q ou a N lie yeld y te Tu ich ) \ R r afı y ZZ AT, I Ct , ) I BZ $ ell SYUN, ichte \ Aid h ruedrich . le atı or ) »> Bern. m [ch gc | NT f L} l P . char: I I Lt Ü l 2 ARE, FR VELLASEEST, / uch, 7 7 ET PL, L. ud I 108 % (HAI 74084 un W7} DD L ) RE WERE [2 Fr 7° er Ant ve ‚PUBL. SL NSISN Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens ın Bern. N sroratienfaßinerte: können — so wie überhaupt Sammlungen jeder Art — nur Einen vernünftigen Zweck haben: Jufinunterung zum Studium der gesammelten Gegenstände und Belehrung. Man bringt eine Menge Gegenstände der Natur zu- sammen, stellt sie nebeneinander in einer gewissen Ordnung auf, bezeichnet sie mit Nahmen , Aufenthalts - oder Fundort u. s. w. Warum? Es lässt sich kein anderer vernünftiger Zweck denken, als dieser: durch die Aufbewahrung und Aufstellung einer Reihe von Naturprodukten hier und da die schlafende Neigung zur Naturgeschichte zu wecken und ihr gleichsam den ersten Stoss zu geben sich zu regen; dem Ungelehrten wie dem Gelehrten Gelegenheit zu verschaffen , durch Anschauung und Vergleichung ihre Ann zu berichtigen und ihre Kenntnisse zu bereichern. Wenn diess, und nicht etwa “eitle an oder ein kindisches Vergnügen an bunten Spielsachen und glänzenden. Raritäten der Zweck ist, den der Sammler oder Besitzer eines Naturalienkabinetts sich vorgesetzt hat, so ist es klar, dass dieser Zweck um so leichter und gewisser erreicht wird, je ordentlicher und vor- theilhafter für ‚Ansicht und Untersuchung die Gegenstände aufgestellt sind. Doch war .der Nutzen, selbst der reichsten und aufs trefllichste angeordne- ten Sammlungen, zumal der sogenannten Öffentlichen , immer nur sehr einge- schränkt. Nur einige wenige gelehrte Naturforscher, die in dem Orte ihres Auf- enthalts einen solchen Schatz für ihr Studium zu benutzen das Glück haben, nur einige Reisende , die bey ihren, meistens allzuschnellen Durchflügen durch die Sääle eines naturhistorischen Museums hier und da einige karge Tropfen’ zur Bereicherung ihrer Kenntnisse weghaschen können, ziehen allein einigen Antheil von dem Nutzen solcher Anstalten; alle andere die ihre Lage und Umstände von denselben entfernt hält, gehen leer aus, wissen und erfahren von den seltenen Schätzen , die dort gesehen und vielleicht auch studirt werden können, nichts. Viel allgemeiner und ausgebreiteter würde der Nutzen der naturhistorischen Mu- ' seen für Einheimische und Fremde, für den Gelehrten und Ungelehrten und für 4 2 die Wissenschaft selbst seyn, wenn, glöichwie von seltenen Büchern und Ma- nuscripten. grosser Bibliotheken Beschreibungen , Auszüge und Proben gegeben werden, auch von den interessantesten und seltensten Gegenständen der Natura- lienkabinetter zweckmässige Beschreibungen ‚, Nachrichten und getreue Abbildun- gen häufiger, als bisher geschehen ist, geliefert würden; das einzige Mittel, auch den Auswärtigen , der nicht selbst kommen und schen kann, an diesen Schätzen Antheil nehmen zu lassen. Das Museum der Naturgeschichte auf der öffentlichen Bibliothek in Bern, muss einst als Vereinigungspunkt aller naturhistorischen Merkwürdigkeiten , welche die Schweiz hervorbringt, für jeden den dieses Land besonders in dieser Hinsicht interessirt , äusserst wichtig werden; und schon jetzt ist es, obgleich noch im Entstehen, nicht unbedeutend mehr. Gewiss wird es den Nutzen, den | man bey der Anlegung und Erweiterung dieses Museums beabsichtiget, vermeh- ren und gewiss wird es einheimischen und auswärtigen Freunden unserer vater- ländischen Naturgeschichte nicht unangenehm seyn, wenn nach und nach die interessantesten und merkwürdigsten Gegenstände dieses Kabinetts auf eine lehr- reiche und unterhaltende Weise beschrieben und getreu abgebildet werden , welches in solchen einzelnen Heften, wie das gegenwärtige ist, das als Probe- stück erscheint , geschehen soll. Die Aufnahme dieses ersten Versuchs und die Unterstützung, die das Unternehmen vornehmlich in unserm Berner Publikum, ‘das sich vorzüglich dafür interessiren sollte, findet, wird die langsamere oder schnellere Folge der Fortsetzungen bestimmen. Kurzgefasste Geschichte des Museums der Natur- geschichte Felvetiens in Bern. Schon lange besass die Bürger-Bibliothek der Stadt Bern einzelne interessante Stücke von Naturalien, die neben der reichen und seltenen Sammlung der Kunst- produkte von den Inseln des grossen Weltmeeres , welche Herr Weber , ein geborner Berner und Begleiter des Weltumseglers Cook auf seiner letzten Reise, dort gesammelt und seiner Vaterstadt zum Andenken an ihn übersandt hatte, in einem besondern Kabinette aufbewahrt wurden. Allein die eigentliche Ent- stehung des gegenwärtigen Museums der vaterländischen Naturgeschichte datirt sich erst vom Ende des Jahres 1802. Damals starb der um die Naturgeschichte q 3 seines Vaterlandes so verdiente Herr Sprüngli, ehemaliger Pfarrer in Stettlen, und hinterliess nebst mehrern andern sehr beträchtlichen naturhistorischen Sammlungen, die äusserst interessante, fast vollständige Sammlung der schweizerischen Vögel. Auf Anregung der Gesellschaft vaterländischer Naturfreunde ward dieselbe , vermittelst einer Subscription unter hiesiger Bürgerschaft und Beyhülfe der dama- ligen Gemeindskammer für die Stadt angekauft, und zu ihrer zweckmässigen und geschmackvollen Aufstellung die schöne Galierie der Bibliothek eingeräumt, wo nun auch die übrigen schon vorhandenen Naturalien , nebst den australischen Kunstprodukten,, einen schicklichern Platz erhielten. Die Sorge für die Erhaltung und Fortsetzung, so wie vornehmlich für die zum allgemeinen Unterrichte abzweckende Anordnung der verschiedenen Samm- lungen, wurde nun der erwähnten Gesellschaft vaterländischer Naturfreunde von der gemeinnützig denkenden Stadtregierung anvertrauet, welche derselben auch zu dem Ende eine jährliche Geldunterstützung grossmüthig zusicherte. Von der Zeit an liess diese Gesellschaft, einzig von dem Nutzen des Zwecks beseelt, für welchen sie Zeit und Mühe ohne alle eigennützige Ansprüche mit Freuden opfert,, sich nichts angelegener seyn , als den weisen, gemeinnützigen Absichten ihrer Obern auf alle Weise zu entsprechen, und nach und nach das ihr anvertraute Kabinett zu einem alle Theile der vaterländischen Naturgeschichte um- fassenden Museum auszudehnen. Auch sahe sie bald mit innigem Vergnügen die Ausführung dieses Plans auf mancherley Weise erleichtert. Nicht nur verschaff- ten die zu freywilligen Beyträgen an Naturalien ergangenen Aufforderungen des Publikums und der gefällige Eindruck , den der eigene unmittelbare Anblick der aufgestellten Sammlungen in den Herzen der von allen Seiten her in grosser An- zahl herbeyströmenden Neugierigen und Liebhaber zurückliess, eine Menge ein- zelner, interessanter Beyträge zur Ergänzung und Vermehrung der vorhandenen Naturalien,, sondern das Museum ward sogar mit ganzen Sammlungen bereichert, So erhielt es die vom sel. Sprüngli hinterlassene schöne Sammlung von Petrefacten durch die Generosität des Herrn Rathsherrn Zeerleder ; die durch die ehemalige helvetische Regierung erkaufte kostbare Mineraliensammlung des sel. Herrn von Erlach , nebst dem von Herrn Dr. Tribolet gesammelten grossen Herbarium, womit die Liquidations-Commission in Freyburg die Stadt Bern dotirt hatte; eine beträchtliche Sammlung von inländischen Insekten, durch das Geschenk des Herrn von Bonstetten von Valeyres, und andere mehr. Die Mitglieder der Gesellschaft vaterländischer Naturfreunde entwarfen nun ein ordentliches Reglement , nach welchem sie in ihrer Aufsicht und Besorgung us 4 aller der verschiedenen Sammlungen sich richten wollten, und’theilten sich, zu desto sicherer Erreichung des Endzwecks, in mehrere Commissionen , von welchen jeder ein oder mehrere einzelne Fächer angewiesen wurden, für welche sie unter Responsabilität gegen die ganze Gesellschaft besonders zu sorgen hat. So hat sich unter dieser Aufsicht und Besorgung nach und nach das Museunı in Bern zu einer höchst interessanten , wahrhaft vaterländischen Anstalt gebildet , die — wenn gleich die verschiedenen Sammlungen nicht zu eigentlichen natur- historischen Vorlesungen benutzt werden — doch mit allem Recht als eine wahre Unterrichtsanstalt angesehen werden kann. Denn in den Stunden, da das Museum für jedermann geöffnet ist, und Personen von allen Ständen und von jedem Alter, besonders die wissbegierige Jugend und das Landvolk schaarenweis herbeyströ- men, machen die Aufscher des Museums, deren immer mehrere gegenwärtig sind, sich’s zur angenehmsten Pflicht, die Fragen der Wissbegierigen mit aller Huma- ‚ nität und Popularität zu beantworten, und diese Gelegenheit, schädliche Vorur- theile und Aberglauben auszurotten, irrige Begriffe zu berichtigen und den Saa- men nützlicher Kenntnisse auszustreuen, die sich hier so natürlich darbietet, auf das gewissenhafteste zu benutzen , so dass gewiss nicht leicht jemand , der nur nicht ganz gedankenlos gafft, unbelehrt wieder zurückkehrt. a, Das Museum enthält, ausser vielen ausländischen Produkten, die nur, wenn : sich Gelegenheit darbietet, instruktive Stücke gegen einheimische Doubletten ein- zutauschen, vermehrt werden können , folgende vaterländische Sammlungen : 4. Einen beträchtlichen Anfang der Säugethiere. 2. Das von Sprüngli angelegte und nach dessen Tode ansehnlich vehnlehu und verschönerte ornithologische Cabinet , nebst dazu gehöriger Nester - und Eyer-Sammlung. 3. Einen kleinen Anfang der noch sehr wenig bekannten und untersuchten Amphibien , und 4. Der Fische Helvetiens. 5. Eine nicht unbedeutende Anlage von /nsekten , vorzüglich Schmetterlingen. 6. Die Land - und Wasserschnecken. 7. Die grosse von Herrn Dr. Tribolet angelegte Pflanzen-Sammlung. 8. Eine doppelte Mineralien-Sammlung,, von welchen die eine oryclogno- stisch,, die andere aber geographisch geordnet wird. 9. Die fast vollständige Sammlung schweizerischer PERSIENIEIEMgEN des sel. Sprüngli. Wir wählen aus allen diesen Sammlungen zur Beschreibung für dieses erste Heft: Li 5 Die beyden Jungen Steinböcke *) , an welchen das Museum erst vor Kurzem eine der grössten vaterländischen Naturseltenheiten und eine ganz vorzügliche Zierde erhalten hat. Beyde wurden in den ersten Tagen des Septembers dieses Jahres durch den Gems - und Steinbockjäger Alexis Caillet aus Salvent in Unterwallis, in der Ge- birgskette welche Piemont von Wallis und Savoyen trennt, erlegt; das Weibchen in dem Yal d’Aoste, das Männchen aber auf dem Gipfel der Alpen des Kirch- spiels Ceresolles , in der Nachbarschaft des Mont-Cenis , erst nachdem es sechs Tage lang von dem Jäger verfolgt worden war. Das Männchen trägt noch in allen Verhältnissen seines Körpers das Gepräge der Jugend unverkennbar; auch beweisen die Zähne, dass es nicht über Ein Jahr alt seyn könne. von dem \YVeibchen. Der ganze Habitus seines Körperbaues unterscheidet es auffallend Alle Theile sind gedrungener, näher bey einander, da hin- gegen bey dem ohngefähr dreyjährigen,, auch noch nicht völlig ausgewachsenen Weibchen , die ganze Gestalt schlanker und gestreckter erscheint, wie sich aus den Dimensionen beyder Thiere, die wir hier zur Vergleichung neben einander stellen , abnehmen lässt: Ei Männchen Weibchen Länge des ganzen Leibes von der Nasenspitze bis zum Anfang des Schwanzes Par. Maas 37_6/ 6 Höhe des Vorderleibes 5 Höhe des Hinterleibes = Länge des Kopfes - - Breite der Stirn - Länge der Hömer - - - Umfang des ersten Knotens derselben an der Basıs Abstand derselben von einander an den Spitzen Länge des Halses von der vordern Seite der Haarwurzelfläche bis an die Schulter — Länge von der Schulter bis an die Schwanzwurzel mitten über den Rücken — Höhe der Vorderbeine von der Sohle bis an die Schulter - Höhe der Hinterfüsse - e - Val — EN], en Bl m HNO 2.3) Wi a Ne N er YV 34 64 11 54 71 3/ 10 gu Da Y AU on —_ 741 u — 54 N a — /ı 4 46 ZUM YV 241 6 2 — 100 VEN a 7772) *) Capralbex. Cornibus supranodosisindorsum reclinatis ,gula barbata. Zirın. Syst. Nat.ed. Gmelin. I. p. 196. Ibex. C. Gesner. de Quadrup. p. 331. ed, 'Tigur. 1551. f, Schrebers Säugethiere, Th. V. Taf. 281. Bufon hist. nat. XII. p. 136, t. 13. Bouquetin. Bechstein Naturgesch. D. B. I. S. 610. Lichtenbergs Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte , fortgesetzt von Voigt. B. IV. 2ies St. S. 27. f. Höpfners Magazin für die Naturkunde Helvetiens. B. IV. S. 334. f. "Die in letzterm Werke stehende Beschreibung und Naturgeschichte des Steinbocks der Savoyischen Alpen, von Hrn. Berthout von Berghem ,. Sohn, ist das Beste und Zuverlässigste , was bis jetzt über diesen Gegenstand geschrieben worden ist; wir empfehlen daher diesen Aufsatz unsern Lesern zum weitern Nachlesen. Der Aufsatz über den Steinbock in Wildungens Taschenbuch für Forst = und Jagd=-Freunde von 1803 und 1804, enthält nichts Neues und die beygefügte Abbildung ist obne Werth, 6 Der Kopf ist bey dem Männchen beträchtlich kürzer, als bey dem Weib- chen, vornehmlich ist die Stirne ungleich gewölbter und erhabener. Sehr auffal- lend zeigt sich dieser Unterschied an dem Skelette, und dass die höhere Wölbung der Stirn beym Männchen nicht etwa ein nach und nach verschwindender Jugend- charakter sey, beweiset die Vergleichung mit dem Schädel eines 17 - 18 jährigen Steinbocks, den wir vor uns’haben, und bey welchem die Stirn nicht weniger stark gewölbt ist. Vergleichen wir den Schädel des Steinbocks mit dem der gemeinen Ziege, so finden wir vornehmlich in der Stirn und im Hinterkopf sehr auffallende Ver- schiedenheiten. Bey der gemeinen Ziege ist alles eckigter, schmäler und flacher, da hingegen beym Steinbock Stirn und Hinterkopf gerundeter, ausgedehnter, er- habener erscheinen, und überhaupt die ganze Form einen edlern Charakter hat. Den Liebhabern der Gall’schen Cranioscopie zu Gefallen bemerken wir noch, dass an dem Schädel des Steinbocks das Organ des Höhesinns (d. i. der Neigung zu einem Aufenthalt in hochliegenden Gegenden) und das der Schlauheit ungleich entwickelter und ausgebildeter erscheint, als bey der gemeinen Ziege. Die Hörner unserer jungen Steinböcke sind in Vergleich mit solchen, wie man sie hier und da zu sehen gewohnt ist *), nur sehr klein; allein unverkenn- bar zeigt sich, zumal beym Männchen der Charakter, der die Hörner des Stein- bocks von den Hörnern verwandter Thiere wesentlich unterscheidet. Deutlich tritt hier dicht über der Wurzel des Horns die erste querlaufende,, starke, knor- richte Hervorragung hervor, unter welcher schon der Anfang jener breiten vordern Fläche des Horns zu sehen ist, die das Steinbockshorn auf das bestimmteste cha- rakterisirt. Viel weniger bemerkbar ist dieser Charakter an den weiblichen Hör- nern, die überhaupt durchaus schwächer, ungleich kürzer und mit weit geringern Hervorragungen verschen sind. Uebrigens ist der Stand der Hörner auf dem Kopfe bey beyden Geschlechtern gleich, an der Wurzel sehr nahe zusammengerückt, an den Spitzen aber weit von einander abstehend. Viele Abbildungen des Steinbocks haben den Fehler, dass sie die Hörner an der Spitze wieder aufwärts gekrümmt darstellen, welches in der Natur nie der Fall ist, sondern immer haben die Hörner des Steinbocks eine halbmondförmige Krüm- mung, so dass die Spitzen schräg unterwärts nach dem Rücken zu gerichtet sind. *) Beyläufig muss hier bemerkt werden, dass die Angabe von 20 und mehr pfündigen Steinbockshörnern , die man in den Beschreibungen findet, übertrieben zu seyn scheint. Wir haben ein Paar solcher Hör. ner vor uns, wovon die Länge 2/ 3”, und der Umfang an der Wurzel %/ Par. Maass beträgt , mit 17 Knoten, also gewiss ein Paar der allergrössten,, die man nur sehen kann, und doch ist das Gewicht derselben nicht mehr als 71/2 1b. fi Die Ohren sind ziemlich gross, abstehend,, inwendig fast nackt, am Rande weissbehaart. Der Bart, der bey dem Männchen erst im dritten Jahre zum Vorschein kömmt, und nicht über 2 Zoll lang wird , fehlt noch ganz. Die Weibchen be- kommen nie einen Bart. Der ganze Leib ist mit ziemlich groben, steifen Zaaren bedeckt, die eine graue, nur schr wenig aufs Röthliche ziehende Farbe haben. Von einer lang- haarigen Mähne, wie die gemeinen Ziegen über den Rücken haben, ist keine Spur vorhanden; auch fehlt der schwarze Streif über. den Rücken, den man sonst an diesen Thieren wahrnimmt, der aber immer in der Zeit, da sie sich haaren, gänz- lich verschwinden und hernach wieder zum Vorschein kommen soll. Dagegen ist unten an den Weichen ein von den Vorderbeinen nach den Schenkeln in der Breite eines Zolls hinlaufender, dunkelbrauner Streif an beyden Thieren sehr auffallend. Der Bauch und die inwendigen Seiten der Beine sind weiss. Der kurze Schwanz ist unten weiss , oben mit dunkelbraunen , langen Haaren besetzt. Das Weibchen hat, wie die gemeine Ziege, zwey Zitzen. An den Beinen ist das Haar steifer und dunkel von Farbe. An den Hinter- beinen aber zeigt sich auswärts unter den Knieen ein länglichrunder weisser Fleck. Ueberhaupt sind die Beine kurz , muskulös , stämmig ; die vordern niedriger , als die hintern. Die Alauen sind lang und unten , zumal an der äussern Seite, mit einem scharfen Rande versehen; die Afterklauen sind schr stark und horn- artig. Der Anblick der Steinböcke verräth durchaus nichts bösartiges, vielmehr etwas unschuldiges,, sanft. ınüthiges , welches sie fähig macht, in der Gefangenschaft eine ausnehmende Zutraulichkeit und Gesel. ligkeit anzunehmen , wenn sie gleich, so lange sie sich in ihrem freyen Naturzustande befinden, selbst in der zartesten Jugend einen hohen Grad von Wildheit und Schüchternheit zeigen , so wie auch unser junges Männchen durch seine Flüchtigkeit sechs ganzer Tage lang sich dem unermüdet nachsetzenden Jäger entzogen hatte. Ihr Jufenthalt ist in den höchsten , wildesten Gegenden der Alpinischen Gebirge, wo sie des Nachts in den hochliegenden Wäldern weiden , bey Tage aber vornehmlich auf den der Morgen- oder Mittags. sonne ausgesetzten Halden ruhen , von welchen sie gegen Sonnenuntergang wieder in die Wälder herab. kommen. Die alten Männchen pflegen am höchsten zu steigen , die Weibchen und Jungen werden immer tiefer unten angetroffen ; diese halten sich auch mehr gesellig bey einander auf, da hingegen jene inehr ein einsiedlerisches Leben führen. Werden sie verfolgt, dann springen sie mit der grössten Uner- schrockenheit ,„ Leichtigkeit und Sicherheit von Felsen zu Felsen , oft über die tiefsten Abgründe hinweg und setzen über kaum wenige Finger breit hervorragende Absätze senkrechter Felsenwände bis zu den höchsten Spitzen hinan. Wegen der starken Muskeln und der grössern Länge der Hinterbeine sind sie im Stande sehr beträchtliche Sprünge aufwärts auszuführen, aber bergunter zu laufen ist ihnen dieser Bau ihres Körpers mehr hinderlich als vortheilhaft. g Die Begattungszeit der Steinböcke ist im Januar, und dann sollen erst blutige Kämpfe zwischen den Böcken den Besitz der Weibchen entscheiden müssen. Diese sind fünf Monate trächtig und werfen am Ende des Brachmonats oder im Anfange des Heumonats ein Einziges Junges, welches, bald nach seiner Geburt , kaum so gross als eine Katze mit seiner Mutter davon läuft und in kurzer Zeit von Felsen zu Felsen springen lernt. i Dass sich der Steinbock in der Gefangenschaft mit der gemeinen Ziege begattet und mit ihr einen Mittelschlag erzeuget, ist durch die Erfahrung erwiesen *); aber dass dies auch im natürlichen Zu- stande der Freyheit geschehe, davon hat man durchaus noch keine Beweise, so wenig als von einer Be- gattung des Steinbocks mit der Gemse. Beydes scheint uns höchst unwahrscheinlich. Der Steinbock hat im vierten Jahre seine vollkommene Grösse erreicht , und wenn, was in. der Regel bey allen Säugethieren angenommen ist, es auch hier eintrifft, dass die Zeit des Wachsthums siebenmal in der ganzen Lebensdauer enthalten ist, so dürfte das höchste Alter, das der Steinbock er- reichen kann ‚ nicht über 28. 30 Jahre steigen. Auf jeden Fall ist die Rechnung, welche für diese Thiere ‘ein Alter von 90 - 100 Jahren angiebt, übertrieben. Mit welchen Gefahren die Steinbocksjagd verbunden sey, kann sich leicht jeder vorstellen, der einen Begriff von der Beschaffenheit jener hohen Gebirgsregionen hat, in welchen sich diese 'T'hiere aufhalten. Die grosse Seltenheit der Steinböcke in unserer Alpenkette ist aber Schuld, dass es hier nur noch wenige Menschen giebt, die sich jenen Gefahren aussetzen mögen. Die vielen Steinbockshörner ‚ die man in der Schweiz noch in manchen Schlössern als Familiendenk- mäler und sonst an andern Orten aufbewahrt sichet, beweisen, dass ehemals diese T'hiere auf den Schwei- zerischen Alpen nicht selten gewesen seyn müssen; doch scheint die Art überhaupt nicht zahlreich ge- wesen zu seyn, da sie sich immer nur einfach vermehrt. Jetzt stimmen alle Nachrichten aus den ver- schiedensten Gegenden der Schweizerischen Alpenkette dahin überein, dass in derselben schon seit vielen Jahren keine Steinböcke mehr angetroffen werden **), und die Gegenden , aus welchen das Museum in Bern seine Exemplare erhalten hat, nämlich die Savoyischen und Piemontesischen Alpen, scheinen die einzigen zu Seyn , wo gegenwärtig noch Thiere dieser Art einzeln angetroffen werden. Es ist aber sehr wahrscheinlich , dass man auch dort bald keine mehr finden wird; und so wäre dann diese interessante , merkwürdige Art aus allen T'heilen der Europäischen Alpen verschwunden. *) S. Höpfners Magazin II. S. 31. Das Museum in Bern besitzt ein Paar Hörner von einem solchen Bastard , die in der prismatischen Form den Hörnern der gemeinen Zeige gleichen, aber sich durch einige Steinbocksartige Knoten davon unterscheiden, '**) In Tischugg bey Erlach bewahrt Herr Oberamtsmann von Steiger noch das Horn eines Steinbocks auf, den sein Herr Grossvater , als er in den 50ger Jahren des vorigen Jahrhunderts in die chemali- gen italienischen Vogteyen als Syndicator zog, auf dem Gotthard eigenhändig erlegt hat. Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. N. 2. \V le allen schweizerischen Thieren, verdienen diejenigen , welche ausschlies- send Bewohner der’hohen Alpengebirge sind, unstreitig unsere vorzügliche Auf- merksamkeit, um so mehr da eben diese Geschöpfe theils noch gar nicht, theils nur mangelhaft und unrichtig beschrieben worden sind. Wir haben in dem ersten Hefte unsers Museums einen sehr seltenen Alpenbewohner aus der Klasse der Säugethiere abgebildet und beschrieben, und hoffen damit den Freunden der helvetischen Naturkunde nicht unwillkommen gewesen zu seyn. In diesem gegen- wärtigen Hefte liefern wir nun ein Paar Alpenvögel, die, obgleich sehr verschie- den, dennoch nicht nur im Auslande sondern selbst von den Bewohnern unserer alpinischen Gebirgsgegenden häufig mit einander verwechselt worden sind. Beyde gehören in das Krähengeschlecht, dessen allgemeine Charaktere: ein gerader, vorn etwas abwärts gebogener,, messerförmiger,, starker Schnabel, mit vorwärts liegenden, borstenartigen Federn bedeckte Nasenlöcher, und die knorp- lichte, gespaltene Zunge, sind. Die Steinkrähe , Steindohle. (Fig. 1.) (In halber Lebensgrösse abgebildet. ) Corvus graculus violaceo-nigricans, rostro pedibusque rubris. Zinn. Gmelin ,„ p. 377. 18. Coracia. Brisson Omith. II. p. 3. pl. 1. fig. 1. Le Crave , ou le Coracias des Alpes. Buffon Oiseaux III. p. 1. t. 1. Bench: enlum. 255. Red-legged Crow. Latham Synops. I. 1. p. 401. n. 39. Bechsteins Uebersetzung I. p. 333. Pennant Britt. Zool. I.n. 80. Bechsteins N. G. D. UI. p. 447. Ornithol. Taschenb. T. p. 91. Beschreibung. Der Schnabel ist hellcorallroth , am Rande und an der Spitze ein wenig durchscheinend. Beyde Kinnladen sind gleich lang, vom Ursprung an mässig gebogen, nicht dick , wie sonst bey den Krähen, sondern mehr dem Schnabel der Baumläufer ähnlich, nach und nach in eine ziemlich scharfe Spitze auslaufend. Der obere Schnabel ist auf dem Rücken gerundet; der untere unten bis auf die Mitte flach, von da nach der Spitze hin ebenfalls gerundet. 2 10 N Die Länge des Schnabels über den Rücken gemessen beträgt (Par. M.) 24 47% "Von der Oeffnung bis zur Spitze - Br ncne a. eo a8 Breite desselben: an der Wurzel‘ -)- - 7 LEINE Die Nasenlöcher liegen hinten, nahe an der Wurzel, sind ziemlich gross, rund und mit kurzen Federchen bedeckt. Der Kopf ist klein. Die Farbe der Federn am Kopfe und dem ganzen Körper ist schwarz, doch mit dem Unterschiede , dass sie auf dem Kopfe, am Halse, an der Brust, dem Bauche und Rücken ins Purpurfarbige, auf den Flügeln und dem Schwanze aber ins Grüne schillert. Die zusammengelegten Flügel reichen bis an das Ende des Schwanzes; die Schwanzfedern sind alle von gleicher Länge. Die Zänge des Vogels von der Schnabelwurzel bis ans Ende des Schwanzes beträgt 1! 34 ai, Die Beine und Zehen sind etwas dunkler roth, als der Schnabel, und ziem- lich stark; die Zehen stark geschuppt, das ein selbst aber glatt, ohne Schuppen und Abtheilungen *). Die Länge des Beins beträgt - - - = - = = = =... 441 golH Die Länge der mittlern Zehe, ohne Klauen - - - - - - - 41 zil der innern rn TEEN der äussern u a ee der hintern St Hr; se Ver Die Klauen sind schwarz, stark gekrümmt, spitzig, unten mit einer Hohl- kehle und scharfem Rande. Die der Hinterzehe ist viel grösser als die übrigen und bey 10’ lang. . Unten haben die Zehen starke warzige Ballen. Bey jungen Vögeln ist die Farbe des Schnabels und der Füsse nicht so lebhaft rotlı, wie bey alten. Der Aufenthalt dieses Vogels ist in den höchsten Gegenden des Alpengebirges. Saussure tvaf ihn auf dem Col de Geant, 1763 Toisen über dem Mittelländischen Meere **) , und auf dem Bon-homme, 1255 Toisen über dem Meere ***). Auch in den Ormonder-Bergen des ehemaligen Gouvernements Aigle wird er angetroffen. Unser sel. Spräüngli erhielt mehrere Exemplare von daher. Man nennt ihn dort Corneilleroyale. Am St. Bernhardsberge, wo er, so wie überhaupt in der südlichen Alpenkette „ welche Wallis von Italien trennt, nicht selten ist, wird er Corneille imperiale genannt. Er scheint aber nicht das ganze Jahr hindurch den gleichen Aufenthalt zu behalten , sondern im Spätjahre in wärmere Gegenden, en *) Hierin ist Buffons Abbildung , planch. enl. 255 unrichtig. “) Doyages IV. p. 250. #6) Ibid. II. p. 181. 11 ‚vielleicht nur an die Südseite des Alpengebirges zu ziehen, um daselbst zu überwintern: So erscheinen j ‚gewöhnlich im October auf dem Bernhardsberge bey dem Kloster Flüge von 60 ünd mehrern , die sich 2-3 Tage dort aufhalten, dann aber weiter ziehen. Nach der bestimmten Versicherung des Herrn von Salis in Marschlins ist die Steinkrähe in Graubündten im Winter nicht sichtbar, sondern sie erscheint dort im. ‚ April, nistet in einigen sehr hochliegenden Dörfern auf den Kirchthürmen , brütet im May, und wenn es die Witterung erlaubt, noch einmal im August, und zieht im October wieder fort. In andern Gegen- den, z.B. in den Gebirgen von Faucigny haben sie ihre Nester an den steilsten Felsenwänden ,„ und immer hoch über der Region des Holzwuchses. Frühmorgens lassen sie sich in die niedrigern Gegenden und wohl bis dahin herab, wo man pflügt und gräbt, um die Würmer und Insekten, die ausgepflügt oder aus. gegraben werden, aufzusuchen. Dies ist denn auch fast der einzige Zeitpunkt, wo es möglich ist ihrer habhaft zu werden, denn sie sind äusserst scheu und vorsichtig, und am Tage halten sie sich nur um die höchsten, unzugänglichen Gipfel des Gebirges auf. Gewöhnlich fliegen sie nur einzeln oder Familien. weise mit einander, aber auch nicht selten mit den Alpendohlen, welche unsere zweyte Figur vorstellt, und werden daher oft mit diesen verwechselt. Ihre vornehmste Nahrung besteht in Insekten verschiedener Art *), doch fand Herr Sprüngli den Magen eines seiner Exemplare mit Hanfsaamen angefüllt. Im Herbst verzehren sie auch allerley Beeren. Es scheint uns hier der Ort zu seyn eines Vogels zu erwähnen, der seit Conrad Gessners Zeiten als Schweizervogel von allen Ornithologen beschrieben und abgebildet worden ist, obgleich kein einziger ihn gesehen hat. Schon mehrmals wurde auch in unserm ornithologischen Cabinet von Reisenden diesem überall beschriebenen Vogel nachgefragt , allein wir konnten ihn eben so wenig vorzeigen als irgend ein Cabinet in Europa, weil er nur in den Ornithologien , aber nicht in der Natur existirt. Es ist dies der sogenannte Alpenrabe, Waldrapp oder Steinrapp , (Corvus Sylvaticus, Gessner,; oder Corvus Eremita, Linn.) von welchem C. Gessner folgende Nachricht giebt **): ” Dieser Vogel wird bey uns gewöhnlich Faldrapp genannt, weil er in waldigen, „ bergigen und einsamen Gegenden sich aufzuhalten pflegt, wo er an Felsen und verfallenen Thürmen „nistet. Er sucht seine Nahrung auf Wiesen und an sumpfigen Orten. Er ist von der Grösse einer „Henne , schwarz am ganzen Leibe wenn man ihn von weiten sieht , betrachtet man ihn aber in der „Nähe, so scheint seine Farbe mit grün vermischt. Die Füsse sind fast wie bey der Henne , aber „länger , die Zehen frey , der Schwanz ist nicht lang. Alte haben auf dem Kopfe einen rückwärts „stehenden Federkamm. Der Schnabel ist röthlich, länglich , und geschickt aus Ritzen in der Erde, „in Mauern und Bäumen die darin verborgenen Insekten hervorzulangen. Die Beine sind lang , „dunkel röthlich. Er soll Heuschrecken, Gryllen, kleine Fische und Frösche fressen. Er nistet am „ häufigsten auf hohen Mauern zerstörter Schlösser, die auf den Bergen der Schweiz häufig sind. Sie „fliegen sehr hoch und legen 2-3 Eyer. Sie ziehen, so viel ich weiss, zuerst von allen Vögeln fort, „wenn ich nicht irre im Anfang des Brachmonats. Sie kommen aber im Frühling mit den Störchen „an. Sie lassen nicht oft eine rauhe Stimme hören, die ohngefähr Ka ka oder Ka kä! klingt , zumal „ wenn man ihnen ihre Jungen nimmt, welches ohngefähr 5 Tage nach Pfingsten bey uns zu geschehen „pflegt. Die Jungen lassen sich zähmen , so dass sie auf das Feld fliegen und wieder zurückkommen, „ Auch werden die Jungen als eine gute Speise und sogar als Leckerbissen gerühmt etc. etc. , Gessner ist der erste , der dieses Vogels erwähnt, und der einzige, der in der That das Thier vor sich gehabt hat, wovon er so unvollständig und dunkel spricht, dass man, nach dem was er sagt, un. möglich wissen kann welchen Vogel er eigentlich meint. Alle übrige Ornithologen haben Gessnern nur *) Saussure Voyages, IV. p. 230. ”) C. Gessner de Avibus, p. 337, edit. Tigur. 