schluss zum Rohre mit einbezogen werden, so liefern sie durchaus nicht etwa durch ihre Vermehrung Theile des Nervensystems, welche schon vor dem Ab- schluss zum Rohre durch die mächtige Wucherung der inneren Ekto- dermschicht gebildet werden. In Stadien von Rana esculenta, bei welchen das Medullarrohr sich noch nicht zum Schlusse anschickt, ist die deutliche Trennung des Ektoderms in eine Deck- und in eine Nervenschicht noch nicht durchgeführt, wenigstens nicht im ganzen Bereiche der Anlage. Dorsal sehen wir, dass das Medullarrohr sowie die Anlage der »Gan- glienleiste« im Bereich des Kopfes aus dem inneren Blatte hervor- gegangen sind, allein ventral ist eine scharfe Trennung des Ekto- derms in zwei Blätter nicht nachzuweisen. Die Zellen, welche die Medullarplatte und lateral daran sich anschließend die Ganglienleiste bilden, sind vollständig als eigene Epithelschieht ausgebildet, deren Kerne mit ihren Längsachsen senkrecht zur Körperoberfläche gestellt sind. Weiter ventralwärts lässt sich diese Schicht nicht unterscheiden von einer anderen Schicht, die als einheitliche Zellenmembran weiter- zieht. An einzelnen Stellen ist man aber im Zweifel darüber, ob Über einige Entwicklungsvorginge am Kopfe der Anuren. 185 eine einheitliche Schicht besteht und ob nicht eine direkte Fortsetzung der Nervenschicht in Form von ganz platten Zellen sich in dem ganzen Umfang der Embryonalanlage nachweisen lasse. Die Deck- schicht zeichnet sich in diesem Stadium durch die Größe und den starken Dottergehalt ihrer Zellen aus, Unterschiede, die allerdings dorsal nicht so stark ausgeprägt sind wie ventral, und die sich in den folgenden Stadien im ganzen Bereich der Embryonalanlage ändern, indem die Zellen niedriger werden. Hohe cylindrische Zellen sind in späteren Stadien bloß für Theile der Nervenschicht charakteristisch und fehlen der Deckschicht vollständig. Die Deck- schicht zeigt eine Pigmentirung ihrer Zellen, besonders der äußeren Oberfläche derselben, die einen kontinuirlichen, aber dünnen Pig- mentbelag darstellt. Nur an wenig Stellen dringt das Pigment in die Tiefe ein; die Nervenschicht erscheint durchaus unpigmentirt. An einer Stelle geht die Pigmentirung der Deckschicht in die Tiefe; dort, wo die Medullarplatte beiderseits durch eine leichte Furchen- bildung abgegrenzt wird, welche lateralwärts die Grenze bezeichnet, innerhalb welcher die Deckschicht mit der Nervenschicht besonders innig zusammenhängt. Ich kann nicht sagen, ob die hohen Zellen, an denen die Pigmentirung auftritt, alle der Deckschicht angehören oder nicht vielleicht auch zum Theil der Nervenschicht. In der medianen Partie der Medullarplatte besteht die Deckschicht aus mäßig hohen Zellen, die keine besonders starke oder weit in die Tiefe reichende Pigmentirung aufweisen. Schon in diesem Stadium unterscheiden sich die Zellen sowohl der Deck- wie auch der Ner- venschicht sehr deutlich von dem anliegenden Mesoderm, erstens durch ihren geringeren Dottergehalt, und zweitens durch die ge- ringere Größe der Dotterplittchen. An Serienschnitten von etwas späteren Stadien, bei denen die Medullarplatte sich schon zum Medullarrohr zusammenzurollen be- ginnt, sehen wir weitere Veränderungen. Hier ist zunächst zu kon- statiren, dass die Pigmentirung der äußeren Schicht bedeutend zu- genommen hat und sich auch auf die innere Schicht zu erstrecken beginnt. Ferner ist im Bereich der ganzen auf Horizontalschnittserien leicht zu übersehenden Anlage das Deckblatt aus Zellen zusammen- gesetzt, die in der zu einer tiefen Rinne umgebildeten Anlage des Centralnervensystems sehr hoch sind und einen bedeutenden Gehalt an Pigment aufweisen. Die innere Schicht, das Nervenblatt, ist in dem größten Theile der Anlage sehr niedrig; an einigen Stellen kann dasselbe geradezu als Plattenepithel bezeichnet werden; im Bereich 186 H. K. Corning des Medullarrohres und seitlich vom Medullarrohr auf einige Ent- fernung hin setzt sich dagegen die Nervenschicht aus hohen eylin- drischen Zellen zusammen, die als Wandung des Medullarrohres selbst eine mehrschichtige Zellmasse bilden. Seitlich sind noch Zell- haufen zu erkennen, die Anlagen der Ganglienleiste, deren Über- sang auf diesem Stadium (noch offenes, aber zum Verschluss sich anschickendes Medullarrohr) in das nach hinten allmählich niedriger werdende Nervenblatt sehr deutlich zu verfolgen ist. Aus Quer- schnitten geht hervor, dass im Bereich des Kopfabschnittes oder richtiger, so weit die Ganglienleiste entwickelt ist, die Nerven- schicht in dem dorsalen Theil der Anlage ein anderes Verhalten zeigt als in dem ventralen, indem sie aus höheren, cylindrischen Zellen besteht. Es ist die Anlage der Ganglienleiste in diesem Sta- dium nur theilweise von dem Nervenblatt abgetrennt, auch hängt sie noch ziemlich ausgedehnt mit der noch nicht geschlossenen Medullar- rinne zusammen. Es machen sich die Zellen der Ganglienleiste zu der Zeit, wo die Medullarplatte sich fast zum Medullarrohr zusam- mengeschlossen hat, frei von dem Nervenblatt einerseits, während andererseits ihre Verbindung mit dem Nervenrohr sich verlängert und verschmächtigt. Letzteres geschieht theils durch Auswachsen der Nervenanlagen, theils auch dadurch, dass die Lippen der Me- dullarrinne sich der Mittellinie nähern. Ich bin der Ansicht, dass sich das Nervenblatt zu beiden Seiten des Medullarrohres vollständig in die Anlage der Ganglienleiste umwandelt und erst sekundär, durch Auswachsen dorsalwärts, sich ergänzt, um bis zur Nahtlinie des Medullarrohres zu reichen. Jedenfalls haben wir in diesem Stadium eine bedeutende Verschiedenheit zwischen dem Verhalten des Ner- venblattes in dem dorsalen und ventralen Theil des Embryos auf Querschnitten zu konstatiren in dem Sinne, dass die Zellen dorsal höher sind, zunächst die Anlage der Ganglienleiste liefern und dann erst allmählich ventralwärts in niedrigere Zellen übergehen. Sehr wichtig ist diese Zone, unmittelbar ventral von der Stelle, wo die Ganglienleiste ein Ende nimmt. Sie zieht sich durch den ganzen Be- reich des Kopfes hin und verdient es vielleicht mit einem besonderen Namen, etwa laterale Zone des Nervenblattes, bezeichnet zu werden, im Gegensatze zu der dorsalen Zone, aus welcher das Centralnerven- system und die Ganglienleiste hervorgeht. Im Bereich des Rumpfes ist die laterale Zone auf dem vorliegenden Stadium nicht nachzu- weisen. Sie beginnt weit vorn, im Bereich der Trigeminusanlage, und zieht sich nach hinten hin, allmählich etwas ventralwärts ver- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 187 lagert. Sie zeigt schon in diesem Stadium eine gewisse Differen- zirung. Im Bereich besonders der Acustico-Facialis-Anlage sind ihre Zellen hoch, eylindrisch, und stellen eine Platte dar, die sich mit großer Schärfe von der Deckschicht abgrenzt. Es ist dies die erste Anlage des Gehörbläschens, dessen Entwicklung uns später beschäftigen wird. Aus der lateralen Zone des Nervenblattes ent- stehen in übereinstimmender Weise eine Keihe von Gebilden, deren Funktion jedoch außerordentlich verschieden ist. Am weitesten nach vorn die Riechgrube, dann in der Fortsetzung der Zone nach hinten hin die Linse, noch weiter nach hinten das Gehörbläschen, und in der Fortsetzung der Zone auf die Rumpfregion die Organe der Seiten- linie. Ich weise darauf hin, dass das Material, aus welchem sich diese Gebilde ableiten, kurz nach der Ablösung der Masse der Gan- glienleiste von dem Nervenblatt schon klar zu erkennen ist, und dass zeitlich das Gehörbläschen den übrigen Sinnesorganen der Ge- gend in der Entwicklung vorauseilt. In diesem Stadium sehen wir auch die erste Anlage der Saug- warzen, welche, wie GOETTE schon bemerkte, lediglich von dem Deckblatte geliefert werden. Es sind dies die einzigen Gebilde, die ihre Entstehung lediglich dem Deckblatte verdanken; an der Bildung des Medullarblattes nimmt auch die Deckschicht Theil, aber die Hauptmasse wird doch von dem Nervenblatt geliefert. Die Saugwarzen bilden sich zunächst dadurch, dass an einer cirkum- skripten Stelle, lateral von der Rachenhaut, die Zellen der Deck- schicht zunächst an Höhe und auch an Pigmentgehalt zunehmen, dass dann im Bereich dieser Stelle die Zellenplatte sich zu vertiefen beginnt und schließlich eine Grube bildet, deren Wandung aus selır hohen und in ihrem oberflächlichen Protoplasma stark pigmenthaltigen Zellen besteht. Die Nervenschicht zieht kontinuirlich unter die Zellen der Saugwarze hinweg. Wie es übrigens mit der Funktion dieser Gebilde steht auf späteren Stadien, wo sie gleichfalls noch ein- fache Gruben mit aus hohen eylindrischen Zellen bestehenden Wan- dungen darstellen, ist mir unklar geblieben; ein besonderer Muskel- apparat steht nieht damit in Verbindung, und man könnte sich bloß denken, dass die hohen Zellen der Wandung von sich aus eine Saug- wirkung ausüben. Untersuchen wir ein etwas späteres Stadium, so sehen wir die _ Veränderungen an der inneren Schicht des Ektoderms im Bereich des Kopfes, und zwar bloß in der dorsalen Hälfte des Querschnittes. Die äußere Schicht besteht aus kubischen Zellen, deren Pigmentirung 185 H. K. Corning sich nicht bloß an die Oberfläche der Zellen gebunden zeigt, wie überhaupt von diesem Stadium an auch eine Pigmentirung in der tiefer gelegenen Zellschicht nachzuweisen ist. Doch ist die Pigmentirung an der Oberfläche der äußeren Schicht eine ganz besonders starke, das Pigment bildet hier eine Schicht, die an den Grenzen der Zellen scharf abgeschnitten sind und zwischen denen auf dem Querschnitte helle Partien vorhanden sind, die den Zellgrenzen entsprechen. Nicht alle Zellen des äußeren Ektoderm- blattes zeigen jedoch eine gleich starke Pigmentirung. Die Zellen des Nervenblattes sind verschieden an Höhe, im Ganzen lässt sich sagen, dass sie in der dorsalen Hälfte des Embryos höher sind als in der ventralen; dies gilt ganz besonders von der Kopfregion; in der ventralen Hälfte sind die Zellen der inneren Schicht oft ganz niedrig und als eigenes Blatt von den höheren Zellen der Deck- schicht kaum zu unterscheiden. Man erhält stellenweise den Ein- druck, dass bloß die Deckschicht vorhanden ist und dass das Ner- venblatt entweder fehlt oder sich von der Deckschicht noch nicht getrennt hat. In der dorsalen Partie des Kopfquerschnittes ist die Nervenschicht am deutlichsten von der Deckschicht gesondert und zeigt die höchsten Epithelien und die mächtigste Ausbildung in der Zone, die ich als dorso-laterale Zone der Nervenschicht bezeichnen möchte. Diese erstreckt sich etwa in der Höhe der Chorda dorsalis von vorn nach hinten, aber das Epithel zeigt nicht im ganzen Be- reich dieselbe Höhe: Aus dieser dorso-lateralen Zone gehen her- vor: erstens die Riechgruben, zweitens die Linsenanlage, drittens das Gehörbläschen, dann auch derjenige Theil der Kiemenspalten- anlage, die vom Ektoderm geliefert werden, indem bloß das innere Blatt des Ektoderms zwischen den Nervenanlagen vorwächst, um mit einer ähnlichen, von Seiten des Ektoderms ausgehenden Wuche- rung die ursprünglich solide, später sich aushöhlende Anlage der Kiemenspalten zu bilden. Außerdem entstehen daraus auch Zu- wüchse zu den Anlagen der Kopfnerven oder zu den Ganglien der Kopfnerven, die vielleicht als sekundäre Ablösungen einzelner Par- tien des inneren Ektodermblattes aufzufassen sind, vielleicht aber auch als ein Theil der ursprünglichen Anlage. Ich habe nämlich über den letzteren Punkt keine Klarheit erlangen können und es scheint mir, dass die Frage vorläufig unentschieden gelassen werden muss, ob die Ganglienanlagen der Kopfnerven sich frühzeitig ganz von dem inneren Ektodermblatt losmachen, oder ob sie nicht bei ihrer Loslösung mit dem inneren Ektodermblatt in Zusammenhang Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 189 bleiben an einer Stelle, die innerhalb der dorso-lateralen Zone ge- legen ist. In Anbetracht der Schwierigkeiten, die das Material bietet, muss ich die eine wie die andere Lösung für möglich halten, jedenfalls ist auf dem vorliegenden Stadium der Zusammenhang ein partieller, indem auf Horizontalschnitten besonders deutlich die An- lage der Hirnnerven von dem Ektoderm getrennt ist und bloß an einer Stelle, im Bereich des unteren kolbenförmigen Endes der An- lage, eine Verbindung bestehen bleibt. Ob diese Verbindung als eine primäre oder sekundäre aufzufassen ist, kann ich nicht ent- scheiden. Die dorso-laterale Zone besteht nicht in ihrer ganzen Längs- ausdehnung aus gleichmäßig hohen eylindrischen Zellen. Dagegen lässt sie sich überall als eigene Schicht von dem Deckblatt unter- scheiden. In unserem Stadium finden wir die von Kuprrer soge- nannte Riechplacode angelegt. Im Bereich des Zwischenhirns ist jedoch von einer Linsenanlage nichts zu sehen, das Gehörbläschen wird durch eine Platte von ziemlich hohen, cylindrischen Zellen dargestellt, die jedoch noch keine Krümmung im Sinne einer späteren Höhlenbildung aufweisen. Zwischen der Trigeminus- und Acustico- Facialisanlage, sowie zwischen der letzteren und der Glosso-pharyn- geusvagusanlage zeigt das innere Blatt des Ektoderms eine Wuche- rung (auf Horizontalschnitten), die sich zapfenförmig zwischen die Nervenanlagen einzuschieben beginnt und einer ähnlichen vom Ekto- derm ausgehenden Wucherung entgegenwächst. Letztere ist kleiner als die Ektodermwucherung und stößt auch noch nicht auf dieselbe, folglich ist die Kontinuität des Kopfmesoderms in der Höhe der be- ginnenden Kiemenspaltenbildung noch nicht unterbrochen. Die Anlage des Gehörorgans geht, wie gesagt, derjenigen der Linse voraus. In dem so eben besprochenen Stadium ist erstere als ein Bezirk nachzuweisen, in dessen Bereich die hohen cy- lindrischen Zellen des inneren Ektodermblattes dorsal und ventral in niedrigere Zellen übergehen. Die weitere Ausbildung ist recht einfach. In einem Stadium, in welchem ein vollständiger Abschluss der Medullarrinne zum Medullarrohr vorhanden ist, sehen wir die Pigmentirung der äußeren Schicht des Ektoderms weiter gediehen; die Saugwarzen und der ektodermale Antheil der Rachenhaut zeigen eine ganz besonders intensive Pigmentirung, die sich in den Zellen der Saugwarzen bedeutend in die Tiefe zieht. Auch einzelne Zellen der inneren Schicht zeigen, allerdings in sehr verschiedenem Grade, eine Pigmentirung. Außeres und inneres Blatt sind in der ganzen Morpholog. Jahrbuch. 27. . 13 190 H. K. Coming Ausdehnung des Querschnittes deutlich von einander zu unterschei- den; die innere Schicht zeigt bloß in der dorso-lateralen Zone eine Zusammensetzung aus cylindrischen Zellen, die sich auch weiter unten an den Stellen findet, wo Ektodermauswüchse zur Bildung der Kiemenspaltenanlage gegen das Entoderm vorwachsen. Das Mesoderm ist in der Kiemenbogenregion schon differenzirt in die zwei Massen des centralen und des peripheren Kiemenbogenmeso- derms mit ihrem charakteristischen Verhalten. In einer gewissen Höhe sehen wir hier das innere Blatt des Ektoderms aus hohen, cylindrischen Zellen zusammengesetzt, und das Blatt in der Weise verbogen, dass es eine Bucht darstellt, die nach dem äußeren Ekto- dermblatt hin offen ist. Die Zellen gehen dorsal und ventral in die niedrigeren Zellen des inneren Ektodermblattes über, ventral mehr allmählich, dorsal an einer ganz scharf zu bestimmenden Stelle. Daher kommt es auch, dass schon in diesem Stadium eine kleine Ausbuchtung vorhanden ist, die später, zur Zeit, wo das Gehörbläs- chen eine birnenförmige Anlage darstellt, den dorsalwärts ragenden Theil der Birne, den Recessus labyrinthi darstellt. Dieser Recessus labyrinthi ist also zu einer Zeit angelegt, wo der Schluss der Platte eben erst angefangen hat, und kann keineswegs als die Stelle be- zeichnet werden, an welcher das Gehörbläschen sich zuletzt schließt, eine Beobachtung, die auch von Porı (1897) gemacht worden ist. Der Abschluss der Grube zu einem Bläschen geht in der Weise vor sich, dass von dem unteren und ganz besonders. auch vom oberen Rande aus Zellen vorwachsen und so die Öffnung der Grube ver- schließen.. Das äußere Blatt des Ektoderms zieht ununterbrochen über die Grube hinweg und zeigt weder eine Einsenkung noch etwa eine Kommunikation mit dem darunterliegenden Bläschen. Man sieht in diesem Stadium eine Eigenthümlichkeit, die darin besteht, dass die untere Wand des Bläschens aus etwas höheren Zellen besteht, als die mediale und obere Wand, und dass auch die Kerne dieser Zellen sich durch eine besonders regelmäßige Anordnung auszeichnen. Vergleichen wir ein etwas späteres Sta- dium, in welchem die Ablösung des Bläschens eben erfolgt ist, so sehen wir, dass die ventrale Wand des birnförmigen Bläschens sich durch eine Zusammensetzung aus sehr hohen, eylindrischen Zellen auszeichnet, und dass sich an diesen Abschnitt der N. acusticus an- legt. Das Gleiche konstatiren wir an der grubenförmigen Anlage, auch hier liegt der N. acusticus dem unteren, aus hohen Epithelzellen bestehenden Theile der Wandung an. Im weiteren Verlauf der Ent- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 191 wicklung wird diese ursprünglich untere Wand mehr medialwärts ausgedehnt, so dass die Zone, die sich zu eigentlichen Sinneszellen differenzirt, dementsprechend medianwärts zu liegen kommt. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass die Ausstülpung, die zur Bil- dung des Gehörbläschens führt, ursprünglich dorsal von der Stelle gelegen ist, wo der N. acusticus an das Sinnesepithel herantritt, und dass schon in frühen Stadien vor dem Schluss der Bucht zum Gehör- bläschen ein Zustand zu erkennen ist, in welchem ein Sinnesepithel vorhanden ist. | Was die Lage des Sinnesorgans angeht, so wird dieselbe von Pott (1897) pag. 668 ganz richtig angegeben, zwischen dem »zweiten und dritten Kopfsegment«< von GOETTE, oder wie man gewöhnlich zu sagen pflegt über der Anlage der zweiten Kiemenspalte. Der Acusticus, welchen ich im vorliegenden Stadium vom Facialis nicht zu trennen vermochte, zieht an der unteren Wand der Blase oder der Einbuchtung heran, vielleicht schon in dieser Zeit eine innige Verbindung mit den Sinneszellen eingehend. Ich befinde mich in Bezug auf die Entwicklung des Gehörorgans bei Rana in Übereinstimmung mit Pout (1897), der eine ausführ- lichere Schilderung der Vorgänge gegeben hat. Ich kann mich je- doch mit seinen theoretischen Auseinandersetzungen nicht befreunden, besonders nicht mit dem (Pout, pag. 669) Hinweis auf die Möglich- keit, »dass der Gehörinvagination nach Lage und Ausdehnung der Charakter eines Segmentes zukommen kann«, so dass die Zahl der Kopfsegmente steigen würde und man zwischen das zweite und dritte (nach GoETTE’s Eintheilung) ein weiteres einschieben müsste, dargestellt durch den von der Gehörinvagination eingenommenen Raum. Mit der Bildung von Kopfsegmenten, ein Begriff, der sich ausschließlich auf das Mesoderm beschränkt, hat doch wohl das Ekto- derm und speciell auch das Gehörbläschen nichts zu thun. Man muss in diesem und auch in folgenden Stadien eine ge- wisse Vorsicht anwenden in Beurtheilung der inneren Schicht des Ektoderms, ventral von der Höhe der Chorda dorsalis. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Schieht hier in großem Umfange an der Bildung der Kiemenspalten Theil nimmt und dass aus der Be- trachtung von Querschnitten, welche die Kiemenspaltenanlagen mehr oder weniger schräg treffen, leicht die Vorstellung erwächst, dass sich eine große Menge von Zellen aus dem Ektoderm ablösen, um sich an der Bildung des Mesoderms zu betheiligen. ‘Was die Entwicklung der Geruchsgrube angeht, so sehen wir 13* 192 H. K. Corning dieselbe schon in einem etwas früheren Stadium dargestellt durch eine Verdiekung zunächst beider Blätter des Ektoderms. Dies Ver- halten erinnert an die Entstehung der Medullarplatte, in so fern als erstens die Zellen der Deckschicht eine Differenzirung in hohe, ey- lindrische Zellen aufweisen mit starker, auch in die Tiefe gehender Pigmentirung, und zweitens ganz besonders auch die Zellen der tiefen Schicht eine ähnliche aber noch weitergehende Veränderung eingehen. Die Grenzen der beiden Schichten sind zunächst recht scharfe. Von einer Einbuchtung kann zuerst kaum die Rede sein. Die Ausbildung der Riechgrube zeigt in so fern auch Ähnlichkeit mit der Entwieklung des Medullarrohres, als die beiden Ektodermschich- ten, die zuerst vollständig von einander geschieden waren, sich später nach der Bildung einer Einstülpung mit einander verlöthen, so dass man später gar nicht mehr im Stande ist zu bestimmen, welche Theile der Anlage aus der Deckschicht und welche Theile aus der inneren Ektodermschicht hervorgegangen sind. Wir haben es bei dem Geruchsorgan mit einem Gebilde zu thun, das aus beiden Schichten des Ektoderms, der inneren und der äußeren, hervorgeht, und in so fern eine Differenz aufweist gegenüber dem Gehörorgane, ‘der Linsenanlage und den Sinnesorganen der Seitenlinse. Ich habe die Entwicklung des Geruchsorgans auch bei Rana fusca untersucht, und zwar in einer Serie von Embryonen, bis zu solchen mit 18 mm Gesammtlänge. Schon bei Embryonen von 6 mm Länge sind die an der Bildung des Geruchsepithels betheiligten Zellen des inneren und äußeren Ektodermblattes nicht von einander zu unterscheiden, die Verschmelzung ist eine vollständige und erst am Rande der An- lage trennen sich die beiden Blätter wieder. Eine höchst eigen- thümliche Bildung sehe ich auftreten bei einer Rana fusca von 7 mm Linge. Da setzt sich von der Geruchsgrube, und zwar von der dorsalen verdiekten Lippe derselben, eine Verdickung des äußeren Ektodermblattes caudalwärts bis zur Höhe der hier nur noch durch ein Paar Zellen mit dem inneren Ektodermblatt in Verbindung stehenden Linsenanlage fort. Diese Verdiekung des Ektoderms be- steht aus eylindrischen Zellen, die sich dorsal und ventral von den kubischen Zellen der Deckschicht recht deutlich absetzen und die an zwei Stellen, zwischen Geruchsgrube und Linsenanlage, eine so regelmäßige Anordnung zeigen, dass man sie als Sinnesepithelien bezeichnen möchte. Diese Eigenthümlichkeit der Deckschicht gerade dorsal von der Geruchsgrube findet sich auf 29 Schnitten zu 10 u, stellt also eine Bildung dar, die sich in beträchtlicher Ausdehnung Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 193 hinzieht. Sie ist nicht etwa als eine Fortsetzung der Geruchsgrube dorsalwärts zu betrachten, indem sie durch einen schmalen Zwi- schenraum niedriger kubischer Zellen von dem Geruchsepithel ge- trennt ist. Bei einem Embryo von Rana fusca von 6 mm Länge ist dieses Gebilde auch schon vorhanden, doch sind seine Zellen noch nicht so hoch, obgleich sie auch schon den Charakter von Sinnesepithelien besitzen. Weit deutlicher noch tritt dasselbe bei Embryonen von 7,5 mm Länge auf. Hier bildet es eine differente Zone des Deckblattes, die schon vor der Geruchsgrube zu erkennen ist und die sich bis in die Höhe der Linsenanlage nach hinten hinzieht. Auf Querschnitten ist sie genau an der Stelle nach- zuweisen, wo die Linsenanlage sich vom inneren Blatte des Ekto- derms ablöst. An mindestens zwei Stellen sind die Zellen dieser verdiekten Zone etwa so angeordnet, wie Zellen von Geschmacks- bechern; die Pigmentirung derselben ist ganz besonders intensiv. Ich kann nieht nachweisen, dass die Zellen des inneren Ektoderm- blattes in irgend einer Beziehung stehen zu diesen Gebilden; wir haben es hier mit einer Entwicklung von Sinnesorganen zu thun, die ausschließlich durch das Deckblatt geliefert werden, vielleicht auch, wie die Saugwarzen, bloß während der Larvenzeit bestehen bleiben. Wenigstens finde ich bei einer Kaulquappe von Rana fusca von 18 mm Länge keine Andeutung mehr davon. Vielleicht haben sie auch noch einen Zusammenhang mit dem von Kuprrer als un- paare Riechplacode bezeichneten Gebilde. Bei einer Larve von Rana fusca von 7 mm Länge erkennen wir, dass dieses auf den Querschnitten als eine schmale dorso-ventrale Zone erscheinende Gebilde zu einer größeren Platte gehört, die weit dorsalwärts reicht, ventral die beiden Riechgruben mit einander verbindet und sich caudalwärts bis zur Linsenanlage erstreckt. In diesem ganzen Bereiche besteht das Deckblatt aus eylindrischen, stark pigmentirten Zellen, während das innere Blatt bloß im Bereich der Geruchsgruben eine Differenzirung zeigt, sonst durch niedrige kubische Zellen dar- gestellt wird. Man könnte auf den ersten Blick geneigt sein, diese Organe für die Sinnesorgane der Haut vor dem Auge zu halten. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt sich bei der Durchmusterung der Querschnitts- serie einer Rana temporaria von 7'/; mm Länge. Da erkennt man vor dem Auge, dorsal von jener gegen die Linie hinziehenden Ver- diekung der Deckschicht, schon die Anlagen von Sinnesorganen, die lediglich aus dem inneren Blatt des Ektoderms ihre Entstehung nehmen, 194 H. K. Corning jedoch nicht etwa als eine kontinuirliche Verdickung dieses Blattes. Sie setzen sich dann zwischen Auge und Gehörorgan weiter fort, als kontinuirliche Leiste; caudal von dem Gehörbläschen, das sich in diesem Stadium vollständig von der inneren Schicht des Ekto- derms frei gemacht hat, nur auf einige Entfernung. Auch in einem Stadium von Rana temporaria von 8,5 mm Körperlänge ist die Seiten- linie als kontinuirliche Verdiekung der inneren Epidermisschicht in der Höhe der Chorda nicht zu verfolgen, dagegen treten die einzelnen Sinnesorgane in regelmäßigen Abständen von einander auf. Ein weiteres aus der inneren Schicht des Ektoderms herzulei- tendes Gebilde ist die Linse. Man vergleiche in Bezug auf die erste Entstehung der Linse die Angaben und Abbildungen von RABL über den Axolotl (Rast, 98). Ich habe denselben nichts Wesent- liches hinzuzufügen. Die Linse entsteht bei Rana esculenta und temporaria nicht etwa durch Einstülpung, von der Deckschicht aus, auch nicht dureh eine solide Wucherung der inneren Schicht des Ektoderms, sondern, ganz genau wie das Gehörbläschen, durch einen Faltungsprocess der inneren Schicht. So entsteht zunächst aus einer verdickten Stelle des inneren Blattes, dort wo die Augen- ausbuchtung des Zwischenhirns an das Ektoderm anstößt, ein Becher, der lateralwärts offen ist und über welchen die Deckschicht kontinuir- lich hinwegzieht. Der Becher besteht aus cylindrischen Zellen, die - dorsal und ventral in die kubischen Zellen des inneren Ektoderm- blattes übergehen. Der Übergang ist, wie bei der Anlage des’ Ge- hörbläschens, dorsal ein plötzlicher, ventral ein mehr allmählicher. Bei dem Schluss der Ausbuchtung zu einem Bläschen ist von vorn herein die mediale Wand höher. Noch im Stadium, wo die Linse als Bläschen eine höhere mediale und eine aus kubischen Zellen bestehende laterale Wandung besitzt, sehe ich bei Rana fusca einen Zusammenhang mit der inneren Schicht des Ektoderms, durch einen ganz dünnen Zellstrang, der nur auf zwei Schnitten einerseits vor- handen ist. In Bezug auf die Differenzirung der Deckschicht im vordersten Theil des Kopfes liegen die Verhältnisse bei Rana escu- lenta nicht so klar vor, wie bei Rana temporaria, ich habe wenig- stens die oben erwähnte, mit der Anlage der Riechplacode gemein- samen Verdickung der Deckschicht bei Rana esculenta nicht in gleicher Ausdehnung nachweisen können. Es besteht hierin aber nur ein gradueller Unterschied, denn bei Rana esculenta, wie bei Rana temporaria lässt sich die vordere und mittlere Partie der Epi- thelverdickung sehr schön erkennen. Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 195 Entwicklung der Hypophysis. Das letzte Gebilde, dessen Entstehung ich auf meinen Serien verfolgt habe, ist die Hypophysis. Eigentlich wurde die ganze Untersuchung veranlasst durch den Wunsch, über die Kuprrer’schen Angaben ins Klare zu kommen. Kuprrer lässt (94, pag. 60) die Hypophysis bei Petromyzonten und Amphibien entstehen: 1) aus der ektodermalen Anlage, die bei Amphibien solid ist, 2) »aus einem hinter der Rachenhaut beginnenden bald hohlen, bald soli- den Auswuchs des Entoderms, der dorsal von der Durchbruch- stelle der Rachenhaut gelegen ist« und 3) aus einem Auswuchs des Processus infundibuli, der von RaBL-RÜückErT sogenannten In- fundibulardriise. »Diese drei Elemente gehen aber durchaus nicht gleichmäßig in die Zusammensetzung des Gehirnanhangs ein, der eine oder andere Theil, ja zwei zugleich können vollständig aus- fallen, so dass also durchaus nicht dasjenige, das man als Hypophysis zu bezeichnen pflegt, in sämmtlichen Wirbelthierklassen gleichwertbig sich darstellt. Es ist daher unerlässlich bei jeder Klasse die gene- tische Bedeutung des Hirnanhanges zu bestimmen.« Für Petromyzon Planeri giebt Kuprrer (94, pag. 65) an, dass bei geschlechtsreifen Thieren die Hypophysis sich zusammensetzt »aus zwei deutlich ge- trennten Körpern, von denen der hintere, welcher sich enger an den Hirnboden der Infundibulargegend anschmiegt, etwas länger ist, als der vordere, der mit dem geschichteten Plattenepithel des Nasen- rachenganges zusammenhängt... Beide Körper bestehen aus leicht gewundenen Schläuchen mit theils noch in situ befindlichem, theils abgelöstem und die Lichtung erfüllendem Epithel. Das vordere die- ser Gebilde ist von dem Gehirn in ganzer Länge durch eine Schicht Bindegewebe getrennt, von der Wand des Nasenrachenganges nur theilweise. Es scheint aus einem Komplex von Drüsen zu bestehen, denn die Verbindung mit dem Epithel des Nasenrachenganges ist eine mehrfache. Es finden sich mehrere kegelförmige oder leisten- förmige Erhebungen des geschichteten Epithels dieses Ganges und in diese Vorsprünge dringen Drüsenschläuche hinein. Man sieht zwar keine klaffenden Mündungen, wie ja auch die Lichtung der Schläuche, wo überhaupt erhalten, sehr eng ist, aber ein unmittel- barer Anschluss des Drüsenepithels an das Epithel des Ganges ist an diesen Stellen zweifellos vorhanden«.... Über die Entwicklung dieser beiden Bestandtheile der Hypophysis von P. Planeri kann ich Einiges angeben. Jedenfalls entstehen sie spät; bei 5 cm langen 196 H. K. Corning Ammocoeten sehe ich noch nichts davon; bei 9 cm langen leitet sich die Bildung der vorderen Drüse ein, indem Epithelsprossen an der dorsalen Wand des Nasenrachenganges auftreten. Bei Thieren von 12 em Länge sind beide Drüsen vorhanden. Die vordere besteht aus vertikalen Läppehen, welche gesondert in den Gang münden. Die hintere ist auch gelappt, an einer Stelle sah ich deutlich den Zu- sammenhang des Epithels eines Schlauches der Drüse mit dem Ven- trikelepithel in Form einer trichterartigen Mündung«. KUPFFER kommt zu dem Schlusse, dass die Hypophysis von Petromyzon Pla- neri sich aus zwei, der Herkunft nach ganz verschiedenen Abthei- lungen zusammensetze, »von denen die vordere als ein dorsaler Drüsenkomplex des Nasenrachenganges, die hintere als Infundibular- drüse aufzufassen ist. Beide Körper sind gefäßarm«. Sehr wesent- lich für die Beurtheilung der Bildungen, die Kuprrer bei Amphibien und Säugethieren mit diesem vorderen, aus dem Entoderm stammen- den Hypophysisabschnitt von Ammocoetes und Petromyzon vergleicht, scheint mir die Thatsache zu sein, dass die »vordere aus dem Nasen- rachengang sich entwickelnde Drüse erst so spät auftritt — denn bei Ammocoeten von 5 cm, Länge ist noch nichts davon zu sehen, erst bei Thieren von 9 cm Länge leitet sich überhaupt die Bildung der Drüse ein und erst bei Thieren von 12 cm Länge sind beide Drüsen vorhanden«. Die Bildungen, die KuprFEr bei Amphibien und Säugethieren mit der vorderen Drüse der Petromyzonten vergleicht, treten viel früher auf, zu einer Zeit, wo überhaupt die Bildung des Kopfmesoderms noch gar nicht abgeschlossen ist. Bei den Ammocoetes von 9—12 cm Länge sind sämmtliche Kopfgebilde schon hochgradig differenzirt und ich muss hier von vorn herein einem Vergleich zwi- schen Drüsenbildungen, die in der Nähe der ektodermalen Hypo- physisanlage liegen, mit anderen Bildungen, die bei Amphibien zu einer Zeit entstehen, wo das vorderste Ende der Chorda überhaupt noch nicht zur Ausbildung gelangt ist, ein gewisses Misstrauen ent- gegenbringen. KUPFFER beschreibt sodann eine Anzahl von Stadien von Rana fusca nach Längsschnittserien, und giebt als Belege vier Abbildungen, die Medianschnitte durch Embryonen von 2,3 mm, 3,5 mm, 4,5 mm Länge, sowie durch eine junge, noch mit kurzem Schwanz- stummel versehene Rana fusca, darstellen. Die erste Abbildung stellt einen Sagittalschnitt von Rana fusca dar, bei welchem die Deckschicht des Ektoderms an der Stelle, wo das Hirnrohr sich ablöst, »zu einem Kegel stark pigmentirter Zellen verdickt ist, die sich noch mit dem Hirnrohr verbinden«. Die innere Ektodermschicht (von Kuprrer Grund- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 197 schicht genannt) fehlt an der Stelle, wo die Verschmelzung der Deck- schicht mit der Wandung des Hirnrohres stattfindet, später zieht sie sich nach der Ablösung der Deckschicht an dem Gehirnrohr an die- ser Stelle ununterbrocchen unter das Sinnesorgan hinweg, welches KupFrer als unpaares Riechorgan (pag. 72) bezeichnet und welches er früher (93, pag. 78) »mit der Riechgrube des Amphioxus mit der unpaaren Riechplatte der Menorrhinen und mit der bei Am- phirhinen an der gleichen Stelle sich zeitweilig zeigenden Epidermis- platte« verglichen hat. Ventral von dieser unpaaren Riechplacode zeigt sich im vorliegenden Stadium die erste Anlage der Hypophy- sis in Gestalt eines von der inneren Epidermisschicht ( KuPFFER’s Grundschicht) ausgehenden keilförmigen Verdiekung, die sich zwischen Entoderm und ventraler Wandung des schon umgebogenen Vorder- hirns einschiebt. Spärliche Mesodermzellen sind zwischen dem En- toderm und dem Hirnrohr eingelagert und füllen den Raum zwischen dem vorderen Ende der Chorda, und der ektodermalen Hypophysis- anlage aus. Der abgebildete Schnitt ist übrigens kein genauer Medianschnitt, da Ektoderm und Entoderm sich nieht in der Bildung der Rachenhaut an einander legen. In der folgenden Figur ist die ektodermale Hypophysisanlage weiter gewachsen und dazu kommt noch ein Antheil, der sich aus dem Entoderm als solide Wucherung bildet, ungefähr an der Stelle, die dem oberen Ende der Rachen- haut entspricht. Diese solide Anlage wächst gegen die vordere Spitze der Chorda weiter, liegt also mit ihrer Abgangsstelle von dem Entoderm caudal von der vorwachsenden Spitze der ektoder- malen Hypophysisanlage. Die terminale Sinnesknospe (unpaare Riechplacode) hat schon ihre Rückbildung angetreten. Später soll (KupFFER, pag. 74) die Ablösung vom Ektoderm erfolgen, »dann liegt ein anscheinend einheitliches, langgestrecktes Gebilde zwischen dem Vorderhirn und der dorsalen Wand des Kopfdarmes, und reicht von der Wurzel der Rachenhaut bis zur hinteren Wand des Infundi- bulum ... Die Grenze zwischen den beiden Abschnitten verwischt sich jedoch nicht, sondern ist noch spät nachweisbar. Darauf löst sich dann auch der epidermoidale Antheil von seiner Ursprungsstelle los, das Doppelgebilde verkürzt sich etwas und schiebt sich zwischen das vordere Chordaende und das Infundibulum ein, wobei dann der dritte Antheil des Hirnanhanges sich hinzugesellt. Diesen aus drei Bestandtheilen bestehenden Hirnanhang sieht man besonders deut- lich am Ende der Metamorphose. Beim erwachsenen Frosch ist der epitheliale Bau dieses Theiles nicht mehr deutlich zu unterscheiden, 198 H. K. Corning aber die drei Portionen sind noch scharf von einander abgesetzt, wie bereits REISSNER (64) hervorhob«. Mit der Entwicklung der Hypophysis beschäftigen sich drei Mittheilungen von G. VALENTI (94, 95, 97). In der ersteren, die vor dem Erscheinen der Kuprrer’schen Arbeit (KUPFFER, 94) die frag- lichen Verhältnisse in ähnlichem Sinne behandelte, giebt VALENTI an, dass sich bei Bufo, Rana und Pelobates der epitheliale Theil der Hypophysis zusammensetze aus einem Antheil, der dem Ento- derm entstamme und sich zwischen vorderem Ende der Chorda und unterer Wandung des Gehirns einschiebe, und einem ektoder- malen Antheil, welchem Kuprrer die. Bedeutung. eines Palaeostoma beilegt. VALENTI schreibt der Ausstülpung des Entoderm die Haupt- rolle an der Bildung der Hypophysis zu und neigt sogar der An- sicht zu, dass die Anlage der Hypophysis, die man als RATHKE- sche Tasche jetzt allgemein aus dem Ektoderm herleitet, entoder- malen Ursprungs sei. VALENTI stellt die Hypophysis »im Hinblick auf ihre Struktur und auf ihre Pathologie zu Thyreoidea, Thymus und Glandula intercarotica. Welchen Gewinn wir aus der letzten Annahme für die Erkenntnis der morphologischen Stellung der Hy- pophysis ziehen sollen ist nicht klar; in Bezug auf die Entwicklung bei Säugethieren kann ich nach eigenen Untersuchungen an Kanin- chenembryonen von 12—17 Urwirbeln den Angaben von VALENTI widersprechen; die RAruke’sche Tasche entwickelt sich, wie jetzt auch allgemein anerkannt wird, aus dem Ektoderm zu einer Zeit, wo die Rachenhaut noch vollständig intakt ist. Die ausführliche Arbeit von VALENTI ist im Jahre 1895 er- schienen und berichtet über Untersuchungen an Amphibien, Repti- lien, Vögeln und Säugethieren. In Bezug auf die ersteren giebt VALENTI an, dass der epitheliale Theil der Hypophysis sich aus einer entodermalen und einer ektodermalen Anlage herleiten lasse. Die entodermale Anlage entspreche jedoch nicht dem von KUPFFER beschriebenen Gebilde, das an der Stelle entstehen soll, wo der entodermale Theil der Rachenhaut in die dorsale Wandung des Vorderdarmes übergeht, »sondern sie entstehe etwas tiefer, in der Höhe des vorderen Endes der Chorda dorsalis« (VALENTI, 95, pag. 28). .Die ektodermale und die entodermale Anlage unterscheiden sich dadurch, dass die Zellen des ektodermalen Theiles ein feinkörniges Protoplasma mit stark gefärbten Kernen aufweisen, während die Zellen des ento- dermalen Theiles »heller« sind und den Zellen der Darmwandung Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 199 gleichen. Wahrscheinlich meint VALENTI damit, dass die Zellen der beiden Anlagen sich durch ihren Dottergehalt unterscheiden. Ganz eigenartig sind die Angaben von VALENTI über die Ent- wicklung der Hypophysis bei Reptilien, Vögeln und Säugethieren. Sie soll sich ableiten von einer Ausstülpung des Entoderms, die sich zwischen der SexsEL’schen Tasche und der Rachenhaut_ bildet. VALENTI giebt zu, dass sich vor der Rachenhaut eine Ektoderm- ausstülpung findet (Rarnke’sche Tasche), welche MimaLkovics mit dem Namen Hypophysenwinkel bezeichnet habe, doch sollen sich die Zellen dieses »Winkels« nicht an der Bildung der Hypophyse betheiligen. Bei den Vögeln (Huhn). soll die entodermale Anlage nicht so deutlich sein, wie bei Reptilien, doch sei die Betheiligung des Entoderms »molto probabile« (pag. 35). Auch bei Säugethieren sei die Herkunft des epithelialen Theiles der Hypophysis aus Ento- derm und Ektoderm erwiesen, indem zwei verschiedene Zellarten die Wandung der Anlage darstellen — auch im ausgebildeten Or- gane sollen diese zwei Zellarten vorkommen — die Zellen ekto- dermaler Herkunft nehmen nach VArenxti Farbstoffe gierig auf (cel- lule cromofile), sind auch stark lichtbrechend, während sich die Zellen entodermaler Herkunft »durch die Klarheit und Durchsich- tigkeit ihres Protoplasmas« auszeichnen (cellule prineipali) und den epithelialen Elementen der Thymus und der Thyreoidea gleichen sollen. Ich muss gestehen, dass mir die Beweisführung nicht einleuchten will. Den Angaben von KUPFFER gegenüber setzt VALENTI aus ein- ander (95, pag. 37), dass die Entodermwucherung, welche nach KuprFrer zur Bildung der Hypophysis beiträgt, später vollständig verschwinde, während ein anderes Divertikel, oder richtiger gesagt eine andere Wucherung, in der Höhe des vorderen Chordaendes den größten Theil des Organs liefern soll. Ich habe nun die Entwicklung der Hypophysis und des vorde- ren Chordaendes an etwa 50 Serien von Rana esculenta und Rana temporaria untersucht, ohne die von Kuprrer und VALENTI gefun- denen Gebilde erkennen zu können. Die Verhältnisse sind ungefähr so, wie sie von GOETTE vor 20 Jahren für die Unke beschrieben wurden, und hier muss ich die Genauigkeit der GoETTE’schen An- gaben, sowohl in diesem Punkte, als auch in manchem anderen rühmend hervorheben. — Da jedoch die Angaben von KuprrerR und von VALENTI geeignet sind theoretischen Erwägungen, deren Berechti- gung ich nicht anerkennen kann, den Boden zu ebenen, so gebe ich 200 H. K. Corning an einigen Figuren dasjenige wieder, was ich über die Hypophysen- entwicklung beobachtet habe. Die einzige Figur von Rana esculenta, welche auf Taf. I der Arbeit von VALENTI (1895) gegeben wird (Fig. 9), stellt einen Längs- schnitt durch eine Larve von 3mm Länge dar. Man erkennt daran die zapfenförmig vorwachsende ektodermale Anlage der Hypophysis, sowie zwei solide Wucherungen des Ektoderms, eine vordere, die ventral an die ektodermale Hypophysisanlage grenzt, und eine klei- nere hintere, die sich unmittelbar vor dem ventral umgebogenen vorderen Chordaende zwischen letzteres und der Infundibulargegend des Zwischenhirns einschiebt. Diese letzte Wucherung soll sich nach VALENTI zum Haupttheil der Hypophysis ausbilden. Betrachten wir zunächst ein früheres Stadium (Fig. 1) auf einem Sagittalschnitt, so sehen wir Folgendes: Das Medullarrohr ist an seinem vorderen Ende offen. Das innere Blatt des Ektoderms zieht kontinuirlich von der Öffnung nach vorn und ventralwärts, scharf geschieden sowohl von der Deckschicht als auch von der Wandung des Hirnrohrs. In der Rachenhaut (%.77) berühren sich drei Schich- ten, das Deckblatt (D.S), welches eine starke Pigmentirung zeigt und beiderseits von dem ventralen Ende der Rachenhaut zur Bil- dung der Saugwarzen hohe ceylindrische Zellen erzeugt hat; die innere Schicht des Ektoderms (S.B), aus niedrigen, weniger regel- mäßig angeordneten, pigmentfreien Zellen bestehend, und endlich das Entoderm (e). Letzteres verdient im Bereich des vorderen Drit- tels der Embryonalanlage eine besondere Beachtung. Derjenige Theil, welcher zur Bildung der Rachenhaut mit beiträgt, besteht aus großen, ziemlich hohen Zellen mit starkem Dottergehalt. Diese Zellen nehmen weiter ventralwärts an Volumen zu und bilden die vordere Wand der Leberbucht, an deren Grund sie in die noch größeren Zellen des Dotters übergehen. An der oberen Grenze der Rachenhaut (a) biegt das Entoderm in einem spitzen Winkel nach hinten um und zieht nun, im Bogen dorsalwärts, gegen die Stelle, wo wir in späteren Stadien das vordere Ende der Chorda sehen (0). Das Entoderm verändert auf dieser Strecke seinen Charakter. Wäh- rend es noch an der Umbiegungsstelle aus hohen, cylindrischen Zellen besteht, setzt es sich von hier bis zu der mit 5 bezeich- neten Stelle aus niedrigen, mehr kubischen Zellen zusammen, um erst an der Stelle 4, wo später das leicht ventralwärts umgebogene vordere Chordaende zu finden ist, wieder in höhere Zellen überzu- gehen. Diese Strecke entspricht natürlich nur einem Theile der Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 201 dorsalen Wandung der Mundhöhle. Beachten wir nun die Be- ziehungen zwischen Ektoderm und Entoderm am dorsalen Ende der Rachenhaut. Die Deckschicht zeigt nichts Bemerkenswerthes. Da- gegen sehen wir, dass die Zellen der inneren Schicht (/yp) in der Höhe der erwähnten Umbiegungsstelle höher geworden sind und dass ihre Kerne sich senkrecht auf die Grenzen der Zellschicht einstellen, kurz dass sie sich ähnlich verhalten, wie die Kerne der Zellen der Linsenanlage, oder der Anlage des Gehörbläschens in frühen Stadien. Diese höheren Zellen gehen allmählich ventralwärts in die übrigen niedrigeren Zellen derselben Schicht über. Sie stellen die erste An- lage des ektodermalen Abschnittes der Hypophysis dar. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist aber das Verhalten des Entoderms an der Umbiegungsstelle (a). Wir sehen, dass an dieser Stelle mit dem Entoderm eine Zellmasse zusammenhängt, oder richtiger gesagt, dass hier eine Zellmasse von dem Entoderm ausgeht, vielleicht aus vier bis fünf ziemlich großen Zellen bestehend, die sich zwischen der Wandung des Gehirns und der plattenartigen Hypophysenanlage ein- schieben. Diese Zellmasse scheint auch eine ganz kurze Strecke weit mit dem dorsal umbiegenden Entoderm verbunden zu sein, dann wird sie aber frei und zieht zwischen Entoderm und unterer Wand des Neuralrohres nach hinten und dorsal, um sich in die Chorda- anlage fortzusetzen. Eine Verbindung zwischen dieser median ge- legenen Zellmasse und dem Entoderm ist auf der in Frage stehenden Strecke nicht zu bemerken — ein Zusammenhang besteht nur an der vorhin erwähnten Umbiegungsstelle (a Fig. 1). Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob wir die von KuPFFER und von VALENTI beschriebenen Gebilde vor uns hätten. Sehen wir jedoch genauer zu, wie sich diese Zellmasse nach bei- den Seiten hin fortsetzt. In der Medianlinie besteht sie aus ziemlich großen Zellen, die in doppelter Schicht angeordnet sind und deren Kerne sich erst gegen die Stelle hin, wo später das vorderste Ende der Chorda liegt, in der Weise stellen, wie es für die Chorda in diesem Stadium charakteristisch ist. Wenn wir die lateralen Schnitte untersuchen, so sehen wir, dass dieser mediane Zellstrang kontinuir- lich in das Kopfmesoderm übergeht. Ein Zusammenhang zwischen dem Entoderm und der fraglichen Zellmasse findet sich bloß an der Umbiegungsstelle des Entoderms der Rachenhaut in das dorsale Entoderm; auf weiter lateralwärts gelegenen Schnitten fehlt selbst ein solcher. Dagegen lässt sich die an dieser Stelle von dem Ento- derm abgelöste Zellmasse lateral verfolgen als eine dichtere Masse 202 H. K. Corning von Mesodermzellen, die der unteren Wand des Neuralrohres dicht anliegen und mit der lateral von der Rachenhaut gelegenen Meso- dermmasse in Verbindung tritt. Es ist dies das einzige Stadium, in welchem ich etwas finden konnte, das den von KUPFFER und von VALENTI beschriebenen Ge- bilden annähernd entsprechen würde. Die Zellmasse, die von der Stelle « ausgeht, würde etwa die entodermale Hypophysisanlage KuprFer’s darstellen, die auch VALENTI auf seiner Fig. 9 Taf. I abbildet (Rana esculenta). Von einer zweiten, unmittelbar vor dem vorderen Chordaende liegenden Wucherung des Entoderms, die VA- LENTI zur Hypophysenbildung in Beziehung bringt, kann ich nichts erkennen. Wenn ich dem vorliegenden Verhältnisse eine Deutung geben soll, so ist es die, dass sich bis zur ektodermalen Hypophysis- anlage heran Kopfmesoderm vom Entoderm aus bildet; dass die medianen Zellen als eine Fortsetzung der Chorda bis zur ektoder- malen Hypophysisanlage aufzufassen sind, die jedoch auch in dem folgenden Stadium niemals die Struktur der Chorda zeigen, sondern schon ziemlich früh verschwinden, so dass wir in der Medianlinie später gar keine, oder nur vereinzelte Zellen zwischen vorderem Ende der Chorda und Hypophysisanlage vorfinden. Der Zusammenhang dieser seitlich in die Mesodermplatten des Kopfes übergehenden Zellmasse mit dem Entoderm hat sich im vorliegenden Stadium bis auf den vordersten Theil (an der Stelle a) gelöst, später löst sie sich auch hier nnd die ursprüngliche in der Medianlinie bestehende Ver- bindung zwischen den beiden Mesodermplatten geht, vielleicht durch Wachsthum des Vorderhirns ventralwärts, verloren. Man muss natürlich zur Untersuchung dieser Verhältnisse nur genaue Medianschnitte benutzen. Bei Schiefschnitten sieht man Ver- diekungen des Entoderms und auch Mesodermzellen, die sich zwischen dem Entoderm und:der unteren Wandung des Medullarrohres einzu- schieben scheinen. Die Rückbildung des medialen Zellstranges, die meiner Ansicht nach eine Fortsetzung der Chorda bis zum Ektoderm darstellt, geht sehr frühzeitig vor sich. Bei einem Embryo von Rana temporaria von 2'/, mm, also etwa dem Stadium, welches KUPFFER, (94, pag. 70) in seiner Fig. 5 abbildet, mit noch offenem Medullarrohr, : sehe ich nur noch geringe Reste dieser Zellmasse, einzelne Zellen, drei bis vier an Zahl, die sich theils dem jetzt schon scharf ausgebildeten, ventral umgebogenen vorderen Chordaende, theils der Hypophysis- anlage anschließen. Es sind bei Rana temporaria die im oben be- schriebenen Stadium von Rana esculenta erwähnten Verhältnisse ver- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 203 ändert, in so fern als das Kopfmesoderm bloß nach vorn, an der ektodermalen Hypophysisanlage und am vorderen Ende der Chorda noch mediale Verbindungsbrücken aufweist, die jedoch gleichfalls in der Folge verschwinden. Die ektodermale Hypophysisanlage ist nicht mehr eine einfache Zellplatte, sondern fängt schon an sich zapfenförmig zwischen Entoderm und unterer Wandung des Medul- larrohres weiter zu schieben. Es scheint, dass im Verschwinden der medialen Zellmasse indi- viduelle Verschiedenheiten vorkommen können; in größeren Mengen sind diese Zellen aber niemals vorhanden, nachdem sich einmal die Chorda nach vorn hin scharf abgegrenzt hat. Bei einer Rana temporaria von 3 mm Länge, also um 0,5 mm kürzer als der Embryo, von wel- chem KuprFer in seiner Fig. 6 einen Sagittalschnitt abgebildet hat, sehe ich in der Medianebene noch einzelne Zellen, ohne Verbindung mit dem Entoderm, liegen. Die ektodermale Hypophysisanlage ist etwas weiter ausgewachsen als im vorhergehenden Stadium, ferner ist auch die entodermale Epithelschicht der Rachenhaut niedriger geworden; die Zellgrenzen sind in Folge von Pigmenteinlagerung deutlicher als in früheren Stadien, das vordere Ende der Chorda ist stumpf und leicht ventralwärts umgebogen. Vor demselben liegen auf dem Sagittal- schnitt drei bis vier rundliche, ziemlich kleine Zellen; hinter der ektodermalen Hypophysisanlage dessgleichen. Von einer Verbindung dieser Zellen mit dem Entoderm, oder von einer Wucherung oder Ausstülpung des Entoderms kann an der einen oder an der anderen Stelle keine Rede sein. Ähnliches sieht man auf Fig. 2, Rana tem- poraria 2,5 mm. ‘ Ein sehr wichtiges Stadium ist dasjenige von 4 mm Länge. Mit 3,5 mm Länge soll sich nach Kuprrer der entodermale Theil der Hypophysisanlage zu bilden anfangen, bei Embryonen mit 4,5 mm Länge soll die entodermale Anlage noch in Zusammenhang mit dem Entoderm sein, und bildet die Spitze der gegen das vor- dere Chordaende hinwuchernden gemeinsamen ektodermalen und ento- dermalen Hypophysisanlage. — Ich kann von diesen Sachen bei dem Embryo von 4mm Länge nichts sehen; die Hypophysis stellt einen Zapfen dar, der von dem inneren Blatt des Ektoderms, mit ziemlich breiter Basis ausgeht, und sich zwischen Entoderm und unterer Wand des Neuralrohres einschiebt, indem er sich an seinem Ende spitz auszieht. Die Anlage ist von den beiden angrenzenden Schichten scharf getrennt. Eine Verbindung mit dem Entoderm ist nicht zu sehen. Ein Umstand ist aber bemerkenswerth. In diesem 204 H. K. Corning Stadium tritt eine Pigmentirung in den Zellen der inneren Ektoderm- schieht auf, die sich auch auf den Hypophysiskeil erstreckt, und diese Pigmentirung kann, indem sie größere Pigmentmassen bildet, anscheinend eine Trennung der einheitlichen Zellmasse in mehrere kleinere Massen bewirken. Ich kann aber die Beobachtung Va- LENTIS nicht bestätigen, nach welcher die Hypophysisanlage sich aus Zellen zusammensetzt, die Strukturdifferenzen aufweisen; die Zellen der Anlage sind im vorliegenden Stadium alle mäßig dotter- reich und auch in Bezug auf Größe und Färbbarkeit bestehen keine Unterschiede. Gleich lateral von der Hypophysisanlage liegt eine Mesodermmasse, die sich in den Kieferbogen und ventralwärts bis zum Perikard verfolgen lässt, mit dessen vorderer Wandung sie ver- schmilzt. Es ist dies die Anlage der Trigeminusmuskulatur und des im ersten Bogen liegenden Stützgewebes. Untersuchen wir Sagittalschnitte durch Embryonen von 5,5 mm Länge. Ich sehe auch hier die Hypophysisanlage noch als einen lan- gen, von dem inneren Ektodermblatt ausgehenden Zapfen, der sich zwischen Entoderm und unterer Wand des Medullarrohres einschiebt. Die Anlage läuft weniger spitz aus als in dem vorhin beschriebenen Stadium; sie beginnt mit breiter Basis, die sich mit ihrem ventralen Theile einschiebt zwischen dem zur Bildung der Rachenhaut sich zusammenlegenden Ektoderm und äußerem Blatte des Entoderms. Wenn man nicht genau zusieht, so kann man den Eindruck gewin- nen, als ob diese Partie des inneren Ektodermblattes von der Um- biegungsstelle des Entoderms sich ableiten ließe. Thatsächlich existirt aber eine ganz scharfe Grenze zwischen den Entodermzellen und der ektodermalen Hypophysisanlage. Am vorderen Ende der Chorda dorsalis sehe ich auf diesem Stadium gar keine Zellen, wie auf Fig. 2 und 3, auch ist in der Gegend der Abgangsstelle der ektodermalen Hypophysisanlage von dem inneren Blatte des Ekto- derms die ursprünglich vorhandene mediane Verbindung zwischen den seitlichen Massen des Kopfmesoderms verschwunden. Ungefähr das Gleiche finden wir bei einer Larve von 6 mm Länge (Fig. 5). Die Rachenhaut hat sich stark verdünnt, die ver- schiedenen Zellschichten lassen sich im Bereich derselben nicht mehr unterscheiden. Die Hypophysisanlage hat sich in die Länge aus- gedehnt, aber an Dicke verloren, und von nun an können wir den nach hinten vorwachsenden,' kolbenförmigen Theil unterscheiden von dem Verbindungsstück mit dem Mutterboden. Letzterer bleibt sehr lange erhalten und seine Zellen scheinen entweder zu atrophiren, Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 205 oder sich an die ektodermalen Zellen anzuschließen, welche die dorsale Mundhöhlenwandung bilden. Etwas vor dem oberen Winkel der Mundbucht (MB) sehen wir, dass die innere Schicht des Ektoderms eine Verdickung zeigt, die bald an Umfang zunimmt und die Deck- schicht vorwölbt. Diese Verdickung (HZ Fig.5 und 6) stellt die erste Anlage der Hornzähne dar, sie geht dorsal in die niedrigen kubischen Zellen des inneren Ektodermblattes über, und letztere ziehen unter dem unpaaren Sinnesorgan der Stirne (r Fig. 5) konti- nuirlich hinweg. Kaum verändert hat sich das Bild bei Larven von 7 mm Länge, nur ist hier der Strang, welcher das kolbenförmige Ende der Hypo- physis mit dem Mutterboden verbindet, mehr in die Länge ausgezo- gen und dünner. Die Hypopbysis schiebt sich immer weiter gegen das vordere Chordaende hinauf. Letzteres ist leicht ventralwärts umgebogen und hat die an dieser Stelle äußerst dünne Hirnwand gerade dorsal von dem Infundibulartheil etwas eingedrückt. Die Anlage der Hornzähne ist etwas ausgebildeter als im vorhergehen- den Stadium. Das Organ hat dem gegenüber bei Larven mit 7'/; mm Länge ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Es ist mit seinem hinteren Ende fast bis an das vordere Chordaende herangewachsen, hat sich ganz bedeutend abgeplattet, steht aber noch durch einen dünnen Zell- strang mit seinem Mutterboden in Verbindung. Hier ist auch eine Verbindung mit der in die Bildung der Rachenhaut mit eingehenden inneren Ektodermschicht vorhanden. Die Rachenhaut ist sehr dünn, bloß an ihrem dorsalen und ventralen Ansatz ist sie etwas breiter und lässt die in früheren Stadien sehr deutlich hervortretenden drei Schichten, Deckblatt des Ektoderms, inneres Blatt des Ektoderms und Entoderm erkennen. Bei Embryonen mit 8 mm Länge ist die Rachenhaut durchgebrochen und nur noch der dorsale und ventrale Ansatz derselben in Form von vorspringenden Zellmassen erkennbar, die sich bei Embryonen mit 8!/,—9 mm Länge vollständig zurück- gebildet haben. Die Anlage der Hornzähne ist dorsal und ventral durch Verdiekungen der inneren Ektodermschicht dargestellt, welehe die Deckschicht hervorwölben. Die Zellen dieser Anlagen lassen, besonders ventral, eine eigenthümliche Anordnung erkennen, indem ihre Kerne parallel stehen und zwar in der Weise über einander geschichtet, dass die Längsachse der Kerne tangential zur Körper- oberfläche liegt. Die Zellen der Hypophysis sind etwas stärker pig- mentirt, als in früheren Stadien, doch kann ich die Differenzen, Morpholog. Jahrbuch. 27. 14 206 H. K. Corning welehe VALENTI für ein früheres Städium beschreibt, nicht nach- weisen. Die Epithelzellen der dorsalen Wandung des Vorderdarmes sind in einfacher Schieht angeordnet; diejenigen der ventralen Wan- dung dagegen in mehrfacher Schicht, an der letzteren sieht man medial die solide Anlage der Thyreoidea. Bei einer Larve mit 81/, mm Länge (Fig. 6) sehen wir, dass die ektodermale Hypophysisanlage sich von ihrem Mutterboden losgelöst hat, und nunmehr der Infundibularbucht und dem vorderen Ende der Chorda dicht anliegt. Das vordere Ende der Chorda ist nicht mehr ventralwärts umgebogen; es hat hier eine gewisse Atrophie Platz gegriffen. Die Zellen der ektodermalen Hypophysisanlage sind eben so stark pigmentirt, wie die Zellen des Hirnrohrs. Ihr vorderes Ende ist spitz ausgezogen und gegen das Entoderm gerichtet. Wenn wir nach den Resten jenes Zellstranges suchen, der noch bei Lar- ven von 7!/,mm Körperlänge die ektodermale Hypophysisanlage mit ihrem Mutterboden verband, so sehen wir Folgendes: Etwa in der Höhe des vorderen Endes der Hypophysisanlage wird das bis- her einschichtige Entoderm der dorsalen Vorderdarmwandung zwei- schiehtig, und die innere dieser beiden Schichten, vom Entoderm deutlich zu unterscheiden, geht nach vorn hin in das innere Blatt des Ektoderms über. Die Zahnanlagen, die die Mundöffnung begren- zen sind oben und unten deutlich entwickelt. Die Stelle, an wel- cher die Rachenhaut sich in früheren Stadien vorfand, ist nicht mehr zu erkennen, und es ergiebt sich daraus schon für dieses relativ frühe Stadium die Unmöglichkeit, die Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm festzustellen. Später verschmelzen die Zellen des »Zwischenstranges« vollständig mit dem Entoderm und sind bei Em- bryonen mit 10 mm nicht mehr als selbständige Schicht zu erkennen. Der Vollständigkeit halber führe ich an, dass ich auch bei Kaulquappen von 17,5 mm Gesammtlänge die Hypophysis untersucht habe. Hier stellt sie nicht, wie auf früheren Entwicklungsstadien, eine einheitliche Masse dar, sondern zeigt eine Zusammensetzung aus einzelnen Lappen, die mehr oder weniger unter einander zusam- menhängen. Differenzen in Form, Größe, oder Struktur der Zellen konnte ich nicht auffinden. Man braucht nicht anzunehmen, dass sich die Hypophysis aus zwei Bestandtheilen verschiedener Herkunft zusammensetze, um diese Lappenbildung, die übrigens in früheren Stadien nieht vorhanden war, zu erklären, sondern es genügt die Entwicklung der Hypophyse bei irgend einem anderen Thiere zu vergleichen, um zu erkennen, dass diese Zellbalken nichts Anderes Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 207 sind, als Auswüchse der ursprünglichen einheitlichen und soliden Anlage. Schlüsse. Wenn ich die Schlüsse zusammenstelle, zu denen ich über die Entwicklung der Hypophysis bei Rana temporaria gekommen bin, 80 sind es folgende: 1) Der ektodermale Theil der Hypophysis entwickelt sich aus einer Wucherung der inneren Schicht des Ektoderms, dorsal von dem Ansatz der Rachenhaut, einer Wucherung, die sich zunächst als eine zellige Platte kund giebt, um später gegen das vordere Ende der ‘Chorda auszuwachsen. Die Anlage bleibt lange mit ihrem Mutter- boden in Verbindung durch einen Zellstrang ektodermaler Her- kunft, der später mit dem Ektoderm verschmilzt und zur Bildung der dorsalen Wandung des Vorderdarmes mit aufgebraucht wird. 2) Eine entodermale Anlage betheiligt sich nicht, wie das KUPFFER und VALENTI angeben, an der Bildung der Hypophysis. In frühen Entwicklungsstadien geht die Bildung der Chorda und des Kopfmesoderms von der Medianlinie aus und zwar bis zu der Stelle, wo die ektodermale Hypophysisanlage entsteht. Durch Wachsthum des Hirnrohrs wird die Verbindung zwischen dem seitlichen Kopf- mesoderm getrennt, und die mediale Zellmasse gelangt gar nicht dazu, sich als typisches Chordagewebe auszubilden. Daher die An- gabe, dass sich die Chorda nieht bis zum Ektoderm erstreckt; die Rückbildung erfolgt eben sehr frühe. Ich möchte aus dem früher angegebenen Grunde die von KUPFFER ‘fiir Petromyzon beschriebenen Verhältnisse nicht als bewei- send für das Vorkommen eines entodermalen Hypophysisabschnittes halten. Abgesehen von der Thatsache, dass es recht schwer oder gar unmöglich ist, in späteren Entwicklungsstadien (Ammocoetes von 9—12 em Länge) zu unterscheiden, wo die Grenzen von Ektoderm und Entoderm zu setzen sind, muss ich bemerken, dass es kaum erlaubt ist, Bildungen, die in so später Zeit auftreten, zu vergleichen mit solehen, die sich vor dem Abschluss der Chorda- und Mesoderm- bildung anlegen. Was endlich die von Kuprrer beschriebenen Bildungen bei Säugethieren anbelangt, so bin ich eben so wenig im Stande seiner Deutung beizustimmen. Ich habe dieselben bei Kaninchenembryonen mit 12—24 Urwirbeln untersucht und bin, obgleich mein Material nicht so groß ist, wie ich das wünschen möchte, geneigt, sie 14* 208 H. K. Corning als Abschlnss der Mesodermbildung vom Entoderm aus anzusehen und nicht etwa als eine entodermale Hypophysisanlage. Ich beab- sichtige die Bildung des Mesoderms am Kopf der Reptilien und Säugethiere in einer besonderen Arbeit eingehender zu schildern, doch kann ich hier schon erwähnen, dass sich die oft überaus deutliche Ausstülpung, die Kuprrer erwähnt, lateralwärts in eine Zellmasse fortsetzt, aus welcher die Oculomotoriusmuskulatur ihre Entstehung nimmt. Dass sich später die mediane, vor dem vorde- ren Chordaende gelegene Verbindung der beiden Zellmassen löst, entspricht vollständig den für Rana beschriebenen Verhältnissen. Bei Reptilien (Lacerta) sind die Vorgänge ähnlich, mit dem Unter- schied aber, dass die Ausstülpung, die an dieser Stelle vorhanden ist, ihre Lichtung auch in die lateralen Zellmassen hinein fortsetzt, so dass es hier zur Bildung einer Kopfhöhle kommt, aus deren Wan- dungen die Oculomotoriusmuskulatur hervorgeht, wie das OPPEL zuerst beschrieb und wie ich bestätigen kann. Was freilich die Ent- wicklung der Oculomotorius-, Abducens- und Trochlearismuskulatur bei Amphibien angeht, so muss ich bekennen, dass ich sie trotz aller darauf verwandten Mühe nicht habe verfolgen können; erst in ziemlich später Zeit ist die Anlage der Oculomotoriusmuskulatur nachzuweisen als eine Zellmasse, die dem Bulbus caudalwärts und medianwärts ‘eng anliegt. Im Folgenden werde ich die Vorgänge schildern, welche zur Bildung der sogenannten »Segmente« am Vorderkopf führen, ferner die Beziehung derselben zu den Kiemenbögen und Kiemenspalten, die Bildung der Kopfnerven und der Ganglienleiste, sowie auch der Muskulatur und des Stützgewebes der Kiemenbogen. Der Zusam- menhang dieser Dinge unter einander macht es unmöglich die Ein- zelheiten für sich zu besprechen — ich glaube somit am richtigsten vorzugehen, wenn ich eine Anzahl von Stadien genau durchnehme und die fraglichen Bildungen vergleiche. Ich bin mir dabei be- wusst, dass ich in mancher Hinsicht bloß Lückenhaftes bieten kann; das geht eben aus der Beschaffenheit des Materials hervor, welches es oft unmöglich macht genaue Angaben, z. B. über die Ablösung ein- zelner Zellen aus dem Verband des Ektoderms zu geben. Ferner gestehe ich, dass mir die genaue Verfolgung der Nerven und der Umbildung der Kiemenmuskulatur in späterer Zeit nicht gelun- gen ist und dass ich darauf verzichten musste, eine Schilderung dieser Verhältnisse zu geben. Diese Unterlassung wird Jeder be- greifen, der sich mit der Entwicklung von Amphibien beschäftigt Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 209 hat — ich kann hier bloß die Überzeugung aussprechen, dass nur von der Ausbildung und Anwendung von Methoden, die eine speei- fische Färbung der nervösen Elemente und speciell der Achseneylin- der bezwecken, neue Erkenntnis zu hoffen ist. Ich habe bei ver- schiedenen Embryonen die Sublimatmethode von GoLGI angewandt, jedoch ohne Erfolg. Vielleicht gelingt es mit Hilfe der ApAruy- schen Methode die Entwicklung der Nerven genauer zu erforschen, als das bisher der Fall war. Ich beginne mit der Schildern eines Stadiums (Fig. 7—11), in welchem man die Mesodermbildung schon ziemlich weit fort- geschritten findet. Das Medullarrohr ist vollständig geschlossen, das Kopfmesoderm grenzt sich deutlich von dem ersten Urwirbel ab. Horizontalschnitte zeigen fünf bis sechs Urwirbel. Anlagen von Kiemenspalten sind noch nicht vorhanden, obgleich sich als erste Andeutung davon im vorderen Bereich des Kopfes, ziemlich weit ventral, etwas hinter der als V bezeichneten Zellmasse, auf Fig. 8 das Mesoderm stark verdünnt, indem sich hier eine gegen das Ektoderm hin gerichtete Ausbuchtung des Entoderms findet. Unter- suchen wir eine Horizontalschnittserie in dorsoventraler Richtung, so sehen wir Folgendes: Auf dem Schnitte, welcher der Fig. 7 zu Grunde liegt, ist in der Medianlinie die Chorda in größerer Aus- dehnung getroffen, vorn das ventralwärts umgebogene Medullarrohr. Wir sehen die drei ersten Urwirbel und dem ersten nach vorn hin angelagert das unsegmentirte Kopfmesoderm (KM). Die- ses unterscheidet sich durch die Größe oder durch die Stellung seiner zelligen Elemente in keiner Weise von dem segmentirten Mesoderm, auch scheinen mir in Bezug auf den Dottergehalt der Zel- len des Mesoderms und der Chorda keine wesentlichen Unterschiede zu bestehen. Weniger dotterreich sind die Zellen des Ektoderms. Das unsegmentirte Kopfmesoderm reicht ziemlich weit nach vorn hin, jedoch nicht bis zu der Stelle, die man als Naht des Medullar- rohres bezeichnen könnte. An dem lateralen Umfang des Kopf- mesoderms zeigen sich einzelne Einbuchtungen derselben, in welche sich die Anlagen der Kopfnerven (Gorrre’s laterale Kopfsegmente) einfügen. Die innere Schicht des Ektoderms erscheint in dem Be- reich des Kopfes mächtiger und besteht aus höheren Zellen, als weiter caudalwärts. Entsprechend den Lücken zwischen den Anlagen der dorsalen Kopfnerven und auch den Grenzen zwischen den ein- zelnen Urwirbeln springt das innere Blatt des Ektoderms in keil- 210 H. K. Corning förmigen Verdickungen vor, die im Bereich des Rumpfes keine weitere Bedeutung erlangen, im Bereich des Kopfes jedoch später mit ähnlichen Wucherungen des Entoderms zusammenstoßen, ver- schmelzen und die ursprünglich solide Anlage der Kiemenspalten abgeben. Zwischen Ektoderm und Kopfmesoderm eingeschaltet sehen wir vier Zellmassen, die weder mit dem Ektoderm, noch mit dem Entoderm in Zusammenhang stehen, rundlich, oder in der Längs- richtung des Embryos etwas abgeplattet, und von verschiedener Größe sind. Das sind die von GoETTE beschriebenen lateralen Kopf- segmente, über welche das in der Einleitung Gesagte nachzulesen wäre. Wir sehen in der Abbildung Fig.7 vier Anlagen, V, VII+-VIII, IX, X, die also zu einer Zeit vorhanden sind, wo das Kopfmeso- derm noch keine Andeutung von Segmentirung durch die Kiemenspalten- anlage zeigt. Das sind die Anlagen des Trigeminus, Acustico-Facialis, Vagus und Glossopharyngeus. Etwas weiter dorsal von dem Schnitt, welcher in Fig. 7 abgebildet ist, hängen die Anlagen des Glosso- pharyngeus und des Vagus vollständig zusammen und bilden eine einheitliche Zellmasse, die vom Ektoderm wie vom Mesoderm deut- lich getrennt erscheint. Auch noch auf späteren Stadien ist es oft nicht möglich, die Anlagen dieser beiden Nerven von einander zu trennen — es ist hierin ein Verhalten gegeben, welches auf den ursprünglichen Zusammenhang der Anlagen sämmtlicher Kiemen- bogennerven in der Ganglienleiste hinweist, sowie darauf, dass die Absonderung der einzelnen Nervenanlagen aus dem gemeinsamen Bo- den der Ganglienleiste in der Weise vor sich geht, dass zuerst der Trigeminus dann der Acustico-Facialis und erst zuletzt der Vagus und Glossopharyngeus als besondere Nervenanlagen hervortreten. Auf diese Verhältnisse komme ich später zurück. Bezeichnend ist es übrigens, dass noch in ziemlich später Zeit die Vagusanlage kon- tinuirlich zusammenhängt mit der Ganglienleiste, aus welcher die dorsalen Spinalnerven entstehen. Zwischen der Anlage des Facialis und derjenigen des Glossopharyngeus- Vagus erscheint die innere Ektodermschicht bedeutend verdickt, aus eylindrischen Zellen zu- sammengesetzt; wir haben in dieser Verdickung die erste Anlage des Gehörbläschens zu erkennen. Die vorderste Nervenanlage, die- jenige des Trigeminus, besitzt einen geringeren Durchmesser als die zweite Anlage, und diese ist wieder kleiner als die Anlage des Glossopharyngeus-Vagus. Die Erklärung finden wir in Querschnit- ten (siehe Fig. 9—11), da sehen wir, dass die Anlage des Trigeminus weiter nach abwärts reicht, als diejenige des Acustico-Faeialis, und Uber einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 211 dass sie nur durch einen diinnen Zellstrang mit der Nahtstelle des Medullarrohrs in Zusammenhang steht. Dem zufolge sehen wir in einem weiter ventral gelegenen Hori- zontalschnitt, der in Fig. 8 dargestellt ist, nur noch die Anlage des Trigeminus und des Acustico-Facialis. Es unterscheiden sich die Zellen der Nervenanlagen von denjenigen des Mesoderms und des Entoderms durch geringeren Dottergehalt, sowie durch den Einschluss von Pig- mentkörnchen. In dem vorliegenden Stadium finden wir den stärk- sten Dottergehalt bei den Zellen des Entoderms, dann bei derjenigen Mesodermmasse, die noch mit dem Entoderm in Zusammenhang steht, vor und ventralwärts von dem vorderen Chordaende; am wenigsten Pig- ment weisen die Zellen der beiden Ektodermschichten, sowie die Ner- venanlagen auf. An der Fig. 8 sehen wir, dass die Trigeminusanlage sich in eine an der lateralen Begrenzung des Kopfmesoderms vorhan- dene Delle einfügt und dass caudal von dieser Stelle die Mesoderm- schicht besonders dünn erscheint. Hier findet sich auch eine leichte Ausbuchtung des Entoderms, die später mit der oben erwähnten keilförmigen Wucherung des inneren Ektodermblattes zur Bildung der soliden Anlage der ersten Kiemenspalte verschmilzt (4 7). Auf der Fig. 8 sehen wir, dass das Mesoderm in der Medianlinie mit dem Entoderm verschmolzen ist, und dass an zwei bis drei Schnitten ein spitz endigendes Divertikel von dem Urdarm in diese Zellmasse eindringt (z). Wie weit diese Verschmelzung ventralwärts reicht ist auf den Horizontalschnitten nicht leicht festzustellen, da die beiden Schichten sehr eng an einander lagen und weiter ventralwärts schief angeschnitten werden. Für die Feststellung dieser Verhältnisse ist das Studium von Sagittalschnittserien unerlässlich (Fig. 12). Ventral- wärts, besonders in jenen Schnitten, in welchen die Medullarplatte nicht mehr getroffen ist, erscheint die Trigeminusanlage sehr mächtig entwickelt; sie ist eben hier in dem dieksten Theil ihrer Masse ge- troffen (siehe Fig. 9V), in dem sie dorsalwärts nur durch einen dün- nen Zellstrang mit dem Medullarrohr zusammenhängt. Sie liegt medianwärts einer Mesodermschieht an, und ist in der Höhe des obersten Theiles der Rachenhaut nicht mehr nachzuweisen. An der Rachenhaut lassen sich auf diesem Stadium sehr deutlich drei Schich- ten unterscheiden, davon gehören zwei dem Ektoderm und eine dem Entoderm an. Die äußere Schicht des Ektoderms ist am Vorder- kopf etwas höher als am übrigen Theil des Körpers, besonders am vorderen Neuroporus ist sie recht diek, und schickt sich hier zur Bildung von Kuprrer’s »unpaarer Riechplakode« an. 912 H. K. Corning An Längsschnitten durch dieses Stadium sehen wir Folgendes (Fig. 12). Die Hypophysis zeigt sich als keilförmiger Auswuchs der inneren Schicht des Ektoderms; in ihrem Bildungsmodus vollkom- men übereinstimmend mit dem ektodermalen Theil der Kiemen- spaltenanlage und auch mit den Anlagen der Hirnnerven. Man sieht die drei Blätter der Rachenhaut, welche erst in einem Stadium, wo die Rückbildung der Rachenhaut bereits angebahnt ist, zu einem ein- heitlichen Blatte verschmelzen. Das Neuralrohr ist vollständig ge- schlossen. Das Entoderm besitzt sehr verschiedene Dicke. Dorsal unter der bereits deutlich differenzirten Chorda dorsalis sehen wir hohe, eylindrische Zellen, die an einer ganz bestimmten Stelle (4), wo die Chorda ihre charakteristische Struktur verliert, in niedrige Zellen übergehen, die etwas weiter nach vorn eine Strecke weit mit der media- len, in der Fortsetzung der Chorda dorsalis gelegenen Zellmasse zu- sammenhängen. Wir haben schon bei der Besprechung der Entwicklung der Hypophysis diese Verhältnisse berührt und ich verweise darauf, wie auch auf die diesbezügliche Fig. 1. Nur an genauen Median- schnitten ist ein Zusammenhang mit dem Entoderm in größerer Aus- dehnung, bis zur Hypophysisanlage zu erkennen. Die mediane Me- sodermmasse zwischen den Punkten a und 5 bildet sich niemals zum charakteristischen Chordagewebe aus; man muss aber festhalten, dass die prineipiellen Vorgänge der Mesodermbildung im Kopfe bei Amphibien nicht verschieden sind von den, die sich z. B. bei Säuge- thieren oder Reptilien finden; es ist allerdings ein sekundärer Unter- schied in so fern vorhanden, als sehr frühzeitig eine Rückbildung des die beiden Mesodermflügel des Kopfes verbindenden medianen Zell- masse erfolgt, bevor dieselbe sich als typisches Chordagewebe um- gebildet hat. Wir sehen auch an diesen Schnitten eine, ich möchte sagen terminale Zellmasse, von der Stelle « ausgehen, wo das Entoderm der dorsalen Wand des Urdarmes als Bestandtheil der Rachenhaut ventralwärts umbiegt. Diese terminale Zellmasse zeigt lateralwärts an zwei Seiten eine kleine Höhlenbildung; ob diese Er- scheinung von Bedeutung ist kann ich nicht sagen, da sie an anderen Schnitten fehlt. Jedenfalls ist sie erwähnenswerth. Mit der Bildung dieser lateralwärts auswachsenden »terminalen Zellmasse« erreicht _auch die Mesodermbildung nach vorn hin ihren Abschluss. — Auf den weiter lateral gelegenen Schnitten sind die vier Anlagen des Trigeminus, Acustico-Facialis, Glossopharyngenus und Vagus zu er- kennen, besonders die mächtige Masse des Trigeminus, die am weite- sten ventralwärts reicht. Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 213 Das Bild wird vervollständigt durch die Untersuchung von Querschnittserien. Ich habe drei Querschnittsbilder abgezeichnet (Fig. 9—11), wovon jedes eine der drei großen Kopfnervenanlagen darstellt, Fig. 9 den Trigeminus, Fig. 10 den Acustico-Facialis und Fig. 11 den Glossopharyngeus-Vagus. Auf Fig. 9 sehen wir das geschlossene Neuralrohr, dessen Naht- stelle durch eine kleine Einsenkung, sowie auch durch eine stärkere Pigmentirung der Zellen des Deckblattes leicht kenntlich ist. Man sieht die Lichtung des Darmrohres und dorsal davon eine mit der oberen Darmwand zusammenhängende Zellmasse, die als schräg ange- schnittene untere Wandung des Vorderhirns aufzufassen ist. Seitlich sieht man das Kopfmesoderm, dessen Zellen unregelmäßig angeord- net sind und sich außer durch ihren stärkeren Dottergehalt in nichts von den lateralwärts liegenden Zellen des Trigeminusganglions unter- scheiden. Letzteres hat sich von der inneren Ektodermschicht voll- ständig losgelöst und tritt als selbständiges Gebilde auf. Doch deuten auch noch in diesem Stadium einzelne Thatsachen darauf hin, dass die Anlage des Ganglions noch nicht vollständig ist. Die innere Schicht des Ektoderms zeigt nämlich im Bereich der Trige- minusanlage eine Verdiekung, die einzelne Zellen, vielleicht auch, wie ich an anderen Querschnittserien desselben Stadiums sehe, eine größere Zellmasse an die Trigeminusanlage abgiebt. Diese Ver- dickung der inneren Ektodermschicht gehört übrigens zu der bei der Besprechung der Ektodermentwicklung erwähnten Längsleiste, von welcher Geruchsgruben, Linse, Gehörbläschen und in der Fortsetzung auf den Rumpf auch die Sinnesorgane der Seitenlinie entstehen. Man kann die Anlage des Trigeminus vergleichen mit birnförmigen Massen, deren verschieden lang ausgezogener Stiel sich dorsalwärts ‘gegen die Nahtstelle des Neuralrohres erstreckt. In Fig. 10 sehen wir die Anlage des N. acustico-facialis (VII + VIII), nach einem einzigen Schnitt ohne Kombination von De- tails. Die Chorda dorsalis zeigt die charakteristische Stellung ihrer Zellkerne. Die Mesodermplatten vereinigen sich ventralwärts in der Medianlinie, ich vermisse irgend eine Regelmäßigkeit in der Anordnung ihrer Zellen, die noch sehr dotterreich sind und sich durch geringeren Pigmentgehalt von den Zellen der Ganglienleiste unterscheiden. Das innere Blatt des Ektoderms zeigt eine ähnliche Verdickung, wie im Bereich des Trigeminus, doch sehe ich überall eine scharfe Grenze zwischen der Nervenanlage und dieser Ver- 214 } H. K. Corning diekung. Sehr deutlich erkennt man, dass die Nervenanlage sich in eine Delle an der lateralen Fläche des Mesoderms einlagert. Auf der Fig. 11 ist die Anlage des Glossopharyngeus-Vagus dargestellt. Die Anlagen der beiden Nerven sind auf diesem Sta- dium wahrscheinlich schon von einander getrennt, allein dies ist bloß auf Horizontalschnitten, nicht auf Querschnitten nachzuweisen. Die Anlage ist etwas dicker als diejenige des Acustico-Faeialis, der Zellstrang, welcher die Hauptmasse der Anlage mit der Naht- stelle des Medullarrohres verbindet, ist kurz, und nicht so dünn wie das entsprechende Gebilde der Trigeminus- und Acustico- Facialisanlage. Ich habe diesen Strang bei allen drei Nervenanlagen sehr genau untersucht und kann bestimmt angeben, dass er keine Verbindung mit der inneren Schicht des Ektoderms aufweist, eine Verbindung findet sich erst da, wo der Strang mit der Nahtstelle des Medullarrohres verschmilzt. Die. Anlage des Glossopharyngeus- Vagus reicht weniger weit ventralwärts, als diejenige des Acustico- Facialis, und nimmt, je weiter man sie nach hinten verfolgt, desto mehr an Höhe ab. Ich kann auf 17 Schnitten zu 10 « die Ganglien- leiste ohne Unterbrechung caudalwärts verfolgen; auf neun Schnitten ist die mächtige Anlage des Glossopharyngeus-Vagus zu erkennen, auf weiteren acht Schnitten ist die Ganglienleiste nur durch einen kur- zen von der Nahtstelle des Medullarrohres ausgehenden Strang dar- gestellt, der kaum bis zu den dorsalen- Kanten der Urwirbel reicht. Ich möchte diesen letzteren Theil der Ganglienleiste der Rumpf- region zurechnen und sie als Anlage der dorsalen Wurzeln bezeich- nen. Weiter hinten läuft die Ganglienleiste aus oder richtiger wird durch Zellen dargestellt, welche sich dem obersten Theil des Me- dullarrohres, an der Nahtstelle, so eng anlegen, dass sie als selb- ständige Bildungen nicht zu unterscheiden sind. Die Anlage der- Spinalganglienleiste ist nach Schluss des Medullarrohres überall vorhanden, allein erst wenn sie anfängt ventralwärts vorzuwachsen, wird sie als eine vom Rückenmark selbständige Bildung erkannt. Wie ich später zu erwähnen habe, entsteht die Ganglienleiste für die Kopfnerven zu einer Zeit, wo die Medullarplatte noch nicht die ersten Andeutungen der Umbildung zur Röhre aufweist. Ich habe zum Ausgangspunkt meiner Betrachtung ein Stadium gewählt, in welchem Mesoderm und Kopfnerven sich in leicht ver- ständlicher Weise verhalten. Wir haben in der Ganglienleiste am Kopfe eine Trennung in mindestens drei größere Anlagen, die be- reits ihre weitere Umbildung durch Auswachsen ventralwärts einge- Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 215 leitet haben. Die letzte Anlage steht noch in kontinuirlicher Ver- bindung mit der Ganglienleiste des Rumpfes, die nur theilweise, im vordersten Abschnitt des Rumpfes, von dem Medullarrohr selbständig geworden ist, indem sie gleichfalls ventralwärts auszuwachsen an- fängt. Das Mesoderm hängt in der Medianlinie mit dem Ektoderm auf eine kurze Strecke zusammen, dorsal von der Rachenhaut, in der Nähe der ektodermalen Hypophysisanlage. Untersuchen wir nun ein früheres Stadium, bei welchem die Medullarplatte sich noch nicht zum Verschlusse anschickt. Ich gebe davon drei Bilder, Fig. 13—15, welche so gewählt sind, dass sie die Nervenanlagen, um welche es sich handelt, annähernd quer treffen. Die Schnitte sind also senkrecht auf den cranialen Theil der Medullarplatte geführt. Wir sehen da zunächst, dass die Medullarplatte in der Median- linie bedeutend dünner ist als lateralwärts. Man könnte geradezu sagen, dass sich die Medullarplatte an jenen Stellen, wo sie in Folge ihrer Krümmung nach vorn und ventralwärts schräg getroffen ist, zusammensetzt aus zwei lateral gelegenen Zellmassen, die durch eine dünnere mediale Zellmasse verbunden werden. Die lateralen Zell- massen zeigen an ihrer äußeren Oberfläche zwei längsverlaufende Furchen, in deren Bereich die Deckschicht eine stärkere Pigmen- tirung aufweist als in dem medial gelegenen Theil der Medullar- plattenanlage. Letzterer bildet, wenigstens im Bereiche des Kopfes, eine leichte Hervorragung. Die ganze Medullarplatte wird überzogen von der Deckschicht des Ektoderms, dessen Zellen besonders in den erwähnten Rinnen, die ich als Grenzrinnen (Gr.R) bezeichnen möchte, eine stärkere, auch in die Tiefe gehende Pigmentirung aufweisen. Lateral von den Grenzrinnen erheben sich beiderseits ziemlich hohe Wülste, ferner sehen wir, dass die Medullarplatte beiderseits in die ventral allmählich niedriger werdende innere Schicht des Ektoderms übergeht. Wenn wir Serien untersuchen, an denen die Dotterplittchen durch Salzsäure entfärbt sind, so sehen wir, dass im Bereich der Medullarplatte die Deckschicht und die tiefe Schicht des Ektoderms innig zusammenhängen. Erst einige Zeit nach dem Schluss des Medullarrohres geht die für die äußere Schicht in frühen Stadien charakteristische Pigmentirung auch auf diejenigen Theile der Nervenplatte über, die von der inneren Schicht des Ektoderms geliefert werden. Wir erkennen bei einem Embryo von 1,5 mm Länge, dass das innere Ektodermblatt jedenfalls den größten Theil der- jenigen Partie der Platte liefert, die zwischen den Grenzrinnen ge- 216 H. K. Corning legen ist, und dass die seitlichen, an die Platte sich anschließenden Zellmassen ausschließlich von dem inneren Blatte geliefert wer- den. Die Grenze zwischen äußerem und innerem Blatte des Ekto- derms erscheint erst jenseits der Grenzfurchen wieder ganz deutlich. Wir hätten also in diesem Stadium zwei Theile der Anlage des Nervensystems zu unterscheiden — einen medialen Theil, der zwi- schen den Grenzfurchen gelegen ist, und der sich später zum Me- dullarrohr umgestaltet, indem zunächst die lateral auf die Grenz- rinnen folgenden Wülste sich mächtiger erheben und in der Medianlinie verschmelzen — und einen lateral gelegenen Theil, der zur Bildung der Ganglienleiste beiträgt. Ich sage nicht, dass er vollständig in die Bildung der Ganglienleiste eingeht, denn das Studium einer An- zahl von Serien lehrt, dass diese Verdiekung, die ausschließlich dem inneren Blatt des Ektoderms entstammt und als Fortsetzung der Wucherung desselben aufzufassen ist, nicht bloß die Ganglienleiste liefert, sondern auch das lateral an die Ganglienleiste anliegende innere Ektodermblatt. Mit anderen Worten, es sondert sich schon sehr früh die Ganglienleiste aus der inneren Schicht des Ektoderms ab, und verhält sich so in Bezug auf seine Ontogenese nicht anders als irgend eines jener Gebilde, die dem gleichen Mutterboden entstammten. Wenn wir die Serie durchmustern, so sehen wir, dass die An- lage des Trigeminus (Fig. 13 V) eine größere Selbständigkeit erlangt hat als die Anlagen der übrigen Nerven. Auf Fig. 13 sehen wir, dass lateral von der »Grenzrinne« die beiden Blätter des Ektoderms sich trennen; das Deckblatt besteht von dieser Stelle an aus kubischen Zellen, das innere Blatt bildet zunächst einen starken Wulst, der in die hohen kubischen Zellen der weiter caudalwiirts mit der Deck- schicht innig verbundenen inneren Schicht übergeht. An der ersten Strecke dieser inneren Schicht, dicht an dem die laterale Partie der Medullarplatte bildenden Wulst, liegt die Trigeminusanlage, die sich von der inneren Ektodermschicht noch nicht frei gemacht hat. In dieser Höhe sieht man das Mesoderm in Zusammenhang mit dem Ento- derm. Das Entoderm ist in der Nähe der Verschmelzungsstelle stets ziemlich niedrig und erlangt erst weiter lateralwärts eine bedeu- tendere Höhe. Dieser Zusammenhang lässt sich ventralwärts bis zur Rachenhaut, wo sich Entoderm und Ektoderm zusammenlegen, ver- folgen. Die Mesodermzellen sind sehr dotterreich, eine Eigenschaft, die sie mit den Entodermzellen theilen, während schon jetzt die Ektodermzellen und die Zellen des Centralnervensystems einen be- deutend geringeren Gehalt an Dotterkörnchen aufweisen. Was die Uber einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. 217 übrigen Nervenanlagen betrifft, so verhalten sie sich ganz ähnlich wie die Anlage des Trigeminus. Sie hängen mit der inneren Schicht des Ektoderms und auch mit der Medullarplatte zusammen; an letzterer Stelle deutet eine Finschnürung darauf hin, dass die Ganglienanlagen sich selbständig zu machen beginnen. Die Gan- glienleiste ist kontinuirlich im Bereich des Kopfes vorhanden, doch zeigten die Verdickungen derselben, die auf den Fig. 13, 14, 15 dargestellt sind, dass die Sonderung in einzelne Nervenanlagen schon beginnt. Der Vorgang ist folgender. Im Bereich einer ge- wissen medialen Zone des Embryos macht sich eine Wucherung der inneren Schicht des Ektoderms geltend, der sich auch die Zellen der Deckschicht in so fern anschließen, als sie innig mit der inneren Schicht verbunden sind und sich durch bedeutende Höhe auszeichnen. Über diese Zone hinaus zeigt sich auf beiden Seiten der als Grenzrinnen bezeichneten Furchen eine Verdickung bloß der inneren Schicht des Ektoderms, die mit der Medullarplatte konti- nuirlich zusammenhängt, aber bloß zum Theil in die Bildung des Medullarrohres eingeht, indem die laterale Partie durch eine Ein- schnürung von der Hauptmasse abgesetzt ist und sich dann später scheidet in eine medianwärts zwischen Ektoderm und Mesoderm liegende Zellmasse, die Nervenanlage und eine laterale Schicht von hohen Cylinderzellen, welche die innere Ektodermschicht wieder herstellen. Wenn wir bei Rana die seitlichen Verdickungen der Medullarplatte als Ganglienleiste, d. h. als kontinuirlich zusammen- hängende Zellmasse auffassen, so haben wir uns zu vergegenwärtigen, dass sich aus dieser Masse nicht bloß die Anlagen der Kopfnerven, sondern auch das innere Blatt des Ektoderms in gewissem Bereiche bilden. Mit anderen Worten, die besprochenen Kopfnerven bilden sich aus einer ursprünglich in breiter Verbindung mit der Medullar- platte stehenden Verdiekung des Sinnesblattes des Ektoderms, welche sich zunächst durch eine Einschniirung von der Medullarplatte ab- grenzt, dann später durch Spaltung einerseits die innere Ektoderm- schicht wiederherstellt, andererseits die Nervenanlage abgiebt. Letz- tere steht dann noch durch einen später sich dünn ausziehenden Strang mit der Anlage des Centralnervensystems in Zusammen- hang. Bemerkenswerth ist es, dass die Ablösung der Nervenanlagen von der verdickten Ektodermmasse nicht immer auf beiden Seiten des Embryos gleich weit gediehen ist; es kann vorkommen, dass z. B. die Trigeminusanlage der einen Seite deutlich abgesetzt ist, 218 H. K. Corning während sie auf der anderen Seite mit dem inneren Blatt des Ekto- derms noch in Zusammenhang steht. In etwas älteren Embryonen sehen wir die fraglichen Bildungen zum Theil auch von Pigment durchsetzt. Bis in ziemlich späte Sta- dien hinein ist jedoch die Pigmentirung in den Ganglienanlagen und der Sinnesschicht des Ektoderms geringer als in der Deckschicht und der Medullarplatte. Das Mesoderm zeigt keine Andeutung einer durch die Anlage von Kiemenspalten herbeigeführten Segmentirung; weder die innere Schieht des Ektoderms noch das Entoderm bilden die für ein anderes Stadium (mit fünf bis sechs Urwirbeln) beschriebenen zapfenförmigen Auswüchse, welche durch ihr Vordringen und durch ihre schließ- liche Verschmelzung eine Trennung des Mesoderms im Bereich der ventralen Partie des Kopfes in einzelne als Kiemenbogenmesoderm zu bezeiehnende Abschnitte herbeiführen. Der Bildungsmodus der Ganglienleiste, wie sie durch die Fig. 13 bis 15 veranschaulicht wird, stimmt mit den Angaben von BEARD (89) überein. BEARD giebt an, dass die Spinalganglien der Verte- braten aus den »inneren Schichten« des Ektoderms entstehen, gerade außerhalb des Bereiches der Medullarplatte. Die Ganglienaniagen werden gewissermaßen »aus dem Epiblast herausgeschnitten« (BEARD, pag. 218). Brarp sagt, dass Spinal- und Kopfganglien bei dem Schluss der Medullarplatte zum Medullarrohr dorsalwärts mitgenom- men werden, sich aber von der Anlage des Centralnervensystems immer deutlich abgrenzen. Ich finde in früheren Stadien bei Am- phibien keine deutliche Grenze der Kopfganglienleiste gegen die Medullarplatte — erst später tritt eine solche auf und wird theils durch Wucherungsvorgänge in der Ganglienleiste selbst, theils durch Wachsthum des Medullarrohres immer deutlicher, indem die eigent- liche, ventralwärts vorwachsende Anlage des betreffenden Ganglions bloß durch einen schmalen Zellstrang mit der dorsalen Schlusslinie des Medullarrohres zusammenhängt. Kehren wir nun zu dem Stadium zurück, dessen Verhältnisse durch die Fig. 7—11 veranschaulicht werden, und untersuchen wir, wie die besprochenen Nervenanlagen sich in der Folge umbilden. Es sind drei Querschnitte in den Fig. 16, 17 und 18 abgebildet wor- den. Die Unterschiede gegenüber den früheren Stadien bestehen zunächst darin, dass die Hauptmasse der Nervenanlagen sich ven- tralwärts verschoben hat, und dass in Folge dieses Umstandes und wohl auch in Folge des Verschiusses der Medullarplatte zum « Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 219 Medullarrohr, der Verbindungsstrang zwischen der Hauptmasse der Nervenanlage und dem Neuralrohre bedeutend länger und dünner geworden ist. Die Nahtstelle ist auf diesem Stadium nur im Bereich der »unpaaren Riechplakode« Kuprrer’s durch die regel- mäßige Anordnung und die starke Pigmentirung der Zellen der Deckschicht zu erkennen. Auf Fig. 16 sehen wir die Anlage des Trigeminus sehr weit ventralwärts reichend. Schon auf diesem Stadium und noch mehr auf dem folgenden tritt eine Thatsache her- vor, die mit Hinblick auf die Erörterungen von Miss PLArr eine besondere Berücksichtigung verdient. Die Nervenanlage zeigt lateral- wärts gegen das Ektoderm hin eine ganz scharfe Grenze, während eine solche gegen das Mesoderm hin nicht in gleichem Grade vor- handen ist. Ich will nicht sagen, dass man die Zellen der Anlage nicht von den Zellen des Mesoderms unterscheiden kann, allein sie zeigen lateralwärts unter dem Ektoderm ein etwas anderes Verhalten als medianwärts, wo sie an das Mesoderm angrenzen. Lateral, über- haupt dort, wo sich Ektoderm und Nervenanlage berühren, sind die Zellen der letzteren sehr zusammengedrängt; die Zellkerne stehen, besonders auf späteren Stadien, einander parallel und er- innern an die Zellschicht, welche Kuprrer bei Cyclostomen als Branchio- oder Neurodermis bezeichnet hat (KuPFFer, 95). Am me- dialen Umfang der Nervenanlage kommt es dagegen nicht zur Bil- dung einer klar erkennbaren Grenzschicht, die Zellen der Nerven- anlage sind hier nicht mehr so dicht zusammengedrängt, erhalten in Folge dessen geradezu das Ansehen von Mesodermzellen, die in diesem Stadium, wenigstens in der Höhe der Trigeminusanlage, nicht so dicht zusammengedrängt sind wie früher. Außerdem greift die Ausbildung von Fortsätzen und die Umbildung in embryonale Bindegewebszellen in dem vorliegenden Stadium Platz. Diese Diffe- renzirung geht von vorn nach hinten vor sich und zeigt sich dorsal zuerst in der Höhe der Chorda, um von da ventralwärts auf die- jenigen Partien des Mesoderms weiterzugreifen, die in der späteren Kiemenbogenregion gelegen sind. Die Bildung von embryonalem Bindegewebe beschränkt sich zunächst auf den Kopf; erst in den folgenden Stadien vollziehen sich die von MAURER für Amphibien beschriebenen Vorgänge der Bildung des Sklerotoms als Anlage des axialen Bindegewebes. Wir sehen also in der Höhe der Chorda, aus den ursprünglich hier gelegenen größeren und auch dotterreicheren Zellen des Mesoderms, Elemente entstehen, die in größerem Abstand von einander gelegen, Fortsätze ausschieken, und gegenüber den * 220 H. K. Corning Zellen des Mesoderms der friiheren Stadien sich durch mannigfaltige Formverschiedenheiten auszeichnen. Von einer Betheiligung der Ner- venanlagen an der Bildung dieser dorsal der Chorda angelagerten Zellen kann gar keine Rede sein; in früheren Stadien ist von einer Abgabe von Zellen aus der Nervenanlage nichts zu sehen, und im vorliegenden Stadium ist die Hauptmasse der Anlagen, wenigstens des Trigeminus und des Acustico-Facialis, unter die Höhe der Chorda ventralwärts vorgerückt. Die Ausbildung von Bindegewebszellen geht im Weiteren, wie bei der Besprechung der späteren Figuren hervor- zuheben sein wird, auch auf die ventrale Partie des Kopfmesoderms über, die durch das Auftreten von Kiemenspaltenanlagen in einzelne Abschnitte zerlegt wird. Es scheint — über diesen Punkt habe ich mir nicht vollständige Klarheit verschaffen können — dass die Bildung von Bindegewebe innerhalb des später in den einzelnen Kiemen- bögen eingeschlossenen Mesoderms in dorso-ventraler Richtung vor sich geht. Darüber später noch mehr. Im vorliegenden Stadium ist, wie sich aus der Untersuchung von Horizontalschnitten ergiebt, bloß eine Kiemenspalte angelegt, doch sind die ento- und ektodermalen Anlagen derselben noch nicht ganz zur Vereinigung gelangt, so dass das Mesoderm des Kieferbogens noch mit dem übrigen Kopfmesoderm in Zusammenhang steht. Die zweite Kiemenspalte, caudal von der Anlage des Acustico-Facialis, ist kaum markirt. In einer Beziehung findet sich ein beachtenswerther Unterschied zwischen dem Mesoderm in der Höhe der Chorda und in der Kiemen- bogenregion. Das Mesoderm in der Höhe der Chorda verliert seinen früheren Charakter, die Zellen zeigen Fortsätze, eventuell kurz das sanze Mesoderm in der Höhe der Chorda wandelt sich in Binde- gewebe um. Anders dagegen das Mesoderm in der Kiemenbogen- region; hier geht gleichfalls eine Bildung von Bindegewebe vor sich, aber es verliert nicht das ganze Mesoderm seinen ursprünglichen Charakter. Vielmehr bleiben in den Kiemenbogen und zwar am deutlichsten im ersten, zweiten, dritten Bogen noch Reste des Meso- derms übrig, die aus größeren, stark dotterhaltigen Zellen bestehen, kurz Zellmassen, die sich noch nicht im Sinne eines bestimmten Ge- webes differenzirt haben. Diese Massen liegen central in dem Quer- schnitt der Kiemenbogen, und fallen sofort gegenüber dem in Stütz- gewebe umgewandelten Mesoderm durch die Größe und den Dotter- reichthum ihrer zelligen Elemente auf. Was die Anordnung dieser Zellen anbelangt, so hebe ich hervor, dass ein epithelialer Charakter nicht nach- gewiesen werden kann, auch kommt niemals eine Höhlenbildung vor. Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 2321 Dagegen ist vor der Bildung der Kiemenspalten, oder richtiger vor der Differenzirung von embryonalem Bindegewebe in den Kiemenbogen, eine ganz regelmäßige Anordnung der zelligen Elemente des ventralen Kopfmesoderms zu erkennen, wenigstens in der Höhe des Acustico- Facialis und des Glossopharyngeus und Vagus. Die Zellen sind in zwei Schichten angeordnet, die durch einen feinen Spalt von einander getrennt werden, und zwar sind die Zellen der lateralen Wand durchweg höher und auch größer, als diejenigen der medialen Wand. Das gilt auch für das unsegmentirte Mesoderm des Rumpfes. Im vorliegenden Stadium sind die Anlagen des Acustico-Facialis und des Glossopharyngeus-Vagus noch recht deutlich von dem Meso- derm zu unterscheiden. Später ist dies nicht mehr in gleicher Weise der Fall, namentlich nachdem die Pigmentirung der Zellen begonnen hat. So lange bloß die Zellen der Nervenanlagen Pigment aufweisen, ist die Unterscheidung leicht, aber sehr bald lagert sich auch in den embryonalen Bindegewebszellen Pigment ab und es wird dann die Unterscheidung schwer oder geradezu unmöglich. Es will mir schei- nen, dass bei Rana esculenta die Pigmentirung, wie auch der Dot- tergehalt der Zellen mit ihrer Differenzirung wechselt — die Pig- mentirung ist zunächst auf das Ektoderm und dessen Derivate beschränkt, tritt dann in den Bindegewebszellen und auch im Ekto- derm auf und zuletzt in der Muskulatur, die sich aus den centralen Mesodermmassen der Kiemenbogen bildet. Das innere Blatt des Ektoderms ist besonders in der dorsalen Hälfte des Embryos sehr deutlich von der Deckschicht getrennt. Wir sehen auch, dass sie ungefähr in der Höhe der Chorda eine bedeu- tende Verdiekung aufweist, die sich von der Region der Trigeminus- anlage nach hinten hin bis in den Bereich der Glossopharyngeus- Vagusanlage hinzieht. Die Verdiekung, die auf den Schnitten 16—18 deutlich hervortritt, stellt zunächst die Anlage des Gehörbläschens dar, vielleicht auch schon Theile, die später mit dem Entoderm zur Anlage von Kiemenspalten verschmelzen. Dass sich von dieser Verdickung der Sinnesschicht Elemente ablösen, die sich den Nerven- anlagen beigesellen, ist in diesem Stadium wenigstens für die Anlage des Acustico-Facialis und auch des Glossopharyngeus-Vagus in Abrede zu stellen. Wir sehen auch den dorsal zur Nahtstelle des Medullar- rohres ziehenden Verbindungsstrang überall von der Sinnesschicht des Ektoderms getrennt. Die Hauptanlagen der Nerven bestehen alle drei aus Zellen, die kleiner sind, als die Zellen des benach- barten Mesoderms, und die sich durch einen gewissen Pigmentgehalt Morpholog. Jahrbuch. 27. 15 222 H. K. Corning auszeichnen. Einzelne Zellen des Zwischenstranges sind spindel- förmig; besonders diehtgefügt stehen die Zellen am ventralen Ende der Anlage zusammen. Kerntheilungsfiguren sind häufig, über die Richtung der Spindeln kann ich keine Angaben machen. Die Fig. 18 giebt einen Querschnitt in der Höhe der Glosso- pharyngeus-Vagusanlagen wieder. Beide Anlagen liegen ganz dicht zusammen und sind bloß auf Horizontalschnitten von einander zu unterscheiden. Ich sehe die auf Fig. 18 dargestellte kolbenförmige Anlage auf zehn Schnitten, auf 15 weiteren Schnitten eine Fort- setzung, welche lange nicht so weit ventralwärts reicht und in den letzten Schnitten bloß durch zwei, mit der Nahtstelle des Neural- rohres zusammenhängenden Zellen dargestellt wird. Es ist dies die Ganglienleiste des Rumpfes, die dort, wo das Medullarrohr sich schon vollkommen geschlossen hat, an der Nahtstelle angelegt ist, aber erst allmählich von vorn nach hinten sich weiter ent- wickelt, indem ihre Zellmasse gleichzeitig ventralwärts auswächst. In diesem Stadium sind also bloß die vier großen Hirnnerven, welche Kiemenbogen versorgen, ferner theilweise die hinteren Wurzeln der Rumpfnerven in Form der noch kontinuirlichen Ganglienleiste ange- legt, während von den vorderen, motorischen Wurzeln keine Andeu- tung zu sehen ist. Vielleicht hat man sich das zu erklären durch die Annahme, dass die Ganglienleiste einen Theil des Centralnerven- systems darstelle, der sich früh selbständig macht, indem er theils durch den Schluss der Medullarplatte zum Neuralrohr, theils durch Wachsthumsvorgänge an ihrem ventralen Ende verlagert wird, dass aber das Auftreten von Fortsätzen an den Zellen der Ganglienleiste wie des Neuralrohres erst später vor sich gehe. Wahrscheinlich liegt die Entwicklung der Achseneylinderfortsätze von Zellen der Ganglien- anlagen, sowie von Zellen des Centralnervensystems zeitlich ziemlich weit aus einander. Es will mir nach Untersuchungen an Lacerta scheinen, dass sich dadurch die von C. K. Horrmann schon hervor- gehobene Thatsache erklären lässt, dass die Augenmuskelnerven erst relativ spät zu erkennen sind; die Anlagen der Kiemenbogennerven sind bei der massigen Ausbildung ihrer Ganglienanlagen viel früher nachzuweisen. Es würde sich daraus eine zeitliche Differenz in dem Auftreten der sensiblen und motorischen Nerven ergeben. Auf Sagittalschnittserien erkennt man, dass die Embryonen die- ses Stadiums acht bis neun Urwirbel besitzen. Von der Zellmasse, welche die Chorda dorsalis von ihrer Umknickungsstelle bis zur Anlage der Hypophysis fortsetzte, ist fast nichts mehr zu sehen, die Uber einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 223 Mesodermplatten des Kopfes haben also ihre mediale Verbindung eingebüßt, im Bereich der Chorda dorsalis durch die Ausbildung des letzteren, im Bereich der Strecke zwischen der Umbiegungsstelle der Chorda dorsalis und der zapfenförmigen Anlage der Hypophysis durch den Schwund der die Chorda bis zu dieser Stelle fortsetzen- den Zellmasse. Unmittelbar caudalwärts von der ektodermalen Hypophysisanlage finden sich aber noch einzelne Zellen, welche noch den letzten Rest einer Verbindung zwischen den beiden Platten des Kopfmesoderms darstellt, die am spätesten der Rückbildung anheim- fällt. Diese Zellen scheinen noch mit dem Entoderm an der Um- biegungsstelle von der Rachenhaut auf das Entoderm der dorsalen Vorderdarmwand in Zusammenhang zu stehen. Dass auf Horizontalschnitten erst eine Kiemenspalte nachzuweisen ist, die durch Auswüchse von Entoderm und Ektoderm angelegt ist, habe ich oben schon bemerkt. Besonders schön sind auf Horizontalschnitten die Anlagen des Trigeminus und des Acustico-Facialis zu verfolgen. Einen bedeutenden Schritt weiter machen wir mit dem Stadium, das durch die Figg. 19—21 veranschaulicht wird. Die Nerven- anlagen sind hier bedeutend weiter ventralwärts vorgewachsen und haben sich beträchtlich verschmächtigt. Bloß die Anlage des Glosso- pharyngeus-Vagus zeigt noch die im vorhergehenden Stadium be- schriebene Form, eine ventrale Zellmasse, verbunden mit der Naht- stelle des Medullarrohres durch einen dünnen Zellstrang. Auch hier ist die Grenze der Trigeminusanlage gegen das medianwärts anlie- gende Mesoderm nicht deutlich. Das Gleiche lässt sich von der Acustico-Facialisanlage nicht sagen. Ektoderm und Entoderm be- rühren sich, als Anlage der ersten und der zweiten Kiemenspalte, und bewirken so eine in gewisser Höhe auf Horizontalschnitten bemerkbare Segmentirung des Mesoderms. Dorsal und ventral hängt aber das Kopfmesoderm noch kontinuirlich zusammen; die Segmen- tirung schreitet erst durch die Ausbildung der Kiemenspaltenanlage fort. Ferner sehen wir auch in der Differenzirung des Mesoderms einen Fortschritt. Die Ausbildung von Bindegewebe ist in der Höhe der Chorda im ganzen Bereich des Kopfes vollendet. Ventral sehen wir auf einem Horizontalschnitt (Fig. 22) in den Kiemenbogen Fol- gendes. Die zwei ersten Kiemenbogen, der Mandibular- und der Hyoid- bogen, sind durch die Berührung von Ektoderm und Entoderm in einer gewissen Höhe abgegrenzt, dagegen hängt das Mesoderm des dritten Bogens, in Folge der erst beginnenden Bildung der Kiemenspalte ( 3), mit dem übrigen Mesoderm auch in dieser Höhe zusammen. 15* 224 H. K. Corning In dem ersten und zweiten Kiemenbogen sehen wir nun, außer den Zellen der Nervenanlagen, zwei verschiedene Bestandtheile des Meso- derms. Die centralen Massen (AC /, AC 2) wahren noch vollstän- dig den Charakter des aus dem Entoderm hervorgegangenen Meso- derms. Dazu kommen noch die Zellen der Nervenanlage, die dem eentralen Mesoderm lateralwärts anliegen und auf diesem Stadium noch ziemlich deutlich zu erkennen sind, während ihre Verfolgung auf spätere Stadien schwer oder gar nicht gelingt. Die Zellen des embryonalen Bindegewebes sind jetzt pigmentirt, eine Eigenschaft, die sie mit den Zellen der Nervenanlage theilen. Wir sehen also hier die Verhältnisse, welche Miss PLATT in ihrer Arbeit über Necturus dazu benutzt hat, um einen großen Theil der in den Kiemenbogen liegenden Zellen mit bindegeweblichem Charakter von dem Ektoderm, oder von den bisher als Kopfnerven- anlagen bezeichneten Gebilden abzuleiten (PLarr 94, 97). Ich habe in der Einleitung die Ansichten von Miss PLATT kurz berührt und wiederhole hier nur, dass sie diejenigen Zellen, die in den Branchialbögen den Charakter von embryonalem Bindegewebe an- nehmen, aus den »lateralen Kopfsegmenten« GoETTE’s (den aus der Medullarplatte und der Sinnesschicht des Ektoderms abzuleitenden Anlagen) entstehen lässt, während sie das centrale Mesoderm der Kiemenbogen (das gewöhnlich als Kiemenbogencölom bezeichnet wird), auf Auswucherungen oder Ausstülpungen des Entoderms zurück- führt. Sie unterscheidet daher zwei Quellen für das Mesoderm und lässt dasselbe aus zwei ihrer Herkunft und in frühen Stadien auch ihrer Struktur nach differenten Zellen zusammengesetzt werden, solchen, die aus dem Entoderm entstehen — Mesentoderm — und solchen, die aus dem Ektoderm entstehen — Mesektoderm —. In ihrer zwei- ten Abhandlung (1897) hat sie das Schicksal des Mesentoderms und auch des Mesektoderms verfolgt und glaubt unter Anderem nachge- wiesen zu haben, dass die knorpeligen Kiemenbogen und der vor- dere Theil der Trabekeln aus dem »Mesektoderm«, die Basilarplatte, die Gehörkapsel und der »Oceipitalbogen« aus dem Mesentoderm (in der Aufzählung der Ergebnisse schlechtweg »Mesoderm« ge- nannt, 1897, pag. 457) entstehen. Ich habe Necturus nicht untersucht, kann also Miss PrArr bloß dasjenige entgegenhalten, das ich bei Rana gefunden habe, doch wird mir wohl Jeder zugeben, dass kaum bei einem Amphibium Vorgänge von der Bedeutung des von Miss Piatt Geschilderten vorkommen können, ohne dass auch bei den übrigen Vertretern der Klasse Spuren davon nachzuweisen wären. Uber einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. 925 Es will mir scheinen, dass Miss PLarr bei ihrer Beweisführung zu großes Gewicht legt auf die durch Pigmentirung und Dotter- gehalt bedingten Unterschiede in den Zellen der Embryonalanlage, die ich für sekundäre und von der Entwicklung der Gewebe bedingte halte. Es ist mir bei der Untersuchung von Rana wahrscheinlich geworden, dass der Dottergehalt in erster Linie abhängig ist von dem Grade der Differenzirung der Zellen — es wird der Dotter bei der Umbildung der indifferenten Zellen, wenn nicht ganz, so doch theilweise verbraucht und dieser Vorgang geht während der ganzen Embryonalentwicklung immer weiter. Indifferente Zellen enthalten mehr Dottermaterial und wie ich annehmen möchte auch durchschnitt- lich größere Dotterplättehen als Zellen, die sich in einer bestimmten Richtung differenzirt haben. So enthalten die Zellen des centralen Me- soderms oder des Kiemenbogencéloms mehr Dotterplättchen als die aus ihnen hervorgegangenen Muskelzellen — auch mehr als die zu Binde- gewebszellen differenzirten Elemente, von denen sie umgeben sind. Diese Zellen des embryonalen Stützgewebes (Miss PLarr’s Mesekto- derm) zeigen nicht etwa desshalb einen geringeren Dottergehalt, weil sie aus dem Ektoderm, einer schon frühzeitig abgeschlossenen Schicht von epithelialem Gewebe, herstammen, sondern desshalb weil sie eine höhere Differenzirung, verglichen mit den Zellen des Kiemenbogen- cöloms, erlangt haben. Letztere weisen erst viel später eine geweb- liche Differenzirung auf, zu einer Zeit, wo die Zellen des Stützgewebes schon lange durch Aussenden von Fortsätzen, und auch durch Pigment- einlagerung mit den Bindegewebszellen des erwachsenen Thieres Ähnlichkeit zeigen. Auch der Unterschied in der Pigmentirung ist, glaube ich, auf ähnliche Weise zu erklären. Die Zellen des Kiemen- bogencöloms sind hell, die Zellen des Stützgewebes, sowohl im Bereich der Kiemenbogenregion, als auch dorsalwärts in der Höhe der Chorda sind schon sehr früh in geringem Grade pigmentirt und dieser Pigmentgehalt nimmt während der Entwicklung rasch zu. Eine Stelle des Entoderms zeigt schon frühzeitig eine starke Pig- mentirung; es ist das die Partie, aus welcher sich die Mesoderm- platten und die stark pigmentirte Chorda und Hypochorda ent- wickeln. Das Pigment der Mesodermzellen kann ihnen also theil- weise schon von ihrem Mutterboden aus mitgegeben werden. Miss PLATr sucht diesen Einwürfen, die offenbar schon von anderer Seite gemacht wurden, auf pag. 395 (PLart 1897) zu begegnen. Sie sagt: »I have been accused of maintaining, that the absence of yolk granules in the mesectoderm proves this tissue to be of ectodermic origin. Lest 226 ¢ H. K. Corning others than my accuser should also believe the accusation warranted, I take the present opportunity to say, that »I know the mesecto- derm of Necturus to be of ectodermic origin because I have carefully followed the tissue from its origin, tracing the development through slight degrees of growth, in embryo after embryo, from the very beginning, until the stage now described. The marked differentiation of tissues occasioned by diffe- rence in the size and quantity of the yolk granules, though proving nothing in itself makes it possible to distinguish the median tissues of Necturus from one another with greater certainty, than that, with which they may be distinguished in any other vertebrate embryo with which I am acquainted. The coloured figures are not given to show that part of the median tissues is ectodermic, while another part is not. They are given, that those, who may not be able to examine Necturus embryo for themselves may see, how apparent the difference between the two kinds of tissue really is.« Ich muss hier bemerken, dass ich wirklich beweisende Figuren unter den ziemlich zahlreichen Ab- bildungen von Miss PLarr vermisse. Die Fig. 36 « auf Taf. XL (PLatr, 1894) wird gewiss der Wirklichkeit entsprechen, doch kann wohl nicht die Möglichkeit in Abrede gestellt werden, dass Zellen der als Mesektoderm bezeichneten Schicht sich aus der als Mesento- derm bezeichneten centralen Masse abgelöst haben können. Ich glaube bestimmt, dass dies bei Rana esculenta der Fall ist, und in derartigen prineipiellen Entwicklungsvorgängen werden doch wohl bei allen Amphibien dieselben sein. Die meisten Figuren von Miss PLATT, die bei schwacher Vergrößerung gezeichnet sind, scheinen mir eher dazu bestimmt zu sein, ihre Ansichten zu erläutern, als ihre Behauptungen zu belegen. Oder es müssten sich die zelligen Elemente bei Necturus ganz anders verhalten als bei Rana. Die Muskulatur der Branchialbögen lässt Miss PLATT aus dem »Mesentoderm« entstehen, d. h. aus jenen Zellmassen, die wir als »Kiemenbogeneölom« oder centrales Kiemenbogenmesoderm, nach der Differenzirung des Stützgewebes auftreten sehen. Miss PLArr sagt (1897, pag. 438), dass bei einem Necturus-Embryo von 11 mm Länge das Kopfmesoderm bestehe aus »mesenchymalem, mesothelialem und somitischem Gewebe«, und dass aus dem »mesothelialen Gewebe« die Branchialmuskulatur entstehe. Unter »somitischem Gewebe« versteht Miss PLarr das Gewebe der Urwirbel, unter mesenchymati- schem Gewebe das Bindegewebe des Kopfes, sofern dasselbe nicht von den Urwirbeln (postotischen Segmenten von van WIJHE) geliefert Über einige Entwieklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 297 wird, unter mesothelialem Gewebe Zellmassen, in denen Cölom, wenn auch bloß in Form eines Spaltes, nachgewiesen werden kann. Die Angaben von Miss PrAarr über die Bildung des Kiemen- bogeneöloms und der Kiemenbogenmuskulatur stimmen im Ganzen mit dem überein, was ich bei Rana esculenta finde. Miss PLArr sagt (1897, pag. 438): »The mesothelium of the mandibular arch is connected with the wall of the pericardium through the mediation of the ventral part of the hyoid mesothelium. In other words the hyoid and mandibular mesothelia unite with one another ventrally, while the hyoid mesothelium unites with the anterior wall of the pericardium. The pericardial cavity extends into the ventral part of the mesothelium of the hyoid and mandibular arches alone, while ‚in the dorsal part of these arches and in the posterior branchial arches the body cavity, theoretically present, is completely reduced by the approximation of the cells, composing the mesothelial walls. The mesothelium of the mandibular arch is dorsally independant, while the mesothelial tissue of the following arches is continuous above the gill slits.« Ich kann diese Angaben von Miss PLArr bei Rana bestätigen, doch ist es mir nicht gelungen, die weitere Um- bildung der Branchialmuskulatur mit Bestimmtheit zu erkennen, so dass ich meine Angaben bloß auf die früheren Stadien beschränke, und zwar so weit, als es nöthig ist um behaupten zu können, dass das Kiemenbogencélom wirklich in Muskelgewebe übergeht. Ich habe noch einen Einwurf gegen die von Miss PLATT ver- suchte Ableitung des Stützgewebes der Kiemenbogen aus dem Ekto- derm geltend zu machen. Er bezieht sich auf Folgendes: Am Rumpfe ist die Kopfganglienleiste in ihrer Fortsetzung als Spinalganglienleiste zu verfolgen, man würde also wohl, wenn man den Anschauungen von Miss PLATT zustimmte, fragen müssen, ob diese Spinalganglien- leiste sich irgendwie an der Bildung des Mesoderms im Bereiche des Rumpfes betheilige. Das ist meines Wissens noch von Nieman- dem behauptet worden. Axiales Bindegewebe entsteht, wie das jetzt allgemein zugegeben wird, aus den Sklerotomdivertikeln oder Wuche- rungen der Urwirbel, daneben betheiligt sich das unsegmentirte Me- soderm des Rumpfes an der Bildung von Bindegewebe und liefert außerdem die Muskulatur des Darmes und des Herzens. Das Kopf- mesoderm hängt nun kontinuirlich mit dem unsegmentirten Mesoderm des Rumpfes zusammen, und es existirt durchaus kein Grund anzu- nehmen, dass dieses Kopfmesoderm eine Bildung sui generis sei, welches sich in Bezug auf die Entstehung von bindegeweblichen 228 H. K. Corning Elementen anders verhalte, als das unsegmentirte Mesoderm des “Rumpfes; es wäre sogar unmöglich die Grenze zwischen beiden festzusetzen. Eine gewisse Einheit muss in der Entwicklung der Gewebe oder der Organe vorhanden sein, und schon aus diesem Grunde wird man dem Versuch von Miss PLATT, einen Theil des Kopf- mesoderms vom Ektoderm abzuleiten, während erwiesenermaßen das ganze Mesoderm des Rumpfes sich durch Auswachsen von der Wandung des Urdarmes bildet, ein gewisses Misstrauen entgegen- bringen. Untersuchen wir nun die im Gewebe des Kiefer- und des Hy- oidbogens auftretende Scheidung in eine centrale Masse (Kiemen- bogencöloms) und eine periphere Masse, welche das Stützgewebe liefert. Zunächst bemerke ich, dass diese Trennung nicht im ganzen Bereich des Kiemenbogeneöloms durchgeführt ist. Auf Horizontal- schnittserien ist nachzuweisen, dass sie nicht bis zum Perikard reicht. In früheren Stadien sieht man, dass bloß der dorsale Theil des Kiemenbogencéloms von andersartigen Zellen umgeben wird, wäh- rend die ventralen Abschnitte noch frei von solchem Überzuge sind. Am vorliegenden Stadium sehen wir, dass die ventrale Partie des Hyoid und Kieferbogencöloms noch nicht von Bindegewebszellen umgeben sind. Wir haben also einen Vorgang, der in dorsoven- traler Richtung fortschreitet. In den Fig. 22 und 23 sind zwei Horizontalschnitte dargestellt, welche das Verhältnis des Mesoderms in der Mitte (22) und dorsal von der Kiemenbogenregion (23) erläutern. Wir sehen auf Fig. 23 zunächst eine Anzahl von Zellen (7.C,), die unmittelbar der primären Augenblase angelagert, sich ventralwärts in den Kieferbogen hinein- ziehen. Lateral liegt dieser Masse die Anlage des N. trigeminus an (V). Die Zellen der Mesodermmasse sind nicht in regelmäßiger Weise angeordnet. Die erste und zweite Kiemenspalte sind durch kleine Ausbuchtungen des Entoderms (4, Aj, A) deutlich markirt, doch hängt das Mesoderm des Hyoidbogens mit dem übrigen unsegmen- tirten Mesoderm caudalwärts zusammen. Von Nervenanlagen, die im vorliegenden Stadium sehr stark verdiinnt erscheinen, ist auf dieser Höhe, abgesehen von der Trigeminusanlage, fast nichts zu sehen, höchstens könnte man einzelne Zellen, die dem Mesoderm zwischen A, und A, anliegen, als Zellen des »Verbindungsstranges« vom Acustico-facialis (VI/) ansprechen. Es wird jetzt überhaupt sehr schwer, die Nerven zu verfolgen und von dem Mesoderm inner- halb der Kiemenbögen zu unterscheiden. Gehen wir die Serie in Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 229 ventraler Richtung durch, so kommen wir auf das in Fig. 22 dar- gestellte Bild. Hier sehen wir zwei Kiemenspalten durch Anein- anderlagerung von Ektoderm und Entoderm schon vorgebildet (X, und A,) und zwei weitere (X, und A) in Bildung begriffen. In den drei so abgegrenzten Kiemenbogen sehen wir mehr oder weniger deut- lieh Kiemenbogeneölom (A.C,, A.C,, K.C;), umgeben von locker zu- sammengefügten Zellen. Miss Prarr's Abbildung 26 a (PLarr, 1894) giebt annähernd diese Verhältnisse bei starker Vergrößerung wieder, nur muss ich bemerken, dass die Unterschiede im Dottergehalt der Zel- len bei Rana esculenta nicht so stark sind, wie sie Miss PLATT für Necturus zeichnet. Für spätere Stadien treffen die Unterschiede zu, die Miss PLATT zwischen den Zellen ihres Mesektoderms und Mesento- derms hervorhebt. Ich sehe an der vorliegenden Serie im Kieferbogen, sowie im Hyoidbogen Unterschiede, die zunächst bedingt sind durch den diehteren Zusammenschluss der Zellen, die das Kiemen- bogeneölom darstellen. Zwar macht sich zwischen dem Gewebe des Unterkieferbogens und demjenigen des Hyoidbogens ein Unterschied geltend, der darin besteht, dass alle Zellen im Unterkieferbogen lockerer zusammenliegen, als es im Hyoidbogen der Fall ist. Aber die großen Zellen mit starker Dottereinlagerung beschränken sich durchaus nicht auf die centrale Masse — man sieht sie auch peri- pherwärts, an einzelnen Stellen dicht unter dem Epithel, ferner in den peripheren Schichten neben Zellen, denen große Dotter- körnchen vollständig fehlen, auch solche, bei denen neben kleineren Dotterkérnchen auch noch recht große Elemente vorkommen. Kern- theilungsfiguren sieht man sowohl in den peripheren, als auch in den centralen Zellmassen, doch gelang es mir nicht, daraus etwas Beweisendes für die Entstehung der Zellen zu entnehmen. Die Pig- mentirung ist in vorliegendem Stadium nicht stark. Was die Nerven anbelangt, so ist es außerordentlich schwer, dieselben in ihrem Verlaufe ventralwärts zu verfolgen. Wenn wir fragen, was aus den Zellen der Hauptanlagen wird, so wird un- zweifelhaft der größte Theil aufgebraucht zur Bildung der Ganglien und der Nerven. Dass einzelne Zellen bei der Umbildung der Ner- venanlage in das umgebende Bindegewebe gelangen, kann ich nicht sicher behaupten, möchte es aber nicht für unwahrscheinlich halten. Das ist aber etwas ganz Anderes als die massenhafte Bildung von Bindegewebe, die Miss Prarr der Ganglienleiste zuschreibt. In welcher Weise scheinbar abgelöste Zellen der Ganglienleiste wieder in den Verband des peripherischen Nervensystems eintreten können, 230 H. K. Corning ist vorläufig nicht zu entscheiden, doch denke man an die zahl- reichen Zellen des sympathischen Nervensystems, um die Vorstel- lung zu gewinnen, dass eine von der Ganglienanlage losgetrennte Zelle nicht nothwendiger Weise zu der Bildung des Mesoderms bei- tragen müsse. Im Hyoidbogen sind die Zellen viel dichter zusammengedrängt, auch ist es hier noch nicht in gleichem Umfange zur Entwicklung von embryonalem Bindegewebe gekommen wie im Kieferbogen. Die Zellen zeigen hier einen gleichmäßigeren Dottergehalt als die Zellen im Kieferbogen, doch sind gleichfalls die peripheren Zellen durch ihre geringere Größe gegenüber den Zellen des Kiemenbogenmeso- derms ausgezeichnet. Die Kerne der peripheren Schicht stehen, be- sonders medianwärts, sehr dicht zusammen und verleihen dem Ge- webe an dieser Stelle geradezu epithelialen Charakter. Ähnliches habe ich am vorderen und lateralen Theil des Kieferbogenmesoderms bemerkt; auch hier können sich die Zellen unter dem Sinnesblatt des Ektoderms geradezu epithelial anordnen und ein Bild erzeugen, welches, wie schon erwähnt, an die von KUPFFER beschriebene Branchiodermis der Cyelostomen erinnert. Ähnliches findet sich übrigens auch in frühen Stadien von Lacerta — auch hier sehen wir häufig eine äußerst regelmäßige Anordnung der Bindegewebs- zellen, deren Kerne sich mit der Längsachse senkrecht auf die Zellschicht des Ektoderms stellen und außerdem dieht zusammen- gelagert sind. Was später aus diesen Zellen entsteht, habe ich nicht feststellen können; zur Nervenentwicklung stehen sie ganz sicher nicht in Beziehung. Im dritten, noch nicht vollständig caudalwärts abgeschlossenen Kiemenbogen ist die Entwicklung kleinerer Zellen noch nicht weit fortgeschritten; hier sind hauptsächlich große mit Dotterplättchen an- gefüllte Zellen vorhanden. Diese hängen caudalwärts mit dem unseg- mentirten Mesoderm zusammen, an welchem wir zwei Schichten, durch einen feinen Spalt von einander getrennt, unterscheiden können, eine innere Schicht, bestehend aus höheren Zellen; eine äußere Schicht, bestehend aus kubischen Zellen. Dieses Verhalten treffen wir, wie Querschnittsserien zeigen, im ganzen Bereiche des Rumpfes an. Ich leite, wie aus dem Gesagten wohl zur Genüge hervorgeht, die Zellen von Miss Puart’s Mesektoderm von den Zellen des Cö- loms ab, die durch das Auftreten von Kiemenfurchen in einzelne Abtheilungen als Kiemenbogencélom gegliedert werden. Es ergiebt sich daraus naturgemäß die Frage: Werden die Zellen von dem ganzen Über einige Entwieklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 231 Umfang des Kiemenbogencöloms abgegeben, oder von bestimmten Partien desselben? Die Entscheidung ist eine recht schwierige, doch glaube ich sie, wenigstens für den Kieferbogen, dahin geben zu dürfen, dass die Zellen von dem lateralen Umfang des Kiemen- bogenciloms aus entstehen und erst allmählich letzteres umwachsen. In einem Stadium, bei welchem erst eine Kiemenspalte durch die Berührung einer Ektoderm- und Entodermwucherung angelegt ist, sehe ich, dass das Cölom des ersten Kiemenbogens dem Entoderm dicht angelagert ist, und dass sich lateralwärts eine Zellenmasse anschließt, die so zu sagen kappenförmig der Zellmasse des Kiemen- bogencöloms aufsitzt. Man sieht auch einzelne größere, dotterreiche Zellen in der peripheren Zellmasse und ziemlich zahlreiche Kern- theilungsfiguren im ganzen Quer- oder Schrägschnitt des ersten Kiemenbogens. Ventral von der Stelle, wo sich die Auswüchse des Entoderms und Ektoderms zur Bildung der ersten Kiemenspalte vereinigen, sehen wir einen Zusammenhang zwischen den Zellen des ersten Bogens mit den Zellen, die im folgenden Stadium dem zweiten Bogen angehören. Die Anlage des N. trigeminus kann ich bloß in den dorsalen Schnitten verfolgen — sie verliert sich nach abwärts in der peripheren Zellmasse des Kieferbogens. Viel klarer zu erkennen ist die Anlage des Facialis, welcher unmittelbar caudal von der Anlage der ersten Kiemenspalte zwischen Ektoderm und Mesoderm eingeschoben erscheint. Eines ist aber in Bezug auf diese Nervenanlage zu beachten und giebt uns, glaube ich, den Schlüssel für das Verständnis. Ventral von der Stelle, wo die Facialisanlage noch sichtbar ist, sieht man das Mesoderm, welches später in den zweiten Kiemenbogen eingeschlossen wird, aus zwei Blättern be- stehen, die caudalwärts in die Blätter des unsegmentirten Rumpf- mesoderms übergehen. Zwischen beiden ist ein feiner Spalt zu er- kennen, der sich nach hinten gleichfalls in die Rumpfregion fortsetzt. Die mediale Schicht besteht aus größeren und höheren Zellen, die laterale Schicht aus niedrigeren Zellen. Geht man nun die Serie von einem Schnitt, der, ventral von der Facialisanlage, die beiden Schichten des Mesoderms sehr deutlich zeigt, dorsalwärts durch, so sehen wir, dass die mediale Grenze der Facialisanlage scheinbar durch den Cö- lomspalt gebildet wird, sehen wir aber genauer zu, so bemerken wir, dass nicht die ganze Masse, die wir zuerst für die Facialisanlage gehalten haben, derselben wirklich angehört, sondern dass die äußere Wand des Mesoderms (die Somatopleura darstellend), der Nerven- anlage dicht anliegt und an dieser Stelle verdickt erscheint. Ich 232 H. K. Corning deute das nun dahin, dass von der Somatopleura des Kopfmesoderms eine Wucherung ausgehe, deren Zellen zunächst den Charakter der Zellen des unsegmentirten Mesoderms wahren, starken Dottergebalt zeigen, später in Folge ihrer Differenzirung im Sinne von Stützzellen den Dotter aufbrauchen und kleiner werden, so dass sie von den Zellen der Nervenanlage gar nicht zu unterscheiden sind. Diese aus der lateralen Lamelle des Mesoderms (Somatopleura) hervorgegangenen Zellen umwachsen die als Kiemenbogencölom abgegliederten Meso- dermmassen, und bilden eine die letzteren vollständig einschließende Sehieht. Es ist mir nicht möglich gewesen, den Vorgang für alle Kiemenbogen im Einzelnen zu verfolgen, doch darf ich wohl annehmen, dass er nicht bloß beim Hyoidbogen bestehe. Dass einzelne Zellen der Nervenanlagen bei der Proliferation der Somatopleura von ihrem Mutterboden sich ablösen und bei der Bildung des Gewebes mit ver- arbeitet werden, mag vorkommen — ich kann Angesichts der Schwie- rigkeiten, die durch das Material bedingt sind, eine derartige Mög- lichkeit nicht in Abrede stellen; dass sie jedoch, wie Miss PLATT will, ausschließlich dieses Gewebe herstellen, halte ich für unrichtig, das Stützgewebe der Kiemenbogen ist eben sowohl ein Abkömmling des unsegmentirten Mesoderms wie das Stützgewebe, in welches die Muskelknospen zur Bildung der Bauchmuskulatur ventralwärts vor- wachsen. — Beide werden von der Somatopleura geliefert. Ich habe von diesem Stadium auch eine aus einer Sagittal- schnittserie kombinirte Figur gegeben, um den Zusammenhang des Kiemenbogeneöloms des Kieferbogens mit dem Perikard zu veran- schaulichen (Fig. 24). Aus der Horizontalschnittserie haben wir die Angabe von Miss PLATT bestätigen können, nach welcher das Meso- derm des Hyoidbogens und des dritten in Bildung begriffenen Bogens unter einander und mit dem übrigen unsegmentirten Mesoderm, dorsal von den Anlagen der Kiemenspalten, in Zusammenhang stehen, wäh- rend das Mesoderm des Kieferbogens dorsalwärts von dem übrigen Mesoderm getrennt ist. Ventral von den Kiemenspaltenanlagen sehen wir den Zusammenhang des Mesoderms wieder hergestellt, das Kiemen- bogencélom der verschiedenen Bögen geht in die Wandung der Peri- kardialhöhle über, die unmittelbar ventral- und eaudalwärts von der Rachenhaut anzutreffen ist. In der Gegend der Herzanlage erreichen die Mesodermplatten die Medianlinie, verschmelzen mit einander und bilden durch Auseinanderweichen ihrer beiden Blätter die Perikardial- höhle, die zuerst paarig, später durch Einschmelzung der medianen Schädelwand unpaar wird. Auch hier ist die Splanchnopleura bedeu- Uber einige Entwicklungsvorgiinge am Kopfe der Anuren. 233 tend miichtiger als die Somatopleura, und der Unterschied wird in späteren Stadien noch auffälliger. Mit dem Perikardialschlauch tritt nun in vorliegendem Stadium sowohl das Kiemenbogencélom des Kiefer- als auch dasjenige des Hyoidbogens in Verbindung, und zwar zieht das erstere von der Höhe des primitiven Augenbläschens zu beiden Seiten der Rachenhaut ventralwärts, wird allmählich schmäch- tiger und geht in einen Strang über, der, mit dem anderseitigen konvergirend, schon vor seiner Vereinigung ein Lumen aufweist, das in die Perikardialhöhle übergeht. Mit diesem Strang verbindet sich auch das Kiemenbogencölom des Hyoidbogens (A.C, Fig. 24), und weiter nach hinten das übrige, an dieser Stelle einen Cölomspalt aufweisende Kopfmesoderm. Bindegewebe hat sich noch nicht im ganzen Verlauf des von vorn her an die Wandung der Perikardial- höhle herantretenden Stranges gebildet; die Grenzen des Bindege- webes, ventralwärts, sind an der Zeichnung deutlich zu erkennen. Auf einem Stadium, in welchem drei solide Anlagen der Kie- menspalten vorhanden sind, während die ektodermale und ento- dermale Anlage einer vierten Spalte sich fast vereinigt haben, sehen wir in drei Kiemenbögen das Kiemenbogencélom und das Binde- gewebe sehr deutlich von einander getrennt. In allen drei Bögen ist die centrale Mesodermmasse vollständig von dem peripheren Ge- webe umgeben. Blutgefäßlumina sind im ersten Bogen zu sehen; sie unterscheiden sich durch den größeren Dottergehalt der Zellen ihrer Wandungen und liegen dem vorderem Umfang des Kiemen- bogeneöloms (auf Horizontalschnitten) an. Die Nervenanlage da- gegen ist dem Kiemenbogencölom lateralwärts und etwas gegen die folgende Kiemenspaltenanlage verschoben angelagert. Wenig- stens ist das im Kieferbogen der Fall, im Hyoidbogen gelang es mir überhaupt nicht, den Nerven von den Bindegewebszellen zu unterscheiden. Das centrale Mesoderm des Kieferbogens, wie des Hyoidbogens besteht aus dicht zusammengedrängten Zellen, die dorsalwärts allmählich lockerer zusammengelagert sind und sich dann in dem bereits in Bindegewebe umgewandelten Mesoderm aut der Höhe der Chorda verlieren. Das Cölom des Kieferbogens reicht weiter dorsalwärts als das Cölom der übrigen Bögen und ver- breitert sich in querer Richtung, indem es hier in lockere, zu- sammengelagerte Zellen übergeht. Diese beiden Massen verbinden sich aber nicht in der Medianebene, Die Ausbildung des Binde- gewebes in den Kiemenbogen reicht ventralwärts weiter als in vorhergehenden Stadien, und begleitet das Kiemenbogencölom fast 234 H. K. Corning bis zu seiner Verbindung mit der Wandung der Perikardialhöhle. Die Zellen dieses Bindegewebes, welche unmittelbar unter der epi- thelialen Abgrenzung des Kiemenbogens gelegen sind, zeigen auf Hori- zontalschnittserien die früher besprochene regelmäßige Anordnung. Ich habe aus einem etwas älteren Stadium zwei Querschnitte abgebildet, Fig. 25 und 26 (Rana esculenta 6 mm), welche beson- ders auch die Verbindung des Kiemenbogencöloms mit der Wan- dung der Perikardialhöhle zur Anschauung bringen sollen. Der Schnitt, welcher in Fig. 25 dargestellt ist, geht durch die Gehörkapsel und zeigt gerade noch den Ursprung des Glossopharyngeus, der Schnitt der Fig. 26 geht durch das Mesoderm des vierten Kiemenbogens, welcher fast vollständig abgetrennt ist. Auf anderen Schnitten, die weiter rostralwärts liegen, sehen wir die Anlage der Linse als eine Verdickung des Sinnesblattes, dann über dem Augenbecher den Durchschnitt einer scharf abgegrenzten Zellmasse, die auf an- deren Schnitten nach vorn hin zu verfolgen ist und die durch einen dünnen Strang mit der Anlage des Trigeminus zusammenhängt. Es ist dies der Ram. supraorbitalis des Trigeminus. Ich habe mich vergeblich nach der Anlage der Oculomotoriusmuskulatur in diesem Stadium umgesehen — eine selbständige Zellmasse, die ich als solche ansprechen könnte, fand sich nicht; erst in späterer Zeit sah ich am caudalen Umfang des Augenbechers, etwas gegen die Me- dianebene sich hinziehend, eine Zellmasse, die sich in die Oculo- motoriusmuskulatur umwandelt. Woher diese Zellmasse stammt, konnte ich nicht feststellen; am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass sie sich aus jenem Theil des Kiemenbogencöloms ablöst, der sich eaudal vom Zwischenhirn und von der primären Augenblase dorsalwärts hinaufzieht. Bestimmte Angaben kann ich eben so wenig über die Entstehung des Musculus rectus externus und des obliquus superior machen — vielleicht stammt auch letzterer aus der Meso- dermmasse des Kieferbogens, was übrigens recht gut passen würde zu Beobachtungen, die ich an Lacerta angestellt habe, wo der M. oblig. sup. aus einer dorsal über die Augenblase vorwachsenden Partie der Trigeminusmuskelanlage entsteht. Das Cölom des Mandibularbogens zeigt besonders lateralwärts eine recht scharfe Grenze; dorsalwärts sind seine Zellen lockerer zusammengestellt, was schon aus der Betrachtung von Horizontal- schnittserien zu erkennen war. Die Zellen des Mesoderms in der dorsalen Partie des Embryos sind bald stark dotterhaltig, bald haben sie Ähnlichkeit mit den Zellen, die das centrale Mesoderm Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 335 der Kiemenbögen umgeben und zeichnen sich durch ihre gerin- gere Größe sowie durch ihren geringen Dottergehalt aus. Der Trigeminus lässt sich in seinem Verlauf ventralwärts am hinteren Umfang der Augenblase verfolgen, bis er sich lateralwärts an das Kieferbogenmesoderm anlegt, von hier an ist er unter den dichten peripheren Zellen des Bogens nicht mehr zu erkennen. Caudalwiirts können wir den ventralen Theil des Kieferbogeneöloms als dünnen Strang verfolgen, der sich mit dem Cölom des Hyoidbogens vereinigt um gegen die Medianebene konvergirend in die Wandung der Peri- cardialhöhle überzugehen. Auf Fig. 25 sehen wir den zweiten Bogen, die centrale Meso- dermmasse (Kiemenbogencölom) desselben, sowie auf eine kurze Strecke weit zu verfolgen den N. facialis, der lateral von der Masse des Kiemenbogencöloms liegt und aus spindelförmigen Zellen zu- sammengesetzt ist. Es ist mir nicht gelungen, darüber klar zu werden, ob in diesem Stadium eine sekundäre Verbindung des Fa- cialis mit dem Ektoderm in der Höhe des obersten Endes der zwei- ten Kiemenspalte stattfindet. Ich kann überhaupt über sekundäre Verbindungen der Kopfnerven mit dem Ektoderm keine bestimmten Aussagen machen; nach meiner Ansicht sind die Verhältnisse bei Amphibien keineswegs dazu geeignet, Licht auf diese Frage zu werfen. Auf Fig. 26 ist das Kiemenbogeneölom des dritten (Glossopharyn- geus-Bogens), sowie auch des Glossopharyngeus in seinem Ursprung und auf einer kurzen Strecke seines Verlaufes dargestellt. Wir sehen, dass diese Mesodermmasse eine Scheidung in zwei Blätter erkennen lässt, das innere Blatt besteht aus hohen cylindrischen Zellen, das äußere Blatt aus niedrigeren Zellen, die nicht in einem Epithelialverbande stehen. Die Perikardialhöhle ist hier nicht mehr vorhanden, als Fortsetzung des Herzschlauches, caudalwiirts sehen wir aber die beiden Venae vitellinae, die hier noch nahe zusammen- liegen, weiter caudalwärts an den lateralen Umfang des Darmes hinrücken. Mit dieser Mesodermmasse hängt caudalwärts das in dem Be- reich des Vagus liegende Mesoderm dorsal von der dritten Kiemen- spalte zusammen; letzteres geht auch ohne Unterbrechung in das unsegmentirte Mesoderm des Rumpfes über. Auf der Fig. 26 sieht man in der Höhe der Chorda dorsalis das Myotom des ersten, vielleicht auch noch dasjenige des zweiten Urwirbels, die jedoch den Eindruck machen, als ob sie rudimentär geworden wären. Eine Verdickung des Sinnesblattes (S.Z) stellt die 236 ¢, MERK: Corning Anlage der Seitenlinie dar, die caudalwärts von dem Gehörbläschen eine Strecke weit zu verfolgen ist. Ventral von dieser Anlage treffen wir die schief angeschnittenen Zellen des Glossopharyngeus, die sich lateral an ihr Kiemenbogencölom anlegen. Ergebnisse. Wenn ich zum Schluss die Ergebnisse zusammenfasse, zu denen mich die Untersuchung der Entwicklung von Sinnesorganen, Kopf- nerven und Kopfmesoderm bei Rana geführt hat, so sind es folgende. 1) Sinnesorgane und Nervensystem entstehen entweder aus- schließlich, oder doch zum größten Theil aus der inneren Schicht des Ektoderms, dem Nervenblatt von GOETTE. Eine Betheiligung der Deekschicht ist nur an der Medullarplatte nachzuweisen; hier bilden die pigmentirten Zellen der Deckschicht die äußerste Lage der Medullarplatte, doch betheiligen sie sich nieht an der Bildung der Ganglienleiste, die lediglich auf Kosten der innersten Schicht ent- steht. Die Zellenwucherung, welche die Hauptmasse der Medullar- platte darstellt, geht von der inneren Schieht des Ektoderms aus. Ähnliches ist an der Geruchsgrube zu erkennen; auch hier wird die äußere Schicht durch das Deckblatt gebildet. Linse, Gehörorgane und die Organe der Seitenlinie entwickeln sich ausschließlich aus dem inneren Blatt des Ektoderms, ohne Betheiligung des Deckblattes; ich habe in dieser Beziehung den Angaben und Abbildungen von Pouı (97), RagL (98), Inouse (95) nichts hinzuzufügen. Die innere Schicht des Ektoderms ist dorsalwärts höher als ventral, auch deutlicher als eigenes Blatt von der Deckschicht zu unterscheiden. Innerhalb der dorsalen Kopfregion ergeben sich weitere Differenzirungen der inneren Ektodermschicht in eine dorsomediane Zone, aus welcher die Medullarplatte und die Kopf- ganglien hervorgehen, und in zwei Lateralzonen, welche die Organe der Seitenlinie, Linse, Gehörorgan, Geruchsgrube ete. erzeu- gen. Auch Miss PrArr unterscheidet (PLarr 96) derartige Ver- diekungen der inneren Ektodermschicht, von denen die als »primitive ridges« bezeichneten sowohl Nerven- als Bindegewebe liefern sollen, während die Anlage der Seitenlinie bloß Nerven, resp. Sinnesorgane liefert. Die Deckschicht liefert ausschließlich die Saugwarzen, und die unpaare Riechplakode Kuprrer's, Organe, die bloß während des Larvenlebens nachzuweisen sind. Über einige Entwieklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 937 2) Die Ganglien der Kopfnerven entwickeln sich aus einer Gan- glienleiste, die sich auf einem gewissen Stadium kontinuirlich in die Ganglienleiste des Rumpfes fortsetzt. Die Ganglienleiste des Kopfes geht aus dem lateralen Theil der Medullarplatte hervor, welcher sich unabhängig von dem Deckblatt bildet und welcher nach der Abschnürung der Ganglienleiste sich wieder als innere Schicht des Ektoderms herstellt. Ich fasse daher die Ganglienleiste bei Amphibien auf als eine Bildung, die ursprünglich von der Medullar- platte abzuleiten ist, mit dem Unterschied, dass sie nur an der inne- ren Ektodermschicht entsteht, während die zum Medullarrohr sich umbildende Platte aus Zellen der Deckschicht und aus solchen der Nervenschicht zusammengesetzt wird. 3) Aus der Ganglienleiste entsteht nur Nervengewebe und zwar der vier zu Kiemenbogen gehenden Nerven, des Trigeminus, Acustico-Facialis, Glossopharyngeus und Vagus; das Bindegewebe der Kiemenbögen entsteht aus dem Kopfmesoderm und zwar aus der lateralen Lamelle desselben, der Somatopleura. Die Ausbildung dieses Bindegewebes geht in dorsoventraler Richtung vor sich. Die Anlagen der Kopfnerven und der Kopfnervenganglien ziehen sich bei ihrem Auswachsen stark aus und stellen Zellstränge dar, die in dem Stützgewebe der Visceralbögen schwer oder gar nicht zu ver- folgen sind. 4) Das Kopfmesoderm entsteht durch Auswachsen von der Wan- dung des Urdarmes bis zur Stelle hin, wo sich die ektodermale Hy- pophysisanlage einstiilpt. Dagegen wird die Chorda nicht bis zu dieser Stelle hin differenzirt und sehr frühzeitig verlieren die beiden seitlichen Mesodermmassen durch Schwund der Zellen in der Median- linie ihre Verbindung. Am längsten bleibt eine derartige Verbindung unmittelbar hinter der Hypophysisanlage bestehen und ist mit dem bei Lacerta in gewissen Stadien vorhandenem Verbindungsstrange zwischen den beiden ersten Kopfhöhlen (Anlagen der Oculomotorius- muskulatur) zu vergleichen. 5) Es ist mir nicht gelungen die Entwicklung der Augenmus- keln und ihrer Nerven zu verfolgen. Die letzteren treten bei Lacerta gewiss später auf, als die Kiemenbogennerven und wahrscheinlich ist das Gleiche auch bei Rana der Fall. Die Schwierigkeiten, welehe das Material der Untersuchung entgegenstellen, treten hier ganz be- sonders hervor. 6) Kopfhöhlen sind im Mesoderm bei Rana nicht nachzuweisen. Die Segmentation des Kopfmesoderms wird durch die Bildung der Morpholog. Jahrbuch. 27. 16 238 H. K. Corning Kiemenspalten bedingt, dorsal yon den Kiemenspalten hängt das centrale Mesoderm des zweiten Bogens mit dem centralen Mesoderm der folgenden zusammen — ein dorsaler Zusammenhang des cen- tralen Mesoderms (Mandibularbogen) mit dem Mesoderm des Hyoid- bogens ist nicht zu erkennen. Ventral hängen alle durch die Bil- dung von Kiemenspalten abgegrenzten Mesodermmassen mit der Wandung der Perikardialhöhle zusammen. 7) Dieser letztere Zusammenhang löst sich erst in relativ später Zeit, nachdem die Differenzirung des centralen Kiemenmesoderms des ersten und zweiten Bogens in Muskulatur bereits eingetreten ist, und zwar giebt das centrale Kiemenbogenmesoderm des Mandibular- bogens den Zusammenhang mit der Wandung der Perikardialhöhle früher auf, als das Mesoderm des Hyoidbogens. Ich werde in einer anderen Arbeit, bei Besprechung der Ent- wicklung des Kopfmesoderms bei Lacerta, Gelegenheit finden mich über die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Mesodermab- schnitte im Kopfe auszusprechen. Vorläufig genüge es zu sagen, dass ich die Muskulatur der Kiemenbögen, die auch bei Rana aus dem Kiemenbogencölom entsteht, auffasse als splanchnische Musku- latur, und dass wenigstens bei Reptilien ihre Entwicklung vollstän- dig übereinstimmt mit der Entwicklung der Darmmuskulatur. Basel, 1. August 1898. Citirte Litteratur. J. BEARD, 89. The development of the peripheral nervous system of vertebrates. Quart. Journal mier. Science. Vol. XXIX. 1889. G. CHIARUGA, 90. Sui miotomi e sui nervi della testa posteriore e della regione prossimale del tronco negli embrioni degli anfibii anuri. Monit. Zool. ital. Vol. I. 1890. pag. 22 .und 59. —— 94. Di una partiellare connessione della parete ventraie del cervello inter- medio in embrioni di mammifero. Nota preliminare. Monit. Zool. ital. 1894. pag. 109—112. GOETTE, 76. Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1876. GORONOWITSCH, 92. Die axiale und die laterale (A. Gornrre) Kopfmetamerie der Vogel-Embryonen. Die Rolle der sog. Ganglienleisten im Auf- bau der Nervenstämme. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. —— 93a. Untersuchungen über die Entwicklung der sog. Ganglienleisten am Kopfe der Vogel-Embryonen. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. 1893. —— 93b. Weiteres über die ektödermale Entstehung der Skeletanlagen im Kopfe der Wirbelthiere. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. 1893. Über einige Entwicklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 239 C. K. HorrmMann, 9. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Selachier. I. Theil. Morphol.. Jahrbuch. Bd. XXIV. 1896. — 97. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Selachier.. II, Theil. Mor- phol. Jahrbuch. Bd. XXV. 1897. HATSCHEK, 81. Studien über Entwicklung des Amphioxus. Arbeiten des zool. Instituts zu Wien. Bd. IV.. 1881. TOJOTARO InouJE, 95. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Linse. 1.-D. München 1895. KUPFFER, 90. Die Entwicklung von Petromyzon Planeri. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXV. 1890. —— 91. Die Entwicklüng der Kopfnerven der Vertebraten. Verhandlungen der: anatom. 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Zur Entwicklung der Gehörblase bei den Wirbelthieren. Archiv - für mikr. Anatomie. Bd. XLVIII. 1897. C. Rasx, Uber den Bau und die Entwicklung der Linse. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. LXIII. 1898. 16* 240 H. K. Corning SCHWINCK, 91. Untersuchungen über die Entwicklung des Endothels und der Blutkörperchen der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVII. 1891. SEWERTZOFF, 95.. Die Entwicklung der Occipitalregion der niederen Verte- braten, in Zusammenhang mit der Frage über die Metamerie des Kopfes. 2 Tafeln. Bull. de la Société des Naturalistes de Muscou, 1895. G. VALENTI, 94. Sul Sviluppo dell’ Ipofisi. Nota preventiva. Atti dell’ Aca- demia Med. chir. di Perugia. Vol. VI. 1894. -—— 95. Sulla origine e sul significato della ipofisi. Atti dell’ Acad. Med. chir. di Perugia. Vol. VO. 1895. 2, Tafeln. — 97. Sopra i primitivi rapporti delle estremita cefaliche della corda dor- sals e dell’ intestino. Atti.sec. Toscana Se. nat. Vol. XVI. 1897. 1 Tafel. | Erklärung der Abbildungen. Tafel IX und X. Fig. 1. Rana esculenta. 3 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 2. Rana temporaria. 2,5 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 3. Rana temporaria. 3 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 4. Rana temporaria. 4 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 5. Rana temporaria. 6 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 6. Rana temporaria. 81/2 mm Länge, Sagittalschnitt. 75 lin. Vergr. Fig. 7—8. Rana esculenta. 5—6 Urwirbel, Horizontalschnitte. 75 lin. Vergr. Fig. 9—11. Rana esculenta. 5—6 Urwirbel, Querschnitte. 75 lin. Vergr. Fig. 9. Querschnitt durch die Anlage des Trigeminus. Fig. 10. Querschnitt durch die Anlage des Acustico-Facialis. Fig. 11. Querschnitt durch die Anlage des Glossopharyngeus-Vagus. Fig. 12. Sagittalschnitt. Rana esculenta. 3,5 mm Länge. Fig. 13—15. Querschnitte eines Stadiums von Rana esculenta (75 lin. Vergr.), bei welcher die Medullarplatte sich noch nicht zum Schlusse an- schickt. Die Anlagen des Trigeminus, Acustico-Facialis und Vagus sind getroffen. Fig. 16—18. Querschnitte. Rana esculenta, S—9 Urwirbel, 75 lin. Vergr. Fig. 19—21. Querschnitte. Rana esculenta, älteres Stadium, 75 lin. Vergr. Fig. 22—23. Querschnitte. Rana esculenta, 75 lin. Vergr., etwas älter als das Stadium der Fig. 19—21. Fig. 24. Sagittalschnitt, Stadium der Fig. 22—23. 75 lin. Vergr. Fig. 25—26. Rana esculenta. 6 mm Länge. Querschnitte. Fig. 25 dureh die Höhe des zweiten Kiemenbogens, Fig. 26 durch die Höhe des dritten Kiemenbogens. 75 lin. Vergr. Uber einige Entwieklungsvorgänge am Kopfe der Anuren. 941 Bezeichnung der Figuren. a Umbiegungsstelle des Entoderms der Rachenhaut dorsalwiirts, 6 Umbiegungsstelle des Entoderms in der Höhe des vorderen Chordaendes, ch Chorda, D.B Deckblatt des Ektoderms, D Dotter, e Entoderm, Gr.R Grenzrinne der Medullarplatte, Geh. Bl Gehörbläschen, H.Schl Herzschlauch, h.Z Anlage der Hornziihne, hyp ektodermale Hypophysisanlage, K,, Ko, Kz Anlage der Kiemenspalten in Form von Wucherungen des Entoderms und des Sinnesblattes des Ektoderms, die einander entgegenwachsen, K.M Kopfmesoderm, K.C;, K.Co, K.C; Kiemenbogencölom oder centrale Mesodermmassen im ersten, zweiten und dritten Kiemenbogen, P.M Bindegewebe oder peripheres Mesoderm der Kiemenbogen, Per.C Perikardialhöhle, r KUPFFER’S unpaare Riechplakode, ‚R.H Rachenhaut, S.B Sinnesblatt des Ektoderms, S.W Saugwarze, S.Z Anlage der Seitenlinie, U, erster Urwirbel, X Zusammenhang von Entoderm und Mesoderm, Z.H Zwischenhirn, Studien über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms bei den niederen Vertebraten'. Von Herman Lundborg. (Aus der histologisch-embryologischen Abtheilung des Karolinischen Instituts zu Stockholm, sowie von der biologischen Station zu Bergen, Norwegen.) Mit Tafel XI—XII und 6 Figuren im Text. Einleitung. Als ich im Winter 1893—94 in der zootomischen Abtheilung der Stockholmer Hochschule unter Leitung des Herrn Prof. LECHE mit einer embryologischen Studie, betreffend die Hypophysis, be- schäftigt war, glaubte ich auf meinen Präparaten Bilder zu sehen, welche dafür sprachen, dass Bindegewebe und Knorpel aus Zellen entstünden, welche vom Ektoderm herstammten. Ich theilte Herrn Prof. LECHE meine Annahme mit, doch war dieser anfänglich sehr abgeneigt, derselben irgend welchen Glauben zu schenken. Er prüfte die Präparate, — welche ja nicht zur Entscheidung dieser Frage bestimmt waren, sondern nur zum Verständnis der Entwick- lung der Hypophyse — hielt sie aber nicht für beweisend, obwohl, 1 Als Vortrag gehalten im biologischen Vereine zu Stockholm auf der April-Versammlung 1897, unter dem Präsidium des Herrn Prof. G. RETZIUS. Anhaltende klinische Studien haben nach diesem meine Zeit so in Anspruch genommen, dass ich keine Gelegenheit gefunden habe, diese äußerst interessanten Studien wieder aufzunehmen, was meine Absicht war. Se ee N ae oe. ‚Momholog. Jahrbuch Ba. AAVI. : : Tal: IX. r Verlag ron Rilielm Engelmann, Iserig Lah Asst w Werner (Wester Prank on: . ‘ na j u |p"! Su =f Geet. “Sole Morholog. Jahrbuch. Bd. XXVI. "GrR Verlag vor Wilhelm Engelmann, Lenzi. Lk Aust v Warner aWinter, Fraskfere? A Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 243 wie er gern zugab, Einiges vorhanden war, was die Sache verdäch- tig machte. Er rieth mir desshalb, mit den Studien in dieser Rich- tung fortzufahren. Leider konnte ich aber damals auf embryologi- sche Studien nur wenig Zeit verwenden, weil ich zu direkten Examenstudien übergehen musste. Diese, wie anhaltende klinische Studien haben bis vor Kurzem meine Zeit vollständig in Anspruch genommen. Indessen habe ich den Gedanken nie aufgegeben, mich wieder an die Frage nach der Entstehung des Mesenchyms zu machen, welche mir für die Embryologie wie die Pathologie äußerst wichtig erscheint. Das Resultat, zu welchem ich jetzt schon ge- kommen, geht aus der nachstehenden kleinen Abhandlung hervor. Historisches. Die Embryologie, einer der jüngsten Zweige der Biologie, hat mit anderen jungen Wissenschaften das gemein, dass noch gar Manches, sogar grundwesentliche Fragen auf ihre Lösung warten. Wo die sichere Beobachtung fehlt, dort greift man zur Hypothese, welche eine längere oder kürzere Zeit besteht. Eine der am schwer- sten zu lösenden Fragen in dieser Wissenschaft ist die, zu entschei- den, woher die Stützsubstanzen ihren Ursprung leiten. Mehrere hervorragende Forscher verfechten die Ansicht, dass dieses embryo- nale Stützsubstanzgewebe, das Mesenchym, vom Ursegmente kommt: von diesem mittelsten Keimblatte, dem Mesoderm. Sie wollen nichts von Betheiligung weder vom Entoderm noch Ektoderm wissen, Eine Ausnahme hiervon lassen, mir wissentlich, doch Alle zu, und die ist die ektodermale Herkunft der Neuroglia. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Beobachter, welche sich mit diesen Fragen beschäftigen, sehr groß gewesen; dieselben — meist jüngere Forscher — wollen das Gebiet für den Ursprung des Mesenchyms ausdehnen. Einige wollen gesehen haben, dass das Entoderm dazu beiträgt, Andere glauben, dass das Ektoderm dies thut. Einzelne scheinen so weit zu gehen, dass sie es nicht für unwahrscheinlich halten, dass das Mesenchym aus jedem beliebigen Keimblatt entstehen kann. Meine Studien beziehen sich auf die Beiträge, welche vom Ek- toderm herrühren würden. Ich bedauere, dass ich mich bei meinen Litteraturstudien in dieser Frage nicht für genügend zoologisch be- wandert gehalten habe, um auch diese Litteratur durehzugehen, welche von der Entwicklungsgeschichte der niederen Thiere — Evertebraten 244 Herman Lundborg — handelt, und dabei den Blick auf die Entstehung des Mesenchyms bei ihnen zu richten. In dieser Beziehung weiß ich daher wenig von ihnen. Im Vorübergehen sei doch erwähnt, dass ein Russe, Namens BOBRETZKY, schon vor langer Zeit auf russisch gewisse Pha- sen der Entwieklung der Cephalopoden beschrieben hat. Aus einem kurzgefassten Referat in einer deutschen Zeitschrift weiß ich, dass dieser gezeigt zu haben glaubt, dass die Knorpel, welche sich bei den ausgewachsenen Cephalopoden vorfinden, — ektodermale Gebilde sind. Der Erste, welcher mir wissentlich die Ansicht aussprach, dass auch das Ektoderm zur Mesenchymbildung bei den höheren Vertebraten beitrüge, war der Russe KASTSCHENKO, und zwar in einer kurzen vorläufigen Mittheilung im Anat. Anzeiger für das Jahr 1888 unter dem Titel: »Zur Entwicklungsgeschichte des Selachier- embryos«. Er widmet dort der Mesenchymfrage ein kurzes Kapitel. Seine Untersuchungen waren an verschiedenen Selachierembryonen auf der Zoologischen Station zu Neapel bei DOHRN gemacht. Seine Ansicht ist so freisinnig und auffallend, dass ich das Wichtigste daraus anfiihre. Er schreibt: »Die zuerst von W. His eingeführte, dann von den Gebrüdern HERTwIG und besonders von O. HERTWIG umgestaltete Eintheilung der embryonalen Gewebe in drei epitheliale Keimblätter (Archiblast von Hıs) einerseits und das Mesenchym (Parablast von Hıs) andererseits betrachte ich als sehr nützlich, ob- gleich meine Untersuchungen mir eine etwas abweichende Vorstel- lung über die Natur und die Herkunft des letzteren gebracht haben. Das Mesenchym (Bindegewebskeim) ist, meiner Ansicht nach, nichts Anderes als die Summe der embryonalen Zellen, welche während der Bildung der epithelialen Or- gane (im weitesten Sinne des Wortes) ungebraucht geblie- ben sind! (K6LLIKER’s Darstellungen über die Bindesubstanzbildung scheinen mir dieser Anschauung ziemlich nahe zu stehen). Das Mesenchym hat in sich selbst nichts Speeifisches, hat sogar keine bestimmte Ursprungsquelle und Ursprungszeit, weil dasselbe zum Theil unmittelbar aus den Segmentationsprodukten, zum Theil aus verschiedenen Keimblättern und dabei noch während einer ziemlich langen Entwicklungsperiode, vom Anfang ‚der Gastrulation und we- nigstens bis zum Erscheinen der ersten Nervenstämme gebildet wird; es ist aber wahrscheinlich, dass seine Bildung noch später fort- dauert.« KASTSCHENKO hat seit diesem Vielerlei veröffentlicht, nicht so 1 Von KASTSCHENKO selbst unterstrichen. Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 245 wenig auf russisch. Vielleicht hat er sich in diesen Arbeiten über die hierhergehörige Frage ausführlicher geäußert, doch ist es mir nicht gelungen, den Inhalt dieser Untersuchungen näher kennen zu lernen. Einige Jahre nach KastscHENKO kam der Russe GORONOWITSCH nach einer vollendeten, recht ausführlichen Untersuchung an Vogel- embryonen mit seiner Abhandlung: »Untersuchungen über die Ent- wicklung der sog. Ganglienleisten im Kopfe der Vogelembryonen«, worin er sich an KASTSCHENKO’s Beobachtungen anschließt und dafür hilt; dass vom Ektoderm an mehreren Stellen Zellen proliferiren, welche Veranlassung zu Bindegewebe geben. _ GORONOWITSCH ging von einer Beobachtung aus, welche er an Lachsembryonen gemacht hatte, nämlich von der, dass die sog. Ganglienleiste auf dem Gebiete des künftigen Mittelhirns am stärksten entwickelt war, obgleich dort keine bedeutendere Gan- glienmasse gebildet wurde. Dieser Umstand erschien ihm para- dox, und er zog den Schluss, dass die Ganglienleiste wahr- scheinlich nicht nur Ganglien, sondern auch etwas Anderes bildete. Er entschloss sich dazu, die Sache etwas näher zu untersuchen, hielt aber Fischembryonen weniger geeignet hierfür, wesshalb er Hiühnerembryonen . wählte. Seine eben erwähnte Abhandlung, das Ergebnis dieser Forschung, zeugt von sehr großer Genauig- keit. Er giebt genau die von ihm benutzte Technik an. Er hat zahlreiche Serien von dicht auf einander folgenden Stadien ge- schnitten, und seine Abbildungen sind gut. Er fand da, dass die Ganglienleiste, welche ja eine sehr frühzeitige Bildung ist, im Kopfe der Hühnerembryonen keine Ganglien bildete, sondern statt ihrer ausschließlich — Bindegewebe. Die Ganglien entstehen nach Go- RONOWITSCH viel später und an anderer Stelle. Dies aber war keineswegs die einzige Stelle, wo das Ektoderm hereinproliferirte und Mesenchym bildete. Von dem »dorsolateralen« Ektoderm soll auch an vielen Stellen solches Gewebe entstehen. Überdies will er gesehen haben, dass das Ektoderm während einer gewissen Periode mit dem Entoderm, dem sog. »Kopfdarm«, vor der Spitze der Chorda zusammenstößt. Hier sollte auch vom Ektoderm aus Mesenchym- proliferation erfolgen. GOoRONowITscH begnügt sich nicht damit, diese Beobachtungen anzuführen, sondern geht zu Annahmen über, indem er an einer Stelle sagt: »Die mesenchymbildende Thätig- keit des Ektoderms an verschiedenen Regionen des Kopfes zeigt uns, dass die Entstehung der Cutis aus Ektoderm auch möglich ist.« Außerdem spricht er auch für die Möglichkeit, dass skeletoide 246 Herman Lundborg Anlagen aus dem Ektoderm entstehen können. GORONOWITSCH sagt in einer Note, dass er kurz vor Absendung seines Manuskriptes von einer Abhandlung SEWERTZOFF's (gleichfalls Russe) Kenntnis erhalten, worin dieser, gestützt auf Untersuchungen von Pelobates- fuscus-Embryonen, zu der Ansicht gekommen ist, dass gewisse Skelettanlagen im Kopfe ektodermalen Ursprunges seien. Ich habe vergebens gesucht, diese von GORONOWITSCH angezogene Stelle bei SEWERTZOFF wiederzufinden. (Vielleicht ist es eine in russischer Sprache publieirte Abhandlung, in welcher diese Frage besprochen ist.) Nicht lange nach GORONOWITSCH machte eine Amerikanerin, Miss JuLıa Puatr, ähnliche Beobachtungen, welche sie theils im Anatom. Anzeiger vom Jahre 1894 (Ektodermie origin of the Carti- lages of the Head) theils im Archiv für Mikr. Anatomie unter dem Titel: »Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus« veroffentlichte. Der erstere Aufsatz geht darauf aus zu zeigen, dass vom Ektoderm im Kopfe der Necturus (eines amerikanischen Am- phibes) in der Gegend des Nasenepithels und um den Mund herum eine lebhafte Zellenproliferation nach innen erfolgen sollte, und diese Zellen sollten Krorpelanlagen darstellen. Ihre Studien haben sich, sagt sie, noch nieht auf andere Theile des Embryonalkörpers erstreckt, doch meint sie, dass wahrscheinlich auch an anderen Stellen als im Kopfe sich Knorpel bildeten, in analoger Weise vom Ektoderm aus. Außerdem hat sie gefunden, dass die Neuralzellen, welche aus der Ganglienleiste an den Seiten der ersten und zweiten Hirnblase entstehen, zum Theil Nervengewebe (Trigeminusgruppe) und zum Theil hauptsächlich Bindegewebe bilden. Sie schließt den Aufsatz mit folgenden Worten: »it has become evident that the whole question of the nature of , mesoderm‘ in Vertebrates needs revision founded on fact rather than theory, and I doubt our right to coor- dinate the mesoderm with the two primitive germ layers — ectoderm and entoderm. I also doubt our wisdom in grouping together under a commun name tissues so widely different in origin and fate«. Ihr letzterer 1894 veröffentlichter Aufsatz ist in v. KUPFFER’s Laboratorium zu München ausgearbeitet. Sie hat, wie sie sagt, ge- funden, dass Necturuslarven ein sehr gutes Material abgeben, um zu entscheiden, von welchem Keimblatt, Ekto- oder Entoderm, das eine oder andere embryonale Gebilde seinen Ursprung genommen, und dies auf Grund dessen, dass die Zellen des Ento- und Ektoderms wegen ihres verschiedenen Gehaltes an Dotterkügelchen ein recht verschiedenes Aussehen zeigen. Das Entoderm und seine Derivate Uber die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 947 haben lange genug diese großen runden Körner in beträchtlicher Anzahl, während das Ektoderm und seine Derivate weniger und . kleinere Körner hat. Man kann, wie sie sagt, scharf und gut zwei Arten von Mesenchymzellen unterscheiden, je nach deren verschiede- ner Entstehung, auch hat sie denselben verschiedene Namen gege- ben, nämlich Mesentoderm und Mesektoderm. Danach bespricht sie recht umständlich eine Menge von Verdickungen, in Form von Leisten, im Ektoderm und darauf die Entstehung der Ganglien. Die Zellen der Neuralleiste bilden theils Ganglien und theils, haupt- sächlich, Bindegewebe. Von ihrer dorsalen Ursprungsstelle wandern, wie sie sagt, diese Neuralzellen zum ventralen Theil des Gehirns hinab und bilden dort das Bindegewebe, in welchem die Kopfknorpel zuerst auftreten. ‚Dies ist das Hauptsächliche von Miss PLArrt's Ansicht in dieser Frage. Ich komme nun zu einer kurzen Mittheilung von MAURER im Morph. Jahrbuch für das Jahr 1894 über: »Glatte Muskelzellen in der Cutis und ihre Beziehung zur Epidermis«. Darin sagt MAURER, dass glatte Muskelzellen unabhängig von Drüsenbildungen vom Ek- toderm aus sich bilden. Er schreibt darüber, wie folgt: »Dass in der Haut der Amphibien glatte Muskelzellen auftreten, ist lange bekannt. Besonders berücksichtigt wurden vielfach solche an der Oberfläche der Hautdrüsen gelagerten Elemente (Leyvie u. A.). In der letzten Zeit sind mehrere Arbeiten erschienen, welche die Herkunft dieser Elemente aus der Oberhaut selbst außer Zweifel stellen (HEIDENHAIN, NICOGLU, VOLLMER). Bei der Untersuchung der Haut von Anuren fielen mir an senk- rechten Schnitten durch die Rückenhaut erwachsener Frösche (Rana esculenta und temporaria) eigenthümliche Stellen der Epidermis auf, über welche das Stratum corneum ununterbrochen weg verlief, aber eine griibchenartige Einziehung zeigte. Unter dieser Hornschicht fanden sich hohe Cylinder-, ja stäb- chenförmige Zellen, welche erstens einen ganz kleinen, scharf be- grenzten Bezirk darstellten und zweitens sich in die Tiefe über die Basalfläche der Epidermis hinaus erstreckten, um sich kontinuirlich in ein Bündel von Faserzellen fortzusetzen, das in senkrechter Rich- tung nicht nur die subepitheliale lockere Coriumschicht, sondern auch die darunter gelegene, derbe, straffe Lederhaut durchsetzte und in dem unter letzterer gelegenen Bindegewebe endigten. Solche Bildun- gen fanden sich in kleinen Abständen von einander überall zerstreut. 248 Herman Lundborg Es handelt sich hier, wie die genauere Untersuchung ergab, um glatte Muskelzellenzüge, welche in direkte Verbindung mit der Epidermis trateun nn. er Lave Die nächstliegende Erklärung für diese Zellenzüge und ihren Zusammenhang mit der Epidermis wäre die, dass es sich hier um zu Grunde gegangene Hautdrüsen handelte, die nach längerer Funk- tion kollabirt und obliterirt seien, und es hätten sich nur die glatten Muskelzellen erhalten. Das würde den kontinuirlichen Zusammen- hang dieser Elemente mit der Epidermis verständlich machen. Diese Auffassung wurde aber durch zwei Thatsachen widerlegt: 2) Von größerer Bedeutung sind noch die Thatsachen, welche die Entwicklungsgeschichte darbietet. Da zeigt sich nämlich, dass diese Muskelstränge schon sehr frühzeitig angelegt sind, und es ergiebt sich, dass sie unzweifelhaft Derivate der Epidermis dar- stellamn! TA : Genaueres über die Bildung und Bedeutung dieser Muskelzellen werde ich demnächst ausführlicher darlegen, hier galt es nur, die Bildung glatter Muskelzellen aus dem Ektoderm, unabhän- gig von Drüsenbildungen, festzustellen «. MAURER selbst zieht keine weiteren Schlüsse aus seiner ge- machten Beobachtung und bringt sie also in keiner Weise mit der von KASTSCHENKO und GORONOWITSCH aufgeworfenen wichtigen Frage in Verbindung. Unmittelbar nach diesem Aufsatz Maurer’s befindet sich im Morph. Jahrbuch ein recht langer Aufsatz von Kuaatscu: »Uber die Herkunft der Skleroblasten. Ein Beitrag zur Lehre von der Osteo- genese«. KLAATSCH ist der Ansicht, dass die Lehre von der Osteo- genese vollständig umgestaltet werden muss. Er glaubt zeigen zu können, dass die Skleroblasten, ein Name, unter welchem er sowohl Osteoblasten als Odontoblasten zusammenfasst, vollständig ektoder- male Bildungen sind und erst sekundär in das Mesoderm hinein- kommen. Seine Untersuchungen gelten hauptsächlich den Selachier- embryonen. Die sog. Hornstrahlen in den Flossen sind nach seinen Beobachtungen gleichfalls ektodermale Bildungen. Die Frage be- treffs Betheiligung des Ektoderms an der Mesenchymbildung erhielt ein mehr aktuelles Interesse, als RApL 1894 auf dem Anatomen- kongresse zu Straßburg »Über die Herkunft des Skelets« sprach. Die einleitenden Worte zu diesem Vortrage gestatte ich mir hier zur Beleuchtung von Ragr’s Standpunkt wörtlich anzuführen: »Meine =0 Uber die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 249 Herren! Es ist in den letzten Jahren wiederholt der Versuch ge- macht worden, zu zeigen, dass das mittlere Keimblatt nicht, wie ich und Andere zu zeigen versucht hatten, ausschließlich aus dem Ento- derm, und zwar aus ganz bestimmten Theilen des Entoderms den Ursprung nehme, sondern, dass es zu jeder beliebigen Zeit und an jeder beliebigen Stelle aus den beiden primären Keimblättern Zu- schüsse erhalten könne. Namentlich sollen die Zuschüsse aus dem Ektoderm sehr zahlreiche und mächtige sein, und ein gutes Theil dessen, was wir als mittleres Keimblatt zu bezeichnen gewohnt sind, soll ektodermalen Ursprungs sein. Während man aber anfangs nur ganz schüchterne Vermuthungen über das weitere Schicksal dieser ektodermalen Zuschüsse zu äußern wagte, ist man in jüngster Zeit mit der kühnen Behauptung hervorgetreien, dass das gesammte Skeletsystem der Wirbelthiere, wenigstens in so weit es aus Knochen und Knorpel besteht, aus dem Mesodermbegriff zu eliminiren und in direkten Anschluss an das äußere Keimblatt zu bringen sei. Wir stehen hier unzweifelhaft einem überaus wichtigen Gegen- stande gegenüber, und es verlohnt sich daher wohl der Mühe, die thatsächlichen Grundlagen zu prüfen, auf denen sich die neue Lehre erhebt.« RABL giebt dann eine kurze Geschichte der Untersuchungen der vorhergegangenen Jahre und geht darauf zu einer scharfen, fast hitzigen Kritik derselben über. Zunächst wendet er sich gegen GORONOWITSCH, dessen Angaben er seiner Aussage nach theilweise kontrollirt hat, aber keineswegs dessen Behauptungen bestätigen kann. Es scheint indessen, als ob Ragr's Kontrolle sich auf die Angabe beschränkt hätte, dass vom Ektoderm aus an der Stelle vor der Chorda, wo Ento- und Ektoderm zusammenstoßen, die Zellen- proliferation’ nach innen erfolgte. Dies hat Ras nicht beobachtet und leugnet zufolge dessen die Richtigkeit von GORONOWITSCH’ ganzer Untersuchung. In Bezug auf die Ganglienleiste und deren Verhalten hat Rasu keine Kontrolluntersuchungen gemacht. Er sagt: »Nicht besser steht es mit der angeblichen Wucherung des Ekto- derms an den dorsolateralen Theilen des Kopfes. Hier mögen kleine Falten des Ektoderms, wie sie zuweilen bei der Fixirung auftreten, zu der irrigen Angabe Veranlassung gegeben haben. Die Angaben über das Schicksal der Ganglienleisten habe ich noch nicht kon- trollirt. Wie mir scheint, ist aber die Sachlage hier sehr einfach. GORONOWITSCH hat die Derivate der Ganglienleisten nicht vom um- gebenden Mesoderm zu trennen vermocht und hat daraus den Schluss 250 Herman Lundborg gezogen, dass sie ganz in der Bildung des Mesoderms aufgehen. Er hat also sein persönliches Unvermögen für den Ausdruck eines that- sächlichen Verhältnisses seines Untersuchungsobjektes genommen.« Es kann keinem vorurtheilslosen Leser entgehen, dass RABL’s Argu- mentation gegenüber GORONOWITSCH auf sebr schwachen Füßen ruht. Es ist wohl kaum erlaubt, einem Gegner, dessen Behauptun- gen sich auf wirkliche Beobachtungen stützen, so zu begegnen, wie: »hier mögen kleine Falten« oder »die Sache ist sehr einfach« ete. GORONOWITSCH antwortete bald darauf im Anatom. Anzeiger und missbilligt in hohem Grade Ragr’s Handlungsweise. Außer- dem bezweifelt er, dass Rast und er selbst in dem ersten Punkte, wo Rasu wirklich eine Kontrolluntersuchung gemacht, dieselben Stadien vor sich gehabt habe. GORONOWITSCH meint, dass RABL auf Grund der von diesem gegebenen Beschreibung zu junge Stadien vor sich gehabt nnd also nicht das habe sehen können, was er selbst - gesehen und beschrieben habe. Gegen JuLIA PLATT tritt RABL ungefähr eben so auf. Er sagt: »Was JuLia Puarr betrifft, so muss ich allerdings bekennen, dass ich die Necturus-Entwicklung bisher nicht untersucht habe, was ich aber an Triton, Salamander und Axolotl gesehen habe, lehrt das gerade Gegentheil von dem, was Miss PLarr will. Soll sich nun der Knorpel bei Triton aus dem Mesoderm, bei Necturus aus dem Ektoderm entwickeln? Die Präparate, welche Miss Prarr hier de- monstrirte, lassen auf eine mangelhafte Konservirung schließen und beweisen nicht, was sie beweisen sollen. Im Übrigen wird eine ein- gehendere Kritik ihrer Befunde erst möglich sein, wenn eine ausführ- liche Beschreibung derselben vorliegen wird.« Im Zusammenhange damit kann ich mir es nicht versagen, nachstehende Äußerung anzuführen, welehe v. Kuprrer im folgenden Jahre auf dem Anatomen-Kongress in Basel gerade über Miss PLATT’s Präparate fillte. Diese Mittheilungen! bewegen sich in derselben Richtung, welche Herr Kollege C. RaBL im vorigen Jahre so ent- schieden abgewiesen hat. Vor zwei Jahren noch hätte ich ihm rückhaltlos zugestimmt. Seitdem bin ich durch die Kenntnisnahme der vortrefflichen Präparate von Miss PrAarr stutzig geworden, die am Mesenchym des Kopfes sehr deutlich Zellen von zweierlei Pro- venienz erkennen ließen, wie die Dame es ja beschrieben hat.« RABL wendet sich mit aller Kraft gegen KLAATscH, dessen An- ! Ich komme später darauf zurück. Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms etc. 251 gaben, betreffend die Skleroblasten, er kontrollirt hat. Er kann keine einzige davon bestätigen, sondern hält KLaarscH’ ganze Anschauung in Bezug auf die Osteogenese für falsch. Seine Anführung schließt er mit folgenden Worten: »Ich will die Kritik der neuen Lehre von der Osteogenese ohne jeden weiteren Kommentar schließen und zwar um so mehr, als KLAATscH verhindert war, hierher zu kom- men und seine Lehre zu vertheidigen. Wenn ich dieselbe trotz sei- ner Abwesenheit hier zur Sprache brachte, so geschah es, weil ich in ihr einen der wichtigsten und zugleich gefährlichsten Versuche erblicke, die histogenetische Bedeutung des mittleren Keimblattes in ein fal- sches Licht zu stellen. Vielleicht werden meine Bemerkungen und vor Allem die Demonstration meiner Präparate im Stande sein, wei- teres Unheil zu verhüten.« KraatscH befand sich zu dieser Zeit in Neapel bei DOHRNn. Er kam Rasv’s Ruf, seine Lehre von der Osteogenese auf dem Kon- gresse zu Straßburg zu vertheidigen, nicht nach. Anstatt dessen stellte KLAATSCH in Neapel sofort neue Untersuchungen an und schickte an den Sekretär des Kongresses eine schriftliche Mitthei- lung, aus welcher hervorgeht, dass KLAATSCH an seiner alten An- sicht über den ektodermalen Ursprung der Skleroblasten festhält. Seine Untersuchungen sind diesmal an Sygnathus- Embryonen ge- macht. Außerdem stützt er sich auf die oben von mir erwähnten Untersuchungen von BOBRETZKY, betreffend die Entwicklung der Ce- phalopoden. Er hat, wie er schreibt, selbst Loligo-Embryonen unter- sucht und Bosrerzky’s Beobachtungen, dass Knorpelsubstanz ihren Ursprung aus dem Ektoderm herleite, vollständig bestätigen können. So stand die Frage 1894. Im darauffolgenden Jahre auf dem Ana- tomenkongresse zu Basel sprach sowohl v. Kuprrer als KLAATSCH. Ersterer sprach: »Über die Entwicklung des Kiemenskelets von Am- mocoetes und die organogene Bestimmung des Ektoderms«. Schon frühzeitig sollen bei Ammocoetes die Zellen im Ektoderm auf der Ventralseite Cylinderform annehmen. Diese Zellen beginnen dann lebhaft durch Längstheilung zu proliferiren. Unter dem er- höhten Seitendruck sollen, wie v. KUPFFER sagt, einzelne Zellen hereinproliferiren, bis ein kontinuirliches Lager innerhalb des Ek- toderms entstanden ist, ein Lager, welchem von Kurrrer den Namen Branchiodermis gegeben hat. Er hat dann die Entwicklung des Branchiodermislagers verfolgt und ist zu dem Resultat gekommen, dass daraus nicht nur — Knorpel in den Kiemen, sondern auch nicht unbedeutende Muskel im Kiemenapparate gebildet werden. 252 Herman Lundborg In der nebenstehenden schematischen Zeichnung, v. KUPFFER entnommen, stellen 7 und 2 Knorpel dar. — v. Kon hat gefunden, dass Knorpel Nr. / aus der Branchidermis kommt. In Betreff dieser Knorpel sagt Fig. 1. er an einer Stelle: »Um es Riickenmark vorgreifend kurz zu sagen, ich | halte diese Knorpel für exo- dermale Bildungen.« Knorpel Nr..2 dagegen würde auf ge- wöhnliche Weise aus dem Me- I >dreorpel soderm, d. h. dem basalen Theil des Ursegmentes kommen. Mir scheint, als ob v. KUPFFER's Beobachtungen sehr wichtig wären, weil sie eine Querschnitt (schematisch) von einer Petromyzonlarve Stütze für die Ansicht ge- nach v.Kurrrer. Ch Chorda; A Knorpel; & Rücken- > 2 le emens: D Darn. währen, dass Bindegewebe und Kunipel ihren Ursprung aus dem nächsten Keimblatt nehmen, gleichviel ob es Ektoderm, Entoderm oder Mesoderm ist. Sofort nach v. Kuprrer trat KLAATSCH auf. Sein Vortrag hatte den Titel: »Über die Bedeutung der Hautsinnesorgane für die Aus- schaltung der Skleroblasten aus dem Ektoderm«. Er sagt, dass er sich nach Rasr’s Angriffen im vergangenen Jahre genöthigt gesehen hat, neue Untersuchungen über die Knochen- bildung anzustellen, wobei er Salmo-salar-Embryonen angewendet hat. Dadurch ist er zu dem Schlusse gekommen, dass er keines- wegs von seiner früheren Ansicht abgehen kann. Er hat die Frage von einem neuen Gesichtspunkte aus beleuchtet, in dem er gefunden hat, dass die Knochenentwicklung an vielen Stellen mit der Ent- wicklung der »Hautsinnesorgane« im Zusammenhang stehe und also ektodermal erfolge. So glaube ich, stand die Frage noch bis in die neueste Zeit; denn mir ist wissentlich keine Untersuchung mehr gemacht worden. Kürzlich ist allerdings eine Arbeit erschienen: »Theorie des Meso- derms« von Rasy. In diesem diekleibigen Buche giebt der Verf. eine nähere Entwicklung seiner früher bei einigen Gelegenheiten veröffentlichten Aufsätze mit demselben Titel im Morph. Jahrbuch und hält scharf auf die Specifieität der Gewebel. -—Ursegment 1 Im vorigen Jahre, im December 1897, ist eine neue Abhandlung von Miss + Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 253 Eigene Beobachtungen. Meine eigenen Studien in der hierher gehörigen Frage sind, obwohl noch lange nicht abgeschlossen, doch in so fern fruchtbrin- gend gewesen, als sie mich in meiner Ansicht, dass Knorpel und Bindegewebe auch aus dem Ektoderm entstehen können, bestärkt haben. Ich sehe jedoch nur zu wohl ein, dass es keine leichte Sache ist, diese Fragen mit absoluter Gewissheit zu entscheiden, wenigstens nicht bevor weitgehende Untersuchungen gemacht worden sind, und zwar nicht bloß an einer Thierform, denn hierzu sind ganz gewiss vergleichende Studien an so vielen verschiedenen Em- bryonenarten wie möglich nöthig. Ich habe bis jetzt Embryonen von Lachs, Salmo salar, wie einige Stadien von Rana temporaria, Siredon und Acanthias unter- sucht. Von Salmo salar habe ich zahlreiche Embryonen im Alter von 40—70 Tagen zur Verfügung gehabt, also ein Zeitraum, in wel- chem die ersten Knorpel im Kopfe angelegt und entwickelt werden. Um der Möglichkeit zu Missdeutungen, welche mittels Schräg- schnitten und Flächenschnitten gemacht werden können, in denkbar bester Weise vorzubeugen, habe ich zum Detailstudium gewisse Knorpel gewählt, welche so liegen, dass deren Längenausdehnungen mit der Längenrichtung des Embryos zusammenfallen. Der Vortheil hiervon ist ja klar, wenn man bedenkt, dass ein Querschnitt durch den Embryo gleichzeitig ein Querschnitt durch den Knorpel wird, und dass ein Sagittalschnitt durch den Embryo zugleich ein Sagittal- schnitt durch den Knorpel wird. Ich habe es dagegen vermieden, von den Bildern, welche z. B. bei einem Querschnitt durch den Em- bryo. entstanden sind, irgend welche Schlüsse auf die Knorpel zu ziehen, welche im Kiemenapparate gebildet werden. Es ist nämlich keineswegs gewiss, dass ich in einem Querschnitt durch den Embryo einen Querschnitt durch diesen oder jenen Kiemenbogen erhalten habe. Im Gegentheil ist dies gewöhnlieh nicht der Fall. Oft erhält man ja Schrägschnitte und sogar Flächenschnitte von gewissen Theilen der Kiemenbogen, und die dabei entstehenden Bilder sind Juzıa PLarr im Morphol. Jahrbuch erschienen: »The Development of the Cartilaginous Skull and of the Branchial and Hypoglossal Musculature in Nec- turus«. In dieser zeigt die Amerikanerin unter Anderem, dass a) >the bran- chial and the anterior part of the trabeculae arise in tissue of ectodermic ori- gin; b) the basal plate of the skull, the auditory capsules and the occipital arch are of mesodermie origin<. Morpholog. Jahrbuch. 27. 17 254 Herman Lundborg natürlich sehr schwer zu deuten, wenn es sich um eine so schwer zu erklärende Frage handelt wie die, ob ektodermale Zellenpro- liferation nach innen erfolgt oder nicht. Die Knorpel dagegen, welche mir so viel als möglich meine oben angedeutete Forderung zu erfüllen erschienen, mit ihrer Län- genausbreitung mit der Längsachse des Embryos zusammenzufallen, sind die Parachordalknorpel, die Trabeculae, der Ethmoidalknorpel, die Pterygopalatinknorpel. Die Entwicklung dieser gerade habe ich genau zu verfolgen unternommen. Die von mir angewandte Technik betreffend, seien zunächst einige Worte angeführt. Meine Embryonen sind sämmtlich in KLEINENBERG’S Sulfo-Pikrinsiiure fixirt. Der eine Theil ist in GRENACHER’S Boraxkarmin, ein anderer mit Hämatoxylin-Eosin ge- färbt worden, welches letztere prachtvolle Bilder gegeben hat. Ich habe zahlreiche Serien von 40—70 Tagen bei einer Dicke am Schnitte von 4—6 w geschnitten. Ein Theil Acanthias-Embryonen, welche ich der Güte des Herrn Prof. Rerzıus zu verdanken habe, sind in PERENY’s Flüssigkeit fixirt gewesen. Von diesen letzteren, welche ein vorzügliches Material darzustellen scheinen, habe ich doch erst wenige schneiden können. Die beigefügten Zeichnungen verdeutlichen die Anschauung, zu welcher ich gekommen bin. Die Entwicklung des Pterygopalatinknorpels in Stadien habe ich auf Taf. XI abgebildet. Fig. 1 zeigt dessen Lage bei einem 68 Tage alten Lachs-Embryo. Fig. 2—6 sind von einer und derselben Querschnittsserie wie Fig. 1. Fig. 2 am weitesten nach hinten in der Serie; Fig. 3, 4, 5, 6 in Reihenfolge weiter vorwärts. Die Abstände zwischen den Quer- schnitten, von welchen die fraglichen Bilder gezeichnet sind, be- tragen 50—100 u. Der hinterste Theil des Knorpels scheint mir der älteste Theil zu sein, der vorderste dagegen der jüngste. Fig. 2 zeigt einen gut entwickelten Knorpel, welcher sich von der Umgebung deutlich ab- zuheben beginnt. Hier findet sich kein Zusammenhang zwischen dem embryonalen Knorpel und dem Ektoderm. Doch wird der Knorpel von einer Menge gerundeter Embryonalzellen umgeben, welche sich kaum von den Zellen unterscheiden, die zum Knorpel selbst gehören. Je weiter man nach der Mitte des Knorpels kommt, desto mehr beginnt diese klare deutliche Zone um die Zellkerne hervorzutreten, welche für das Knorpelgewebe so kennzeichnend sind. In Fig. 3 und 4 ist die scharfe Grenze zwischen dem Ektoderm Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 255 und Mesenchym an einer Stelle vollständig weg. Man kann nicht sagen, wie weit sich das Ektoderm erstreckt und wo das Mesenchym beginnt. Beide hängen zusammen, oder richtiger gesagt, hier er- folgt meiner Ansicht nach die Zellenproliferation nach innen vom Ektoderm aus. (Dass hier eine lebhafte Zellenthätigkeit stattfindet, seht daraus hervor, dass die Zellen auf diesem Gebiete stets scharf tingirt sind mit kernfärbenden Mitteln, besonders schön mit Borax- karmin.) Eine Menge Zellen in Fig. 3 und 4 haben offenbar schon Knorpelnatur angenommen. Die Grenze zwischen diesem Knorpel und den umgebenden Zellen ist hier viel weniger scharf als in Fig. 2. Es scheint, als ob der Knorpel in der Weise an Umfang zunehmen sollte, dass ein Theil der umgebenden Zellen, welche jedenfalls direkt aus dem Ektoderm stammen, allmählich von einem solchen helleren Protoplasmalager umgeben wird und mehr und mehr das Aussehen annimmt, welches für einen embryonalen Knorpel charak- teristisch ist. Ein anderer Theil dieser gerundeten Zellen vom Ekto- derm gehen ganz gewiss in gewöhnliches Bindegewebe über, denn eine Grenze außen nach .dem Bindegewebe hin lässt sich eben so wenig entdecken. (Schwer oder unmöglich ist es wohl zu entscheiden, wesshalb die eine Zelle mit der Zeit eine Knorpelzelle wird, während die andere, aus derselben Quelle kommende eine Bindegewebszelle wird. Die Norm, nach welcher dies geschieht, kennen wir nicht; eben so wenig wissen wir, warum im Gehirn die eine Zelle eine Ganglien- zelle, die danebenliegende Zelle aber eine Neurogliazelle wird ete.) Gehen wir in dieser Querschnittserie weiter, so sehen wir Bilder, wie Fig. 5 und 6 zeigen. Das Ektoderm ist in Fig. 5 noch nicht vollkommen scharf be- grenzt von dem darunterliegenden Mesenchym. Auf einem kleinen Gebiete scheint vom Ektoderm aus eine Zellenproliferation nach innen zu erfolgen, während die Zellen des unteren Lagers im Ekto- derm in der Kerntheilung begriffen sind. Deutliche Knorpelzellen kann man nirgends entdeeken; nur eine schwache Andeutung von einem Vorstadium, indem sich einige Zellen so gruppirt haben und von einem wenig deutlichen helleren Gebiete umgeben sind. Hat man die Schnitte sorgfältig von hinten nach vorn verfolgt, so weiß man, dass das Bild, welches man hier vor sich hat, die direkte Fortsetzung des Pterygopalatinknorpels ist und dessen vordersten Theil bildet. Geht man noch etwas weiter, so erhält man ein Bild 17% 256 Herman Lundborg wie Fig. 6, wo das Ektoderm deutlich abgegrenzt ist, und keine Spur von Knorpel lässt sich entdecken. Bei Stadien einer Sagittal- schnittserie von Embryonen im entsprechenden Alter (68 Tage) findet man Bilder wieder, welche die von mir gemachte Darstellung be- stätigen. Die beistehende Textfig. 2, welche einen schematischen Sagittal- schnitt darstellt, soll meine Ansicht von der Entwicklung der Kopf- knorpel (in nächster Nähe des Pterygopalatinknorpels) verdeutlichen. Ppt.p. ; Schematischer Sagittalschnitt durch den Kopf eines Lachs-Embryos, zeigt die Entwicklung des Pterygopalatinknorpels. Hct Ektoderm; Uk Unterkiefer; Ppt.p Pterygopalatinknorpel; Cereb Gehirn; } ! N | i entsprechend den Querschnitten, die in Fig. 2, 3, 4, 5, 6 Taf. XI abgebildet sind. Daraus geht ja hervor, dass der Knorpel ganz vorn noch mit dem Ektoderm zusammenhängt, während er weiter hinten von demselben vollständig getrennt ist. Fig. 7 und 9 Taf. XII zeigen die erste Entstehung der Trabeculae beim Frosch (Rana temporaria) im Querschnitt. Fig. 7 ist ein Über- sichtsbild vom vorderen Theile des Kopfes in der Region des Ge- ruchsorgans. Das Ektoderm ist überall von den innerhalb liegenden Geweben mit Ausnahme von zwei Stellen, in der Figur mit Tr be- zeichnet, gut abgegrenzt. Hier erfolgt deutlich die Zellenprolifera- tion vom Ektoderm nach innen. Fig. 8 zeigt eine bedeutendere Vergrößerung gerade dieses Gebietes. Auch hinsichtlich der Trabe- culae scheint derselbe Entwicklungsgang wie für die Pterygopalatin- knorpel sich geltend zu machen. Der vorderste Theil ist näm- lich zuletzt entwickelt. In einer und derselben Querschnittsserie wird man also theils abgegrenzte Knorpel, theils in der Bildung Über die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 257 begriffene Knorpel finden. Sieht man die Serie genau dureh, von welcher ich Fig. 7, 8 und 9 entnommen habe, so findet man weiter hinten in der Serie auf beiden Seiten der Mittellinie die zwei vom Ektoderm deutlich getrennten Zellhaufen, welche die erste Anlage der Trabeculae bilden (siehe Fig. 9). In der Serie nach vorn liegen diese Knorpelanlagen immer näher und näher am Ektoderm, und die Zellen des Konglomerates nehmen immer mehr das Aussehen gewöhnlicher Embryonalzellen an, und. endlich trifft man einige Schnitte, wo sie mit dem Ektoderm so zusammenhängen, wie Fig. 7 und 8 zeigen. Eine andere Deutung als die von mir gegebene, scheint mir nicht möglich. Fig. 10 und 11 Taf. XII sind gezeichnet, um die Entstehung des Ethmoidalknorpels zu zeigen. Fig. 10 ist ein Sagittalschnitt von einem 68 Tage alten Salmo-Salar-Embryo. Fig. 11 ist ein stärker ver- a größertes Bild des Gebietes /\ in Fig. 10. Wir sehen, dass das a a F Ektoderm von dem innerhalb liegenden Mesenchym scharf begrenzt ist, mit Ausnahme des in Fig. 10 und 11 mit « bezeichneten Gebie- tes. Hier scheint vom Ektoderm aus eine lebhafte Zellenproliferation zu erfolgen. Diejenigen Zellen, welche von diesem Theil des Ekto- derms herstammen, scheinen theils in Bindegewebe, theils in Knor- pel ohne deutliche Grenze iiberzugehen. Fig. 10 ist von einem Sehnitt gezeichnet, welcher ziemlich weit seitwärts von der Mittel- linie liegt. Nach meinen Präparaten zu urtheilen, scheint mir der Ethmoidalknorpel doppelseitig angelegt und entwickelt zu sein, we- nigstens findet man eine solehe Zellenproliferation nach innen nur ein Stück auf beiden Seiten der Mittellinie. Querschnittsbilder geben einer solehen Ansicht eine Stütze, da ich mehrere Embryonen von dem- selben Alter geschnitten und stets dieselben Bilder erhalten habe. Betreffend dieses Aufhören der Grenze zwischen Ektoderm und Mesen- chym im Gebiete « auf beiden Seiten der Mittellinie, so kann ich nicht anders als annehmen, dass das Mesenchym hier einen kräfti- gen Beitrag vom Ektoderm erhält. Ein ähnliches Bild wird erhalten in derselben Entfernung von der Mittellinie nach der anderen Seite. In der Mittellinie selbst und in deren nächster Nachbarschaft erfolgt keine Proliferation, wenigstens nicht in diesem Altersstadium. Umstehende schematische Zeichnung soll zeigen, wie die Eth- moidalplatte gebildet wird. Dieselbe wird doppelseitig angelegt, wächst aber sehr schnell zu einer Platte zusammen. Die mit * be- 258 Herman Lundborg zeiehneten Stellen sind meiner Ansicht nach die jüngsten Stellen. Ein Sagittalschnitt durch diese mit x bezeichneten Punkte, markirt mit | I muss eine solche Zellenproliferation vom Ursprungskeim- blatt-Ektoderm zeigen. Solche Bilder sind es, welche ich in Fig. 10 und 11 Taf. XII gezeichnet habe. Fig. 12 Taf. XII ist nach einem Präparat von einem Acanthias- Embryo gezeichnet. Dies zeigt die Gehörgrube als eine Einbuchtung vom Ektoderm aus. Von dessen Fig. 3. Boden scheint eine mächtige en 7 Zellenproliferation nach innen : zu erfolgen — Anlage eines Gan- glion. — Diese Zellen gehen ja ——%* ohne jegliche Grenze in embryo- nales Bindegewebe über. Nie- mand dürfte sagen können, wo die Zellen, welche der Gehör- 7 blase (also dem Ektoderm) ent- stammen, enden und wo die Zellen, welche dem Mesoderm entstammen, beginnen. Mir däucht, dass man annehmen muss, dass von der Gehörblase aus nicht nur ein Ganglion, son- Schematischer Horizontalschnitt durch den Kopf dern auch Bindegewebe gebildet eines Lachs - Embryos. Him Ethmoidalknorpel; 4 5 Ty Trabeculae ; Ch Chorda. wird. Jedenfalls ist man wohl eben so sehr berechtigt, dies zu behaupten, wie ältere Beobachter, wenn sie sagen, dass Bindegewebe, welches vom Mesoderm herrührt, in das Ganglion hineinwächst. Gestützt auf die Anschauung, dass von den Kopfknorpeln we- nigstens gewisse wirklich ektodermalen Ursprung haben, glaube ich eine annehmbare Erklärung für verschiedene Umstände bezüglich des Entstehens des Knorpeleraniums geben zu können, welche nach der älteren Auffassung in Bezug auf die mesodermale Herleitung voll- kommen unverständlich ist. Wesshalb entstehen Knorpel zuerst auf der Ventralseite des Kopfes? Warum nicht gleichzeitig oder früher auf der Dorsalseite? Ich glaube, dass dies sich so erklären lässt, dass es meiner Ansicht nach dasselbe Zellenlager im Ektoderm ist, welches die Hirnanlage, wie Bindegewebe und Knorpel bildet. Das Hirn gehört ja, wie wir wissen, zu den allerfrühesten Organanlagen Uber die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 259 im Körper, und das Hirn wird auf der Dorsalseite des Kopfes an- gelegt. Die Zellen des Ektoderms der Dorsalseite sind also, so zu sagen, zur Bildung des Hirns verwandt worden; und während der früheren Stadien bleiben keine Zellen übrig, um Knorpel zu bilden. Auf der Ventralseite des Kopfes stellt sich die Sache anders. Dort wird ja kein anderes (Drüsen-)Organ als die Hypophyse gebildet. Die Zellen hier im Ektoderm fangen dann früh genug mit der Bil- dung von Knorpeln an. Gleichzeitig mit dem ersten Auftreten der Hypophyse findet man die Anlage zu einigen Knorpeln, den sogen. Trabeeulae. Die beiden nebenstehenden schematischen Bilder, Herrwıg’s Lehrbuch entnommen, sollen veranschaulichen, wie ich dies meine. Fig. 4. Fig. 5. Stadium I Stadium I Jar: mL. Schematische Abbildungen (entnommen aus Herrwıe’s Embryologie), bringen die erste Anlage von Knorpeln im Embryo des Frosches zur Anschauung. Him Ethmoidalplatte; Ol Geruchsorgan; Oc Augen- blasen; Ac Gehörblasen; Hyp Durchtrittsstelle für die Hypophyse; Ch Chorda; Zr Trabeculae; Parach Parachordalknorpel, Die ersten Knorpel, welche angelegt werden, sind Parachordalknor- pel und Trabeculae. Dies zeigt auch die Abbildung, welche ich Sréur’s Arbeit: »Die Entwicklungsgeschichte des Kopfskelettes der Teleostier« entlehnt habe (siehe Textfig. 6). Das betreffende Bild ist eine verkleinerte Kopie eines seiner eigenen Bilder von einer von ihm gemachten Rekonstruktion in Wachs nach einem Präparat von einem 11 mm langen Lachs-Embryo. Eine Lücke in der Knorpelbildung wird natürlich für die Hypophyse gemacht, das Eigenthümliche dabei aber ist, dass diese Lücke bis in eine sehr späte embryologische Periode hinein besteht, sogar so spät, dass die Hypophyse vollkom- men getrennt vom Ektoderm ist, und nachdem sie in eine Ebene hin- 260 Herman Lundborg aufgekommen ist, welche viel mehr dorsal liegt als das Niveau, in welchem die Knorpel liegen. Warum wird dieser im Knorpel offene Ring (siehe Stad. II nach Hertwic in der nebenstehenden Fig. 5) nicht überbrückt, sobald oder gleich nachdem die Hypophyse über dessen Ebene gekommen ist. Bislang ist man, mir wissentlich, in dieser Sache ohne Antwort gewesen. Nach der Ansicht, welche ich jetzt habe, möchte ich eine solche an mich gestellte Frage so beant- worten, dass von demselben Zellenlager Hypophyse und Knorpel gebildet werden, und dass man darum nicht erwarten darf, dass dieser Ring so ganz früh in Knorpel verwandelt werden soll!. Ferner will ich darauf hindeuten, dass es seit Alters her be- kannt ist, dass Hirnkapseln verhältnismäßig sehr spät dorsal vom Hirn gebildet werden, was ja auch (meiner Ansicht nach) zu erwar- ten ist. Dann noch ein Gesichtspunkt! Wenn man auf dem älteren Standpunkte steht und glaubt, dass Knorpel vom Mesoderm aus ent- Eine Abbildung aus Sr6ur’s Arbeit: Die Entwicklungsgeschichte des Kopfskelettes der Teleostier- Eine verkleinerte Kopie von einem Wachsmodelle des Cranium eines 11 mm langen Embryo von Salmo salar. Natürliche Größe des Modells, welches den Schädel in 80facher Vergrößerung wieder- giebt. 2 seitliche Schädelbalken (Trabeculae); Pch.a vordere Parachordalplatten: Pch.p hintere Parachordalplatten; O oceipitaler Abschnitt der letzteren; P.O periotischer Knorpei; Ch Chorda. stehen, wie kommt es dann, dass da, wo sich zuerst Knorpel zeigen, diese so dieht am Ektoderm liegen, trotzdem zwischen dem Ektoderm und anderen Organen mehr als nöthig Platz vorhanden ist, wo diese »vorwärts wandernden« mesodermalen Zellen sich leichter Weg bah- nen könnten, — so wird Mancher denken. In dieser Hinsicht ver- weise ich auf die Figg. 1—9 Taf. XI, wo wir die beiden Trabeculae und die Pterygopalatinknorpel wiederfinden. Wir sehen ja, wie diese, 1 Nach dieser Anschauung, wäre es ja möglich, dass das skeletoide Ge- webe hier eben so wie auf der Dorsalseite des Kopfes von anderem embryo- logischen Ursprunge wäre, da ja das Ektoderm auf diesen Stellen schon früh- zeitig andere Organe (Hypophyse und Gehirn) gebildet hat. Uber die Betheiligung des Ektoderms an der Bildung des Mesenchyms ete. 261 wenn sie zuerst auftreten, im intimsten Verhältnis zum Ektoderm stehen, obgleich dorsal viel Raum vorhanden ist, welcher mit diesem lockeren embryonalen Bindegewebe angefüllt ist. Zuletzt will ich versuchen, auf Grund meiner bisher gemachten Studien die allgemeine Ansicht auszudrücken, welche ich in dieser Frage habe: Ich glaube, dass das Mesenchym bei niederen Verte- braten aus jedem beliebigen Epithelialblatt (dem nächstgelegenen?) entstehen kann, gleichviel ob Ento-, Meso- oder Ektoderm, und ich bezweifle, dass die scharfe Speeifieität der Gewebe, welche u. A. Ras betont, richtig ist. Zum Schluss statte ich noch den Herren Professoren ReErzıus, Lecue und E. MÜLLER meinen tiefgefühltesten Dank für das Wohl- wollen ab, mit welchem sie meine Studien verfolgt haben. Stockholm, den 9. September 1898. Litteraturverzeichnis. BOBRETZEKY, Untersuchungen über die Entwicklung der Cephalopoden (in russisch). Nachrichten der kais. Gesellschaft der Universität Moskau. Bd. XXIV. GORONOWITSCH, Untersuchungen über die Entwicklung der sog. Ganglienleisten im Kopfe der Vogelembryonen. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. 1893. Heft 2. . —— Weiteres über die ektodermale Entstehung von Skeletanlagen im Kopfe der Wirbelthiere. Ebenda. Heft 3., u N. KASTSCHENKO, Zur Entwicklungsgeschichte des Selachier-Embryos. Anat. Anzeiger. Bd. III. H. KLAATSCH, Über die Herkunft der Skleroblasten. Ein Beitrag zur Lehre von der Osteogenese. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXI. Heft 2. 1894. —— Zur Kenntnis der Betheiligung des Ektoderms am Aufbau innerer Skelet- _ bildungen. Ergänzungsheft zum IX. Bd. 1894 vom Anat. Anzeiger. —— Über die Bedeutung der Hautsinnescrgane für die Ausschaltung der Skleroblasten aus dem Ektoderm. Ergänzungsheft zum X. Bd. 1895 vom Anat. Anzeiger. F. MAURER, Glatte Muskelzellen in der Cutis der Anuren und ihre Beziehung zur Epidermis. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXI. Heft 1. 1894. C. Rast, Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrbuch. Bd. XV und XIX. 1889 und 1892. —— Uber die Herkunft des Skelettes. Ergiinzungsheft zum IX. Bd. (1894) vom Anat. Anzeiger. C. v. Kuprrer, Über die Entwicklung des Kiemenskelettes von Ammocoetes und die organogene Bestimmung des Exoderms. Ergänzungsheft zum X. Bd. (1895) vom Anat. Anzeiger. 362 Herman Lundborg, Über die Betheiligung des Ektoderms etc. C. v. KUPFFER, Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Cranioten. Heft 2. München und Leipzig 1894. J. PLATT, Further Contributions to the Morphology of the Vertebrated Head. Anat. Anzeiger. Bd. VI. 1891. —— Esctodermie Origin of the Cartilages of the Head. Anat. Anzeiger. Bd. VIII. 1893. —— Ontogenetic Differentiations of the Ectoderm in Necturus. Anat. An- zeiger. Bd. IX. 1893. Nr.1 und 2. —— Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XLIII. 1894. —— The Development of the Cartilaginous Skull and Hypoglossal Musculature in Necturus. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXV. Heft 3. 1897. A. SEWERTZOFF, Zur Frage über die Segmentirung des Kopfmesoderms bei Pelobates fuscus. Bull. de la Société imperiale des naturalistes de Moscou. 1892. Pu. STÖHR, Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfskelettes der Teleostier. Festschrift der medic. Fakultät in Würzburg. 1882. Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Fig. 1. Querschnitt durch den Kopf dicht vor der Hypophysenanlage bei einem 68 Tage alten Lachs-Embryo (Salmo salar); Leitz 1x3. Ppt.p Pterygopalatinknorpel; Zr Trabeculae; 7 Infundibulum. 3, 4, 5, 6. Das Gebiet zwischen / / in Fig. 1 an verschiedenen Stellen der Querschnittsserie. Fig. 2 am weitesten nach hinten. Fig. 3 ent- sprechend Querschnitt in Fig. 1. Fig. 4, 5 und 6 weiter vorn. Alle Abbildungen sind nach einer und derselben Querschnittsserie (von einem 68 Tage alten Salmo-salar-Embryo) gemacht. Zet Ektoderm; Ppt.p Pterygopalatinknorpel; Oc Auge. (Fig. 2, 4,6 VERICK 3X7; Fig. 3 und 5 VERICK 1 x 7.) Fig. Ww Tafel XII. Fig. 7. Querschnitt durch den vordersten Theil des Kopfes (in der Gegend des Geruchsorgans) beim Rana-temporaria-Embryo (fixirt den 5. IV. 97). Ol Geruchsorgan; ct Ektoderm; Cereb Hirnanlage; 7r Trabeculae. (VERICK 1 X 2.) Fig. 8. Gebiet zwischen / / in Fig. 7 stärker vergrößert. (VERICK 1 x 7.) Fig. 9. Querschnitt von derselben Serie wie Fig. 7, obgleich mehr caudal. Fig. 9’ schwache Vergrößerung, VERICK 1X2; Fig. 9” stärker vergrößert; Verick 1x4. Oc Augenanlage; 7r Trabeculae; Ect Ektoderm. Fig. 10. Sagittalschnitt durch den Kopf eines 68 Tage alten Salmo-salar-Em- bryos, nicht so wenig auf der Seite der Mittellinie, zeigt die Bildung des Ethmoidalknorpels. (VERICK 1x 2.) a Fig. 11. Gebiet zwischen IN in Fig. 10 stärker vergrößert. aa Fig. 12. Sagittalschnitt durch die Gehörblase bei einem 11 mm langen Acan- thias-Embryo. @gl Ganglion. (VERICK 3 x 7.) Taf: X1. Lak Anst e Werner arten Frankfart | Oe Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipisig. ‚Mornholog. Jahrbuch Bd. XXVH. H Lundiborg det L Se Momholog. Jahrbuch Ba.avı u 2 Ta. XM. Mora. Herlag von Wikeln Engelmann, Lene’ _ nn — —-— en eee eee = a a Zu Über partielle und totale Scheidewandbildung zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle bei einigen Sauriern. Von F. Hochstetter in Innsbruck. Mit Tafel XIII und 4 Figuren im Text. Bei dem Studium der Entwicklungsgeschichte der Scheidewand zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle, des sogenannten Dia- phragma dorsale der Säugethiere, ist es vor Allem eine Frage, die sich Jedem, der sich mit der Sache von einem etwas weiteren Ge- _ siehtspunkte aus beschäftigt, aufdrängen muss, die Frage nämlich, ob das dorsale Diaphragma eine Neubildung ist, die erst bei den Säugern in die Erscheinung tritt, oder ob sich nicht bei niederen Wirbelthieren Bildungen vorfinden, die dort zunächst eine andere Rolle spielen, später aber zur Bildung einer Scheidewand zwischen Pleura und Peritonealhöhle herbeigezogen werden. Der Erste, welcher auf solehe Bildungen aufmerksam machte und in ihnen gewissermaßen Vorläufer des dorsalen Zwerchfelles zu sehen glaubte, war GoETTE. Dieser Autor (10) suchte es wahr- scheinlich zu machen, dass das von ihm bei der Unke gefundene und als dorsales Lebergekröse beschriebene Gebilde! (Ligamentum hepato-cavo-pulmonale [MATHES]) und die von ihm als linkes Leber- band (Ligamentum hepato-pulmonale [MAruzs]) bezeichnete Bauch- fellbildung, gewissermaßen die Anlagen des dorsalen Zwerehfelles darstellen sollten, nur dass eine Anlagerung und Verwachsung der 1 Ich habe dasselbe später wegen seiner Beziehung zur Entwicklung der hinteren Hohlvene Hohlvenengekröse genannt. 264 : F. Hochstetter Ränder dieser Bildungen mit der Leibeswand bei der Unke zunächst noch nicht zu Stande kommen konnte, weil sich die Lungen zwi- schen ihnen und der Leibeswand in die Peritonealhöhle vorschieben. GOETTE hat dann später diese seine Ansicht durch die Veröffentlichung von an einem Krokodil-Embryo gemachten Beobachtungen (11), auf die ich später noch zurückkommen werde, zu stützen gesucht. Der zweite Forscher, der Bildungen erwähnt, die er als erste Anlage des dorsalen Zwerchfelles bei Sauriern betrachtet, ist Ravy. Dieser Autor hat sich auch sonst in eingehender und planmäßiger Weise mit der Entwicklung des Diaphragma bei Wirbelthieren be- schäftigt, und will ich hier auf seine Angaben näher eingehen, weil sie gewissermaßen den Ausgangspunkt für das bilden, was ich in den folgenden Zeilen aus einander setzen will. Ich will die betreffende Stelle aus seiner Arbeit hier wörtlich anführen. Ravn sagt über die uns hier interessirenden Verhältnisse von Lacerta viridis (18) pag. 423 Folgendes: »Was das Zwerchfell betrifft, bin ich der Meinung, dass die Scheidewand zwischen Perikardial- und Pleuroperitonealhöhle, das Septum pericardiaco-pleuroperitoneale (s.per.pl.p) in Verbindung mit dem Theile des Perikardiums, der darauf ruht, dem ventralen Theile des Säugethierdiaphragmas (nämlich dem Theile, worauf das Perikardium ruht) + der Scheidewand zwischen Perikardial- und Pleurahöhle (oder der Membrana pleuro-pericardiaca) entspricht. Denn durch die erwähnte Scheidewand wird die Perikardialhöhle sowohl von der Pleura- als von der Peritonealhöhle vollkommen geschieden; sie enthält auch das Foramen pro Vena cava. Dagegen fehlen bei der Lacerta ‘viridis die beiderseitigen dorsalen Abschnitte des Zwerchfelles, näm- lich diejenigen, welche bei den Säugern die Pleurahöhlen von der Peritonealhöhle abschließen. Doch meine ich eine Andeutung die- ser dorsalen Abschnitte des Zwerchfelles in den niedrigen Falten sehen zu können, die sich in der Fortsetzung der hohen Urnieren- falte von den Grenzlinien des unpigmentirten und des pigmentirten Theiles der Pleuroperitonealhöhle erheben, und die sich bis auf die ventrale Bauchwand herum fortsetzen. Ich glaube nämlich, das diese Falten den dorsalen Falten in den Recessus parietales dorsales (Uskow’s dorsalen Pfeilern, siehe meine oben eitirte Abhandlung [17)) entsprechen. Dass sie sich direkt in die Urnierenfalten fortsetzen ist nicht sonderbar, wenn man bedenkt, dass auch bei Säugethier- Embryonen die eranialen Spitzen der Urnierenfalten mit dem Zwerch- fell in Verbindung stehen (Zwerchfellband der Urniere).« War diese Annahme Ravn’s richtig, dann mussten sich zwischen Uber partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 265 den sogenannten Uskow’schen Pfeilern, aus denen, wie angegeben wird, ein großer Theil des dorsalen Zwerchfelles der Säuger ent- steht und dem Mürrer’schen Gange, in bestimmten Entwicklungs- stadien ähnliche Beziehungen nachweisen lassen, wie sie zwischen Urnierenfalte und MürtLer’schem Gange bei Lacerta bestehen. Auf meine Anregung hin unternahm es BERTELLI diesen Beziehungen nachzuforschen und seine Untersuchungen (1, 2) ergaben, dass that- sächlich eine solche Beziehung besteht, indem sich bei Embryonen von Cavia die Mündung des MÜLLER’schen Ganges an der lateralen Fläche des dorsalen Uskow’schen Pfeilers vorfindet. Aber diese Untersuchungen förderten auch noch eine weitere wichtige That- sache zu Tage, nämlich die, dass die von Ravn bei Lacerta viridis beschriebenen Ligamenta suspensoria hepatis accessoria nichts An- deres sind als die Fortsetzungen der in ihren caudaleren Partien die Rolle von Mesenterien der MULLER’schen Gänge spielenden Ur- nierenfalten. Bei Embryonen von Lacerta agilis hängen nämlich diese Ligamente und die Urnierenfalten zusammen und bilden jeder- seits eine kontinuirliche Platte, ein Zustand, der noch beim ausge- wachsenen Chamäleon die Regel bildet, gelegentlich aber auch als variables Vorkommen bei Lacerta agilis und viridis beobachtet wer- den konnte. Ferner stellte es sich auch heraus, dass wenigstens bei Cavia von vorn herein schon die ventralen und dorsalen Pfeiler Uskow’s zusammenhängen und also eine kontinuirliche Falte oder “Platte bilden. Damit war die Homologie der Urnierenfalte und ihrer Fort- setzung von Lacerta und wohl aller Saurier, die eine solche Bildung besitzen und der Uskow’schen Pfeiler der Säuger-Embryonen, die aber nun in ihrem Zusammenhang auch ohne Weiteres als Urnieren- falte beschrieben werden können!, nachgewiesen und zugleich die oben eitirte von Ravn gemachte Annahme als richtig bestätigt. Übrigens erwähnt schon 1890 Burner (7) den Zusammenhang des die eraniale Fortsetzung des MÜüLter’schen Ganges bildenden Liga- mentes mit der Leber beim Chamäleon und die Übereinstimmung ! BERTELLI (1) sagt: E patente la omologia tra pieghe dei reni primitivi dei rettili e pieghe che chiudono dorsalmente, lateralmente e ventralmente il recesso parieto dorsale nei mammiferi, quindi queste pieghe dovrebbero chia- marsi anche nei mammiferi pieghe dei reni primitivi e non si dovrebbero piu amettere i pilastri dorsali e ventrali, ma si dovrebbero affermare che nei mam- miferi il recesso parieto dorsale e chiuso dorsalmente, lateralmente e ventral- mente, dalle pieghe dei reni primitivi. 266 F. Hochstetter dieses Ligamentes mit einem Theile des embryonalen Säugerzwerch- felles. Durch den sicheren Nachweis der Homologie der Urnierenfalte der Saurier mit der einen Theil der Anlage des dorsalen Zwerch- felles darstellenden Urnierenfalte der Säuger war nun eine neue Grundlage für weitere Untersuchungen gewonnen. Eine vollkommene Scheidung der Pleurahöhlen von der Perito- nealhöhle kommt in der Klasse der Reptilien nur bei den Crocodi- liern vor. Dies ist neuerdings wieder von BUTLER (7) gezeigt worden, dessen Angaben über die hier beim Alligator in Frage kom- menden Verhältnisse ich in allen wesentlichen Punkten zu bestätigen vermag. Wie aber aus den Angaben dieses Autors hervorgeht, kann man sich aus den Verhältnissen, wie sie das ausgebildete Thier darbietet, kaum eine in jeder Beziehung zutreffende Vorstel- lung darüber bilden, wie sich beim Alligator während des Embryonal- lebens die Scheidewandbildung zwischen Pleurahöhlen und Peritoneal- höhle entwickelt haben mag, resp. welche Gebilde bei der Entstehung derselben betheiligt gewesen sein mochten, da wahrscheinlich nach erfolgter Scheidewandbildung zwischen diesen beiden Leibeshöhlen- abschnitten, im Gebiete der Leber und des Magens partielle Ver- wachsungen der Oberflächen dieser Organe unter einander und mit der Leibeswand erfolgen. Durch diese Verwachsungen kommt es zur Bildung von abgekammerten Leibeshöhlenabschnitten in der Umgebung der Leber und verliert der Magen den größten Theil sei- nes Serosaüberzuges, eben so wie der Anfangsabschnitt des Dünn- darmes, der an diesen Verwachsungen ebenfalls betheiligt ist. Wenn also ursprünglich bei Krokodil-Embryonen auch eine wenig- stens theilweise selbständige Scheidewand zwischen Pleurahöhlen und Peritonealhöhle vorhanden war, so verliert diese Scheidewand später durch die erwähnten Verwachsungen ihre Selbständigkeit und lässt sich nur in einzelnen ihrer Theile als solche erkennen. Nun hat aber Gorrre (11) Gelegenheit gehabt bei einem 25 em langen Krokodil-Embryo Verhältnisse zu beobachten, die uns das Verständnis der Bildung eines dorsalen Diaphragmas bei Crocodi- liern näherrücken. GOETTE fand nämlich bei seinem Embryo den rechten Pleurasack bereits geschlossen, während der linke gegen die Peritonealhöhle noch weit offen war. Der rechte Pleurasack er- streckte sich vom rechten Herzohre an über die Außenseite des ganzen rechten Leberlappens bis zu dessen hinterem Ende und war dorsal- und medianwärts durch eine Befestigung desselben Leber- Über partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 267 lappens an der Rückenwand abgeschlossen. Diese Befestigung konnte, wie GOETTE angiebt, nur durch ein lang ausgedehntes Hohl- venengekröse ausgeführt sein. Linkerseits fand sich ein ähnliches Lebergekröse (Ligamentum hepato pulmonale [MArnuzs)), welches am caudalen Ende des linken Leberlappens mit freiem Rande nach hin- ten und außen auslief. Links vom Herzen zeigte sich ferner ein dreieckiges Gekröse, von ihm! zur seitlichen Leibeswand ziehend, dessen freier Rand noch eben das Vorderende des linken Leberlap- pens erreichte und die aus dem Pleuraraume kaum hervorschauende linke Lunge iiberdeckte. GoETTE hält dieses Gekröse für ein Homologon des von ihm bei Amphibien gefundenen sogenannten lin- ken Parietalgekröses. An älteren Föten fand derselbe Autor die Öffnung zwischen den Rändern der beiden Gekröse und somit auch die linke Pleurahöhle ganz abgeschlossen. Gorrre ist der Überzeugung, und ich möchte mich ihm darin auf Grund des Nachfolgenden anschließen, dass der Schluss der linken Pleurahöhle durch ein Auswachsen des von ihm so genannten Parietalgekröses und der Verwachsung seines freien Randes mit dem Rande des Ligamentum hepato-pulmonale zu Stande kommt und dass auch ein Gleiches für die rechte Pleurahöhle Gel- tung hat. Somit würde die bei Krokodil-Embryonen so zu Stande gekommene Bildung einer Scheidewand zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle, nach GOETTE aus zwei membranösen Theilen, dem dorsalen Lebergekröse (Ligamentum hepato-cavo-pulmonale und Li- gamentum hepato-pulmonale) und aus seinem Parietalgekröse und natürlich auch aus dem zwischen dem Ansatze dieser beiden Gekrös- bildungen an der Leber befindlichen Abschnitte der Leberoberfläche bestehen. GoETTE hat also gewiss Recht, wenn er die beiden Lebergekröse der Unke als Gebilde ansieht, die gewissermaßen Vor- läufer einer Zwerchfellsbildung sind, aber freilich nur einer Zwerch- fellsbildung, wie sie uns bei einigen wenigen Reptilien und bei den Vögeln begegnet. Leider hat Gorrre, als er die eben erwähnten Angaben über die Entwicklung des dorsalen Diaphragmas machte, Ravw’s Arbeit über die Gekrösverhältnisse der Eidechse noch nicht gekannt, sonst hätte er sich jedenfalls veranlasst gesehen Untersuchungen über die Beziehungen des MÜLLEr’schen Ganges zu den von ihm als Parietal- 1 Damit ist wohl das Perikard gemeint, da ja direkt vom Herzen ein sol- ches Gekröse nicht wohl ausgehen kann. 268 F. Hochstetter sekröse bezeichneten Bildungen anzustellen und wir würden in Folge dessen über die Natur dieses Gekröses heute schon wahrscheinlich völlige Klarheit haben. So kann ich nur sagen, dass ich es für höchst wahrscheinlich halte, dass wir es in der beschriebenen Bil- dung mit einem Derivate der Urnierenfalte zu thun haben, wie sie Ravn als erste Andeutung der Bildung eines dorsalen Zwerchfells bei Lacerta beschrieben hat. Es würde daher bei den Crocodiliern eine Scheidewand zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle dadurch zur Entwieklung kommen, dass sich der freie Rand der Urnierenfalten, die mit ihrem ventralen Abschnitte auf die Leber übergreifen, mit dem freien Rande des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale und des Ligamentum hepato-pulmonale vereinigt. Diese Scheidewand würde dann aus zwei membranösen Theilen verschiedenen Ursprungs und dem zwi- schen deren beiden Ansatz an der Leber befindlichen Abschnitte der Leber bestehen. Die Scheidewand würde also, wie schon GOETTE richtig hervorgehoben hat, nicht in allen ihren Theilen selbständig sein, da ja die Leber einen Theil der Wandungen der Pleurahöhle bildet!. | Dass die hier geäußerte Anschauung über die Natur der von GoETTE beim Krokodil als Parietalgekröse bezeichneten Bildungen, sowie die über die Art und Weise der Scheidewandbildung zwischen Brust- und Bauchhöhle, wie sie von GOETTE mitgetheilt wurde, rich- ‘tig sein dürfte, möchte ich durch die Mittheilung einiger an Sauriern gemachten Beobachtungen, die ich gelegentlich der Untersuchung der Darmarterien dieser Thiere nebenbei machen konnte, im Nach- folgenden bekräftigen. Wenn wir uns die Lagerungsverhältnisse der Lungen und ihre Beziehungen zu den verschiedenen in der Pleuroperitonealhöhle be- findlichen Organen bei den verschiedenen Sauriern betrachten, so können wir zwei gewissermaßen extreme Typen unterscheiden, zwi- schen denen sich allerdings bei gewissen Formen Übergänge vor- finden. Den einen Typus finden wir bei den Lacertiliern vertreten. Fassen wir zunächst die Lageverhältnisse der rechten Lunge die- ser Thiere.ins Auge, so sehen wir, dass dieses Organ in einem caudalwärts wohl abgegrenzten Raume untergebracht ist, den wir zwar ohne Weiteres als Pleurahöhle betrachten können, der aber caudalwärts mit der Peritonealhöhle in weit offener Kommunikation 1 Auf die von BUTLER (7) gegebene Deutung der Befunde bei den Croco- diliern werde ich später noch zurückkommen. Uber partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 269 steht. Die seitliche und dorsale Wand dieses Raumes, welcher eine craniale Ausbuchtung zur Aufnahme der Lungenspitze besitzt, wird von der Leibeswand bis zum Ansatze der Urnierenfalte herab gebildet. Die mediale Wand des Raumes wird gebildet durch das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, an dem die Lunge fest- gewachsen ist, während seine ventrale Wand durch die Leber und den eranialen Abschnitt der mit der Leber in Verbindung stehenden Urnierenfalte, dem Ligamentum suspensorium accessorium hepatis von Ravn (18) hergestellt wird. Die Leber zeigt hier eine dem Abdrucke der Lunge entsprechende Konkavität. Caudalwärts er- fährt der Pleuraraum eine unvollkommene Abgrenzung durch die niedere Urnierenfalte und wieder durch die Leber, die eine dem caudalen Lungenende entsprechende konkave Fläche, die einer era- nialen Ausladung ihres Hohlvenenfortsatzes angehört, eranialwärts wendet!. Die durch den Abdruck der Lunge erzeugte konkave Fläche der Leber grenzt sich dabei durch einen scharfen Rand gegen die ventrale und seitliche Fläche dieses Organs ab und zwi- schen diesem scharfen Rande und dem gegenüberliegenden Rande der an der seitlichen Leibeswand haftenden Urnierenfalte befindet sich die weite Kommunikationsöffnung zwischen Pleurahöhle und Peritonealhéhle. Es ist dabei jedoch zu bemerken, dass dieser scharfe Leberrand der Urnierenfalte in der Regel nieht ganz genau gegenüberliegt, sondern sich meist etwas caudalwärts gegen diese Falte verschoben findet. Auch linkerseits erscheint der von der Lunge eingenommene Raum wohl abgegrenzt. Seine ventrale Wand bildet wieder die Leber und die mit dieser in Verbindung tretende Fortsetzung der Urnierenfalte, die seitliche und dorsale Wand ist dieselbe wie auf der rechten Seite. Dafür ist eine mediale Wand nur in den cra- nialen Partien der Pleurahöhle vorhanden und fehlt in den caudalen, wenigstens ventral, indem der ventrale Abschnitt des diese Wand bildenden Ligamentum hepato-pulmonale? nur eine kurze Strecke 1 Vgl. Fig. 5 von RAvn (18), an der die so gebildete Nische für das cau- dale Lungenende sehr deutlich zu erkennen ist. 2 Ich nenne diese Gekrösplatte Ligamentum hepato-pulmonale, obwohl ich wohl weiß, dass bei Lacerta viridis, wie schon Ravn (18) angegeben hat, und eben so bei Lacerta agilis, dieselbe nicht mehr an dem linken Leberrande, sondern an der ventralen Leibeswand haftet, weil dieses Verhalten als ein sekundäres betrachtet werden muss, welches sich von einem Verhalten ableitet, in dem diese Gekrösplatte noch an dem linken Leberrand haftet, wie dies bei Morpholog. Jahrbuch. 27. 18 270 F. Hochstetter weit caudalwiirts reicht und nur der dorsale Abschnitt desselben über das caudale Ende der Lunge sich hinaus erstreckt. Endlich ist eine caudale Abgrenzung des linken Pleuraraumes nur durch die niedere Urnierenfalte gegeben. Es ist also die Öffnung des linken Pleuraraumes, welche die Kommunikation mit der übrigen Leibes- höhle vermittelt, ungleich viel weiter als rechts. Bläht man an einem frisch getödteten Thiere, indem man Luft durch die Trachea einbläst, die Lungen auf, so sieht man auch, dass die rechte Lunge den ihr bestimmten caudalwärts von der Leber begrenzten Raum gar nicht verlässt, während auf der linken Seite höchstens ein leichtes Hervortreten des caudalen Lungenendes über den caudalen Leberrand erfolgt. Es sind also bei Lacerta, wie dies schon aus den Angaben Ravn’s (18) auf das deutlichste hervorgeht, wohlbegrenzte Pleuraräume, die zur Aufnahme der Lungen dienen, vorhanden. Nur stehen diese Räume in weiter Kommunikation mit der übrigen Leibeshöhle. Ähnliche Verhältnisse, wie bei Lacerta, fand ich bei einer ganzen Reihe von Sauriern. In den meisten Fällen ist jedoch die Abgrenzung der Räume, in denen die Lungen untergebracht sind, eine weniger scharfe wie bei Lacerta, was vor Allem seinen Ausdruck darin findet, dass der ventrale Abschnitt der Urnierenfalte mangelhaft entwickelt ist oder vollkommen fehlt, wo- durch die Pleurahöhlen ventralwärts nur in mangelhafter Weise ab- segrenzt werden, besonders dann, wenn die Leber verhältnismäßig schmal ist. z Bei einer großen Zahl von Sauriern ist ferner zwar eine cau- dale Abgrenzung der rechten Pleurahöhle nachweisbar, aber sie wird hier nicht wie bei Lacerta von einer Nische des Hohlvenen- fortsatzes der Leber gebildet, sondern von einer Gekrösfalte, die sich von dem in solchen Fällen in der Regel sehr langen und schmalen Hohlvenenfortsatze der Leber zur Urnierenfalte hinüber- zieht. In dieser Falte oder Platte verlaufen dann in der Regel jene Vene oder jene Venen, welche die Verbindung der Wirbelvenen mit dem Pfortadersysteme der Leber herstellen. Diese Gekrösfalte den Embryonen von Lacerta agilis der Fall ist. Der Durchschnitt der Fig. 4 Taf. XIII zeigt dies auf das deutlichste. Hier sieht man nämlich die Gekrös- platte (2.h.p) knapp neben der Haftstelle des ventralen Abschnittes der Urnieren- falte (U.F) an dem linken Leberrand haften. Und wenn sich dieser Zustand beim erwachsenen Thiere nicht mehr findet, so ist dies nur eine Folge der Verschiebung, welche die Leber während der Entwicklung in caudaler Richtung erleidet. Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. - 271 begrenzt aber eine caudalwärts gerichtete tiefere oder seichtere Bucht, welche sich an der rechten Seite des Hohlvenengekröses be- findet. Ich fand die besprochene Falte bei Uromastix Hardwickii und spinipes, bei welch letzterer Form die von ihr begrenzte Bucht besonders weit caudalwärts reicht, also einen hohen Grad der Aus- bildung zeigt; ferner bei Amphibolurus villosus und deeresus,' Leio- lepis guttatus, Gerrhonotus imbrieatus, Gerrhosaurus madagascariensis, Seineus officinalis, Iguana tubercolata, Polychrus marmoratus, Acran- thus viridis, Gecko vertillatus, Ptyodactylus Gecko, Gymnodactylus frenatus und Tarentola annularis. Aber auch linkerseits fand ich wenigstens die Andeutung einer solehen Falte und einer von ihr begrenzten Bucht an der Wurzel des dorsalen Gekröses. In diese Bucht zog sich das caudale Ende des Ligamentum hepato-pulmonale hinein. Solches war der Fall bei Amphibolurus villosus. Was nun das Verhalten der rechten Lunge zu der das caudale Ende der rechten Pleurahöhle bildenden Bucht anbelangt, so kann das caudale Ende der rechten Lunge, selbst wenn dieses Organ zusammengezogen ist, bis in die beschrie- bene Bucht hineinragen, wie dies bei Amphibolurus villosus der Fall ist, oder aber es wird dasselbe, wie bei Uromastix und den meisten anderen Sauriern, bei denen die Bucht beobachtet wurde, in einiger Entfernung cranialwiirts von dem Eingange in die Bucht vorgefunden. Dabei zeigte bei allen diese Bucht besitzenden Sauriern, mit einziger Ausnahme von Acranthus viridis, die rechte Lunge dieselben oder ähnliche Verhältnisse der Befestigung an Leber und hintere Leibes- wand durch das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale wie bei Lacerta. Ich möchte nun aber bemerken, dass bei Lacerta, wo eine freie Gekrösfalte zwischen Hohlvenengekröse und Urnierenfalte scheinbar nicht vorhanden ist, doch auch etwas vorkommt, was dieser Falte ‚entspricht, resp. was gewissermaßen auf Grundlage dieser Falte zur Entwicklung gekommen ist. Wenn man in Ravy’s Arbeit (17) Fig. 5 auf Taf. XXVI, welche eine Dorsalansicht der Leber von Lacerta viridis darstellt, den Hohlvenenfortsatz der Leber betrachtet, so sieht man, dass derselbe einen eranialen Fortsatz besitzt, der die Nische für das caudale Lungenende nicht nur cranial, sondern auch etwas dorsalwärts abgrenzt. Man erkennt ferner die durch eine punktirte Linie bezeichnete Stelle, an welcher das Ligamentum hepato-cavo- pulmonale an der Leber und an dem Hohlvenenfortsatze der Leber haftet. (Ravn hat diese Haftlinie mit e/.p.d bezeichnet.) Ferner sieht man durch eine ähnliche punktirte Linie den Ansatz eines der 15* 272 F. Hochstetter cranialen Ausladung des Hohlvenenfortsatzes der Leber angehörigen Gekröses markirt, welches selbständig an der rechten Seite neben dem dorsalen Darmgekröse an der hinteren Leibeswand haftet und zwei Verbindungsvenen zwischen Wirbelvenen und Pfortader von der Wirbelsäule zur Leber hinüberleitet!. Auch erkennt man ferner deut- lich, wie zwischen dem Ligamentum hepato-cavo-pulmonale einer- seits und diesem zuletzt erwähnten ganz kurzen Gekröse und der mit demselben in Verbindung stehenden cranialen Ausladung des Hohlvenenfortsatzes der Leber andererseits eine spaltförmige, caudal- wärts blind endigende Bucht der rechten Pleurahöhle besteht. Bei Lacerta ist somit die bei vielen Saurien gefundene, mehrerwähnte Gekrösfalte durch einen Leberlappen, der eine Ausladung des Hohl- venenfortsatzes der Leber in eranialer und dorsaler Richtung bildet, und durch dessen caudal mit dem Ligamentum hepato-cavo-pulmo- nale in Verbindung tretendes, kurzes Haftgekröse vertreten. Was kann nun zur Ausbildung der fraglichen Gekrösfalte bei denjenigen Sauriern, welehe eine solche besitzen, den Anstoß gegeben haben? Ist diese Falte eine sekundäre Bildung, die dadurch zu Stande gekommen ist, dass ein wie bei Lacerta ursprünglich vor- handener Leberabschnitt geschwunden ist und an seiner Stelle die Falte zurückblieb, oder ist die Falte unter dem mechanischen Ein- flusse des eaudalwärts und gegen das Hohlvenengekröse zu vordrän- genden Lungenendes zu Stande gekommen? Ich halte die letztere Annahme für diejenige, die die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat, besonders wenn man jene Formen berücksichtigt, bei denen, wie bei Amphibolurus, der caudale Lungenpol Aufnahme in der durch die Falte gebildeten Bucht findet. Dann wäre das Verhalten, wie es Lacerta darbietet, wo in der Gekrösfalte ein Leberlappen zur Entwicklung kommt, als ein sekundäres zu betrachten. Bei einigen Sauriern besteht aber auch eine solche Abgrenzung der rechten Pleurahöhle gegen die Peritonealhöhle nicht, und die rechte Lunge kann sich dann im Anschlusse an das Hohlvenengekröse verhältnismäßig weit in das Gebiet der Peritonealhöhle hinein er- streeken. Dies ist beispielsweise der Fall bei Sphenodon punctatum, wo das rechte Lungenende in der Höhe des cranialen Poles der Geschlechtsdrüse endigt oder bei Uroplates fimbriatus und Cerrato- phora Studarti, wo dieses Lungenende bis an die Wurzel des Hoden- sekröses herabreieht. Der extremste Fall in dieser Richtung scheint 1 Ravn bezeichnet diese richtig abgebildeten Gefäße als Aste der Aorta, J Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 273 jedoch bei Chamaeleo vorzuliegen, wo ein besonders großer Theil der beiden Lungen in der Peritonealhöhle gelegen ist. Dieses Ver- halten erscheint um so interessanter, als gerade bei Chamaeleo die Urnierenfalte, die wir mit ihrem Ansatze bei Lacerta die Grenze der Pleuraräume an der Leibeswand bezeichnend fanden, besonders mächtig entwickelt ist'. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass das zuletzt geschilderte Verhalten der Lungen, in dem dieselben mehr oder weniger weit in die Peritonealhöhle hineinreichen, schon mit Rücksicht auf die bezüglichen Verhältnisse bei den Amphibien, als das ursprüngliche betrachtet werden muss, von dem sich das Verhalten, bei welchem ein mehr oder weniger wohl abgegrenzter Raum vorhanden ist, der zur Aufnahme der Lunge dient, abgeleitet werden kann. Zu gleicher Zeit bildet die Ausbildung und Abgrenzung eines solchen Pleura- raumes, den die Lunge mit ihrem caudalen Ende auch dann nicht überschreitet, wenn sie sich ausdehnt, gewissermaßen die Vorbedin- gung für die Möglichkeit der Ausbildung einer Scheidewand zwischen Pleurahöhle und Peritonealhéhle. Denn nur unter dieser Voraus- setzung können in der Umgebung der Verbindungsöffnung zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle befindliche Theile sich mit einander verbinden und so einen Abschluss der Pleurahöhle gegen die Peri- tonealhöhle herbeiführen. Noch viel vollkommener als bei Lacerta fand ich die beiden Pleuraräume gegen die Peritonealhöhle bei Stellio vulgaris abge- grenzt. Dabei erfolgte diese Abgrenzung mit einer Ausnahme durch dieselben Theile, wie bei Lacerta, nur dass einzelne dieser Theile hier viel weiter entwickelt erscheinen als dort, und wir uns bei dem Studium der Verhältnisse von Stellio schon ein ganz gutes Bild da- von machen können, wie sich die Dinge gestalten müssten, um eine vollständige Scheidewand zwischen den Pleurahöhlen und der Peri- tonealhöhle herzustellen. Eröffnet man die Peritonealhöhle eines in geeigneter Weise konservirten? Stellio, so sieht man, dass beiderseits 1 Vgl. BUTLER (7) und BERTELLI (2). 2 Ich injieire Thieren, deren Leibeshöhlen- und Gekrösverhältnisse ich untersuchen will, durch Einstich mittels PravArz’scher Spritze 95¢igen Alkohol in die Peritonealhöhle, so zwar, dass sich dieselbe prall füllt, und lasse dann die Thiere wenigstens 24 Stunden in eben so starkem Alkohol liegen. Mit Hilfe dieser Methode erhält man nach Hinwegnahme der Bauchwand nicht nur sehr schöne Bilder des Situs viscerum, sondern es härten sich auch die in Wirk- lichkeit bestehenden Peritoneal- und Gekrösfalten, so dass man nicht Gefahr 274 F. Hochstetter die Kommunikationsöffnung zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle, verglichen mit den Verhältnissen bei Lacerta, wesentlich verengert erscheint. Dabei erweist sich gleichzeitig die rechte Kommunikations- öffnung als wesentlich enger wie die linke. Betrachten wir zuerst die Verhältnisse auf der rechten Körperseite (vgl. Fig. 1 Taf. XIII), so sehen wir, dass die Einengung der Verbindung zwischen den beiden Ab- theilungen der Leibeshöhle bedingt ist durch das Vorhandensein und die Ausdehnung einer Gekrösplatte, die ventralwärts an der Leber haftet, dann mit ihrem Ansatze auf die ventrale und weiterhin auf die seitliche und dorsale Leibeswand und caudalwärts in das den Nebenhoden befestigende Gekröse übergeht. Diese Platte (U.F) begrenzt sich eaudal- und ventralwärts mit einem freien Rande, der ventralwärts gegen den Hohlvenenfortsatz der Leber sich richtend, an diesem ausläuft. Zwischen dem Rande der Platte und dem Hohlvenenfortsatze der Leber, an welchen sich dieser Rand anlegt, befindet sich eine spaltförmige Öffnung (A’), durch welche die rechte Pleurahöhle und die Peritonealhöhle mit einander kommunieiren. Diese spaltförmige Öffnung, die caudalwiirts in die Rinne zwischen Hodengekröse und Hohlvenenfalte ausläuft, zeigte nun bei den ver- schiedenen untersuchten Exemplaren verschiedene Weite. Einmal fand ich die Öffnung so eng, dass sie eben noch für einen Raben- federkiel passirbar war. Wir können also bei Stellio gegenüber Lacerta einen wesentlichen Fortschritt in der Ausbildung der Scheide- wand zwischen rechter Brusthöhle und der Bauchhöhle verzeichnen. Die Gekrösplatte aber, die einen Hauptantheil an der Ausbildung dieser Scheidewand hat, ist nichts Anderes als ein Homologon der Urnierenfalte anderer Saurierformen. Dies ergiebt sich schon bei männlichen Thieren aus ihrer Beziehung zum Nebenhoden, bei weib- lichen Thieren aber aus ihrer Verbindung mit dem cranialen Ende des Eileiters. Auf der linken Seite (Fig. 1 Taf. XIII) gestaltet sich die Be- srenzung der etwas weiteren Kommunikationsöffnung (A”) zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle etwas anders wie auf der rechten Seite. Auch linkerseits sehen wir die Platte der Urnierenfalte (U.F) in derselben Beziehung zum Nebenhoden oder zum Oviducte wie rechts, mit ihrem freien Rande die laterale und ventrale Begrenzung laufen kann, eine durch Verschiebung des Darmes oder anderer Eingeweide am frischen Objekte leicht künstlich herstellbare Falte für eine natürliche Bil- dung zu halten. Über partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 275 der Öffnung bildend. Die mediale Begrenzung aber bildet der freie Rand des Ligamentum hepato-pulmonale, der sich bogenförmig era- nial- und ventralwärts mit dem freien Rande der Urnierenfalte ver- bindet. Von der Verbindungsstelle der beiden Gekrisplatten aber sieht man eine Falte (U.F) zum linken Leberrande hinziehen, die zugleich als Fortsetzung des freien Randes der Urnierenfalte und des freien Randes des ventral von der Lunge befindlichen Abschnittes des Ligamentum hepato-pulmonale betrachtet werden könnte. Wenig- stens macht es den Eindruck, als würden sich die freien Ränder dieser beiden Gekrösplatten auf der Höhe dieser Falte vereinigt haben und mit einander verschmolzen sein. Dieser Eindruck ent- spricht jedoch nicht den thatsächlichen Verhältnissen. Wäre näm- lich die durch den .ersten Eindruck erweckte Vorstellung richtig, dann müsste sich in dieser Falte eine spitzwinkelig begrenzte Aus- buchtung der Pleurahöhle befinden, was jedoch thatsächlich nicht der Fall ist. Man gelangt nämlich um den freien Rand der mehr- erwähnten Falte herum in die zwischen dem Magen und seinen beiden Gekrösen, der Leber und den beiden Abschnitten des Liga- mentum hepato-pulmonale befindliche, eranialwärts blind endigende Ausbuchtung des Peritonealsackes, den Recessus pulmo-hepaticus sini- ster, die auch bei Lacerta, wenn auch nicht in der Ausdehnung wie bei Stellio, besteht. Dieser Recessus pulmo-hepaticus sinister erhält nun wenigstens in seinen caudalen Partien seine ventrale Wand durch eine solide Gekrösplatte gebildet, die die Fortsetzung unserer Falte in eranialer Richtung bildet. Diese Gekrösplatte entspricht nun zweifelsohne dem Ligamentum suspensorium hepatis accessorium (RAvN) von Lacerta und ist daher als die ventrale Fortsetzung der Platte der Urnierenfalte zu betrachten. Ein in der uns interessiren- den Gegend des Rumpfes geführter Durchschnitt (Fig. 3 Taf. XIII) lehrt denn auch, dass sich der ventrale Abschnitt des Ligamentum hepato- pulmonale (/.4.y) an der Dorsalseite dieser Gekrösplatte (U. F) anheftet. Ferner zeigt sich, dass das Verhalten zwischen Urnierenfalte und Leber links ein ganz ähnliches ist wie rechts, indem auch hier diese Gekrösplatte mit dem linken Leberrande in Verbindung tritt. Dafür haftet aber das Ligamentum hepato-pulmonale links nicht an der Leber wie das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale rechts, sondern eranialwärts in der geradlinigen Fortsetzung seines caudalen Randes an dem ventralen Theile der Platte der Urnierenfalte. Der Durchschnitt der Fig. 3 lehrt aber auch noch weiter, dass auch das ventrale Magengekröse in der Höhe des Schnittes nicht an 276 F. Hochstetter. der Leber selbst seinen Ansatz findet, wie dies in caudaleren Partien der Fall ist, sondern dass dasselbe vielmehr (M.v) ebenfalls an dem ventralen Abschnitte der Urnierenfalte unmittelbar neben ihrem An- satze an der Leber haftet. Einigermaßen abweichend im Vergleiche mit den Verhältnissen bei Lacerta erscheinen die Verbindungen der rechten Lunge von Stellio. Auch dies zeigt uns der Durchschnitt der Fig. 3. Man sieht nämlich an diesem Durchschnitte drei Gekrösplatten von der rech- ten Lunge ausgehen. Die eine von ihnen verbindet den dorsalen Lungenrand mit der Wurzel des dorsalen Magengekröses, entspricht also ohne Zweifel dem dorsalen Abschnitte des Ligamentum hepato- cavo-pulmonale von Lacerta. Aber bezüglich der Natur der beiden anderen Platten kann man an unserem Querschnittsbild allein nicht ins Klare kommen. Verfolgt man jedoch die den ventralen Lungen- rand mit dem ventralen Abschnitte der Urnierenfalte (U.F) verbin- dende Platte (2.p.a) caudalwirts, so sieht man, dass dieselbe noch innerhalb der Pleurahöhle mit einem freien caudalwärts sehenden Rande endigt. Die andere Platte (/.4.c.p) dagegen, welche die Lunge mit der Leber in Verbindung setzt, erweist sich, caudalwiirts’ ver- folgt, als kontinuirliche Fortsetzung des Ligamentum hepato-cavo- pulmonale, dessen ventralen Abschnitt sie somit darstellt. Die andere ventralwärts von der Lunge sich erstreckende Ge- krösplatte wird somit als Ligamentum pulmonale accessorium zu bezeichnen sein. Ich konnte bei keiner anderen Saurierart eine diesem Ligamentum pulmonale accessorium ähnliche Bildung nach- weisen. In Stellio sehen wir eine Saurierform vor uns, bei deren Unter- suchung wir uns in ausgezeichneter Weise eine Vorstellung darüber bilden können, wie es bei einer eventuellen Weiterentwicklung der die Scheidung von Pleurahöhle und Peritonealhöhle vermittelnden Theile schließlich zu einem vollständigen Abschluss der Pleura- höhlen gegen die Peritonealhöhle zu kommen kann. Wir brauchen uns nämlich nur zu denken, dass bei Stellio der freie Rand der rechten Urnierenfalte mit dem Hohlvenenfortsatze der Leber ver- wächst und uns vorzustellen, dass der freie Rand der sich verlän- gernden Urnierenfalte links mit dem freien Rande des ebenfalls noch etwas länger werdenden Ligamentum hepato-pulmonale ver- schmilzt, so haben wir die Scheidung der beiden Pleurahöhlen von der Peritonealhöhle vollzogen. Ein soleher Vorgang würde denn auch in der That mit dem Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 277 von GOETTE für die Scheidewandbildung zwischen Brust- und Bauch- höhle beim Krokodil-Embryo angenommenen Vorgange überein- stimmen, vorausgesetzt, dass wir es in der von Gorrrr als Parietal- gekrise bezeichneten Bildung mit einem Derivate der Urnierenfalte zu thun haben. Ganz ähnliche Verhältnisse riicksichtlich der Scheidewandbildung zwischen rechter Pleurahöhle und Peritonealhöhle wie bei Stellio fand ich bei einem untersuchten Exemplare von Phrynocephalus mysta- ceus, nur war die Kommunikationsöffnung hier womöglich noch etwas enger als bei dem Exemplar von Stellio, welches sich durch beson- dere Enge dieser Kommunikationsöffnung ausgezeichnet hatte. Da- segen erinnerten die Verhältnisse, welche ich bei diesem Thiere in der Umgebung der Kommunikationsöffnung zwischen linker Pleura- höhle und Peritonealhöhle vorfand, sehr an die dort bei Lacerta ge- fundenen Verhältnisse, erschienen also lange nicht so hoch entwickelt wie bei Stellio. Noch weiter fortgeschritten als bei Stellio und Phrynocephalus mystaceus fand ich die Scheidung zwischen rechter Pleurahöhle und Peritonealhöhle bei drei Arten von Agama, die ich untersuchen konnte, indem bei diesen Thieren die bei Stellio und Phrynocephalus noch bestehende Kommunikationsöffnung zwischen beiden Leibeshöh- lenabschnitten vollkommen verschwunden war, indem offenbar der ursprünglich freie Rand der Urnierenfalte an den Hohlvenenfortsatz der Leber angewachsen war. Dieses Verhalten fand ich in überein- stimmender Weise auf der rechten Körperseite von Agama inermis, eolonorum und sanguinolenta, während linkerseits Verhältnisse be- standen, die den bei Lacerta gefundenen in hohem Grade ähnlich waren. Ein Ligamentum pulmonale accessorium, wie es bei Stellio rechterseits gefunden wurde, fehlte sowohl bei Phrynocephalus mysta- ceus als auch bei Agama inermis und colonorum (Agama sanguino- lenta wurde auf das Vorhandensein dieses Ligamentes nicht unter- sucht). Es zeigte daher die Lunge bei diesen Thieren ähnliche Verhältnisse zum Ligamentum hepato-cavo-pulmonale wie bei La- certa. Bei den drei untersuchten Agama-Arten besteht also wenigstens rechterseits eine vollkommene Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle, die man als Diaphragma pleuro-peritoneale oder dorsale bezeichnen kann. Dieses Diaphragma dorsale dextrum besteht aus drei ursprünglich gesonderten Abschnitten: Aus der Platte der mächtig entfalteten Urnierenfalte, aus dem Ligamentum hepato-cavo- 278 F. Hochstetter. pulmonale und aus dem zwischen dem Ansatze dieser beiden Ge- krösplatten befindlichen Abschnitte der Leber. Es betheiligt sich also an der Bildung des Diaphragma pleuro-peritoneale jener Rep- tilien, die ein solches entweder nur rechterseits (Agama) oder beider- seits (Crocodilier) besitzen, außer der Urnierenfalte und einem Theile der Leber rechterseits das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, lin- kerseits das Ligamentum hepato-pulmonale fast ihrer ganzen Aus- dehnung nach. Dies geht für die Crocodilier aus den Angaben GOETTE’s unmittelbar hervor, lässt sich aber auch, wenn man die Begrenzung der Pleuraräume ganz junger Alligatoren untersucht, wie dies BUTLER gethan hat, und wie ich es wiederholt habe, er- schließen. Freilich wird man ein vollständig klares Bild über die Entwicklung des Diaphragma pleuro-peritoneale der Crocodilier erst erhalten, wenn ausführliche an Embryonen der verschiedensten Ent- wicklungsstadien ausgeführte Untersuchungen vorliegen werden!. Jedenfalls entwickelt sich das dorsale Diaphragma derjenigen Reptilien, die ein solches besitzen, nicht auf beiden Körperseiten zu gleicher Zeit, wie dies sowohl die von mir an Agamen gemachten Befunde, als auch die das Krokodil betreffenden Angaben von GOETTE lehren. Daraus ergiebt sich nun die Frage nach den Ursachen die- ser Erscheinung. Die Verhältnisse, welche die Ausbildung eines Diaphragma pleuro-peritoneale begünstigen, liegen bei den Sauriern sicherlich auf der rechten Körperseite günstiger als auf der linken. Rechterseits ist es vor Allem die Leber, welche in viel ausgiebigerer Weise? als 1 Ich habe schon früher erwähnt, dass ich in der Lage war, die Befunde BuTLer’s an jungen Alligatoren als richtig zu bestätigen. Was dagegen die Deutung dieser Befunde anbelangt, so wird man, glaube ich, wenn die Ent- wieklung des Diaphragma pleuro-peritoneale von Krokodilen untersucht sein wird, zu etwas anderen Resultaten kommen, als sie BUTLER verzeichnet hat. Dies möchte ich vor Allem mit Rücksicht auf jene Gekrösverbindung zwischen Lunge und Leibeswand hervorheben, die BUTLER als Repräsentanten des Vogel- zwerchfells bezeichnet (da” in Fig. 40 und 42 der Taf. XLIX), eine Bildung, die mit der Scheidewandbildung zwischen Brust- und Bauchhöhle nichts zu thun hat. Als aus der Urnierenfalte beim Alligator hervorgegangen sehe ich das von BUTLER als Ligamentum obliguum hepatis (s.2 Fig. 37 u. 38 auf Taf. XLIX), sowie die von demselben Autor in seiner Fig. 40 und 43 mit s bezeichnete Bil- dung an, die einen Bestandtheil seines sogenannten Septum posthepaticum bildet, vorausgesetzt, dass die Beobachtung GorrTTrE's (11), woran ich nicht zweifle, richtig ist. 2 Manchmal ist die Leber überhaupt nur an der Abgrenzung der rechten Pleurahöhle betheiligt (Stellio). Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 279 links an der Abgrenzung der Pleurahöhle Theil nimmt und sich da- bei gewissermaßen als Isolirmasse gegen den Magen zu vorsehiebt. Dieses sein Volumen so sehr verändernde Organ wird sich daher schon seiner Lage und Krümmung nach hauptsächlich nach links hin ausdehnen. Dieser Umstand wird aber bewirken, dass der sich - ausdehnende Magen beeinträchtigend auf die Entfaltung der linken - Lunge einwirken muss, da dieselbe in ihren eaudalen Abschnitten der Druckwirkung von Seiten des sich ausweitenden Magens mehr oder weniger direkt ausgesetzt sein wird. Aus diesem Grunde dürfte sich, so lange die Lageverhältnisse des Magens sich nicht ändern, eine die Ausdehnung der linken Lunge in caudaler Richtung er- möglichende Kommunikationsöffnung zwischen Pleurahöhle und Peri- tonealhöhle erhalten. Diese Kommunikationsöffnung wird erst dann zum Verschlusse gelangen, wenn, wie bei den Crocodiliern, durch eine Verlängerung der Speiseröhre und durch die Caudalwärtsverlage- rung des Magens die linke Lunge der Druckwirkung von Seiten dieses Organs mehr oder weniger vollkommen entrückt wird. Eine weitere Frage, die sich aus den bei Sauriern über die Bildung des Diaphragma pleuro-peritoneale gefundenen Thatsachen ergiebt, ist die, ob das Diaphragma dorsale der Vögel und Säuge- thiere aus denselben Theilen sich entwickelt wie das der Saurier, und ob und in welcher Weise sich das dorsale Diaphragma dieser Formen von dem Diaphragma pleuro-peritoneale der Saurier ablei- ten lässt. Ich will hier zunächst das dorsale Diaphragma der Vogel-Em- bryonen ins Auge fassen. Die Verhältnisse derjenigen Bildungen, die beim ausgebildeten Vogel als Diaphragma beschrieben worden sind und die sich, wie schon BUTLER (7, pag. 458) gezeigt hat, erst sekundär aus dem bei Vogel-Embryonen ursprünglich einheitlichen Diaphragma pleuro-peritoneale entwickeln, können dabei vorläufig un- berücksichtigt gelassen werden. Und dies kann um so leichter ge- schehen, als BERTELLI demnächst in einer ausführlichen Arbeit die Beziehungen dieser Bildungen und ihrer Entstehung aus einander setzen wird. | Zwischen dem dorsalen Diaphragma der Saurier und dem der Vogel-Embryonen (Hühnchen) besteht vor Allem darin ein wesent- licher Unterschied, dass das Septum pleuro-peritoneale bei Vogel- Embryonen eigentlich nur von dem einen der drei Bestandtheile, aus denen sich dieses Septum bei Reptilien zusammensetzt, gebildet wird, nämlich rechts aus dem Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, 280 F. Hochstetter links aber aus dem Ligamentum hepato-pulmonale. Dies wurde bereits von BUTLER (7) gezeigt, und neuerdings ist auch BERTELLI (3) zu einem ähnlichen Resultate gelangt. Die Leber spielt bei dieser Scheidewandbildung in der Leibeshöhle der Vogel-Embryonen sar keine Rolle, und die Rolle, welche der Urnierenfalte zufällt, ist jedenfalls eine ganz nebensächliche und untergeordnete. Wenn nun diese Verhältnisse auch schon aus der Beschreibung BUTLER’s (7, pag. 462) vollkommen klar zu entnehmen sind, so erscheint es mir doch zum Verständnis des Ganzen nothwendig, ganz kurz die Art und Weise zu schildern, wie sich bei Hühner-Embryonen das Diaphragma pleuro-peritoneale entwickelt. Am besten lassen sich die sich bei der Diaphragmabildung abspielenden Vorgänge an Querschnitten verfolgen. Fig. 5 Taf. XIII zeigt uns das Bild eines Querschnittes durch die Lungengegend des Rumpfes eines Hühner-Embryos von 139 Stunden. Man sieht an dieser Figur sehr schön die Lage der Lungen (Zg) und die durch das Liga- mentum hepato-cavo-pulmonale (2.A.c.p) und Ligamentum hepato- pulmonale (2.}.p) hergestellten Verbindungen dieser Organe mit der Leber (Z), eben so wie die beiden an der medialen Seite dieser Ligamente zwischen ihnen, der Leber, dem Darm und seinem ventralen Gekröse befindlichen Aussackungen der Peritonealhöhle, die den Recessus pulmo-hepatici der Saurier entsprechen. Von einer Scheidewandbildung zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle ist an diesem Durchschnitte noch nichts zu sehen. Fig. 6 Taf. XIII zeigt uns einen Querschnitt durch die Lungen- gegend des Rumpfes eines Hühner-Embryo vom Ende des 8. Tages, bei dem die Scheidung zwischen den beiden Leibeshöhlenabschnitten in der Schnitthöhe bereits hergestellt ist. Es haben sich nämlich hier rechts das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, links das Liga- mentum hepato-pulmonale in ihren ventral von den Lungen befind- lichen Abschnitten lateralwärts abgeknickt, und sind an dieser Ab- knickungsstelle nicht nur mit der seitlichen Leibeswand, sondern auch mit der hier auslaufenden Urnierenfalte in Verbindung getreten. Dabei ist zu bemerken, dass die Abschnitte der genannten Ligamente, die medial von der Anwachsungsstelle an die seitliche Leibeswand gelegen sind und in Folge dieser Anwachsung nun eine frontal ge- stellte Scheidewand zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle bilden, viel dicker sind als die von der Anwachsungsstelle ventralwärts zur Leber hinziehenden Stücke dieser Bänder, die nun zwei dünne, die Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 281 beiden seitlichen Leberabschnitte an die lateralen Randpartien des Diaphragma befestigende Gekröse (Z.B.L)! darstellen. Wie aus diesem Querschnittsbilde ersichtlich ist, entwiekelt sich das dorsale Diaphragma aus einem Theile des Ligamentum hepato- cavo-pulmonale und des Ligamentum hepato-pulmonale, und ist die Leber an der Abgrenzung der Pleurahöhlen absolut nicht betheiligt, während dies, wie wir gesehen haben, bei Sauriern entweder auf einer Seite (rechts), wie bei Stellio (vgl. Fig. 3 Taf. XIII), oder beider- seits, wie bei den Crocodiliern (vgl. Fig. 37 und 43 auf Taf. XLIX bei Butter), der Fall ist. Was nun die Betheiligung der Urnierenfalte an dem Abschlusse der Pleurahöhlen anbelangt, so kommt eine solehe, abgesehen davon, dass die beiden Lungenligamente bei ihrem Anwachsen an die Leibes- wand dem Ansatze dieser Falten folgen (vgl. Fig. 6), höchstens für den Verschluss der Pleurahöhle an ihrem eaudalen Ende in Betracht. Es liegt jedoch nicht in meiner Absicht, auf diese Verhältnisse hier näher einzugehen. Jedenfalls ist die Rolle, welche die Urnierenfalte bei der Entwicklung des dorsalen Zwerchfelles der Vogel-Embryonen spielt, eine ganz untergeordnete, und es erinnert nur der Umstand an die Verhältnisse bei Sauriern, dass die Verbindung der Lungen- ligamente mit der Leibeswand dem Ansatze dieser ganz niederen Falten folgt. Auch auf die intimeren Beziehungen des Diaphragma pleuro- peritoneale der Vogel-Embryonen zum Septum transversum, wie sie sich in späteren Entwicklungsstadien durch Obliteration des cranial- sten Abschnittes der beiden Recessus pulmo-hepatiei herstellen, will ich hier keine Rücksicht nehmen, obwohl diese Beziehungen und ihre Herstellung noch keineswegs klar dargestellt worden sind. Was nun die Entwicklung des dorsalen Zwerchfelles der Säuger anbelangt, so gestaltet sich dieselbe wesentlich verwickelter als bei den Vögeln. Wir finden bei Säuger-Embryonen in jungen Entwick- lungsstadien alle diejenigen Theile angelegt, die sich, wie wir ge- sehen haben, bei Sauriern an der Bildung einer Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle betheiligen. Zunächst sehen wir bei Säuger- Embryonen (Kaninchen) sowohl das Ligamentum hepato-cavo-pulmo- nale, als auch das Ligamentum hepato-pulmonale angelegt. Während aber das erstere einen höheren Grad der Ausbildung erlangt, sehen wir das letztere schon frühzeitig verschwinden, indem die an der ! Ligamentum pulmo-hepaticum von BUTLER. 982 F. Hochstetter linken Seite des Darmrohres von ihm begrenzte, nur sehr wenig tiefe, caudalwiirts offene Bucht (Ree. pulmo-hepaticus sin.) obliterirt!. Schon aus diesem Grunde kann das Ligamentum hepato-pulmonale von Siiuger-Embryonen eine Rolle bei der Bildung des Diaphragma dorsale nicht spielen. Aber auch riicksichtlich des Ligamentum he- pato-cavo-pulmonale werden wir sehen, dass es sich in nur ganz untergeordneter Weise an der Bildung dieser Scheidewand betheiligt. So kénnen also nur die beiden anderen Theile, die wir bei Sauriern an der Diaphragmabildung betheiligt fanden, die Leber und die Urnierenfalten, eine hervorragendere Rolle bei der Zwerchfellbildung spielen. Was nun die Urnierenfalte betrifft, so ist dieselbe als solche zuerst von BERTELLI (1) bei Meerschweinchen-Embryonen beschrieben und die Homologie derselben mit der gleichbenannten Falte der Rep- tilien und Vögel aus den Beziehungen des Ostium abdominale des Müruer’schen Ganges zu dieser Falte nachgewiesen und gleichzeitig gezeigt worden, dass die ventralen und dorsalen Ausläufer dieser Falte das darstellen, was andere Autoren nach Uskow als Pfeiler der Zwerehfellsanlage beschrieben haben. Eine Reihe von Forschern (Uskow, Ravn, BRACHET) haben die Entwicklung des dorsalen Dia- phragmas an Kaninchen-Embryonen studirt, und hier stellen sich die Verhältnisse der Urnierenfalten etwas anders und weniger einfach und klar dar als beim Meerschweinchen. Wenn man nämlich bei Embryonen dieses Thieres die Urnierenleiste eranialwärts verfolgt, so sieht man dieselbe kontinuirlich in jene Platte übergehen, die von BERTELLI als Urnierenfalte bezeichnet wurde. Diese Falte be- srenzt sich mit einem konkaven, caudalwiirts gerichteten Rande, und setzt sich bei etwas älteren Embryonen auf das Septum transversum und später auch noch auf die beiden seitlichen Leberlappen hin fort. Ist dies einmal der Fall, dann bildet die Urmierenfalte schon eine ansehnliche Gekrösplatte, welche die Pleurahöhle seitlich abgrenzt. Wir können diese Platte mit BrachHer (5) als Membrana pleuro- peritonealis bezeichnen. Zwischen Membrana pleuro-peritonealis und Leibeswand erstreckt sich eine Peritonealbucht cranialwiirts. Der dorsale in die Urnierenleiste übergehende Ausläufer dieser Urnieren- falte entsprieht dem dorsalen, der ventrale an der Leber auslaufende dem ventralen Zwerchfellspfeiler von Uskow. Untersucht man nun die Membrana pleuro-peritonealis yon Ka- ninchen-Embryonen zu einer Zeit, in welcher ihr ventraler Ausläufer 1 Diese Bucht ist an Kaninchen-Embryonen vom 11, Tage, wie schon Ravn (17) gezeigt hat, deutlich zu sehen, Über partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 283 die Leber erreicht hat, so sieht man, wie dies Ravn (17) treffend geschildert und abgebildet hat, wie der dorsale eine Falte bildende Ausläufer dieser Membran caudalwärts verfolgt nicht in den Rand der Urniere, also nicht in die Urnierenleiste übergeht, sondern von derselben medianwärts abweichend, an der Wurzel dieses hier in Betracht kommenden Urnierenabschnittes caudalwiirts zieht und rech- terseits auf das an dieser Stelle verdickte Ligamentum hepato-cavo- pulmonale und später auch noch über dieses hinweg verlaufend, auf die dorsale Fläche der Leber gelangt, während sie linkerseits auf das verdiekte Darmgekröse an der Grenze zwischen Osophagus und Magen übergeht. Diese Verhältnisse werden in ausgezeichneter Weise durch die Fig. 15 und 16 (Taf. X) von Ravn’s Arbeit illustrirt, und man erkennt an Fig. 15, wie die Falten oder Leisten, welche die caudale Fortsetzung der dorsalen Uskow’schen Pfeiler bilden, zwei Nischen caudal- und lateralwärts abgrenzen, die ihre Konka- vität eranialwärts kehren und der Aufnahme des caudalen Lungen- endes dienen. Diese Nischen hat dann später auch Bracuer (5) bei seinen Kaninchen-Embryonen (F und G) in eingehender Weise beschrieben und ihr Zustandekommen durch die Entwicklung der in der Fortsetzung der Uskow’schen Pfeiler entstehenden Gekrösfalten hervorgehoben. Sieht man nun bei Meerschweinchen- und Katzen-Embryonen nach, wie sich die Verhältnisse der Abgrenzung der Plenrahöhlen in der unmittelbaren Nachbarschaft der caudalen Lungenenden gestalten, so findet man, dass auch hier ähnliche ihre Konkavität eranialwärts kehrende Nischen gebildet werden, deren laterale Wand durch eine zunächst niedrige, später höher werdende Leiste gebildet wird, die rechterseits von der ventralen Fläche der Wurzel der Urniere über das hier verdiekte Ligamentum hepato-cavo-pulmonale hinweg zur dorsalen Fläche der Leber, links aber zur Wurzel des Magenge- kröses und über dieses an der Seite des Ösophagus vorbei, dort, wo derselbe in den Magen übergeht, hinwegzieht. Dabei lässt sich leicht feststellen, dass diese Leiste der rechten Seite früher auftritt als die der linken, so dass die von ihr begrenzte Bucht rechterseits schon ziemlich tief ist, wenn die linke eben erst erscheint. Um das Ver- halten dieser Leisten und ihre Selbständigkeit den Urnierenfalten gegenüber klar zu machen, habe ich in Fig. 7 und 8 Taf. XIII zwei Querschnitte durch einen Katzen-Embryo abgebildet, aus denen dies sehr gut zu ersehen ist. An Fig. 7 sieht man auf der rechten Seite des Embryos die Membrana pleuro-peritonealis (U.F), auf der linken 284 F. Hochstetter Seite den ventralen Pfeiler Uskow’s (U.F), und ihm gegenüber die Urnierenleiste (U.Z), in die hier also die Membrana pleuro-perito- nealis caudal- und dorsalwärts ausläuft. In Fig. 8 dagegen, welche einen Schnitt durch denselben Embryo darstellt, der nicht einmal mehr die Lungen trifft, sieht man rechts bei 0.B.F die erwähnte Nische für das caudale Lungenende, sowie die ihre laterale Begren- zung bildende Gekrösfalte (0.B.F) durchschnitten, während linker- seits eine solehe Nische noch nieht nachzuweisen ist. Wohl aber erkennt man auf der linken Seite bei c einen Vorsprung an der Wurzel des dorsalen Magengekröses, der als erste Anlage unserer Leiste zu deuten ist. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass sowohl bei der Katze als auch beim Meerschweinchen, wo die Dinge ähnlich liegen wie bei der Katze, die eben geschilderten Leisten, welche eine Art caudaler Abgrenzung der Pleurahöhlen bilden, selbständige Bildungen sind, die ursprünglich nichts mit der Urnierenfalte zu thun haben, wenn sie auch später eranialwärts mit ihr in Verbindung treten. Ähnlich liegen auch nach der Beschreibung von SwAEn (19, pag. 93) die Verhältnisse bei menschlichen Embryonen. Ich möchte nun die Zustände, in denen die Urnierenfalten und die caudalen Begrenzungsfalten der Pleurahöhle zunächst unabhängig von einander entstehen und eine Zeit lang unabhängig von einander bestehen, als die primären gegenüber den beim Kaninchen und der Ratte (RAvN) gefundenen, wo diese Falten in kontinuirlicher Ver- bindung mit einander stehen, betrachten. Aus dem Gesagten ergiebt sich nun, dass sich an der Bildung des Siugerzwerchfelles außer den beiden Urnierenfalten auch noch zwei Gekrösfalten eigener Art betheiligen, die sekundär mit den Ausläufern der Urnierenfalten in Verbindung treten. Die Art der Betheiligung dieser Falten an der Zwerchfellsbildung geht schon aus der Beschreibung Ravy’s, noch deutlicher aber aus den Angaben BRACHET’s und SwAen’s hervor, und es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass wir es in diesen Falten mit morphologisch wichtigen Theilen zu thun haben. Was sind nun aber die beiden Falten, welche die caudalen Nischen der Pleurahöhlen begrenzen, und wie entstehen sie? Es kann wohl kaum bezweifelt werden, dass die Entstehung der beiden Falten auf beiden Seiten eine ähnliche und auf ähnliche Ursachen zurückzuführen sein wird. Nur die Gebilde, von denen aus sie sich entwickeln und die gewissermaßen den Mutterboden für sie abgeben, Uber partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 285 sind verschiedene. Rechts ist es das an dieser Stelle verdiekte Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, links aber die Mesenterialplatte, in welche der Ösophagus eingelagert ist und die diesen Darmtheil einerseits mit der Leber, andererseits mit der dorsalen Leibeswand verbindet, von denen aus sich die beiden Falten entwickeln. Fassen wir insbesondere die rechte Falte und ihre Beziehungen ins Auge, so erinnert sie uns lebhaft an jene Gekrösfalte, die ich bei einer ganzen Reihe von Sauriern vorfand und auf pag. 270 als eine, wenn auch unvollkommene caudale Abgrenzung der Pleurahöhle bildend, beschrieben habe, die den Hohlvenenfortsatz der Leber und das Hohlvenengekröse, an dem sie haftet, mit der Urnierenfalte in Ver- bindung setzt. Ich bin daher auch der Meinung, dass wir es hier mit einander entsprechenden Bildungen zu thun haben. Eine strenge Homologisirung dieser beiden Falten ist jedoch schon desshalb nicht gut durchführbar, weil nur die allgemeinen Beziehungen der Falten ähnliche sind, an die Falten selbst aber keinerlei bei Sauriern und Säugern zugleich vorkommende Bildungen angeschlossen sind, die uns in dieser Richtung Sicherheit gewähren würden, wie dies etwa riicksichtlich der Beziehungen zwischen Ostium abdominale des MÜLLER'schen Ganges und der Urnierenfalte der Fall ist. Riicksichtlich der linken Falte liegen die Dinge noch schwieriger, da nur bei einer einzigen Saurierform eine rudimentäre caudale Be- srenzungsfalte der Pleurahöhle nachgewiesen werden konite. Aber ich halte es nicht für unwahrscheinlich, da&s es Saurier giebt, bei denen auch linkerseits diese Gekrösfalte stärker entwickelt ist, und möchte hier der Meinung Ausdruck verleihen, dass wir es auch in der linken Begrenzungsfalte der Pleurahöhle von Säuger-Embryonen mit einem von Reptilien ähnlichen Vorfahren herstammenden Erb- stücke zu thun haben. Was nun die Betheiligung der Leber an der Abgrenzung der beiden Pleurahöhlen und an der Bildung des dorsalen Diaphragmas bei Säugethieren anbelangt, so kann ich auf das verweisen, was Ravn (17) über diesen Gegenstand gesagt hat und was ich für voll- kommen richtig halte. Ravn sagt pag. 149, indem er die Verhält- nisse eines Ratten-Embryo, nach denen seine Fig. 15 und 16 aus- geführt sind, beschreibt, und indem er die Übereinstimmung derselben mit denen eines Kaninchen-Embryo von entsprechender Entwicklung hervorhebt: »Es ist einleuchtend, dass ein kleiner Theil der Ober- fläche der beiden dorsolateralen Leberlappen in die Pleurahöhle hineinschauen muss, nämlich die kleine dreieckige Partie, die Morpholog. Jahrbuch. 27. 19 286 F. Hochstetter cranialwärts von dem ventralen Abschnitte der Recessusfalte liegt, zwischen dieser und der Insertion der Membrana pleuro-pericardiaca an dem Dorsalrande des mittleren Leberlappens« — und pag. 150: »Die kleinen dreieckigen Strecken der letzteren« (Leber), »die in die Pleurahöhlen sehen, sind nun, wie früher von der Oberfläche des mittleren Lappens beschrieben ist, mit einer kontinuirlichen Meso- dermlage bedeckt, welche selbstverständlich jederseits einen Theil des bleibenden Diaphragmas bilden muss.