1554, f. 12 nachgeschrieben , ihn theils unrecht ausgelegt, theils durch ungegründete und falsche Zusätze nur noch mehr verdunkelt, und die Verwirrung noch grösser gemacht. Wir wollen uns indessen durch diese nicht irre machen lassen , sondern uns allein an Gessner halten, um zu untersuchen ob der Waldrapp , den er beschreibt „ eine eigene Gattung (species) ausmache , oder wenn dieses nicht wäre, zu welcher be. kannten Gattung er gezählt werden müsse *). Gessner , der sonst wegen seiner Genauigkeit im Beobachten und seiner Treue ım Beschreiben allen Glauben verdient , hält seinen Corvus Sylvaticus für eine eigene und besondere Gattung. Weil aber irren menschlich ist, und auch die grössten Naturkündiger nicht von Irrthümern frey sind, so glauben wir , dass auch Gessner in diesem Falle, wie in verschiedenen andern sich geirrt habe , und wir haben folgende Gründe dies zu glauben: 4. Ist kaum zu glauben , dass dieser Vogel, der doch gar nicht als eine, Seltenheit , sondern vielmehr als etwas ziemlich gemeines aufgeführt wird , allen folgenden Natur- . forschern bis jetzt sollte unbekannt geblieben seyn, wenn er eine von den übrigen Gattungen des Krähen. geschlechts ganz verschiedene Gattung wäre. Hier in der Schweiz ist unter den Vögeln die ausschlies. send die Alpen bewohnen „ aus dem Krähengeschlecht keine andere Gattung bekannt, als die beyden, welche dieses Heft unsers Museums abgebildet liefert. Gessner sagt aber von seinem Waldrappen: Es werden viele an der Donau, auf beyden Ufern, wo nur Felsen und Klippen sind, wie z. B. nicht weit von Passau und oberhalb Kehlheim angetroffen , u.s. w. Wären diese Vögel eine besondere Gattung, warum haben wir von Andern keine bestimmtere Nachricht davon? 2. Ist Gessners Beschreibung so kurz und unvollständig , dass sie leicht auf mehrere Gattungen passen könnte, , und die Nachrichten von der Lebens. art dieses Vogels scheinen nicht durchaus richtig, und sind offenbar nur ohne genugsame Prüfung aus unzuverlässigen Erzählungen , aber nicht aus eigener Beobachtung aufgenommen. Wenn nun demnach Gessners Alpenrabe nicht eine eigene Gattung .seyn kann , zu welcher schon bekannten können wir ihn also hinweisen ? : i Gessner nennt ihn einen Corvus , er muss folglich augenscheinlich gefunden haben , dass er den Krähen am meisten verwandt sey. Zu welcher Gattung des Krähengeschlechts könnte er nun wohl ge. hören? Sehr wahrscheinlich zu der vorhin beschriebenen Steinkrähe (C. graculus, L.) Ray und die Verfasser der florentinischen Ornithologie haben dies schon gemuthmasst , und wirklich passen die ineisten Kennzeichen , die Gessner bey seinem C. Sylvaticus anführt , auf unsere Steinkrähe. Man ver- gleiche nur die durch den Druck ausgezeichneten Stellen in Gesszers Beschreibung , mit unserer oben von der Steimkrähe gegebenen. Einiges freylich scheint in Gessners Beschreibung diesen Vogel specifisch zu unterscheiden , z. B. der Fcderkamm. Allein dieser kann bey dem Exemplare , das Gessner vor sich hatte , etwas Zufälliges gewesen seyn. Gewiss war er nicht so beträchtlich , um ihn mit einer Pferdemähne vergleichen zu können, wie Albin **) thut, der überhaupt bey seiner Beschreibung dieses Vogels , den er nie sahe , seiner Phan- tasie freyen Lauf lässt , und vollends ein abentheuerliches Geschöpf daraus macht. Gessner legt übrigens nur den Alten einen solchen Federkamm bey , und zuvor sagt er auch, dass die ältern einen kahlen Kopf bekämen. Dies scheint einander zu widersprechen und macht sowohl den Federkamm als den Kahlkopf Zweifelhaft. Oder vielleicht hatte durch übele Behandlung , durch die angehende Verwesung oder durch das Mausern Gessners Vogel einen Theil seiner Kopffedern verloren , während andere aus ihrer natür- lichen Lage gekommen waren und wie ein Kamm in die Höhe standen. Von der Steinkrähe redet übri- gens Gessner als von einer dritten Krähenart , nur vom Hörensagen. Freylich giebt er eine ziemlich gute Abbildung und Beschreibung derselben, die er aus England erhalten hatte, weiss aber, wie er selbst gesteht, nicht, ob diese jene dritte Krähenart angehe oder nicht. *) Diese Untersuchung rührt von unserm sel. Sprüngli her , und war der Inhalt eines seiner Briefe an’ den ne Prof, Hermann in Strasburg. Wir liefern nur das Wesentlichste ge *) Aves III. p. 13 , Alles zusammengenommen, scheint nichts anders sich zu ergeben, als dass Gessners Alpenrabe und die Steinkrähe ein und eben derselbe Vogel sey, dass Gessrer wirklich ein Exemplar der letztern vor sich hatte, wonach er seine Beschreibung machte, welches aber am Kopfe so verunstaliet gewesen seyn muss, däss er in der ihm aus England zugeschickten Abbildung seinen Vogel nicht wieder erkennen konnte, \ Was die Umstände in Gessners Nachricht betrifft, die gar nicht auf die Steinkrähe passen, z. B. das frühzeitige Wegziehen , dass man die Jungen um Pfingsten ausnehme u. a., so muss man annehmen , dass die Leute , welche Gessnern solche Umstände angaben , den Vogel mit andern verwechselt hatten. Wir wissen aus täglicher Erfahrung , wie wenig man überhaupt sich auf solche Angaben der Landleute und selbst der meisten Jäger verlassen kann, die gewöhnlich nur auf die eigentlichen jagdbaren Thiere , aber selten auf andere Acht haben , und daher von diesen wenig oder nichts Zuverlässiges anzugeben wissen, Die Alpenkrähe , Alpen - oder Bergdohle. (Fig. 2.) ( Abgebildet in halber Lebensgrösse. ) Pyrrhocorax. Gessner , p. 508. Corvus Pyrrhocorax nigricans , rostro luteo , pedibus rubris. Zinn. Gmel. p. 376, n. 17. Brisson Ormith. II. p. 30, pl. I. f. 2. Le Choucas des Alpes. Bufon Ois. III. p. 76, t. 6. planch. enlum. n. 331. Alpine Crow. Latham Syn. I. 1. p. 183, n. 11. Bechsteins Uebersetzung I. p. 314. Bechstein ornith. T’aschenb. I. p. 92, n. 7. Trivialnahmen dieses Vogels im Canton Bern sind : Dävie, Flüedävie, Dähi, Dähe,; im Ober- hasle: Chäfi,; in Adelboden: Chächly. Beschreibung. „ Der Schnabel ist hellgelb, der obere Kiefer reicht über den untern hinaus, ist ziemlich gebogen , spitzig, und nahe bey der Spitze mit einem merklichen Zahn versehen. Bey den Jungen ist der Schnabel schwärzlich , bloss an der Wurzel des Unterkiefers gelblich. Länge des Schnabels, von der Spitze bis zum Mundwinkel 41” 3, Die Nasenlöcher sind länglich rund , mit borstigen Federn bedeckt; über dem Mundwinkel stehen ziemlich starke Haare, vorwärts gegen den Schnabel gerichtet. Die Augen sind von mittelmässiger Grösse und nussbraun. ' Die Farbe der Federn ist über den ganzen Körper nebst Flügeln und Schwanz, dunkel schwarz, gegen das Licht gehalten fällt sie etwas ins Blaue, ausser dem Schwanze, der ins Grünliche schillert. Bey dem Weibchen fällt das Schwarze mehr ins Braune , besonders unter den Flügeln und unter dem Schwanze. Die Flügel sind spitzig, ziemlich stark, und reichen zusammengelegt bis fast ans Ende des Schwanzes. Die vierte Schwungfeder ist die längste, 14 Die mittlern Schwanzfedern sind unbeträchtlich länger, als die äussern, so dass der Schwanz nur wenig keilförmig erscheint. NR re Die Länge des ganzen Vogels beträgt - - - - - - - - 1 2! — Die Breite der ausgebreiteten Flügel - - - - - - - - 2 TI — Die Länge des Schwanzes - - - = 1-2 = 2.2.2.2 ol 1ol0 Die Füsse sind bey den alten Männchen mennigroth, bey den Weibchen, nach den Beobachtungen des Herrn Emanuel Wyss, dem wir die diesem Hefte beygefügten schr getreuen Zeichnungen, so wie mehrere genaue Bestimmungen in der Beschreibung dieses Vogels verdanken, bräunlich, mehr ins Schwärzliche fallend, mit gelben Fusssohlen; bey den ganz Jungen aber schwarz, jedoch auch mit gelben Fusssohlen. Die Zehen sind stark geschuppt, das Bein hingegen hat nur unten einige schwache Kerben und ist übrigens ohne Schuppen. Die Alauen sind gross, spitz, stark gekrümmt, unterhalb zur Seite scharf gerandet. Länge der mittlern Zehe mit der Klue - - - - - - =... 41 3 der äussern ee A SE der innern EBEN UNE . der hintern a Kae LER Diese Vögel sind in allen Gegenden der Alpen, die an die hohen Schneegebirge gränzen , sehr gemein und wohl bekannt. Im Sommer halten sie sich bey heiterer Witterung um die hohen steilen Felsen auf. Wenn sie sich in dieser Jahrszeit in die niedrigern Gegenden herablassen , so sieht man dies als ein Zeichen von bald einfallendem Regenwetter und Sturm an. Im Winter aber sieht man sie immer in den niedrigen Gegenden der Alpen. Ausserhalb der Alpengegenden lassen sie sich nur höchst selten sehen; so zeigten sich 1786 im Anfange des Maymonats , wo in den Gebirgen noch viel Schnee fiel, ein Paar dieser Vögel bey Bern an der Halden hinter dem Zuchthause. Ihre Zedensart hat manches Eigene. Herr Kuhn, (Lehrer an der Elementarschule in Bern) der diese Thiere mehrere Jahre hindurch genau zu beobachten Gelegenheit hatte, hat uns darüber folgende Nachrichten mitgetheilt. Sie sind noch geselliger als die gemeinen Dohlen; selten sieht man einzelne Paare, sondern gewöhn. lich ungeheure Schaaren beysammen. Im Fluge zeichnen sie sich deutlich aus. Sie fliegen meist in Kreisen und steigen in schneckenförmigen Windungen nach allen Richtungen in die Höhe , wobey sie wenig mit den Flügeln schlagen , sondern gleichsam in der Luft schwimmen. Ihre Stimme ist ein helles, kurz abgestossenes Pfeifen, worauf ein lautes lispelndes grü folgt. Werden sie aufgescheucht ‚, z. B. von einem Hunde , so schreyen sie alle sehr laut und kreisen niedrig über ihm herum. Sie laufen sehr be. hende auf der Erde, beissen und necken sich beständig , jagen einander die Speisen ab, u. s. w. Merkt eine Gefahr, so schreyet sie, flieht und mit ihr die ganze Schaar. Haben sie den Tag über, sich unten aufgehalten, so ziehen sie sich am Abend wieder nach den Höhen hinauf. Sie bleiben übrigens bestimmt das ganze Jahr im Lande , denn man sieht sie zu allen Jahreszeiten. Sie bauen ihre Nester in die unzugänglichsten Klippen der Gebirge. In dem sogenannten Schaafloch , einer Höhle oberhalb Sigröswyl in der Ralligflua am Thunersee , nisten sie häufig , aber ganz oben in 15 den Spalten des hohen Gewölbes , wo man die Nester mit einer Leiter wohl bekommen könnte , wenn eine solche dorthin zu bringen wäre. Die ZVahrung der Alpenkrähe ıst mamnigfaltig. Herr Kuhn fand in ihrem Magen Kirschen und In. sekten; zur Zeit der Hanfsaat , Hanf, nach dem sie so begierig sind, dass sie auch durch übergespannte Fäden sich nicht davon abhalten lassen ; auch Schnecken mit und ohne Schaalen,, halbgekeimte Korn. saat u. Ss. w. Im Winter werfen sie sich auf allerley Beeren. Bey dem Landvolke gelten diese Vögel für Hexen , oder für gefährliche Geister. Wer nach ihnen schiesst, heisst,.es , erhält einen derben Schlag von dem Gewehre, wenn dieses nicht gar zerspringt! — Sind sie während der Heuerndte dem Arbeiter immer unter dem Rechen, d: i. nahe um ihn herum , so soll noch rauhes stürmisches Wetter und Schnee folgen. Diese Vögel sind wie viele andere äusserlich von Läusen , innerlich aber von Würmern geplagt. Herr Kun fand nicht nur anderthalb Zoll lange Ascariden, sondern sogar einen kurzen gegliederten Band. wurm in den Gcedärmen, —- —- Nachtrag zu dem Verzeichniss der Schweizerischen Fögel*), die dem Herausgeber seit der Erscheinung desselben als Schweizerisch bekannt worden sind, Zu S. 4. 1. F. Leucamphomma Beckeri. Der Adler mit weissen Augenkreisen. F. Leucopsis. Beckstein ornithol. Taschenb. 2, p. 460. 3. Deutsche Ormithologie, Heft IX, Wurde im Canton Glaris geschossen und ist in der Sammlung des Herrn Dr., Schinz in Zürich. = 2. Falco naevius. Schreyadler , Entenstösser. Linn. n. 49. F. maculatus, F. mogilnik, ‚Linn. 50, 56. Bechstein N. G.D. II. S.226. L’aigle tächete. Brisson I. p. 425, n. 4. Wurde vor dem T'hore von Vivis geschossen und befindet sich in der Sammlung des Herrn Chavannes l N j in Vivis. Zu S. 8. 3. Strix drachyotos. Kurzöhrige Eule. Schnepfen-Eule. Linn. p. 289, n. 17. Latham, übers. von Bechst. I. S. 117, n.9. S. Alpina 1. S. 299, Zu 8.27. 4. Muscicapa muscipeta. Schwarzgrauer Fliegenfänger. Motacilla ficedula, Zirr. p. 956, n. 10. Motacilla atricapilla, Zinn. p. 935, n. 9. das Weibchen. Bechstein N. G. D. IV. 5. 502. Frisch T. 22. f. 2, a Soll auf dem Gotthard sehr gemein seyn. Zu 8.28. 5. Sylvia hortensis. Grauer Sänger. Motacilla hortensis, Zinn. p. 955,n. 62. BechsteinN.G.D.IV.S.350, T. 13. Alpina 1. S.299. ZuS. 42. 6. Otis Tetrax. Kleiner Trappe. Zwergtrappe. \ Petite Outarde ou Canne-petiere. Buffon planch. enlum. 25. Bechstein N. G. D. III. S. 258, T. 27. Ist in der Nähe von Genf und auch im Neuenburgischen gefangen worden. Zu S. 60. 7. Totanus Calidris. Rothfüssiger Wasserläufer. Scolopax Calidris, Zinn. p. 664, n. 11. Frisch T. 240. Bechstein N.G.D. III. S. 127, n. 12, Le Chevalier ray&e. S. Alpina I. S. 299. *) Systematisches Verzeichniss der Vögel , welche die Schweiz entweder bewohnen , oder theils zu be- stimmten, theils zu unbestimmten Zeiten besuchen , und sich auf der Gallerie der Bürger-Bibliothek in Bern ausgestopft befinden. Ausgearbeitet von Fr. Meisner. Bern in der Hallerschen Buchhand. lung 1804. 8. 16 Zu 8.51. 8. Tringa Gambetta. Gambett - Strandläufer. La Gambette. Linn. p. 671, n.3. Bechstein N. G. D. III. $. 143. Bufon planch. enl.n. 845, € S. Alpina 1. S. 299. Zu 8. 60. 9. Uria Troile. Dummes Taucherhuhn. Le Guillemot. Colymbus Troile, Linn. p. 585,n.2. Frisch T. 185. Bechstein N. G.D. II: S. 764. Ward im März 1806 auf dem Luzerner-See gefangen , wo es sich alle Jahre zeigen soll. Zu 8. 68. 10. Anas Circia. Zirzente. Sommerhalbente. Linn. p. 533, n. 34. Bechstein N. G. D. Il. S. 669. $S. Alpina 1. S. 29. = = = = 11. Anas mollissima. Eidergans. Eidervogel. Linn. p. 514, n. 15. Bechstein N. G. D. 1. S. 625, n. 6. T. 21, 22. ! Herr Dr. Schinz in Zürich erhielt sie im Winter 1799 vom Hallwyler-Sce. Das Museum der vaterländischen Naturgeschichte in Bern erhielt unter den vielen schätzbaren Bey. trägen womit es in dem letzten Jahre beschenkt wurde, , mehrere sehr seltene und bisdahin noch fehlende Stücke. Ausser den im ersten Hefte des Museums beschriebenen Steinböcken, die man aus einem be. trächtlichen Geldgeschenke eines grossmüthigen Unbekannten ankaufte, wurde die Sammlung der Säuge- thiere mit einem schönen Fischotter (Lutra vulgaris) und mit der wegen ihres Instinkts merkwürdigen Wurzelmaus (Mus oeconomus) vermehrt. Die ornithologische Sammlung erhielt folgende noch fehlende Stücke: den rofken Kukuk (Cuculus rufus) von dem es immer noch zweifelhaft bleibt , ob er eine eigene Art, oder das Weibchen des ge. meinen Kukuks sey. Den gemeinen , den schwarzköpfigen und schwarzgrauen Fliegenfänger (Mus- cicapa grisola, atricapilla und muscipeta). Die HZaubenlerche (Alauda cristata) , die Rohrdrossel (Turdus arundinaceus) , beyde grosse Seltenheiten in der Schweiz. Fine von Bex aus den Ormonder-Bergen ein. gesandte noch unbestimmte röthlich-weisse Vogelart aus dem Geschlechte Sylvia , die „ wenn es wahr ist, was man versichert, dass sie dort in grosser Anzahl vorkomme, für eine eigene Art gehalten werden muss , wo nicht, eine interessante Abänderung des Rothkehlchens (Sylvia rubecula) seyn dürfte. Auch die übrigen Sammlungen erhielten manchen schönen Zuwachs an neuen und merkwürdigen Stücken, deren Aufzählung wir aber , wegen Mangel an Raum , auf eine andere Gelegenheit versparen müssen. Berichtigung. Im ersten Hefte $. 5, muss in der 11. Zeile gelesen werden: „auch beweisen die Zähne „dass es nicht viel über ein Jahr alt seyn könne.” Auf der gleichen Seite , Zeile 26, statt: „Haar- „wurzelfläche, Hornwurzelfläche.” Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. IN Di schöne Reihe der Schweizervögel, die das naturhistorische Museum in Bern ziert, enthält in der Ordnung der Schwimmvögel nicht wenige Bewohner des äus- sersten Nordens, die theils regelmäfsig alle Jahre auf unsern Seen überwintern, theils aber nur selten einmal, durch irgend einen Zufall aus ihrem Vaterlande verscheucht, zu uns verschlagen werden. Schon mancher nordische Reisende sah sich durch den unvermutheten Anblick dieser seiner Landsleute angenehm über- rascht und an die heimatlichen Meerküsten zurückversetzt, wo er oft ganze Schaaren dieser Vögel beobachtet hatte. Unter die seltensten Erscheinungen dieser Art in der Schweiz gehört vorzüglich der Vogel, dessen getreue Abbildung und Beschreibung wir in diesem Hefte des Museums liefern. Diefs ist Die arctische Mewe‘*) Unser seel. Sprüngli erhielt diesen Vogel am Ende des Herbstmonats 1797 ganz frisch. Er war kurz vorher am "Thunersee geschossen worden, und der erste *) Die Polmewe, der Schmarotzer, Nordvogel, Struntjäger, Kothjäger etc. Stercorarius longicaudus | Brisson Ornith, VI, p. 155. n. 5. Stercoraire a longue «ueue «Stercorarius superne saturate cinereus, inferne albus, capite superius nigricante, collo candido, «imo ventre dilute cinereo, rectricibus cinereo nigricantibus, binis intermediis longissimis. " Stercoraire a longue queue de Siberie. Buffon planch. enl. 762. Labbe a longue queue. Buffon Oiseaux VIII, p. 448. Larus parasiticus, Linn, Faun. Suec. n. 156. — Syst. Nat. ed. XIII, ı, 2. p. 6or, Catharacıa Parasitica, rectricibus duabus intermediis longissimis. Fabric. Faun. Grenl. p. 108. Catharacta parasitica. Brünnich. Ornithol. n. 127. = Supra nigra, collo pectore et abdomine albisy rectricibus 2 intermediis longissimis. The arctic bird. Edrrards Nat. Hist. 148. Der Nordvogel. Seligmann V, Taf. 43. Arctic gull. Pennant Britt. Zool. II, n. 245. pl. 87. — Actic Zoel, n. 459. — — Latham Syn. VI, n. ı6. Uebersetzung, III, 2. p. 342. Tal. 106. Die Polmöve. Lepechin Reise III, p. 224. Tal. 2. Bechstein N. G. D. II, S. 821. n. 9. — Orinthol. Taschenb. II, p. 375. n, & ‚Labbe a longue queue, Encyclop. method. Mein Verzeichnifs der Schweizerischen Vögel. p. 62. n. 229. a. 3 18° dieser Art, der jenem vieljährigen Sammler ornithologischer Gegenstände jemals vorgekommen war; auch hatte er nie gehört, dafs er sonst hier zu Lande bemerkt worden wäre. Im Heumonat des leztverflossenen Jahres (1808) wurde uns ein zweites Exemplar dieses Vogels eingesendet, das bei Brienz gefangen und daselbst noch einige Tage lang lebendig erhalten worden war. Beide Exemplare stimmen in den wesentlichen Charakteren, als in der Form des Schnabels, in der Lage und Figur.der Nasenlöcher, in der Bildung der Füfse und Zehen, ın der Figur und Stellung der Schuppen auf der Fufswurzel vollkommen überein, unterscheiden sich aber merklich in der Färbung des Gefieders und in den Dimensionen. Wir geben daher eine vergleichende Beschreibung dieser beiden Individuen, die wir mit A und B bezeichnen. Dimensionen. A. B. *) Länge des ganzen Vogels von der Spitze des Schnabels bis an das Ende des Schwanzes - lg | — ee gi Zul Länge des Schnabels - - 1! yolll - - - - - - zu zu ‚Länge der beiden mittlern Schwanzfedern - - gl ze - - - - - - zoll 1olll Länge der übrigen Schwanzfe- dern 3 = “ 2 54 yolll ES = rl E B Be 55 Aceufsere Zehe - _- - 1,=M4. - - - - - - 1 RN. Mittlere - - - - 1a 7% - - = - - - 1009; Innere - = = & 1,1: = e S er u RR Re Der Schnabel läuft von der Wurzel an gerade aus; gegen die Spitze hin erhebt sich ein ziemlich starker, gleichsam besonders eingekeilter, abwärts gekrümmter Nagel von grauschwarzer Farbe. Die Nasenlöcher, die ein ungleichseitiges, sehr niedriges Dreieck, mit breiter Basis vorstellen, liegen näher nach der Spitze als nach der Wurzel in einer Art von röthlich-gelber Wachshaut. Die Stirn und der Scheitel bis gegen den Nacken sind dunkel braun-grau ins schwarze fallend. Der Rücken, die obern Deckfedern der Flügel, die Schulterfedern und die Schwanzfe- *) Von diesem Exemplare ist die keigefügte Abbildung genommen. 2 dern sind bläulich -aschgrau, nach Verschiedenheit des auffallenden Lichts bald bräuner, bald grauer. Ar B. Der Hals ist unten und an den Seiten Der Hals ist vorn, an den Seiten und bis unter die Augen, so wie die Brust, f im Nacken reın weils, die Brust graulich- der Bauch und die Weichen wei/s, zwar weils, Bauch und Weichen, so wie die etwas unrein, aber ohne Flecken. Nur | Schenkelfedern aschgrau, wie auch die die Seiten der Brust und der Hals im | meisten Beschreibungen bestimmt an- Nacken haben graue Federn unter die | geben. weifsen gemischt. Die Ruderfedern sind an der äufsern Fahne dunkel braun-grau, an der innern heller, die Kiele weifs, unten heller grau. Die zusammengelegten Flügel reichen bis an das Ende der kürzern Schwanzfedern. Die Schwanzfedern sind braungrau, Hier sind die beiden mittelsten bei- ı2 an der Zahl, wovon die beiden mit- | nahe um 5 ıf2 Zoll länger, als die übri- telsten, die ın eine scharfe Spitze auslau- | gen. fen, etwas über 2 ı/2 Zoll lang über die übrigen hinausreichen. Alle sind an der Wurzel etwa einen Zoll breit weifs. Die Deckfedern des Schwanzes, so wie die Afterfedern aschgrau. Die Fufswurzeln (Beine), die Zehen, Die Fufswurzeln und Zehen scheinen die Schwimmhaut und die scharfen Klauen läulich gewesen zu seyn, die Schwimm- ‘schwarz. An der hintern Fläche der Fufs- haut und die Klauen schwärzlich. wurzel stehen die Ränder der Schuppen ein wenig ab, so dafs diese, von der Seite angesehen, merklich gezähnet zu seyn scheint. Aufser den beschriebenen Individuen besitzt unser Museum noch zwei andere Vögel, die, obgleich in der Farbe schr verschieden, hieher zu gehören scheinen, die wir daher der Vollständigkeit wegen auch noch näher beschreiben wollen. 20 C%) In den Dimensionen zeigt dieses Individuum keine andere Verschiedenheit von den vorhergehenden, als dafs die Länge des ganzen Vogels, weil die beiden mittlern Schwanzfedern gar nicht prominiren, nur ı! 6'/ ZI beträgt. £ Auf dem Kopfe sind die Federn braungrau, graugelb gesäumt, Wangen, Nacken und Kehle bleich- gelbgrau. Der hintere Theil des Halses, der Rücken, die Achselfedern und der Bürzel braungrau, alle Federn röthlich gesäumt. Die obern Deckfedern des Schwanzes sind braungrau mit röthlichen Querstreifen, Der vordere Theil des Halses ist, so wie die Seiten desselben etwas heller gefärbt, als der Rücken. Brust, Bauch und dessen Seiten sind ganz mit dunkelaschgrauen und röthlich in die Quere gestreiften Federn bedeckt, doch zur Seite und besonders an den Schenkeln sind die Streifen breiter und deutlicher, auch ist hier das Röthliche lebhafter. Die untern Deckfedern des Schwanzes sind weils und dunkelaschgrau in die Quere gestreift, an den Spitzen aber röthlich. **) Die Flügel sind lang und reichen, zusammengelegt, etwas über den Schwanz hinaus (vermuthlich weil dieser seine vollkommene Länge noch nicht hatte); die Ruderfedern sind braunschwarz an der schmä- lern, aschgrau an der breitern Fahne. Die Deckfedern derselben braungrau, und zwar die der kleinern Ruderfedern röthlich gesäumt; die Schwanzfedern braunschwarz. Die Farbe der Füfse war nicht mehr bestimmt zu erkennen, da der Vogel schon trocken war, doch schien sie gelblich gewesen zu seyn. Die Schwimmhaut war hinten, etwa 3’! breit, gelb, übrigens dun- kelgran. D. **%) In der Gröfse, Form des Schnabels, Lage und Figur der Nasenlöcher isı dieses Individuum den vor- herbeschriebenen völlig gleich. Die Farbe des Schuabels war nach der Wurzel zu bläulich, der Hacken aber schwarz. *) Der hier beschriebene Vogel stimmt fast ganz mit Brissons Stercoraire raye überein, so dafs wir kein Bedenken finden, ihn mit diesem für identisch zu halten. Die hieher gehörige Synonymie wäre demnach folgende: Stercoraire raye, Stercorarius striatus. Brisson VI, p. 152. u. 2, Pl. XIII, fig. 2. Cataracta Cephus. Brünnich Orn. p. 36. n. 126. Arcıic bird. Edwards Nat. Hist. pl. 149. Seligmann V, 44. Black-toed Gull. Zatkam Synops. n. 15. Uebersetzung III, 2. p. 340. Mein Verzeichnifs der Schweizervögel p. 62. n. 229. b. **) Sprüngli besafs noch ein Exemplar dieser Art, welches dem oben beschriebenen fast ganz ähnlich, nur in allen Dimensionen viel kleiner war. Hier war der Kopf oben grau-braunschwarz, zart gelb- lich gesäumt, der Hals überall noch dunkler, die Federn des Rückens, Deckfedern der Flügel u. s. w. mehr weils als röthlich gesäumt; überhaupt was bei jenem röthlich, war bei diesem weifslich, Sprüngli glaubte, wegen der auffallenden Verschiedenheit der Gröfse, diesen für eine besondere Art halten zu müssen, und nannte ihn Stercorarius striatus minor, Le petit stercoraire raye. — Wir glauben aber, dafs er mir mehrerer Wahrscheinlichkeit nur für einen jüngern Vogel hätte gehalien werden sollen. **") Hieher gehören folgende Synonymen: Stercorarius, Le stercoraire. Drisson VI, p- 150. n. x. Le Labbe. Buffon Oiseaux VII, p. 441. Planch. enl. t, 991. Stercorarius fuscus. Sprünglis Catal. Mscpt, Mein Verzeichrifs der Schweizervögel p. 62, n. 229, ©. 1 FDer Kopf und der ganze Hals ist braungrau, doch sind die Federn zart röthlich gesäumt, oben auf dem Scheitel am dunkelsten. Die Rücken- und Achselfedern braungrau, gelbröthlich an den Spitzen, der Bürzel und die obern Deckfedern des Schwanzes dunkel braungrau. Am Bauche, an den Seiten und den Schenkeln eiwas heller brauugrau; alle Federn sehr scharf gelblich gesäumt, und zwar an den Schenkeln und ganz unten am Bauche, so wie die Afterfedern, breiter und röthlicher, nirgends aber Querstreifen. Die zusammengelegten Flügel reichen bis an das Ende des Schwanzes. Die Ruderfedern sind schwarz= braun an der äufsern Fahne, an der innern heller; an den Spitzen haben sie, mit Ausnahme der beiden ersten, einen rostlarbigen Fleck; die Kiele sind weils. Die Deckfedern der Flügel sind dunkelbraun, an den Spitzen röthlich; die kleinsten oben an der Schulter sind auch an den Seiten breit röthlich gesäumt, Die Schwanzfedern sind alle schwarzbraun, nur bei der Wurzel weils. Es darf wohl nicht bezweifelt werden, dafs diese so verschieden gefärbten Vögel alle zu einer und ebenderselben Art gehören, denn sie stimmen in allen wesentlichen Charakteren, durch deren Verschie- denheit erst eine Trennung derselben in besondere Arten begründet werden würde, vollkommen überein. Die Verschiedenheit in der Färbung des Gefieders darf uns gar nicht irre machen, da diese bei den Was- servögeln, zumal bei den Mevenarten mehr als bei andern, nach dem Alter, dem Geschlecht und der Jahrszeit aufserordentlich abzuändern pflegt. Auch die vollkommene Uebereinsiimmung in der Lebensart, die sie ganz besonders charakterisirt, spricht für die Identität der beschriebenen Individuen. Auch Büffon ist schon geneigt, die drei von Brisson unter dem Geschlecht Stercorarius aufgeführten Arten auf eine einzige zu reduziren, und hält dessen Stercoraire a longue queue für den männlichen Vogel, die beiden andern aber (Stercoraire raye und Stercoraire) für das Weib oder den jungen Vogel. Fabricius, der während seines Aufenthalts in Grönland Gelegenheit hatte ein Paar dieser Vögel, die in der Nähe seiner Wohnung nisteten, täglich zu beobachten, auch endlich sich des nistenden Paares nebst seinen Jungen im Neste bemächtigte, die er in der Folge aufwachsen und sich befiedern sah, sagt ganz bestimmt: Die meisten Autoren irren darin, dafs sie die Jungen für die Weiber halten; auch er- wähut er keiner besondern Charaktere, welche die Geschlechtsverschiedenheit dieser Vögel bezeichneten, welches er doch, wenn ein besonders auffallender statt hätte, bei diesem Anlafs gewifs gethan haben würde, Wir werden in unserer Meinung, die oben unter C und D beschriebenen Individuen für Junge zu halten, vorzüglich noch dadurch bestärkt, dafs sich bei denselben durchaus keine Spur von der Verlänge- rung der beiden mittelsten Schwanzfedern zeigt. Zwar könnte man von den im Herbst bei uns geschosse- nen Individuen hiegegen einwenden, diese hätten die längern Schwanzfedern noch nicht haben können, weil sie kurz nach der Mauserzeit getödtet worden, wo das Gefieder überhaupt noch unvollkommen ge- wesen wäre; allein eines unserer Exemplare ist im Frühling getödtet worden, und auch bei diesem sind die beiden mitıilern Schwanzfedern nicht länger als die übrigen. Wir glauben demnach unsere Individuen dieser Art folgendermaafsen bestimmen zu müssen: D. Le Stercoraire (Drisson n. ı.) ist ein ganz junger Vogel vom ersten Jahre. C. Le Stercoraire raye (Brisson n. 2.) ist ein Vogel im zweiten Jahre. A und B. Le Stercoraire a longue queue (Drisson n. 5.) sind die Alten, die erst im dritten Jahre und vielleicht noch später ihre standhafte Farbe, so wie die längern Schwanzfedern bekommen. Die nicht unmerkliche Verschiedenheit in der Gröfse, welche zwischen diesen beiden Individuen statt findet, scheint dem Geschlechtsunterschied derselben anzudeuten, denn Gifsler (in den 252 Schwed. Abhandlungen XV, $. 