« Sehr gut sieht man diese an der Bildung des dorsalen Diaphragmas betheiligten Ab- schnitte der dorsalen Leberfliche an Sagittaldurchschnitten durch Säuger-Embryonen von entsprechender Entwicklung. Dies erkennt man aus der Fig. 9, die den Durchschnitt durch die linke Pleura- höhle eines Kaninchen-Embryos vom 13. Tage wiedergiebt. Es ist hier der in Betracht kommende Oberflächenabschnitt der Leber gegen den einen Theil der Perikardialhöhlenwand bildenden, durch eine scharfe Kante abgegrenzt, an welcher Kante die Membrana pleuro- pericardiaca (M.pl.p) ihren Ansatz findet. Ich möchte dieses Verhalten hier desshalb besonders hervor- heben, weil Bracuer eine direkte Betheiligung der dorsalen Leber- oberfläche an der Bildung des dorsalen Diaphragmas nieht annimmt. Nach ihm soll sich ein Theil der medianen Partie des Diaphragma dorsale aus dem von ihm so genannten oberen Blatte der Membrana pleuro-pericardiaca entwickeln. Dieses obere Blatt ist aber, wie sich aus seinen Ausführungeh ergiebt, nichts Anderes als jene oben er- wähnte Mesodermlage, die jene an der Begrenzung der Pleurahöhlen betheiligten Abschnitte der Leberoberfläche überzieht. BRACHET unter- scheidet nämlich an der Membrana pleuro-pericardiaca zwei Abschnitte, einen Abschnitt, den er als Membrana pleuro-pericardiaca im engeren Sinne (proprement dite) bezeichnet und der der Membrana pleuro- pericardiaca anderer Autoren entspricht, und einen Abschnitt, den er als provisorischen Theil dieser Membran bezeichnet, in den das Lebergewebe eindringen soll und der dadurch gewissermaßen in zwei Platten gespalten wird, von denen die eine sein unteres Blatt, nämlich die hintere Wand der Perikardialhöhle, bildet, die andere aber, sein oberes Blatt, den oben erwähnten Überzug, der gegen die Pleurahöhle zugewendeten Abschnitte der Leber herstellt. Ich halte diese Darstellungsweise der Verhältnisse, abgesehen von ihrer Komplicirtheit, schon vom vergleichend-anatomischen und vergleichend-entwicklungsgeschichtlichen Standpunkte aus nicht fiir eine gliickliche. Uber partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 287 Wenn wir das ganze Septum transversum vom vergleichenden Standpunkte aus als Septum pericardiaco-pleuro-peritoneale bezeichnen, ein Ausdruck, den Ravn (18) für Lacerta gebraucht, so können wir erst, nachdem sich im Anschlusse an den ventralen Theil dieses Sep- tums und zum Theile in demselben die Leber entwickelt hat und so durch die Entwicklung der Leber eine vordere Wand der zur Aufnahme der Lungen bestimmten Räume entstanden ist, also von Pleuraräumen gesprochen werden kann, von einem ventralen Dia- phragma oder Septum pericardiaco-peritoneale und einem Septum pericardiaco-pleurale oder einer Membrana pleuro-pericardiaca spre- chen. Dabei wird die Ausdehnung der Leber im Anschlusse an den ventralen Theil des Septum pericardiaco-pleuro-peritoneale maßgebend sein für die Bestimmung der Linie, an welcher wir die Membrana pleuro-pericardiaca abgrenzen können. Dabei ist es, glaube ich, für unsere Betrachtungen ganz gleichgültig, ob die Leber in frühen Pha- sen ihrer Entwicklung einen weniger großen Theil der Masse des Septum pericardiaco-pleuro-peritoneale ausfüllt und in späteren einen größeren. Wir werden eben immer nur den Theil des Septum zur Membrana pleuro-pericardiaca rechnen, der es wirklich ist, das heißt den Theil, der die Scheidung zwischen Perikardial- und Pleurahöhle vermittelt. Dass während des Wachsthums der Leber sich dieses Organ in der Richtung gegen die Membrana pleuro-pericardiaca zu vorschiebt und dabei ein Theil des Bindegewebes dieser Membran dazu aufgebraucht wird, um zum Theil Leberbindegewebe zu bilden, kann an unserer Auffassung nichts ändern. Es wird dadurch nur die Grenze dieser Membran verschoben, da wir eben nur bis an die Leber heran von der Membran als solcher sprechen können. Ob dann wie bei den Sauriern der Theil der Leberoberfläche, der mit den Lungen gewissermaßen in Berührung tritt, bloß einen einfachen Serosaüberzug behält, oder sich wie bei den Säugern auf ihm noch eine verhältnismäßig dieke Schicht mesodermalen Gewebes ent- wiekelt, ist ziemlich gleichgültig, in beiden Fällen ist es die Leber, deren Oberfläche sich zum Theile an der Abgrenzung der Pleura- höhle betheiligt. In der That besteht ja auch bezüglich der ven- tralen Wand der caudalwärts noch nicht abgeschlossenen Pleurahöhle eine ziemlich weitgehende Übereinstimmung bei Embryonen von La- certa- und Säuger-Embryonen. Dies ergiebt sich aus dem Vergleiche der Fig. 9 und 10 auf Taf. XIII. Fig. 10 zeigt einen Sagittaldurch- schnitt durch einen Embryo von Lacerta agilis, an dem die Betheili- gung der Leber an der ventralen Abgrenzung des die linke Lunge 19* 288 F. Hochstetter aufnehmenden Raumes eben so gut zu sehen ist wie an dem Sagittal- schnitte der Fig. 9 von einem Kaninchen-Embryo des 13. Tages. Auch kann man bei der Betrachtung dieses Durchschnittes sofort genau angeben, bis zu welchem Punkte die Leber und die Membrana pleuro-pericardiaca reichen und wie weit sich diese beiden Gebilde an der ventralen Abgrenzung der Pleurahöhle betheiligen. Freilich wird man aber auch beim Studium dieses Schnittes den Eindruck bekommen, als wäre Lebergewebe in einen Abschnitt des Septum pericardiaco-pleuro-peritoneale hineingewachsen, der früher frei davon war, also in früheren Entwicklungsphasen noch der Membrana pleuro- pericardiaca zugerechnet werden konnte, und ich halte es nach dem, was ich gesehen habe, für sehr wahrscheinlich, dass sich thatsäch- lich ein solcher Vorgang während der Entwicklung abspielt, aber in dem Momente, wo Lebergewebe in einen Theil dieses Septums ein- wuchert, hört es eben auf das zu sein was es war, und an seine Stelle tritt ein Abschnitt der Leber. Dass sich aber bei Säuger-Embryonen schon sehr frühzeitig unter der Serosa des an der Abgrenzung der Pleurahöhle betheiligten Ab- sehnittes der Leberoberfläche eine mächtige Mesodermlage entwickelt, darf uns mit Rücksicht auf die Entwicklung des muskulös sehnigen Zwerchfelles nicht Wunder nehmen. Sehen wir doch auch bei Hühner-Embryonen den Theil des Ligamentum hepato-cavo-pulmo- nale und des Ligamentum hepato-pulmonale, die zum Diaphragma pleuro-peritoneale werden aus ähnlichen Gründen, sich schon früh- zeitig durch reichliche Entwicklung mesodermalen Gewebes mächtig verdicken. Vergleicht man die Theile, die sich an der Abgrenzung der rechten Pleurahöhle eines Säuger-Embryos betheiligen, der auf einer Entwicklungshohe seiner Pleurahöhlen steht, wie der Ratten-Embryo der Fig. 15 und 16 von Ravn, mit den Theilen, welche sich an der Abgrenzung der Pleurahöhle eines Sauriers betheiligen, der eine die caudale Abgrenzung der Pleurahöhle bildende Gekrösfalte (vgl. pag. 270—271) besitzt, so sieht man, dass die beiden Formen, wenn wir von den Verschiedenheiten!, die sich in der Ausbildung dieser 1 Diese Verschiedenheiten beziehen sich hauptsächlich auf die mächtige Ausbildung des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale bei Sauriern und seine ge- ringe Entfaltung bei Säuger-Embryonen, wodurch der bei Säugern allein längere Zeit bestehenbleibende Recessus pulmo-hepaticus dexter eine viel geringere Aus-' dehnung sowohl in cranialer als auch in dorsaler Richtung aufweist, wie bei den ~ meisten Sauriern. Doch werde ich später zeigen, dass es auch Saurier giebt, Uber partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 289 einzelnen Theile naturgemäß ergeben müssen, absieht, sich bei beiden eigentlich genau dieselben Gebilde an der Abgrenzung der rechten Pleurahöhle betheiligen. Wir können daher auch sagen, dass in diesem Entwicklungszustand sich alle diejenigen Theile an der Bil- dung der noch unvollkommenen Scheidewand zwischen rechter Pleura- höhle und Peritonealhöhle betheiligen, wie bei Sauriern. Es ist also in dieser Zeit bei Säuger-Embryonen auch das Ligamentum hepato- cavo-pulmonale in seiner ganzen eranialwärts von der caudalen Ab- grenzungsfalte der Pleurahöhle befindlichen Ausdehnung an dieser Scheidewandbildung betheiligt. Es liegen somit auch in dieser Rich- tung die Verhältnisse eine Zeit lang ganz ähnlich wie bei Sauriern. Bezüglich der Wandungen der linken Pleurahöhle ergiebt sich jedoch bei den Säuger-Embryonen, den meisten Sauriern gegenüber, dadurch eine wesentliche Differenz, dass das Ligamentum hepato- pulmonale schon frühzeitig durch Obliteration des nur ganz kurze Zeit bestehenden Recessus pulmo-hepaticus direkt verloren geht. Wenn wir uns aber vorstellen, dass bei Sauriern mit auch linker- seits bestehender caudaler Abgrenzungsfalte der Pleurahöhle das Ligamentum hepato-pulmonale medianwärts an die dort befindlichen Gebilde anwächst und so der Recessus pulmo-hepaticus sinister obli- terirt, haben wir eine gewisse Übereinstimmung auch hier wieder hergestellt'. Aber auch das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale der Säuger betheiligt sich nur verhältnismäßig kurze Zeit in der oben erwähnten Ausdehnung an der Abgrenzung der Pleurahöhle gegen die Perito- nealhéhle. Wie nämlich bekannt ist, verwächst der in der Höhe der caudalen Pleurahöhlennische befindliche Theil dieses Ligamentes mit dem Serosaüberzuge des Ösophagus und mit dessen ventralem Gekröse. Dadurch wird der Recessus pulmo-hepaticus (dexter) oder der Recessus superior sacci omenti (Hıs) von dem übrigen Peritoneal- raum abgeschnürt und die Leber so auch in der Strecke, die zwi- schen Ansatz des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale und dem des ventralen Ösophagusgekröses sich befand, an den Ösophagus ange- bei denen dieser Recessus eine ähnliche Einschränkung wie bei Säugern er- fahren hat, und dass es sich dabei höchst wahrscheinlich um partielle Oblitera- tionsvorgänge an diesem Recessus handeln dürfte. ! In der That giebt es, wie später gezeigt werden soll, Saurier, bei denen der Recessus pulmo-hepatieus sinister fehlt, doch ist nicht nachzuweisen ge- wesen, ob dieses Fehlen die Folge eines Obliterationsvorganges ist. 290 F. Hochstetter löthet!. Durch diesen Verlöthungsvorgang erfolgt somit der Anschluss der rechtsseitigen Anlage des Diaphragma dorsale an das den Öso- phagus beherbergende Gekröse, und dadurch wird zugleich auch unter Vermittelung des Gewebes dieser Mesenterialbildung der An- schluss des rechtsseitigen Diaphragma pleuroperitoneale an das links- seitige vermittelt, und so aus der ursprünglich paarigen Anlage eine einheitliche geschaffen. Diese Betheiligung des Darmgekröses an der Herstellung eines Theiles des Zwerchfelles hat schon BRACHET vollkommen zutreffend hervorgehoben. Die Art und Weise, wie sich die bei Säuger-Embryonen der hier in Betracht gezogenen Stadien in den beiden Theilen des Dia- phragma pleuro-peritoneale sich vorfindende Kommunikationsöffnung abschließt und wie allmählich die der Leber angehörigen Theile des . Zwerchfelles sich von diesem Organ abspalten, dies soll, da es die uns hier interessirenden Fragen nicht berührt, auch nicht besprochen werden. Näheres über diese Vorgänge haben Ravn und vor Allem BRACHET gebracht. Nur ein Gegenstand soll noch kurz erörtert werden, nämlich die Art und Weise, wie man sich das Zwerchfell- band der Urniere zu Stande gekommen zu denken hat, weil, so weit ich gesehen habe, über die Entstehung dieser bei Säuger-Embryonen beschriebenen Bildung nur ein Autor, nämlich BERTELLI (2), nähere Angaben gemacht hat. BERTELLI giebt ganz richtig an, dass dieses Zwerchfellband aus einem Theile der Urnierenfalte entsteht, und zwar aus dem Theil, der weder zur Bildung des Diaphragma dorsale noch auch zur Bildung des Mesenteriums des MULLER’schen Ganges Ver- wendung findet. BERTELLI hat jedoch eine Grenze, bis zu welcher die Urnierenfalte zur Anlage des Zwerchfelles herbeigezogen wird, nicht angegeben. Diese Grenze lässt sich jedoch bei Kaninchen- Embryonen und bei anderen Säuger-Embryonen, bei denen die cau- dale Begrenzungsfalte der Pleurahöhle bereits mit der Urnierenfalte in Verbindung getreten ist, vollkommen scharf bestimmen. Sie ist gegeben durch die Linie, die der Verbindungsstelle der beiden Falten entspricht. Der Theil der Urnierenfalte, der cranial von dieser Ver- bindungsstelle sich befindet, wird zur Bildung des Diaphragma dor- sale verwendet, die caudale Fortsetzung der Urnierenfalte wird zum Zwerchfellsband der Urniere und zum Gekröse des Eileiters. 1 Der so abgeschnürte Recessus superior Sacci omenti bleibt nun ent- weder wie bei Säugern mit infracardialem Lungenlappen zeitlebens erhalten, oder geht wie beim Menschen durch Obliteration und Verwachsung seiner Wan- dungen spurlos verloren. Uber partielle und totale Scheidewandbildung etc. bei einigen Sauriern. 291 Aus dem was über die Entstehung des Säugerdiaphragmas ge- sagt wurde, geht somit hervor, dass ein hoher Grad von Überein- stimmung zwischen den Theilen besteht, die sich bei Säuger-Em- bryonen an der Bildung des dorsalen Zwerchfelles betheiligen und zwischen den Gebilden, die wir als Anlagen einer Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle bei Sauriern betrachten können. Man kann daher. wohl mit voller Berechtigung sagen, dass sich das Diaphragma dorsale der Säuger ohne Schwierigkeit von den Dia- phragmaanlagen, wie wir sie bei Sauriern finden, ableiten lässt, wo- bei hauptsächlich Obliterationsvorgänge an den Recessus pulmo-he- patici die beträchtlichen Differenzen bedingen, die sich in späteren Entwicklungsphasen zwischen dem Diaphragma dorsale der Säuger und der Saurier herausstellen. Eben so wie das Diaphragma dorsale der Säuger, lässt sich auch das der Vogel-Embryonen auf das Saurierdiaphragma zurück- führen und von demselben ableiten. Aber schon die erste Anlage des Vogeldiaphragmas zeigt, wie wir gesehen haben, beträchtliche Differenzen gegenüber dem Saurierdiaphragma, weil hier die Leber gar nicht und die Urniereufalte nur in ganz untergeordneter Weise an der Bildung des Diaphragma pleuro-peritoneale betheiligt sind. Trotzdem sich nun aber das Diaphragma dorsale der Vogel- und Säuger-Embryonen von der Anlage eines Diaphragma pleuroperito- neale, wie es bei einzelnen Sauriern gefunden wurde, ableiten lässt, besteht doch keinerlei Homologie zwischen Diaphragma dorsale der Vögel und der Säuger, weil sich dieses Diaphragma der Vogel- Embryonen gerade aus jenen Theilen des Saurierdiaphragmas ent- wickelt hat, die bei den Säugern durch die oben erwähnten Oblite- rationsvorgänge an den Recessus pulmo-hepatici von der Bildung der Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle ausgeschlossen werden. Es ist nun in hohem Grade interessant, dass bei einer ganzen Reihe von Sauriern bereits Verhältnisse gefunden werden, die auf Obliteration des Recessus pulmo-hepaticus dexter zu beziehen sind. BUTLER hat gezeigt (7), dass bei den von ihm untersuchten Tejiden (Tupinambis teguixin und nigropunctatus, Ameiva surinamensis und Callopistes maculatus) die rechte Lunge nicht wie bei Lacerta durch das Ligamentum hepato-cavo-pulmonale, sondern ähnlich wie die linke Lunge durch ein einfaches Gekröse befestigt ist, und dass der Recessus pulmo-hepaticus bei diesen Sauriern vollkommen fehlt. Er hat dann ferner mitgetheilt, dass bei Trachidosaurus die rechte Lunge zwar ähnliche Beziehungen zum Ligamentum hepato-cavo- 292 F. Hochstetter pulmonale aufweist wie bei Lacerta, dass aber ihr caudales Ende durch ein eigenes Gekröse an dieses Ligament befestigt ist. End- lich hat dann derselbe Autor in einer folgenden Arbeit (8) angegeben (pag. 481), dass einige Scinciden rücksichtlich der Beziehungen ihrer rechten Lunge zur Leber die Mitte halten zwischen den Tejidae und anderen Eidechsen. Während Aconthias meleagris mit den meisten Sauriern übereinstimmt, erstreckt sich der Recessus pulmo hepaticus von Anguis fragilis, Chaleides mionecton und augenscheinlich auch der von Aconthias monodaetyla nicht bis in die Region der Lunge. Ich vermag diese Angaben BurLer’s vollinhaltlich zu bestätigen. Wenn wir die Verhältnisse und Beziehungen, wie sie die rechte Lunge zum Ligamentum hepato-cavo-pulmonale bei Lacerta darbietet (vgl. nebenstehendes schematisirtes Quer- nz schnittsbild Fig. 1), als die ursprünglichen betrachten, so lassen sich unter Zugrunde- legung von Verhältnissen, wie sie bei anderen Sauriern gefunden wurden, die scheinbar ganz abweichenden Verhältnisse der Beziehungen der rechten Lunge bei den Tejidae doch recht gut von den bei 5, Lacerta gefundenen ableiten. EB Bei einigen Sauriern nämlich beginnt sich das caudale Ende der rechten Lunge von dem Ligamentum hepato-cavo-pulmonale zu isoliren, und steht dann dasselbe mit diesem Ligament nur durch eine kurze Gekrös- falte in Verbindung, wie dies z. B. für Tropidosaura BUTLER (8) be- schrieben hat und wie ich Ähnliches bei Eumeces erythrocephalus, Gerrhosaurus madagascariensis und Cer- ratophora Stodarti finden konnte. Bei Eumeces pavimentatus hat dieser Isola- tionsprocess weitere Fortschritte gemacht, indem bei diesem Thiere der größte Theil der rechten Lunge nicht mehr wie bei Lacerta dem Ligamentum hepato-cavo- pulmonale breit aufsitzt, sondern vielmehr mit demselben durch ein eigenes kurzes Gekröse verbunden ist (vgl. nebenstehende Fig. 2). Dabei zeigt jedoch die Ausdehnung des Recessus pulmo-hepaticus dexter eranialwärts noch keinerlei Ein- schränkung, indem dieser Recessus bis nahe an die Theilungsstelle Fig. 2 Über partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 293 der Trachea heranreicht. Ähnliche Verhältnisse fanden sich auch bei Tiliquar seincoides. Eine beträchtliche Einschränkung der Ausdehnung des Recessus pulmo-hepatieus dexter zeigte sich bereits bei Gerrhonotus imbricatus, indem bei dieser Saurierform der Recessus nur im Gebiete des cau- dalen Lungenabschnittes vorhanden war, so dass ein Durchschnitt durch den Rumpf in diesem Gebiete Verhältnisse zeigte, wie sie in nebenstehender Fig. 3 B etwas schematisirt wiedergegeben sind und, wie ersichtlich, den bei Eumeces pavimentatus gefundenen ent- sprechen. Dagegen fehlte der Recessus in weiter cranial gelegenen Gebieten, wie dies aus Fig. 3 A ersichtlich ist, die einen weiter eranial geführten Querschnitt etwas schematisirt darstellt. Es ist also hier der eraniale Abschnitt des Recessus pulmo-hepaticus wahrschein- lich dureh Obliteration zu Grunde gegangen, und das Gekröse der rechten Lunge haftet in Folge dessen in diesem Bezirke am Öso- phagus. Bei einem von drei untersuchten Exemplaren von Scincus offi- einalis fand ich nun Verhältnisse vor, die zwischen den bei Eumeces pavimentatus und den bei Gerrhonotus imbricatus gefundenen ge- wissermaßen die Mitte halten. Ein Querschnitt durch den Rumpf dieses Thieres (Fig. 11 Taf. XIII) zeigt uns die rechte Lunge zwar durch ein selbständiges Gekröse an den Ösophagus befestigt, aber vom Ösophagus ausgehend auch noch einen freigebliebenen ventralen Rest des Ligamentum hepato-cavo-pulmonale (l.h.c.p), welcher sich unmittelbar neben dem ventralen Darmgekröse an der dorsalen Fläche der Leber anheftet. Es’ war also bei diesem Exemplar ein ventraler Abschnitt des Recessus pulmo-hepaticus dexter, der sich bis nahe an die Theilungsstelle der Trachea eranialwärts erstreckte, erhalten 294 F. Hochstetter geblieben, während der dorsale Abschnitt dieses Recessus offenbar dureh Obliteration verloren gegangen war. Bei den beiden anderen untersuchten Exemplaren von Seincus offieinalis fand ich dagegen ganz Ähnliche Verhältnisse wie bei Gerrhonotus imbricatus. Noch weiter gediehen als bei den eben erwähnten Formen er- scheint der Rückbildungsprocess des Recessus pulmo-hepaticus dexter bei Pseudopus Pallasii, wo derselbe nur mehr bis ins Gebiet des caudalen Lungenendes erhalten ist. Bei Seps chaleides erreicht dieser Recessus eben nur noch die Höhe des Fig. 4. caudalen Lungenpoles, und bleibt endlich bei = Anguis fragilis mit seinem cranialen Ende noch etwas hinter demselben zurück. Den SEIN höchsten Grad der Rückbildung zeigt endlich [ (ed (149. Ko) der Recessus bei den Tejidae, wo er, wie | = f ae schon BUTLER angiebt, vollkommen fehlt. \ = en ) Bei diesen Thieren gestaltet sich die Fixa- tion der Lungen in ihren mittleren Partien so, wie dies der etwas schematisirte Quer- ash. schnitt durch den Rumpf einer Ameiva vul- garis (Textfig. 4) darstellt. Dass es thatsächlich Obliterationsvorgänge sind, die zur Rück- bildung des Recessus pulmo-hepatieus dexter führen, dies konnte ich nach der Untersuchung von Embryonen von Anguis fragilis fest- stellen. Freilich zeigt auch die Untersuchung soleher Embryonen zugleich, dass dieser Recessus schon in seiner ersten Anlage viel weniger weit kopfwärts reicht als bei anderen Sauriern. Zwei Durchschnitte durch einen in der Entwicklung ziemlich weit fort- geschrittenen Embryo (Fig. 12, 13 Taf. XIII) zeigen dies auf das deutlichste. Die Fig. 12 illustrirt einen Durchschnitt, der die Lunge etwas cranialwirts von der Mitte ihrer Längenausdehnung trifft. Aus ihr wird ersichtlich, wie beide Lungen durch selbständige kurze Gekröse an dem ventralen Ösophagusgekröse haften, wie aber von einem Recessus pulmo-hepaticus dexter in der Höhe des Schnittes nichts zu sehen ist. Fig. 13 dagegen zeigt einen Durchschnitt, der das caudale Ende der rechten Lunge trifft, und hier sieht man nun deutlich, wie im Gebiete dieses Lungenabschnittes beim Embryo noch der Recessus pulmo-hepaticus dexter nachweisbar ist. Da aber, wie schon BUTLER angegeben hat, beim erwachsenen Thiere der Re- cessus pulmo-hepaticus mit seinem cranialen Ende das caudale Lungen- ende nicht mehr erreicht und nichts dafür spricht, dass sich während Über partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 295 der weiteren Entwicklung das caudale Lungenende cranialwirts retrahirt, so kann wohl die geringere Ausdehnung des Recessus pulmo- hepaticus in cranialer Richtung nur darauf zurückgeführt werden, dass der eraniale Abschnitt dieses Recessus allmählich obliterirt. Ob sich ähnliche Obliterationsprocesse auch am Recessus pulmo- hepaticus sinister, der bei allen Sauriern, die einen solchen besitzen, im Vergleiche mit dem rechten meist nur verhältnismäßig kurz ist, da der ventrale Abschnitt des Ligamentum hepato-pulmonale in der Regel mehr oder weniger rudimentär ausgebildet ist, konnte ich nicht feststellen. Ich möchte hier nur ganz nebenbei auf die höchst eigenthümlichen Ansatzverhiiltnisse des linken Lungengekröses, wie sie bei Anguis und einigen verwandten Echsen nachgewiesen wer- den können, aufmerksam machen. Wie man schon aus der Ver- gleichung der Fig. 12 und 13 Taf. XIII ersehen kann, bildet näm- lich die Haftlinie dieses Gekröses eine Spirallinie, die an der ventralen Seite des Ösophagus beginnt und sich über dessen linke laterale Fläche an seinem Übergange in den Magen auf das dorsale Magen- gekröse erstreckt. Ich will diesen Aufsatz nicht schließen, ohne noch auf die sehr merkwürdige membranöse Scheidewandbildung, wie sie in der Leibes- höhle der Tejiden beobachtet werden kann, aufmerksam gemacht zu haben. Wir verdanken BuTLeEr (7) eine sehr genaue und, wie ich nach der Untersuchung von Teju teguixin und Ameiva vulgaris und surinamensis bestätigen kann, vollkommen zutreffende Beschreibung derselben. Auch diese Scheidewand! theilt die Pleuroperitonealhöhle nahezu vollständig in zwei hinter einander gelagerte Abtheilungen, von denen die cranial gelegene, der Pleurahöhle ähnlich, paarig ist. Die Scheidewand ist, wie es scheint, bei allen Tejidae unvollständig, indem sie auch bei Teju teguixin, wo sie im Vergleiche mit anderen Vertretern der Familie am vollständigsten ausgebildet ist, doch noch jederseits, und zwar in der Nähe der Wirbelsäule, eine Öffnung trägt. Von diesen beiden Öffnungen ist die rechte wesentlich enger als die linke. Von der Diaphragmaanlage, wie wir sie bei Stellio und Agama vorfanden, unterscheidet sich nun diese Scheidewandbildung auf den ersten Blick durch ihre Lage. Sie schließt sich nämlich, kuppelartig gestaltet, mit ihrer Konvexität an die caudale Leberfläche an, und 1 Ich muss bezüglich der Details der Anordnung und der Beziehungen dieser Scheidewand auf die Angaben und Abbildungen BUTLER’s verweisen. 296 F. Hochstetter wurde aus diesem Grunde auch von BUTLER als Septum posthepati- cum bezeichnet. Durch diese Lage der Scheidewand und durch ihre Verbindung mit der caudalen Leberfläche ist es bedingt, dass alle übrigen von Serosa überzogenen Oberfliichenabschnitte der Leber in den cranial vom Septum posthepaticum gelegenen Abschnitt der Leibeshöhle, in den sich auch die Lungen hineinwölben, hineinragen. Betrachtet man diesen Leibeshöhlenabschnitt als Pleurahöhle, dann muss man sagen, dass er sich von der Pleurahöhle anderer Formen nicht nur durch seine größere Ausdehnung in caudaler Richtung, sondern auch durch die höchst auffallende Beziehung zur Leber unterscheidet. Bedeutende Schwierigkeiten bereitet die Deutung dieser Scheide- wand und die Entscheidung, welchen Bildungen anderer Formen sie etwa gleichzusetzen wären. BUTLER (7) hält sie für eine dem von ihm bei Vögeln genauer beschriebenen Septum posthepaticum homo- loge Bildung. Ich möchte jedoch eine bestimmte Meinung über diese Scheidewandbildung nicht aussprechen, bevor ich nicht in der Lage war, ihre Entstehung genauer zu verfolgen. Verzeichnis der benutzten Litteratur. 1) DANTE BERTELLI, Pieghe dei Reni primitivi nei Rettili. Contributo allo sviluppo del Diaframma. Atti della Soc. Toscana di Scienze Naturali Pisa Memorie. Vol. XV. 1896. 2) —— Pieghe dei Reni primitivi. Contributo alla Morfologia e allo Sviluppo del Diaframma. Pisa 1897. 3) —— Sullo sviluppo del diaframma dorsale nel pollo. Nota preventiva. Mo- nitore zool. Ital. Anno IX. No. 1. 1898. 4) A. BRACHET, Recherches sur le developpement de la cavité hepato enteri- que de l’axolotl, et de l'arriere cavité du peritoine chez les mammi- feres. Archives de Biologie. T. XIII. Recherches sur le Developpement du Diaphragme et du Foie chez le lapin. Journal de l’anatomie et de la Physiologie. XXXI. 1895. 6) —— Recherches sur l’évolution de la portion cephalique des Cavités pleu- rales et sur le developpement de la Membrane Pleuro pericardique. Journal de l Anatomie et de la Physiologie. XXXIII. 1897. 7) G. W. BUTLER, On the subdivision of the Body Cavity in Lizards, Croco- diles, and Birds. Proceedings of the Zoologieal Society of London. 1889. 8) —— On the subdivision of the Body Cavity in Snakes. Proceedings of the Zoological Society of London. 1892. 5) / Uber partielle und totale Scheidewandbildung ete. bei einigen Sauriern. 297 9) G. W. BuTLer, On the relations of the Fat bodies of the Sauropsida. Pro- ceedings of the Zoologieal Society of London. 1889. 10) A. GoETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 11) —— Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. Heft 5. Ent- wicklungsgeschichte des Flussneunauges (Petromyzon fluviatilis). Hamburg und Leipzig 1890. 12) W. His, Mittheilungen zur Embryologie der Siiugethiere und des Menschen. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abth. 1881, 13) F. Hocusrerrer, Uber das Gekröse der hinteren Hohlvene. Anatomischer Anzeiger. 1888. 14) Tu. HuxLey, On the Respiratory Organs of Apteryx (comparing with Duck). Proe. Zool. Soc. 1882. pag. 560—569. 15) Loxwoop, The early development of the pericardium, diaphragm and great veins. Philos. Transact. of the Royal Society of London. 1888. Vol. CLXXIX. 1889 and Proc. of the Royal Society. XLIIL 16) P. Marues, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen bei Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXIII. 1895. 17) E. Ravn, Uber die Bildung der Scheidewand zwischen Brust- und Bauch- höhle in Säugethier-Embryonen. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abtheil. 1889. 18) —— Untersuchungen über die Entwicklung des Diaphragmas und der be- benachbarten Organe bei den Wirbelthieren. Archiv fiir Anatomie und Physiologie. Anatom. Abtheil. Suppl.-Bd. 1889. 19) A. SwaENn, Recherches sur le developpement du foie, du tube digestif, de l’arriere cavité du peritoine et du mesentére. ire et 2° partie. Jour- nal de l’Anatomie et de la Physiologie. 1896 und 1897. 20) N. Uskow, Uber die Entwicklung des Zwerchfells, des Perikardiums und des Cöloms. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXII. 1883. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Fig. 1. Ventralansicht der Bauchhöhle von Stellio vulgaris. Dünndarm und Leber sind nach rechts hinübergezogen und dadurch die Kommuni- kationsöffnung zwischen linker Pleurahöhle und Peritonealhöhle zur Ansicht gebracht. Fig. 2. Bauchhöhle von Stellio vulgaris eröffnet in der Ansicht von rechts. Dünndarm und Leber vorgezogen. Fig. 3. Querschnitt durch den Rumpf eines Stellio vulgaris. (2fach vergr.) Fig. 4. Querschnitt durch die Lungengegend des Rumpfes eines älteren Em- bryo von Lacerta agilis. Fig. 5. Querschnitt durch den Rumpf eines 139 Stunden alten Hühner-Embryo. Fig. Querschnitt durch den Rumpf eines 8 Tage alten Hühner-Embryo. Fig. 7 und 8. Querschnitte durch den Rumpf eines Katzen-Embryo von 10,2 mm größte Länge. Sagittaldurchschnitt durch den Rumpf eines Kaninchen-Embryo vom Beginne des 14. Tages (linke Pleurahöhle). oe = Fig. 298 Fig. 10. F. Hochstetter, Über partielle und totale Scheidewandbildung ete. Sagittaldurchsebnitt durch einen Theil des Rumpfes eines älteren Embryo von Lacerta agilis (linke Pleurahohle). Fig. 11. Fig. 12. bryo von Anguis fragilis. Fig. 13. Querschnitt durch den Rumpf eines Scincus officinalis. Querschnitt durch die Lungengegend des Rumpfes eines älteren Em- (2fach vergr.) Querschnitt durch den Rumpf desselben Embryo, weiter caudal geführt. Buchstaben-Erklärung. A Aorta, Atr Atrium, C Cöcum, C.B.F caudale Begrenzungsfalte der Pleurahöhle, D.C.s Duetus Cuvieri sinister, D.d Diaphragma dorsale, D.L.S diaphragmaler Luftsack, F.K Fettkörper, G.Bl Gallenblase, HA Hoden, H.F Hohlvenenfortsatz der Leber, L Leber, Lg Lunge, L.s Lymphsinus um die Aorta, Lh.c.p Ligamentum hepato - cavo - pul- monale, l.h.p Ligamentum hepato-pulmonale, !.p.a Ligamentum pulmonale accesso- rium, l.s.h Ligamentum suspensorium hepatis, l.Lg.G linkes Lungengekröse, M.d Mesenterium dorsale, M.v Mesenterium ventrale, Mg Magen, M.G MUuuER’scher Gang, M.pl.p Membrana pleuropericardiaca, N.H Nebenhoden, N.B Netzbeutel, N.B.V Netzbeutelvorraum, N.phr Nervus phrenicus, O. M.G Ostium abdominale des MULLER- schen Ganges, Oe Osophagus, Pc.H Perikardialhöhle, P1.H Pleurahöhle, Sy Grenzstrang des Sympathicus, Si.v Sinus venosus, U.F Urnierenfalte, U.L Urnierenleiste, U.N Urniere, V.c Ventriculus cordis, V.cap Vena cardinalis posterior, V.c.p Vena cava posterior, V.u Vena umbilicalis, Z.B.L Zwerchfellband der Leber. ish UF OMG “py, 0aNne, Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig Taf XII. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. Von Dr. med. Hermann Adolphi, Prosektor am anatomischen Institut der Universität Jurjew (Dorpat). Mit 1 Figur im Text. Im vorigen Sommer hatte Herr Magister S. PurscHkowsk1, Privatdocent am hiesigen Veterinärinstitut, die Freundlichkeit, mir das Skelet eines Hundes, welches sich in seinem Privatbesitze be- findet, zur Untersuchung und Beschreibung zu übergeben!. Zugleich machte er mich darauf aufmerksam, dass im Zootomischen Institute ein Hundeskelet aufbewahrt würde, welches gleichfalls für mich von Interesse sein könnte. Bei beiden Skeletten fand ich ein ungewöhnliches Verhalten der Grenze zwischen Hals- und Brusttheil der Wirbelsäule. Bei Hund I erreichten die Rippen des Wirbel VIII das Sternum nicht. Bei Hund II trägt Wirbel VII ein Rippenpaar, von dem allerdings nur die rechte Rippe beweglich ist. Bei beiden Skeletten waren ferner die Grenze zwischen Brust- und Lendentheil der Wirbelsäule unge- wöhnlich situirt, dessgleichen waren die Kreuzbeine anders beschaffen als in der Norm. Individuelle Schwankungen der distalen Grenze der Berippung, wie auch der Zusammensetzung des Sacrum, sind ja bei Säugethieren nicht gerade selten. Es ist bekannt, dass die thoraco-lumbale, die lumbo-sacrale und die sacro-caudale Grenze, falls zwei von ihnen oder gar alle drei individuell von dem Zustande abweichen, welcher seiner überwiegenden Häufigkeit wegen als Norm bezeichnet wird, 1 Herr PUTSCHKOWwSKI hat die Absicht, demnächst eine Beschreibung dieses Skelettes in russischer Sprache zu veröffentlichen. 300 Hermann Adolphi dass sie dann solches in der gleichen Richtung zu thun pflegen. Diese Grenzen pflegen also gemeinsam proximal oder gemeinsam distal abzuweichen. Eine derartige Korrelation der Abweichungen ist typisch — auch für den Hund. Beispielsweise sind bei dem von FLower! angeführten German boarhound Wirbel VIII—XXI Brust- wirbel und Wirbel XXII—XXVIH Lendenwirbel, während Wirbel XXIX—XXXI das Sacrum bilden. Da aber in der Norm Wirbel VIII—XX Brustwirbel und Wirbel XXI—XXVI Lendenwirbel sind, während Wirbel XXVIII—XXX das Sacrum bilden, so sind bei jenem German boarhound alle drei erwähnten Grenzen um ein Seg- ment distal verschoben. Schwankungen der proximalen Grenze der Berippung finden sich dagegen nur selten beim Siugethiere. Für die Entscheidung der Frage, ob die proximale Thoraxgrenze die Tendenz habe, sich in der gleichen Richtung zu verschieben wie die distale Thoraxgrenze oder etwa in der entgegengesetzten Richtung, ist daher nicht häufig Material zu finden. Mit um so größerem Interesse habe ich die beiden vorliegenden Hundeskelette untersucht. Hund L. Das Skelet entstammt einem männlichen Thiere von der Größe eines starken Hühnerhundes. Als die Anomalie der ersten Rippe bemerkt wurde, waren Kopf und Fell bereits entfernt, so dass sich die Rasse des Thieres nicht mehr bestimmen lief. Wirbel I—VII sind rippenlos. Vom Atlas abgesehen, finden sich hier die am weitesten zur Seite ragenden Querfortsitze am Wirbel IV. (An einer größeren Anzahl von Hundeskeletten habe ich mich davon überzeugen können, dass diese Eigenthümlichkeit ‘sonst immer dem Wirbel III zukommt.) Die Querfortsätze der Wirbel VI und VII entsprechen nur theil- weise der Norm und sind unsymmetrisch. Der rechte Querfortsatz des Wirbel VI ist zwar darin normal, dass sein stark vorragender ventraler Rand in nahezu sagittaler Richtung verläuft, darin aber stimmt er mit dem Verhalten des Wirbel V überein, dass dieser Rand in der Mitte ein wenig ausgeschweift und zugeschärft ist. Der linke Querfortsatz des Wirbel VI ist ganz so gestaltet, wie er bei Wirbel V zu sein pflegt. 1 1885, pag. 80. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. 301 Der rechte Querfortsatz des Wirbel VII ist klein und undurch- bohrt, ganz wie er diesem Wirbel zukommt. Der linke Querfortsatz des Wirbel VII ist durchbohrt und genau von der Form und Größe, wie er bei Wirbel VI zu sein pflegt. Wirbel VIHI—XX tragen beiderseits Rippen, ferner trägt auch Wirbel XXI rechts eine Rippe. Es sind demnach rechts 14 und links 13 Rippen vorhanden, also am distalen Ende eine Rippe mehr als in der Norm. An der rechten Rippe des Wirbel VIII sind Capitulum und Tubereulum gut entwickelt. Der Körper dagegen ist schlank und sehr kurz, er endet mit einer ein wenig nach außen gekrümmten Spitze. Ein Rippenknorpel ist nicht vorhanden gewesen. Die Länge der Rippe ist am inneren Rande gemessen 40 mm. Die längste lineare Aus- dehnung — von der ventralen Spitze zum Tuberculum — beträgt 41 mm. Das Sternum erreichte diese Rippe nicht. Die linke Rippe des Wirbel VIII hat weder Kopf noch Hals. Nur das starke Tubereulum artikulirt mit dem Querfortsatze des Wirbel VIII. Der Körper der Rippe ist stark und fast gerade. Das ventrale Ende ist ein wenig verdickt und schräg abgestutzt. Diese schräge Endfläche ist rauh. Man sieht, dass hier ein starker Rippen- knorpel vorhanden war. Die Rippe ist am konkaven Rande ge- messen 39 mm lang. Die längste lineare Ausdehnung beträgt 57 mm. Die rechte Rippe des Wirbel IX hat in ihrem knöchernen Theile ganz die Form einer ersten Rippe. In der Größe steht sie zwischen einer gewöhnlichen ersten und zweiten. Die Länge beträgt, am konkaven Rande gemessen, 82 mm. Der Rippenknorpel ist voll- ständig erhalten. Er ist Anfangs schlank, um sich bald zu ver- breitern und schließlich in zwei Äste zu gabeln, welche das Sternum getrennt erreichen. Der proximale Ast geht an das stark verkürzte erste Glied des Sternum, der distale an die Verbindungsstelle des ersten und zweiten Gliedes. Die linke Rippe des Wirbel IX ist, am konkaven Rande ge- messen, 69 mm lang. Das ventrale Ende ist sehr stark verbreitert — 29mm. Die für den Ansatz des Rippenknorpels bestimmte rauhe Fläche ist langgestreckt. Sie ist zwar einheitlich, doch zeigt sie in der Mitte eine deutliche Einziehung. Der Rippenknorpel ist bei der Sektion etwa in der Mitte durchschnitten worden. Leider ist nur die mit dem Sternum verbundene Hälfte aufbewahrt worden. Sie zeigt eine eben solche Gabelung in zwei Äste, und die gleiche Ver- bindung mit dem Sternum wie der entsprechende Knorpel der Morpholog. Jahrbuch. 27. 20 302 Hermann Adolphi anderen Körperhälfte. Eine glatte Stelle, die sich am distalen Ende des Vorderrandes der knöchernen Rippe findet, legt die Vermuthung nahe, dass mit ihr und wohl auch mit dem Anfange des Rippen- knorpels der Knorpel der vorhergehenden Rippe (vom Wirbel VIII) gelenkig verbunden war. Die Größe der beiden Rippen stimmt mit dieser Annahme gut überein. Da aber der ganze Knorpel der ersten Rippe und der in Frage kommende Theil des Knorpels der zweiten Rippe verloren sind, so lässt sich hierüber nichts Sicheres ermitteln. Mit dem Sternum war der Knorpel der ersten Rippe jedenfalls nicht verbunden. Das Sternum besteht aus neun Gliedern. Das erste Glied ist stark verkürzt. Seine Länge beträgt nur 35 mm, während etwa 55 mm bei einem Hunde von dieser Größe zu erwarten wären. Mit dem zweiten Gliede ist das erste synostotisch verbunden, doch reicht ein trennender Spalt von beiden Seiten aus sehr weit in die Tiefe. An die Verbindungsstelle des achten und neunten Gliedes sind die Knorpel der zu Wirbel XVI gehörigen Rippen angelenkt. An die ventrale Fläche des neunten Sternalgliedes sind die Knorpel des zehnten, zu Wirbel XVII gehörigen Rippenpaares an- geheftet. Während also das Sternum an seinem proximalen Ende redueirt ist, hat dasselbe am distalen Ende ein Glied mehr, und es ist hier ein Rippenpaar mehr mit dem Sternum verbunden als in der Norm. Beim dreizehnten, zu Wirbel XX gehörigen Rippenpaare sind Capitulum und Tubereulum noch deutlich getrennt. Die rechte Rippe des Wirbel XXI ist ein schlanker, schwach gebogener Knochenstab von 79 mm Länge, der zugespitzt endet. Diese Rippe hat nur eine Gelenkfläche; dieselbe artikulirt mit dem Körper des Wirbel XXI. Der Dornfortsatz des Wirbel VII ist nach vorn berichtet und ganz kurz. Der Dornfortsatz des Wirbel VIII ist schräg nach vorn und oben gerichtet, er ist 40 mm lang und endet zugespitzt. Wirbel IX: trägt den ersten wirklich langen Dornfortsatz — 62 mm. Die Dornfortsätze der Wirbel VII—IX entsprechen in Form und Größe den Dornfortsätzen, welche sich in der Norm bei Wirbel VI —VIH finden. Der letzte Brustwirbel, welcher einen nach hinten gerichteten Dornfortsatz trägt, ist Wirbel XVIII. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. 303 Wirbel XIX trägt den ersten nach vorn gerichteten Dornfortsatz und ist somit diaphragmatischer Wirbel. Die Richtungsänderung der Dornfortsätze findet in der Norm zwischen Wirbel XVII und XVII statt, so dass für gewöhnlich Wirbel XVIII der diaphragmatische ist. Das erste Gelenk mit sagittal gestellten Gelenkflächen findet sich zwischen den Wirbeln XVIII und XIX. In der Norm ist schon das Gelenk zwischen Wirbel XVII und XVIII sagittal gestellt. Während Wirbel XXI, wie erwähnt, rechts eine freie Rippe trägt, hat er links einen kleinen Querfortsatz, wie er dem ersten Lendenwirbel zukommt. Wirbel XXII—XXVI sind reine Lendenwirbel. Wirbel XXVIII— XXX sind synostotisch zum Sacrum verbunden. Die Massa lateralis des Wirbel XXVIII trägt am proximalen Rande beiderseits einen schlanken, schräg nach vorn ragenden Fort- satz. Seine Länge beträgt rechts 19 mm, links 22 mm. Es ist ein Querfortsatz, wie ihn der letzte Lendenwirbel zu tragen pflegt; nur ist die Größe erheblich reducirt. Wirbel XXXI ist zwar nicht durch Synostose mit dem Sacrum verbunden, hat aber doch zu demselben nähere Beziehungen als in der Norm. Er trägt jederseits einen starken Querfortsatz von an- nähernd viereckiger Gestalt, welcher sich an die Massa lateralis des Kreuzbeines in weiter Ausdehnung anlegt. Getrennt, oder vielmehr verbunden waren beide Skelettheile jederseits durch eine ganz dünne Gewebslage. Wirbel XXXII und die folgenden sind reine Schwanzwirbel. Sie sind bis zum Wirbel XLVII erhalten, doch ist dieser — wie seine Form beweist — nicht der letzte gewesen. Wirbel XXXIV zeigt keine Spur von Hämalapophysen, Wirbel XXXV trägt dagegen einen geschlossenen Hämalbogen. Der letzte geschlossene Neuralbogen findet sich am Wirbel XXXVI. Hund II. Die im Zootomischen Institute ihrer Halsrippen wegen aufbe- wahrte Wirbelsäule entstammt einem Windhunde. Sie weist nur 26 Präsacralwirbel auf, also einen Präsacralwirbel weniger als in der Norm. Die Wirbel sind bei der Maceration isolirt und dann auf Stäbe und Drähte aufgereiht worden, so dass freilich die Ge- legenheit, einen Wirbel aus der Reihe zu verlieren, vorhanden war. 20* ‘4 304 Hermann Adolphi Eine Lücke ist aber nicht zu entdecken; die Wirbel passen sammt ihren Gelenk- und Dornfortsätzen alle vorzüglich an einander. Die ganze Wirbelsäule macht in jeder Beziehung den Eindruck der Voll- ständigkeit, so dass sich nicht bezweifeln lässt, es seien hier in der That nur 26 Präsacralwirbel vorhanden gewesen. Wirbel I—VI zeigen normale Formen. Wirbel VII trägt rechts eine freie Rippe von 20 mm Länge. Die Rippe besteht aus einem starken Tubereulum, welches mit dem Ende des Querfortsatzes von Wirbel VII artikulirt, und einem kurzen geraden Körper, der zugeschärft endet. Ein Rippenknorpel war nicht vorhanden. Das Sternum erreichte diese Rippe jedenfalls nicht. Vom Rippenhals und Köpfchen fehlt jede Spur. Links trägt Wirbel VII eine Rippe von gleicher Form und Größe, doch ist dieselbe mit dem Ende des Querfortsatzes synostotisch ver- bunden. Die Grenze beider Skelettheile ist deutlich sichtbar. Wirbel VIII—XIX tragen jederseits eine freie Rippe. Diese 12 Rippenpaare haben alle deutlich entwickelte Capitula und Tu- bereula. Das Sternum ist nicht aufbewahrt worden, wohl aber die Rippen- knorpel. Die Knorpel des zu Wirbel XVI gehörenden Rippenpaares werden bald sehr schlank, wie sie es zu thun pflegen, wenn sie einmal ausnahmsweise das Sternum nicht erreichen, sondern sich dem Rippenbogen anfügen. Die Dornfortsätze der Wirbel VIL und VIII verhalten sich normal. Der Dornfortsatz des Wirbel XVI hat einen genau senkrecht stehenden hinteren Rand. Der Dornfortsatz des Wirbel XVII ist der erste nach vorn gerichtete. Somit ist hier Wirbel XVII der dia- phragmatische gegen Wirbel XVIII in der Norm. Das erste Gelenk mit sagittal gestellten Gelenkflächen findet sich zwischen Wirbel XVI und XVII, also gegen die Norm um ein Segment proximal verschoben. Wirbel XX—XXVI sind Lendenwirbel. Wirbel XX, welcher in der Norm der letzte Brustwirbel ist, trägt hier Querfortsätze von der Form und Größe, wie sie dem ersten Lendenwirbel zukommen. Rippen fügen sich diesem Wirbel nicht an. Gleichwohl gehört zum Segmente XX eine linke Rippe. Es ist das ein sanft gebogenes Stäbchen aus verkalktem Knorpel, welches frei in der Muskulatur steckte. Die genauere Fundstelle ist leider nieht anzugeben. Die Länge dieser Rippe beträgt 43 mm, die Breite nur 2 mm. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. 305 Wirbel XXVII—XXIX sind synostotisch zum Sacrum verbun- den. Das Sacrum liegt also um ein Segment mehr proximal als in der Norm. Wirbel XXX und die folgenden sind Schwanzwirbel. Sie sind bis zum Wirbel XLIX erhalten, doch ist dieser — wie seine Form beweist — nicht der letzte gewesen. . Wirbel XXXIII zeigt keine Spur von Hämalapophysen. Wir- bel XXXIV trägt dagegen einen geschlossenen Hämalbogen. Der letzte geschlossene Neuralbogen findet sich am Wirbel XXXY. Um den Vergleich der beiden Wirbelsäulen unter einander und mit der Norm bequemer zu gestalten, habe ich das nebenstehende Diagramm angefertigt. Die parallelen Linien geben für jeden Hund die beiden Reihen der Rippen an, und zwar bezeichnet der feste Strich die Reihe der Sternalrippen, die durchbrochene Linie die prä- sternalen und die poststernalen Rippen. Die zum Sacrum synostosirten echt. Hund I "ink br i > 2 Norm br rechts Hund I lirdes br Wirbel sind gleichfalls durch einen Strich bezeichnet. Die nach- folgende durchbrochene Linie kennzeichnet bei Hund I den sacro- caudalen Übergangswirbel. Die Buchstaben bedeuten: br breitester Querfortsatz an den auf den Atlas folgenden Halswirbeln, /»g erster langer Dornfortsatz, dia diaphragmatischer Wirbel, 2 erste Hämal- apophysen, » letzter geschlossener Neuralbogen. Bei der Darstellung der Norm bin ich den Angaben von ELLENBERGER und Baum! ge- folgt. Nach ihnen ist gewöhnlich der vierte oder fünfte Schweif- wirbel der Träger der ersten Hämalapophysen. Bei Hund I ist das vordere Ende der Berippung gegen Hund II um ein Segment distal verschoben. Die vordere Grenze der Sternal- rippen ist um ein, die hintere um zwei Segmente distal verschoben. Das hintere Ende der Berippung ist rechts um zwei Segmente distal verschoben. Das vordere Ende des Sacrum ist um ein, das hintere 1 1891, pag. 13. 306 Hermann Adolphi um ein bis zwei Segmente distal verschoben. Der breiteste Quer- fortsatz der Halswirbel findet sich bei Hund I ein Segment weiter distal als bei Hund II. Der erste lange Dornfortsatz findet sich ein Segment weiter distal. Der diaphragmatische Wirbel findet sich zwei Segmente weiter distal. Die ersten Hämalapophysen finden sich ein Segment weiter distal. Der letzte geschlossene Neuralbogen findet sich zwei Segmente weiter distal. Also alle diese Regions- grenzen, Formeigenthümlichkeiten und Gebilde finden sich bei Hund I ein oder zwei Segmente weiter distal als bei Hund II. Die Norm steht in der Mitte. Linksseitig endeten die Rippen allemal mit Segment XX. Gleich- wohl war diese letzte linke Rippe sehr verschieden entwickelt. Bei Hund I war es eine starke Rippe mit deutlich getrenntem Capitulum und Tubereulum. In der Norm sind Capitulum und Tuberculum an dieser Rippe oft verschmolzen. Bei Hund II hatte die Rippe jeden Zusammenhang mit dem Wirbel aufgegeben und war zu einem kur- zen, ganz dünnen Splitterchen herabgesunken. Bei diesen Hunden schwankte also die proximale Grenze der Berippung in der gleichen Richtung wie die distale Grenze der Be- rippung. Und das scheint mir bei Säugethieren das typische Ver- halten zu sein. Die proximale und die distale Thoraxgrenze haben die Tendenz, sich in der gleichen Richtung zu verschieben. Findet man bei einem Säugethiere ausnahrfnsweise am Wirbel VII Rippen, so kann man mit einer gewissen Sicherheit erwarten, dass die letzten Rippen gegen die Norm redueirt sind, sei es nur an Größe oder auch an Zahl. Sind dagegen die Rippen des Wirbel VIII aus- nahmsweise redueirt und erreichen sie das Sternum nicht, so kann man mit einer gewissen Sicherheit erwarten, die letzten Rippen über die Norm hinaus entwickelt zu finden, sei es nur an Größe oder auch an Zahl. Für diesen Sachverhalt spricht auch eine Beobachtung am Go- rilla. STRUTHERS! untersuchte 20 Gorillaskelette. Bei 16 Skeletten trugen Wirbel VIII—XX Rippen; das ist die Norm. Bei drei Ske- letten trugen Wirbel VIII—XXI Rippen. Bei einem Skelette trugen Wirbel IX—XXI Rippen. Dieses Skelet entstammt einem alten Gorillaweibchen, es be- findet sich im anatomischen Museum der Universität Aberdeen. 1 1893, pag. 132. Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. 307 STRUTHERS beschreibt diesen Fall wie folgt: »Case in which the ribs are placed a vertebra lower than usual .... Vertebrae, cer- vical 8, costal 13, lumbar 3. The seventh cervical vertebra has the usual character of sixth, a very prominent anterior transverse pro- cess and a large rounded foramen. The eighth vertebra has the usual characters of a seventh, the foramen bounded in front by a narrow bar of bone. This is seen on the left side; on the right side this part of the vertebra is brocken off .... In this female gorilla the thirteen ribs are well formed, the last is 6 to 7 inches in length and comes close to the iliac crest. The dorsal type of articular process begins abruptly a vertebra lower than usual... .<« Die Beobachtungen, welche WELCKER! an 40 Skeletten von Bradypus und 9 Skeletten von Choloepus angestellt hat, sind leider von ihm nur sehr summarisch beschrieben worden2. So sind bei- spielsweise die Befunde bei den verschiedenen Arten von Bradypus nicht getrennt aufgeführt worden. Immerhin ist es sehr beachtens- werth, dass WELCKER für beide Gattungen der Faulthiere zu dem Resultat kommt: »je weiter das Sacrum vorrückt, desto weiter rückt auch der vordere Rand des Thorax nach vorn«. Dass auch bei den Faulthieren sich Sacrum und distale Thoraxgrenze in der gleichen Riehtung verschieben, ist zweifellos. Für Choloepus didactylus hat WELCKER dieses an einem anderen Orte? direkt gezeigt. Und so- mit ist es im allerhöchsten Grade wahrscheinlich, dass bei den Faulthieren die proximale und die distale Thoraxgrenze die Tendenz haben, sich in der gleichen Richtung zu verschieben. Es erübrigt nur, dieses für die einzelnen Arten von Bradypus und Choloepus getrennt nachzuweisen. | Auf das Material, welches ich in dieser Frage über den Men- schen am Leichentische und in der Litteratur gesammelt habe, werde ich demnächst zurückkommen. Jurjew (Dorpat), den = November 1898. 1 1878, pag. 294 und 295. * Eine Veröffentlichung über dieses Thema in den Sitzungsberichten der naturforschenden Gesellsehaft zu Halle ist mir nicht zugänglich gewesen, doch scheint sie mit der gleichzeitigen Mittheilung im Zoologischen Anzeiger inhalt- lich übereinzustimmen. 3 1881, pag. 175. 308 Herm. Adolphi, Über die Wirbelsäule und den Brustkorb zweier Hunde. Verzeichnis der eitirten Litteratur. 1878. H. WELCKER, Zur Lehre vom Bau und Entwickelung der Wirbelsäule. Zoologischer Anzeiger. Jahrg. I. pag. 291—295 und 311—314. 1881. —— Die neue anatomische Anstalt in Halle, durch einen Vortrag über Wirbelsäule und Becken eingeweiht. Archiv für Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte von His und BRAUNE. pag. 161—192. 1885. W. H. FLower, An introduction to the osteology of the mammalia. 1891. W. ELLENBERGER und H. Baum, Systematische und topographische Anatomie des Hundes. 1893. J. STRUTHERS, On the articular processes of the vertebrae in the gorilla compared with those of man, and on costo-vertebral variation in the gorilla. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXVII. pag. 131 —138. Ein M. coraco-antibrachialis beim Menschen. Beitrag zur Morphologie des M. biceps brachii. Von Dr. med. Wilhelm Lubosch, Assistenten am anatomischen Institut. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) Mit 1 Figur im Text. Vor kurzer Zeit wurde auf dem Präparirsaal des Instituts eine Varietät des M. biceps brachii beobachtet, die ihrer Seltenheit wegen Beachtung verdient. Da ich durch die Freundlichkeit des Herrn Geh.-Rath Hasse in den Stand gesetzt wurde, das Präparat eingehend zu untersuchen, so soll hiermit ein Bericht über die Beobachtung erstattet werden. An eine kurze Beschreibung der Varietät wird sich eine Zusammenstellung der bekannten gleichartigen Fälle, und zum Schluss eine Verwerthung des Materials für die Morphologie des M. biceps brachii anschließen. Der Fund wurde an dem linken Arm einer männlichen Leiche gemacht; vom Schultergiirtel bis zur Hand war die Muskulatur im Übrigen nirgends defekt, nur fiel es sofort in die Augen, dass der lange Kopf des Biceps an dem Präparat nicht vorhanden war. Der kurze Kopf entsprang wie gewöhnlich mit dem M. coraco-brachialis vereinigt am Proc. coracoideus, lief schräg über den Humerus hin- weg zur Ellenbeuge, setzte sich mit einer Endsehne an die Tubero- sitas radii an und schickte nach der ulnaren Seite hin einen kräfti- sen Lacertus fibrosus aus. Sein Muskelbauch war der Länge nach und ringsum glatt, ohne Spur einer Verletzung oder Narbe. Der 310 Wilhelm Lubosch Humerus zeigte sich bis auf eine Exostose am Ansatz des M. del- toideus völlig normal gebaut. An der Stelle, an der sonst die Sehne des langen Kopfes herabzieht, war der Suleus intertubercularis deut- lich ausgeprägt, sogar schärfer als gewöhnlich, da die Spina tubereuli majoris hoch und stark, kammartig in die Höhe ragte. Der Sulcus intertubereularis war nur von den an einander grenzenden Sehnen des M. latissimus dorsi und des M. pectoralis major ausge- kleidet. Die Kapsel des Schultergelenkes war am Rande des knor- peligen Kopfes fest an die beiden Tubercula und den Beginn des Suleus angeheftet, so dass das Relief des Knochens fast unverhüllt hervortrat. Nirgends zeigte sie an dieser Stelle eine Durchbohrung oder auch nur eine Ausstülpung. Nach Durchschneidung des M. deltoideus an seinem Ursprung und des M. subscapularis an seiner Insertion wurde die Kapsel des Schultergelenkes durch zwei Einschnitte hinten und innen eröffnet, und der Kopf herausluxirt. Der jetzt frei liegende Limbus carti- lagineus der Fossa glenoidalis war an seinem oberen Rande glatt; es fand sich kein Tubereulum supraglenoidale; eben so glatt zeigte sich die Oberfläche des Gelenkkopfes und die ihm zugewandte innere Seite der Kapsel. Somit handelt es sich um einen vollständigen Mangel des langen Kopfes des Biceps und seiner Ursprungssehne, so dass an Stelle eines M. biceps nur ein M. coraco-anti- brachialis vorhanden war. Von dem Lacertus fibrosus dieses Muskels entsprangen weiterhin Muskelbündel zum M. flexor carpi radialis und pronator teres. Der M. biceps brachii ist außerordentlich reich an Variationen; sie können sowohl als Excess- wie auch als Defektbildungen auf- treten. Vorzüglich sind es accessorische Bestandtheile des Muskels, die sehr häufig beobachtet werden, und über die schon in der älteren Litteratur!, noch mehr aber in der modernen?, zahlreiche Angaben vorhanden sind. Am eingehendsten würdigt sie HENLE®, der sogar Gelegenheit hatte, einen fünfköpfigen langen Beuger zu präpariren. Gegenüber diesen fast alltäglichen Erscheinungen sind Defekte nun 1 Siehe die Lehrbücher von Bock, Bd. I, 1849 und MEckEı, Bd. IJ, 1816. 2 RAUBER, 2. Aufl., 1886. HyrTL, 18. Aufl. GEGENBAUR, 2. Aufl., 1885. 3 HENLE, Handbuch der Anatomie des Menschen. 3. Aufl. Bd.I. 1871. pag. 188. eee, ~~ Kin M. coraco-antibrachialis beim Menschen. 311 ein sehr seltenes Ereignis. Die gesammte Litteratur dieses Jahr- hunderts weist bisher nur sieben Fälle auf, in denen das Caput lon- gum völlig fehlte. Über einen Fall berichtet Mecken', zwei weitere, von Orro und LAuTH beobachtete, eitirt HENLE2, ein vierter ist von Hykru? beschrie- ben worden. Den fünf- ten beobachtete Jous- > SEL4, den sechsten und siebenten endlich TE- stur’. Bei LAUTH war der allein vorhandene A Retoralis Proc. eoracoideus M. coraco-brachials ; Caput breve. Sulcus ‘Inter tubercularis As minor. Spina tuberculi kurze Kopf stärker als majorts gewöhnlich. | 1 f A IN Sehne des M. Pectoralis major. Hieran sind die- jenigen Fälle anzu- reihen, in denen der lange Kopf zwar nicht völlig fehlte, jedoch in abnormer Weise vom Humerus unterhalb des Gelenkkopfes ent- sprang. HyRrTLs er- wähnt zwei Beispiele, nach denen der lange Eisepertes ucts: Kopf nur durch einen N von der Kapsel des Schultergelenkes ent- / Springenden Sehnen- N streifen ersetzt war. Tan M brachialis internus .........\\:\ \ Sehre des M. Biceps Ne Einmal fand sich bei zur Tuberositas radu \ \ LAuTH? . anstatt des M flexor carpi ......---\- radialis langen Kopfes, der 1 MECKEL’s Archiv. Bd. VIII. pag. 587. 2 HENLE, Handbuch der Ana- tomie des Menschen. 3. Aufl. Bd. I. 1871. pag. 188. 3 a.a.0. pag. 362. * JosssEL, Beiderseitiges Fehlen des langen Bicepskopfes. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. . Bd. II. 1877. pag. 143. 5 TESTUT, Les anomalies musculaires. Paris 1884. pag. 373. 6 2.2.0. pag. 362. 312 Wilhelm Lubosch “ fehlte, ein accessorischer dritter, von dem unteren Theile des Hu- merus, ein anderes Mal entsprang der lange Kopf bei KostEr! von der Innenfläche der Sehne des Pectoralis major. HENKE? hat solche Beobachtungen, nach denen der Ursprung im Suleus intertubereularis lag, öfter gemacht, meint aber, dass vielfach pathologische Verände- rungen des Gelenkes damit verbunden wären, WELCKER? hingegen glaubt, in den von ihm beobachteten ähnlichen Fällen, solche Ver- änderungen mit Sicherheit ausschließen zu können. Der Vollständig- keit halber sei bemerkt, dass ein Defekt des Caput breve überhaupt nur zweimal beobachtet wurde, von MECKEL* und von MACALISTER (s. bei Testur pag. 373). Je seltener nun eine Muskelvarietät ist, um so mehr könnte man geneigt sein, sie als »Naturspiel« aufzufassen; indess kann dies für die beschriebene Anomalie nicht gelten. Es ist unbedingt als auffällig zu bezeichnen, dass alle erwähnten Defektbildun- sen und die große Masse der überzähligen Muskeltheile gerade den langen Kopf betreffen, und es erhellt daraus zum mindesten die große Disposition des Caput longum zum Variiren, im Gegensatz zu dem viel beständigeren Caput breve. Dies wird einigermaßen verständlich, weil nach den Unter- suchungen WELCKER’s® die jetzige Lage des langen Bicepskopfes für den Menschen eine recht junge Erwerbung ist. WELCKER hat gezeigt, dass noch in einer verhältnismäßig späten embryonalen Zeit die Sehne nicht frei im Inneren des Gelenkes liegt, sondern durch ein später verschwindendes »Mesotenontium« gegen die Wand be- festigt ist. Ja, bei den Primaten bleibt sie zeitlebens in einem Re- cessus der Capsula synovialis liegen. , ‘So findet man in der Ontogenese des Menschen die letzten Schritte einer Einwanderung in das Schultergelenk und bei den Primaten ein vorletztes Stadium dieses Weges. GEGENBAUR® hat zu einer Hauptgruppe der Muskelvarietäten die- 1 Hente, Handbuch der Anatomie des Menschen. 3. Aufl. Bd. I. 1878. pag. 188. 2 HeNKE, Handatlas und Anleitung zum Studium der Anatomie des Men- schen. I. Text. pag. 87. 3 WELCKER, Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. I. 1876. pag. 185. 4 MEcker’s Archiv. Bd. VIII. pag. 587. 5 WELCKER, Die Einwanderung der Bicepssehne in das Schultergelenk. Archiv für Anatomie und Physiologie. . Anatom. Abtheil. 1878. pag. 20—42, 6 GEGENBAUR, Besprechung von Testur’s Werk: »Les anomalies muscu- laires«. Morphol. Jahrbuch. Bd. X. pag. 331—336. Ein M. coraco-antibrachialis beim Menschen. 313 jenigen vereinigt, die als ererbte, atavistische gelten können, zu der nach dem Gesagten der Defekt des Caput longum nieht gezählt werden kann. Ihnen stellt er alle anderen gegenüber, und unter- scheidet darin zwei weitere Abtheilungen, nämlich a) solche, die im Bereich der Wirbelthiere zwar als Normal- befunde bestehen, aber nicht direkt von daher auf den Menschen übertragen werden können, und b) solche, welche gar nicht von jenen Normalbefunden ableit- bar sind, und höchstwahrscheinlich nur aus individuellen Schwankungen der Muskulatur hervorgingen. Zur ersten dieser beiden Abtheilungen ist der Defekt des langen Kopfes zu zählen. Denn es ist bekannt, dass ein einköpfiger langer Beuger typisch bei den Sauropsiden — man kann noch weiter bis zu den Amphibien zurückgehen — gefunden wird. Unter Berücksichtigung der vergleichend-anatomischen Werke von MECKEL1, CuUVIER?, STANNIUS?®, OWEN? und GEGENBAUR®, sowie ein- zelner Untersuchungen von FÜRBRINGER® und SOLGER’ sind hierüber folgende Angaben zu machen. Bei den ungeschwänzten Batrachiern entspringt der lange Beuger am Coracoid, dem Sternum und der Clavicula (MECKEL) — es ist ein Sterno-radialis vorhanden (Cuvier) — Ursprung »from the fore and inner part of the glenoid cavity (OWEN). — Es besteht ein Coraco-radialis proprius (GEGENBAUR). Bei den Cheloniern findet sich ein einköpfiger, individuell ver- schieden gestalteter langer Beuger mit seinem Ursprung am Coracoid. Die Saurier besitzen außer diesem noch einen accessorischen Kopf von der äußeren Fläche des Humerus (MECKEL). GEGEN- BAUR bezeichnet den Muskel der Saurier kurz als zweiköpfig. Für die Vögel erwähnt MECcKEL den vollständigen Defekt des ganzen Muskels beim Pinguin. Bei Uria und Mormon, eben so beim 1 MECKEL, System der vergleichenden Anatomie. Bd. III. Halle 1828. 2 CUVIER, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Deutsch von FRORIEP und MECKEL. Leipzig 1809. 3 STAnNIUS, Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. Berlin 1846. 4 Owen, On the anatomy of vertebrates. London 1868. 5 GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichti- gung der Wirbellosen. Bd.I. Leipzig 1898. 6 FÜRBRINGER, Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. Morph. Jahrbuch. Bd. 1]. pag. 636—816. 7 SOLGER, Zur Anatomie der Faulthiere. Morph. Jahrbuch. Bd.I. pag. 199 —218. 314 Wilhelm Lubosch Strauß (Owen) findet sich ein Kopf, entspringend vom Coracoid, alle übrigen Vögel besitzen ein Caput longum vom Coracoid und einen kurzen, accessorischen Kopf vom inneren Höcker des Hu- merus. Zwischen den Sauropsiden und den Säugethieren besteht eine bisher nicht überbrückte Kluft. Nur bei den Monotremen erhält sich ein Ursprung am Coracoid, ähnlich dem der Vögel. Sonst wird ein Ursprung von der Scapula als Caput longum der Hauptbestandtheil des Muskels, der in vielen Fällen allein als Flexor longus besteht, so bei den Marsupialiern (MECKEL, OWEN), einigen Edentaten (MECKEL, SOLGER, GEGENBAUR), dem größten Theil der Ungulaten (MEckEL, CUVIER, OWEN, GEGENBAUR), einigen Rodentiern (MECKEL) und vielen Carnivoren (MECKEL, OWEN, CUVIER, GEGENBAUR). Bei den übrigen Ordnungen, zumal den höheren, tritt ein Ursprung vom Coracoid- fortsatz als Caput breve hinzu, der dann sehr wohl in einer von WELCKER! vermutheten Muskelkonjugation zwischen Caput longum und Coraco-brachialis seine Entstehung finden könnte. Schon Cuvier hat angedeutet, dass der Biceps der Säugethiere mit dem der Vögel nicht verglichen werden dürfe. Indess ist man sich über die Stellung, die man dem menschlichen Biceps vergleichend- anatomisch zu geben habe, bisher nicht klar geworden. Es können im Wesentlichen zwei Auffassungen darüber bestehen. Entweder hält man, wie FÜRBRINGER? dies vor längerer Zeit that, das Caput longum für das Ursprüngliche, und lässt ein Caput breve sich erst sekundär, als Abzweigung vom M. coraco-brachialis, daran an- schließen, oder man hält den Ursprung vom Proc. coracoideus für den primären und lässt das Caput longum erst sekundär entstehen, wie es wohl GEGENBAUR meint, wenn er sagt?, »der lange mit seiner Ursprungssehne über das Schultergelenk hinwegziehende Kopf be- sitzt allgemeines Vorkommen, ist aber wohl nicht der ursprüngliche, da bereits auch in tieferen Abtheilungen das Coracoid am Ursprunge betheiligt ist«. Es ist also die Frage zu entscheiden: Haben die Säuge- thiere das Caput longum oder das Caput breve des Muskels neu erworben? Wir besitzen kein sicheres Mittel, das zu entscheiden, da die Ontogenese nur die allerletzten Stadien wiederholt, und da ferner die in ähnlichen Entscheidungen oft lichtbringende Innervation hier 11.e. Bd.E pag. 176; 2 ]. ce. pag. 726 und 727. 3]. c. pag. 687. Ein M. coraco-antibrachialis beim Menschen, 315 im Stich lässt. Somit sind wir auf die Beachtung der Formen bei einzelnen Säugethieren und auf die Verwerthung der menschlichen Varietäten angewiesen. Danach scheint jener humerale Ursprung der Krokodile der Ausgangspunkt des menschlichen langen Kopfes zu sein. Ihm ent- spricht bei den Vögeln der Ursprung am inneren Armbeinhöcker; auch beim Menschen kehrt der abnorme Ursprung unterhalb des Gelenkkopfes aus dem Sulcus intertubereularis oder von der Sehne des Pectoralis major wieder. Der völlige Defekt würde dann auf ein noch früheres Stadium, den einfachen M. coraco-antibrachialis hindeuten. Man müsste sich also vorstellen, dass der lange Kopf der Säugethiere nicht vom Coracoid hinüber, sondern vom Humerus zur Scapula hinaufgewandert sei, gleichwie, um den bei der Beu- gung wirksamen Hebelarm mehr und mehr zu verlängern. Dass der Ursprung des langen Bicepskopfes außerordentlich scharf auf die Abweichungen reagirt, denen die mechanische Funk- tion der vorderen Extremität in der Phylogenese unterworfen ist, und dass er nur in diesem Zusammenhange verstanden werden kann, ersieht man aus den im Einzelnen so verschiedenen Beziehungen zwischen Sehne, Schultergelenkkapsel und Humerus. Bei höchstem Kraftaufwand entwickelt sich z. B. am Humerus eine Trochlea!, wo- durch der wirkende Hebelarm beträchtlich verlängert wird. Es lässt sich denken, dass auch die Differenzirung des Caput longum der Säugethiere selber, auf bestimmte mechanische Ursachen zurückzuführen ist. Ein Muskel, der weit sternal entspringt, wie der M. sterno-radialis der Amphibien, kann nie mit seiner vollen Kraft als Beuger des Vorderarmes wirken, da er sich nie in der Bewegungsebene des Gelenkes kontrahirt. Ein Theil der aufgewen- deten Muskelkraft wird stets für die Flexion zu Gunsten der Ad- duktion des Humerus verloren gehen. Bei den Sauriern und den meisten Vögeln ist der M. coraco- antibrachialis vermöge seines weiter lateralen Ursprunges bereits mehr Beuger des Vorderarmes als Adduktor der oberen Extremität, wenngleich er auch hier nicht völlig in der Bewegungsebene des Ellbogengelenkes wirken kann. Die Entstehung eines Ursprunges am Humerus wäre dann gleichbedeutend mit der Verlagerung des Zuges in die Bewegungsebene selbst. Der lange Kopf des menschlichen Biceps erscheint dem- 1 S. bei WELCKER, pag. 23. 316 Wilhelm Lubosch, Ein M. coraco-antibrachialis beim Menschen. nach als eine selbständige Fortbildung des bereits bei den Sauriern vorhandenen äußeren oder kurzen Kopfes des M. coraco-antibrachialis, hervorgerufen durch den Einfluss-der Funktion, die eine freie, kräftige und isolirte Beugung er- forderte. In vielen Fällen dient er der Beugung allein; in anderen tritt der phylogenetisch älteste Theil, der kurze Kopf, aufs Neue als Verstärkung hinzu. Dieser Verwerthung der beschriebenen Anomalie für den M. biceps sei kurz eine Bemerkung über den Sulcus bieipitalis hinzu- gefiigt. BOoLK! hat vor einiger Zeit über die Entstehung dieser Furche die Hypothese aufgestellt, dass sie, unabhängig von der Sehne, allein durch eigenthümliche Wachsthumsenergie des Humerus erfolge. Der Ansatz der Muskulatur wirke auf den Knochen als Wachsthumsreiz. An der ventralen Seite des Humerus fehle in Folge der vorüberziehenden Bicepssehne die inserirende Muskulatur völlig. Mithin wachse der unter der Sehne liegende Theil des Hu- merus nicht weiter, sondern werde durch die sich vorwölbenden seitlichen und dorsalen Theile des Knochens überragt, so dass die Tiefe des Sulcus bicipitalis die Oberfläche des ursprünglichen Bla- stems darstelle. BoLK könnte die beschriebene Anomalie für seine Hypothese _verwerthen, denn hier war ohne Bicepssehne eine starke Furche vorhanden, wegen der kräftigen Spina tuberculi majoris sogar stärker als gewöhnlich. Indess bleiben gegen die Hypothese selbst wohl Einwände möglich. In dieser doppelten Beziehung war die beobachtete seltene Va- rietät von Interesse. — Für ihre Überlassung bin ich Herrn Geh.- Rath Prof. Dr. Hasse zu bestem Danke verpflichtet. Die Extremität selber wird im Institut aufbewahrt. Breslau, im November 1898, 1 L. BoLk, Die Sklerozonie des Humerus, zugleich ein Beitrag zur Bil- dungsgeschichte dieses Skelettheiles. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXIII. pag. 391. 1895. Die Homologie der Brust- und Bauchmuskeln. Von Louis Bolk, Professor der Anatomie an der Universität Amsterdam. Diese Notiz richtet sich insbesondere gegen eine Auffassung, welche von KoHLBRUGGE in einer vor Kurzem erschienenen Arbeit! hinsichtlich der Homologie zwischen Bauch- und Brustmuskeln dar- gelegt worden ist. Motiv hierzu ist keineswegs ein persönlicher An- griff, sondern die Werthe der Gründe, welche von dem Autor als Stütze seiner Meinung angeführt worden sind. Denn der vornehmste Grund, den der Autor für seine Homologisirung benutzt, ist ein schein- bar richtiger. Selber war ich früher, und auf Grund derselben Erscheinung, worauf von KOHLBRUGGE jetzt hingewiesen worden ist, zu einer Homologisirung gelangt, als von dem genannten Autor an- genommen wird, habe aber in jüngster Zeit das nicht Triftige derselben kennen gelernt. Weil es sich nun voraussehen lässt, dass die Ansicht des Autors in vergleichend-anatomischen Unter- suchungen vielleicht Verwerthung finden könnte, werde ich hier das nicht Richtige in der Homologisirung von KOHLBRUGGE kurz zeigen. Um so mehr finde ich Veranlassung dazu, weil ich hierdurch Gelegenheit habe, unsere Kenntnis über die Anatomie des Spatium intercostale ein wenig zu bereichern. KOHLBRUGGE wendet sich in seiner Abhandlung pag. 201 ins- besondere gegen die Homologisirung der Bauch- und Brustmuskeln, wie dieselbe von GEGENBAUR in seinem Lehrbuch der Anatomie, 4. Aufl., pag. 405 gegeben ist. Nach GEGENBAUR ist der Obliquus abdominis externus dem Intercostalis externus, der Obliquus abdo- ! Die Homotypie des Halses und Rumpfes. Eine vergleichende Unter- suchung der Hals- und Brustnerven und ihrer Muskeln, mit einem Anhang über den N. facialis. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abth. 1898. Morpholog. Jahrbuch. 27. 21 318 ‚Louis Bolk minis internus dem Intercostalis internus, und der Transversus thoracis dem Transversus abdominis homolog. Freilich muss ich KOHLBRUGGE beistimmen, dass eine Übereinstimmung der Richtung des Faserverlaufes allein keinen genügenden Grund abgiebt für Muskelhomologisirung, und dass eine derartige Motivirung an Werth jener unterliegt, welche dem Nervenverhältnis entnommen ist. Durch diese letztere geleitet, kommt der Autor nun zu einer Homologisirung, welche von jener von GEGENBAUR abweicht. Zum besseren Verständnis lasse ich hier den bezüglichen Passus aus der Abhandlung von KoHLBRUGGE wörtlich folgen (I. ec. pag. 201): »Sind (nun) alle diejenigen Muskeltheile, welehe auf dem Intercostalnerven liegen (die Mm. intercostales externi), einander gleichwerthig, und . eben so die, welche unter ihnen liegen (die Mm. intercostales in- terni), dann muss Gleiches für die etwas umgeänderten Bauchmus- ° keln gelten. Da nun die den Nn. intercostales gleichwerthigen Nerven der Bauchwand zwischen dem M. transversus abdominis und dem M. obliquus internus dahinziehen, so muss ersterer dem Intereostalis internus, letzterer dem Intercostalis externus gleich- werthig sein. Es ist mir denn auch ganz unerklärlich, wie GEGEN- BAUR (pag. 405), nur auf gleicher Richtung des Faserverlaufes und Verschmelzung der Muskelbündel fußend, den Obliquus internus ab- dominis mit dem Intercostalis internus vergleichen konnte. Er stützte sich dabei auf ganz sekundäre Umbildungen und auf eine althergebrachte (nur physiologisch berechtigte) Auffassung.« Und etwas weiter: »Sind aber die beiden inneren Bauchmuskeln den Intercostalmuskeln gleichwerthig, dann kann der Obliquus externus abdominis auch nicht mit dem Intercostalis externus verglichen wer- den; hebt doch auch GEGENBAUR hervor, dass die bedeutende Aus- dehnung dieses Muskels über den Thorax bei niederen Thieren an- zeige, dass er als auch der Thorakalregion zugehörig betrachtet werden dürfe. Wir haben also einen Repräsentanten für ihn am Thorax nicht mehr zu suchen. Dass er zu einer ganz anderen Muskelgruppe gehört als die Intercostales und die inneren Bauch- muskeln, geht namentlich auch daraus hervor, dass er nicht durch die Intereostalnerven direkt innervirt wird, sondern durch ihre la- teralen Muskelzweige, welche die Muskeischicht des Intercostalis externus durchbohren. « Der Autor kommt also zum Schlusse, dass, weil der Nerven- stamm bei den Bauchmuskeln zwischen Transversus und Obliquus internus gelagert ist, bei der Brust zwischen Intercostalis externus Die Homologie der Brust- und Bauchmuskeln. 319 und internus, der Transversus abdominis homolog sein sollte mit dem Intercostalis internus, während der Intercostalis externus dem Obli- quus internus des Bauches entspricht. Bei einer derartigen Homo- logisirung verlaufen die Nervenstimme zwischen homologe Muskel- schichten. Ein Homologon des Obliquus externus würde dann an der Brust fehlen. Augenscheinlich liegt in dieser Behauptung etwas Richtiges. Mein erstes Bedenken gegen die Auffassung des Autors ist, dass er sich eines sehr verzeihlichen Fehlers schuldig macht, wenn er den Intercostalnerv zwischen den beiden Intercostalmuskeln ver- laufen lässt, verzeihlich desshalb, weil sich eine derartige topo- graphische Andeutung allseitig in der Litteratur findet. Und doch, wenn man diese Angabe auf ihre Richtigkeit prüft, so kommt es bald heraus, dass dieselbe nicht zutrifft. Verfolgt man einen Intercostal- nerven in einem Spatium intercostale, so findet man, dass ja stellen- weise hier und dort dem Nerv die angedeutete Lagerung zukommt, aber derartige Stellen wechseln fortwährend ab mit solchen, in welchen der Nerv wie zwischen zwei Lagen des M. intercostalis internus gefasst liegt. Ein nicht unansehnlicher Theil der Bündel des inneren Brust- muskels entspringt von der Rippe außerhalb des Intercostalnerven. Freilich ist dies nicht in allen Spatia intercostalia in gleichem Grade der Fall. Es zeichnen sich besonders die oberen Intercostalriume beim Erwachsenen durch diese Eigenthümlichkeit aus. Macht diese Lagerungsbeziehung also schon Eindruck auf die oben hervorgehobene allgemeine topographische Umschreibung, so ist dieses noch mehr der Fall bei dem ersten Intercostalnerv, welcher nicht selten sogar ganz visceral von dem M. intercostalis internus primus und von der ersten ‚Rippe gelagert ist. Führte man also die Argumentation von KOHL- BRUGGE konsequent durch, dann käme man zu dem Schlusse, dass die zwei Muskeln des ersten Zwischenrippenraumes — als außerhalb des Nerven gelagert — sich wohl mit den beiden Obliqui am Bauche homologisiren lassen, und folglich dass die Muskeln dieses Spatium nicht gleichwerthig sein sollten mit jenen der mehr niedrigen. Die unrichtige Verlaufsbestimmung des Intercostalnerven hebt schon theil- weise die Richtigkeit der Motivirung der Homologisirung von KoHL- BRUGGE auf. Dagegen war aber einzuwenden, dass die Muskelbündel, welche außerhalb des Nerven von dem Rippenrande Ursprung nehmen und nach ihrer Faserrichtung dem Intereostalis internus zugehören, ursprünglich wohl dem Externus zugehörig gewesen sein können, sich sekundär 21* 320 Louis Bolk dem Internus angeschlossen, und dadurch der Intercostalnerv nur scheinbar im inneren Brustmuskel eingeschlosen erscheint. Bei einer . solchen Behauptung erklärt sich aber noch nicht der ganz viscerale Verlauf des ersten Intercostalnerven, wenn man nämlich nicht zu einer zweiten Supposition seine Zuflucht nehmen wollte, und annimmt, dass sämmtliche Muskelfasern, welche ursprünglich innerhalb des Nervenstammes von der ersten Rippe Ursprung nehmen, degenerirt sind. Dann aber fehlt in diesem Spatium der direkte Herkömmling des primitiven inneren Brustmuskels, und ist der Muskel, welcher später als solcher fungirt, ein ganz neues Gebilde, nicht homolog; sondern nur parhomolog, homodynam den Mm. intercostales interni der übrigen Spatia intercostalia. Alle diese Bedenken aber fallen weg, und der ganze Sachver- halt wird uns klar bei Untersuchung eines jungen menschlichen Embryo. Schon bei einfacher Betrachtung der Visceralfläche der Brust bei einem menschlichen Embryo aus dem vierten bis sechsten Monat beobachtet man einen ganz anderen Verlauf der Intercostal- nerven bezüglich der Muskeln als beim Erwachsenen. Hier liegt der Nerv nicht zwischen Muskelbündeln eingefasst, doch ist er in seinem ganzen Verlauf dem Auge direkt zugänglich, weil er von der Wirbelsäule bis nahe am Sternum, der Innenfläche der Inter- costalmuskeln angeschmiegt, verläuft. Er findet sich dabei dem unteren Rande der oberen Rippe sehr dicht genähert, und schiebt in wechselnder Entfernung von einander seine Äste zu den beiden Intercostalmuskeln. Oftmals sieht man diese Äste, ganz wie den Mutterstamm, eine Strecke über der Innenfläche des M. intercostalis internus verlaufen. In diesem Zustande bekommt man ein klares Bild über die Ramifikation des ventralen Spinalnervenastes. Ich beschränke mich hier auf die Konstatirung der Thatsache, werde aber in dem bezüglichen Abschnitt meiner »Segmentaldifferenzirung« näher auf diese Sache eingehen. Die genannte Thatsache führt uns zu zwei Ansichten. Erstens bezüglich des Nervus intercostalis primus. Der eigenthümliche Ver- lauf dieses Nerven, in Vergleich mit jenem der übrigen Nerven, ist eine Fortdauer des embryonalen Zustandes, ein primitiver Zustand also. Ganz schön sieht man bei jungen Embryonen diesen Nerv als einen weißen Faden schräg über der aufwärts konkaven Rippen- spange verlaufen, im Gegensatz zu den mehr caudalen Nerven, welche auf den Muskeln gelagert sind. Dieser also schon früh zu Stande gekommene Verlauf entzieht den Nerv dem Einfluss, welchen Die Homologie der Brust- und Bauchmuskeln. 321 die an Mächtigkeit zunehmenden inneren Brustmuskel auf die übrigen Intereostalnerven ausgeübt haben. Denn die direkte Schlussfolgerung, welche einem Vergleich des embryonalen und erwachsenen Zustandes zu entnehmen ist, ist diese, dass der Intercostalnerv während und in Folge des Diekenwachsthums des M. intercostalis internus allmäh- lich von diesem Muskel umwachsen wird unter gleichzeitiger Aus- bildung eines Suleus costalis im unteren Rande der Rippe (die em- bryonale Rippe entbehrt einen derartigen Sulcus). Nun wird es uns begreiflich, warum der Intercostalnerv beim erwachsenen Individuum noch streekenweise den inneren Brustmuskel durchsetzt; die außer- halb des Nerven von der Rippe entspringenden Muskelblätter sind noch die Zeugnisse des primitiven Verhaltens. Hat sich die Lagerung des Intercostalnerven also als eine sekun- där zu Stande gekommene erwiesen, so folgt hieraus von selbst, dass alle Homologisirungen, wobei dieselbe als eine primäre aufge- fasst worden ist, verfehlt sind. Nimmt man für die Homologisirung den embryonalen Zustand als Ausgangspunkt, so resultirt daraus zwischen Bauch- und Brustmuskeln eine vollkommene Homologie. Außerhalb der Nerven finden sich zwei Muskeln: Intercostalis ex- ternus und internus, resp. Obliquus externus und internus, innerhalb der Nerven nur ein Muskel, nämlich der Transversus abdominis, resp. Transversus thoracis. Hiermit glaube ich den scheinbar richtigen Einspruch gegen die althergebrachte Homologisirung zwischen Brust- und Bauchmus- kulatur beseitigt zu haben. | Mauthner’sche Fasern bei Chimaera. Von Bernh, Solger, Greifswald. Mit 1 Figur im Text. Voluminöse Neuriten sind in den centralen Abschnitten des Nervensystems bei Wirbellosen und Wirbelthieren vielfach nachge- wiesen worden. Eine sorgfältige Zusammenstellung der bis vor einigen Jahren vorliegenden Angaben über Kolossalfasern, MÜLLER- sche und MAuTHNER’sche Fasern ist von A. von KOLLIKER in der 1896 erschienenen sechsten Auflage seines Handbuches der Gewebe- lehre (Bd. II pag. 154 ff.) gegeben worden, der ich Folgendes ent- nehme: Nach von KÖLLIkER finden sich MAUTHNER’sche Fasern, die uns zunächst interessiren, bei vielen Teleostiern mit Ausnahme von Or- thagoriscus und Tetrodon, ferner kommen dieselben vor bei Aci- penser (GORONOWITSCH) und Protopterus (BURCKHARDT, VON KÖLLIKER), bei Polypterus, Amia, Calamoichthys, Scaphyrhynchus, Ceratodus (von KÖLLIKER), fehlen dagegen den Plagiostomen und bei Mormy- rus, Malapterurus, Gymnotus (FRITSCH, VON KÖLLIKER). Seitdem sind, so viel mir bekannt ist, nur die Untersuchungen von KorsTEr! und die von Fr. Mayer? hinzugekommen. MAYER, dessen Aufsatz im Jahre 1897 erschien, spricht sich über die bei Ammocoetes in großer Zahl vorkommenden MüÜLuer’schen Fasern und ihr Verhältnis zu den Mauruner’schen Fasern folgendermaßen aus: 1 Rup. KoLSTEr, Über die MAUTHNER’schen Fasern einiger Teleostier. Verhandlungen der anatom. Gesellschaft. 12. Versammlung. pag. 145—156. 2 F. Mayer, Das Centralnervensystem von Ammocoetes. Anatom. Anz. Bd. XIII. pag. 649 ff. Mauthner’sche Fasern bei Chimaera, 323 Die Mürnver’schen Fasern sind die Neuriten von kolossalen Ganglien- zellen, welche das Opticusgebiet und eben so das Gebiet der darauf- folgenden Gehirnnerven mit dem Rückenmark in Beziehung setzen. Die mächtigen, zahlreich verzweigten Dendriten umspinnen nämlich die Ursprungskerne der Hirnnerven, während ihr durch enorme Dieke ausgezeichneter Neurit nach hinten zieht. Diese sekundären Bahnen der Gehirnnerven verschwinden beim Aufsteigen in der Wirbelthier- reihe, und schon bei Fischen ist das Vorkommen derartiger Ganglien- zellen nur auf zwei in der Acusticusgegend befindliche beschränkt. Die von diesen Ganglienzellen ausgehenden Neuriten sind eben die Mauruner’schen Fasern. — Übrigens hatten schon vorher Maysur, FurLuiquer, besonders aber GORONOWITSCH es wahrscheinlich ge- macht, dass die Mauruner’schen Fasern Beziehungen zum Acusticus der gekreuzten Seite: haben. Auch Epincer nennt sie Tractus acustico-spinales. Zu der entgegengesetzten Ansicht von dem Ursprung und der Endverzweigung der MAuruner’schen Fasern als GORONOWITSCH und Mayer kam auf Grund der Ergebnisse von Degenerationsversuchen an Esox und Leueiseus R. KoLster. Ihm zufolge ist in der Medulla oblongata die Endverzweigung, aber nicht der Ursprung der betref- fenden Fasern zu suchen. — Neuere Untersuchungen über diese Frage sind mir nicht bekannt geworden. Es bliebe also zunächst noch der Satz A. von KOLLIKER’s bestehen, dass MaurHner’sche Fasern in der Reihe der Fische unterhalb der Ganoiden nicht vor- kommen oder bisher wenigstens nicht beobachtet wurden. Sie mögen in der That den »Plagiostomen« fehlen, allein bei der kleinen, aber hochinteressanten Gruppe der Holocephalen kommen sie vor; für Chimaera wenigstens, wo sie bis jetzt meines Wissens nicht gesehen wurden, kann ich für ihr Vorhandensein einstehen. Was ich hier- über mitzutheilen vermag, ist Folgendes. Einem in der Zoologischen Station zu Neapel mir zur Verfügung gestellten, freilich abgestorbenen, aber vollkommen frischen Exem- plar von Chimaera monstrosa entnahm ich ein etwa 8 cm langes Stück des Rückenmarks und fixirte es zunächst in ErrLırzkr'scher Flüssigkeit. Das Material wurde sodann noch eine Zeit lang in mehrmals gewechselter MÜLLEr’scher Flüssigkeit aufbewahrt und schließlich in Alkohol eingelegt. In mehrere Stücke zerschnitten, wurde es in toto in alkoholischem Boraxkarmin gefärbt und endlich in Paraffin eingebettet. Die Untersuchung von Querschnitten, über deren Topographie ich freilich nichts Näheres auszusagen vermag, 324 Bernh. Solger, Mauthner'sche Fasern bei Chimaera. ergab Folgendes: Auf jedem dieser Schnitte (s. Textfigur) zeigten sich, streng symmetrisch angeordnet, zwei dieser voluminösen, mark- haltigen Fasern; sie liegen der medialen Fläche der Vordersäulen dieht an, manchmal in eine Nische derselben eingebettet. Die Ent- fernung der beiderseitigen Fasern (MF) in frontaler Richtung beträgt etwa 1 mm. Die Dicke des Neuriten be- Nass na: stimmte ich zu etwa 0,01 mm, die der ~ Markscheide zu 0,023 mm. Die in Rede stehenden Fasern sind also, was mir be- 4. 5. Tafel XIV. 2. Zwei Querschnitte durch einen Embryo mit 34— 35 Somiten. Vergr. 120/1. Querschnitt durch einen Embryo von 10 mm Körperlänge. Vergr. 90/1. Querschnitt durch einen Embryo von 121/, mm Körperlänge. Vergr. 90/1. Querschnitt durch einen Embryo von 15 mm Körperlänge. Vergr. 120/1. 6—10. Vier Querschnitte durch einen Embryo von 22 mm Körperlänge. 10. Vergr. 50/1. > in Fig. 9 verdicktes Epithel, in welches der Ramus dorsalis des Nervus glossopharyngeus übergeht. Querschnitt durch einen Embryo von 28 min Körperlänge. Vergr. 50/1. x verdiektes Epithel, in welches der Ramus (r.d.v1) übergeht. 11, 12. Zwei Horizontalschnitte durch einen Embryo von 26 mm Körper- 13. 14, 15. 16. 17. 18. 19. länge. Vergr. 50/1. Querschnitt durch einen Embryo von 30 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Theil desselben Querschnittes, aber stark vergrößert. Vergr. 235/1. h siehe den Text pag. 340. Querschnitt durch einen Embryo mit 17—18 Somiten. Vergr. 235/1. Querschnitt durch einen Embryo mit 23—24 Somiten. Vergr. 120/1. Querschnitt durch einen Embryo mit 35—36 Somiten. Vergr. 120/1. x siehe Beschreibung pag. 331. Querschnitt durch einen Embryo mit 26—27 Somiten. Vergr. 120/1. Querschnitt durch einen Embryo mit 23—24 Somiten. Vergr. 235/1. a siehe die Beschreibung pag. 328. Tafel XV. Aus einer Horizontalschnittserie eines Embryo mit 32 Somiten. . Vergr. 65/1. Longitudinalschnitt durch einen Embryo von 10 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Longitudinalschnitt eines Embryo von 8 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Aus einer Horizontalschnittserie eines Embryo von ungefähr 12 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. x verdicktes Epithel, in welches der vom Ganglion ophthalmiei abgehende Hautast übergeht. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 17: 18. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Selachii. 413 Longitudinalschnitt eines Embryo von 18 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Horizontalschnitt eines Embryo von 20 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. x siehe die Beschreibung pag. 355. Longitudinalschnitt eines Embryo von 25 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Aus einem Horizontalschnitt eines Embryo von ungefähr 12 mm Kör- perlänge. Vergr. 65/1. Horizontalschnitt durch einen Embryo von 22 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. 11. Längsschnitte durch einen Embryo von 48—50 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Querschnitt durch einen Embryo von 48—50 mm Körperlänge. Vergr.65/1. 14. Zwei Querschnitte durch einen Embryo mit 35—36 Somiten. Vergr. 120/1. x Das hier liegende Gewebe des dritten palingeneti- schen Kopfsomites ist fortgelassen. x Querkanal des ersten palin- genetischen Kopfsomites. Längsschnitt durch einen Embryo von 13—14 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Horizontalschnitt durch einen Embryo von 10 mm Körperlänge. Vergr. 90/1. x siehe die Beschreibung pag. 359. Quersehnitt durch einen Embryo mit 35—36 Somiten. Vergr. 90/1. x siehe Taf. XV Fig. 17. Horizontalschnitt durch einen Embryo mit 28—30 Somiten. Vergr. 90/1. Tafel XVI. Längsschnitt durch einen Embryo mit 33—34 Somiten. Vergr. 50/1. Horizontalschnitt durch einen Embryo von 12 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. 3, 4. Zwei Querschnitte durch einen Embryo von 12 mm Körperlänge. 5. Vergr. 65/1. Längsschnitt durch einen Embryo von 15—16 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. 6, 7, 8. Drei Querschnitte durch einen Embryo von 21 mm Körperlänge. 9. 10. 11; 12, 13, 15. 16. 17. Vergr. 50/1. x in Fig. 6 und 7 siehe die Beschreibung pag. 365. Längsschnitt durch einen Embryo von 22 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Längsschnitt durch einen Embryo von 25 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Längsschnitt durch einen Embryo von 20 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Querschnitt durch einen Embryo von 28 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. x siehe die Beschreibung pag. 366. 14. Zwei Querschnitte eines anderen Embryo von 28 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. x siehe den Text pag. 367. Horizontalschnitt durch einen Embryo von 26—28 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Horizontalschnitt durch einen Embryo von 32 mm Körperlänge. Vergr. 35/1. Aus einem Längsschnitt durch einen Embryo von 48—50 mm Körper- länge. Vergr. 120/1. 414 €. K. Hoffmann, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Selachii. Tafel XVII. Fig. 1—5. Fünf Querschnitte durch einen Embryo von 28 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Fig. 6, 7. Zwei Horizontalschnitte durch ein entsprechendes Entwicklungs- stadium. Vergr. 50/1 (Fig. 6 liegt mehr ventral, Fig. 7 mehr dorsal). Fig. 8. Aus einem Horizontalschnitt durch einen Embryo von 28—29 mm Körperlänge. Vergr. 120/1. Fig. 9, 10. Zwei Längsschnitte durch einen Embryo von 27 mm Körperlänge Vergr. 50/1. Fig. 11, 12. Zwei Längsschnitte durch einen Embryo von 22—23 mm Körper- länge. Vergr. 50/1. Tafel XVIII. Fig. 1. Querschnitt durch einen Embryo mit 30 Somiten. Vergr. 90/1. Fig. 2, 3. Zwei Querschnitte durch einen Embryo mit 36 Somiten. Vergr. 120/1. Fig. 4. Querschnitt durch einen Embryo mit 37—38 Somiten. Vergr. 120/1. Fig. Querschnitt durch einen Embryo mit 30 Somiten. Vergr. 360/1. 5 Fig. 6, 7, 8. Drei Querschnitte durch einen Embryo von 16 mm Körperlänge. Vergr. 65/1. Fig. 9. Querschnitt durch einen Embryo von 22 mm Körperlänge. Vergr. 120/1. Fig. 10. Längsschnitt durch einen Embryo von 27 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Fig. 11, 12. Zwei Querschnitte durch einen Embryo von 34—35 mm Körper- länge. Vergr. 65/1. Fig. 13. Querschnitt durch einen Embryo von 95 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Fig. 14. Querschnitt durch einen Embryo von 34-35 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Fig. 15. Querschnitt durch einen Embryo mit 18 Urwirbeln. Vergr. 235/1. Fig. 16. Horizontalschnitt eines Embryo von 32 mm Körperlänge. Vergr. 50/1. Alle von Acanthias vulgaris. j : Taf XV. 13 bs ze a 5 sch = lag v Wilhelm Engelmann > _— A Wy Cm rine ~~ HH ‘Leb Aut Aah, Ling, R glem-- rpal---- Yoo © Wilhelm Engelmann 5 1 TE Are Le, i is u — _— \ u =“ —— u a an Taf XVI Morpholog. Jahrb, Bd. XXVU. repr Sky N Sht gi- px -6hb IrupX malay ---Ism. 1a Fig.9 rmes- Willielm Engelmann 9 0% re, ” NY ume = Cee Taf XVIII. I BK Hs Verlag » Wilhelm Engelmann oe Spee | Dek tast ERBE ae | | # Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. Von Dr. Hermann Braus, Privatdocent, Jena. J. Theil. Die metotischen Urwirbel und spino-occipitalen Nerven. Mit Tafel XIX—XXI und 6 Figuren im Text. Während mich die Untersuchung über das periphere Nerven- system ausgebildeter Selachier und im Anschluss an diese die Ex- tremitätenfrage beschäftigte, fiel mir besonders die Lücke auf, welche zwischen den sehr genauen und zuverlässigen Befunden der meisten embryologischen und der vergleichend-anatomischen Arbeiten über letztere klafft. Ich hatte wohl die Überzeugung, dass diese Lücke von geringerer Bedeutung für denjenigen sei, welcher auf Grund allgemeiner Anschauungen über die Stellung der deskriptiven Em- bryologie zur vergleichenden Forschung letzterer die führende Rolle zuspricht; zwingender und Jeden überzeugend musste jedoch die Beweiskraft der Ergebnisse beider Forschungsrichtungen werden, wenn es gelang, sie in direkten Kontakt zu bringen und die beiden naturgemäß innewohnende, wenn auch verschiedengradige Wieder- holung derselben weit zurückliegenden phylogenetischen Zustände ad oculos zu demonstriren. Zwei Wege schienen mir bei einer erneuten Inangriffnahme der embryologischen Untersuchung, außer den gebräuchlicheren, beson- ders aussichtsreich zu sein, da sie auf diesem Gebiete bisher wenig oder gar nicht beschritten worden waren. Beide sind verglei- chender Natur. 416 Hermann Braus Der eine Weg führt in das Feld der die verschiedenen Se- lachierfamilien vergleichenden Embryologie. Beim Studium der einschlägigen Litteratur fällt nämlich auf, dass als Untersuchungs- objekte stets dieselben Thiere in großer Gleichförmigkeit wieder- kehren. Es giebt aber kaum ein Kapitel der Morphologie, in wel- chem solehe Mannigfaltigkeit der Formen herrscht wie bei den Extremitäten der niederen Fische. Daraus ergiebt sich mit großer Wahrscheinlichkeit, dass auch unterschiedliche Entwicklungsreihen vorhanden und vielleicht bis zu den frühesten Zuständen zurückzu- verfolgen seien. Für die beiden größeren Unterabtheilungen, die Squaliden und Batoiden, war dies bereits schon festgestellt; es musste aber auch innerhalb dieser Abtheilungen selbst gelten. Freilich stehen einer solehen Arbeit große materielle Schwierigkeiten ent- gegen, da lückenlose Reihen von Entwicklungsstadien im geeig- neten Konservirungszustand schon bei einer Species oft nur unter erheblichen Anstrengungen zu beschaffen sind. Außerdem ist man bisher gerade der wichtigsten Embryonalformen der Selachier, der- jenigen der hepta- und hexatremen Squaliden, nur äußerst selten und in einzelnen älteren Exemplaren (Heptanchus, Chlamydoselachus) oder meines Wissens gar nicht (Hexanchus) habhaft geworden. Immerhin ist der Untergrund der vergleichenden Embryologie der Gliedmaßen so wenig bestellt, dass er sich selbst durch eine geringe Zufuhr neuer, anderen Selachierfamilien entnommener Elemente musste beleben lassen. Unter den Squaliden speciell sind im Wesent- lichen nur die Extremitäten von Angehörigen zweier Familien, der Carehariiden (Mustelus) und Seylliiden (Scyllium, Pristiurus) durch BALFOUR und die nachfolgenden Untersucher bearbeitet worden. Gerade sie gehören aber zu den höchst entwickelten eigentlichen Haien, wie die vergleichende Untersuchung, speciell auch diejenige der Extremitäten, gelehrt hat. Viel primitiver sind schon die Spi- naciden organisirt. Die Einrichtungen des Skelettes (z. B. Visceral- bögen, Schädel) und des Nervensystems (z. B. spino-oceipitale Ner- ven) bezeugen dies unzweideutig. Außerdem nehmen die Extremitäten in dieser Familie eine eigenartige Stellung dadurch ein, dass sie, die vordere sowohl wie die hintere, so weit vorn am Körper angeheftet sein können, wie bei keinem anderen bisher untersuchten Selachier (BrAus, 1898, Taf. XVII). Ich ging desshalb darauf aus, Spinaciden- Embryonen zu sammeln, und fand bald, dass Spinax niger Bonap. ein besonders günstiges Objekt sei, da hier Verhältnisse vorliegen, die schon in frühen Entwicklungsstadien von den bei Carchariiden Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 417 und Seylliiden ermittelten abweichen und desshalb zu allgemeinen vergleichenden Untersuchungen auffordern, und da andererseits die extreme Stellung von Spinax niger innerhalb der Spinaciden Auf- schluss über die specielle Entwicklung der Extremitäten dieser Familie verspricht!. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich also in erster Linie mit der Ontogenese dieses Selachiers. Zur Vergleichung zog ich die Litteratur heran, suchte mich aber in wesentlichen Punkten durch eigene Untersuchung der in ihr beschriebenen Entwicklungs- vorgänge (speciell bei Pristiurus und Torpedo) zu überzeugen und Ergänzungen hinzuzufügen. Der zweite Weg, welcher zu dem von mir anzustrebenden Ziel meines Erachtens führen konnte, weist in das Gebiet der Verglei- chung der jüngeren Entwicklungsstadien mit solchen älteren hin, welche meistens nicht mehr in den Bereich ontogenetischer For- schungen gezogen zu werden pflegen, aber besonders geeignet er- scheinen müssen, das in früher und frühester Entwicklungszeit Beobachtete mit dem beim ausgebildeten Thier Gefundenen in kon- tinuirliche Verbindung zu setzen und das scheinbar Gegensätzliche aufzulösen. Es ist geradezu selbstverständlich und auch an den ver- schiedensten Organsystemen nachgewiesen worden, dass hochgradige Differenzirungen ausgebildeter Formen in der Entwicklung als Ab- weichungen vom gewöhnlichen, primitiveren Gang der Ontogenese auftauchen, anfangs in geringerem, aber mit fortschreitender Ent- wicklung stets sich verstärkendem Grade. Es klingt der Typus des ausgebildeten Thieres gerade in frühesten Entwicklungsstadien am zartesten und unscheinbarsten an. Daraus resultirt die Gefahr, dass bei Beschränkung der Untersuchung auf diese solche Anklänge nicht als Specialcharaktere der betreffenden Form, sondern als allgemein wichtige Entwieklungsformen angesprochen werden können. Es kann z. B. wohl keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, dass die Rochen sehr viel specialisirtere Fische als die Squaliden sind. In frühen Entwicklungsstadien jedoch und selbst noch zur Zeit der ersten An- lage der Extremitäten (welche ja eines der am meisten in die Augen springenden Unterscheidungsmerkmale beider Abtheilungen abgeben), ist der allgemeine Habitus eines Rochen-Embryos von dem eines Squa- { Einen Theil der ontogenetischen Resultate, die für die letztere Frage Bedeutung haben, veröffentlichte ich bereits 1898, pag. 409 ete. Die embryo- logischen Arbeiten über die spino-oceipitalen Nerven und Myotome von Acan- thias (HOFFMANN, PLATT, NEAL, SEWERTZOFF) werden weiter unten erwähnt werden. 418 Hermann Braus liden-Embryos so wenig verschieden, dass es ohne innere Untersuchung in vielen Fällen kaum möglich sein dürfte, beide aus einander zu halten. Ergiebt aber die Organuntersuchung Unterschiede des kleinen Rochen gegenüber dem Squaliden, und lässt sich zeigen, dass diese Abweichungen in der ferneren Entwicklung zur speeifischen Or- gangestaltung gerade der Rochen führen, so sind dieselben augen- scheinlich für die allgemeinen Entwicklungsverhältnisse der Selachier und deren Phylogenese gänzlich bedeutungslos. Man wird vor Allem nicht ihnen die Entwicklung der primitiveren Squaliden unterordnen dürfen. Auf indirektem Weg kann die vergleichende Methode in rich- tiger Anwendung diesen Nachweis mit der gleichen Schärfe führen. Handgreiflicher sind jedoch solche Resultate, welche die Entwick- lung des betreffenden hochorganisirten Thieres selbst liefert. An sich müsste es ja möglich sein, bis zur scheinbar ganz gleichen be- fruchteten Eizelle hier den Squaliden-, dort den Batoidentypus zu- riickzuverfolgen. Denn aus der einen Eizelle wird mit zwingender innerer Nothwendigkeit ein Hai und kein Roche, aus der anderen ein Roche und nie ein Hai. Wenn das die deskriptive Entwick- lungsgeschichte vorläufig wegen der Subtilität der betreffenden Ein- richtungen noch nicht leistet, so vermag sie doch in späteren, aber immerhin noch jungen Entwicklungsstadien die gröberen, aber für unsere Hilfsmittel eben darstellbaren Specifikationen des höher stehen- den Typus nachzuweisen, wenn das Auge des Beobachters durch die Untersuchung noch älterer Entwicklungsstadien, bei denen jene specifischen Charaktere unverkennbar geworden sind, geschärft ist. Ich hoffte desshalb durch Arbeiten in dieser Richtung neue Gesichts- punkte auch für die Beurtheilung schon bekannter frühester Ent- wicklungsvorgänge bei den Extremitäten zu gewinnen und zog dess- halb ältere Squaliden- (Pristiurus-, Spinax-) und Batoiden- (Torpedo-) Embryonen zur Untersuchung heran. Gerade bei den letzteren Studien erhielt ich einige Aufschlüsse auf einem Gebiet, welches mit der Extremitätenfrage scheinbar nichts zu thun hat, nämlich über die Entwicklung der metotischen Kopfsomiten und ihrer Nerven (spino-oceipitale Nerven, FÜR- BRINGER). Dieses Kapitel liefert manche Beispiele dafür, wie noth- wendig es ist, nicht nur jüngste Entwicklungsstadien zu berücksichti- gen. Denn der spinale Typus dieser Somiten, der schon früher wahr- scheinlich gemacht, nach den neuesten Arbeiten mir völlig gesichert erscheint, ist in der frühesten Anlage so wenig deutlich, dass die benachbarte Lage zu älteren Kopfgebilden (Vagusgruppe) dazu ver- Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 419 leiten konnte, sie von diesen abzuleiten. Die spätere Entwicklung desselben Thieres erläutert auch hier die frühere, da nach ihr die nahe Nachbarschaft in successiver Ausbildung, der spinale Charakter in stufenweiser Reduktion begriffen, erstere also als sekundäres, letzterer als primitives Merkmal erscheint. Doch war es ursprünglich nicht meine Absicht, die Entwicklung der spino-oceipitalen Nerven und metotischen Somiten lediglich als - Parallelfall zur Entwicklung der Extremitäten in der erläuterten Richtung zu behandeln. Vielmehr war für mich der mehr praktische Gesichtspunkt maßgebend, dass für die topographische Bestimmung des metameren Bildungsmaterials, aus welchem die Extremitäten entstehen, die Kenntnis der Verschiebungsvorgänge an der hinteren Schiidelgrenze absolut nothwendig ist. Mit Hilfe der vorliegenden Litteratur schien es mir aber nicht möglich zu sein zu sagen, ob der erste Rumpfnerv des ausgebildeten Thieres auch in allen Ent- wicklungsstadien als solcher auftritt. Einige Autoren behaupten direkt das Gegentheil (ROSENBERG, 1886, Horrmann, 1894, NEAL, 1898 und SEWERTZOFF, 1898). Sollte sich dieses bestätigen, so musste festgestellt werden, welcher Urwirbel junger Entwicklungsstadien bei älteren Embryonen und beim ausgebildeten Thier zum ersten Rumpfsomiten wird. Erst durch die Verfolgung dieser Fragen, welche das Gebiet der metotischen Urwirbel in Beziehung zur Ex- tremitätenfrage setzen, kam ich zu der Erkenntnis, dass mannigfache Lücken zwischen den Ergebnissen der embryologischen und der ver- gleichend-anatomischen Untersuchungen der neocranialen Muskeln auf mangelnder oder mangelhafter Untersuchung älterer Entwicklungs- stadien beruhen. Wenn dadurch das in der vorliegenden Arbeit über dieses Kapitel mitzutheilende Material so anschwoll, dass es nach Umfang und Inhalt eine mehr selbständige Stellung neben den der Extremitätenentwieklung gewidmeten Abtheilungen beansprucht, so wollte ich ihm doch äußerlich den Charakter als Vorarbeit nicht ganz rauben. Denn bei der Schwierigkeit und Mannigfaltigkeit der beim Kopfproblem zusammenwirkenden Faktoren wäre eine griindlichere Behandlung für mich bei separater Herausgabe Pflicht gewesen, als ich sie einem mehr vorbereitenden Kapitel für die in erster Linie stehenden Untersuchungen über die Extremitäten zuwenden zu dürfen glaubte. Dies zur Rechtfertigung der für die vorliegende Arbeit ge- wählten Eintheilung in zwei Theile. 1 Der zweite Theil wird unter dem Titel »Die paarigen Gliedmaßen« im folgenden Heft dieser Zeitschrift erscheinen. 420 Hermann Braus Untersuchungsmaterial und -Methoden. Spinax niger Bonap. gehört zu den kleinsten bekannten Squaliden. In GUNTHER’s Katalog (1890) ist als Maximalgröße für die Exemplare des briti- schen Museums 14 engl. Zoll angegeben. Ich fand ausnahmsweise jedoch auch größere Exemplare bis zu 45 cm Länge (= 17,8 eng]. Zoll). In Folge seiner Kleinheit erscheinen größere Thiere als Jagdbeute für ihn ausgeschlossen. Es finden sich meist ausschließlich Überreste kleiner Kruster in seinem Magen. Daraus erklärt sich das Auftreten des Fisches in großen Scharen. Denn der Boden des Meeres liefert stellenweise diese Nahrung in unerschöpflichen Mengen. Da das Thier lebendig gebärend ist wie alle Spinaciden, muss der Embryolog der Mutterthiere habhaft werden, um sie zu Öffnen und zu seinem Untersuchungs- material zu gelangen. Es dürfte aber nicht viele Haie geben, von welchen so große Mengen leicht beschafft werden können wie von Spinax niger. An der norwegischen West- und Ostküste, von welcher mein Material stammt, kommt Spinax fast allenthalben in den Fjorden vor. Doch findet man ihn nach Aussagen der Fischer selten in geringeren Tiefen als 100—150 Faden. An der Ostküste scheint er schon eher mit seichterem Wasser vorlieb zu neh- men als an der Westküste, wo die Fischer meist an Plätzen von 300 Faden Tiefe ihre Angeln legen. Das ganze Aussehen des Thierchens spricht für die Lebensweise im tiefen Wasser, vor Allem die großen, silbergrün glänzenden Augen; auch das verhältnismäßig schnelle Absterben, dem man, im Sommer wenigstens, selbst durch häufiges Wechseln des Wassers nicht abhelfen kann. Denn der Unterschied in der Temperatur des Wassers in jener Tiefe und an der Oberfläche (6—7° C. und weniger gegenüber 20° und mehr) ist zu groß, als dass die Thiere sie ertragen könnten. Ich sah desshalb bald ein, dass es noth- wendig ist, selbst aufs Meer zu fahren, an Ort und Stelle die Weibchen zu öffnen und die Embryonen sofort zweckmäßig zu konserviren. Die Resultate sind ungleich vollkommener, als wenn man vom Fischer die Thiere in die Sta- tion bringen lässt, um in Ruhe dort die Konservirung vorzunehmen. Nur in Dröbak am Christianiafjord, wo die kleine, aber vorzüglich geleitete Station der Universität Christiania in unmittelbarster Nähe der Fischplätze gelegen ist, konnte ich es erzielen, dass die Fische lebend in das Laboratorium kamen; aber auch dort beschränkte sich das Leben häufig nur auf Pulsationen des Herzens, die nach Öffnung des Thieres sichtbar wurden. Es hängt dies zum Theil mit der Fangmethode der norwegischen Fischer zusammen, die darin besteht, dass lange Leinen (von 300—400 Faden Länge) auf den Meeresboden versenkt werden, an welchen in kleinen Abständen kurze Angelschnüre be- festigt sind. Die Haken sind mit kleinen Heringen (Brissling) oder Stückchen größerer Heringe beködert. In einem Gang werden von einem bis zwei Fischern bis zu 2000 solcher Angeln versenkt (je nach der Zahl auf eine oder mehrere Leinen vertheilt). Da es bei größeren Tiefen bis zu einer Stunde dauert, ehe die Leine auf dem Meeresboden ankommt, und da einige Stunden verstreichen missen, ehe genügend viele Fische angebissen haben, so lässt man meistens einen Tag oder eine Nacht verstreichen, ehe die Leinen wieder an die Ober- fläche emporgezogen werden. Es ist dann häufig ein Theil der Fische nur noch halb lebend, manchmal ist das eine oder andere Thier schon todt. Es empfiehlt sich desshalb unter allen Umständen, die Konservirung im Boot vor- zunehmen. Die einfachen Handgriffe lassen sich bei einigem Geschick auf dem schwankenden Boden doch leicht ausführen. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 421 Ich bekam die meisten Fische während eines kurzen Aufenthaltes im Juli 1897 auf der Insel Ask bei Bergen, und zwar durchschnittlich 21—22 Fische täglich bei meist zweimaligem Auslegen von Leinen. Männchen und Weibchen standen ihrer Zahl nach im Verhältnis von 11:5. Unter letzteren waren 30% trächtig. Im August desselben Jahres erhielt ich in Dröbak am Christiania- fjord unter ähnlichen Bedingungen täglich 10—11 Thiere, bei denen Männchen und Weibchen ihrer Zahl nach im Verhältnis von 6:5 standen. Unter letzteren waren 26% trächtig. Am letzteren Ort war also die absolute Ausbeute an Thieren halb so gering als bei ersteren, aber bei der fast doppelt so großen Zahl der Weibchen und dem fast gleichen Procentsatz der trächtigen Thiere doch die Ausbeute an Embryonen die gleiche. Im Ganzen erhielt ich 44 ver- schiedene Entwicklungsstadien, jedes in einer größeren Zahl von Exemplaren. Denn ein Weibchen hat ungefähr 10, ausnahmsweise sogar 14 Embryonen. Das ist für eine Fangzeit von kaum 21/;, Wochen Dauer gewiss ein günstiges Re- sultat. Ich glaube desshalb, dass Spinax niger als Material für Untersuchungen an Selachiern vor vielen anderen aus rein technischen Gründen den Vorzug verdient. Als Konservirungsmittel wendete ich vor Allem die ZENKER’sche Flüssig- keit an, daneben auch Sublimatessigsäure, Sublimatpikrinessigsäure und Formol- gemische, nachher die üblichen Auswaschungs- (Seewasser) und Härtemittel (Alkohol). Der ZEnKEr’schen Flüssigkeit möchte ich mit Rücksicht auf die spätere Färbung den Vorzug geben. Die Fixirung als solche ist kaum der- jenigen des Sublimatessigsäuregemisches (50:50:1000) überlegen. Ich fixirte stets die Embryonen ohne Dotter, wenn dies auch bei den jüngeren und bei den Keimscheiben technisch nicht ohne Schwierigkeiten ist. Dafür dringen aber die Fixirungsmittel ungleich besser ein. Auch ist die Wirkung sicherer, wie wenn die großen Dotter mit fixirt werden. Es ist nicht immer leicht, die ganz durchsichtigen jüngeren Embryonen zu erwischen. Denn der stark ge- dehnte Uterus des Fisches setzt die Eier unter solehen Druck, dass beim Öffnen derselben letztere plötzlich ausgepresst und, wenn die Öffnung zu klein ist, meist zerstört werden, ähnlich wie dies bei Amphibien-Eiern durch unvollkommenes Anschneiden der Hüllen hervorgerufen wird. In den zerflossenen Dottermassen den Embryo zu finden, ist dann oft unmöglich. Ein einfacher Handgriff schützt vor diesem Unglück, wenn man nur den Fisch auf eine schräg stehende Unter- lage bringt und mit schnellem Scherenschlag eine möglichst große Öffnung des Uterus an der obersten Stelle erzeugt. Die Schwerkraft wirkt dann den Kon- traktionen der Uteruswand so weit entgegen, dass die Eier langsamer heraus- gepresst werden und die Embryonen einzeln abgehoben werden können. Bei guter Konservirung ist die Darstellung der Nerven, die an gewissen Stellen (namentlich zwischen Peritoneum und Rumpfmuskulatur) durch Schrum- pfung des Präparates empfindlich geschädigt wird, auch bei gewöhnlichen Fär- bungen nicht schwer. Doch erzielt man besonders schöne Resultate bei Doppel- färbungen mit Hämatoxylin und kräftiger Nachfärbung mittels Eosin oder Kongoroth. Die beste Färbung erhielt ich bei Anwendung von Urankarmin (nach ScHMAUS, 1891). Die Nerven haben dann leuchtend rothe Farbe und springen in ihren feinsten Verästelungen sofort in die Augen, namentlich wenn man eine Hämatoxylintinktion hat vorhergehen lassen. Aber leider ist das Urankarmin ein äußerst launiger Farbstoff. Eine Lösung, die ich einem Schüler von SCHMAUS, meinem Freunde Dr. SrtrAug, verdanke, gab mir die vortreff- Morpholog. Jahrbuch. 27. 28 422 Hermann Braus u lichsten Resultate. Ich selbst versuchte mich mit wenig Glück; auch die käuf- lichen Lösungen taugten nicht viel; doch reichte bis zum Abschluss der Arbeit die gute Lösung, die ihre Färbkraft sogar stets noch verbesserte. Zum Schluss habe ich noch denjenigen Herren, welche mir bei der Beschaffung des Spinaxmaterials ihre werthvolle und oft ent- scheidende Hilfe liehen, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen. In Bergen unterstützte mich die dortige biologische Station, besonders Herr NORDGAARD, in bereitwilligster Weise mit Chemikalien, verhalf mir zu Fischern und förderte da- durch meine Bemühungen nach besten Kräften. Auch war es mir möglich gewesen, von dort Spinaxmaterial, auf das ich bei einem früheren Aufenthalt in Bergen durch gelegentliche Funde aufmerk- sam geworden war, vor meiner Reise zur Orientirung zu beziehen. Zu besonderem Dank bin ich ferner meinem Freunde Dr. HJoRT, Direktor der Station zu Dröbak, verpflichtet, der mir mit großer Uneigennützigkeit Hilfe und Mittel gewährte, ohne die es mir un- möglich gewesen wäre, mein Material zu vervollständigen. Schließ- lich half mir auch Herr Prof. BLocHMmAnNn (Tübingen) mit Spinax- Embryonen, die von ihm selbst bei Bergen gesammelt und vortrefflich konservirt waren, aus und förderte dadurch den Abschluss dieser Arbeit in besonderem Maße. Das Material an Acanthias-, Seymnus-, Pristiurus- und Torpedo- Embryonen, das ich untersuchte, ist nicht von mir konservirt. Das hiesige anatomische Institut besitzt eine Reihe Serien von Acanthias vulgaris Risso und Pristiurus melanostomus Bonap. verschiedener Ent- wicklungsstadien, die mir zur Verfügung standen, außerdem vorzüg- lich konservirte, noch unverarbeitete Embryonen derselben Species, mit denen ich das Fehlende vervollstiindigte. Zum Vergleich liehen mir Herr Professor RÜCKERT (München) und Herr Privatdocent Dr. GÖPPERT (Heidelberg) in freigebigster Weise ihre, für mich wichtigen Serien von Pristiurus. Von Torpedo narce Risso (ocellata Rudolphi) war gleichfalls das Wichtigste schon in der Sammlung des Instituts fertig geschnitten vorhanden. Eine große Zahl älterer Embryonen verdanke ich der Güte meines Freundes Dr. Anripa, Direk“ 4 - Museums in Bukarest. Allen diesen Herren und Anstaltsdirektorien, ohne deren freund- liche Unterstützung die schwierige Beschaffung des Materials unmög- lich gewesen wäre, sage ich meinen aufrichtigsten Dank. Außer der mikroskopischen Untersuchung von Serienschnitten, deren Vor- bereitung die vorerwähnten Methoden in erster Linie gewidmet waren, wandte Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 423 ich für fast alle Stadien die Totaluntersuchung der Embryonen an. Es ist möglich, bei dem erhöhten Vergrößerungs- und guten Auflösungsvermögen der modernen Priipariermikroskope, wie sie die Firma Zeıss in den Handel bringt (DRÜNER und Braus 1895, 1897, CzapsKy 1897), eine Menge Detail auch ohne Schnittbehandlung zu erkennen. Es ist dazu nöthig, den Embryo zu enthäuten, was mit feinen Instrumenten leicht gelingt, und, wenn Theile der Bauchwand der Untersuchung zugänglich gemacht werden sollen, die Eingeweide zu ent- fernen. Am besten theilt man das ganze Thier durch einen Sagittalschnitt, der durch Medulla, Gehirn und Chorda geht, in zwei Hälften und räumt dann alle überflüssigen Organe aus. Diese Proceduren vollziehen sich am leichtesten, wenn man den Embryo einige Stunden in Wasser hat weich werden lassen. Die Klarheit der Präparate lässt sich steigern durch Einlegen derselben in Glycerin, dem ich oft auf die Anregung hin, welche 0. Scuurtze (1897) neuer- dings gegeben hat, mit Vortheil eine Spur Kalilauge zusetzte. Im letzteren Fall erfordert es ein wenig Aufmerksamkeit, dass man zur richtigen Zeit die Einwirkung unterbricht, die Flüssigkeit entfernt und mehrmals reines Glycerin zusetzt. Von solchen Präparaten geben die Fig. 7 Taf. XX und 1—2 Taf. XXIV eine möglichst getreue Nachbildung. Sie wurden mir namentlich zur Orienti- rung äußerst werthvoll. Die Feinheiten der Innervation mussten freilich stets durch das Studium von Serien gleichalteriger Embryonen ergänzt werden. Die Fig. 1—4 Taf. XXI und 1—4 Taf. XXII sind so entstanden, dass derartige To- talpräparate mit dem Prisma gezeichnet und mit Hilfe von Serien vervollständigt wurden. In manchen Fällen, namentlich bei subtileren Verhältnissen der Muskel- anlagen oder in der Region des Schädels, traten Rekonstruktionen nach Schnitt- serien hinzu, die ich nach der Methode von KASTSCHENKO durch Projektion der Schnitte auf einander oder durch Zuhilfenahme von Millimeterpapier vor- nahm. Zur Bezeichnung der verschiedenen Stadien der Entwicklung werde ich mich der Angabe der Urwirbelzahl und, wo diese nicht mehr genau bestimm- bar ist, der Länge in Millimeter bedienen. Die von der Station in Bergen be- zogenen, durchweg mittelalten und älteren Embryonen von Spinax waren s‘immt- lich ein wenig (c. 2 mm) kleiner als die von mir selbst gesammelten (wohl in Folge der Behandlung). Ich habe durch Vergleich der Höhe ihrer äußeren und organologischen Entwicklung mit derjenigen meiner Embryonen festgestellt, welchen von diesen die einzelnen Stadien entsprechen, und werde in dieser Arbeit der Einheitlichkeit wegen nur Maßangaben von meinen Embryonen benutzen. Doch setze ich zu denjenigen Stadien, bei welchen diese Angabe nicht direkt ermittelt ist, ein ce. (circa) hinzu. Eine eigenthümliche Erscheinung tritt bei Spinax-Embryonen von etwa 70 U.-W. ein. Bei denselben sistirt nämlich die Vermehrung der Zahl ihrer Urwirh\,. Da aber das Wachsthum der einzelnen Metameren und des ganzen -ueres Snergisch fortschreitet, so findet man Stadien von gleicher Ur- wirbelzahl (70 U.-W.), aber beträchtlich verschiedener Länge. In den folgenden Stadien schreitet das Längenwachsthum fort, die Zahl der Urwirbel verringert sich aber allmählich. So fand ich z. B. unter meinen Embryonen solche von 68 U.-W. und 19 mm Länge, und andererseits solche von 67 U.-W. und 28 mm Länge. Im letzteren Falle ist die Urwirbelzahl sekundär durch Reduktion, im ersteren auf dem primären Wege in progressiver, von vorn nach hinten fortschreitender Anlage erworben. Da es nicht in meiner 28* 424 Hermann Braus Absicht lag, auf diese Verhältnisse hier näher einzugehen!, wählte ich als Be- zeichnungsweise des Alters bei Embryonen von 70 U.-W. und bei älteren allein die Maßangabe der Länge in Millimeter. Diese kann nicht missverständ- lich sein und genügt für ältere Embryonen. A. Begriff, Bezeichnungsweise und Zahl der metotischen Urwirbel. Diejenigen metameren Muskelanlagen am Hinterkopf der Se- lachier, welche als metotische Urwirbel (Somiten, Myotome etc.) be- zeichnet werden, sind zuerst von BALFOUR (1876—78, gesammelte Werke, pag. 432) bei Seyllium als Muskelplatten beschrieben worden, die sich »nicht weit hinter der Ohreinstiilpung« aplegen. Er neigt dazu, sie für »einen Theil des Rumpfsystems der Muskulatur zu halten, welches sich bis zu einem gewissen Grade über den Hinter- theil des Kopfes hinübergeschoben hat«. Van WiJHE (1883) findet in der Gegend hinter dem Ohrbliis- chen bei Scyllium und Pristiurus dieselben Gebilde und macht über sie die ersten genaueren Angaben. Ihre Zahl beträgt nach diesem Autor fünf, und zwar setzt sie sich bei der von ihm gewählten Zählweise der Kopfmyotome überhaupt aus dem fünften bis neunten Somiten zusammen. Das vierte Segment van WisHe’s liegt in den Jüngsten Stadien (»/« BALFOUR und ».J« VAN WIJHE) gerade unter der Ohrblase. Die fortlaufende Zählweise van WıJHE’s, welche sämmt- liche Kopfmyotome (auch die vor der Ohrblase liegenden) in eine Reihe bringt, hängt mit seiner Auffassung derselben als gleichwerthiger Kopfsomiten zusammen, einer Auffassung, welche BALFOUR (1878, pag. 432) neben der oben erwähnten als möglich hingestellt hatte, ohne sich aber für sie zu entscheiden. Auf diesem Wege, der von verglei- chend-anatomischer Seite schon vorher von JACKSON und CLARKE (1876) auf Grund von Untersuchungen über die zugehörigen Nerven (untere Vaguswurzeln dieser und vieler anderer Antoren) beschritten worden war, schließen sich ihm WIEDERSHEIM (1883—1893), RagL (1889)? ! Bei einem Skelet eines ausgewachsenen Spinax zähle ich 65 ventrale Nervenwurzeln, so dass höchst wahrscheinlich die Derivate von fünf Urwirbeln sekundär an der Schwanzspitze während der Ontogenese zu Grunde gehen. Dieser Befund spricht für die Halbwirbel des Schwanzes entschie- den im Sinne ihrer sekundären Entstehung. (Vgl. die entgegenstehende Anschauung von ©. Rast, 1892, pag. 78, Litteratur bei P. MAYER, 1886, pag. 261.) > Auf Rası’s abweichende Anschauungen über die Gebilde des Vorder- kopfes sei hier nur hingedeutet. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 495 und Osrroumorr (1889) an. Der älteren BALFour’schen Idee, welche in den metotischen Urwirbeln eine für den Kopf neue Bildung er- bliekt, deren Nerven übrigens schon von Srannius (1849) bei aus- gebildeten Thieren gefunden und gleichfalls in nahe Beziehungen zu spinalen Nerven gebracht worden waren, folgen von den Em- bryologen vor Allem FRorIEP (1882, 1885, 1891), weiterhin DOHRN (1885, 1890), BEArD (1886), Ewart (1889), und bis zu einem ge- wissen Grade HorrmMann (1894). Auf vergleichend-anatomischem Gebiet war von GEGENBAUR (1887) auf Grund eigener und schon vorliegender (von JACKSON und CLARKE 1876 und Oxopı 1886 A und B angestellten) Untersuchungen über die Nerven (sogenannte »untere Vaguswurzeln«, siehe oben, spino-oceipitale Nerven nach FÜRBRINGER, deren Beziehungen zu den metotischen Somiten damals noch zu begründen war), eine feste Basis für die Ableitung dieser Elemente von Rumpfgebilden gegeben und eine scharfe Trennung derselben als neocranialer (cänogenetischer oder sekundärer) von den palaeocranialen (palingenetischen oder primären) vorderen Muskeln und Nerven des Metencephalon angebahnt worden. FüÜr- BRINGER (1895, 1897) hat eine große Fülle vergleichenden und kriti- schen Materials für die vorliegende Frage beigebracht und sie meines Erachtens endgültig für metotische Somiten und spino -oceipitale Nerven im Sinne derjenigen Autoren entschieden, welche sie für relativ junge Abkömmlinge des Rumpfes halten. Auf vergleichend- anatomischem Gebiet habe ich bereits einige Punkte den FÜRBRINGER- schen Ausführungen gelegentlich hinzufügen können (1898); auf em- bryologischem werde ich weiter unten auf dieselben zurückzukommen haben. Vorläufig mag diese kurze Übersicht zur Begründung meines Vorschlages genügen, dass am besten die von van WuHE gewählte und von den Embryologen fast allgemein befolgte Bezeichnungsweise der Kopfsomiten mit fortlaufenden Ziffern zu verlassen und an ihre Stelle die von FÜRBRINGER (1897) für die spino-oceipitalen Ner- ven vorgeschlagene zu setzen ist, welche die Endbuchstaben des Alphabets benutzt. Dadurch wird der Beginn neuer, von den palaeo- eranialen Elementen’ verschiedener Somiten am klarsten hervorgehoben. Auch darin folge ich FÜRBRINGER, aus später zu erörternden Grün- den, dass der letzte Nerv und sein Myotom mit z und jeder weiter rostralwärts folgende mit dem entsprechenden im Alphabet voran- gehenden Buchstaben versehen wird. Danach würden nach van WIJHE’S Angaben bei Pristiurus und Seyllium die fünf Somiten v, w, z, y, z 426 Hermann Braus angelegt werden!. HOFFMANN (1894) giebt für Acanthias vulgaris in frühen Entwicklungsstadien ebenfalls die Somiten vo—z an, wie VAN WuueE für Seylliiden, behauptet aber, dass in der weiteren Entwick- lung noch ein Urwirbel sich an der hinteren Schädelgrenze dem Kopfe angliedere, »so dass demnach die Grenze zwischen Kopf und Rumpf bei Acanthias um einen Urwirbel weiter hinterwärts als bei Seyllium und Pristiurus liegt« (pag. 638). In der ausführlichen Ar- beit (1896) ist derselbe Verfasser auf seine vorläufigen Angaben über die neocranialen Elemente überhaupt nicht mehr zurückgekommen, da seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien (pag. 270). Doch haben sich seinen diesbezüglichen früheren Angaben über Acanthias neuerdings NEAL (1898) und SEWERTZOFF (1898) ange- schlossen. Bei Spinax niger konnte ich die Gesammtzahl der metotischen Kopfsomiten am besten in der Weise feststellen, dass ich von den- jenigen Stadien ausging, in welchen sich die Cranio-Vertebralgrenze deutlich ausgebildet hat. Es ist das erst bei Embryonen von 40 mm Länge der Fall?. Bei diesen ist der Schädel und die Wirbelsäule verknorpelt, und der erste Wirbel scharf gegen die Schädelkapsel abgegrenzt, wie es etwa den Verhältnissen beim aus- gebildeten Thier entspricht (siehe FÜRBRINGER, 1897, Taf. I Fig. 12). Durch den Occipitaltheil des Schädels treten die Nerven für die Muskulatur, welche sich aus den metotischen Somiten entwickelt hat, mittels besonderer Kanäle hindurch. Es mag für den vorliegen- den Zweck der Zählung zunächst genügen, wenn wir uns mit diesen, den spino-occipitalen Nerven, beschäftigen. Denn die Muskelmeta- meren sind in diesem Stadium im Vergleich zu jüngeren so stark gebogen und in ihrem Zusammenhang verändert, dass es schwieriger ist, sich über die segmentale Zahl des noch von ihnen erhaltenen Materials Rechenschaft zu geben. Es finden sich drei ventrale Ner- venwurzeln, von denen die letzte durch die hinterste Partie des Occiput hindurehtritt (Taf. XIX Fig. 10 links) und die vorderste sich ein wenig caudal von der medialen Öffnung des Vaguskanals in den Schädelknorpel einsenkt. Diese Nerven sind. mit =”, y”, 2” zu benennen. Der letzte, 2”, verbindet sich außen vom Schädel mit 1 Dass auch die vordersten beiden Segmente (fünftes und sechstes nach VAN WIJHE) zu den neocranialen gerechnet werden müssen, werde ich weiter unten begründen. 2 Ich bitte mit der folgenden Schilderung die diesem Kapitel beigegebene tabellarische Zusammenstellung (pag. 438, 439) zu vergleichen. Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 427 einer rudimentären dorsalen Wurzel, z, welche aber auch in diesem Stadium fehlen kann. Stets finden sich Reste eines Ganglion z, bald aus mehreren, in einem Fall nur aus einer einzigen, aber un- verkennbaren Ganglienzelle bestehend. In einem jüngeren Stadium (Embryo von ce. 34 mm Länge) setzen sich die Wirbelkörperanlagen kontinuirlich in die Schädelbasis fort (Taf. XIX Fig. 6). Doch ist der Beginn der letzteren an der Ver- breiterung der gemeinsamen Anlage an Stelle der Schädelbasis gut zu erkennen. Da drei ventrale Wurzeln durch den verbreiterten Theil der Anlage hindurchtreten (Schädel), sind dieselben eben so wie bei 40 mm langen Embryonen mit =”, y” und 2” zu bezeichnen (siehe Fig. 6). Bei z vermisste ich nie eine dorsale Wurzel in meinen Prä- paraten, doch ist dieselbe dünner als die hintere Wurzel der Spinal- nerven. Auch das Ganglion z ist konstanter als bei 40 mm langen Embryonen, jedoch stets kleiner als die Spinalganglien. In beiden Stadien unterscheidet sich außerdem Ganglion z von letzteren da- durch, dass es sich ein wenig dorsal von einer Ebene befindet, welche man durch die Spinalganglien legen kann. Selbst bis auf solche Einzelheiten der Topographie ihrer Ganglien stimmen die jeweils letzten Nerven der beiden Stadien überein, so dass betreffs der kom- pleten Homologie dieser Nerven kein Zweifel sein kann. Bei einem Embryo von e. 30 mm Länge ist die spätere Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule nur andeutungsweise an der Verbreiterung zu erkennen, welche die eben knorpelig sich anlegende Basis.des späteren Schädels gegenüber derjenigen der Wirbel (Wirbel- körper) bildet. Die dorsalen Theile (Bogen) sind noch nicht knorpelig angelegt. Trotzdem ist es möglich die Zahl der spino-oceipitalen Nerven zu bestimmen; denn auf die mediale Öffnung des Vaguskanals folgen drei Nerven, von denen die beiden vorderen nur aus ven- tralen Wurzeln hervorgehen, während der hinterste außer dieser eine dorsale Wurzel und ein Ganglion besitzt. Alle drei liegen über der Verbreiterung der knorpeligen Basis des Achsenskelettes. Erst der folgende Nerv liegt über der schmäleren Partie derselben, welche den späteren Wirbelkörpern entspricht. Auch dadurch, dass er zur vorderen Extremität verläuft, dokumentirt letzterer sich als Homo- logon des ersten Spinalnerven, da dieser in allen älteren Stadien und beim ausgebildeten Thier den ersten Extremitätennerven abgiebt. Also auch in diesem Stadium sind die drei spino-oceipitalen Nerven x, y, z entwickelt. Das Ganglion z ist nicht so klein wie bei Em- bryonen von 34 mm; es liegt noch in gleicher Höhe wie die 428 Hermann Braus Ganglien der Spinalnerven. Bei der allgemein unter den spino-occi- pitalen Nerven im dorsalen Wurzelgebiet schneller als im ventralen zunehmenden Reduktion kann es nicht auffallen, dass in jüngeren Entwicklungsstadien, wie diesem, vollkommnere Ausbildungen von 2d und seinem Ganglion gegenüber älteren Stadien sich zeigen, wäh- rend die ventralen Wurzeln noch dieselben bleiben. | In diesem Stadium lassen sich die motorischen Äste der spino- oceipitalen Nerven leichter zu den von ihnen versorgten Muskel- gruppen verfolgen. Es stellt sich dabei heraus, dass rostral vor dem Segment, in welches Nerv z sich begiebt, noch ein Myotom gelegen ist, in welchem zwar deutliche embryonale Muskelfasern nicht wahr- genommen werden können und bei welchem kein Nerv zu entdecken ist. Dieser Zellenhaufen, mit einem Lumen in seiner Mitte, folgt kontinuirlich rostralwärts auf die obere Kante des Myotoms z, wel- ches selbst an dieser Stelle eine mehr embryonale Form bewahrt hat und wenig Muskelfasern besitzt. Er ist desshalb als Rest eines vor z ursprünglich gelegenen Somiten w zu betrachten, dessen mus- kulöse Theile im dorsalen Gebiet verschwunden sind und dessen Nerven sich rückgebildet haben. Die erhaltene obere Kante von w beginnt in einer Querschnittsserie in solchen Schnitten, welche dem rostralen Beginn der Vaguswurzel an der Medulla zunächst voraus- gehen. An diesen Befund schließt sich derjenige bei nächst jüngeren Embryonen (von c. 26mm Länge) an, bei welchen das Skelet nur vorknorpelig angelegt und keine Schädelwirbelgrenze angedeutet ist Vier spino-oceipitale Nerven lassen sich dennoch als solche erkennen (Taf. XIX Fig. 5). Denn der letzte derselben, z, ist der einzige, welcher ein mäßig großes Ganglion und eine dorsale Wurzel besitzt. Der caudalwärts folgende Nerv entsendet, wie der vorderste Spinalnerv in allen übrigen Stadien, den ersten Ast zur Extremität. Nerv w besteht lediglich aus ventralen Elementen, ist etwas schwä- cher als die folgenden Nerven, und verläuft zu einem Somiten, der genau solche Muskelfasern besitzt wie die folgenden und dessen dorsale Kante sich rostralwärts in einer Transversalserie bis zu sol- chen Querschnitten verfolgen lässt, in welchen die Vaguswurzel an der Medulla beginnt. Es liegt hier derselbe, bei einem Embryo von e. 30 mm Länge nur spurweise erhaltene Somit w, in guter Aus- bildung seines dorsalen Theiles vor. Aus dieser erklärt sich der Besitz von Muskelfasern und das Auftreten von w” ia diesem Stadium. Bei diesem Embryo ist noch ein Rest der BaLrour’schen Nerven- Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 429 kommissur (Nervenleiste, BALFOUR, 1876—78, pag. 383, 428) zu er- kennen, welcher von der Vaguswurzel aus in der Richtung auf die Austrittsstelle der dorsalen Wurzeln von z und von den Spinalner- ven nach hinten zieht. Doch endet dieser Rest bereits über =” mit einem kleinen, knopfförmigen ventralen Ausläufer. In der idealen Verlängerung der Nervenleiste liegt dorsal von y” eine isolirte Zellen- gruppe in der Nähe der Medulla, welche der Endanschwellung der Nervenleiste durchaus ähnlich, nur ein wenig größer ist (s. Taf. XIX Fig. 5 untere Seite). Eine Verbindung mit y” konnte ich nicht finden. Jedoch gingen von ihr Fäserchen an die Medulla. Der ganzen Lage und dieser Verbindung nach ist in diesem Zellenhaufen trotz des mangelnden Verbandes mit y” ein rudimentäres Ganglion von y zu vermuthen. Bei einem Embryo von 68 U.-W. und 19mm Länge sind wieder wichtigere Einrichtungen, die wir bisher vermissten, nachzu- weisen, so dass ich diesen hier anschließe. Von einer auch nur vor- knorpeligen Anlage des Skelettes findet sich nichts. Vor dem ersten Nerven, welcher einen Ast zur vorderen Extremität entsendet, ent- springen, wie beim vorigen Embryo, vier spino-oceipitale Nerven aus der Medulla. Nur der letzte, z, besitzt ein hier im Vergleich zu den Spinalnervenganglien wohl ausgebildetes Ganglion und neben der ven- tralen eine dorsale Wurzel. w, x und y bestehen nur aus ventralen Wurzeln. So weit ist fast völlige Übereinstimmung mit dem nächst älteren Embryo vorhanden. Die Myotome dagegen, welche bekannt- lich bei Selachiern außer einer mittleren mit dem Winkel cranial- wärts gerichteten Knickung ventral und dorsal noch Kniekungen besitzen, deren Winkel caudalwärts schauen, zeigen in diesem Sta- dium letztere beiden nur wenig ausgebildet (Taf. XXI Fig. 1). Da- her schiebt sich die dorsale Kante der vordersten Myotome nicht so weit rostralwärts gegen die Vaguswurzel vor, wie in älteren Sta- dien. In dem freibleibenden Raum haben sich die Reste rostralwärts sich anschließender Somiten, deren Nerven verloren gegangen sind, erhalten (Taf. XIX Fig. 4). Es ist das zunächst dem Myotom w ein Segment v. Dieses ist bei Embryonen, welche ihrem Alter nach zwi- schen diesem und dem vorhin besprochenen Stadium stehen (von 70 U.-W. und 25 mm Länge), auch noch vorhanden, aber undeutlich begrenzt, ohne erkennbare Muskelfasern, kurzum stark rückgebildet. Bei Embryonen von 19 mm Länge ist seine Muskelstruktur leidlich erhalten, aber seine Größe gegenüber den folgenden (2, x etc.) stark beeinträchtigt. Denn zu den metotischen Rumpfsomiten, die einen 430 Hermann Braus Nerven besitzen, gehört außer dem dorsalen, über dem Kiemenkorb | liegenden Theil noch ein ventraler, der unter und hinter letzterem liegt, bei z in kontinuirlichem Zusammenhang mit dem dorsalen Theile steht, bei o—y aber von ihm getrennt ist (Taf. XXI Fig. 1). Die Nerven zeigen die Zugehörigkeit dieser abgelösten ventralen Theilg an, aus welchen die hypobranchiale Muskulatur entsteht. Von » scheint kein Material in diesen ventralen Theilen zu stecken. Es © geht wenigstens kein Nerv » an dieselben. Wenn trotzdem solches noch in dem ersten Doppelkomplex + x enthalten sein sollte, so müsste es aus Mangel an Innervation in Rückbildung begriffen sein. Noch stärker ist das rostralwärts auf w folgende, mit w zu bezeich- nende Metamer degenerirt. Dasselbe ist bei dem vorhin erwähnten Embryo von 70 U.-W. und 25 mm Länge schon nicht mehr vor- handen. Hier ist es rein dorsal gelegen, kleiner als » und manch- mal undeutlich von letzterem getrennt. In einer Horizontalschnitt- serie sah ich nur an einer beschränkten Stelle in der langen Platte, welche vor w gelegen war, ein Myocomma auftreten, welches an- zeigte, dass in derselben zwei Somiten, v + a, wenn auch nicht ganz, verschmolzen seien. Am rostralen Rand ist vo stets wie aufgefranst. Die Zellen gehen in das. umgebende Mesodermgewebe allmählich über (wie bei ¢, uw, vgl. Taf. XIX Fig. 2, 3). Wichtig ist die Lage der beiden rudimentären Somiten « und o zum Vagus. Auf Horizontalschnitten sieht man, dass » mit seinem rostralen Rand medial vom Vagus liegt, da, wo dieser Nerv von der Dorsalseite der Medulla ventralwärts zieht und noch nicht in Äste zerfallen ist. Myotom w zieht schon völlig medial von ihm nach vorn, wo höchstens der undeutliche Vorderrand über den rostralen Vagusrand ein wenig hinausschaut (Taf. XIX Fig. 4). Die Nervenleiste ist in diesem Stadium bis zu einer Stelle ober- halb y” erhalten und setzt sich dort an eine knopfförmige Zellen- anhäufung an, an welcher sie endigt. Diese ist offenbar homolog der an derselben Stelle über y beim Embryo von 26 mm Länge liegenden (Taf. XIX Fig. 5). Die Vermuthung, es handle sich in derselben um ein rudimentäres Ganglion y, wird durch die Verbin- dung mit der Nervenleiste bestärkt, da diese bekanntlich bei der ersten Anlage sämmtliche dorsale Wurzeln bis zum Glossopharyngeus hin unter einander verbindet (BALrour, 1. e., VAN WHE u. A.). Bei einem Embryo von 55 U.-W. findet sich völlig medial vom Vagus an der Stelle, wo dieser Nerv dorso-ventral verläuft und wo seine Äste sich noch nieht von einander entfernt haben, ein Myo- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 431 tom, welches zwar gut entwickelte embryonale Muskelfasern besitzt, dessen Cutislamelle dagegen fehlt, welches ferner sehr viel geringer in dorso-ventraler Richtung entwickelt ist als die folgenden Somiten, und an seinem rostralen Rand ohne deutliche Grenze in das um- gebende Mesodermgewebe übergeht. An dieser Stelle ragt es ein wenig rostral über den vorderen Rand des Vagus hinaus (Taf. XIX Fig. 3). Seiner Lage nach stimmt dieser Somit also völlig, dem Stadium des Zerfalls nach fast völlig mit Myotom « im vorigen Stadium über- ein. Wäre er diesem homolog, so wäre das fünfte in der Reihe gleich y zu setzen. Zu diesem gehört eine ventrale und eine dor- sale Wurzel. Letztere ist durch die Nervenleiste mit der Vagus- wurzel und den folgenden Nerven verbunden, da diese hier noch als ein kontinuirlich, zwischen den Ursprüngen der dorsalen Ner- ven und parallel der Medulla sich hinziehender Kommissuralstrang erhalten ist. Im Zusammenhang mit der dorsalen Wurzel, an der- selben Stelle, wo in den älteren Stadien das fragliche rudimentäre Ganglion y gelegen ist, liegt hier ein deutlich erkennbares, wohl ausgebildetes Ganglion. Auch der folgende Somit besitzt eine ventrale und dorsale Wurzel und ein wohl entwickeltes Ganglion, stimmt also völlig mit z der nächst älteren Embryonen überein. Es entspricht in jeder Richtung unseren Kenntnissen von der allmählich mit fortschreitender Entwicklung zunehmenden Degeneration dorsaler Wurzeln und Ganglien bei den metotischen Somiten (BEARD, 1886, OSTROUMOFF, 1889, DoHrn, 1890, HOFFMANN, 1894, FÜRBRINGER, 1897), dass an Stelle des in älteren Stadien rudimentären Ganglions y jetzt noch ein vollständiges erhalten wäre. Fehlt doch demselben an der völligen Identifieirung mit einem solchen bei dem Embryo von 68 U.-W. nur die dorsale Wurzel. Auch diese ist hier erhalten. ¢ Aber auch bei dem vierten Somiten, der bei unserer Voraussetzung gleich z zu setzen wäre, ist ein Auswuchs der Nervenleiste vorhan- den, welcher sich als dünner Strang ventralwärts fortsetzt und mit der ventralen Wurzel verbindet. Dieser Strang ist stets gleich diek und auf dem Querschnitt aus nicht mehr Zellen zusammengesetzt (4—5) als die dorsalen Wurzeln der folgenden Somiten oberhalb oder unterhalb der in sie eingeschalteten Ganglienbildungszellen. Ein Ganglion z im makroskopischen Sinne wäre also nicht vorhanden. Es ist hier daran zu erinnern, dass noch bei dem Embryo von c. 26 mm Länge ein ventraler Fortsatz der Nervenleiste nachzuweisen war (pag. 428). Bei den jüngeren Stadien ist er in gleicher Weise entwickelt. Dass er bei dem vorliegenden Stadium die ventrale 432 . Hermann Braus Wurzel noch erreicht, ist fiir die Homologisirung des Nerven mit Nerv z nur günstig. Der rostralwärts folgende Somit hat gerade so wie w im vorigen Stadium eine ventrale Wurzel. Der nächste stimmt mit » in der Lage überein, da er mit dem Vorderrand sich noch ein wenig über den Hinterrand des Vagus, medial von diesem, vorschiebt, im Ubrigen caudal vom Vagus an- geordnet ist. Er unterscheidet sich durch den Besitz einer ventralen Wurzel von ihm (Taf. XIX Fig. 3). Diese ist auf der einen Seite gerade so dick wie die folgenden Wurzeln, auf der anderen sehr dünn und kaum wahrnehmbar, also gegenüber den folgenden ven- tralen Wurzeln rudimentär. Das Myotom selbst ist gerade so groß wie die folgenden, bei welchen sämmtlich ventrale Fortsätze wie in Taf. XXI Fig. 1 noch nicht entwickelt sind. Da in den älteren Stadien Myotom » zwar rudimentär gegenüber w, z ete., aber doch besser erhalten als ~ und reichlich mit Muskelfasern versehen war, so entspricht es ganz unseren Erfahrungen beim Somiten w in älteren Stadien, wenn jetzt zugleich mit der besseren Volumsentfaltung des ganzen Myotoms noch »” erhalten wäre. Denn auch w war bei größeren Embryonen rudimentär und entbehrte seines Nerven, bei Jüngeren fanden sich Nerv, Muskelfasern und eine besser. erhaltene, schließlich völlige Entfaltung seiner Masse. Die Homologisirung des ersten Myotoms im vorliegenden Sta- dium von 55 U.-W. mit w ergiebt also für diesen Somiten und alle folgenden metotischen Urwirbel völlige Übereinstimmung mit den entsprechenden Metameren älterer Embryonen oder doch nur Ab- weichungen, welche als deutlichere, dem jiingeren Stadium zukom- mende Anlagen von später rudimentären und unvollkommen erhal- tenen, aber doch nachweisbaren Bildungen gelten miissen. Wenn auch in diesem Stadium gleich den nächst älteren mit dem Fehlen der Skeletanlage jede Spur einer Abgrenzung zwischen Schädel und Wirbelsäule mangelt, und wenn auch das weitere, freilich weniger maßgebende Kriterium fehlt, welches der vorige Embryo noch in der Betheiligung des ersten Spinalnerven an der Versorgung der Extre- mität besaß, da eine solche noch nicht entwickelt ist, so sind dafür die Lagebeziehungen der Myotome zu den Kopfnerven (Vagus) und die Struktureigenthümlichkeiten derselben und ihrer Nerven Merk- male, die uns bei der Homologisirung nicht weniger sicher leiten. Mehr Detail werde ich dazu noch im folgenden Kapitel beitragen können. Hier mögen die angeführten Argumente genügen, um zu Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 433 zeigen, dass bei einem Embryo von 55 U.-W. die metotischen So- miten w—z nachweisbar sind. Bei einem Embryo von 44 U.-W. liegt medial vom Vagus ein Somit, welcher sich seiner Lage nach von ~ nur durch die ge- ringe Differenz unterscheidet, dass der caudale Rand bis ganz an den Hinterrand des Vagus heranreicht (Taf. XIX Fig. 2). Ein Nerv fehlt wie bei w. Dagegen ist ein größerer Unterschied darin ge- geben, dass die Cutislamelle komplet vorhanden ist. Auch der rostrale Rand ist nicht undeutlich mit dem Mesoderm verschmolzen, sondern setzt sich in eine Anhäufung von Zellen fort, welche als deutlich begrenzte Gruppen zwischen den Mesodermzellen verstreut liegen und sich bis in die Gegend des Glossopharyngeus ausdehnen. Stellenweise ist sogar in Horizontalschnitten eine Art Abgrenzung des ersten unverkennbaren Myotoms gegen diese Zellen wahrnehmbar (s. Figur). Dass wirklich das Myotom hier anfängt, erscheint unwahr- scheinlich, da es sonst eine ganz ungewöhnliche Breite im Vergleich zu v, w etc. besäße. Es ist eher anzunehmen, dass mit dem Vorder- ende von ihm der Rest eines ursprünglich mehr rostral, zwischen Va- gus und Glossopharyngeus liegenden Myotoms verbunden sei, gerade so wie die Reste von w in älteren Stadien sich mit v verbinden (pag. 430). Die vollständigere Erhaltung des medial vom Vagus gelegenen So- miten gegenüber dem nächst älteren Stadium und seine Verbindung mit einem dort nicht sicher nachweisbaren, hier rudimentären, weiter vorn gelegenen Myotom erhärtet nur die Vermuthung, dass ersterer mit w identisch, letzterer also gleich ¢ zu setzen sei. Wenn dem so ist, dann würde der auf x folgende Somit v zu nennen sein. Er erreicht den Vagus nicht ganz, liegt also völlig eaudal von seinem hinteren Rand, eine geringe Differenz gegenüber Somit » des älteren Stadiums, welcher sich im Wesentlichen auch caudal vom Vagus befindet, aber sich mit seinem vordersten Rande etwas nach vorn, medial von ihm, vorschiebt (vgl. Fig. 2 und 3 Taf. XIX). Die Lage- veränderung ist so gering und so in Übereinstimmung mit der ge- ringen bei « beobachteten, dass sie der Homologisirung bei einander so nahestehenden Stadien kaum im Wege ist. Im Übrigen herrschen völlig gleiche Verhältnisse, indem die Größe und Ausbildung des Somiten in beiden Stadien dieselbe wie bei den folgenden ist, und auch der ventrale Nerv nicht mangelt. Der folgende Somit stimmt in Entwicklung und Innervation mit » überein. Es ist lediglich eine ventrale Wurzel vorhanden. Das nächste Myotom, also das vierte bei Einrechnung des ersten 434 Hermann Braus rudimentären, besitzt eine Abweichung von w, dem es im Übrigen gleicht. Die Nervenleiste weist nämlich über «” einen ventralen Fortsatz auf, welcher in den älteren Stadien völlig verschwunden, hier dagegen an seinem Beginn ziemlich dick ist und weiter ventral. sich als dünner Zellstrang zur ventralen Wurzel fortsetzt. Es ist eine rudimentäre dorsale Wurzel mit Ganglienrest. Am ehesten knüpft dieses Verhalten an die Ausbildung der dorsalen Wurzel von z im nächst älteren Stadium an, bei welcher von einer promi- nenten Ganglienanlage nichts mehr zu sehen war. Trotzdem ist es unmöglich, beide zu homologisiren, weil dann der vorderste Somit des älteren Stadiums « besser erhalten wäre als der ihm gleichzu- setzende zellige Komplex am Anfang der Reihe bei diesem Embryo. Das widerspricht sowohl den embryologischen und vergleichend- anatomischen Erfahrungen, wie wir sie aus der Litteratur kennen, wie auch dem entwicklungsgeschichtlichen Vorgang, wie er bei allen anderen metotischen Somiten von Spinax selbst bisher festzustellen war. Es würde außerdem anzunehmen sein, dass vom jüngeren zum älteren Stadium eine Verschiebung dieses Somiten von einer Stelle rostral vom Vagus an eine weiter caudal, medial vom Vagüs ge- legene zu Stande gekommen sei. Auch dies widerspricht der ver- gleichend-anatomisch festgestellten, entgegengesetzt gerichteten Ver- schiebung der neocranialen Elemente (FÜRBRINGER), auf deren em- bryologische Begründung ich im. nächsten Kapitel noch eingehen werde. Andererseits finden wir beim folgenden (fünften) Somiten eine gut ausgebildete dorsale Wurzel und ein Ganglion, welches als deutliche Anhäufung von Zellen in den Zellenstrang der ersteren eingebettet ist. Dieselbe ist kleiner als die folgenden Ganglien, welche unter ein- ander gleiche Größe besitzen. Schreitet dieses schon rudimentäre Ganglion ein wenig weiter in der Rückbildung vor, so dass eine Anschwellung des Zellenstranges nicht mehr sichtbar ist, so bleibt eine dorsale Wurzel übrig, welche durchaus der im nächst älteren Stadium bei x beobachteten gleich ist. Dieser, einer Homologisirung des fünften Somiten mit z günstige Umstand leitet dazu hin, den vor- hergehenden vierten Urwirbel nicht z, sondern w gleich zu setzen. Es kann dies zwanglos mit der sehr rudimentären Konservirung von dorsaler Wurzel und Ganglion in Einklang gebracht werden, welche beim Embryo von 55 U.-W. gerade so verschwunden sind, wie auch die homodyname Anlage bei z in älteren Stadien. Das sechste und siebente Myotom ist gerade so entwickelt wie Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensys.t d. Selachier. I. 435 die folgenden, besitzt wie diese eine kräftige ventrale und dorsale Wurzel und ein für das vorliegende Ausbildungsstadium voll ent- wickeltes Ganglion. In allen diesen Punkten sind nun im nächst älteren Stadium die Somiten y und z die ersten (rostralsten), welche eine gleich hohe Entwicklungsstufe festgehalten haben. Dieselben Gründe wie beim vorigen Embryo veranlassen mich dess- halb, bei diesem jüngeren die Homologie des ersten Somiten mit ¢ und die der folgenden mit den entsprechenden, noch in älteren Stadien erhaltenen metotischen Urwirbel als hier- mit erwiesen zu betrachten. Noch um eine Stufe entwickelter erweisen sich die Urwirbel im jüngsten Stadium, das ich hier anführen möchte, bei einem Em- bryo von 33 U.-W. (Taf. XXI Fig. 6). Der erste metotische Ur- wirbel ist wohl abgegrenzt vom folgenden, entspricht aber sonst, sowohl was seine Lage zwischen Glossopharyngeus und Vagus als auch die mangelhafte, aber deutliche Entwicklung von embryonalen Muskelfasern in seiner mittleren und caudalen Partie angeht, am ehesten dem zwar stärker rudimentären und ein wenig mehr nach vorn verschobenen Somiten ¢ beim Embryo von 44 U.-W. Auch das zweite Segment ist weniger entwickelt als die folgen- den, jedoch besser als « in älteren Stadien, welches eine beträcht- lich kleinere dorso-ventrale Ausdehnung als » ete. besitzt. Die Ner- venleiste hat in diesem Stadium bereits bei diesem zweiten Somiten einen ventralen Fortsatz (Taf. XIX Fig. 1), welcher bei « des nächst älteren Stadiums fehlt. Bei den folgenden Somiten ist je eine ventrale Verlängerung der mit der Medulla noch in toto zusammenhängenden Nervenleiste vorhanden (siehe Fig. 1), welche offenbar als Vorläufer der in den folgenden Stadien zum Theil noch als solehe erhaltenen dorsalen Nerven- und Ganglienanlagen aufzufassen sind. Ventrale Wurzeln konnte ich in diesem Stadium nicht sehen. Die volle Entfaltung der Muskulatur ist erst beim fünften Somiten eingetreten, eine annähernd komplete beim vierten. In diesem Punkt ist eine Handhabe zur Vergleichung mit dem Embryo von 44 U.-W. gegeben. Bei diesem ist freilich erst das sechste Myotom y das erste vollständig entfaltete, das in allen Punkten mit den folgenden übereinstimmt. Das fünfte (x) steht annähernd auf derselben Ent- wicklungsstufe. Es entspricht aber der schon an den vordersten Somiten in unserem Stadium beobachteten besseren Konservirung der Somitencharaktere durchaus, wenn wir auch hier das fünfte noch im 436 Hermann Braus Vollbesitz derjenigen Merkmale finden, welche den für diesen Ent- wicklungszustand ausgebildeten metotischen Urwirbeln eigen sind, das vierte dagegen in einem Zustand, der dem des fünften im nächst älteren Stadium ungefähr entspricht. Alle diese kleinen, in der Richtung einer höheren, aber gleich- mäßig gesteigerten Stufe der Entwicklung liegenden Veränderungen im Bereich der vordersten metotischen Somiten im Stadium von 33 U.-W. weisen darauf hin, dass dieselben Myotome wie beim Embryo von 44 U.-W., nur in besserem relativen Erhaltungszustand, vorliegen. Ich bin hiermit bei dem jüngsten Embryo angelangt, welcher die metotischen Somiten an der Ausbildung von Muskelfasern deutlich als solche erkennen lässt und welcher den Ausgangspunkt für die Vergleichung mit der Somitenzahl anderer Selachier bieten soll. Ehe ich mich dieser zuwende, lasse’ ich eine kurze Zusammenfassung der bisher mitgetheilten Thatsachen in Tabellenform folgen, um eine bessere und raschere Orientirung zu vermitteln: siehe pag. 438, 439. Mit der hier nachgewiesenen Zahl von mindestens sieben, ur- sprünglich bei Spinax niger sich anlegenden metotischen Somiten (¢—z) steht die Angabe van WisHE’s im Widerspruch, dass bei Seyllium und Pristiurus sich nur fünf derartige Myotome in der hinteren Kopf- region fänden. Der Spinax-Embryo von 33 U.-W. entspricht dem von VAN WHE aufgestellten und näher charakterisirten Stadium J (1883, pag. 7), da die vierte Kiementasche bereits angelegt ist und die erste und zweite nach außen zum Durchbruch gekommen sind. Die dritte Kiementasche ist noch nach außen verschlossen. Um den Vergleich zu erleichtern, habe ich meine durch genaue Rekonstruktion ge- wonnene Abbildung der Kopfsomiten dieses Stadiums bei Spinax (Fig. 6 Taf. XXI) den van Wiste’schen Zeichnungen des Stadiums J von Pristiurus- und Scyllium-Embryonen (1883, Taf. I Figg. 9, 10, 11, 12 mit Beriicksichtigung seiner Beschreibung dieses Stadiums) so angepasst, dass eine halbschematische, aber doch fiir die Topo- graphie und den Erhaltungszustand der Kopfsomiten den Befunden VAN WIJHE’s genau entsprechende Zeichnung von Seylliiden-Embryonen, welche ich in Fig. 5 Taf. XXI wiedergebe, vorliegt. Bei Seylliiden liegt (vgl. Fig. 5) der vorderste metotische Somit (van WiJHE’s fünfter Somit in der Reihe seiner sämmtlichen prooti- sehen und metotischen Segmente) über der dritten Kiemenspalte zwi- schen Glossopharyngeus und Vagus, doch erreicht er letzteren nicht Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 437 mehr, während er sich medial vom Glossopharyngeus eine Strecke weit rostralwärts vorschiebt. Er ist von vorn herein rudimentär und ließ van WisHE keine Muskelfasern und keinen Nerven erkennen. Der vorderste metotisehe Somit bei Spinax dagegen (vgl. Fig. 6 5.8 [7]) liegt auch über der dritten Kiemenspalte und zwischen Glossopharyn- geus und Vagus, ragt gleichfalls mit seinem rostralen Ende bis über den caudalen Glossopharyngeusrand, medial von diesem, nach vorn hinaus, wird aber in seinem caudalen Theile noch vom vorderen Rande des Vagus bedeckt. Außerdem enthält die mediale Lamelle dieses Somiten deutliche Muskelfasern. Ein Nerv fehlt auch ihm. Eine Homologisirung der beiden fraglichen Somiten bei Seylliiden und Spi- nax ist dann durchführbar, wenn man, der primitiveren Stellung des letzteren im Allgemeinen entsprechend, auch für das gleiche entwiek- lungsgeschichtliche Stadium J eine geringgradige Erhaltung soleher älterer Embryonalformen bei Spinax annimmt, welche bei Scylliiden be- reits nicht mehr zur Anlage gelangen. Verfolgt man in der Tabelle auf pag. 438—439 die Zunahme der Degeneration der auf ¢ folgenden me- totischen Somiten, so findet man zuerst eine Auflösung des motorischen Nerven und dann eine Abnahme der Muskelfasern eintreten, die sich anfänglich auf den vorderen Theil beschränkt (z. B. bei Myotom x, Stadium 55 und 68 U.-W.). Diesem Stadium .der Degeneration entspricht bei Spinax die höchste Ausbildung von ¢ im Stadium J. Später schwindet jede Spur von Muskelfasern, aber es bleibt bei manchen hinteren Myotomen noch eine Weile eine Zellenmasse be- stehen, welche undeutlich begrenzt und lediglich aus Mesodermzellen zusammengesetzt ist (z. B. bei v, Stadium 25 mm Länge und w, Sta- dium 30 mm Länge). Auf diesen Punkt der Degeneration würde sich dann Somit ¢ bei Seylliiden zur Zeit seiner höchsten Ausbildung in den frühesten Entwicklungsstadien bereits befinden, um in den fol- genden Stadien weiter zu zerfallen (Stadium A van Wwue, pag. 15). Auch die geringe topographische Verschiedenheit der Lage des Jeweilig ersten Somiten zum Vagusstamm bei Seylliiden und Spinax im Stadium J erklärt sich leicht als geringe Höhendifferenz der Aus- bildung. Man braucht nur an die Verschiebungen zu denken, welche Somit ¢ in den jüngsten Stadien bei Spinax selbst durchmacht, um darüber Klarheit zu erhalten. Schon bei einem Embryo von 44 U.-W., welcher dem Anfange des Barrour’schen Stadiums X entspricht (die dritte Kiemenspalte ist durchgebrochen, van Wise, pag. 7), fanden wir Myotom ¢ ein wenig rostralwärts verschoben, so dass sein hin- terer Rand nicht mehr vom Vagus bedeckt wird (Taf. XIX Fig. 2). Morpholog. Jahrbuch. 27. 29 | Hermann Braus 438 be eae lad a gaat 9a pease Caen Teac TED | UP (SH = | ‘189 A ‘ryaz „A| ourspyste [soz | “2 spe aouunp a -uU93[0J p? ‘uepues ‘FYOf,vsopuesd| stuam UM „m [SH wley SAION uley A x0qy gepue ‘gro | 104 Of a® | 107 10q OIA A} -[OF o1M YAVys | Yeo eso] Toy, 139 -UHPUBLLIOA YOOU [IOI], T ‘Sq Super egstopueAıeN {pues “98Q199 ION T, | OS „©: 19q | 'sıop WOA toque} Uley faroN | UaIsguıg UT ‘4s0J03m® 'IXX Jey (ozygsj1ogwogoän | -URQUAWMUBS |'8IOP UIOA TaqV | OIA ZIBSNIOT ‘WOZ[OUYOSIOA | uroy° M-N PF | TIOQL Uatops0A un uıosey | “Sr ee NZ ‘SOP FUL) “SIPURISG[OS | AJUOA !HONOIM | © UOA WOP AI Log OIA UIOSR} ne 2 an : „u -Ay Wars Boz qioy | ZIWSJIOT “QUA | ZIESJIOT "Qua | -Ju9 1oflom ZYESI1O,7 "14U9A | -[OYsnyY :I]49F | 9591] :ISuRyuomwesnz XIX J*L Uowory WEP TIT | .Uopu9s[o7 19q | :uopuesjor Loq | uepuasjoF Toq|!'M-'N Fr 10q zyeS110 JIofen 241M U9][9IS U9JsIoW wap | Sur] a ake aM = -JOYSN]L OLA oNsnm | OFA oysnn | OLA = “JOYS | -usA “uagwyıe | ue soyopom | wu 6] nwoszduny 7 | N [LOYT, 'SIop|'n [loyy, 'sıop| 'n Toys ‘Sop | 'n Toy, ‘stop Troy 'sıopsje “Juowmıpny | +149% "M-'N89 | 1 [SH ew 15) ‘NYY pM: apuos = yyyoy [SH UN :ALON 189 urey uop (1592| up ([SHA| px sie deyorp |-]07 orm Yreys| a Sapyo} pe | WA MN FF | fWdAION Urey -u9.0[0} p= | -u9310F pi \yyarusgriy| os „m Suop gM S[B Tau | Taq Ola 'MoN :Ud}[VY19 | 19Q OLA az | 10q 91a afi |-" Fr leq IA | -uaSjoy oq spe | -unp JoLA ıyos | -snqzy N-'D | 2U0A 99U9MATO £4 OO S4[OYOUM pt iat ‘HOY AOUIOTY :"M-N | Te WOUI | "x woAyeipout | -joysnyy oSıu -ıu9 TOFLOM TOP | -JuO 10}TAM TOP | -}U9 JOZ1OM Tap | FF UISOS uam | Ul,A!'M-HPPl| Sol] fepuos|-1a yyoteyara| & LT -W98[OJ 10 OTA | -Wo.STOF Toq OIA | -UaSTO} 1oq orm | -wWoUSnz EN | 19q OTA ‘492 | -[OJS[Baoureyy |” uoa ploy yz, | XIX FAL FOS “NED | FASNA, “MAY | FlOYSNW “NUH | -snJY “N ogory | -SnM Noegory | yoryyorsjoq | uotoproa wt|*M-"9 ec 9pu9s]joF se |,” UL Sunyorp.so A | | “19 Uley :"ATON ourey | TOULO]Y “a2 [89 | OULD] s]Te uOls | OF |e Uo P02 LOAN ee S]VALIVOAS UOTLS | -uvy m SSurays 37407 [SO NAY az,” | [OU] U098.109 uap \139 2| uep (189 A\ -ueyg © ‘099 pfi | -Wal[ez aeuunp | “1849 a Yıyaz p? | NY9F.R"M-N | -uIy WT wIoseF -U92[0J p® | -Was[oj pf | spe rayoRMyos ayos ph :apues ‘apues[oy se | ‘ge utleq oI | -jaysnyy {Arou x 10q 9IM a2 | 10q oil af | pr SW JOYINIS | -J0F OLA Yvzs OUUNP „a 'M | UIOSB}[oySnN -[eıge 8 "Xn Jf 301M EBEN pr: ar-goregruo | OS ,nM-NEE|-N ee Ue809 | {NE “x MOA | "XI 'az‘Iduey “709 1919M Up | -FUO 1O}T9M Wop | [JOA U9PUASTOF U9S9S uomwou | UEWMMOUAF |TeIpewu 4891] | -Upmwesnz G LA a ee = -U93[07 10q OIA | -W95[OJ 10q 91M | 1oq IM Yloy | -oSnzuJosej(oy | -nz WIESEN ‘opudss[oy | n 41m soqojam | XIX JRL -UOAION Top sisvg | ‘J[OYSNJY “NUH | JyoysnyY n a9 | -snyy “n ogo. | sum 'n eggt) |-sny_ negory | sje Aue Yuomıpny "M-'O FF | | | pr WOA 98%] | -UV ‘9U07 Ud19}0N ‘nN Tad | 29 02PI9UI U BUN Ze | -Sny wojomw) [sg uey | pt UOA 98%] pa TOA pe UOA 98%] | -erJ ualeIpomt | {u9AION ouloy “UY “Wopudsloj |oSefuy ‘afoul |-Uy 'o]fome’] | uezueS aop ur ‘freq, ‘Jury 109 SIM 4OIVJ) -BVT UOTEIpam | uajeIpow A9Pp | urasrypoysnyy | pun ‘im ur 31 eımpom qm Savy |p? 0A OsRuy | pf uoA osvpay | -jue [JOA oje |'p HuoZ "ıyuaA | oUOZ “WUaA n ‘NO X Wo} wiosejjogsum |_| Ms -uommesaz ut sis | "UOPUESTOF Taq | ‘Gopuasjoy leq |-wrI Aafeıpow | ‘n ‘stop ur ua] | ‘stop ut UaTyas | [erpom ployy,| {aroupeigor | XIX JUL “Pea TORE ITH CISLOT | OTM ULOSRJ[OY | OIA WIOSTHEN |UL WIOSBH[EN | -Yoy usLosvyjoy U1asejfoysnY | wnz soy |-29 ‘yn yy] 9 Sa ovumorurzuna | “SEAT {9Pu93[0F | -snyy fopuosjo} | -snyy ‘apuosyog | -snM fepuosjo} ‘OPUIs[OJ 91M | ‘a spe JOMIOTYy | “Mz 9501 {qi | IXX JRL “WaAION orwayuoy | OM = JOIS OS |OIM gold O8| IM gorZ os| om g013 OS | JoIs Os 38%} 9 spe aogaıs |-0g Aaa9surolg | “M\-'Q ee | TOA uedunyıameg z yıuos R UWOS zZ wos NR YIWOS | @ yrwmosS YLULOS 2 yıuos uauosıqusy untperg Beiträge zur Entwickl. d. 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I. 439 89 x 130 2 uoıyoJ | Ua] YoJ 1139 3 (+18 A ‘ pe Rt v* | uoryay | 19 A ‘uaF ‘TPEYOS | pf uuey ‘opryog | ul yaınp 4198 |:JEPRYPSyoınp yaınp 9408 | 89U0S ‘apuas[oy sie | 4493 {oz sje | fueqyeyae Aso | “Povo oe q a2 SIE | [ey N a9uunp ‘,Ä spe | douunp wey | .ouunp ayes sie | osur’] 19y91p MEN „2 | gTS[VIOyap ,4 | Tewyouem „m | pyar | _-FT49F | yoy _ Aa. mu OFF U9PURILIOA | | | 887 outa You | | IE wou ut 159 Äh | | | (I oeanı; Ee 3 uo qa Sea R > | BE (2 129 woa ‘ea | TI pl udT yoy eo = | | F qomp u oz | “YOURUTF/ Ya} ,2 | [apeyog Yop | " pt | | OF “old ‘yepliqessne =| TOPRYOSYOMP | 29119 {42 spe | {jepeyog youn XIX F*L OZUGIZ[VAQO}IOA = B £ BMPS U P | -oviy = oun | Pi epues |1ouunp “7 sw | yyım 5,4 spe sur] mu pgteqorm Aaron | -[O} OIA 02 | aoyamıs A | aauunp „= 37197 aıyaJ | WOR 37407 wu OF apPUdD[Oy ener aa Sie Joule] | 139 2 Sopuog Yay “18g A ay yoy 9 “S17 moony ors Moma} = -[OF SIE tou | SaTyoy pA 602 sw | 18H x Sar yoy „x XIX J&L ei -narepeuog sang | "UND p? ‘opuo3 |auunp {2 sie ‘A se | our ww ggreqermaran | -TO} MM 5,2 Jayinys „A aauunp „© 37y9JF 1497 707 aıyoJ ULM FE od Nenn apuas[oj s[v Yo} 31497 139 uloy | ape woruseq rep IOULITY [SH = | [SHA Sy yoy „A| 39 4Tyoy,e | {AON UN | | uepuas|oy | „2 ‘uepues he :UIOSBJ[ONSNN | | osur] Taq a nak foq ala / (2 | -]oF leq AIM of) JOUNNpP „= | auyoJUETMUIpPNY 3749} 149} | 37497 eG Oe aid *g@19qQ0 Jepue 84S10] | wepeseq wep ul as | oqs1o[uar| Suey) -ja[aqsuesyoy sop | Joep spuyy Wap) 99819]U9AION SaeTUy, ren ; Jajumg Usyo | APP SunsAmyas | gIyaF [SH m megstem aopogoın PUES || -JNRYUOIEZ |-uy outopz] spe Sage} „am {4x u aopSanmurgsagerp -[OF SIE Iaulayy | SOJALosı spe | {Sox {yIy9F „x |spe Jouunp „m al P 1gsagerp | -[0F SI sl eb e I A OT pe ST NP a 16 Pe ane) wozu 2 | 189 4 Sıyay pf | 6,4 spe souunp | "MN OL 10q XIX FAL rep tog Mn | UOPUesjoy \ pe ‘uepuas N Se AOYIRIS. 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Es ist in hohem Grade unwahrscheinlich, dass zwischen den frühesten Entwicklungsstadien zwar verschieden hoch, aber doch nicht sehr weit von einander stehender Familien, wie der Spinaciden und Seylliiden, größere Ausbildungsdifferenzen zu Tage treten sollten, als die hier geschilderten. Ich sehe desshalb schon prineipielle Schwierigkeiten in einem Unterfangen, welches die van W1JHE'sche Zahlangabe von fünf metotischen Somiten für Seylliiden dadurch würde zu retten suchen, dass deren erster nicht gleich ¢, sondern gleich v gesetzt würde. Dies würde eine große Umwälzung im Bereich der vordersten metotischen Somiten voraussetzen, die sich zwar bei Spinax- ‘ Embryonen mutatis mutandis schließlich annähernd vollzieht, aber erst bei Embryonen von 26—30 mm Länge (vgl. auch Tab. pag. 438—439). Denn bei diesen ist die entsprechende Lageveränderung annähernd eingetreten, wie dadurch angezeigt wird, dass Nerv w” an den Vagus heranrückt (vgl. Taf. XIX Fig. 5) und dann dort verschwindet. Diese Spinax-Embryonen gehören in dem BaLrour'schen Schema dem Sta- dium O und P an. Nur dieses alte Stadium und kein früheres würde bei Seylliiden in der frühesten Anlage der metotischen So- miten (Stadium /) repetirt! Doch geht auch aus van WisHE’s eigenen Angaben hervor, dass seine Rechnung eine irrthümliche ist. Er bezeichnet nämlich (1883, pag. 17) als ersten Halsnerven »den ersten dem Vagus folgenden Nerv mit sowohl dorsaler als ventraler Wurzel«. Zu diesem gehört nach ihm das sechste metotische Myotom (zebnter Kopfsomit bei kontinuirlicher Zählmethode). Hierauf stützt er ausdrücklich »den Nachweis, dass an der Bildung des Kopfes im Ganzen neun Somite« — d. h. fünf metotische Urwirbel — »theilnehmen« (pag. 17). Es hat aber bald darauf schon BEARD (1886) behauptet, dass im Kopf- bereich der Selachier dorsale Nervenwurzeln vorbanden seien, welche später zu Grunde gehen. Andere Autoren fanden das Gleiche (siehe pag. 431). Bei Spinax geht während der Entwicklung eine große Zahl dorsaler Nervenelemente spino-oceipitaler Natur verloren. Aber selbst in älteren Embryonalstadien sind sie wenigstens beim letzten Nerven, z, noch erhalten (siehe Tabelle pag. 438—439). sei Seylliiden speciell giebt Osrroumorr (1889, pag. 364) für Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 441 Pristiurus an, dass Embryonen von 21—22 mm Länge zwei Occipital- Ganglien besitzen, von welchen das hintere nur wenig schwächer als das erste Cervicalganglion ist und mit der letzten spino-oceipitalen Wurzel z (dritte Wurzel N. hypoglossi, wie er sie nennt) in Verbin- dung steht. Das vordere Ganglion ist kleiner, hängt noch mit der Nervenleiste zusammen, die an ihm endet, besitzt aber keine Verbin- dung mit y". Es entspricht diese Schilderung genau dem Befund, wie ich ibn bei Spinax-Embryonen von 19—25 mm Länge bei y und z erheben konnte (Tabelle pag. 438—439). Bei älteren Pristiurus-Embryonen verschwindet gerade wie bei Spinax das Ganglion y gänzlich. Auch das Ganglion z geht zu Grunde. Ich finde es bei meinen Pristiurus-Embryonen schon nicht mehr bei solchen von 26 mm Länge, während ich für jüngere den Befund von OSTROUMOFF bestätigen kann und besonders hervorheben möchte, dass ich die spino-oceipitalen Nerven auch bei Pristiurus bis zum ausgebildeten Zustand verfolgte, so dass an ihrer oceipitalen Natur kein Zweifel sein kann. Dourn (1890 A, pag. 82, 83) hat außer Ganglion y und z auch die Anlage eines Ganglion z bei Seylliiden beschrieben, welche aber nicht zu einem eigentlichen Ganglion auswächst, vielmehr vorher verschwindet. Die von Dourn beschriebene Ganglienanlage z ist derselbe ven- trale Auswuchs der Nervenleiste, welche auch van WIJHE bei seinem neunten Kopfsomiten (fünften metotischen Myotom) beschrieben und abgebildet hat (1883, Taf. I Fig. 10). Denn die folgenden beiden Ner- ven mit ihren Ganglien, welche Osrroumorr und Donrn zu y und z (Hypoglossus ihrer Nomenklatur) rechnen, hat van Wisner für Cer- vicalnerven gehalten, weil er glaubte, »der erste dem Vagus folgende Nerv mit sowohl dorsaler als ventraler Wurzel« sei der erste Cer- vicalnerv. Dies ist, wie die oben beigebrachten Nachweise zeigen, ein Irrthum. Es kann desshalb nicht zweifelhaft sein, dass schon OSTROUMOFF und Donrn implieite durch ihre Befunde den Nachweis erbracht haben, dass zu den van Wısue’schen neun Kopfsomiten resp. fünf metotischen Myotomen zwei weitere distale hinzugesellt werden müssen, um die wirklich vorhandene Urwirbelzahl des Neocraniums von Seylliiden zu erhalten. Nur die berechtigte Anerkennung, welche die in den meisten Punkten so genaue und geradezu bahnbrechende Arbeit des holländischen Forschers stets gefunden hat, erklärt es, dass diese Lücke seiner Beobachtungen trotzdem nicht von ihnen entdeckt worden ist. . Bis in die neueste Litteratur hinein hat sich 442 Hermann Braus daher der Glaube erhalten, die Squaliden besäßen nur fünf meto- tische Urwirbel (z. B. SEWERTZOFF, 1898, pag. 278). Neuerdings hat übrigens auch A. Sepawick (1896, pag. 105) für Seyllium die Angabe gemacht, dass in jüngeren Stadien fünf ven- trale Wurzeln spino-oceipitaler Nerven beständen. Dies passt nicht zu VAN Wısur’s Zählung, da man wohl nicht annehmen kann, dass einem so genauen Untersucher die ventralen Nerven zu den beiden vordersten seiner fünf Somiten, denen er gerade in den jüngsten Sta- dien die schärfste Aufmerksamkeit zuwendete, entgangen seien. Dagegen ist es eine weitere Bestätigung dafür, dass in van WIJHE’S fünf metotischen Somiten nicht o—z, sondern ¢—z vorliegen. Zu den bei v2, w und x schon von ihm nachgewiesenen ventralen Wurzeln kommen noch die beiden y” und =” hinzu, die auch er kannte, deren oceipitale Natur aber erst SepG@wick durch seine kurze Notiz, frei- lich kaum bewusst, erwiesen hat. Eine besondere Stellung nimmt C. K. Horrmann (1894, 1896) zu den van WisHeE’schen Angaben ein. Es ist diesem Autor nicht ent- gangen, dass bei seinem Untersuchungsobjekt, Acanthias vulgaris, am letzten spino-oceipitalen Nerven älterer Stadien ein dorsales Ganglion erhalten ist, welches van WıJHE seiner Zeit bei Seylliiden nicht beschrieben hatte. Doch hat er daraus den unrichtigen Schluss gezogen, es würde der vermeintliche erste Rumpfsomit der Seylliiden (in Wirklichkeit, wie wir sahen, = y) bei den Spinaciden nachträglich dem Occiput assimilirt. Diese Deutung hat zwar schon die Bedenken FÜRBRINGER’S wachgerufen (1897, pag. 362), und ist durch die schon vor HOFFMANN von OSTROUMOFF nachgewiesene Existenz dieses Ganglions auch bei Pristiurus hinfällig, wird aber in den neuesten embryologi- schen Arbeiten angenommen (NEAL, 1898, pag. 252) und zu weiteren Spekulationen verwendet (SEWERTZOFF, 1898, pag. 282). Ich finde bei einem Acanthias-Embryo von 18,5 mm Länge, bei welchem die Nervenleiste als eine parallel zur Medulla verlaufende Kommissur zwischen den dorsalen Wurzeln erhalten ist (ein Stadium, welches ungefähr dem Spinax-Embryo von 55 U.-W., Tab. pag. 438 —439 entspricht), noch ein Ganglion y, dessen Durchmesser halb so groß wie die der folgenden Ganglien ist. Ganglion z ist gerade so groß wie Ganglion 1, 2 ete. Bei einem Embryo von 23 mm Länge ist Gan- glion y als solches nicht mehr zu sehen. Ganglion z erhält sich noch bei älteren Embryonen, wie FÜRBRINGER (1897, pag. 369) bereits an- gegeben hat. Es ist das offenbar dasselbe Ganglion, welches Horr- MANN beschrieb. Acanthias weist also ganz ähnliche Verhältnisse Beiträge zur Entwiekl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 443 wie Spinax auf; auch bei ihm sind, bei richtiger Interpretation der HorrMann’schen Befunde, sieben metotische Somiten in frühen Entwicklungsstadien vorhanden. Aus dem Umstand, dass HOFFMANN eine Reihe von Zwischenstadien zwischen seinen jüngeren und älteren Acanthias-Embryonen fehlten (I. e. pag. 646), erklärt es sich, dass er glaubte, in dem fraglichen Ganglion einen Bestandtheil des vermeint- lichen ersten Rumpfsomiten van WısHe’s vor sich zu haben, während er de facto das Ganglion des zweiten vermeintlichen Cervicalmyotoms van Wiyue’s (in Wirklichkeit des letzten metotischen Somiten z) sah. Die Untersuchung der jüngsten in Betracht kommenden Stadien von Spinaciden- und Seylliiden-Embryonen, ihre Verfolgung bis zum ausgebildeten Thier und ihre kritische Verwerthung führt zu dem, abgesehen von geringen Unterschieden im Tempo der Entwicklung, übereinstimmenden Resultat, dass sich ursprünglich sieben meto- tische Somiten (¢—z) anlegen, von welchen der letzte, z, auch nach Ausbildung des Schädelwirbelgelenkes und beim erwachsenen Thier den Abschluss der Kopfregion bildet. Es ist vom ersten Sicht- barwerden der Craniovertebralgrenze an bis zu ihrer völli- gen Ausbildung die Konstanz des ersten Cervicalnerven bei Spinaciden und Seylliiden sicher. Dieser Nerv ist kein anderer als derjenige, welcher schon in frühen Ent- wicklungsstadien zum ersten auf Somit z folgenden Myo- tom gehört. Dieses Resultat wird für meine im zweiten Theil dieser Arbeit mitzutheilenden Untersuchungen über die Entwicklung der Extremitäten noch von Bedeutung sein, da es die Grundlage ab- giebt für die Homologisirung der serialen Gliedmaßennerven in den verschiedenen Stadien der Entwicklung. Es hat aber auch für das Schädelproblem selbst Interesse, da für ältere Mustelus-Embryonen von ROSENBERG in einer vorläufigen Mit- theilung »festgestellt ist, dass ..... das erste, relativ voluminöse Bogen- paar mit dem zu demselben gehörenden wirbelkörperähnlichen Ele- mente zum Aufbau der Occipitalregion des erwachsenen Musteluseranium verwandt wird« (1886, pag. 32). Es wird hier behauptet, dass bei Car- chariiden-Embryonen nach Ausbildung der primitiven Craniovertebral- grenze in der Ontogenese noch ein Zuwachs von Elementen zu beob- achten sei, welche alstypische Vertebraltheile angelegt, unter Verlust dieses ursprünglichen Charakters sekundär zu Bestandtheilen des Cra- niums werden. Es wäre hier ein Vorgang ausgebildet, welcher, wie FÜRBRINGER in seiner großen Arbeit (1897, pag. 234 u. A. m.) besonders betont hat, zwar auch für die ursprüngliche Angliederung von Ske- 444 Hermann Braus lettheilen der bei Spinaeiden und Seylliiden bisher besprochenen neocranialen Metameren Geltung hat und von ihr prineipiell nicht abweicht, mit dem Unterschied jedoch, dass dort die Angliederung eine weit zurückliegende und altererbte ist und dass weder die ver- gleichende Anatomie, noch, wie ich zeigen konnte, die Embryologie Spuren dieses Processes bewahrt hat!. Nur Vermuthungen über die genauere Art seines Zustandekommens sind möglich. Die jungen, unter unseren Augen dem Schädel sich angliedernden Elemente, welche der vergleichenden Anatomie bei Holocephalen, Ganoiden, Teleostiern und höheren Wirbelthieren genugsam bekannt sind (des Details und der Litteratur wegen verweise ich auf FURBRINGER’S Arbeit, 1897), sind desshalb zu einer besonderen Gruppe zu ver- einen und von FÜRBRINGER zur prägnanten Unterscheidung von den älteren (»oecipitalen«) mit dem Namen »oceipito-spinale Nerven« be- legt und in rostro-caudaler Richtung mit a, 6, e ete. bezeichnet wor- den. Dieser Nomenklatur werde auch ich mich im Folgenden be- dienen. Ich wende mich zunächst zu Torpedo. Über die Kopfsomiten bei Torpedo sind von Dourn (1890 B) und Kıruıan (1891) Untersuchungen veröffentlicht worden, welche für die Frage nach der ursprünglichen Zahl der metotischen Myotome jedoch nieht in Betracht kommen, da der erstere Autor offenbar ältere Sta- dien im Auge hat, wenn er sagt (pag. 355), dass vor den drei Hypo- glossussomiten (mit Nerv) nur noch eines (ohne Nerv) sich befinde, während der letztere nur das vorderste metotische Segment mit dem betreffenden Kopfsomiten van Wıme’s zw homologisiren sucht, aber in der Bestimmung der Gesammtzahl derselben sich auf van WIJHE beruft (pag. 88). Der erste Versuch der selbständigen Bestimmung letzterer bei Torpedo liegt in einer kleinen Mittheilung von SE- WERTZOFF vor (1898). Dieser Autor theilt als thatsächliche Beob- achtung? mit, dass in der metotischen Region acht Urwirbel vor- ! Die von HorrmAnn (1894, pag. 638) behauptete Anlage von vier dis- kreten »knorpeligen Wirbeln, die später in cranio-caudaler Richtung mit dem Kopf verwachsen<, hat schon SEWERTZOFF (1897, pag. 411) bei demselben Ob- jekt nicht finden können. Auch meine Embryonen zeigen sämmtlich nichts davon. Ob die gleichförmige Segmentation der hinteren Schädelanlage, welche in regelmäßig auf einander folgenden dorsalen Fortsätzen, ähnlich denen der Wirbelanlagen, besteht (SEWERTZOFF, I. c. Fig. 1, pag. 111 und 112), wirklich auf einen letzteren ähnlichen ursprünglichen Zustand zurückzuführen ist, muss erst durch genauere Untersuchungen festgestellt werden. 2 Mir selbst standen die jüngsten Stadien von Torpedo leider nicht zur Verfügung, so dass ich mich auf die in der Litteratur niedergelegten Beob- achtungen verlassen muss. Beiträge zur Eutwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 445 handen seien, von welchen sich die drei ersten zurückbilden, ohne Mus- keln produeirt zu haben, die folgenden jedoch der sogenannten Hypo- glossusmuskulatur Ursprung verleihen. Er stellt ausdrücklich fest, dass hinter der ventralen Nervenwurzel des letzten Somiten sich die hintere Schädelgrenze ausbildet. Der erste dieser Urwirbel liegt noch zum Theil unter der Ohrblase, eine Stelle, welche im Übrigen von dem rostralwärts vorhergehenden Myotom eingenommen wird (pag. 280). Ich finde, dass der erste metotische Somit seiner Lage nach, so wie sie SEWERTZOFF schildert, genau dem Somiten ¢ bei Pristiurus (vAn WIJHE, siehe meine Fig. 5 Taf. XXI) entspricht. Bei Spinax (Fig. 6 Taf. XXI) liegt freilich Somit ¢ kaum noch unter der Ohr- blase, vielmehr hinter ihr; wir sahen aber bereits, dass dies eine primitivere Stufe der Entwicklung gegenüber Seylliiden-Embryonen darstellt, da ¢ auch bei Spinax im nächstfolgenden Stadium so weit nach vorn rückt, dass er rostral vom Vagus, also näher der Ohrblase liegt. Wir müssen nun wegen der phyletischen Stellung der Rochen im Allgemeinen und der starken Rückbildung ihrer spino-occipitalen Nerven (FÜRBRINGER) im Besonderen bei der Vergleichung von Tor- pedo mit Squaliden eher an die höher stehenden Zustände letzterer als an die primitiveren Anknüpfung suchen. Desshalb glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich das erste der von SEWERTZOFF hinter der Ohrblase beschriebenen Segmente mit dem Myotom ¢ homologisire und alle acht als neocraniale Somiten gleich den bisher bei Squaliden besprochenen in Anspruch nehme. Es wäre dann einmal gegenüber dem Ergebnis meiner Zählungen bei Squaliden-Embryonen der Unter- schied vorhanden, dass bei Torpedo ein Myotom mehr als bei letzteren existirt. Der Herkunft dieses wandte ich bei meinen Unter- suchungen zur Kontrolle meiner Auffassung alle Aufmerksamkeit zu und werde darüber weiter unten berichten. Außerdem erscheint bei Torpedo die Reduktion der Somiten weiter fortgeschritten als bei Squaliden, indem nicht mehr ¢, wie bei Spinax, und auch nicht mehr wv, wie noch bei Seylliiden, embryonale Muskelfasern produ- ciren, indem vielmehr bei erst solche zur Anlage kommen. Wenn SEWERTZOFF angiebt, dass sich nur bei den beiden letzten Somiten ventrale Wurzeln anlegen, so steht dem das Zeugnis früherer Autoren entgegen, welche auch bei dem drittletzten eine solche fanden (RABL, Dourn), was ich an meinen Serien jüngerer Stadien von 13—20 mm Länge bestätigt fand. Auch bilden sich diese Wurzeln nicht alle zu- rück (SEWERTZOFF), denn FÜRBRINGER fand beim ausgebildeten Thier noch eine erhalten (1897, pag. 359). 446 Hermann Braus SEWERTZOFF selbst deutet die von ihm gefundenen metotischen Somiten freilich anders, da er an der vermeintlichen Zahl derselben, wie sie VAN WIJHE für Seylliiden und Horrmann für Acanthias an- geben, festhält und glaubt, bei Squaliden seien nur fünf bezw. sechs metotische Somiten vorhanden. Er schließt desshalb, weil er deren acht findet, gerade so wie HOFFMANN bei Acanthias eine Angliederung von einem neuen Wirbel an den Schädel gegenüber Pristiurus glaubte erwiesen zu haben, so seinerseits bei Torpedo auf einen Zuwachs weiterer Metameren! zum Cranium (pag. 282). Dieser Schluss ist natürlich hinfällig durch den Nachweis der thatsächlich größeren An- zahl metotischer Somiten bei Squaliden, so weit eine Mehrzahl sich dem Cranium assimilirender Elemente behauptet wird. Dass aber ein Metamer im Oceiput von Torpedo mehr steckt als in dem der Squa- liden, ist nach den Untersuchungen SEWERTZOFF's wahrscheinlich, und erscheint mir bezüglich eines Nerven nach meinen Befunden sicher. Um gleich zu Anfang eine Übersicht der thatsächlichen Verhält- nisse der spino-oceipitalen Nerven, welchen ich meine Aufmerksam- keit hauptsächlich zuwandte, in den von mir untersuchten Stadien von Torpedo narce Risso (demselben Objekt, welches SEWERTZOFF unter- suchte) zu geben, ordne ich diese tabellarisch an, wie folgt (pag. 447). Die von SEWERTZOFF bei der ersten Anlage der metotischen Somiten gefundene stärkere Reduktion der Muskelanlagen bei Torpedo, welche erst vom vierten (w) Myotom anstatt wie bei Spinax vom ersten (2) und Pristiurus vom zweiten (=) an nachweisbar waren, findet ihre Fortsetzung laut meiner Tabelle in der stärkeren Rück- bildung der Nerven. Von dorsalen Wurzeln und Ganglien finde ich in meinen Stadien gar nichts mehr, selbst nicht bei Nerv 1, während sie bei älteren Spinaciden-Embryonen (pag. 435—439) und auch bei Seylliiden in älteren Stadien Anfangs noch als Rudiment bei z und y und stets bei z nachweisbar sind. Auch die ventralen Wurzeln gehen schneller und vollständiger als bei Squaliden zu Grunde; ich finde, wie Dourn und RABL, in jüngeren Stadien drei (=”, y”, 2”), welche während der Entwicklung zu Grunde gehen; bei Squaliden ist in mittelalten Stadien noch w” erhalten, und selbst bei erwachsenen Thieren meistens =”, stets y’ und 2” (vgl. FÜRBRINGER 1897, pag. 359, Braus 1898, pag. 253). An Stelle der abortiven occipitalen Wurzeln 1 Er glaubt, dass sich gegenüber Acanthias drei weitere Metamere an- gliedern, während man nach meiner obigen Darlegung zwei vermuthen würde. Es hängt das mit seiner Zählung der prootischen Somiten zusammen, auf welche ich bei der kurzen Besprechung dieser im nächsten Kapitel zurückkomme. | uopuey | Me | | | (JOplIqocqe | 3 a . . . Popuas[og 1396| ug 1359 F Ausg \180 € | woryoF 4 139 | 139 urmy IM ZU TSW XX Jey u sie Tayo p? | © opuadtog F quot | p& pe | ‘SLOP ould : Ud] ‘9Sur'yT Wd ye) AOIQ J, -B S sm 0 I -I u ‘ a eee Norge | “eats nase ‘,g sie aouunp |-yo} uuwy {,7 | : Fa ‘op apuas[ojoIa,¢ | ‘apuesyosora,F | ‘apueS[oj o1ar,¢ |‘, spe aoYoIp yc spe IOUUNP 9,” Yay ayo} qyoy | [OVA ug apued | | a | | a Sonn ce | -[oy sje} 39 @} „sg U0A [esıop [39 les “opngs[entm Dun opuas (139 € | apues (189 F In De woipz- -[59 | Ulex {AA ‘SLOP 59 ury fA Z SY}XOT, lepryos uaosınz -[0J o -107 | pF | -BA(OS OSIUIO © F[YOF pS | OULOY °,G SIR | ‘SLOP OULOY :,D eur] Baton ay e: OIA Pe TAL | LF | ‘apuasyoyora,¢ | ApusS[oeım,z |1auunpwn®y ,,»|sie aouunp a | IYO} W495 OF. apuas | | -[0} ee en 129 Bp Woy SAN. 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Taf. II Fig. 3 bei FÜRBRINGER mit meiner Taf. XX Fig. 1). Ich vermisste es bei einigen ausgewachsenen Thieren (1898, pag. 253). Den vollen Beweis dafür, dass es sich um eine neue Angliederung während der Entwicklung, also um einen oceipito-spinalen Nerven nach der Nomenklatur FÜRBRINGER’S handelt, bin ich noch schuldig. Er ist durch genauere Betrachtung der von Stadium 25—26 mm Länge bis Stadium 40 mm Länge sich vollziehenden Veränderung im hinteren Schädelgebiet zu erbringen. Von der Topographie des Skelettes und der Nerven an der fraglichen Stelle bei einem Embryo von 26 mm Länge liegt in Fig. 3 Taf. XX eine genaue Rekonstruktion nach einer Horizontalschnittserie vor, die ich in Textfig. 1 pag. 451 als Kontourzeichnung reprodueire. Die knorpelige Anlage der Wirbelsäule schiebt sich dorsal von der Schädelbasis weiter nach vorn über deren eaudalen Rand hinaus vor, und zwar am weitesten medial zu beiden Seiten der Chorda. Sie reicht dort bis in eine Transversalebene hinein, in welcher lateral Nerv =" in einen separaten Kanal des Schädelknorpels eintritt. In einer Querschnittserie eines Embryos von 25 mm Länge war die rostrale Spitze der Wirbelsäulenanlage noch ein wenig weiter nach vorn, und zwar eine Spur über =” und den caudalen Rand des me- dialen Vagusloches der Schädelkapsel hinaus zu verfolgen!. Lateral reicht die Vertebralanlage nicht so weit. In Fig. 3 Taf. XX (Textfig. 1) sieht man sie hinter /” endigen. Der Schädel dagegen ist gegen die Wirbelsäule hin gerade in umgekehrter Richtung entwickelt, indem seine mediale Partie (punktirter Kontour in der Figur) sich am wenig- sten, seine laterale am stärksten gegen dieselbe vorschiebt. Es resultirt daraus ein ziemlich gleichmäßiges Übereinandergreifen beider Skelet- 1 Unter dem hinteren Rand der medialen Kanalöffnung für den Vagus liegt bei Embryonen von 25—30 mm Länge ein blind im Knorpel endigender Kanal, in welchen ein gut entwickeltes kleines Gefäß und ein rudimentärer Nerv y” eintritt. In einem Fall sah ich bei einem Embryo von 30 mm Länge diesen Kanal sich lateral- und caudalwärts mit dem Kanal für z vereinigen. Daran schließt der regelmäßige Befund bei älteren Embryonen an, bei welchen ein kleiner Gefäßkanal unter dem inneren Vagusloch beginnt (Textfig. 2), der sich später mit dem Kanal für =” auf eine kurze Strecke im Knorpel vereinigt, dann aber sich von ihm trennt und caudal von ihm für sich hinter dem Vagus mündet. Dieser Gefäßkanal erinnert nur mehr in seinem medialen Anfangs- stück an y”; er beherbergt keinerlei Nervenfasern. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 449 anlagen in einer geschwungenen, mit dem Scheitel rostralwärts schau- enden Fläche. Die Bezeichnung der Wurzel /” als ventrale Wurzel des ersten Cervicalnerven kann in diesem Stadium nicht zweifelhaft sein, ob- gleich sie sich, der deutlich ausgebildeten Craniovertebralgrenze folgend, zwischen Schädel und Wirbelsäule durchzwängt. Bei den meisten Squaliden verläuft zwar die ventrale Wurzel des ersten Spinalnerven durch den Anfangstheil der Wirbelsäule hindurch (Cru- rale I, siehe FÜRBRINGER, Taf. I Fig. 7—10). Bei Rochen aber kommt, wie schon GEGENBAUR durch seine vergleichenden Untersuchungen dargelegt hat (1872, pag. 32 u. ff.), eine Sonderung lateraler Gelenk- condylen zu Stande. Diese hat eine Reduktion gerade der medialen, in der Nähe der Chorda gelegenen Skelettheile im Gefolge, die so weit fortschreitet, dass an dieser Stelle nur eine breite ligamentöse Verbindung des Schädels mit der Wirbelsäule übrig bleibt, in welche nach GEGENBAUR auch die Chorda aufgeht und deren Ausbildung .er mit dem Zustandekommen des Ligamentum dentis der Wirbel- säule höherer Wirbelthiere vergleicht. Es liegt bei vielen! Rochen in Folge dieser Reduktion die ventrale Wurzel des ersten eigent- lichen Cervicalnerven in diesem Ligament (vgl. FÜRBRINGER, 1897, Taf. II Fig. 3 Torpedo, BrAus, 1898, Taf. XV Fig. 6 Torpedo, Taf. XIV Fig. 3 Rbinobatus, Taf. XVI Fig. 1 Trygon; vgl. auch diese Arbeit Taf. XX Fig. 1 Torpedo). Auch bei höheren Squaliden ist — Hand in Hand gehend mit der auch hier schon von GEGENBAUR beschriebenen, übrigens geringgradigeren Reduktion als bei Rochen — ausnahmsweise das Austreten der ersten ventralen Cervicalnervenwurzel aus der bindegewebigen Craniovertebralgrenze zu beobachten (Braus, 1898, Taf. XII Fig. 3 Rhina). Ich glaube, man kann schon aus diesem Verhalten der vorderen Wurzel rein vergleichend-anatomisch schließen, dass bei den Sonderungsprocessen, die zur Ausbildung eines wohl entwickelten Occipitalgelenkes führen, Theile des rostralen Endes der Wirbelsäule zu Grunde gehen. Denn dadurch erklärt es sich am einfachsten, dass der erste Cerviealnerv nicht mehr durch den Wirbelknorpel, sondern vor ihm verläuft. Trotzdem ist es üblich und berechtigt, ihn dem rein spinalen Gebiet zuzuzählen. Dieser letztere Punkt ist von Wichtigkeit dafür, dass auch bei dem Torpedo-Embryo von 26 mm Länge der betreffende zwischen 1 Bei anderen Rochen liegt sie wie bei Squaliden im Wirbelsäulen- knorpel, aber sehr dicht an der vorderen Grenze (FÜRBRINGER, 1897, Taf. I Fig.5 Raja, Braus, 1898, Taf. XVI Fig. 5 Myliobatis). 450 Hermann Braus Schiidel- und Wirbelknorpel liegende Nerv noch zu den Spinal- nerven gerechnet werden muss, obgleich er, wie wir gleich sehen werden, durchaus nicht homolog dem an gleicher Stelle beim aus- gebildeten Torpedo befindlichen Nerven (Taf. XX Fig. 1, Nerv 2°) ist. Auch bei ihm wird man aus seiner Lage vor und nicht in dem Knorpel der Wirbelanlagen schließen, dass früher Reduktionsprocesse eingetreten sind, welche die Ontogenie nicht vollständig rekapitulirt. Nur medial ist in dem rostalwärts vorspringenden, sich in der wei- teren Entwicklung allmählich verkürzenden Fortsatz noch ein Rest der früher in toto weiter rostral reichenden Wirbelsäule erhalten. Da Wirbel- und Schädelknorpel über einander greifen, hat Nerv /° in diesem Stadium eine eigenthümliche, namentlich aus Querschnitten ersichtliche Lage (Taf. XX Fig. 5), indem er innerhalb des Schädels entspringt, aber nur in nähere Beziehung zu dem hier schon vorhandenen Vertebralknorpel tritt. Er folgt immer dessen dorsalem Rand innerhalb des Schädelknorpels (Taf. XX Fig. 3) bis zu der Stelle, wo das Cranium aufhört. Dann erst tritt er frei nach außen vom Skelet vor, also nicht weit vor der Austrittsöffnung des Knorpelkanals der Wirbelsäule, aus welcher 2” austritt. Obgleich nähere Beziehungen des Nerven /” zum Schädelknorpel selbst noch nicht vorliegen, so entspringt er doch rein topographisch schon innerhalb der Schädelkapsel, und auch sein anfänglicher Verlauf bis gegen Nerv 2 hin gehört deren Territorium an. Ja, es ist auffallend, dass der Nerv da, wo er den lateralen Fortsatz des Schädels passirt, in einer flachen Bucht liegt, welche nach vorn und oben durch die steil abfallende Hinterwand des Occiput, nach hinten und unten durch die mehr horizontal verlaufende Dorsalfläche des späteren lateralen Ge- lenkfortsatzes des Schädels begrenzt wird (siehe Taf. XX Fig. 3). Ein Janusgesicht bietet uns dieser Nerv 7°. Eine Reihe von Eigenschaften weisen auf eine Zeit zurück, wo die Wirbelsäule weiter nach vorn reichte und wo er völlig in sie eingeschlossen war, wie jetzt etwa Nerv 2” (Fig. 3 Taf. XX). Diese haben noch die Oberhand — und berechtigen uns, ihn als ersten Spinalnerven zu bezeichnen — gegenüber anderen Eigenschaften, welche auf die Zukunft hin- deuten, in welcher sie, die jetzt erst wenig ausgeprägten Beziehungen zum Cranium, in den Vordergrund treten. Dieser Umschwung vollzieht sich bei Embryonen zwischen 30 und 40 mm Länge, indem bei ersteren im Wesentlichen noch die- selben Verhältnisse wie bei solchen von 25 und 26 mm Länge zu beobachten sind, bei letzteren jedoch der Anschluss von Nerv /" an den Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 451 Sehädel und seine Um- wandlung in einen oc- eipito -spinalen Ner- ven a” erfolgt ist. In einer Querschnittsserie durch einen Embryo von 40 mm Länge finde ich nämlich, dass sich die Wirbelsäulenan- lage wie bei jüngeren in die Schädelanlage hineinschiebt, und dass am lateralen Theil der- selben, unmitteloar neben dem rostralen Rand, eine ventrale Nervenwurzel aus der Medulla hervorgeht und sich diesem Knor- pel anlegt. Es ist das unzweifelhaft 7’; denn sie folgt auf Wurzel =”, welche gerade so wie in den früheren Sta- dien hinter der inneren Öffnung des Vagus- loches mittels separa- ten Kanälchens den Schädel durchsetzt und in die äußere Öffnung des Vaguskanals mün- det. Sie liegt aber auch zur lateral-dor- salen Kante des ro- stralen Wirbelsäulen- endes genau so wie früher (vgl. Textfig. 2). Jedoch im weiteren Verlauf ist diese Wur- zel nicht mehrzwischen Fig. 1. Torpedo narce. Embryo 26 mm Länge. Embryo 40 mm Länge. Fig. 3. Ausgebildetes Thier. Textfig. 1 ist eine Kopie nach Taf. XX Fig.3. Textfig. 2 und 3 sind nach Textfig. 1 entworfen, jedoch ist in Textfig. 2 nach einer Querschnittsserie durch einen Embryo des betreffenden Stadiums das Verhältnis der Nerven zum Knorpel und der Schädel- und Wirbelsäulenanlagen zu einander getreu nachgebildet. In Textfig. 3 ist die Umänderung nach den Figg. 1 und 2 in Taf. XX erfolgt. 452 Hermann Braus Schädel und Wirbelsäule eingeklemmt, sondern sie benutzt einen eigenen Knorpelkanal, der sie durch die Schädelkapsel | hindurch nach außen an den hinteren Rand des Occiput führt. Es ist also der Einwanderungsprocess, auf den sich bei jüngeren Em- bryonen die flache Bucht des lateralen Occipitalfortsatzes beziehen ließ, unverkennbar geworden, indem der junge Cranialknorpel den Nerv vollständig umwucherte. In Folge dessen sehen wir bei 40 mm langen Embryonen zwei spino-oceipitale Nerven gegenüber einem in jüngeren Stadien auftreten, die eben nur dadurch erklärt werden können, dass zu dem oceipitalen, schon vorhandenen Nerven =” von hinten her noch der neue, occipito-spinale Nerv a” hinzukommt. Abgesehen von den hier mitgetheilten thatsächlichen Hinweisen auf das Zustandekommen der Assimilation der zweiten spino-occipitalen Wurzel dieses Stadiums in früheren, würden die größten vergleichend- embryologischen und -anatomischen Schwierigkeiten entstehen, wenn man etwa annehmen wollte, dass ein Zuwachs von vorn her erfolgt und hier noch y” (und 2”) erhalten seien. Denn stets sehen wir die Reduktion spino-oeeipitaler Nerven in der ganzen Wirbelthierreihe von vorn nach hinten fortschreiten. Was derselben einmal zum Opfer gefallen ist, wie in unserem Fall y”, ist endgültig verloren. Auch 2” hat bei dem Embryo von 40 mm Länge Veränderungen seiner Lage gegenüber früher erlitten. Er ist nieht mehr, wie noch bei Embryonen von 30 mm Länge, in einen abgeschlossenen Kanal des vorderen Wirbelsäulenendes eingebettet, sondern zieht vor dem rostralen Rand, freilich noch auf der schräg, ascendent von unten vorn nach oben hinten aufsteigenden Kante desselben liegend, nach außen (vgl. Textfig. 2). Es ist also eine ähnliche Situation für 2” angebahnt, wenn auch nicht erreicht, wie sie in früheren Stadien bei 7” vorlag. Der Unterschied ist der, dass 2” zwar auch zwischen Schädel und Wirbelsäule austritt, aber doch noch sich eng dem lateralen, in die Schädelregion vorgeschobenen Wirbelsäulenende an- schmiegt. Die Reduktion, welche beim Embryo von 40 mm Länge den medialen Theil des rostralen Wirbelsiulenendes so weit verzehrt hat, dass an dieser Stelle (neben der Chorda) die Schädel- und Wirbel- ränder nicht mehr über einander greifen, sondern in rostro-caudaler Richtung hinter einander liegen (Textfig. 2), ergreift später auch den lateralen Theil. Beim ausgebildeten Rochen (jungen wie alten Thieren) befindet sich zwischen Schädel und Wirbelsäule ein Spalt, welcher ventral von einem verhältnismäßig kurzen Ligament ausgefüllt Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 453 ist, demselben, in welches nach GEGENBAUR auch die Chorda auf- ging, während er dorsal breit klafft und von einer Ligamentmasse geschlossen wird, welche besonders bei Betrachtung des Schädels von außen als derbe, weiße Membran in die Augen fällt (Taf. XX Fig. 1 und 2, Textfig. 3). Nur da, wo der laterale Fortsatz des Wirbelsäulenendes bei älteren Embryonen noch in den Schädel vor- ragte, d. h. dicht unter dem Durchtritt von 2” (Fig. 2), ist ein engerer Anschluss der beiden Skelettheile als an irgend einer anderen Stelle der medialen Cranio-vertebral-Verbindung und damit ein Rest des ontogenetischen Verhaltens bewahrt. Nerv 2” verläuft durch die dorsale Membrana atlanto-oceipitalis ohne nähere Beziehungen zum Wirbelknorpel hindurch. Es ist also der ontogenetische Nachweis dafür erbracht, dass dieser Nerv in der That in Folge eines Ein- schmelzungsprocesses am vorderen Wirbelsäulenende an diese Stelle gelangt ist, wie dies aus vergleichenden Gründen schon wahrschein- lich war (pag. 449). Er befindet sich aber nicht in einem indiffe- renten Zustand dem Cranium gegenüber. Denn bei älteren Em- bryonen (45 mm Länge) sieht man ihn, freilich nur auf eine ganz kurze Strecke, gerade so zwischen Schädel und Wirbelsäule einge- zwängt, wie dies bei 7” vor dessen Einschluss in den Schädel auf eine ziemlich lange Strecke hin zu beobachten war (Fig. 5 Taf. XX). Beim ausgebildeten Thier ist die Entwicklung des lateralen Occipital- gelenks so weit fortgeschritten, dass der Nerv einen Umweg dorsal- wärts um den Condylus des Occiput herum machen muss, ehe er zum Plexus cervicalis gelangt (Taf. XX Fig. 1, 2”). Man hat hier schon eine ziemlich beträchtliche Verschiebung des Anfanges der peripheren Nervenbahn in den Schiidelbereich vor sich (besonders gut auch am Sagittalschnitt zu sehen, wenn man die angedeutete laterale Gelenkgrenze auf die Medianebene und auf den Beginn des ligamentösen Nervenkanals projieirt, Fig. 2 Taf. XX, Textfig. 3) und kann sich leicht voıstellen, dass auch diesem Nerven einst der An- schluss an den Schädel beschert sein könnte. Dies ist bei Torpedo selbst noch nicht eingetreten, aber eine Reihe indirekter Gründe vergleichend-anatomischer Art haben mich früher schon veranlasst, für höhere Rochen, die Centrobatiden, eine Assimilation von zwei oder (nach einer anderen Auffassung!) sogar drei Nerven zu postu- liren (Braus, 1898, pag. 255—259). 1 Der embryologische Befund bei Torpedo legt es nahe, auch bei den übrigen Rochen, bei welchen im fertigen Schädel ein spino-oceipitaler Nerv gefunden ist, diesen = a’ zu setzen (nach FÜRBRINGER, 1897, pag. 359: Rhyncho- Morpholog. Jahrbuch. 27. J0 454 Hermann Braus Die Ansicht RosENBERG’s von der Veränderlichkeit der hinteren Schädelgrenze der Selachier während der Ontogenese findet also bei Torpedo ihre Bestätigung, während bei Squaliden sich die Angaben derjenigen Untersucher, welche gleiche Ansichten vertreten (Horr- MANN, SEWERTZOFF), als nicht stichhaltig erwiesen haben und nur die kurze Mittheilung des Autors selbst über seinen Fund bei Mu- stelus bestehen bleibt. Bei einem anderen Carchariiden (Prionodon glaucus) liegen die Verhältnisse nach der von GEGENBAUR (1887, pag. 8—11) an den Befunden Rosenpere’s geübten Kritik und nach den Angaben FÜRBRINGER’s (1897, pag. 365 und 366) nicht so, dass ein Anschluss vertebraler Elemente an den Schädel als nachgewiesen gelten könnte. Es überwuchert der Schädel mit einem mächtigen Fortsatz den Anfang der Wirbelsäule. Die Wirbelkörper bleiben aber als solche sämmtlich erhalten, und auch die Bogen bis auf den vordersten isolirt bestehen. Gerade an diesem Beispiel sieht man, dass spinale Nerven in den Schädel hineingerathen können, ohne dass eine Konkrescenz der zugehörigen Wirbel mit dem Schädel stattzufinden braucht. Es ist desshalb auch für Torpedo noch die Frage zu erörtern, ob mit dem spinalen Nerven 7” auch das Skelet des ersten Wirbels in das Cranium eintritt. In Fig. 5 und 6 (Taf. XX) sind zwei Transversalschnitte durch verschiedene Stadien der Entwicklung des Occiputs von Torpedo ab- gebildet, welche an identischen Punkten liegen. In beiden ist näm- lich die Stelle getroffen, an welcher Nerv 7” (resp. a”) an das Skelet sich anlegt. In dem jüngeren Stadium ist der Nerv noch nicht dem Schädel assimilirt; er berührt die noch erhaltene, in den Schädel eingeschlossene Wirbelsäulenanlage an ihrer dorsalen Kante (Fig. 5). In dem älteren Stadium beginnt in unserem Schnitt (Fig. 6) die batus, Rhinobatus, Pristis, nach Braus, 1898, pag. 259: Myliobatis), bei den übrigen aber, bei welchen auch dieser Nerv zu Grunde ging, folgerichtig den ersten spinalen Cervicalnerven mit 2 zu bezeichnen. Denn es ist kaum anzu- nehmen, dass bei den höher stehenden Rochen primitivere Verhältnisse vor- liegen sollten als bei den tief stehenden Torpediniden. Daraufhin scheint es mir möglich, dass bei Myliobatis nicht =” und a” assimilirt sind, wie ich früher annahm (1898, 1. e.), sondern a’° und 0’, und bei Trygon nicht a” und 5’, son- dern 6’ und e’””. Doch ist die phylogenetische Stellung der Centrobatiden zu den Rhinorajae zu wenig sicher, als dass man ohne specielle Untersuchung über Vermuthungen hinaus kommen könnte (vgl. JÄCKEL, 1894, 1898). Sollte Jedoch letztere bei Centrobatiden diese Meinung bestätigen, so wäre es nicht uninteressant, dass auch bei diesen Fischen wie bei den Holocephalen und vielen höheren Wirbelthieren (FÜRBRINGER) gerade die Dreizahl occipito-spinaler Nerven erreicht wird (vgl. die Einschränkung pag. 493 Nr. 3). a Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 455 erste Andeutung des Nervenkanals, der ihn durch den Schädel führt. Vergleicht man beide Schnitte mit einander, so sieht man, dass im älteren Stadium nicht etwa eine wesentliche Verstärkung der Schädel- basis eingetreten ist, welehe man erwarten müsste, wenn dieser das zum ersten Metamer gehörende Wirbelmaterial angegliedert worden wäre. Auch die Seitenwand des Schädels erscheint im älteren Sta- dium nur desshalb verdickt, weil der Vaguskanal jetzt nicht mehr schräg von vorn innen nach hinten außen wie beim jüngeren Thier verläuft, sondern eine mehr transversale Lage eingenommen hat (vgl. Textfig. 1 und 2). In Folge dessen ist derselbe mehr seinem lateralen Ende zu als in Fig. 5 angeschnitten. An die Stelle des in letzterem Bild noch mächtig entwickelten Wirbels ist in Fig. 6 lockeres, sehr gefäßreiches Bindegewebe getreten, welches den weiten Zwischenraum zwischen Chorda und Gehirnbasis ausfüllt. Um genauere Auskunft über die feineren histogenetischen Vorgänge zu geben, welche sich in dem Zwischenstadium zwischen den beiden in Fig. 5 und 6 abgebildeten Phasen abspielen müssen, habe ich in Fig. 4 einen dementsprechenden Querschnitt durch die Region zwischen Nery z” und /” stark vergrößert abgebildet. Er entstammt einem Embryo von 30 mm Länge. Man sieht in der Umgebung der Chorda noch den Rest des Wirbels, der sich seit- lich scharf gegen den Schädelknorpel durch eine bindegewebige Grenze absetzt. Nur nach der Basis zu verschwindet die Grenze allmählich. Das ist die einzige Stelle, wo eine Assimilation von Wirbelelementen an die Schädelbasis stattfinden könnte. Auffallend ist jedoch, dass nur in dem latero-dorsalen Theil des Wirbels eine kleine Insel übrig geblieben ist, welche in der Größe der Zellen und Entwicklung der hyalinen Grundsubstanz annähernd mit dem Knorpel der Schädel- basis übereinstimmt. Die ganze übrige Partie des Wirbels wird von einem Gewebe gebildet, welches nicht als typischer hyaliner Knorpel bezeichnet werden darf. Die Zellen sind meist kleiner, platter und dunkler als die Zellen im Schädelknorpel. Die Grundsubstanz ist nicht durchsichtig wie bei letzterem, sondern getriibt. Da sich an diesen Zustand in meinen Stadien direkt solche anschließen, in welchen sich an Stelle des so beschaffenen Gewebes embryonale Bindesubstanzen mit ähnlich gestalteten Zellen, aber mit deutlichen Fibrillen befinden, und in welchen nur am rostro-lateralen Theil (Fig. 6, dunkel getonter Meniscus) solche Reste von einst hyalinem Knorpel liegen wie in diesem Stadium bis in die Umgebung der Chorda hin, so halte ich die erwähnten Merkmale des fraglichen Gewebes für Anzeichen der Degeneration des Knorpels. Es konnte 30* 456 Hermann Braus dureh die direkte Beobachtung nicht sicher ausgeschlossen werden, dass die degenerirenden Zellen in geringer Zahl in die Schädelan- lage einwandern und hier Knorpel erzeugen. Jedenfalls wird nicht der Wirbel als solcher der Schädelbasis assimilirt. Findet eine An- gliederung überhaupt statt, so kann sie nur so zu Stande kommen, dass vertebrale Knorpelzellen nach Auflösung ihres Verbandes frei werden, sich dem Schädelknorpel anlegen und dann aufs neue hya- line Grundsubstanz produciren. Nach unseren allgemeinen histio- genetischen Anschauungen und auf Grund der Erwägung, dass es sich um einen im Untergang befindlichen Wirbeltheil handelt, dürfte ein solcher Vorgang aber nicht gerade als wahrscheinlich gelten dürfen. Bei Torpedo ist die Umwandlung des ersten Spinalnerven in einen Schädelnerven von einem Verlust des ersten Wirbels begleitet. Die Ursache dafür erblicke ich in der Ausbildung des beiderseitigen, lateralen, hoch entwickelten Occipitalgelenks dieses Thieres. Der Gelenkcondylus des Oceiputs ragt beiderseits weiter caudal vor als die rostrale Spitze der Wirbelsäule. Vergegenwärtigt man sich die Mechanik eines solchen Doppelgelenks, welches wesentlich nach Art eines Scharnirgelenks Bewegungen nach oben und unten gestattet (seitliche Bewegungen werden so wie so durch die Entwicklung der Brustflossen unmöglich), so ist die Erhaltung des medialen Theiles der Skeletanlage in fester Form nicht denkbar. Jede Gelenkspalte, die nicht in der Verbindungslinie der beiden lateralen Condylen liegt, würde unnütz sein, da der starre Schädel an beiden Seiten eine Bewegungsmöglichkeit in ihr aufhebt. Ohne eine Auflösung des medialen Knorpels zwischen den beiden Condylen würden aber auch um diese selbst keine ausgiebigen Exkursionen erzielt werden können. Desshalb kommt der mediale Bandapparat der Craniovertebralgrenze (Taf. XX Fig. 1 und 2) als korrelative Anpassung an die hoch sich entwickelnden lateralen Gelenkhöcker zu Stande. Auch von diesem Gesichtspunkt aus erkennen wir hoch differenzirte, von wahren Ver- schmelzungen (wie bei Ganoiden etc.) abweichende Vorgänge in den Processen, die am hinteren Schädelende der Torpediniden einsetzen. Durch die Vermehrung der sieben spino-occipitalen Nerven des Squalidenkopfes auf acht bei Torpedo ist der Ausgangspunkt für die Zählung der Spinalnerven nicht mehr für alle Stadien in dem ersten auf den Schädel folgenden Nerven gegeben; nachdem viel- mehr der ursprünglich erste Nerv in den Schädel eingetreten ist, muss selbstverständlich der letzte ventrale Gehirnnerv mit dem ersten Spinalnerven derjenigen Thiere identificirt werden, bei welchen Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 457 dies nicht der Fall ist. Im anderen Falle würde bei einem Ver- gleich von Rumpfsomiten oder -Nerven der verschiedenen Stadien von Torpedo mit einander oder bei einem Vergleich älterer Torpedo- mit Squaliden-Embryonen ahomologe Theile oder deren Abkömm- linge gleichgesetzt werden. Dies ist besonders wichtig für Unter- suchungen über die Ontogenie der Extremitäten. (II. Theil.) B. Die spinale Herkunft der metotischen Somiten und die Einwanderung derselben in die Oceipitalregion. Im vorhergehenden Kapitel habe ich die bei der Verfolgung der metotischen Kopfsomiten bei Spinax durch die verschiedenen Stadien der Entwicklung hindurch sich fast als selbstverständlich ergebende Annahme ohne nähere Begründung acceptirt, dass jene Gebilde zu- sammengehören und sämmtlich aus gleicher Quelle herstammen. Bisher war es aber erst gelungen, für die letzten derselben die spinale Herkunft nachzuweisen, so dass GEGENBAUR in seinem kriti- schen Referat (1888) nur die drei letzten vermeintlichen Somiten van Wiısne’s (also in Wirklichkeit v, w, 2, y, z) als neocraniale Myotome von den vor ihnen liegenden palaeocranialen sonderte. DoHRN (1890 B) verzichtet dagegen ganz darauf, die vordere Grenze der- jenigen Somiten anzugeben, welche nach ihm den Muse. subspinalis bilden und welche sich daran als ursprüngliche Rumpfmyotome er- kennen lassen, da, wie er glaubt, zwischen dem letzten palaeo- eranialen, bei Selachiern noch Muskulatur produeirenden Somiten (dritter Kopfsomit van Wısue’s, Abducens) und dem vordersten »HypoglossusIn den Embryonen Z—P, welche letzteren bekanntlich fast in allen Organen die Form der Erwachsenen zeigen, finde ich nie mehr als drei Muskelsegmente ohne zugehörige obere Wurzel hinter dem Vagus. Das erste der- selben gehört . . . zum siebenten Kopfsegment« (= v). Dies kann nicht richtig sein, wie schon daraus hervorgeht, dass in etwas jüngeren Stadien bei dem letzten, demnach mit x zu bezeichnenden Segmente, noch das Rudiment eines Ganglions und einer dorsalen Wurzel vorhanden ist. Dies ist unvereinbar mit vAN WiJuHe’s eigener Definition der Kopfsegmente. In Wirklichkeit gehören die drei Muskelsegmente zu x, y und z (pag. 480). — Die von mir behandelten Fragen bringen es mit sich, dass ich besonders oft meine Kritik an die Unter- suchungen VAN WIJHE’s anknüpfen muss. Wenn auch stets dem rein Sachlichen am besten dadurch gedient wird, dass Widersprüche zu den Befunden und Schlüssen anderer Autoren möglichst scharf priicisirt und beleuchtet werden, so entsteht doch leicht der Anschein, als ob mit der Kritik eines begrenzten Kapitels aus dem Gebiet der angegriffenen Arbeit ein Universalurtheil über das Ganze abgegeben würde. Ich möchte desshalb besonders betonen, dass ich der van WıJHe’schen Arbeit sehr viel Anregung und direkte Förderung bei meinen Untersuchungen verdanke, und dass ich ihr in der Beurtheilung nament- lich der prootischen Somiten, für welche sie bahnbrechend wirkte, in den Haupt- sachen folge. Dass dies in dieser Arbeit weniger hervortritt, liegt lediglich an der Umgrenzung meines Themas. Unbeschadet des Widerspruchs, den ich in meiner Darstellung der metotischen Urwirbel gegen van WIJHE's Deutungen erhebe, muss ich doch dankbar anerkennen, dass mir auch hier die Genauig- keit der direkten Untersuchung, namentlich jüngerer Stadien, vorbildlich ge- wesen ist. Morpholog. Jahrbuch. 27. 31 470 Hermann Braus im Folgenden noch vermehren lassen. — Bei Pristiurus liegt » anfäng- lich näher dem Vagus, unmittelbar hinter dessen caudalem Rand (Taf. XXI Fig. 5), und entspricht darin einem späteren Stadium von Spinax. Nähere Angaben über seine Lage in älteren Stadien liegen in der Litteratur nicht vor. Dass aber auch hier eine Lageverände- rung eintritt, geht mir aus der Untersuchung eines Embryos von 24 mm Länge hervor. Bei diesem liegt Myotom x nur um eine So- mitenbreite hinter dem Vagus (Taf. XXIV! Fig. 1). w ist zwar nicht von außen mehr zu sehen, auf Serienschnitten aber in dem Zwischen- raum zwischen z und Vagus als Rudiment nachweisbar. v hat also kurz vor seiner Auflösung höchst wahrscheinlich medial vom Vagus gelegen. — Bei Torpedo fehlen nähere Angaben. Die von vAN WıJHE und RABL für diesen Somiten bei Pristiurus beschriebene dorsale Lageveränderung in älteren Stadien, durch welche die caudale Vaguswurzel zwischen das Myotom und die Haut geräth, konnte ich bei Spinax nicht finden, da gerade an dieser Stelle Myotom » gegenüber Pristiurus im Wachsthum etwas zurück- bleibt. Doch komme ich beim nächsten Somiten auf diesen Punkt zurück. Auch Somit vo legt sich in der Entwicklungsgeschichte des Selachierkopfes anfänglich unvollkommen an (geringer Größendefekt, mangelhafte Entwicklung der Muskulatur und dorsalen Nervenanlage), schlägt aber dann eine Zeit lang einen progressiven Entwicklungsgang ein (Größen- ausdehnung, Muskelentfaltung, ventrale Nervenanlage), um schlieBlich doch der regressiven Metamorphose zu ver- fallen. Es wandert so weit nach vorn, dass seine anfäng- lich um mehr als !/, Somitenlänge hinter dem caudalen Va- gusrand liegende Vorderkante sich schließlich vor dem ro- stralen Vagusrand befindet. Der ventrale Nerv des Somiten, der erste, welcher in der Reihe der spino-oceipitalen Nerven ontogenetisch direkt zu sehen ist, bleibt als erster unter diesen wenigstens bei den niedrig stehenden Noti- daniden (Hexanchus, Heptanchus) auch im ausgebildeten Zustand er- halten. Er entspringt dort »im Bereiche des Anfangs resp. des ersten Viertels der Vaguswurzel« (FÜRBRINGER, 1897, pag. 371). Über- setzt man in Gedanken diesen Befund in embryonale Verhältnisse, so würde der zugehörige Somit, da die vordere Wurzel gegenüber 1 Taf. XXIV folgt mit dem U. Theil dieser Abhandlung. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 471 dessen Mitte zu entspringen pflegt, mit seinem Vorderrand über den rostralen Rand der Vaguswurzel hinausschauen, im Übrigen aber me- dial von der letzteren liegen. An dieser Stelle liegt ziemlich genau Somit v bei Spinax zur Zeit seiner Auflösung (Embryo c. 25 mm Länge). Es ergiebt sich daraus, dass der Ursprung von Nerv v” aus der Medulla ausgebildeter Notidaniden kein von Anfang her fixirter ist, sondern dass in ihm lediglich die Endphase eines früheren Ver- schiebungsprocesses vorliegt — eine direkte embryologische Bestäti- gung der von FÜRBRINGER an den hinteren spino-oceipitalen Nerven vergleichend-anatomisch erwiesenen Vorwanderungen (l. e. pag. 371, 372) auch für den vordersten derselben. Der vierte metotische Somit w legt sich bei Spinax im Sta- dium 33 U.-W. gleich in voller, dieser Stufe der Entwicklung bei allen folgenden Urwirbeln eigenen Größe an. Die älteren Stadien zeigen ihn in kräftiger Ausgestaltung seiner Größe und Form. Er dehnt sich freilich ein wenig langsamer aus als die folgenden, so dass er besonders in dorsaler Richtung etwas zurückbleibt (Taf. XXI Fig. 1). Schließlich holt er aber auch dies ein. Ventro-caudal ent- wickelt sich ein Fortsatz, welcher hinter dem Kiemenkorb herab- wächst und auf diesem Weg in die hypobranchiale Region gelangt, welche den vorhergehenden Somiten verschlossen blieb. Doch zeigte v wenigstens den Ansatz dieses Fortsatzes (Taf. XXI Fig. 1), der viel- leicht sogar Elemente von « enthält, die in diesem Stadium mit vo an den meisten Stellen verschmolzen sind, so dass dieser anschei- nend neue Entfaltungsmodus des Somiten auch den vorderen ur- sprünglich nicht fremd gewesen sein kann und nur durch ihre frühe Riickbildung unterdrückt wird. Der ventrale Fortsatz von w schnürt sich früh vom Muttersomiten ab und verschmilzt mit dem homodynamen von z, ein Merkmal auch seiner beginnenden Reduktion, welches wir als solches bei der Rückbildung der Somiten überhaupt schon mehrfach kennen lernten. Die Zugehörigkeit des hypobranchialen Somitenrestes zu dem epibranchialen Myotom w ist trotz der weiten Verschiebung und völligen Loslösung des ersteren eine Zeit lang noch an dem Nervenast zu erkennen, welcher beide verbindet und den vom ventralen Theil zurückgelegten Weg anzeigt (Taf. XXI Fig. 1). Später tritt völlige Rückbildung ein, die bei Embryonen von c. 34mm Länge zum Schwund des ganzen Somiten geführt hat. — Bei Pristiurus ist anfänglich eine beträchtliche Größendifferenz gegen- über caudaleren Urwirbeln vorhanden, die bei Spinax fehlt (Taf. XXI Fig. 5 und 6). Doch entwickelt sich auch bei jenem das Myotom 31* 472 Hermann Braus dorsal- und ventralwärts in ähnlicher Weise wie bei Spinax weiter. Der ventrale Fortsatz ins hypobranchiale Gebiet scheint jedoch zu fehlen, da van WIJHE ihn in jungen (I. c. pag. 16) und ich ihn in älteren Stadien (Taf. XX Fig. 7) vermissen. — Bei Torpedo fehlen nähere Angaben. j Die Muskulatur entfaltet sich auch hier bei Spinax anfänglich nicht in der ganzen medialen Lamelle des Myotoms (Taf. XXI Fig. 6). Später ist sie im dorsalen Theil des Muskels überall angelegt, der hypobranchiale bewahrt dagegen eine epitheliale, primitivere Be- schaffenheit. Muskelfasern kommen höchst wahrscheinlich in ihm gar nicht zur Anlage. Die Reduktion beginnt wie bei den vorhergehen- den Somiten von vorn und lässt vom dorsalen Theil nach Auflösung der Muskelfasern nur einen diffusen Zellenhaufen übrig (Embryo von c. 30 mm Länge). — Uber Pristiurus wissen wir, dass auch hier der dorsale Theil bei Embryonen von 24 mm Länge nur als diffuser Zellhaufen erhalten und als Urwirbel nicht mehr zu erkennen ist (Taf. XXIV! Fig. 1). — Bei Torpedo ist er der erste Somit, welcher überhaupt Muskelfasern produeirt (SEWERTZOFF, neunter Kopfsomit) und einen Ausbildungsgrad erreicht, wie er bei Spinax bereits Myo- tom £, bei Pristiurus Myotom uw zukam. Von Nerven bildet sich bei Spinax von vorn herein eine dorsale Anlage, welche dann beim Embryo von 44 U.-W. zum ersten Mal eine Art Ganglion erzeugt. Dieses besteht aus einer kleinen Zellen- anhäufung, deren Umfang beträchtlicher als derjenige der ebenfalls vorhandenen dorsalen Wurzel ist, und welche durch letztere mit der mitt- lerweile entstandenen ventralen Wurzel in Verbindung steht (Taf. XIX Fig. 2). Obgleich dieses Gebilde schon im nächsten Stadium ver- loren geht und nie ausgebildete Ganglienzellen producirt, so ist doch auch hier wieder die Übereinstimmung desselben sowohl mit der ersten Anlage wie auch dem letzten Überbleibsel der in den Zwi- schenstufen der Ontogenese voll entwickelten Ganglien folgender Somiten so vollkommen, dass der Mangel an sich fertig entwickeln- den Ganglienzellen lediglich als Ausfallserscheinung in Folge hoch- gradiger Reduktion aufzufassen ist. — Weder bei Pristiurus noch bei Torpedo ist bisher eine solche Anlage nachgewiesen worden (VAN WHE, DOHRN). Die Lage von Somit w verändert sich bei Spinax während der Entwicklung derartig, dass die Vorderkante anfänglich 11/, Somiten- 1 Siehe Anm. pag. 470. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 473 länge hinter dem caudalen Rand des Vagus, am Ende der ro- stralen Verschiebung (bei Embryonen von c. 32,5 mm Länge) weit vor dem Vagus liegt. Es ist in letzterem Stadium längst die Tren- nung des hypobranchialen Fortsatzes vom Somiten eingetreten. Der dorsale Theil des Somiten betheiligt sich in Stadien von c. 26 mm Länge mit der obersten Kante an der Bildung des lateralen Rumpf- muskels'!, und rückt immer weiter dorsal- und gleichzeitig medial- wärts, so dass er auf Querschnitten mehr innen als der Vagus liegt. Er reicht zwar nicht bis zum Vagus selbst herab, die ideale Verlängerung nach unten würde aber in die Vaguswurzel fallen. In so fern bleibt auch bei Spinax, wie bei Pristiurus, der Vagus mit seinem gesammten Wurzelkomplex außen von diesem Myotom, selbst zur Zeit der stärksten dorsalen Entfaltung desselben, liegen. Auf diesem Wege gelangt der dorsalste Theil des Segmentes bis in die Labyrinthregion. Sein Anfang findet sich in Querschnitten, welche gleichzeitig das Ende der Glossopharyngeuswurzel enthalten (Embryo c. 32,5 mm Länge). An dieser Stelle lag in früheren Sta- dien ¢ am Ende seiner Laufbahn (Taf. XIX Fig. 2); « und » waren nicht so weit zu verfolgen. Aber w passirt auch die Stelle, an welcher letztere verschwanden. — Bei Pristiurus verschiebt sich das Myotom w von der ursprünglich um eine Urwirbellänge vom Vagus entfernten Stelle (Taf. XXI Fig. 5) bis an den Vagus heran, wo es sich auflöst (vgl. pag. 470). — Über eine Verschiebung bei Torpedo wissen wir nichts Bestimmtes. Die Entwicklungsgeschichte des Selachierkopfes zeigt auch bei Somit w anfänglich noch geringe Unvollkommen- heiten (mangelhafte Anlage der Muskulatur und dorsalen Nerven), lehrt uns aber dann in der Entfaltung eines ven- tralen, hypobranchialen Fortsatzes und der Anlage eines, wenn auch abortiven Ganglions, die Attribute eines kom- pleten Urwirbels kennen, welche den vorhergehenden Myo- tomen gegenüber den folgenden Kopf- und den Rumpfso- miten noch fehlen. Auch es verfällt in allen seinen Thei- len der regressiven Metamorphose und wandert bis zur Beendigung derselben mit seiner rostralen Kante von einer 1 Die Bildung des M. subspinalis (epibranchiale Muskulatur, FÜRBRINGER) scheint von dem dorsalen, zipfelférmigen Rest des ventralen Fortsatzes der So- miten auszugehen, welcher an dem oberen Rand des Kiemenkorbes und sub- vertebral gelegen ist (Taf. XXI Fig. 1). 474 Hermann Braus 1'/, Somitenlänge hinter dem Vagus gelegenen Stelle bis in die Gegend des Glossopharyngeus vor. Der ventrale Nerv von w bleibt bei heptanchen und hexanchen Selachiern im ausgebildeten Zustand erhalten und geht von der Medulla. bei Hexanchus und Heptanchus »im Bereiche des dritten Viertels, bei Chlamydoselachus (GERMAN, 1855, Pl. XVI) dagegen vor der Mitte der Vaguswurzel ab« (FÜRBRINGER, 1897, pag. 371) Bei Embryonen von Spinax und Pristiurus ist die ventrale Wurzel zwar schon verschwunden, wenn das Myotom an die entsprechende.» Stelle gelangt; aber die Verschiebung des letzteren in noch weiter rostralwärts gelegene Schädelpartien während der Ontogenese macht es verständlich, dass bei primitiveren Haien der Nerv w”, da er eine größere Resistenz besitzt als bei Spinaciden und sich bis zum Ende der Entwicklung erhält, auch die weitere Wanderung des Myotoms nach vorn mitmacht. Der Schwund von vo” und der zugehörigen Muskulatur in der Ontogenese der Spinaciden gestattet andererseits ein weiteres Vordringen des Somiten w nach vorn als bei den Notidaniden, wo das vorhergehende Metamer erhalten bleibt. Dadurch erklärt es sich, dass w” bei Notidaniden nicht der End- stellung des Somiten w während der Ontogenese der Spinaciden ent- spricht. Bewahren in diesem Punkt die niedrig stehenden Selachier im ausgebildeten Zustand primitiveren Charakter als ältere Entwick- lungsstadien der Spinaciden, so zeigen uns junge Spinaciden- und Seylliiden-Embryonen dafür weiter zurückliegende Phasen des Wan- derungsprocesses von Myotom w und seinen Nerven, dessen End phase lediglich (bei gleichzeitiger Erhaltung von v”) bei erwachsenen Noti- daniden und (nach Schwund von ov”) bei Chlamydoselachus vorliegt. Der fünfte, sechste und siebente metotische Somit, a, %, 2, besitzen so ähnliche Entwicklung bei Spinaciden-Embryonen, dass ich sie zusammen behandele. Sie stimmen bei der ersten Anlage in allen Punkten mit der Entwicklung der eigentlichen Rumpf- somiten überein. Nur die weitere Ausgestaltung in älteren Ent- wicklungsstadien zeigt, dass sie dem Kopf und nicht dem Rumpf angehören. Die Größe derselben bei der ersten Anlage ist nicht verschieden von derjenigen, welche bereits w aufweist. Die weitere Entfaltung führt gleichfalls zu einer Abtrennung eines ventralen Fortsatzes, welcher ins hypobranchiale Gebiet vordringt. Der vor- derste von ihnen (z) geht die schon erwähnte Verbindung mit w ein (Taf. XXI Fig. 1), die hinteren bleiben selbständig. Später tritt auch bei ihnen Rückbildung ein, welche zunächst z ergreift. Die hyp- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 475 axonischen Bestandtheile von y und = sind noch bei älteren Em- bryonen erhalten. z persistirt auch beim erwachsenen Thier (Fir- BRINGER, 1897, pag. 404, y ist hier fraglich). Die dorsale Kante der Myotome steigt bei allen drei Somiten gleichmäßig längs der Me- dulla in die Höhe. Während der primitivere, in der Nähe der oberen Kiemengrenze und subvertebral liegende Theil der Myotome in dieser epibranchialen Lage verharrt, wandert die dorsale Kante weiter nach vorn vor. Es entsteht auf diese Weise eine dorsale Knickung der Myotome, deren Winkel sich nach vorn öffnet (Taf. XXI Fig. 1). An diese schließt sich ventralwärts eine weitere Knickung an, welche dadurch hervorgerufen ist, dass der ventrale Fortsatz nicht rein ventral, sondern ventro-caudal verläuft, und deren Winkel sich in Folge dessen nach hinten öffnet. Diese Knickungen der Myo- tome sind durchaus mit denen der Rumpfsomiten identisch (Taf. XXI Fig. 1). Der dorsale, nach vorn gebogene Theil rückt in eine Ebene vor, welche medial von der des Vagusursprunges gelegen ist. Aber er persistirt nur dorsal vom Vagus, da die Partie in Vagushöhe, welche sich, wie wir sahen, bei jüngeren Embryonen und vorderen Somiten medial vom Nerven eine Zeit lang erhält (z. B. Taf. XIX Fig. 2—4), bei den hinteren Somiten älterer Embryonen schwindet, ehe Lageveränderungen sie in den Bereich des Nerven führen. Auch hier tritt später bei z totale Rückbildung ein, die beiden anderen bleiben erhalten. — Bei Pristiurus kommen die Myotome z, y, = nicht in gleicher Größe zur Anlage. x ist gegenüber den folgenden und gegenüber seinem Homologon bei Spinax reducirt (Taf. XXI Fig. 5). Nach van WiJHE ist der neunte Kopfsomit (= x) der erste, welcher sicher einen ventralen Fortsatz ins hypobranchiale Gebiet entsendet, eben so die folgenden. In älteren Stadien (19 und 24 mm Linge) finde ich nur noch y und z, davon y in sehr reducirtem Zustand (Taf. XX Fig. 7). Bei ausgebildeten Scylliiden sind beide erhalten (FÜRBRINGER, pag. 403). — Bei Torpedo fehlen nähere Angaben über die erste An- lage. Wenn sich ein hypobranchialer Fortsatz an den Segmenten bildet, so geht er später bei allen verloren; denn beim ausgebildeten Thier sind keinerlei Elemente desselben erhalten (FÜRBRINGER, 1897, pag. 404, wobei zu beachten ist, dass das vermeintliche z in Wirk- lichkeit = a’ gesetzt werden muss). Die Muskulatur dehnt sich bei Spinax in Form embryonaler Muskelfasern viel früher über die ganze mediale Lamelle des Ur- wirbels aus als bei den vorhergehenden Somiten, und hält darin gleiches Tempo der Entwicklung mit den Rumpfsomiten ein. Aus 476 Hermann Braus ihr entsteht in dem ältesten, über dem Kiemenkorb und subvertebral gelegenen Theil der Myotome die epibranchiale Muskulatur (zu welcher nach FÜRBRINGER, 1897, der M. subspinalis und die Mm. interbasales zu rechnen sind), doch bildet sich die von = gelieferte Muskulatur später zurück. Sie fehlt beim ausgebildeten Thier häufig (FÜRBRINGER, 1897, pag. 399), aber nicht immer (siehe unten). Die Muskelfasern der dorso-rostralen Fortsätze der Myotome bilden die Spitze des Seitenrumpfmuskels, welche dorsal am Schädel sich anheftet. Auch hier geht z nachträglich manchmal verloren. Aus der Muskulatur der ventralen Fortsätze, welche sich bei 2 nur in Spuren, bei y und z voll anlegt, geht die hypobranchiale Musku- latur in ihren vorderen Theilen hervor (Mm. coraco - mandibularis, coraco-hyoideus, coraco-arcuales VETTER). Doch bildet sich hier a regelmäßig zurück, auch wenn im epibranchialen und dorsalen Gebiet Fasern von x erhalten sind. — Bei Pristiurus schlägt die Muskulatur der drei Somiten gleiche Entwieklungsbahnen ein wie bei Spinax. FÜRBRINGER giebt für erwachsene Seylliiden an, dass sich bei den dorsalen und epibranchialen Muskeln manchmal Ele- mente des Somiten 2, stets von y und z, bei den hypobranchialen solche von y und z finden (1897, pag. 399 und 404). Bei Pristiurus finde ich in älteren Stadien (31,5 mm Länge) von 2 schon nichts mehr. — Bei Torpedo geben die in den drei Myotomen sich anlegen- den Muskelfasern ebenfalls dem Vordertheil des M. lateralis und der Hypoglossusmuskulatur den Ursprung (SEWERTZOFF, 1898, pag. 280, Kopfsomit 10, 11, 12). Beim ausgebildeten Thier ist diese Musku- latur dagegen verschwunden (FÜRBRINGER, 1897, pag. 399 und 404)". Die ventralen Nervenwurzeln von z, y, z kommen gleichmäßig bei Spinax zur Entwicklung. Später tritt nur durch den Schwund der dorsalen Wurzeln eine Umwandlung der ventralen Wurzeln in ventrale Nerven und eine Reduktion der Dicke ein, indem =" dünner als y”, letzteres dünner als 2” wird (Embryo e. 26 mm), und schließlich 2” sich gegenüber y” und den folgenden Spinalnervenwurzeln so ver- dünnt, dass ein Unterschied zwischen ihm und y” kaum zu bemerken ist (ausgebildetes Thier). =” schwindet manchmal sogar total (FUr- BRINGER, 1897, pag. 359). Das sind die Fälle, in welchen auch die von z’ versorgte Muskulatur im dorsalen und epibranchialen Gebiet aufgelöst ist. Dass auch bei den Exemplaren, bei welchen sich =” 1 Vgl. Bemerkung pag. 475 bei Besprechung der Größe des Somiten über —ı (she A « Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 477 erhält, eine Versorgung der hypobranchialen Muskulatur nicht mehr, wie während der Ontogenese (Taf. XXI Fig. 1) stattfindet, geht daraus hervor, dass kein diesbezüglicher Nervenast dem Plexus cervicalis beigeschlossen ist. Der Nerv verläuft vielmehr direkt mit seinen Ästen an die dorsalen und epibranchialen Muskeln. Er ist aus dem Plexus cervicalis ausgelöst (BrAus, 1898, pag. 262). Die Ontogenese lehrt hier deutlich gerade so wie die vergleichende Anatomie (Fir- BRINGER, |. c. pag. 394), dass diese Auslösung ein sekundärer Process ist. — Die dorsalen Wurzeln und Ganglien der drei Myotome z, y, z legen sich anfänglich gleichmäßig an (33 U.-W.), jedoch bleibt das Ganglion x schon in früher Ausbildung hinter den folgenden zurück (Stadium 44 U.-W.). In den älteren Stadien schlägt es einen regres- siven Entwicklungsgang ein, indem schließlich nur ein kleiner ven- traler Auswuchs der Nervenleiste von ihm übrig bleibt, ähnlich der Stufe der Ausbildung, über welche die Ganglienanlage von w gar nicht herauskommt. Auch sie verschwindet endlich. Kurz vor dem Verschwinden markirt sie (bei Embryonen von e. 26 mm Länge) das Ende der Nervenleiste, die weiter caudalwärts verschwunden, zwischen Vagus und ihr aber noch erhalten ist. Das Ganglion y entwickelt sich anfänglich in gleichem Schritt mit Ganglion z, dem es an Größe gleich kommt, doch verliert es vom Stadium von 55 U.-W. ab an Ausdehnung. Es macht anfänglich nur die weitere Entfaltung von Ganglion z nicht mit. Seine Verkleinerung gegenüber diesem ist desshalb nur eine relative (Embryo 19 mm Länge). Dann tritt aber auch bei ihm die regressive Metamorphose ein. Beim Embryo von c. 26 mm Länge ist noch ein kleines Zellenhäufehen, ähnlich dem- jenigen von w, übrig, welches aber isolirt dorsal über der ventralen Wurzel y neben der Medulla liegt, da mittlerweile die Nervenleiste in dieser Gegend verschwunden ist. Auch dieses geht endlich zu Grunde (Embryo von ce. 30 mm Länge). Ganglion z hält bis zu älte- ren Stadien der Entwicklung progressive Wege seiner Ausgestaltung ein. Es ist das vorderste Ganglion, welches eben so wie sämmtliche spinalen Ganglien entwickelte Ganglienzellen produeirt. Doch tritt auch bei ihm vorher schon ein Zurückbleiben in der Größenzunahme ein (Embryo von c. 26 mm Länge), so dass von vorn herein weniger fertige Ganglienzellen als bei den folgenden Spinalganglien entstehen. Auch diese unterliegen der regressiven Metamorphose. Ich finde schon bei einem Embryo von 40 mm Länge auf der einen Seite nur noch eine einzige Ganglienzelle, auf der anderen Seite desselben Embryos sind deren mehrere erhalten, doch sind sie nicht von einer 478 Hermann Braus bindegewebigen Hülle wie in früheren Stadien umgeben, Bei älteren Embryonen finden sich keine Ganglienzellen von z mehr und eben so wenig beim ausgebildeten Thier. Dagegen liefert das Ganglion des ersten Spinalnerven einen Ersatz für den Verlust von z, indem bei Embryonen von 40 mm Länge von ihm ein rostraler Fortsatz auszuwachsen beginnt, welcher bis in die Gegend verläuft, in wel- cher der Rest der dorsalen Wurzel (siehe unten) von z liegt (Taf. XIX Fig. 8). Dieser Fortsatz hat mit dem in Auflösung begriffenen Ganglion z genetisch nichts zu thun; denn die noch erhaltenen Ganglienzellen von z liegen etwas weiter dorsal als derselbe und sind durch einen deutlichen Zwischenraum von ihm getrennt. In älteren Embryonen (45 und 115 mm Länge) ist dieser Fortsatz vollends bis zu 2” aus- gedehnt, und die von ihm ausgehenden Äste verbinden sich mit den ventralen Ästen von diesem. Es entwickeln sich durch diese Ana- stomose Nerven, deren motorischer Antheil von z, einem spino-occi- pitalen Nerven, deren sensibler vom Ganglion des ersten Spinalnerven geliefert wird. — Die dorsalen Wurzeln der Myotome z, y, z sind anfänglich gleichmäßig entwickelt, verfallen aber früher der Reduk- tion als die Ganglien. Im Übrigen löst sich auch hier zuerst 2%, dann y@ und schließlich erst =? auf. Nur 2% erhält sich so lange, dass es von der Anlage des Skelettes, die basal zuerst auftritt (Em- bryo von c. 26 mm Länge) und erst allmählich. dorsalwärts fort- schreitet, in einen besonderen Knorpelkanal eingeschlossen wird. Dabei machen sich eigenthümliche Veränderungen der oceipitalen Schädelanlage geltend, die kurz gestreift werden müssen. Während der Schädel und die Wirbelsäule basal in der Umgebung der Chorda ziemlich lange eine Kontinuität bilden, innerhalb welcher eine scharf abgesetzte Craniovertebralgrenze nicht zu erkennen ist, welche aber etwas später an der Stelle der Breitenzunahme der defi- nitiven Schädelbasis eine ungefähre Abgrenzung gestattet (Taf. XIX Fig. 6 oben), wird dorsal eine Trennung der Bogenbildungen schon bei Anlage des Knorpels deutlich. Der erste Bogen, das spätere Inter- crurale I des ausgebildeten Thieres (FÜRBRINGER, 1897, Taf. I Fig. 12), setzt sich nun nicht etwa aus dem schmalen Theil der Basis fort, welcher die späteren Wirbelkörper liefert, sondern aus dem breiten, der definitiven Schädelbasis entsprechenden. Damit steht in Ein- klang, dass. manchmal ein Kanal in demselben und in diesem in relativ jungen Stadien (40 mm Länge) auch Nervenfasern vorhanden sind, welehe ventralwärts zu Ganglion z und 2” verlaufen, also Reste der Kopfnervenwurzel 27. Der Kanal ist in diesen Stadien schon Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 479 in seltenen Fällen, bei älteren Embryonen (von 45 mm, 115 mm Länge) häufiger obliterirt, er kann aber selbst bei letzteren noch vorkommen (Taf. XIX Fig. 9, der mediale Theil liegt in dem fol- genden Schnitt). Er enthält dann nur undeutliche Massen, keine ausgebildeten Nervenfasern mehr. Bei einem älteren Scymnus- Embryo finde ich noch solche (Textfig. 4). Schließlich liegt aber auch der Kanal fir den Nerven 2” in jüngeren Stadien (Embryo ec. 34 mm Länge) am Boden des Spaltes, welcher das Intercrurale I vom definitiven Schädel trennt (Taf. XIX Fig. 7). Man sieht an dieser Stelle, dass die beiden Skeletanlagen, welche ventral in der Anlage der Schädelbasis zusammenhängen (Fig. 6 oben), was die Höhe der histologischen Ausbildung betrifft, auf gleicher Stufe (Knorpel) stehen, während die auf das Intercrurale I folgende Anlage von Cru- rale I zwar mit letzterem in Zusammenhang steht und mit ihm enger verbunden zu sein scheint als die vom Intererurale theilweise getrennte spätere Schädelwand, jedoch in ihrer nur vorknorpeligen Struktur und dem ventralen Zusammenhang mit der Anlage der Wirbelsäule gleich den folgenden Cruralia und Intereruralia sich als zu dieser gehörig charakterisirt. In diesem Stadium gehört also Intercrurale I noch deutlich zur Schädelanlage. Es ist derjenige Theil derselben, welcher zwischen dem Kanal für =” und der Craniovertebralgrenze liegt. Später löst sich das Knorpelstiick ganz vom definitiven Schädel los, die dorsale Wurzel von z verschwindet und auch 2” liegt nicht mehr zwischen Intererurale I und dem jetzt endgültig ab- gegrenzten Schädel. Mit der Abschnürung, welche eine, wenn auch geringe Beweglichkeit des Intererurale I gegen den Schädel im Ge- folge haben muss, gestalten sich für z” wahrscheinlich ungünstige mechanische Verhältnisse aus; denn der Nerv beginnt sich von dem Spalt zwischen beiden Knorpeln weiter in die Schädelwand ventro- rostralwärts einzusenken. In Fig. 10 Taf. XIX befindet er sich auf der rechten Seite noch in dem Spalt, auf der linken Seite liegt er hereits in einem separaten Kanal des Occipitaltheiles des Schiidels. Die Verknüpfung zwischen beiden Bildern geben weiter ventral ge- legene Schnitte derselben Horizontalschnittserie, indem sich auch auf der rechten Seite der Kanal für z” von dem Spalt zwischen Intererurale und Occiput emaneipirt und als Rinne in letzteres eingräbt, welche aber nach oben noch mit der Spalte kommunieirt. Denkt man sich die Entwicklung einen Schritt weiter gehen, so schließt sich diese Kom- munikation und der abgeschlossene Kanal der linken Seite desselben 480 Hermann Braus Embryos ist fertig'. Es ist dann der letzte Rest derjenigen Anzeichen verschwunden, welche das Intererurale in der Entwicklung deutlich als Theil des Schädels erkennen lassen. Doch ist bei Notidaniden dieser Ablösungsvorgang auch beim ausgebildeten Thier von FÜRBRINGER (1897, pag. 364, 365) in statu nascendi gefunden und in gleicher Weise gedeutet worden. Der embryologische Befund bei Spinax bietet eine Bestätigung und eine Erweiterung auch für pentanche Squa- liden. Derartige Abgliederungen von Knorpelstücken am hinteren Schidelrand, wie sie demnach bei Squaliden häufig vorzukommen scheinen, sind, abgesehen von ihrer theoretischen Bedeutung, für die Beurtheilung der Nervenverhältnisse von ‚großer praktischer Wichtig- keit. Denn nur bei kontinuirlicher Verfolgung der Entwicklung bis zum ausgebildeten Thier lernen wir in Fällen, wie diesem, solche Abgliederungen von Angliederungen wie bei Torpedo unterscheiden und uns vor Verwechselungen zwischen occipitalen, occipito-spinalen und spinalen Nerven schiitzen. In ge- wissen, vorhin genau geschilderten Stadien von Spinax (und eben so von Scymuus, Textfig. 4) liegt 2” in ähnlicher Weise am hinteren Schädel- rand, wie es früher für 7” bei Tor- pedo beschrieben wurde. An eine Seymnus-Embryo, 204 mm Länge. Hinterer Homologisirung der beiden Nerven Theil des Schädels und vorderer der Wirbel- . . . . säule mit Nerven. Der N. vagus ist entfernt. 186 aber nicht zu denken, weil die Processe, welche diese Lage in bei- den Fällen erzeugt haben, direkt entgegengesetzte sind. — Bei Pri- stiurus sind die Nervenverhältnisse der drei Myotome z, y und z ähnliche wie bei Spinax. Auch hier ist die erste Anlage eine kom- plete, oder, bei z, eine annähernd vollständige. Später bildet sich die Anlage des dorsalen Ganglions von z (DoHRN), dann diejenige von y und schließlich diejenige von z zurück (OÖSTROUMOFF, Donrn). Bei einem Embryo von 18 mm Länge sah ich noch einen Rest der Gan- glienanlage von = erhalten. Donrn’s Angabe, dass es nicht zur 1 Bei älteren Embryonen (45 mm, 115 mm Länge) liegt der Kanal bald völlig im Oceiput, bald öffnet er sich lateral in die Craniovertebralgrenze, Auch beim ausgewachsenen Thier liegt die laterale Öffnung dicht vor der letzteren oder der Nerv tritt scheinbar aus ihr aus. Medialwärts ist aber der Kanal immer vom Schädelende durch eine Knorpelspange getrennt. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 481 Umwandlung der Zellen in fertige Ganglienzellen kommt (1890, pag. 83), kann ich bestätigen. Darin bleibt Pristiurus gegen Spinax zurück. Schon bei einem Embryo von 26 mm ist die Ganglienanlage z verschwunden. Die ventralen Nerven erhalten sich nur bei y und z. x’ ist schon bei Embryonen von 27,5 mm Länge nicht mehr vorhan- den. — Bei Torpedo finde ich bei Embryonen von 13—20 mm Länge noch 2”, y”, 2’, aber kei- nerlei dorsale Wurzeln oder Ganglien erhalten. Ich vermuthe, dass dies dieselben drei Nerven sind, welche RABL und DoHurn gesehen haben. Es würden nach DoHRN auch bei diesen in jün- geren Stadien Ganglien- anlagen zu beobachten sein. Jedenfalls ver- _. N x 3 Spinax-Embryo, 67 U.-W. Nerven nach Fig.1 Taf. XXI, schwinden sie früher als in ihrer Lage zum Kiemenkorb dargestellt. bei Squaliden. Auch die ventralen Nerven lösen Fig. 6. sich noch während des ° —— Embryonallebens auf (s. NRA 5/\6 Tabelle pag. 447: siehe Cra % N > = Iyio>sS in dieser auch die Re- ) XX Q | Yi pees duktion der Nervenanla- N / en von ih ends be « N Ce Q gen von Somit a’, 2, 3 ete.) EGE Die Lage der Somi- ten z, y, z bei Spinax ist außerordentlichen Ver- Ausgebildeter Spinacide, mit Benutzung der Abbildung schiebungen ausgesetzt. FÜRBRINGER'S, 1897, Taf. II Fig. 2 für Laemargus. Bei Spinax £ findet sich dasselbe Lageverhaltnis, Der Kiemenkorb ist ein Im Stadium von 33 U.-W. wenig nach unten gezogen. ist z um 2'/, Somiten- längen vom Vagus entfernt, im Stadium von 68 U.-W. nicht ganz um zwei Somitenlängen. Der Nery des Somiten liegt noch beträcht- lich hinter dem Vagus (Taf. XIX Fig. 4). Bei einem Embryo von ec. 34 mm befindet er sich jedoch schon dicht am hinteren Rand der medialen Öffnung des Vaguskanals (Taf. XIX Fig. 6 oben). Bei älteren Embryonen (115 mm Länge) beginnt das Kanälchen vor dem hinteren Rand desselben, und zwar etwas ventral, läuft nur eine 482 Hermann Braus - kurze Strecke selbständig und mündet dann in den Vaguskanal. Der Nerv liegt bis zur lateralen Öffnung desselben auf dem Boden, unter dem Vagus. Gerade so finde ich ihn bei erwachsenen Thieren. Die Lage von y und z wird durch diejenige von x bestimmt. Man ver- gleiche dieselben Figuren, die oben angegeben. Wie beträchtlich die Verschiebung ist, lässt sich am besten ermessen, wenn man etwa die Lage von Somit z in Taf. XXI Fig. 1 betrachtet, nach welcher der Nerv hinter dem Kiemenkorb entspringen muss (Textfig. 5) und damit das ausgebildete Thier vergleicht, bei welchem das Kanäl- chen für 2” vor dem ersten Kiemenbogen und nur wenig hinter der Gelenkverbindung des Zungenbeinbogens mit dem Schädel liegt (Textfig. 6). Um die ganze Ausdehnung des Kiemenkorbes wandert also die Nervenwurzel von z während der Ontogenese nach vorn. Bei Pristiurus sind die Verschiebungen ähnlich ausgedehnte (vgl. Taf. XXI\ Fig. 5, Taf. XX Fig. 7 und Taf XXIV" Fig.) — sei Torpedo kommen sie wahrscheinlich nicht in dem Umfange zu Stande, da die Reduktion der Somiten sie unterbrechen muss. Die drei letzten metotischen Somiten z, yundz kommen bei der Ontogenese des Selachierkopfes in derselben Voll- ständigkeit wie die folgenden spinalen Urwirbel zur An- lage. Nur in der Fortentwicklung gehen die einzelnen Be- standtheile zum Theil, nach mehr oder minder langer pro- gressiver Entwicklung, regressive Metamorphosen ein. Bei Squaliden bleibt entweder von allen, oder doch von yundz, wenigstens der motorische Theil erhalten, bei Rochen geht Alles zu Grunde. Die Wanderung der Myotome nach vorn ist so groß, dass Somit z am Ende derselben einen Weg von der Länge des Kiemenkorbes zurückgelegt hat. Die Lage der Nerven =”, y” und z” zum Vagus ist auch bei ausgebildeten Selachiern eine sehr verschiedene je nach der unter- suchten Species. Ich verweise wegen derselben auf FURBRINGER’s detail- reiche Ausführungen, die zu dem Resultat führen, »dass die Abgangs- stellen der oceipitalen Nerven keineswegs dem Vagusabgange gegen- über eine unveränderliche Lage darbieten, sondern vielmehr in dem Maße, als die vordersten (v, w ete.) sich rückbilden, in einem successiven Vorriicken nach vorn (rostralwirts) begriffen sind« (1897, pag. 371, 372). Hierfür liefern die oben mitgetheilten 1 Vgl. Anm. pag. 470. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 483 embryologischen Befunde eine ausgedehnte Bestätigung, indem die Verschiebung noch beträchtlichere Grade bei der anfänglich größeren, dann aber sich successive vermindernden Zahl der Somiten (/, « ete.) aufweist. By OW Die hier mitgetheilte Zusammenstellung unserer Kenntnisse über die Entwicklung der einzelnen metotischen Somiten der Selachier er- giebt meines Erachtens mit Sicherheit, dass alle aus derselben Quelle, aus dem Rumpfgebiet, stammen und sekundär in die Kopfregion aufgenommen sind. Die hintersten Somiten (z, y, z) besitzen sämmtliche. Attribute der vordersten Rumpfurwirbel bei der ersten Anlage, verlieren aber in der weiteren Entwicklung eines nach dem anderen und bei hoch differenzirten Sela- chiern (Rochen) alle... Dieselben Vorgänge finden wir bei den vorderen Myotomen (é—w), nur mit dem Unterschied, dass die regressive Metamorphose entweder nur eine ganz kurze progressive Entwicklung vorangehen lässt oder schon gleich die erste Anlage ergreift oder schließlich eintritt, gleichsam ehe die erste Anlage entstanden ist, so dass nur Fragmente des Somiten und seiner Theile in die Erscheinung treten, um bald gänzlich zu zerfallen. Alle diese verschie- denen Rückbildungsphasen finden aber parhomologe Par- allelen in den Phänomenen, welche auch bei der regressi- ven Metamorphose von ursprünglich in größerer Vollkom- menheit oder komplet angelegten und von Rumpfurwirbeln in nichts unterschiedenen Somiten eintreten. Alle lassen ferner erkennen, dass unter den Squaliden die Spinaciden ursprünglichere Verhältnisse anlegen und erhalten als die Seylliiden, beide zusammen aber den Torpediniden gegen- über den primitiveren Zustand bewahren. Schließlich er- härtet die vergleichende Anatomie für die Somiten v—z durch die theilweise Persistenz und die Funktionstüchtig- keit von Elementen derselben (Muskeln und Nerven) bei ausgebildeten, niedrigstehenden Selachiern (Notidaniden) den embryologischen Nachweis für deren phylogenetische Existenz. Für die Myotome ¢ und w kann bei den uns bekannten Selachiern jedoch nicht gezeigt werden, dass auch sie Muskeln und Nerven zu produeiren vermögen, welche funktioniren und ähnliche Wirkungen erzielen wie die aus Urwirbeln sich differenzirenden Theile; denn selbst die primitivsten Formen, die wir kennen, ver- 484 Hermann Braus mögen diese altererbten Muskelanlagen nicht bis zu ihrer Ausbil- dung zu erhalten. Wenden wir uns desshalb dem Vergleich mit Petromyzonten, Myxinoiden und Acraniern zu. Als ursprünglichste Lage von Somit ¢ bei Selachiern wurde die- jenige ermittelt, bei welcher die Mitte desselben etwa an die Stelle des rostralen Vagusrandes fiel (Spinax). In diesem Stadium ist der Nerv ¢” vollständig verschwunden. Doch sind Muskelfasern noch im eaudalen Theil der medialen Lamelle des Urwirbels vorhanden. Das Myotom v lehrt aber, dass von dem Stadium ab, in welchem sein ventraler Nerv für unsere Darstellungsmittel verschwindet (zwi- schen 55 und 68 U.-W.) bis zu demjenigen, in welchem die Muskel- fasern im rostralen Theil des Myotoms aufgelöst, im caudalen aber noch erhalten sind (70 U.-W.), eine Verschiebung des Somiten um eine ganze Urwirbellänge stattgefunden hat. Denn in ersterem liegt die rostrale Kante ein wenig vor dem caudalen, im letzteren ein wenig vor dem rostralen Vagusrand (vgl. pag. 469), und die Breite des Vagus ist gerade der Länge eines Somiten gleich (Taf. XXI Fig. 5 u. 6). Dieses für vo geltende Verhältnis zwischen Verschiebung und Rückbildung muss in ungefähr gleicher Weise auch einst für ¢ gegolten haben. Danach würde zu der Zeit, wo der Nerv ¢” zuletzt bestand, der Somit ¢ sich mit seiner Mitte an der Stelle des cau- dalen Vagusrandes befunden haben. An dieser Stelle entsprang aber dann Nerv ¢” selbst aus der Medulla, da die ventralen Nerven der Urwirbel stets deren Mitte gegenüber aus der Medulla austreten. Bei demselben Vorfahren der Selachier muss ferner w” um eine Ur- wirbellänge hinter dem caudalen Vagusrand auf ¢” gefolgt sein. Bei den nächsten uns erhaltenen Thiergruppen, welche mit den Vorfahren der Selachier, so wie wir uns dieselben auf Grund der mitgetheilten ontogenetischen Befunde vorzustellen haben, in vielen primitiven Organisationsverhiltnissen übereinstimmen, den Petromy- zonten und Myxinoiden, sind nach FÜRBRINGER’s Untersuchungen zwei resp. drei ventrale spino-oceipitale Nerven hinter dem Vagus vorhanden, von denen der vorderste, nur bei Bdellostoma vorhanden, dicht hinter dem medialen Eintritt des X. Cerebralnerven in das häutige Cranium separat das letztere durchbohrt (1897, pag. 616 Textfig. 1 6’"), der zweite nicht weit vom ersten, der dritte, gerade so weit vom zweiten wie dieser vom caudalen Vagusrand entfernt bei Petromyzonten und, mit geringem Unterschied, auch bei Myxi- noiden seinen Weg durch die Membran nimmt (l. e. Taf. VII Fig. 22 Nery « und 8” und Textfig. 1 pag. 616 y’” und 0’). Der Nachweis Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 485 von sieben neocranialen Myotomen bei Selachier- Embryonen, von denen sechs noch Nervenanlagen aufweisen, erhärtet die Darstel- lung Fiirprincer’s, nach welcher diese Nerven bei Petromyzonten und bei Myxinoiden nicht mit den zwei oder drei vordersten der fünf spino-oceipitalen Nerven homologisirt werden dürfen, welche bei erwachsenen Selachiern noch erhalten sind (v’—z”, 1. ce. pag. 606 und 630). Denn sonst träten in der Ontogenese der Selachier noch Elemente auf (¢ und «), welche den Myxinoiden und Petromyzonten fast ganz oder völlig verloren gegangen wären. Das ist aber bei der sonstigen Organisation dieser Thiergruppen und ihrer phyloge- netischen Stellung zu den Selachiern im höchsten Grade unwahr- scheinlich. Der Lage nach stimmen von diesen Nerven der erste und zweite bei Bdellostoma (8’’ und y’’ FÜRBRINGER) mit dem oben für Selachiervorfahren ermittelten Ursprung von 2” und wz” überein. Denn hier wie dort liegt der erste Nerv in unmittelbarer Nähe des caudalen Vagusrandes. Trotzdem neige ich mehr dazu, in dem zweiten Nerven von Bdellostoma y’” das Homologon von 2” zu erblicken, da der erste Nerv bereits bei Petromyzonten ver- schwunden ist, die doch den Myxinoiden näher stehen, als selbst von jungen Embryonalstadien pentancher Selachier angenommen werden kann. Die geringe Verschiebung, welche y'” bei Bdello- stoma und «@ bei Petromyzon rostralwärts erlitten haben müsste, um an den caudalen Vagusrand zu gelangen, bis zu welchem wir ¢” in der Vorgeschichte der Selachier an der Hand der Ontogenese zurückverfolgt haben, ist so verschwindend gegenüber den hochgradigen Verschiebungen, welche die vordersten Urwirbel bei ihrer Einwanderung ins Kopfgebiet erleiden, und steht in ihrer Riehtung so gut mit dieser Wanderung im Einklang, dass sie keine Schwierigkeit für diesen Versuch der Homologisirung bildet. Mehr fallen ins Gewicht die vergleichend-anatomischen Gründe, welche FÜRBRINGER zu demselben Resultat geführt haben, dass der vorderste postvagale Nerv bei Petromyzon mit dem zweiten bei Bdellostoma und dem von ihm nur indirekt erschlossenen Nerv ¢” der Selachier- vorfahren zu homologisiren sei (vgl. 1. c. pag. 573, 595, 630, 708, 710). Der erste postvagale Nerv bei Bdellostoma würde danach einem Somiten s angehören, von dem vielleicht die Entwicklungsgeschichte der Notidaniden Reste erhalten hat, und diejenige der Spinaciden anscheinend keine Kunde mehr giebt. Es ist jedoch nöthig, hier einen kurzen Blick in das prootische Gebiet des embryonalen Selachierkopfes zu werfen, an welches Morpholog. Jahrbuch. 27. 32 486 Hermann Braus Myotom ¢ grenzt und in welches ein Rest von s vorgeschoben sein könnte. | Bei Spinax niger finde ich im Vorderkopf des Stadiums von 33 U.-W. im Wesentlichen dieselben Verhältnisse, wie sie VAN WIJHE (1883) bei seinem Stadium J von Seylliiden-Embryonen beschrieben hat!. Ich gehe hier nur auf den vierten Kopfsomiten vAN WIJHE’s näher ein, da nur dieser für die vorliegende Frage in Betracht kommt. Derselbe beginnt mit seiner caudalen Kante medial vom Glossopha- ryngeus, etwa hinter der Mitte dieses Nerven, und erstreckt sich bis zum dritten Somiten. Manchmal ist er völlig von diesem getrennt, in einem Fall (Taf. XXI Fig. 6) mit ihm verschmolzen. HOFFMANN giebt an, dass die Trennung der beiden Somiten bei Acanthias erst spät auf- trete und bei Embryonen von 33—34 U.-W. noch nicht vollzogen sei (1896, pag. 267). Nach meinen Erfahrungen bei den metotischen Urwirbeln, bei welchen derartige Verschmelzungen stets die nächsten Vorläufer totaler Degeneration sind, bin ich jedoch eher geneigt, auch hier ein derartiges Verhältnis anzunehmen. Denn Somit 4 geht in den folgenden Stadien schnell zu Grunde. Immerhin besitzt er bei dem Embryo von 33 U.-W. in seinem vorderen Theil noch eine deutliche Höhle. Bei Scylliiden scheint dieselbe nicht so aus- gedehnt zu sein, da van WisHE bei jüngeren Stadien (/) die Höhle als »kaum mehr als einen Spalt« bezeichnet (pag. 6) und in dem Stadium J, dem hier bei Spinax behandelten, nur ein höchst rudi- mentäres Gebilde an Stelle des vierten Somiten findet, welches ein wenig später verschwunden ist (l. ec. pag. 9, vgl. auch meine Taf. XXI Fig. 5. In dieser ist Taf. I Fig. 9 von van WıyHE zur Darstellung von Somit 4 benutzt, in welcher derselbe mit dem Hyoidmesoderm 1 Das von VAN W1JHE zuerst bei Galeus (1883) gefundene und meist nach der ersten genauen Beschreibung desselben bei Acanthias durch Miss JULIA PLATT (1891) »anterior head cavity« genannte rudimentäre Segment kann ich auch für Spinax bestätigen. Der erste und zweite Somit ist ganz ähnlich demjenigen von Seyllium und Pristiurus gebaut, wie dies auch HorrMAnn bereits bei Acanthias gefunden hat. Der dritte Somit hat bei Spinax eine sehr ausge- dehnte Höhle, welche sich deutlich in die Visceralhöhle des Hyoidbogens fort- setzt (Taf. XXI Fig. 6). Diese Kommunikation konnte van WIJHE nur potentiell zugeben (l. e. pag. 9), da in seinen Embryonen stets nur ein solider Zellstrang das dritte Myotom mit dem Hyoidmesoderm verband. Auch HorrMann fand bei Acanthias keine Kommunikation (1896, pag. 267). Der obere Theil der Hyoidspalte wendet sich oberhalb der Kommunikationsstelle mit dem dritten Somiten latero-dorsalwärts nach dem vierten Somiten zu. Doch ist kein Zusam- menhang mit diesem nachzuweisen; eben so wenig zwischen dem Mesoderm des ersten Kiemenbogens und den Somiten. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 487 in Verbindung steht, und die spaltförmige Höhle erhalten ist). Auch bei Spinax ist der caudale Theil des vierten Segmentes im Stadium J rudimentär. Er besteht aus einem Strang von Zellen, welehe nur unbestimmt von den sie umgebenden embryonalen Bindegewebszellen abzugrenzen sind. Es fällt bei Spinax namentlich die Länge (rostro- caudale Ausdehnung) des vierten Somiten gegenüber allen anderen Kopfmyotomen auf. Der zweite und dritte Kopfsomit sind zwar auch ein wenig länger als die metotischen Somiten, der vierte ist aber so lang wie zwei derselben zusammen. Wenn man da- bei bedenkt, dass der vordere Theil des Myotoms eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem hinteren durch die längere Persistenz der Höhle in ihm dokumentirt, so liegt es nahe anzunehmen, dass im vierten Kopfsomit von Spinax zwei rudimentäre Myo- tome vorliegen, von denen das hintere vor seinem völligen Ver- schwinden mit dem vorderen wie gewöhnlich (s. oben) verschmolzen ist. Ob dieselben bei Spinax getrennt angelegt werden, konnte ich nicht ermitteln. Bei Seylliiden ist offenbar eine noch größere Reduktion ein- getreten als bei Spinax, so dass der negative Befund van Wıne's erklärlich ist. Horrmann findet bei Acanthias nicht mehr So- miten als van WiHE bei Seyllüden, jedoch bezeichnet er seine Untersuchungen über das vierte und die folgenden Myotome als noch nicht abgeschlossen (1896, pag. 270). Miss Juni Puarr glaubt bei demselben Objekt, Acanthias, gefunden zu haben, dass »three mesodermic somites lie above the hyoid areh« (1891 B, pag. 265). Doch gestattet hier die Abbildung (l. e. pag. 263 Fig. 13) nicht zu sagen, welche von diesen dem »vierten Somit« von Spinax zu homologisiren sind. Erinnert mag auch an die Befunde Donrn’s (1890 B) und Kırrıan’s (1891) bei Torpedo sein, welche eine große Zahl von Somiten in dieser Gegend annehmen. Doch haben sich neuerdings Locy (1896) und SEWERTZOFF (1898) bei demselben Ob- jekt nicht von dem Vorhandensein derselben überzeugen können. SEWERTZOFF findet bei Torpedo in der That zwei Segmente an dieser Stelle, von denen das erste (sein viertes Kopfsegment) »wie das dritte an der Bildung des M. rectus externus theilzunehmen scheinte, das zweite dagegen (sein fünftes Kopfsegment, welches unter dem vorderen Theil! der Ohrblase liegt) atrophirt (l. ec. pag. 280). Doch * Dieses kann desshalb nicht den weiter hinten liegenden Somiten der Spinaciden und Seylliiden (¢ ete.) homodynam sein. . 39% 488 Hermann Braus glaube ich diesen nur kurzen Notizen Sewerrzorr’s vor Erscheinen der ausführlichen Arbeit und ohne eigene Erfahrungen über die jüngsten Stadien von Batoiden-Embryonen nicht ohne Weiteres als Be- stätigung meiner Vermuthung in Anspruch nehmen zu dürfen, dass das vierte Myotom ursprünglich aus zwei bestanden habe. Volle Auf- klärung wird außer der sehr schwierigen, weil sehr abortive Anlagen betreffenden systematischen Verfolgung gerade der jüngsten Stadien von Squaliden- und Batoiden-Embryonen vor Allem die Ontogenese der Notidaniden zu geben berufen sein; denn in dieser können wir nach den Befunden bei Spinaciden erwarten, besser erhaltene Somiten an dieser Stelle zu finden, die mehr Charaktere der Urwirbel zur Anlage bringen, als dies bei pentanchen Selachiern der Fall ist. Mag nun Somit 4 ursprünglich in zwei getrennt gewesen sein oder nicht, jedenfalls ist an seinem hinteren Rand eine gewisse Verschiebung während der Ontogenese von Spinax zu beobachten. Denn dieser zieht sich allmählich von der Ausgangsstelle im Sta- dium von 33 U.-W. medial vom Glossopharyngeus so weit rostralwärts vor, dass Somit ¢ nachrücken und den Platz medial vom Glosso- pharyngens völlig besetzen kann. Das tritt bei Spinax erst ver- hältnismäßig spät (siehe pag. 460) ein; bei Pristiurus ist die Ver- schiebung bei der ersten Anlage fast abgeschlossen. In Folge dessen kommt dort das Stück von Myotom 4, dessen Platz später von ¢ ein- genommen wird, gar nicht mehr zur Entwicklung (vgl. Taf. XXI Fig. 5 und 6). Wenn man desshalb bei Squaliden-Embryonen nach einem fraglichen, ¢ vorangehenden Somiten s sucht, so kommt dieser hintere, vielleicht bei den Vorfahren der Selachier selbständige Abschnitt des vierten Kopfsomiten allein in Frage. Er liegt an derselben Stelle, welche später auch von den folgenden neocranialen Elementen eingenommen wird, so dass der Topographie nach völlige Übereinstimmung mit diesen herrscht. Sonst sind aber alle Merkmale der Urwirbel (Form, Muskulatur, Nerven) so völlig abortiv, dass auch hier nur Untersuchungen an primitiveren Haien (heptan- chen und hexanchen Formen) eine Entscheidung bringen können. Jedenfalls ist der vordere Theil des vierten Kopfsomiten nicht zu den neocranialen Myotomen zu rechnen. Denn dieser nimmt eine Lage ein, welche nie von den später rostralwärts wandernden neo- cranialen Elementen erreicht wird. Es wäre aber nicht recht ver- ständlich, warum nicht Somit ¢, welcher doch bei Spinax besser (Muskelfasern!) als bei Pristiurus erhalten ist, bei jenem weiter nach vorn als bei diesem vordringen sollte, da der Raum bis zum dritten Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 489 Somiten und seinen Abkömmlingen (Abducens) in diesen Stadien frei ist, wenn überhaupt dieser Platz den neocranialen Elementen zu- gängig wäre. Diese Überlegung scheint mir in derselben Richtung verwerthet werden zu können, wie FURBRINGER’s vergleichend-ana- tomische Betrachtungen über den von ihm bei Bdellostoma gefun- denen, rostral vom Vaguskomplex austretenden ventralen Nerven a’? (1897, pag. 616, Textfig. und Anm. pag. 617). FÜRBRINGER entscheidet sich dafür, ihn eher als eigentlichen cerebralen oder palaeo- eranialen, denn als neocranialen, vom Rumpfgebiet eingewanderten Nerven aufzufassen, und rechnet ihn zu der Gruppe derjenigen So- miten, von denen die bei Selachiern sich völlig entfaltenden Seg- mente das Material der Augenmuskeln liefern (l. e. pag. 706 Anm. und pag. 709). Dieselbe Stellung scheint mir der vordere Theil des vierten Kopfsomiten bei Spinax und wahrscheinlich das ganze vierte Segment bei Seylliiden einzunehmen. Er ist wahrscheinlich serial par- homolog den vorderen prootischen Kopfsomiten, während der hintere Theil vom vierten Kopfsomiten bei Spinax wahrscheinlich in derselben Beziehung zu den metotischen Somiten steht. Es ergiebt sich daraus die Warnung, der Eintheilung der Kopfsomiten in pro- und met- otische Urwirbel prineipielle Bedeutung beizumessen. Gerade unter der Ohrblase, am rostralen Glossopharyngeusrand, vollziehen sich die stärksten Reduktionsprocesse, welchen die hinteren palaeocranialen und vorderen neocranialen Myotome gleicher Weise zum Opfer fallen!. Unsere Kenntnisse über die Zwischenstufen, welche von den an dieser Stelle höchst primitiven Verhältnissen der Acranier zu dem stark veränderten und redueirten Zustand der Myxinoiden, Petromyzonten und jüngsten Entwicklungsphasen der pentanchen Selachier führen, sind zur Zeit so unvollständig, dass gerade an dieser Stelle am wenigsten sicher eine Scheidung der Segmente in palaeo- und neo- craniale Elemente vorgenommen werden kann. Behält man dies im Auge, so ist doch darum praktisch die Eintheilung in pro- und metotische Urwirbel sehr bequem zu verwenden, wenn man lediglich durch sie die Topographie und nicht die Herkunft ausdrückt. Den Weg, auf welchem phylogenetisch die neocranialen Somiten in die Kopfregion einwanderten, sehen wir sie ontogenetisch de facto zurücklegen. Die vordersten (s?, ¢) werden freilich so weit vorn angelegt, dass sie bei Seylliiden gar keine Verschiebung, bei Spina- i Ich folge hier den gedankenreichen Ausführungen FÜRBRINGER's (1897, pag. 689 u. ff.), denen ich in allen Theilen dieser Arbeit und besonders in diesem die meiste Anregung verdanke. 490 Hermann Braus ciden aber zum Theil (¢ komplet, hinterer Rand von s) doch eine geringe rostrale Wanderung als letzten Rest früherer, ausgedehnter Verschiebung in derselben Richtung erleiden. Den annähernden Um- fang der letzteren haben nur die hintersten metotischen Somiten be- wahrt, die sich noch um die ganze Länge des Kiemenkorbes bei Spinaciden nach vorn verschieben (Myotom z, Textfig. 5 und 6 pag. 481). Indem successive die vordersten Myotome einschmelzen und die hinteren nachrücken, schiebt sich die ganze Suite ursprüng- lich den Anfang des Rumpfmuskels bildender Metameren teleskop- artig zusammen, bis schließlich bei erwachsenen Rochen nichts mehr yon der reichen Gliederung übrig bleibt. Natürlich folgen den letzten neocranialen Segmenten die vorderen Rumpfsomiten in entsprechen- der Weise, so dass bei allen Lageveränderungen im vorderen Rumpf- gebiet diesen Processen Rechnung getragen werden muss. Behält z. B. ein Organ, wie die vordere Extremität, eine zum Kiemenkorb konstante Lage ein, so ist dazu eine beträchtliche caudalwärts ge- richtete Verschiebung gegenüber den Rumpfsomiten erforderlich. Ist die letztere nicht vorhanden, so muss eine Annäherung an den Kiemen- korb, d.h. eine Verschiebung in rostraler Richtung, die Folge sein. Diese Frage wird uns in der folgenden Arbeit beschäftigen, für welche auch in dieser Beziehung die vorliegende eine gesicherte Basis herstellt. Die beträchtlichen Verschiebungsprocesse der neocranialen So- miten während der Ontogenese bleiben nicht ohne Einfluss auf den Bau der ventralen Nerven, welche dieselben fast in ihrer ganzen Ausdehnung mitmachen. Wenn man sich auch vorstellen muss, dass mit der Zusammenschiebung der Muskelsegmente gleichzeitig eine Koncentration des Centralnervensystems einhergeht, so ist doch offen- bar das Tempo der Processe lateral in den Endgebieten der spino- occipitalen Nerven (vor Allem also den Muskeln) am stirksten und pflanzt sich von diesen medial auf die peripheren Nerven, dann erst auf die Medulla fort. So wenigstens kann ich mir eigenthiimliche Umbildungen der ventralen spino-oceipitalen Nervenwurzeln erklären, welche namentlich bei Spinax von den jüngsten bis ältesten Stadien an der Ursprungsstelle der Nerven aus der Medulla sehr häufig auf- treten. Der Process besteht in einer Längsspaltung der ventralen Wurzel in zwei Stränge, welche oft in ziemlicher rostro-caudaler Entfernung von einander aus der Medulla hervorgehen und sich manchmal schon nahe der Medulla, manchmal aber auch erst in größerer Entfernung von ihr vereinigen. Ein einheitlicher Ner- venstamm, mit dem eine dorsale Wurzel (wenn vorhanden) in Ver- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 491 bindung tritt, kommt stets zu Stande. Sicher also liegt, trotz der Trennung in zwei Theile, nur ein metamerer ventraler Nerv vor. Auf Taf. XX Fig. 8 sind solche Spaltungen für ein junges, auf Taf. XIX Fig. 5 (dem hochgradigsten Fall, der mir überhaupt zu Gesicht kam) für ein älteres Stadium abgebildet. Selbst in Stadien von 115 mm Länge sah ich z” und 2” noch zerspalten, und FÜRBRINGER’s Befund bei Pri- onodon (1897, pag. 379 Anm. 4 und Taf. III Fig. 11) beweist, dass auch bei erwachsenen Thieren Ähnliches erhalten sein kann. Da nach An- lage des vorknorpeligen Schädelskelettes die Vereinigungsstelle der beiden Nervenkomponenten erst außerhalb des Craniums eintreten und selbst dann sich die Spaltung noch eine Weile fortsetzen kann (vgl. Fig. 5 z oben), entsprechen manchmal einem metameren Ner- ven zwei Kanälchen im Vorknorpel; jeder Komponent besitzt seinen eigenen Kanal. Auch im knorpeligen Schädel ist manchmal eine Trennung des Kanälchens durchgeführt, häufiger jedoch im lateralen Theil der Wand eine Vereinigung der medial separat beginnenden Durchlasspforten erzielt. Es ist also eine genaue Verfolgung der Nerven erforderlich, um die metamere Bedeutung der einzelnen Kanälchen festzustellen. Ohne diese ist der irrthümlichen Annahme einer weit größeren Zahl von Segmenten, als wirklich vorhanden, Thür und Thor geöffnet. Die Spaltung der ventralen Wurzeln tritt am häufigsten bei den vorderen, weniger häufig schon bei den hinteren spino-oeeipitalen Nerven ein. Bei 2” fand ich sie noch, aber lange nicht so oft wie bei y", x” ete. Auch die vordersten ventralen Spinalnervenwurzeln sind nicht frei von Trennungen. Bei dem ersten Spinalnerven fand ich sie hin und wieder (Fig. 5); bei den folgenden entsinne ich mich nur in einem Falle eine gesehen zu haben. Bei Pristiurus und Torpedo kommen die Spaltungen auch vor, aber lange nicht in dem Umfange wie bei Spinax, bei welchem man ziemlich sicher sein kann, dass fast jeder Embryo die Erscheinung an dem einen oder anderen, meistens aber an mehreren Nerven zeigt. Eigenthümlich ist es, dass, wenn überhaupt eine Theilung, dann eine solche in zwei Äste erfolgt. Davon fand ich keine Ausnahme. Namentlich in Fällen, wo die Komponenten getrennt durch die Skeletanlage verlaufen, erinnert der Befund an die Verhältnisse der ventralen Spinalnervenwurzeln der Myxinoiden. Hier gilt als über- wiegende, nur sekundär manchmal abgeänderte, Regel die Zweizahl der Wurzelbündel bei den ventralen Nerven, von denen jedes für sich durch eine gesonderte Öffnung der häutigen Wirbelsäule nach 492 Hermann Braus außen tritt (FÜRBRINGER, 1897, pag. 615, vgl. auch dort die frühere Litteratur, pag. 611). Eine ursprüngliche Zusammensetzung aus mehreren Bündeln ist ferner bei allen Cranioten wegen der dies- bezüglichen Verhältnisse bei Amphioxus wahrscheinlich. Man könnte sich nun vorstellen, dass bei den Vorfahren der Selachier eine ähn- liche Zusammensetzung der ventralen Wurzeln aus zwei Bündeln wie bei Myxinoiden bestanden hätte, die aber später vollständig ver- lötheten. Durch die Zerrungen, welche auf die Wurzeln der vor- deren neocranialen und spinalen Somiten bei den Verschiebungs- processen einwirken und welche in Folge der caudo - rostralen Richtung der letzteren eher die rostral als die caudal gelegenen Fasern des Nervenstammes betreffen, kann eine Längsspaltung des- selben wohl begünstigt werden, indem der rostrale Theil schneller als der caudale vorzurücken sucht. Die Verlöthungsstelle wird einem solchen Zuge den geringsten Widerstand entgegensetzen, besonders bei solchen Nerven, welche den ursprünglichen, hier sup- ponirten Charakter am festesten bewahrt haben und gleichsam latent in sich tragen. Letzteres können wir aber eher bei Spinaciden als bei Seylliiden und Torpediniden, und nach allen unseren vergleichend- anatomischen und embryologischen Erfahrungen bei den vorderen neocranialen und spinalen Nerven in von Metamer zu Metamer ab- steigender Linie voraussetzen. In so fern würde diese Deutung, deren durchaus hypothetischen Charakter ich keineswegs verkenne, in der Auflösung der ventralen Nervenwurzeln in zwei Bündel einen atavistischen Zustand erblicken, welcher durch mechanische Faktoren des entwicklungsgeschichtlichen Geschehens ausgelöst wird. C. Übersicht über die Resultate des ersten Theiles. 