296.) sagt ausdrücklich, der Mann sei ein wenig gröfser und dunkler von Farbe, als das Weib. *) Dafs aber bei dem einen dieser Exemplare (A) die beiden } mittlern Schwanzfedern beträchtlich kürzer sind, als bei dem andern, diefs ist wohl zuverläfsig den verschiedenen Jahrszeiten zuzuschreiben, in welchen beide getödtet wurden. Jenes wurde im Herbst. geschossen, also kurz nach der Mauserzeit, wo die neuen Federn noch nicht ihre vollkommene Länge haben konnten; dieses aber verlor sein Leben im Anfange des Heumonats und hatte also‘ sein vollkommenes Gefieder. Allerdings mufs dieser Vogel zu den grofsen Seltenheiten unserer Sammlung gerechnet werden. Sein Vaterland und gewöhnlicher Aufenthalt ist in den Meeren des Nordens, als von Hudsonsbay, Grönland, Spitzbergen, Norwegen, Schweden, Sibirien. Nach Latkam ist er auch auf den Hebriden und Orkadischen Inseln gemein, wo er im May ankommen soll, um auf den Haiden zu brüten, im August aber wieder fortzieht. Meistens schwebt er, wie andere Meven, fliegend über dem Meere, auch legen die Weibchen ihre Eyer auf die aus dem Wasser hervorragenden Klippen und kleinen Inseln. Selten, und zwar nur dann, wenn die Fische, um ihre Brut abzusetzen, die Küsten aufsuchen, kömmt die arctische Meve an das Land. Immer nur sieht man sie einzeln, und es ist etwas seltenes, wenn sich 2—3 und mehrere beisammen zeigen. Um desto mehr mufs man sich darüber wundern, dafs diese Vögel bisweilen in so weiter Entfernung von ihrem Vaterlande auf den Seen der Schweiz angetroffen werden. Büffon sagt, dafs im November ı779 zwei derselben durch Sturmwinde an die Küsten des nördlichen Frankreichs verschlagen wörden. Immer ist ihre Erscheinung in südlichern Gegenden etwas sehr zufälliges; wir werden über die wahrscheinliche Veranlassung derselben weiter unten unsere Vermuthung äufsern. Den Namen Schmarotzer (Larus parasiticus, Catharacta parasitica) führt dieser Vogel mit Recht; denn wirklich nährt er sich meistens durch Schmarotzen bei andern Mevenarten und bei den Fischern. Weil er nämlich die Fische, die seine Nahrung ausmachen, durch Untertauchen nicht selbst aus dem Meere heraufzuholen versteht, so schwebt-er unaufhörlich um andere Meven herum, und so bald er bemerkt, dafs eine derselben einen Fisch gefangen hat, so verfolgt er diese und setzt ihr durch Schläge mit Schna- bel, Füfsen und Flügeln so lange zu, bis sie aus Angst den gefangenen und schen verschluckten Fisch wieder ausspeiet, den er sodann im Fallen sehr geschickt aufzufangen weifs. **) Dafs er, wie mehrere Schriftsteller erzählen, den Excrementen der Meven, die er verfolgt, nachstrebe, wird nach neuern Beob- *) Es ist schade und zugleich sonderbar, dafs unser mitten in der Sommerhitze getödtetes Exemplar (B) in kurzer Zeit ganz zur Mumie aufgetrockner war, da wir es erhielten, so dafs das Geschlecht des- selben anatomisch nicht mehr ausfündig gemacht werden konnte, **) So weils sich der weilsköpfige Adler (F. leucocephalus) im südlichen Nordamerika und in Westindien “die Fische, die seine Lieblingsspeise sind, ohne sich selbst in das Wasser zu wagen, auf ähnliche Weise zu verschalfen. „Als Nachbar des fischenden Adlers, des Fischaars, folgt und beobachtet er «dessen Thun und Lassen. Fliegt dieser zum Meere, um Fische zu fangen, so bleibt er sein Ge- «fährte. Der Fischaar, völlig zum Untertauchen geschickt, schwebt über dem Wasser, um seine «Beute aulzuspüren ; über ihm schwebt aber in einem höhern Abstande der weifsköpfige Adler. “Plözlich dringt der Fischaar in die Fluth, fängt den Fisch, und eilt mit lautem Jubel wieder hervor. «Jan dem Augenblick stürzt der grofse Adler aber drohend auf ihn herab, Aus Furcht entfällt der «Fisch seinen Klauen, ehe dieser das Wasser erreicht, hat ihn der grofse Adler blitzschnell, selbst « bei der gröfsten Höhe aufgehascht. Er entiliegt, die Beute zu verzehren, während der Fischaar sich „mit neuem Futter aus dem Wasser versorgt.” (v. Zimmermann Taschenbuch der Reisen, 1803. S.210. j 25 achtungen für unwahr erklärt... Indessen verdankt er dieser unverdienten Beschuldigung die Nahmen: Struntjäger, Kothjäger, Kothesser, Stercoraire, Auch umschwebt er die Boote der Härings-Fischer, die ihn als den Vorboten und Verkündiger eines reichlichen Fanges (denn er zeigt sich ihnen nie eher, als bis der Häring an die Küsten kömmt) besonders lieben und ihm auch von ihrer Beute immer dankbar mittheilen. Er kömmı sogar auf ihren Ruf herbei und fängt die Speise, die sie ilım zuwerfen, Käse, Butter und Brodt, gesottene Fische, sehr geschickt aus der Luft auf. Sollten sie ihn einmal vergessen oder nicht bemerken, so nimmt er sich die Freiheit sich selbst zu bedienen, indem er einige Fische aus dem Boote wegnimmt, welches die Fischer auch ohne Un- willen geschehen lassen. Sehr schwer hält es daher einen dieser Leute zu bereden, dafs er einen solchen Vogel tödte, sie würden glauben, dadurch den Unsegen über ihr Gewerbe zu bringen, und wer es thäte würde sich ohne Zweifel wohl dem Hafs und der Verfolgung der ganzen Kameradschaft aussetzen, Wenn sich der Schmarotzer auf dem Lande sehen lälst, welches immer eine Anzeige ist, dals er auf dem Meere keine Gelegenheit hatte, seine Nahrung zu erlangen, so entsteht zwischen ihm und den Meven, die er verfolgt, ein entsezliches Geschrey und Gefecht. Vorzüglich sind es, nach Fabricius, die dreizehigen und die jungen Härings-Meven (Larus tridactylus und glaucus), aufserdem aber auch die See- taucher (Colymbi) die er verfolgt. Diese ziehen regelmäfsig jährlich in südlichere Gegenden. Träfe es sich nun, dafs der Schmarotzer gerade auf eine Schaar solcher Vögel stielse, die auf ihrem Zuge begriffen wären, so könnte der Eifer, womit er sie verfolgt, ihn wohl verleiten, sich mit ihrem Zuge immer weiter von seinem Vaterlande zu entfernen, und so wäre seine einzelne, seltene und ganz zufällige Erscheinung auf den Seen der Schweiz, wie uns dünkt, wohl am wahrscheinlichsten erklärt. III ILLATIRRTPITLPRRAAAIRVRRRRRRTLURRLARIARRTIRRRUIR TU Zweiter Nachtrag zu dem Verzeichnifs der Schweizerischen Vögel. Zu 5.4. 12. Falco Leucopsis. (Bechstein.) F. Leucamphomma. Der Adler mit weilsen Augenkreisen. (Becker.) Diesen seltenen Vogel, der uns jedoch nicht zu der Familie der Adler zu gehören scheint, besizt nun das Museum in Bern auch, und zwar in beiden Geschlechtern. Beide wurden in den oberländischen zu nächst an den Thunersee stofsenden Gebirgsgegenden erlegt. Da das Weibchen in Beckers D. Or- nithologie, Heft IX. schon sehr schön abgebildet ist, so werden wir in einem unserer folgenden Hefte das Männchen, das unsers Wissens noch nirgends abgebildet ist, in einer sehr getreuen Abbildung liefern. = = - 2. Falco naevius. Der Schreyadler. Auch diesen schönen Adler erhielt im lezten Herbst unser Museum in beiden Geschlechtern. Zwei waren bei Burgdorf getödter worden, ein dritter in der Gegend von Blumenstein, am Fufse des Stockhorns. Zu 8.8. 3. Sfrix brachyotos. Die kurzöhrige Eule. Diese Eule ist der gleiche Vogel, der in unserm Verzeichnifs, so wie in allen ornithologischen Bü- chern, unter drey Nahmen: Palustris n. 26, Stridula n. 29. und Ulula n. 31. angeführt ist, Der eigene Anblick mehrerer Exemplare in der schönen Sammlung des Herrn Chavannes in Vevay hat uns überzeugt, dafs diese drei Nahmen einem und ebendemselben Vogel zugetheilt worden sind, der ent- weder nach Verschiedenheit des Alters und Geschlechts, oder nur, je nachdem das Mausern eine kürzere oder längere Zeit seinen Tode vorangegangen ist, bald ohne, bald mit Federohren erscheint. *) *) Nachdem das Manuscript dieses Heftes schon einige Zeit der Verlagshandlung zugestellt war, erhielten wir das XVII Heft der trefflichen deutschen Ornithologie, worin wir die Bestätigung dieser Behaup- wuug mit Vergnügen fanden, 24 “ Zu S.9. 4. Strix macrocephala (mihi). Der dickköpfige Kauz, Unter diesem Nahmen führen wir hier einen Kauz auf, der bisher wahrscheinlich mit dem gro/sen Nachtkauz (Str. Aluco) verwechselt worden ist, von dem er sich aber durch den Schnabel, durch die Figur der Nasenlöcher, durch die Länge der Zehen, vornehmlich aber durch den auffallend dicken Kopf und den dadurch ganz eigen charakterisirten Habitus wesentlich unterscheidet, Wir haben Ge- legenheit gehabt, ihn über ein Jahrlang lebendig neben dem Aluco zu beobachten, und auch in dem Betragen beider Vögel manches Unterscheidende bemerkt, so dafs wir von ihrem specifischen Unter- schiede uns vollkommen überzeugt halten dürfen. Eines der nächsten Hefte soll auch hievon eine getreue Abbildung und vergleichende Darstellung der Charaktere, wodurch sich beide übrigens nahe verwandte Kauze unterscheiden, liefern. Te Zu S. 11. 5. Picus leucotos. Der Elsterspecht. Bechstein N. G. D. II, 5, 1034. T. 25. Ornith. Taschenb. I, $. 66. Herr Dr. Schinz in Zürich erhielt ihn aus seiner Nachbarschaft. Zu S. ı7. 6. Lanius minor. Der kleine graue Würger. Linn. Gmel. p. 508. n. 49. Bechstein N. G. D. II, S. 1319, T. 14. Pie grieche d’Italie. Buffon Ois. I, 298. Frisch Taf. 60. F. ı. Wurde ebenfalls in der Gegend von Zürich getödtet. Zu S. 31. 7. Sylvia phragmitis. Der Schilfsänger. e Bechstein N. G. D. III, S. 635. Taf. 35. F. 3. Ornith,. Taschenb, $. 186. n. zo. Zu S. 42. 8. Otis tetrax. Der Zwergtrappe. Hr. Dr. Schinz erhielt ihn aus dem Luzernergebiet. Zu 5.47. 9. Numenius subarguatus. Der rothbäuchige Brachvogel. Scolopax subarquata Zinn. p. 658. n. 25. Bechstein ornithol. Taschenb. II, S. 276. - = - 10. Numenius pygmaeus. Der Zwergbrachvogel. Scolopax pygmaca. Linn. p. 655. n. 20. Bechstein Ornithol. Taschenb. II, p. 277. 4. Auf dem grofsen Moose sind beide im Frühling und Herbet nicht selten. Zu $8. 50. ı1r. Totanus stagnatilis. Der Teich - Wasserläufer. Beckstein Ornithol. Taschenb. II, S. 292. ıı. Ward in der Waat an den Ufern der Venoge getödtet und befindet sich in der Sammlung des Herrn Chavannes in Vevay. 2 Zu S5. 66. ı2. dAnas segetum. Die Saatgans. Linne p. 512. n. 68. Frisch Taf. 155. Bechstein N. G. D. II, $S. 620. n. 3. Ornithol. Taschenb, II, 417. 9. Ist sehr gemein und sollte im Verzeichnifs statt Anser ferus stehen, die hingegen selten und noch als Schweizervogel ungewifs ist. - - - 135. jnas bernicla. Die Ringelgans. Le Cravant. Linne p. 513. n. ı2. Bechstein N. G. D. II, $. 261, 4. Ornithol. Taschenb. II, $. 424. ıı. Frisch Taf. 156. Zu 8.63. ı4. {nas glaeialis. Die Winterente. Linne p. 529. n. 29. 50. Bechstein N. G. D. II, S. 654. ı3. Ornithol. Taschenb. II, p. 434. 2% Beide erhielt Dr. Schinz im Winter vom Bodensee. Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. N2,4: Der Alpenhase*). Die Hase, der im Winter weifs ist, war schon den alten Naturförschern be- kannt. Aristoteles, Varro, Plinius #*) erwähnen seiner Farbenänderung; und alle ‚neuern Zoologen sprechen von ihm, jedoch nur als von einer, durch das Clima seines Aufenthaltes hervorgebrachten Spielart des gemeinen Hasen. **%) Dafs aber der Alpenhase nicht als blofse Spielart, sondern als eigene, vom gemeinen Hasen wesentlich verschiedene Gattung anzusehen sei, diels glauben wir aus folgenden Gründen behaupten zu müssen: 1.) Giebt es in mehrern Gegenden unserer Alpen, da wo der Alpenhase ein- heimisch ist, auch gemeine. Hasen in Menge, die Jahr aus Jahr ein ihre Farbe behalten, während jener, wenn er auch mitten unter diesen in den Alpenthälern überwintert, immer weifs wird. 2.) DBegattet sich der Alpenhase in der Regel mit dem gemeinen nicht, so nahe sie einander verwandt sind, und so nahe sie in vielen Gegenden bei einander wohnen. Wir leugnen hiemit nicht die Möglichkeit der Begattung des gemeinen und des Alpenhasen; wir geben zu, dafs diese Thiere, die bekanntlich sehr geil sind, in dem einzigen, seltenen Falle, wenn sie, von der wüthenden Gewalt des Ge- schlechtstriebes ergriffen, ihres Gleichen nicht augenblicklich finden, zu ihren Ge- schlechtsverwandten sich verirren und mit diesen ihre Lust büfsen können, — aber *) Der veränderliche Hase, Berghase. Lepus variabilis, cauda abbreviata, excepto auricularum capite breviorum apice nigro, hieme totus albus. Zinn. Gmel. p. ı61. n. 6. Schreber T. 255. B. Conr. Gefsner Quadrup. p. 683. (edit. Tigur. 1551. f.) IV agner Hlist. nat. Helv. p. 177. | Naturgeschichte des Berghasen von J, B. Catani, Pfr. zu St. Antonien, im Bündtner Sammler 1785. mit Bemerkungen eines Ungenannten und des Dr. Amstein. **) Aristoteles in seinem Buche de coloribus. Yarro de re rustica III, ı2. Plin. Hist. nat. VIII, 55» ”) Bechstein N. G. D. 1, 5. 544. Blumenbach Handb. d. N. G, $. 86. der achten Auflage. Tiedemann Zoologie I, $. 456. 4 26 in der Regel geschieht diefs gewifs nicht; denn sonst würden ja auch wohl in jenen Gegenden, wo beide Arten sich sehr häufig finden, Bastarde angetroffen, deren Existenz aber unsers Wissens noch gar nicht erwiesen ist. Diese beiden Umstände scheinen uns wichtig genug, um den Alpenhasen von dem gemeinen als Art zu trennen. Aufserdem zeigen sich auch in der Bildung nicht unbeträchtliche Verschiedenheiten. Im Ganzen ist der Alpenhase immer etwas kleiner, als der gemeine Hase. Sein Kopf ist runder, die Ohren schmäler und kürzer, der Rumpf weniger in die Länge gezogen, das Mifsverhältnifs der langen Hinterfüfse zu den schwachen vor- dern beträchtlicher. Am auffallendsten sind seine Hinterpfoten, welche die des gemeinen Hasen in der Breite fast um die Hälfte übertreffen. Die Zehen sind so tief gespalten, dafs sie sich, beinahe wie die Finger einer Hand, auseinander spreizen lassen, wodurch denn auch die Fährte des Alpenhasen sich dem Jäger ganz be- stimmt characterisirt. %) Da dieses Thier sich meistens in beschneiten Gegenden aufhält, so dienen ihm die breiten Fufssohlen gleichsam wie Schneeschuhe, indem sie das Einsinken in den Schnee verhindern. Mit Recht verdient der Alpenhase, in Hinsicht seiner Farbe den Nahmen des veränderlichen; den Sommer hindurch wenigstens erscheint er von Monat zu Monat in einem anders gefärbten Kleide. 2 Je nachdem der Alpenhase sich in höhern oder niedrigern, kältern oder wär- mern Alpengegenden aufhält, oder auch je nachdem die Herbstwitterung ist, und auch wohl je nach der individuellen Constitution jedes einzelnen Hasen, erscheint er früher oder später in seinem schneeweilsen Winterkleide. Wir haben schon zu Ende ÖOctobers ganz weifse Hasen erhalten, aber auch zu gleicher Zeit und aus der gleichen Gegend noch andere gesehen, die das graue Sommerkleid nur erst zum Theil abzulegen angefangen hatten. Ueberhaupt ist aber in der Regel zu An- fang des Wintermonats das ganze Fell des Alpenhasen schneeweifs, bis an die Spitzen der Ohren, die auch im Winter schwarz bleiben. *) Die Fährte des Alpenhasen bildet das gleiche Dreieck, wie die des gemeinen Hasen, wovon die beiden Fufstapfen, welche gerade nebeneinander stehen, dahin zeigen, wohin der Hase gelaufen ist; die beiden hintereinander stehenden bilden die Spitze des Dreiecks. Da der Hase die beiden Hinter- läufte zugleich aufhebt und sie im Satz über die vordern hinweg schnellt, so sind also in der Fährte die voran und nebeneinander stehenden Fufstapfen Abdrücke der hintern Fufssohlen, die beiden Vorder- fülse aber bilden die nachstehenden Spuren. Beim Alpenhasen ist jenes Dreieck beträchtlich länger als beim gemeinen, ein Beweis, dafs seine Sprünge selbst weiter sind. “1 Gegen das Ende des Maymonats fängt er an sich wieder zu färben. Hin und wieder zeigen sich zuerst einige aschgraue Flecken. Nach und nach verbreitet sich die aschgraue Farbe von unten auf über den Körper immer allgemeiner, und geht nach dem Rücken und dem Kopf zu allmählig in olivenbraun über. Am Ende des Augusts bis zur Mitte des Septembers scheint die Farbe des Sommerkleides in ihrer höchsten Vollkommenheit zu seyn, so wie es unsere untere Figur darstellt. Das gesprenkelte Ansehen des gemeinen Hasen, welches daher rührt, dafs die Haare im Grunde schwarz und an den Spitzen gelblichweils sind , findet sich bei den Al- penhasen nicht. Er ist durchaus einfarbig, auch ist sein Haar über den ganzen Körper weicher und sanfter als bei jenem. Bei der Entfärbung im Herbst, die zu Ende Septembers und Anfangs Octobers anfängt, zeigt sich die weifse Winterfarbe auch wieder nach und nach von unten auf sich immer weiter verbreitend. Rücken und Kopf behalten die olivenbraunen Sommerhaare am längsten. In dieser schäckigen Kleidung (so wie sie unsere obere Figur zur rechten Seite zeigt) trifft man ihn in der Mitte des Octobers am häu- figsten. Die Naturforscher haben die sonderbare Naturerscheinung der Farbenände- rung, die der Alpenhase mit dem grofsen und kleinen Wiesel, und in der Klasse der Vögel mit dem Schneehuhn (Tetrao lagopus) gemein hat, verschiedentlich zu erklären versucht. Die meisten glauben die Ursache des Weifswerdens im Winter in einer durch die Kälte, durch Veränderung der Nahrung und andere Umstände bewirkte Verdickung der Säfte gefunden zu haben, andere in dem Ueberflufse und in der mildern Beschaffenheit derselben. Aber immer ist dadurch die Sache noch nicht erklärt, und wir zweifeln, ob man sie je befriedigend wird erklären können, das heifst: ob man in dem Bau und in der Organisation dieser Thiere selbst einen Grund entdecken wird, aus welchem jene Erscheinung, als eine nothwendige Folge, unwidersprechlich hergeleitet werden mufs. Uns scheint diese Erscheinung, so wie der Winterschlaf der 'Thiere mit zu den Geheimnifsen der Natur zu gehören, die wir mit aller unserer Weisheit nicht aufzudecken vermögen, weil es uns nicht ver- gönnt ist die Organischen Kräfte im ihren geheimen Operationen zu belauschen, auf denen hier mehr zu beruhen scheint, als auf einer besondern Bildung des Orga- »ısmus, durch den sie wirken. Der Alpenhase bewohnt die niedeın und höhern Alpen, daher wir ihn lieber 28 Alpenhase als Berghase nennen, weil auch ohnehin der lezte Nahme leicht zu einer Verwechselung Anlafs geben könnte, indem man bekanntlich bei dem gemei- nen Hasen Berghasen, im Gegensatz von Feldhasen, anzunehmen pflegt. Man findet den Alpenhasen schon auf den niedern Vorbergen der Alpen, z. B. um den Thunersee, im Emmenthale. In Grindelwald zeigt er sich oft im Thale selbst in der Nähe der Häuser und in den Waldungen unter den gemeinen Hasen, die dort häufig sind, aber nicht über die Wälder hinaufgehen. Häufiger steigt er bis zu den höchsten Alpengipfeln hinauf. Herr Pfr. Zehmann in Grindelwald, der den Alpenhasen aufmerksam beobachtet hat, und dem wir mehrere sehr interessante Notizen von demselben verdanken, sah ihn am Fufs des obersten Gipfels des Wet- terhorns, bei 11000 Fufs über dem Meere, also schr weit über der Region des Holzwuchses. Die Behauptung, dafs es zweierlei Hasen gebe, die im Winter weils werden, Waldhasen und eigentliche Berghasen (s. Catani Naturgesch. des Berghasen im Bündtner Sammler 1783 in der Anmerkung d. und Höpfners Magazin für die Natur- kunde Helvetiens I, S. 6. in der Anmerkung) ist ungegründet. Nur der eigent- liche Alpenhase, der, wie gesagt, die niedern Alpen wie die höchsten bewohnt, wird im Winter weils. Der gemeine Häse hingegen, der in den Alpenwäldern häufig angetroffen wird, verändert seine Farbe dort eben so wenig, als in den Ebenen. Der Alpenhase hält sich Sommer und Winter an den gleichen Orten auf und entfernt sich selten sehr weit von seinem Geburtsorte. Im Sommer sind die auser- lesensten Alpenpflanzen , besonders die verschiedenen Kleearten, Bergviolen, das so- genannte Pfaffenröhrlikraut (Evonymus europzus L.) und andere seine Nahrung. Im Winter zieht er nach den Heuscheuren auf den Heubergen, von wo auf Schlit- ten das Heu in die Thäler hinuntergeschafft wird, und sucht das zerstreute auf; mufs sich also, wie leicht zu begreifen, oft sehr kümmerlich behelfen. Er hat seine Wohnung unter grolsen Steinen, oder in verlassenen Murmelthierbauen, in welche er sich auch, wenn er gejagt wird, öfters flüchtet. Er hält den Arr&t des Stell- hundes länger aus, als der gemeine Hase, weifs aber von jenem Versetzen und Abspringen, wodurch dieser den Hund irre zu machen sucht, nichts. Wegen des Mifsverhältnifses seiner Hinter- und Vorderläufte ist sein Lauf ein beständiges Setzen und Hüpfen. Sehr häufig sitzt er aufrecht auf den Hinterfüßsen und öfters: steht "9 er ganz aufgerichtet auf denselben, wie wir diefs häufig an einem, den wir über ein Jahr lang unter Augen hatten, beobachtet haben; so dafs er in dieser Hinsicht schon einige Achnlichkeit mit dem Geschlecht der Springer (Jaculus) hat und gleichsam den Uebergang zu diesem zu machen scheint. Uebrigens unterscheidet ihn seine Lebensart von der des gemeinen Hasen. Er wandert viel Nachts seiner Nahrung nach, scharrt sich ein Lager wie jener, in welchem er oft überschneiet wird und mehrere Tage verborgen bleibt. Er ram- melt schon im Januar und bis Ende des Sommers mehrmals, so dafs man fast zu allen Zeiten Junge von verschiedener Gröfse findet. Doch vermehrt sich der Al- penhase nicht so zahlreich als der gemeine Hase. Seine Jungen sind ganz aschgrau und werden von der Mutter in Löchern zwischen Steinen und Klippen oder auch im hohen Grase verborgen. Der Rammler beifst sich oft heftig mit seinen Neben- buhlern herum; sie kratzen sich dann mit ihren starken, spitzigen Klauen, dafs die Haare büschelweis davon stieben. Häufig wird der Alpenhase die Beute der Adler und des Lämmergeyers,, so wie des Jägers. Im Winter werden sehr viele Alpenhasen nach Bern zu Markte gebracht. Feingeübte Zungen finden ihr Fleisch nicht so schmackhaft, als das des gemeinen Hasen; wir müssen bekennen, den Unterschied nicht gefunden zu haben. Wahr ist es freilich, dafs der Alpenhase, entweder aus Mangel an reinlicher Nah- rung oder wegen Einfluls der scharfen, feinen Luft seines Aufenthalts, immer mager ist, auch wird er nicht so theuer verkauft als der gemeine. Seine Haare kann der Hutmacher nicht gut gebrauchen. Verzeichni/s der in der Schweiz wildlebenden Säugethiere, mit Bemerkungen über dieselben und kurzen Beschreibungen der weniger bekannten Arten. *) A. ARaubthiere oder reissende Thiere.: Die Thiere dieser Ordnung haben drey Arten von Zähnen in beiden Kiefern, nämlich mehrere Schneidezähne, lange und starke Eckzähne und scharfe, zackıge Backenzähne. Sie zerfallen in zwei Familien: *) Diefs Verzeichnils war bestimmt, gleich meinem Verzeichnifse der schweizerischen Vögel, besonders 10 o ’ gedruckt zu werden, als die interessante: Naturgeschichte der in der Schrreiz einheimischen Säuge- thiere, ein Handbuch für Kenner und Liebhaber, bearbeitet von D. Joh. Römer und D. Heinr. 30 a. Ersie Familie. Fufssohlengänger (Fr. Plantigrades.) Diese treten beim Gehen mit der ganzen Fufssohle der Hinterfüfse auf. .Sie fressen weniger Fleisch, als süfse Früchte und Wurzeln. Sie halten sich am Tage an dunkeln Orten oder in Höhlen verborgen, und gehen des Nachts ihrer Nahrung nach. In kalten Ländern halten sie eine Art von Winterschlaf. Von dieser Familie komnmıen in der Schweiz vor: I. Das Igelgeschlecht. Erinaceus. Geschlechtscharaktere: Zwei Vorderzähne in jeder Kinnlade. In der obern Kinn- lade fünf Eckzähne, in der untern drey. In beiden vier Backenzähne. An jedem Fulse fünf Zehen. Der Kopf endiget in einen abgestumpften Rüssel; der Körper ist obenher mit Stacheln, aufserdem mit borsten- förmigen Haaren bedeckt. Sie wohnen unter Gebüschen, unter Hecken, in den Löchern der Mauern etc. scharren sich Höhlen, in welchen sie sich im Winter verkriechen. Ihre Nahrung besteht in Mäusen, Insekten, Würmern, in Obst, Getreide, Wurzeln etc. 1. Der gemeine europäische Igel. Erinaceus Europzus. Linn. Gmelin. I, p. 115. Echinus terrestris. Ge/sner. Quadr. p. 368. -Le herisson. Buffon hist. nat. VIII, p. 368. t. 6. The Hedge-hoy, or Urchin. Pennant Quadr. p. 516. Schreber Säugthiere. III, S. 580. t. CLXII, Bechstein N. G.D. I, S$. 368. Der Unterschied zwischen Hundeigeln und Schrreinigeln, der hie und da auch in der Schweiz gemacht wird, (s. Razoumofsky Hist. natur. du Mont Jorat ]. p. 39.) ist nur eine Geschlechts - oder Alters - Ver- schiedenheit. Die Hundeigel nämlich, mit einer Art von Hundsschnauze und von dunkler Farbe sind alte Männchen; die Schweinigel hingegen, deren Schnauze mehr einem Schweinrüssel ähnelt, sind die Weib- ehen oder Junge. Der Igel ist wohl überall gemein , aur in den höhern Regionen der Gebirge trifft man ihn nicht an. Dals er, wie schon die Alten behaupteten, Obst an seinen Rückenstacheln aufspiefse, um es so in sein Lager-zu tragen, wird neuerlich wieder, auf das Zeugnifs neren Augenzeugen als zuverläfsig wahr versichert. (s. Blumenbachs Handb. der N. G. 8e Aufl. p. 89.) Rudolph Schinz, Zürich 1809. 8. erschien. Die Betrachtung, dals es, bei gegenwärtiger übeln Lage des Buchhandels schwer halten würde, zwey Werkchen ähulichen Inhalts, wenn gleich verschiedener Tendenz, durchzubriugen, bewog mich, meine Arbeit nun als Anhaug in den Heften des Museums fragmentarisch zu liefern, womit also hier der Anfang gemacht wird, A, 31 II. Das Spitzmausgeschlecht. Sorex. Geschlechtscharaktere: In der obern Kinnlade zwei Schneidezähne, in der unter zwei bis vier. Die Eckzähne sehr kurz. An jedem Fufse fünf Zehen. — Der Kopf ist gestreckt, die Schnauze in einen spitzen Rüssel verlängert. Sie wohnen in der Erde, einige am Wasser. Ihre Nahrung besteht meistens in Insekten und Würmern. 1. Die gemeine Spitzmaus. Sorex araneus. Zinn. Gmel. I, p. 114. Mus araneus. Ge/sner Quadr. p. 747. La Musaraigne. Buffon VII, p. 57. tab. 10, fig. 1. The shrew-mouse. Pennant britt. zool. p. 54. Schreber III, $. 573. tab. CLX. Bechstein N. G. D. I, S. 389. ‘ Sie wohnt unter Steinhaufen, in Wurzelhöhlen, Felsenritzen,, auch in Häusern in schlechtgehaltenen Zimmern und in Ställen. Sie nährt sich von Insekten, Würmern, Speck, Fett und Fleisch, und sol Junge Fögel in Nestern auf der Erde anfallen und fressen. Dafs sie die Kühe in die Euter heisse und sie siftig verwunde, wird von den Naturforschern für eine Fabel erklärt, von den Hirten aber fast durchge- hends behauptet. 2», Die wei/szähnige Spitzmaus. Sorex leucodon. Hermann Öbserv. zeol. I, p. 49% Schreber tab. CLIX. D. Diese wenig bekannte Mitımaus ist vermuthlich nicht so selten, als man vielleicht denkt. Aus Un- achtsamkeit auf ihre unterscheidenden Merkmale wird sie wahrscheinlich mit der gemeinen verwechselt, Dafs sie in der Schweiz gefunden wird, wissen wir bestimmt durch Herrn Dr. Schinz in Zürich, der sie aus Graubündten erhielt. Von der gemeinen unterscheidet sie sich ı.) durch den schlankern, mehr in die Länge gestrekten Körper. 2.) Durch den dünnern, schmälern Kopf. 3.) Durch den nicht so ganz spitzzulaufenden Rüssel. 