1) Bei Spinaciden und Scylliiden sind sicher sieben meto- tische Somiten (—z) im Kopfgebiet vorhanden. Bei Spinax niger gehört wahrscheinlich zu diesen noch ein Rest eines achten Myo- toms (s), welches vor den erwähnten, unter der Ohrblase früher Ent- wicklungsstadien, erhalten ist. Die Schädelwirbelgrenze legt sich bei ihrem ersten Auftreten in der Ontogenese bereits zwischen demjenigen Nerven, welcher zu dem letzten dieser Somiten gehört (2), und dem ersten definitiven Rumpfnerven an. Eine Aufnahme von Elementen der Wirbelsäule in den Schädel ist in der Entwicklungsgeschichte nicht mehr zu er- kennen. Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 493 Dagegen trennt sich bei Spinax ein Stück des hinteren Theiles des Schädels schon bei der ersten Anlage theilweise und später völlig ab (Intererurale I), welches dann scheinbar zur Wirbelsäule gehört. Dieser Fall ist eine Parallele zu dem bei Notidaniden be- kannten Abgliederungsvorgang. 2) Bei Torpediniden sind scheinbar acht metotische Somiten vorhanden, von welchen aber der letzte während der Entwick- lungsgeschichte nur mit seinem Nerven in den Schädelbereich gelangt. Hier verschiebt sich die Schiidelwirbelgrenze während der Ontogenese um einen metameren Nerven nach hinten. Der erste Wirbel wird dabei aber nicht als solcher in den Schädel aufgenom- men. Es ist überhaupt fraglich, ob Elemente desselben sich erhalten und am Aufbau des Schädels betheiligen; wahrscheinlicher ist es, dass der erste Wirbel ganz zu Grunde geht. Da also vom achten Somiten nur der Nerv sicher in den Schädel eintritt, ist eine volle Zugehörigkeit desselben zum Kopfe so, wie sie die sieben anderen metotischen Segmente erworben haben, nicht zu Stande gekommen. 3) Die Entwicklungsgeschichte zeigt einmal im Bau der meto- tischen Somiten völlige Übereinstimmung mit den Rumpfmyotomen, welche nur bei den vorderen eine Einbuße durch mangelhafte Er- haltung desselben selbst bei der frühesten Anlage erleidet. Diese Abweichungen ihrerseits sind identisch mit den Veränderungen, welche die hinteren metotischen Somiten in der späteren Entwicklung durchmachen, und welche auch bei diesen allmählich ein Merkmal der Urwirbel nach dem anderen zerstören, bis manchmal (Torpedo) keine Spur von ihnen übrig bleibt. Ferner lässt die Ontogenese noch die Wanderungen erkennen, welche die metotischen Somiten erlitten haben, um in das Kopfgebiet zu gelangen. Sie sind um so beträchtlicher in der Entwicklungs- geschichte erhalten, je vollständiger. die betreffenden Somiten kon- servirt sind. Beim letzten Somiten von Spinax (z) ist die Verschie- bung so groß, wie der Kiemenkorb in den betreffenden Stadien lang ist. Es sind desshalb sämmtliche metotische Urwirbel ursprüng- liche Rumpfurwirbel, welche erst sekundär in den Kopfbereich gelangt sind (neocraniale Myotome). Bei Myxinoiden und Petromy- zonten sind erst die vordersten derselben (fs] ¢, u) in denselben ein- getreten; bei Amphioxus gehören sie noch sämmtlich dem Rumpfe an. Bei Spinaciden und Seylliiden tritt die Schädelanlage so spät in der Ontogenese auf, dass die metotischen Somiten mit ihren Ner- ven (protometamere Myotome und oceipitale Nerven [s] —z) schon 494 Hermann Braus im Bereich der Anlage angelangt sind und dass die Nerven von vorn herein in dieselbe eingeschlossen werden. Bei manchen höheren Squaliden und bei den Batoiden ist eine weitere Assimilation — bei Torpedo in der Ontogenese — zu beobachten, indem der erste Rumpf- nerv (Prionodon, ROSENBERG, Torpedo) oder die vordersten Spinal- nerven (Centrobatiden) vom Knorpel des Craniums umwuchert werden. Sie ähneln äußerlich oceipito-spinalen Nerven, unterscheiden sich aber von solchen (bei Holocephalen, Ganoiden, Dipnoern und Amnioten) dadurch, dass nicht die ganzen Myotome, zu denen sie gehören, ins- besondere deren Wirbel!, dem Kopfe assimilirt werden (vgl. Nr. 2). Desshalb bezeichne ich sie zur Unterscheidung von echten oceipito- spinalen Nerven (a, 4, e etc) mit a’, 0’, c’. 4) Die embryologischen Zustiinde im metotischen Kopfgebiet bei Spinaciden sind primitiver als diejenigen bei Scylliiden. Die beiden Squalidenfamilien sind ihrerseits ursprünglicher organisirt als die Torpediniden. 5) Für seriale Untersuchungen im Rumpfgebiet (vgl. II. Theil die- ser Arbeit: die paarigen Gliedmaßen) ergiebt sich das praktische Re- sultat, dass bei Spinaciden- und Seylliiden-Embryonen der erste Rumpfnerv während der Ontogenese zwar derselbe bleibt, dass aber starke Verschiebungen der Rumpfmyotome rostralwärts erfolgen. Bei den Carchariiden und Rochen dagegen kommt zu den Wanderungen noch die Verschiebung des ersten (resp. der ersten) Rumpfnerven in den Schädel hinzu, so dass hier in verschiedenen Entwicklungsphasen nicht derselbe Nerv, sondern Anfangs der erste, später der zweite (resp. der dritte ete.) Rumpfnerv zwischen Schädel und Wirbelsäule hervorkommt. Bei Squaliden endlich schniirt sich in gewissen Ent- wicklungsphasen ein Stück des hinteren Schädelendes als Intereru- rale I ab, so dass der letzte occipitale Nerv z vorübergehend zwischen dem hinteren Schädelrand und dem ersten Bogenstück austritt, wie bei Rochen der erste Rumpfnerv. Diese verschiedenen Stellungen des letzten protometameren und der auximetameren Ner- ven sind in dem folgenden Theil meiner Arbeit strengstens be- riicksichtigt worden, um falschen Homologisirungen vorzubeugen, welche ohne Kenntnis dieser Verhältnisse unvermeidlich sind. (Der zweite Theil folgt im anschließenden Heft dieser Zeitschrift. Bei diesem ist das gemeinsame Litteratur- und Inhaltsverzeichnis nachzusehen.) 1 Dass bei höheren Squaliden Ähnliches der Fall sei, wurde bisher nicht durch Befunde belegt, welche eine kritische Abschätzung ermöglichen oder ihr Stand halten könnten. Beiträge zur Entwickl. d. periph. Muskulatur u. d. Nervensyst, d. Selachier. I. 495 Erklärung der Abbildungen, Tafel XIX—XXI. Sämmtliche Figuren wurden mit Hilfe des Zeichenprismas angefertigt. Die angegebenen Vergrößerungen sind für die beim Zeichnen angewendeten Linsen bei Projektion auf das Zeichenbrett berechnet. Die feinere ‚Ausführung wurde bei den stärker vergrößerten Figuren mit Benutzung der Olimmersion vorgenommen. Abkürzungen. 1,2,3,4... im Kopfgebiet: Bezeich- nung der Kiemenspalten, 1,2,3, 4... im Rumpfgebiet: Bezeich- nung der Rumpfsomiten und Spinal- nerven, I, II, III, IV... im Kopfgebiet: pa- laeocraniale Kopfnerven, I, II, III, IV... in den Flossenan- lagen: Muskelknospen und Mm. ra- diales, a’ erster, in den Schädel aufgenom- mener Spinalnerv, coll Nervus collector s. Plexus, Cr Crurale, Cra Cranium, Cr.V.@ Craniovertebralgelenk, Cr. V.Gr Craniovertebralgrenze, d dorsale Nervenwurzel, Ggl Ganglion, I.Cr Intercruale, Kn Muskelknospe, Kn.R Knospenrest, L.R.M lateraler Rumpfmuskel, M.r Museulus radialis, N Nervenast, N.L Nervenleiste, O.B Ohrbläschen, R.d Ramus dorsalis, R.v Ramus ventralis, R.o.pr Ramus ophthalmicus profundus, S Somit, t, u, v, w, x, y, z metotische Somiten und oceipitale Nerven, U.W Urwirbel, v ventrale Wurzel, V.p Vena parietalis. ‘Tafel XIX. Spinax niger Bonap. Fig. 1. Embryo 33 U.-W., links. Sagittalschnitt, aber etwas schräg geführt, so dass der Ursprung des Vagus fast ganz der Fläche nach getroffen ist. Nervenleiste mit ventralen Auswiichsen. Links Medulla. Myo- tome ?{—1; theils Muskelplatte, theils Myocoel oder dorsale Kante getroffen; liegen lateral von Nervenanlagen. Vergr. 100 fach. Embryo 44 U.-W., links. Horizontalschnitt. Medullarrohr und Myo- tome mit einer Nervenanlage: w%. Nervenleiste schräg durchschnitten: N.L. N. glossopharyngeus: IX. N. vagus: X. Ohrbliischen: O.B. Vergr. 100fach. Embryo 55 U.-W., rechts. Horizontalschnitt. Myotome und Nerven. Ektoderm zum Theil künstlich abgelöst. Vergr. 100fach. Embryo 68 U.-W. (19mm Länge), links. Dorsalansicht. Rekon- struktion nach KASTSCHENKO aus 24 Schnitten einer Horizontalserie. Medullarrohr mit IX. und X. Wurzel und Verzweigung des Vagus. Nervenleiste. Myotome mit Nerven. Vergr. 50fach. Embryo c. 26 mm Länge. Ventralansicht. Rekonstruktion auf Millimeterpapier nach einer Querschnittsserie (60 Schnitte). Medullar- rohr mit Ursprüngen des Vagus und der spino-oceipitalen Nerven. Vergr. 60 fach. Embryo ec. 32mm Länge. Horizontalschnitt. Kontourzeichnung. Anlage von Cranium und Wirbelsäule (Chorda). Nervenkanäle für Vagus und spino-oceipitale Nerven (schwarz). Cr.V.Gr Cranioverte- bralgrenze. Vergr. 42fach. Embryo c. 32mm Länge, rechts. Horizontalschnitt. Medullarseite nach oben schauend. Schädelbasis und Anfang der Wirbelsäule. Cra- nium (Cra) und Intererurale I (Z.Cr) knorpelig, Crurale I (Cr) vorknor- pelig angelegt. Vergr. 100 fach. Bigu, 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Pigs 7. 496 Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Pig. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Bigs 7. Fig. 8. > Herm. Braus, Beiträge zur Entwickl. der Muskulatur etc. der Selachier. I. Embryo 40 mm Länge, rechts. Horizontalschnitt. Medullarseite nach unten schauend. Schädelbasis und Beginn der Wirbelsäule. Vorwan- derung des ersten Spinalganglions. * vorderes Ende des Ganglions. Vergr. 42fach. Embryo 115 mm Länge, rechts. Querschnitt. Kontourzeichnung. | Intererurale I mit einem Theil des Kanals für 2%. Die mediale Off- nung des Kanals liegt im Nachbarschnitt. Vergr. 42fach. Embryo 40 mm Länge. Horizontalschnitt. Kontourzeichnung. Schädel und Anfang der Wirbelsäule mit Nervenkanälen. Nerven schwarz. Vergr. 14fach. Tafel XX. Torpedo narce Risso, erwachsenes Thier (37 cm Länge). Hin- terer Theil des Schädels und Anfang der Wirbelsäule von außen ge- sehen. Vergr. 2fach. Torpedo narce Risso. Dasselbe. Schädel und Wirbelsäule in der Medianebene durchsehnitten. Ansicht von innen. Vergr. 2fach. Torpedo narce Risso. Embryo 26 mm Länge. Rekonstruktion nach KASTSCHENKO des hinteren Theiles der Schädelbasis und der lateralen Wand des Craniums sowie der entsprechenden Theile des vorderen Endes der Wirbelsäule nach einer Horizontalschnittserie (30 Schnitte). Das caudale Ende des Schädels liegt unter dem rostralen der Wirbelsäule und ist desshaib punktirt angegeben. Vergr. 42fach. Torpedo narce Risso. Embryo 30 mm Länge, rechts. Querschnitt durch die Stelle der Schädelbasis, welche zwischen Nerv 2” und 1” liegt. Vergr. 190fach. Torpedo narce Risso. Embryo 25 mm Länge. Querschnitt durch den hinteren Theil des Schädels. Kontourzeichnung. Vergr. 60fach. Torpedo narce Risso. Embryo 40 mm Länge. Querschnitt an derselben Stelle wie in Fig. 5. Kontourzeichnung. Vergr. 42fach. Pristiurus melanostomus Bonap. Embryo von 18mm Länge, rechts. Außenseite. Vordere Rumpfmyotome und metotische Somiten. Durch die Somiten schimmern die Spinalganglien hindurch. Genaue Prismenzeichnung. Vergr. 22fach. Spinax niger Bonap. Embryo 55 U.-W., rechts. Horizontalschnitt. Medulla (nicht ausgeführt) mit ventralen Wurzeln zweier spino-oceipi- taler Nerven (w, x). Myotome. Vergr. 100fach. Tafel XXI. Fig. 1—4 dorsale Seite der Brustflossenanlage. Fig. 1, 5 und 6 metotische So- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. miten. Roth Muskulatur, dunkelroth Muskelknospen und Mm. ra- diales. Grün Mesoderm. Schwarz Nerven. Grau Nerven, welche von Muskulatur bedeckt sind. (In Fig. 5 und 6 alle Nerven grau ge- streift, Kiemenspalten dunkelgrau.) 1. Spinax niger. Embryo 67 U.-W. (19mm Länge), links. Vor- dere Rumpfmyotome und metotische Urwirbel. Anlage der Brust- flosse und Muskelknospen für letztere. Der Vagus ist nach unten gezogen, um den vordersten Somiten sichtbar zu machen. Kontour- zeichnung nach Glycerinpräparat. Vergr. 28fach. 2. Derselbe. Embryo 70 U.-W. (25mm Länge), links. Muskel- knospen der Brustflossenanlage von ihren Muttersomiten getrennt. Verbindungen zwischen haploneuren Primärknospen. Vergr. ete. wie bei voriger. 3. Derselbe. Embryo 26 mm Länge, links. Anastomosen- und Ple- xusbildung. Knospe des zehnten Somiten. Vergr. ete. wie bei voriger. 4. Derselbe. Embryo ec. 30,5 mm Länge, links. Ausbildung der caudalen Mm. radiales (zehntes Myotom). Vergr. ete. wie bei voriger. 5. Pristiurus melanostomus. Kombinationsbild nach den Zeich- nungen VAN WiJHE’s: Stadium J Taf. XIX Fig. 9, 10, 12 (Somit 3 und 5 nach Fig. 11 Seyllium). Muskulatur roth gestreift. 6. Spinax niger, 33 U.-W. Stadium J. Rekonstruktion nach KASTSCHENKO aus acht Sagittalschnitten durch den Kopf. Mus- kulatur wie bei voriger. * Anterior head cavity. Vergr. 42fach. FEEERTERTEIENT ee TRE a. Ne « = Sell. rll. St = =i Braus del, Verlag ron Wilhelm Engelmann Lziprig LithAnstr Alslisch Jena | en Ian u BE er A a el een U ar Me ee en er 7 + Taf XX 1 v Izyzxzw Verlag vor Withelm Engelmann, Leipzig, 10 VO, Va. Manly. 5. medial 6r-V.S. lateral. Or.¥ Morpholog. Jahrbuch Bd. Xvi ae Morpholog. Jahrbuch Ba. XXVil z ; Taf. XX1 M a) N ey) IN a } \ / - / BEN \ Yt | Kleinere Mittheilungen. Bemerkungen über die Mammarorgane der Monotremen. Von Richard Semon. In dem interessanten kritischen Referat, das BonxET in den MERKEL- BonNner’schen Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte (VI. Bd.) der Ontogenie und Phylogenie der Mammarorgane widmet, kommt er auch auf meine, später von RuGE? und KrLaAATscH? bestätigte Mittheilung zu sprechen, dass der Beutel von Echidna nicht etwa bei der ersten Trächtigkeit des Thieres, sondern in sehr früher Jugend, schon bei dem etwa 2 cm langen Beuteljungen angelegt wird, um dann wieder zu verschwinden. Er sagt dann weiter: »Wäh- rend SEMON und KrLAATSCH die Anlage des embryonalen Beutels ausdrücklich als eine paarige betrachten, betont RuGE, dass durch den medianen Wulst die thatsächlich unpaare Anlage als eine paarige vorgetäuscht und damit möglicher- weise eine Quelle zu Missdeutungen gegeben werden könne. Jedenfalls wird aus der ‚paarigen‘ Grube nach übereinstimmender Angabe von Semon, RuGE und KLAATSCH eine einheitliche, unpaare, nach vorn seichte und schweifwärts tiefere Tasche, die bei dem selbständig gewordenen, aus dem Beutel entlassenen Jungen verstreicht und erst wieder mit der Trächtigkeit erscheint.« Diese Worte Boxne£r's und die eingehende Darstellung, die er den zwischen RuGeE und KrLAATscH schwebenden Kontroversen widmet, geben mir Veranlas- sung zu erklären, dass ich die RuGe’sche Kritik meiner Auffassung der ersten Beutelanlage von Echidna als einer paarigen als berechtigt anerkenne. Thatsächlich handelt es sich um eine von vorn herein unpaare Bildung, die aber durch die zur Zeit ihres ersten Auftretens noch bestehende, später un- sichtbar werdende Spur des Nabels in ihrem unteren Abschnitt eine Art Thei- lung erfährt. Ich war wegen dieser übrigens nur ganz schwach angedeuteten Theilung durch die bald verschwindende Nabelmarke (vgl. 1. c. meine Fig. 47 v’ 1 R. Semon, Zur Entwicklungsgeschichte der Monotremen. Zoolog. For- schungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Bd.II. 1894. ? G. Rute, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate. Ibidem. Bd.II. 1895. 3 H. KraarscH, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. Ibidem. Bd. II. 1895. 498 Richard Semon, Bemerkungen über die Mammarorgane der Monotremen. Taf. XI) nicht berechtigt, das Gebilde auf diesem Stadium als ein paariges zu erklären, zumal sonst kein zwingender Grund vorlag, dies zu thun; denn dass die seitlichen Ränder der Tasche schärfer ausgeprägt sind als der obere und untere Rand, ist als ein solcher Grund nicht anzusehen. Ich möchte daher nicht, dass die Sachlage durch einen von mir gebrauchten unglücklichen Aus- druck verdunkelt wird. Bei Erörterung, welche Stellung die Mammarapparate der Monotremen zu einander einnehmen, sagt BonNeT im Anschluss an RUGE und GEGENBAUR: »Der Mammarapparat von Ornithorhynchus würde also im Vergleiche zu Echidna nicht als ein primitiver, sondern als ein abgeänderter und rückgebildeter auf- zufassen sein.« Dem stimme ich durchaus zu, und sehe mit RuGE jenes Ver- schwinden des Beutels als bedingt durch die für Ornithorhynchus bestehende Nothwendigkeit, täglich längere Zeit behufs Nahrungserwerbs im Wasser zu verweilen. Wenn Bonner dann fortfährt: »Mit Sicherheit wird diese Frage erst dann zu erörtern sein, wenn wir, was bis jetzt nicht der Fall ist, ein auf. der Höhe der Thätigkeit seiner Mammarorgane stehendes Exemplar von Orni- thorhynchus eben so wie dessen Embryonalformen kennen gelernt und damit über die Möglichkeit des Auftretens von Beutelanlagen oder gar von vorüber- gehendem Brutbeutel Weiteres erfahren haben<, so möchte ich hier eine bisher unpublieirte Beobachtung von mir mittheilen, die wenigstens die eine der bei- den von Bonner aufgestellten Forderungen erfüllt. Im Oktober 1891 erlegte ich am Burnett ein Ornithorhynchusweibchen, das der Entwicklung des Drüsen- körpers ihrer Mammae nach auf der Höhe der Laktation stand. Von einem Brutbeutel war auch bei diesem Exemplar eben so wenig eine Spur zu ent- decken, wie bei mehreren mit eben befruchteten Eiern im linken Oviduct trächtigen Weibehen, die ich Ende August und Anfang September schoss. Ich glaube desshalb, das Auftreten eines Brutbeutels bei dem erwachsenen Schnabel- thier zu irgend einer Zeit des Brutgeschäfts mit Bestimmtheit verneinen zu dürfen. Besprechungen. Dr. H. Perers, Uber die Einbettung des menschlichen Kies und das früheste bisher bekannte menschliche Placentationsstadium. Mit 14 lithographirten Tafeln und einer Abbildung im Text. Lex. 8. (III, 143 S... Verlag von Franz Deuticke, Leipzig und Wien 1899. Preis 12 4. In der ausführlichen Monographie giebt der Verfasser eine genaue Dar- stellung eines sehr jungen menschlichen Eies von einem Alter von 3—4 Tagen (0,9—1,6 mm Durchmesser der Keimblase) und von dessen Beziehung zur Uterus- schleimhaut. Es wird hierdurch nicht nur eine wesentliche Ergänzung unseres Wissens über die erste Ausbildung der Eihüllen beim Menschen geboten, son- dern auf Grund der Befunde und unter sorgfältiger Berücksichtigung der sehr umfangreichen Litteratur kommt Verfasser auch zu ganz anderen Anschauungen über die Decidua reflexa, als diese seither für den Menschen bestanden. Die Einbettung des Eies erfolgt nicht in der Weise, dass die Uterusschleimhaut sich wallartig um die Keimblase wuchernd erhebt, sondern das Ei frisst sich gleichsam in die‘ Schleimhaut ein, so dass das Uterusepithel von ihm durch- brochen wird. An dieser Stelle, die der REICHERT'schen Narbe entspricht, ent- steht eine kleine Blutung, und es veranlassen Blutgerinnsel und Blutkörperchen eine als Gewebspilz bezeichnete Bildung, die später schwindet. Die Keimblase ist demnach nicht von Uterusepithel umschlossen, sondern der umhüllende fö- tale Trophoblast grenzt unmittelbar an das blutgefäßreiche Bindegewebe der Uterusschleimhaut. Es ist das vorliegende Ei das erste vom Menschen bekannt gewordene, das noch nicht ganz von einer Capsularis bedeckt wurde. Von Interesse ist auch, dass das Ei etwa drei Wochen nach der letzten Menstruation befruchtet sein musste, dadurch erhält die LOWENHARDT-REICHERT’sche Theorie eine positive Stütze. Nach Schilderung der Einlagerung des Eies in die Uterusschleimhaut wird das Verhalten des Trophoblasts besprochen, eine äußere wuchernde Lage des Ektoblasts, die später theilweise zum Syncytium wird. In dem Trophoblast findet die Einwucherung von Uterusgefißen sowie von Chorionzotten statt. Was das Verhalten der intravillösen Räume betrifft, so sind dieselben keine extravaskulären Räume, sondern sie sind von »mütterlichem Gefäßendothel« ausgekleidet. Das Syneytium wird hinsichtlich seiner Herkunft genau be- sprochen. Verf. kommt nach kritischer Betrachtung anderer Ansichten auf Grund seiner Befunde zum Schlusse, dass es fötaler Herkunft ist. Nach Mittheilung der Schilderung des Grafen SprE über den Zustand der Embryonalanlage selbst giebt PETERS noch zum Schlusse eine Zusammenstel- lung der Placentabildung bei anderen Säugethieren. Verf. belegt seine Aus- führungen mit einer großen Zahl vortrefflich ausgeführter farbiger Abbildungen. 500 Besprechungen. Durch die Schilderung der Verhältnisse einer so jungen menschlichen Keimblase und deren Beziehung zur Uterusschleimhaut ist die PrTErs’sche Arbeit eine werthvolle Bereicherung unserer Kenntnisse über sehr frühe Ent- wicklungsvorgiinge beim Menschen. H. Strasser, Regeneration und Entwicklung. Rektoratsrede, gehalten bei der Stiftungsfeier der Berner Hochschule am 19. November 1898. 8. (31 S.) Verlag von G. Fischer, Jena. Preis 1 4. In der vorliegenden Rektoratsrede behandelt STRASSER die Vorgänge der Regeneration und Entwicklung, wie sie nach den modernen Anschauungen zu beurtheilen sind. Im Organismus spielt sich fortwährend ein Verbrauch und konsekutive Regeneration kleinster Theile ab. Abgesehen davon kann auch der Organismus größere Defekte regenerativ ersetzen. Das Zellenmaterial, von welchem diese Regeneration ausgeht, ist für jede solche Bildung das Keimmaterial, das durch eine »Rückdifferenzirung< aus den Zellen der Umgebung des De- fekts gebildet wird. Daraus entstehen dann durch neue Differenzirungsvor- gänge wieder verschiedene Gewebe. Diese Vorgänge sind in Parallele gesetzt mit den Vorgängen der normalen Entwicklung. Mit Hinweis darauf behandelt STRASSER die Frage der Vererbungssubstanzen in der Zelle. Dem Kern fällt hier eine wesentliche Rolle zu. STRASSER vergleicht die Auffassungen von WEISMANN und O. HERTWIG, nimmt aber eine besondere Stellung ein. Wäh- rend HerrwiG bei den Zell- und Kerntheilungen die Erbmasse stets sich gleich- mäßig mit theilen lässt, hält STRASSER eine erbungleiche Theilung für erforder- lich zur Erklärung der so sehr verschiedenen Regenerationsfähigkeit defekter Theile unter gleichen äußeren Bedingungen bei verschiedenen Thierarten. Gegen die WEısmAanvw’sche Auffassung der komplieirten Verpackung und Ent- packung der Erbmasse in den Zellen wendet sich STRASSER, giebt aber zu, dass ein Bestandtheil der Erbmasse in der Zelle durch Zellgenerationen hindurch latent bleiben kann. Bei der Zelltheilung vollzieht sich nach STRASSER eine möglichst voll- kommene Rückkehr zum Ausgangspunkt der Entwicklung in den wesentlichen Stamm-Substanzen der Zelle und namentlich des Kerns. Dies wird von STRASSER in anregender Darstellung ausgeführt. Heidelberg, Mai 1899. F. MAURER. Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. Von Dr. Hermann Braus, Privatdocent, Jena, II. Theil. Die paarigen Gliedmafsen. Mit Taf. XXII—XXV' und 6 Figuren im Text. Die erste Beschreibung von der ontogenetischen Ausbildung der paarigen Extremitäten bei Selachiern ist in BALFour’s großer Mo- nographie über die Entwicklung dieser Thiere enthalten (1878). In dieser behandelt der Autor wesentlich die frühesten Anfänge der ekto- und mesodermatischen Anlage. Die Entwicklung des Skelettes erfährt bald darauf eine eingehende Darstellung durch ihn in einer besonderen ihr gewidmeten Arbeit (1881). Schließlich giebt BALFOUR in seinem Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsge- schichte außer einer ziemlich ausführlichen Wiedergabe seiner früher über die anderen Bestandtheile der Extremitäten ermittelten Befunde eine kurze Schilderung der Entstehung der Muskulatur (1881). Außer den Nerven der Extremitäten haben sämmtliche Organe in diesen Arbeiten BALrour’s eine so genaue Darstellung gefunden, dass die folgenden Untersucher im Wesentlichen Bestätigungen, in manchen Fällen zwar Ergänzungen, aber nur in wenigen Korrekturen hinzufügen konnten. Letztere sind, so weit sie begründet erscheinen, meist nicht von großem Gewicht. Versuche, namentlich die vorsichtigen Angaben BaLrour's über die erste Anlage des Skelettes erheblich ! Vgl. auch die dem I. Theil beigegebenen Tafeln, besonders Taf. XXI. Morpholog. Jahrbuch. 27. 33 502 Hermann Braus zu modifieiren, sind dagegen auf den begründeten Widerstand anderer Autoren gestoßen, welche die Befunde BALrour’s bestätigten. So kann man wohl behaupten, dass die thatsächlichen Mit- theilungen BALFour’s heute noch die wesentlichen Grundzüge unserer Kenntnisse von der Ontogenese der paarigen Gliedmaßen bilden. Die theoretischen Schlussfolgerungen, welche der Autor an dieselben knüpfte, sind jedoch Gegenstand lebhafter Kontroversen geworden. Sie behandeln die Frage nach der phylogenetischen Ent- stehung der Extremitäten und setzen sich durch Aufstellung der sogenannten »Lateralfaltenhypothese« in scharfen Gegensatz zu der älteren Theorie GEGENBAUR’s, welche die paarigen Gliedmaßen aus dem Kopfgebiet, ihr Skelet speciell aus Kiemenbogen und deren Radien hervorgehen ließ. ‘In dieser Streitfrage sind bisher alle Embryologen, welche sich mit der Entwicklung der Extremitäten der Selachier befasst haben, im Wesentlichen BALFOUR gefolgt. Widerspruch gegen die Ansicht BALFour’s ist dagegen mit Gründen vergleichend-anatomischer Art, aber auch mit kritischer Berücksichti- gung der ontogenetischen Befunde anderer, von GEGENBAUR selbst und einer Reihe sich ihm anschließender Autoren erhoben worden. Da ich zu den Letzteren gehöre, war für mich, eigene Erfahrung über die Ontogenese der Selachierflosse zu gewinnen, ein lang ge- hegter Wunsch. Die Entwicklung des Nervensystems der paarigen Extremitäten ist bei den Elasmobranchiern zuerst von Dourn (1884) berücksichtigt worden und hat später durch die Arbeiten Ragr’s (1891, 1893) und MorLier’s (1892, 1894) ausführlichere Darstellung gefunden. Immer- hin schien mir hier nach meinen Erfahrungen über die Flossenner- ven erwachsener Selachier ein Gebiet vorzuliegen, dem eine erneute Durcharbeitung unter den in der Einleitung geschilderten Gesichts- punkten (pag. 415—418) gewidmet werden könnte. Denn abgesehen von den für die Entwicklung der Nerven selbst zu erwartenden Resultaten hoffte ich durch sie neue Gesichtspunkte für eine Unter- suchung der Muskelanlagen und ihrer Schicksale zu gewinnen. Meine Erwartungen wurden nicht getäuscht; es machte sich im Ge- gentheil das Bedürfnis geltend, auch noch andere Systeme der Extre- mitäten (Bindegewebe, Skelet) mehr oder minder ausführlich auf die bei ihrer Entstehung sich abspielenden Vorgänge zu prüfen. Doch macht die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch, eine selbständige erschöpfende Darstellung der Entwicklung der paarigen Extremitäten in toto zu geben. Vielmehr möchte ich auch äußerlich durch die Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 503 Anordnung des Stoffes in Form von bestimmte Fragen behandelnden Kapiteln ausdrücken, dass ich aus dem Rahmen allgemein bekannter Entwicklungsvorgänge einige Abschnitte herausgegriffen habe, die mir besonders wichtig für phylogenetische Schlussfolgerungen zu sein schienen. Andere habe ich nur nebenbei behandelt oder ganz bei Seite gelassen. — Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt wie bei der vorigen in den Untersuchungen über die Entwicklung der Mus- kulatur und Nerven. Die specielle Litteratur werde ich in den ein- zelnen Abschnitten berücksichtigen. A. Die mesenchymatische Extremitätenleiste. a. Herkunft des Flossenmesoderms. BALFOUR (1878, pag. 329 M. E.) hat die erste Entstehung von Mesenchymzellen, die für die Extremitäten bestimmt seien, bereits richtig als einen Theilvorgang der allgemeinen Wucherung in der Somatopleura beschrieben, welche nach ihm zwischen dieser und Ektoderm überhaupt ein Netzwerk von Mesoblastzellen hervorgehen, in die Anlage der Extremitätenleiste aber in besonders dichter Weise Bildungsgewebe hineinwachsen lässt. Nur über die Zeit, in welcher dieser Vorgang erfolge, haben die späteren Autoren zum Theil eine Korrektur an den Angaben BALFOUR’s vorgenommen, indem zuerst bei Knochenfischen mehr beiläufig von OELLACHER (1879, pag. 141) der Gedanke geäußert wurde, dass die mesenchymatische Anlage der Extremitäten von der von BALFOUR beschriebenen Ektoderm- verdiekung und Ektodermleiste, welche dieser Autor als Beginn der ganzen Extremitätenanlage hingestellt hatte, unabhängig sei und ihrerseits in Wirklichkeit die Flossenbildung einleite. Boyer (1892, pag. 127) bestätigte diese Angaben bei Teleostiern und erweiterte sie durch seine Befunde über die Bildung der »Brustplatte« bei Fundulus, bei welchem die Ektodermleiste erst einige Tage nach dem Auftreten letzterer erscheint. Rasi (1893) und MoLLIErR (1894) haben dasselbe bei Selachiern, den Zeitunterschied jedoch nicht so erheblich, gefunden. Auch ich sehe bei Spinax niger Verände- rungen der Somatopleura, welche die Entstehung des Flossenmeso- derms einleiten, früher als die erste Anlage des Flossenektoderms eintreten, indem beispielsweise in der Brustflossengegend bereits bei Embryonen von 50 U.-W. eine Zellenproliferation im parietalen Mesodermblatt, dagegen erst bei solchen von 55 U.-W. eine Verdickung des äußeren Blattes zu bemerken ist. Der Unterschied im Alter ist 33* 504 Hermann Braus ein ziemlich beträchtlicher, wenn man die in den folgenden Kapiteln näher zu schildernde Schnelligkeit in Betracht zieht, mit welcher viele der ersten Entwicklungsprocesse an den Extremitäten ablaufen. Der Vergleich mit anderen Fischen jedoch, bei welchen bald wie bei Spinax ein größeres Zeitintervall zwischen Beginn der meso- und ektodermalen Anlage gefunden (Boyer, siehe oben, HARRISON, 1895, pag. 549), bald ein geringes Intervall (RABL, MoLLIER für Pri- stiurus [siehe oben]), bald völlige Gleichzeitigkeit der Anlage ange- geben wurde (ZIEGLER bei Torpedo, 1888, pag. 388, Semon bei Ce- ratodus, 1898, pag. 64), ergiebt mit Evidenz, dass diesen Vorgängen, zumal schon bei Selachiern solche Schwankungen vorkommen, keine phylogenetische Bedeutung zuzuschreiben ist, wie auch schon HARRISON vermuthete, indem er sagt: »Möglicherweise hat man diesem Punkt mehr theoretisches Gewicht beigelegt, als er verdient. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass ein kleiner Zeitunterschied im Auftreten zweier unabhängiger Strukturen die wichtige phylogene- tische Bedeutung haben könne, die man ihm! so häufig zuschreibt« (pag. 549). Der Irrthum BALFour’s ist also in theoretischer Hinsicht von geringem Belang. Wichtiger sind jedenfalls die Ergänzungen, welche die Be- obachtungen des Autors über die Anlage des Flossenmesenchyms in der Folgezeit erfahren haben. Sie erstrecken sich einmal auf Verbindungen der Hauptbezugsquelle desselben mit an- deren Centren der Entstehung von Bildungsgewebe, von welchen jedoch nicht sicher entschieden ist, ob auch die Flossen von ihnen mesenchymatische Bestandtheile be- ziehen, und ferner auf die topographische Fixirung der mesodermalen Flossenanlagen zu Seiten des Rumpfes. ZIEGLER war der Erste, welcher bei Torpedo darauf hinwies, dass die Anlage der Extremität auch mit den Elementen des axialen Bildungsgewebes (Sklerotom) zusammenhängt: »Da in den Zwischen- räumen zwischen den einzelnen Urnierenkanilchen von deren vor- derer und hinterer Wand und von dem oberen Rand der Seiten- platten aus reichliches Bildungsgewebe entstanden ist, so wird man sich nicht wundern zu sehen, dass das Bildungsgewebe der Extre- mitätenleiste zwischen den Urnierenkaniilchen kontinuirlich in das Bildungsgewebe des Sklerotoms übergeht« (1888, pag. 389). Van WHE (1889, pag. 470) bestätigt nicht nur diesen Zusammenhang ı Im Text irrthümlich >ihr«. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 505 bei Squaliden (Pristiurus), sondern konstatirt einen gleichen mit dem in seiner ersten Anlage bereits von ZIEGLER (pag. 391) beschriebenen Bildungsgewebe, welches das äußere Blatt des Myotoms (Cutislamelle) produeirt. Er sagt ausdrücklich von den Wucherungen der Somato- pleura: »Endlich sind sie nicht mehr als gesonderte Zellwucherungen zu erkennen, da sie mit dem Mesenchym der Sklerotome und dem von der Außenwand der Myotome stammenden verschmelzen. Auch die Gliedmaßen erhalten ihr Mesenchym hauptsächlich von dieser Leiste« (pag. 470). Ich vermuthe, dass van WisHeE hiermit eine Be- theiligung des axialen und dermalen Bildungsgewebes am Aufbau der Flosse ausdrücken will. Doch lässt die Stelle im Zusammen- hang dies nicht sicher erkennen. Später betont er, freilich nieht mit Bezug auf die Extremitäten, dass »die Zellen (von der Seiten-, Mittel- und Myotomenplatte) wohl zum Theil durch einander liegen« (pag. 471). Wird dies auch für die Lokalität der Extremitätenleiste von ihm angenommen, was er nicht ausdrücklich sagt, so ist es selbstverständlich, dass das Mesenchym derselben von verschiedenen Bildungsherden herstammt. Rasu (1893, pag. 126) leitet dasselbe lediglich von der Somatopleura ab. MoLLIER (1894) schließt sich dagegen den Ausführungen ZIEGLER’s an, betont aber doch eine ge- wisse Selbständigkeit der Verdiekung der Somatopleura, namentlich in den ersten Stadien, da nach ihm die Vorwölbung des parietalen Peritoneums »erst in einem älteren Stadium, bei dem die Bildung der ektoblastischen Falte beginnt, sich in eine lose Zellenmasse auf- löst, von weleher ZIEGLER den Zusammenhang mit dem Bildungs- gewebe der Sklerotome erwähnt« (pag. 10). Harrison (1895) scheint es dagegen als erwiesen zu betrachten, dass in die paarigen Flossen von Teleostiern mesenchymatische Elemente des Sklerotoms aufge- gangen sind (pag. 571). Semon (1898) findet bei Dipnoern (Cera- todus) Zellen »aus der lateralen Lamelle des Urwirbelfortsatzes< (pag. 67) in dieselben eintreten. Schließlich hat Rabu (1893) auf eine mögliche, aber ihm nicht ‘ wahrscheinliche Herkunft von Bildungsgewebe der Extremitätenleiste aus den Muskelknospen hingewiesen. Letztere sind bekanntlich separate, von den Myotomen ausgehende Anlagen der Flossenmus- kulatur (BALFOUR, Donrn). Die nächsten Kapitel werden sich mit ihnen besonders beschäftigen. RABL sagt von ihnen: »Obwohl ich es nicht für unwahrscheinlich halte, dass auch die äußeren Theile der Knospen sich in Muskelfasern umwandeln, kann ich doch nicht die Möglichkeit ausschließen, dass sie sich später in Bindegewebe 506 Hermann Braus auflösen. Jedenfalls müsste ihre Umbildung in Muskelfasern sehr viel später erfolgen, als die der tiefer gelegenen Theile« (pag. 128). Die Litteratur giebt also eine Reihe von Hinweisen, welche das Bildungsgewebe der Extremitäten mit Wahrscheinlichkeit zusammen- gesetzter erscheinen lassen, als BALFOUR und manche Autoren mit ihm annehmen, welehe aber eine Entscheidung über diese Fragen nicht herbeiführen. Da mir eine solche aus im folgenden Kapitel zu erörternden Gründen erwünscht schien, suchte ich bei Spinax niger weiteres Material zur Klärung des etwas verwickelten Problems zu gewinnen. Bei einem Embryo von 50 U.-W. haben sich die Seitenplatten bereits vom Myotom getrennt (vgl. van Wısur, Taf. XXXII Fig. 16). Im mittleren und hinteren Rumpftheil des Embryos hat sich ledig- lich axiales Mesoderm gebildet, welches zwischen Myotom einerseits und Aorta nebst Chorda andererseits liegt und nach der Medulla hinaufzieht. Nach unten schneidet die Grenze scharf über dem Vor- nierengang ab. Die Somatopleura besteht aus einem einschichtigen kubischen Epithel, dessen Zellen protoplasmatische Ausläufer gegen das Ektoderm entsenden (vgl. RAgr, Taf. IV Fig. 3), aber völlig in Verband mit einander stehen. Im vorderen Rumpfbereich dagegen (Brustflossengegend) fangen die Zellen der Somatopleura zum Theil an, sich aus diesem zu lösen. RasL beschreibt diesen Process bei gleichfalls 50—51 Urwirbel zählenden Embryonen von Pristiurus folgendermaßen: »An mehreren ... . Stellen sieht man dort, wo die Seitenplatte ihre Einschichtigkeit verliert, kleine Divertikel der Leibeshöhle in die proliferirenden Zellmassen eindringen, so dass es den Anschein gewinnt, als ob die Bildung des embryonalen Bindegewebes hier in ziemlich großer Ausdehnung mit einer Falten- bildung der parietalen Seitenplatte einherginge« (1893, pag. 68). Ähnliehe Bilder sehe ich auch manchmal in meinen Präparaten, häufiger aber solche, in welchen solide pyramidenförmige Ver- diekungen in der Somatopleura sitzen. Diese sind mit der Basis in die Lamelle eingesenkt und schauen mit der Spitze lateralwärts in den Raum zwischen ihr und dem Ektoderm hinein. Der Unter- schied zwischen Faltenbildung und Verdiekung ist demnach kein wesentlicher. Es wird wohl mehr auf die Frage genügenden Platzes oder auf andere geringfügige entwicklungs-mechanische Faktoren (Spannungen, Druckwirkungen) ankommen, ob der Wucherungspro- cess als Faltung oder solide Verdickung auftritt. Darin erblicke ich jedoch etwas Wesentliches, dass die Proliferation eine selb- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 507 ständige Zellbewegung und keine direkte Folge von Zellthei- lungen ist. RAsBL erwähnt schon, »dass die Bildung keineswegs ausschließlich in der Weise erfolgt, dass die Zellen epithelialer Membranen sich senkrecht auf die Oberfläche theilen« (I. e. pag. 68). Ich finde von derartigen Mitosen nur äußerst wenige. Bei weitaus den meisten Kerntheilungsfiguren ist die Spindelachse so orientirt, dass sie in die Fläche der Somatopleura fällt oder unter einem ge- ringen Winkel schräg zu ihr steht. Gerade senkrechte Orientirungen sind äußerst selten. Außerdem sind aber Karyokinesen überhaupt nicht gerade häufig. Besonders die pyramidenförmigen Höckerchen bergen selten solche in sich. Vielen fehlen sie sicher ganz. Eine allgemein gültige Regel über die Lokalisationen der Zelltheilungen lässt sich überhaupt nicht geben. Je mehr Präparate (auch von älteren Stadien) man durchmustert, um so mehr erkennt man, dass sich dieselben sowohl in der einschichtigen Somatopleura, wie auch in dem aus ihr sich differenzirenden Mesenchymgewebe befinden. So sind diese Wachsthumsvorgänge an der Somatopleura ein vor- zügliches Beispiel dafür, dass die Karyokinesen zwar eine Ver- mehrung des wachsenden Materials, aber keine Gestaltung der Masse desselben hervorzubringen vermögen. Letztere ist ganz un- abhängig von dem Zelltheilungsvorgang und wird lediglich von Kräften der sogenannten »ruhenden« Zelle, in diesem Falle wahr- scheinlich in Form von amöboiden Bewegungen hervorgerufen, wie sie WENCKEBACH (1886, pag. 239, 240) bei Mesenchymzellen von Knochenfisch-Embryonen anderen Ortes in vivo beobachtet hat!. Die Zellen verschieben sich gegen einander, treten aus dem Verband mit ihren Nachbarzellen aus und gerathen in den Zwischenraum zwi- schen Somatopleura und Ektoderm hinein. Ist einmal der Zusam- menhang mit der Somatopleura gelöst, dann ist mit unseren techni- schen und optischen Hilfsmitteln eine Entscheidung über die genaue Lokalisation des Ursprungsortes nicht mehr möglich. Wir wissen desshalb nicht, ob und wie weit die frei gewordenen Zellen sich unter und gegen einander verschieben. Nur die Grenzen der Zellen- masse in toto entscheiden rein negativ darüber, wohin die Zellen . 1 Ich verzichte hier auf Aufzählung der verstreuten Litteratur über das allgemeine, hier zu Tage tretende Entwicklungsgesetz und verweise nur auf meine früheren an DRÜNER anknüpfenden diesbezüglichen Ausführungen (1894, pag. 494—496). Für die Somatopleura hält auch Harrison (I. e. pag. 532, 533) eine Unabhängigkeit der Wachsthums- und der Zelltheilungsprocesse von ein- ander für nicht unwahrscheinlich. 508 Hermann Braus nicht gelangen können. Die dorsale Grenze liegt beim Embryo von 50 U.-W., so weit der Vornierengang und die Blindsiickchen der Urniere nach vorn reichen, unterhalb des Vornierenganges. Das axiale Mesoderm endet dagegen oberhalb von demselben. Auch zwischen den Nephrotomen ist kein Zusammenhang zwischen beiden Anlagen zu entdecken. (Die Verhältnisse stimmen durchaus mit dem Schema van WwuHe's, Taf. XXXII Fig. 16 überein.) Weiter vorn am Rumpfe ändert sich dies jedoch. Rostral vom Ostium ab- dominale des Vornierenganges, im Bereich der vordersten Rumpf- myotome, geht ein Strang von Mesenchymzellen, den auch ZIEGLER (I. e. pag. 387) und van Wume (l. e. pag. 492) bereits erwähnt haben, zwischen Urwirbeln und oberer Cölomkante an Stelle der früher dort vorhandenen Mittelplatten der Somiten hindurch und verbindet ventral vom Vornierengang das Sklerotom (axiales Bildungs- gewebe) mit dem Bildungsgewebe der Parietallamelle (So- matopleura). Die Zellen beider vermischen sich hier. Denn eine Abgrenzung zwischen den ursprünglich getrennten Produkten lässt sich nicht mehr erkennen. In einem Stadium von 55 U.-W. hat sich die Verbindung der beiden mesenchymatischen Anlagen, wie dies ZIEGLER bei Torpedo beschrieben hat, auch in dem Zwischenraum zwischen den Urwirbel- blindsäckehen entwickelt. Bei Spinax sehe ich sogar ganz schmale Streifen von Bildungsgewebe sich wie feine Rinnsale zwischen den Nephrotomen selbst und den Myotomen hindurchzwängen. Alle diese Verbindungsstränge des Sklerotoms liegen lateral vom Vornieren- gang. Gleichzeitig ist ventral vom Vornierengang eine besonders lebhafte Zellvermehrung! in der Somatopleura aufgetreten, welche eine cirkumskripte Anhäufung von Zellen zwischen letzterer und Ektoderm, das hauptsächliche Bildungsmaterial für die mesenchyma- tische Anlage der Brustflossenleiste, produeirt. Diese »scharf be- grenzte Vorwölbung des parietalen Peritoneums« ist von MOLLIER bei Pristiurus sehr richtig beschrieben und abgebildet worden (1894, pag. 10, Taf. I Fig. 1). Da bei Spinax gleichzeitig mit ihrem Auf- treten und bei Pristiurus nach MOoLLIER erst später, wenn ihre 1 Hier finde ich zahlreiche Kerntheilungsfiguren in ziemlich gleicher Ver- theilung sowohl in der innersten Schicht, von welcher die Wucherung ausgeht als auch unter den Zellen, welche mehr lateral liegen, also diese mediale La- melle bereits verlassen haben. Die Zelltheilung vermehrt die Zahl der Elemente, gleichgültig, welche Stellung dieselben einnehmen, kann also keinen dirigiren- den Einfluss auf dieselben und keine gestaltende Kraft für den Gesammtprocess dieser Wucherung besitzen. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 509 scharfen Grenzen schon wieder zu verschwinden beginnen, an weit- aus den meisten Stellen eine Verschmelzung mit axialen Mesoderm- produkten stattfindet, so könnte es freilich zweifelhaft erscheinen, wie MOLLIER anzunehmen scheint, ob diese Verschmelzung zu einer wirklichen Vermischung der heterotopischen Zellen führt. Die scharfe Umgrenzung des eng gedrängten Zellenhaufens in der Somatopleura bei Spinax und die zeitlichen Umstände bei Pristiurus sind jeden- falls an sich der Annahme einer Vermischung nicht günstig. Vorn am Rumpfe (vor dem Ostium des Vornierenganges) ist je- doch bei Spinax die Verbindung des visceralen und axialen Meso- derms zu Stande gekommen, bevor jene eirkumskripte Zellenan- häufung in der Somatopleura auftrat. Irgend eine Grenze zwischen den heterogenetischen Mesenchymzellen war nicht zu bemerken (Embryo von 50 U.-W.). Wenn später an demselben Ort unter dem Vornierengang die scharf begrenzte Ansammlung des Materials auf- tritt und die neu entstehenden Zellen auch alle aus der Somato- pleura, wie es den Anschein hat, herstammen, so müssen doch zwischen ihnen noch diejenigen mesenchymatischen Elemente des Sklerotoms liegen, welche sich schon früher hier befanden und mit denjenigen aus der lateralen Seitenplatte vermengten. Denn die neue Zellenanhäufung füllt den ganzen Zwischenraum zwischen Somatopleura und Ektoderm aus. Diese Beobachtung rückt die Vorgänge, welche sich weiter hinten, im Bereich der Urniere ab- spielen, in eine neue Beleuchtung. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach verlaufen sie im Wesentlichen gerade so wie die weiter rostral beobachteten. Die »scharf begrenzte Vorwölbung des parietalen Peritoneums« (MoLLIER), von welcher das Mesenchym der Brustflosse größtentheils stammt, schließt desshalb bei Spinax keineswegs aus, dass Elemente anderer Herkunft in ihr stecken. Die Verhältnisse im Bereich der vordersten Myotome beweisen im Gegentheil, dass dort sicher, und desshalb wahrscheinlich in der ganzen Ausdehnung der Extremitätenleiste, Bestandtheile des axialen Mesoderms vorhanden sind. Freilich hat BatLrour jedenfalls in so fern Recht behalten, als weitaus das meiste Zellenmaterial der ersten Flossen- anlage aus der Somatopleura stammt, die ihr ja auch zunächst liegt. Durch die Arbeiten Ragr's über die Entstehung des Sklerotoms (1889 und 1896) haben die älteren Angaben (BALFOUR, ZIEGLER, VAN WIJHE u. A. m.) eine Einschränkung erfahren, indem einmal nur eine verhältnismäßig kleine Stelle unterhalb der Muskelplatte am Myotom selbst als Proliferationszone und Quelle von embryonalen 510 Hermann Braus Bindesubstanzen durch, wie mir scheint, entscheidende Schilderungen in Wort und Bild bezeichnet wird. Für diese Stelle hält RAgL ein kleines Divertikel für charakteristisch (1889, pag. 244). Ferner setzt sich, wie bekannt, das Sklerotom auch auf die Kommunikation des Urwirbels mit den Seitenplatten fort (Mittelplatte), beschränkt sich aber auch hier nach Rasu lediglich auf den dorsalen Theil der medialen Wand desselben (vgl. 1896, pag. 705, Textfig. 25, 26, 27). Auch in diesem Punkt scheint mir die Darstellung Ragr’s keine andere Deutung zuzulassen. Wenn auch die Bestandtheile des Skle- rotoms, mögen sie in nächster Nachbarschaft der Muskelplatte oder etwas weiter ventral an den Nephrotomen der späteren Urniere ent- stehen, von Anfang an zusammenhängen, so verhindert doch die persistirende laterale Lamelle der Urwirbelkommunikationen gerade ein Herabfließen der aus ihrem medialen Blatt austretenden Zellen nach den Seitenplatten zu. Erst wenn die Kommunikation zerstört wird, erfolgt dieses, und zwar zuerst in dem oben erwähnten feinen Rinnsal an der Stelle, wo sich das Nephrotom vom Urwirbel löst (Textfig. 7, nach Rann, 1896, pag. 705, Fig. 26). Diese Örtlich- keit macht es nicht unwahrschein- lich, dass hier gerade solche Zellen ie RE des Sklerotoms abwärts gleiten Lokalisation der Entstehung von axialem Meso- . derm nach Lösung des Verbandes zwischen Ur- Und in die spätere Extremitäten- te MER ee, pag. 705.) leiste Sintreten, (we cherlmiklen Nähe der Muskelplatte ent- standen sind, und nicht solche, wie man bei der nahen Nachbar- schaft der Urnierenkanälchen zu der Verdiekung der Somatopleura zunächst geneigt sein dürfte anzunehmen, welche aus der medialen Lamelle der Urwirbelkommunikationen hervorgehen. Ich halte zwar diese Betrachtung für keineswegs entscheidend, da wir nicht aus- schließen können, dass mehr oder minder hochgradige Verschiebun- gen unter den einmal aus den Mesothelien ausgesonderten Zellen vorkommen, und da uns jede exakte Grenzbestimmung zwischen den aus verschiedenen Proliferationszonen stammenden Produkten fehlt. Doch ist es nicht gerade wahrscheinlich, wenn man die To- pographie der betreffenden Stelle berücksichtigt (Textfig. 7 nach Pie. ?7. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 511 Rasy, welche dem betreffenden Stadium entspricht), dass lediglich andere Zellen in den Spalt zwischen Myo- und Nephrotom gelangen sollten als solche, welche unmittelbar neben ihm erzeugt werden. Das dermale Mesoderm differenzirt sich bekanntlich viel später aus der Cutislamelle der Urwirbel als das axiale und viscerale. Bei Spinax niger beginnt die Proliferation an den vorderen Rumpfmyo- tomen erst bei Embryonen von 70 U.-W. und 20 mm Länge, bei welchen bereits das ventrale Ende der Somiten die Muskelknospen an die Extremitätenleiste abgegeben hat. Bei einem Embryo von 70 U.-W. und ec. 25 mm Länge hat sich die Proliferation in der Cutis- lamelle so weit ausgedehnt, dass nur die dorsale Zone derselben oberhalb der Spinalganglien und derjenige Theil, welcher in den von den Somiten losgelösten ventralen Fortsätzen liegt, aus geschlos- senen Mesothelien bestehen. Bei denjenigen Myotomen, bei welchen der ventrale Fortsatz sich noch wenig entwickelt oder kaum resp. noch gar nicht die ventrale Grenze der Extremitätenleiste über- schritten hat (Myotom 5 und folgende, Taf. XXI Fig. 2), ist nur diese Anlage rein epithelial gebaut, so dass schließlich nur die ven- trale Kante des Urwirbels keine Mesenchymzellen produeirt. Allent- halben reicht die dermale Bindesubstanz an die Extremitätenleiste heran. Ihre Elemente vermischen sich, indem die beiden Anlagen verschmelzen, mit den Zellen der letzteren. Wie weit aber diese Vermischung geht, dürfte mit unseren heutigen technischen Hilfs- mitteln an sich aus schon mehrfach erwähnten Gründen kaum sicher zu unterscheiden sein. Zu dieser Zeit ist an der Basis der Extre- mitätenleiste, wie schon RABL und MOoLLIER hervorgehoben haben, eine Auflockerung des Bindegewebes eingetreten, während die ur- sprüngliche, gedrängte Lage der Zellen und die daher in gefärbten Präparaten charakteristische dunkle Beschaffenheit des Bildungsge- webes allein lateral, nach der Kante des Extremitätenstummels zu, übrig geblieben ist (ein ähnliches Stadium bei der hinteren Extre- mität zeigt Taf. XXIII Fig. 10). In letzterem Theil findet sich eine große Zahl von Kerntheilungsfiguren, während in der Basis der Leiste gerade da, wo die Verschmelzung mit dem dermalen Mesen- chym erfolgt, eine nur unerhebliche Zellvermehrung statt hat. Dies deutet darauf hin, dass das Material, welches zum Wachsthum der Extremität verwendet wird, hauptsächlich von jener dunklen, vom dermalen Proliferationsherd weit entfernten Zone produeirt wird und lediglich von der ersten Anlage der mesenchymatischen Flossenleiste herstammt. Immerhin ist auch hier, wie oben an- 512 f Hermann Braus gedeutet wurde, mit etwaigen starken Verschiebungen der dermalen Mesenchymzellen zu rechnen, die wir nicht beweisen, aber auch nicht mit Sicherheit ausschalten können. Es ist eine strittige Frage, ob die Cutislamelle ganz oder nur zum Theil embryonale Bindesubstanz liefert, und ob nicht in späteren Entwicklungsphasen quergestreifte Muskulatur von ihr producirt wird. Für Selachier sind in sehr bestimmter Weise BALrour (1881, pag. 606), VAN WIJHE (1889, pag. 472), KÄsrner (1892, pag. 169, 170), und mehr | aus vergleichenden Gründen (Teleostier) ZIEGLER (1888, pag. 391 Anm.) für letztere Alternative eingetreten. Rap (1894, pag, 84—85) hat sich für die erstere ausgesprochen. Er sagt: »So unwahrscheinlich mir also auch nach dem Gesagten die Betheiligung der Cutislamelle an dem Aufbau der Seitenrumpfmuskulatur erscheint, so kann ich doch das Gegentheil nicht streng beweisen. Sollte sich in der That eine solche Betheiligung mit geeigneten Methoden nachweisen lassen, so könnte sie jedenfalls nur eine ganz geringfügige sein. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass meine Präparate von Tor- pedo-Embryonen mit aller Entschiedenheit gegen die Annahme ZıEG- LER’S und VAN WIJHE’s zu sprechen scheinen« (pag. 85). Bei anderen Wirbelthieren hat diese vor Allem von HaArscHEk (1892) bei Am- phioxus vertretene Auffassung durch MAURER ihre Bestätigung er- fahren (1894, pag. 480—482, 597, vgl. dort auch die Angaben über die einschlägige Litteratur). Ich habe bei Spinax niger die Auflösung der Cutislamelle vor Allem in einem Stadium von 70 U.-W. und 25 mm Länge auf Hori- zontalschnitten verfolgt. Bei den vorderen Rumpfmyotomen besteht hier die Cutislamelle oberhalb einer Ebene, welche durch die Spinal- ganglien gelegt werden kann, aus einem einschichtigen Cylinder- epithel von festem Verband. In der Höhe des dorsalen Chordarandes ist von der Cutislamelle nichts mehr zu sehen. Die Muskelplatte ist scharf kontourirt; außen von ihr beginnt eine dichte Bindesub- stanzschicht, welche bis an das Ektoderm reicht. Entscheidend ist die Stelle in dem Zwischenraum zwischen beiden Schnitten. Dort ist vielfach noch ein feines spaltförmiges Lumen, der Rest des Myo- eöls, zu erkennen. Dasselbe wird nach außen von dem in Prolifera- tion begriffenen Epithel der Cutislamelle begrenzt. Stets lagen sämmtliche embryonale Muskelfasern, die sich gebildet hatten, medial von diesem Spalt. An manchen Stellen hatte das Epithel der Cutislamelle selbst nach dem Eintritt der Auflösung letzterer den Zusammenhang auf kurze Strecken einigermaßen be- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. IL. 513 wahrt. In diesen, der medialen Lamelle anhaftenden Zellen konnte ich nie die geringste Spur von Muskelfasern entdecken. Damit stimmen auch meine Beobachtungen an Horizontalschnittserien jün- gerer und älterer Embryonen überein. Bei Spinax tritt also ohne alle Frage die vollständige Umwandlung der Cutislamelle in Bildungsgewebe ein. Ich stelle mich damit auf den von Harscuek und RasL begründeten und namentlich von MAURER für die ganze Wirbelthierreihe durchgeführten Standpunkt. Schließlieh habe ich mich auch durch eigene Untersuchungen bei Spinax über das Schicksal der äußeren Lamelle der Urwirbel- knospen, die in die Extremitäten einwachsen und als Quelle für die Proliferation von Bindesubstanzen der Flosse in Frage stehen, zu orientiren gesucht. Die Extremitätenknospen sind anfänglich rein epithelial gebaut und mit einem Lumen versehen. Bei Embryonen von 27 mm Länge treten bei der Brustflosse in der Basis der Knos- pen (d. h. in dem nach dem Inneren der Flosse zu gelegenen Blatt) die ersten embryonalen Muskelfasern auf. Bei einem Embryo von c. 30 mm Länge sind überall Muskelfasern gebildet, welche sich zu geschlossenen Muskeln zusammensetzen und ringsum von der Binde- substanz der Flosse begrenzt werden. Von den epithelialen Lamellen, welche ursprünglich die ganzen Knospen bildeten, ist nur ein Rest je am distalen Kopf eines jeden Muskels übrig geblieben. Die Stelle ist von außen daran kenntlich, dass sie keulenförmig aufgetrieben ist (Taf. XXI Fig. 4) und ist von Rabu ihres ursprünglichen epithe- lialen Charakters wegen bereits hervorgehoben worden (1893, pag. 128). Legt man Querschnitte durch einen solchen Embryo, so erhält man, da die Flossenmuskeln schräg von innen vorn nach außen hinten verlaufen, in jedem durch den Extremitätenstummel führenden Schnitt eine Reihe neben einander liegender Quer- oder Schrägschnitte durch dieselben, von denen die am meisten lateral liegenden weiter distalen Stellen der Flossenmuskeln als die mehr medial liegenden angehören. Je mehr der Querschnitt dem caudalen Ende der Flosse genähert ist, um so geringer ist der Abstand der neben einander liegenden Muskel- querschnitte auf einen Muskel bezogen. Ich habe in Fig. 4 und 5 Taf. XXIV aus einem solehen Schnitt die am meisten lateral ge- legenen Querschnitte dorsaler und ventraler Muskeln der rechten Flosse abgebildet. Man sieht hier Bilder neben einander, wie sie in einer Querschnittsserie eines einzelnen Muskels hinter einander folgen würden. In Fig. 4 rechts ist der Schnitt durch die kolben- förmige Anschwellung hindurchgegangen, hat das Lumen, sowie 514 Hermann Braus das ganze Gebilde ein wenig schräg getroffen. Der epitheliale Charakter ist wie bei ursprünglichen Knospen in der äußeren und inneren Lamelle erhalten. Der in Fig. 4 links getroffene Muskel besteht dagegen aus embryonalen Muskelfasern, über welchen sich direkt unter dem (in der Figur künstlich abgehobenen) Ektoderm eine einschichtige Bindegewebslage befindet. Man könnte beim Ver- gleich solcher Querschnitte, wie sie in Fig. 4 neben einander liegen, versucht sein zu glauben, dass diese Bindesubstanz aus der äußeren epithelialen Lamelle der ursprünglichen Knospen herstamme. Doch sieht man gerade in diesem Schnitt an einer kleinen, durch die Loslösung des Ektoderms bedingten Zerstörung des Zusammenhanges der Gewebe, dass dies nicht der Fall ist. Es sind nämlich am Ektoderm einige ganz platte längliche Zellen mit dem einen Ende hängen geblieben, die mit ihrem anderen Ende an der Außenseite des Muskelquerschnittes haften. Es sind dies embryonale Binde- gewebszellen, die so platt und zart sind, dass man sie nur bei sol- chen abnormen Zufälligkeiten ohne Anwendung besonderer Schnitt- und Färbemethoden zu Gesicht bekommt. Ihre Anwesenheit beweist aber, dass sie nicht von dem Epithel der Knospen abstammen; denn dieses ist in dem betreffenden Querschnitt in festem Verband. In den Querschnitten durch die ventralen Muskeln (Fig. 5) sind die Bindegewebszellen rechts schon dicker, zahlreicher und deutlicher geworden, obgleich auch hier das Epithel noch als solches besteht. Man sieht außerdem wie hier und bei dem Quer- schnitt links das Bindegewebe in Form kleinkerniger Zellen zwischen das Ektoderm (auch hier künstlich losgelöst) und die Muskeln vor- wuchert. In dem Gewebe zwischen den Muskeln sind Kerntheilungs- figuren ziemlich häufig (Fig. 4 und 5), welche für die Vermehrung des zur Proliferation nöthigen Materials sorgen. Schließlich sieht man zwischen den embryonalen Muskelfasern nahe den dista- len Anschwellungen hin und wieder noch einen Überrest des Lumens (Fig. 5 links). Hieraus ist zu ersehen, dass die laterale Lamelle des Knospenepithels gerade so gut Muskelsubstanz wie die basale pro- ducirt. Nach allen diesen Befunden, die ich in ähnlicher Weise auch in anderen Serien erheben konnte, glaube ich sicher zu sein, dass von dem Gewebe der Muskelknospen keine mesenchy- matischen Elemente in die Extremitätenleiste eintreten. Als Resultat der Untersuchungen über die Herkunft des Flossenmesenchyms bei Spinax ergiebt sich, dass Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 515 1) die Hauptmasse desselben aus der Somatopleura stammt; 2) dass von vorn herein in diese Anlage Zellen ein- geschlossen werden, welche aus dem axialen Meso- derm, und zwar wahrscheinlich aus demjenigen Theil des Sklerotoms stammen, welcher in unmittel- barer Nähe der Muskelplatte sich bildet; 3) dass eine Aufnahme von Zellen der Cutislamelle in die Extremitätenleiste zwar nicht auszuschließen, aber nicht wahrscheinlich ist; ; 4) dass von den Muskelknospen der Urwirbel kein Me- senchym gebildet wird. b. Topographie der Extremititenleisten. Alle Autoren stimmen darin iiberein, dass die mesenchymatische Extremitiitenleiste in rostrocaudaler Richtung entsteht. Bei Pristiurus beschreibt Rabu das schließliche Ende bei der Brustflosse wie folgt: »Zuerst verflacht sich die Ektodermfalte, und erst weiter hinten schwindet auch der Mesodermwulst. Es folgt dann eine Strecke, die von beiden nichts erkennen lässt. Erst weiter hinten tritt wieder ein Mesodermwulst und fast gleichzeitig auch eine Ektodermver- dickung auf«, diese »kennzeichnen die Stelle des hinteren Extremi- tätenstummels«. »Die Anlagen der beiden Extremitäten sind hier von allem Anfang an von einander getrennt, und zwischen beiden ist weder ein Mesodermwulst noch eine Ektodermfalte, noch auch eine Ektodermverdickung nachzuweisen« (1893, pag. 75—76). Auch bei Torpedo liegen die Verhältnisse kaum anders. Die Anlage der hinteren »steht mit der der vorderen Extremität eben so wenig wie bei Pristiurus in Zusammenhang. Auch von einem kontinuirlichen Mesodermwulst kann kaum gesprochen werden, obgleich nicht zu leugnen ist, dass die parietale Seitenplatte in der Strecke zwischen Brust- und Bauchflosse nicht mehr so deutlich einschichtig ist wie bei Pristiurus-Embryonen des betreffenden Stadiums« (Ras, |. e. pag. 116). In etwas älteren Stadien ist »der Mesodermwulst überall ausgebildet, und auch in jener Strecke, wo das Ektoderm nur verdickt, aber nicht zu einer Falte erhoben ist (zwischen Brust- und Becken- flosse), mächtig entwickelt« (pag. 117). RAs ist der Erste, welcher diese Verhältnisse richtig beschrieben hat, während BALFOUR, DOHRN und auch noch MOLLIER (1892) glaubten, dass bei Torpedo die erste 516 Hermann Braus Anlage der Seitenleiste ohne Unterbrechung über sämmtliche Rumpf- segmente hinwegschreite und die Brustflosse -mit der Beckenflosse verbinde. Alle diese Autoren, auch Ragu, halten aber die Extremitäten- leisten der Selachier in toto in ihrer Lage zum Rumpf während der Ontogenese für fixirt. Dadurch ist es auch nur zu erklären, dass der meso- und ektodermatischen Verbindungsfalte zwischen Brust- und Bauchflosse der Rochen, welche sich später für kurze Zeit an- legt, eine so hohe phylogenetische Bedeutung beigelegt wurde. BAtrour erblickte in ihr die Hauptstütze für seine Hypothese von der kontinuirlich längs des Rumpfes einherlaufenden Urflosse, wel- cher sich Rani und MOLLIER ganz, Donrn in der Hauptsache (be- züglich der Kontinuität der Flossenbildung im ganzen Rumpfbereich) anschlossen. In Wirklichkeit findet jedoch eine ziemlich beträchtliche Ver- schiebung des Flossenmesoderms gegen den Rumpf statt, wie ich gleich hoffe nachweisen zu können. Diese äußert sich natürlich auch an anderen Bestandtheilen der Flosse, namentlich an den Ner- ven, welche Lageveränderungen erfahren. Auch ändert sich gleich- zeitig die Form der Flosse und die Lage der Extremitätenmuskulatur. Diese Momente im Einzelnen, auf die ich theilweise erst später näher eingehen werde, sind in ihren Hauptzügen auch den früheren Autoren nicht entgangen. Sie sind jedoch unter einem anderen, einheitlichen Gesichtspunkt zusammengefasst und als »Koncentration« der Flossen- basis gedeutet worden. Diese Koncentration wird aber wieder ver- schieden gedeutet, indem BALFOUR, Donrn und RABL unter ihr eine theilweise sekundäre Ablösung der Flossenbasis vom Rumpf verstehen, während MoLLIer die Befestigungsstelle dieselbe bleiben lässt, aber glaubt, dass der Rumpf stärker in die Länge wachse als die Basis der Extremität und daher letztere überflügele (vgl. Textfig. 12 nach MOLLIER, 1894, pag. 50). Ich habe schon bei anderer Gelegenheit hervorgehoben, dass in der Koncentrationsidee unter allen Umständen die Vorstellung einer Verschiebung gegen den Rumpf enthalten ist (1898, pag. 283, 389). Ein genaueres Eingehen auf das Detail der betreffenden Entwicklungsvorgiinge wird eine nähere Analyse der bisher unter dem Begriffe der Koncentration zusammengefassten, in Wirkliehkeit sehr komplexen Form- und Lageveränderungen der Extremitiitenleisten ermöglichen. Bei der Brustflosse von Spinax-Embryonen beginnt die Me- senchymleiste am Vorderrand von Myotom z an dessen ventralem, Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 517 etwas eaudalwärts abgeknicktem Fortsatz (Taf. XXI Fig. 1). Von dort wächst sie allmählich nach hinten und erreicht in ihrer höch- sten Ausbildung bei Embryonen von 19 mm Länge die Vorderkante vom neunten Somiten. Nur einmal sah ich eine etwas stärkere Ausdehnung nach hinten bei einem Embryo von 20 mm Länge, bei welchem sich die hintere Mesodermkante ein wenig hinter der Mitte vom Myotom 9 befand. Ganz geringe Ausdehnungen über den ro- stralen Rand vom neunten Somiten hinaus sind häufiger. Da aber die Flosse auch bei älteren Embryonen (Taf. XXI Fig. 2, 4) in den meisten Fällen am Anfang vom neunten Myotom endet, so sind diese Ausnahmen ohne Bedeutung für die weitere Entwicklung. Bei mittel- alten Embryonen (27 mm Länge, Fig. 3) liegt der hintere Rand der Extremitätenleiste ausnahmsweise mehr nach vorn, gegen den vor- deren Rand vom achten Somiten zu. Auch dies ist lediglich eine Varietät, da ältere Embryonen wieder die übliche Grenze am neunten Somiten aufweisen. Auch beim ausgebildeten Thier liegt dieselbe in der Mitte zwischen den Rr. ventrales des achten und neunten Spinalnerven (Braus, 1898, Taf. XI Fig. 5), welehe nach der Ver- schmelzung des Urwirbelmaterials an dieser Stelle ungefähr den Mittelpunkt der ursprünglich metameren Muskelstreifen andeuten. Der hintere Rand der Extremitätenleiste hält diesen Befunden nach die einmal erlangte Befestigung gegenüber dem Anfang des neunten Myotoms durch die ganze Entwicklungsreihe fast stets fest. Immerhin ist es wichtig, dass die beobachteten geringen Variationen diese Grenze bei jüngeren Stadien nach hinten, bei älteren Em- bryonen aber nach vorn überschreiten. Es ist zu bedenken, dass die Konstanz der Lage zu den So- miten nicht als maßgebend für die Lage der Flossenleiste zum Körper der Embryonen zu betrachten ist. Denn im ersten Theil dieser Arbeit wurde nachgewiesen, dass die Myotome der Rumpf- region in der Entwicklung eine beträchtliche Verschiebung nach vorn durchmachen, die auf die theilweise Riickbildung der metotischen Urwirbel und den Ersatz derselben durch nachrückende distale Ele- mente auf das Occiput zurückzuführen ist (s. pag. 490). Man sieht in Folge dessen in jüngeren Stadien (Taf. XXI Fig. 1) den Vorder- rand der Flosse noch in betriichtlicher Entfernung hinter. dem Kie- menkorb liegen. Beim ausgebildeten Thier fängt dagegen bekannt- lich die Brustflosse stets unmittelbar an der hinteren Kiemenspalte an, welche bei Spinaciden (Spinax, Acanthias, Seymnus, Laemargus, Centrina) sogar auf den Vorderrand derselben (Propterygium) eine Morpholog. Jahrbuch. 27. 34 518 Hermann Braus Strecke weit hinaufgeschoben ist. Die Verschiebung der Brustflosse ist so groß, dass sie bei der äußeren Betrachtung verschieden großer Spinax-Embryonen sehr deutlich wahrzunehmen ist. Man sieht bei jün- seren die Extremitätenleiste beträchtlich weiter hinter der Schnauzen- spitze als bei älteren und bei ausgewachsenen Thieren liegen. Bei Acanthias-Embryonen ist dies fast eben so deutlich. Bei Seymnus, von dem ich einen Embryo von 204 mm Länge der Güte des Herrn Geheimrath GEGENBAUR verdanke, soll eine kleine Messung dies be- sonders zeigen. Beim ausgewachsenen Seymnus lichia Cuv. (1040 mm Länge) beträgt der Abstand der Achselhöhle (hinterer Rand der Brustflosse) von der Schnauzenspitze 255 mm, beim Embryo 60 mm, oder, wenn ich die Totallänge des Embryos auf den Maßstab des aus- gewachsenen Thieres (1040 mm) erhebe, entsprechend 305 mm. Der Unterschied des Abstandes der Achselhöhle von der Schnauzenspitze zwischen Embryo und Erwachsenem beträgt also, auf die Größe des ausgebildeten Thieres berechnet, 50 mm, um welche die Flosse beim Embryo weiter hinten am Körper steht. Gerade so lang ist die Basis der Brustflosse des ausgewachsenen Scymuus (in rostro-caudaler Richtung gemessen!. Man kann desshalb das Resultat der Messung kurz dahin zusammenfassen, dass sich die Brustflossenleiste während der Entwicklung von Scymnus um ihre ganze Aus- dehnung am Körper rostralwärts verschiebt, so dass schließ- lich der Hinterrand an der ursprünglichen Stelle des Vor- derrandes anlangt. Verfolgt man bei Spinax-Embryonen die Stellung des vorderen Randes der Extremitätenleiste in der Entwicklungsreihe, so findet man ihn Anfangs, wie bereits erwähnt, am Vorderrand von Myo- tom z (Taf. XXI Fig. 1). In älteren Stadien lässt sich nur schät- zungsweise die Lage zu den Urwirbeln feststellen, da diese an der betreffenden Stelle nicht mehr erhalten sind. Der anfangs zipflige Fortsatz, welcher an der Stelle übrig bleibt, wo sich die Anlage der ventralen Muskulatur abgelöst hat und welcher auf die Flosse hin- weist, gestaltet jedoch diese Schätzung zu einer ziemlich genauen. In nächst älteren Stadien (Fig. 2) ist die Lage zu den Urwirbeln noch annähernd dieselbe; später (Fig. 3) entspricht sie etwa der Grenze zwischen Myotom 2 und 3, und schließlich (Fig. 4) sogar dem hinteren Rande vom dritten Urwirbel. Auch beim ausgebildeten Thier ist die letztere ungefähr innegehalten. Es liegt zwar bei ! Beim Embryo ist sie 9 mm lang, also = 46 mm bei Umrechnung auf die Körperlänge des Erwachsenen. Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 519 diesem in der Nähe der Bauchmittellinie hinter dem Schultergürtel noch ein Rest vom dritten Urwirbel (Braus, 1898, pag. 296 und Taf. XI Fig. 5), es ist aber dabei im Auge zu behalten, dass der Schultergürtel bei Spinax sehr schräg ascendent steht, also mit seinem ventralen Ende (Coracoid) weiter nach vorn als dem dorsalen (Sca- pula) reicht. Die Mitte des Schultergürtels entspricht ungefähr der Grenze zwischen viertem und fünftem Körpermetamer. Die Verkleinerung der Basis der Brustflossenleiste bei Spinax, welche dem Vorhergehenden nach mindestens vier Somitenlängen, fast die Hälfte der ursprünglichen Ausdehnung (Fig. 1) beträgt, ist offenbar eine »Koncentration« im Sinne der früheren Autoren. Man könnte im vorliegenden Falle daran denken, dass dieselbe bei der Verschiebung der Extremitätenleiste gegen den Kopf und den Kie- menkorb hin als Reduktionserscheinung des vorderen Theiles der Leiste zu erklären sei. Denn der Platz für die Brustflossenanlage muss nothwendigerweise durch die Vorwanderung der Myotome ver- ringert werden, da das hintere Ende der Extremitätenleiste seine Befestigung am Anfang des neunten Somiten bewahrt. Doch wäre es eben so gut möglich, dass der hintere Flossentheil eine Einbuße erlitte, und dieser Ausfall durch die Verschiebung der Myotome ver- deckt würde. Im ersteren Fall würde der Wanderungsprocess der Extremitätenleiste in gleichem Tempo mit demjenigen der Myotome erfolgen, in letzterem jedoch in verlangsamter Weise, so dass der Vorderrand der Flosse und die ganze Anlage sich scheinbar nach hinten verschübe und nur die Einschmelzung am hinteren Flossen- rand mit der Vorwanderung der Myotome Schritt hielte. Kompen- sationen oder gar Superkompensationen eines Entwicklungsvorganges durch einen entgegengesetzt gerichteten anderen kennen wir nament- lich aus den Schilderungen mancher Autoren über die frühesten Ditfe- renzirungen der Keimblätter in der Umgebung des Urmundes. Von zwei gleich gerichteten Ausbildungsprocessen, die verschieden schnell verlaufen, wird aber immer der langsamere scheinbar in entgegen- gesetzter Bewegung im Verhältnis zum schneller verlaufenden Vor- gang begriffen sein. Gleich schnell sich abspielende werden Still- stand der Bewegung vortäuschen. Wer jemals in einem von zwei in derselben Richtung neben einander herfahrenden Eisenbahnzügen ge- sessen und den anderen dabei beobachtet hat, wird sich hiervon eine sehr lebhafte Vorstellung bewahrt haben. Ich bin überzeugt, dass bei Spinax die Verkleinerung der Brust- flossenleiste wesentlich auf einer Reduktion ihres caudalen Theiles 34* 520 Hermann Braus beruht, trete also für die letztere der beiden Annahmen ein. Meine entwicklungsgeschichtlichen Gründe werde ich erst im weiteren Ver- lauf der Darstellung anführen können. Auf vergleichend-anatomische Thatsachen gestützt, habe ich aber schon früher diese Ansicht zu be- sründen gesucht (1898, pag. 316, 317). Direkte Beobachtungen, ver- bunden mit experimentellen Eingriffen am lebenden Embryo (Anbringen von Marken ete.), sind bei lebendig gebärenden Haien leider un- möglich. Es wäre jedenfalls irrthümlich, in der Verkleinerung der Brust- flossenleiste von Spinax ein für alle Haie gültiges Entwicklungsge- setz zu vermuthen. Bei dem jüngsten Pristiurus-Embryo, den ich untersuchte (18 mm Länge, Taf. XX Fig. 7), beginnt die Extremität am ventralen Fortsatz des dritten Somiten. Diese Lage wird in den folgenden Stadien und beim ausgebildeten Thier ungefähr einge- halten. Es erfolgt höchstens eine ganz geringe Verschiebung der vorderen Grenze nach hinten bis in die Höhe des vierten Urwirbels (Taf. XXIV Fig. 1), die ich aber nicht bei allen Embryonen finde. Diese muss natürlich wie bei Spinax als geringes Zurückbleiben hinter der auch bei Seylliiden beträchtlichen Vorwanderung der Rumpfmyotome aufgefasst werden. Bei dem hinteren Rand der Ex- tremitätenleiste ist dies ganz unverkennbar der Fall. Beim jüngsten Em- bryo (18 mm Länge, Taf. XX Fig. 7 und Taf. XXIV Fig. 2) endet die Extremitätenleiste, wie auch MOLLIER angegeben hat (1894, pag. 12), am 13. Somiten, bei einem älteren Embryo (24 und 26 mm Länge, Taf. XXIV Fig. 1) am 14., bei solchen von 27,5 mm Länge am 15. und endlich solchen von 31,5 mm Länge am 16. Somiten. Letzterer Stel- lung entspricht diejenige beim ausgebildeten Thier. Es tritt im Ganzen eine Vergrößerung der Extremitätenbasis von 2—3 Urwirbellängen ein. Dies ist auffallend gegenüber Spinax; ferner auch die weit zurück- liegende Anheftung der Extremitätenleiste am Rumpf bei Pristiurus, die in demselben Stadium dort am metotischen Somiten z, hier am dritten Rumpfsomiten beginnt, und die bedeutendere Größe derselben, die dort nur über'neun, hier über zwölf Myotome hinüberzieht (vgl. Taf. XXI Fig. 1 und Taf. XX Fig. 71). Die beträchtlichen Unterschiede in der Stellung zu den Myo- tomen und in der Größe, welche die Brustflosse von Pristiurus im frühesten Ausbildungsstadium der Mesodermleiste gegenüber der- 1 Die beiden Embryonen, welchen die Abbildungen Taf. XXI Fig. 1 und Taf. XX Fig. 7 entnommen sind, sind nicht nur fast gleich lang, sondern die Ausbildung der Brustflosse selbst (Muskelknospen) ist fast völlig identisch. PN Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 521 jenigen von Spinax charakterisiren, werden in der weiteren Entwicklung zum Theil verstärkt, da einerseits die Größe der Flosse bei Pristiurus zu-, andererseits die von Spinax abnimmt. Zum Theil werden sie aber abgeschwächt, indem auch bei Spinax schließlich der vordere Rand der Brustflosse am 3.—4. Urwirbel anlangt. Hier ergiebt sich die Verknüpfung der beiden divergirenden Entwicklungsreihen. Bei Pristiurus ist die weit vorn befindliche Situation der Brustflosse, wie sie in der Spinax-Entwicklung noch zur Anlage kommt, ausgefallen, da die Extremitätenleiste in der Entfaltung nach hinten, wie sie sich bei der ersten Anlage und noch ausgedehnter in späteren Stadien ausbildet, besseren Ersatz für das mehr rostrale, in Kollision mit dem Kiemenkorb gerathene Gebiet gefunden hat. Bei Spinax da- gegen ist es statt zu einem Neuerwerb, zur Reduktion gekommen. Bei Torpedo schreitet die Ausdehnung der Brustflossenleiste zu weit höheren Graden als bei Seylliiden fort. In meinem jüngsten Stadium der vollständigen Anlage (Embryo von 13 mm Länge, Taf. XXV Fig. 3) reicht dieselbe mit dem Hinterrande bis zum Vor- derrand des 27. Myotoms. MOLLIER, welcher gleichfalls Embryonen von Torpedo narce s. ocellata untersuchte, beschreibt die Ein- schniirung, welche die Brust- und Beckenflosse von einander ab- grenzt, und sagt, dass er sie zwischen 27. und 28. Rumpfsegment getroffen habe (1894, pag. 11). Ich kann wohl mit Recht annehmen, dass MOoLLIER, da er keine Angaben macht über das, was er unter erstem Rumpfsegment versteht, der üblichen, aber unrichtigen Me- thode van Wiyue’s und der meisten übrigen Autoren gefolgt ist und als ersten Rumpfurwirbel den ersten im Besitz eines Ganglions be- findliehen Somiten angesehen hat!. In dem betreffenden Stadium besitzt der zweite Rumpfsomit das erste Ganglion (siehe I. Theil dieser Arbeit, pag. 447). Die Moruier'schen Zahlen sind desshalb um eins zu hoch angesetzt. Bringt man dies in Anrechnung, so hat er, gerade so wie ich, in Wirklichkeit die Grenze der Brust- flosse zwischen 26. und 27. Myotom gefunden. Außerdem sagt MoLLIER aber an zwei Stellen seiner Arbeit, dass sich die erste Anlage der Brustflosse über die (26 d. i.) 25 ersten Rumpfsomiten erstrecke und dass die Beckenflosse bereits am (27. d. i.) 26. Myo- tom begänne (pag. 10 und 56). Ob in der That vor dem von mir 1 Es geht dies auch daraus hervor, dass der Autor RABL’s Ansicht accep- tirt, der Hypoglossus sei ein Kopfnerv (l.c. pag. 152). Als solcher könnte er freilich keine dorsalen Wurzeln besitzen, denn diese sollen durch den Vagus repräsentirt werden. 522 Hermann Braus ar) untersuchten Stadium noch ein solches vorkommt, in welchem die Brustflosse um ein Segment weniger weit nach hinten reicht als ich fand, konnte ich nicht nachprüfen, da mir die betreffenden Stadien fehlten. Ich halte es jedoch für sehr wohl möglich. Denn, abge- sehen von später zu erwähnenden Einrichtungen im Muskelsystem, die ebenfalls darauf hindeuten, zeigen die folgenden Stadien die hier zweifelhafte Bewegung der Brustflossenleiste nach hinten deut- lich. Bei einem Embryo von 20 mm Länge reicht dieselbe bereits bis zum 28., und bei einem solchen von 25 mm Länge bis zum 30. Somiten. Bei ausgebildeten Thieren ist die letztere Stellung bei- behalten. Im Ganzen vergrößert sich die Extremitätenleiste caudal- wärts um drei (bis vier?) Urwirbellängen. | Über die Situation des Vorderrandes der Leiste zu den Ur- wirbeln konnte ich mir keine genaue Rechenschaft geben, da sich in meinem jüngsten Stadium bereits die ventralen Fortsätze von den Somiten gelöst haben, die Nerven aber die Bestimmung der serialen Zahl derselben nur muthmaßlich gestatten. Denn der Plexus cervico- brachialis des Rochen ist so diek und lang, dass es äußerst schwer hält, auf Schnittserien seine Elemente gesondert zu verfolgen. Ich verzichte desshalb lieber ganz auf die Wiedergabe meiner diesbe- züglichen Versuche. So viel steht fest, dass die Brustflossenleiste von Torpedo bei der ersten Anlage viel weiter nach hinten reicht als diejenige von Pristiurus, und dass sie sich in der weiteren Entwicklung noch mehr caudalwärts vorschiebt. Man wird darin nur eine weitere Ausbil- dung des schon zwischen Spinax und Pristiurus, einem niederen und höheren Squaliden, bestehenden Unterschiedes erblicken können. Denn bei Pristiurus erstreckte sich die Anlage bei der ersten Ent- stehung um vier Somiten weiter caudalwärts als bei Spinax, und die weitere Entwicklung ließ die Differenz auf sieben Somiten durch die Ausdehnung des hinteren Randes der Extremitätenleiste bei Pristiurus nach hinten wachsen. An letzteren Zustand knüpft Torpedo an, in- dem statt am 16. Somiten zuerst am (26.?) 27. das Hinterende der Brustflosse auftaucht, um dann weiter noch bis zum 30. nach hinten zu wachsen. Jedenfalls wird man nicht umgekehrt Pristiurus von Torpedo und Spinax von Pristiurus ableiten können, wie dies die Lateralfaltenhypothese verlangt; denn sowohl bei Pristiurus wie bei Torpedo zeigt die spätere Entwicklung den Hinterrand der Brust- flossenleiste in fortschreitender progressiver (eaudalwärts gerichteter) Verschiebung, nicht in retrograder (rostralwärts gerichteter) Verkürzung. Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 523 Es kann in Folge dessen auch nicht auffallen, dass die Brustflossen- leiste bei Torpedo mit der Beckenflossenleiste sekundär verschmilzt, da sie während der Ontogenese in deren Gebiet vordringt. Die Beckenflossenleiste ist besonders geeignet, die Verschie- bungen zu demonstriren, welche wihrend der Entwicklung erfolgen. Denn dieselben sind, bei Squaliden wenigstens, viel stiirker als bei der vorderen Extremititenleiste. Fiir Spinax niger bitte ich die vier ersten Figuren auf Taf. XXII mit einander zu vergleichen. Die Mesodermverdickung beginnt in Fig. 1 am 21. U.-W. und endet am 31. U.-W., PAD) ern obs Saye «DSi Stal Si kateDSinolisd Mine Ha Ey Aa lei - Si HI Die Verschiebung am rostralen Rand ist eine ausgiebigere als die- jenige am caudalen. In Folge dessen tritt eine Verkleinerung der Basis der Extremitätenleiste mit fortschreitender Entwicklung ein. Auf diese werde ich erst nach Betrachtung der Muskelentwicklung zurückkommen. Bei Pristiurus reicht die Beckenleiste auf Taf. XXIV Fig. 2 vom 24. U.-W. bis zum 35. U.-W., =F a We Sn Sram > Ältere Embryonen habe ich hier nicht daraufhin untersucht. Doch zeigen schon die beiden Stadien, dass ähnliche Verhältnisse wie bei Spinax vorliegen. Bei Torpedo rückt der vordere Rand der Beckenleiste in dem- selben Maße nach hinten, wie der hintere Rand der vorderen Extre- mität. Er liegt also zuerst am (26. MoLLIER) 27., dann am 28., und schließlich am 30. Somiten. Die Verbindung zwischen vorderer und hinterer Extremitätenleiste bleibt so lange erhalten, bis die definitive Stellung der Grenze beider Flossen, wie sie sich auch beim ausgebildeten Thier findet, erreicht ist. Die Brustflosse läuft eine Zeit lang caudalwärts in einen Wulst von geringer Höhe aus, welcher aus dicht gestellten Mesodermzellen besteht und von der Ektodermleiste bedeckt wird (Taf. XXV Fig. 1). Dieser setzt sich nach hinten in den Anfang der Beckenflosse fort. Bei Embryonen von 25 mm Länge jedoch, bei welchen die Extremitätenleisten ihre defini- tive Position eingenommen haben (siehe oben), ist die meso- und ektodermatische Verbindungsleiste aufgelöst. Es hat sich die Brust- flossenleiste dorsalwärts gegen die Beckenflossenleiste verschoben. Gleichzeitig deckt der hintere Rand der ersteren den vorderen der 524 Hermann Braus letzteren. Daher kommt es, dass auf einer Reihe von Querschnitten durch einen solehen Embryo beide Extremitätenleisten zugleich zu sehen sind. In Taf. XXV Fig. 2 ist links das hinterste Ende der Leiste der vorderen und ein schon ziemlich weit vom Anfang ent- fernter Theil der hinteren Flosse getroffen, rechts dagegen der erste Anfang der hinteren und ein vom Hinterende ziemlich entfernter Theil der vorderen Extremität. Die Situation des hinteren Randes der Beckenflossenleiste er- mittelte ich bei Torpedo nicht, da mir zur Anfertigung von durch- sichtigen Präparaten das genügende Material fehlte. Doch ergab die Untersuchung des Nervensystems einen Ersatz dafür. Ich werde die Befunde im nächsten Kapitel mittheilen. Die in diesem Theil aufgeführten Thatsachen werden einen Ein- bliek in die komplieirten Verschiebungs- und Formveränderungspro- cesse gestatten, welche die mesenchymatischen Seitenleisten erfahren. Diesen kann die Koncentrationshypothese nicht gerecht werden. Es wird meine Aufgabe sein, den ursächlichen Faktoren für die Gestal- tung der Leisten nachzugehen, ehe ich die erwähnten Details unter gemeinsamen Gesichtspunkten zusammenfasse. B. Erste Anlagen der Extremitätenmuskulatur: Muskelknospen. Es gilt als sicher bewiesen, dass die Extremitätenmuskulatur der Selachier von den Mesodermsegmenten nicht durch auswandernde mesenchymatische Elemente (Proliferation), wie das Bildungsgewebe der Flossenleisten, gebildet werde, sondern durch geschlossene Ab- gliederungen von Theilen der Urwirbel in Form von Mesothel. Von letzteren soll in diesem Kapitel ausschließlich die Rede sein. Auch diesen Vorgang erkannte im Wesentlichen bereits BALFOUR. Er schildert ihn wie folgt: »Die Zellen, aus denen diese Muskeln her- vorgehen, stammen von den Muskelplatten ab. Wo diese nämlich mit ihren Enden die Gliedmaßenanlagen erreichen, da biegen sie nach außen ab und treten in das Gewebe der letzteren ein (Fig. 380). Auf diese Weise kommen kleinere Stücke mehrerer Muskelplatten ins Innere der Gliedmaßen zu liegen, um sich bald von den eigent- lichen Muskelplatten abzugliedern. Dann geben sie ihre ursprüng- liche Selbständigkeit bald auf. Es ist jedoch kaum zu bezweifeln, dass sie das Gewebe für die Muskeln der Gliedmaßen liefern« (1881, pag. 607). Zur vollen Bestätigung und zum Ausbau dieser ziemlich allgemein gehaltenen Beschreibung trugen eine Reihe sehr Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 525 eingehender Arbeiten bei. Donrn (1884) findet, dass jedes Myotom zunächst zwei Stücke, für welche er die Ausdrücke »Säckchen oder Knospen« einführt, produeirt, ein vorderes und ein hinteres. Dies sind die Primärknospen. Sie wachsen in die Flossenanlage hin- ein, verlängern sich und theilen sich in je eine dorsale und ventrale Sekundärknospe. Donrn verfolgte sie bis zur Umwandlung in Muskelfasern. Die Gesammtzahl der Knospen und ihre seriale Ab- stammung zu ergründen, wurde nur beiläufig von ihm versucht und blieb der Hauptsache nach der Zukunft vorbehalten. Doch fand Dourn bereits die wichtigen Knospen im Flossenzwischenraum, von dessen Myotomen er sagt: »Sie bilden wie die vorhergehenden gleichfalls Muskelknospen, welche aber nicht zur weiteren Entwick- lung gelangen, und allmählich zu Grunde gehen« (pag. 179). P. MAYER (1887) bestätigt die Angaben Dourn’s und fügt eine Kor- rektur über die postanalen Muskelknospen hinzu, welche zur Becken- flosse und nicht, wie Dourn glaubte, zur unpaaren Analflosse ge- hören. ZIEGLER (1888) spricht seine allgemeinen Anschauungen über die Muskelknospen aus, auf die ich an anderer Stelle eingehe. Rabu (1893) und MoLLıer (1894) schildern übereinstimmend für Torpedo eigenthümliche Ring- und Sichelstadien, welche bei der Abschnürung der proximalen Primärknospen vom Myotom und bei der Theilung derselben in die Sekundärknospen zu Stande kommen. Bei Squaliden (Seylliiden, Carchariiden) verlaufen diese Processe nach ihnen jedoch viel einfacher ab. Vor Allem Ragr, aber auch MoLLIER wenden der Zählung der jeder Flosse zukommenden Muskelknospen und der Bestimmung der Muttermyotome, denen sie entstammen, große Auf- merksamkeit zu. Bezüglich ersterer werden ziemlich genaue Resul- tate für die untersuchten höheren Squaliden und Rochen erzielt. RABL untersucht auch von Neuem die »Abortivknospen« im Zwischen- flossenraum, kommt aber zu keinem anderen Resultat als DoHRN und bestätigt, wie schon P. Mayer (1887) vor ihm, dass sie zu Grunde gehen. Auf weitere Details, namentlich bezüglich der Ner- ven, komme ich im Zusammenhang mit meiner Schilderung zurück. Ich wende mich zu meinen Untersuchungen. Bei Spinax niger verläuft die Abschnürung der Primärknospen von den Muttersomiten sehr einfach, indem sich am vorderen und hinteren Ende der ventralen Myotomkante je ein tropfenförmiger Auswuchs bildet (Taf. XXIV Fig. 6), der sich wie bei Pristiurus bald abschniirt. Bei Mustelus erfolgt nach Monier die Trennung erst zur Zeit der Theilung der Primärknospen in die sekundären (1894, 596 Hermann Braus pag. 22). Bei Torpedo besteht sie noch länger. Der letzte Rest der Verbindung verschwindet erst im Sichelstadium (siehe unten). Die Spaltung der Primärknospen in die sekundären erfolgt je- doch bei Spinax in sehr komplicirter Weise. Die Bilder, welche man in den einzelnen Schnitten von Serien zu Gesicht bekommt, sind in Folge dessen nicht leicht zu verstehen. Da aber eine große Ähnliehkeit mit den bei Torpedo von RABL und MOLLIER beschriebenen und namentlich von Ersterem durch genaue Rekonstruktionen ver- deutlichten Processen besteht, so gewährte mir die Litteratur große Hilfe für das Verständnis des Vorganges. Ich fertigte selbst eine Reihe von Rekonstruktionen auf Ölpapier an und reprodueire die wichtigeren als Kontourzeichnungen in den hier folgenden Text- figuren. Mit wenigen Ausnahmen verläuft der Theilungsvorgang bei allen Knospen der Brust- und Beckenflosse von Spinax identisch. Doch bleibt die vordere, rostrale Knospe gegenüber der hinteren, caudalen desselben Myotoms in den späteren Stadien der Theilung etwas zurück, da bei der letzteren der Process in abgekürzter Weise ver- läuft. Ich beschreibe zunächst den Vorgang bei den typisch sich theilenden rostralen Brustflossenknospen. In einer Querschnittsserie eines Embryos von 20 mm Länge (70 U.-W.) finde ich alle Stadien des Theilungsvorganges, indem sich die Knospen, je weiter sie caudalwärts in der Flossenleiste liegen, um so näher dem Anfange, je weiter rostralwärts, um so näher dem Ende der Theilung befinden. Die Knospen des achten und siebenten Myotoms haben die Form einer runden dünnen Scheibe, welche ein wenig schräg in der Mesodermleiste steht (wie auch in älteren Sta- dien, z. B. Taf. XXI Fig. 2, von oben gesehen). RABL sagt von Torpedo von einer solchen Knospe: »sie hat die Form einer breiten, dünnen Platte und zeigt an ihrer vorderen Fläche eine grubenför- mige Vertiefung« (1893, pag. 122). Diese ist erst bei der Knospe des siebenten Myotoms bei Spinax aufgetreten und bereits bei der des sechsten durchgebrochen: zweites Stadium RAgrL’s (»die Grube ist zu einem ovalen Fenster geworden«). Anfangs ist das Loch sehr eng, bei der Knospe des fünften Myotoms jedoch beträchtlich er- weitert. Ich bezeichne dieses Stadium als Ringstadium. Konstant springt eine kleine Erhöhung an der ventralen Ringspange kurz vor dem Beginn des lateralen Verbindungsbügels in das Lumen des Ringes vor (siehe auch Textfig. 8). Doch ist das Ringstadium nur kurze Zeit vollständig erhalten. Schon bei der Knospe des fünften Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 527 Myotoms sind die Kontouren des medialen Verbindungsbügels ein wenig aufgelockert. Bei derjenigen des vierten (Textfig. 5) hat die Auflösung zugenommen (punktirte Kontourlinie). Doch kann man bei Tinktionen an der dunkleren Färbung der Zellenkerne, die den Zellen der Knospen eigen ist, noch deutlich das Gewebe des Bügels erkennen. Gleichzeitig beginnt die dorsale Ringspange distalwärts stark und proximalwärts ein wenig auszuwachsen. Bei der Knospe des vierten Somiten ist der mediale Verbindungsbügel in seinem dorsalen Theil vollständig geschwunden, ventral sind aber Reste von ihm erhalten, die als Vorsprung dem ventralen Horizontalarm aufsitzen. Da der laterale Verbindungsbügel nach wie vor besteht, hat die Knospe die Form Fig. 8. einer Sichel und gleicht in so fern dem Ragr’schen Sichelstadium bei Tor- pedo. Auch dort wird dasselbe ein- geleitet durch den Durchbruch des Fen- sters der Knospe, welcher gleichfalls dorsalwärts erfolgt. Aber der mediale Verbindungsbügel löst sich nicht theil- weise auf wie bei Spinax. Er bleibt viel- mehr mit der unteren Myotomkante in Verbindung und wächst, nachdem sich xostrale Knospe und Nerv des vierten diet Knospevanch’ ventral’ mit ihrem’) Mrotous“ Rekonstruktion -nach einer j > : Querschnittsserie eines Spinax-Embryos horizontalen Bügel von ihm abgeschnürt von 70 U.-W. und 20 mm Länge. Die hat, als ventraler Myotomfortsatz in Snore wird oben und unten vom Ekto- derm der transversal durchschnittenen die Bauchregion weiter. Dann erst Flossenleiste berührt. Links vom Ner- hat bei Torpedo die Knospe das Sichel- ee am nz stadium erreicht (RABL, 1893, Taf. VIII 95fach. Fig. 7d, e, f). Der Unterschied zwi- schen Spinax und Torpedo beruht darauf, dass bei Torpedo das Myotom mit der Knospe bis zum Sichelstadium derselben in Verbindung bleibt und im Ringstadium den oben »medialen Verbindungsbiigel« genannten Theil des Ringes bildet. Nur der laterale Theil des Ringes löst sich zuerst mit der dorsalen, dann mit der ventralen Horizontalspange ab und wird dadurch zur freien Sichel. Der kleinere mediale Theil bleibt als Stück des Somiten erhalten und wächst mit diesem weiter. Bei Spinax dagegen ist schon das Ringstadium vom Myotom losgelöst und frei. Kein Theil des Ringes kehrt in den Verband mit dem Myotom zurück. Der mediale Verbindungsbügel löst sich aber von oben nach unten all- 528 Hermann Braus mählich auf. Er erinnert dadurch an sein Verhalten bei Torpedo; denn er wird auch bei Spinax wahrscheinlich nicht zum Aufbau der Knospen verwendet. Der ventrale Theil des medialen Verbindungsbügels bleibt noch bei den Knospen des dritten und zweiten Somiten in Resten er- halten. Er geht, wie in älteren Serien zu sehen, weitere Verände- rungen ein, die ich zugleich mit denen am entsprechenden Theil der caudalen Knospen weiter unten beschreiben will. Die bei der Knospe des vierten Myotoms angebahnte Verlängerung der dorsalen Spange, des späteren Sichelbügels, schreitet nur langsam vorwärts. Die Form der Sichel ist auch bei den Knospen des dritten und zweiten Somiten noch ziemlich beibehalten. Doch sind die Spitzen der Sichel beim zweiten kürzer; die Knospe hat mehr die Form einer Hantel. Die Knospe des ersten Myotoms ist noch abweichen- der von den übrigen gestaltet (Textfig. 11 pag. 532). Ich stimme für Spinax Rabu bei, welcher vom Sichelstadium bei Torpedo sagt: »Diese Form hält die Knospe durch lange Zeit bei!. Die Spangen streeken sich immer mehr in die Länge und wachsen zu dünnen, schmalen Strängen aus, bleiben aber durch geraume Zeit an ihren lateralen Enden mit einander in Verbindung« (pag. 123). Erst später reißt der laterale Verbindungsstrang ein, so dass dann die dorsalen und ventralen Sekundärknospen völlig getrennt sind. Bei der Brustflosse von Spinax tritt das erst bei Embryonen von 27 mm Länge ein, bei welchen die ersten embryonalen Muskelfasern sich bilden, und die Knospen sich auch noch in anderer Weise zu den Anlagen der Mm. radiales der Flosse umgestalten (siehe nächstes Kapitel). Bei den Beckenflossenknospen spielen sich die Theilungspro- cesse innerhalb der rostralen Knospen in derselben Weise, wie oben geschildert, ab. Ein Schnitt durch ein Ringstadium, von welchem der laterale Bügel und die beiden Horizontalspangen getroffen sind, ist in Taf. XXIII Fig. 10 abgebildet. Er entstammt einer Quer- schnittsserie eines Embryos von 26 mm Länge, in welcher, wie bei Jüngeren Stadien in der Brustflossenleiste, in der Bauchflossenanlage alle Stadien des Theilungsvorganges zu beobachten sind. Von der caudalen Primärknospe bei Torpedo giebt RABL an, dass sie »während der Ablösung etwas anders aussieht, doch läuft der Process der Hauptsache nach in derselben Weise ab, wie bei 1 Nach Mouuier soll der laterale Verbindungsstrang bald verschwinden (l. e. pag. 20). Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 529 der vorderen Knospe« (pag. 122). MorLıer beschreibt denselben wie folgt: »Wir vermissen hier stets die Aushöhlung derselben, und die Knospen verharren in ihrer ursprünglichen Form einer abge- platteten Kugel bis zu der beginnenden horizontalen Einschnürung, welche die Trennung in die beiden sekundären bewirkt« (1894, pag. 21). Bei Spinax niger verfolgte ich den Theilungsprocess in der- selben Brustflossenleiste, welcher oben die Beschreibung der rostralen Knospen entnommen ist. Die hintersten caudalen Knospen besitzen dieselbe Form wie die rostralen. Auch bildet sich in der Knospe des siebenten Myotoms eine Aushöhlung. Doch ist dieselbe me- dialwärts in einen Spalt fortgesetzt, welcher den medialen Verbin- dungsbügel der Knospe in seinem dorsalen Theil durchsetzt. Schon bei der Knospe des sechsten Somiten ist die Aushöhlung zu einem weiten Fenster durchgebrochen, gleichzeitig aber der mediale Spalt so erweitert, dass eine Art Sichel mit kurzen medialen Spangen entsteht, die mehr einer Hantel zu vergleichen ist. Bei der folgenden Knospe (fünfter Somit) beginnt sich der Verbindungsstrang des dorsalen und ventralen Theiles an seinem unteren Ende aufzulösen, bei der des vierten Myotoms ist er ver- schwunden (Textfig. 9). Die dorsale Sekundärknospe beginnt distalwärts auszuwachsen. Doch vollzieht sich das Längenwachsthum langsam. Die Umwandlung in embryonale Muskel- fasern und die Umgestaltung in die Crane, tm vet Abm Jim Mm. radiales erfolgt gleichzeitig mit Länge. Im Übrigen wie Textfig. 8. derjenigen der vorderen Knospen. Bei den caudalen Knospen ist von vorn herein der Process der Fensterung (Ringstadium) mit demjenigen der medialen Trennung (Sichelstadium) kombinirt. Die Vorgänge vollziehen sich so schnell, dass die caudale Primärknospe desselben Myotoms bereits in die beiden sekundären zerfallen ist (Textfig. 9), während die rostrale fast rein das Ringstadium bewahrt und erst Spuren der beginnenden Trennung erkennen lässt (Textfig. 8, pag. 527). Dass aber im Grunde die Processe bei beiden Knospen ähnliche sind, geht aus der Art der Trennung der caudalen Knospen hervor. Der Riss beginnt bei 530 Hermann Braus letzteren medial und dorsal. Er lässt in Folge dessen gerade so wie bei der rostralen Knospe eine Zacke stehen, welche dem medialen jeginn der ventralen Horizontalspange aufsitzt (Textfig. 9). Der Lage nach kann diese Zacke nur dem medialen Verbindungsbügel des Ringstadiums in der rostralen Knospe verglichen werden (Text- fig. 8). Der Riss geht dann weiter lateral und zertrennt den äußeren Verbindungsbügel, der bei beiden Knospen erhalten ist, in seinem ventralen Theil. Er lässt in Folge dessen eine Zacke stehen, welche dem lateralen Theil der dorsalen Sekundärknospe anhängt (Textfig. 9). Der Lage nach kann diese nur mit dem lateralen Verbindungsbügel des Ringstadiums rostraler Knospen verglichen werden (Textfig. 8, pag. 527). MOLLIER hat noch besonders auf die Lage der Sichel in der Extremitätenleiste bei Torpedo aufmerksam gemacht. Die. dorsale Spange liegt von vorn herein in der definitiven Lage. Erst nach der Trennung in dorsale und ventrale Sekundärknospen »senkt sich die ventrale in dem Mesoblast der Seitenfalte nach abwärts und nimmt gegenüber der dorsalen ihre Lage an der ventralen Begrenzungswand« (pag. 20). Bei Spinax nimmt dagegen die Primärknospe vom Beginn des Theilungsvorganges an den ganzen (uesschnuti der Extremitäten- leiste ein (Textfigg. 8 und 9). Bei etwas älteren Embryonen von Spinax gehen die beiden Tochterknospen desselben Somiten manchmal eine Verbin- dung mit einander ein. Solche Anastomosen sind in Fig. 2, Taf. XXI an allen Stellen, an welchen ich sie beobachtete, angedeutet. Ich glaubte eine Zeit lang, dass dieselben primitive Zusammenhänge der Knospen seien, indem ich mir vorstellte, es schnürten sich nicht nur die Knospen, sondern auch eine schmale Spange von der ventralen Myotomkante ab. Später lehrte mich aber die Kenntnis noch etwas Jüngerer Stadien, bei welchen sämmtliche Knospen zwar abgeschnürt, aber getrennt sind, den wahren Sachverhalt verstehen. Die Verschmelzung geht von der medialen Verbindungsspange aus, welche bei den proximalen Knospen nach der Auflösung des »Ringes« als ventraler Rest übrig bleibt und welche bei den caudalen überhaupt nur in Form eines ventro-medialen Höckers zur Ausbildung kommt. Diese beiden ventralen Hickerchen schieben sich auf ein- ander zu, lösen sich dabei entweder von der Knospe ab und ver- schwinden oder erhalten sich noch eine Weile. In manchen Fällen verbinden sie sich mit einander und behalten auch den Zusammen- hang mit den Knospen. Dann entsteht die Anastomose zwischen Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 531 rostraler und caudaler Knospe, um die es sich hier handelt (Text- fig. 10). Das spätere Schicksal dieser Anastomosen habe ich nicht mit Sicherheit ermitteln können. Es treten nämlich bald andere, sehr wichtige Anastomosen auf, welche nicht nur die Knospen des- selben Muttermyotoms, sondern auch diejenigen verschiedener mit einander verbinden. Dieselben sind von MOLLIER bereits beschrieben worden und werden von mir im nächsten Kapitel behandelt werden. Es ist möglich, dass die älteren Anastomosen in diese Jüngeren auf- gehen, und wahrscheinlich, dass ihr Material zur Bildung von Muskel- gewebe verwendet wird. Doch kennzeichnet sie ihr wechselndes Verhalten bei den verschiedenen Knospen als mehr zufällige Anasto- mosen, von denen es für den Organismus unwichtig ist, ob sie zu Stande kommen oder nicht. Wenn desshalb auch Elemente von ihnen in die späteren Anastomosen aufgenommen werden sollten, so bilden diese gewiss keine wesentlichen Bestand- theile der letzteren. Es scheint mir, dass die älteren Ana- stomosen (Textfig. 10) irgendwie mit der Ausbildung der Nerven in Zusammenhang stehen. In dem jüngsten Stadium nach Trennung der Primärknospen von den Muttermyotomen vermisse ich bei den caudalen Knospen gerade so wie RABL und MoLLIER einen deutlichen Nervenast (Textfig. 9). Bei den rostralen ist dagegen ein solcher zu sehen, der sich medial vor Fig. 10. Rechts der Nerv des sechsten Myo- toms und die beiden Primärknospen desselben. Zwischen ihnen liegt ein der Knospe in einen dorsalen und ventralen Ast spaltet (Textfig. 8). MOLLIER beschreibt den Nerven bei Torpedo folgendermaßen: »Sind die Primärknospen in der Mitte der Seitenleiste angelangt, so sehen wir die isolirter Rest des medialen Verbin- dungsbügels. Links verbindet der- selbe die Primärknospen des sieben- ten Myotoms. Rekonstruktion nach einer Horizontalserie durch einen Embryo von 70 U.-W. und c. 25 mm Länge. Vergr. 130fach. nun folgende Bildung der sekundären zuerst von den Nerven angezeigt, indem sich dieselben in der Höh- lung der Knospen!, Fig. 7, in zwei Äste spalten, von denen der dorsale zur oberen, der ventrale zur unteren Knospenwand zieht. In diesem Stadium glaubte ich auch erkennen zu können, wie von jenem Abschnitt des Spinalnerven, welcher in der Knospenhöhlung verläuft, kurz vor seiner Theilung in dorsalen und ventralen Ast, ein feiner Zweig zur distalen Knospe desselben Somiten zieht. Eine weitere Thei- ! Im Text nicht hervorgehoben. 532 Hermann Braus lung in zwei Äste sah ich nicht« (pag. 26). In demselben Stadium erkenne auch ich bei Spinax zuerst die Nervenäste zur caudalen (-distalen) Knospe (Textfig. 10 u. Taf. XXIV Fig. 7). Da auch sie sich medial von der Theilungsstelle des Spinalnerven in einen dorsalen und ventralen Zweig vom Nervenstamme ablösen, müssen sie wie die Ver- zweigungsstelle selbst (Textfig. 8) medial von der Höhlung der Knos- pen und den Resten des medialen Verbindungsstranges liegen. Der Lage zum Nerven nach entsprechen dieser Situation die vorhin bespro- chenen frühzeitigen Anastomosen und Zellenhäufehen, die zwischen zwei von demselben metameren Nerven versorgten (haploneuren) Knospen liegen (Textfig. 10). Sie gerathen als rudimentäre Bildungen gleich- zeitig mit der vollen Ausbildung des caudalen Nervenastes in den anfangs freien Zwischenraum zwischen den haploneuren Knospen und verdanken dies möglicherweise den Entwicklungsprocessen, welche am Nerven an dieser Stelle in pro- Fig. 11. ximo-distaler Richtung verlaufen. Die Lage der Nerven bei Spinax und ihre Verzweigung außerhalb der Höhle der Knospen zeigt, dass die Vermuthung MorL- LIER’s nicht richtig sein kann, das. Ring- stadium sei eine Folge der Lage der Ner- ven in dem Fenster der Knospen (pag. 25). Dies ist zwar bei Torpedo, aber nicht all- gemein der Fall. Bei der großen Vielgestaltigkeit der bei der Knospenbildung und -theilung vorkom- Die Knospe des ersten Myotoms menden Vorgänge ist es nothwendig den a a tie „Process nach allen Richtungen hin zu ver- Übrigen wie Textfig. 8. folgen, um Nebensächliches von allgemein Wichtigem zu sondern und zu einem Ver- ständnis desselben zu gelangen. Ich habe desshalb noch denjenigen Knospen bei Spinax gerecht zu werden, welche nicht die für die meisten typische Art der Theilung zeigen. Für die Brustflossenleiste schnüren sich in rostro-caudaler Rich- tung successive Knospen vom ersten bis elften Somiten ab. Von diesen ist beim ersten und elften Somiten nur je eine Knospe vorhanden, bei allen übrigen jedoch zwei in der üblichen Weise. Beim ersten Somiten ragt zwar in frühen Stadien (Taf. XXI Fig. 1) auch die rostrale Kante des ventralen Myotomrandes in die Mesodermleiste ein wenig vor. Nur die caudale Kante produeirt eine Art Knospe. Beim elften Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 533 Myotom bildet sich nur am rostralen Beginn der ventralen Kante eine solche, welche stark rostralwärts gebogen ist und desshalb unter den hinteren Theil des zehnten Somiten zu liegen kommt (Taf. XXIII Fig.1). Diese Knospe ist bereits im folgenden Stadium verschwunden. Die des ersten Somiten entwickelt sich jedoch weiter (Textfig. 11). Sie bildet ein solides Körperchen, welches nach der Loslösung vom Myotom im dorsalen Theil der Flossenleiste liegt und einen ventralen Fortsatz entwickelt. Gleichzeitig theilt sich der Nerv in einen dor- salen und ventralen Ast. Später schnürt sich dieses Gebilde hori- zontal durch und löst sich dann in dem umgebenden Mesoderm- gewebe auf (Taf. XXI Fig. 2, roth punktirte Stelle). Doch bleibt der Nerv erhalten und existirt noch beim ausgebildeten Thier. Die Elemente gehen also nicht zu Grunde. Wir werden ihnen im fol- genden Kapitel in den Mm. radiales wieder begegnen. Die ersten Entwicklungsvorgiinge dieser Knospe sind sehr ein- fach gegenüber den komplieirten der meisten Brustflossenknospen. Doch giebt es Übergänge zu diesen in der rostralen Knospe des zweiten Myotoms, bei welcher kein deutliches Sichelstadium vor- handen ist, vielmehr eine Form der Knospe kurz vor der Trennung zu Stande kommt, die mehr einer Hantel ähnelt, wie ich oben er- wähnte. Auch die Knospen des zehnten Somiten verhalten sich auf- fallend. Die caudale geht wie die des elften zu Grunde; die rostrale löst sich vom Muttermyotom los und liegt lange Zeit ungetheilt neben dem neunten Somiten (Taf. XXI Fig. 3, Taf. XXIII Fig. 2). Später theilt sie sich in zwei Theile, von denen der eine in die dorsale, der andere in die ventrale Muskulatur der Brustflosse ge- langt, wie der Nervenast anzeigt, der bei älteren Embryonen (Taf. XXI Fig. 4) und bei dem ausgewachsenen Spinax (BrAus, 1898, Taf. XI Fig. 5, Taf. XVII) in die Brustflosse verläuft. Bei den Knospen des neunten Myotoms kommen, freilich etwas verspätet, Ring- und Sichelstadien zur Ausbildung. Caudalwärts von der Brustflossenleiste sah ich bei Spinax niger die erste Knospe vom 18. Somiten ausgehen. In dem Zwischen- | raum zwischen dem 11. und 18. Myotom kamen mir keine Knospen- bildungen zu Gesicht. Die Stadien, welche ich besitze, folgen so kurz auf einander, dass sich an einen Embryo von 19 mm Länge und 68 U.-W., dessen ausgebildete Knospen bis zum achten Somiten reichen (Taf. XXI Fig. 1) und bei welchem in der Gegend der späteren Becken- flosse der Mesodermwulst angelegt ist, ein soleher von 20 mm Länge und 70 U.-W. anschließt, bei welchem die Knospenbildung vorn bis Morpholog. Jahrbuch. 27. 35 534 Hermann Braus zum elften Somiten fortgeschritten ist; hinten haben sich bei letzterem zugleich mit der Ektodermleiste und größeren Prominenz der mesen- chymatischen Anlage deutliche Knospen beim 18.—29. Somiten ent- wickelt (Taf. XXII Fig. 1). Ich glaube desshalb, dass in der That bei Spinax die sechs Myotome 12—17 oder doch die Mehrzahl derselben bei der Knospenbildung übersprungen werden. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als bei Seylliiden, bei welchen von Dourn (Pristiurus, Seyllium?), Mayer und RABL (Pristiurus) im ganzen Zwischenflossen- raum bei jedem Somiten Knospen gefunden wurden, der Nachweis nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. RABL fand sie in drei verschiedenen Stadien, für die er leider keine vergleichbaren Maßangaben macht (1893, pag. 118). Ich konnte sie unter den ver- hältnismäßig wenigen Stadien von Pristiurus-Embryonen, die mir zur Verfügung standen, auch nachweisen (Taf. XXIV Fig. 2). Die Embryonen waren 18 mm lang. Die Urwirbel zu zählen war mit großen Schwierigkeiten verbunden, da dieselben stark geknickt und über einander geschoben waren. Es waren ihrer aber mindestens 100. Der jüngste Embryo, bei welchem RAaBL Knospen bei den Somiten im Zwischenflossenraum sah, hatte 96—97 U.-W. Die Entwicklungs- epoche, während welcher bei Pristiurus diese Knospen existiren, ist also mindestens gerade so lang wie diejenige, deren Anfang bei Spinax durch das Stadium von 68 U.-W. und deren Ende durch das von 70 U.-W. gebildet wird. Es müsste ein sehr viel schnelleres Auftreten und Verschwinden der fraglichen Knospen bei Spinax gegenüber Pristiurus stattfinden, wenn dieselben vorhanden wären. Denn nicht einmal jene ganze Entwicklungsepoche, sondern nur ein Bruchtheil derselben stände für die beiden Processe zur Verfügung, da Anfang und Ende derselben nichts davon zeigen. Das ist aber bei der Kürze der Epoche überhaupt, der primitiveren Stellung der Spi- naciden den Scylliiden gegenüber und der relativ großen Zahl der fraglichen Knospen nicht annehmbar. Höchstens könnte ein Bruch- theil derselben (so weit sie dem 17., 16. ete. Myotom angehören) der Untersuchung entgangen sein, da die Entwicklungs- und Rückbil- dungsprocesse rostro-caudalwärts verlaufen. Der Knospungsprocess, der im Bereich der Beckenflossenleiste bei dem Embryo von 20 mm Länge bis zum 29. Urwirbel fortge- schritten und beim 30. spurweise angedeutet ist (Taf. XXII Fig. 1) setzt sich in älteren Stadien noch weiter caudalwirts fort (Fig. 2) und erreicht bei einem Embryo von e. 26 mm Länge das Maximum seiner Ausdehnung. Die letzte Knospe sprosst bei diesem aus dem Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 535 40. Somiten hervor. Von den 23 Myotomen, welche im hinteren Rumpftheil successive Knospen produeiren, lassen die vier vordersten (18.—21.) und das hinterste (40.) nur je eine Knospe aus ihrer ven- tralen Kante hervorgehen. Die übrigen entwickeln je zwei derselben (Fig. 1—3). Von den letzteren wachsen nur die Doppelknospen des 28.—35. Urwirbels und die rostrale Knospe des 36. Somiten in die Extremitätenleiste direkt hinein (Fig. 3) und theilen sich hier in der oben beschriebenen komplieirten Weise, indem ein Ring- und Sichel- stadium bei der rostralen Knospe deutlich, bei der caudalen in etwas veränderter Form zu Stande kommt. Die Knospen des 18.—27. gehen regressive Metamorphosen ein und zum Theil zu Grunde. Über ihre Schicksale wird im folgenden Kapitel genauer berichtet werden. So weit sie in die Beckenflossenleiste gelangen, erfolgt auch eine Vertheilung des von ihnen gelieferten Materials an die Streck- und Beugeseite der Flosse. Die Trennung verläuft aber als einfache horizontale Durchschnürung, ohne vorhergehende Ring- und Sichel- bildungen. Das Gleiche gilt von der caudalen Knospe des 36. und den Knospen des 37.—40. Somiten. Auch von ihnen geht eine, die letzte (40. Myotom), komplet zu Grunde. Die übrigen kommen zwar schlieb- lich in das Flossenmesoderm hinein; denn ihre Nerven verzweigen sich in älteren Stadien an die dorsale und ventrale Muskulatur (Fig. 4). Aber auch bei ihnen fehlt die subtile Ausgestaltung der Theilung, wie sie bei den serial vorhergehenden Knospen beobachtet wird. Einfachere Theilungen als bei Torpedo sind von RaBL und MoLLIEeR bei den Muskelknospen von Seylliiden- und Carchariiden- embryonen beschrieben worden. RABL vermisst bei Pristiurus die Durchlöcherung der Knospen (Ringstadium von Torpedo 1893, pag. 124). MoLLier beschreibt den Theilungsvorgang bei Mustelus folgender- maßen: »Dieselben (die Knospen nach der Trennung vom Myotom) haben die Form einer in proximo-distaler Richtung etwas abge- platteten Hohlkugel. Während der Urwirbel in seinem ventralen Wachsthum fortschreitet, rückt die Knospe weiter lateral vor, bis sie an der Abgangsstelle der dorsalen Seitenleistenwand angekommen, sich dicht an die Innenseite derselben anlegt. Während dieser Lage- veränderung nimmt die Knospe an Zellenzahl zu, verliert ihr Lumen und ändert allmählich ihre Form, indem sie ventralwärts in einen Zapfen auswächst, der gegen die Übergangsstelle der ventralen Wand der Seitenleiste in die ventrale Rumpfwand zieht. Bald ver- größert und verbreitert sich diese Spitze in der angegebenen Rich- tung und schwillt an ihrem Ende kolbig an, so dass nunmehr die 35* 536 Hermann Braus Knospe Hantelform annimmt. Während der folgenden Größen- zunahmen der beiden Knospenenden wird das Mittelstück ver- schmälert und vollendet durch sein Einreißen den Theilungsvorgang der Primärknospe in die beiden sekundären, welche dann sich be- reits in ihrer definitiven Lage in der Seitenleiste befinden« (1894, pag. 21, 22). Rast hat außerdem die Vermuthung geäußert, dass die Ver- schiedenheit dieser Vorgänge gegenüber den bei Torpedo beobach- teten vielleicht darauf beruhe, dass sich bei Pristiurus die Knospen verhältnismäßig rascher von den Muttersomiten ablösen (pag. 123). Dieselbe trifft schon desshalb nicht das Richtige, weil MoLLIER bei Mustelus ähnliche Theilungsvorgänge wie bei Pristiurus fand, bei denen aber »ein Befund an den bei Torpedo geschilderten Vorgang erinnert, indem hier die Knospen auch noch längere Zeit bis zum Beginn der Theilung mit dem Somiten zusammenhängen« (1893, pag. 22). Bei Spinax andererseits lösen sich die Knospen verhältnis- mäßig rasch ab wie bei Pristiurus, erinnern aber in ihrem Ring- und Sichelstadium an den bei Torpedo beobachteten Typus der Theilung. Daraus kann nur die völlige Unabhängigkeit der- jenigen Trennungsvorgänge, welche den Verband der Knospen mit den Myotomen lösen, von denjenigen, welche aus den Primärknospen die sekundären sondern, gefolgert werden. Die Theilung der Primärknospen in die sekundären bei Seylliiden und Carchariiden, wie sie namentlich MOLLIER im Detail beschrieben hat, ist fast identisch mit derjenigen, welche die Knospe des ersten Myotoms bei Spinax aufweist (Textfig. 11, pag. 532). Es ähneln ihr auch die Theilungen der Knospen des zweiten Somiten und diejenigen der caudalen Knospen der Myotome überhaupt, da bei allen diesen keine Ringstadien und statt der Sichelformen hantelartige Bildungen beobachtet wurden (siehe oben). Alle diese Vorgänge sind zwar ein- facher wie die bei den meisten rostralen Knospen bei Spinax und Torpedo, führen aber eben so zur Ausbildung einer funktionskräftigen Flossenmuskulatur wie diese. Als Riickbildungserscheinungen sind dagegen die Theilungsvorgänge an den Knospen des 10., an der caudalen Knospe des 36. und den Knospen des 37.—39. Somiten, schließlich diejenigen der Knospen im Zwischenflossenraum (bis zu den Knospen des 17. Myotoms einschließlich) zu bezeichnen, weil diese Knospen allmählich in solche übergehen (Knospen des 11., 40., 18. u. ff. Myotome), welche regressiven Metamorphosen bis zu ihrem gänzlichen Verschwinden unterliegen. Die Theilungsvorgänge Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. peripb. Nervensyst. d. Selachier. II. 537 bei ihnen sind nicht bloß einfacher, als bei den übrigen, sondern sekundär vereinfacht. Die Theilungsfiguren der Muskelknospen (Hantel-, Sichel-, Ring- formen) können unmöglich phylogenetische Bedeutung besitzen. Denn Extremitäten irgend welcher Art, bei deren motorischen Elementen die Antagonisten an einer oder zwei Stellen mit einander ver- bunden sind, ohne andere Anheftungspunkte oder gar Beziehungen zum Skelet zu haben, sind undenkbar. Die Verbindungen der späteren sekundären Muskelknospen, aus welchen die antagonistisch wirkende dorsale und ventrale Muskulatur der Flossen hervorgeht, vor ihrer Trennung liegen gerade dort, wo später das Basipterygium mit seinen Radien zur Anlage kommt, und müssen verschwunden sein, um letztere zu ermöglichen. Die komplieirteren Trennungsvor- gänge bei der Anlage der Muskelknospen sind desshalb Cänogenien, d.h. Einrichtungen für dasEmbryonalleben der Thierformen, die für den Aufbau der werdenden Körpergestalt im Einzelnen von der größten Bedeutung, für das schließliche Resultat und die Ablei- tung des betreffenden Organs von anderen, bei niederen Thieren vor- kommenden, jedoch bedeutungslos sind. Die mechanische Aufgabe der Theilungsfiguren im vorliegenden Fall kann vielleicht darin er- blickt werden, dass es für den Organismus von Wichtigkeit ist, von vorn herein eine ausgiebige und gleichmäßige Ablagerung des Bau- materials für die auf der Streck- und Beugeseite der Flossen zu erzeugende Muskulatur herzustellen. Eine möglichst lange bestehende Verbindung mit dem Muttermyotom wird einen ausgiebigeren Abfluss von Zellen desselben nach den Knospen ermöglichen, eine solche der Knospen unter einander wird einen Überschuss auf der einen Fläche gegenüber der anderen besser reguliren können als bei früh erfolgen- den totalen Trennungen. Auch andere Faktoren mögen mit im Spiele sein, wenn man sich, wie dies Rast thut (pag. 123), vorstellt, dass das Material der Verbindungsstücke nachträglich beim Längen- wachsthum der Knospen verbraucht werde; denn ehe das Skelet als Stützapparat der Flossen entwickelt ist, würde möglicherweise das Muskelbildungsmaterial eine zu starke Beschwerung für die zarten Flossenleisten in ihren peripheren Theilen bilden, und desshalb eine vorläufige Aufstapelung eines’ großen Theiles desselben in Form der Verbindungsstücke in der Basis der Flosse zu Stande kommen. Eine Entscheidung in diesen Dingen zu treffen, ist jedoch schwierig', und ! Bei den Verschiebungsverhältnissen der Muskulatur werden sich noch Anhaltspunkte ergeben. 538 Hermann Braus bei rein morphologischen Methoden nicht ohne Bedenken; es würde auch von dem dieser Arbeit gesteckten Ziele zu weit abführen, einer solchen weiter nachzugehen. Von Wichtigkeit ist die cänogenetische Natur der Sonderungs- vorgänge bei den Knospen vor Allem für die Beurtheilung ihrer Verschiedenartigkeit. Wir sehen z. B. durch die mannigfachen An- passungen, welche die frühesten Entwicklungsvorgänge im Morula- und Gastrulastadium bei den verschiedenen Thieren in ihrer Beziehung zu einem wechselnden eänogenetischen Bestandtheil des Eies, dem Dotter, erleiden, große Verschiedenheiten der Furchung und der Keimblätterbildung im Detail zu Stande kommen, welche dem schließ- lichen Endresultat keinen Abbruch thun. Diese Anpassungen bilden sich ohne engeren Zusammenhang mit der phylogenetischen Stellung der Thiere bald bei niederen in großer Vollkommenheit und bei höheren sehr viel weniger vollkommen, bald auch in umgekehrter Weise aus, je nachdem für die betreffende Embryonalform zur Sicherung ihrer Ent- wieklung größere oder geringere Dottermassen nöthig sind oder solche früher oder später überflüssig werden. In ähnlicher Weise stelle ich mir vor, dass bei den Muskelanlagen der Haiflossen die Vertheilung des Materials bald in einfacherer, bald in komplieirterer Weise, bald schneller, bald langsamer erfolgt, je nach den Bedürfnissen der spe- ciellen Entwicklung der verschiedenen Selachier. Dabei ist es von geringer Bedeutung, dass von diesem Process bei primitiveren Squa- liden (Spinaciden) weitläufigere und umständlichere Wege einge- schlagen werden als bei manchen höheren (Seylliiden, Carchariiden), und dass die Torpediniden mit ersteren größere Ähnlichkeiten als mit letzteren besitzen. Eine Untersuchung weiterer Familien der Se- lachier würde wahrscheinlich die Mannigfaltigkeit des Details noch steigern. Die eigentliche Bedeutung des Knospungsprocesses liegt in der, allen verschiedenen Modi der ferneren Ausgestaltung gemeinsamen Grunderscheinung der metameren Entstehung des Muskel- materials im Rumpfe. Ehe ich mich dieser zuwende, ist jedoch die Frage zu beantworten, ob sich in der That die ganze Flossen- muskulatur der Selachier von den Knospen ableitet? Diese ist erst zu lösen, wenn wir den Aufbau der Muskeln selbst in der Onto- genese verfolgen. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 539 C. Die Ausbildung der Musculi radiales der Extremitäten. a. Das früheste Entwicklungsstadium und bei beiden Flossen übereinstimmende spätere Stadien. Unter Mm. radiales verstehe ich die einzelnen, von einander getrennten Muskelbündel (Fascikel), welche die dorsale wie ventrale Muskulatur beider paarigen Gliedmaßen bei ausgebildeten Haien zusammensetzen (BRAUS, 1898, pag. 285). Dieselben ähneln in ihrer äußeren Form und Anordnung den Knorpelradien des Extremitäten- skelettes so sehr, dass sich hieraus eine ähnliche Bezeichnungsweise wie bei diesen (Cartilagines radiales) herleiten lässt, ohne dass da- mit über die genetischen Beziehungen beider Theile zu einander etwas ausgesagt werden soll. Von denjenigen Autoren, welche das Aus- wachsen der sekundären Muskelknospen und ihre Umwandlung in Muskelfasern beschrieben (DoHrn, MOLLER), wurde angegeben, dass zwischen je einer dorsalen und ventralen »Knospe« vom Basipte- rygium aus ein Knorpelstrahl auswachse. Wenn dies genau so wäre, so würden die Muskelknospen die direkten Vorläufer der Mm. radiales der fertigen Flosse sein, und es müsste die metamere Anlage ersterer auch bei letzteren zum Ausdruck kommen. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr sind die Mm. radiales der fertigen Haiflosse stets poly- metamere Muskeln, von denen jeder von Ästen mehrerer Spinal- nerven versorgt wird (BRAus, 1892, pag. 22, 23, 1898, pag. 308 u. ff.). MoLLIER hat dies selbst in der Ontogenese von Torpedo in statu nascendi gesehen (1892, pag. 355). Er beschreibt den Vorgang folgendermaßen (1893, pag. 27): »Ein neuer Befund kommt in diesem Stadium zum ersten Mal an den Muskelknospen zur Be- obachtung. Mit fortschreitendem Wachsthum und zunehmendem Querdurchmesser gehen dieselben nämlich an ihren basalen Enden breite Anastomosen ein, wie sie von zwei neben einander liegen- den Knospen bei starker Vergrößerung auf Fig. 15 gezeichnet wurde. Hatten wir bisher die Berechtigung, jede Knospe auch nach ihrer Abschniirung von den Somiten vermittels der Spinal- nerven als Derivat eines bestimmten Urwirbels anzusehen und für jede die Innervation durch einen einzigen, serial bestimmbaren Spinalnerven anzunehmen, so hört von diesem Zeitpunkt an dieses Verhältnis auf und wir können nur von der Gesammtheit der Musku- latur der Flosse, als aus einer bestimmten Anzahl von Urwirbeln hervorgegangen, sprechen, und andererseits ist von nun an jede 540 Hermann Braus Knospe nieht mehr ausschließlich von einem einzigen Spinalnerven abhängig, haploneur im Sinne FÜRBRINGER’s, sondern polyneur.« Diese Beobachtung, welche zu dem von Mouurer selbst klar formulirten Ergebnis führt, dass die Knospen als metamere Ge- bilde zu Grunde gegangen sind und anderen Strukturen Platz ge- macht haben, ist leider von dem Autor nicht weiter verwerthet worden. Sie ist aber geeignet, das Verhältnis zwischen Flossen- muskulatur und -skelet während der Ontogenese, dem in phylo- genetischer Beziehung namentlich von Rabi, aber auch von MOLLIER großes Gewicht beigelegt worden ist, wesentlich anders erscheinen zu lassen als wie es sich jene Autoren vorstellen. Um der, Ver- weehslungen Vorschub leistenden gleichen Bezeichnungsweise auszu- weichen, welche MOLLIER für die haploneuren und polyneuren »Knos- pen« verwendete, reservire ich dieses Wort (Knospen) ledig- lich für die rein metameren Abschnürungen der Myotome. Sowie aber die Muskelanlage ihre serialen Beziehungen verloren hat und Abkömmlinge zweier oder mehrerer Somiten in sich birgt, be- zeichne ich sie schon in der Ontogenese als Musculus radialis. Ungefähr gleichzeitig mit jener Anastomosenbildung setzt näm- lich auch die Differenzirung embryonaler Muskelfasern in den Muskel- anlagen ein und es vollzieht sich die definitive Trennung der dor- salen von den ventralen Spangen. Diese beiden Momente gehören neben der Anastomosirung mit dazu, um den Beginn der Ausbildung von Mm. radiales aus den Knospen zu kennzeichnen. Bei Spinax niger verlaufen diese Processe im Detail wie folgt: In der Brustflosse sind bei einem Embryo von 27mm Länge zwischen allen Knospen Anastomosen vorhanden: Die Ausbildung der Mm. radiales ist im Gange (Taf. XXI Fig. 3). In nächst jüngeren Stadien finde ich sie nur bei den vorderen Knospen der Brustflossen- leiste. Danach verläuft auch dieser Process in rostro-caudaler Rich- tung. Ich finde stets nur einen Zellenstrang, welcher von Muskel- zu Muskelanlage läuft, während MoLLıER solche bei Torpedo auch in Mehrzahl gesehen hat (vgl. seine Fig. 15, in welcher zwei neben einander liegende Mm. radiales durch zwei, der zweite mit dem dritten durch eine Anastomose verbunden sind). Zelltheilungsfiguren sind durehaus nicht übermäßig häufig in diesen Strängen. In manchen fehlen sie ganz. Auch hier ist die Sprossung lediglich eine Folge von Verschiebungen »ruhender« Zellen. Die Karyokinesen sorgen nur für die Auftheilung des Baumaterials, nicht für dessen An- ordnung. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. IT. 541 Die Anastomosen liegen nicht am proximalen Ende der Mm, radiales, sondern ein wenig distalwärts von diesen. Es wachsen näm- lich, wie auch Moutier bereits hervorgehoben hat (1894, pag. 33), in dieser Zeit die medialen Enden der Muskelanlagen nach dem humpfe zu, um dort später Anheftungen am Schultergürtel und zum Theil an der Rumpfwand zu finden, wo auch beim ausgebildeten Thier die Mm. radiales mit einem Theil ihrer Fasern Ursprung nehmen, In etwas älteren Stadien bilden die Anastomosen sich bereits wieder zurück. Auch dieser Process schreitet rostro-caudalwärts fort. Bei einem Embryo von 30,5 mm Länge sind sie bis auf die cau- dalsten Verbindungsstränge verschwunden (Taf. XXI Fig. 4). Auch diese finde ich in älteren Stadien nicht mehr. Die embryonalen Muskelfasern sind bei demselben Embryo von 27 mm Länge in statu nascendi zu sehen. Sie differenziren sich an der Basis der Muskel- anlagen zuerst und allmählich auch immer mehr der Oberfläche zu. Bei einem Embryo von ec. 30 mm Länge sind bereits rein muskulöse Mm. radiales ausgebildet, in welche das ganze Zellenmaterial der ursprünglichen Knospen aufgegangen ist, wie im ersten Kapitel (über die Entstehung des Mesenchyms) gezeigt wurde (vgl. auch Taf. XXIV Fig. 4 und 5). Nur die distalen Enden der Knospen sind noch epi- thelial zusammengesetzt. Sie bilden eine Art embryonalen Bildungs- organs, von welchem die Zellvermehrung hauptsächlich ausgeht. Sie bleiben als solche bis in höhere Entwicklungsstadien hinein er- halten (vgl. auch Taf. XXIII Fig. 4), gehen aber auch schließlich ganz in Muskelfasern auf. An den distalen Enden der dorsalen Mm. radiales sind noch beim Embryo von ce. 30 mm Länge kleine ventrale Anhänge vor- handen, welche eine Strecke weit in das Innere der Mesenchymleiste vordringen und dort endigen. Es sind das die letzten Überbleibsel der lateralen Verbindungsbügel dorsaler und ventraler Knospen. Auch sie sind im nächstfolgenden Stadium verschwunden. Am wichtigsten sind die Veränderungen, welche bei den Nerven der Mm. radiales zugleich mit der Ausbildung der letzteren vor sich gehen, weil sie uns einen Einblick in die Ausdehnung der Ver- schiebungsprocesse gestatten, welche bei dem gegenseitigen Austausch von serialem Material mittels der Anastomosen erfolgen. Denn die Zellen der verschiedenen Knospen sind für unser Auge so gleich, dass wir sie nach ihrer Vermischung in den Verbindungssträngen nicht mehr bezüglich ihrer serialen Herkunft aus einander halten können. Die Nervenfasern sind jedoch gezwungen, die Verschie- 542 Hermann Braus bungen der Zellen mitzumachen, da sie die ursprünglichen metameren Zusammenhänge stets beibehalten, und lassen so auch die Verände- rungen genauer an sich ablesen, welche das motorische Material eines jeden Urwirbels erlitten hat. Nach der Ablösung der Primärknospen von ihren Muttersomiten bilden die Nerven die einzigen Verbindungen derselben mit letzteren. Dourn sagt von ihnen: »Die Nerven durchbrechen zur Zeit, da die Muskelknospen sich abschnüren, die zugehörigen Myotome etwas oberhalb dieser Abschnürungsstelle und folgen den Entwicklungen der letzteren« (Pristiurus, 1884, pag. 165). MorLLıEer wendet sich gegen diese Angabe Donrn’s und be- hauptet, es komme bei keinem der von ihm untersuchten Selachier vor, dass die Flossennerven die Myotome durchbrächen. »Wie ein Durchverfolgen der Serie für Torpedo sofort ergiebt, wird dieses Verhalten bloß durch die früker erwähnte schiefe Lage der Myotome auf Querschnitten vorgetäuscht« (1894, pag. 24). Doch befindet sich hier MOLLIER seinerseits im Irrthum. Ich muss DoHrn vollständig darin Recht geben, dass Durchbrechungen der Myotome seitens der Nerven vorkommen. Für Torpedo speciell enthält Taf. XXV Fig. 3 zwei deutliche Beispiele (Nerv 28 und 29), die nicht anders gedeutet werden können, da der Schnitt einer Horizontalserie entstammt, bei welcher die von MOLLIER gerügten Fehlerquellen ausgeschlossen sind. Bei Spinax sind in den Figuren auf Taf. XXI und XXII solche Durch- brechungen zu sehen (z. B. Taf. XXI Nerv 9 Fig. 2, Nerv 6—10 Fig. 3, Nerv 7—10 Fig. 4). Freilich hat MoLLIER in so fern Doorn gegenüber Recht, als nicht alle Nerven durch die Myotome hindurch- brechen. Bei den jüngeren Stadien der Brustflosse von Spinax lässt sich sogar die Angabe MoLLıEr’s fast völlig bestätigen, da in diesen fast alle Flossennerven zwischen den Myotomen hindurch die Ober- fläche der Rumpfsomiten gewinnen (Taf. XXI Fig. 2). Bei der Becken- flosse ist dies jedoch wieder nicht der Fall (Taf. XXII Fig. 4). Der Wechsel der Befunde bei den verschiedenen serialen Nerven und in den verschiedenen Stadien erklärt sich aus den Verschiebungen, welche die Flossenanlagen und ihre Bestandtheile erleiden. Im Einzelnen werde ich den Zusammenhang erst weiter unten verfolgen können. Im frühesten Stadium nach der Ablösung der Knospen werden alle von je einem Nervenast und je zwei neben einander liegende Knospen von zwei Ästen desselben serialen Nerven versorgt. Dies ändert sich mit einem Schlage zur Zeit der Umwandlung der Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 543 Knospen in Mm. radiales (Taf. XXI Fig. 3). Es geht jetzt nicht mehr ein Nerv mit zwei Ästen an zwei neben einander liegende Muskelanlagen, sondern feine Nervenfädchen begeben sich auch an die diesen vorangehenden und auf sie folgenden Mm. radiales. Da alle Nerven sich in gleicher Weise entwickeln, so überkreuzen sich die Nervengebiete. Es entsteht ein außerordentlich dichtes Gewirr von Nervenfasern, welches sich immer mehr verfilzt, je stärker die Überkreuzungen der Nervenfädehen sich ausbilden (Taf. XXII Fig. 9). Der Zusammenhang mit den in den Anastomosen vor sich gehenden Verschiebungen des motorischen Zellenmaterials ist evident. Der Process, welcher dort nur unvollkommen für unsere Augen sichtbar ist, liegt bei den Nerven offen zu Tage. Es wird hierdurch die An- sicht gestützt, dass die Anastomosen zellige Verbindungsstreifen sind, in welehen das Zellenmaterial der bis dahin getrennten metameren Knospen hinüber und herüber wandert. Anfangs sind die ur- sprünglich einzigen Nervenäste, welche von einem serialen Nerven zu je zwei bestimmten Knospen verlaufen, auch in dem Nerven- geflecht noch als besonders starke, zu denselben Mm. radiales sich begebende Nervenstämme erhalten (Taf. XXI Fig. 2 und 3). Die zu neuen Gebieten verlaufenden Nervenästchen sind diesen gegenüber an ihrer Feinheit zu erkennen. Es hängt dies damit zusammen, dass an den distalen Enden der Mm. radiales noch die oben erwähnten Reste des metameren Knospenepithels als kolbenförmige Bildungs- organe erhalten sind, von welchen jedes den betreffenden Muse. radialis, zu welchem es gehört, mit neuem, rein metamerem Material versorgt. So lange diese das Über- oder Gleichgewicht gegenüber den Austausch- processen an den basalen Knospenenden bewahren, bleibt der ur- sprüngliche Zustand der Innervation und Metamerie noch andeutungs- weise erhalten. Mit der Rückbildung dieser Organe treten jedoch auch im Nervensystem neue Zustände ein (Taf. XXI Fig. 4). Auf diese komme ich weiter unten zurück. Die Nervengeflechte, welche hier entstehen, bilden den Status nascens eines Theiles der bei ausgebildeten Extremitäten längst be- kannten Nervenplexus, welche speciell im Hebe- und Senkmuskel bei den Flossen der Selachier von v. Daviporr (1879) als »Längs- stämme« beschrieben worden sind. Ich habe sie Plexus pterygiales distales benannt im Unterschied zu anderen Plexusbildungen der Ex- tremitätennerven, welche innerhalb der Bauchwand liegen (Collector von v. Daviporr, Plexus pterygiales proximales BrAus 1898, pag. 248). BAtrour hat für die Entstehung des Nervenplexus der Flosse die 544 Hermann Braus Erklärung zu geben versucht, dass er, wenn überhaupt mit der Phylogenie der Extremitäten in Zusammenhang stehend, »may, for instance, be a remnant of the time, when the pelvic fin had a more elongated form that at present« (1881, pag. 662). Diese Auf- fassung, welche sich auf die Erklärung des proximalen Nervenplexus der Beckenflosse beschränkt (Collector v. Daviporr’s) kehrt in ver- allgemeinerter Form bei Haswerr wieder (»and as the base of connection of the fin with the body become narrowed, these nerves would be brought into closer connection with one another« 1882, pag. 10, 11) und wird von DoHrN in bestimmtester Weise als all- gemein gültig hingestellt (er hat, wie er sagt, »glücklicher Weise nachweisen können, dass ganz andere und eben durchaus begreifliche Processe zur Plexusbildung führten, nämlich das Einbegreifen von mindestens zehn und sehr häufig aber von ungleich mehr Urwirbel- segmenten und von ihnen herstammender Muskulatur in die Brust- und Beckenflossen. Jeder Urwirbel zog eo ipso den ihn versorgen- den Spinalnerven mit in die Flosse hinein, und da die Flossen ursprünglich zwar mit breitester Basis dem Körper aufsitzen, nachher aber an der analwärts gelegenen Cirkumferenz sich ablösen... ., so ergiebt sich eben mit Nothwendigkeit, dass die Ansae und Plexus zu Stande kommen mussten, um ihre Nervenelemente durch die so sehr verschmälerte Basis der Extremität doch in die Flossenmuskeln gelangen zu lassen« 1884, pag. 189). Rasy hat sich nur ganz all- © gemein im Sinne BALFoUR’s ausgesprochen und die Nervenplexus nicht besonders behandelt (1893, pag. 137). MoLLIER stellt sich da- gegen, freilich mit einer etwas abweichenden Auffassung des Vor- ganges der »Koncentration«, im Wesentlichen auf den Standpunkt Dourn’s (1894, pag. 52). Für die vorliegenden distalen Nervengeflechte kann die mit so verschiedener Betonung von den Autoren geäußerte Koncentrations- hypothese keine genetische Erklärung liefern. Würde sich die Basis der Flossen so erheblich verschmälern, dass wirklich die Nerven überall gegen einander gedrängt würden, so könnten dieselben vielleicht verschmelzen. Es wäre aber in diesem Vorgang kein zu- reichender Grund dafür gegeben, dass sich die Nervenästchen des einen Flossennerven mit denen der benachbarten überkreuzen, und die Versorgungsgebiete neben einander liegender Nerven gegenseitig verschränken, wie dies beim distalen Plexus der Fall ist (Taf. XXI Fig. 9). Auch sollte man glauben, dass nach Lösung der basalen Enden der Muskelanlagen von einander — ein Process, der in älteren Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 545 Stadien die »Koncentration« der Mm. radiales aufhebt! — die Nerven- plexus wieder verschwinden müssten, wenn sie ein Koncentrations- produkt wären. Das ist aber nicht der Fall (Taf. XXI Fig. 4). Schließlich ist die Verkürzung der Flossenbasis während des Zustande- kommens der Nervengeflechte gar nicht immer so beträchtlich, dass sie die Vorstellung rechtfertigen könnte, von ihr würde ein Druck auf das Innere der Nervenleiste und die in ihr liegenden Organe ausgeübt. Bei der Brustflossenleiste von Spinax liegen, wie wir sahen, besondere Verhältnisse vor, welche eine starke Verkürzung _ im Gegensatz zu denselben Bildungen bei Pristiurus und Torpedo zu Stande kommen lassen. Die Beckenflossenanlage dagegen ver- kleinert sich von dem der Plexusbildung vorausgehenden Stadium, in welchem sie sich über 101/, Somitenlängen erstreckt, bis zu dem- jenigen, in welchem die Nervengeflechte fertig ausgebildet sind, und zugleich die Leiste über fast neun Myotome hinwegzieht (Taf. XXI Fig. 3, 4), nur um 1!/,—2 Urwirbellängen, eine Entfernung, welche gegenüber der Gesammtgröße und dem von der Koncentrations- hypothese verlangten mechanischen Effekt nicht in Betracht kommt. Die Verschiebungen des Zellenmaterials innerhalb der Verbin- dungsstränge der Mm. radiales stellen die eine, die Verflechtungen der Nervenäste innerhalb der Flossenleiste die andere, unmittelbar auf die erste folgende Phase desselben Entwicklungsprocesses dar, dessen Wesen darin besteht, dass die Museuli radiales nicht als wirk- lich metamere haploneure Individuen, sondern als nur scheinbar meta- mere, polyneure Einheiten in Verbindung mit dem Skelet treten (siehe nächstes Kapitel). Der Austausch von Zellenmaterial zwischen den Muskelknospen, welcher den Anstoß zur Ausbildung der Plexus giebt, erscheint damit als ein selbständiger Wachsthumsprocess. Auch die von MorLIer beschriebene fächerförmige Anordnung der Muskelknospen, welche namentlich zur Zeit der Anastomosenentwicklung sehr ausge- prägt wird (Taf. XXI Fig. 3), steht mit ihm in Zusammenhang, da sie die basalen Enden der Knospen einander nähert und die Anastomosen- bildung begünstigen muss. Alle diese Processe — Verbindung der Knospen, Verflechtung der Nerven, fächerförmige Anordnung der Mm. 1 In älteren Stadien entfernen sich die Mm. radiales immer mehr von ein- ander (vgl. Taf. XXI Fig. 3 und 4) und füllen allmählich die Mesodermleiste aus, von der sie Anfangs nur einen Theil in Anspruch nehmen. Mit der Aus- breitung verschieben sich die caudalen Nerven nach hinten und nähern sich dem Hinterrand der Flosse. Man kann dies durch Messung nachweisen. Dies- bezügliche Zahlen habe ich früher mitgetheilt (1898, pag. 312). 546 Hermann Braus radiales — verlaufen unter dem Bilde einer basalen Einengung, »Kon- centration«, und treten genau so wie ich sie bisher wesentlich bei der Brustflosse von Spinax beschrieb, bei der Beckenflosse desselben Thieres — nur in späteren Stadien der Entwicklung (Taf. XXII) — und bei höheren Squaliden (Pristiurus, Mustelus) und Batoiden (Torpedo) bei beiden Flossen auf. Daraus geht schon mit Wahrscheinlichkeit her- vor, dass diese Vorgänge nicht wie die Theilungsfiguren der Muskel- knospen Specialerscheinungen der Ontogenese (Caenogenieen) sind, sondern dass ihre Konstanz von altererbten Vorgiingen sich ableitet, die in der Phylogenie der Selachierflosse begründet sind. Erklärungen, wie sie namentlich MOLLIER in seinen Anschauungen über die »Kon- centration« niedergelegt hat, die er sich durch verschieden starkes und verschieden gerichtetes Wachsthum des Rumpfes und der Extremitäten- leisten bedingt vorzustellen sucht, mögen wohl auf inkonstante und wechselvolle Entwicklungsprocesse beziehbar sein, welche nicht zu einem festen Erbtheil der Generationen geworden sind, können aber bei in größeren Gruppen durchgehenden und einheitlichen Vorgängen nicht als letzte Ursachen gelten. Ich hoffe auch im Folgenden zeigen zu können, dass bei den Muskelanlagen gerade so wie bei den Nervengeflechten die Aus- und Umtauschprocesse des Materials in der weiteren Entwicklung viel zu komplieirt werden, als dass ihr Wesen lediglich in ontogenetischen Wachsthumsdifferenzen erblickt werden könnte. Ich behandele zu diesem Zweck die beiden Extremitäten gesondert. b. Specielle Entwieklung der Brustflossenmuskeln. In das Anastomosensystem der Brustflossenmuskeln tritt die rostrale Knospe des zehnten Somiten bei dessen frühester Ausbildung nieht ein. Sie ist der einzige Überrest der außer ihr abortirenden Knospen des elften und zehnten Somiten. Bei ihrem ersten Ent- stehen ragt sie bereits so weit rostralwärts, dass sie unterhalb der ventralen Kante des neunten Somiten liegt (gerade so wie die Knospe des elften Myotoms unter derjenigen des zehnten; Taf. XXIII Fig. 1). Sie wächst während der folgenden Entwicklungsstadien nicht weiter, das Lumen geht vielmehr verloren und es bleibt ein solides Häufchen von Zellen übrig (Taf. XXIH Fig. 3); dieses schnürt sich in älteren Stadien (32 mm Länge) in zwei Stücke durch, welche sich in der Vertikalen gegen einander verschieben. Die Lage der Knospe sowie ihres dorsalen und ventralen Pro- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 547 _ duktes zu den Myotomen ist in den verschiedenen Phasen der Ent- wieklung nicht konstant. Bei Embryonen von 20, 26 und 27 mm Länge finde ich sie am Hinterrand von Myotom 9 liegen (Taf. XXIII Fig. 2); bei einem Embryo von 30 mm an der Außenseite des neunten Somiten, welcher inzwischen ventralwärts ausgewachsen ist, etwas jenseits der Mitte desselben; in einem Stadium von c. 32 mm Länge schließlich an der Grenze des ersten und zweiten Drittels der Länge vom neunten Urwirbel. An dieser Stelle liegt der hintere Rand der Brustflossenleiste. Im folgenden Stadium (ce. 32,5 mm Länge) ist an diesem Ort von Knospen nichts mehr zu finden. Da aber die Lage- beziehungen der Knospe zu dem R. perforans des zehnten Spinal- nerven, der Anlage des allen Extremitätennerven ursprünglich eigen- thümlichen Hautastes (BRAUS 1898, pag. 248), stets eng benachbarte (Taf. XXI Fig. 3) und in manchen Serien auch Fäserchen, die vom Nerven an die Knospe herantreten, zu sehen sind (Taf. XXIII Fig. 2), so ist das Verhalten dieses Nerven maßgebend für den Verbleib des Knospenepithels. Bei dem Embryo von c. 32,5 mm Länge verläuft zum ersten Mal ein Ast des zehnten Spinalnerven, welcher mit dem R. perforans vereinigt ist, in die Flossenleiste hinein und begiebt sich mit einem R. dors. und ventr. an die letzten Mm. radiales der Streck- und Beugeseite. Da die sekundären Theilprodukte jener Primärknospe des zehnten Somiten in demselben und allen älteren Stadien nicht mehr an der Außenseite des neunten Myotoms liegen, so sind sie es, welche sich mit den Mm. radiales vereinigt und den Ast des zehnten Spinalnerven mit sich gezogen haben. Dass aber schlummernde Kräfte der Knospenzellen durch die Vereinigung mit den Produkten anderer Knospen in den Mm. radiales wachgerufen und erhebliche Zellvermehrungen hervorgebracht werden, dafür spricht die Stärke des in die Flosse eintretenden Astes des zehnten Spinal- nerven gegenüber den wenigen in kurz vorhergehenden Stadien be- stehenden Fäserchen (Taf. XXI Fig. 3 und 4). Das späte Eintreten des Knospenmaterials des zehnten Myotoms in die Muskelanlagen der Brustflosse muss als verspätete Sonderung (Heterochronie) gegenüber primitiveren Zuständen aufgefasst werden. Denn die Knospe des elften Somiten abortirt gänzlich und zeigt dadurch, dass schon ihre vereinzelte Anlage eine Rückbildungser- scheinung ist. Auch von den ursprünglich in typischer Zweizahl sich anlegenden Knospen des zehnten Myotoms bleibt nur die oben beschriebene übrig. Retardationen solcher rudimentärer Organe in der Ausbildung gehören nicht zu den seltenen cinogenetischen Er- 548 Hermann Braus scheinungen. Sie leiten häufig eine totale Rückbildung ein, welche erst bei späteren Generationen auch in älteren Entwicklungstadien und im ausgebildeten Zustand manifest zu werden braucht, können sich aber in der Gegenwart so weit im ferneren Entwicklungsverlauf aus- gleichen, dass noch ausgebildete oder wenig veränderte Organe aus den verspäteten Anlagen entstehen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der späte Durchbruch der sog. Weisheitszähne, welche dann meist als tüchtige Kauorgane funktioniren. Auch die vom zehnten Somiten gelieferte Flossenmuskulatur ist beim ausgebildeten Spinax stets vorhanden. Ihr Nerv ist aber immer ein wenig dünner als derjenige der vorhergehenden Spinalnerven (BRAus 1898, pag. 313). Die Rückbildung hinterer Knospen und die Retardation der Ent- wicklung des vom zehnten Myotom übrigen Knospenmaterials findet ihre Erklärung in der inzwischen bei den vorderen, direkt in die Flossenleiste einwuchernden Knospen eingetretenen Materialverschie- bung. Vergleicht man nämlich die Nervenverhältnisse der Knospen und Mm. radiales genauer mit einander, so zeigt sich, dass der sich mittels der Anastomosen vollziehende Austausch von Zellen in einer bestimmten Richtung vor sich geht. Ich erwähnte bereits, dass die Nervenäste, welche ursprünglich ausschließlich je eine Knospe versorgen, sich noch eine Zeit lang durch ihre Dicke unter den jeder Knospe zugehörigen Nervenzweigen auszeichnen (Taf. XXI Fig. 2 u. 3). Später verwischt sich dieses Verhältnis und die dickeren Äste eines jeden Flossennerven verlaufen durchschnittlich zu weiter rostralwärts liegenden Mm. radiales als in früheren Stadien, bei welchen die ursprünglichen Zustände noch zu erkennen waren (Taf. XXI Fig. 3 und 4). Am deutlichsten wird dieses werden, wenn ich z. B. für die Dorsalseite! der Flosse die Innervation der ursprüng- lichen Knospen und die serialen Hauptäste, welche nach dem Ver- schwinden der Anastomosen zu den einzelnen Mm. radiales verlaufen, neben einander stelle. Ich ordne die Tabelle so an, dass unter die mit deutschen Ziffern bezeichneten Flossennerven in lateinischen Ziffern die Knospen, welche jeder ausschließlich versorgt, und die Mm. radiales, welchen er die stärksten Äste abgiebt, gesetzt werden: 1 Die Verhältnisse auf der Beugeseite der Flosse sind nur im Detail etwas, verschieden, im Wesentlichen aber dieselben. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 549 nt = | eo | NG Nerv 9 | 8 | 7 | 6 -— T — — ———— — —— — fl ———— Embryo von 25 mm Länge, r r XIU Xi Xs I, VI V, IV Taf. XXI Fig. 3 N, VL UI XV RV OST, XII EX 1X, VILL pV, ; IIT, II Embryo von | ron XVI, XV |XV,XIV,XI| XII, XI | X, 1X | VI, VI VI — It Taf. XXI Fig. 4 | Die Nerven der vordersten Mm. radiales im letzteren Stadium sind zu einem proximalen Plexus verbunden, den ich auf Serien- schnitten nicht mit Sicherheit zu entwirren vermochte; ich verzichte desshalb auf Angaben über die Vertheilung der einzelnen serialen Nervenelemente an diese. Bei den übrigen Mm. radiales sind die Diekenunterschiede der Nerven so groß, dass die seriale Bestimmung keine zu erheblichen Schwierigkeiten macht und als sicher gelten darf. Es geht aus der Tabelle hervor, dass eine Verschiebung des ursprünglichen Knospenmaterials nach vorn zu Stande gekommen ist. Möglicherweise wird diese von der Tabelle in übertriebener Weise zur Anschauung gebracht, da außer den stärksten Ästen der Flossennerven, welche allein in der zweiten Reihe notirt sind, noch feine Zweiglein mittels der Nervenanastomosen zu den benachbarten, also auch zu weiter caudalwärts liegenden Mm. radiales gelangen. Über den Grad der Verschiebung ist desshalb schwer ein Urtheil zu fällen, obgleich eine solche um etwa ein Metamer die meiste Wahr- scheinlichkeit für sich hat; die rostrale Verschiebung als solche ist jedoch unverkennbar. Mit dieser hängt es auch wahrscheinlich zusammen, dass die Nervenäste eine Verlagerung nach vorn eingehen. Auf Taf. XXIII Fig. 2 sieht man beispielsweise, dass die medial von der Rumpf- muskulatur liegenden Spinalnervenäste zum Theil nicht mehr hinter ihrem Somiten liegen, sondern hinter den nächst vorhergehenden verschoben sind. Es fällt dies zeitlich und, wie ich glaube, ursäch- lich mit der Anastomosenbildung zwischen den Knospen und dem in diesem und älteren Stadien zu beobachtenden Durchbruch der Nerven durch das jedem vorhergehende Myotom zusammen, welche im vor- hergehenden Abschnitt genauer erwähnt wurden. Durch die rostrale Verschiebung des Muskelmaterials hat sich der innere Bau der Mm. radiales immer mehr gegenüber den ur- sprünglichen Knospen in eigener Richtung differenzirt. Die äußere Ähnliehkeit beider Gebilde darf desshalb nicht dazu verleiten, beide Morpholog. Jahrbuch. 27. 36 550 Hermann Braus ‚ zu homologisiren. Es wird durch den rostralen Verschiebungsprocess ferner verständlich, wesshalb die hinteren Knospen der Flosse zurück- gebildet oder in ihrer Entwicklung zurückgehalten sind. Sie sind dureh ihn von ihrem Muttersomiten so weit entfernt worden, dass sie schließlich überhaupt nicht mehr in die Flossenleiste eintreten, oder dass der beträchtliche, von ihnen zurückzulegende Weg ihren Eintritt in letztere verspätet und auch ihren Fortfall bei den kommenden Generationen wahrscheinlich macht. Charakteristisch sind dafür die Veränderungen, welche an den caudalsten Mm. radiales kurz vor dem Anschluss des vom zehnten Somiten stammenden Knospenmaterials vor sich gehen. Bei einem Embryo von c. 32 mm Länge, bei welchem sich noch kein Nervenast vom zehnten Spinalnerven in die Extremitätenleiste begiebt und die Knospe desselben Myotoms gleichfalls außerhalb derselben ge- funden wurde, liegen gleichwohl hinter dem im vorhergehenden Stadium den Schluss der Muskeln bildenden M. radialis XVII noch deutlich k»ntourirte, sich bei Tinktionen analog dem embryonalen Muskelmaterial dunkel färbende Zellenhäufchen. Das vorderste der- selben hat ungefähr die Form der übrigen Mm. radiales, da eine distale Anschwellung sich proximal in eine Spitze auszieht. Das hintere dagegen bildet einen rundlichen Auswuchs des vorderen (Taf. XXIII Fig. 3). Da auch das letztere durch eine Anastomose mit dem M. radialis XVII verbunden ist und Nervenfädchen des neunten Spinalnerven an die Zellenhäufchen verlaufen, so müssen sie von Muskelzellen des neunten Somiten gebildet worden sein. Die Differenzirung eines M. radialis XIX ist bei ihnen erst in den frühesten Anfängen (in Form des erwähnten rundlichen Aus- wuchses von XVIII) angedeutet. Wahrscheinlich hat sich in gleicher Weise auch XVII von XVII aus gebildet. — In einem anderen Embryo, welcher ungefähr derselben Entwicklungsstufe angehört (e. 32,5 mm Länge), ist jedoch die Angliederung des Muskelmaterials des zehnten Somiten erfolgt. Auf dem Querschnitt durch die letzten Muskelanlagen ist zu sehen, dass der Mm. radialis XIX weiter in der Ausbildung fortgeschritten und von XVIII distal! getrennt ist. Der zehnte Extremitätennerv versorgt jetzt diese beiden und mit einem feinen Ästchen auch M. radialis XVI, während Nerv 9 noch einen Ast zu M. rad. XVII erkennen lässt. Wahrscheinlich begeben ! Proximal bestehen zwischen diesen letzten Muskelanlagen noch Anasto- mosen. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 551 sich noch feine Zweiglein des letzteren zu den Mm. radiales XVIII und XIX, deren früheste Anlagen ganz von ihm versorgt wurden. Doch konnte ich sie in dem Nervengeflecht nicht mit Sicherheit erkennen. Es erscheint mir bei diesen Vorgängen einmal wesentlich zu sein, dass in der frühesten Anlage der letzten Mm. radiales der Brustflosse bereits ein Ersatz des später hauptsächlich vom zehnten Myotom zu stellenden Muskelmaterials durch das vorhergehende (9.) stattfindet. Damit ist der Weg gezeigt, der später vielleicht zum völligen Ausscheiden von ersterem führen wird und der bei den abortiven Knospen zu deren Fortfall beigetragen hat. Andererseits kommen aber auch hier Muskelanlagen zu Stande, welche sich nicht direkt von Knospen ableiten, sondern welche auf indirektem Weg durch Auswüchse direkt erzeugten Knospenmaterials gebildet und von diesem abgespalten werden. Da zu Nerv 9 in früheren Stadien zwei direkt aus dem Myotom hervorsprossende Knospen wie bei den übrigen Somiten gehören, würde durch die Abspaltung diese Zahl auf drei resp. vier vermehrt werden. Dies steht aber in solchem Gegensatz zu der Regelmäßigkeit des Knospungsvorganges, welcher nirgends in der Thierreihe die Maximalzahl von zwei Knospen über- schreitet, dass man die indirekt gebildeten Muskelanlagen nicht als »Knospen« bezeichnen darf. Auch daraus geht hervor, wie berechtigt die Unterscheidung zwischen Knospen und Mm. radiales ist. Letztere erhalten zwar das Material von ersteren, sind aber durchaus nicht mit ihnen identisch. Eigenthümlich ist das Verhalten des Epithels der ersten und zweiten Knospe in der Brustflossenleiste. Direkt nach der Thei- lung der Primärknospe in die sekundären verlieren letztere ihre deut- liche Grenze. Auch von diesen verfolge ich hier die dorsalen Se- kundärknospen!. Es ist nicht mehr möglich, die Zellen genau zwischen den sie umgebenden Mesodermzellen der Extremitätenleiste zu erkennen. Doch verläuft ein Ast nach wie vor vom ersten Spinalnerven in die Flosse hinein (Taf. XXI Fig. 2). Zur Zeit der Anastomosirung der Knospen. hat sich Nerv 1 mit 2 verbunden. Die Äste beider verzweigen sich hauptsächlich an die Mm. radiales II—IV (Taf. XXI Fig. 3). Daraus geht hervor, dass Zellen der ursprünglich ersten Knospe sich mit den aus den folgenden Knospen stammenden Zellen zur Bildung der vordersten Mm. radiales vereinigt haben. 1 Siehe pag. 548. 36* 552 Hermann Braus Aber auch der vorderste von diesen, weleher wahrscheinlich den wesentlichen Antheil der Zellen aus der ersten Knospe und außer- dem Material der rostralen Knospe des zweiten Myotoms enthält, wird in der späteren Entwicklung beträchtlich kleiner als die folgen- den Mm. radiales, da seine Ausbildung erheblich langsamer als bei jenen verläuft (Taf. XXI Fig. 4). In ähnlicher Weise bleiben auch die folgenden Muskelanlagen im Verhältnis zu ihren caudalen Nach- barn ein wenig zurück, doch nicht in demselben Maß wie die erste von ihnen. Auch beim ausgebildeten Thier ist der erste Extremitäten- nerv in der überwiegenden Zahl der Fälle ein Ast des ersten Spinal- nerven. FÜRBRINGER giebt allerdings an, dass der zweite Spinalnerv den ersten Brustflossennerven entsende (1897, pag. 388). Ich ver- misste in meinen Präparaten einen Ast vom ersten Spinalnerven nur in einem, nicht einmal sicheren Fall, sah ihn jedoch in anderen sich sehr versteckt zwischen den Nerven des Plexus cervicalis zur Flosse abzweigen (1898, pag. 280, Anm. und Taf. XI Fig. 5—7). Freilich ist der Nervenast immer viel dünner als die folgenden und manch- mal nur aus wenigen Nervenfäserchen zusammengesetzt. Auch der zweite Extremitätennerv pflegt etwas dünner als der dritte ete. zu sein. Doch sind die Unterschiede schon geringer und bald nicht mehr wahrzunehmen. Die hier beschriebenen Entwicklungsvorgiinge unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von den an den letzten Radialmuskeln der Brustflosse beobachteten. Dort kamen verschiedene Knospen zur Anlage, von denen nur eine sich zur Bildung von motorischem Material für die Flosse fortentwickelte. Doch geschah diese Entwick- lung in sehr verlangsamter Weise, führte aber schließlich zu einer ausgiebigen Produktion von Muskelfasern. Hier ist die erste Ent- wicklung der einzigen vom ersten Somiten und der zwei vom zwei- ten Urwirbel sich abschnürenden Knospen anfänglich dem Tempo nach dieselbe wie bei den übrigen Knospen. Die Vorgänge ver- laufen nur in einfacherer Weise wie bei diesen. Sie erinnern, wie früher ausführlich aus einander gesetzt wurde, an die bei anderen Squaliden durchgängig beobachteten Theilungsmodi. Desshalb brauchen sie nicht als sekundär vereinfachte aufgefasst zu werden. Auf die anfänglich schnelle Entwicklung folgt dann später ein Stillstand; die Produkte der Muskel- und Nervenanlagen in älteren Stadien und beim ausgebildeten Thier stehen hinter den folgenden zurück, weil sie auf einer mehr embryonalen Entwicklungsstufe als diese verharren. Es liegt hier ein progressiver Process gegen- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 553 über den offenbar regressiven Metamorphosen in der caudalen Flossen- muskulatur vor. Es stimmt dies auch mit der rostralwärts fort- schreitenden Umordnung des serialen Knospenepithels in den Mm. radiales überein. Denn stellt man sich vor, dass in kommenden Generationen das vom ersten Myotom produeirte Muskelepithel durch Fortschreiten der progressiven Entwicklung genügen wird, um eine oder zwei selbständig sich abschnürende und in gleich komplieirter Weise wie die folgenden sich entwickelnde Knospen zu erzeugen, so werden damit voraussichtlich neue Bildungscentren für die Ent- stehung von Mm. radiales rostral von den jetzt bei Spinax vor- handenen gegeben sein. Das metamere Knospenepithel bleibt ja auch bei letzteren in den kolbenförmigen distalen Anschwellungen als selbständiges embryonales Bildungsorgan erhalten. Es würde dann der M. radialis I wesentlich von Nerv 1 versorgt und den von hinten her andrängenden Knospenzellen der folgenden Myotome ein neuer Abfluss nach vorn eröffnet sein. Ich komme zu dem Schluss, dass in der Ausbildung der Brustflossenmuskulatur von Spinax niger rostral- wärts gerichtete Verschiebungen zum Ausdruck kommen, welche mit Rückbildungsvorgängen am hinteren und Fortentwicklungsprocessen am vorderen Rand der Mus- kulatur einhergehen. Alle diese Verschiebungen sind aber der- art, dass der grobe mechanische Einfluss von Wachsthumsdifferenzen (»Koncentration«) nicht zu ihrer Erklärung ausreicht. Sie müssen ihren Grund in phylogenetischen Wanderungen der Flosse oder ihrer Theile in rostraler Richtung haben. Dafür fanden wir bereits bei der Verfolgung der Ausbildung der Extremitätenleiste Beweise. Doch ist es von Wichtigkeit, hier die höheren Squaliden und die Batoiden heranzuziehen, weil bei diesen die Entwicklung des Extremitäten- mesenchyms eine caudalwärts gerichtete Verschiebung der Brust- flossenanlage erkennen ließ. Ich habe bei Pristiurus und Torpedo den hinteren Rand der Brustflosse genau auf die hier sich vollziehenden Entwicklungsvor- gänge in der Muskulatur untersucht, da an dieser Stelle der Unter- schied gegenüber Spinax am größten sein muss, falls die Muskel- anlage bei diesen Thieren gerade so wie das Mesenchym pro- gressive (caudalwärts gerichtete) Wege einschlägt. Bei Pristiurus haben sich Rasu (1893, pag. 119) und MoLLIER (1893, pag. 19) große Mühe gegeben, die Zahl der in die Brustflosse eintretenden Muskelknospen zu bestimmen. Es ist das desshalb mit 554 Hermann Braus sroßen Schwierigkeiten verknüpft, weil die Brustflossenknospen an- fänglich nicht sicher von denjenigen des Zwischenflossenraumes zu unter- scheiden sind (Taf. XXIV Fig. 2). MoLu1er (1892) hatte ursprünglich angegeben, dass 12 Myotome je zwei Knospen in die Flossenanlage entsenden, dann aber, übereinstimmend mit der Mittheilung RaApr’s, seine Ansicht dahin geändert, dass nur 11 Somiten betheiligt seien und sich mit RaBL einverstanden erklärt. Moxurer hält außerdem diese Myotome für die »proximalen«, d. h. also wohl die vordersten Rumpfmyotome vom ersten angefangen. Rabu macht über die seriale Stellung derselben keine Angaben. In Taf. XXIV Fig.,2 habe ich ein genaues Bild der Verhältnisse der Knospen kurz vor dem Einwachsen derselben in die Flossenleiste wiedergegeben. Man sieht, dass die Knospen des 13. und die rostrale des 14. Somiten die letzten sind, welche noch in den Bereich eines caudalen zipfelförmigen Ausläufers der Leiste fallen. Die hintere Knospe des 14. Somiten ist stark caudalwärts abgebogen; diejenigen der folgenden liegen schon weit von der Mesodermleiste entfernt. Im folgenden Stadium, welches ich besitze (Embryo von 24 mm Taf. XXIV Fig. 1), liegen die Muskelanlagen in den Flossen, und die Nerven senken sich mit Ästen in das Mesoderm und die Musku- latur derselben ein. Man sieht, dass Äste des 3.—14. Nerven in die Flosse verlaufen!. Ich schließe daraus, dass die vordere Knospe vom 14. Myotom in die Leiste eingetreten ist und sich am Aufbau der Extremitätenmuskulatur betheiligt hat. Es muss aber auch vom 3. Myotom mindestens eine Knospe in die Flosse gelangt sein. Ich veranschlage desshalb die Zahl der Knospen auf 22(—23). Ras giebt an: »allerdings ist es mir nie gelungen, genau 22 Knospen zu zählen, wohl aber habe ich wiederholt 20 und 21 Knospen zählen können«, und kurz vorher: »Wenn man die Schwierigkeiten der Zählung bedenkt, so wird man die größere Zahl wohl als die rich- tigere ansehen dürfen« (pag. 119). Da ich selbst nicht über ge- nügendes Material jüngerer Stadien verfüge, als dass eigene Unter- suchungen Aussicht gehabt hätten, den subtilen und sorgfältigen Zählungen Ragr’s in diesem Punkt Neues hinzuzufügen, begnüge ich mich mit dem Hinweis auf die fast völlige Übereinstimmung, welche zwischen seiner Knospen- und meiner Nervenzählung herrscht. Da- gegen kann ich nicht zugeben, dass nur 11 (RABL), und gar die vordersten 11 Myotome (MoLLıER) die Flosse mit Knospen ver- I Selbstverständlich kontrollirte ich diesen Befund an einer Schnittserie. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 555 sorgen. Wenn man Taf. XX Fig. 7 betrachtet, so sieht man, dass das Flossenmesoderm erst am zweiten Myotom beginnt. Aber selbst dieses ist nach dem Nervenbefund (Taf. XXIV Fig. 1) von der Mus- kularisirung der Extremität ausgeschlossen. Das dritte kommt als erstes und das 14. als letztes in Rechnung, also zusammen 12, wie MOLLIER ursprünglich (1892) angegeben hatte. In dem Stadium von 24mm Länge ist von den auf die Brust- flossenleiste zunächst folgenden Knospen des Zwischenflossenraumes nichts mehr zu sehen. Wie sehr ich mich auch bemühte Reste zu entdecken, um so mehr kam ich zu dem Resultat Donrn’s und Rasv’s: »sie gehen zu Grunde«. Das Auffallende ist jedoch, dass bei einem Embryo von 27,5 mm Länge noch ein Ast des 15. Spinalnerven (Taf. XXV Fig. 4) in die Brustflosse eintritt und Zweige an deren Dorsal- und Ventralmuskulatur sendet. Bei einem Embryo von 31,5 mm Länge kommt noch ein Extremitäten- ast vom 16. Spinalnerven hinzu, der gleichfalls in genau mit den anderen Flossennerven übereinstimmender Weise die Muskulatur versorgt. Derselbe Nerv ist auch bei ausgebildeten Exemplaren vorhanden. Dort verläuft sogar noch ein sensibler Ast des 17. Spinalnerven an die Haut des Hinterrandes der Flosse (Achsel- höhle). Motorische Nervenfasern des 17. Nerven begeben sich aber nicht in die Extremität. Wir können nicht annehmen, dass seriale Nerven in solche Muskelanlagen hineinwachsen, welche von anderen Myotomen her- stammen als sie selbst. Dazu ist das Gesetz von der Zusammen- gehörigkeit von Muskel und Nerv! ein zu wohl fundirtes und gesichertes Ergebnis weit umfassender Untersuchungen vieler be- deutender Forscher der letzten Decennien. Auch handelt es sich hier bei Pristiurus, wie ich weiter unten zeigen werde, nicht etwa um ein vereinzeltes Vorkommnis. Ich habe desshalb den Nachweis zu versuchen, auf welchem Wege die zum 15. und 16. Metamer ge- hörige Muskulatur in die Flosse hineingelangt. Eine direkte Muskel- überwanderung in diesen Stadien (26—31,5 mm Länge) erscheint ausgeschlossen. Es löst sich zwar im rostralen Bereich der Flosse von der Rumpfwand eine Muskelplatte ab, welche nach vorn zu mit dem Schultergürtel in Verbindung tritt (M. latero-scapularis GEGEN- BAUR). Diese ist auch in ihrer entwickeltsten Partie nicht weit von 1 Es handelt sich hier natürlich nicht um die theoretische Frage, wie diese zu erklären sei, sondern um das rein Thatsächliche der Koincidenz von Neuromerie und Myomerie. 556 Hermann Braus der Flossenmuskulatur entfernt. Doch tritt sie nie mit ihr in Verbindung. Ganz regelmäßig liegt ein Gefäß zwischen ihr und dem Hebemuskel der Extremität (Taf. XXIV Fig. 3). Auch wird dieser Muskel von direkten Ästen der Spinalnerven versorgt. Dies bestätigt die Abstammung des M. latero-scapularis von der Rumpf- muskulatur. Nach dem caudalen Rand der Flosse zu verschmilzt der Muskel mit der Rumpfmuskulatur und ist schon vor dem 15. So- miten verschwunden. An eine Versorgung der Flosse durch ihn ist nicht zu denken. Auch eine nachträgliche Einwanderung von retardirten Knospen in die Extremitätenleiste wie bei Spinax halte ich für höchst unwahrscheinlich. Während solche dort regelmäßig zu finden waren, haben Dourn und RAgL vergeblich die Muskelknospen des Zwischen- flossenraumes weiter in spätere Entwicklungsstadien hinein zu ver- folgen gesucht. Mir ist es nicht besser ergangen, obgleich ich gerade bezüglich derjenigen des 15. und 16. Myotoms keine Mühe scheute. P. Mayer hat nun von den Zellen abortiver Muskelknospen der un- paaren Dorsalflossen die Vermuthung geäußert, dass sie sich in Mesodermzellen umwandelten (1886, pag. 232). Wenn das bei den hier in Betracht kommenden Muskelknospen der Fall sein sollte (ich kann das Gegentheil nieht völlig ausschließen), so besteht eine Möglichkeit, dass diese früheren Knospenepithel-, jetzt Mesoderm- zellen, schließlich doch noch in die Flossenmuskulatur gelangten und embryonale Muskelfasern producirten. Eine zweite Möglichkeit wäre die, dass aus der, in diesen Stadien rein muskulösen, Seitenrumpfplatte embryonale Muskelzellen austräten und in die Flosse gelangten. Der äußere Kontour des M. lateralis zeigt zwar nirgends eine Prominenz oder eine Unter- brechung. Auch ist der Zwischenraum zwischen beiden Muskulaturen ein beträchtlicher (Taf. XXV Fig. 4) und die in ihm befindlichen Zellen sehen alle, so weit nicht Gefäße vorliegen, auch bei starken Vergrößerungen wie embryonale Bindegewebszellen aus. Man muss sich aber stets bei solchen subtilen Nachforschungen dessen bewusst bleiben, dass wir in unseren optischen und namentlich tinktoriellen Mitteln nicht so weit gediehen sind, um auf negative Befunde hin eine bestimmte Stellung einzunehmen. Als dritte Möglichkeit käme eine Umwandlung von Meso- dermzellen der Extremitätenleiste in loco, d.h. an der Stelle, an welcher in ihr die vom 15. und 16. Flossennerven versorgten Mus- keln auftauchen, in embryonale Muskelfasern in Betracht. Ich gehe Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur vu. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 557 in diesem Punkte nicht so weit wie Harrison, welcher bezüglich der Anlage von Muskeln bei Knochenfischen und höheren Wirbel- thieren die Annahme wahrscheinlich findet, »dass die mesenchymati- schen Zellen, die sich vorher aus dem Verbande des epithelialen Mesoderms abgelöst haben und die Anlage der Extremitäten bilden, zu jener Zeit noch durchaus undifferenzirte Mesodermzellen sind, und dass die verschiedenen Einflüsse, welche die Differenzirung späterhin bewirken, erst dann sich geltend machen können, wenn die Zellen ihre endgültige Lage in der Extremitätenanlage ein- genommen haben« (1895, pag. 504) und sich bestimmt für Salmo salar dahin äußert: »Ohne nachweisbaren Zusammenhang mit den für die Körpermuskulatur bestimmten Zellen treten in der Flosse Muskeln auf, die sich von den Seitenplatten und dem Sklerotom ab- leiten« (pag. 571). Ich halte im Gegentheil durch die vortrefflichen und weittragenden Untersuchungen RAgr's (1889, 1893, 1896) und durch ihre Bestätigung seitens Maurer’s (1894) den Nachweis für erbracht, dass die Differenzirung der quergestreiften Muskulatur im Rumpfe an eine bestimmte Stelle, »die Muskelplatte« Rası's, ge- bunden ist. Vor Allem kann ich nicht glauben, dass die Seiten- platten, welche zwar glatte Muskelzellen (z. B. der Blase), aber niemals sonst quergestreifte Muskelfasern aus sich hervorgehen lassen, bei den Extremitäten eine so bemerkenswerthe Ausnahme machen sollten. Für unseren Fall ist zu bedenken, dass von Beginn der mesen- chymatischen Anlage der Extremitätenleiste an höchstwahrscheinlich solche Zellen in ihr vorhanden sind, welche zwar aus dem Sklerotom, aber aus nächster Nachbarschaft der Ragu’schen Muskel- platte stammen (pag. 510). Unter diesen können sich indifferente Zellen befinden, welche später zu embryonalen Muskelfasern aus- wachsen. Denn man wird bei dem Mangel einer scharfen Begrenzung der Muskelplatte gegen das Sklerotom wohl annehmen können, dass diese Zellen identisch sind mit innerhalb der Muskelplatte liegenden. Ich will hier nicht versuchen, die drei aufgeführten Möglich- keiten gegen einander abzuwägen, da meine Befunde bei Torpedo, welche ähnliche Muskelanlagen betreffen, für dieselben entscheiden- deres Material liefern. In meinem jüngsten Stadium von Torpedo reicht, wie schon früher erwähnt, die Brustflossenanlage bis zum 27. Myotom. In die- selbe begiebt sich ein starker Ast des 27. Spinalnerven, welcher entsprechend den vorhergehenden Flossenästen (26., 25. ete.) zu der 558 Hermann Braus rostralen von zwei, von demselben Myotom stammenden Knospen verläuft (Taf. XXV Fig. 5). Hinter der caudalen, zu dem Nerven gehörenden (weil in der späteren Entwicklung nach Rabi und ‚Motuier auch von ihm einen deutlichen Ast erhaltenden) Knospe sieht man jedoch noch zwei gut begrenzte und dunkel gefärbte Zellenanhäufungen, welche jungen Knospen ähnlich sehen. Außer- dem ist mit dem 27. Flossennerven ein feines Nervenfädchen ver- bunden, welches sich bis zum 28. Myotom, aber wegen seiner Feinheit zwischen den Zellen desselben nicht bis zum 28. Spinal- nerven selbst verfolgen ließ. Es kann aber wohl keinem Zweifel unterliegen, dass es sich um eine Anastomose zwischen dem 27. und 28. Spinalnerven handelt. Da gerade zwei knospenähnliche Gebilde hinter den zum 27. Nerven gehörigen Knospen in der Brustflossen- leiste liegen, ist es nach dem allgemeinen Entwicklungsmodus der Selachierextremitäten wahrscheinlich, dass diese zu dem folgenden serialen Nerven in Beziehung stehen. Desshalb ist die Annahme gerechtfertigt, dass durch die erwähnte Nervenanastomose Fasern des 28. Spinalnerven dem 27. Nerven und mit diesem jenen Knospen zu- geführt werden. Die Lage und der Verlauf der Anastomose ent- sprechen dieser Voraussetzung (vgl. Fig. 3). In die Beckenflossenanlage, welche direkt an die Brustflossen- leiste anschließt, zwar durch eine Einschnürung von ihr getrennt, aber durch einen Mesodermwulst mit ihr verbunden ist, begiebt sich als vorderster, starker Flossennerv ein Ast des 28. Spinalnerven (Fig. 3). Dieser verläuft wie alle übrigen Flossennerven direkt zu der rostralen Knospe eines Paares, welches von demselben Myotom abstammt und dessen caudale Knospe erst in der späteren Entwicklung einen deut- lichen Nervenast erhält. Jedoch hängt der ersteren von diesen beiden Knospen rostral ein Zellenhäufchen an, welches zwar mit ihr in breiter Verbindung steht, aber doch eine distale Einschnürung gegen sie besitzt. Darauf folgt weiter rostralwärts ein völlig isolirtes Zellen- häufehen, dessen Zellen und Kontour den Charakter des Knospen- epithels besitzen. Es liegt nahe, sich diese beiden Gebilde mit dem vor dem 28. Spinalnerven und dessen Knospen zunächst liegenden 27. Myotom in Beziehung zu denken. Nervenfasern für dieselben (oder wenigstens das caudale von ihnen) könnten möglicherweise noch durch die Nervenanastomose zwischen 27. und 28. Spinalnerven von ersteren zu letzteren und dann zu ihnen gelangen. Doch ist das nach der Lage dieser Anastomose nicht sehr wahrscheinlich, da solche Fasern spitzwinklig und rückläufig vom 27. Flossennerven Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 559 abbiegen müssten. In seltenen Fällen kommt aber auch dieses bei Nervenanastomosen vor. Bei einem Embryo von 20 mm Länge ist die Ausbildung der Mm. radiales in beiden Flossen vollendet. Es verläuft in die Brustflossenleiste ein starker Ast vom 28. Spinalnerven, welcher sich wie alle vorhergehenden mit einem dorsalen und ven- tralen Zweig an die Muskeln der Hebe- und Beugeseite begiebt. Der vorderste in die Beekenflossenleiste tretende und deren Muskulatur versorgende Nerv ist ein Ast des 29. Spinalnerven. Es ist eine Verschiebung der Innervationsgebiete ungefähr um ein Metamer in caudaler Richtung gegenüber dem vorigen Stadium eingetreten. Doch ist zu bedenken, dass in letzterem schon eine feine Nervenanastomose mit dem 28. Myotom vorhanden war. Die weitere Entwicklung in diesem Stadium bekräftigt die Annahme, dass die Anastomose bereits in jenem Nervenfasern des 28. Spinal- nerven der Brustflosse zuführte und dass die beiden hintersten (hinter denen des 27. Myotoms liegenden) Muskelknöspchen des früheren Stadiums die ersten Anlagen der in späteren sich weiter ausbildenden Muskulatur des 28. Myotoms sind. Da ferner die von dem 28. Nerven versorgten Knospen der Beckenflosse des früheren Stadiums in diesem ' älteren abortiren — denn ihre Nerven sind aufgelöst —, so ergiebt sich mit Wahrscheinlichkeit sowohl für die vor ihnen liegende, als auch für die mit der vordersten von ihnen verbundene Zellen- anhäufung (Taf. XXV Fig. 3), die mit dem 27. Myotom in genetischer Beziehung zu denken waren, dass sie in jenem jüngeren Stadium bereits abortive Gebilde sind. Dies ist ein weiterer Grund für mich, sie für nervenlose Knospenreste zu halten und die erwähnte Nervenanastomose zwischen 27. und 28. Nerv nicht für ihre Ver- sorgung verantwortlich zu machen. Denn es ist eine allgemeine, besonders bei den metotischen Somiten des Kopfes sich überall be- stätigende Erfahrung, dass die motorischen Nerven bei regressiven Metamorphosen der Muskulatur früher unseren Augen entschwinden als die Reste der Muskelanlagen selbst. In älteren Stadien schreitet die Muskularisirung der Brustflosse durch serial weiter caudal gelegene Elemente fort, und in demselben Maß scheidet das rostrale seriale Muskelmaterial aus der Becken- flosse aus. Bei einem Embryo von 25 mm Länge verläuft schließlich ein starker Ast des 31. Spinalnerven als letzter Brust- flossennery zur vorderen Extremität und ein ebensolcher des 32. Spinalnerven als erster Beckenflossennery in die hintere 560 Hermann Braus Leiste. Damit ist das Endstadium der Verschiebung des Muskel- materials der Flossen erreicht. Ich habe neuerdings verschiedene ausgewachsene Individuen (zwischen 32 und 37 cm Länge) untersucht und immer den letzten omopterygialen Nerven vom 31., den ersten pelicopterygialen vom 32. Spinalnerven ausgehen sehen}. Diese Befunde an den motorischen Nerven beweisen, dass in der Entwicklung der Brustflosse von Torpedo am caudalen Rand Muskelmaterial von vier serialen Myotomen (28.—31.) auftritt, und das Material von fünfen am rostralen Rand der Beckenflosse dieses Thieres (27.. —31.) in denselben Stadien verschwindet. MoLLIER hat das Einwachsen der Muskelknospen in die Extremitätenleiste genau verfolgt und darüber gesagt: »bei Torpedo... war es leicht, die Grenze zwischen Brust- und Beckenflossenanlage und damit die Zahl der ihnen zufallenden Somiten und Knospen zu bestimmen; um so leichter noch dazu, weil die Spinalnerven schon in den ersten Stadien der Knospenbildung deutlich sichtbar und in dieselben zu verfolgen sind« (1894, pag. 18). Er giebt an, dass die Knospen des 26. Somiten nach seiner Zählung als letzte in die Brustflossenleiste, und die- jenigen des folgenden als erste in die Bauchflossenanlage gelangen. Ich führte aber bereits oben aus, dass seine Zählung nicht mit der meinigen übereinstimmt und dass sein vermeintlicher 26. Somit dem 27. Rumpfmyotom entspricht. Sicher ist es jedenfalls nach den Angaben MoLLIER's, dass die Knospen vom 28. Urwirbel nicht in die Brust-, sondern in die Beckenflossenleiste hineinwachsen. Es entsteht desshalb die Frage, woher das Muskelmaterial des 28.— 31. Myotoms, welches successive während der Ontogenese in der Brust- flosse auftaucht und beim erwachsenen Thier einen ständigen Be- standtheil der Muskulatur dieser Extremität bildet, seinen Ursprung nimmt? Wir befinden uns in einer ähnlichen Lage, wie gegenüber den sich sekundär der Brustflosse von Pristiurus assimilirenden Elementen des 15. und 16. Metamers, bei welchen eine direkte Ableitung von ein- wandernden Muskelknospen höchst unwahrscheinlich ist. Bei Torpedo 1 Vgl. auch meine Arbeit 1898, Taf. XVII, doch mit der Korrektur, dass der als erster Spinalnerv dort notirte Nerv in Wirklichkeit der zweite ist. In dem vorhergehenden Theil dieser Arbeit wurde gezeigt, dass der erste Spinal- nery als Nerv a’ in den Schädel hineinrückt. Es fällt dann auch in jener Tabelle die Grenze der Muskelgebiete von Brust- und Beckenflosse zwischen das 31. und 32, Metamer. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 561 kann man nur noch einen Schritt weiter gehen-und dieselbe als ganz ausgeschlossen bezeichnen; denn dort lösen sich die betreffenden Knospen des 28.—31. Somiten nicht auf, sondern sie wachsen nach- weislich in die Beckenflossenleiste hinein und erzeugen dort Muskelfasern. Es ist kein Beobachtungsfehler, ein Übersehen etwa noeh vorhandener, retardirter Knospen möglich, welcher zwar für Pristiurus sehr unwahrscheinlich, aber doch nicht gänzlich ausge- schlossen ist. Man könnte jedoch auch hier an eine indirekte Ab- leitung von Zellen jener Knospen denken. Dieselben bilden freilich zum Theil embryonale Muskelfasern, ehe sie abortiv werden. Von diesen wird man nicht annehmen, dass sie sich in indifferente Meso- dermzellen zuriickverwandeln. Es könnten aber zwischen den sich differenzirenden Zellen indifferente, nach Art von Schlummerzellen zurückbleiben, welche mit Benutzung des beide Flossenleisten ver- bindenden Mesodermwulstes (Taf. XXV Fig. 1 und 3) in die Brust- flosse einwanderten, wenn die betreffenden Mm. radiales der Becken- flosse untergehen und die serialen Homologa der vorderen Extremität sich bilden. Diese Vorstellung verlangt jedoch, dass die Mm. radiales der hinteren Extremität zu Grunde gehen ehe ihre Homologa in der vorderen entstehen. Das ist aber, wenigstens bei den Elementen des (27. und) 28. Somiten, nicht der Fall. Ich konnte zeigen, dass in meinem jüngsten Stadium bereits Anlagen von Knospen des 28. Myo- toms und auch Nervenfasern seines Spinalnerven in der Brustflossen- leiste vorhanden sind, während bei demselben Embryo in der Beckenflossenleiste noch ausgebildete und intakte Knospen desselben 28. Somiten liegen, welche von einem starken Nervenast des 28. Spinal- nerven versorgt werden. Ja, rostral von letzteren (Fig. 3) befinden sich noch Knospenreste, die wahrscheinlich zu demselben 27. Somiten gehören, welcher in die Brustflosse wohlausgebildete Knospen ge- sendet hat. Diese finden sich bei demselben Embryo als solche in der vorderen Extremität und sind in den definitiven Besitz derselben eingegangen. Es ist eine Überkreuzung der Elemente von wahr- seheinlich zwei Myotomen vorhanden, die auf gleichzeitiger Ver- sorgung beider Flossen durch jedes einzelne von ihnen beruht. Sicher ist Material von einem Myotom sowohl in der Brust- als in der Beckenflosse gleichzeitig abgelagert. Es bleibt ein solcher Zustand manchmal auch bei ausgewachsenen Rochen, seltener bei Squaliden erhalten. So konnte ich bei Raja vomer und R. fullonica zeigen, dass der Grenznerv zwischen beiden Flossengebieten jeder von beiden Extremitäten einen motorischen Ast abgiebt und dass bei 562 Hermann Braus Rhina squatina sogar zwei Nerven jede Flosse mit je einem moto- rischen Nervenast versorgen (1898, pag. 434 und Taf. XVII). Da- durch gewinnt der embryologische Befund bei Torpedo ein größeres Gewicht. Die vordere und die hintere Extremität sind trotz der nahen Nachbarschaft und des vorübergehenden Zu- sammenhangs ihrer Leisten bis in die früheste Entwicklung hinein von einander unabhängige Organe. Es schwindet da- mit die Möglichkeit, die Muskelelemente der einen genetisch mit den- jenigen der anderen zu verknüpfen. Die zweite Möglichkeit, welche ich bei Pristiurus aufstellte, war die, dass das neu sich bildende Muskelmaterial in Form in- differenter Zellen aus dem Seitenrumpfmuskel auswandere. Bei Torpedo lässt sich auch gegen diese ein Einwand erheben. Die Anfangsstadien der Neubildung sind hier bis zu so jungen Embryonen hin zu verfolgen, dass die Myotome an der Stelle, an welcher die Seitenleisten dem Rumpfe anliegen, noch aus einer geschlossenen medialen und lateralen Epithellamelle bestehen (Taf. XXV Fig. 3). Die Cutislamelle hat sich erst weiter dorsal in embryonales Binde- gewebe aufzulösen begonnen (vgl. Rast 1893, Taf. V Fig. 2). Zellen, welche aus dieser herstammen, mögen sich wohl mit dem basalen Mesenchymgewebe der Flossenleiste vermischt haben. Diese können aber nicht für die Entstehung von quergestreiften Muskelfasern in Be- tracht kommen, da von der Cutislamelle nur dermales Bindegewebe und höchstens glatte Muskelzellen produeirt werden. Da in der Höhe der Flossenleisten auch die Cutislamelle noch ein einschichtiges zu- sammenhängendes Epithel bildet, so ist damit gleichsam eine Wand zwischen der Muskelplatte der medialen Urwirbellamelle und der Extremität erhalten, welche von den möglicherweise aus ersterer zu letzterer überwandernden embryonalen Muskelzellen durchquert werden müsste. Das erscheint aber sehr unwahrscheinlich. Ge- zwungen erscheint mir auch ein anderer Versuch der Erklärung, der unter den dorsal frei werdenden Zellen der Cutislamelle solche ver- muthen wollte, welche aus dem medialen Urwirbelblatt stammen. Denn in diesen Stadien ist die Grenze der Muskelplatte eine so scharfe, dass ich ähnliche Bedenken gegen eine Abgliederung von Zellen aus derselben erheben muss wie ich sie gegen die Angliede- rung von solchen bei Besprechung der Frage erhob, ob die Cutis- lamelle der Muskelplatte embryonale Muskelfasern zuführe oder nicht. Doch ist dieser Einwand nicht von entscheidender Bedeutung. Ich halte zwar die Auswanderung embryonaler Zellen aus der Muskel- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 563 platte zur Zeit der Entstehung der neuen Muskelanlagen in der Flosse für sehr unwahrscheinlich, ganz ausschließen kann ich aber diesen Process nicht. Die dritte Möglichkeit dagegen, welche die sekundär assi- milirte Muskulatur von in loco vorhandenen und wahrscheinlich von früheren Entwicklungsperioden her in dem Extremitätenmesoderm eingeschlossenen Muskelbildungszellen herleiten möchte, erhält eine Stütze durch die bei Torpedo vorliegenden Verhältnisse. Wie RABL nachgewiesen hat, entsteht die Mesodermverbindung der beiden Ex- tremitätenleisten kurz nach der Ausbildung der letzteren (1893, pag. 116). Ich finde dieselbe bei meinem jüngsten Embryo (Taf. XXV Fig. 3) bereits angelegt. Sie erhält sich während der folgenden Stadien (Taf. XXV Fig. 1) bis zum Ende der Periode, in welcher sich noch neue Muskelelemente in der Brustflosse bilden und in der Beckenflosse alte zu Grunde gehen. Dann verschwindet auch diese Mesodermbrücke und die Verbindung zwischen den Extremitäten- leisten ist gelöst (Taf. XXV Fig. 2. BALrour hat der Verbindungs- leiste, speciell ihrer ektodermatischen Bekleidung, eine sehr primi- tive phylogenetische Bedeutung beigelegt, indem er in ihr den Überrest einer kontinuirlichen und einheitlichen Lateralflosse des Rumpfes erblickte. Die Verschiebungen im Mesoderm und die gan- zen Muskelumbildungsprocesse an dieser Stelle tragen jedoch so sehr den Stempel hochdifferenzirter Umgestaltungen, dass ich ihm darin nicht wie Rast, Monier und viele Andere folgen kann. Des Näheren werde ich darauf im Schlusskapitel zuriickkommen. Dagegen liegt es sehr nahe, sich die Mesodermverbindung der Flossenleisten in ursächlichem Verhältnis zu den serialen Umbildungen der Mus- kulatur zu denken, zu denen enge zeitliche Beziehungen, wie oben bereits nachgewiesen wurde, bestehen. Das Mesoderm ist in der Verbindungsleiste gegen das Ektoderm zu aus einer Schicht dicht gestellter Zellen zusammengesetzt, welche mit den distalen Theilen der Extremitätenleisten in ihrem Bau zu vergleichen ist und mit ihnen auch in Verbindung steht. Wie bei letzteren liegt hier ein embryonales Bildungsgewebe vor, welches auf einer primitiveren Ausbildungsstufe verharrt als die mehr basalen, an die Rumpfmus- kulatur grenzenden Mesenchymschichten (zahlreiche Kerntheilungs- figuren siehe auch Fig. 3 und diese Arbeit pag. 511). Wenn nun auch eine direkte Überwanderung von Knospen und Knospenepithel von Flosse zu Flosse aus den oben angeführten Gründen ausgeschlossen ist (die direkte Beobachtung lässt nur anscheinend gleichgestaltete 564 Hermann Braus Mesodermzellen in der Verbindungsbrücke erkennen), so ist doch an- zunehmen, dass in dem primitiven Bildungsgewebe, welches kurz nach der Ausbildung der Extremitätenleisten sekundär beide verbindet, der vorderen Extremität Material zu ihrer eaudalen Aus- bildung zuwächst. Alle differenzirten Theile der hinteren Extremität, so weit sie dem 27.—31. Metamer entstammen, gehen zwar zu Grunde; aber die undifferenzirten Mesodermzellen dieser Metamere werden nicht aufs Neue gebildet, sondern direkt von der vorderen Extremitätenleiste in dem Maße aufgenommen, als dieselbe an die Stelle vorrückt, an welcher sich diese Elemente befinden. Dadurch gewinnt die mesodermatische Verbindungsbrücke eine in den lokalen Entwicklungsprocessen begründete genetische Erklärung. Es erscheint ferner die Vermuthung gerechtfertigt, dass unter den embryonalen Bildungszellen solche der Vorderflosse zuge- führt werden, welche im Stande sind, in ihr embryonale Muskel- fasern zu erzeugen. Einen größeren Grad der Gewissheit habe ich mir auch bei Torpedo nicht über die Herkunft des sekundär assimilirten Muskel- materials der vorderen Extremität verschaffen können. Doch zweifle ich nicht, dass ausgiebigere, auf diesen Punkt gerichtete Studien, die an eigens zu dem Zwecke konservirten Material und mit An- wendung feinster histologischer Färbe- und Aufhellungsmethoden angestellt werden müssten, gerade bei Rochen-Embryonen mehr und ‚ sichereren Erfolg versprechen als meine mit beschränkten Mitteln in kurzer Zeit abgeschlossenen diesbezüglichen Versuche. So viel jedoch haben auch diese mit Sicherheit ergeben, dass bei Torpedo Extremitätenmuskeln zur Anlage kommen, welche nicht durch Ab- sehnürung von Urwirbeln (Knospen) direkt entstehen. Da- durch gewinnt ein ähnlicher, aber am Objekt selbst nicht gleich sicher zu stellender Befund bei Pristiurus eine Bestätigung, da der ganze Entwicklungsmodus bei diesem mit dem bei Torpedo beob- achteten (eaudalwärts gerichtete Ausdehnung der Flossenanlage) im besten Einklang steht. Es ist von Wichtigkeit, dies bei Selachiern festgestellt zu haben, weil bei diesen ganz allgemein die Flossen- muskulatur von dem Mesothel der Urwirbelplatten direkt abgeleitet wird, wie BALFOUR und Dourn zuerst fanden. Die späteren Befunde bei höheren Wirbelthieren (Ganoiden, Teleostiern, Dipnoern, Amphibien, Sauropsiden, Säugern), welche diesen Vorgang in sehr modifieirter Form (Reptilien, Ganoiden, MOLLIER) oder so sehr abgeändert zeig- ten (alle anderen), dass eine direkte Entstehung aus Urwirbelmesothel Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. Il. 565 nach Art der Knospen nicht erkannt werden konnte, leiteten zwar bisher keine Nachprüfung ein, ob in der That die Muskelanlagen bei Selachiern durchgängig von Knospen abzuleiten seien, führten jedoch dem früher schon auf Grund theoretischer Bedenken von ZIEGLER geäußerten Protest gegen die Bedeutung der Knospen (1888, pag. 391) neue Anhänger zu. Besonders Harrison (1895, pag. 566—572) trat selbständig, auf gute Gründe gestützt, für eine freiere Auffassung der Entstehung von Extremitätenmuskeln ein, welche die Knospenbildung, wenn sie auch noch bei Selachiern als primitiv erklärt wird, thatsächlich doch ihrer Bedeutung für die Phy- logenese der Flosse entkleiden musste. Es wird Sache der späteren Zusammenfassung meiner Resultate zwecks ihrer Verwerthung für phylogenetische Spekulationen sein, auf diesen Punkt näher einzu- gehen; hier mag das Angeführte genügen, um das oben bei Sela- chiern gewonnene Resultat als ein für die Extremitätenfrage allge- mein wiehtiges Ergebnis zu betonen. Sind auch die Flossenmuskeln von Selachiern nicht immer von Mesothelbezirken abzuleiten, so ist dagegen die positive Lösung der Frage, in welcher Weise die mesenchymatische Entstehung derselben erfolgt, weder, wie mir scheint, bei den höheren Wirbel- thieren zu einer endgültigen Lösung gelangt, noch in den oben er- örterten Fällen, in welchen sie bei Selachiern beobachtet wurde, sicher entschieden worden. Ohne Harrison in seinen allgemeinen Betrachtungen über die Differenzirung des Mesoderms überall folgen zu können, halte ich doch seine Ansicht für die wahrscheinlichste, dass in loco befindliche indifferente Zellen der Extremitätenleisten nachträglich Muskelfasern produeiren. Für weniger wahrscheinlich, aber nieht für ausgeschlossen, halte ich eine Einwanderung von Zellen in die Flossenleiste zur Zeit der Muskelbildung. Für beide Fälle ist mir aber von besonderer Wichtigkeit, dass man unter diesen Zellen nach den bisherigen Kenntnissen über die Entstehung des Flossenmesoderms solche vermuthen darf, welche ursprünglich in der Muskelplatte der Somiten entstanden sind, mögen sie bei der ersten Anlage der Flossenleiste oder erst später in dieselbe hinein gelangen. ec. Specielle Entwicklung der Beckenflossenmuskeln. Gerade so wie bei der Brustflosse sind auch bei der Becken- flosse am hinteren Rand Knospen vorhanden, welche zur Zeit der Morpholog. Jahrbuch. 27. i 3 566 ' Hermann Braus Theilung \der direkt in die Flossenleiste einwachsenden Primärknos- pen des 2%,—35. und der rostralen Knospe des 36. Somiten in die sekundären, ‘in der Nähe der Rumpfmyotome liegen bleiben (Taf. XXII Fig. 3). Vor, diesen geht jedoch nur eine, die Einzelknospe des 40. Somiten, später an dieser Stelle zu Grunde; die übrigen sieben seiangen nachiräglich in die Extremität hinein. In späteren Stadien verlaufen die zu ihnen gehörigen Nerven in dieselbe und-verzweigen sich an die letzten Mm. radiales (Fig. 4), in denen wir das Material jener Knospen zu suchen haben. Doch sind die beiden letzten Ner- venäste schon beträchtlich dünner als die meisten Beckenflossen- nerven. Sie sind mit einander zu einem Nervenstamm verbunden, der nur eine Nervengabel (Theilungsstelle des Nerven in einen dorsalen und ventralen Ast zum Hebe- und Senkmuskel) bildet, haben aber zusammen nicht einmal die Stärke jener. Auch der Flossenast des 37. Spinalnerven ist schwächer als die meisten. In diesem Zustand finden sich die Nerven auch bei älteren Embryonen; doch konnte ich manchmal (Embryo von ce. 31,5 und 45 mm Länge) den Ast des 39. Nerven trotz genauen Nachforschens nicht entdecken, während ich ihn bei anderen Embryonen gleicher oder annähernder Größe wohl sah. Beim ausgewachsenen Thier ist er nebst den vor- hergehenden Nerven abortirt. Ich sehe als letzten Flossennerven einen Ast des 36. Spinalnerven in die Flossenmuskulatur eintreten (1898, Taf. XVII). Es bleibt schließlich nur das Derivat einer der acht Knospen erhalten (caudale Knospe des 36. Somiten). Ähnliches war bei der Brustflosse der Fall (Knospe des 10. Somiten). Nur sind bei der Beckenflosse die retardirten ‘Knospen zahlreicher als bei dieser und manche, die später zu Grunde gehen, betheiligen sich wenigstens noch in der Ontogenese am Aufbau der Mm. radiales. Ähnliche Knospen sind von Dourx bei Scylliiden-Embryonen als postanale Muskelknospen beschrieben worden (1884, pag. 172). Seine Vermuthung, dass dieselben in die unpaare Analflosse gelangten und an der Bildung ihrer Muskulatur betheiligt seien, ist bereits von P. MAYER (1886, pag. 240) als irrig nachgewiesen worden. Denn letzterer Autor konnte »mit aller Sicherheit« das Einwandern der vordersten in die Bauchflosse bei Pristiurus verfolgen; die hintersten abortiren. Uber die Zahl werden keine Angaben gemacht, jedoch individuelle Schwankungen als nicht ausgeschlossen bezeichnet. Diese Befunde P. Mayer’s erfahren durch die meinigen bei Spinax eine Bestätigung. Wegen der Deutung der retardirten Muskelknospen am caudalen Rand der Beckenflosse muss auf die Ausführungen im vorhergehenden Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 567 Abschnitt über das gleiche Gebilde bei der Brustflosse verwiesen werden. ‘Doch besteht ein relativer Unterschied auch für die Auf- fassung darin, dass in der Ontogenese die Rückbildung bei der Beckenflosse in späteren Stadien eintritt als bei der Brustflosse. Es liegt desshalb die Möglichkeit vor, dass die Verschiebungsprocesse, welche die Retardation der Entwicklung bedingen, verhältnismäßig junge phylogenetische Erscheinungen sind. Die weiteren Schicksale des Knospenmaterials geben dem Ver- gleich mit der Knospe des zehnten Somiten eine weitere Stütze. Ein Theil desselben wird auf die bereits vorhandenen Mm. radiales vertheilt; denn deren Zahl ist zunächst nieht größer als diejenige der Knospen (vgl. Fig. 3 und 4). Später bilden sich am hinteren Rand des 17. M. radialis, wie bei der Brustflosse, noch weitere Muskelanlagen aus dem verschmolzenen Material der letzten Knos- pen aus. Bei der ausgewachsenen Bauchflosse sind 20 vorhanden, welche den einzelnen Knorpelradien und dem Hauptstrahle des Skelettes entsprechen (Taf. XXII Fig. 6). Doch wäre es unrichtig, diese Mm. radiales mit denjenigen des Embryos von 32 mm Länge so zu homologisiren, dass die 17 vordersten mit den 17 hier vor- handenen identisch und nur drei neue am caudalen Rand hinzuge- kommen wären. In Fig.5 sind die Mm. radiales des Embryonal- stadiums genau in ihrer Lage zu den gerade zur Ausbildung gelan- genden Knorpelradien nach einer Rekonstruktion auf Millimeterpapier gezeichnet. Man sieht, dass der M. radialis IV ungefähr dem ersten Knorpelradius, V dem zweiten etc. entspricht. Namentlich bei den weiter caudalwärts liegenden Mm. radiales wird die beim ausgebildeten Thier überall vorhandene enge Beziehung zwischen Knorpelradius und Radialmuskel sehr ausgeprägt. MOLLIER hat bereits für die Strahlen- bildung von Torpedo und Mustelus nachgewiesen, »dass zwischen den vier proximalsten Knospen keine solchen zur Anlage gelangen« (1894, pag. 59). Bei Spinax sehe ich, dass sich unge- fähr zwischen dem dorsalen und ventralen M. radialis IV der erste Radius ausbildet. Diese Mm. radiales (IV) sind desshalb dem ersten Muskelfaseikel der ausgebildeten Bauchflosse von Spinax homolog; in Folge dessen ist der 17. M. radialis beim Embryo die Anlage des 14. des erwachsenen Thieres. Daraus folgt, dass die letzten sechs Mm. radiales in der späteren Entwicklung aus dem Muskelmaterial jener retardirten sieben Knospen hervorgehen. Dass aber auch hier wie bei der Brustflosse von vorn herein an diese Muskelanlagen Zellen von den ihnen vorangehenden Knospen abgegeben werden, 37* 568 Hermann Braus geht daraus hervor, dass nach dem Zugrundegehen der Muskeln des 37.—39. Myotoms solche für sie eintreten, welche dem 36. und den vorhergehenden Somiten entstammen. Diese letzteren Umgestaltungen vollziehen sich in so späten Entwicklungsstadien (nach solehen von 40 mm Länge) und zum Theil erst nach Abschluss des Embryonal- lebens, so dass die Präparation des Muskel- und Nervensystems eher genauere Auskunft über das Detail derselben verspricht, als die mit großen Schwierigkeiten verbundene Untersuchung derselben in Serien- schnitten. Es ist desshalb Sache einer vergleichend - anatomischen Bearbeitung der Flossenmuskeln, hier einzusetzen. Ich selbst hoffe bald, meine dahin zielenden Untersuchungen veröffentlichen zu können. Der in der theilweisen Rückbildung und in der retardirten Ent- wieklung hinterer Muskelknospen zum Ausdruck kommenden Ver- schiebung der Muskelanlagen der Becken- wie der Brustflosse in rostraler Richtung entspricht auch bei ersterer, wie bei letzterer, eine Wanderung des metameren Knospenmaterials nach vorn. Inner- halb der mittleren und hinteren Mm. radiales äußert sich dieselbe zur Zeit des Austausches, welcher sich in den Anastomosen vollzieht, und nach demselben darin, dass die Hauptäste des Nerven zu an- deren, weiter vorn gelegenen Mm. radiales verlaufen als denjenigen Muskelknospen, welche die gleichen serialen Nervenäste in früheren Stadien ausschließlich versorgten. Ich gebe wieder eine Übersicht wie bei der Brustflosse (vgl. pag. 548) über die dorsale Muskulatur zweier Stadien, welche jedoch nicht so weit wie dort aus einander liegen, da in dem zweiten (Fig. 4) die Anastomosen noch allenthalben erhalten sind. Nerv | 36 35 34 | 33 32 | 31 | 30 | 29 28 Embryo c. | 26 mm Länge, XVII |XVI, XV) XIV, SIT | RT, XI, 0X |) VIER Va SV Vi RVG SEIT nen Taf. XXII Fig.3 | Embryo 32mm Länge, |XV,XIV| XI | XI | XI,X |IX,vI| vo | VI | V, IV [onını Taf. XXII Fig. 4 Schreitet man in dieser Tabelle von links nach rechts, also beim Embryo von hinten nach vorn, vor, so sieht man eine Zeit lang, wie sich das seriale Zellenmaterial, genau wie bei der Brustflosse, beim älteren Embryo weiter nach vorn als beim jüngeren verschoben hat. Im rostralen Theil der Flosse treten aber neue Erscheinungen ein, Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 569 welche in den Brustflossenmuskeln bei Spinax nicht beobachtet wur- den. Die vom 33. und 32. Metamer stammenden Muskelelemente haben sich noch um einen M. radialis nach vorn verschoben, bei denen des 31. Somiten ist Stillstand eingetreten. Die Zellen, welche dem 30.—28. Urwirbel angehören, sind dagegen in eaudaler Richtung gewandert. Die Verhältnisse der Muskelentwicklung der betreffenden Ur- wirbel, denen wir uns hiermit zuwenden, führen zu demselben Re- sultat einer caudal gerichteten Verschiebung, welehe bei der Wan- derung der Mesodermleiste klar vor Augen lag (pag. 523). Die bisher behandelte rostrale Verschiebung der Flossenmuskelanlagen, welche sich nur am hinteren Theil der Flosse junger Stadien voll- zieht, tritt bei der Extremitätenleiste als Zurückbleiben ihres hin- teren Randes im Tempo der Verschiebung gegenüber dem vorderen und als eine daraus resultirende Verkleinerung der Flossenbasis in die Erscheinung. Schon daraus sieht man, dass der caudal ge- richtete Verschiebungsprocess in jungen Stadien das Übergewicht über den rostral gerichteten hat. Das nähere Studium der Verän- derungen im Bereich der vordersten Beckenflossenknospen und des von ihnen gelieferten Materials wird dies bestätigen. Durch genaue Verfolgung der ventralen Äste des Spinalnerven eines jeden Somiten im Zwischenflossenraum bei Spinax kam ich zu dem Resultat, dass hier die Angabe der Autoren über die völlige Auflösung der hier vorhandenen, sog. »abortiven« Muskelknos- pen nicht zutreffend sein könne. Die Nerven beschränken sich noch bei den vordersten Somiten dieser Gegend in ihren Verästelungen je auf einen Urwirbel bei einem Embryo von c. 26 mm Länge (Taf. XXII Fig. 3). Ein Ast läuft regelmäßig über die ventrale Kante des So- miten hinaus und gelangt lateral von der Vena parietalis in das Mesoderm der Bauchmittellinie, um hier bald zu verschwinden. Es ist der R. eutaneus ventr. internus. Vom 21. Urwirbel an begiebt sich jedoch ein Nervenast über die caudale Grenze des 21. Myotoms hinaus hinter den folgenden Somiten und verläuft an dessen ven- trale Kante, wo er sich mit einem feinen Ast des 22. Spinalnerven verbindet. Der aus beiden Ästen gebildete dimere Stamm endet in einem kleinen Zellenhäufchen, welches an der Grenze zwischen 22. und 23. Myotom und zwischen deren ventraler Kante und der Vena parietalis liegt. Außerdem aber ist der ventrale Haut- ast des 22. Nerven hinter das folgende Metamer getreten und ver- läuft von dort aus zu seinem Endgebiet. Beide Erscheinungen 570 Hermann Braus finden sich auch bei den folgenden Nerven. Der ventrale Hautast ist, so lange er erhalten ist, um ein Metamer nach hinten gerückt. Die Zellenhiiufchen, welche zwischen den ventralen Somitenkanten und der Vena parietalis liegen und von welchen jedes je einen um so stiirkeren Nervenast empfiingt, je weiter caudal es sich befindet, sind jedoch zum Theil weiter gegen ihre Muttersomiten verschoben. Die vom 23. und 24. stammenden liegen noch unter dem nächst folgenden Urwirbel, das des 25. aber bereits unter dem 27., das des 26. unter dem 28. Somiten ete. Das zum 26. und 27. Myotom gehörende Zellenhäufchen konnte ich kontinuirlich auf Knospen des Zwischenflossenraumes zurückverfolgen. In Fig. 2 sieht man die Knospen als äußerst feine, dieht an einander liegende, basal zum Theil verschmolzene (27. U,-W.) Stäbehen unter dem nächstfolgenden Urwirbel liegen. Sie besitzen aber noch ihre Verbindung mit dem Muttersomiten. Wenn sich diese löst, verschmelzen die demselben Myotom ent- stammenden Primärknospen und rücken noch ein wenig, wie der jetzt deutlich entwickelte Nerv zeigt, eaudalwärts unter den zweiten auf das ursprüngliche Muttermyotom folgenden Urwirbel. Bei den vor dem 26. Somiten entstehenden Knospen des Zwischenflossenraumes (18.—25. U.-W.) ist zur Zeit ihrer Lostrennung von den Myotomen noch kein Nervenast zu sehen, welcher die Be- ziehung zum Muttermyotom erkennen ließe. Die Knospen lösen sich allmählich im umgebenden Mesodermgewebe auf. Doch bleiben immer noch Knospenreste übrig, welche aus dunkler gefärbten Zellen als die Mesodermzellen bestehen, aber keine deutlichen Kontouren be- sitzen und desshalb leicht übersehen werden können. Mit Sicherheit konnte ich sie erst bestimmen in etwas älteren Stadien, in welchen Nervenäste zu ihnen sichtbar werden. Man findet in diesen Stadien die vorhin beschriebenen, in Verbindung mit Zweigen vom 21.—25. Spinalnerven stehenden Zellenhiiufchen, welche in ihrer nervösen Versorgung, ihrer Lage zwischen ventraler Myotomkante und Vena parietalis und ihrem Bau mit den sicheren Knospenresten des 26. (und 27.) Urwirbels übereinstimmen und desshalb für seriale Ho- modyname derselben gehalten werden müssen. In Fig. 7 Taf. XXIII habe ich einen Querschnitt durch den Knospenrest des 25. Urwirbels abgebildet. Zwischen den dunklen Zellen, deren Außenkontour keine so glatte Linie wie bei den übrigen Mesothelien bildet, sieht man die Aufsplitterungen des Astes vom 25. Spinalnerven. Der un- bestimmte Kontour ist bei den vordersten Zellenhiufchen ausge- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. I. 571 sprochener. Es ist eine Rückbildung eingetreten, welche, je weiter nach vorn, um so hochgradiger wird und die Bezeichnung »Knospen- rest« rechtfertigt. In älteren Stadien (Embryo von 32 mm Länge) findet man die Knospenreste nicht mehr neben der Vena parietalis. Doch lösen sich gerade so wie bei jüngeren Embryonen von den Spinalnerven Äste los, welche hinter die folgenden Myotome und schräg abwärts zur Vena parietalis verlaufen. Neben dieser bilden sie einen Plexus, der als Längsstamm sich zur Flossenleiste und zur Extremitätenmusku- latur begiebt (Taf. XXII Fig. 4). Diese Nervenäste zeigen den Weg, welchen die Knospenreste genommen haben, und ihren Verbleib an. Die eaudalwärts gerichtete Wanderung, welche sie schon in früheren Stadien beträchtlich von ihren Muttersomiten entfernt und der hin- teren Flossenleiste genähert hatte, ist so weit fortgeschritten, dass die Knospenreste in die letztere einwachsen und sich wie die folgen- den Knospen (des 28.—35. U.-W.) am Aufbau der Flossenmuskulatur — freilich verspätet — betheiligen können. Der Nervenplexus ent- hält Anfangs nur Äste vom 23.—28. Spinalnerven (Fig. 4). In späte- ren Stadien finde ich manchmal noch solche weiter vorhergehender Nerven, bei einem Embryo von 40 mm Länge als Maximum der rostralen Ausdehnung auch noch einen Ast des 21. Spinalnerven in den Plexus eintreten (es liegt diesem Befund eine Horizontalserie zu Grunde, auf welcher der Plexus besonders gut zu verfolgen war, Taf. XXIII Fig. 5). Doch weiß ich nicht, ob dies in allen Fällen vorkommt, und vermuthe fast, dass individuelle Variationen häufig sind. Jedenfalls treffen die Knospenreste, je weiter rostral ihr Mutter- somit liegt, um so später in der Flossenleiste ein. Schon beim Embryo von e. 26mm Länge waren die mehr caudalwärts entstan- denen Knospenreste relativ weiter von ihrem Ursprungsort entfernt als die mehr rostralwärts produeirten (s. oben und Taf. XXII Fig. 3). Es ist verständlich, dass fiir die vordersten die Entfernung von der Beckenflosse zu groß werden kann; sie erreichen dieselbe dann erst alle in sehr viel späteren Entwicklungsstadien, oder vielleicht bei manchen Embryonen gar nicht, bei anderen wohl, in noch älteren Stadien schließlich in keinem Falle mehr. Das Letztere ist bei den Knospen des 18.—20. Myotoms eingetreten, von welchen ich nach ihrer Loslösung nur noch undeutliche Reste, aber keine Nerven und keine Spuren in älteren Stadien mehr fand. Bei ihnen ist desshalb schon die Anlage in Form einer Knospe (statt der gewöhnlichen zwei) als Rückbildungserscheinung zu deuten, ähnlich derjenigen, welche 572 Hermann Braus die folgenden Knospenpaare in ihrer späteren Verschmelzung zu einem einheitlichen Hiiufchen erleiden. Die regressive Metamorphose, welehe hier zur Formveränderung bei der ersten Anlage und zur späteren totalen Riickbildung, bei den folgenden Knospen erst in älteren Stadien zu Formveränderungen (Verschmelzung, Kontour- auflösung, Verkleinerung) führt, bewirkt bei einem Theil der letz- teren schließlich auch noch definitiven Verfall. Beim ausgebildeten Thier sind die Nerven des Plexus bis auf den Ast des 24. Spinal- nerven verschwunden. Letzterer ist der erste pelicopterygiale Nerv (Braus, 1898, Taf. VII). Dass die Knospenreste des 24.—27. Myo- toms aktive Muskelsubstanz für die fertige Bauchflosse liefern, geht aus der Nervenversorgung der Mm. radiales letzterer hervor. In Fig. 6 Taf. XXII habe ich durch rothe Schraffirung diejenige Muskel- partie angegeben, in welcher sich Äste des 24.—27. Spinalnerven nachweisen lassen. Der caudalste Ast des 27. Nerven ist als hintere Grenze dieses Bezirks besonders eingezeichnet. Es werden zwar nicht alle an dieser Stelle befindlichen Muskeln von jenen Nerven versorgt, sondern auch weiter caudalwärts folgende seriale Nerven dringen in die Muskelgruppe ein. Aber sicher sind hier in beträcht- licher Verbreitung motorische Elemente an der Bewegung der Flosse betheiligt, welche von den sogenannten »Abortivknospen« des Zwischenflossenraumes abstammen. Gehören bei Spinax sämmtliche Knospen des Zwischen- flossenraumes zur Beckenflosse und sind Abkömmlinge derselben sogar noch beim ausgebildeten Thier in dieser vorhanden, so ist es unwahrscheinlich, dass bei Seylliiden-Em- bryonen alle diese Knospen schon in jungen Entwicklungsstadien’ sänzlich zu Grunde gehen und die Beziehungen zur Beckenflosse verwischt sein sollten. Ich wandte bei Pristiurus meine Aufmerk- samkeit wiederum besonders dem Nervensystem zu, um Auskunft über den Verbleib der Knospen zu erhalten; denn bei den genauen Ermittelungen RAgr’s über die Auflösung der Knospen selbst bei diesem Thier konnte ich nicht hoffen, auf diesem Weg bei meinem verhältnismäßig geringen Material neue Aufschlüsse zu bekommen. Durchmustert man eine Querschnittserie eines Pristiurus- Embryo von 26 mm Länge, so findet man, dass nur die vordersten auf die Brustflossenleiste folgenden Nerven des Zwischenflossenraumes mit ihren Ästen auf einen Somiten beschränkt bleiben. Bei diesen macht sich freilich auch eine Erscheinung geltend, welche von Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 573 Wıkström an ausgebildeten Squaliden bereits beobachtet wurde. " Es geht der Ramus ventralis des Spinalnerven eine Strecke weit über die Innenfläche des vorangehenden serialen Somiten hinweg, um weiter ventral wieder auf sein Muttermyotom zu gelangen. Wık- STRÖM zeigte jedoch, dass auf dieser Strecke keine Nervenäste an den vorangehenden Urwirbel abgegeben werden, vielmehr die ur- sprünglichen metameren (haploneuren) Verhältnisse im Muskelbau gewahrt bleiben (1897, pag. 404). In Fig. 1 Taf. XXIV ist diese Eigenthümlichkeit des Nervenverlaufs bei dem 15.—19. Spinalnerven von Pristiurus zu sehen, die ich als einen Überrest ursprünglicherer Zustände auffasse, bei welchen die Knickung der ventralen Myotom- fortsätze noch nicht bestand. Sehr verschieden davon ist jedoch eine andere Erscheinung, welche bei weiter caudal liegenden Nerven des Zwischenflossenraumes zu beobachten ist. Bei diesen verläuft ein starker Nervenast über die caudale Grenze des Somiten hinaus und hinter das nächstfolgen de Myotom, häufig sogar noch weiter caudalwärts über weitere Myotome hinüber. In Fig.5 Taf. XXV habe ich einen solchen Querschnitt durch die Bauchgegend in der Umgebung der Vena parietalis ab- gebildet, in dem man einen Ast des 24. Spinalnerven medial vom 26. Myotom liegen sieht. Solche Nervenäste begeben sich, wie dieser in der Figur, in den Raum zwischen Vena parietalis und Rumpf- muskel. Dort betten sie sich in die Muskelfasern ein und sind bald nicht mehr zwischen ihnen zu erkennen. Doch glaubte ich hin und wieder Querschnitte eines Plexus auf den Schnitten zu sehen (in Fig. 5 mit ? bezeichnet). Die Präparate waren jedoch ein wenig geschrumpft und in Folge dessen nicht so klar und übersichtlich wie diejenigen von Spinax. Trotzdem liegt die Übereinstimmung mit dem dort beobachteten Nervenverlauf klar zu Tage (vgl. Taf. XXV Fig. 5 mit Taf. XXIII Fig. 5). Einen Überblick über die gröbere Anordnung der Nerven giebt die genau nach dem Präparat gezeichnete Fig. 1 Taf. XXIV2. Man sieht bereits vom 20. Spinalnerven einen Ast auf das folgende Myotom und an die Vena parietalis treten. Von da ab finden wir bei allen folgenden Spinalnerven einen solchen. Anfänglich ist dieser Ast nicht dicker als der R. ventralis. Letzterer verbleibt bei seinem ! Nach einer mir im Manuskript bekannten Arbeit des Autors, über welche bisher nur eine kurze Mittheilung veröffentlicht wurde (1897). 2 Ich kontrollirte natürlich die Zeichnung nach der Serie und fand sie in allen topographischen Details richtig. 574 Hermann Braus Myotom, wie auch bei den vorderen Somiten, indem er manchmal zu dem Zwecke rückläufig wird (U.-W. 20). Bei dem weiter caudal- wärts liegenden Somiten ist auch der R. ventralis auf das folgende Myotom wie bei Spinax verschoben (22. und 23. U.-W.), um schlieb- lich wie dort zu verschwinden. Der Nerv läuft scheinbar in toto in schräg caudo-ventraler Richtung auf die Vena parietalis zu. Wenn ieh auch bei Pristiurus nicht mit Sicherheit den Nerven- plexus neben der Vena parietalis wie bei Spinax erkennen konnte, so bin ich doch überzeugt, dass an günstigeren Präparaten ein solcher zu finden ist. Die Lage der Nerven zur Vena parietalis und den Myotomen des Rumpfes ist eine so charakteristische und stimmt so genau mit den gleichen Erscheinungen bei Spinax überein, dass auch für diesen Punkt ein identisches Verhalten zu erwarten ist (vgl. Taf. XXIV Fig. 1 und Taf. XXII Fig. 4). Schon vor der Lostrennung der Knospen von den Somiten im Zwischenflossenraum (Taf. XXIV Fig. 2) zeigt sich der Verschiebungs- process an denselben, welcher caudalwärts gerichtet ist. Am deut- lichsten ist dies am 20.—25. Urwirbel der Fall, deren Knospen an- fänglich unter den caudalen Rand ihres Muttersomiten, weiter hinten aber unter die ventrale Kante des folgenden Myotoms verschoben sind. Bei den vordersten Urwirbeln des Zwischenflossenraumes ist dieses Verhalten angebahnt, indem bereits die caudale Knospe des 14. Somiten stark caudalwärts abgebogen ist und bei den folgenden manchmal eine völlige Umkniekung des Knospenstiels nach hinten stattfindet. Letztere sah ich z.B. in zwei Fällen an der caudalen Knospe des 16. Myotoms. Nach vorn gerichtete Knospen fand ich nie, außer bei den Knospen, welche später in die Brustflossenleiste ein- wachsen. Asn fand Knospen, welche mit ihrem Stiel verwachsen waren. In einem Fall (20. U.-W.) beobachtete ich sogar eine totale Verschmelzung beider Primärknospen. Mögen diese Knospen bei Pristiurus nach ihrer Trennung von den Myotomen bald völlig zu Grunde gehen oder mag ihr Material noch während der Ontogenese in die hintere Flosse hinein gelangen, jedenfalls ist die Verschiebung ihrer Zellen in caudaler Richtung nach der scheinbar völligen Auflösung noch eine beträchtliche gegenüber derjenigen, welche vor der Tren- nung von den Muttersomiten zu erkennen ist. Denn sonst wäre das Nervenbild älterer Stadien nicht zu verstehen. Bei ausgebildeten Thieren ist jedenfalls nichts mehr von dem Material der Knospen in der Bauchflosse vorhanden. Ich fand bei einem Exemplar, welches Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. U. 575 ich daraufhin untersuchte, vom 25., bei einem anderen gar erst vom 26. Spinalnerven den vordersten pelicopterygialen Nervenast abgehen. Für weitaus die meisten Knospen des Zwischenflossen- raumes sind also noch ursprüngliche Beziehungen zu der Beckenflosse bei Pristiurus durch den Vergleich mit Spinax zu erkennen, wenn auch diese Gebilde früher zu abortiren scheinen als bei diesen und dadurch der Untersuchung erhebliche Schwierig- keiten entgegensetzen. Es fragt sich nur, ob alle Knospen bei Pristiurus gerade so wie bei Spinax zusammen- und ursprünglich zur Beckenflosse gehörten. Bei Spinax produciren zehn Somiten (18.—27.) im Zwischenflossenraum Knospen, bei Pristiurus sind es deren 12—13 ([14] 15.— 26. U.-W.!). Es ist aber möglich, dass auch bei Spinax noch einige wenige Myotome vor dem 18. Somiten Knospen in einem Stadium entstehen lassen, welches ganz kurz vor demjenigen liegt, in welchem ich die Knospen beim 21. und den folgenden Urwirbeln beobachtete, während bei Pristiurus vor dem 14. Somiten keine vorkommen können, da schon die rostrale Knospe von diesem selbst in die Brustflosse geht. Jedenfalls ist die Differenz von 3—4 Urwirbeln bei so vergänglichen und rudimentären Gebilden wie den vordersten Knospen des Zwischenflossenraumes zu gering, als dass ihr Gewicht beigelegt werden könnte. Dass aber die Knospen des Zwischenflossenraumes bei Pristiurus direkt an die zur Bildung der Brustflossenmuskulatur bestimmten Knospen an- schließen, bei Spinax jedoch durch einen größeren Abstand von ihnen getrennt bleiben, ist bedingt durch die weiter caudalwärts vorge- schobene Lage der Brustflossenleiste bei ersterem gegenüber letzterem. Sie endet bei Pristiurus am 13. Somiten, bei Spinax dagegen schon am 9. Urwirbel. Auch hier liegt kein Grund vor, der eine Verglei- chung der Knospen beider Thiere verhinderte. Dagegen ist in der Entwicklung der Brustflossenmuskulatur von Pristiurus ein zwar negatives Moment gegeben, das aber doch direkten Anhalt giebt, auch die vordersten Knospen (15. und 16. U.-W.) bei Pristiurus der Beckenflosse zuzurechnen. Es bilden sich, wie früher erwähnt, die in älteren Entwicklungsstadien neu am hinteren Brustflossenrand auf- tretenden Muskelelemente des 15. und 16. Metamers nicht aus diesen Knospen, sondern auf andere Weise. Zur Brustilosse können die vorder- 1 Die von RAgr eruirte Betheiligung von 11 Urwirbeln an der Versorgung der Beckenflosse bezieht sich nach meinen Serien auf die direkt ins Flossen- mesoderm einwachsenden Knospen des 27.—37. Somiten, 576 Hermann Braus sten Knospen im Zwischenflossenraum desshalb nicht gerechnet werden. Per exclusionem bleibt nichts Anderes übrig, als in ihnen Rudimente ursprünglicher Muskelanlagen für die hintere Extremität zu erblicken. Die Knospen des Zwischenflossenraumes gehören bei Spinax sicher, bei Pristiurus mit der größten Wahrschein- lichkeit zur Beckenflosse. In ihnen haben wir Zeugen weit zurückliegender phylogenetischer Zustände dieser Extremität vor uns, welche durch beträchtliche Wanderungen derselben in caudaler Rich- tung allmählich verändert und verwischt wurden. Es bestätigt sich hiermit die Auffassung GEGENBAUR’s, welcher in den Abortivknospen »nichts Anderes als den Ausdruck der Wanderung der Bauchflosse« erblickt (1898, pag. 671). Die Ontogenese zeigt uns bei Spinax in den Verschiebungen der Knospenreste, welche sich von Stadium zu Stadium verfolgen lassen, die einzelnen Phasen dieses Pro- cesses und seine Einwirkungen auf die Muskulatur der Flosse, welche ihre Parallele in den ontogenetischen Verschiebungen des Extremitätenmesenchyms in derselben Richtung finden. Wir sehen aber auch die Einwirkungen dieses Processes auf die peripheren Nerven, welche von den sich verschiebenden Knospenresten mitge- zogen allmählich neben der Vena parietalis einen Plexus bilden. Es ist das der Collector, den v. Daviporr bei ausgebildeten Thieren beschrieb (proximaler Plexus pelicopterygialis anterior s. lumbalis). Auch hier sind Wachsthumsdifferenzen oder andere mechanische Ein- wirkungen der Formentwicklung der Flosse, wie sie in der Koncen- trationshypothese speciell für die Genese dieses Plexus verantwortlich gemacht worden sind, an der Vereinigung der Nerven unbetheiligt. Es geht dies schon daraus hervor, dass die Knospenreste noch gar nicht in der Flossenleiste liegen, wenn diese schon über ihre Mutter- myotome nach hinten gerückt ist (Taf. XXII Fig. 3). Es wird viel- mehr durch die Ontogenese die namentlich von GEGENBAUR im An- schluss an die Arbeiten v. Daviporr’s geäußerte Ansicht bestätigt, dass der Plexus durch aktive Verschiebungen der von ihm versorgten Muskeln entsteht (1879, pag. 525)1. 1 Es mag hier an die Polemik erinnert werden, in welcher Dourn (1884, pag. 87, 88) diese Ansicht bekämpfte. Er spricht von einem »fruchtlosen Streit« über die Annahme von Wanderungen, die »ins Gebiet der Fabeln« gehörten, und bezeichnet die Argumente GEGENBAUR’s als »erstaunlich«, als ein »Spinn- gewebe von Wenns und Abers« und »als einen Zirkelschluss in optima forma« etc. etc. Der ganze Passus, welcher des Näheren bei DoHrn selbst verglichen werden mag, erfährt eine eigene Beleuchtung durch die im Text dieser Arbeit Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 577 Bei Spinax habe ich die Assimilation der von den Knospenresten des Zwischenflossenraumes an die Flosse gelieferten Zellen weiter verfolgt. Es sammelt sich dort bereits bei Embryonen von 28 mm Länge auf der dorsalen und ventralen Fläche der hinteren Extremität vor den vordersten Knospen eine undeutlich begrenzte, aber dunkler als die umgebenden Mesodermzellen gefärbte Zellenanhäufung an (Taf. XXII Fig. 6), in welche die Enden des Plexus lumbalis hinein zu verfolgen sind (Taf. XXII Fig. 4). Manchmal sieht es so aus, als ob diese Zellen sich in Form einzelner, an Knospen erinnernder Theile gruppirten. Doch gelingt es nicht, solche Muskelanlagen mit Sicherheit zu sondern. Die Zellengruppe verbindet sich sehr bald mit der vordersten Knospe und leitet dadurch die Anastomosirung der Knospen überhaupt ein. Später verlaufen die Nerven des Collectors zusammen mit den Flossennerven des 28. Spinalnerven, mit denen sie sich verbunden haben, gemeinsam zu den vordersten Mm. radiales. Es ist dann die rostrale Zellenmasse verschwunden, weil sie in die Mm. radiales mittels der Anastomosen eingetreten ist und diese hat bilden helfen. In den vordersten Radialmuskeln erhalten sich die Elemente, wie wir sahen, zum Theil noch beim erwachsenen Thier. D. Beziehungen der Flossenmuskeln und -nerven zum Extremitätenskelet. Die erste, vorknorpelige Anlage des Flossenskelettes entsteht als eine kontinuirliche Spange in der Basis der Flossenleiste und wird von den Mesodermzellen letzterer gebildet. BALFOUR erkannte be- reits dieses wesentlichste Resultat der Skeletogenie im Großen und Ganzen richtig (1881). Obgleich er ausdrücklich erklärte, dass diese Spange (»bar« Basipterygium) unsegmentirt sei, haben später DoHRN (1884, pag. 173) und besonders WIEDERSHEIM (1892, pag. 28, 34, 149) an demselben Objekt (Scyllium) und an anderen Selachierembryonen (Pristiurus, Acanthias, Torpedo) eine diskontinuirliche Anlage ge- trennter Vorknorpelstäbe beschrieben, durch deren spätere Verschmel- zung während der Ontogenese erst das einheitliche Basipterygium zu mitgetheilten thatsächlichen Befunde. Die Ontogenie bestätigt nicht nur die Ansicht GEGENBAUR’s von der Entstehung des Plexus, sondern widerlegt direkt die Hypothese Donrn’s (die übrigens vor ihm in vorsichtiger Fassung bereits von BALFOUR und HASWELL geäußert worden war). Nicht anders verhält es sich mit der Wanderung der Flossen, der Extremitätenfalte, den Abortivknos- pen, der Skeletanlage u. a. m. 578 Hermann Braus Stande komme. Jedoch sind diese Angaben, die übrigens durch Abbil- dungen nicht belegt wurden, irrthümliche. RABL und MoLLıeEr haben dies überzeugend für Seylliiden und Torpediniden, Letzterer auch für Carchariiden nachgewiesen. Ich kann für Spinaciden (Spinax niger) die unsegmentirte Anlage des Basipterygiums bestätigen (Taf. XXI Fig. 5). Dieser Nachweis hat um so mehr Gewicht, als beim Ich- thyopterygium der Ganoiden, Teleostier und Dipnoer und beim Chei- ropterygium der Anamnier und Amnioten gleichfalls die erste Anlage des Skelettes in Form eines einheitlichen Grundgewebes auftritt (vgl. namentlich MoLLIEr, 1895, 1897, und Semon, 1898, welche auch über die einschlägige Litteratur nähere Nachweise bringen). MOLLIER hat die früheste Anlage des Skelettes bei Selachiern gesehen und als eine in der Flossenbasis liegende Zellenspange be- schrieben, welche histologisch noch nicht als typischer Vorknorpel zu bezeichnen ist (1894, pag. 151). Aus dieser wachsen im Prochondral- stadium lateralwärts die Strahlen der Skeletanlage hervor. Die Lage derselben zu den Muskelanlagen wird von allen Autoren (DourN, WIEDERSHEIM, RABL, MOLLIER) so definirt, dass sich zwischen je einem dorsalen und ventralen Muskelstreifen ein Skeletstrahl vorschiebt. Es könnte nach diesen Angaben so scheinen, als ob im peripheren Theil der Flossen eine völlige Übereinstimmung der Lage zwischen je zwei Muskelstreifen und einem Skeletradius bestände. Ich wendete diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zu. Denn bei ausgebildeten Flossen ist durchaus nicht immer diese Übereinstimmung vorhanden. Ich habe früher bei der Brustflosse des ausgewachsenen Acanthias vul- garis Risso gezeigt, dass die Mm. radiales ein wenig schräg über die Knorpelradien hinwegziehen, so dass an vielen Stellen zwischen den proximalen Theilen zweier einander gegenüber liegender Muskel- fascikel ein anderer Knorpelstrahl angetroffen wird als an den distalen Theilen derselben Muskeln (1898, Taf. XII Fig. 1). Es fragt sich, ob diese Abweichung der Lage auch im frühesten Entwieklungs- stadium bereits vorhanden oder erst in späteren Perioden aufgetreten ist. Im letzteren Fall würde sie sehr unwichtig sein. Bei dem Durchmustern von Querschnittsserien durch Brustflossen- anlagen bei Spinax bekommt man häufig Bilder zu Gesicht, in welehen die Grenzen von Knorpel- und Muskelstrahlen nicht genau zu- sammenfallen. Doch bedürfte es zahlreicher Rekonstruktionen, um darüber ins Klare zu kommen, ob die Diserepanz sich in der weiteren Entwicklung verstärkt oder vermindert. Bei der hinteren Extremität sind die technischen Schwierigkeiten geringer. Fertigt Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 579 man nämlich Rasiermesserschnitte durch eine ausgebildete Bauch- flosse von Spinax senkrecht zur Achse der Knorpelstrablen an, so sieht man, dass fast allenthalben die Muskel- und Knorpelgrenzen zusammenfallen. Nur an den caudalen Strahlen finden sich hin und wieder geringe Diserepanzen. Die Übereinstimmung der Muskel- und Knorpelradien in ihrer Lage zu einander ist besser als bei der Brust- flosse der Spinaeiden ausgebildet. Anders ist dies jedoch bei den ersten Anlagen beider. In Fig. 5 Taf. XXII habe ich eine Rekonstruktion wiedergegeben, welche einer Querschnittsserie durch die Bauchflosse eines Embryos von c. 32 mm Länge entnommen ist, bei welchem gerade die Radien angefangen haben von dem vor- knorpeligen Basipterygium auszusprossen. Die Rekonstruktion wurde so gewonnen, dass jeder Schnitt gezeichnet und die Grenzen einander entsprechender dorsaler und ventraler Radialmuskeln mit einander durch Hilfslinien verbunden wurden. Durch die Hilfslinien ließen sich die Lagebeziehungen der Muskeln zu den Skeletanlagen am reinsten darstellen. Denn stimmten die Grenzen überein, so mussten je zwei Hilfslinien die Grenzen des Querschnittes eines vorknorpeligen Radius zwischen sich einschließen, war dies nicht der Fall, so mussten die eine oder die andere oder beide den Vorknorpel schneiden. Das Resultat der einzelnen Schnitte insgesammt ließ sich in einer Re- konstruktion auf Millimeterpapier vereinigen, in welcher von Schnitt zu Schnitt das Verhalten der Hilfslinien zu den Vorknorpelstrahlen in einer durch die Mitte der letzteren gelegten Ebene abgetragen wurde. Natürlich wurde dabei in üblicher Weise die Dicke der Schnitte und die Stärke der Vergrößerung berücksichtigt. Die Figur zeigt, dass eigentlich an keiner Stelle vollkommene Lageüberein- stimmung zwischen Skelet- und Muskelradien herrscht. Am wenigsten ist dies am rostralen Ende der Fall, wo nach MOoLLIER die rostro- caudal fortschreitende Sprossung der Vorknorpelstrahlen vom Basi- pterygium aus beginnt, die letzteren also relativ am weitesten lateral- wärts vorgedrungen sind. Ihre Spitzen dringen in ein mehr rostral gelegenes Muskelterritorium vor gegenüber demjenigen, in welchem ihre Basis (Ursprungsstelle am Basipterygium) liegt. Weiter caudal- wärts tritt immer mehr der umgekehrte Vorgang ein, so dass die Spitze der Radien schließlich weiter caudalwärts liegenden Muskel- anlagen zugewendet ist als ihre Basis. Denkt man sich die Radien des Skelettes noch weiter distalwärts in der von ihnen eingeschlagenen Richtung auswachsen, wie das in den folgenden Stadien geschieht, so wird die Diserepanz besonders deutlich werden. An einer Stelle 580 Hermann Braus zwischen den beiden Divergenzmaxima muss natiirlich ein Ubergang bestehen. Doch kommt es bei keinem Strahl zu einer so völligen Übereinstimmung zwischen Muskel- und Skeletanlagen, dass später, ein weiteres Auswachsen in der Riehtung der ersten Anlagen voraus- gesetzt, die Grenzen von je zwei Mm. radiales und einem Knorpel- strahl völlig zusammenfallen könnten. Die Veränderungen der Lage, welehe die angegebenen Discrepanzen so verwischen, dass in der Bauchflosse des ausgebildeten Thieres jene Grenzen fast allenthalben und besonders im rostralen Theile der Flosse in Eins vereinigt sind, müssen in der späteren Entwicklung eintreten. Wir sehen in der frühesten Anlage der Beziehungen zwischen Muskeln und Skelett der Beckenflosse Erscheinungen zu Tage treten, welche in demselben Mab bei ausgebildeten Spinaciden noch an der Brustflosse, aber nicht mehr an der hinteren Extremität erhalten sind. Sie sind Zeugen eines Verschiebungsprocesses, welcher successive die Anpassung der Radialmuskeln an die Knorpelradien herbeiführt und bei der Beckenflosse niederer Squaliden fast ganz abgeschlossen, in der Entwicklung derselben jedoch und bei den Brustflossen er- wachsener Thiere noch im Flusse ist. Bei der letzteren habe ich durch Präparation der metameren Flossennerven bestimmen können, wie das seriale Muskelmaterial innerhalb der polyneuren Radial- muskeln orientirt ist, und dabei gefunden, dass die haploneuren Muskelzonen noch viel mehr in ihrer Richtung von der- jenigen der Knorpelradien abweichen als die Radialmuskeln, welche aus ihnen zusammengesetzt sind. Über diese Untersuchungen habe ich bereits kurze Mittheilungen gemacht und eine Abbildung veröffentlicht, welche zeigt, dass am caudalen Theil der Brustflosse von Acanthias die serialen Muskelzonen senkrecht zur Längsachse der Radien des Skelettes stehen (1898, Taf. XII Fig. 2). Ähnlichen Untersuchungen am Embryo stehen viel größere Schwierigkeiten als beim erwachsenen Thier entgegen, da das Zellenmaterial der Mm. radiales bezüglich seiner serialen Herkunft nicht unterschieden werden kann und die Auflösung des distalen Plexus auf Schnittserien aus technischen Gründen zur Zeit unmöglich erscheint. Die Zustände am ausgebildeten Thier sind aber nur erklärlich durch Verschiebungen der Zellen der metameren Knospen vor Anlage des Skelettes, wie sie in den Anastomosen derselben vor sich gehen und zur Ausbildung des distalen Nervenplexus führen. Dadurch kommen in der Ent- wicklung nur die Endphasen des Verschiebungsprocesses, welcher Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 581 in der Phylogenese allmählich die Muskeln in immer engere Be- ziehungen zum Skelet gesetzt hat und welcher schließlich in Lage und Form fast völlig mit den Knorpelradien übereinstimmende Muskelfascikel entstehen lässt, zum Ausdruck. Würde sich das Skelet früher anlegen, so würden sich wahrscheinlich noch größere Disere- panzen zwischen ihm und den Muskeln nachweisen lassen, als dies jetzt der Fall ist. Die späte Entstehung des Skelettes der Gliedmaßen in der Ontogenese ist bereits von Donry, Rast und MOLLIER hervorgehoben und der Zeitpunkt seines Erscheinens von den beiden letzteren Autoren genauer für Seylliiden und Torpediniden bestimmt worden. Aus den Angaben! MoLLIEr’s über das Alter der verschiedenen von ihm untersuchten Stadien lässt sich entnehmen, dass die Radien im vorknorpeligen Stadium später aus dem Basipterygium hervorwachsen als die Anastomosen der Muskelknospen zu Stande kommen. Nach meiner Bezeichnungsweise heißt das, die Radien des Skelettes haben in der Ontogenese keine Beziehungen zu den pri- mären metameren Muskelknospen, sondern lediglich solche zu den sekundären, sich ihnen anpassenden polyneuren Mm. radiales. Bei Spinax konnte ich dasselbe konstatiren. Bei Em- bryonen von 32 mm Länge ist die Umbildung des ursprünglich me- tameren Materials der Beckenflossenmuskeln, der Knospen, so weit gediehen, dass in 17 Mm. radiales Abkömmlinge von eben so vielen Myotomen, also von doppelt so vielen Primärknospen, verschmolzen sind (Taf. XXII Fig. 4). Das Skelet ist in diesem Stadium noch vorknorpelig; aus dem Basipterygium sprossen erst die vorderen Flossenstrahlen hervor; weiter caudalwirts ist von letzteren noch nichts entstanden, die Umbildungen der Muskulatur sind jedoch dort gerade so weit wie im rostralen Theil fortgeschritten (Fig. 4 und 5). Dasselbe ist bei der Entwicklung der Brustflosse zu beobachten. RagL hat den Beziehungen zwischen Muskel- und Skeletanlagen während der Ontogenese besondere Bedeutung zugemessen (1893) und neuerdings in der Diskussion über den von mir über die hier ge- schilderten Verhältnisse gehaltenen Vortrag (1898) seine diesbezüg- lichen Ansichten dahin geäußert, »dass eben so innige und wichtige Beziehungen zwischen den Muskeln und dem Skelet bestehen (wie 1 MOLLIER giebt auf pag. 27 (1894) an, dass die Anastomosen in dem- jenigen Stadium auftreten, welchem seine Fig. 13 und 14 entnommen sind. In demselben ist nach pag. 30 noch keine Radienbildung zu sehen. Morpholog. Jahrbuch. 27. 38 582 Hermann Braus zwischen Muskel und Nerv). Die Muskeln bauen sich das Skelet auf, und dieses könne daher nur aus den Beziehungen zu jenen ver- standen werden. Zwischen jeder Streck- und Beugeknospe einer Selachierflosse bilde sich ein Knorpelradius, auf welchen und durch welchen die aus den Knospen entstehende Muskulatur wirke. Durch eventuelle Beimengung von sekundärem Knospenmaterial können die ursprünglichen Beziehungen gewiss zum Theil abgeändert, aber eben so gewiss auch nicht völlig umgestürzt werden«. Der Autor stellt sich danach die späte Entstehung des Skelettes in der Ontogenese als die Rekapitulation eines phylogenetischen Geschehens vor. In einem Urzustand der Flossen, in welchem dieselben also aus mus- kularisirten Hautlappen ohne eine der jetzigen homologen Stützsub- stanz bestehend zu denken sind, sollen sich die Skeletradien erst in Anpassung an die Muskeln zwischen je einer dorsalen und ventralen Muskelpartie als erster Beginn des knorpeligen Stützapparates über- haupt herausgebildet haben. Diese Anschauung liegt auch der von RABL, MOLLIER u. A. vertretenen Behauptung zu Grunde, dass die Flossen ursprünglich eine »streng metamere Struktur« besäßen. RABL glaubt letztere sogar noch bei den Embryonen der von ihm untersuchten Selachier (Acanthias, Pristiurus, Torpedo) nachweisen zu können, in- dem eine Übereinstimmung der Summe der Radien mit der halben Summe derjenigen Myotome existire, welche die Muskelknospen der paarigen Flossen liefern. Schließlich hat Rast die an der Wirbel- säule zu Tage tretende Metamerie des Körpers für die bei der Ent- stehung der Knospen betheiligte, identische Segmentirung der Musku- latur eingesetzt und dann bei Skeletten ausgewachsener Individuen vergleichend-anatomisch die Zahl der Radien der Flossen verschie- dener Selachier in ihrem Verhältnis zur Rumpfmetamerie geprüft. “ Auch hierbei soll als ursprüngliche Beziehung sich ergeben haben, dass auf jedes Körpermetamer je zwei Radien entfallen, dass also einer dorsalen und ventralen Sekundirknospe. von Anbeginn ein Knorpelstrahl entspräche. Dieses Resultat findet seinen adäquaten Ausdruck in der bekannten Formel Ragr's. Die oben mitgetheilten Untersuchungen an Spinax-Embryonen be- weisen jedoch, dass die Skeletradien in ihrer Lage mit derjenigen der Radialmuskeln nicht immer übereinstimmen und dass in frühesten Entwicklungsstadien Discrepanzen zwischen ihnen auch da vor- kommen, wo später Übereinstimmung herrscht. Selbst wenn aber auch eine solche überall vorhanden wäre, wie es wahrscheinlich bei Rochen der Fall ist, so könnte daraus noch nicht auf eine ur- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 583 sprüngliche Zusammengehörigkeit geschlossen werden. Wir kennen eine große Menge von Beispielen, wo funktionelle Anpassungen Be- standtheile der verschiedensten Herkunft so eng verbunden und im Brande des Kampfes ums Dasein zusammengeschweißt haben, dass anscheinend von Anbeginn einheitliche Organe entstanden. Man denke nur an die genaue Adaptation der Lage der Bestandtheile des Auges oder des Ohres zu einander, welche für die Leistung dieser Sinnes- organe von der größten Wichtigkeit ist. Und doch sind dieselben zum Theil im Gehirn, zum Theil an der Körperoberfläche, zum Theil aus Kiemenderivaten entstanden. Gerade so wie dort können bei den Extremitäten Skelet- und Muskelelemente heterogener Her- kunft zuerst in lockere Verbindung getreten sein, welche aus funktio- nellen Gründen in einen festen, solidarischen Verband überging und bestimmte, selbst ziffernmäßig zu berechnende Übereinstimmungen von Theilen des Skelettes und der Muskeln zeitigte. Sind doch im Allgemeinen die Beziehungen zwischen Muskeln und Skelet als auber- ordentlich schwankend und veränderlich bekannt, so dass FÜRBRINGER, einer der besten Kenner derselben, den Satz aufstellen konnte, der Muskel sei omniserent. Wenn wir z. B. sehen, wie bei den höheren Wirbelthieren Extremitätenmuskeln ihren Ursprung vom vorderen Gliedmaßengürtel hinweg auf den Rumpf verschieben, dort innige Beziehungen zu den Wirbeln, Rippen oder sogar zum Becken ein- gehen und schließlich wie Rückenmuskeln aussehen (z. B. Latissimus), so spricht das nicht gerade für die Ansicht Ragr’s, dass bei den Extremitäten der Haie »eben so innige Beziehungen zwischen den Muskeln und dem Skelet bestehen« sollten, wie die Beziehungen zwischen Muskel und Nerv, »deren Wichtigkeit in keiner Weise in Frage gezogen wird«. Die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung hat bei dieser Sach- lage meines Erachtens weniger auf die Verbindung von Muskel- und Skelettheilen überhaupt, sondern auf die specielle Art und Weise des Zustandekommens solcher Verbindungen den Nachdruck zu legen. Es hat sich aber gezeigt, dass das metamer gegliederte Muskelbildungsgewebe, wie es in den Knospen vorhanden ist, während der Ontogenese der bisher untersuchten Selachierembryonen (Spina- eiden, Scylliiden, Torpediniden) überhaupt nicht mit den Flossen- strahlen in Verbindung tritt und treten kann, weil das Skelet noch gar nicht angelegt ist, wenn die Metamerie bereits verschwindet. Wenn phylogenetisch die Muskeln sich das Skelet aufgebaut haben sollen, so bietet die Ontogenese einer solehen Annahme nur den é 35* 584 Hermann Braus thatsächliehen Befund als Unterlage, dass jene Muskeln gleich den Mm. radiales der Flossenanlagen keine metameren Gebilde, sondern polyneure Gemische von Zellen der verschiedensten serialen Herkunft waren. Ein Schluss auf eine metamere Gliede- rung des Skelettes und auf weiter zu folgernde Beziehungen zur Muskel- und Körpermetamerie kann daraus offenbar nicht gezogen werden. Auch Scheidungen der am Aufbau der Mm. radiales betheiligten Knospen in primäre und sekundäre, wie sie RaBL vorgeschlagen hat, führen nicht zu diesem Ziel. Man muss dabei vor Allem im Auge behalten, was diese Ausdrücke im vorliegenden Fall besagen. Bei der Beckenflosse von Spinax bilden sich die Knospen des 18. bis 27. Segmentes früher als diejenigen des 28.—36. und letztere wieder früher als diejenigen des 36.—40. Urwirbels. Man könnte die drei Gruppen als primäre, sekundäre und tertiäre Gruppe ihrer Genese nach unterscheiden. Die sekundäre Gruppe wächst aber zuerst, primär, in die Flossenleiste hinein und theilt sich in sehr komplieirtem, langsamem Entwicklungsgang in die Sekundär- knospen. Die primäre und tertiäre Gruppe gelangen später, sekundär, in die Extremitätenanlage, erleiden dabei Verluste an Elementen und theilen sich in viel einfacherer Weise als die vorige. Diese Unterschiede beruhen offenbar darauf, dass die sekundäre Gruppe zur Zeit der Lostrennung der Knospen von den Myotomen der Flossenleiste am benachbartesten liegt, die Elemente der beiden anderen aber mehr oder weniger weite Wege zurücklegen müssen, ehe sie an dieselbe gelangen und dabei an Zeit für gleichzeitiges Eintreffen und ausgiebige und langwierige Theilungen und an Masse verlieren, ja manchmal selbst ihre ganze Existenz einbüßen, wie dies im vorigen Abschnitt im Detail nachgewiesen wurde. Daraus, dass die primäre und tertiäre Gruppe, an Alter so verschieden, doch ähn- liche Schicksale in dieser Richtung erleiden, ist der Process als rein entwicklungsmechanisches Geschehen charakterisirt. Wenn wir dess- halb sehen, dass die sekundäre Gruppe in der Zahl ihrer Knospen mit derjenigen der Radien ungefähr übereinstimmt, wie RABL und MOLLIER für eine Reihe von Fällen nachgewiesen haben und ich es bei Spinax bestätigt! finde, so besagt das doch nur, dass der Organismus wesentlich von denjenigen Myotomen das Material für den Aufbau 1 Die Brustflosse von Spinax hat 19 Radien und 17 direkt in ihre An- lage einwachsende Knospen, die Beckenflosse von ersteren 20, von letzteren 17. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 585 seiner Flossenmuskulatur bezieht, welche der jeweiligen Situation der Flossenleiste am nächsten liegen und desshalb die Lieferung am schnellsten und ausgiebigsten besorgen können. Derartige partielle Übereinstimmungen finden wir an manchen Stellen des Wirbelthier- kérpers. RagBL hat selbst auf ein sehr charakteristisches Beispiel aufmerksam gemacht, nämlich auf die ziffermäßige Gleichheit der Wirbel und Schuppen am Körper von Reptilien (1896). Man denke sich nur, wie eine ausgiebige Beweglichkeit für diese flinken Thiere möglich wäre, wenn eine so allgemeine Übereinstimmung der Grenzen ihrer Hartgebilde nicht bestände. Auch bei den Selachiern mag es auf ähnlichen mechanischen Ursachen beruhen, dass ungefähr zwei Radien je einem Myotom an Breite entsprechen. Namentlich bei Rochen wird dies ersichtlich, bei welchen die Flossen gezwungen sind, jeder Bewegung des Rumpfes zu folgen, und desshalb eine Theilung in einer der Gliederung der Wirbelsäule entsprechenden Weise zweckdienlich erscheint. Die partielle Concordanz der Knospen- und Radienzahl muss desshalb der generellen Disere- panz zwischen beiden, wie ich sie hier in der Entwicklung von Spinax und früher schon bei Vertretern der meisten Selachierfamilien in einer vergleichend-anatomischen Studie entgegen den Ragr’schen Befunden nachweisen konnte (1898, pag. 446 und 447), untergeordnet werden. Ertere ist ein rein entwicklungsgeschichtliches, eänogene- tisches, letztere ein altererbtes. palingenetisches Merkmal. MoLLIER hat auch die weitere Differenzirung der Muskulatur an der Beckenflosse von Torpedo untersucht und gefunden, dass die embryonalen Muskelfasern zunächst mit ihren medialen Enden Be- festigungen am Rumpf und am Gliedmaßengürtel finden und dass erst später sich solche an dem Skelet der Flossen (Basipterygium ausbilden (1894, Fig. 64). Von den bereits bei v. DAvrporr unter- schiedenen Schichten der Flossenmuskulatur weist die oberflächliche der ontogenetischen Entstehung nach primitivere, die tiefe sekundäre Beziehungen auf. Dies stimmt mit meinen bisher noch nicht ver- öffentliehten Untersuchungen an der Brustflossenmuskulatur er- wachsener Squaliden überein, bei welchen ein allmähliches Über- greifen der Ursprünge der Muskelfasern von mehr proximal auf mehr distal gelegene Skelettstücke sichtbar wird (vom Schulterbogen auf das Metapterygium ete.). Die wirklichen Ursprungsbefestigungen der Muskeln am knorpeligen Flossenskelet sind also verhältnismäßig Jung erworbene. Insertionen kommen überhaupt am Meta- und 586 Hermann Braus Mesopterygium von Squaliden nicht vor, wie bereits v. DAVIDOFF zeigte. Alle Muskeln inseriren bier an den Hornfäden der Flossen!. Die verhältnismäßig große Unabhängigkeit der Muskeln und Knorpel der Selachierflosse von einander, wie sie sich in diesen, hier nur kurz gestreiften Ursprungs- und Insertionsverhältnissen der ersteren dokumentirt, darf auch bei der Beurtheilung der ersten Entwicklungsvorgiinge nicht außer Acht gelassen werden. Erst bei den Dipnoern (Ceratodus) beginnen sich gleichzeitig mit der Aus- bildung distaler Gelenke festere Beziehungen zwischen Skelet und Muskeln anzubahnen, die bei den pentadaetylen Wirbelthieren so weit fortschreiten, dass Winkelbewegungen der Theile gegen ein- ander durch Muskeln hervorgerufen werden, welche von einem Seg- ment entspringen und in der Nähe des Drehpunktes eines der folgen- den inseriren. Damit sind ganz andere, innigere Wechselbeziehungen zwischen Skelet und Muskulatur als bei den Selachiern entstanden, bei welchen der Knorpel den Flossenmuskeln wesentlich, aber nicht einmal immer, feste Ursprungspunkte gewährt, die Kraft der Mus- kelwirkung jedoch auf das äußere Skelet, die Hornfäden, übertragen wird. Es kommen in Folge dessen keine Winkelbewegungen inner- halb der Flosse selbst zu Stande, sondern lediglich schaufelartige Krümmungen der Flossenfläche. Man sieht am lebenden Thier sehr schön diese Stellungen, welche der Flosse während der Aktion die Form eines sich biegenden Ruders verleihen. Der Knorpelstab im. Inneren dient dabei als Stütze und verhindert die Einkniekung der Ruderplatte, während gerade umgekehrt bei Pentadactyliern im Skelet der Extremität die Bedingungen für die Knickung gegeben sind (Gelenke). Die Untersuchung der Ceratodusflosse und die Verglei- chung derselben mit den Extremitäten der Selachier gewährt einen Einblick in die Umwandlungen, welche die Muskulatur bei der Ge- staltung der engeren Beziehungen zum Skelet erfährt. Ich werde bald an anderer Stelle darüber genauere Nachweise geben. SEMON hat kürzlich, gestützt auf die Beobachtungen von v. DAVIDOFF an der Bauchflosse von Ceratodus, ähnliche Punkte berührt (1898, pag. 96 und 97). Durch die ganze embryologische Entwicklung der Beziehungen zwischen Muskel- und Skeletradien lässt sich verfolgen, wie ur- sprünglich lockere, später festere Verbindungen zwischen ihnen sich ! Bei Rochen sind die Hornfäden in Rückbildung begriffen (KNBR, 1860, pag. 816), aber nicht ganz verschwunden. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 587 ausbilden, und damit feststellen, dass metamere Gliederungen der Vorläufer der Muskeln, der Knospen, keinen Einfluss auf das Skelet haben können. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Dis- erepanzen in frühen Entwicklungsstadien noch deutlicher zu Tage treten müssten, wenn das Skelet sich nicht so spät anlegte. GEGEN- BAUR hat bereits in seiner kritischen Besprechung der ontogenetischen Befunde darauf hingewiesen, dass hier eine Cänogenese vorliegen müsse, da man sich nicht vorstellen könne, wie eine Flosse ohne Stützskelet durch Muskeln regiert werden solle (1895). Ich kann mich dem nur anschließen und glaube, dass die Verschiebungen der Muskeln im Verhältnis zum Skelet nicht unbetheiligt an der Retardation der An- lage des letzteren sind. Was in der Phylogenese sich als successive Umlagerung der Muskelfasern in die Richtung der Radien hin vollzog, verläuft in der Ontogenese viel kürzer in Form von Umtauschpro- cessen des leicht beweglichen metameren Muskelbildungsmaterials, welche sich innerhalb der Anastomosen der Knospen in Abwesenheit der stabileren Skeletelemente vollzieben. Treten letztere auf, so finden sie ungefähr fertige Zustände der Muskulatur vor und ver- binden sich in der für das ausgebildete Thier typischen Weise mit dieser. Die einheitliche Zellenspange, welche MoLLIER als erste Anlage des Gliedmaßenskelettes überhaupt beschrieben und als primäres Basale bezeichnet hat, enthält nicht nur die Elemente für die späteren Skelettheile des eigentlichen Flossenskelettes, sondern auch diejenigen für den Gliedmaßengürtel (Schultergürtel, Becken). Denn ehe die weitere Sonderung in die einzelnen Theile des Gliedmaßen- skelettes erfolgt, umschließt das aus jener Zellenspange sich diffe- renzirende Prochondralgewebe mit seinem medialen Theil eine An- zahl von Flossennerven (MOLLIER, 1894, pag. 36). Auf diese Weise entstehen die von CuvIER und Dum&kır (1809) bei ausgebildeten Thieren bereits als Nervenkanäle erkannten Durchbrechungen des Knorpels, welche bei Selachiern lediglich im Gliedmaßengürtel vor- kommen. MoLLIEr hat desshalb mit Recht aus seinen Beobachtungen den Schluss gezogen, »dass die erste Anlage des Schultergürtels in continuo und gleichzeitig erfolgte mit der des Skelettes der freien Extremität, als dorsale — wie ventrale Verlängerung des proximalen Endes des primären Basale« (pag. 38). Dasselbe gilt mutatis mu- tandis vom Skelet der Beckenflosse. Damit sind alle abweichenden Ansichten widerlegt, welche aus vermeintlichen Differenzen der An- lagen des Skelettes der Flosse und der Gliedmaßengürtel auf eine 588 Hermann Braus spätere phylogenetische Entstehung der letzteren schließen zu können glauben. Die Nervenkanäle der Gliedmaßengürtel schließen während der verschiedenen Phasen der Entwicklung verschiedene seriale Ner- venstämme ein. Ein Blick auf die dieser Arbeit beigegebenen Ta- bellen (pag. 620), welche für die verschiedenen Entwicklungsstadien von Spinax, Pristiurus und Torpedo die in Kanäle eingeschlossenen Ner- ven dadurch kenntlich machen, dass jeder einzelne Ast oder jede Gruppe von Ästen, die einen separaten Kanal benutzt, in eine Klam- mer eingeschlossen ist, beweist dies und zeigt, dass die Verschiebung der Einschlüsse sich in einer bestimmten Richtung bewegt. Ent- weder sind in früheren Entwicklungsstadien mehrere Äste in einem Nervenkanal eingeschlossen und die Zahl derselben vermindert sich im ferneren Verlauf des Embryonallebens und noch nach Abschluss desselben allmählich (z. B. Schultergürtel von Spinax'), oder es tritt umgekehrt eine Vermehrung der Einschlüsse des oder der Kanäle ein, Im letzteren Fall pflegt derjenige Kanal, welcher der Richtung, von welcher aus der Zuwachs erfolgt, am nächsten liegt, die stärkste Vermehrung an Einschlüssen zu erfahren (Torpedo: Schultergiirtel). Aber auch auf vor ihm liegende Kanäle kann sich der Vermehrungs- process fortsetzen, indem Nerven, welche früher die zweite Öffnung benutzten, später durch den ersten Kanal verlaufen (Spinax: Beeken- giirtel: Nerv 29). Ferner bilden sich nicht selten neue Kanäle im Laufe der Entwicklung an derjenigen Seite der Gliedmaßengürtel aus, welche dem serialen Gebiet zugewendet ist, dem die einwan- dernden Nerven angehören (Spinax, Pristiurus und Torpedo: Becken- giirtel). Andere Kanäle können dafür an der dem Zuwachs ent- gegengesetzten Seite des Knorpels allmählich verschwinden (Torpedo: Beckengiirtel). Auch Theilungen von ursprünglich einheitlichen Ka- nälen in zwei kommen vor, indem namentlich eine ursprünglich den Hauptflossennerv einschließende Öffnung sich derart in zwei Theile spaltet, dass jeder Sekundärkanal von je einem dorsalen und ven- tralen, zur Streck- und Beugemuskulatur verlaufenden Sekundärast des Nerven benutzt wird, oder aber auch einer dieser sekundären Kanäle nachträglich noch in separate Kanäle zerfällt (Torpedo: See. Von den Sekundärkanälen kann schließlich die eine Gruppe ganz verschwinden (Spinax: Sehultergürtel, dorsaler Kanal). Wi hierzu meine früheren Ausführungen, 1898, Tabelle pag. 280, in welcher detaillirtere Angaben als in dieser Arbeit über die diazonalen Nerven des Schultergürtels von Spinax enthalten sind. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier, IL 589 | Der große Wechsel, welcher sich in diesen Befunden doku- mentirt, äußert sich auch in den histiogenetischen Vorgängen beim ersten Entstehen und bei der weiteren Ausbildung der Kanäle, MoLLıEr hat bei der Beschreibung des ersteren die Verhältnisse nicht immer richtig geschildert und durch die gelegentliche irrthümliche Anwendung des Ausdrucks »Reduktion« (1894, pag. 36) den Anschein erweckt!, als ob die Kanäle Anfangs nicht vorhanden wären. Durch SEMON ist inzwischen an die in Vergessenheit gerathenen Unter- suchungen von BERNAYS (1878, pag. 438) erinnert und durch selbständige Befunde erwiesen worden, dass wirkliche Reduktionsvorgänge im Vorknorpel überhaupt bei der Gliederung des Gliedmaßenskelettes nicht vorkommen, außer an den Stellen wahrer Gelenkbildung (1898. pag. 78). Dadurch wird die erste Beschreibung der Kanalentwick- lung durch Batrour bei Seyllium auch hier wieder in ihr Recht sesetzt, welche lautet: »Die Löcher im Brustgürtel entstehen zuerst nicht etwa durch Resorption, sondern durch Niehtentwicklung des Knorpels an den Stellen, wo bereits Nerven und Gefäße vorhanden sind« (1881, pag. 536). Denselben Vorgang finde ich bereits im vorknorpeligen Stadium bei Spinax angebahnt, da schon vor diesem die betreffenden Flossennerven den Platz im Mesoderm einnehmen, an welchem später die Umgestaltung der Zellen in Vorknorpel und Knorpel stattfindet. Auf die weitere Entwicklung wirft die kurze Notiz MoLLIERTsS ein helles Streiflicht, wenn er für den Schultergiirtel von Torpedo sagt: »Es ist das die Stelle, wo die Nerven von der ersten gemein- samen Anlage des Flossenskelettes umwachsen werden. Indem die- selben dann enger an einander sich legen...., entsteht ein Kanal ete.« (pag. 36). Eine ähnliche Erscheinung finde ich stets bei der Entwicklung derjenigen Kanäle, welche mehrere Nerven umschlieBen (Sammel- oder Hauptkanäle). Anfangs ist die Lücke im Vorknorpel größer und die Nervenäste liegen weiter aus einander; später nähern sich letztere, und der Kanal wird enger. Der Knorpelkanal ist 1 Doch glaube ich gern, dass MOLLIER, dessen genaue und sorgfältige Beobachtungen unsere Kenntnisse von der Entwicklung der Extremitäten in so zahlreichen Punkten gefördert haben, auch hier das Richtige gesehen hat. Ich führe desshalb weiter unten einen anders lautenden Passus seiner Arbeit auf derselben Seite 36 an, welcher mit den Beobachtungen BALFouR’s und den meinigen übereinstimmt. Ich bedaure, in meiner früheren Arbeit (1898, pag. 269) auf Grund der oben im Text erwähnten Stelle (MOLLIER, 1894, pag. 36) seine Ansicht, wie ich glaube, irrig wiedergegeben zu haben. 590 Hermann Braus in der Riehtung der Längsachse des Embryos stets enger als der Vorknorpeldefekt. Bei Torpedo finde ich sogar im Vor- knorpel des Schultergürtels anfänglich (Embryo von 20 mm Länge) den hintersten Nerven des ersten und denjenigen des zweiten Kanals (20. und 22. Nerv) so weit von den vorderen in die Kanäle einge- schlossenen Nerven entfernt, dass in der Lücke die vorknorpeligen Wände der Kanäle näher zusammenrücken. Die Löcher haben in Folge dessen Biskuitform. Durch den größeren vorderen Theil ziehen beim ersten Kanal die meisten Nerven hindurch, beim zweiten der 21. Nerv; durch den hinteren kleineren Theil der Flossenast des 20. resp. 22. Spinalnerven. Später verkleinert sich nicht nur der ganze vordere Defekt, sondern es wandelt sich auch die Form desselben zu einem Loch um, dessen rostrocaudaler Durchmesser kürzer als der transversale ist (vgl. meine Abbildung 1898, Taf. XV Fig. 6). Das zweite Loch wird rund im Querschnitt. Daraus geht hervor, dass in dem Zusammenrücken der Nerven und der Verkleinerung der Sammelkanäle während der Entwicklung noch ein Rest desjenigen Vorganges erhalten ist, welcher andere Nerven selbständig in den Knorpel eintreten lässt und erst allmählich die von ihnen gebil- deten Durchbrechungen des skeletogenen Gewebes mit den Sammel- kanälen zur Verschmelzung bringt. Wenn die selbständig in das Gliedmaßenskelet während der Onto- genese einwandernden Nerven während des Prochondralstadiums ihre Beziehungen zum Schultergürtel oder Becken gewinnen, wie ich es z. B. beim ventralen Flossenast des 29. Nerven am Becken eines Spinax-Embryos von c. 31,5 mm Länge beobachten konnte, so weisen die Gewebszellen an den Stellen, welche der Nerv passirt haben muss, um in den Vorknorpel hinein zu gelangen, keinerlei Verände- rungen auf. Bekommt man gerade den Anfangsprocess der Ein- wanderung zu Gesicht, wie ich ihn z. B. bei einem Spinax-Embryo von 32mm Länge beim pelicopterygialen Ast des 30. Spinalnerven sah, so findet man den Nerven in einer Art Rinne liegen, welche durch Auseinanderweichen der Vorknorpelzellen gebildet wird, ohne dass Veränderungen der letzteren bemerkbar wären. Es bilden sich diese Kanäle so, dass die Nerven sich in den weichen Zellknorpel einschieben und von ihm gleichsam umflossen werden, gerade so wie sich auch bei den Sammelkanälen das skeletogene Material den Ver- schiebungen der Nerven anpasst. Im Knorpelstadium jedoch bleiben an Veränderungen der hyalinen Grundsubstanz noch eine Weile die Bahnen kenntlich, welche die Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 591 Nerven genommen haben. Man sieht manchmal an die Umgrenzung eines Nervenkanals einen Streifen sich ansetzen, welcher durch eine dunklere Färbung der Grundsubstanz und eine regelmäßige parallele Anordnung der sonst regellos gestellten Knorpelzellen ausgezeichnet ist (Taf. XXIII Fig. 8). Man kann in solchen Fällen nachweisen, dass in den betreffenden Kanal ein Nerv eingetreten ist, welcher sich in nächst jüngeren Stadien nicht in demselben befand (in dem abgebildeten Fall des Spinaxbeckens der ventrale pelicopterygiale Ast des 29. Spinalnerven, s. Tabelle am Ende dieser Arbeit), und dass der Streifen in der hyalinen Grundsubstanz nach dem Orte gerichtet ist, an welchem dieser Nerv ursprünglich lag. Doch finden sich solche Veränderungen des Knorpels nicht so häufig, als man nach dem Vorkommen von Verschiebungen der Nerven durch den- selben erwarten sollte. Es beweist dies nur, dass dieselben sehr bald verschwinden. Bei den Wanderungen der spino-oceipitalen Nerven durch das embryonale knorpelige Cranium finden wir einen noch schnelleren Ausgleich der von ihnen hervorgerufenen Gewebs- defekte. Der Einschluss serialer Extremitätennerven in die Skeletanlage (diazonale Nerven) erscheint als ein einheitlicher Entwicklungsvorgang, welcher im ersten Stadium, zusammengedrängt und verkürzt, nur in Spuren die Verschiebungen der Nerven erkennen lässt, welche ihn erzeugten, aber doch Übergänge zu den in älteren Stadien noch voll- ständig und successive verlaufenden Processen aufweist, welche Ner- ven betreffen, die Anfangs frei neben dem Knorpel verlaufen, dann in die Skeletanlage eintreten, von ihr umschlossen werden und zur Vereinigung mit dem zuerst erzeugten Sammelkanal gelangen oder auch selbständig bleiben. Die Bewegungen der Nerven, welche diesen Wanderungen zu Grunde liegen, können keine selbständigen sein, sondern müssen ihren Grund einmal in Verschiebungen des moto- rischen Materials derjenigen Metameren haben, welchen die betreffen- den Nervenäste angehören. In Folge dessen sind die Nervenkanäle und der Wechsel der Zahl ihrer Nerveneinschlüsse Dokumente für die Verschiebungen der Flossenmuskulatur!. Andererseits müssen sich aber auch die Knorpel der Gliedmaßenbogen und mit ihnen die ganzen Flossen in entgegengesetzter Richtung zu derjenigen, in 1 Wegen der Beziehungen, die zwischen der Anzahl der eingeschlossenen Nerven und den Ausgestaltungen der Flossenmuskulatur bestehen, verweise ich auf meine frühere Arbeit (1898, pag. 283 u. ff.). 599 Hermann Braus weleher die Einwanderung oder Ausschaltung der Nerven erfolgt, verschoben haben. Auf diese Weise gerathen sie in das Gebiet immer neuer serialer Nerven hinein oder scheiden aus den alten Nerven- gebieten aus. An der Hand der Tabellen am Ende dieser Arbeit (pag. 618) kann man sich überzeugen, dass bei der Brustflosse von Spinax eine Verschie- bung des Schultergürtels in rostraler Richtung mit fortschreitender Entwicklung aus den Nerveneinschlüssen desselben zu folgern ist. Denn ein serialer Nerv nach dem anderen scheidet aus der Skelet- anlage aus, bis bei ausgewachsenen Thieren manchmal kein Nerven- kanal mehr vorhanden ist. Wir erhalten damit ein neues Argument für die Vorwanderung der vorderen Extremität bei Spinax!, welche bereits durch die Verschiebungen des Mesoderms und die Umgestal- tungen der Muskelanlagen gestützt wurde. Doch scheint sich der Sehultergürtel von Spinax in lebhafterer Bewegung als das Meso- derm zu befinden, aus dem er hervorging. Bei letzterem fanden wir eine Verlangsamung des Tempos der Verschiebung in älteren Stadien, welehe nicht als Reduktion des vorderen Flossenrandes aufgefasst werden kann, nachdem wir wissen, dass an der Muskulatur im Gegentheil Neubildungen an dieser Stelle vorkommen. Es rückt demzufolge der Schultergürtel ganz an das Vorderende der Flossen- leiste (vgl. auch Taf. XXI Fig. 3 und 4 Scapula) und nähert sich dadurch um so mehr dem letzten noch erhaltenen Kiemenbogen. Bei Pristiurus und Torpedo bestätigen dagegen die Nervenein- schlüsse in ihrem Wechsel den entgegengesetzten Weg der Ver- schiebung des Schultergiirtels, den früher erörterte Entwicklungsmodi für den hinteren Rand der vorderen Extremität gleichfalls darlegten. An der Beckenflosse von Spinax sehen wir eine kräftige caudal- wärts gerichtete Verschiebung während der frühen und mittleren Entwicklung an den Nervenkanälen zum Ausdruck kommen. Nach- dem aber der 30. Nerv mit seinem ventralen pelicopterygialen Ast in den Knorpel eingetreten ist, kommt die Verschiebung zum Still- stand?. Beim ausgebildeten Thier sind deutliche Spuren des ent- ! Ich verweise hier auch auf die Beziehungen der Nerven zu der Arterie und Vene der Flosse (A. und V. zonalis), welche, wie ich bereits früher schil- derte, dasselbe Resultat ergeben (1898, pag. 299). 2 Durch ein Versehen habe ich in meinem Vortrag die irrthümliche An- gabe gemacht, dass auch der 31. Nerv in einem späteren Entwicklungsstadium diazonal verlaufe (1898, pag. 178). Es waren damals meine Untersuchungen über die spino-oceipitalen Nerven noch nicht abgeschlossen, und ich verwechselte bei jenem Embryo Nery = mit 1. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 593 gegengesetzten Vorgangs, einer rostral gerichteten Verschiebung, an den Nervenkanälen zu erkennen, indem der Ast des 30. Spinal- nerven wieder hinter dem Knorpel liegt und der diazonale Ast des 29. Nerven durch seine Spaltung und theilweise Auslösung aus dem Sammelkanal gleichfalls Zeichen für den Beginn seines Ausscheidens aus dem Knorpel aufweist. Die gleichen verschieden gerichteten Verschiebungsprocesse an der Beckenflosse von Spinax waren aber schon an der Entwicklung des Mesoderms und der Muskulatur zu erkennen. Die caudalwärts fortschreitende Wanderung ist stets in jüngeren Stadien am deutlichsten und überwiegt in ihnen die rostralwärts gerichtete. Letztere ist in älteren Stadien am kennt- lichsten und beschränkt sich bei den ontogenetischen Erscheinungen am Mesoderm und den Muskelelementen auf die hintere Zone der | Flosse. Aus den Nervenkanälen und den Umwandlungen ihrer Ein- schlüsse ist aber zu entnehmen, dass endlich die rostral gerichtete Verschiebung noch den Vorderrand der Beckenflosse, den Glied- maßengürtel selbst, ergreift. Es ergiebt sich aus der Gesammtheit der Entwicklungsvorgänge an der hinteren Extremität von Spinax die Vorstellung, dass dieselbe ursprünglich erhebliche Wanderungen in caudaler Richtung durchgemacht hat, dass aber in jüngeren phylo- genetischen Perioden auf diese eine geringe Verschiebung in ent- gegengesetzter, rostraler Richtung gefolgt ist, welche sich bei den jetzt lebenden Thieren wahrscheinlich noch im Flusse befindet. Bei der Beckenflosse von Pristiurus und Torpedo lassen die Nerveneinschlüsse des Gliedmaßengürtels auf Wanderungen der Ex- tremität nach hinten schließen. E. Überblick über die Resultate der ontogenetischen Untersuchungen an paarigen Gliedmalsen und über die phylogenetische Bedeutung derselben '!. a. Wanderung der Extremitäten. Die Ontogenese der Selachierextremitäten zeigt beide Gliedmaßen in allen ihren Theilen in Verschiebung begriffen. Dieselbe äußert sich in Verlagerungen der frühesten Anlagen des Flossenmesoderms, der Extremitätenleisten und des in späteren Phasen der Entwicklung 1 Wegen der serialen Angaben über Muskelanlagen und Nerven bitte ich stets die Tabellen am Ende des Kapitels (pag. 620) zu vergleichen, welche, wie ich hoffe, eine bequeme Übersicht ermöglichen. 594 Hermann Braus aus ihnen sich differenzirenden Gliedmabenskelettes; sie tritt bei den Bewegungen der Muskelknospen und den Umtauschprocessen des Muskelbildungsmaterials bei Entstehung der Musculi radiales der Flossenanlagen zu Tage. Das Charakteristische der Wanderungs- processe, die an den Bestandtheilen einer bestimmten Extremität zu beobachten sind, liegt darin, dass sie in allen ihren Theilen in derselben Richtung verlaufen. Die Richtung kann zwar in ver- schiedenen Phasen der Entwicklung eine verschiedene, bald cranial- wärts, bald caudalwiirts orientirte sein, so dass Verschiebungen in der einen Richtung solchen in entgegengesetztem Sinne Platz machen. In den meisten Fällen wird aber ein Zusammenwirken aller Faktoren während der einen sowohl als auch während der anderen Phase zu erkennen sein, und bei allen in dieser Arbeit mitgetheilten Beobachtungen ist dies in Wirklichkeit der Fall gewesen, selbst wenn, wie bei der Beckenflosse von Spinax, die entgegengesetzte, caudo- rostrale Bewegung schon in Perioden einsetzt, in welchen die an- fängliche, rostro-caudale, noch im Flusse ist. Daraus ergiebt sich der Schluss, dass die ontogenetischen Wanderungen der Flossen- bestandtheile auf ehemalige Verschiebungen der ganzen Glied- maßen zu beziehen sind. Derselbe Nachweis ist aus der Entwick- lung von höheren Fischen und von Angehörigen anderer Wirbelthier- klassen seitens derjenigen Autoren, welche ihre Aufmerksamkeit den Verschiebungen zuwendeten, erbracht worden [Ganoiden, Teleostier, Amphibien, Sauropsiden, Mammalier; vgl. E. ROSENBERG (1876), M. FÜRBRINGER (1879), ApoLpuı (1893), HARRISON (1895), MOLLIER (1897). Die Ontogenese ist berufen, den Ortswechsel als eine generelle Fähigkeit der Gliedmaßen der Wirbeithiere, für welche zahlreiche vergleichend-anatomische Befunde sprechen, gleichfalls zu beweisen. Die Ontogenie der Selachier reiht sich damit nicht nur den bisherigen embryologischen Erfahrungen ein, sondern sie stützt auch dieselben, weil sie die niedersten uns bekannten Extremitäten- thiere unter den Vertebraten betrifft, und erweitert sie, weil hier die Verschiebungen viel ausgedehntere sind als die bisher von höheren Wirbelthieren beschriebenen. Die Brustflossenanlage von Scymnus sahen wir um ihre ganze rostro-caudale Ausdehnung nach vorn rücken, so dass der hintere Rand schließlich an Stelle des vorderen liegt. Die Beckenflossenanlage von Spinax verschiebt sich mit ihrem vorderen Rand über 10 Urwirbellängen nach hinten. Wenn auch ausgedehntere embryologische Untersuchungen an höheren Wirbel- thieren, besonders an Sauropsiden, den Nachweis stärkerer Verschie- Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 595 bungen, als die bisher beschriebenen, erwarten lassen (FÜRBRINGER hat besonders auf Cygnus aufmerksam gemacht, 1888, pag. 976), so stimmen doch die bisherigen lückenhaften entwicklungsgeschichtlichen Erfahrungen mit den viel ausgiebigeren vergleichend -anatomischen überein, welche gleichfalls den höchsten Grad des Ortswechsels im Kreise der niedersten Fische ergaben (Braus, 1898, pag. 452). In Folge dessen kann sehon jetzt behauptet werden, dass auch die Onto- genie die Fähigkeit zu wandern als eine der primitivsten Errungen- schaften der Wirbelthiergliedmaßen nachweist'. Die Richtung der phylogenetischen Verschiebung der Selachier- extremitäten verhält sich nach den embryologischen Thatsachen manchmal nicht nur bei der vorderen und hinteren Gliedmaße ver- schieden, sondern kann auch bei derselben Flosse einer Familie in verschiedenen Perioden oder derjenigen verschiedener Familien in derselben Periode differiren. Die vordere Extremität nimmt einen Ortswechsel vor, welcher sie dem Kopfe und dem Kiemenkorb nähert, so dass schließlich eine innige Berührung mit der letzten Kieme zu Stande kommt. Bei Spinax und namentlich bei Seymnus verschiebt sich die Extremitäten- leiste in dieser Richtung. Bei Spinax geht der Process in ältere Entwicklungsstadien hinein und ist selbst beim ausgewachsenen Thier noch im Flusse, wie an den Wanderungen des Schultergürtels erkannt wurde. Eine mit ihm verknüpfte Verkleinerung der Flossenbasis konnte auf Reduktionsprocesse am hinteren Flossenrand bezogen werden, die an der theilweise unterdrückten, theilweise verlang- samten Entwicklung der Muskulatur an diesem gegenüber den Neu- bildungen im vorderen Theil der Flosse besonders deutlich sichtbar waren. Die Ontogenie führt zu demselben Resultat für Spinax, welches auf vergleichend-anatomischer Grundlage für die Familie der Spinaciden überhaupt von mir erhoben worden war, dass nämlich hier die Brustflosse eranialwärts wandere (1898, pag. 408 u. ff.). Bei Pristiurus ist eine gleich gerichtete Verschiebung der vor- deren Extremität nur während der früheren Entwicklungsphasen zu konstatiren. In älteren emaneipirt sie sich von derselben, und der hintere Rand der Flosse dringt selbständig, neues metameres Muskelmaterial in besonderer Weise erwerbend, um drei Urwirbel- ! Die phylogenetische Wanderung ist selbstverständlich nicht als eine aktive aufzufassen; vielmehr muss das aktive Element in den an der Extre- mität inserirenden, aber außerhalb derselben mit ihrem Ursprung befestigten Rumpfmuskeln gesucht werden, 596 Hermann Braus liingen eaudalwärts vor. Beim ausgebildeten Thier wird die Haut der Achselhöhle und des hinteren Flossenrandes von einem sensibeln Ast noch eines vierten Segmentes versorgt, so dass im Zusammenhang mit den vorhergehenden motorischen Angliederungen während der Ontogenese eine weitere in Aussicht zu stehen, und der caudalwirts gerichtete Verschiebungsprocess bei jetzt lebenden Pristiuriden noch im Gange zu‘sein scheint. Hieran schließt sich das Resultat der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung bei Torpedo an, - deren sroße Lücken zwar kein bestimmtes Urtheil bezüglich einer auch hier anfänglich eranialwärts gerichteten Wanderung der Vorder- flosse gestatten, welche aber eine hochgradige caudale Verschiebung der ganzen Flosse und besonders ihres hinteren Randes in etwas älteren Stadien erkennen lässt. Von der ersten Anlage bis zum entwickelten Zustand verschiebt sich hier die hintere Flossengrenze um fünf Urwirbellingen. Der Anfang der Verschiebung über die erste derselben taucht aber nur flüchtig und unbestimmt im frühesten embryologischen Zustand auf. MoLLIEr hat vor Eintritt der Ein- schnürung der bei Rochen in einem gewissen Stadium einheitlichen Extremitätenleiste, welche zur äußeren Sonderung der beiden Flossen führt, den hinteren Rand nur bis zum 26. Rumpfsomiten inel. (nach meiner Art dieselben zu zählen) reichen sehen; und ich finde in ein wenig älteren Stadien noch Reste von Muskelanlagen des 27. Rumpf- somiten in der Beckenflosse. Doch ist bei Vollzug der Abgrenzung der beiden Extremitäten durch die vorhin erwähnte Einschnürung die Grenze zwischen beiden bereits bis über den 27. Rumpfurwirbel fortgeschritten und in der Muskulatur die folgende Wanderung an- gebahnt, welche bis zur Grenze zwischen 31. und 32. Myotom führt und dort endet. Der Nachweis der in späteren Entwicklungsstadien beträchtlichen, in den frühesten nur angedeuteten und schnell vorüber- gehenden Wanderung nach hinten legt den Verdacht nahe, dass hier die Ontogenie nicht das volle phylogenetische Bild rekapitulire, son- dern gerade in ihrem Anfang Stadien überschlage oder zusammen- ziehe, welche, wenn besser erhalten, die Brustflossenanlage in noch weiter eranialwärts liegende Stellungen zurückverfolgen lassen wür- den, als es auf Grund der vorliegenden Daten der Entwicklungs- geschichte möglich ist. Bestärkt wird diese Vermuthung durch den Vergleich mit höheren Squaliden, an welche, abgesehen von den übrigen Organisationsverhältnissen der Squaliden und Batoiden, die Entwicklung des hier vorliegenden Organs zunächst anzuschließen ist, weil bei beiden das Wachsthum der Vorderflossen dieselbe Rich- Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 597 tung eingeschlagen hat. Bei Pristiurus ist der hintere Rand der vorderen Extremität am Ende der ontogenetischen Wanderung bis zum 16. Myotom vorgedrungen und schickt sich an, das 17. zu er- obern. Bei Torpedo beginnt die erste nachweisbare Spur der Ver- schiebung am Ende des 26. Rumpfwirbels. Liegt da nicht die Ver- muthung nahe, dass nur die Lücken in unseren Kenntnissen von der Entwicklung anderer Selachier zur Zeit die Demonstratio ad oculos derjenigen Verschiebung verhindern, welche den hinteren Rand der Brustflosse über den zwischen Pristiurus und Torpedo bestehenden Abstand von neun Urwirbellängen hinüberleitete ? Die vergleichend-anatomische Untersuchung, welche mir bezüg- lich der höheren Squaliden- und aller untersuchten Batoidenfamilien das gleiche Resultat einer späteren caudalwärts gerichteten Ver- schiebung der Brustflosse lieferte (1898, pag. 406—408), ist im Stande, die hier zur Zeit von der Ontogenie offen gelassene Lücke auszu- füllen. Denn sie zeigt, dass bei Lamniden (Odontaspis) der hintere Brustflossenrand bis in das 21., bei Carchariiden (Zygaena) bis in das 23. und bei Rhiniden (Rhina squatina) gar bis in das 29. Myotom vorgedrungen ist. Bedenkt man, dass diese Etappen von der bei Pristiurus beobachteten um 4, unter einander und von der bei Tor- pedo festgestellten Ausgangsstellung nur um 2—3 Urwirbellängen entfernt sind, so ist für die Kombination dieser Etappen zu einem kontinuirlichen Verschiebungsprocess, welcher in der Phylogenese die Flosse höherer Squaliden in die der niedersten Batoiden und der Rhiniden überführte, keine größere Wanderung des hinteren Flossen- randes zu postuliren, als sie von der Ontogenie bei Pristiurus und namentlich bei Torpedo (3—5 Urwirbel) ad oculos demonstrirt wird. Das embryologische Studium der hinteren Extremität hat für Spinax, Pristiurus und Torpedo sehr starke Verschiebungen in der gleichen, caudalen Riehtung erwiesen, welche den Hinterrand der Flosse der beiden Squaliden in maximo bis in den Bereich des 39. resp. 40., des Batoiden bis in den des 44. Myotoms führen. Doch wird von Spinax diese äußerste caudale Stellung nicht vom ausge- wachsenen Thier wie bei Pristiurus, sondern bereits in frühen Ent- wicklungsstadien erreicht. Später geht dieselbe verloren und macht einer größeren Differenz gegenüber der bei dem anderen Squaliden beobachteten Stellung Platz, indem eine entgegengesetzte, cranial- wärts gerichtete Wanderung die Flosse ergreift, welche sie retrograd bis in das 36. Metamer mit ihrem hinteren Rand zurückbringt. Man könnte hier leicht versucht sein im Anschluss an die von BALFOUR der Morpholog. Jahrbuch. 27. 39 598 Hermann Braus Arbeit v. Davrporr’s entgegengehaltene Idee zu glauben, dass die Ent- wicklungsprocesse nicht auf einen doppelten Ortswechsel der ganzen Extremität, sondern nur auf eine nachträgliche von vorn und hinten einsetzende Verkürzung einer ursprünglich größeren Flossenleiste hin- deuten. Dass eine solehe Annahme irrig wäre, geht daraus hervor, dass bei Spinax sowohl die Extremitätenleiste wie das Becken an- fiinglich eine Bewegung nach hinten vollführen, welche bis weit in die Reihe der serialen Muskelknospen und in die Austauschprocesse des Muskelmaterials innerhalb der Museuli radiales hinein zu ver- folgen ist, und dass die eranialwärts gerichtete Verschiebung sowohl an den Muskelknospen und dem Material der Mm. radiales, an dem Zuriickbleiben des Wachsthums der Flossenleiste als auch besonders an dem Vorrücken des Beckens zu Tage tritt. Der letzte Umstand ist besonders bemerkenswerth, da er zeigt, dass auch die später er- folgende, retrograde Verschiebung schließlich bis an den Vorderrand der Beckenflosse vordringt, also nieht nur eine Verkürzung, sondern namentlich einen totalen Ortswechsel erzeugt. Die Ontogenie zeigt deutlich, dass die den untersuchten Selachiern gemeinsame progressive, caudalwiirts gerichtete Wanderung der Ex- tremität die ältere und ausgedehntere ist, dass sich die entgegen- gesetzte, retrograde, eranialwärts gehende bei Spinax erst später voll- zogen und nur geringe Grade erreicht hat. Auch hier herrscht mit den Zeugnissen der vergleichend-anatomischen Forschung Überein- stimmung (BRAUS, 1898, pag. 402—405). Auf die Frage nach den Ausgangspunkten der Extremitäten- wanderungen bei den Selachiern vermag die Ontogenie keine end- gültige Beantwortung zu geben. Denn wir haben stets mit der Uber- legung zu rechnen, dass die Ausgangsstellung der Gliedmaßen bei keinem der untersuchten Embryonen eine primitivste Ortsbezeichnung angebe, eben so wenig wie dies etwa die Ausgangsstellung bei der Torpedobrustflosse thut, bei welcher gewichtige Gründe für eine, in der Entwieklung nicht in ihrem ganzen Umfang rekapitulirte frühere Stellung in weiter cranialwiirts liegenden Rumpfregionen vorgebracht wurden. Immerhin vermag die Ontogenie recht weit in der Phylo- genie der Extremitäten zurückliegende Etappen der Stellung letzterer aufzudecken, die um so belangreicher sind, als wir damit dem Ent- stehungsgebiet der Gliedmaßen näher kommen müssen, wenn wir es auch nicht gerade erreichen. Bei der vorderen Gliedmaße werden wir uns an die Entwick- lung von Spinax zu halten haben, welche mit derjenigen von Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. If. 599 Pristiurus die anfängliche Bewegung der Flosse cranialwirts gemeinsam hat, aber nicht die caudalwärts gehende, auf jene bei Pristiurus folgende und weiterhin bei Torpedo fortschreitende Ver- schiebung zeigt. Letztere verdeckt bei Seylliiden und Torpediniden den ontogenetischen Ausgangspunkt des rostralwärts gerichteten Ortswechsels, da das vorliegende Material nicht ausreicht, um am hinteren Flossenrand der Embryonen genau den Grenzpunkt zu be- stimmen, an welchem sich beide Processe scheiden. Bei Spinax reichte der Hinterrand der Brustflosse einst bis in das elfte Myo- tom hinein, da in diesem noch ein Rest von Muskelanlagen liegt, welcher früher, wie die vorderen Somiten, motorisches Material für die Extremität gebildet haben muss. Es ist dabei zu bedenken, dass ursprünglich dieser Somit selbst eine ganz andere Stellung am Rumpfe einnahm. In dem ersten Theil dieser Abhandlung konnte nachge- wiesen werden, dass sicher sieben und wahrscheinlich acht vordere Rumpfsomiten in das Schädelgebiet eingedrungen und in Folge dessen dem Rumpfe verloren gegangen sind. Die mit diesem Process ver- bundene Verschiebung der in den freiwerdenden Platz jener nach- rückenden, folgenden Rumpfsomiten wird von der Ontogenie zum großen Theil rekapitulirt. An ihr betheiligt sich die Brustflosse von Spinax. Es könnte desshalb ursprünglich ihr hinterer Rand nicht am 11., sondern am 18.—19. Rumpfmetamer gelegen haben. Doch wissen wir nicht, ob in jenem weit zurückliegenden phylogenetischen Zustand überhaupt schon eine vordere Extremität existirte. Desshalb kann man nur so viel sagen, dass sie sich einst mehrere Urwirbel- längen weiter caudalwärts am Rumpf als das jetzige elfte Rumpf- myotom befunden haben muss!. Bei der hinteren Extremität ist für die Bestimmung der onto- genetisch frühesten Ausgangsstellung die Beurtheilung der Muskel- knospen im Zwischenflossenraum von Wichtigkeit. Diese kommen bei Spinax nicht bei allen in ihm vorhandenen Myotomen vor. Die Lücke, in welcher keine Knospen vorhanden sind, scheidet die vorhandenen Knospen von der Brustflosse. Da der größte Theil derselben nachträglich noch in die Beckenflosse eintritt, müssen dieselben alle zu dieser gerechnet werden. Sie sind belang- 1 Natürlich soll damit nicht gesagt sein, dass dies der ursprüngliche Ent- stehungsort der Extremität sein müsse. Es können phylogenetische Verschie- bungen der Extremität erfolgt sein, auch ohne dass die Ontogenie der Selachier Spuren davon aufzuweisen braucht. Vergleiche hierzu meine diesbezüglichen Ansichten 1898, pag. 428. 39* 600 Hermann Braus reiche Zeugen ursprünglicher, weit rostral befindlicher Stellungen der hinteren Extremität. Daran können die Verhältnisse bei Pristiurus nichts ändern. Dort folgen zwar die Knospen des Zwischenflossen- raumes ohne deutliche Grenze in jüngsten Stadien auf diejenigen der vorderen Extremität; aber die Verschiebung von Nervenästen und von dem größeren Theil der Knospen selbst in der Richtung auf die Beckenflosse reden dieselbe Sprache wie bei Spinax. Auch bedient sich die Brustflosse bei ihrem progressiven Fortschreiten nicht der scheinbar ihren Knospen gleichen Muskelanlagen, sondern bezieht das für sie erforderliche metamere Muskelmaterial aus anderen (Quellen. Die Grenze zwischen den Knospen der Brustflosse und denjenigen des Zwischenflossenraumes ist bei Scylhiden also nur scheinbar nicht vorhanden. Dass sie verdeckt wurde, wird ver- stindlich aus der ontogenetisch nachweisbaren progressiven Aus- dehnung der vorderen Extremität. Diese ist so weit caudalwärts vorgedrungen, dass ihr hinterer Rand bei Pristiurus in der ersten Anlage nur um drei Urwirbellängen von demjenigen Myotom ent- fernt ist, bei welchem Spinax noch unverkennbare Knospen für die Beckenflosse besitzt. Dieser geringe Unterschied ist gegenüber der Schwierigkeit der hier erforderlichen Materialbeschaffung, bei welcher die Knospen bei den betreffenden drei Somiten von Spinax, aber nicht solche bei Pristiurus übersehen worden sein können, nicht hoch zu veranschlagen. Dann gehören aber die Knospen des Zwi- schenflossenraumes von Pristiurus gerade so gut zur Beckenflosse wie diejenigen von Spinax. Die hintere Extremität lässt sich dem zufolge bei Squaliden- Embryonen rostralwärts bis zum 15. Rumpfsomiten zurückverfolgen. Diese ontogenetische Ausgangsstellung differirt nur um vier Myo- tome von derjenigen, in welcher wir im gleichen Stadium die vordere fanden (elftes Myotom). Die Ontogenie der Selachier, so weit sie bekannt ist und nicht irrig gedeutet wird, führt betreffs der Ausgangspunkte der Ver- schiebung der Extremitäten zu demselben Resultat wie die ver- gleichend-anatomische Methode, indem sie als frühe, belangreiche Etappen bei dem Ortswechsel derselben nur kurz von einander ent- fernte Punkte, welche zwischen dem 11. und dem 15. Myotom (und in früheren Perioden, wo die Urwirbel vorn bis zu sieben oder acht vermehrt waren, entsprechend weiter hinten) liegen, erkennen lässt. Denn zu fast demselben Resultat (10.—14. Metamer für die vordere und 16.—18. für die hintere Extremität) kam ich früher (1898, pag. 431). Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 601 b. Mangelnde Beweise für die Lateralfaltenhypothese und die »Koncentration« der Flossen; primitives Verhalten der Squaliden. Es fragt sich, ob die embryologischen Thatsachen ein weiteres Eindringen in das Problem der Herkunft der Gliedmaßen ermöglichen. Die meisten Embryologen, welche sich mit der Ontogenie der Ex- tremitäten beschäftigten, haben diese Frage bejaht. Doch weichen die bisher von mir angeführten ontogenetischen Fakta und Schlüsse weit ab von dem Gedankengang, welcher sie dabei leitete. Letzterer wurde von BALFOUR inaugurirt, welcher an die bekannte kontinuir- liche Rumpfseitenleiste des Ektoderms und Mesoderms bei Torpedo- embryonen anknüpfte und aus ihr durch einfache Durchschniirung oder durch partielle Reduktionen die vordere und hintere Extremität der Selachier entstehen ließ. Dagegen habe ich einzuwenden, dass diese Leiste nach RAgrL’s eingehenden Untersuchungen im frühe- sten Entwicklungsstadium nicht kontinuirlich angelegt wird, sondern dass auch bei Torpedo beide Extremitäten gesondert entstehen. Das Verbindungsstück zwischen beiden legt sich erst später an, in- dem das Mesoderm zuerst, dann auch das Ektoderm eine Brücke bilden, welche beide Gliedmaßen in Verbindung setzt. In dieser Periode dringt aber nicht nur die vordere Extremitätenleiste nach hinten vor, sondern in der Verbindungsbrücke findet eine Aufnahme von Bildungsgewebe derjenigen Metameren in dieselbe statt, welche die Vorderflosse erobert und welche die Beckenflosse preisgiebt. Be- sonders innig und wichtig sind die Austauschprocesse desshalb, weil höchst wahrscheinlich auch Muskelbildungsmaterial durch sie der vorderen Gliedmaße zugeführt wird. Kommt schließlich die pro- gressive Verschiebung der letzteren zum Stillstand, so löst sich auch die Verbindungsbrücke auf und die Leiste der vorderen Extremität liegt mit ihrem hinteren Ende weiter dorsal als das vordere Ende der Leiste der hinteren Extremität. Da wir die Verbindungsbrücke nur bei Rochen finden, bei welchen die Verhältnisse so liegen, dass eine Materialverschiebung von einer zur anderen Flosse möglich ist, bei anderen Selachiern oder anderen Wirbelthieren aber nie, und da sie nur während der Zeit des Zellwechsels existirt, so haben wir in ihr lediglich eine Anpassung an specielle entwicklungsphysiologische Bedingungen jener Fische zu erblicken, ihr aber keine weitere phy- logenetische Bedeutung beizulegen. Die BaLrour’sche Idee einer jener einheitlichen Seitenleiste ähn- 602 Hermann Braus lichen Urform der Flosse hat ferner zu der Annahme geführt, dass die gegenseitige Berührung der Extremitäten wie bei Rochen das ursprüngliehere, weil durch einfache Einkerbung der Leiste erzeugte Verhalten sei, dass dagegen größere Entfernungen der Flossen von einander, wie bei Squaliden, sich erst sekundär aus jenem entwickelt hätten. Auch diese Annahme führt zu Kollisionen mit den entwick- lungsgeschichtlichen Thatsachen. Einmal ist die erste Einkerbung der Leiste bei Rochen nur anscheinend eine totale und endgültige. Ehe dieselbe eintritt, liegt die Grenze zwischen Brust- und Becken- flossenanlagen um ein Metamer weiter vorn (MOLLIER) als bei ihrem Entstehen. Zur Zeit des letzteren sind aber schon Bestandtheile von dem folgenden, jetzt ersten kompleten Beckenflossenmetamer in der Brustflosse enthalten, während Reste des früheren ersten Beckenflossenmetamers, jetzigen letzten kompleten Brustflossen- metamers noch in der Beckenflosse liegen (Taf. XXV Fig. 3). Diese komplieirte Verschränkung beweist, dass keine einfache, glatte Durehtrennung der Leiste stattgefunden hat. Die weitere Entwick- lung bestätigt dies, indem sich die Grenze zwischen Brust- und Beckenflosse zugleich mit der Einkerbung weiter caudalwiirts ver- schiebt. Erst in späteren Stadien tritt eine wirklich komplete Sonde- rung der Flossenanlagen ein, aber an anderer serialer Stelle als derjenigen, an welcher der Trennungsspalt zuerst einsetzte. Diese Details stempeln die Durchkerbung der Extremitätenleiste als einen in specieller Anpassung an die Verschiebung der Grenze zwischen den beiden Gliedmaßen sich vollziehenden Vorgang. — Die Verschiebung der Extremitäten bei Rochen als solehe entkleidet diesen Vorgang völlig jedweden pri- mitiven Charakters. Denn wir sahen, wie oben ausführlicher dargelegt, in der Ontogenie die Spuren weiter zurückliegender Stellungen der Brustflosse von Torpedo auftauchen, die eine An- knüpfung an die progressive Verschiebung derselben bei höheren Squaliden (Seylliiden, Lamniden, Carchariiden) ermöglichten. Schon bei letzteren grenzt aber bereits die Brustflossenanlage an das, freilich in seinen vorderen Theilen rudimentäre und nur im Muskel- anlagen erhaltene Gebiet der Beckenflosse, so dass im frühesten Entwicklungsstadium bei Pristiurus die Muskelknospen der Brust- und Beckenflosse scheinbar ohne Grenze in einander übergehen. Erst in der ferneren Ausbildung scheiden sich die Gebiete hier so deutlich wie beim ausgebildeten Thier. Der Zustand bei Ro- chen ist nur eine weitere Fortbildung dieses bei höheren Squaliden Beiträge zur Entwiekl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 603 in der Entwieklung noch nachweisbaren Verhältnisses zwischen den beiden Gliedmaßen, indem die Brustflossenanlage immer weiter caudalwärts vordringt .und schließlich nicht nur die von der Beckenflosse in früheren Perioden eingenommenen Stel- _ len, sondern den bei Rochen jetzt von ihr erreichten Platz be- rührt. Die Ontogenie zeigt weiter, dass die Brustflosse bei Torpedo begonnen hat den Platz der Beckenflosse einzunehmen. Auch hier herrscht Übereinstimmung zwischen ontogenetischen und vergleichend- anatomischen Zeugnissen; denn bei höheren Rochen fand ich alle Etappen immer weiteren Vordringens der Brust- und Zurfückweichens der Beckenflosse, bis schließlich bei Trygoniden der hintere Rand der vorderen Extremität über die Stelle hinausschreitet, an welcher bei Torpedo noch die caudale Grenze der hinteren Extremität liegt (1898, Taf. XVII). — Schließlich theilte ich früher bereits einen Parallelfall bei Squaliden mit, der in dem Befund an einem älteren Rhina-Embryo gewonnen wurde. Auch dort ist die Brustflosse tief in das Gesammtgebiet der Beckenflosse eingedrungen, erreicht zwar nicht die Flosse selbst, wohl aber die noch aus früheren Perioden erhaltene, eranialwärts vom Becken liegende Muskulatur derselben. Es findet sich also hier ein Zwischenstadium! zwischen dem in der Ontogenese von Pristiurus und von Torpedo auftretenden Erschei- nungen. Bemerkenswerth ist, dass in diesem bereits die Ver- schränkung der Nerven und Muskeln gerade so wie bei Torpedo eingetreten ist, indem bei jenem Rhina-Embryo zwei Metameren gleichzeitig Material zur Brust- und Beckenflossenmuskulatur ge- liefert haben (1898, pag. 321 und ff., Taf. VII). Bei Rhina wird man nicht zweifeln können, dass diese Verschränkung in späteren phylogenetischen Perioden erworben ist, da alle Etappen der zu- nehmenden Verschiebung der Brustflosse nach hinten bei Squaliden erhalten sind. Die Analogie mit den Rochen liegt auf der Hand. Die Zeugnisse der Ontogenie und vergleichenden Ana- tomie lassen in gleichem Sinne nur die Deutung zu, dass die enge Nachbarschaft von Brust- und Beckenflosse bei Rochen erst in jüngeren phylogenetischen Epochen er- worben und von analogen Processen abzuleiten ist, wie sie — immer noch primitiver als bei den Rochen — bei höheren Squaliden noch erhalten sind. Gerade die Embryologie der Torpedobrustflossen liefert uns damit Dokumente, welche für ! Dies ist natürlich nicht phylogenetisch gemeint. 604 Hermann Braus die hohe Differenzirung derselben gegenüber derjenigen der Squa- liden zeugen. Es bestätigt die Ontogenese für dieses Organ die eigenartige Stellung auf der Stufenleiter phylogenetischer Ent- wieklungen, welche in den meisten Organisationsverhiltnissen der Rochen zu Tage tritt. Die von BALFour vorgeschlagene Auffassung der Torpedoflosse führte im Gegentheil manche Embryologen dazu, die Extremitäten der Batoiden für primitiver als diejenigen der Squaliden, sei es im embryonalen, sei es im ausgebildeten Zustand, zu halten und dadurch das phylogenetische Verhältnis zwischen den beiden Untetordnungen der Plagiostomen auf den Kopf zu stellen (DonrN, WIEDERSHEIM, RABL, MOLLIER; von anderer Seite beson- ders SMITH Woopwarb, 1892). Die Versuche, die Squalidenflossen von rochenähnlichen Zu- ständen abzuleiten, erforderten natürlich den Nachweis, dass erstere einst größer gewesen seien als bei den recenten Fischen. Diesen Nachweis anzutreten, ist auch versucht worden. DOoHRN stützte sich auf die von ihm entdeckten Knospen im Zwischenflossenraum der Seylliiden-Embryonen, die er als Reste einst den ganzen Rumpf einnehmender parapodialer Urgliedmaßen bei Selachiern auffasste. Die späteren Autoren übernahmen dieses Argument für die von ihnen vertheidigte Barrour’sche Lateralfaltenhypothese'!. GEGENBAUR hat aber schon darauf hingewiesen, dass man die Dourn’schen »Abortivknospen« mit demselben Recht als Zeugen der Verschiebung der Hintergliedmaße betrachten könne (1895, 1898). Meine Befunde bei Spinax und die entsprechende Beurtheilung der bei Pristiurus zu den Erhebungen früherer Autoren (DoHRN, P. MAYER, Ras) hinzugefügten Ergänzungen bestätigen diesen Hinweis GEGEN- BAUR’S und beweisen, dass die Donrn’schen Knospen, weit ent- fernt die parapodiale? Herkunft der Gliedmaßen zu stützen, werthvolle Zeugen für den Ortswechsel der hinteren Extre- mität sind. Weiterhin wurde in der »Koncentration« der Selachierflossen ! Da ich in dieser Arbeit wesentlich ontogenetische Beweismaterialien behandele, gehe ich auf die Arbeiten TuAachHer’s, Mıvarr’s, HASWELL’s ete. nicht ein, welche mit vergleichend-anatomischen Argumenten die Lateralfalten- hypothese zum ‘Theil selbständig zu begründen, zum Theil zu stützen suchten, und verweise dieserhalb auf meine frühere Arbeit (1898). 2 Auf die wunderliche Homologisirung der Gliedmaßen mit Parapodien gehe ich nicht näher ein. Sie hat außer ihrem Autor und P. MAYER wohl kaum einen Vertreter gefunden. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 605 während der Ontogenese ein Beweis für die ursprünglich größere Aus- dehnung derselben erblickt. Das Wort »Koncentration« stammt von Dourn (1884) her. Es bezeichnet nach ihm eine spätere partielle Ablö- sung der Flossenbasis vom Rumpfe, welehe zu einer sekundären Ver- kleinerung derselben führt. Dieser Gedanke ist aber schon von BAL- Fig. 12. 1 1 4 - et HH HH Mar N a rien ae en | “4 Ba ee m en sb 0b abindsna Ys mcbomtiein.: 90 Bar Koncentrationsschema der Flossen im Anschluss an MorLıer’s Auffassung (vier verschiedene Stadien der Entwicklung). FOUR (1881, pag. 662) ausgesprochen worden, der eine ursprüngliche größere Ausdehnung der Beckenflosse ventilirte, ohne sich für dieselbe direkt zu entscheiden. Dourn will aus der Richtung der Nervenstamme erkennen, dass die Flosse ein koncentrirtes Gebilde sei. »Denn während die vordersten Spinalnerven sich schräg von vorn nach hinten richten, 606 Hermann Braus ? um in die Flosse zu gerathen, sind die hintersten äußerst schräg in umgekehrter Richtung gelagert, um gleichfalls mit den ihnen zu- gehörigen Muskelknospen im Kontakt zu bleiben« (1884, pag. 64). WIEDERSHEIM und RABL haben sich dem angeschlossen. Rabu hat noch besonders auf die Konvergenz der Muskelknospen beim Eintritt in die Flossenleisten aufmerksam gemacht und darin einen weiteren 3eweis für die Verkleinerung derselben erblickt. MOLLIER hat seine besondere Auffassung von der »Koncentration«, welche er sich nicht durch eine aktive Ablösung der Flosse vom Rumpf, sondern durch eine Wachsthumsdifferenz zwischen Rumpf und Flossenbasis ent- standen denkt. Nach ihm sind an Muskeln, Nerven, Gefäßen und Skelet der Flosse die Folgen der »Koncentration« zu erkennen. Die Auffassung Morurer’s halte ich nicht für so abweichend von derjenigen der früheren Autoren, wie der Verfasser glaubt. Ich habe in der Textfig. 12 eine schematische Darstellung derselben gegeben, in welcher ich mich nach MorLıer’s Textfig. 2A und B (1894, pag. 50) richtete. Bei einem Embryo erstreckt sich die Extremität in der Urform, welche die Lateralfaltenhypothese verlangt, beispielsweise über 14 Segmente. Es ist angenommen, dass die »Koncentration« den stärksten Grad besitze (wie in der betr. Textfig. MOLLIER's) und dass in Folge dessen während des Wachsthums des Rumpfes kein weiteres Wachsthum der Flossenbasis stattfinde. MOLLIER stellt sich dann vor (wie er es ursprünglich für Ceratodus angenommen hat), dass die einheitliche Flossenleiste an irgend einem Punkt, in meinem Beispiel in der Mitte, durchreiße; da das Wachsthum der Rumpfmetameren vorn schneller als hinten fortschreitet, soll allmäh- lich ein immer stärkeres Auseinanderweichen der Flossen entsprechend den drei letzten Stadien der Textfigur zu Stande kommen. Es ist bei Betrachtung dieses Schemas im Auge zu behalten, dass wir bei unseren Bezeichnungen für die Wachsthumserscheinun- gen im embryonalen Leben stets einen relativen Maßstab im Ver- hältnis zur Totalität des Organismus anlegen. So sprechen wir z. B. von einem Descensus testieulorum et ovarii, während wir bei einem großen Theile dieses Processes wohl richtiger von. einem Ascensus des ganzen humpfes gegenüber diesen Organen sprechen müssten. Für unser phylogenetisches Vorstellungsvermögen ist damit nicht viel gewonnen, weil das Wesentliche, die Lageveränderung, bei der ersteren Ausdrucksweise viel besser deutlich wird. Eben so scheint es mir für phylogenetische Erörterungen gleichgültig zu sein, ob wir mit DOHRN, WIEDERSHEIM und RABL für das Koncentrationsschema sagen, Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 607 die Flossen hätten sich verkleinert und von den Myotomen theilweise abgelöst, welchen sie früher anhafteten, oder ob wir mit MOLLIER als punctum fixum die Basis der Extremität bezeichnen und von einem Wachsthum des Rumpfes über diese hinaus reden. Das Kenn- zeichnende für die ganze Koncentrationshypothese ist die Vorstellung, dass die Extremitäten die Grenzen des Ortes, den sie ur- sprünglich einmal einnahmen, serial nicht überschreiten können und sich nur durch Einbußen ihrer relativen Ausdehnung von einander entfernen. Das kommt an dem Schema MOoLLIEr’s am deutlichsten zum Ausdruck. Nur, wenn dieses Schema be- wiesen wäre, könnten die Verschiebungen, welche zur An- nahme einer »Koncentration« führten, mit Recht für eine sekundäre Verkleinerung der Flossen verwerthet wer- den. Die Ontogenie lehrt aber auch hier das Gegentheil, da die Extremitätenanlagen während derselben in neue Rumpfgebiete eindringen, wie ich oben darlegte. — Die Nerven, welche durch die Richtung ihres Verlaufes die »Koncen- tration« beweisen sollen, thun dies auch nur unter der irrthümlichen Annahme der Fixirung der Flossenanlagen. Der Ortswechsel der Gliedmaßen erscheint als gleich plausibele Erklärung, da wir wissen, dass manigfache Verschiebungen auf einander folgen und sich mit einander kombiniren können. Für die Nervenplexus wurde speciell gezeigt, dass aktive Bewegungen der Muskelbildungszellen sowohl den distalen Extremitätenplexus bei Spinax als auch den proximalen (Collector v. DAvıDorr’s) erzeugen, und dass mechanische Einflüsse seitens der Flossenleiste ausgeschlossen sind. — Dass die Muskel- knospen nach der Flossenbasis zu konvergiren, kann schon desshalb kein Beweis für eine ursprünglich größere Ausdehnung der Flossen- . basis sein, weil die Extremität sich gerade in den beiden, von RABL untersuchten Fällen (Pristiurus und Torpedo) in positiver Ausdeh- nung befindet und anstatt der behaupteten Verschmälerung in der ferneren Entwicklung hinten einen wirklichen Zuwachs von serialem Muskel- und Nervenmaterial erhält. — Schließlich ist auch das Skelet keine Stütze für die Koncentrationshypothese. Denn seine vermeintliche ehemalige Diskontinuität ist selbst wieder eine Behauptung, welche zu den wirklichen bisherigen Befun- den der ontogenetischen Untersuchung in direktem Wider- spruch steht. So lösen sich denn die unter dem Begriffe der Koncentration zusammengefassten Erscheinungen im Wesentlichen in solche Mo- 608 Hermann Braus mente auf, welche als Beweismittel für den Ortswechsel der Gliedmaßen dienen. Dass geringfügige Verkleinerungen der Ex- tremitäten bei manchen Selachiern vorkommen, soll nicht geleugnet werden; es wurde in dieser Arbeit für die Brustflosse von Spinax eine solche nachgewiesen. Aber auf solche untergeordnete Befunde von Verkleinerung und Konvergenz lässt sich eine Lateralfaltenhypo- these nicht aufbauen'. e. Verhältnis der Muskulatur zum Skelet der Gliedmaßen. Das Studium des ontogenetischen Ortswechsels der Selachier- extremitäten hatte beide bis in nahe benachbarte Segmente der vor- deren Rumpfregion verfolgen lassen. Von dort aus ließ sich für jüngere phylogenetische Epochen ein suecessives Fortrücken in andere Körperregionen feststellen. Das ist dem Postulat der am Rumpfe fixirten Lage der Flossen diametral entgegengesetzt. Anders jedoch gestaltet sich die Frage, ob die Extremitäten überhaupt im Rumpf- bereich entstanden, oder ob jene Stellungen zwar belangreiche, aber doch nicht die letzten Etappen in ihrem Werdegang gewesen sind. Damit treten wir an den Kernpunkt der ganzen Gliedmaßenfrage heran, welcher sich um die Beziehungen der Muskulatur zum Skelet der Flossen dreht. Noch BALFOUR gab zu, dass Ver- schiebungen der hinteren Extremität nicht unvereinbar mit der Lateral- faltenhypothese seien (1881, pag. 662); auch Donrn (1884, pag. 166) schloss sie nicht ganz aus. Erst der Ausbau des Koncentrations- begriffes errichtete hier Schranken. Ist also eine Entwicklung der Extremitäten innerhalb des Rumpfes zu erweisen, so wäre die Lebens- fähigkeit jener Hypothese nicht ganz zu bestreiten. Von den Embryologen sind besonders RABL nnd MOLLIER für die metamere mit dem Rumpfbau übereinstimmende Struk- tur der Selachierextremitäten auf Grund ontogenetischer Befunde ein- getreten, obgleich gerade sie es waren, welche die erste Angabe BALFour’s von der einheitlichen Anlage des Gliedmaßenskelettes gegenüber den abweichenden, eine diskontinuirliche Anlage desselben behauptenden Darstellungen Donrn’s und WIEDERSHEIM’S zur Gewiss- heit erhoben. In der Wahl zwischen der Kontinuität der Skelet- und Diskontinuität der Muskelanlagen entschieden sich beide Autoren ! Wegen mancher Detailfragen verweise ich auf den Text der speciellen Kapitel. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 609 dafür, letzterer die führende Rolle zuzusprechen, weil »sich die Muskeln das Skelet aufbauen«!. Doch scheint mir die Ontogenese eine beredte Sprache für ganz andere ursprüngliche Beziehungen zwischen Muskulatur und Skelet zu reden. Ich fand, dass durehaus nicht immer die Radien des Skelettes sich zwischen je einem Beuge- und Streckmuskel ausbilden, sondern dass selbst dort Diserepanzen in der frühesten Anlage vorhanden sind, wo beim ausgebildeten Thier eine verhältnismäßig genaue Über- einstimmung herrscht (Beckenflosse von Spinax Taf. XXII Fig. 5). Außerdem aber tritt die Skeletanlage bei allen bisher untersuchten Selachierembryonen erst so spät in der Entwicklungsgeschichte auf, dass die metameren Muskelknospen nicht mehr in Beziehungen zu ihr treten können, weil sie durch Verschmelzungs- und Verschie- bungsprocesse mannigfachster Art sich ihrer metameren Struktur be- seben haben. Ich nannte die polyneuren Gebilde, welche aus ihnen entstehen, Museuli radiales, weil sie in der That etwas Anderes sind als jene Knospen. Selbst diese polyneuren Mm. radiales verbinden sich zunächst noch nicht mit dem Flossenskelet, sondern wachsen medialwärts aus und befestigen ihre Ursprünge, wie MOLLIER zuerst bei Torpedo zeigte, an der Rumpffaseie und am Gliedmaßengürtel. Erst später treten auch Ursprünge an das Basipterygium. Die Insertionen der Mm. radiales verbinden sich bei Squaliden überhaupt nie, wie schon v. Daviporr (1879) wusste, mit dem Knorpelskelet, sondern sie sind den Hornstrahlen der Flossen angeheftet. Dieses Entwicklungsbild zeigt uns in allen seinen Stadien eine verhältnismäßig große Unabhängigkeit der Muskelanlagen vom Skelet und lässt vor Allem die Skeletanlage außer allem Zu- sammenhang mit der Metamerie des Muskelsystems ent- stehen. RagL hat aber besonderen Werth darauf gelegt, dass die Muskel- knospen, welche in die Selachierflossen einwachsen, an Zahl genau den Radien des Skelettes entsprächen und darauf seine bekannte Formel aufgebaut. Berücksichtigt man jedoch nicht nur einen Theil, sondern alle Knospen, und das ganze von den Myotomen erzeugte ! Nach RABL. — MOLLIER hat sich 1897, pag. 33 geäußert: >In Bezug auf das Skelet ist zunächst wieder darauf aufmerksam zu machen, dass die Strahlen- bildung sich genau in den Bahnen hält, welche ihnen von den vorhandenen Muskelknospen vorgeschrieben werden. Diese Beziehung bedingt aber zugleiclhi die Annahme, dass auf beide dieselben Bildungskräfte in gleicher Weise ein- wirken, wie ich das für die Selachierflosse schon ausgesprochen habe.« 610 Hermann Braus motorische Zellenmaterial, welches sich am Aufbau der Flossen- muskulatur betheiligt, so wird das Ergebnis der Zählung ein ganz anderes, als es in der Rasu’schen Formel zum Ausdruck kommt. In die Beckenflosse von Spinax treten beispielsweise ungefähr doppelt so viele Knospen ein, als Radien in ihr vorhanden sind (20 Radien und 37 Knospen), während nach Rast die Zahl beider gleich sein müsste. Daraus erklärt sich auch der Konflikt, in. welchen jene Formel dureh eine ausgedehntere Vergleichung der Innervationen ausgebildeter Flossen der niederen Fische mit den sich dabei er- sebenden Thatsachen gebracht wird. Es ergab eine derartige Unter- suchung, dass bis zu 17 Urwirbeln zu viel und bis zu sieben Somiten zu wenig am Aufbau der Extremitäten betheiligt gewesen sein mussten gegenüber denjenigen Zahlen, welche die Rasu’sche Formel verlangt (1898, pag. 445), und somit diese Formel nieht als der wahre Ausdruck der wirklichen Verhältnisse gelten kann. | Anders liegt die Sache jedoch, wenn man denjenigen Theil der Knospen herausgreift, welcher zuerst in die Flossenleiste ein- wächst. Zwischen diesen und den Radien des Skelettes bestehen allerdings ganz allgemeine Zahlenübereinstimmungen. Diese Knospen sind nicht etwa diejenigen, welche sich am frühesten überhaupt anlegen. Vielmehr entstehen andere früher wie sie, welche aber wegen des Ortswechsels der Extremitätenleiste später in die Flosse eintreten. Der zeitlichen Entstehung nach gebührt jenen Knospen also kein Vorrang. Die partielle Übereinstimmung der Knospen- mit der Radienzahl wird jedoch nur auf der Basis einer allgemeinen Er- örterung über den Knospungsprocess ins rechte Licht zu setzen sein. Bei Selachiern fand ich eine große Mannigfaltigkeit in der Art der Produktion von Muskelbildungszellen seitens der Myotome. Ich unterscheide drei verschiedene Modi: 1. In einigen Fällen, in welchen die Flossen in späteren Ent- wieklungsstadien mit neuen Metameren in Verband treten und eine abgekürzte, schnell verlaufende Lieferung von Muskelbil- dungszellen stattfindet, sondern sich dieselben anscheinend aus Mesodermzellen der Flossenleiste (hinterer Rand der Brust- flosse von Pristiurus und Torpedo). Doch handelt es sich wahrscheinlich um solche embryonale Zellen, welche aus der Muskelplatte des Urwirbels durch Proliferation hervor- gingen, sei es, dass sie kurz vorher in die Extremitätenleiste eingewandert sind, sei es dass sie, wie wohl eher anzu- Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 611 nehmen, schon beim Beginn der Ausbildung des Flossen- mesenchyms sich letzteren beigesellt haben. 2. Es bildet sich eine Knospe am unteren Rand des Urwirbels aus, welche in die Extremitätenleiste hineinwächst, dort sich durehsehnürt und dann in ihre Elemente auflöst. Die frei gewordenen Zellen verschmelzen mit denen anderer Knospen und entwickeln wie diese Muskelfasern für die fertige Ex- tremität (vorderer Rand der Brustflosse von Spinax). 3. Zwei Knospen entstehen am unteren Rand des Urwirbels und treten in die Flossenleiste ein. Der epitheliale Verband bleibt erhalten. Es ist das der weit verbreitetste Typus, welcher bisher als der einzige bei Selachiern beschrieben wurde. Von ihm giebt es zwei Variationen, indem einmal jede Primärknospe die Form einer Hantel annimmt, sich in die Länge streckt und dann in der Mitte durehschnürt (selten bei Spinax, stets bei Pristiurus, Mustelus); oder indem die Knospe von einem Fenster durchlöchert wird, auf diese Weise einen Ring und später durch Zerreißen desselben eine Sichel bildet. Erst die Sichel schnürt sich durch und erzeugt da- durch die Sekundärknospen (bei Spinax und Torpedo)!. Außerdem kommen noch einige Erscheinungen bei der Knospen- bildung vor, welche namentlich dem Modus 2 ähnlich sehen, die aber als Rückbildungserscheinungen nachgewiesen wurden (pag. 548, 568) und desshalb hier übergangen werden. Bei den Extremitäten anderer Wirbelthiere sind gleichfalls sehr verschiedene früheste Ausbildungsprocesse der für die Extremitäten bestimmten Muskelzellen beobachtet worden. Dem oben für Selachier beschriebenen ersten Modus entsprechen nach der Schilderung Käsrner’s (1892, 1893), Harrıson’s (1894, 1895) und ÜORNING's (1895 B) die Teleostier (Brustflosse?2) und nach Semon (1898) die Dipnoer. Auch bei Amphibien sind von GoETTE (1875), KÄSTNER (1893) und Frevp (1894), bei Vögeln von Kästner (1892), bei Mam- maliern von PATERson (1887) und Korumann (1891) ähnliche Ver- hältnisse beschrieben worden. Dem zweiten Modus sind ebenfalls 1 Wegen des Details und der Litteratur verweise ich auf das betreffende ausführliche Kapitel (pag. 524). 2 GUITEL (1896, pag. 450) neigt entgegen HARRISON mehr der älteren, in- zwischen von dem Autor selbst verlassenen Auffassung CorNING’s zu, dass bei der Brustflosse (Cyelopterus lumpus) Muskelanlagen in Form von ventralen Myotomfortsätzen entstünden. 619 Hermann Braus eine Reihe Parallelen an die Seite zu setzen. MOLLIER (1897) giebt ihn für Ganoiden, VAN BEMMELEN (1889) und MoLLIErR (1896) für Reptilien!, Harrison (1895) für Teleostier (Bauchflosse) an. Für den dritten Modus ist kein Parallelfall bei höheren Thieren bis jetzt be- kannt geworden. Man hat allgemein, wohl mit Rücksicht auf die primitive phylo- genetische Stellung der Selachier, den dritten Modus der Knospen- bildung, in welchem man den einzigen bei ihnen vorkommenden erbliekte, für den ursprünglichsten gehalten. Doch hat man meines Erachtens bei der Beurtheilung im Auge zu behalten, dass die Ex- tremitäten der Selachier durch die rein knorpelige Natur und die Gestalt ihres Skelettes zwar der Urform der Extremität nahe stehen, dass aber andererseits, wie GEGENBAUR stets und besonders 1870 mit Nachdruck hervorgehoben hat, gerade bei den recenten Selachiern Modifikationen der Flossen eingetreten sind, welche sie bei den kochen zu höchst eigenthümlichen, weit vom Ausgangspunkt der Urform sich entfernenden Schwimmorganen ausgestalten. Auch bei den Squaliden ist dieser Process in seinen Anfängen bereits in der Bildung eines Meso- und Propterygiums ausgedrückt. Die Extremitäten der höheren Thiere müssen wir uns aus kleineren, radienärmeren Formen entstanden denken, als sie die recenten Squaliden besitzen. Die Ontogenese zeigt ferner die Muskulatur in einem weit weniger innigen Verband mit dem Skelet als es bei den Flossen höherer Fische und bei der pentadactylen Extremität der Fall ist. Disere- panzen in der Lage, späte Befestigung der Ursprünge und Mangel einer Insertionsverbindung selbst im ausgebildeten Zustand bei Se- lachiern machen bei höheren Wirbelthieren von vorn herein innigen Verbindungen von Muskel- und Skeletanlagen Platz. Auch die Funktion der Flossenmuskulatur und des Skelettes ist eine andere als beispielsweise diejenige der pentadactylen Extremität. Nicht Winkelbewegungen kommen in der freien Gliedmaße wie bei dieser vor, indem die Muskeln die Theile des Skelettes wie einarmige Hebel bewegen, sondern die ganze Flossenplatte wird gebogen zur Form einer Ruderschaufel, indem die Muskeln auf die Hornstrahlen wirken, während das Knorpelskelet lediglich eine Stütze, keinen An- griffspunkt für die Bewegung bietet. ! MOLLIER hat gegentheilige Behauptungen von CornınG (1895 B) und FiscHL (1895), welche keine Knospen finden konnten, neuerdings zurückge- wiesen und seine alten Beobachtungen bei Lacerta bestätigt und erweitert (1896, pag. 47, 48). Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 613 Es ist verständlich, dass überall da, wo die Extremität auf eine innige Wechselbeziehung zwischen ihrer Muskulatur und ihrem Skelet angewiesen ist, die Verbindungen zwischen beiden Theilen früher angelegt werden, als wenn eine größere Unabhängigkeit derselben von einander besteht. Harrison hat schon darauf für die Teleostier aufmerksam gemacht, indem er sagt: »Ein Organ, das an Ort und Stelle seine Gewebe aus undifferenzirten Zellen aufbaut, kann einen höheren Grad der Koordination seiner Theile erreichen, als wenn seine Gewebe in einer größeren Zahl von kleinen Stücken — den Metameren — einzeln und in ziemlich weit vorgeschrittenem Ent- wicklungsstadium zusammengebracht werden« (1895, pag. 569). Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet erscheinen die komplieirten Knospenformen und Theilungsfiguren der Selachier als Anpassungen an die relativ unabhängige Position der Muskulatur zum Skelet. Sie verlieren dadurch qualitativ nicht an ihrer Eigenschaft primitiver Aus- bildungsformen des Muskelsystems. Denn wir müssen annehmen, dass auch die Extremitäten höherer Thiere einst in so fern ähnlich derjenigen der Selachier gebaut waren, als auch sie der innigen Koordination zwischen Muskel und Skelet entbehrten. Aber quanti- tativ hat sich der komplieirte dritte Modus der Knospung bei Sela- chiern ausgebreitet und weiter speeialisirt, indem bei ihnen die primitive Discrepanz zwischen Muskel und Skelet besondere Extremi- tätenbildungen, welche dem Wasserleben und der schnellen Schwimm- bewegung dieser Räuber angepasst sind, zeitigte. Bei höheren Fischen und pentadaetylen Wirbelthieren hat sich der einfachere erste oder zweite Modus erhalten, den wir gleichfalls bei Selachiern, aber selten, finden; der höchst entwickelte dritte Modus ist als überflüssig und der Koordination der Theile hinderlich weggefallen, wenn es überhaupt je über die einfachere Variation desselben bei den Vorfahren dieser Thiere hinauskam. Die Hantel-, Ring- und Sichelfiguren, welche bei den Knospen der Selachierembryonen auftreten, sind leicht zu verstehen, wenn man ihr Wesen in einer langsamen und selbständigen Ausgestal- tung des Muskelbildungsmaterials sieht, während sie sonst unver- ständlich bleiben. Möglichst lange sucht die Knospe ihre Ver- bindung mit dem Muttermyotom zu bewahren (Torpedo), oder wenn dies in Folge des Ortswechsels der Extremität nicht möglich ist, noch vor der Trennung möglichst viel Material von demselben in sich auf- zunehmen. Denn im letzteren Fall trennt sich bei Spinax ein Stück als medialer Verbindungsbügel des Ringes mit ab, welches sonst (bei Morpholog. Jahrbuch. 27. - 40 614 Hermann Braus Rochen) nach der Trennung dem Rumpfmuskel erhalten bleibt und zum ventralen Myotomfortsatz auswächst. Immer aber bleibt die Ver- bindung zwischen dorsaler und ventraler Anlage in Form der Hantel- oder der Sichelfigur möglichst lange erhalten, um eine gleichmäßige Materialvertheilung zwischen ihnen und eine Äquilibrirung der jugend- lichen Flosse überhaupt zu ermöglichen. Schließlich wird den Knospen in ihrem distalen, kolbenförmigen Ende eine Art indifferenten Bil- dungsgewebes mitgegeben, welches noch lange, nachdem der größere Theil der Zellen embryonale Muskelfasern erzeugt hat und nachdem das Material der Knospen zu den Anlagen der Mm. radiales ver- schmolzen ist, als solches persistirt und die Produktion neuen Ge- webes besorgt, bis auch hier sich schließlich Muskelfasern ausbilden. Unter demselben Gesichtspunkt einer langsam und selbständig sich abwiekelnden Differenzirung der frühesten Muskelanlagen ist die Erscheinung zu beurtheilen, dass jedes Mal diejenigen Urwirbel das erste Material für die späteren Museuli radiales liefern, welche der Flossenleiste am benachbartsten sind. Sie können am schnellsten in dieselbe gelangen und beginnen hier sich zu theilen und zu diffe- renziren, während die Knospen und die Proliferationszellen weiter entfernter Myotome erst successive eintreffen und in den Muskel- bildungsprocess auf höheren Stufen seiner Entwicklung eintreten. In Folge dessen verlaufen bei letzteren die Theilungen nicht in der Gleichmäßigkeit und Ausbildung wie bei den ersteren. Dadurch wird aber kein prineipieller Unterschied geschaffen. Das spät eintreffende Material bildet eben so gut seine Muskeln wie das früher vorhandene. Da aber ganz allgemeine Beziehungen der Breite der Knorpelradien zu der Breite der Urwirbel bestehen, welche ungefähr zwei Radien auf einen Urwirbel der Breite nach kommen lassen, so darf es nicht Wunder nehmen, dass die zuerst einwachsenden Knospen sich von vorn herein zu zweien bei jedem Myotom anlegen und damit ungefähr ihrer Gesammtzahl nach mit der Zahl der Skeletradien übereinstimmen. Es wird dadurch keine Beziehung zum Skelet, sondern nur zu der gleichmäßigen und langsamen Ausbildung der Mm. radiales involvirt, welche das nächstliegende Material bevor- zugen, das entferntere aber nur noch aus altererbten Traditionen benutzen. Die Mm. radiales stimmen natürlich ihrer Zahl nach mit den Skeletradien überein; denn in Anpassung an diese sind sie ent- standen. Aber sie sind eben nicht serial gebaut. Gerade in der Umprägung des metameren Materials der Knospen in eine ge- mischte, polyneure Bildungsmasse vor Auftreten des Skelettes ist Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 615 die Schranke gesetzt, welche jene partielle Zahlenübereinstimmung zwischen Knospen und Radien für eine metaniere Struktur des Ske- lettes zu verwerthen unmöglich macht. Das Prineipielle der metameren Versorgung der Extremität mit Muskelmaterial liegt nicht in dem Knospungsvorgang. Denn dieser fehlt noch bei Selachiern manchmal (erster Modus), bei höheren Thieren häufiger. Andererseits kommt eine Knospenbildung auch bei der Entstehung anderer Muskulaturen vor, so bei den unpaaren Flossen und bei einer ganz fern stehenden Gruppe, der sog. Hypo- elossusmuskulatur. Bei letzterer ist die Übereinstimmung mit den Extremitätenknospen in manchen Thierklassen so groß, dass sogar Verwechslungen mit solchen stattfanden (Teleostierbrustilosse, Cor- NING, 1895 A). Knospen treten also bei den Myotomen unter gewissen Bedingungen an verschiedenen Stellen auf, wenn eine bestimmte Quantität des Mesothels, gleichgültig für welche Muskelanlage, auf einmal abgegeben werden soll. Genügen geringere Mengen, so lösen sich die Zellen als wandernde mesenchymatische Elemente durch Proliferation aus dem Mesothelverbande aus. Da beide Vorgänge sich bei der Selachierextremität und den höheren Gliedmaßenformen finden, so kann das Typische der ontogenetischen Versorgung der Extremität mit Muskelmaterial lediglich in der metameren Her- kunft des letzteren als solchen, nicht aber in der spe- ciellen Form und Zahl der metameren Muskelknospen er- bliekt werden. ZIEGLER hat bereits früher seine Bedenken gegen eine Überschätzung der Knospen in den Versuchen Donkx’s erhoben, aus ihnen Beweise für eine aus Parapodien bestehende Urform der Flossen herzuleiten, und dabei erklärt, »dass das Abwerfen der Muskelknospen und die Proliferation von Bildungsgewebe gleichartige Vorgänge sind« (1888, pag. 391). Wenn man unter Bildungsgewebe hier speeifisches, aus der Muskelplatte stammendes Material versteht, so hat dieser Ausspruch meines Erachtens das Richtige getrofien. Die Ontogenese bestätigt durch die metamere Entstehung der Flossenmuskulatur aus Rumpfmyotomen zunächst die schon seit ALEX. Monro’s (1785) Untersuchungen über die Spinalnerven der Selachier bekannte Thatsache, dass die Extremitätenmuskeln dem Rumpf- gebiete entstammen !. Sie zeigt aber weiter bei genauerer Unter- suchung, dass die Metamerie des Rumpfes zwar, wie nicht anders möglich, bei der ersten Entstehung des Muskelmaterials diesem auf- ı Vgl. Semon’s diesbezügliche Ausführungen 1898, pag. 101. 40* 616 Hermann Braus geprägt ist (Knospen) und auch eine Vertheilung des Materials nach Maßgabe der spätereh Entwicklung vorbereiten kann (Zweizahl der Knospen), dass jedoch ausnahmslos eine Verschmelzung des haplo- neuren Muskelmaterials zu polyneuren Muskeln zu Stande kommt, ehe Beziehungen zum Skelet sich zeigen. Wohl liegt in der späteren Verbindung zwischen Muskulatur und Skelet ein wichtiger Faktor für die weitere Differenzirung des letzteren. Die ursprüngliche Rumpfmyomerie bleibt aber ohne Einfluss auf die Gestal- tung desselben. Es muss dies um so mehr betont werden, als. selbst bei höheren Wirbelthieren und beim Menschen neuerdings auf vermeintliche primitive Beziehungen der Körpermetameren zum Ex- tremitätenskelet Schlüsse auf die ursprüngliche Form des letzteren aufgebaut worden sind. Diese »Sklerozonentheorie« von BoLk (1894 u. ff.) ist für die Erkenntnis des tieferen genetischen Verhältnisses ohne jede Bedeutung und kann nur den Werth eines topographischen Ilustrationsmittels der fertigen Zustände beanspruchen. Denn dass Gliedmaßenmuskeln in einer bestimmten serialen Reihenfolge am Skelet angeheftet sind, ergiebt sich aus dem allgemeinen segmen- talen Bau der Rumpfmuskulatur. Daraus den Schluss zu ziehen, dass das Skelet ursprünglich an Ausdehnung und Anordnung ent- sprechend jenen Metameren geformt gewesen sei, würde auch nicht gerechtfertigt werden können, wenn bei Selachiern eine identische segmentale Struktur beider Systeme nachgewiesen wäre. Denn spätere Verschiebungen der Muskeln gegenüber dem Skelet sind in zahllosen Fällen bewiesen. Da aber selbst bei niedersten Fischen kein der- artiger Zustand besteht, ist er für die höchsten Wirbelthiere um so mehr ausgeschlossen. d. Schluss. Zieht man das Facit aus den uns in der Ontogenese der Se- lachierflossen erhaltenen urkundlichen Mittheilungen über die Her- kunft der Gliedmaßen, so halten die für die Lateralfaltenhypothese und streng metamere Struktur der Urflosse angeführten entwicklungs- geschichtlichen Momente der umfassenden Berücksiehtigung aller embryologischen Thatsachen nicht Stand. Dagegen bewährt die On- togenie ihre, vor Allem von HAEcKEL begründete und in seinem bio- genetischen Grundgesetz besonders formulirte wichtige Rolle für die Aufhellung vergangener Entwicklungsepochen auch auf dem viel umstrittenen Gebiet der Extremitätenfrage, indem sie mit den Resul- taten der vergleichend-anatomischen Forschung in wichtigen Punkten Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 617 übereinstimmt und letztere stützen und in gewisser Beziehung er- weitern hilft!. Denn einmal lässt sich der Ortswechsel der Glied- maßen als eine primitive Fähigkeit derselben ontogenetisch begründen und die Wanderung beider Flossen bis in nahe benachbarte, im vor- deren Rumpfbereiche liegende Regionen zurückverfolgen, welche als belangreiche Etappen auch durch die Vergleichung ausgewachsener Palaeichthyer ermittelt wurden. Für die Bewegung der Vorderglied- maße gegen das Cranium hin lässt die Ontogenie die ursächliche Beziehung zu der Verschiebung der früheren vordersten Rumpf-, späteren metotischen Kopfsomiten erkennen. Koncentrationen im Centralnervensystem, welche mit der Bildung der Medulla oblongata in Zusammenhang stehen, nähern hintere Rumpfmyotome und mit ihnen die Extremität dem Schädel. Ontogenetisch wird dadurch auch eine Annäherung an den Kiemenkorb erzeugt, welche in früheren Em- bryonalperioden nicht ausgebildet war. Doch müssen wir bedenken, dass hier sicher eine Lücke der ontogenetischen Rekapitulationen bei pentanchen Haien vorliegt, da ein recenter Squalide sogar noch sieben Kiemenbogen besitzt, und desshalb hinter dem letzten embryologisch sich anlegenden Visceralbogen (dem fünften Kiemenbogen) noch wei- tere bestanden haben müssen. Die ontogenetische Annäherung der Vorderflosse an den fünften Kiemenbogen ist also eine getreue Wieder- holung der Phylogenese, die Annäherung an den Kiemenkorb über- haupt eine Täuschung, da sich die caudale Grenze des letzteren durch die Reduktion hinterer Bogen nach vorn verschob und die Flosse ihr darin folgte. So stellt sich die rostrale Bewegung der Extremität als Folge von Koncentrationen in der ganzen hinteren Kopfregion dar (zu welcher die Kiemenbogen gehören). 1 Von ausgedehnteren entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten, die außer Vertretern von anderen Selachierfamilien namentlich solche der hexanchen und heptanchen Squaliden berücksichtigen würden, ist selbstverständlich eine wei- tere Förderung der Extremitätenfrage zu erwarten. Die Schwierigkeit der Materialbeschaffung wächst nur ganz ungeheuer, so dass es begreiflich er- scheint, dass die vergleichende Embryologie eine Zeit lang so sehr durch die rein deskriptive ontogenetische Forschung zurückgedrängt wurde. Von den scheinbaren Erfolgen der letzteren wird von Jahr zu Jahr immer mehr in nichts zerfließen, je mehr neue Embryonalformen bekannt werden, welche zu einer Auseinandersetzung ihres Verhältnisses zu den alten zwingen. Man wird dabei jedoch im Auge zu behalten haben, dass damit nur ein altes Ver- langen der vergleichend-anatomischen Richtung in der Morphologie erfüllt wird, mag die Wiedergeburt der Ontogenie auch scheinbar aus ihr selbst heraus er- folgen, , 618 Hermann Braus Für den Punkt ferner, an welchem in der Phylogenese beide Gliedmaßen vor Eintritt jener Koncentrationen des Kopfgebietes nahe benachbart waren, ergiebt die Ontogenie weitere Schlussfolgerungen. Das Skelet legt sich bei seinem frühesten Auftauchen als einheitliche Zellenspange nach den Untersuchungen MorLıer’s an. Damit wird ein Gegensatz zu der Muskulatur begründet, welchen GEGENBAUR (1895) besonders hervorhob. Vermuthungen, welche in dieser Kon- tinuität ein verborgenes ciinogenetisches Moment erblicken (BALFOUR, Rast, MOLLIER) sind nicht begründet, da vermeintliche genetische Beziehungen zur Metamerie des Körpers nicht vorhanden sind. Da- gegen wird die Einheitlichkeit der Anlage als primitives Merkmal dureh die weitere Entwieklung bekräftigt, in welcher dieselbe gewahrt bleibt, trotzdem sich Basalia und Radien aus ihr sondern. Auf diesen Punkt hat Semon (1898) neuerdings mit Glück aufmerksam gemacht, indem er, ältere Arbeiten von Bernays (1878) bestätigend, zeigte, dass die Sonderung überall knorpelige oder vorknorpelige Brücken zwischen den Skelettheilen der freien Flosse bestehen und die Kontinuität der Anlage selbst beim ausgebildeten Thier nicht ganz verloren gehen lässt. Schließlich erhärtet die Ontogenese die Discrepanz zwischen Flossenskelet und -muskulatur, indem sie die Abweichungen der Lage zwischen den Theilen beider (Cartilagines et Musculi radiales) als primitive Merkmale nachweist, welche auch dort in frühester Entwieklung auftreten, wo spätere Konkordanz beobachtet wird. Sie zeigt, wie die Ursprünge sich erst spät und die Insertionen nie an dem Skelet der freien Gliedmaße anheften. Die größte Diskordanz weist sie endlich in dem Mangel metamerer Übereinstimmung der Flossenmuskeln mit der Segmentirung des Skelettes nach. Wir sehen die metameren Muskelbezirke sich berühren und vermischen, ehe sich die Beziehungen zum Skelet ausbilden. Den Grad der Vermischung können wir an der Plexusbildung der betheiligten motorischen Nerven ablesen. Die specielle Art der späteren Anordnung des metameren Materials zum Skelet ließ die Ontogenie bisher nicht ermitteln, da es mit unseren Methoden nieht möglich erscheint, den Plexus zu lösen und die haploneuren Nervenfasern zu verfolgen. Doch ist dies beim ausgebildeten Thier gelungen, und dabei hat sich ergeben, dass sich in der Ontogenese das metamere Material in jenen Austausch- processen in Schräger oder senkrechter Richtung zu der Lage der später entstehenden Knorpelradien angeordnet haben muss. Diese discordanten Lagebeziehungen zwischen den metameren Regionen der Flossenmuskulatur und der partiellen Segmentirung des Skelettes Beiträge zur Entwick]. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 619 sind in der Ontogenie die ursprünglichen. Aus ihnen haben sich . erst durch Auflösung der Metamerie polyneure Mm. radiales gebildet, welche bei den Selachiern schon deutlich, aber lange nicht völlig, bei den höher entwickelten Flossen viel vollkommener und bei der pentadactylen Extremität komplett dem Skelet angepasst sind. Die ontogenetischen Thatsachen weisen denjenigen, der in Spuren vergangener Zeiten werthvolle Dokumente zur Rekonstruktion des in seiner Totalität verschwundenen Ge- sammtbildes erblickt, auf dieselben Wege, welchen GEGEN- BAUR bei Aufstellung seiner Extremitätentheorie gefolgt ist. Denn sie zeigen, dass für das Skelett der Extremitäten nach ande- ren genetischen Beziehungen als für die Muskulatur derselben ge- sucht werden muss. Welche dieses seien, dafür sind bisher nur . vergleichend -anatomische Belege beigebracht worden (GEGENBAUR, 1870, 79, 95, 98, FÜRBRINGER, 1874, 88, 97). Diese befürworten eine Ahleitung aus Elementen des Kiemenkorbes. Dem steht keine entwicklungsgeschichtliche Thatsache, so weit ich sehe, im Wege; die embryologische Discordanz zwischen Skelet und Muskulatur der Flossen wird im Gegentheil durch die Kiemenbogentheorie verständ- lich. Auch der Ortswechsel der Gliedmaßen, der gerade bei niedersten Fischen am stärksten unter allen Wirbelthieren während der Ent- wicklung ausgeprägt ist und sich bis in Rumpfgegenden verfolgen lässt, bis zu welchen in früheren Epochen der Kiemenkorb gereicht haben muss, findet seine zureichende Erklärung, nach welcher wir bei Annahme einer als Produkt des Rumpfes auftauchenden Urflosse vergeblich suchen. Für denjenigen freilich, welcher von der Ent- wicklung eine Rekapitulation des Gesammtprocesses einer Abgliede- rung der Extremität aus dem Kiemenkorb mit allen successive folgenden Stadien der Einwanderung von Rumpfmuskeln an Stelle der Vagusmuskulatur verlangt, um der GEGENBAUR’schen Extremi- tätentheorie folgen zu können, bleibt die Ontogenie stumm und muss zufolge der natürlichen Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit versagen. Für denjenigen jedoch, welcher die Schwierigkeiten, mit welchen der Ausblick in fern zurückliegende Epochen der Wirbelthierphylogenie zu kämpfen hat, in gerechter Weise würdigt, redet sie eine beredte und für die Ergebnisse der vergleichend-anatomischen Forschung Zeugnis ablegende Sprache. 620 Hermann Braus Spinax niger Bonap. 40 mm 20 mm | 26—27 mm | 30mm |31,5 mm | 32 mm 350 mm | 370 mm I | Skelet 1 |1Kn. [avl: 3[afv]&/afvje sldlvljE| av 2.- lo 3| dv2|-Mm]° dv 2 - - = dv 3 Bar 1 | - - - - z 2 = v4 A, = = - Bi. 3 i x 2 2 Ru a 5 = A - 2_ } L 3 1 4 | Kol |) 1 Kn. (29K), 4 2 : | ie 15 1 Kn. ? RE ? ? 204 te- 2 ? ? : i kn R. . ; DW - 1 - ? iy = 22. cal Wie ee ? ? = 5 25 |2 - I ? dlv = = E De 2 Kn. alv 8] -]- 3 S > 3 ee | - = ao he ar | 2 - dv |-[-] - sol? - )| 2 - = dv -[-] | dv 29 - - dv - 2 - | - - - “ - DIE : 2 n a = Olga 3 ‘ Bs e E 35 2 - - - - - - 5) te c = & 2 = IR > 2 ine ? ? j 4 40 1 - Zeichen-Erklärung. Kn. = Knospe, Kn.R. = Knospenrest, ? = Knospenreste, die von Mesoderm- zellen nieht immer zu unterscheiden sind, d = Nervenast zu dorsalen Mm. radiales, v = Nervenast zu ventralen Mm. radiales, DO = Nervenkanal des GliedmaBen- sürtels, () = Rinne im Gliedmaßengürtel, — = Grenze zwischen Brust- und Bauchflosse, dv = Plexusäste, welche nicht sicher durchverfolgt werden konnten. Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II, 621 Pristiurus melanostomus Bonap. 18 mm 26 mm | 27,5 mm | 31,5 mm Ben Thier 2 Kn. dv div m 5 4 = - - = u = © on © _ E ® E I v 5 G A - I1-I<| - I - Io] - 2 ic © = C Oo an -I1- IT| -] - oO 10 15 DDDDBDVDyDDvDyDERKRD NS ' 1 ' 20 |1—2 Kn. 2 - | av Hal | De es Halle divi. 2-| - (3 "1718 BON Ent Sede 2.[ 5. -[2/afvls 2 dv a IS 2 - dv gs NY & dv 2 SAME = dv 30 Je a = re ee — - I er ~ - 2 £. = = - 9 . E - 3 35 ius H - - DE NS x 4 = 2 = = 40 20 25 30 35 40 Torpedo narce Risso 13mm] 20 mm 25 mm bet Thier ? ? ? ? ? i # ? dv dv Collector Collector Collector dv - dvdy BAR = = = dv - af N ee - is dv dy 4 ge av] | d 20 ee = (-E1 joe - - dv dv 622 Hermann Braus Alphabetisches Verzeichnis der im Text eitirten litterarischen Quellen. Apvouput, H., Uber Variationen der Spinalnerven und der Wirbelsäule anurer Amphibien. I. Bufo variabilis. Morph. Jahrbuch. Bd. XIX. pag. 313 —376. 1 Tafel 4 Textfiguren. Leipzig 1893. 3ALFOUR, F. 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Rekonstruktion auf Millimeter- papier nach einer Sagittalschnittserie. Siehe Text pag. 578. Lage- verhältnis der Mm. radiales zu den vorknorpeligen Radienanlagen. Vergr. 43 fach. Ls 9 | 4 98 nN _ og or Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. 627 Fig. 6. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. Skelet der Beckenflosse eines ausgewachsenen Thieres. Der caudalste Ast des 27. Spinalnerven ist eingezeichnet und derjenige Theil der Muskulatur dureh rothe Schraffirung angegeben, in welchen motorische Aste des Plexus lumbalis eintreten. Tafel XXIII. Spinax niger Bonap. Embryo 20 mm Länge, rechts. Querschnitt. Knospe des 11. Ur- wirbels. Vom 10. Myotom ist der caudale Rand getroffen. Im folgen- den Schnitt verläuft ein Ast von Nerv 11 zwischen Myotom 10 und 11 hindurch und giebt einen Zweig an Knospe 11. Vergr. 190 fach. Embryo 27 mm Länge, links. Horizontalschnitt. Knospe des 10. Urwirbels mit Nervenfäserchen des 10. Nerven. Hinterer Rand der Brustflosse. Nery 9 tritt in dieselbe ein. Ektoderm stellenweise künstlich abgehoben. Vergr. 100 fach. Embryo 32 mm Länge, links. Horizontalschnitt. Hinterer Rand der Brustflosse mit Veriistelungen des 9. Spinalnerven an die: Mm. radiales. Das Mesoderm der Flossenleiste ist weggelassen. Vergr. 100 fach. Embryo ce. 32,5 mm Länge, rechts. Querschnitt. Hinterer Rand der Dorsalseite der Brustflosse. Die letzten Mm. radiales quer ge- troffen. Uber ihnen die Anlagen der Hornstrahlen. Das Ektoderm war abgehoben und wurde nicht mitgezeichnet. Vergr. 190fach. Embryo 40 mm Länge, links. Horizontalschnitt. Die Vena parie- talis ist schräg getroffen. Neben ihr liegt der Plexus lumbalis s. pelico-pterygialis ant. (Coll.), welchem sich auf den folgenden Schnitten der hier noch getrennte 25. Nerv angliedert. Auch der 26. Nerv ist schon weit caudalwärts auf den 27. U.-W. verschoben. Vergr. 60fach. Embryo 28 mm Länge, links. Horizontalschnitt. Rostrales Ende der Beckenflosse, dorsale Seite. Vor den vordersten Mm. radiales eine Anhäufung von Zellen, welche einen Fortsatz gegen den ersten M. radialis entsendet. Mesodermzellen der Flossenleiste nicht mit- gezeichnet. Vergr. 260 fach. Embryo ec. 26mm Länge, rechts. Querschnitt durch den Zwischen- flossenraum. Es ist der Knospenrest des 25. Myotoms getroffen (vgl. Taf. XXII Fig. 3). Im Inneren desselben Nervenfasern im Querschnitt. Ektoderm abgehoben und nicht gezeichnet. Vergr. 260fach. Embryo 40 mm Länge, links. Horizontalschnitt durch den Becken- knorpel. Zwei Nervenkanäle, von welchen der größere den ventralen Ast des Plexus lumbalis (Colleetor), der kleinere Nerv 30” einschließt. Beide Kanäle sind durch einen Knorpelstreifen verbunden, welcher in seiner Grundsubstanz und der Stellung der Zellen vom übrigen Knorpel verschieden ist. Vergr. 60 fach. Embryo 32mm Länge, links. Horizontalschnitt. Distaler Nerven- ae in der Dorsalseite der Beckenflosse, rostrales Ende. Vergr. 190 fach. Embryo e. 26mm Länge, rechts. Querschnitt durch die craniale Primärknospe des 32. Somiten (vgl. mit Textfig. 8 pag. 527). Es ist der laterale Verbindungsbügel des Ringes getroffen. Vergr. 100fach. Tafel XXIV. Pristiurus melanostomus Bonap. Embryo 24mm Länge, links. Innenseite des in der Medianebene halbirten, in Glycerin aufgehellten Thieres. Genaue Prismenzeichnung. Vergr. 22fach. Brustflosse schimmert weißlich durch. Beckentlosse heruntergeklappt. Darm ist entfernt. Eine weiße Linie bezeichnet die Stelle, wo der Darm von der Kloake abgerissen ist. Embryo 18mm Länge, rechts. Außenseite. Knospen im Zwischen- flossenraum sowie im Bereich des hinteren Theiles der Brust- und der ganzen Beckenflosse. Genaue Prismenzeichnung. Vergr. 21fach. 628 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. a Hermann Braus Embryo 27,5 mm Länge.. Querschnitt durch die Brustflosse. Der Flossenast des 11. Spinalnerven ist nur in seinem oberen Theil (inkl. des vom R. ventralis abgehenden feinen Astes) in dem Schnitt gelegen. Der untere Theil ist aus dem folgenden Schnitt in den abgebildeten genau eingetragen. Spinax niger Bonap. Embryo e.30 mm Länge, rechts. Querschnitt durch zwei dorsale Mm. radiales der Brustflosse. Vergr. 260 fach. Derselbe, Mm. radiales von der ventralen Seite des Querschnittes durch die Flosse. Embryo 70 U.-W., links. Sagittalschnitt durch die ventralen Enden zweier Urwirbel mit Primärknospen für die Beckenflosse vor deren Abschnürung. Vergr. 100 fach. Embryo ec. 25mm Länge, links. Horizontalschnitt durch die beiden Knospen des 7. Urwirbels, weleher das Verbindungsstück zwischen beiden getroffen hat (vgl. Textfig. pag. 531). Der Nerv zur caudalen Knospe ist quer getroffen. Vergr. 190fach. Tafel XXV. Torpedo narce Risso. Embryo 20 mm Länge, rechts. Querschnitt durch die Verbindungs- leiste zwischen Brust- und Beckenflosse. Vergr. 100 fach. Embryo 25 mm Länge. Querschnitt dureh den Körper an der Stelle, wo die Brustflosse fast zu Ende ist und die Beckenflosse be- reits begonnen hat. Beide Anlagen sind von einander vollständig getrennt. Kontourzeichnung. Körper- und Flossenmuskulatur dunkel- grau. Skelet (Wirbelsäule, Becken) schwarz. Der Schnitt liegt etwas schräg, so dass die rechte Seite der Zeichnung die Brustflosse weiter vorn und den ersten Anfang der Beckenflosse, die linke Seite das letzte Ende der Brustflosse und die Beckenflosse weiter hinten als auf der anderen Seite wiedergiebt. Vergr. 14fach. Embryo 13 mm Länge. Rekonstruktion aus 16 Schnitten einer Horizontalserie. Die Ausführung der Zeichnung ist jedes Mal nach demjenigen Schnitt vorgenommen, welchem der betreffende Theil der Kontourrekonstruktion entstammt. Nery 27 geht in den folgenden Schnitten zwischen 26. und 27. U.-W. hindurch, eben so Nerv 26 zwischen 25. und 26. U.-W. ete. Die letzten Knospen der Brustflosse liegen am höchsten in der Serie. Von da ab fällt rostral- und cau- dalwärts die gezeichnete Partie der Brust- und Beckenflosse nach unten ab. Vergr. 190 fach. Pristiurus melanostomus Bonap. Embryo 27,5 mm Länge, rechts. Querschnitt durch den hinteren Theil der Brustflosse. Vergr. 100 fach. Embryo 26 mm Länge, rechts. (Querschnitt durch die Bauchwand im Zwischenflossenraum. ? zeigt auf einen der Muskulatur fest an- liegenden Nervenquerschnitt hin, welcher wahrscheinlich zum Plexus lumbalis (Collector) gehört. Vergr. 260 fach. - Brass det — - Mombolog. Jahrbuch Bd XI. 209 By IE E20 My Hy JE i my I fe ~ - 19 18 16 U KR VER Ip LINK A} ach XK KMS Bu 34 de Lith Ante 4 itech ea ET ER re nn ‘ "s : | TER XXII. mr AVI.- mr AV: ~~ ~~~ mr X. N \ Coll: Ru. 23. ris ; v Wilhelm Engelmann in Lopey 2 * _ Spe ee ee EH Se en Tah XXIV. - = : Eiikart «DAR ode leper. Verse © Wilhelm Engelmann ss Lipo i Brass in Fa (2: “ — = 74 -.. Brustflosse Brustftosse---U Beckenflossc. Brustllosse = © Wilhelm Engelmann = Taf XXV. 26.0W | Beiträge zur Entwickl. d. Muskulatur u. d. periph. Nervensyst. d. Selachier. II. Inhaltsverzeichnis. Kiesnai pn) HARTE Ran Ss TS ery oc Osteo tad tire a hi Untersuchungsmaterial und -Methoden. ............. I. Die metotischen Urwirbel und spino-oceipitalen Nerven . ws A. Begriff, Bezeichnungsweise und Zahl der metotischen Urwirbel . . B. Die spinale Herkunft der metotischen Somiten und die Einwande- rung derselben in die Occipitalregion . . NS OR. Li C. Übersicht über die Resultate des ersten Theiles . Matelerklauıng |... . . . 2 II. Die paarigen Gliedmalsen . . a hc A. Die mesenchymatische Extremitätenleiste . . a) Herkunft des Flossenmesoderms RE. -b) Topographie der Extremitätenleisten . . . Zr: B. Erste Anlagen der Extremitätenmuskulatur: Muskel- knospen.. 2 BR Se: C. Die Ausbildung ‘der Musculi radiales der Extremititen a) Das friiheste Entwicklungsstadium und bei beiden Flossen iiber- einstimmende spiitere Stadien 8 A: b) Specielle Entwicklung der Brustflossenmuskeln c) Specielle Entwicklung der Beckenflossenmuskeln. D. Beziehungen der Flossenmuskeln und -Nerven zum Ex- Mermiatenakeleh Gib se eto tS Clavicula. An diesem Skelettheil besteht keine Übereinstimmung zwi- schen morphologischer | Sonderung und Limiti- ANY | ; rung der Plana. AN 2 Ich lasse hier unten NIT eine Tabelle folgen der Die Ausbreitung des Ventroplanum auf der Scapula. metameren Anlage bei dem für diese Arbeit verwertheten Individuum, jener Muskeln, welche mit dem Schulter- gürtel in Beziehung getreten sind. An dieselbe werde ich die Be- sprechung der einzelnen Sklerozone anknüpfen. \ \ — = 2 + ~ vee : Ve \\\ \\\ TV Metamere Anlage der sich an dem Schultergürtel festheftenden Muskeln. Metamere Anlage Bezeichnung der Muskeln ventral | dorsal Cleidomastoideus 2 Sternohyoideus (unterer Theil) |2-+3 Subelavius Aalen, Pectoralis major (Portio clavicu- laris) 5+ 6 | Biceps caput breve 5+ 6 Biceps caput longum | 5+6 | Coraco-brachialis | 6+ 7 Pectoralis minor | 7+8 Levator scapulae | 3 +4 Supraspinatus | | 4+5 Rhomboideus | 5-6 Infraspinatus | | 5 +6 Teres minor | Dean Deltoideus | 5-6 Subscapularis | 54-6 Serratus anticus | 5+6+7 Teres major | 6 Anconaeus longus | | 6+7+8 Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 637 Das zweite und dritte Myotom sind zwar mit dem Gürtel der oberen Extremität in Berührung getreten, bilden darauf aber nur eine kleine Anheftungsfläche. Diese wird vornehmlich von ventraler Muskulatur dargestellt, welche anderseitig an dem Branchialskelet oder an der Schädelbasis sich festgeheftet hat. Nur ein einziger dor- saler Muskel weist Beziehung zum dritten Myotom auf, nämlich der dimere Levator scapulae. Das Sklerozon des dritten Myotoms (das dritte Sklerozon) muss desshalb zum Theil dessen Insertionsfläche überziehen. Die geringe Zahl der Muskeln, welche sich aus dem zweiten und dritten Myotom bilden und sich an der Scapula festheften, lässt Die Insertionsflächen der Scapularmuskeln mit An- Der Verlauf der Sklerozone auf der deutung ihrer metameren Anlage. Außenfläche der Scapula. die Insertionszone dieser Myotome ziemlich unbestimmt. Man ver- mag nur im Allgemeinen zu sagen, dass der Angulus superior und der medial von der Ineisura scapulae sich erstreckende Theil des oberen Scapularrandes diesem Sklerozon zufallen (Fig. 2 und 3). Auch das vierte Myotom hat nur eine wenig entwickelte Inser- tionszone an der Scapula bekommen, denn es ist neben dem Leva- tor scapulae nur ein einziger Muskel aufzuweisen, welcher, von diesem Knochen Ursprung nehmend, genetisch zum vierten Myotom in Beziehung steht, nämlich der Supraspinatus, welcher weiter, als dimerer Muskel, dem fünften Myotom Material entlehnt. Wir müssen also schließen, dass das vierte Sklerozon auf der Seapula nur einen 638 Louis Bolk Theil der Haftfläche dieses Muskels, und weiter den restirenden Theil der Insertionsfläche des Levator scapulae iiberzieht. Es schließt sich unmittelbar als eine schmale Zone dem dritten Sklero- zon caudalwärts an, um die Scapula bei der Incisura scapulae zu verlassen. Auch dieses Sklerozon bleibt desshalb dem Coracoid noch fremd, da es keinen mit Hilfe des vierten Myotoms sich ge- bildet habenden Muskel giebt, welcher diesen Theil des Schulter- giirtels zur Insertion benutzte. Derartiges darf nicht mehr vom fünften Sklerozon gesagt werden, da dasselbe neben der mächtigen Ausdehnung, welche es auf der Scapula besitzt, sich überdies über einen Theil des Coracoid erstreckt. Der M. rhomboides, supraspi- natus, infraspinatus, teres minor und deltoides sind die dorsalen Muskeln, von welchen ein Theil der Ursprungsfläche diesem Sklero- zon tributär sein muss. Vom M. infraspinatus ist es jener Theil, welcher nicht innerhalb der Grenzen des vierten Sklerozon fiel, von den übrigen genannten Muskeln fällt keine Insertionsfläche ganz in dieses Sklerozon, weil dieselben sämmtlich noch mit dem sechsten Myotom verwandt waren. Von der Außenfläche der Scapularplatte fällt also der untere Theil der Fossa supraspinata, der obere Theil der Fossa infraspinata, und ein Theil der Spina scapulae und des Acromion diesem Sklerozon zu. Von den ventralen Muskeln, welche an dem Schultergürtel sich festheften, sind es die beiden Bicepsköpfe, welche dem fünften Myo- tom verwandt sind und deren Ursprungsfläche desshalb zum Theil ins fünfte Sklerozon fallen muss. Jener Theil dieses Sklerozons, welcher oberhalb des Collum scapulae die Fossa supraspinata be- deckt, setzt sich in der Richtung der Cavitas glenoidalis auf der Tuberositas supraglenoidalis und weiter über die Wurzel des Cora- eoid fort. Es ist also das fünfte Sklerozon das erste, welches mit dem Coracoid in Beziehung getreten ist, während eben so der oberste Theil der Cavitas glenoidalis von demselben überzogen ward. Dem fünften Sklerozon kommt also bezüglich des Vorhergehenden eine ausgesprochene caudale Lagerung zu (siehe Fig. 3). Die von der Außenfläche der Scapula Ursprung nehmenden Muskeln, welche dem sechsten Myotom Material entlehnen, sind der Rhomboides, Infraspinatus, Teres minor und Teres major. In der Fig. 2 habe ich auch die Ursprungsfläche des Anconaeus longus als auf die Außenfläche der Scapula übergreifend eingezeichnet, damit die Lagerungsbeziehung des ganzen Systems deutlicher hervortreten sollte. Auch der genannte Muskel stand mit dem sechsten Myotom Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. IH. 639 in genetischer Beziehung. Es giebt mit Ausnahme des M. anconaeus longus keinen dorsalen Muskel, welcher an der Außenfläche der Sca- pula sich festheftet, und nebst dem vom sechsten Myotom, überdies Material vom siebenten in sich fasste. Aus dieser Thatsache geht hervor, dass das sechste Sklerozon jenen Theil der Außenfläche der Scapula überzieht, der von dem fünften freigelassen worden ist. Es nimmt also die ganze caudale Hälfte ein, verschmälert sich gegen den lateralen Rand hin, schließt einen Theil der Ursprungsfliiche des Anconaeus longus ein, um schließlich fast die ganze Cavitas glenoidalis in sich aufzunehmen. Die beiden Bicepsköpfe und der Coraco-brachialis sind die an dem Schultergürtel sich festheftenden ventralen Muskeln, welche dem Fig. 4. Pel mi 7*8 LEE Cor br OR. ane 213. Bic.cbr 5+6. DL) N Biecl ; = Om NIE. \ \ ——> eb. = 3 Sift sp. 5 +6. Fermi. (45) | 56. Ne Die Anheftungsflichen der Muskeln am Coracoid Die Sklerozone auf dem Coracoid und an- und anschließenden Theil der Scapula, mit An- schließenden Theil der Scapula. deutung ihrer metameren Anlage. sechsten Myotom verwandt sind. Das Sklerozon muss also auch von diesen Muskeln die Ursprungsfläche theilweise in sich fassen. Unter Würdigung der Verhältnisse des siebenten und achten Sklerozons kann ich mir das Verhalten nur so denken, dass an der Scapular- platte das sechste Sklerozon an der Gelenkpfanne endet, während unabhängig davon am Coracoid ein weiterer Abschnitt von diesem Sklerozon sich findet, dass also dem Coracoid ein eigenes selbstän- diges Sklerozonensystem zukommt, welches mit jenem der Scapular- platte nur durch das fünfte zusammenhängt. Diese Eigenthümlich- keit ist von besonderem Werth der Deduktion wegen, welche sie hinsichtlich der intersegmentalen Anlage des Schultergürtels ge- stattet (Fig. 4 und 5). 640 Louis Bolk Das siebente Sklerozon konnte sich bei dem für diese Unter- suchung gewählten Objekt nur wiederfinden in einem Theil der Ursprungsfläche des Anconaeus longus, und auf dem Coracoid in einem Theil der Anheftungsfläche vom Coraco-brachialis und Pecto- ralis minor. Auch aus den topographischen Beziehungen dieser An- heftungsflächen leuchtet ein, dass es sich hier um ein unterbrochenes Sklerozon handelt, einen Zustand, der zu Stande kommen muss, wenn im Bereiche eines gleichen Myotoms die Gürtelanlage an zwei Stellen, welche nicht zusammenfließen, zu Stande kommt. Die zwei Stücke des siebenten Sklerozon finden sich resp. auf der Tuberositas infraglenoidalis und dem Coracoid und überziehen einen Theil der Haftfläche des dorsalen Anconaeus longus, resp. des ventralen Coraco- braehialis und Pectoralis minor. Dasselbe gilt für das achte Sklerozon. Es giebt im Ganzen nur zwei Muskeln, welehe sich mit dem Schultergürtel verbinden und mit dem achten Myotom in genetischer Beziehung stehen, und zwar der Anconaeus longus und der Pectoralis minor. Eben so evident wie bei dem siebenten ist es, dass auch das achte Sklerozon aus zwei Stücken bestehen muss, eines, welches sich auf dem Co- racoid befindet, ein zweites auf der Tuberositas infraglenoidalis. ' Nur zwei Muskeln giebt es, welche an der Innenfläche der Scapularplatte sich festheften, nämlich der M. serratus anticus, wel- cher sich aus dem fünften, sechsten und siebenten Myotom bildet, und der Subscapularis, welcher dem fünften und sechsten Myotom seine Entstehung verdankt. Ich konnte, wie in meiner zweiten Abhandlung hervorgehoben worden ist, nachweisen, dass im M. serratus anticus das Material vom fünften Myotom herkömmlich sich nur in den obersten Zacken findet, jenes vom sechsten Myotom eine mittlere Lage einnimmt, während jenes vom siebenten sich nur in den caudalen Zacken wiederfand. Dieses Verhalten weist darauf hin, dass an der Innenfläche der Scapularplatte das fünfte, sechste und siebente Sklerozon in rostro-caudaler Richtung auf einander folgen müssen, was in Einklang steht mit den Verhältnissen an der Außenfläche der Scapula. Sowie anatomisch die Clavieula sich als die ventrale Fortsetzung des Acromion erweist, eben so ist das Sklerozonensystem des erst- genannten Skelettheiles die direkte Fortsetzung jenes, welches sich auf dem Acromion findet. Die ununterbrochenen Haftflächen des M. deltoides und M. trapezius geben die Grundlage für diese Annahme ab. Da ein großer Theil der Oberfläche der Clavicula frei ist von Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 641 Muskelanheftungen, kann die Ausdehnung der einzelnen Sklerozone nur ganz approximativ dargestellt werden. Allerdings aber können wir aus der Metamerie der sich festheftenden Muskeln eine genügende Einsicht gewinnen über die Reihenfolge, in welcher die Sklerozone neben einander geordnet sind. Fig. 6 vermag uns hierbei zu leiten. Es ist vornehmlich an dem vorderen Rande und der Fig: 6. unteren Fläche, dass durch hap. Cremer den M. deltoides und M. PAs UT 3 Pal pectoralis major, das Ma- GI terial vom fünften und sech- sten Myotom zur Anheftung gelangt, während an der entgegengesetzten Fläche Za und am hinteren Rande, in N N dubeb am | \\ dem M. trapezius, M. eleido- Der Sklerozonenverlauf über die Clavicula. mastoideus und M. sterno- hyoideus, das Material vom zweiten und dritten Myotom mit der Clavieula sich verknüpfen. Jenem des vierten kommt eine Mittel- lage zwischen beiden zu. Wiewohl nicht so scharf zum Ausdruck kommend als an anderen Skelettheilen, vermögen wir doch auch an der Clavicula ein gewisses Regelmaß in der Insertionsfolge der Myo- tome zu erblicken. Überblicken wir jetzt den Gesammtcharakter des Sklerozonen- systems am Schultergürtel. Im Allgemeinen gilt davon der Satz, dass die Sklerozonen auf der Clavicula und Seapularplatte regelmäßig in eranio-caudaler Richtung auf einander folgen, während auf dem Processus cora- coides die Reihenfolge nach der Spitze zu gerichtet ist (Fig. 5). Es fällt an der Scapula die vom meist rostralen bis zum meist caudalen Sklerozon verlaufende Achse nicht zusammen mit der Längsachse der Scapula. Vielmehr verläuft sie von der hinteren Umgrenzung der Incisura scapulae bis zur Tuberositas infraglenoi- dalis. Diese Linie stellt die intersegmentale Längsachse der em- bryonalen Seapularanlage dar, sie durchläuft in regelmäßiger Auf- einanderfolgerung das dritte bis achte Myotom. Dieses Verhalten belehrt uns, dass die nach der Anlage folgende Flächenausdehnung der Scapula intersegmental eine sehr unregelmäßige war, und dass die schließlich dreieckige Form zu Stande gekommen ist durch eine « FA SY Ylı.u 642 Louis Bolk Fliichenzunahme, besonders von jenem Theil, der durch das fünfte und sechste Sklerozon überzogen ward. | Die Thatsache, dass dem Coracoid ein eigenes System zukommt, dessen Sklerozonen, mit Ausnahme des fünften, nicht mit den gleich- zähligen der Scapula in direktem Zusammenhang stehen, wirft Licht auf die Weise, auf welche das Coracoid intersegmental hinsichtlich der Scapularplatte angelegt ist. Es muss sich nämlich in der Skelet- anlage ein Hiat vorgefunden haben, wie dies EISLER in seiner »Homologie der Extremitäten« sehr richtig bemerkt: Nur im Be- reiche des fünften, vielleicht auch im sechsten Segment waren Co- racoid und Scapularanlage mit einander in Zusammenhang; weiter caudalwärts streckte sich die Coracoidanlage im Ventraltheil der Segmente frei von der Scapularanlage als ein selbständiger Aus- wuchs bis ins achte Segment hin fort (Näheres siehe unten). Dieses Hiat in der Skeletanlage des Schultergürtels war von größter Be- deutung für die Form und anatomische Zusammensetzung des Plexus brachialis, und wie wir noch darzuthun haben, ist die Topographie des Plexus hinsichtlich des Gürtels und des Verlaufs der kurzen Nerven in erster Linie durch diese Eigenthümlichkeit in der Schulter- giirtelanlage bedingt. Die sieh an die Sklerozonie des Schultergürtels anknüpfen- den Deduktionen hinsichtlich der Anlage desselben. Welche Bedeutung dürfen wir dem zu Tage getretenen Phä- nomen, dass das Muskelsystem sich in metamerer Anordnung am Schultergürtel festheftet, zuschreiben? Beantworten‘ wir dazu erst die Frage: welches ist der Hauptcharakter dieser Erscheinung? Als solcher ist anzuführen der Umstand, dass den Muskeln, welche aus den verschiedenen Myotomen herstammen, keine willkürlichen An- heftungsstellen am Skelet zukommen. Es besteht eine Beziehung zwi- schen der metameren Anlage der Muskeln und den topographischen Verhältnissen ihrer Haftflächen. In einer bestimmten Richtung folgen letztere auf einander, in Übereinstimmung mit der metameren Anlage der Muskeln. Diese Richtung ist geradezu an der ganzen Scapular- platte dieselbe. Metamere cranial angelagerte Muskeln kommen mehr cranial zur Insertion, die caudal angelagerten mehr caudal, mit Inachtnahme, dass die cranio-caudale Achse der Scapula in der oben angegebenen Richtung verläuft. Es wird uns dadurch die Mög- lichkeit geboten, in das Gesammtbild der Haftflächen Linien einzu- Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 643 tragen, welche die Anheftungsstellen sämmtlicher Derivate eines Myotoms limitiren. Die Thatsache, dass dies möglich ist, beweist, dass nicht die Muskelanheftung zu Stande kam zur Zeit, da schon die Muskulatur mehr oder weniger differenzirt war, sondern zu einer Zeit, da die sämmtlichen Elemente eines Myotoms in Beziehung zu einander noch ihre primitive Lagerung besaßen. Mit anderen Worten kann man sagen, nicht Muskelindividuen treten mit dem Skelet in Beziehung, sondern Myotome. Weiter müssen wir auf Grund der Thatsache, dass in einer be- stimmten Richtung die Sklerozone serial auf einander folgen in der Weise, wie die Myotome einst hinter einander geordnet waren, schließen, dass die Verknüpfung zwischen Muskulatur und Extremi- tätenskelet zu Stande kam zur Zeit, da das ganze Muskelsystem noch in metamerem Zustand sich befand. Diese Auffassungen sind von großer Bedeutung, denn sie führen nothwendig zur Konklusion, dass die Differenzirung des Muskel- systems erst ihren Anfang genommen hat, nachdem letztgenanntes sich mit der Skeletanlage verbunden hat. Von diesem Zeitpunkt an sehen nun Skeletdifferenzirung und Muskeldifferenzirung Hand in Hand. Diese enge Korrelation zwischen Muskel und Skeletsystem der Extremität trägt an einigen Abschnitten des letzteren nicht wenig bei zur definitiven Form. Wird nämlich im Laufe der Phylogenese ein Muskel zu immer höherer Arbeitsleistung in Anspruch genom- men, so sucht derselbe seine Ursprungsfläche zu vergrößern, findet er sich aber ringsum von Muskeln umgeben, welche sich dieser Ver- srößerung der Ursprungsfläche entgegenstellen, so kommt gleichsam der Skelettheil den gesteigerten Ansprüchen des Muskels zu Hilfe durch stärkeres expansives Wachsthum jenes Theiles, von welchem der Muskel Ursprung nimmt. Davon haben wir gerade an der Scapula (und am Ileum) des Menschen ein schönes Beispiel. Vergleicht man die menschliche Scapula mit jener der Cercopitheciden oder Cyno- cephaliden, so fällt unmittelbar die stärkere Entwicklung des unter der Spina scapulae sich findenden Abschnittes auf. Diese stärkere Entwicklung kann nicht die Folge statischer Momente sein, womit der Skelettheil seine Stützfunktion besser beantworten konnte, denn die Flächenzunahme fällt in jene Periode der phylogenetischen Entwicklung, worin die Vorderextremität schon als Greiforgan be- nutzt wird. Also darf der einzige Grund dieser größeren Flächen- entwicklung in dem Einfluss des M. infraspinatus und der beiden 644 Louis Bolk Mm. teretes gesucht werden. Die erhöhte Beanspruchung dieser Muskeln wirkt auf das Skelet zurück und bewirkt eine Flächenent- wieklung desselben. Daraus folgt, dass nicht alle Abschnitte der ursprünglichen Skeletanlage in gleicher Intensität beitragen zur Her- stellung der definitiven Form. Jener Abschnitt der primitiven An- lage, der zur Befestigungsstelle eines Muskels, der sich breit ent- falten musste, benutzt wird, wird durch intensiveres Wachsthum einen größeren Antheil an der definitiven Oberfläche des Skelet- theiles erlangen als ein anderer Abschnitt, woran sich ein Muskel festheftete, dem schließlich nur eine beschränkte Ursprungsflache zukommt. Dadurch aber wird die Breite der unterschiedenen Sklerozone eine sehr verschiedene, und überdies nicht in allen Theilen eines einzelnen Sklerozons die gleiche. Man vergleiche z. B. das fünfte oder sechste Sklerozon auf der Scapularfläche mit dem siebenten und achten. Nichts steht mit der Annahme in Widerspruch, dass sämmt- liche Sklerozone ursprünglich gleich breit waren, in Übereinstimmung mit der gleichen Breite der unterschiedenen Myotome. Ist dies aber so, dann haben wir in der Form der Sklerozone, in der stellenweisen Verbreiterung oder Verschmälerung der einzelnen einen Fingerzeig, wo es lokale Centren von stärkerem Wachsthum wäh- rend der Entwicklung in den Skeletabschnitten gab. Diesen Finger- zeig können wir verwerthen in jenem Sinne, dass wir die Forment- faltung uns in retrograder Richtung zu rekonstruiren versuchen. Durch ein starkes Flächenwachsthum, welches in das Bereich des fünften und sechsten Sklerozons fiel, hat sich das cranio-caudale Maß des subspinalen Theiles der Scapularplatte ansehnlich ver- längert. Denken wir uns nun diesen Vorgang retrograd, so dass sich der subspinale Theil der Sklerozone 5 und 6 auf der Scapular- platte allmählich verschmälert, dann bekommen wir eine Scapula- form, die jener der Cercopitheciden und Cynocephaliden ähnlich ist. Also man bekommt phylogenetisch ältere Formen des Gürtels, wenn man die Sklerozone in ihre primitive Form zurückführt. Und nun erhebt sich wie von selbst die Frage, bis wie weit lässt sich dieses Prineip durchführen. Die Antwort muss lauten, so weit als möglich, das heißt, bis alle Sklerozone in ihrer ganzen Ausdehnung ihre primitive Form besitzen. Die primitive Form aller Sklerozone muss aber ein treues Abbild sein der Formen der Myotome, d. h. gleich breit. Es waren einst parallel neben ein- ander geordnete Zonen, welche in Folge der Krümmung des Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 645 embryonalen Rumpfes ventralwärts sich ein wenig zuspitzen, wie wir auch wissen, dass die Myotome bei ihrer Verlängerung ventral- wärts die Keilform annehmen. Richten wir daneben insbesondere unseren Blick darauf, dass die Beziehungen zwischen Muskel- und Skeletsystem zu Stande kamen zur Zeit, da erstgenanntes noch in metamerer Anordnung sich vorfindet, dann muss hieraus folgen, dass ein Myotom sich fest- heftet an jenem Theil der Skeletanlage, der es überzieht oder umwiichst. Wenn wir z. B. einen mit dem achten Myotom in gene- tischer Beziehung stehenden Muskel sich an der Scapula fest- heften sehen, dann ist dies ontogenetisch dadurch ermöglicht, dass die Skeletanlage sich bis ins Bereich des achten Myotoms ausstreckte, und so das Muskelmaterial desselben Gelegenheit bot, sich mit ihm zu verbinden und sich weiter in Muskelindividuen zu differenziren. Streckte sich die Gürtelanlage nicht bis ins Bereich des achten Myotoms aus, so wiirden wir im erwachsenen Zustand keinen aus dem achten Myotom hervorgegangenen Muskel finden, der sich an die Scapula festheftet. Ich werde unten auf Grund dieses Princips einige Muskelanomalien zu erkliiren versuchen. Diese Auffassung bietet uns die Handhabe um zu ent- Fig. 7. scheiden, ins Bereich welcher Myotome die Skeletanlage sich ausstreckte, und wie die Rän- der des Gürtels sich einst zu den intermyotomalen Grenzen, den Septa intermuscularia, ver- halten haben müssen. In einer vorhergehenden Abhandlung habe ich dieses schon für den Beckengürtel versucht, ich werde es hier für den Schul- tergürtel auf ähnliche Weise versuchen. Wir gehen dabei aus von den Fig. 3 und 5. Rekonstruktion des Schultergürtelrandes in den in- Tragen wir, wie es in different gedachten Intersegmentalgrenzen, Fig. 7 geschehen ist, in den ventralwärts ein wenig keilförmig zugespitzten Segmenten die Ränder der Scapula ein, so sehen wir, dass der mediale Rand in dem dritten Sklerozon anfängt, um in dem sechsten zu enden, in welchem er sich in Morpholog. Jahrbuch. 27. 42 646 Louis Bolk seinen — segmental gedacht — caudalen Rand umbiegt. Dieser ver- läuft bis zur Tuberositas infraglenoidalis in dem sechsten Sklerozon und biegt sich ziemlich schnell durch das siebente zum achten Skle- rozon. Sodann geht er in den segmental, ventralwärts schauenden Gelenkrand über, welcher mehr oder weniger senkrecht zur Längs- richtung der Sklerozone verläuft, bis in das sechste Sklerozon. Hier setzt er sich fort in der Umrandung des Ventroplanum, welches am Gürtel identisch ist mit dem Ventraltheile der Gürtelanlage. Der eraniale Rand der Scapula verläuft parallel an den Grenzen des dritten Sklerozons, muss aber, da hinter der Incisura scapulae Ma- terial des zweiten Myotoms am Rande zur Insertion gelangt, derart rekonstruirt werden, dass er, ehe er in den Rand des Ventraltheiles des Gürtels sich fortsetzt, eine Ausbuchtung bis in das zweite Seg- ment macht, sodann muss die Grenze wieder aus dem zweiten durch das dritte und vierte in das fünfte Segment zurückkehren, um hier in die Grenze der Coracoidanlage sich fortzusetzen. Übertragen wir auch den Rand des Coracoid in der Fig. 7, dann sehen wir, dass dort, wo dieser Skelettheil bei der Ineisura scapulae anfängt, der Rand desselben sich findet in dem fünften Sklerozon, und nun allmählich bis zur Spitze das sechste, siebente und achte Sklerozon durchzieht. In diesem biegt der Rand wieder rückwärts durch das siebente und sechste Sklerozon bis zum fünften (siehe Fig. 5), um im sechsten, zurückgekehrt, in dem Rande des dorsalen Gürteltheiles sich weiter fortzusetzen. Haben wir nun in dieser rekonstruirten Figur die primitive em- bryonale Anlageform des Schultergürtels beim Menschen zu er- blicken? Lassen wir uns mit Vorsicht äußern und sagen: die in Fig. 7 rekonstruirte Figur stellt die Form jener Mesenehymmasse vor, mit welcher das noch metamer angeordnete Muskelsystem, das zur Schultermuskulatur werden wird, in Beziehung tritt. Aus dieser derart gestalteten Masse differenzirt sich der knorpelige, später knöcherne Gürtel mit Beibehalt der einst gewonnenen metameren Insertionsbeziehungen der Muskulatur. Eine höhere Bedeutung erlangt diese Figur, wenn wir gezeigt‘ haben, erstens dass es eine Übereinstimmung giebt zwischen dieser rekonstruirten ontogenetischen Form und jener des Schultergürtels phylogenetisch älterer Formen, und zweitens dass diese Form uns auf einfachste Weise deutlich macht, wesshalb die Nerven hinsichtlich des Schultergürtels gelagert sind, in der Weise, wie wir dieselben thatsächlich beim Menschen antreffen. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 647 Sprechen wir der Kürze wegen einfach von Anlageform, dann sehen wir bei Betrachtung der Scapula, dass die Anlageform der- selben sich durch ihre Einfachheit auszeichnet. Dorso-ventral stellt es ein nahezu überall gleich breites Gebilde dar, welches in seinem meist ventralen Abschnitt sich durch eine rostralwärts und caudal- wärts gerichtete Ausbuchtung charakterisirt. Mittels eines schmalen Verbindungsstückes steht mit der Scapularanlage jene des Coracoid in Zusammenhang. Dieses tritt in Entfaltung gegenüber der Anlage der Scapula weit zurück, wenigstens intersegmental. Denn während . die Scapularanlage sich vom zweiten bis zum achten Sklerozon aus- dehnt, streckt sich das größte cranio-caudale Maß des Coracoid nur vom fünften bis zum achten aus. Besonders frappirt die caudalwärts offene Ineisura zwischen der Anlage des dorsalen und des ventralen Theiles, und je mehr, wenn wir die Lagerung der Gelenkfläche hinsichtlich ihr in Betracht ziehen. Nehmen wir dazu Fig. 5 zu Hilfe, dann sehen wir, dass der obere Theil der Gelenkfläche innerhalb des Ventroplanum fällt, sei es auch nur für einen kleinen Abschnitt, der größte Theil der Fläche fällt dagegen ins Dorsoplanum. Jener Theil, der ins Ventroplanum fällt, verdankt seine Entstehung dem Infracoracoid und zum Theil dem Coracoid. Der obere Theil der Gelenkfläche, welcher durch das Ventroplanum bestrichen wird, fällt dem fünften und sechsten Sklerozon zu, der untere, durch das Dorsoplanum überdeckt, fällt ins Gebiet des sechsten und zu einem geringen Theil des siebenten. Aus diesen Verhältnissen folgt, dass der obere Abschnitt der Gelenkpfanne, weil er vom Ventroplanum und dabei von cranialen Sklerozonen über- zogen wird, ventral und cranial gelagert war, der untere Theil, weil er vom Dorsoplanum und von mehr caudalen Sklerozonen überzogen ist, mehr dorsal und caudal. Übertragen wir diese Verhältnisse in unsere Figur der Giirtelanlage, so kommt eine eigenthiimliche Erscheinung zu Tage. Die Gelenkfliiche nämlich findet sich in der Tiefe der caudalwiirts offenen Incisura, und wohl derart, dass sie sich ausstreckt längs dem ventralen Rand der Sca- pularanlage und dem caudalen Rand der Coracoid- resp. Infracora- coidanlage. In dieser Stellung schaut die Fläche nicht ventralwiirts, sondern als Ganzes ventro-caudalwärts. In einer früheren Abhandlung, worin ich zum ersten Male der auch hier angewendeten Methode folgend, die Beckenanlage rekon- struirt habe, konnte ich auf die überraschende Übereinstimmung hin- weisen zwischen jener Rekonstruktionsform und dem Reptilienbecken, 49* 648 Louis Bolk und noch mehr auf das Gleichnis mit dem Giirtel der hinteren Extremität der Dinosaurier. Eben so frappant ist die Übereinstimmung zwischen der rekon- struirten Schultergürtelanlage mit dem Gürtel der vorderen Extremität der genannten Formen. Ich gebe dazu zum Vergleich in Fig. 8 den Schultergürtel und die vordere Extremität von Stegosaurus ungulatus (Marsh) wieder, welehe ich dem Handbuch von ZITTEL entnehme, und lenke die Aufmerksamkeit auf folgende übereinstimmende Merkmale. Die Schultergürtel und vordere Extremität von Stegosaurus ungulatus (Marsh). (Nach ZırtEr.) Scapula stellt em Gebilde dar, woran man zwei Theile zu unter- scheiden vermag. Eine dorsale langgezogene Knochenplatte mit zwei einander fast parallel verlaufenden Rändern, woran das dorso- ventrale Maß überwiegt, geht ventralwärts über in einen Ab- schnitt, woran das cranio-caudale Maß das größte ist. Das gelenkig mit der Scapula verbundene Coracoid stellt einen scheibenförmigen Knochen dar, welcher mit seinem oberen Rande nur eine kleine Streeke mit dem unteren Rande des breiten Scapulartheiles in Be- rührung tritt. Besonders tritt die Ähnlichkeit in den Verhältnissen ch SER: u Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 649 der Gelenkfläche ins Auge. Bei dem Dinosaurier, wo Ventraltheil und Dorsaltheil des Schultergiirtels noch nicht synostotisch mit ein- ander verbunden sind, findet sich die Gelenkpfanne von beiden Ab- schnitten des Gürtels gebildet, und streckt sich aus über den ven- tralen Rand des dorsalen und den caudalen Rand des ventralen Knochens. Ganz gleiche Verhältnisse fanden wir bei der Rekon- struktionsform. Denkt man sich in Fig. 8 das Skelet der freien Extremität hinweg, so sieht man, dass sieh auch hier im Gürtel eine caudalwiirts offene Einbuchtung findet, in deren Konkavitit die ventro-caudalwärts schauende Gelenkfläche sich findet. Wiewohl ich mich nicht an eine Interpretation der gefundenen Ähnlichkeit zu wagen wünsche, vermeinte ich doch, an derselben nicht schweigend vorbeigehen zu dürfen, besonders nicht, weil sie einen Pendant bildet zu den beim Becken gefundenen Ähnlichkeiten. Die von mir gegebene Rekonstruktionsform des Schultergürtels weicht in mehreren Hinsichten ab von jener, welche von EISLER (9) auf Grund des von mir angegebenen Verfahrens gegeben ist, zeigt aber daneben manches Übereinstimmende. Die Ursache unserer abwei- chenden Rekonstruktionsform, insbesondere hinsichtlich des Coracoid, findet sich darin, dass Erster nicht konsequenter Weise die meta- mere Anlage des Pectoralis minor für die Bestimmung der Cora- coidanlage benutzt hat, eine Omission, welche sich nicht recht- fertigen lässt durch den Umstand, dass bei anderen Formen (Carni- voren, Beutlern und Nagern) dieser Muskel sich nicht am Coracoid, sondern am Humerus festheftet (siehe Litteraturangabe Nr. 9 pag. 94 und Nr. 10 pag. 436). Denn führte man dieses Prineip konsequent durch, dann muss man bei der Rekonstruktion der Gürtelanlage beim Menschen in Betracht ziehen alle Muskeln, welche bei anderen Formen wohl — beim Menschen aber nicht mehr mit dem Schultergürtel in Verbindung stehen, und umgekehrt omittiren alle Muskeln, welche beim Menschen wohl, bei anderen Formen aber nicht eine Haftstelle am Gürtel besitzen. Für mich ist ausschlag- sebend, dass beim Menschen der Pectoralis minor sich am Coracoid festheftet, dass dieser Muskel sich aus dem achten Myotom bildet, um auf Grund davon die Coracoidanlage bis zum Bereiche des achten Myotoms (Segmentes) ausgestreckt einzuzeichnen. Hatte sich die Anlage des Coracoid nicht bis in das siebente oder achte Segment ausgedehnt, wodurch das Material des achten Myotoms nicht im Stande gewesen sein würde, sich mit der Anlage zu ver- binden, dann wäre eine der Bedingungen zur Entstehung der aus 650 Louis Bolk dem siebenten und achten Myotom sich bildenden, am Coracoid sich festheftenden Muskeln nicht erfüllt, und dieselbe musste ausbleiben. An diese Überlegung knüpft sich direkt meine Auffassung an über die Thatsache, dass bisweilen am Coracoid sich festheftende Muskeln fehlen. Dass das Coracoid eine sich in Regression befindende Knochen- partie ist, ist wohl unstreitig, und gerade die verhältnismäßig ausge- dehnte intersegmentale Anlage ist vielleicht noch eine Andeutung der mächtigen Entfaltung, welche dieser Knochen einst besaß. Es lässt sich aber denken, dass die Reduktion, welcher dieser Knochen allmählich unterliegt, nicht ohne Einfluss sein kann auf die Anlage. Bekannt ist es, dass der M. pectoralis minor und bis- weilen — aber seltener — der Coraco-brachialis spurlos bei einem Individuum verschwunden sein können, ohne dass man eine Ursache dafür aufzufinden vermag. Ein derartiges Fehlen der beiden ge- nannten Muskeln ist nicht dem Fehlen des M. plantaris oder palmaris gleichzusetzen. Hier ist doch die totale Reduktion die Endphase eines allmählichen Reduktionsprocesses, den wir hinsichtlich der ge- nannten Muskeln innerhalb der Ordnung der Primaten beobachten, dort ist es die plötzliche Ausschaltung aus dem Muskelsystem eines Elementes, dasanderweitig nichtein einziges Reduktionsphänomen zeigt. Ich deute das Fehlen eines M. pectoralis minor oder eines M. coraco-brachialis also derart, dass in Folge des Reduktionsprocesses, welchem das Coracoid phylogenetisch unterliegt, es bei seiner An- lage ontogenetisch solcher Weise beeinflusst sein kann, dass es sich nicht mehr bis zu den Myotomen, woraus der Pectoralis minor und Coraco-brachialis Ursprung wehmen, ausdehnt, und folglich die bezügliche Muskelpartie aus Mangel eines skeletogenen Insertions- punktes sich nicht zu den genannten Muskeln zu differenziren vermag. Diese ontogenetische Einschränkung der Coraeoidanlage wird natür- lich am stärksten zur Äußerung kommen an dem terminalen Ende der Coracoidanlage, d. h. an jenem Theil, der sich im Bereiche der meist caudalen Myotome findet. Und wenn wir dabei in Betracht ziehen, dass der Peetoralis minor sich in einem mehr caudalen me- tameren Niveau bildet als der Coraco-brachialis, so ist es selbst- verständlich, warum das Fehlen des erstgenannten Muskels eine häufigere Erscheinung ist als jene des zweitgenannten. Hinsichtlich der Lagerung des Schultergelenkes und besonders deren caudo-ventralwärts schauender Fläche findet sich meine Rekon- struktion in guter Übereinstimmung mit der von EISLER gegebenen. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 651 Eine derartig gerichtete Gelenkfläche weist hin auf eine Körper- haltung, wobei die Vorderextremitäten mehr oder weniger eaudalwärts gerichtet waren, was mit dem uns bekannten Habitus der Dinosaurier in Einklang steht. Auch hinsichtlich des dorsalen und eaudalen Randes der Sca- pularanlage finde ich mich bei meiner Rekonstruktion in Überein- stimmung mit der von EısLER gegebenen Figur, hinsichtlich des eranialen Randes aber weiche ich desshalb von der Eıster’schen Figur ab, weil ich auch die Insertion des hinteren Omo-hyoideus- bauches in Anmerkung genommen habe, und desshalb der Anlage einen Fortsatz zuerkannte bis in das zweite Segment. In Fig. 7 habe ich auch die Umgrenzung der Clavieula mit eingezeichnet. Dadurch will aber nicht gesagt sein, dass die Be- ziehungen zwischen dem Skelet und der Muskulatur der Extremität, auf welche sich die Rekonstruktionsform gründet, und die Bedeu- tung, welche daran von mir gegeben ist, auch für die Clavicula geltend ist. Ich wünsche aber hinsichtlich dieser Knochen die Aufmerksam- keit auf zwei Erscheinungen zu lenken. Die erste Erscheinung ist, dass an diesem Skelettheil dorsale und ventrale Muskulatur zur An- heftung gelangt, eine Erscheinung, worin die Clavieula allein stebt unter den Knochen, welche die beiden Extremitätengürtel zusammen- setzen. So findet man, dass zur Anheftung kommt: Am Ileum nur dorsale Muskulatur, am Pubis nur ventrale Muskulatur, am Ischium nur ventrale Muskulatur, an der Scapula nur dorsale Muskulatur, am Coracoid nur ventrale Muskulatur, am Infracoracoid nur ventrale Muskulatur, an der Clavieula ventrale und dorsale Muskulatur. Als dorsale Muskeln, welche sich an der Clavieula festheften, sind der Deltoideus und der Trapezius zu verzeichnen. Während also bei den eigentlichen Gürteln die Trennung von dorsaler und ventraler Muskulatur Hand in Hand geht mit der anatomischen Zu- sammensetzung des Gürtels aus gesonderten Skelettheilen, nimmt die Clavicula in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die zweite Besonderheit ist, dass dieser Knochen von Zeit zu Zeit perforirt erscheint durch einen der Supraclavicularnerven, wie es von mehreren Autoren beobachtet ist (BOCK, GRUBER, ÜLASEN, TURNER [siehe HENLE, Nervenlehre, pag. 516). CRUVEILHIER nennt 652 Louis Bolk die Erscheinung eine nicht seltene, und die Perforationsstelle findet sich an der Grenze des lateralen und mittleren Drittels, das heißt also an der Stelle, wo die Haftflächen der dorsalen und ventralen Muskulatur an einander stoßen. Der Perforation durch einen der Hautäste darf man jene zur Seite stellen, wovon ich selber {einen Fall beobachtete, dass die Vena cephalica in einem Kanal des Kno- chens in der Tiefe verlief. Diese Einsehließung eines Hautnerven durch das Gewebe der Clavieula spricht zu Gunsten der Deutung dieses Skelettheiles als eines dermalen Knochens. Denn nur in einem Niveau, in der Dicke der Rumpfwand, wo schon eine völlige Trennung besteht von mo- torischen und sensiblen Elementen der Spinalnerven, kann es zu einem Einschluss eines rein sensiblen Nervenastes kommen. Und erst oberflächlich vom äußeren Muskellager des Rumpfes findet man rein sensible Nerven, in jedem tieferen Niveau sind die Nerven noch ge- mischt. Wenn also die Clavieula während ihrer Entwicklung einen Hautast einzuschließen vermag, so weist uns dieses darauf hin, dass die Entwicklung nicht innerhalb der muskulösen Rumpfwand, sondern oberflächlich von derselben zu Stande kam. Und eben so zu Gunsten dieser Auffassung spricht der oben erwähnte Um- stand, dass die Grenze dieses Knochens nicht gebunden ist an die Grenze zwischen ventraler und dorsaler Muskulatur. Die Erscheinung an den beiden Gürteln, wo dies wohl der Fall ist, betrachten wir als die Folge des Einflusses der Korrelationen, welche Muskel- und Skeletsystem gegenseitig auf einander ausübten, wo wir dieses Ver- hältnis vermissen, müssen wir schließen, dass diese Korrelation nicht bestanden hat und dass die Clavieula nicht in derartiger inniger Beziehung zum Muskelsystem sich ausgebildet hat als der eigentliche Extremitiitengiirtel, was zu Gunsten der Sonderstellung spricht, welche die Clavicula im Skeletsystem der Extremitäten einnimmt. In meiner in dem Litteraturverzeichnis unter Nr. 2 verzeichneten Abhandlung habe ich gezeigt, von welch großem Einfluss die Form der Beckenanlage und deren intersegmentale Stellung gewesen ist auf den Verlauf der großen Nervenstämme, welche aus dem Plexus lumbo-sacralis sich bilden, und wie wir eben in dieser Form, in Ver- bindung mit der Stelle, wo dieselbe intersegmental zur Anlage ge- langt, und mit Inachtnehmung der Spinalnerven, woraus die unter- schiedenen Nervenstämme entstehen, den wichtigsten Faktor sehen müssen für die topographischen Beziehungen dieser Stämme hinsicht- lich des Beekengürtels. Am Schlusse meiner sub 3 verzeichneten Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 653 Abhandlung glaubte ich auf Grund ungenügender Kenntnisse der bezüglichen Zustände bei niederen Formen auf die Möglichkeit des Hinweises einer derartigen Beziehung beim Schultergürtel verzichten zu müssen. Jetzt aber, wo ich die Metamerie der ganzen Extremität zu überblicken im Stande bin, sehe ich ein, dass das, was mir da- mals zur Erklärung der Topographie der Nervenstämme hinsichtlich des Schultergürtels fehlte, nicht ungenügende vergleichend-anatomische Kenntnisse, sondern mangelhafte segmental-anatomische waren. Denn auch bei der oberen Gliedmaße wird die Topographie der Nervenstämme hinsichtlich des Gürtels bestimmt durch dieselben zwei Faktoren, deren Einfluss bei dem unteren Gliedmaßengürtel bestimmend ist, erstens die metamere Zusammensetzung der Nerven- stämme, und zweitens die Stelle, wo intersegmental der Gürtel zur Anlage gelangt. Wiewohl ich die Ätiologie der einzelnen Nerven erst in einer folgenden Abhandlung besprechen werde, kann ich doch nieht umhin, in groben Umrissen hier den eausalen Zusammen- hang zwischen Anlagestelle des Schultergürtels und spinaler Zusam- mensetzung der Nervenstämme einerseits und die schließlichen topo- graphischen Verhältnisse zwischen Gürtel und Nervenstiimmen an- dererseits ins rechte Licht zu stellen. Ein charakteristisches Merkmal der Nervenstämme der oberen Extremität darf darin gesehen werden, dass sämmtliche Hauptstämme einen metazonalen Verlauf nehmen. Der Musculo-cutaneus, Medianus, Ulnaris und Radialis streben caudalwirts vom Gürtel ihrem Endge- biete zu. Weder ein prozonaler noch ein diazonaler Stamm, wie wir ihn bei der unteren Extremität im N. femoralis resp. N. obturatorius treffen, findet sich bei der oberen Extremität. Es ist eben dieses Merkmal, das seine Erklärung erlangt, wenn wir die Frage beant- worten, wie war der Bezirk eines jeden Nervenstammes bezüglich der Gürtelanlage orientirt. Fangen wir an, diese Frage für den dorsalen N. radialis zu beantworten. Dieser Nerv innervirt nur eine geringe Masse kon- traktiler Substanz, aus dem fünften Myotom herkömmlich (Supinator brevis und Brachio-radialis), übrigens stammt das von diesem Nerv innervirte Material aus dem sechsten, siebenten und achten Myotom. Das Niveau sämmtlicher Muskeln, welche vom N. radialis innervirt sind, streckt sich desshalb aus ins sechste, siebente und achte Myotom, cranialwiirts noch ein wenig ins fünfte hineinragend (Fig. 9). Trägt man einen derartig gelagerten Bezirk in die Fig. 7 ein, so erblickt man, dass demselben als Ganzes hinsichtlich der Gürtel- 65 | Louis Bolk anlage eine caudale Lagerung zukommt, ein Theil fällt zusammen mit der caudalen Hälfte der Scapularanlage, ein anderer Theil findet sich selbst ganz caudal von demselben gelagert. Es darf uns daher nicht Wunder nehmen, dass schließlich jener Theil der Spinalnerven, der die aus dieser Myotommasse hervorgegangenen Muskeln inner- virt, einen Verlauf nimmt caudal von der Gürtelanlage, sind sie doch schon von Anfang an caudalwärts davon gelagert. Um so mehr muss diese schließliche Topographie resultiren, da, wie wir später zeigen werden, die Spinalnervenäste die caudalwärts offene Ineisura zwischen Coracoid- und Scapu- larplattenanlage benutzen, um ihr moto- risches Endgebiet zu erreichen. Umgrenzen wir eben so das Niveau der vom ventralen N. musculo-cutaneus innervirten Muskeln. Diese Gruppe ent- lehnt Material vom fünften, sechsten und siebenten Myotom. In der fünften Ab- handlung, worin von diesen Verhältnissen Intersegmentale Lagerung der Be ausführlicher die Rede sein wird, werde zirke des Radialis (a), Ulnaris + { Medianus (5), Musculo-cutaneus (c) ich den in Fig. 9 mit e angedeuteten Be- ee erste zirk näher motiviren. Hier gentigt es laufes der genannten Nervenstämme. darauf hinzuweisen, dass auch hier wie- der die vorerwähnte Incisura als die Stelle sich erweist, wo die Nerven den caudalen Rand der Gürtel- anlage passirten, um ihren motorischen Bezirk längs dem kürzesten Wege zu erreichen. Der N. medianus und ulnaris innerviren je Muskelmaterial, das vom sechsten, siebenten, achten und neunten Myotom herkömmlich ist, die genannten Stämme sind je aus den gleichzähligen Spinal- nerven zusammengesetzt. Deuten wir, wie es in Fig. 9 geschehen ist, durch ein einziges Feld den metameren Bezirk beider Nerven ap, so erblicken wir, dass das von denselben innervirte Material fast ganz caudal von der Gürtelanlage sich findet, die innervirenden Spinalnerven sind also von Anfang an caudal von der Gürtelanlage gelagert gewesen und müssen, welche Wanderungen auch später der Schultergürtel durchmacht, immer diese Beziehung beibehalten. Fassen wir das Obenstehende kurz zusammen, so kommen wir also zu dem Schlusse, dass der metazonale Verlauf sämmtlicher Ner- venstämme der oberen Extremität die nothwendige Folge ist von Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 655 dem Umstand, dass die Muskulatur der freien Extremität sich ge- bildet hat aus einer metameren Masse, die größtentheils caudal von der Anlage des Gürtels gelagert war, zum kleineren Theil in der gleichen Höhe sich fand als die caudale Hälfte der Gürtelanlage. An der unteren Extremität werden wir bei abgeänderten interseg- mentalen Verhältnissen zwischen Muskelanlagecentra und Gürtelanlage abgeänderte topographische Verhältnisse zwischen Nervenstämmen und Beckengiirtel finden. Nur kurz sei hier darauf hingewiesen, dass die definitive Lage- rung des Schultergürtels ziemlich weit entfernt ist von derjenigen Stelle, wo derselbe ursprünglich zur Anlage gelangte. Das ganze Gebilde muss während der Entwicklung eine Wanderung in caudaler Richtung durchgemacht haben, wobei zugleich die freie Extremität in gleicher Richtung verlagert ist. Als Zeugnisse dafür sind mehrere anatomische Verhältnisse aufzuweisen, wie es in der folgenden Ab- handlung dargethan werden wird. Die Sklerozonen des Humerus. Auch hier, wie bei dem Gürtel, werden wir anfangen die Gren- zen zu bestimmen zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum, das heißt also jenen Flächen, an welche sich die dorsale und die ven- trale Muskulatur festheftet. Untenstehende Tabelle, welche uns auch für die weitere Be- stimmung der Sklerozonen Hilfe leisten wird, wird uns dazu als Ausgangspunkt dienen. Die an dem Humerus sich festheftenden Muskeln mit An- gabe ihrer dorsalen oder ventralen Herkunft und metameren Anlage. Supraspinatus dorsal 4.5. Deltoides - 326. Infraspinatus - oO. Teres minor - 546: Subscapularis - 5:6. Teres major - 6. Latissimus dorsi - 68 Anconaeus externus dorsal 67. Anconaeus internus - 78 Anconaeus IV - te Ss Brachio-radialis - 5. 6 656 Ext. Ext. Ext. Ext. Ext. carpi rad. br. digit. comm. digit. V corp. uln. Brachialis intern. dorsal-ventral 5. Pectoralis major ventral 5 Coraco-brachialis Pronat. teres Flexor carpi rad. Palmaris longus Flexor digit. subl. Flexor carpi uln. Fig. 10. 6-7- | Rn =f Lat Scapix) ~ ehdigit, N) Yeldıgitor 6-7-8. \ N 67839 Die Haftstellen an der vorderen Fläche des Humerus, mit Andeutung der metameren Herkunft der Muskeln. carpi rad. |. dorsal 6. Louis Bolk - 6. © m SUSE je) PAMWAHS > SS Sy Sn co oO oO co © Trennen wir durch eine Linie die Haftstellen der dorsalen und ventralen Muskulatur von einander, das heißt bestimmen wir den Ab- schnitt der Humerusoberfläche, wel- cher zum Ventroplanum resp. Dorso- planum gehört, so erblicken wir, dass sämmtliche Haftstellen der ventralen Muskeln ein einheitliches Ganzes bilden von typischer Gestalt und Lagerung. Wie am Schulter- gürtel, so finden wir auch am Hu- merus nirgendwo ventrale Muskeln Ursprung oder Insertion nehmen zwischen dorsalen oder umgekehrt. Wir sehen selbst, dass die Grenz- linien zwischen beiden Plana ein- fache, gestreckt verlaufende Linien bilden, die dorsale Muskulatur greift mit ihrer Insertionsfläche nicht zwi- schen die ventrale ein. Dort, wo es den Anschein hat, als wäre dieses wohl der Fall, nämlich wo der dor- sale M. deltoides mit seiner Inser- tionsfläche wie keilförmig in der Ursprungsfliiche des Brachialis in- ternus sich einschiebt, ist auch dieses nur eine scheinbare Kompli- kation, da die radial Ursprung nehmende Masse des letztgenannten, Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II]. 657 sich aus dem radialen Randmyotom bildenden Muskels, vom dorsalen N. radialis innervirt ist (Näheres darüber siehe in meiner zweiten Abhandlung, Morphol. Jahrbuch. Bd. XXVI. pag. 95 und 178). Ich habe diese Thatsache dadurch zum Ausdruck kommen lassen, dass ich die radiale Scheidungslinie zwischen Dorso- und Ventroplanum durch die Ursprungsfläche des Brachialis internus hindurch gezogen habe (Fig. 10 und 11). Es fällt unmittelbar auf, dass die durch die ven- trale Muskulatur benutzte Fläche am Humerus in Fig. 11. Ausdehnung weit zurücksteht bei jener der dorsalen Muskulatur, ja selbst in dem proximalen Viertel fehlt 7” jede Insertionsfläche eines ventralen Muskels. Bis- | N_ weilen wird aber durch eine abnormale Muskelinser- \N\ tion diese Lücke ausgefüllt, in jenen Fällen nämlich, \ \ wo auch beim Menschen der M. pectoralis minor | seine Insertion über dem Tubereulum majus und der Spina tubereuli majoris entlang auf den Humerus ausdehnt. In dem Verhalten des Ventroplanum am oberen YUM HME 7 DHL, Vi WE Vi ih) hy Vises a ee > ff {ton Theil des Humerus macht sich eine Ubereinstimmung N mit den Beziehungen am angrenzenden Theil des N Schultergürtels kund. Eben so wie der Gelenkkopf IN und die beiden Colla humeri fast mit ihrer ganzen N Oberfläche zum Dorsoplanum sich erweisen, so sehen N wir auch mit nur geringer Einschränkung die ganze IN Gelenkpfanne um das Collum scapulae dem dorsalen N Theil des Gürtels zugehörend. Die Verbindung zwi- schen Schultergürtel und freier Extremität erweist sich dadurch als von überwiegend dorsalem Charakter im Gegensatz zur Gelenkverbindung zwischen Becken- gürtel und freier Extremität, die zur Hälfte ins Dorso- planum, zur anderen Hälfte ins Ventroplanum fällt, dass sie gerade eine Mittelstellung zwischen dem dor- er salen und dem ventralen Abschnitt der Segmente j einnimmt. Es bildet auf dem Humerus das Ventroplanum eine keilförmige Fläche mit der Spitze nach oben, mit der Basis nach abwärts ge- richtet. Die Spitze endet, wenn wir uns rein auf die Muskelinsertion beschränken, auf der Spina tubereuli majoris am oberen Punkte der Insertion des M. pectoralis major. In jenen Fällen, in welchen dieser 4 vor Yj Yy KT, DEE CZ Yi 658 Louis Bolk Muskel — wie es geschehen kann — einen Theil seiner Bündel am unteren Theil der Spina tubereuli minoris festheftet — und es ist — wenn wir die metamere Anlage dieser Partie berücksichtigen — von Interesse, dass dies immer die meist caudal entspringenden Bündel sind — fällt der untere Theil des Suleus intertubereularis noch innerhalb des Ventroplanum. Es ist von Interesse, dass sich in diesem Sulcus die Sehne findet des ventralen M. bieipitalis, Caput longum, wodurch die durch diese Rinne abgegrenzte Humerusober- fläche sich kennen lernt als die proximale Fortsetzung des Ventro- planum. Thatsächlich streckt sich am Humerus das Ventroplanum also nicht über dessen ganze Länge aus. Durch diese Eigenthüm- lichkeit stellt sich dieser Skelettheil in Gegensatz zu allen übrigen beider Extremitäten, wo wir eine Ausdehnung dieses Planum der ganzen Länge entlang aufzuweisen vermögen. Dieser sehr eigen- thümliche Zustand steht in scheinbarem Widerspruch mit der Be- deutung, welche wir dem Ventroplanum beilegen zu müssen geglaubt haben. Es ist doch für uns jene Fläche des axialen Blastems, welche in der Extremitätensprosse ventralwärts schaute. Und dass über dem proximalen Ende des Humerus das Ventroplanum sieh nicht ausdehnt, muss nun so gedeutet werden, dass, wiewohl natürlich auch an dieser Stelle das axiale Blastem eine ventralwärts schauende Fläche besitzt, hier das ventrale Muskelmaterial vorbeizog, ohne mit dem Blastem in Verbindung zu treten. Die hier sich findende Sehne des langen Bicepskopfes und der kurze Kopf dieses Muskels nebst dem Coraco-brachialis legen von diesem Verhalten Zeugnis ab. Eine weitere Eigenthümlichkeit des Ventroplanum am Humerus wird dadurch gegeben, dass diese Fläche, abgesehen von dem Fehlen am oberen Ende, in ihrer weiteren Ausdehnung nicht identisch ist mit der Ventralfläche des Humerus. Die radiale Grenze des Planum findet sich nicht dort, wo die Vorderfläche des Humerus in die Hinterfläche sich umbiegt, was besonders evident ist am distalen Ende des Humerus, wo diese Umbiegung durch eine scharfe Kante markirt ist. In ihrer ganzen Länge verläuft diese Grenze über die Vorder- fiche der Humerusdiaphyse und lässt dadurch an der radialen Seite vom Anfang bis zum Ende eine schmale Zone frei für das Dorso- planum, eine Zone, welche sich besonders abwärts verbreitert. Da- gegen greift sie am distalen Abschnitt auf die dorsale Fläche des Epieondylus ulnaris über. Die scheinbar so bedeutungslose Aus- dehnung der Ursprungsfläche der Museuli epicondili medialis auf die Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 659 Hinterfläche des Epicondylus ulnaris, — wodurch das Ventroplanum sich an dieser Stelle auf die Hinterseite des Humerus umbiegt, — die Lagerung des N, ulnaris hinter dem genannten Epicondylus sind zwei Erscheinungen, welche in engem Konnex mit einander stehen und eine große Bedeutung gewinnen, wenn wir uns mittels der Sklerozonie die Wachsthumserscheinungen am distalen Theil des Humerus zu eruiren versuchen. Hinsichtlich der Längsachse des Humerus beschreibt das Ventro- -planum einen Theil einer Spiraltour. Am besten zeigt sich dasselbe, wenn wir, wie in Fig. 12 geschehen ist, einen Querschnitt durch den Humeruskopf projieiren auf einen sol- chen des distalen Epiphysenendes dieses Skelettheiles. Diese Figur erhellt, wie das ganze Ventroplanum, ungeachtet seiner all- mählichen Verbreiterung, distalwärts sich im medialen Sinne um die Humerusachse herumdreht. Während es beim senkrecht herabhängenden Arm am oberen Ende nach vorn und außen schaut, sieht es am unteren superposition eines Querschnit- Ende nach vorn und innen. Diese That- tes durch das obere und untere . 