4.) Durch die dunklere Farbe des Rückens und durch die reine weilse Farbe unter der Kehle, der Brusi, dem Bauche und dem Schwanze. 5.) Durch den runden, haarigten Schwanz. 3. Die Wasserspitzmaus. Sorex fodiens. Linn. I, p. 113. La musaraigne d’eau. Buffon VIII, p. 64. tab. ı1. fig. ı. The Water-shrew. Pennant Quadr. p. 508. n. 236. Schreber IN, 8. 571. Taf. CLXI. Bechstein N. G. D. I, S. 394. Taf. 9. Blumenbachs Abbildungen, Taf. 72. 27 32 Sie ist eiwas gröfser als die gemeine Spitzmaus, der sie in der Form des Körpers ähnelt; in Anse- hung der zarten, oben schwarzen, am Bauche silberweifs glänzenden Felles, ist sie en Maulwurfe ähn- licher. Besonders charakteristisch für sie ist die Bildung ihrer Füfse, deren Zehen an beiden Seitenrändern mit kurzen steifen Borsten versehen sind, die sich beim Schwimmen auseinander legen und statt eigentli- cher Schwimmfüfse dienen. Sie lebt meistens in Ufernlöchern heller Bäche, besucht aber auch die Ställe und Scheunen in der Nähe solcher Bäche. Sie nährt sich von im Wasser lebenden Insektenlarven, Woasserkäfern, Fisch- roogen etc. Sie ist hier in unsern Gegenden nicht selten, III. Das Maulwurfgeschlecht. Talpa. Geschlechtskennzeichen: Sechs Schneidezähne in der obern, acht in der untern Kinnlade; an jeder Seite ein Eckzahn, von welchen die obern länger sind als die untern. Die Backenzähne haben sehr zackige Kronen. Der Kopf läuft in eine lange, rüsselförmige Schnauze aus. Die Augen sind sehr klein, die äufsern Ohren fehlen ganz. Die Vorderfüfse sind grofs, breit, schaufelartig zum Scharren in der Erde, Der Leib dick und walzenförmig. Sie leben unter der Erde, graben sich cylindrische Röhren und nähren sich von Insekten und deren Larven, von Würmern, in Ermanglung derselben von Wurzeln. .ı. Der gemeine Maulwurf. Die Scheermaus. Talpa Europea. Linn. I,p. 110. Talpa. Gefsner Quadr. 931. La taupe. Buffon VIII, p, 81. t. ı2. Suppl. III, p. 193. t. 32. The mole. Pennant britt. zool. p. 52. Quadr. p. Zı1. n. 241. Schreber 111, S. 558. Taf. CLVI. Bechstein N. G. D\ 1, S. 377. Ueberall gemein und wird selbst ziemlich hoch auf den Gebirgen angetroffen. Selten sind folgende Spielarten: Der sreifsgefleckte Maulwurf. Talpa variegata. Brisson Quadr. p. 205. Der weifse Maulwurf. Talpa alba. Brisson, ibid. Der gelbe Maulrrurf. Yellow mole. Pennant Quadr. p. Zıı. n. 241. ß. Zu letzierm gehört das schöne Exemplar, welches das Museum in Bern aus unserer benachbarten Gegend erhalten hat. Es ist röthlich gelb, mit einem seiden- oder sammtartigen Glanz überlaufen ; am Kopfe, besonders am Rüssel schön orangeroth, welche Farbe jedoch einige Zeit nach dem Tode etwas von ihrer Lebhaftigkeit verloren hat, Eine ähnliche Abänderung beschreibt Razoumofsky Hist, nat. du Jerat 3, p. 37: _(a.) \ nn en a" Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. N, 125. Der alte Steinbock. *) Wenn wir bei den bisher erschienenen Heften unsers Museums so glücklich waren, durch die Auswahl der Gegenstände den Beifall der Kenner zu erlangen, so glauben wir bei dem gegenwärtigen des nämlichen Erfolgs uns mit desto gröfserer Zuversicht schmeicheln zu dürfen, da es eine Fortsetzung und Ergänzung des ersten Heftes enthält, die unsern Lesern nicht anders, als willkommen seyn kann. *) Nachtrag zu den im ersten Hefte angegebenen Schriftstellern über den Steinbock : Jo. Rud. Stumpf gemeiner Eidgenossenschaft Beschreibung, Zürich 1548. f. enthält eine Nachricht von diesem Thiere, die ins Lateinische übersetzı von C. Gefsner p. 331. aufgenommen und nach- her von vielen andern nachgeschrieben worden. Sprecher Pallas rhaetica, 1617. Ul, Aldrovandi Quadrupedum bisulcorum historia, p. 3532. ed. Francof, 1647. & FFagner hist. nat. Helvetiae curiosa. Tiguri, ı680. ı2. p. 176. Brisson regnum animale, ed, 4°. 1756. p- 64. 8°. 1762. p- 39: Pennants Spnopsis of Quadrupeds. 8°. p= 13. Pallas Spieileg. zoolog. Fasc. XI. Berol. 4°. p. 51. t.3. t. 5. f. 4. enthält Beschreibungen des Steinbocks und aegagrus nebst Abbildungen der Hörner des Alpinischen und des Sibirischen Steinbocks. Coxe’s Travels in Sritzerland, London 1789. Vol. II. p. 36. enthält, nebst einer nach Ridinger (jagdbare Thiere t. ır.) copirten idealischen Figur, alles was Girtanner und von Berchem über den Steinbock gesagt haben, dem der Verfasser noch manche aus andern Quellen geschöpfte Notiz beigefügt hat. Zlpina, 111 Bd. S. 491. Bei Gelegenheit der Anzeige des ersten und zweiten Heftes unsers Museums sagt Hr. Pfr. Steinmüller: „Ich verweise unsere Leser, anstatt Auszüge daraus zu machen, auf «diese Hefte selbst, und rücke dagegen zur Vervollständigung der Naturgeschichte dieser Alpen- „bewohner einige Resultate meiner Beobachtungen und Fergleichungen hier «ein.” Nun erwartet man, natürlich, etwas ganz neues; aber wie sehr sieht man sich ge- täuscht, wena man nur wiederholt findet, was in den angeführten Schriften schon längst gesagt worden, und wie mufs man sich wundern, nach der ausdrücklich vorangeschickten Erklärung, keine Auszüge aus unsern Heften machen zu wollen, dennoch diese an mehrern Orten abgeschrie- ben zu finden! Naturgeschichte der in der Schweiz einheimischen Säugethiere; bearbeitet von Römer und Schinz, Zürich 1809. S. 343. ff 34 Der alte Steinbock, dessen Abbildung und Beschreibung wir in diesen Blättern liefern, und den wir jezt als die schönste Zierde unsers vaterländischen Cabinets betrachten, wurde am 15 Aug. 1809 auf einer der unzugänglichsten Gebirgshöhen an den Grenzen Piemonts erlegt, durch eben den kühnen Jäger Alexis de Caillet von Salvent in Wallis, dem wir schon die beiden, im ersten Hefte abgebildeten jungen Thiere dieser Art verdanken. Dimensionen. Länge des ganzen Thieres von der Nasenspitze über den Kopf und Pas den Rücken gemessen bis zum Anfang des Schwanzes . ; 4 bl Länge des Gesichts e . A; 4 : 1 a - 11 _ Breite der Stirn . ; 4 , St 3 ! i - 6 gi Länge des Halses von der Hornwurzel bis zur Schulter . A 1 ıll gi Länge des Rückens von der Schulter bis zur Schwanzwuızel . B ot 5 gi Länge des Schwanzes . 5 a ? 3 : ; - 61, 2 Höhe des Thieres von der Schulter bis zur Sohle der Vorderfüfse \ gemessen : R ; E 2 5 2 ; ol 6m Höhe des Thieres vom Kreuz bis zur Sohle der Hinterfüße . ; ol zz Länge der Hörner über die Krümmung gemessen k i ® ol 6 zn Sehne des Bogens, den sie bilden . k e 3 Brei a). Umfang eines Horns an der Basis : £ $ ; k - 8 Abstand der Hörner von einander an der Spitze ; A - ol - 6 Bies.ch rei bung. Stirn und Nase sind braun, kurz und fein behaart, die Stirnhaare länger, mit. weilsgrauen vermischt; die Wangen bis zu den weit. nach hinten stehenden Ohren und ein kleiner Theil des Halses unterhalb der Ohren schmuzig gelb. Die Lippen sind weißs, die Kehle braungrau. Von einem Barte ist keine Spur. Die Ohren sind auswendig graulich-weifs, inwendig schwarz, fast nackt, mit einem ungleich-breiten, weifshaarigen Rande. Der Hinterkopf ist dunkelbraun, der Nacken mit vielen weifsen Haaren untermischt. Der Hals ist oberhalb weißslich-grau, unten eben so, nur etwas dunkler; eine Verschiedenheit, die blos dadurch entsteht, dafs dort mehr weilse, hier mehr braune Haare in der Mischung sind. A nn a 35 Ueber die Schultern nach den Vorderbeinen hinab, so wie an der Brust und dem Vorderleibe, ist die Hauptfarbe braun, mit wenig weilsen Haaren untermischt. Der Rücken, die Seiten, und der hintere Theil des Körpers sind weifslich -grau, indem die Menge der weifsen Haare beträchtlich gröfser ist, als die der beigemisch- ten braunen. Doch sind auch, besonders nach hinten zu, viele bräunlich -rothe Haare in der Mischung, so dafs der hintere Theil des Thieres röthlich überlaufen erscheint. Alle vier Beine sind von oben herab heller, nach unten aber ungemischt dun- kelbraun, beinahe schwarz; eben so an der innern Seite. An den Hinterfülsen zeigt sich über den Afterklauen der schmuzig gelbweifse Fleck, der an den jungen Steinböcken so deutlich und bestimmt auffällt, ungleich schwächer und erloschener. Von dem braunen Rückenstreifen, wovon mehrere Beschreibungen reden, ist an diesem keine Spur zu sehen. Auch der braune Streifen, der sich bei den jungen Thieren an den Seiten von den Vorderbeinen nach den Hinterbeinen hinzieht, ist hier verwischt. Die Beine sind überhaupt im Verhältnifs zu dem grofsen und schweren Körper auffallend dünn, doch aber sehr muskulös und kräftig gebaut, zumal die hintern. Die Klauen sind stark, unten scharf gerandet und schwarz. Der Schwanz ist oberhalb schwarz behaart und endet in einen 2 Zoll langen Haarbüschel. Unten ist er dunkelbraun und nackt, nur an den Seiten weifs behaart. Der hintere Theil der Schenkel ist rostfarbig; After, Hodensack und ein Theil des Bauches weifs mit schwarzen Haaren untermischt. Die kurzen, straffen Haare liegen übrigens am ganzen Körper glatt an. Die Hörner sind braun von Farbe und haben ı9 deutlich bestimmte Knoten; auf der äussern Hälfte sind diese Knoten am stärksten, je näher aber nach dem Kopfe hin, desto kleiner und unbestimmter. Die Entfernung eines Knotens vom andern ist ungleich ; nach der Spitze der Hörner stehen sie weiter von einander entfernt, nach der Wurzel hin nehmen die Entfernungen der Knoten in eben dem Verhältnifs , wie sie selbst kleiner, das Horn im Ganzen aber dicker wird, immer mehr ab. Nach der Anzahl der Knoten des Gehörnes ist, wie schon von Berchem richtig bemerkt, das Alter des Steinbocks zwar einigermafsen, aber nie mit völliger Sicher- heit zu bestimmen; denn es kann seyn, dafs bei reichlicher Nahrung des Thieres 36 in einem Jahre der Wuchs des Hornes stärker treibt, als in andern Jahren, so dafs es sich also bald nur um Einen, bald um mehr als Einen Knoten in Einem Jahre verlängert. Auch ist es offenbar, dafs in den ersten Jahren der Wuchs des Ge- hörns am stärksten ist; die stärkern Knoten und die gröfsern Zwischenräume der- selben nach der Spitze hin deuten diefs deutlich an. Es kann auch möglich seyn, dafs ein Gehörn von weniger Knoten dennoch im Ganzen gröfser und stärker ist, als eins von mehrern Knoten, und dafs jüngere Steinböcke stärkere Hörner haben), als ältere. Die mehr oder weniger gute Weide, welche diese Thiere in ihren Re- vieren finden, scheint wohl hierauf den entschiedensten Einflufs zu haben. Bei einem nur ganz flüchtigen Blick auf die bisherigen Abbildungen des Stein- bocks, und auf die unsrige, von unserm talentvollen Naturzeichner Zienert mit ausserordentlicher Treue und Wahrheit verfertigte, mufs die grofse Verschiedenheit der letztern von jenen sogleich mächtig auffallen. Ausserdem, dafs unsere Figur den Hauptcharakter des 'Thieres: scheue Flüchtigkeit unverkennbar darstellt, zeich- net sie der gänzliche Mangel eines Bockbarts vor allen uns bekannten Abbildungen aus. Es ist aber wohl nicht zu bezweifeln, dafs der Steinbock der Alpen, von welchem hier die Rede ist, nie einen Bart hat. Fournier, Müller von Salvent, ein verständiger, wahrheitliebender Mann von 64 Jahren, der diese 'Thiere seit seiner Jugend alle Jahre beobachtet, gejagt und viele derselben erlegt und genau untersucht hat, versicherte uns ganz bestimmt, dafs er nie einen Steinbock mit ei- nem Barte gesehen habe. Wir trauen dieser Versicherung gern, da wir sie durch Autopsie bestätiget gefunden haben. Denn aufser unserm beschriebenen und hier abgebildeten Steinbock, haben wir auch das treflliche Exemplar eines, wenigstens zwanzigjährigen Steinbocks, welches Sr. Hochfürstl. Durchlaucht Prinz Max von Neuwied besitzt, und überdiefs noch 5—6 Köpfe zu vergleichen Gelegenheit ge- habt, und an keinem einzigen von allen auch nur die geringste Spur eines Bartes entdecken können. Wenn von Berchem (s. Höpfners Magazin IV, S. 337.) an dem Steinbock in Aigle einen ı ıfa Zoll langen Bart bemerkt haben will, so ist es sehr wahrscheinlich, da er diese Bemerkung im October machte, zu welcher Zeit das Thier sein Winterhaar zu bekommen anfıeng, dafs nur zufällig an dieser Stelle das Haar schon etwas länger geworden war, so dafs er, schon zuvor von der herr- schenden Idee, dafs der Steinbock einen Bart haben müsse, eingenommen, nun leicht getäuscht werden konnte, dieses verlängerte Haar für einen Bart anzusehen. 37 Die obige Beschreibung eines sehr alten Steinbocks im Sommergewande, dem Caillet und Fournier ein Alter von 24 bis 25 Jahren beilegen, pafst im Ganzen auch auf das vorhin erwähnte Exemplar im Cabinet des Prinzen von Neuwied, ' welches nur in den Dimensionen um ein geringes schwächer und im Ganzen heller gefärbt ist, als das unsrige. — Da wir die Winterhaut eines ungefähr zwölfjährigen Bocks vor uns haben, der in den ersten Tagen des Brachmonats erlegt worden war, wo er sich noch in seiner vollkommenen Winterkleidung befand, so sind wir im Stande von dieser Abänderung auch eine genaue und zuverläfsige Beschreibung zu geben, die wir der Vollständigkeit wegen noch beifügen wollen. Beschreibung der Winterhaut des Steinbochks. Die Farbe der Haare am Kopfe ist im Ganzen gelblich-grau. Die Haare sind sehr lang, stark, und stehen ausserordentlich dicht beiemander. Von der Wurzel weg sind sie schwach röthlich -grau, die Spitzeu gelbgrau, Der Hinterkopf ist bräuner als die Stirn. Ueber dem Nacken befindet sich eine Aleine Mähne von ı ıfa Zoll langen , weifsgrauen , gelbgespitzten Haaren. Die Hauptfarbe des Halses und des übrigen Leibes ist ein sehr helles Rostgrau , das sich nach den Seiten und den Bei- nen hinab in das Braune verläuft. Ueber den Rücken geht der Länge nach ein hellbrauner Streifen, von etwas längern, struppigen Haaren. Der Schwanz ist dicht behaart castanienbraun. Die Beine sind vorn herab heller, hinten aber dunkel- braun, der Bauch weils; alles ausserordentlich lang behaart. An den Seiten des Leibes und an den Schenkeln ist das Haar zwar nicht sehr lang, aber ungemein dicht; die einzelnen Haare sind sehr dick, und endigen sich in keine Spitzen, son- dern sind ganz stumpf, gleichsam wie abgesengt. Der Steinbock, der jezt in der Schweiz, so wie manche andere, ehedem nicht seltene Thierart, als eine naturhistorische Antiquität anzusehen ist, findet sich gegenwärtig nur noch in einem nicht gar weit- läufigen Reviere der hohen und fast unzugänglichen Gebirge, welche die Thäier von Aoste, Cogne, Cor- mayeur, Saverenche und Ponte in Piemont umgeben. Es mag ungefähr 50 Jahre her seyn, dafs sich einmal noch auf den Gebirgen der Vallce de Bagne in Wallis 4o Stück dieser Thiere miteinander zeigten. Ein Jäger schofs unter sie, worauf sie die Flucht über den Felsengrat nahmen, der das Bagnethal südlich von dem Val Pellina trennt, das sich, ostwärts vom grofsen Bernhard, gegen Aoste hinab zieht. Seit- dem hat man auf der Nordseite dieser Gebirge nie mehr eine Spur von Steinböcken gefunden. Ob es noch in andern Gegenden der Europäischen Alpenkette Steinböcke gebe, darüber fehlt es durchaus an zu- 98 „verläfsigen Nachrichten; jedoch höchst wahrscheinlich sind die genannten Gegenden die einzigen, in wel- chen diese Thiere sich noch vorfinden, wo ihre Anzahl sich aber auch von Jahr zu Jahr mindert. N Die Jäger wissen durchaus keinen hinreichenden Grund dieser Verminderung anzugeben. Das ein- zige was eie anführen, ist, dafs wirklich mehrere Gegenden der hohen Alpen, die ehemals schöne Weiden gewesen, jetzt unter Schnee und Eis erstarrt liegen, folglich dadurch der Aufenthalt und die Nahrung dieser Thiere ausserordentlich beschränkt worden seye, und dafs man alljährlich mehrere von Schnee- lauinen oder herabgestürzten Felsenstücken erschlagene und zerschmetterte Steinböcke finde, durch welche Naturbegebenheiten die Anzahl dieser Thiere mehr vermindert werde, als durch die Verfolgungen der Jäger, die jetzt wegen der grofsen, mit dieser Jagd verbundenen Gefahren und Mühseligkeiten, dieselbe nicht anders trieben, als wenn die Hoffnung auf eine ausserordentliche Belohnung sie dazu ansporne. Bekanntlich sind es die höchsten Gipfel der Gebirge, wo sich diese Thiere aufhalten. Daselbst pflegen sie an sonnenreichen Rasenplätzen unter Felsenwänden am Tage zu ruhen. Abends, wenn die Sonne sich neigt, kommen sie allmählig weiter herab und weiden auf den hohen Alpweiden die ganze Nacht hindurch bis gegen Sonnenaufgang, wo sie wiederum nach den höchsten Gipfeln hinaufsteigen. Die Männchen von 7—8 Jahren halten sich gesellig zu den Weibchen und jüngern Männchen, die ältern Böcke aber leben ganz einsiedlerisch, und steigen auch nie so tief herunter als jene. Gletscher betreten sie nie, es sei denn, dafs die Angst vor dem verfolgenden Jäger sie darauf jagte. Im Sommer finden sie die reichlichste Nahrung an den kräftigen Alpenpflanzen; besonders sind die Beifufsarten (Artemisia glacialis, spicata, rupestris), die sogenannten Muttern (Phellandrium mutellina), die verschiedenen Riedgräser (Carices) der Alpen ihre Lieblingskost. Im Winter ziehen sie sich weiter herab bis zu der Region der höchsten Alpenwälder, in welchen sie in den Flechten der Tannen, den Moos- arten u. dergl. einen kärglichen Unterhalt finden. Nie kommen sie, so wie die Gemsen nicht selten thun, bis in die Thäler und in die bewohnten Gegenden herab. Mit den Gemsen haben die Steinböcke durchaus keine Gemeinschaft, ja diese beide Thierarten fliehen einander. Dagegen gesellen sie sich wohl zu den Hausziegen, mit welchen sie sich jedoch nicht so gut vertragen, als mit den Schaafen. Die Brunsi des Steinbocks fällt in den Monat Januar und dauert diesen Monat hindurch. Die Stein- ziege trägt 5 Monate und wirft zu Ende des Juni gewöhnlich nur Ein Junges, äusserst selten zwei. Das Junge läuft gleich nach der Geburt mit der Mutter davon, die es ungefähr 5 Monate lang säuget und während dieser Zeit mit aller Sorgfalt zu beschützen sucht, Fournier traf einst sechs Steinziegen mit eben so vielen Jungen an. Ein grofser Adler schwebte in der Luft kreisend über ihnen, und schien nur den günstigsten Augenblick ersehen zu wollen, um sich auf eines oder das andere der wehrlosen Jungen herabzustürzen. Die besorgten Mütter hatten indessen, die über ihnen schwebende Gefahr ahndend, ihre Jungen alle unter einen etwas überhängenden Felsenblock zusammengetrieben und sich wie eine Wache . vor sie hingestellt, die Spitzen ihrer Hörner dem grimmigen Feinde über ihren Köpfen immer entgegen- gerichtet. So wie nun der Schatten des Adlers am Boden ihnen eine andere Wendung desselben verrieth, so änderten sie augenblicklich alle, wie auf ein Commando, die Richtung ihrer Hörner, um sie dem Feinde immer entgegengekehrt zu erhalten und ihm keine Blöfse zu geben, durch die er sich auf eines der Klei- nen hätte herabstürzen können. — Lange sahe Fournier diesem interessanten Schauspiele der treuen Mur- terliebe zu, bis endlich der Adler, durch ihn verscheucht, sein Vorhaben aufgab und davon flog. Was wir sonst bezweifelten, ob nämlich der Steinbock auch im freien Naturzustaude sich mit der 39 Hausziege begatte und Bastarde erzeuge, scheint sich neuerlich zu erwahren. Folgende Thatsache, nach 4 deren Aechtheit Foxrnier anf unsere Veranlassung sich an Ort und Stelle genau erkundiget hat, läfst fast. keinem Zweifel mehr Raum. Zwei Hausziegen, die im Herbst auf den Bergen zurückgeblieben und ganz verloren gegeben waren, kamen im, folgenden Frühjahr zur grofsen Verwunderung ihrer Eigeffikümer trächtig ins Thal nach Cogne zurück. Sie warfen beide Steinbockbastarde, die in der Felge nach Turin verkauft wurden. — Die Gefahren und Mühseligkeiten der Steinbocksjagd kann man sich nicht leicht zu grofs vorstellen; die Gemsenjagd scheint wahrlich dagegen nur ein Spiel zu seyn. Der Jäger, welcher den Entschlufs fafst sich auf eine solche Expedition zu begeben, mufs sich zugleich gefafst machen 8 bis ı4 Tage lang Tag und Nacht fern von allen menschlichen Wohnungen unter freiem Himmel zu bleiben, und zwar in Regionen, wo die Nächte nicht lieblich zu seyn pflegen, zumal im Herbstmonat, welcher die günstigste Zeit für diese Jagd ist. Da er die Gefahren wohl kennt, denen er sich aussetzen will, kann er mit kei- nem andern Gedanken ausziehen, als mit diesem: Du kehrst vielleicht nimmer zurück! Da eine schwere Bürde seinem Fortkommen sehr :hinderlich seyn würde, so darf er sich nur mit einem kleinen Vorrath von Lebensmitteln versehen, der kaum so eben hinreicht ihn vor dem Verhungern zu schützen. Nun langt er, von einem oder zweien Kameraden begleitet — denn einzeln wagt sich wohl keiner auf diese Jagd — nach dem beschwerlichsten Marsche von 8—ıo und mehrern Stunden endlich in jenen Regionen an,iwo er sein Wildpret zu finden hofft. Vergebliche Hoffnung! Keine Spur ist zu finden. Müde und matt sucht er sich unter irgend einem Felsenblocke ein Lager für die eingebrochene Nacht. Ein Schluck Brandwein und ein Bissen trocknes Brod ist sein ganzes Nachtessen, und so schläft er in der Hoffnung, morgen in seinen Nachforschungen glücklicher zu seyn, ein; aber nicht lange, so weckt ihn die schnei- dende Bergluft, und.der empfindlichste Frost durchschüttert ihm Mark und Bein. Feuer kann er nicht anzünden, dazu fehlen die Materialien, und wenn sie da wären, dürften sie nicht benutzt werden, denn das Feuer würde ja das Wildprer verscheuchen. Nur die Bewegung kann ihn also erwärmen. Er steige bei dem Schimmer des Mondes bergab und bergauf, trägt Steine von einem Platz zum andern, und so rettet er sich durch unaufhörliche Bewegung vor dem Erfrieren. Endlich bricht der Tag an; — aber eim dichter undurchdringlicher Nebel fällt und verhindert für diefsmal alle weitere Fortsetzung der Jagd. Die Armen dürfen sich nun nicht von ihrem Platz entfernen, aus Furcht in dem Nebel sich zu verirren oder in irgend einen Abgrund zu stürzen. Welche Lage! Auf einen Fleck gleichsam hingebannt, allen Unge- mächlichkeiten der Kälte, der Feuchtigkeit, des Windes, und — der quälenden Längenweile Stand halten zu müssen! — Und solch ein Nebel steht oft Einen und mehrere Tage lang unwandelbar und so dicht, dafs man nicht zwei Schritt weit vor sich sieht, und vom Weitergehen durchaus nicht die Rede seyn kann. — Endlich wird es einmal wieder Tag! Nun werden freudig aufs nene die Nachforschungen be- gonnen. Aber — auf diesen Höhen zeigen sich nirgend Spuren! — Man mufs also weiter, über die ge- fährlichsten Felsenstege, Eisschründe und Abgründe hinweg, hinüber nach andern Höhen. Nach langem, mühsamen Hinab - und Hinaufklettern, Hin- und Hersuchen findet man endlich die ersehnte Spur. Doch es ist Abend, und der Steinbock kann nur überlistet werden, wenn der Jäger ihn bei Tagesanbruch, in- dem er von seiner Weide wieder aufwärts steigt, auf den Höhen erwartet. Diese Höhe mufs also noch diesen Abend gewonnen werden. Leicht wird sie von den durch die neue Hoffeung neubelebten Jägern erklimmt. Kein Schlaf kömmt in ihre Augen, die nun so wie der Tag erwacht, unverrückt nach jener Gegend hin gerichter sind, woher man die Beute erwartet! — Endlich erscheint sie! Der Jäger zielt, % 40 drückt ab, aber — der Schufs hat nicht getödtet, nur verwundet, und mit der Schnelligkeit eines Pfeils ist augenblicklich das flüchtige Thier verschwunden! Lange findet der nacheilende Jäger es nicht wieder; erst spät leiter die blutige Spur ihn dahin, wo es ermattet niedergesunken ist. Durch einen zweiten Schufs macht er seinem Leben vollends ein Ende, und nun sieht er sich endlich, endlich im Besitz seiner so: mühsam erworbenen Beute. — Das Ausweiden beschäftiget ihn noch den Rest des Tages und er mufs: sich entschliefsen nech Eine Nacht — noch nicht die letzte — unter der weiten Decke des freien Himmels zähneklappernd hinzubringen. Mit Tages- Anbruch macht er sich endlich, mit seiner Beute schwer beladen, *) auf den Rückweg, wo Gefahren anderer Art seiner warten, die ihm theils die Eifersucht der Jäger aus andern Gemeinen bereitet, theils die so leicht mögliche Entdeckung seiner in fremdem Revier gemachten Jagd droht. Um; also dieser doppelten Gefahr zu entgehen, mufs er jetzt alle betretenen Wege, alle bewohnten Gegenden: sorgfältig meiden, und sich über Berg und’ Thal selbst einen Weg suchen, auf dem er wiederum hundert Mal Arm’ und Beine zu brechen. oder den Hals zu stürzen Gefahr läuft, — und so scheint es ein wahres: Wunder zu seyn, wenn er endlich nach so vielen Gefahren und Mühseligkeiten: glücklich wieder nach Hause kömmt! *) Ein grofser Steinbock kann, selbst ausgeweidet, noch an 200 Pfund wiegen, Berichtiowno. [07 oO In Nro 4. S. 28 soll in der roten Linie von unten auf statt Evonymus europzus L. gelesen werden: Leontodon taraxacum. Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. Nee Diensmoragd£räne. Eidechs“ (Lacerta smaragdina mihi.) Diese schöne Eidechse, wovon wir hier (fig. 1. 2. 4.) die äusserst genaue Abbil- dung liefern, ist eine der verschiedenen Arten, die bisher unter dem allgemeinen Nahmen der grünen Eidechse (lacerta viridis) zusammengeworfen waren. Am häu- figsten ist unsere Eidechse mit dem grofsen prachtvollen Geschöpfe verwechselt worden, das im südlichen Frankreich und in Spanien lebt, und das wir unter dem Nahmen der Perleidechse (Lacerta margaritata) etwas näher beschreiben werden, um den. Unterschied desselben von unserer Eidechse deutlich darzuthun. Linne scheint die Perleidechse gar nicht gekannt zu haben, unsere smaragdgrüne aber hat er entweder mit dem Männchen der gemeinen grauen Eidechse (L. agilis), ‚das bekanntlich an den Seiten schön grün ist, verwechselt, oder sie als Varietät von dieser Art betrachtet. *) | Lacepede beschreibt unter dem Nahmen L£&zard verd die grofse Perleidechse der Provence, und giebt von dieser eine ziemlich kenntliche Abbildung, betrachtet aber alle grünen Eidechsen als blofse Varietäten von jener. *%) Razoumofshy verwechselt unsere Eidechse auch mit der Perleidechse, indem er als Synomym Lacepede’s Lezard verd anführt. Er hält sie indessen nur für eine Abänderung der L. agilis von Linne. Seine Abbildungen sind unkenntlich. ®®*) D" Wolf hatte unsere smaragdgrüne Eidechse vor sich und hat sie, freylich nur nach einem einzigen in Weingeist aufbewahrten Exemplar beschrieben und abbil- den lassen, allein auch er zieht. alles, was Lecepede über seinen Lezard verd sagt, herbei und verwechselt sie also auch mit diesem. +) Latreille betrachtet alle grünen Eidechsen als Abänderungen Einer Art, wovon er unsere L. smaragdina als den typus ansieht; }f) doch sagt er auch, dafs die von *) Linne syst. nat. Ed. XIIT. p- 1070. n. 15. % **) Lacepede hist. nat. des (Juadrupedes Ovipares, p. 309. *%*) Razoumofsky bist. nat. du Jorat I, p. 105. $. 15. +) In Deutschlands Fauna von Sturm TIL, 4. +r) Latreille tableau methodique des reptiles de la France, hist, des Salamandres, p. 15. und hist. nat. des Reptiles par Sornini er Lafreille I. p. 234. Er sagt: „Les environs de Paris, mais surtout les de partemens du midi nous offrent un lezard, que l’on peut regarder, au milieu de tant de varietes comme le type de l’espece, le vrai lezard verd, ‚Il est d’un tiers ou d’un quart plus petit eume le prö- 6) i 42 Lacepede beschriebene Eidechse aus der Provence eigenthümliche Charaktere an sich habe, und dafs man ihre Beschreibung nicht ganz genau auf die wahre grüne Eidechse beziehen müsse! Daudin hat es endlich gewagt, die zuvor nur als Varietäten angesehenen grünen Eidechsen als Arten von einander zu trennen, und beschreibt unsere L. smaragdina unter dem Nahmen: le l&ezard verd piquete d’Europe, giebt auch eine kenntliche, wiewohl nicht ganz genaue Abbildung derselben. Die Perleidechse beschreibt er gleichfalls als eigne Art, und nennt sie Lezard verd ocelle du midi de l’Europe. Die Abbildung, die er von dieser giebt, ist ziemlich getreu, jedoch nicht nach einem Exemplare von lebhaften Farben gemacht, so dafs man sich nach dieser Abbildung von der unbeschreiblichen Schönheit dieses Thieres nur eine unvollkommene Vor- stellung machen kann. *) Ben Es ist in der That nicht zu läugnen, dafs unsere smaragdgrüne Eidechse mit der Perleidechse ın naher Verwandschaft stehe. Dafs beide aber ganz bestimmt als besondere Arten von einander getrennt werden müssen, wird folgende Verglei- chung derselben wohl aufser allen Zweifel setzen. Einen sehr auffallenden Unterschied bietet 1.) die Gröfse dar. Hier sind die Dimensionen beider: L. smaragdina.. . L. marzaritaıa. Länge des ganzen Thieres (nach Pariser Maas) - ıoll 6 %%*) 18 — des Kopfes ; & - gli al — des Halses i ß ; h - 6 a — des Rumpfes . ER h : ol zul zu gill — des Schwanzes . . i 5 61 gl 1all — des Oberarms : : RE - 5 - gli ! — des Vorderarms . . i : - 54 - glll — der Hand bis zur Spitze der längsten Zehe - 6 - 74 — der Schenkel i ; » 4 zu - ıalll — der Beine L . ns : Hu zul - jall — des Fufses bis ans Ende der längsten Zehe - ll 1 gi — der innern Zehe der Hinterfüfse : 31 - 6 — der zweiten, als der längsten . ; zn - ll cedent, sa tete a des points blancs, bordes de brun, le dessus de son corps est d’un verd tirant sur le bleu et picote de noir; les cuisses posterieures ont chacune un rang d’environ dix sept tubercules.” Diefs ist genau unsere L. smaragdina. E € *) Daudin hist. nat. des Reptiles III, p. 144. pl. 34. le lezard verd piquete d’Europe. p. ı25. pl. 23. Lezard verd ocelle du midi de l’Europe. **) Bei einem andern seither gemessenen Exemplar betrug die Totallänge ı1'! 57. 4:3 . k L. smaragdina. L. margaritata, Breite der dritten Zehe der Hinterfüfse ; - 5 - gli — der vierten [ : : j gl = zil — der äufsern Sp : - 3 fall - 5 Breite des Kopfes in der der use - oz u U — des Rumpfes, wo er am dicksten ist . - ll ll zi An den Vorderfüfsen sind die innere und die äufsere Zehe die kürzesten, die dritte und vierte aber von fast gleicher Länge. 2.) Die Form der Schilder, die den Kopf bedecken, ist bei beiden Arten auffallend verschieden, wenn gleich die Anzahl und Stellung derselben übereinstimmt. 3.) Die Anzahl der Schilder, welche die Kinnladen bedecken, ist verschieden. Bei unserer L. smaragdina zählen wir am Oberkiefer 15, bei L. margaritata hinge- gen 17. Die untere Kinnlade enthält bei jener 22 gröfsere und kleinere Schil- der, bei dieser aber 25. | 4.) Das Halsband unter dem Halse enthält bei L. smaragdina 9 Schuppen, bei L. margaritata aber 13. 5.) Die Anzahl der der Länge des Bauches nach parallellaufenden Reihen von Schil- dern beträgt bei L. smaragdina 6, bei L. margaritata aber 10. 6.) Der kleinen Warzen an der Unterseite jedes Hinterschenkels zählen wir bei allen Exemplaren der L. smaragdina 17; bei L. margaritata aber nur 13. 7.) Die Farbenzeichnung ist ganz verschieden. Bei unserer L. smaragdina ist die Farbe im Ganzen ein schönes, glänzendes Grün; die obere Seite des Halses, des Leibes und die Wurzel des Schwanzes, so wie die Seiten sind mit einer Menge kleiner, grüner Schuppen bedeckt, die hın und wieder, bei den meisten Individuen, unregelmäfsig mit bräunlich schwarzen Schuppen von gleicher Form untermischt sind. Auch sind uns Beispiele vorgekom- men, bei denen die schwarzen Schuppen eine ziemlich regelmäfsige Fleckenzeichnung bildeten. Bei mehrern Individuen, die wir lange lebendig unter Augen hatten, haben wir indessen die Bemerkung gemacht, dafs sie mit jeder neuen Häutung weniger schwarz gefleckt und im Ganzen einfärbiger, schöner und glänzender grün erschienen. Die Weibchen sind, wie unsere fig. ı. zeigt, im Ganzen heller und glänzender grün als die Männchen (fig. 2.) die auf einem schwarzen Grunde hell- grün punktirt erscheinen. Die Vermuthung, dafs der Unterschied in der Farbe mit der Sexualverschie- denheit in Verbindung stehen möchte, hat sich durch anatomische Untersuchung mehrerer Individuen bestätigt. Aufser diesem Unterschied in dem Colorit haben wir aber keinen andern zwischen Weibchen und Männchen bemerkt als in der Anzahl der Querreihen der Bauchschilder, deren wir bei dem Weibchen 32, bei dem Männchen aber nur 30 zählten. 44 Der Kopf ist oberhalb olivengrün, das oft ganz ins Braune übergeht; hie und da stehen ohne Ordnung auf den Kopfschildern hellsrüne Punkte. Die grüne Farbe des Schwanzes geht nach der Spitze. hin allmählig i ins Bräun- liche über. Die Beine sind oberhalb gleichfalls schön glänzend grün. Unter dem Halse, am Unterkiefer, und bei den alten Männchen auch an den Seiten des Leibes, geht die grüne Farbe sanft ins Bläuliche über. Die untere Seite des Leibes ist grünlich-gelb, die untere Seite der Beine und Füfse ganz gelb. } Bei der gro/sen Perleidechse '(L. margaritata) ist die Farbe auf der Oberseite auch im Ganzen ein sehr schönes glänzendes Grün, aber überall ist hier eine mehr oder weniger regelmäfsige Zeichnung, die diese Eidechse auf den ersten Blick ganz von jener unterscheidet. Auf einem glänzend sammet-schwarzen Grunde sind die glänzend grünen Punkte bald in Schnüren, die sich auf die mannigfaltigste Art durchschlängeln, an einander gereihet, bald rosetten-, bald kreisförmig zusammen- gestellt, so dafs das Thier wie mit kleinen Perlen oder Korallen besetzt erscheint. An den Seiten stehen innerhalb jener Perlkreise in der Mitte auf dem schwarzen Grunde schöne runde Flecken’ von. hochblauer Farbe, die, zumal nach frischer Häu- tung, die ungemeine Pracht dieses Thieres noch erhöhen. _Daudin’s Abbildung zeigt von diesen blauen Flecken nichts, so wie auch seine Beschreibung davon schweigt. Auch Lacepede erwähnt derselben nicht. Wir haben sechszehn Individuen zu ver- gleichen Gelegenheit gehabt, und diese schönen Flecken an allen sehr bestimmt wahrgenommen. Es befanden sich unter diesen Individuen auch einige, deren Grundfarbe der Oberseite nicht schwarz, sondern braun war, wie Daudin’s Abbil- dung sie darstellt, aber diese stunden auch an Schönheit den andern mit schwarzer Grundfarbe sehr weit nach. An den Seiten ist die Farbe dieser Eidechse ein helleres Grün, das sich nach der Unterseite ganz ins Weifsliche verläuft. Der Kopf ist ober- halb olivengrün. Die länglichen Schuppen des Schwanzes sind glänzend schwarz, jede mit einem mehr oder weniger breiten heilgrünen Strich der Länge nach be- zeichnet; nach dem Ende hin wird der Schwanz bräunlich. 8.) Die Lebensart scheint endlich diese beiden beschriebenen Eidechsen auch we-. sentlich von einander zu unterscheiden. Die Perleidechse bewohnt vorzüglich die bergichten und sandigen Gegenden, die der Sonne ausgesetzt sind. Sie besteigt die Gesträuche und Hecken, um ihre ‚Nahrung, die in Insekten besteht, daselbst aufzusuchen. Sie soll sich auch von ge- wilsen Früchten, namentlich von Weintrauben, auch von Fröschen, Mäusen, Spitz- mäusen und andern kleinen Thieren nähren, und die Eyer kleiner Vögel in den Nestern auf den Bäumen aufsuchen. — Man beschreibt sie als sehr zornig. Nach Lacepede soll sie Schlangen angreifen, und sich gegen Hunde zur Wehr setzen. Sie springe diesen an die Nase, und beisse sich so fest ein, dafs sie sich eher forttragen —_—— NE 49 und tödten lasse, als dafs sie losliefse; doch wären ihre Bisse nicht giftig und töd- lich. — Auf der andern Seite legt man ihr auch wiederum eine gewifse Sanftmuth des Charakters bei, nach welcher sie z. B. beim Anblick eines Menschen stehen bleibe und ihn mit einer Art Wohigefallen zu betrachten scheine. Da die Perleidechse sich in der Schweitz nicht findet, so haben wir keine Ge- legenheit gehabt, uns durch eigene Beobachtung in der freien Natur zu überzeu- gen, in wie fern die angeführten Umstände gegründet sind oder nicht. Da wir aber wirklich ein Paar derselben seit einigen Monaten lebendig haben, und uns Hoffnung zu noch mehreren gemacht worden ist, so werden wir allerlei Beobach- tungen über diese Thiere machen können, die wir dann seiner Zeit mittheilen werden. Unsere smaragdgrüne Eidechse, die ın der südlichen und westlichen Schweitz, vorzüglich in Wallis sehr häufig ist, haben wir sowohl in der Freyheit als in der Gefangenschaft sehr genau beobachtet, und können daher versichern, dafs auf diese, von allem was man von der Perleidechse erzählt, wenig passen will. Nie trafen wir diese Thiere in beträchtlicher Höhe des Gebirges und nie ın Wäldern an, sondern immer entweder an den untersten, der Sonne sehr ausge- setzten Abhängen oder in den Thälern selbst, wo sie sich unter Steinhaufen, unter einzeln stehenden niedrigen Gesträuchen, unter den lebendigen Zäunen. oder in den Steinritzen der troknen Mauern an den Wegen verbargen. Nie sahen wir sie in beträchtlicher Höhe an Baumstämmen, und wenn wir sie an solchen sitzend antra- fen, so war es gewils nur, weil der Theil des Stammes, an welchem sie safsen, der Sonne vorzüglich ausgesetzt war, in deren Strahlen sie sich mit einem sicht- baren Wohlbehagen zu sonnen pflegen. Wir haben sie immer als äufserst furchtsame und scheue Thiere gefunden, die, weit entfernt, einen Feind anzugreifen, auf das mindeste Geräusch sogleich mit unbeschreiblicher Behendigkeit die Flucht ergriffen. Eben so wenig haben wir je- mals bemerkt, dafs der Anblick eines Menschen ihnen irgend eine angenehme Em- pfindung verursacht hätte, wohl aber, dafs seine Erscheinung, sobald sie bemerkt wurde, sie augenblicklich zur schleunigsten Flucht bestimmte, daher es denn immer ausserordentlich schwer hielt und viele Künste kostete, ein solches Thier lebendig zu fangen. Diese grofse Furchtsamkeit und Scheu blieb ihnen auch noch ziemlich lange in der Gefangenschaft, wo sie sich nur allmählıg verlor. — Wurde eine überlistet und ergriffen, so versuchte sie freilich durch Beissen sich zu befreien, doch selten waren diese Bisse so heitig, dafs das Blut darnach rann; kaum wurde die Haut ein wenig dadurch verletzt, wenn gleich der Bifs mit solcher Wuth ‚geschehen war, dafs die Kinnladen des Thieres nur mit einem Zänglein wieder von einander gebracht werden konnten. In der Gefangenschaft, wo wir sie in geräumigen, luftigen und hellen Behält- 46 | h nifsen von Glas halten, die inwendig, auf eine ihrem natürlichen Aufenthalt ähn- liche Art mit Erde, Steinen, Moos, frischen grünen Zweigen und wohlriechenden Blumen meublirt sind, auf welche sie sich gern hinlegen und von der Sonne be- scheinen lassen, — in welchen 'sie sich immer in einer ihnen angemessenen Tem- peratur befinden und besonders der ihnen so angenehmen Sonnenstrahlen genielsen können — kurz wo sie in einem ihren ursprünglichen Verhältnifsen ziemlich ähn- lichen Zustande leben, legten sie, wie gesagt, ihre Wildheit und Scheu allmählıg ab, und mehrere wurden zuletzt ganz zahm und vertraut, so dafs sie sich berühren und streicheln liefsen und ihre Nahrung aus den Fingern nahmen. Bei sehr starkem Sonnenschein wurden sie indessen immer sehr lebhaft und sogar wild; nur am Morgen, wenn sie die Sonne etwa gegen g oder 10 Uhr hervorlockte, waren sie ungleich sanfter. Ihre Nahrung besteht in lebendigen Insekten aller Art, doch zogen sie weiche, saftige und dickleibige vor; besonders waren es grofse Schwingfliegen (Syrphus tenax, pellucens u. a.), die sie mit besonderer Vorliebe und grofsem Appetit verzehrten; auch Heuschrecken, Feldgrillen, grofse Spinnen, Nachtschmetterlinge, selbst Käfer , grofs und klein; leztere jedoch mit einigem Unterschied; die Chrysomelen z. B. sahen wir sie nie angreifen. Aus der Ordnung der Hymenopteren nahmen sie nicht gern etwas; vor diesen. schienen sie eine Art von Furcht zu haben. Auch die ge- wöhnliche Stubenfliege verschmähten sie standhaft, selbst bei grofsem Hunger, da diese doch von der L. vulgarıs und agilis begierig weggeschnappt wird. — Aufser ° den lebendigen Insekten, — todte rührten sie nicht an — nahmen sie auch mit Regenwürmern und Schnecken vorlieb, ja auch ganz junge Eidechsen anderer Art (L. agilis und vulgaris) wurden von ihnen verzehrt. Herr Professor Studer, dem wir eine Menge der interessantesten Beiträge zur Naturgeschichte dieser Eidechse zu verdanken haben, zog einst eine junge, bis an ein kleines Stück des noch wedeln- den Schwanzes hinuntergeschluckte L. vulgaris einer Smaragdina noch lebendig und unversehrt aus dem Munde heraus und sctzte sie darauf in Freiheit. Mit ganz be- sonderer Vorliebe frafsen sie auch die Eyer, welche einige Weibchen der L. agilis m jenen Behältnifsen gelegt hatten. *) Die harten Theile der Insekteu, z. B. die Flügeldecken der gröfsern Käfer, die Flügel der Heuschrecken u. s. w. wufsten sie meistens geschickt abzulösen; das übrige wurde zwischen den Kinnbacken erst zer- quetscht und dann ganz hinuntergeschlukt, welches mit manchen Insekten ziemlich langsam von statten gieng, so dafs z. B. die Hinterbeine einer Heuschrecke oft noch lange vorn aus dem Munde hervorragten, während der Kopf schon weit hinabge- schlukt war. Seltsam war ihr Benehmen beim Fang und Verzehren gröfserer In- sekten. Lange schüttelten sie diese im Munde hin und her, bis sie betäubt waren, dann liefsen sie sie wohl wieder los, betrachteten sie eine Weile, pakten sie aufs Neue, wiederholten den vorigen Procefs wohl noch mehrmals, bis sie sie endlich *) Ihre Gefräfsigkeit ist ausserordentlich. Oft schlucktce eine ı12—ı5 Stück des Syrphus tenax nachein- ‚ ander hinunter. mit dem Kopf voran ergreifen konnten; worauf dann das langsame Verschlucken erfolgte , welches sie oft bis zur Ermüdung anstrengte, so dafs sie, das halb hinun- tergeschluckte Thier still im Mund haltend, einige Sekunden lang ausruhen mufs- ten. Schr oft geschah es, dafs zwei Eidechsen zugleich über ein solches Insekt her- fielen, oder dafs eine der andern den schon gefafsten Bissen wieder aus dem Munde zu reissen suchte; dann zerrten sie sich oft lange herum, bis endlich eine Meister ward. — War nun der Bissen glücklich hinunter gewürgt, so sahe man sie oft noch lange mit ihrer zarten zweigespaltenen Zunge sich mit sichtbarer Wollust das Maul lecken. Unangenehm war ihnen stets der Staub der grofsen Nachtschmetterlinge, der ihnen, so wie der zähe Schleim der Schnecken den Mund oft ganz verkleisterte. Wasser, das wir sie ın der Freiheit nicht selten aus kleinen Pfützen begierig trinken sahen, wurde auch in der Gefangenschaft mit grofsem Wohlbehagen von ihnen aufgeleckt; auch behalfen sie sich in Ermangelung anderer Nahrung mehrere Tage blos mit Wasser. Milch und den Saft von frischen Kirschen nahmen sie gleichfalls gern zur Abwechselung an. Bei kalter, trüber und feuchter Witterung hielten sie sıch immer unter den Steinen oder dem Moose verborgen, und so kamen sie oft mehrere Tage lang nicht zum Vorschein. *) So wie aber ein warmer Sonnenblick erschien, zeigten sie sich. auch bald wieder und liefsen sich mit wollüstigem Behagen von der Sonne beschei- nen und erwärmen, wobei sie oft die Augen schlofsen und zu schlafen schienen, ein Schlaf, aus welchem sie jedoch das leiseste Geräusch erweckte. Sie häuteten sich den Sommer hindurch mehrmals zu ganz unbestimmten Zei- ten. Diefs Geschäft scheint bei ıhnen ganz von der Gesundheit und Stärke eines jeden einzelnen Thieres, auch von der Witterung abzuhängen. Die alte Haut lö- sete sich theilweise los und blätterte sich durch ikre unruhigen Bewegungen und Hin- und Herkriechen unter den Steinen nach und nach völlig ab. Zuweilen er- “ forderte diese Operation wohl acht Tage Zeit, bei sehr gesunden, kräftigen Indi- viduen aber ward sie in zwey Tagen vollendet. Als die unangenehme, rauhe Herbst- und Winterzeit herannahte, kamen sie immer seltener zum Vorschein und wurden allmählig immer träger. Einige, die man in ıhrem Behältnifse vor dem Fenster ganz der Kälte aussetzte, kamen gar nicht wieder zum Vorschein und wurden nach wenig Tagen todt und ganz zusammenge- schrumpft gefunden. Andere hingegen, die in der warmen Stube aufbewahrt wur- den, kamen fast täglich, wenn gleich nur auf kurze Zeit zum Vorschein. Ihre Be- wegungen waren aber äusserst träge, ihre Augen fast immer geschlossen. Sie nahmen während der Zeit dieses unterbrochenen Winterschlafs keine feste Nahrung, wenn man ihnen doch dergleichen darbieten konnte (z. B. Musca vomitoria, carnaria u.a.), *) Diejenigen, welche überhaupt an gedeckten Tagen, oder wenn kein Sonnenschein mehr auf das Be- bältnifs fiel und über Naclıt sich ordentlich verkrochen, und bis zur Wiederkehr des Sonnenscheins still hielten, befanden sich immer in einem gesunden Zustande, da hingegen die, welche sich nicht verkrochen, gewöhnlich kränkelten, 48 dagegen aber kamen sie bei warmen Sonnenblicken oft zum Wasserbehälter, wo sie selır begierig und bedächtlich Minuten lang tranken, dann aber sogleich sich wieder verkrochen. Individuen, die im Sommer und Herbst schlecht gefüttert worden waren, und gar alte starben gewöhnlich im Laufe des Winters. Diejenigen aber, die sich vorher ganz dick und - fett gefressen hatten, auch die jüingern hielten sich gut bis zum Frühling. $o hatte Hr, Pro- fessor Studer noch im Jan. ı8rı1. eine Eidechse am Leben, die er schon im Jul. 1808 bei Raron in Wallis gefangen hatte. un Aufser andern thierischen Feinden, welche diese Eidechsen mit andern Amphibien gemein haben, werden sie von kleinen schwarzen und rothen Milben sehr geplagt, die sich unter die Schuppen, vorzüglich in die Ohren und Augen, und da wo die Schenkel an den Leib anschliefsen, einnisten. In der Gefangenschaft blieben sie von dieser Plage frei wenn man das Moos, die Erde etc. in ihrem Behältnisse oft genug erneuerte, und von ihrem ausserordentlich stinkenden Unrath reinigte. Bu Wie alt diese Eidechsen werden können, darüber fehlt es uns an allen Erfahrungen. Wir glauben aber, dafs man sie in der Gefangenschaft länger und besser beim Leben er- halten könne, als sie selbst in der Freiheit sich zu erhalten vermögen. Die oben erwähnte Eidechse von Raron hatte z. B. vor Alter die Klauen an den Vorderfüfsen schon seit Jahr und Tag verloren. Würde diese in der Freiheit nicht schon längst oe oder eine Beute der Krähen oder Schlangen geworden seyn ? ir Ueber die Fortpflanzung dieser Eidechsen konnten wir bisher noch keine Bepbachtun- gen anstellen. Da es uns aber mit der gemeinen Eidechse (L. agilis) schon gelungen ist, dieselbe in unsern Behältnissen zur Begattung zu bringen und ihre Eyer ausbrüten zu las- sen, so hoffen wir auch im künftigen Sommer die Begattung der L. smaragdina beobachten zu können, da wir. gegenwärtig mehrere lebende Individuen dieser Art beiderlei Geschlechts besitzen, die sich in ihrer Gefangenschaft so wohl als in der Freiheit zu befinden scheinen. Dann werden wir auch hoffentlich etwas über die stufenweise Ausbildung und Farbenänderung, der L. smaragdina i in ihren ersten Lebensperioden erfahren, worüber wir noch nichts wissen. Diese Eidechsen sind, wiewohl alle andern wahren Eidechsen, nicht nur ganz unschäd- liche, sondern im Gegentheil selbst sehr nutzbare Thiere, da sie eine grofse Menge schäd- licher Insekten verzehren, und um desto thörichter ist das Grausen vieler Leute vor ihnen, das sie überdiefs bei der Schönheit, womit sie der Schöpfer bekleidet hat, gar nicht verdie- nen. Wir können versichern, dafs die Eidechsen überhaupt sehr unterhaltende Stuben- thiere sind. Ihr artiges, schon von Erasmus bemerktes Kopfdrehen, ihr freundliches Auge, ihre Behendigkeit und ihre lebhaften Bewegungen, besonders beim Lauern auf eine Beute, ‘ verursachen viel Vergnügen und können einen oft lange vei-ihrem Behältnifs aufhalten. Unsere Kupfertafel enthält noch bei Fig. 3. die Abbildung einer Eidechse, die wir auch immer an denselben Orten angetroffen haben, wo wir die L. smaragdina fanden. Wir hielten dieselbe Anfangs für diejenige Eidechse, welche Daudin *) unter dem Nahmen Zezard verd ü deux rayes (L. bilineata) beschrie- ben und abgebilder hat; wir haben aber seither mehrere Exemplare der letztern aus dem südlichen Frank- reich und-aus der Gegend von Neapel erhalten, und sehen nun, dafs die unsrige wesentlich davon unter- schieden ist. Auch können wir sie nicht für eine junge L. smaragdina halten, deun der ganze habitus ist anders, das Verhältnifs des Schwanzes zu dem übrigen Körper und mehrere andere Umstände sind ganz verschieden. Wir begnügen uns indessen für jetzt eine Abbildung derselben gegeben zu haben und lassen alles Weitere von ihr so lange dahin gestellt seyn, bis erneuerte und vollstäudigere Beobachtungen uns in den Stand setzen werden, etwas Bestimmtes hierüber zu liefern. *) Hist. des Reptiles III, p. ı52. pl. 37. Das Museum der Naturgeschichte Helvetiens in Bern. NS 7 Der bärtige Geyeradler. Gypaetus barbatus (CGuv.) (Nebst Abbildung des Kopfes und Fufses in natürlicher Gröfse. ) Bartgeyer. Lämmergeyer. Jochgeyer. Goldgeyer. Bartadler. Schaafgeyer. Steingeyer etc. Vultur aureus Gesner Av. p. 748. 750. (Ed. Froschauer. Tiguri 1554. f.) Andreä Briefe aus der Schweiz $. 195. nebst Abbildung des Kopfes und Fufses. Vultur barbatus Zinn. Syst. ed. XII. T. I. p. 123. n. 6, Falco barbatus Cmel. Linn. T. I. P. I. p. 252. n. 38 Vultur aureus Drisson. no, 5 Vultur Brisson. no, ı. Vautour dore Buffon Oiseaux I, p. 151. Le Gypaete des Alpes Sounini Edit. de Buffon II, p. 214» pl. 12. fi => Bearded vulture Zath. Syn. I, p. ı1. Uebersetz. I, ı. p. ı0. n. 6. Avolıojo barbuto Stor. degli Uccelli 1. pl. ne ö Gypaetus barbatus a. leucocephalus. b. fuscus Steinmüller (Alpina I, S. 169.) Bartadler, Falco barbatus, BZechstein Naturgesch. Deutschl. II, S. 302. Taschenbuch I, $, 7. Weifsköpfiger Geyeradler, Gypaetus leucocephalus, /Yo/fs. und }Meyers Taschenbuch der d. Vögel- kunde I, 5. 9. (nebst Abbildung des Kopfes und Fufses.) Ebend. Naturgesch. d. Vögel Deutschl, Heft ı4. Schwarzköpfiger Geyeradler, Gypa&tus melanocephalus 7Y'olfs und Meyers Taschenb. I. $. ı0. (Ab- bildung auf dem Titelkupfer.) Ebend. Naturgesch. der Vögel Deutschl. Heft 19. Borkhausens und Beckers deutsche Ornithologie Heft ı9. Neujahrstück der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 1805. Die Vögel der Schweiz, beschrieben von Meisner und Schinz S. 3. Gypaete barbu, Gypa@tus barbatus. Temmink Manuel d’Ornithol. p. 6. Abbildung des Kopfes und Fufses in Blumenbachs Abbild. naturh. Gegenstände T. 85. *) *) Es fehlt, wie das obenstehende Verzeichnils der Autoren anzeigt, ganz und gar nicht an Beschreibun- gen und Abbildungen dieses merkwürdigen Alpenvogels. Unter den Beschreibungen zeichnet sich die Steinmüllerische in der Alpina durch Genauigkeit und Vollständigheit vor allen aus. In den Abbil- dungen der d. Ornithologie von Becker ist die Farbenzeichnung des Federnkleides gut und schön, Aufserdem aber, dafs hier in dem Schwanze des Vogels statt ı2 Federn, die er, wie alle Raubvögel, wirklich hat, deren ı9 zu zählen sind, ist der Kopf und Schnabel vollkommen verfehlt, welches auch bei allen andern Abbildungen mehr oder weniger der Fall ist. Selbst die Blumenbachische, obgleich von allen noch die befste, macht hievon keine Ausnahme. Das gleiche gilt auch von den Abbildungen des Fufses, die alle mehr oder weniger verfehlt sind. Da also, was diese charakteristischen Theile betrifft, noch keine einzige richtige und genaue Abbildung vorhanden ist, so glauben wir nichts Ueber- flüfsiges zu ıhun, wenn wir hier eine solche liefern, in der nicht nur die natürliche Gröfse beibehalten ist‘, sondern auch alle Verhältnisse nach den sorgfäliigsten Ausmessungen auf das getreueste beobachtet sind. 7 50 Beschreibung. De Schnabel läuft von der Stirn an anfangs ganz gerade aus, dann erhebt sich sein oberer Rand und bildet den stark gekrümmten Hacken, dessen senkrecht her- abgebogene Spitze ungefähr 3 vor der Spitze des untern Kiefers herabgeht. Wo die Krümmung des Oberschnabels anfängt, laufen vom Rande der Wachshaut an zu beiden Seiten zwey Furchen, eine oben, die andere etwas weiter gegen die Mitte hin mit der Krümmung des Hackens fast parallel. Die Wachshaut ist bläulich- grau und bedeckt den geraden Theil des Schnabels bis fast zum Anfang des Ha- ckens, ist aber unter den steifen, theils schwarzen, theils bräunlichen Borsten ver- borgen, welche von der Stirn und den Augenkreisen weg, gegen die Schnabelspitze gerichtet, den Oberschnabel grofsentheils bedecken. Die Nasenlöcher sind grofs, länglich - rund und liegen im äufsersten Rande der Wachshaut. Die Farbe des Hackens ist hell hornfarbig-grau, nahe an der Wachshaut bläulich, an der Spitze dunkler grau. Der Unterkiefer verschmälert sich nach vorn sehr und endiget sich in eine stumpfe oder abgerundete Rinne. Die Schneiden beider Kiefer sind ziem- lich stumpf, die des Hackens aber schärfer. Der Rachen ist sehr weit und öffnet sich bis weit hinter die Augen. Der Unterkiefer ist von seiner Einlenkung an, am äufsersten Rande mit braunen und weifsen kurzen Federn besetzt, die nach vorn mit steifen schwarzen, dicht an den Seiten des Unterkiefers anliegenden Borsten enden. Unten ist dieser mit dunkelbraunen oder weifsen schmalen Federchen dicht besetzt, die in der Mitte nach dem Halse hinwärts, an den Seiten auswärts nach dem Rande des Schnabels, vorn aber gegen die Spitze desselben hingekehrt sind, wo sie nach und nach in die steifen Borsten übergehen, die den ungefähr ı!! langen Bart bilden. Inwendig ist der Rachen bis an die Ränder der Kiefer mit einer bläulichen Haut bedeckt. Die Zunge ist gespalten und endet vorn in eine bläulich - graue hornartige Spitze. ' Die Füfse sind bis auf die Zehen befiedert und nach Verhältnifs zum übrigen Körper sehr kurz. Die Zehen sind bei weitem nicht so stark und kräftig, wie beim Adler, hellblau-grau von Farbe, oberhalb rauh und stark geschuppt, unterhalb warzig, mit sehr starken, fleischigen Ballen. Die äufsere Zehe ist mit der mittlern O8? an der Wurzel bis zum ersten Gelenk durch eine starke Haut verbunden. Die 51 Klauen an der hintern und innern Zehe sind die stärksten, aber bei weitem nicht so stark wie beim Adler und auch nicht so stark gekrümmt. Der Schwanz ist sehr lang und keilförmig. Das Auge ist grofßs, ı!! im Durchmesser, hervorstehend, zu äufserst zeigt sich ein 2— 3! breiter zinnober-rother Ring, worauf ein noch breiterer zitron - gelber folgt, der den Stern umgiebt, so dafs das Auge sehr schön und lebhaft, ist. Es wird von einem weifslichen untern Augenliede, das vorn mit braunen Wimpern besetzt ist, bedeckt. Oben ist kein Augenlied, aber lange, borstenartige Augen- wimpern. Verschiedenheit. der Farbe des Gefieders.*) 1. Der junge Vogel bis ins driite oder vierte Jahr. Der ganze obere Theil des Kopfes von der Stirn bis in den Nacken ist mit kleinen, schmalen, schwarzen Federchen, welche dicht an dem flachen Scheitel an- liegen, bedeckt. Unter den Augen auf den Wangen sind diese hie und da mit weifsen untermischt. Die schmalen, lanzettförmig-zugespitzten Federn des Halses sind schwarz, die obern kleinerrt Nackenfedern zum Theil mit rostfarbigen Spitzen oder Flecken; die untern, den Seiten sich nähernden, breiter und meistens ganz schwarz, aufser den letzten, welche wieder theils weifse, theils bräunlich -graue Spitzen haben. An der Kehle haben die dunkelbraunen Federn meistens rostfar- bige Spitzen. Die Federn des Rückens sind mehr oder weniger braun und weils, auf dem Steifs herrscht die hellbraun-graue Farbe vor. Die Deckfedern der Flügel sind auch hellgrau-braun mit hellerer und nach unten hin weifser Zuspitzung, so dafs die Flügel von obenher auch ziemlich geschäckt erscheinen. Die Schwung- = - Se Fk ® *) Die grofse Verschiedenheit in Ansehung der Farbe des Gehieders, die bei den Individuen dieser Art Statt finder, hat bei mehrern Ornithologen die Meinung erregt, dafs es zwey Arten von Geyeradlern gebe, eine schwarze und eine gelbe. Diese Meinung ist aber völlig ungegründet und wir wissen jetz ganz bestimmt, dafs es nur eine Art giebt, die aber in der Jugend und im Alter in einem ganz ver- schiedenen Farbenkleide erscheint. Hiervon haben wir uns durch mehrere Individuen deutlich über- zeugen können. Wir haben sowohl gelbe Exemplare vor uns gehabt, an denen noch überall Spuren des kürzlich abgelegten schwarzen Jugendkleides zu sehen waren, als auch schwarze, die hie und da ücter den dunkeln Federn, zumal am Halse, auf der Brust und auf dem Nacken schon mehrere ein- zelne Federn des vollhommenen, bleibenden gelben Kleides zeigten, das sie im kurzen angelegt haben würden. Auch bezeichnet die Verschiedenheit der Färbung nicht den Geschlechtsunterschied, wie ei- nige Ornithologen behauptet haben, welche die schwarze für männliche, die gelben aber für weibliche Vögel hielten, Wır haben von beiden Farben sowohl männliche als weibliche Vögel vor uns gehabt, 527 federn von denen die vierte die längste ist, sind schwarzbraun mit weilsen Kielen; Ebenso die Schwanzfedern. Brust, Bauch und Afterfedern sind sehr hellgelblich - grau. Die untern Deckfe- dern der Flügel braun. Die Schenkel sind sehr langbefiedert, von gleicher fast noch hellerer Grundfarbe wie den Bauch und weifs geschäckt. Die an der Fufswurzel dicht anliegenden Fe- dern bräunlich -grau. 2. Der alte Vogel in seinem vollkommenen Federkleide. Des Kopfes Grundfarbe ist gelblich-weifs, um so weifser, je älter, der Vogel ist. Oben auf dem Scheitel bilden die schwarzen Haare der Augenbraunen, die sich weit nach hinten ziehen und von beiden Seiten zusammenlaufen, eine schmale schwarze Einfassung des Scheitels, "auch wird der weifse Scheitel in der Mitte nach hinten zu, durch viele kurze, spitze schwarze Federchen getheilt, so dafs das Weifse desselben eine herzförmige Figur bildet. Unter den Augen ist wiederum ein breiter Strich weifsen Flaums mit spitzen schwarzen Federchen vermischt, hinter dem Mund, winkel ein schwarzer gebogener Fleck, der nach hinten in eine Spitze ausläuft. Die Federn des Nackens und Halses gelblich - weifs, unter der Kehle orange- farbig mit einzelnen schwarzen spitzigen Federchen vermischt. Auf dem Rücken sind alle Federn am Grunde, so weit sie bedeckt sind, weifs, übrigens grau, an den Spitzen und Rändern schwarz, mit weifsen Kielen; hie und da sind einige röthlich- braune Federn untermischt. Die Dechkfedern der vordern, gröfsern Schwingen sind grau, braun-gesäumt, die der folgenden hellergrau, die zwei nach diesen folgenden Reihen hellgrau, dunkel- braun -gesäumt, an den Spitzen weifs. Die übrigen bis an die Schultern in der Mitte grau, zu beiden Seiten schwarzbraun mit weifsen Spitzen, und je kleiner sie werden, desto dunkler sind sie und desto mehr zieht sich der weifse Fleck hinauf, so dafs sie längs dem Kiel einen weifsen Strich zeigen. Hie und da sind unter die- sen ganz hellbraune Federchen untermischt, so dafs die Flügel oberhalb bunt von grauer, brauner, schwarzer Farbe mit weifsen Flecken und Strichen erscheinen. Die Schwingen sind alle grau, an der äufsern Fahne dunkelbraun breit gesäumt, die kleinern heller, und die hintersten an beiden Fahnen braun-gesäumt; alle haben weifse Kiele.. Brust, Bauch, Seiten, Schenkel und Beine röthlich- weils, in der Mitte röther, an den Seiten weifser,. Vorn auf der Brust ziehen sich von den 53 Seiten nach der Mitte eine Reihe brauner Federn in einem mehr oder weniger ‚grofsen dreyeckigen Fleck zusammen, der bisweilen mitten auf der Brust einen schönen Ringskragen bildet. Dimensionen. Länge des ganzen Vogels von der Schnabelspitze bis zum Ende des Pariser Maafs. , EIER) Schwanze . ; : i ag f : , 31 Hl Breite der ausgespannten Flügel . : ; i LE er) Länge des Schwanzes oder der mittelsten Schwanzfeder . . $ U gi zul Länge der kürzesten Schwanzfedern . \ ; ' : 1t all zu Länge der längsten Schwungfedern . ri i & Pe Länge des Schnabels von der Oeffnung desselben bis zur Spitze E ai gli Länge des Unterschnabels . . ß : ; u 3 ogili Länge des Oberschnabels von der Stirn bis zum Anfange des Hackens 1! jo Länge des Hackens . ; N y e L B al gill Breite des Unterschnabels an der Wurzel h ; : i oh zul Breite des Oberschnabels j ; x ; ; 3 at zı Länge des Bartes unter dem Schnabel i ; £ } 2 il gi Breite des Scheitels zwischen den Augen R ; .: ; alt gl Länge der hintern Zehe Ä ’ h ie : & alt zoll — — äussern % > : Ä Me, ER : ol gu — — mittlern > : : : 2 R \ qN zu — _— innerm „ Ä } r R Bi , su 3 Bei 5—6 Individuen, männlichen und weiblichen Geschlechts, die wir gemes- sen haben, fanden wir in diesen Dimensionen keinen bedeutenden Unterschied. Ueberhaupt scheinen auch beide Geschlechter in der Größe wenig verschieden zu seyn. Solche Angaben‘, welche diesem Vogel eine Länge von 5—6 Fufs beilegen und ihn mit seinen ausgebreiteten Flügeln 12 —ı4 Fufs klaftern lassen, können wir, nach unsern Erfahrungen, nicht anders als für höchst übertrieben ansehen. 