5 Ende des Humerus (Projektions- sache gewinnt an Bedeutung, wenn wir be- ya). Man vergleiche die ver- denken, dass einst die Fläche, woran das na sch da ventrale Myotommaterial zur Insertion ge- Linie) in beiden Schnitten hin- langt, im Ganzen zur Achse des Blastems "ich der Humeruslängsachse. gleich gerichtet war. Nachdem wir also die Verhältnisse der beiden Plana hinsicht- lich der Humerusoberfläche ins Licht gestellt haben, können wir den Sklerozonenverlauf über dieselben näher betrachten. Die Anheftungsfläche des vierten Myotoms am Skelet der freien Extremität findet sich nur an der oberen Spitze des Tubereulum majus vor, woran dessen im M. supraspinatus eingeschlossenes Material zur Insertion gelangt. Diese Spitze erweist sich dadurch als jener Theil des Anlageblastems des Humerus, der am meisten cranial hervorragte. Von mächtigerer Ausdehnung ist das fünfte Sklerozon. Da sich die Verhältnisse ziemlich komplieirt verhalten, habe ich von den unterschiedenen Sklerozonen besondere Figuren beigegeben. Dasselbe Charakteristikum, wodurch das fünfte Myotom am Oberarme sich kennzeichnet, muss eben so das fünfte Sklerozon aufweisen. Wir haben in unserer zweiten Abhandlung gesehen, dass das fünfte Myotom am Oberarme als radiales Randmyotom fungirt, Fig. 12. 660 Louis Bolk das heißt, es streckt sich dem ursprünglich eranialen Rande der Extremitätenanlage entlang aus, wodurch ihr dorsales und ventrales Material in unmittelbarer Berührung mit einander bleibt (vgl. die Fig. 29, 30 und 31 meiner zweiten Abhandlung). Selbiges Verhalten muss auftreten für die Anheftungsfläche dieses Myotoms. Die An- heftungsfliche der ventralen und jene der dorsalen Derivate grenzen unmittelbar an einander. Die Grenze, welche radialwärts das Dorso- planum vom Ventroplanum scheidet, muss also dieses Sklerozon in seine beiden Bezirke trennen. Es giebt nur zwei ins Ventroplanum fallende Haftstellen, welche vom fünften Sklerozon durchzogen werden, n. 1. jene des Pectoralis major und jene des Brachialis internus. Für den Pectoralis major besitzen wir eine nähere Andeutung, wo in dessen ganzer Insertions- fläche insbesondere das Material des fünften Myotoms zur Insertion gelangt. Wir haben doch gesehen (vgl. meine zweite Abhandlung), dass dieses Material nur in der Pars clavicularis des Muskels sich vorfindet. Durch die eigenthümliehe Struktur dieses Muskels kommt die Portio clavicularis zur Insertion, radial (nach außen) von der Portio costo-sternalis. Ich möchte hier Einiges einschalten zur Erklärung der eigen- thümlichen Struktur des genannten Muskels, welches einen neuen Bei- trag liefern darf, wie sehr die Kenntnis der metameren Herkunft der Muskeln in Verband mit der Auffassung, dass das Muskelsystem schon im metameren Zustand Beziehungen zur Skeletanlage gewinnt und später beibehält, fördernd ist für das Begreifen gewisser ana- tomischer Erscheinungen. Der ganze Muskel bildet sich, wie wir früher gesehen haben, aus dem fünften, sechsten und siebenten Myotom. Das Material dieser Myotome, das zum Aufbau dieses Muskels verwendet wird, wird in jenem primitiven Zustand, wenn die Extremität noch trans- versal vom Körper absteht, von der ventralen Medianlinie mit. etwa parallel verlaufenden Elementen in rein transversaler Richtung ver- laufen bis an die ventrale Fläche des axialen Blastems, um dann ungefähr an der Grenze zwischen proximalem und mittlerem Drittel der Humerusanlage zur Insertion zu gelangen. Diese Insertion wird derart stattfinden, dass in der ganzen Insertionsfläche das Material des fünften Myotoms am meisten eranial inserirt, jenes des siebenten am meisten caudal, das sechste eine mittlere Fläche benutzt (Fig. 13). In diesem Zustand findet sich also das Material noch in parallelen Zügen angeordnet, von einer Überkreuzung oder selbst Divergenz Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 661 der Bündel ist noch nicht die Rede. Es waren zwei Momente, welche aus dem einfachen Verhalten zur definitiven Anordnung der Muskel- bündel überleiteten. Das erste Moment war die Ausbreitung der Ursprungsfliiche über dem Rumpfskelet. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, dass bei allen Extremitätenmuskeln, welche nach ihrer Anlage ihre Ursprungsfläche über das Rumpfskelet ausdehnten, doch immer, wie weit diese Ausdehnung sich vollzog, die primitive metamere Anordnung des Muskelmaterials beibehalten bleibt. Ich erinnere dazu an die Mm. levator scapulae, rhomboides, serratus anticus. Auch der Pectoralis major bringt diese Erscheinung, wie in der zweiten Abhandlung gezeigt worden ist, Fig. 13. Schema zur Beleuchtung der Entstehung der Tektonik des M. pectoralis major. 1. Phase. Die Extremität steht noch transversal, das Ma- terial der drei theilnehmenden Myotome findet sich noch parallel an einander, die Insertions- onen des polymeren Materials folgen einander noch in eranio-caudaler Richtung. zum Ausdruck. Fig. 14. Schema zur Beleuchtung der Entstehung der Tektonik des M. pectoralis major. 2. Phase. Der Ursprung des Muskels hat sich mit Beibehalt der metameren Anordnung des Materials auf dem Rumpfe ausgedehnt. Die Extremität steht noch transversal, die metameren Insertionszonen folgen einander noch in eranio-caudaler Richtung. Durch die Ausdehnung der Ursprungsfläche wird also der Muskel dreieckig, die Muskelelemente konvergiren nach der Insertionsfläche, doch immer so, dass das Material des sechsten Myotoms seine mittlere Lage und seine mittlere Insertionsfliiche zwischen jenem des fünften und sechsten beibehält. Ich habe dasselbe in Fig. 14 vorzustellen versucht. Durch die Ausdehnung der Ursprungsfläche mit Beibehalt der beschränkten Insertionsfläche am Oberarmskelet entsteht also selbst- verständlich die Konvergenz der Bündel im Pectoralis major. Diese Konvergenz wird in dem Zustand der Überkreuzung übergeleitet durch das zweite Moment, n. 1. die Senkung der Extremität. Durch diese Morpholog. Jahrbuch, 27. 43 662 Louis Bolk -_ Senkung kommen die Insertionsflächen der drei Myotome in eine an- dere Beziehung hinsichtlich der Körperebene und hinsichtlich ihrer Ur- sprungsflächen am Rumpfe. Ursprünglich, während der transversalen Stellung der Extremität, folgten die Haftstellen an derselben einander in eranio-caudaler Richtung, also gerade wie die Ursprungsfläche am Rumpfe. Während der Senkung halten letztere ihre Anordnung bei, aber erstgenannte kommen dadurch in latero-medialer Richtung neben einander zu liegen, die Haft- stelle des Materials vom fünften Myotom kommt am meisten radial zu liegen, jene vom Material des siebenten am meisten ulnar. Die me- tameren Insertionszonen folgen ein- ander hinsichtlich der Körperebene jetzt in einer Richtung senkrecht zu jener der Ursprungsfläche, und daraus muss nothwendig eine Über- kreuzung der Fasern im Muskel die Folge sein in jenem Sinne, dass metamer craniale Muskelbün- del allmählich metamer caudale überkreuzen (siehe Fig. 15). Wir sehen also, dass die eigen- thümliche Struktur des M. pectoralis major ganz einfach verursacht wird Schema zur Beleuchtung der Entstehung dr durch die Stellungsänderung der nos ut. pectoralie major. 3. Phase. Mytemität in der Articulatio hu- Die Extremität hat sich der Körperachse par- = BT Die se Pan meri in Verband mit unserer, metameren Ureprungezonen tn a © durch diesen Fall wieder aufs Neue Richtung. gestützten Auffassung, dass das Muskelmaterial in metamerem Zu- stand sich an der Skeletanlage der Extremität festheftet und ihre ursprüngliche Insertion immer beibehält, und in Verband mit der Thatsache, dass in polymeren Muskelindividuen das metamere Ma- terial während der Wanderung längs dem Rumpfskelet in primitiver Weise angeordnet bleibt. Wir haben überdies im Pectoralis major ein Beispiel, dass die Polymerie der Muskelanlage von Einfluss ist auf die spätere Struktur des Muskels; war der Muskel doch ein monomerer, dann wäre in Folge der Ursprungsflächenausdehnung über dem Rumpfskelet eine Divergenz der Bündel eingetreten, aber Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 663 es würde nicht nach stattgefundener Senkung der Extremität eine Überkreuzung der Fasern die Folge gewesen sein. Die Insertion der Portio clavicularis des Pectoralis major an einem radialen Streifen der Insertionsfliiche des ganzen Muskels be- lehrte uns, wie gesagt, tiber den Verlauf der Sklerozonengrenze in dieser Insertionsfläche. Hier haben wir den thatsächlichen Beweis, dass das Material des fünften Myotoms am Skelet zur Insertion gelangt unmittelbar neben der Grenze zwi- schen Dorsoplanum und Ventropla- num, dass also das fünfte Sklerozon radiales Randsklerozon ist. Weiter abwärts wird sich nun dasselbe über die Ursprungsfliche des Brachialis internus ausstrecken (Fig. 16 a). Der Dorsaltheil des fünften Sklerozons muss eine größere Zahl der Haftflächen überziehen als der Ventraltheil. Von unten anfan- gend sind es jene des Brachio- radialis, des Deltoideus, des Teres minor, Infra- und Supraspinatus und Subseapularis. Überdies muss es die in das Dorsoplanum fallende Zone der Ursprungsfläche des Bra- ehialis internus in sich aufnehmen (Fig. 16a und 5). Auf der Vorder- fläche des Epicondylus radialis fin- den sich die Ursprungsstellen meh- rerer Muskeln, welche nicht zu dem fünften Myotom in Beziehung stehen. Es muss hier also das fünfte Skle- rozon beschränkt sein auf eine schmale Zone zwischen den Ur- Fig. 16. Der Verlauf des fünften Sklerozon über den Humerus. Der arcirte Bezirk deutet die Ausdehnung des Sklerozon an, dessen Gren- zen durch fettere durchgezogene Linien angedeutet sind. Die unterbrochene Linie stellt die Grenze des Ventroplanum dar. Die zartgehaltenen Linien deuten die Haftflächen der in Bezug kommenden Muskeln an. sprungsflächen dieser Muskeln und der radialen Grenze des Ventro- planum. Aufwärts wird es allmählich breiter, überstreicht die Ur- sprungsfläche des Brachio-radialis theilweise, dehnt sich nun bis auf die Hinterseite des Humerus aus und nimmt die Insertionsfläche des 43* 664 Louis Bolk Deltoides zum Theil in sich auf. Weiter aufwärts breitet es sich noch mehr aus und überdeckt einen Theil des Tubereulum majus und des Tubereulum minus. Dorsaltheil und Ventraltheil des fünften Sklerozons verlaufen also noch unmittelbar neben einander. Dieses gilt nieht mehr für das sechste Sklerozon. Eben so wie ventraler und dorsaler Streif des sechsten Myotoms durch die Derivate des fünften Myotoms von einander Fig. 17. getrennt sind, so finden sich auch # 2 der ventrale und dorsale Theil des RV sechsten Sklerozons durch das fünfte von einander geschieden. Der ventrale Abschnitt muss die Haftstellen folgender Muskeln theilweise in sich aufnehmen: Pec- toralis major, Coraco-brachialis, Bra- chialis internus, Pronator teres, Flexor carpi radialis. Dem dor- salen Abschnitt fallen ein Theil der Haftstellen folgender Muskeln zu: Deltoides, Infraspinatus, Teres mi- nor, Subscapularis, Teres major, Latissimus dorsi, Anconaeus exter- nus, Brachio-radialis, Extensor carpi radialis longus und brevis. Da bei meinem Individuum der Teres major als monomerer Muskel ausschließ- lich aus dem sechsten Myotom her- kömmlich war, muss die Haftstelle dieses Muskels ganz dem sechsten Sklerozon zufallen. Fig. 17a und 175 veranschau- Br lichen die ein wenig komplieirte a en See _ Verlaufsrichtung des Sklerozons über wie bei Fig. 16, der Humerusoberfläche. Fangen wir mit dem ventralen Abschnitt an. Derselbe findet sich ganz auf der Vorderfläche des Humerus und überdeckt jenen Theil der Ursprungsfläche des Brachialis internus, welcher vom fünften Sklerozon freigelassen wird, das heißt also die mediale Zone. Überdies bedeckt er am Bpieonliyide medialis den der Ursprungsfläche des genannten Muskels benachbarten Die Segmentaldifferenzirung d. mensch]. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 665 Abschnitt der Ursprungsflächen des Pronator teres und Flexor carpi radialis. Aufwärts nimmt er, ehe er die mittlere Zone der Inser- tionsfläche des Pectoralis major überzieht, einen Theil jenes des Coraco-brachialis in sich auf, um sodann unter allmählicher Ver- schmilerung an der Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventropla- num zu enden (Fig. 17 a). Der dorsale Theil fängt am distalen Ende des Humerus eben so auf dessen Vorderfläche an, um sich, nachdem er einen Theil der Ursprungsfläche vom Extensor carpi radialis longus und brevis und den vom fiinften Sklerozon freigelassenen Abschnitt des Brachio- radialis tiberdeckt hat, um den radialen Rand des Humerus herum auf dessen Hinterfliche umzubiegen (Fig. 17 4). Hier verläuft er anfänglich dem äußeren Rande des Knochens entlang bis zur Haft- stelle des Deltoideus und Anconaeus internus, nimmt vom erstgenann- ten die vom fünften Sklerozon freigelassene Portion auf, vom letzt- genannten eine äußere Zone, verbreitert sich jetzt allmählich, um jenen Theil der Insertionsflächen des Teres minor und Infraspinatus einzuschließen, welcher nicht ins fünfte Sklerozon fiel, und biegt sich sodann, unter fortwährender Verbreiterung, über dem Kopfe des Humerus medianwärts. Von der Kopfoberfläche überzieht er das größere untere Segment und den abwärts sich an dasselbe an- schließenden Bezirk, um nun von Neuem auf die Vorderfläche des Humerus sich umzubiegen, und hier den restirenden Theil der In- sertionsfläche der Subscapularis, die ganze Haftstelle des Teres major und einen Theil jenes des Latissimus dorsi in sich aufzu- nehmen (Fig. 17 a). Schließlich endet er an der Grenzlinie zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum. In seinem eigenthümlichen Verlauf besitzt das Sklerozon als Ganzes einen spiralförmigen Verlauf über der Humerusoberfläche, eine Erscheinung, auf welche ich schon in einer früher erschienenen Abhandlung (4) aufmerksam gemacht und dieselbe gewürdigt habe. Später komme ich auf dieses Phänomen zugleich mit jenen an an- deren Sklerozonen zurück. Das siebente Sklerozon muss theilweise in sich fassen die Haft- stellen folgender ventraler Muskeln: Peetoralis major, Coraco-brachi- alis, Pronator teres, Flexor carpi radialis, Palmaris longus, Flexor digitorum sublimus, und folgender dorsaler Muskeln: Latissimus dorsi, Anconaeus externus, Anconaeus internus, Anconaeus quartus, Extensor carpi radialis longus und brevis, Extensor digitorum com- munis mit dem Extensor digiti quinti und Extensor carpi ulnaris. 666 Louis Bolk In seinem ventralen Abschnitt zeigt dieses Sklerozon ein Phä- nomen, welches in Zusammenhang steht mit dem metameren Cha- rakter der Oberarmmuskulatur, welchen wir in unserer zweiten Ab- handlung kennen gelernt haben. An mehreren Stellen haben wir dort gezeigt, dass die Ventralstreifen der Myotome am Oberarme ein Hiat zeigen. Die Ventralstreifen des siebenten, achten und neunten Myotoms besitzen eine Unterbrechung in der Kontinuität, weil die zwei a b erstgenannten am oberen Drittel des Oberarms aufhören, um im unteren Drittel wieder in die Erscheinung zu treten, der letztgenannte über- haupt im ganzen proximalen Ab- schnitt des Oberarms nicht in einem einzigen Muskel vertreten ist, erst in der Höhe des Epicondylus ulnaris auftritt (vgl. Litteraturverzeichnis 5, pag. 161 und ff... Was dort von den Myotomstreifen gesagt werden konnte, gilt eben so fiir die Anhef- tungsstellen der Myotome am Skelet, für die Sklerozone. Und eben durch die schirfere Umgrenzung der Muskelhaftstellen sind wir in den Stand gesetzt, die Linge dieser Unterbrechung schärfer anzugeben. Fangen wir wieder am unteren Ende an, so muss hier das siebente Sklerozon einen Theil der Ursprungs- SEEN fläche des Palmaris longus und Flexor oe UN digitorum sublimus überziehen, um ee U ME weiter aufwärts den restirenden den Humerus. Für die Bedeutung der Linien Theil der Ursprungsfläche des Flexor Bern TiEan carpi radialis und Pronator teres in sich aufzunehmen. Die erste Muskel- insertion, welche hierauf proximalwärts folgen würde, und laut der Herkunft des Muskels auf dem siebenten Myotom theilweise in das siebente Sklerozon fallen muss, ist jene des Coraco-brachialis. Aber diese Insertionsfläche ist nicht unbeträchtlich entfernt von jener des Pronator teres. Zwischen beiden sieht man, dass, allerdings durch Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 667 die Insertion der Membrana intermuscularis interna von einander ge- trennt, die Ursprungsfläche des ventral aus dem fünften und sechsten Myotom herstammenden M. brachialis internus an jene des dorsal aus dem siebenten und achten Myotom sich bildenden M. anco- naeus internus stößt. In dem Zwischenraum zwischen den Haft- stellen des Pronator teres und Coraco-brachialis findet sich also der Ventraltheil des sechsten Sklerozons in direkter Berührung mit dem Dorsaltheil des achten. In diesem Zwischenraume werden die Ven- traltheile des siebenten, achten und neunten Sklerozons vermisst. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass die Sklerozonie des Humerus, welche doch schon in Folge anderer Erscheinungen so komplieirt ist wie an keinem anderen Skelettheil, dadurch noch mehr verwickelt worden ist. Der untere Abschnitt des Ventraltheiles des siebenten Sklerozons hört also auf oberhalb der Ursprungsfläche des Pronator teres. In jenen Fällen, wo dieser Muskel noch Ursprung nimmt von einem vorhandenen Processus supracondyloideus, wird derselbe noch ins Bereich dieses und des sechsten Sklerozons fallen (Fig. 18 a). Der proximale Abschnitt des Ventralstreifens des siebenten Skle- rozons überzieht — medianwärts limitirt durch die Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum — die restirenden Theile der Haft- stellen des Coraco-brachialis und des Pectoralis major. Der Dorsaltheil dieses Sklerozons ist von sehr typischer Gestalt. Es fängt wieder auf der Vorderfläche des Epicondylus extensorius an, wo es einen Theil der Haftstellen des Extensor carpi ulnaris, Extensor digitorum und den restirenden Theil der Ursprungsfläche des Extensor carpi radialis longus und brevis überdeckt (Fig. 18 a), sodann biegt es sich auf die Hinterfläche des Humerus um (Fig. 18 4), verläuft hier, während es eine Zone der Ursprungsflächen des An- conaeus internus und den restirenden Theil jener des Externus über- deckt, aufwärts, wobei es sich allmählich in der Richtung des Suleus radialis medianwärts verlagert, dehnt sich im proximalen Drittel des Humerus über den medialen Rand dieses Knochens aus, um, nach- dem es einen Theil der Insertionsfläche des Latissimus dorsi in sich aufgenommen hat, wieder auf der Vorderseite des Humerus an der Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum zu enden (Fig. 18 a). Viel ausgesprochener als der Dorsaltheil des sechsten Sklerozons zeigt jener des siebenten den spiralförmigen Verlauf über den Hu- merus, findet sich doch sein proximales und sein distales Ende auf die Vorderfläche, das Mittelstiick auf die Hinterfläche, von radial unten nach medial oben verlaufend. 668 Louis Bolk Das achte Sklerozon ist am Humerus dem siebenten und sechsten gegenüber außerordentlich beschränkt, besonders der Ventraltheil sieht sich auf einen ganz kleinen Bezirk am distalen Ende einge- engt. Als dem achten Myotom zugehörige und den Humerus zur Anheftung benutzenden Muskeln sind doch nur der Palmaris longus, Flexor digitorum communis sublimus und Flexor carpi ulnaris zu verzeichnen. Da jeder dieser Muskeln auch noch Verwandtschaft zum neunten Myotom aufweist, muss also das achte Sklerozon von jeder der Ursprungsflächen der genannten Muskeln Fie. 19. eine Zone für das neunte Sklerozon frei lassen. Es : Vu wird sich, weil der Flexor carpi ulnaris überwie- ig = send von der Hinterfläche des Epicondylus flexorius \ Ber / seinen Ursprung nimmt, nothwendig zum Theil auf die Hinterfläche dieses Knochenfortsatzes ausdehnen l müssen. Wie es sich hier verhalten wird, zeigt | | Fig. 19. eve | Der Dorsaltheil des achten Sklerozons ist — | weil es überhaupt keine dorsalen Extremitiiten- ges muskeln giebt, welche dem neunten Myotom ver- wandt sind — jener des letzten Sklerozons, der sich über der Humerusoberfliche ausdehnt. Er iiberzieht die restirende Fläche der Haftstellen der Extensores digitorum und Extensores carpi ulnaris, findet sich desshalb noch ein wenig auf der Vorderfliche des Epicondylus radialis, biegt aber unmittelbar an dessem Rande um, erreicht die Hinterfläche des Humerus, wo er den restirenden Theil der Ursprungsfliiche des Anconaeus inter- nus überzieht, verjiingt sich aufwärts allmählich (Fig. 19), um mit seiner schmalen Spitze auf die Vorderfläche des Skelettheiles umzubiegen und hier noch den restirenden Theil der Insertionsfläche des Latissimus dorsi in sich aufzunehmen. Wie- wohl weniger ausgeprigt als bei dem Vorhergehen- den, ist doch der spiralférmige Verlauf dieses Sklerozons noch zu erkennen. Das neunte Sklerozon ist der metameren Anlage der Extremi- titenmuskulatur gemäß nur in dessen Ventraltheil vergegenwärtigt. Es sieht sich auf eine kleine Strecke an der Hinterfläche des Epicondylus ulnaris beschränkt, wo es die noch übrig bleibenden es ri ii eee Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 669 Theile der Ursprungsflächen des Palmaris longus, Flexor digitorum communis sublimus und Flexor carpi ulnaris überdeckt. Kritisches über das Sklerozonensystem des Humerus. Es werden durch drei Momente die Verhältnisse der Sklerozonen am Humerus derart komplieirt, dass man beim ersten Anblick kaum den Eindruck empfängt, es liege in diesem System, das ist in der Disposition der metameren Muskelinsertion, etwas Regelmäßiges und Primitives vor. Diese drei Momente sind der spiralförmige Verlauf des Ventroplanum und der einzelnen Sklerozonen, zweitens die ‘Unterbrechung des Ventraltheiles einiger Sklerozonen, und drittens das Fehlen des Ventroplanum am oberen Ende des Knochens. Diese drei Momente geben dem System als Ganzem ein so eigen- thümliehes Gepräge, dass man nur schwer die Erscheinung der metameren Insertion der Muskulatur am Skelet, am Humerus selbst hätte aufdecken können. Nur die Überlegung, dass an den an- deren Skeletabschnitten beider Extremitäten ein so einfaches und regelmäßig angeordnetes System sich leicht rekonstruiren lässt, und dass daneben kein triftiger Grund besteht, warum die Mo- tive, wodurch an diesen Theilen das System entstand, nicht auch am Humerus ein derartiges hätte entstehen lassen, drang als von selbst dazu, es hier zu suchen, wo es sich bei den übrigen Skelet- theilen als von selbst zeigt. Und wie sehr auch in Einzelheiten ab- geändert, unterscheidet sich das System in den typischen Merkmalen nicht von jenem der übrigen Skeletabschnitte. Eben dieses Abge- änderte gebiert neue Fragen, besonders nach der Weise, auf welche der definitive Zustand sich aus dem primitiven ableiten lässt, und zwingt dadurch zu einem tieferen Eindringen in das ontogenetische Geschehen im Gebiete des Oberarms. Dazu ist es nothwendig, dass wir anfangen den Ausgangs- zustand — der sich hier und dort am Extremitätenskelet mit un- wesentlichen Abänderungen noch wiederfindet — deutlich vor Augen zu stellen. Wie wir in unserer zweiten Abhandlung gesehen haben, lagern die metameren Muskelstreifen derart in der Extremität, dass das Ganze wie mantelförmig das axiale Blastem umhüllt, wobei die Streifen des fünften Myotoms dem cranialen Rand des Blastems entlang verlaufen, während caudalwärts (d. h. also bei der fertigen Extremität in seiner definitiven Stellung: ulnarwärts) die Streifen 670 Louis Bolk der nachfolgenden Myotome regelmäßig auf einander folgen. Das axiale Blastem scheidet dabei den dorsalen Streifen eines jeden Myotoms von dem ventralen. Von den beiden Randmyotomen stoßen dorsaler und ventraler Streifen unmittelbar an einander. Hat nun bei der Ontogenese jeder Muskelstreifen in seiner ganzen Länge überall, wo er das axiale Blastem überdeckt, sich mit demselben verbunden, dann müsste davon ein Sklerozonensystem die Folge gewesen sein, das auf jedem Querschnitt der Skelettheil ein Bild geben würde, wie in Fig. 21 dargestellt ist. Die ganze ventral schauende Fläche des axialen Blastems wurde eingenommen durch den regelmäßig neben einander angeordneten Ventraltheil der Skle- rozonen, in ihrer Gesammtheit also das Ventroplanum zusammen- setzend, welches an dem cranialen (radialen) und caudalen (ulnaren) Rand des Blastems ans Dorsoplanum grenzt. An diesen beiden Rändern stoßen dorsaler und ventraler Theil eines Sklerozons an einander, an dem cranialen Rand (dem radialwärts liegenden des fertigen Knochens in definitiver Stellung) gehören beide zu demselben (dem fünften) Sklerozon, an dem caudalen findet sich — weil das neunte Myotom wohl einen ventralen, aber keinen dorsalen Streifen besitzt — der ventrale Theil des neunten Sklerozons in direkter An- grenzung am dorsalen des achten. Wenn wir dieses festgestellt haben, können wir uns die Frage zur Beantwortung vorlegen: in welchem Sinne zeigen auffolgende Querschnitte des Humerus Differenzen von diesem Ausgangszustand, und welches Licht wirft diese Abänderung auf die Formbildung dieses Knochens. Am leichtesten werden wir die Abänderungen verstehen können, wenn wir Querschnitte verfolgen von unten nach oben. Fig. 20 giebt einen Kontour eines Querschnittes wieder, welcher etwas schräg zur Achse des Humerus getroffen, durch die äußere Spitze der beiden Epieondylen verläuft. Folgendes hebt sich in diesem Querschnitt als charakteristisch hervor. Die Schnittpunkte der Scheidungslinie zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum fallen nicht zusammen mit der Stelle, wo die eine Fläche des Knochens in die gegenüber gestellte sich umbiegt, wie es im ursprünglichen Zustande der Fall gewesen sein muss, das heißt also, in diesem Querschnitt ist das Ventroplanum nicht identisch mit Vorderfläche, oder Dorsoplanum mit Hinterfläche des Knochens. Im Gegentheil, das Ventroplanum greift noch auf die Hinterfläche des Gelenkendes über etwa bis an den medialen Rand der Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 671 Trochlea, nimmt also den ganzen Epicondylus internus in sich auf. Dagegen überdeckt das Dorsoplanum die vordere Fläche des Epicon- dylus lateralis bis ungefähr an die Aquatoriallinie der Eminentia capitata. Hieraus folgern wir, dass die scharfe mediale und laterale Kante, durch welche am distalen Ende des Humerus die Vorderfläche von der Hinterfliiche abgesetzt ist, nicht identisch ist mit dem ur- sprünglich cranialen und caudalen Rande des axialen Blastems. Vielmehr ist durch Wachsthumsvorgänge der ursprünglich craniale (das heißt radiale) Rand des axialen Blastems (gekennzeichnet durch die Stelle, wo das fünfte Sklerozon durchschnitten ist) auf die Vor- derfläche des sich bildenden Knochens verschoben, während der ursprünglich caudale oder ulnare Rand auf die Hinterfläche gelangt Fig. 20. Querschnitt durch den unteren Theil des Humerus mit Andeutung des Ventroplanum (fette Kontour- linie) und der Sklerozonen. ist. Durch diese Erscheinung treten die beiden Condylen des Hu- merus in ein ganz besonderes Licht. Wenn doch der ganze Epicon- ‘dylus medialis sich vom Ventroplanum überzogen erweist, so ist es eine nothwendige Konsequenz meiner Anschauungen, dass nun auch der Epicondylus ulnaris ein Gebilde ist, das als eine Protube- ranz auf der ventralen Fläche der Skeletanlage Ursprung nahm, und dass seine seitliche Lage eine erst im Laufe der ontogenetischen Entwieklung erworbene ist. Selbiges gilt mutatis mutandis für den lateralen Epicondylus, derselbe ist entstanden als eine Protuberanz auf der Dorsalfläche der Skeletanlage, und ist erst später in eine seitliche Disposition gerückt. In diesem Geschehen, das wir unten in seinen Einzelheiten verfolgen werden, findet sich der Schlüssel für die Topographie der Nervenstämme in der Region des Cubital- gelenks. 672 Louis Bolk Wir können nun die Sachlage mehr ins Einzelne verfolgen, wenn wir auf ein anderes Typicum der Sklerozonendurchschnitte in Fig. 20 die Aufmerksamkeit gelenkt haben. Wie wir es erwarten konnten, schließen sich an dem Schnittpunkt der radialen Grenze zwi- schen Dorsoplanum und Ventroplanum die Ventralstreifen und Dorsal- streifen des fünften Sklerozons unmittelbar an einander. Zwischen den beiden Komponenten des sechsten liegt das ganze fünfte, zwi- schen jenen beiden des siebenten das sechste und fünfte ete. Man erblickt aber, dass die Breite der Sklerozonen eine sehr schwankende ist und doch etwas Regelmäßiges zeigt. Im Ventroplanum sind das fünfte und sechste ungemein breit im Vergleich mit dem siebenten, achten und neunten, im Dorsoplanum weist das achte eine außer- ordentliche Breite auf im Gegensatz zum fünften, sechsten und siebenten Sklerozon. Wir haben also im Dorsoplanum und Ventro- planum eine analoge Erscheinung, nur mit dem Unterschied, dass im Ventroplanum die Sklerozonen der mehr eaudalen Myotomen, im Dorsoplanum jene der mehr eranialen eine geringe Breite aufweisen. Wir werden versuchen an der Hand des jetzt Erörterten uns eine Vorstellung zu bilden über die Vorgänge, welche während der Ontogenese in diesem Abschnitt des Humerus sich abgespielt haben, Vorgänge, welche von so wesentlichem Einfluss waren auf die Ver- bindung zwischen Oberarm und Unterarm. Da die Vorgänge, auf welche jetzt hingewiesen werden muss, bestimmend sind für den Verlauf der Nervenstämme, weil umge- kehrt die topographischen Verhältnisse derselben in Verband mit der metameren Zusammensetzung der Stämme in dieser Gegend, eintreten für die Richtigkeit unserer Reflexionen, muss ich, vorausgreifend auf meine in der zweitfolgenden Abhandlung zu Fig. 21. erfüllende Aufgabe, die Lagerung der Ner- apy oe venstimme in den folgenden Auseinander- setzungen mit einbegreifen. Ich habe die- selben in der Fig. 21 durch kreisrunde Linien angegeben und eingezeichnet an jenen Stel- len, welehe ihnen laut ihrer metameren Zusammensetzung zuzuweisen sind: der N. medianus und ulnaris liegen beide ventral resp. zur Höhe der Grenze zwischen dem sechsten und siebenten und zwischen dem achten und neunten Sklerozon, der Radialis dorsal zur Höhe des sechsten Sklerozons. Ich stelle mir nun die Entstehungsweise des definitiven Zustandes in folgender Weise vor. 7 ’ y Un da % DA, huis Dheordat Erklarung im Text. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. Ill. 673 Es fängt auf der Vorderfläche des Blastems eine Protuberanz sich zu bilden an. Diese Protuberanz, wohl entstanden unter dem Ein- fluss der an dieser Stelle sich festheftenden starken Muskulatur, welche die Flexoren für Hand und Finger liefert, beginnt etwa auf der Grenze zwischen dem sechsten und siebenten Sklerozon, erreicht ihren Gipfelpunkt ungefähr im Gebiete des achten Sklero- zons, um sich theilweise in diesem, theilweise in dem neunten Sklerozon wieder abzuflachen (Fig. 22). Durch diese Protuberanz werden N. ulnaris und medianus von einander gedrängt, ersterer kommt radial (= cranial), letzterer ulnar (= caudal) von der Er- hebung zu liegen. Auch an der Hinterfliiche bildet sich ein Vorsprung aus, wofiir man eben sowohl die Anheftung der Extensoren fiir Hand und Finger verantwortlich machen darf. In Gegensatz aber zu jener an der ventralen Fliiche erhebt sich diese Protuberanz iiberwiegend auf Fig. 23. Erklarung im Text. die radiale (= craniale) Hälfte, sie findet ihren Gipfelpunkt unge- fähr im sechsten und siebenten Sklerozon und flacht sich im Be- reiche des letzteren wieder ab. In Folge seiner primitiven Lagerung kommt der N. radialis radial von dieser Erhebung zu liegen. Der ursprünglich transversale Durchmesser der Skeletanlage verlief von der radialen (cranialen) Grenze des Ventroplanum bis zu dessen ulnarer Grenze. Durch die einfache Entwicklung beider Protuberanzen bleibt dieses Verhalten noch bestehen. Es ändert sich aber durch die jetzt sich anschließende Umbildung. Es fängt nämlich die ventral entstandene, ulnar sich findende Erhebung an, sich gleichsam in ulnarer Richtung umzubiegen, wodurch die Ver- bindungslinie zwischen dem Kulminationspunkt dieser Vorwölbung und der transversalen Achse der Skeletanlage, welche anfänglich senkrecht zu einander gedacht werden müssen, einen ulnarwärts all- mählich schärfer werdenden Winkel mit einander zu bilden anfangen. 674 Louis Bolk Durch diese Umbiegung wird die Protuberanz von einer ventralen Erhebung in eine seitliche Tuberosität oder Leiste übergeführt, zu- gleich aber ist dadurch der primitive Ulnarrand der Skeletanlage auf die Hinterfläche des Skelettheiles verschoben. Mechanisch wurde durch diese Umbiegung der N. ulnaris mitgezogen und gelangte aus seiner ursprünglich ventralen Lagerung in eine dorsale. Der N. medianus, von Anfang an weiter radial gelagert, entzog sich dem mechanischen Einfluss dieser Umbiegung, verblieb also ventral. Wir können hier sofort an die erörterten Erscheinungen die Besprechung des Processus supracondyloideus anknüpfen, jener freien Knochenspitze oder in extremen Fällen Knochenbrückchens, welche sich nach den Untersuchungen von GRUBER, TESTUT und HULTKRANTZ in etwa zwei Procent beim Menschen als Atavismus wiederfindet. Über die intersklerozonale Entstehungsstelle dieses Processus werden wir unterrichtet durch die Thatsache, dass bei dessem Vor- kommen der M. pronator teres seine Ursprungsfläche auf denselben ausdehnt. Dieser Muskel war bei meinem Individuum ein Produkt des sechsten und siebenten Myotoms. Ob dieser den am häufigsten vorkommenden Zustand darstellt, kann ich nicht entscheiden, allein andere Autoren (PATERSON [20], HERRINGHAM [14]) machen von einer metameren Herkunft aus dem fünften und sechsten Myotom Mel- dung, ein Zustand, der auch von mir beobachtet ist. Nehmen wir also den Mittelzustand, dann können wir als sichergestellt annehmen, dass am Processus supracondyloideus sich Muskelmaterial des sech- sten Myotoms anheftet. Derselbe hat also nach meiner Auffassung im Bereiche des sechsten Sklerozons aus einem Vorsprung der Skelet- anlage Entstehung genommen. Der N. medianus, den wir in diesem Niveau der Extremität zur Höhe des siebenten Sklerozons verlegt haben', findet sich also bei der Entstehung eines Processus supra- condyloideus ulnar von diesem. Dadurch findet sich dieser Nerven- stamm zwischen der Hervorwölbung, woraus der Processus supra- condyloideus entsteht, und der Protuberanz, woraus der Epicondylus ulnaris hervorgehen wird. In Fig. 24 habe ich in einem Querschnitt des axialen Blastems, mit Andeutung der Sklerozonengrenze, durch Kontouren angedeutet ! Die Gründe, warum ich die Nervenstiimme an den angedeuteten Stellen eingezeichnet habe, können erst in der fünften Abhandlung aus einander ge- setzt werden, wenn ich die Beziehung zwischen Topographie und Metamerie des Nervensystems besprechen werde. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 675 die Stellen, wo der Vorsprung des Epicondylus ulnaris und jener des Processus supracondyloideus sich intersklerozonal finden werden, und wie die Nervenstiimme hinsichtlich bei- der verlaufen. Die Protuberanz nun, woraus Fig. 24. sich der Processus supracondyloideus bildet, zeigt dasselbe Phänomen wie jene, aus welcher sich der Epicondylus ulnaris bildet, sie biegt sich nämlich in ulnarer Richtung um, wird gleichsam in dieser Richtung ver- zogen, und übt auf den N. medianus den- Erklärung im Text. selben Einfluss aus wie der Epicondylus ulnaris auf den N. ulnaris, wodurch der Nerv schließlich hinter dem Processus zu verlaufen kommt. In jenen Fällen, in welchen es zu einer Verbindung kam zwischen beiden Protuberanzen, unter Bildung eines Kanals für den N. medianus, darf man das Ulnarumbiegen derselben als einen einheitlichen Vorgang betrachten; bleibt die Briickenbildung aus, so gehen beide Vorgänge unabhängig von ein- ander vor sich. Wir deuten also den Processus supracondyloideus als ein Pro- dukt nicht vom ulnaren Rande der Humerusanlage, sondern im Gegentheil als ein solches, das sich auf deren primitiver Vorder- fläche emporgehoben hat, und zwar ziemlich nahe dem ursprünglich eranialen (d. h. radialen) Rande. Bei oberflächlicher Betrachtung eines Humerus mit einem Processus supracondyloideus, besonders wenn derselbe stark entwickelt ist und mit seiner Spitze fast den Epicondylus ulnaris berührt, macht es den Eindruck, als sei dieser Processus das Produkt des Ulnarrandes des Humerus, ein Eindruck, der scheinbar Bestätigung findet durch Beobachtung niederer Affen mit normalem Foramen supracondyloideum. Betrachtet man aber näher, dann sieht man, wie dieser Processus sich im Humerus- schafte implantirt an einer Stelle, welche vom sechsten Sklerozon überzogen ist, ein neuer Beweis also, dass der Processus nicht ent- stand in der ulnaren (caudalen), sondern in der radialen (rostralen) Hälfte der Vorderfliiche des axialen Blastems. Der durch Wachs- thumsvorgänge zu Stande kommende Torquirungsprocess, dem der ganze distale Theil der Humerusdiaphyse unterliegt, zieht auch deren Processus supracondyloideus in Mitleidenschaft. An jedem erwachsenen Humerus, welcher diese Anomalie auf- weist, ist obenstehende Auffassung zu bestätigen. Als eine in die Richtung des Epicondylus ulnaris weisende, gleichsam ulnarwärts 676 Louis Bolk verzogene, mehr oder weniger hakenförmig umgebogene Knochen- spitze ist derselbe in der Vorderfläche der an dieser Stelle schon ziemlich abgerundeten Humerusdiaphyse implantirt. Betrachten wir jetzt näher die Vorgänge an der Hinterfläche (Dorsalfläche) der Anlage. Es hat sich hier ein analoger Process abgespielt wie an der Vorderfläche (Fig. 22). Er wird eingeleitet durch die Entstehung einer Protuberanz, welche aber im Gegensatz zu jener, welehe sich aus dem Ventroplanum hervorwölbt, sich über- wiegend im Bezirk der radialen Sklerozone, nämlich des siebenten, sechsten und fünften bildet. Der N. radialis, welcher, wie gesagt, zur Höhe des sechsten Sklerozons verläuft, kam radial vom Kul- minationspunkt dieser Protuberanz zu liegen. Während sich nun die ventrale Vorwölbung ulnarwärts umbiegt, zeigt die dorsale eben ein Umbiegen in radialer Richtung mit der Folge, dass ein Theil der ursprünglichen Dorsalfläche der Anlage (des Dorsoplanum) nach stattgefundener Umbiegung ventralwärts zu schauen kommt (Fig. 23). Die ursprünglich radiale Grenze des Ventroplanum, welche mit dem primitiven radialen Rande des axialen Blastems zusammen- fiel, wird dadurch auf die Vorderfläche verschoben, und der N. ra- dialis wird gleichsam mechanisch mitgezogen, aus seiner ursprüng- lich dorsalen Lagerung in eine ventrale übergeführt. Mit Obenstehendem haben wir unter Zuhilfenahme der von uns verfochtenen Grundanschauung bezüglich der Beziehung zwischen Muskulatur und Skelet die ontogenetischen Wachsthumsvorgänge im distalen Theil des Humerus aus der Sklerozonie abzuleiten versucht. Insbesondere die natürliche und einfache Weise, woraus sich die sonst so räthselhafte Lagerung der Nervenstämme hinsichtlich des Distalendes des Humerus durch den beschriebenen Process erklärt, ist mir ein neuer Beweis dafür, dass mein allgemeiner Gedanken- gang ein richtiger ist. Es ist hier die richtige Stelle zur Andeutung der Ansichten, auf welche ich von selbst durch die vorhergehenden Erscheinungen angewiesen bin hinsichtlich der noch immer nicht endgültig ent- schiedenen Frage der Humerustorsion. Was dieser Theorie am mei- sten geschadet hat, ist die allzugroße Bedeutung, welche ihr durch MARTIN und später von GEGENBAUR zuertheilt worden ist bezüglich der Differenz in der Stellung der vorderen und hinteren Extremität. Die Torsion des Humerus als die Ursache anzusehen, durch welche die vordere Extremität um 180° gegen die hintere gedreht erscheint, wird jetzt noch kaum durch Einen vertheidigt, wo selbst GEGENBAUR Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 677 auf diese Ansicht zurückgekommen scheint. Dies leite ich nämlich ab aus dem folgenden Satz aus der »Vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere« pag. 523: »Die Veränderung des Skelets in der Vorder- gliedmaße ist von einer Drehung des Humerus begleitet, die sich theilweise noch während der Ontogenese vollzieht.« Die Torsion wird also nicht mehr allein verantwortlich gemacht für den Unter- schied zwischen beiden Extremitäten. Von der anderen Seite ist man meines Erachtens fehlgegangen, die Torsion des Humerus zu negiren auf Grund dessen, dass man für die differente Stellung zwischen oberer und unterer Extremität andere Momente anzu- führen vermochte, oder wie es von Sriepa gethan wird, durch das Verneinen einer jeden Rotation oder Torsion der Extremitäten (22). Eins schließt das Andere nicht nothwendig aus. Überdies liegen doch immer noch die von GEGENBAUR angestellten Messungen über die Größe der sogenannten Torsionswinkel vor, welche un- widerleglich zeigen, dass dieser Winkel bei Föten einen kleineren Werth besitzt als beim Erwachsenen. Was für mich diese Befunde von GEGENBAUR so werthvoll macht, ist die Thatsache, dass ich nach dem oben von mir eingeschlagenen Wege zu demselben Re- sultat gelange wie GEGENBAUR, und desshalb dem oben eitirten Satz mich voll und ganz anschlieBe. Ich werde dazu den Einklang zwischen den embryologischen Befunden von GEGENBAUR und meiner auf Grund der Sklerozonie gegebenen Darstellung des ontogenetischen Geschehens am distalen Humerusende zeigen. GEGENBAUR hat bekanntlich aus einer Reihe von Messungen be- stimmt, dass der sogenannte Torsionswinkel des Humerus allmählich srößer wird. Während derselbe beim Erwachsenen 168° beträgt, fand er bei Embryonen unterschiedener Lebzeiten Werthe, welche schwanken von 121° bis 158°. Als Parallele zu dieser Erscheinung hat Broca (8) eine Steigerung der Größe des Torsionswinkels von den niederen zu den höheren Menschenrassen nachgewiesen. Bei ersteren fand er einen Werth von 130—140°, bei letzteren von 160 — 165°. Huntkrantz (16) giebt für das normale männliche Schwedenskelet einen Mittelwerth von 160,8° an, für das weibliche 166°, während er bei Steinalter und Lappenskeletten einen Mittel- werth von 151,8 resp. 153,3° findet. Was unter Torsionswinkel verstanden wird, leuchtet Fig. 25 ein. Es ist der Winkel 4 de, welchen die Achse des Humeruskopfes a e mit der Transversalachse 5 ce des Humerusendes bildet. Die Achse 5 e Morpholog. Jahrbuch. 27. 44 678 Louis Bolk ist jene, welehe die zwei äußeren Punkte des Epicondylus ulnaris und radialis mit einander verbindet. Der Torsionswinkel ist nun, wie GEGENBAUR gezeigt hat, bei Embryonen kleiner wie beim Kinde, beim Kinde geringer wie beim Erwachsenen. Dass es eine Uberein- stimmung giebt zwischen diesem Befund und unseren Auseinander- setzungen, zeigt sich, wenn wir uns die Frage vorlegen nach der Herkunft der beiden Epicondylen. Den ulnaren haben wir kennen gelernt als entstanden aus einer auf der Ventralfläche sich hervorwölbenden, später ulnarwärts sich umbiegenden Erhebung; den radialen als eine auf der Dorsalfläche entstandene, radialwärts sich umbiegende Protuberanz. Wollen wir uns also eine primitivere Entwieklungsphase rekonstruiren, so müssen wir die beiden Epicon- dylen, jeden für sich, gleichsam zurückdrehen, den ulnaren radial- Erklärung im Text. wärts, so dass er wieder auf die Vorderfliiche verschoben ist, den radialen ulnarwärts auf die Hinterfläche, wie es in der Figur durch Pfeilchen angedeutet ist. Hatten wir dasselbe z. B. bis zur Spitze der Pfeilchen vollzogen, und dadurch zugleich die Verbindungsachse in einen Verlauf gebracht, wie durch die Linie 0’ c’ angedeutet ist, dann sehen wir, dass thatsächlich der Torsionswinkel 8’ de kleiner ist als bde. Wir sehen also: wenn wir unseren auf. Grund der Sklerozonie geschlossenen ontogenetischen Process rückgängig machen, so resultiren daraus Erscheinungen, welehe in Einklang stehen mit embryologischen Beobachtungen. Dieses spricht für die Richtigkeit des angewendeten Grundgedankens. An der anderen Seite geben uns unsere Anschauungen Grund, um im Humerus einen Knochen zu sehen, welcher an seinem distalen Ende torquirt ist. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 679 Wie aus Obenstehendem genügend hervorgeht ist nun allerdings diese Torsion nicht derart zu Stande gekommen, dass der Knochen als Ganzes in seinem distalen Ende um seine Längsachse sich rotirt hat, und daher sind alle Versuche einer Retorsion, wie sie z. B. von ALBRECHT als Beweise gegen die Torsion angeführt sind, von vorn herein verfehlt. Durch eine Rotation des Schaftes als Ganzes um seine Achse würde niemals die definitive Lagerung der Nervenstiimme entstanden sein können. Es ist desshalb ganz richtig von ALBRECHT, wenn er aufmerksam macht darauf, dass nach Retorsion des Humerus um 180° die Nervenstämme in anderer Riehtung torquirt um das Extre- mitätenskelet verlaufen. Allein dieses zeugt für das Fehlerhafte der angewendeten Methode, nicht gegen eine Torsion des Humerus in seinem distalen Ende. Wir werden später noch nachweisen, welchen Antheil die Humerustorsion hat an der definitiven Stellung der Ex- tremität. Hier sei nur bemerkt, dass dieselbe nicht verantwortlich zu machen ist für die Verdrehung der oberen Extremität gegen die hintere um 180°. Die Torsion ist, wie GEGENBAUR sich jetzt äußert, eine Begleiterscheinung, und dieser Auffassung muss ich vollständig beistimmen. . Wer an der Hand dieser Auseinandersetzungen einen Humerus betrachtet, muss zustimmen, dass die oben erörterten Vorgänge be- stimmend waren für die Relieferscheinungen an der unteren Hälfte des Humerus, besonders wenn er einen derartigen mit einem Pro- cessus supracondyloideus dazu wählt. Das Gesammtbild der mehr oder weniger in spiralförmigem Verlauf gezogenen scharfen Linien trägt die Umbildung beider Epicondylen klar zur Schau, besonders die scharfe radiale Leiste, welche sich nach oben fortsetzt in die Um- grenzung des Sulcus radialis. Ich muss aber sofort bemerken, dass dieser Suleus selbst in seiner ganzen Länge nicht die Folge des am distalen Ende des Humerus vor sich gegangenen Processes ist. Qua talis ist der Sulcus hervorgerufen durch den Verlauf der Nerven, und dieser den Humerus umschlingende Verlauf ist nicht allein die Folge der beschriebenen Vorgänge. Die Spiraltour des Radialis ist die Folge von zwei Momenten, unabhängig von einander, aber in gleicher Richtung wirksam. Die untere Hälfte der Spiraltour ist die Folge des beschriebenen Vorganges am Epicondylus radialis, wobei der Nerv, wie gezeigt, gleichsam mechanisch mitgeführt worden ist, die obere Hälfte ist die Folge von der caudalen Verschiebung der ganzen Extremität in Verband mit der ursprünglich metazonalen 44* 680 Louis Bolk Lagerung des Nerven. In der folgenden Abhandlung wird das weiter aus einander gesetzt werden. In einer früher erschienenen kurzen Ahhandlus (4), welche die Sklerozonie des Humerus zum Gegenstand hat, ist bereits der Skle- rozonenverlauf über den Humerus angegeben. Ich hatte aber da- mals keine Kenntnis von der metameren Anlage der Muskeln, welche am Epicondylus medialis und lateralis Ursprung nehmen. Wiewohl ich mich schon in dieser Abhandlung auf Grund der Erscheinungen am Sklerozonensystem zu Gunsten der Torsion aussprach, hatte ich mir damals doch eine Vorstellung derselben gebildet, welche nicht in Allem übereinstimmt mit der oben gegebenen. Die, wie ich jetzt überzeugt bin, in Einzelheiten etwas unrichtige Vorstellung von da- mals beruhte auf einer nur partiellen Kenntnis der Muskelmetamerie, die nachher erworbene Kenntnis der Segmentalzugehörigkeit auch der am meisten distal sich am Humerus festknüpfenden Muskeln setzte mich in den Stand, den Process mehr in Einzelheiten zu verfolgen, erklärte mir die Topographie der Nervenstämme und lehrte mich jenes erkennen, was in meiner früheren Auffassung nicht richtig war. Die Weise, auf welche sich auf Grund der Sklerozonie die Topographie des N. ulnaris hinsichtlich des distalen Endes des Hu- merus zu Stande gekommen erweist, öffnet uns, wie ich meine, einen Weg, um der Frage näher zu treten nach der Entstehungsursache des N. ulnaris. Bekanntlich findet man bei niederen Formen nur einen einzigen ventralen Extremitätennerv, der dem N. medianus + ulnaris der höheren Formen entspricht. Bei den niederen Formen (Amphibien) haben also sämmtliche metamere Nervenfasern Gelegenheit, sich zu einem einzigen Stamme zu vereinen. Dieses erweckt das Vermuthen, dass bei diesen Formen die Entwicklung des distalen Theiles des Humerus auf andere Weise geschah, als bei jenen Formen mit einem gesonderten N. ulnaris und medianus. In der auf der Ventralfläche des Humerus sich erhebenden Protuberanz, welche sich später medial- wärts umbiegt, sehen wir doch das Impediment zu einer Vereinigung sämmtlicher metameren Nervenfasern zu einem einheitlichen Stamme. Und wir können jetzt vermuthen, dass bei niederen Formen dieses Impediment nicht besteht, das Distalende des Humerus ontogenetisch andersartig sich entwickelt, und dass als wahrscheinlich gelten kann, dass phylogenetisch die Spaltung des einst einheitlichen ventralen Extremitätennerven auf der Vorwölbung beruht, welche am distalen Ende des Humerus in der Mitte des Ventroplanum sich allmählich Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 681 ausbildete. Durch diese Ansicht haben wir auch diese Erscheinung in der Anatomie des Nervensystems auf ein mechanisches Moment, von einem Nachbarorgan herrührend, zurückgeführt. Betrachten wir jetzt Querschnitte des Humerus, welche mehr proximal gelagert sind, und fangen wir an mit einem solchen, der ungefähr aus der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel genommen ist (Fig. 26). Das Ventroplanum zeichnet sich hier da- durch aus, dass es sich dem vorangehenden Querschnitt gegenüber verschmälert, sich ganz von der Hinterfläche des Humerusschaftes zurückgezogen hat. Dieses ist Fig. 26. verknüpft mit der Erscheinung, dass an dieser Stelle die Querschnitte von nur zwei Sklerozonen sich finden, da weder das siebente noch das achte und ® BD > neunte hier das Ventroplanum zusammensetzen 4 helfen. Im Dorsoplanum dagegen finden wir alle Sklerozonen vom fünften bis zum achten anwesend. Firklärung im Text. An der radialen Grenze finden sich also die beiden Theile des fünften Sklerozons noch unmittelbar neben einander, während an der Ulnargrenze der Ventraltheil des sechsten Sklerozons an den Dorsaltheil des achten stößt. Wir finden in der Erscheinung am Sklerozonensystem einen Parallelismus an jene, welehe wir bei den Myotomen kennen gelernt haben. Denn ein Theil eines Sklero- zons muss fehlen an jenen Stellen, wo die Elemente des zugehörigen Myotoms abwesend sind. Das Hiat in den Myotomstreifen am Ober- arme, worauf ich in meiner zweiten Abhandlung an mehreren Stellen hingewiesen habe, muss sich ebenfalls bei den Sklerozonen zeigen. Und eben so wie wir dort gezeigt haben, dass sich dieses Hiat nach oben zu durch das Auftreten von ventralem Material des siebenten Myotoms wieder theilweise ausfüllt, so sehen wir auch wieder an einem höheren Querschnitt des Humerus den Ventral- theil des siebenten Sklerozons von Neuem auftauchen. Dies zeigt uns Fig. 27, welche einen Querschnitt des Humerus wiedergiebt, etwas oberhalb der Mitte dieses Knochens. Wir sehen hier, dass der Ventraltheil des siebenten Sklerozons sich eingeschoben hat zwischen den Ventraltheil des sechsten und den Dorsaltheil des achten. Zugleich aber sehen wir, dass nichtsdestoweniger die Aus- breitung des Ventroplanum sich, im Vergleich mit jener am vorher- gehenden Schnitte, wieder verschmälert hat. Und diese Erscheinung tritt noch schärfer zum Vorschein, wenn wir einen Schnitt be- trachten, der durch das untere Ende der Spina tubereuli majoris ur U. 6 &. 682 Louis Bolk seht (Fig. 28). Hier findet sich das aus dem fünften, sechsten und siebenten Sklerozon zusammengestellte Ventroplanum derart ver- schmälert, dass fast die ganze Cirkumferenz des Knochens vom Fig. 27. Fig. 28. Br NN iC) 6 sips Erklärung im Text. to] Dorsoplanum überzogen ward, wodurch ein Übergang dargestellt wird zu dem Zustand am proximalen Theil des Knochens, wo das Ventroplanum ganz fehlt. Die Sklerozonie des Vorderarmskelettes. Es ist nicht statthaft bei der Besprechung des Sklerozonenver- laufes über das Vorderarmskelet die beiden Komponenten dieses Extremitätensegmentes von einander zu trennen. Man darf im Un- klaren darüber sein, in welcher Lagerung zu einander sie sich aus dem axialen Blastem bildeten und in wie weit Supination oder Pro- nation oder »Mittelstellung« derselben den »primitiven« Zustand wiedergiebt, fest steht, dass sie sich aus der ursprünglichen gemein- schaftlichen Grundmasse in einer oder der anderen Weise neben ein- ander angelegt und weiter entwickelt haben, und dass dieses Bla- stem hinsichtlich der Myotomstreifen sich eben so verhielt wie jenes vom Oberarme, mit dem es ursprünglich ein einheitliches Ganzes bildete, das heißt an der einen Fläche kam die ventrale Muskel- masse zur Insertion, während die andere, dorsalwärts schauend, von der dorsalen Muskulatur zur Anheftung benutzt wird. Daher kommt tadius und Ulna nicht ein besonderes System zu, sondern die bei- den Knochen insgesammt der Membrana interossea sind von einem System überzogen. Wir werden wieder anfangen die Grenze zwischen Ventro- und Dorsoplanum zu bestimmen, und finden die Daten dazu in fol- sender Tabelle, worin nebst metamerer Anlage die Zugehörigkeit jedes Muskels zu ventraler oder dorsaler Muskulatur angedeutet ist. en ee Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 683 Tabelle der Muskeln, welehe Haftflächen am Unterarmskelet besitzen. | Zugehörigkeit zur Muskel Metamere Anlage dorsalen oder ven- tralen Muskelmasse Biceps 5+6 ventral Brachialis internus 5-6 ventral + dorsal Pronator teres 6+ 7 ventral Flexor pollicis longus 6+ 7 - Flexor digitorum prof. 7+8+9 - Pronator quadratus 67.15 8 | - Brachio-radialis 5 +6 | dorsal Supinator 5+6+7 - Abduetor pollieis I. | 6+7 - Extensor pollicis br. 6+7 - Triceps brachii 6+7+8 - Extensor pollicis 1. 7 | - Anconaeus quartus 7+8 “ Extensor carpi ulnaris | 7+8 - Indicator proprius TH4'8 - Das Ventroplanum wird also in sich fassen miissen die Haft- stellen der fünf erstgenannten Muskeln (siehe Fig. 29 a und 29 3). Was ich an meinem Präparat vermisste, war ein Ursprung des Flexor digitorum sublimus yom Radius, dessen eventuelle Ursprungs- fläche also ebenfalls innerhalh der Grenzen des Ventroplanum fallen würde. Eine Übersicht über die Ausdehnung der beiden Plana erlangt man am besten, wenn man die Knochen im Supinationszustand be- trachtet. Bei einer derartigen Lagerung wird die ganze Vorderfläche der Ulna vom Ventroplanum bestrichen mit Ausnahme einer schmalen Zone, welche am proximalen Ende radial gelagert ist (Fig. 30). Ein Theil der Insertionsfläche des Brachialis internus fällt ins Dorso- planum. Eben die gemischte Natur dieses Muskels, theilweise aus der ventralen, theilweise aus der dorsalen Muskelmasse herstammend, ist bestimmend dafür, dass die Grenze zwischen Ventro- und Dorso- planum dessen Insertionsfläche überziehen muss. Eigenthümlicher Weise sehen wir für den Radius eine analoge Erscheinung. Auch dessen ganze Vorderfläche fällt dem Ventroplanum zu mit Ausnahme einer proximalen radialen Zone, wo sich der dorsale M. supinator inserirt. Zeigt also das Ventroplanum in diesen beiden Erscheinungen ein eigenthümliches Gepräge, so kommt noch eine andere Übereinstim- 684 Louis Bolk mung in dessen Verhalten auf beiden Knochen heraus, wenn wir jeden Knochen gesondert betrachten. Fangen wir an. ul dem Radius. Hier liegt das Ventroplanum eingeschaltet zwischen. zwei Gren- zen, welche sich als eine radiale und ulnare unterscheiden lassen. Die radiale fängt an am Vorderrande des Processus styloides und Fig. 29 b. OF: Pron. qaay| 2225: Haftflachen der Muskeln an der Vorderfläche des Haftflachen der Muskeln an der Hinterfliche des Vorderarmskelettes mit Andeutung der metameren Vorderarmskelettes mit Andeutung der metameren Anlage der Muskeln. Anlage der Muskeln. folgt jetzt dem radialen Rande des Knochens (Fig. 31) bis etwa oberhalb der Mitte desselben, und biegt sich von dort auf die Vor- derfliiche des Radius über, dabei erst seinen Verlauf nehmend zwi- schen der Insertion von Supinator und Pronator teres, sodann zwischen jener vom erstgenannten Muskel und der Insertion des Biceps brachii, Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 685 dem vorderen Rande der Tuberositas entlang. Die ulnare Grenze (Fig. 32) verläuft der Crista interossea entlang, so weit dieselbe als markirte Linie auf der Skeletoberfläche kennbar ist, um weiter auf- wärts einen nach dorsal gerichteten Verlauf einzuschlagen, so dass er dorsal von der Tuberositas radii verläuft. Fig. 31. Fig. 32, i > CLI Of? LZ LAL irrt 7 == c — Ulnarseite des Radius mit Verlauf der radialen Grenze dem Verlauf der Ulnargrenze Das Ventroplanum des Vorderarm- des Ventroplanum über dem des Ventroplanum dieses skelettes. Radius. Knochens. Während also das Ventroplanum im mittleren und unteren Ab- schnitt palmar von der Skeletachse gelagert ist, findet es sich proxi- mal ulnarwärts von derselben. Es beschreibt also einen Theil einer Spiraltour um die Radiusachse. Diese Verschiebung des Ventro- planum hinsichtlich der Längsachse illustrirt Fig. 33, wo ich mehrere 686 Louis Bolk nicht gegen einander rotirte’ Querschnitte des Radius wiedergebe und durch fetten Kontour den vom Ventroplanum iiberdeckten Abschnitt angedeutet habe. Auch an der Ulna ist das Ventroplanum umgrenzt durch zwei Grenzen, welche als eine radiale und ulnare sich unterscheiden lassen. Die radiale folgt (Fig. 34) der Crista interossea, bis die- selbe sich abflacht, um dann, auf die Vorderfläche des Knochens umbiegend, über die Tuberositas ulnae hinwegzuziehen. Die ulnare (Fig. 35) Grenze folgt der scharfen Knochenleiste, worin abwärts die Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. es —— == I N | N + ell Y S ? | j a | Co S R Kur we N } N KN I N iV Erklarung im Text. Vorderfläche der Ulna mit dem Dorsalseite der Ulna mit dem Verlauf der Radialgrenze des Verlauf der Ulnargrenze des Ven- Ventroplanum dieses Knochens. troplanum dieses Knochens. dreieckige Fläche des Oleeranon sich fortsetzt, bis wo diese Leiste am unteren Drittel der Ulna sich abflacht. Weil an diesem Theil der Ulna- oberfläche Muskelanheftungen fehlen, ist der meist distale Verlauf der Grenze ziemlich unbestimmt, nur steht so viel fest, dass die An- heftungsfläche des Pronator quadratus ganz innerhalb des Ventro- planum fällt. Macht man nun Skizzen vom Querschnitte durch die Ulna, welche nicht gegen einander rotirt sind, dann kommt an der Ulna eine ähnliche Erscheinung zum Vorschein wie am Radius, näm- lich dass das Ventroplanum in seinem oberen Abschnitt hinsichtlich Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 687 der Skeletachse anders gelagert ist als in seinem unteren. Dies leuchtet Fig. 36 ein. Bemerkenswerth ist nun, dass die Verdrehung an Radius und Ulna im gleichen Sinne sich vorfindet. An beiden Knochen sieht man doch, dass das Ventroplanum im proximalen Theil des Knochens medialwärts schaut, wäh- rend es nach abwärts sich volarwärts dreht. Fig. 36, Wir werden jetzt den Sklerozonenverlauf über beide Knochen beschreiben. a ) IN Das fünfte Sklerozon muss mit seinem C > an = 4. | ventralen Theil die Insertionsflächen des Biceps \ und Brachialis internus theilweise in sich fassen, 1 va mit seinem dorsalen Theil schließt es einen pee Abschnitt des Supinator brevis und des Bra- chio - radialis ein. Aus der Lagerung der Insertionsflächen der genannten Muskeln auf den zwei Vorderarmknochen folgt, dass auf | beiden ein dorsaler und ein ventraler Abschnitt | des Sklerozons sich vorfinden muss. Sehen wir aber, in welcher Weise im proximalen Theil des Knochens das Ventroplanum ge- lagert ist, so wird es deutlich, dass die Ven- if tralzone des Sklerozons, welche also die In- je! / sertionsflächen vom Biceps und Brachialis oo internus überziehen muss, nicht ein zusam- Erklärung im Text. menhängendes Ganzes bilden kann, sich nicht unmittelbar von der Ulna auf den Radius fortsetzen kann, denn in dieser Gegend schiebt sich das Dorsoplanum zwischen beide (siehe Fig. 30. Man muss sich desshalb den Ventraltheil des fünften Sklerozons in zwei Partien aufgelöst denken, welche je auf Radius und Ulna der radialen Grenze des Ventroplanum entlang, die Inser- tionsflächen des Biceps resp. des Brachialis internus theilweise über- decken. (Man vergleiche die schraffirten Felder auf Fig. 37.) Gleichartiges Verhalten muss für die Dorsalzone des Sklerozons gelten. Auch diese kann auf Radius und Ulna nicht einen einheit- lichen Bezirk darstellen, da sich zwischen beiden das Ventroplanum einschiebt. Dieses giebt uns Anlass, auch den Dorsaltheil in zwei Abschnitte zu lösen, auf der Ulna einen, welcher die Ursprungsfläche, auf dem Radius einen, welcher die Insertionsfläche des Supinator überdeckt. Daneben fällt auch der im Dorsoplanum liegende Theil 4 = FB 1 DASEER, ws 688 Louis Bolk der Insertionsfliiche des Brachialis internus in den Dorsaltbeil dieses Sklerozons. Man vergleiche die punktirten Felder auf Fig. 37. Weiter muss an dem distalen Ende des Radius eine gesonderte Strecke des fünften Sklerozons noch die Insertionsfläche des Brachio- radialis iiberdecken (Fig. 37). Vom sechsten Sklerozon muss der Ventraltheil in sich fassen Fig. 37. Die Ausdehnung des fünften Sklerozons auf der Ulna und dem Radius. Die fette Linie deutet auf beiden Knochen die radiale Grenze des Ventroplanum Das sechste Sklerozon auf Das sechste Sklerozon auf der . der Vorderfläche des Vorder- Hinterflache des Vorderarmkno- an. Links von derselben findet „,mknochens. Die Ventral- chens. Die Ventralzone schraf- sich schraffirt die Ventralzone „one schraffirt, die Dorsal- firt, die Dorsalzone punktirt. des fünften Sklerozons, rechts zone punktirt. punktirt die Dorsalzone dersel- ben. Jene Zone ist in zwei nicht zusammenfließende Bezirke auf- gelöst. die Haftstellen des Brachialis internus und des Biceps brachii, so weit dieselben nicht im fünften Sklerozon gelagert sind, und weiter einen Theil der Haftfläche des Pronator teres, des Flexor pollieis longus und des Pronator quadratus. Zum größten Theil muss also (ie Ventralzone des sechsten Sklerozons auf dem Radius sich finden, der Umstand aber, dass durch den M. brachialis internus ventrales Die Segmentaldifferenzirung. d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. IIL 689 Muskelmaterial des sechsten Myotoms auch an der Ulna Befestigung gefunden hat, lässt die Ventralzone dieses Sklerozons auch noch einen Streifen der Ulnaoberfläche in sich fassen. Die schraffirten Felder auf Figur 38 und 39 geben den Verlauf und Ausdehnung der Ventralzone des sechsten Sklerozons wieder. In Vergleichung mit jenem, der sich auf dem Radius findet, ist der Theil, der die Ulna überzieht, sehr klein. Auf dem Radius dehnt sich die Zone der radialen Grenze dem Ventroplanum entlang aus, in den unteren zwei Dritteln über den Festheftungsflächen des Pronator quadratus und des Flexor pollieis longus, um im oberen Drittel mit der radialen Grenze des Ventroplanums mehr auf die Vorderfläche des Radius umzubiegen, wobei es einen Streifen der Insertions- fläche des Pronator teres einschließt. Allmählich biegt es nun auf die Ulnarfläche des Radius um und verliert hier seine Begrenzung durch die Radialgrenze des Ventroplanum, weil es durch das fünfte Sklerozon von dieser Grenze abgedrängt wird. Es überzieht auf der Tuberositas radii den restirenden Theil der Insertionsfläche des Biceps brachii, um an der ulnaren Grenze des Ventroplanum vom Radius zu enden (Fig. 39). Auf der Ulna findet sich die Ventralzone des sechsten Sklero- zons als eine keilförmige Fläche, welche, nach unten sich verjüngend und zugleich radialwärts biegend, nur einen Theil der Insertionsfläche des Brachialis internus überdeckt, dabei von der radialen Grenze des Ventroplanum der Ulna zum größten Theil abgetrennt durch das fünfte Sklerozon (Fig. 38). Die Dorsalzone des sechsten Sklerozons muss am Vorderarmskelet die Anheftungsflächen folgender Muskeln theilweise überdecken: auf dem Radius Supinator brevis, Abductor pollieis longus, Extensor pollicis brevis, und auf der Ulna Supinator brevis und Triceps brachii. Auf dem Radius verläuft die Zone der Radialgrenze des Ventro- planum entlang, überdeckt hier (Fig. 39) einen Theil der Hafttlächen des Extensor pollieis brevis und Abductor pollieis longus, um sich im proximalen Drittel unter Einschließung eines Theiles der Inser- tionsfläche des Supinator brevis derart zu verbreitern, dass sie sich noch zum Theil auf der Vorderfläche des Radius findet (Fig. 38), während sie an der Hinterfläche dieses Knochens durch die ulnare Grenze des Ventroplanum dieses Skelettheiles limitirt ist. Nieht zusammenhängend mit der Dorsalzone des sechsten Skle- rozons auf dem Radius findet sich jene auf der Ulna. Auf diesem 690 Louis Bolk Knochen stellt sie einen schmalen Streifen vor, der, über die Ur- sprungsfläche des Supinator brevis hinwegziehend, aufwärts strebt, und einen kleinen radialen Theil der Insertionsfläche des Triceps brachii einschließt (Fig. 39). Das sechste Sklerozon zeigt also in seinem distalen Abschnitt auf den Vorderarmknochen ganz einfache Verhältnisse. Es findet sich hier doch nur auf dem Radius, wo die ventrale und dorsale Zone beiderseits der radialen Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum entlang verlaufen. Im proximalen Drittel werden die Verhältnisse viel komplieirter, was daraus resultirt, dass hier die Ulna und der Radius je eine Ventral- und eine Dorsalzone des Skle- rozons aufweisen, welche nicht kontinuirlich zusammenhängen. Es wiederholt sich also an dieser Stelle dieselbe Erscheinung, welche wir schon bei dem fünften Sklerozon konstatiren mussten. Wir werden im kritischen Abschnitt zeigen, wie werthvoll diese Erschei- nungen sind für unsere Kenntnis der Entwicklungsvorgänge dieses Theiles des Extremitätenskelettes. Das siebente Sklerozon muss mit seiner ventralen Zone die An- heftungsflächen folgender Muskeln auf der Ulna und dem Radius über- ziehen: Flexor digitorum profundus, Flexor pollieis longus, Pronator teres, Pronator quadratus. Wiewohl also aus dieser Angabe schon folgt, dass dasselbe über Ulna und Radius sich vertheilt, liegen hier doch viel einfachere Be- ziehungen vor, als bei den beiden vorerwähnten Sklerozonen. Es bildet doch die ganze Ventralzone des siebenten Sklerozons einen einheitlichen Bezirk, dessen beide auf Ulna und Radius vertheilte Abschnitte über der Membrana interossea zusammenhängen. Fig. 40 giebt näheren Aufschluss darüber. Distal fängt es auf dem Radius an, überdeckt hier einen Theil der Anheftungsfläche des Pronator quadratus, steigt aufwärts und verbreitert sich dabei, so dass es auf dem Radius einen Theil des Flexor pollicis longus und der Insertion des Pronator quadratus überzieht und auf der Ulna eine Zone der Ursprungsfläche des Flexor digitorum profundus. Sodann verschmälert es sich aufwärts wieder, zieht sich ganz vom Radius zurück, wodurch es in seinem meist proximalen Abschnitt sich nur auf der Ulna nachweisen lässt, wo es an der an dieser Stelle dorsal liegen- den Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum endet (Fig. 41). Die Dorsalzone des siebenten Sklerozons muss die Haftflächen folgender Muskeln in sich fassen: Triceps brachii, Extensor carpi ulnaris, Extensor pollicis longus, Supinator brevis, Abduetor pollicis Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 691 longus und Extensor pollicis brevis. Dieselbe Erscheinung, welche bei der Ventralzone konstatirt werden konnte, tritt auch hier zu Tage, nämlich, dass die dorsale Zone als Ganzes nur einen einheit- lichen, zusammenhängenden, auf Ulna und Radius, unter Vermittelung der Membrana interossea sich erstreckenden Bezirk bildet. Fig. 41 orientirt über diesen Verlauf. Proximal fängt es auf dem Oleera- non an, überzieht hier eine mittlere Zone der Insertionsfläche des Triceps brachii, verläuft abwärts und schließt einen Theil der Ur- sprungszone des Extensor carpi ulnaris, des Anconaeus quartus und Die Ventralzone des siebenten Sklerozons auf Die Dorsalzone des siebenten Sklerozons auf den den Vorderarmknochen. Vorderarmknochen. den restirenden Theil des Supinator brevis in sich. Weiter abwärts dehnt es sich auf den Radius aus, tiberdeckt auf diesem Knochen den vom sechsten Sklerozon freigelassenen Theil der Haftstellen des Supinator brevis, Abductor pollicis longus und Extensor pollicis bre- vis, während es auf der Ulna die Ursprungsfläche des Extensor pol- licis longus ganz, und jene des Indicator proprius theilweise in sich anfnimmt. Es hat also mit der Ventralzone gemein, dass es sich in seinem proximalen Abschnitt nur auf der Ulna findet. Das achte Sklerozon zeigt in seinem dorsalen und ventralen 692 Louis Bolk Streifen ganz einfache Beziehungen, eine Folge davon, dass die nur wenigen Muskeln, welche genetisch zum achten Myotom in Beziehung stehen und am Vorderarmskelet sich festheften, nur Insertion an der Ulna bekommen haben. Das ganze Sklerozon ist desshalb auf die Ulna beschränkt. Ventrale Muskeln, welche aus dem achten Myotom herkömmlich sind und an der Ulna sich festheften, sind der Flexor profundus digitorum und der Pronator quadratus. Es kommt auf Grund davon der ventralen Zone des Sklerozons ein Ver- lauf und eine Ausbreitung zu, wie dieselbe ungefähr in Fig. 42 wiedergegeben ist. Die dorsale Zone kenn- zeichnet sich dadurch, dass es die letzte ist, welche sich als dorsale über das Vorderarm- skelet ausdehnt, da doch dor- sale Muskeln aus dem neunten Myotom überhaupt nicht in der Extremität anwesend sind. Es wird daher eingeschaltet sein zwischen der Dorsalzone des siebenten Sklerozons und der ulnaren Grenze des Dorsopla- num. Mit der ventralen Zone Ausbreitung der Ventral- Ausbreitung der Dorsal- A zone des achten Sklero- zone des achten Sklero- hat es semem, dass es auf die zons auf die Vorderfläche zons auf die Hinterfläche u Q 5 des Vorderarmskelettes. des Vorderarmskelettes. Ulna beschränkt ist, ele dar- aus hervorgeht, dass sämmt- liche Muskeln, deren Haftflächen es laut ihrer metameren Herkunft überziehen muss, von der Ulna entspringen oder an derselben inse- riren. Dieselben sind: der Triceps brachii, der Anconaeus quartus, der Extensor carpi ulnaris, der Indicator proprius. Uber den daraus resultirenden Verlauf und Ausbreitung orientirt Fig. 43. Schließlich muss noch kurz angedeutet werden die Ausdehnung des neunten Sklerozons auf den Vorderarmknochen. Wie oben gesagt kommt dasselbe nur in seiner ventralen Zone vor. Nur zwei Muskeln, welche Verbindung mit der Ulna erlangten, fassen Material des neunten Myotoms in sich, nämlich der Flexor digitorum pro- Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 693 fundus und der Pronator quadratus. Wiewohl diese Angaben un- genügend sind, um den wirklichen Verlauf und besonders Ausdeh- nung genau zu umgrenzen, dürfen wir doch behaupten, dass die Ausdehnung keine ausgiebige sein wird, und dass das Sklerozon der Grenze zwischen Dorsoplanum und Ventroplanum entlang einen Streifen bilden wird, der von den Anheftungsflächen der zwei ge- nannten Muskeln einen bandartigen Bezirk in sich fasst. Über die Bedeutung der Sklerozonie der Unterarmknochen. Wir werden jetzt die Frage zu beantworten suchen, ob wir im Stande sind, aus der Sklerozonie der Unterarmknochen etwas zu schließen hinsichtlich der Anlage dieser Skelettheile, und der onto- - genetischen Vorgänge, welche sich an diesen beiden Knochen ab- gespielt haben. Fassen wir dazu die Vertheilung der Sklerozone über beiden Knochen näher ins Auge. Es fällt sofort auf, dass diese Ver- theilung nicht eine so ganz regelmäßige ist, als man es vielleicht erwarten dürfte, und dass besonders ein Unterschied zu konstatiren ist in dem Verhalten der Sklerozone zwischen dem proximalen und distalen Theil beider Knochen. Dieser Unterschied steht in engem Konnex mit der Eigenthümlichkeit des Ventroplanum, worauf oben schon hingewiesen worden ist. Während dasselbe im distalen Theil dieses Gliedmaßensegmentes die Palmarfliiche beider Knochen überzieht, und dadurch gleiches Verhalten zeigt, als an der Hand, verhalten sich am oberen Ende die beiden Knochen derart, als ob jedem ein eigenes Ventroplanum und Dorsoplanum zukommt, das nicht mit jenem des anliegenden Knochens zusammenhängt. Dieses wird dadurch hervorgerufen, dass die genannten Plana an diesem Theile der Knochen nicht in der gleichen Ebene sich finden. Während im Supinationszustand im distalen Ende das Ventroplanum beider Knochen in einer transversalen Ebene sich. findet, und über der Membrana interossea kontinuirlich zusammenhängt, drehen sich dieselben im oberen Abschnitt auf die Ulnarseite beider Knochen, kommen dadurch in eine sagittale Ebene, mehr oder weniger parallel an einander zu liegen. In Verbindung mit dieser Erscheinung muss sogleich auf eine zweite hingewiesen werden. Der Radius nämlich ist sowohl im Dorsoplanum als im Ventroplanum nur überdeckt vom fünften bis siebenten Sklerozon und das wohl in seiner ganzen Länge. Hieraus Morpholog. Jahrbuch, 27. . 45 694 Louis Bolk lässt sich sogleich folgern, dass der Radius aus jenem Theil des axialen Blastems hervorging, der vom fünften bis siebenten, also von den meist eranialen Myotomen überdeckt wurde. In der Extremi- tätenanlage nahm dieser Knochen desshalb die eraniale Hälfte ein. Die Ulna dagegen zeigt ein anderes Verhalten. In ihrem proxi- malen Abschnitt ist sie sowohl im Dorsoplanum als im Ventroplanum überzogen vom fünften bis neunten Sklerozon (letzteres allerdings nur im Ventroplanum, weil kein dorsales Material des neunten Myo- toms in die Extremität hineinwuchert), während sie in ihrer distalen Hälfte nur vom siebenten, achten und neunten (im Dorsoplanum nur vom siebenten und achten) überzogen ist. Während also im proxi- malen Abschnitt des Vorderarmes die Ulna sich bildete aus einem Theil des Blastems, der von sämmtlichen Myotomen überdeckt wurde — also hier wohl die ganze Breite des Blastems in Anspruch nahm, ging ihre distale Hälfte hervor aus einem Theil des Blastems, über welchen nur die drei caudalen Myotome sich erstreckten. Aus Obenstehendem geht also hervor, erstens ein Unterschied in der Anlage zwischen Radius und Ulna, und zweitens zwischen der proximalen und distalen Hälfte des letztgenannten Knochens. Wenn wir jetzt die Frage uns zu beantworten suchen, welches Lieht wirft die Sklerozonie nun weiter auf die Anlage beider Knochen, und die Umlagerung derselben hinsichtlich einander, so thun wir dieses mit desto mehr Freude, weil die Sklerozonie uns in dieser Hinsicht zu Schlussfolgerungen leitet, welche schon längst durch frühere Forscher als Thatsachen erkannt sind, und wir aus dieser Konkordanz von Neuem eine Stütze für die Richtigkeit unserer An- schauungen entlehnen. Wir können uns für unsere Auseinandersetzung beschränken auf zwei Querschnitte durch den Vorderarmknochen, mit den in den Skeletumrissen angezeigten Sklerozonen, einen vom distalen, und einen vom proximalen Ende des Knochens in der Supination gedacht. Am einfachsten und am wenigsten von dem primitiven Zustand abweichend finden sich die Verhältnisse am distalen Abschnitt der Knochen. Gehen wir wieder aus von dem primitiven Zustand wie derselbe sich einst am noch nicht differenzirten Blastem fand, und wie ich denselben nochmals in Fig. 44 veranschauliche, so sehen wir das Ventroplanum sich vom radialen (cranialen) bis zum ulnaren (caudalen) Rande des Blastems erstrecken, in radio-ulnarer Riehtung zusammengesetzt aus dem fünften bis neunten Sklerozon, und eben so das Dorsoplanum an der entgegengesetzten Fläche des Blastems vom a Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 695 fünften bis achten. Das ganze Ventroplanum liegt hier noch in einer Ebene und eben so das Dorsoplanum. Diesen primitiven Zustand nun finden wir thatsächlich wieder am distalen Bezirk der Vorder- armknochen im Supinationsstand (Fig. 45). Das Ventroplanum fin- det sich in einer transversalen Ebene, und geht vom radialen Rande des Radius bis zum Ularrande der Ulna, dabei die ganze Palmar- fläche beider Knochen überziehend. Die Sklerozonen folgen vom radialen bis zum ulnaren Rande regelmäßig auf einander, sowohl im Dorsoplanum als im Ventroplanum. Angesichts dieser Verhält- nisse darf man sagen: der distale Theil der Ulna bildete sich aus jenem Theil des axialen Blastems, über welchen das achte und neunte Myotom hinwegzog, der distale Theil des Radius aus jenem, der vom fünften, sechsten und siebenten Myotom überdeckt wurde und die Membrana interossea fällt hier in den Bezirk des siebenten und Fig. 44. , Fig. 45. Fig. 46. Gu. Eu. Or. x 5 $ 56. 5) 6 ah Querschnitt durch das 6 dd. ?@ distale Ende der Vorder- é Y 65 Y% Yu, 6d. armknochen im Supina- tionszustand mit Andeu- Querschnitt durch das proximale Ende Das ursprüngliche Verhalten der tung der Sklerozonen- derVorderarmknochen im Supinations- ‚Sklerozonen zum axialen Blastem. grenze. Die fette Linie zustand mit Andeutung der Sklero- Die fette Linie deutet das Ven- bedeutet das Ventropla- zonen. Die fetten Linien deuten das troplanum an. num. Ventroplanum an. achten Myotoms. Die Anlage beider Knochen kam also zu Stande in einer cranio-caudalen Ebene, wenn man die Extremität noch trans- versal vom Körper abstehend sich denkt, also neben einander. Die Grenze zwischen der Anlage des Radius und der Ulna findet sich in jenem Theil des Blastems, der vom siebenten Myotom überdeckt worden ist. Wenn wir bei transversal gehobenem Arm die Palma manus ventralwärts wenden, sind die beiden Knochen in ihrem distalen Abschnitt bezüglich der Körperebene gelagert, so wie sie es bei ihrer Anlage waren. Betrachten wir jetzt das Verhalten im oberen Abschnitt. Die Querumrisse der beiden Knochen sind in Fig. 46 auch bei supinirter Hand genommen. Hier liegen ganz abweichende Verhältnisse vor. Das Ventroplanum des Radius schaut gegen das Dorsoplanum der Ulna. Es liegt die genannte Fläche an der Ulna und am Radius 45* 696 Louis Bolk nieht mehr in ein und derselben transversalen Ebene, sondern sie sind von einander gesondert und liegen je mehr oder weniger in einer sagittalen Ebene. Auch mit Bezug auf die einzelnen Sklerozone springt ein Unterschied sofort ins Auge. Bei der Ulna wird an dieser Stelle sowohl das Dorsoplanum als das Ventroplanum zu- sammengesetzt aus sämmtlichen Sklerozonen. Darin stellt es sich in Gegensatz zu dem distalen Abschnitt, wo jedes Planum nur von den zwei meist caudalen Sklerozonen aufgebaut ist. Dieser Unter- schied ist für den Radius nicht zu konstatiren. Denn auch im proximalen Schnitt werden beide Plana, wie im distalen, nur von den zwei oder drei eranialen Sklerozonen zusammengestellt. Vergleicht man nun das System im proximalen Abschnitt von Ulna und Radius mit dem primitiven Ausgangsstadium, so ist es evident: erstens, dass die Weise, in welcher sich der proximale Theil von Radius und Ulna in dem mesenchymatösen Blastem angelegt haben, eine andere sein muss als jene, in welcher dasselbe im distalen Bezirk zu Stande kam, und zweitens, dass nach der Anlage eine Lagerungsveränderung der Knochen zu einander stattgefunden haben muss. Beide sich hieran anknüpfende Fragen werden wir jetzt zu beantworten suchen. | Das Ventroplanum der Ulna setzt sich hier eben so wie das Dorsoplanum aus sämmtlichen Sklerozonen zusammen. Wir nehmen kraft unseres Grundprineips Anlass daraus zur Behauptung, dass der proximale Abschnitt der Ulna sich gebildet hat aus einem Theil des Blastems, der von sämmtlichen Myotomen überzogen ward, das heißt also in der ganzen Breite des Blastems vom radialen bis zum ulnaren Rande. Der Radius wird nur vom fünften, sechsten und siebenten Sklerozon überdeckt. “Daraus folgern wir, dass der proxi- male Theil dieses Knochens sich bildete aus jenem Abschnitt des axialen Blastems, der vom fünften bis siebenten Myotom überzogen ward, also in einem eranialen Theil. Wenn nun aber die Ulna die ganze Breite des axialen Blastems zur Anlage benutzt, der Radius nur die craniale Hälfte desselben, so muss hieraus nothwendig folgen, dass an dieser Stelle die beiden Knochen nicht neben einander — also in einer transversalen Ebene angelegt sind, sondern vor und hinter einander, also in einer sagit- talen Ebene. Da nun weiter die Anlage des Radius nicht den ul- naren (caudalen) Rand des Blastems erreicht, so folgt daraus wieder, dass bei ihrer Anlage die Ulna nur mit ihrer radialen Hälfte sich hinter den Radius schiebt. Versuchen wir nun mit Hilfe dieser An- Die Segmentaldifferenzirung d. mensch]. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 697 weisungen in den Querschnitt des axialen Blastems die Umrisse von Radius- und Ulnaanlage-einzutragen, so bekommen wir annähernd eine Lagerung wie in Fig. 47 dargestellt ist. Die Sklerozonie des oberen Theiles der Vorderarmknochen leitet also zur Conclusion: der proximale Theil des Radius ist ventral von der Ulna angelegt. Das ist das erste der Ergebnisse. Unmittelbar hieran knüpft sich ein zweites fest. Wenn im oberen Theile die Knochen in sagittaler Richtung, das heißt dorso-ventral zu einander angelegt sind, im distalen Theil in transversaler Richtung, das heißt neben einander, so muss man hieraus schließen, dass beide Knochen ursprünglich gekreuzt liegen. Aus einer seitlichen Lage- rung bezüglich der Ulna geht der Radius nach oben in eine ‘ vordere über. Versuchen wir mit Hilfe der Figuren 45 und 47 Fig. 47. Fig. 48. Erklärung im Text. uns deutlich zu machen wie in der Länge der Extremität die An- lage beider Knochen zu Stande kam, so resultirt hieraus eine Lage- rung wie in Fig. 48 wiedergegeben ist. Es schiebt sich der proxi- male Theil des Radius nicht derart vor jenen der Ulna, dass die ganze Ulna davon bedeckt ward, vielmehr muss man es so auf- fassen als verbreiterte sich nach aufwärts die Ulnaranlage, wodurch eine Art Processus entsteht, welcher sich hinter den Radius ausstreckt. Man könnte mir hier entgegnen, dass nichts mir das Recht giebt, die Anlage des Radius in seinem proximalen Theil vor, das heißt ventral von der Ulna zu Stande gekommen anzugeben. Mit Beibehalt und unter Würdigung der intersklerozonalen Verhältnisse konnte nun doch auch der Radius hinter, das heißt dorsal von der Ulna ange- 698 Louis Bolk legt sein. Diese Bemerkung würde richtig sein. Aber es giebt am Muskelsystem Verhältnisse, auf welche ich in der folgenden Ab- handlung eingehen werde, welche hinlänglich zeigen, dass ich bei meiner Rekonstruktion der Anlage den Radius nicht hinter die Ulna verlegen darf. Nur kurz werde ich dieses Verhältnis hier andeuten. Der M. biceps stammt her aus dem fünften und sechsten Myotom, eben so der tiefer gelagerte M. brachialis internus. Beide Muskeln verhalten sich topographisch am Oberarme zu einander als ein ven- traler (Biceps) und ein dorsaler (Brach. int.). War nun der Radius in seinem proximalen Abschnitt hinter, das ist dorsal von der Ulna angelegt, während die Ulna eine ventrale, das ist vordere Lage einnahm, dann sollte sich die dorsale Muskelmasse (der Brach. int.) am Radius, die ventrale (Biceps) an der Ulna festgeheftet haben. Eben der Umstand, dass der von beiden Muskeln ventral gelagerte am Radius sich festheftet, giebt mir genügenden Grund, um unter Würdigung der intersklerozonalen Verhältnisse den Radius ventral, das ist vor der Ulna angelegt, zu rekonstruiren. Wenn man sich am Erwachsenen den Radius zurückdenkt in eine Stellung vor der Ulna, so bringt man die beiden Muskelmassen wieder in eine primitive, undifferente, nicht gekreuzte Beziehung zu einander. Mit Obenstehendem ist angedeutet, was uns die Sklerozonie be- züglich der Anlage der Vorderarmknochen lehrt. Bevor wir jetzt dazu übergehen, die Frage bezüglich der Umlagerung der Knochen zu beantworten, müssen wir hinweisen auf die Übereinstimmung, welche besteht zwischen den Ergebnissen embryologischer und ver- gleichend-anatomischer Untersuchung, und die Deduktionen, welche wir auf Grund der Sklerozonie gemacht haben. Ich werde dazu nur kurz einige Sätze einschalten, welche ich aus den Arbeiten von HENKE und REIHER (15), HutrKranrz (16) und TOoRNiER (23) ent- lehne: »Seine — des Humerus — »unteres Ende besitzt einen walzen- föürmigen Körper. Diese Walze dient der Incisura sigmoidea mayor der Ulma zum Kopf. Das Oleeranon besitzt eine große Breite, vom medialen bis lateralen Ende umgreift dasselbe die Walze. Nach vorn auf dem verbreiterten Walzenabschnitt ruht das Köpfchen des Radius. Während also beim Erwachsenen der Gelenkkopf für die Pfanne des Radiusköpfehens lateralwärts von der Trochlea, gewisser- maßen in der Verlängerung ihrer Achse liegt, so befindet sich hier der humerale Theil der Radio-humeral-Verbindung vor der Humero- ulnar-Verbindung. .... Desshalb erhält man auf Schnitten, welche die Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 699 Achse der Trochlea unter rechtem Winkel treffen, von einem bis zum anderen Condylus, stets Bilder mit Humero-ulnar-Verbin- dung, und nur in einer bestimmten Anzahl solehe, in denen zugleich auch die Radio-humeral-Verbindung sichtbar wird« (vergleiche hierzu meine Fig. 48). »Dabei liegt der Radius "übrigens mit seinem unteren Ende etwas medianwärts, er ist, mit bekanntem Terminus zu sprechen, pronirt gestellt« (HENKE und REIHER, 1. c. pag. 224 u. 225). »Die Angabe von HENKE und REIHER, dass das obere Radius- ende im zweiten Monat mehr vor als neben der Ulna liegt, kann ich vollkommen bestiitigen« (HULTKRANTZ, 1. e. pag. 85). »Das Charakteristische im Ellbogengelenk der Monotremen ist also, dass in demselben Radius und Ulna hinter einander von vorn nach hinten liegen und auf ein und derselben Facette des Humerus artikuliren« (TORNIER, |. c. pag. 408). Ein Vergleich dieser Citate mit meinen obenstehenden Ausein- andersetzungen lässt sogleich die Konkordanz zwischen Beobachtung und Reflexion ins Auge springen, giebt eine Stütze für die Richtig- keit des Gedankengangs beim Letzteren ab. Nur muss ich gegen die Bezeichnung der Lagerung der Knochen zu einander, wie HENKE und REIHER dieselbe geben, einige Bedenken äußern. Diese Autoren sagen, die beiden Knochen liegen bei ihrer Anlage pronirt. Wenn man mit diesem Terminus jede Kreuzung der Achse beider Knochen andeuten will, so ist der Ausdruck zutreffend. Es ist aber besonders für einen Vergleich der Lagerungsveränderungen, welche obere und untere Extremität als Ganzes oder in einem ihrer übereinstimmenden Untertheile durchmachen, von Werth, unter Pro- nation immer jene Kreuzung zu verstehen, bei welcher das distale Ende des Radius vor, d. h. ventralwärts von der Ulna gelagert ist, das obere Ende neben diesem Knochen, ein Zustand also, der gerade dem primitiven entgegengestellt ist. Bei dem ursprünglichen Zu- stand liegt das obere Ende des Radius vor, das untere neben der Ulna. Die Unterarmknochen sind desshalb wohl gekreuzt zu ein- ander angelegt, aber unter vorgeschriebener Restriktion des Be- griffes nicht pronirt. Fig. 49 giebt wieder, wie Ober- und Unter- armknochen in ihrer primitiven Lagerung sich befinden, betrachtet vom radialen Rande der Extremität. Wir werden jetzt die Frage.zu beantworten versuchen, welche Stellungsiinderungen muss der obere Theil des Radius nach seiner Anlage durchgemacht haben, um in seine definitive topographische 700 Louis Bolk Beziehung zur Ulna zu gelangen? Der Radius, ursprünglich vor der Ulna gelagert, findet sich später radial von derselben. Es vollzieht also der Knochen mit seinem Köpfchen eine Wanderung um die Ulna, wodurch die Knochen zu einander Fig. 49. statt in eine sagittale, in eine transversale Ebene zu liegen kommen. Dieses kann auf zwei Weisen zu Stande gekommen sein, entweder durch eine aktive Wanderung des Radius, unter Ausbildung auf den Humerus einer neuen Gelenkfläche, oder durch ein Zurückbleiben im Wachsthum jenes Theiles der Ulna, der sich hinter dem Radius fand, wodurch so zu sagen dieser Processus verloren ging, und nur jener Theil der Ulna sich entfaltete, der von Hause aus ulnar vom Radius sich fand. Ich entscheide mich für eine aktive Rotation des Radius, auf Grund davon, dass gerade an jenem Theil der Ulna, der sich einst hinter dem Radius befand, die Extensoren des Unterarmes sich festheften, eine Thatsache, die wohl im Stande ist, eine Reduktion des Knochens an dieser Stelle zweifelhaft zu machen. In der folgenden Abhandlung werde ich bei der Erklärung der To- pographie der Muskeln überdies noch eine Erscheinung hervorheben, welche zu Gunsten der aktiven Wanderung des Radius spricht. Dass auch die embryologischen Forschungen diesen Vorgang schon zu Tage gefördert hatten, geht hervor aus den oben citirten Arbeiten von HENKE und REIHER und von HunrKrantz. So finde ich bei Erstgenannten (l. e. pag. 252), dass bei einem dreimonatlichen Embryo »die Eminentia capitata mit dem Radiuskopf schon an die äußere Seite der Trochlea gerückt ist«. HULTKRANTZ konnte eben so die Rotation nachweisen und Tornier verfolgt deren Vorgang in seiner eitirten Arbeit phylogenetisch. Wenn ich jetzt noch einmal ausdrücklich darauf hinweise, dass die Sklerozonie uns zu Deduktionen hinsichtlich ontogenetischer Vorgänge am Vorderarmknochen führt, welche sich ganz mit be- obachteten Thatsachen decken, so geschieht dasselbe, um mit desto mehr Grund für ihre Richtigkeit eine weitere Schlussfolgerung ziehen zu dürfen. Dieselbe ist aber bis jetzt nicht von embryologischer Seite als Beobachtung veröffentlicht. ‚ Fragen wir uns doch, ob mit Obenstehendem bezüglich pri- mitiver Anlage und darauf gefolgte Wanderung des Radius Alles Erklärung im Text, ‚Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. II. 701 konstatirt worden ist, was uns die Sklerozonie in dieser Materie lehrt, so müssen wir darauf entschieden eine negative Antwort geben. Denn durch die einfache Rotation des Radiusköpfehens um die Ulna kommt dasselbe wohl neben diesen Knochen. zu liegen, aber die Fläche desselben, welche einst ventralwärts schaute, bleibt den- noch in derselben Ebene, das heißt, das Ventroplanum schaut nach stattgefundener Wanderung an beiden Knochen doch immer noch ven- _ tralwärts. Diese Wanderung allein ist nicht im Stande, das Ventro- Fig. 50. planum in eine andere Ebene über- zuführen. Fig. 50 giebt wieder, wie sich nach stattgefundener Stel- lungsänderung des Radius, das Ventroplanum und Dorsoplanum an beiden Knochen finden würde. Es lässt sich ohne Mühe diese Figur von Fig. 47 ableiten. Ver- gleichen wir aber mit dieser Figur jene, in welcher die definitiven Lagerungsverhältnisse angegeben sind (Fig. 46), dann sehen wir, dass hier Ventroplanum und Dorsoplanum beider Knochen in zwei gesonderten, einander mehr oder weniger parallelen sagittalen Ebenen sich finden. Es muss also ungeachtet der Rotation des Radius um die Ulna noch eine Torsion beider Knochen um ihre Längsachse stattgefunden haben und wohl derart, dass die ursprünglich ventral schauende Fläche medialwärts gewendet worden ist. — Die Sklero- zonie leitet uns also zur Annahme, dass die Ulna und der Radius torquirte Knochen sind. Der obere Abschnitt ist, die Extremi- tät der Längsachse des Körpers parallel gedacht, medianwärts torquirt. Über den Grad dieser Torsion darf man mit Bestimmtheit wenig aussagen, sie wird aber gewiss 90° nicht übertreffen. Zieht man den Verlauf des Ventroplanum über der Knochenoberfläche in Betracht (Fig. 30), dann gelangt man zur Ansicht, dass an dieser Torsion nicht der Knochen in seiner ganzen Länge betheiligt war, sondern dass dieselbe hauptsächlich im oberen Drittel zu Stande gekom- men ist. Fassen wir also zusammen, was uns die Sklerozonie bezüglich der ontogenetischen Processe in der Umgebung des Cubitalgelenkes lehrt, so sind folgende Erscheinungen zu Tage getreten: eine durch einen ziemlich komplieirten Process zu Stande gekommene Torsion des Humerus nach innen, eine Rotation des Radiusköpfchens um die Ulna, und eine Torsion der beiden Vorderarmknochen in medialer 702 Louis Bolk ~ Riehtung, das ist also in gleichem Sinne als jene am Humerus. Für jede dieser Erscheinungen konnte ich vorläufig an der Topographie der Weichtheile entlehnte Belege beibringen. In ihrer Gesammtheit stimmen meine Ansichten mit keiner der bis jetzt von anderen Au- toren mitgetheilten überein. Ich mache aber besonders darauf auf- merksam, dass diese Ansichten nur Geltung haben für das Objekt, woran die Grunderscheinungen verfolgt sind, nämlich für den Menschen. Die Würdigung des Ventroplanum und Dorsoplanum als Richt- schnur zur Bestimmung der Torsionen der einzelnen Knochen, oder der Rotationen der Knochen gegen einander in den Gelenken, lehrt bald, dass diese Vorgänge sehr verschieden sind bei den unterschie- denen Klassen selbst der Mammalia. So sehen wir z. B. bei den Ungulaten das Ventroplanum des Radius hinsichtlich jenem des Humerus um fast 180 Grad rotirt, eine Erscheinung, welche darauf hinweist, dass hier ganz andere Vorgänge im Spiele gewesen sind als beim Menschen. Ich lebe in der Hoffnung, dass die Anwendung der von mir befolgten Methode Vieles aufklären werde, was bis jetzt noch hinsichtlich der Rotationen und Torsionen der Extremi- täten dunkel oder fraglich ist. Wenigstens ist diese Methode für alle Formen anwendbar, da die genetische Korrelation zwischen Muskel- und Skeletsystem, worauf dieselbe beruht, wohl nicht eine Einzelerscheinung der menschlichen Organisation sein wird. Was überdies dieser Methode mehr Werth verleiht, ist die Thatsache, dass man zugleich die topographischen Erscheinungen an den Weich- theilen in den Bezirk seiner Betrachtungen einbezieht. — In wel- chem Grade dieses der Fall ist, werde ich in der vierten und fünften Abhandlung für Muskelsystem und Nervensystem zeigen. Es werden in diesen Abhandlungen mehrere Erscheinungen in der Topographie angeführt werden, welche im causalen Zusammenhang mit dem in vorliegender Abhandlung erörterten Vorgange am Skelet stehen, darin ihre Erklärung finden. Diese Abhandlung bezweckt nur, nach Konstatirung der sklerozonalen Erscheinungen an der Hand meiner Grundanschauung die Deduktionen aus derselben hinsichtlich der Skeletanlage zu ziehen. Aus der Topographie wird später die Rich- tigkeit derselben geprüft werden. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 703 Die Festheftung der Myotome am Handskelet. In meiner zweiten Abhandlung hatte ich schon Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Insertion des Myotomenmaterials am Handskelet in anderer Weise erfolgt als im übrigen Theil des Ex- tremitätenskelettes (5, pag. 187). Diese abgeänderte Weise macht es unmöglich, über das Handskelet ein Sklerozonensystem zu ent- - werfen, wie am übrigen Theil der Extremität. Das System kommt doch zu Stande in Folge davon, dass die Verbindungen des Muskelsystems mit der skeletogenen Masse sich einstellt zur Zeit, da erstgenanntes sich in undifferenzirtem Zustand befindet. Jedes Myotom heftet sich fest an jenem Oberfliichentheil, den es überzieht. So lange nun die Grenze zwischen den in der Extremitätenanlage einwuchernden Myotomen senkrecht zur Ober- fläche dieses Blastems sich findet, werden die Insertionszonen der Myotome — so zu sagen die Projektionszonen derselben auf der Blastemoberfläche — regelmäßig in radio-ulnarer Richtung neben einander liegen, einander nicht superponiren. Ein Muskel, der aus ein oder zwei mehr caudalen (ulnaren) Myotomen sich bildet, wird in diesem Falle immer seine Befestigungsstellen haben ulnar von einem solehen, der aus mehr radialen Myotomen hervorgegangen ist. Wenn nun aber die Grenze zwischen den Myotomen nicht mehr senkrecht zur Oberfläche des axialen Blastems gestellt ist, sondern einen in ulnarer oder radialer Richtung scharfen Winkel mit der- selben macht, fangen die Myotome an, sich mehr oder weniger zu superponiren. Durch diese Superposition kommt ein Theil von Material eines mehr caudalen (z. B. siebenten) Myotoms radial zu liegen von solchem des sechsten. Es schiebt sich die oberflächliche Partie eines Myotoms über seinen Nachbar hinweg. In Folge davon wird die Projektion eines Myotoms jene eines benachbarten theil- weise überdecken. Stellt sich nun bei diesem Zustand die Verbin- dung der Muskelmasse mit dem axialen Blastem ein, so kann Ma- terial vom achten Myotom zur Insertion gelangen radial (cranial) von solchem des siebenten (vergleiche dazu Fig. 38 und 39 meiner zweiten Abhandlung). Damit geht die Möglichkeit der Rekonstruk- tion eines Sklerozonensystems mit einem Male verloren. Wiewohl wir also auf eine derartige Rekonstruktion verzichten müssen, und dadurch nun auch den Weg zu jeder darauf beruhen- den Deduktion versperrt sehen, so bieten uns doch die Insertions- stellen der Muskeln in Verband mit ihrer metameren Anlage einige 704 Louis Bolk Eigenthümlichkeiten, worauf die Aufmerksamkeit gelenkt werden darf. Erstens darf gewiesen werden auf die scharfe Sonderung des Ventroplanum und Dorsoplanum, welche Begriffe in diesem Segment der Gliedmaße identisch sind mit Palmarfläche und Dorsalfläche.. Die Grenzlinien, längs welchen Dorsoplanum und Ventroplanum an einander stoßen, sind gleich zu stellen Fig. 51. mit dem ulnaren und radialen Rande Fl por des Handskelettes. Es bildet also das Abdp br 6:2 Re (eae Fleu. 8:9 Ventroplanum der Hand die direkte ompel67Z >} Abd d.V89 . 3 Midpl 6-2" PER ae Hin-gp, — SEEN dasselbe nicht torquirte — Upper 4 Mi le \ 4 ie Fortsetzung des Ventroplanum am di- EN \\ komarze. : A te 11? stalen Theil des Vorderarmes. Dadurch oA ZEN rl . . .. 54 =. Aid erkennen wir die Palmarfläche der S am —- \ Bas? J A /> wi Hand als jene, welche in der noch VY ‘slot | flossenihnlichen Extremitätenanlage ventralwiirs schaute. Dieses gilt fur das Skelet der Hand als Ganzes. Be- trachtet man die einzelnen Radien, so fällt es auf, dass das Ventroplanum Die 2 Abas a einiger Muskeln an des Daumens, mit dem der übrigen a en" Hand einen Winkel bildet, es sieht in Folge der eigenthümlichen Stellung des Daumens, ulnarwirts. Diese Deviation ist wohl die Folge einer Rotation des Daumens, welche sich während der Ontogenese in der Artieulatio carpo-metacarpale I vollzog. Die Superponirung der Myotome im Bereiche der Hand ent- nimmt uns doch nicht ganz die Möglichkeit, um uns eine Auffassung zu bilden, in welcher Breite jedes Myotom sich in der Anlage der Hand ausdehnte. Dieses noch zu spüren wird uns Fig. 51 ermög- lichen. Das sechste Myotom findet seine Haftstellen nur an den drei radialen Radien des Handskelettes, weiter ulnarwärts als das dritte metacarpale, findet keine Verbindung zwischen Skelet und Musku- latur des sechsten Myotoms statt. Dies gilt sowohl für die dorsale als für die ventrale Seite. Von diesen drei Radien ist es wieder vornehmlich das Skelet des ersten Radius, an welchem Material dieses Myotoms hauptsächlich zur Insertion gelangt, sei es auch Immer gemischt mit solehem vom siebenten Myotom. Noch in an- derer Beziehung stellt sich das Skelet des ersten Strahles jenem des anderen gegenüber. Wir sehen nämlich, dass die Anheftung Die Segmentaldifferenzirung d. menschl, Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 705 bei erstgenanntem an allen Gliedern des Strahles erfolgt, während beim zweiten und dritten Radius die Anheftung nicht weiter geht als bis zur Basis des Metacarpale. Diese Eigenthümlichkeit findet sich an der Volar- und an der Dorsalseite. Wiewohl also dem sechsten Myotom keine separate Insertionszone am Handskelet zu- kommt, so verräth sich doch sein radialer Charakter in den ge- nannten Eigenthümlichkeiten. Wir finden hier eine Übereinstimmung mit der Ausbreitung der sensiblen Fasern des sechsten Spinalnerven’ in der Hand. Öbgleich auch davon kein separater Bezirk zu be- grenzen ist, so konnte doch konstatirt werden, dass derselbe nicht weiter ulnarwärts sich verbreitet als bis zur Haut des Mittelfingers dorsal, und des Zeigefingers volar. Es dehnt das sechste Myotom sich also nicht über das ganze Handskelet aus. Im Gegensatz dazu findet sich an der Hand kein Radius, der nicht dem siebenten Myotom zur Insertion gedient hat. — Über die ganze Hand in radio-ulnarer Richtung sich ausbrei- tend, kommt es — in se weit die metamere Anlage der Muskeln aufgedeckt werden konnte, — durch den Flexor brevis, den Oppo- nens digiti V und den Extensor carpi ulnaris an dem fünften Ra- dius zur Insertion, während es an dem ersten sich festheftet mittels sämmtlicher Muskeln, welche sich daran inseriren. Weiter war sein Material in den beiden langen Fingerbeugern und in den übrigen kurzen Handmuskeln anwesend. Die breite Ausdehnung des siebenten Myotoms in der Hand findet ihr Pendant in einer gleichartigen Ausbreitung des Derma- toms. Es finden sich sensible Fasern des siebenten Spinalnerven an der Volarseite sowohl in dem Hautast des Medianus zum Dau- men, als in jenem aus dem Ulnaris zum Kleinfinger (vgl. Fig. 7 der zweiten Abhandlung). Vom achten Myotom ist ein ähnliches Betragen zu konstatiren als vom siebenten, nur mit der Restriktion, dass die Beziehung zum ersten Strahl viel weniger ausgesprochen ist als beim siebenten. Es kommt doch nur ein einziger Muskel in Betracht, durch welchen Material dieses Myotoms am Daumen sich festheftet, nämlich der Adductor pollicis. Wie in der zweiten Abhandlung aus einander gesetzt ist, war es nicht möglich, die Metamerie der einzelnen tiefen Handmuskeln festzustellen. Alle zusammen sind aus dem siebenten (wenig), achten und neunten Myotom hervorgegangen. Möglich — aber zweifelhaft — ist es, dass der Adductor pollicis sich monomer nur aus dem siebenten Myotom gebildet hat, in welchem Falle das 706 Louis Bolk achte Myotom gar keine Beziehung zum ersten Radius bekommen hat. Allerdings kommt durch diese wenig ausgesprochene Beziehung des achten Myotoms zum radialen Rande des Handskelettes der mehr ulnare Charakter desselben noch zum Ausdruck. — Auch hier ist dieselbe Übereinstimmung mit dem Dermatom zu verzeichnen als beim siebenten Segment. War es nicht möglich die Frage zu lösen, ob das neunte Myo- ‘tom in Folge einer Betheiligung am Aufbau des M. adductor pollicis sich noch über den radialen Randstrahl der Hand ausdehnt, so tritt doch der ulnare Charakter desselben darin zum Vorschein, dass der Abduetor digiti V und Flexor carpi ulnaris ohne Zweifel von diesem Myotom Material in sich fassten — abgesehen von den in den Inter- ossei und langen Flexoren vorhandenem Material. Fassen wir also Obenstehendes zusammen, dann sehen wir, dass, obgleich eine ausgiebige metamere Superposition mit intensiver Mi- schung polymeren Materials in der Hand stattfindet, doch dem sechs- ten Myotom ein radialer Charakter nicht abzusprechen ist, das siebente sich über die ganze Hand verbreitet hat, das achte nur schwache Beziehung zum radialen Randstrahl errungen hat, dem neunten ein ulnarer Charakter zukommt. Versuch einer Erklärung der Unterschiede in der Beziehung zwischen Muskulatur und Skelet an der Hand und am übrigen Theil der Extremität. Es erhebt sich nun als von selbst die Frage, warum Muskulatur und Skelet des Phalango- und Aetinopodium nicht eine derartige Beziehung aufweisen, als wir am Zeugopodium, Stelepodium und der Zona haben aufweisen können. — Es wird gewiss schwer sein, diese Frage zu lösen. Ich wünsche aber auf Folgendes hinzuweisen. Vergleicht man die Resultate meiner Untersuchung der Meta- merie der oberen Extremität beim Menschen mit jenen, welche BrAus (6) bei der Selachierflosse erlangt hat, so bekommt man die Ansicht, dass das Verhalten des metameren Muskelmaterials bezüglich des Skelettes, wie es sich in der menschlichen Hand zeigt, einen Zustand repräsentirt, welcher im Princip schon in der Flosse der Selachier anwesend ist. In einer ausgiebigen, von einer korrekten Untersuchung überall Zeugnis ablegenden Arbeit zeigt er, dass schon in dem Ra- dienabschnitt der Flosse eine Superposition von polymerem Material stattfindet. In der unter Nr. 7 angeführten Abhandlung hat der Autor N ER Die Segmentaläifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 707 diese Thatsache weiter embryologisch verfolgt. Obgleich aber keine scharfe Myotomengrenze mehr in der Flossenmuskulatur sich vor- findet, so ist doch eine regelmäßige Anordnung des metameren Materials vom propterygialen zum metapterygialen Rande der Flosse deutlich ausgeprägt (man vgl. z. B, seine Fig. 1 auf Taf. XII der eitirten Arbeit). Beim Menschen ist diese Superposition der Myo- tome in dem der Flosse der Selachii entsprechenden Theil der Extremität eine viel ausgiebigere geworden. Zustände, in denen ein Myotom sich von einem bis zum anderen Rande des Phalango- podium ausdehnt, wie es beim Menschen mit dem siebenten Myotom der Fall ist, kommen selbst bei Weitem in der Flosse nieht vor. In dieser Hinsicht zeigen die Haie doch immer primitivere Verhält- nisse. Doch genügt schon der einzelne Nachweis der Myotomen- superposition in der Haiflosse, um in dieser morphologischen Er- scheinung beim Menschen etwas Althergebrachtes zu erblicken. Nun erblicke man im Folgenden nicht mehr als einen Versuch, mir die distinkte Beziehung zwischen Muskulatur und Handskelet einerseits und zwischen Muskulatur und Skelet von Zeugopodium, Stelepodium und Zona andererseits deutlich zu machen. Wiewohl die Kenntnis der Umbildung der Flosse zur terrestralen Gliedmaße noch eine sehr fragliche ist, müssen wir doch annehmen, dass sich auf irgend eine Weise zwischen der Zona und dem Radien- abschnitt der Extremität das Zeugopodium, und vielleicht danach das Stelepodium einschob (vgl. die Arbeit von KLAATSCH über das Crosso- pterygium, 17). Hand in Hand damit gehen zwei Erscheinungen an der Muskulatur. Erstens gelangt dieselbe zu höherer Differenzirung, das heißt die funktionellen Beziehungen zwischen Muskulatur und Skelet werden viel innigere. Wo es bei dem Radientheil der Flosse noch ziemlich einerlei ist, ob eine bestimmte metamere Muskelpartie an diesem oder jenem Radius sich festheftet, ist dasselbe nicht mehr der Fall für das sich ausbildende Zeugopodium und Stelepodium. Hier muss eine bestimmte Muskelportion eine mehr oder weniger konstante Verbindungsstelle am Skelet haben für eine bestimmte Bewegung der ganzen Extremität oder eines ihrer Untertheile. Von Anfang an müssen desshalb die genetischen Beziehungen zwischen Skelet und Muskulatur des Stele- und Zeugopodium viel mehr intime gewesen sein als jene zwischen dem strahlenförmig gebauten Abschnitt der Extremität. Dort haben sich vielmehr die beiden Systeme in gegenseitiger Abhängigkeit entwickelt. Die zweite Erscheinung ist, dass allmählich das ganze Myotom sich in Extre- 708 Louis Bolk mitätenmuskulatur umbildet. Bei den Haien sehen wir nur einen geringen Abschnitt eines Myotoms an der Bildung der Extremitäten- muskeln betheiligt, und wie ich in meiner zweiten Abhandlung, zeigte, geht beim Menschen im Bereiche der unteren Extremität das ganze, im Bereiche der oberen Extremität fast das ganze darin auf. Es wird also allmählich während der Phylogenese ein immer größerer Abschnitt des Myotoms gleichsam in die Extremität einbezogen. Aber es war gerade diese Partie, bei welcher die strengere genetische Korrelation zum Extremitätenskelet vorwaltete. Und da das in der Extremität neu einbezogene Material im Rumpfe metamer angeordnet war, die strengere Korrelation und gegenseitige Abhängigkeit also zu Stande kam zwischen metamerem Muskelmaterial und Skelet, hat sich diese metamere Beziehung zwischen Muskulatur und Skelet des Zeugopodium und Stelepodium beibehalten, wiederholt sich auch ontogenetisch noch, während es am Radientheil der Extremität, wo dasselbe phylogenetisch vielleicht niemals bestanden hat, auch ontogenetisch nicht mehr zum Ausdruck kommt. Es ist mir die Frage, ob eine derartige Korrelation nicht schon zwischen der Zona und der Muskulatur der Haiflosse besteht, was ungeachtet der größeren Freiheit und der Wanderung des Gürtels in der einen oder der anderen Richtung sich sehr gut denken lässt, denn Gürtelverschiebungen werden wohl erst auftreten, nachdem die Muskulatur sich am Skelet befestigt hat. Ontogenetische Ver- schiebungen des Gürtels, wie dieselben z. B. von E. ROSENBERG von dem Beckengürtel des Menschen gezeigt worden sind (21), kann ich mir doch schwer deuten als eine zeitliche Wanderung durch die Segmente während der, Ontogenese, wobei einst gewonnene Be- ziehungen zur Muskulatur an dem einen Ende gelöst, kompensa- torisch neue an der anderen Seite erworben werden. Es ist mir denn auch sehr die Frage, ob die von ROSENBERG gezeigte ontogene- tische Verschiebung des Beckengiirtels auf einer aktiven Wanderung des Beckens cranialwiirts beruht, oder ob dieselbe nicht derart zu deuten ist, dass die Wirbelsäule, ehe das Becken sich ihrer als Festheftungspunkt bemächtigt, durch Längenwachsthum gleichsam hinter dem Beckengürtel sich eine geringe Strecke hinschiebt. Wie dies sei, das Resultat bleibt immer dasselbe, das Becken kommt in ein höheres Niveau mit der Wirbelsäule in Verbindung, als worin es angelegt war. Eine derartige Deutung des ontogenetischen Ge- schehens schließt natürlich die über allen Zweifel erhabene phylo- genetische craniale Wanderung der hinteren Extremität nicht aus. Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. IH. 709 Doch komme ich in einer meiner Abhandlungen über die untere Extremität des Menschen auf diese Frage zurück. In der zweiten und vorliegenden dritten Abhandlung haben wir systematisch die metameren Erscheinungen an der Haut, Muskel- und Skeletsystem der oberen Extremität des Menschen zu verfolgen gesucht. Es würde rationell sein, jetzt die metameren Erscheinungen am Nervensystem einer Betrachtung zu unterwerfen, und eben so das Gefäßsystem in den Kreis unserer Untersuchung zu ziehen. Denn es ist mir deutlich geworden, dass, wiewohl selbstverständlich eine metamere Anordnung des Gefäßsystems im Bereiche der Extremität fast spurlos verschwunden ist — in der ganzen Länge der Extre- mität vielleicht wohl niemals dagewesen — doch in den topographi- schen Verhältnissen der Gefäße hier und dort Erscheinungen sich kund geben, welche uns begreiflich werden, wenn wir die metamere Anlage der von ihnen vaskularisirten Muskelbezirke in Betracht ziehen. Doch werde ich für diese beiden Systeme einer anderen Darstellungsmethode folgen als für die drei oben genannten. Wir haben in der vorangehenden und dieser Abhandlung sy- stematisch die metameren Thatsachen niedergelegt und können uns jetzt einer Frage von höherem morphologischen Werth zuwenden, nämlich: welches Licht werfen die metamerologischen Daten auf die topographischen Verhältnisse der Weichtheile an der oberen Extre- mität, mit anderen Worten, welches sind an dieser Gliedmaße die Beziehungen zwischen Metamerologie oder Segmentalanatomie und topographischer Anatomie. Diese Frage zu beantworten, diese Beziehungen klar zu legen, ist die Aufgabe der zwei folgenden Aufsätze. In dem erstfolgenden werde ich — zugleich die Frage nach den ontogenetischen Rota- tionen und Torsionen der Extremität als Ganzes und dessen Unter- theile näher berührend — die Beziehungen zwischen Segmentalmyo- logie und Topographie des Muskelsystems besprechen, während in der fünften die Ätiologie der Topographie des Nervensystems Gegen- stand einer systematischen Besprechung sein wird. Besonders hier wird die sehr intime Beziehung zwischen Topographie und Segmen- talanatomie am klarsten zu Tage treten. Auch werde ich hier Einiges über das Gefäßsystem mittheilen, weil doch auch das Ge- fäßsystem an einigen Stellen in causaler Beziehung steht zur Ana- tomie des Nervensystems. (Fortsetzung folgt.) Morpholog. Jahrbuch, 27. 46 710 Louis Bolk Litteraturverzeichnis. 1) P. ALBRECHT, Beitrag zur Torsionstheorie des Humerus und zur morpho- logischen Stellung der Patella in der Reihe der Wirbelthiere. Inau- gural-Dissertation. Kiel 1875. Lours Bork, Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremität. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXI. tw 3) —— Rekonstruktion der Segmentirung der Gliedmaßenmuskulatur. Ebenda. Bd. XXII. 4) —— Die Sklerozonie des Humerus. Ebenda. Bd. XXII. 5) —— Die Segmentaldifferenzirung des menschlichen Rumpfes etc. U. Ebenda. Bd. XXV. 6) Hermann Braus, Uber die Innervation der paarigen Extremitäten bei Se- lachiern, Holocephalen und Dipnoern. Ein Beitrag zur GliedmaBen- frage. Jena 1898. 7) —— Uber die Extremitäten der Selachier. Anatom, Anzeiger. Ergänzungs- heft zum XIV. Bd. 1898. 8) Paut Broca, La Torsion de l'Humerus et le Tropométre. Revue d’Anthro- pologie. Vol. X. 9) Pau Eıster, Die Homologie der Extremitäten. Morphologische Studien. Halle 1895. 10) —— Idem. Biologisches Centralblatt. Bd. XVI. 1896. 11) A. Fiscnen, Zur Entwicklung der ventralen Rumpf- und der Extremitäten- muskulatur der Vögel und Säugethiere. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXIII. 12) ©. GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Beriicksichti- gung der Wirbellosen. Bd, I. Leipzig 1898. 13) —— Über die Drehung des Humerus. Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. Bd. IV. 14) H. P. HerrincHam, The minute Anatomy of the brachial Plexus. Proc. Royal Soc. London. Vol. XLI, 1886. 15) Henke und Reimer, Studien über die Entwicklung der Extremitäten. des Menschen. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Math.-Naturw. Klasse. 1874. 16) J. W. HuLtrKrantz, Das Ellbogengelenk und seine Mechanik. Jena 1897. 17) H. Knaarscu, Die Brustflosse der Crossopterygier. Festschrift für CARL GEGENBAUR. Leipzig 1896. ) J. KoLLmAnN, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898. —— Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen vom 13. bis 35. Urwirbel. Archiv fiir Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Jahrg. 1891. E. M. Parerson, A discussion of some Points in the distribution of: the spinal nerves. Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXX, 21) E. ROSENBERG, Uber die Entwicklung der Wirbelsäule und das Centrale carpi des Menschen. Morphol. Jahrbuch. Bd. I. 20) Die Segmentaldifferenzirung d. menschl. Rumpfes u. seiner Extremitäten. III. 711 22) L. Stiepa, Uber die Homologie der Brust- und Beckengliedmaßen des Menschen und der Wirbelthiere. Anatomische Hefte yon MERKEL Bonner. XXVII. Heft. und 23) G. ToRNIER, Die Phylogenese des Ellbogengelenks. Morphol. Jahrbuch. Bd. XII. 1886, Inhaltsverzeichnis. Die Sklerozonie des Skelettes der oberen Extremität . Bimloltane : 5... SIT gee pee AM Die Sklerozonie des Schultergürtels ..........-.4.4... . Die sich an die Sklerozonie des Schultergiirtels ankniipfenden Deduktionen mumchineu der AnlasardeneBel sia dg 2... ... we Die Sklerozonie des Humerus. ......-:....- Kritisches über das Sklerozonensystem des Humerus . Die Sklerozonie des Vorderarmskelettes. ........ . ’ Uber die Bedeutung der Sklerozonie der Unterarmknochen . . é Die Festheftung der Myotome am Handskelet ........... Versuch einer Erklärung der Unterschiede in der Beziehung en Muskulatur und Skelet an der Hand und am übrigen Theil der Ex- 46* Bemerkungen zur Entwicklung der Eidechsenzunge. Von Prof. Dr. Franz Bayer in Prag. Mit 5 Figuren im Text. Die vorliegende Skizze — ein Auszug aus der in den »Rozpravy« der Kaiser Franz Josef-Akademie in Prag veröffentlichten Originalarbeit! — ent- hält eine kurzgefasste Schilderung dessen, wie sich die getheilte Zunge unserer Eidechsen (Lacerta agilis L.) mit ihren beiden Spitzen und mit ihrer ge- sammten Muskulatur entwickelt. Die folgenden Bemerkungen sind eine Er- gänzung der Arbeiten Lrypia’s (»Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier«. 1872), ReıcHer’s (»Beitrag zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere«. Morphol. Jahrbuch. 1883), Gaupp’s (»Anatomische Unter- suchungen über die Nervenversorgung der Mund- und Nasenhöhlendrüsen der Wirbelthiere«. Morphol. Jahrbuch. 1888), van BEMMELEN’s (»Über die Herkunft der Extremitäten- und Zungenmuskulatur bei Eidechsene. Anatom. Anzeiger. 1889) und Horrmann’s (Bronn’s »Klassen und Ordnungen«. VI. Bd. Abtheil. Reptilien. Heft 67 und 68. 1890). Ich will da zuerst zeigen, wie sich die Zun- genoberfläche aufbaut, dann wie die einzelnen Muskeln und endlich die Zungen- drüsen und Papillen entstehen. Einzelne Entwicklungsstadien der Eidechsen- tmbryonen habe ich da auf dieselbe Art bezeichnet, wie die mikroskopischen Präparate in der reichhaltigen Sammlung des Herrn Prof. Dr. JANOSiK signirt sind (z. B. Eidechsen-Embryo am achten Tage nach der Eiablage = ein acht- tügiger Embryo u. ähn.); die Sache hat ihre bekannten Mängel, aber ich misste sonst den ganzen Embryo beschreiben, damit sein Alter und die Stufe seiner Entwicklung gehörig charakterisirt werde. I. Die Grundlage der Zunge bilden ihre von einer Schleimhaut überzogenen Muskeln. Aber zur Zeit, wo sich die Zunge zu bilden beginnt, sind die Ele- mente ihrer beiden Hauptmuskeln (Fig. 1 A, Z) von dem künftigen Dorsum linguae (z) noch ziemlich entfernt. Die erste Spur dieses Dorsum linguae ist ' Aus dem anatomischen Institut des Prof. Dr. J. JANOSIK. Bemerkungen zur Entwicklung der Eidechsenzunge. 713 in dem Stadium, wo der Zellenstrang van BEMMELEN’s in die Unterkiefergegend schon eingedrungen ist, nur unterhalb der medianen Rinne (z, Fig. 1 A) zwischen den beiden Hälften des ersten Kiemenbogens zu suchen, wo z. B. bei zwei- tägigen Embryonen (nach der Eiablage) das Epithel stets mächtiger zu sein Fig. 1. Frontalschnitte durch die ersten Kiemenbogen (X) eines Eidechsen-Embryos (vergr.); A am zweiten, B am dritten Tage nach der Eiablage. z Anfang der Zunge, ¢ Anlage der Glandula thyreoidea, I Musculus hyoglossus. Halbschematisch, wie alle folgenden Abbildungen. pflegt. Diese elementare »Zunge« fand ich einmal nur in sieben Querschnitten einer und derselben Serie. Aber schon etwa nach einem Tage (Fig. 1 B) hat das künftige Dorsum linguae die Form einer Längswulst (z), am sechsten Tage nach der Eiablage (Fig. 2 C) ist diese Längswulst durch eine mediane Rinne Der Vordertheil der Zunge (z) eines Eidechsen- Embryos. E am achten, # am neunten Tage nach der Eiablage (vergr.). Nach Wachsplatten- modellen, Frontalschnitte durch den Mundhöhlenboden eines Eidechsen-Embryos (vergr.); C am sechsten Tage (die hintere Hälfte der Zunge z), D am achten Tage nach der Eiablage. m Mecker'scher Knorpel, d erste Spur der künftigen Zahnsäck- chen; sonst wie in der Fig. 1. in zwei parallele Wülste (z) getheilt, noch später (etwa am achten Tage) sehen wir auf der Oberfläche der Zunge drei Längswülste (D, z) und zwei Furchen (vgl. auch Fig. 4 G). Seit dieser Zeit ist die Zunge auch schärfer vom Mund- höhlenboden abgegrenzt. Nur die vordere Spitze der Zunge (Fig. 3 E) ist zu 714 Franz Bayer dieser Zeit noch immer einfach, ungetheilt und dazu am Mundhöhlenboden fest angewachsen. Erst bei neuntiigigen Embryonen fand ich statt der unpaaren Spitze der Zunge zwei kleinwinzige laterale Auswiichse (F) — die künftigen Spitzen der gabelförmig getheilten Eidechsenzunge. Ihr ferneres, ziemlich rasches Wachsthum (nach vorn) erklären uns zahlreiche im Gewebe der Spitzen eingebettete Blutgefäße. Unser Bild E (Fig. 3) zeigt deutlich, dass diese beiden Spitzen nicht aus einer paarigen Anlage hervorwachsen (LEYDIG); die aller- erste Anlage der Zunge (z. B. Fig. 1 A) ist freilich paarig, aber das hat mit den künftigen Spitzen derselben gar nichts zu thun. Von unserem Stadium F (Fig. 3) ist es schon zur fertigen Zunge nicht weit; es erscheinen auch hinten die beiden lateralen Zipfel und die Zunge hat also ziemlich bald — ich fand es schon am achtzehnten Tage — ihre bekannte äußere Form. Ihre Oberfläche ist nicht nur gerunzelt, sondern auch immer im Ganzen ausgehöhlt (Fig. 4 4, 7). In ihrer hinteren Partie ist die Zunge nie- Fig. 4. Frontalschnitte durch die Zunge von Eidechsen-Embryonen (vergr.). @ am neunten, H am acht- zehnten, J am vierundzwanzigsten Tage nach der Eiablage; X die erste Anlage der Zungendrüsen ener vergr.). b Basihyale, e Epithel, g die Anlagen der Drüsen, ZZ Längsmuskeln unterhalb der Zungenoberfläche, IV Musculus transversus, JJZ seine die Muskeln I umgebenden Zweige (M. genio- glossus Lrypie), V der echte M. genioglossus; sonst wie in den Fig. 1 und 2. driger als breit (7), nach vorn hin verhältnismäßig etwas höher (7); das Fre- nulum linguae wird schmäler und schmäler, bis endlich (an Querschnitten) ober- halb desselben der freie Vordertheil der Zunge gelagert ist. In jüngeren Stadien (z. B. bei neuntägigen Embryonen, Fig. 3 F) reicht das Frenulum lin- suae knapp bis zu den beiden Vorderspitzen der Zunge. Die Schleimhaut der Zunge ist bei älteren (etwa dreißigtägigen) Embryonen gegen das Vorderende hin stärker und stärker; am mächtigsten ist diese Schicht an den beiden iso- lirten Spitzen der Zunge. Die erste Anlage des knorpeligen Basihyale (Fig. 4 G, b) erscheint in der se Zunge etwas später, als zu ihren beiden Seiten die MECKEL’schen Anorpel (Fig. 2, 4 m), und zwar Anfangs zwischen den beiden Hauptmuskeln (7), nacl üntwick : vollendeter Entwicklung der gesammten Muskulatur aber wieder ein wenig tiefer nach unten. Bemerkungen zur Entwicklung der Eidechsenzunge. 715 II. Wenden wir uns nach diesen Betrachtungen über die Entwicklung der äußeren Form der Eidechsenzunge zu ihrer Muskulatur. LeypıqG unterscheidet in einer solchen Zunge: 1) Längsmuskeln unter der Schleimhaut, 2) zwei große Längsmuskeln (M. hyoglossus), 3) diverse hier und da zerstreute kleinere Längs- muskeln, 4) senkrechte, die beiden M. hyoglossi umschließende und bis in die Zungenpapillen aufsteigende Muskeln (angeblich M. genioglossus), 5) Quermus- keln unter der Schleimhaut. Wenn wir die Entwicklung aller dieser Muskeln verfolgen, so sehen wir in allerersten Stadien, z. B. bei einem zweitägigen Embryo, nur die Anlagen der beiden großen Längsmuskeln (M. hyoglossus, Fig. 1 7), die offenbar als Aste des van BEMMELEN’schen Zellenstranges zu betrachten sind. Wie schon gesagt, liegen diese zwei Hauptmuskeln der Zunge Anfangs tief unter der Zungenoberfläche, dicht oberhalb der embryonalen Glandula thyreoidea (f), und reichen auch nicht allzuweit nach vorn. Wenn man daran festhalten wollte, dass der Name »Zunge« nur der mit einer Schleimhaut überzogenen Muskulatur dieses Organs gehört, so müssten wir freilich zugeben, dass die »Zunge« in solchen Stadien tief unter die mediane Rinne (Fig. 1 A), ja bis unter die zwei Hauptmuskeln (Z) reicht. Das wird wohl kaum Jemand behaupten wollen — haben ja die beiden Muskeln (7) ihren Ursprung in der Rumpfmuskulatur. Sie gelangen erst später in die eigentliche Zunge hinein (vgl. Fig. 1 und 2) und liegen dann stets in nicht allzugroßer Entfernung von ihrer Oberfläche (Fig. 4 H, I). Auch dringen sie mit der Zeit weiter und weiter nach vorn. Bei neun- tägigen Embryonen reichen sie in das vordere 1/3; der Zunge, bei Eidechsen am 30. Tage nach der Eiablage finden wir sie auch in dem freien Vordertheil der Zunge, aber nie in den beiden isolirten Spitzen derselben. Ein wenig später finden wir in der Eidechsenzunge die ersten Anlagen der Längsmuskeln unter der Schleimhaut, die aber schon innerhalb des ersten Kiemenbogens und später in der eigentlichen Zunge ihren Ursprung haben (Fig. 2C, D, in z punktirt; Fig. 4 G, H, IT). Zu gleicher Zeit sieht man auch anderswo in der Zunge hier und da ein dichteres Gewebe; es sind das die ersten Anlagen anderer, kleinerer, minder wichtiger Längsmuskeln. In enger Verbindung mit den beiden Hauptmuskeln sind senkrechte, diese beiden Muskeln J umschließende Muskelbiindel (Fig. 4 H, III), welchen LeyviG irrthiimlich den Namen M. genioglossus gegeben hat. Sie erscheinen erst bei etwa fünfzehntägigen Embryonen, und zwar nur dicht um die Hauptmuskeln Z herum; vielleicht war die Ursache der irrigen Ansicht LeypıG’s der Umstand, dass sie ganz nahe an den wahren M. genioglossi (V) gelegen sind. Unterhalb der Schleimhaut verbinden sich die Muskel ZZI sehr bald zu einem quer ge- legenen Muskel; (Fig. 4 I, 7V), M. transversus, welcher also noch etwas später erscheint; ganz deutlich fängt er an erst z. B. bei zwanzigtägigen Embryonen entwickelt zu sein. Die beiden Muskeln Z7Z und namentlich ZV erscheinen auch im freien Vordertheile der Zunge, auch da noch, wo wir keine Spur der beiden Hauptmuskeln sehen, ja selbst auch hier und da in den freien Spitzen der Zunge, freilich je näher der Spitze, desto später und später im Laufe ihrer allmählichen Entwicklung. Die obersten Spitzen der Muskeln I/II dringen selbst in die Papillen der Zunge hinein (vgl. die Fig. 4 K). Sehr bald, noch vor diesen Muskeln, bei Embryonen aus neuntägigen Eiern (nach der Eiablage) sehen wir die ersten deutlichen Spuren der echten M, 716 Franz Bayer, Bemerkungen zur Entwicklung der Eidechsenzunge. zenioglossi (Fig. 4 7), von denen LeyvıG keine Erwähnung gethan. Ihre lateralen Partien wachsen in der Richtung nach oben hin, nähern sich den Muskeln 7 und IIT (Fig. 4 7), wo wir sie ganz deutlich etwa bei vierundzwanzigtägigen Embryonen sehen. Gerade das hier angeführte Bild Z (Fig. 4) zeigt deutlich, welchen Muskeln der Name M. genioglossus mit vollem Recht gebührt. IM. Dass der Eidechsenzunge die Lingualdrüsen nicht fehlen (LEYDIG), haben schon RercueL, GAUPP und HOFFMANN behauptet; wir wollen ihre Aussagen nur durch einige Bemerkungen und Betrachtungen ergänzen. Durch die Anfangs soliden, später hohlen Einstülpungen des Epithels (Fig. 4 X, rechts und links) beginnen sich nicht nur die Zungendrüsen (g) zu bilden, sondern es werden dadureh auch die Kontouren der künftigen Zungenpapillen gegeben. Die ersten Spuren solcher Einstülpungen sehen wir z. B. in der Zunge eines achtzehntägigen Embryos (Fig. 4 H, g); die Einstülpungen werden allmählich zahlreicher (J, g) und die Erhöhungen auf der Oberfläche der Zunge zwischen diesen Einstül- pungen — freilich mit der dazugehörigen Schleimschicht — das sind die künf- tigen Papillen der Zunge. Bei einer erwachsenen Eidechse (Fig. 5) decken sich, wie bekannt, theilweise diese Papillen dachziegelförmig und sind auf ihrer Ober- fläche mit Plattenepithel (Hornschicht LeypiG’s, e’) bedeckt; diese Hornschicht ist, wie schon bemerkt, um so mächtiger, je näher den beiden äußersten Spitzen der Zunge. Gerade im inneren Gewebe dieser Papillen ist das dunkle Pigment der Zunge (pz) gelagert. In jüngeren Sta- Frontalschnitt durch einige Zungenpapillen dien erscheint das Pigment erst dann, we (p) einer erwachsenen Eidechse (vergr.); e' die Einstülpungen des Epithels häufiger Plattenepithel der Papillenoberfläche, e' Cy- geworden sind, etwa bei dreißigtägigen Padcrapiitel der Gpaeenieee g (links ist Embryonen; aber da pflegt, insbesondere ein Zweig einer solchen Drüse quer durch- A fe re schnitten), pi Pigment; IV wie in der Fig. 4, 14 den beiden lateralen Lingswiilsten der Zunge, das Pigment noch hier und da recht tief unter der Zungenoberfläche zerstreut zu sein. Das gesammte Gewebe der Zunge ist nur in ihren beiden Spitzen von Pigment durchdrungen. Während an denselben und an dem freien, vom Frenulum linguae schon losgetheilten Vordertheile der Zunge durch die besagten Einstülpungen des Epithels in das Gewebe der Zunge nur die Kontouren der Papillen entstehen, sind weiter nach rückwärts hier und da diese Einstülpungen zugleich die ersten Anlagen der künftigen Lingualdrüsen. Solche Einstülpungen verbreiten sich all- mählich an ihrem unteren Ende (etwa bei Embryonen aus dreißigtägigen Eiern nach der Eiablage; vgl. Fig. 4 K, g), bis aus ihnen verzweigte, nicht tubulöse (HoFF- MANN), sondern echte Alveolardrüsen entstehen (Fig. 5g). Sie bilden sich also Anfangs auf dieselbe Art und Weise, wie die Umrisse der Papillen; im Inneren sind sie mit Cylinderepithel (e’’) ausgekleidet. Dieses Epithel, sowie das Platten- epithel der Papillenoberfläche sind also auch hier nur Modifikationen der ur- sprünglichen, einer und derselben Schleimschicht. Um einem möglichen Irrthum vorzubeugen, will ich noch bemerken, dass die Einstülpungen d in der Fig. 2 (D) die ersten Anlagen der künftigen Zahn- säckchen sind. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. er ne = nu 4 ee ont Re ae i] 5% wi iy 00130359 T