34 Der lange, starke und eo eigen gebildete Schnabel, der nach Verhältnifs sehr kleine, flache Kopf, die grofsen hervorstehenden Augen, die breite Brust, die breiten Flügel und der breite, lange, keilförmige Schwanz, die niedrigen, schwachscheinenden Füfse mit den kurzen Zehen und Klauen — diefs alles zusam- men genommen giebt dem Geieradler einen Habitus, der auffallend von dem des Adlers verschieden ist. Die Breite des Brustbeins und der Oberarmiknochen giebt sehr starken Muskeln zur Bewegung der langen Flügel Raum, vermittelst deren sich der Geieradler nicht nur zu unglaublicher Höhe erheben kann, son- dern auch eines langanhaltenden, een Fluges fähig wird, wozu ihm überdiefs die Leichtigkeit seines Körpers sehr zu Statten kömmt, denn sein Gewicht beträgt, bei leerem Magen und Kropfe, nicht viel über 8—9 Pfund. Die Länge der Flügel und des Schwanzes bei den ziemlich kurzen Füfsen nöthiget diesen Vogel, wenn er auf der Erde steht, zu einer fast horizontalen Haltung seines Körpers, welche ihm, da er dabei gewöhnlich den Hals sehr einzieht, ein unedles Ansehn giebt. | Der Anfenthalt des bärtigen Geieradlers ist immer auf den höchsten und unzugänglichsten Gebirgen der Schweiz. Anfserdem bewohnt er auch die Savoyischen und die Tyroler Alpen und soll auch auf den Pyrenäen und den Karpathen vorkommen. In der Schweiz wird er vornehmlich in den Hochgebirgen von Wallis, des Berner-Oberlandes, des Cantons Tessin, ungleich seltener in denen von Uri, Schwyz und Unterwalden angetroffen. Am zahlreichsten findet er sich in den Glarner-Alpen, in den Gebirgen des Cantons St. Gallen, die den Wallensee umgeben, und in Graubündten, zumal in der Gebirgskette, die diesen Canton von Uri und Glarus trennt. Ueberhaupt hauset er vorzüglich da, wo es noch viele Gemsen giebt, die seine liebste Beute sind. Er verläfst seinen hohen Standort nie, als im Winter und im Früh- jahr, dann treibt der Hunger und die Sorge für seine Jungen ihn tiefer zu den Bergwohnungen und hoch- gelegenen Dörfern herab, wo er besonders den jungen Ziegen gefährlich wird. Zu dieser Jahrszeit pllegt er sein Jagdrevier, in welchem gewöhnlich Ein Paar kein anderes neben sich duldet, weiter auszudehnen. Sehr selten läfst er sich bis in die bewohnten Thäler herab und in den Ebenen sah man ihn noch nie, so wie er auch im Jura ganz unbekannt ist. — In den hohen Regionen seines Aufenthalts sitzt dieser Vo- gel gewöhnlich auf hervorragenden Felsen und Klippen, nach seinem Raube umherspähend. Damit er sich zuf den glatten Felsen halten könne, sind seine Zehen unten mit so dicken, warzigen Ballen versehen, die sich dicht und fest an den Stein aulegen. Auf flachem Boden wird er sich selten oder nie setzen, weil er daselbst, wegen seiner langen Flügel und kurzen Füfse, Mühe haben würde sich schnell zu erheben. Seine Nahrung wählt der Geieradler vornehmlich aus den Säugethieren der Alpen. Seine vornehmsten Leckerbissen siud Gemsen, Steinböckc, Ziegen, Schafe und Kälber. Aufserdem nimmt er mit Murmelthie- ren, Hasen, Füchsen vorlieb, Auch scheint er mach Hunden besonders lüstern zu seyn. Nur wenn es ihm an dergleichen Wildpret fehlt, verschmäht er auch die Alpenhühner nicht. Dafs er nicht alas kleine Kinder, sondern selbst erwachsene Menschen angreift, wenn er Gelegenheit dazu hat, ist durch mehrere Thatsachen erwiesen. In den öden Regionen seines Aufenthalts, wohin selten ein Mensch kömmt, fürchtet er diesen nicht, ja er sieht ihn, wie einen andern Gegenstand seiner Raublust an, und sucht sich seiner au bemächtigen, indem er mit grofser Gewalt auf ihn losfährt und ihn über eine Felsenwand in einen Abgrund hinunter zu stürzen trachter. Ein Urner Gemsenjäger erzählte mir einst auf den Surenenalpen folgende Begebenheit, die ihm selbst nicht lange zuvor begegnet war, wobei er mir zugleich den Ort zeigte, wo sich der Vorfall ereignet hatte. Auf einer Jagd hatte er sich nahe am Rande einer Felsenwand nebst ecinem Kameraden niedergesetzt, um auszuruhen, Plötzlich wurden sie durch ein seltsames Geräusch 35 hinter ihnen aufmerksam gemacht, das wie das Knarren eines nenen ungesalbten Wagenrades tönte, Tir- schrocken sahen sie sich um und erblickten einen grofsen Geieradler, dessen Flügelschläge jenes Geräusch hervorbrachten und der nahe am Boden auf sie zu flog. Kaum waren beide unwillkührlich zur Seite ge- sprungen, als sie das grimmige Thier mit unbeschreiblicher Kraft und Schnelligkeit über ihren vorigen Sitz hinwegfahren sahen, so dafs ihnen kein Zweifel blieb, dafs der Vogel sie beide, wenn sie sitzen geblieben wären, mit seinen starken Flügeln in den Abgrund hinabgestofsen haben würde. — Ein älınli- ches Abentheuer erzählte mir ein andermal ein Brienzer Schiffer. Er hatte sich auf den Gebirgen zwi- schen Grindelwald und dem Brienzer-See auf der Gemsenjagd hei Verfolgung seines Wildes hoch hinauf an einer Felsenwand verstiegen, und befand sich daselbst am Rande cines tiefen Abgrundes. Auf einmal flogen zwei Geieradler, die vielleicht dort in der Nachbarschaft nisteten, auf ihn los und fuhren ihm mit ihren Flügeln so nahe auf den Leib, dafs er alle seine Kraft anwenden mufste, um nicht hinabgefegt zu werden. Sie liefsen in ihren Versuchen, ihn hinabzustürzen, nicht eher nach, bis es ihm gelang den einen todt zu schiefsen, worauf der andere sich entfernte. Aehnliche Thatsachen erzählt Steinmüller in der Alpina ®$ S. 200. Doch scheint mir bei mehrern nicht erwiesen, ob sie wirklich dem Geieradler zu- zuschreiben sind. Diejenigen wenigstens, wo von einem Anpacken mit den Klauen und einem Aufheben und Wegführen der Kinder durch die Lüfte die Rede ist, dürften wohl eher auf Rechnung des Adlers zu setzen seyn, als auf die des Geieradlers, dessen Füfse und Krallen mir dazu nicht geeignet zu seyn scheinen. Auch werden diese beiden Vögel, nämlich der Steinadler und der Geieradler im Jugendkleide, von den Alpenbewohnern immer verwechselt und beide unter dem Nahmen Gyr begriffen. , Es ist überhaupt nicht die Art des Geieradlers, sich mit seiner Beute in die Höhe zu erheben und sie durch die Lüfte fortzutragen; vielmehr richtet er seine Angriffe gewöhnlich so ein, dafs er, wenn er eine Gemse, Ziege oder ein Schaaf in der Nähe eines Abgrundes erblickt, in schräger Richtung von oben dar- auf hinstärzt, das Thier mit seinen Klauen ergreift und so über dem Boden bis an den Abgrund fort- schleift, wo er es alsdann entvwreder hinunter fallen läfst, wenn es ihm zu schwer ist, oder, ist es ein kleines Thier, sich mit demselben hinabläfst, und es unten verzehrt. Wie sein Amerikanischer Halbbru- der, der Condor, hackt er dem Thiere zuerst die Augen aus, hierauf öffnet er den Unterleib und frifst die edlern Eingeweide, dann erst das übrige Fleisch. Was er den einen Tag nicht auffrifst, verzehrt er den folgenden. Lämmer und junge Ziegen werden häufig seine Beute, under richtet, besonders im Früh- linge, wenn er Junge hat, grofsen Schaden unter diesen nützlichen Thieren an. Auch Hunde sind vor ihm nicht sicher. Man will sogar ein Beispiel gesehen hahen, dafs ein Geieradler sich alle Mühe gab, einen Ochsen über einen Felsen hinabzustürzen, welches ihm aber nicht gelang, Im Winter und wenn er schr hungrig ist, fliegt er auch auf Aas, und diefs giebt Gelegenheit ihn in Fallen zu fangen. Seine Gefräfsigkeit ist aufserordentlich grofs, wovon der Grund in der Stärke seiner Verdauungs - Organe und in der Schnelligkeit seiner Verdauung liegt. Die härtesten Knochen löset sein scharfer Magensafı in kurzer Zeit auf. Sein Schlund ist so weit, dafs man mit der Faust ohne Mühe bis in den Magen hinunter langen kann, und folglich auch die stärksten Knochen hindurch hönnen, die man gewöhnlich ganz zerfressen und durchlöchert im Magen findet. Steinmüller fand einst bei der Oeffnung eines Geier- adlers den Schlund und Magen mit einem ı5 Zoll langen Rückgrat eines Fuchses angefüllt, wobei sich "noch der. ganze Fuchsschwanz, der ganze Hinterlauf eines Hasen, mehrere kleinere Knochenstücke und ein Ballen Haare befand. Dr. Amstein in Chur besafs einen zabmen Geicradler, der zuweilen so grofse Knochenstücke verschlang, dafs er sie nicht ganz in den Magen 1 . schlucken kann, hoch in die Luft tragen, und sie dann von der Höhe auf einen dafs sie zerbrechen. j IE Y Sr (Die Fortsetzung folgt.) ” ; ® } H a J .r ; ? ur 5 Knut s R ee Ye R I e h Rh N ® \ Das Museum der Naturgeschichte Felvetiens in Bern. N27®. Der bärtige Geyeradler. Gypaetus barbatus (Cuv.) (Fortsetzung. ) "58 Prof. Scheitlin in St. Gallen besafs einen Geieradler, der auf dem Kunkelberge in Graubündten in einer Falle unverletzt gefangen war, eine geraume Zeit lang lebendig, und hat über denselben einige in- teressante Beobachtungen gemacht, die wir hier mittheilen. Herr Dr. Sckinz in Zürich, der eben diesen Vogel drei Wochen lang im Hause hatte, hat diese Beobachtungen vollkommen richtig und bestätiget gefunden. Im Anfange seiner Gefangenschaft war dieser Vogel aufserordentlich ‚schüchtern, duckte sich im Gehen so tief er nur konnte, steckte bei dem Anblick eines Menschen den Kopf in das Heu, das in der Ecke des Zimmers lag, und blieb in dieser Lage fast einen ganzen Tag. In jeder Lage, die man ihm gab, blieb er so lange, als man bei ihm stund, und auch noch eine Weile, nachdem man das Zimmer verlassen hatte. Man konnte ihn auf den. Rücken legen und den Kopf nach Belieben drehen, er liefs alles geschehen, lag wie todt da, nur sein feuriges Auge zeigte Leben. *) Zwey bis drey Tage lang steckte er den Kopf immer in die Ecke des Zimmers oder ins Dunkle, besonders wenn viele Leute da waren. Nach- ker siund er Tag und Nacht auf einer Stange, die ınan ihm gegeben hatte, auf welche man ihn aber hin- aufheben mufste, Alle seine Bewegungen waren überhaupt langsam, schwerfällig und träge; ohne Noth rührte er nicht eine Zehe; jnur sein herrliches Auge und der Kopf waren oft in Bewegung, und mit scharfem, durchdrirgendem Blicke fixirte er die ihm genäherten Gegenstände. Den Strick, mit dem er Anfangs gebunden war, zerrifs er sogleich mit seinem Schnabel, und in der Folge immer wieder, wenn man ilım angebunden hatte. Nach und nach gewöhnte er sich an die Menschen, doch war er nach fünf Monaten noch so schüchtern, dafs er kaum in Gegenwart seines Herrn frafs. Uebrigens betrug er sich ganz sanft und gutmüthig, liefs sich ohne Sträuben von der Stange herabnehmen, bei den ausgebreiteten Flügeln in die Luft heben, liefs sich streicheln, etwas in den Schnabel hängen u. s. w. So trug er ein- al eine Tabackspfeife wohl eine Stunde lang im Schnabel. Doch durfte diefs alles nur derjenige thun, der oft mit ihm umgieng. Einen Unbekannten, der ihn streicheln wollte, verwundete er mit dem Schna- bel an der Hand ziemlich stark. Selbst nach seinem Wärter fuhr er einige Mal unversehens mit dem Schnabel. Sonst konnte man ihm wohl den Finger in den Schnabel legen, ohne dafs er ihn drückte; doch suchte er ihn mit der Zunge wegzustofsen. Eine andere Stimme als ein leises Pfeifen gab er nie von sich. In der Freiheit soll er im Fluge ein durchdringendes Phiyy = Phiyy hören lassen, = *) Dieses Todistellen hab’ ich auch an andern, kaum gefangenen Raubvögeln bemerkt, nahmenilich an zwey Gabelweihen, die im Anfange, sobald sich nur ein Mensch von weitem hören oder sehen liefs, sich sogleich niederlegten und sich völlig todt stellten, so dafs ich selbst einige Mal dadurch getäuscht ward und sie für wirklich todt hielt. Erst nachdem sie sich ein wenig ah die Gefangenschaft gewöhnt hatten , vergafsen sie diesen Kunsıgriff. 8 58 Rohes Kalblleisch frafs er täglich ı 1/2 bis a Pfund. Gemsenfleisch und anderes Gewild, Leber und Gehirn genofs er sehr gern. Knochen schien er indessen dem Fleische vorzuziehen, selbst wenn sie ganz trocken und snfılos waren.‘ Er verschluckte Fausıgrofse Knochenstücke, auch wenn sie rauh und spitzig waren, ohne alle Beschwerde. War sein Hunger nicht grofs, so fafste er das Stück blos mit dem Hacken des Schnabels und behielt es lange darin, che er es verschluckte. Schien em zu grofs, so nahm er es unter die Füfse und suchte es zu zerreissen. Fiel ihm ein Stück |herunter, so machte er keinen Versuch es wieder aufzuheben, sondern setzte sich zuhig hin und hungerte lieber 2—3 Tage, ehe er es wieder nahm. Oft frafs-er, nach Art der Geier, so viel, dafs er kaum athmen konnte. Le- bende Thiere sah er oft kaum an; ein Kaninchen und Tauben liefen ungestraft um ihn herum; er schien sich gar nicht um sie zu bekümmern, obschon er sie anfangs scharf ansah. Eine Katze, die ins Ten kam, nahm sogleich die Flucht, ohne dafs er Miene machte sie zu verfolgen. ‘Wenn aber Hunde oder Kin- der ins Zimmer kamen, dann rollten seine Augen gierig umher, und mehrere Male versuchte er Hunde zu erhaschen. — Zuletzt verlor sich seine anfängliche Schüchternheit ganz; er ward ganz sanft und schien ohne Falsch zu seyn. Er frafs nun ungescheut, und wenn noch so viele Leute gegenwärtig waren. Warf man ihm todte Vögel vor, so rifs er mit dem Schnabel Kopf, Füfse und Flügel ab, und schälte den Kör- per rein aus der Haut heraus, die er liegen,liefs. Lebende Krähen oder Hühner, die man ihm vorhielt, packte er ganz ruhig, rifs ihnen den Kopf ab und verzehrte sie sodann. Auf einmal nahm er ohngefähr ı Pfund Knochen oder Fleisch zu sich, und verdaute beides in wenig Stunden. Knochen frafs er am lieb- sten, wenn man sie ihm vorher ins Wasser getaucht hatte, Kleine Vögel und Fische frafs er nie. Wasser sah man ihn nie trinken, obgleich er immer ein Gefäls mit Wasser neben sich stehen hatte. Milch hin- gegen schlürfte er begierig mit seinem rinnenartigen Unterschnabel. Unverdauliches Gewölle spie er nie aus, wie andere Raubvögel zu thun pflegen. Nur einmal sah man ihn einen Ballen ausspeien, der aber meist aus Heu bestand, das er zufällig mitgeschluckt hatte. Den dünnen weifsen Koth schnellte er, nach Art anderer Raubvögel, weit von sich. Bei der Hitze frafs er seltener, als bei der Kälte. Beides konnte er sehr gut vertragen, doch hatte er es gern, wenn man ihn bei grofser Hitze mit Wasser besprengte. War er unwillig, so sträubte er die Federn des Kopfes, legte sie aber bald wieder nieder und ward ruhig, Ungeachtet dieser Vogel sehr oft seinen Schnabel wetzie, war doch der Oberschnabel nach ı 1/2 Jahren so stark gewachsen, dafs er sich weit über den Unterschnabel herabkrümmte und wirklich die Oeffnung des Schnabels dadurch etwas gehindert wurde. Dr. Amstein in Chur besafs einen solchen Vogel, der nach und nach so zahm ward, dafs er ihm öfters auf die Schulter flog, ihm mit dem Schnabel liebkosete und sich sehr in Acht nahm ihn zu verletzen. Die Fähigkeit in der Gefangenschaft so zahme und sanfte Sitten anzunehmen ist bei dem Geieradler um so mehr zu verwundern, da er in der Freiheit ganz gewifs der wildeste und furchtbarste Raubvogel Europens und der Schrecken aller Alpenthiere ist. Es scheint also diesem Vogel das Organ der Gutmü- thigkeit nicht zu fehlen, welches v. Humboldt hingegen dem amerikanischen Condor gänzlich abspricht. *) Wird der Geieradler in der Freiheit angeschossen oder verwundet, so wehrt er sich mit unbeschreiblicher Kühnheit und Wuth und ist oft im Stande, seinen Feind, wenn er nicht wohl bewaffnet ist, 'in die En *) Observations de Zoologie p. 53. 59 Flucht zu treiben. Man weils Fälle, dafs Jäger, die nach ihm schofsen, ohne ihn bedeutend zu verwun- den, in die gröfste Verlegenheit geriethen. Würhend schielst er alsdann auf seinen Beleidiger herab, schlägt ihn mit den Flügeln und verletzt ihn mit dem Schnabel. Die Fortpflanzungs- Periode des Geieradlers tritt schon frühzeitig im Februar, spätestens zu Anfang des Märzes ein. Das Nest wird auf abgelegenen, hohen Felsenabsätzen, wohin selbst der kühnste Gemsen- jäger kaum hinaufzuklettern wagt, angelegt; vorzugsweise an solchen Stellen, wo eine Höhlung durch ein überhangendes Felsstück geschützt ist, so z. B. in den Klüften an den ungeheuren Kalksteinfelsen , welche das St. Antonienthal in Graubündten umschlielsen. Das Nest ist sehr grofs und besteht aus einer Unterlage von groben Holzreisern, worüber eine Lage von Heu, feinern Reisern und Wurzelfasern ausge- breitet ist, von weitem einem Storchenneste gleichend, geräumig genug, dafs Alte und Junge bequem ‚darin sitzen können. In dieses Nest legt das Weibchen 2—4 weifse, braungelleckte Eyer mit rauher ‚Schale, wovon aber selten mehr als 2 ausgebrüter werden. Das Ey ist an beyden Enden gleich breit und stumpf zugerundet, der gröfste Breitendurchmesser in der Mitte. *) Während die Alten Junge zu ernäh- ven haben, die sehr gefräfsig sind, sind sie raubgieriger als je, dehnen ihr Jagdrevier weiter aus und wagen sich bis in die bewohnten Thäler herab. Wehe dem, der unbewaffnet und unbehutsam sich zu dieser Zeit ihrem Neste nähert! Die Eltern vertheidigen ihre Jungen mit äusserster Wuth. (s. Alpina 1, S. 204.) Das Alter, welches der Geieradler zu erreichen fähig ist, weils man zwar nicht anzugeben; indessen da er in den einsamen Regionen seines Aufenthalts keinen andern Feind zu fürchten hat, als den Men- schen, dem er doch im Ganzen nur selten zu Theil wird, da er ferner gegen die Rauheit des Klimas jener Gegenden gut genug geschützt ist und auch dem Hunger Trotz bieten kaun, so ist zu vermuthen, dafs er ein hohes Alter erreichen könne und hierin dem Adler nichts nachgeben werde. In Grindelwald läfst sich auf dem sogenannten Eismeere zwischen dem Eiger und Mettenberg sehr oft ein alter Geieradler sehen, der dort allgemein unter dem-Namen des alten FfFeibes bekannt ist. Die ältesten Männer in Grindel- wald versichern diesen Vogel schon in ihren jungen Jahren immer auf der gleichen Stelle sitzend gesehen zu haken. Da der Geieradler äufserst vorsichtig ist, selten in die bewohnten Gegenden herabkömmt und über- haupt sehr selten sich den menschlichen Wohnungen nähert, so ist es immer ein seltener Glücksfall, wenn hie oder da einer geschossen oder gefangen wird. Im Sommer, wo dieser Vogel sich immer nur in den höchsten, wildesten Gegenden der Hochgebirge aufbält, ist es fast unmöglich seiner habhaft zu werden. Zu dieser Jahrszeit bekömmt man ihn kaum eiumal zu sehen. Denn er pflegt nur mit Tagesanbruch auf seinen Raub auszufliegen, und den Tag über sich in seiner verborgenen Felsenwohnung still zu halten, Wer z, B. das sogenannte alte FYeib auf dem Eismeere von Grindelwald sehen wollte, müfste sich schon mit Anbruch des Tages in jener Gegend befinden. Denn wenn gleich dieser Vogel sich täglich dort zeigt, so ist es doch immer nur in den frühesten Morgenstunden. Ihn aber zu schiefsen ist unmöglich, weil sein Standpunkt aufser aller Schufsweite ist, und die gefährlichen Eismassen des Gleischers jede *) Im Februar 1805 ‚hatte ich Gelegenheit einem Geieradler ein zum Legen reifes Ey auszunehmen, das noch im Museum in Bern aufbewahrt wird. Die Schale ist noch ganz weils. Der Längendurchmesser beträgt 3’ 7/11; der Breitendurchmesser 2‘! 2 ıfa''', (Par. M.) 60 Annäherung verhindern. Die einzige Zeit, wo es bisweilen gelingt, sich des Geieradlers zu bemächtigen; ist im Winter und im Anfang des Frühlings, wenn der eigene Hunger und die Sorge für seine Brut ihn zwingen sich in die bewohnten Gegenden herabzulassen, um sich allenfalls an einem todten Thiere zu sättigen, die er im Sommer immer verschmähet. Mit Rinderblut oder geröstetem Fuchsfleisch, welches der scharfriechende Vogel weither wittert, läfst er sich herbeilocken und kann alsdann in einer geschickt an- gebrachten Teller- Falle gefangen oder aus einem wohlverborgenen Hinterhalte geschossen werden. Das Fangeisen mufs indessen wohl befestiget seyn, denn sonst reifst es der am Fufse gefangene Vogel los und fliegt damit fort. Ergreift die Falle ihn nicht beim Beine, sondern nur an einer Zehe, so läfst er diese eher in der Falle zurück, als dafs er sich gefangen giebt. Zur Anatomie des Geieradlers haben wir an vier Individuen, die wir zu zergliedern Gelegenheit hat- ten, mehrere interessante Beiträge gesammelt, die wir in einem folgenden Hefte unsers Museums mitzu- theilen uns vorbehalten. Vielleicht sind wir bis dahin so glücklich dieselben noch vermehren und ver- vollständigen zu können. Der gro/sköpfige Kauz. Strix macrocephala. (mihi). Wi liefern hier die Abbildung und Beschreibung einer Eule, die, wie wir glauben, noch ganz neu und von allen in den ornithologischen Werken beschrie- benen Arten verschieden ist. Es ist uns sehr wahrscheinlich, dafs diese Art bisher immer nur mit dem allgemein bekannten Nachtkauz (Strix aluco) verwechselt worden ist, dem sie in der That in mancher Hinsicht gleicht, von dem sie sich aber, wie aus dem Folgenden und aus dem beigefügten Kupfer, wo die charakte- ristischen Unterschiede beider Arten nebeneinander gestellt sind, erhellt, auf das bestimmteste unterscheidet. Wir finden diese Charaktere so auffallend, dafs wir dadurch die Aufführung unsers grofsköpfigen Kauzes als eigne Art hinlänglich be- gründet und gerechtfertiget glauben. Der Schnabel ist länger als er sonst bei den Eulen verhältnifsmäfsig zu seyn pflegt, indem der Oberschnabel von seiner Wurzel an bis zur Krümmung fast einen Zoll mifst, von da an seine Spitze sich noch ıfa Zoll lang über den Unter- schnabel herabkrümmt. Schon hierdurch unterscheidet sich unser Kauz von dem gemeinen, wie Fig. ı und 2 zeigen. Noch ungleich bedeutender ist aber der Unterschied in der Lage der Augen. Diese stehen bei dem grofsköpfigen Kauz (Fig. ı.) dicht an der Schnabelwurzel in einem kleinen aschgrauen, braungewell- ten Federukreise; bei dem gemeinen Kauz (Fig. 2,) hingegen, viel weiter nach 01 hinten von der Schnabelwurzel entfernt in einem ungleich breitern und aus län- gern Federchen bestehenden Schleier, die hier auch die Schnabelwurzel mehr ver- bergen. Die Iris ist übrigens dunkelbraun, wie bei dem gemeinen Kauze. Die Nasenlöcher,, die am vordern Rande der Wachshaut liegen, sind bei unserm Vogel (Fig. 3.) länglich-rund, zeigen inwendig nach vorn einen ziemlich schmalen Rand; bei dem gemeinen Kauz (Fig. 4.) hingegen haben sie eine fast dreieckige Figur, und jener inwendige Rand ist ungleich breiter. | Was diesen Kauz aber ganz auffallend charakterisirt, ist der grofse, dicht und lang befiederte Kopf, der, zumal wenn sich im Zorn oder aus Furcht die Federn in die Höhe sträuben, dem Vogel ein ganz eigenes, abentheuerliches Ansehn giebt. Die Kopffedern sind (Fig. 5.) ungleich länger als die des gemeinen Kauzes, hinten breit und nach vorn zugespitzt, längs dem Kiele braun und mit 6—7 braunen Bändern gezeichnet. Bei dem gemeinen Kauz sind eben diese Federn (Fig. 6.) hinten schmäler als vorn, wo sie stumpf abgerundet sind; aufser der braunen Spitze zeigt sich auf derselben nur ein brauner, länglich keilförmiger Fleck. Die Haupt- farbe des Kopfes, Oberleibes und der Brust ist ein dunkles Braun, im Ganzen viel dunkler als die dunkelsten Exemplare des gemeinen Kauzes zu seyn pflegen. Jede Feder hat etliche weifse oder rostgelbe Bänder, die durch einen dunklern Mittel- strich unterbrochen sind. Die Flügel sind dunkelgrau-braun, mit ziemlich schmu- tzig weilsen Querbinden ; die dritte und vierte Schwungfeder sind die längsten. Der Unterleib und die untern Deckfedern des Schwanzes sind weifs, in die Quere schwarzbraun bandirt, in der Mitte mit einem schmalen Längestrich. Die Füfse weils befiedert mit schwachen braunen Querstreifen. Die Zehen und Krallen (Fig. 7.) sind ungleich länger und stärker als bei dem gemeinen Kauz (Fig. 8.) Die Länge des ganzen Vogels beträgt 15— 16 Zoll. Die ausgebreiteten Flügel messen a ıfa Fuß, . Wir haben Gelegenheit gehabt den grofsköpfigen Kauz lebendig eine geraume Zeit hindurch neben dem gemeinen Nachtkauz zu beobachten, und in dem Be- tragen beider ebenfalls einen so grofsen Unterschied bemerkt, dafs wir auch hierin Grund genug finden, sie als Arten von einander zu trennen. Während der ge- meine Kauz den ganzen Tag hindurch in der finstersten Ecke seines Kähgs still und traurig, und mit fast immer geschlossenen Augen da safs, war hingegen unser Vogel stets sehr lebhaft und munter. Jener liefs sich nicht leicht durch irgend 62 ein Geräusch bewegen seine stoische Ruhe zu verlassen, dieser aber war aufmerk- sarn auf alles, was um ihn her vorgieng, drehte den Kopf lebhaft nach allen Seiten, klappte mit dem Schnabel, hüpfte auf seiner Stange hin und her und hielt sich selten ganz ruhig und still. Dennoch lebten beide in guter Eintracht bei ein- ander. — Ein anderes Individuum, das jung aus dem Neste genommen war, flog ganz zahm und frei in einem Hause aus und ein, und war durch seine Possier- lichkeit sehr unterhaltend. Dieser schien ein besonderes Wohlbehagen zu empfin- den, wenn er bei sanftem Regen hinausfliegen konnte; er schwenkte sich dann mit einer Art von Wollust hin und her und das sanfte Regenbad schien ihm aus- nehmend zu gefallen. Wir erhielten diesen Vogel mehrmals aus der Gegend von Utzisdorf an der Emme, wo er alljährig brütet. Auch wurde er selbst in der Nähe der Stadt Bern gefunden. Museum der Naturgeschichte Helvetiens. Nr. 9. Ueber einige in der Schweiz gefundene Osteolithen und Odontolithen.*) Das Vorkommen fossiler Knochen und Zähne in verschiedenen Gegenden der Schweiz ist an sich selbst keine neue Entdeckung. Wir finden Nachrichten davon hier und da schon in den Schriften der ältern schweizerischen Naturfor- scher aufgezeichnet, die, so kurz und unbefriedigend sie auch sind, dennoch an der Thatsache selbst nicht zweifeln lassen und für uns besonders deswegen wichtig seyn müssen, dass sie uns einige Oerter anzeigen, an welchen wir bei fernern Nachsuchungen vielleicht neue und vollständigere Entdeckungen machen können. Berühmt sind vor allen die vermeinten Riesenknochen, die im Jahr 1577 bei dem Dorfe Reyden im Lucernergebiet unter einer entwurzelten Eiche ausgegra- ben wurden, von welchen unter andern Cysat in seiner Beschreibung des Vier- waldstätter-See’s Nachricht, der berühmte Dr. Felix Platter (Stadtarzt und Prof. in Basel) aber in seinen Observatt. medic. L. III. c. 586 eine Beschreibung giebt. Ausser mehrern kleinern und platten Knochen, wahrscheinlich Fragmenten vom Schädel, waren die übrigen Schenkel - Schienbein - Arm -und Schulterknochen von ungeheurer Grösse. Platter versichert, alle diese Gebeine mit den analogen Theilen des menschlichen Skeletts sorgfältig verglichen und mit denselben in den Formen vollkommen übereinstimmend gefunden zu haben, und erklärt sie daher ohne Bedenken und in vollem Ernste für die Gebeine eines Riesen, der nach sei- ner Berechnung nicht weniger als 19 Schuk hoch gewesen seyn müsse. **) Die Knochen waren übrigens zum Theil im Zustande der höchsten Decomposition, *) Dieser Aufsatz, den der Verfasser 1817 in Zürich bei der Versammlung der allgemeinen Schwei- zerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften vorgelesen hat, erscheint hier mit manchen Zusätzen bereichert und vervollständigt. *%) Die Abbildung dieses Riesenskeletts, nach den von Platter angegebenen Verhälinissen ausgeführt , wird noch auf einer Gallerie des ehemaligen Jesuiter-Collegiums in Lucern gezeigt. 9 [4 64 selbst die grössern zerfressen, schwammig und sehr leicht, ein Beweis ihres lan- gen Aufenthaltes im Schoosse der Erde. — Heut zu Tage, da es so gut wie aus- gemacht ist, dass unter allen, durch grosse Katastrophen unserer Erde begrabenen, wirklich fossilen Knochen, die ehedem für menschliche Gebeine angesehen wor- den sind, sich auch nicht Einer findet, der wirklich der Menschenspecies ange- hörte; da wir überdies keinen Glauben an 19 Fuss hohe Riesen haben, troz den Beweisen die ein neuer Verfechter des Daseyns von Riesenmenschen in der Ur- welt dafür anführt *); dürfen wir wohl Platters Genauigkeit in seiner ange- stellten Vergleichung jener Gebeine mit den menschlichen billig in Zweifel zie- hen, und wir tragen kein Bedenken, nach der eignen Ansicht, die wir uns von den noch vorhandenen Resten dieser vermeinten Riesenknochen die Hr. Obr. Pfyffer in Luzern aufbewahrt, verschafft haben, solche dem sogenannten Mam- muth oder dem Elephanten der Vorwelt zuzuschreiben. Eben dahin mögen auch wohl diejenigen Riesenknochen gehören, deren Sprecher in seiner Pallas rhaetica Lib. X. p. 276 erwähnt, die im Freelthale in der Landschaft Bormio gefun- den worden, wie auch jene, die zu Wagners Zeit beim Schlosse Ueticon ausge- graben wurden. Ob die einzelnen Knochen aus einem Steinbruche bei Meggen- wylund aus dem Sandstein bei dem Dorfe Poppelz im Zürchergebiet, und die Zehne, die in einer Laimgrube bei Wiedikon 10 Schuh tief ausgegraben wurden, welche Scheuchzer insgesammt unter der Aufschrift Quadrupeda diluviana anführt, auch zu den Ueberresten des Mammuths gehörten, muss dahin gestellt bleiben, indem Scheuchzer nichts näheres davon angiebt; ja er ist bei einigen sogar noch zweifelhaft, ob sie wirklich für Knochen oder für Holz anzusehen wären. Vebrigens sind die fossilen Ueberreste des Mammuth, die bekanntlich durch alle Länder Europens und vornehmlich in unsäglicher Menge durch das nördliche Asien verbreitet sind, auch in der Schweiz an mehrern Orten vorgekommen. So wird ein zwey Ellen langer Elephantenzahn angeführt, der im Jahr 1510 bei Bruck an der Aar gefunden worden, andere aus der Gegend von Baden vom Jahr 1665, aus der Gegend von Arth im Canton Schwyz zu Anfange des vorigen Jahrhunderts **). Vornehmlich scheint der Canton Basel an Ueberresten dieser Art reich zu seyn, wie die vielen in den öffentlichen und Privat-Sammlungen *) Siehe Ballenstadt, Archiv für die neuesten Entdeckungen aus der Urwelt. 1 Bd. Altes Heft S. 48 u. fr. **) Siehe Ze? über den Bau der Erde 1, S. 65 der Stadt Basel aufbewahrten Knochen und Zähne ankündigen. Der Güte mei- nes hochverehrten Freundes des Hrn. Prof. Yuber verdanke ich sehr ausführliche Nachrichten hierüber , von welchen ich hier das Wesentlichste mittheilen will. Die öffentliche Bibliothek in Basel enthält, in der eheinaligen Zrücknerischen Sammlung, zwey grosse Backenzähne, die Brückner in seinen Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel (St. XV, p. 1816) beschrieben und (T. 15. £. 1. 2.) abge- bildet hat, Von dem grössern (Fig. 1.) wird angegeben, dass er zwischen Zu- bendorf und Zyfen ausgegraben worden, vermuthlich im Thalboden, der etwa 3-400 Fuss über Basel erhaben seyn mag. Dieses Thal liegt ein und eine halbe Stunde oberhalb Ziestal, an der alten Strasse, die über die Wasserfalle führt, und ist ganz von Kalkhügeln eingeschlossen, der Thalboden aber besteht aus Kalksteingeschieben, Sand und Mergel. Von dem kleinern Zahne ist in Brück- ners Buche zwar der Fundort nicht angegeben, aber auf dem Zahne selbst steht geschrieben: Zöllstein, ein Thal, welches ungefähr in gleicher Höhe über Basel und in gleicher Entfernung von Liestal liegt, wie jenes, an der grossen Strasse nach Solothurn, und die Art des Bodens ist nicht von jenem Thalboden ver- schieden. — In der Sammlung , die der um das Jahr 1776 verstorbene Pfarrer D’Annone durch seinen letzten Willen der Stadtbibliothek überlassen hat, befin- den sich ebenfalls mehrere grosse fossile Backenzähne. Einer derselben ist von Diegten, ein anderer aus der Birs. Das Diegtenthal liegt ungefähr in gleicher Höhe mit Zubendorf, Zyfen und Höllstein, etwa zwey Stunden oberhalb Liestal zwischen den beiden grossen Landstrassen nach Solothurn und Lucern. Noch befinden sich in der Bibliothek mehrere Bruchstücke eines fossilen Stosszahnes, bei welchen angemerkt ist , dass sie im Jahr 1779 bei Pruntrut, während man an der neuen Strasse gegen Delle hin arbeitete , ausgegraben worden, wobei man noch mehrere Knochen eines ungeheuren Thieres gefunden habe; wirklich liegt in der Sammlung bei jenem Stosszahn ein Fragment eines solchen Knochens, welches das Kopfstück eines langen Gliedknochens zu seyn scheint. Auch in den neuesten Zeiten sind in jenen Gegenden des Cantons Basel dergleichen Reste gefunden worden. So hatte man zu Anfang des Jun. 1814 zu Münchenstein, einem an der Birs eine Stunde von Basel gelegenen Dorfe, einen grossen Stosszahn ausgegraben. Er lag nur 6 Fuss tief unter dem etwa 80 - 100 Fuss über die Birs erhabenen,, mit gelbem Kalkgeschiebe vermischten Sand- 66 boden. Er war etwa 4 Fuss lang und hielt in seiner grössten Dicke 4- 5 Zoll im Durchmesser Er war weich und bröcklich, wie faules Holz und ward aus Unkunde und Unverstand der Finder zerstückt und weggeworfen. Nur ein ein- ziges Stück von 10 Zoll Länge und 25 Zoll dick ward gerettet, welches nun Hr. Wenk, Lederfabricant in Basel besitzt. Ein anderer Stosszahn wurde erst in der Mitte Aprils des Jahres 1817 eine halbe Stunde unterhalb Liestal an der Zr- gelz gefunden. Hier hatte, ungefähr 600 Schritt unterhalb Nieder -Schönthal, der kurz vorher angelaufene Fluss das bei 30 Fuss hohe Gestade angegriffen , und als man das Ufer wieder in Ordnung bringen wollte, entdeckte man den Zahn der fast horizontal, mit der Spitze landeinwirts lag. Er war sehr weich und zer- brechlich, so dass er nicht ganz herausgenommen werden konnte, aber nach der Länge der Bruchstücke, welche der erwähnte Hr. //’enk zusammengebracht hat, muss der Zahn 6 volle Fuss lang gewesen seyn, womit auch die mündlichen Berichte der ersten Entdecker übereinstimmten. Der Boden, in welchem dieser Zahn lag, besteht aus Kalksteingeschieben mit Sand vermischt, hin und wieder fanden sich dabei auch einzelne Hornsteingeschiebe Merkwürdig ist, dass vor 20 bis 30 Jahren, nur wenige Schritte von dieser Stelle entfernt, ein ähnli- cher Stosszahn gefunden worden war. Diesmal hat man, ungeachtet genauer Untersuchungen, keine Spuren von andern Knochen daselbst entdecken können. Aus der Gegend von Delsperg (Delemont) besitze ich selbst mehrere Bruch- stücke fossilen Elfenbeins, unter andern die Spitze eines Stosszahnes. Die Sub- stanz desselben befindet sich in einem hohen Grade der Auflösung, hat alle Fe- stigkeit verloren und lässt sich sehr leicht zwischen den Fingern zerreiben.. Doch ist an jener Stosszahnspitze die eigne concentrische Textur, wodurch sich das Elfenbein so bestimmt von den Stosszähnen anderer Thiere z. B. des Wallrosses, des Hippopotamus und andrer unterscheidet, noch sehr deutlich zu erkennen. Weniger verändert haben sich solche Zähne in andern Gegenden gefunden. So erhielt Hr. von Saussure zwei Stücke dieser Art. Der eine 5 Fuss lange Zahn war im Dec. 1768 am rechten Ufer des Baches London, nahe bei dessen Ein- Auss in die Rhone, anderhalb Stunden unterhalb Genf; der andere, kleinere am linken Ufer der Rhone, dem Dorfe Onex gegenüber, unterhalb der Mühle de Vaux im Sande entdeckt worden. An dem letztern war das Elfenbein besser erhalten, als an dem grössern , dessen äussere Schichten wohl die natürliche Härte, 67 Härte, das Innere aber eine weisse Farbe und bröckliche Consistenz angenom- men hatte. Entgegengesetzt verhält es sich mit dem Fragment eines ähnlichen Stosszahnes aus der gleichen Gegend, das ich der Güte meines werthen Freun- des des Hrn. Dr. Levade in Vevay verdanke, woran die aussere Rinde, abgeson- dert von dem innern Kern, ziemlich brüchig erscheint, dieser aber die vollkom- mene Härte des frischen Elfenbeins beibehalten hat. Ausser solchen Ueberresten des Mammuths oder Elephanten der Urwelt, haben sich in dem aufgeschwemmten Boden unsers Landes , wie in andern Län- dern, auch hie und da Geweihe und Knochen von Hirschartigen Thieren gefun- den. Schon Scheuchzer führt einige Fragmente von Hirschgeweihen aus dem Steinbruche von Meggenwyl an, und gedenkt sogar eines ganzen Hirschgerip- pes, das in einer Leimgrube bei Wiedikon ausgegraben worden. Neuerlich sol- len nahe am Rheinfall im Cant. Schafhausen Knochen eines Hirsches gefunden worden seyn, und im Jahr 1815 wurde in dem Tuffsteinbruche bei Winterthur in einer Tiefe von 40 Fuss ein Block abgesprengt, in welchem sich das fast vollständige Geripp eines ausserordentlich grossen Hirsches fand. Leider wurde bei der Bearbeitung dieses Blocks fast alles zertrümmert und nur einige Frag- mente gerettet, welche sich in der Sammlung des Hrn. Ziegler in Winterthur . befinden. Diese Knochen sind vollkommen calcinirt, ganz weiss und ausseror- dentlich leicht. Bei Hrn. Obr. Pfyffer in Luzern sahe ich ein beinahe vollstän- dig erhaltenes Zlenngeweih, das erst vor wenig Jahren bei Wertenstein, in ge- ringer Tiefe auf einem Acker ausgegraben worden war. Dieses Geweih schien mir aber so wenig verändert, dass ich es nicht für einen Zeugen aus der Urwelt, sondern lieber für einen Ueberrest des Elennthieres ansehen möchte, das noch zu Cäsars Zeiten in der Schweiz gewohnt hat,*) nach und nach aber so wie das Rennthier innmer weiter nach dem nördlichen Europa hin gedrängt worden ist. Ich habe wenigstens an diesem Geweihe keinen Unterschied von dem des noch lebenden nordischen Elenns bemerken können, von welchem doch alle bis- her hie und da gefundene wirklich fossile Elenngeweihe wesentlich verschieden sind. ** ) Ich verdanke abermals der Güte meines hochverehrten Freundes Hrn. Dr. *) Jul. Caesar de bello gall. L. FI. vergl. Zimmermann Spec. Zool. geogr. quadrup. p. 289. **) Siehe Cuvier Recherches sur les Ossemens foss. T. IV. p. 8 u. f. 9 * 68 Levade ein merkwürdiges Stück, das bei La Tour unweit Yevay vor wenig Jah- ren nahe am See in einer geringen Tiefe aus dem Sandmergel-Boden ausgegra- ben wurde. Es ist der hintere Theil eines Schädels, der unverkennbar einem Thiere des Hirschgeschlechts angehört, aber, wie sich aus der sorgfältigen Ver- gleichung mit den Schädeln aller unserer lebenden Hirscharten ergeben hat, zu keiner von diesen hingewiesen werden darf. Am meisten nähert sich dieser Schädel dem des Edelhirsches, unterscheidet sich jedoch auch von diesem auf- fallend, besonders durch die Länge und Breite der Syncipital-und Occipital- Flä- chen, die hier noch um vieles beträchtlicher sind, als selbst am Schädel eines vollkommen ausgewachsenen Zehnenders; und gleichwohl war das Thier, dem dieser Schädel angehört hat, noch ein junges Thier, wie sich aus den noch lange nicht verwachsenen Nächen der Schädelknochen bestimmt abnehmen lässt. Ich glaube daher diesen Schädel mit Recht für den Rest einer zu Grunde gegan- genen Hirschart ansehen zu dürfen. Dass er dem Elenn nicht zugeschrieben werden könne, beweiset die Stellung und Richtung der Geweihe, die bei unserm Thiere von der des Edelhirsches und Dammhirsches kaum verschieden gewesen seyn kann, da sie hingegen bei dem Elenn ganz seitwärts nach Aussen geht. Eben so wenig kann dieser Schädel auf das Rennthier bezogen werden bei wel- chem der Schädel, nach der Versicherung des Hrn. Prof. Hausmann, immer viel kleiner ist, als der des Dammhirsches und folglich diesem in der Grösse um vie- les nachstehen muss. Ob nun dieser Schädel zu einer von den unbekannten Hirscharten, die man sonst hie und da z. B. in Scanen bei Klein - Suedala, bei Abbeville, im Thal der Somme und an a. O. im fossilen Zustande gefunden hat, gehöre oder nicht, lässt sich einstweilen noch nicht ausmitteln, da man von diesen überall nur Geweihe gefunden hat. — Uebrigens ist die Knochen- substanz, zum Beweise des langen Aufenthalts im Schoose der Erde, durchaus verändert und ins Mineralreich übergegangen. Sie ist, ( wahrscheinlich vom Eisenoxyd,) bräunlichgrau gefärbt und von bedeutender Schwere. Hier muss ich auch der beiden fossilen Zähne gedenken, die der Lucernische Dr. Carl Nikl. Lang in seiner Historia lapidum figuratorum Helyetiae (Venet. 1708. (A) T. At. F. 1.2.) angeführt und abgebildet hat. Er nennt sie steinerne Meerpferd- Zähne und sagt davon, dass sie mit den Zähnen des Hippopotamus, dessen Schädel er in einem Cabinet zu Mailand gesehen, grosse Achnlichheit hätten. „ 69 Cwier erwähnt bei Gelegenheit seiner kritischen Durchmusterung aller fossi- len Stücke, die von verschiedenen Schriftstellern theils mit Recht, theils mit Unrecht dem Hippopotamus zugeschrieben worden, auch dieser beiden Zähne ‚des Langischen Cabinets, und erklärt sie kurzweg für Pferdezähne. *) Er setzt hinzu : der eine sei ein noch nicht aus dem Zahnfleisch hervorgetretener Keim, der andere aber ein alter, abgenutzter Zahn. Es ist offenbar, dass dieser sonst so genatie und gründliche Untersucher diesmal sich eine kleine Uebereilung hat zu Schulden kommen lassen, und dass ihn blos ein flüchtiger Blick auf Langens Abbildung zu diesem absprechenden Urtheil verleitet hat. Hätte er nachgelesen, was Lang in seinem Texte über diese Zähne sagt, so würde er gewiss anders geurtheilt haben. Lang sagt nähmlich, dass die Originale zu seinen Abbildun- gen zweimal grösser, als diese wären; demnach hatte der eine Zahn eine Länge von 6, und der andere von 5 Zoll, bei einer Breite von 3 Zoll. Wer hat je fossile Pferdezähne von solcher Grösse gesehen ? Zudem scheint Lang seine Zähne doch selbst mit denen des Hippopotamus in Mailand verglichen zu haben und so dürfen wir seine Erklärung derselben wohl für die richtigere halten. In diesem Falle scheint mir Langens F. 1. einen Stosszahn des Hippopotamus vorzustellen, dem ähnlich, welchen Cuvier Pl. 11. F. 10 abgebildet hat. Die gestreifte Oberfläche und die eckige Form, wodurch sich die Stosszähne des Hippopotamus auszeichnen, sind in der Langischen Abbildung deutlich zu erkennen. Die zweite Figur, die einen abgenutzten Backenzahn darstellt, zeigt die durch die Abnutzung der Krone entstehenden Kleeblattartigen Figuren ziemlich deutlich, die wiederum für Hippopotamus-Zähne charakteristisch sind. — Schade, dass sich diese beiden Stücke in dem Langischen Cabinet des Klosters St. Urban, nebst mehrern andern im Catalog desselben verzeichneten, nicht mehr vorfinden, um darüber mit mehrerer Gewissheit entscheiden zu können. Beide Zähne waren nach Langens Versicherung im Neuenburgischen gefun- den worden. Leider ist der Fundort nicht genauer bezeichnet und noch viel-- weniger, wie sichs von der Zeit, in welcher Lang seine Petrefacten sanımelte, auch nicht anders erwarten lässt, irgend etwas über die geognostischen Verhält- nisse, unter welchen sie gefunden wurden, beigefügt. Sind aber diese Zähne ») Recherches sur les Ossem. foss. T. 11. Hippopotames fossiles , p. 5. 70 wirklich vom Hippopotamus , so lässt sich wohl annehmen , dass sie auch bei uns in eben dem Boden vorgekommen seyn werden, in welchem alle in andern Ländern gefundenen fossilen Theile des Hippopotamus angetroffen wurden, nehmlich in den aufgeschwemmten neuesten Erdlagern, in welchen die Elephan- ten, Rhinoceros, Pferde, Hirsche u. s. w. vorkommen. Dass aber nicht bloss diese neuern Erdlager, sondern auch weit ältere For- mationen unseres Bodens fossile Reste von Landthieren der Vorwelt einschlies- sen, davon überzeugen uns folgende Thatsachen. Es war im Jahr 1805 ais zur Ausbesserung der Aarschwellen bei dem Städt- chen Aarberg, am rechten Ufer der Aar, in dem unmittelbar an den Strom an- stossenden Sandsteinfelsen, die Rappenfluh genannt, ein Steinbruch eröffnet wurde. Hier fanden die Arbeiter in einer verticalen Tiefe von ungefähr 20 Fuss und in horizontaler Entfernung von 16 Fuss vom Ufer der Aar, mitten in der dichten Masse des Sandsteins das Fragment einer Kinnlade mit 3 Backenzähnen, weiches unsere Abbildung Fig. 2. sehr getreu darstellt. Dieses Stück erregte die Aufmerksamkeit des damaligen Oberamtmanns von Aarberg, der es für den Rest eines präadamitischen oder wenigstens antediluvianischen Menschen ansahe und als eine grosse Merkwürdigkeit dem Museum in Bern übersandte, zugleich aber auch den Arbeitern im Steinbruche anbefahl, auf alles, was sich etwa noch weiter finden könnte, mit grösster Sorgfalt zu achten. Wirklich fanden sich späterhin noch Bruchstücke von Knochen , von Zähnen aber nur ein einziges Stück einer sehr vollkommen erhaltenen Backenzahn - Krone, die aber hinrei- chend ist, um daraus die Gattung zu erkennen , zu welcher das Thier, dem sie einst angehörte, zu zählen ist. Unsere Fig. ı. giebt davon eine genaue Darstellung. Durch eine kleine, aber höchst lehrreiche Sammlung fossiler Zähne aus den Gypsbrüchen des Montmartre, die ich der Güte des Hrn. Prof. Cuvier ver- dasike, und durch die Abbildungen und Beschreibungen seines treflichen Werks über die fossilen Knochen, sahe ich mich in den Stand gesetzt, eine Verglei- chung jenes Zahnes mit denen der in der Gegend von Paris begrabenen Thiere der Vorwelt anzustellen, nachdem ich mich vergebens bemüht hatte unter allen mir bekannten Gattungen der noch lebenden Thiere das Original dieser Gattung aufzufinden. (Die Fortsetzung folgt.) Museum der Naturgeschichte Helvetiens. Nr. 10. Ueber einige in der Schweiz gefundene Osteolithen. und Odontolithen. (Fortsetzung.) Auch glaube ich wirklich, was ich in der lebenden Welt vergebens gesucht hatte, in der todten gefunden zu haben und es scheint mir fast nicht zu bezweifeln, dass das Thier, von dem dieser Zahn herrührt, zu der Gattung Anoplotherium ge- höre, von welcher in den merkwürdigen Gyps-Lagern bei Paris die fossilen Reste in unglaublicher Menge vorgekommen sind, unter denen Cuvier fünf bestimmt verschiedene Arten erkannt hat. Ob unser Zahn einer von diesen fünf Arten oder einer sechsten, noch unbekannten angehöre, lässt sich unmöglich bestimmen. So viel sieht man nur, dass das Thier, dem der Zahn angehört hat ungefähr von der Grösse unsers Fischotters gewesen seyn mag. Was das Fragment mit drey Zähnen (Fig. 2.) anlangt, so bedarfes wohl kei- ner Auseinandersetzung, dass es kein Anthropolith sei, wie die Entdecker da- für hielten. Ist zwar eine füchtige Achnlichkeit mit menschlichen Zähnen nicht ganz zu läugnen, so zeigt doch eine genauere Vergleichung bedeutende Ver- schiedenheiten, vornehmlich in der weit beträchtlichern Grösse dieser Zihne und in den durch die Abnutzung auf der Krone entstandenen Figuren , die auf menschlichen Zähnen sich nie so zeigen. Ohne Zweifel ist die Gattung des ‚Thieres, von dem diese Zeichen herrühren, in keiner andern Ordnung als unter den Pachydermen und zwar unter den schweinartigen zu suchen. Ich finde nun, dass diese Zähne die auftallendste Achnlichkeit mit denen des Babirussa oder Hirschebers (Sus Babirussa, L.) haben , und wenn die Gleichheit der Arten blos auf der Gleichheit der Backenzähne beruhte, würde ich ohne Bedenken dieses fossile Thier für den Babirussa selbst halten. Denn die Grösse und Form der Zähne und die durch Abnutzung der Kronenfläche entstandenen Figuren stimmen mit dem zweyten, dritten und vierten Zahn des rechten Unterkiefers meines Babi- 10 72 russa-Schädels , die unsere Fig. 3. zeigt, auf das vollkommenste überein. Da indessen trotz der Uebereinstimmung der Backenzähne, andere Charaktere un- ser fossiles Thier noch sehr bestimmt specifisch haben von dem Babirussa unter- scheiden können, so dürfen wir nicht weiter gehen, als anzunehmen , dass dieses fossile Thier dem Babirussa nahe verwandt gewesen sei. - Die übrigen, an der gleichen Stelle mit diesen Zähnen ausgegrabenen , und mit der Sandsteinnasse fest verbundenen Knochenstücke, sind theils längere theils kürzere Portionen von Gliedmassen, die aber meistens viel zu sehr verstümmelt sind, als dass sie sich näher bestimmen liessen, noch weniger ist es möglich anzu- geben, zu welcher von jenen beiden Arten von Thieren , deren Zähne wir vor uns haben , jedes dieser Stücke gehört haben könnte. Andere Fragmente schei- nen von ziemlich grossen und dicken Schädeln zu seyn, worüber sich aber auch nichts näheres bestimmen lässt. Jedoch darf nicht unbemerkt bleiben, dass sich bei diesen Fragmenten auch unverkennbar eine ziemlich beträchtliche Por- tion von dem Brustbein oder der untern Schaale einer Land- oder Süsswasser- Schildkröte befindet. Uebrigens sind alle diese Knochen-Fragmente vom Eisenoxyd braun oder röthlich gefärbt, befinden sich in einem sehr decomponirten Zustande und sind äusserst mürbe und bröcklich. Die Stelle bei Aarberg ist indessen nicht die einzige in unserm Sandstein- gebilde, wo sich Spuren von begrabenen Landthieren der Vorweltfinden. Der Hügel /a Moliere, eine Stunde südöstlich vom Freyburgischen Städtchen Esta- vayer am Neuenburger-See, scheint in dieser Hinsicht vorzüglich merkwür- dig zu seyn. Die Felsenmasse dieses Hügels und der benachbarten ist der von Aarberg sehr ähnlich, ein kalkreicher Sandstein, der seiner Härte wegen zu Mühlsteinen benutzt wird. Schon Razoumovsky gedenkt in seiner Hist. nat. du Jorat der Knochen, die in diesem Sandstein, nach seiner Versicherung in Menge, vorkommen.*) Auch hat er einige derselben abbilden lassen, wovon zwei (Fig V. VI.) vollkommen denjenigen gleichen, welche Hr. Chanoine Fontaine in Freyburg besitzt und mir gütigst mitgetheilt hat. Razoumovsky sicht die seinigen für Theile von Fischen an , worinn ihm aber schwerlich jemand bei- stinnmen wird. Denn offenbar sind die vor mir liegenden Knochen von einem grossen Landthier , und zwar der eine das obere Ende eines Knochens vom. » Tom. II. p. 144. Pl. 2. 73 Metacarpus, der andere aber aus der ersten oder zweiten Reihe der Phalangen. Form, Grösse und Stärke dieser Knochen weisen mich wiederum auf die Ord- nung der Pachydermen, um in derselben die Originalgattung des Thieres zu vermuthen, dem diese Knochen angehört haben können , welche aber ? das muss dahin gestellt bleiben , bis andere charakteristischere Theile sich finden werden , die hierüber bestimmt entscheiden können. So wie unser Sandsteingebilde überhaupt an vielen Orten grössere und kleinere Ablagerungen versteinerter Meerthiere aufweiset, so finden sich auch in jener Gegend des Jorats, wo diese Knochen vorkommen, eine Menge von Meer- conchylien und Glossopetern. Kommen nun jene Reste von Landthieren da- selbst in den gleichen Schichten mit den Meerconchylien vermischt vor , so könnten sie wohl bei einem gewaltigen Einbruche des Meeres aus weiter Ferne hergeschwemmt worden seyn. Finden sie sich aber abgesondert von jenen in eignen Schichten und zwar mit Süsswasserconchylien vermengt, wie Razoumovsky anzudeuten scheint, so könnten wohl diese Schichten selbst aus dem süssen Wasser abgesetzt seyn und dann wäre zu vermuthen , dass jene Landthiere, von deren Knochen hier die Rede war, in unserm Lande selbst gelebt ha- ben. In der That deutet die horizontale Schichtung der Sandsteinfelsen,, wie sie an vielen Orten und besonders auch an der erwähnten Stelle bey Aarberg zu beobachten ist, eher auf einen ruhigen Stand der Flüssigkeit, aus der sie sich absetzten, als auf eine tumultuarische Schwemmung , von welcher sich übrigens auch an den gefundenen Knochen keine bestimmten Spuren wahrneh- men lassen. Das Vorkommen so vieler Schnecken- und Muschel - Versteinerungen , die unverkennbar zu den Gattungen des süssen Wassers Zünneus, Planorbis, Cyclas gehören, zeigt in mehrern Gegenden unsers Landes bestimmt genug an , dass gewisse Schichten sich nicht im Meere, sondern im süssen Wasser gebildet haben. So z.B. bei St. Saphorin am südlichen Abhange des Jorats, in der Nähe des Genfer-Sees,, bei Locle im Jura und bei Horgen am Zürcher-Sce. Das dem Sandsteinbilde untergeordnete Steinkohlen- Lager bei Köpfnach unweit Horgen am Zürich - See, ist in dieser Hinsicht ganz besonders merk- würdig Nicht nur ist die daselbst unmittelbar auf den Braunkohlen aufiegende Stinksteinschicht mit Süsswasser-Conchylien angefüllt, unter welchen die Gattun- 74 gen Planorbis und Limneus sich deutlich erkennen lassen, sondern die Braunkohlen- schicht selbst weiset die unverkennbaren Reste von Landthieren zweier Gattungen auf, von denen die eine, die noch unter den Icbenden existirt, ihren beständigen Aufenthalt an stehenden und fliessenden Gewässern hat, die andere aber, ob gleich in der gegenwärtigen lebenden Schöpfung unbekannt, dennoch, nach der Bildung ihrer Backenzähne zu urtheilen , nicht weniger bestimmt zu den- jenigen Thieren gehörte, die, um ihre Nahrung in den Wurzeln und saftrei- chen Stengeln der Wasserpflanzen aufzusuchen, nach sumpfigen und morastigen Gegenden hingezogen werden ; und das Vorkommen der Knochen und Zähne in der Steinkohlen-Masse selbst , scheint auch die Entstehung dieser Steinkoh- len aus Sumpf- und Wasserpflanzen zu beurkunden. Es wird zwar der in dem Steinkohlenlager von Käpfnach vorkommenden Zähne und Knochen hie und da erwähnt , aber ich habe nirgend etwas nähe- res darüber ausfündig machen können, dass es jemand versucht hätte, die Gattung der Thiere zu bestimmen, denen sie angehört haben könnten. Ueber. haupt werden auch nur Zühne und Knochen einer grössern Thierart angeführt, die kleinern , die doch nicht minder merkwürdig sind, scheinen ganz über- schen worden zu seyn. Die grössern Zähne und Knochen sind nach den Versicherungen der Ar- beiter vormals gar nicht selten in der Steinkohlengrube gefunden worden. Seit- dem aber die Arbeiten tiefer in das Innere eingedrungen sind, kommen wenig oder keine mehr vor. Wohin alle die chedem gefundenen Stücke gekommen sind, wusste man mir nicht anzugeben. Es ist auch gewiss, dass besonders die Zähne nicht immer für das angesehen worden, was sie wirklich sind. Die Bruchstücke, die ich selbst davon besitze, wovon unsere Fig. 4. u. 5. ein Paar der bedeutendsten darstellen, habe ich aus einer Mineraliensammlung bekom- men, in welcher sie unter der Aufschrift: brauner Glaskopf von Käpfnach lange gelegen hatten. Eine geringe Aehnlichkeit in Form und Farbe mochten wohl zu dieser Benennung verleitet haben. Cuviers Beschreibungen der fossilen Zähne von derjenigen zu Grunde gegangenen Gattung die er mit dem Nahmen Masto- donte bezeichnet hat, nebst den beigefügten Abbildungen, machten mich auf diese meine, beinahe vergessenen Stücke des vermeinten Glaskopfs von Käpf- nach zuerst recht aufmerksam, und die Vergleichung derselben mit jenen Beschrei- 18 bungen und Abbildungen überzeugte mich bald, dass es Bruchstücke von Zähnen eines Mastodonte und zwar von derjenigen Art seyen, die Cuvier Mastodonte a dents etroites (Mastodon angustidens) nennt. Lange vorher, ehe die fossilen Reste des ungeheuren Riesenthieres vom Ohio in Nordamerika bekannt wurden, wovon die erste Erwähnung in einem Briefe des Dr. Mather in den Philosoph. Transactions von 1712 geschieht, existirten schon einige Nachrichten von Zähnen dieser Art, allein die Naturforscher hatten ihrer wenig geachtet, und nachher, als die Zähne vom Ohio bekannt wurden, sie mit diesen vermengt. Den ersten Zahn dieser Art bildete Grew 1681 (im Mus. Societ. reg. pl. 19. £. 1.) unter dem Nahmen eines versteinten Meerthier-Zah- nes ab, welche Figur Camper in den Nov. act. Petropolit. 11, 259 anführt, als wenn sie von der Art des Ohio wäre. Im Jahr 1715 zeigte Reaumur bei Beschrei- bung der Türkisgruben von Simorre dass diese Türkisse nichts anders, als von einem Metalloxyd durchdrungene und versteinte Zähne verschiedener Thiere wären. Späterhin beschrieben D’Argenville, Knorr, Daubenton , Baldassari u. a. dergleichen Zähne, die in verschiedenen Gegenden, nahmentlich auf dem Berge Follonico im Toskanischen und bei Trevoux gefunden waren. Curier hat ausser diesen, dergleichen von Sart bei Dax, von Montabusard bei Orleans, aus Sach- sen, aus Asti in Piemont, aus dem Arnothale, aus verschiedenen Gegenden der Lombardei, aus Peru, von Santa Fe in Terra firma, aus Chiquitos in Paraguay und viele andere, theils in Natura, theils in Abbildungen gesehen, so dass also die Thiere, denen sie angehörten, eine ziemliche Menge Ueberreste hinterlassen haben. Alle diese Zähne, zu welchen ich nun auch meine Bruchstücke von Käpf- nach zähle, sind wie die des grossen Mastodonte vom Ohio mit mehr oder weniger kegelförmigen Spitzen, die sich durch das Kauen abnutzen besetzt, unterscheiden sich jedoch von denen des grossen Öhiothieres, ausser ihrer beträchtlichern Kleinheit, vornehmlich dadurch, dass die kegelförmigen Hügel ihrer Kronen mehr oder weniger tief gefurcht sind , dass sie sich bald in meh- rern Spitzen endigen, bald in Zwischenräumen oder an den Seiten der grössern kegelförmigen Hügel andere, kleinere haben , woraus erfolgt, dass die Abnutzung auf der Krone zuerst mehrere kleine Kreise, später aber, so wie sie tiefer ein- greift, kleeblattartige Figuren bildet. Wegen dieser durch die Abnutzung ent- 10° 76 standenen Figuren hat man sie bisweilen für Hippopotamus - Zähne ansehen wollen. Indessen finden sich auf diesen letztern niemals mehr als vier solcher Figuren , da hingegen diese Zähne gewöhnlich sechs bis zehn zeigen. Die Verschiedenheiten, die sich an diesen Zähnen, wenn man sie untereinander ver- gleicht, bemerken lassen, rühren theils von dem verschiedenen Alter der Thiere her, welches sich nach dem Grade der Abnutzung beurtheilen lässt, theils auch wohl von der verschiedenen Stellung derselben im Kiefer. Ausserdem aber fin- .den sich auch unter ihnen Verschiedenheiten in der Länge und Breite, in den Verhältnissen und den einzelnen Theilen ihrer Bildung, so dass Cuvier hiernach sich berechtiget glaubte, sie zu vier verschiedenen Arten bringen zu müssen. Die Zähne derjenigen Art, zu welcher besonders alle die in den Türkisgruben von Simorre gefundenen gehören, unterscheiden sich von denen ihnen analo- gen Zähnen des grossen Ohiothieres dadurch sehr merklich, dass sie im Ver- hältniss zu ihrer Länge, bedeutend schmäler sind, daher Cuvier das Thier, dem sie angehörten, Mastodonte a dents Etroites genannt hat. Dass nun meine Frag- mente von Käpfnach hicher gehören, daran lässt die Vergleichung derselben mit mehrern von Cuvier gegebenen Abbildungen (besonders Pl. 1. f..1. 6.) wohl keinen Zweifel übrig. Noch mehr aber bin ich von der Richtigkeit dieser Bestimmung überzeugt worden durch die Beschreibungen und Abbildungen ähn- licher Zähne in der Sammlung der Königl. Bayerischen Academie in München, welche mein hochverehrter Freund Hr. Geheimerath von Sömmering die Güte gehabt hat mir mitzutheilen. Schon Kennedy hatte diese Zähne im vierten Bande der neuen philosophischen Abhandlungen der churfürstl. Bayerischen Academie der Wissenschaften (München 1785 S. 1.) in einer treflichen, aber, wie es scheint wenig bekannten *) Abhandlung: von einigen in Baiern gefundenen Beinen mit grösster Genauigkeit beschrieben und abbilden lassen, und Hr. Geheimerath von Sömmering hat in einer am 10ten Jan. 1818 in der Academie vorgelesenen und für einen der nächsten Bände der Acad. Denkschriften bestimmten Abhand- lung jene frühere von Kennedy nicht nur bestätiget und mit neuen Bemer- kungen bereichert, sondern jene Zähne selbst noch einmal in natürlicher Grösse sowohl von oben als von der Seite abbilden lassen. Ein einziger Blick auf diese treflichen Figuren ist hinreichend um sich von der völligen Identität jener Zähne ”) Cuvier wenigstens bat sie nicht gekannt , sonst würde er sie ohne Zweifel angeführt haben. 77 des Münchner Cabinets und der meinigen von Käpfnach auf das vollkommenste zu überzeugen. Hr. v. $. fügt noch in seinem Briefe, womit er die erwähnten beiden Abhandlungen begleitete, hinzu: die Stücke von Mastodon angustidens (Cıw.) welche ich ihm übersandt hatte, sähen vollkommen so aus, als wären sie von dem Originale zu Kennedy, Fig. 1. oder zu seinen Fig. 3. und 4. abge- schlagen worden. An allen den Bruchstücken dieser Zähne von Käpfnach, die ich besitze, zeigt sich der achatähnliche Schmelz (Email), welcher die Krone überzicht, auf dem Bruche strahlich und von graulichweisser Farbe, während hingegen die Knochensubstanz von brauner Farbe und ebenem, schr feinkörnigem Bruche erscheint. An einigen Fragmenten ist der achatähnliche Ueberzug wie polirt und starkglänzend, und auf eben diesen zeigen sich die durch die Abnutzung entstandenen theils kreisförmigen theils kleeblattartigen Figuren. Die Grösse dieser Zähne lässt vermuthen,, dass das Thier, dem sie ange- hörten zwar bedeutend kleiner, als das Mastodonte vom Ohio, aber doch immer noch von ansehnlicher Grösse gewesen seyn müsse, so dass es wahrscheinlich dem Rhinoceros wenig nachgestanden seyn dürfte. Knochenstücke von beträcht- licher Länge und Dicke und sonderbarer Form, die, wie man mich versichert hat, ehedem bei Käpfnach ausgegraben worden sind, würden vielleicht über die Gestaltung dieser Thierart mehreres aufhellen, wenn man sie vergleichen könnte, weswegen es schr zu bedauern ist, dass diese Reste nicht mehr zu erfragen sind. So muss es dahin gestellt bleiben, ob und in wie fern diese Art dem grossen Ohiothiere im übrigen ähnlich gewesen sey. Die Analogie macht es übrigens nicht unwahrscheinlich, dass diese Art, wie die vom Ohio, auch Stosszähne gehabt habe, und nach der flüchtigen Beschreibung, die man mir von einigen, ehedem bei Käpfnach gefundenen Stücken gemacht hat, dürften dies wohl Fragmente von Stosszähnen gewesen seyn. Daubenton hat unter denen von Simorre wirklich eine Art von Elfenbein erkannt, auch ist der Un- terkiefer, den Cuvier (pl. III, f, 4.) abgebildet hat, wie bei einem Thiere mit langen Stosszähnen. Hat es aber lange Stosszähne gehabt, so musste es auch, wie das Ohiothier und der Elephant einen Rüssel haben, da es sonst nicht im Stande gewesen seyn würde, seine Nahrung zu ergreifen. Nicht- weniger als die Mastodonten - Zähne verdienen die Reste einer 78 kleinern Thierart, die neben jenen im Steinkohlenlöz von Käpfnach vorkont- men, unsere Aufmerksamkeit. Ausser mehrern Bruchstücken kleiner Knochen besitze ich hievon zwei Zähne an welchen sich die Ordnung und die Gattung des Thieres, dem sie angehört haben, schr bestimmt nachweisen lässt.. Beide sind offenbar Zähne eines Nagethieres, der eine ein vollständig erhaltener Backen- zahn, der andere aber ein etwas verstümmelter Vorder- oder Schneidezahn. Die Figuren, die sich auf der Krone der Backenzähne zeigen, unterscheiden die verschiedenen Gattungen der Nagethiere schr bestimmt von einander. An diesem Backenzahne zeigt sich hierin mit keiner andern Gattung eine grössere und vollkommenere Uebereinstimmung, als mit der des Bibers. Diese einem lateinischen 77” in Cursivschrift ähnliche Figur, findet sich bei keiner andern Gattung; und es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass dieser fossile Zahn der hinterste oder nachhinterste von der rechten Seite aus dem Oberkiefer eines Bibers sey. Das Fragment eines Nagezahnes und mehrere kleine Knochenfrag- mente, die mitten in der Steinkohlenmasse eingewachsen sind, scheinen mir besonders darum merkwürdig, weil sie, wie ich glaube, nicht undeutlich zu erkennen geben, dass dieser Steinkohlenfiöz sich schwerlich, wie so viele andere aus festem Holz und Baumstämmen, sondern vielmehr aus andern vegetabili- schen Substanzen sumpfiger Gewässer gebildet haben dürfte, Die braune und beinahe schwarze Farbe dieser Zähne scheint theils von Eisentheilen theils von eingedrungenem Bitumen herzurühren, wie die von mei- ' nem verehrten Freunde und Collegen Hrn. Prof. Beck vorgenommene chemi- sche Untersuchung erwiesen hat. Ich schliesse meine Nachrichten von den in der Schweiz gefundenen Osteo- lithen und Odontolithen mit dem Wunsche, dass es mir gelungen seyn möchte die Aufmerksamkeit unserer Naturforscher auf diese Gegenstände hingezogen zu haben, die es in mehr als Einer Hinsicht verdienen, dass man ihnen weiter und ämsiger nachforsche, als bisher unter uns geschehen ist, und ich würde mich glücklich schätzen wenn ich durch diese Blätter zu recht eifrigen Nachforschun- gen und Untersuchungen dieser Art Veranlassung gegeben hätte , die sich gewiss in unserm Lande mit wichtigen und merkwürdigen Entdeckungen belohnen würden. Die - Die Felsenschwalbe. (Hirundo rupestris.) (Siehe die obere Figur.) H. rupestris Grmel. Linn. Syst. 1, 2. p. 1019 n. 20. Scopoli Avn. 1. p. 167. n. 253. L’hirondelle grise des rochers Bufon. Edit. Deterv. XXIII. p. 337. Rook Swallow Zath. Syn. IV. p. 569. Uebers. 11,2. p, 561. n Hir. montana Grnel. Linn. Syst. p. 1020. n. 21. Crax Swallow Zath. IV, p. 570. Uebers. 11, 2. p. 562. Bechstein Naturg. D. IV, S. 926. 4. Temmink Manuel p. 263. Meisner und Schinz Vögel der Schweiz S, 144. Kennzeichen der Art. . Der Oberleib graubraun, der Schwanz wenig gabelförmig , die Schwanz- federn, (die beiden mittlern ausgenommen,) auf der innern Fahne mit einem eyrunden weissen Fleck besetzt. Beschreibung. Der Schnabel ist schwärzlich, stärker als bei andern Schwalbenarten. Die Iris hell aurorafarbig. Der Oberleib ist graubraun, jede Feder rothgelb gesäumt, die Ränder der Schwung- und der Schwanzfedern breit. Der Unterleib ist rost- farbig an den Seiten ins Braune übergehend. Stirn und Kehle kastanienbraun; die untern Deckfedern des Schwanzes rein braun. Der Schwanz ist wenig gabel- förmig. Die beiden mittlern Schwanzfedern sind ohne Flecken, die andern haben nach dem Ende hin auf der innern Fahne einen eyförmigen weissen Fleck, wie unsere Nebenfigur zeigt. Die Füsse sind kurz und nackt. Die Länge des ganzen Vogels beträgt 5 Zoll 2 Linien. Die Flügel ragen zusammengelegt um 3 Zoll über den Schwanz hinaus. Diese Schwalbe macht bestimmt eine eigene Art aus und ist nicht, wie Günther (in seiner Uebersetzung von Scopoli’s Werk 1, 207) und Bechstein behaupten nur eine Varietät von der Uterschwalbe (CH. riparia..) Wir haben diese zur Vergleichung in unserer untern Figur beigefügt. | Die Felsenschwalbe ist bei uns eine Bewohnerin einiger hoher Alpengegen- den, wo sie hoch oben in den Spalten steiler Felsenwände nistet. Wir haben sie öfters auf der sogenannten Daube, dem höchsten Punkte des Gemmipasses, flie- gen sehen, und zwar nahe und niedrig genug um sie deutlich von unsern übrigen 14 80 bekannten Schwalbenarten unterscheiden zu können. Sie wird ausser unsern Alpen auch in Krain, Savoyen und Piemont und längs den Küsten des mittel- ländischen Meeres, in Corsica, Sardinien etc. auch in Dauphind und Auvergne angetroffen. Nach Büffon langt sie in Savoyen in der Mitte des Aprils an und bleibt bis in die Mitte des Augusts; einzelne sieht man noch bis in den October. Sie sollen oft in der Frühe des Morgens mit den Hausschwalben um das Schloss Epine in Savoyen herumschwärmen, aber immer bald wieder nach den Bergen hinauf ziehen, so dass nach acht Uhr. keine mehr in der Ebene geschen wird. Ihre Erscheinung in der Ebene pflegt als eine Ankündigung von Regenwetter zu gelten. Unsere sehr getreue Abbildung ist nach einem Exemplar aus der schönen Sammlung des Hrn. D. A. Chavannes in Lausanne verfertiget worden. Museum der Naturgeschichte Hleilvetiens. . Nr. 11. Ueber die in der Schweiz einheimischen Schlangen überhaupt und die Vipern insbesondere, (Bei der Versammlung der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die Naturwissenschaft in Genf den 27. Juli 1820 vorgelesen.) Unter allen Theilen der Zoologie ist vielleicht keiner, in welchem noch so viel Unbestimmtheit und Ungewissheit herrscht , als die Amphibiologie, insbe- sondere diejenige Abtheilung derselben , welche von den Schlangen handelt. Zwar finden wir in den Werken der Naturforscher, welche diese Ordnung bearbeitet haben, eine grosse Anzahl von Schlangenarten aufgeführt, aber wenn wir die Beschreibungen derselben und vornehmlich die über die Lebensart und Sitten dieser Thiere mitgetheilten Nachrichten kritisch durchgehen und alles das abziehen, was hierüber blos aus schwankenden, unverbürgten Nachrichten von Personen, denen naturhistorische Kenntnisse fremd waren, beigebracht worden ist, und was mehr oder weniger offenbar den Stempel der Unwahrheit oder der Uebertreibung an sich trägt, so bleibt der reine Gewinn für unsere Kennt- niss und die Wissenschaft, der einzig aus den Beobachtungen und Untersuchun- gen unbefangener , gründlicher Forscher hervorgehen kann, äusserst gering, Ist es in irgend einem Theile des naturhistorischen Forschens nothwendig, sich vor Leichtgläubigkeit zu hüten und gegen alle Berichte unwissenschaftlicher Menschen misstrauisch zu seyn, selbst wenn diese sich uns als Augenzeugen dar- stellen, so ist dies gewiss doppelte und dreifache Pflicht, sobald in solchen Be- richten von Schlangen die Rede ist Denn es giebt wenig Menschen , die bei dem Anblick einer Schlange nicht von unwillkührlicher Furcht, die bei sehr vie- len bis zu einem hohen Grade des Abscheues und Entsetzens steigt, ergriffen werden. Das Volk hält in der Regel alle Schlangen für giftig; ohne einmal nur zu wissen, auf welche Art eine wirklich giftige Schlange ihr Gift mittheilen kann, 12 82 — denn einige lassen sie mit dem Schwanze,, andere mit der Zunge stechen, — ist der blosse Anblick eines solchen, in den meisten Fällen, ganz unschuldigen Geschöpfes schon hinlänglich,, die meisten zu augenblicklicher Flucht zu bestim- men. Nur wenige haben das Herz, stehen zu bleiben und das Thier näher und aufmerksamer zu betrachten; noch viel wenigere aber, es anzugreifen und mit ruhiger Besonnenheit zu untersuchen, selbst wenn es todt ist. Wie viel darf man also wohl von den Berichten solcher von Furcht und Grausen geblen- deter Menschen für wahr halten? — Die grosse Leichtgläubigkeit, mit der man indessen solche Berichte, als ächte Beiträge zu der Naturgeschichte dieser Thiere, auf- und angenommen hat, ist allein schuld, dass es in keiner Classe des Thier- reichs von so vielen abentheuerlichen und wunderbaren Dingen wimmelt, als in dieser, und man darf sich nicht wundern, dass es Leute genug giebt, welche an Lindwürmer,, Drachen , Basilisken und eine Menge andrer Ungeheuer, als in der Natur wirklich existirend, noch immer steif und fest glauben. Bei den Schriftstellern über die Schlangen findet man allerdings, wenigstens was die Europäischen Arten betrifft, meistens genaue und gute Beschreibungen; aber in Hinsicht auf die eigentliche Naturgeschichte nur sehr weniges, was auf eigne, vielfältig wiederholte und fortgesetzte Beobachtung gegründet wäre. Es würde uns nicht viel Mühe kosten, aus den Büchern der Amphibiologen Stellen genug zusammen zu bringen, die offenbar beweisen, dass die Verfasser, die Thiere, von welchen sie reden, nur ziemlich obenhin studirt und beobachtet haben , indem selbst von den gemeinsten Arten hie und da Dinge behauptet werden, die nach einer nur etwas sorgfältigern Beobachtung nicht hätten behaup- tet werden sollen; so wie hinwiederum nicht selten wichtiger Umstände gar nicht gedacht wird, die bei etwas anhaltender fortgesetzter Aufmerksamkeit noth- wendig hätten bemerkt werden müssen. Um die Amphibien überhaupt und die Schlangen insbesondere genau und gründlich studiren und beobachten zu können , giebt es kein anderes Mittel, als sie in einer Art von Menagerie stets unter Augen zu haben. Denn das ver- borgene Leben derselben in ihrer natürlichen Freiheit, das Unbestimmte und so äusserst Zufällige ihres Hervorkommens aus ihren Schlupfwinkeln einerseits, an- drerseits aber der Mangel an Zeit und Musse, welcher es dem Beobachter selten oder nie erlaubt, diese Thiere an ihren oft weit entlegenen und zerstreuten 83 Aufenthaltsorten aufzusuchen und zu belauschen,, macht es beinahe unmöglich, sie in ihrem freien Naturzustande zu studiren. Hie und da wird sich auf diesem Wege wohl eine einzelne interessante Thatsache entdecken lassen, aber eine vollständige, zusammenhängende Reihe von Beobachtungen kann nur gesam- melt werden, wenn man diese Thiere als Hausgenossen stets unter Augen hat. Eine solche Menagerie gewährt noch den grossen Vortheil, nicht nur viele In- dividuen Einer Art, sondern auch mehrerer Arten versammeln, untereinander ver- gleichen und die Verschiedenheiten derselben in ihren Sitten und Betragen auf das bestimmteste bemerken zu können. Mein Freund Wyder in Lausanne hat den Gedanken einer solchen Mena- gerie, den wir schon früher mit verschiedenen Arten von Eidechsen ausgeführt hatten, von besonderer Vorliebe für das Studium der Amphibiologie bescelt, auch auf die Schlangen ausgedehnt, und seit einer Reihe von Jahren immer eine bedeutende Anzahl dieser Thiere von verschiedenen Arten bei sich versammelt. Die Schwierigkeit Jäger zu finden , die ihm die Schlangen aus den verschiede- nen Gegenden unseres Landes verschaffen sollten, nöthigte ihn öfters, selbst auf diese Jagd auszuziehen, wobei er Gelegenheit hatte, über die Lebensart dieser Thiere, auch im Stande ihrer natürlichen Freiheit, manche interessante Beobachtung zu machen, womit er dann diejenigen, welche er an seinen gefan- genen anstellte, vergleichen konnte. Es bedarf wohl kaum bemerkt zu werden, dass Hr. 77’. um seine gefan- genen Thiere ganz so kennen zu lernen, wie sie in ihrer natürlichen Freiheit sind, den Zustand ihrer Gefangenschaft den Verhältnissen ihres Lebens in der freien Natur so ähnlich als nur immer möglich zu machen suchte. Gleichwohl offenbarte sich hier ein bedeutender Unterschied unter den verschiedenen Arten selbst. Manche schienen den Verlust ihrer Freiheit wenig zu fühlen und zu achten ; sie gewöhnten sich in Kurzem an die Gefangenschaft, wurden bald ganz zahm, zeigten sich munter und erfüllten alle Funktionen ihres Lebens voll- kommen, wie im Zustande der natürlichen Freiheit. Andere hingegen lernten sich nur langsam in den veränderten Zustand finden. ES dauerte lange, und der äusserste Hunger musste erst eintreten , bis sie sich entschlossen Nahrung zu sich zu nehmen, und immer blieben sie wild und menschenscheu, Einige endlich konnten den Verlust ihrer Freiheit nie verschmerzen, verschmähten Bl hartnäckig alle Nahrung, und wurden zuletzt, — manche erst nach vielen Monaten, — vom Hunger verzehrt. Die in den folgenden Blättern gegebenen Nachrichten über das Leben mehrerer schweizerischen Schlangen - Arten sind grossentheils das Resultat der Beobachtungen meines Freundes /., für deren gefällige Mittheilung ich ihm hier öffentlich den wärmsten Dank zu bezeugen, mir zur angenehmsten Pflicht mache. Die Europäischen Schlangen gehören sämmtlich zu den Gattungen — Coluber, Vipera und Anguis; drei Gattungen, welche durch sehr bestimmte und leicht in die Augen fallende Kennzeichen von einander unterschieden sind. 1. Die zur Gattung: Coluber, Natter, (fr. Couleuvre) gehörigen Arten haben 4. einfache Querreifen (scuta) unter dem Bauche. 2. Zwei Reihen halber Querreiten (scutella) neben einander unter dem Schwanze. 3, Neun oder zehn Schilder von ungleicher Grösse und Form auf dem Kopfe. 4. Zwei Reihen fast gleicher Zähne im Oberkiefer. 5. Keine Giftzähne. 6. Runde Pupille. Von dieser Gattung kennen wir bis jetzt als in der Schweiz einheimisch, folgende Arten: | 1. Die Ringelnatter, in unserer Gegend Wasserschlange genannt. Coluber natrix. Zin. Gm. p. 1100. u. 230. Sturm Deutschl. Xauna III, 3. Natrix vulgaris. Laurent: Syn. Rept. p. 75. CXLIX. La Couleuvre ä& collier. Za Cepede. Die Kennzeichen der Art sind ein gelblicher oder weisslicher ringförmiger Fleck zu beiden Seiten des Halscs, der jedoch bei den ganz schwarzen Abän- derungen kaum sichtbar ist. Seiten und Unterleib weiss gefleckt. Die Grundfarbe ändert vom Hellaschgrauen durch alle Hiemerzilse bis ins vollkommen Schwarze ab. Die Anzahl der Bauch- und Schwanzreifen,, die gewöhnlich als Kennzeichen der Art bei den Schlangen angegeben wird, ist vielleicht bei keiner andern Art so veränderlich als bei dieser. Wir sehen hierin bei den Angaben der ver- schiedenen Autoren einen Unterschied von i44 zu 175 der Bauchschilder,, und von 48 zu 68 der Schwanzreifen,, und können daher diesem Charakter durchaus keinen Werth beilegen , da wir uns selbst überzeugt haben, dass selten bei 85 zwei Individuen die Anzahl der Bauch- und Schwanzreifen die glei. sche: ist. - * Diese Schlange ist von allen Arten wohl die gemeinste, und wird in der ganzen Schweiz überall wo Wasser ist, bei Teichen und Gräben in deren Nähe Gesträuche oder Mauern sind, angetroffen. Sie kann 4 bis 6 Fuss lang wer- den, ist sehr fruchtbar, indem eine einzige 34 bis 38 Eier legt, in welchen die Jungen spiralförmig zusammengerollt liegen, die sich nach dreiwöchentlicher Bebrütung durch die Wärme des Ortes oder der Sonne entwickeln und beim Auskriechen 6 bis 8 Zoll lang sind. Sie ist die behendeste aller unserer Schlangen. Sie schwimmt schr gut, wobei sie den Kopf fast immer über dem Wasser hält; sie schwimmt indessen nicht weit, ermüdet bald, besonders im laufenden Wasser und kann dann leicht gefangen werden. Ihre Nahrung besteht wohl meistens aus Amphibien, besonders Fröschen. Sie kann 3 bis 4 Frösche nacheinander verschlingen , nach einer solchen Mahl- zeit dann aber auch wieder einen ganzen Monat fasten. Sie kann jedoch nicht so lange fasten, als viele andere Schlangen ; dies Vermögen scheint über- haupt mit der Seltenheit der Nahrungsmittel oder mit der Schwierigkeit sich dieselben zu verschaffen bei den verchiedenen Schlangenarten in geradem Ver- hältniss zu stehen. Den braunen Grasfrosch (Rana temporaria L.) zieht sie an- dern vor, vornehmlich aber liebt sie die Laubfrösche. Ausserdem soll sie auch Mäuse, Maulwürfe , junge Vögel etc. verschlingen, welches wir jedoch nıcht Gelegenheit gehabt haben zu beobachten. Wenn dies wäre, sollte man sie auf Feldern eher beschützen, als verfolgen und tödten. Ueberhaupt ist die Ringel- natter ein ganz unschuldiges, harmloses Geschöpf. Sie beisst nie, selbst wenn sie aufs äusserste gereitzt wird; wegen der schwachen und unvollkommenen Einlenkung des Unterkiefers ist sie gar nicht einmal im Stande zu beissen, und ihre nach hinten gekrümmten Zähne können ihr lediglich zum Festhalten ihres schlüpfrigen Raubes dienen. Was also hie und da von ihrem Biss gesagt wor- den, ist völlig ungegründet. Sie gewöhnt sich bei ihrem sanften Charakter sehr leicht und bald an die Gefangenschaft und wenn der Ort, wo man sie hält, ihr nur einigen Spiel- ' zaum verstattet, beträgt sie sich vollkommen, wie in ihrer natürlichen Freiheit. 12 86 Wenn Dr. Wolf (in Sturms Fauna) das Gegentheil hievon behauptet, und ver- sichert, dass eine bei ihm in einem Glasse verwahrte Ringelnatter weder Wasser noch Speise zu sich genommen habe, so war dies ganz gewiss nur dem höchst unbehaglichen und unnatürlichen Zustande zuzuschreiben, in welchem das Thier in dem engen Glase sich befinden musste. 2. Die würfelfleckige Natter. Coluber tesselstus Mikan, in Sturms Fauna IIT, 4. nebst einer Abbildung. Coluber hydrophilus Zindacker, in den neuern Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften , 1, p. 123. Natrix vulgaris Var. 8. Laurenti p. 75. (?) Kennzeichen der Art. Kopf nach vorn zugespitzt und verschmälert, Kehle weiss. Der Körper mit braunen verloschenen Würfelllecken besetzt. Die Grundfarbe ist gewöhnlich oberhalb graubraun, unten bleifarbig, nach den Seiten weiss gescheckt; unter dem Halse hat die weisse Farbe die Oberhand. Die längsten Individuen dieser Art, die wir sahen, waren 2! bis 3 Fuss lang. Wir erhielten sie in mehrern Exemplaren von Lugano, wo sie längs dem See nicht selten und die gewöhnlichste Schlangenart ist. Einige oberhalb ganz’ schwarze Individuen, die wir eben daher gleichzeitig erhielten, und an welchen | wir keinen andern Unterschied, als den der Farbe bemerken können, scheinen uns blosse Abänderungen dieser Art zu seyn. Ueber ihre Lebensart fehlet es uns an allen weitern Nachrichten, als dass sie, wie die Ringelnatter, gern ins Wasser gehet; vermuthlich nährt sie sich auch auf ähnliche Art, wie diese.. 3. Die falbe Natter. (IY'yder.) Coluber flavescens. Scopoli ann. hist. nat. 2, p. 39. La Couleuvre jaunätre. Daudin hist. des Reptiles T. VI. p. 272. Kennzeichen der Art. Der Kopf ist klein, länglichrund. Oberhalb ist sie über den ganzen Körper gelblich oder blassröthlich braun, unter dem Bauche schön hellgelb. Sie erreicht eine Länge von 5 bis 6 Schuh, bleibt aber dabei ziemlich dünn, und hat daher eine schlankere Form, als andere Nattern. Ich erhielt eine solche sehr grosse falbe Natter aus Wien unter dem Nah- men der 4esculaps-Schlange, (Coluber Aesculapii Zin.) von welcher sie aber i 87 durchaus verschieden ist, sowohl in der Form des Kopfes, im ganzen Habitus und in der Farbe, als auch im Charakter, den F7yder an mehrern Individuen beider Arten, die er lange neben einander lebendig hielt, zu vergleichen Gele- genheit hatte, Die falbe Schlange findet sich im Waadtlande, besonders in der Gegend von Aigle, Roche, Bex, in Wallis und im Canton Tessin. Sie hält sich längs zerfallenen Mauern, im Gebüsch, an Berghalden auf, selten nahe beim Wasser. Sie ist ziemlich behend, jedoch nicht so sehr wie die Ringelnatter. Sie hat in ihren Bewegungen vielStärke, umschlingt dieHaud, welche sie gefangen nimmt, ziemlich fest und sucht zu beissen, wodurch sie zwar die Haut verletzen kann, dass das Blut darnach rinnt, übrigens aber hat dieser Biss gar keine Folgen und ist nicht einmal schmerzhaft. In der Gefangenschaft beisst sie nur wenn sie durch die Sonnenwärme sehr lebhaft und wenn sie gereitzt wird. Sie bleibt in der Gefangenschaft immer scheu und wild und sucht zu entfliehen, welches ihr bei ihrem kleinen Kopfe und dünnen Körper oft durch sehr kleine Oeffaun- gen gelingt. Hierin ist sie von der Aesculap-Schlange ganz verschieden, die das sanfteste Geschöpf auf der Welt ist, nicht nur niemals beisst, sondern so ausnehmend zahm und menschensuchend wird, dass sie sogleich herbeikönmt, so bald man sich zeigt oder ihren Behälter öffnet. Die Aesculap-Schlange ist aber bis jetzt noch nicht in der Schweiz aufgefunden worden, sie scheint nur in südlichen Ländern zu wohnen. Die Nahrung der falben Schlange besteht vornehmlich aus Amphibien und nahmentlich aus Eidechsen. FPyder war einst Zeuge, dass sie eine 14 Zoll lange grüne Eidechse (L. smaragdina) verschlang. 4. Die grüne und gelbe Natter. Coluber viridi - lavus. Daudin. hist. nat. des Reptiles. T. VI, p. 292. La couleuvre verte et jaune. La Cepede hist. nat. des Serpens. In - 12. T. 1, p. 322. pl. IV. £% Serpent familier. Yalmont de Bomare Dict. d’hist. nat. Kennzeichen der Art. Diese Naitter ist oberha!b auf einem sehr dunkelgrünen Grunde mit vielen kleinen gelben Querstreifen oder kleinen Flecken besetzt. Unterhalb ist sie ganz gelb. In der Jugend ist sie oberhalb braun , mit sehr feinen regelmässigen gelb- 88 lichweissen Querlinien; unterhalb gelblich mit braunen ‚unterbrochenen Querbin- den. Sie erreicht eine Länge von 3 bis 5 Fuss. Diese ausnehmend schöne Natter, die in Italien und im südlichen Frankreich nicht selten ist, findet sıch auch schon in den südlichen Theilen der italieni- schen Schweiz. Sie zeichnet sich eben so sehr, wie durch ihre Schönheit; durch ihren sanften Charakter aus, nach welchem sie sich sehr leicht an die Gefan- genschaft gewöhnt und so zahm und zutraulich wird, dass sie ihrem Herrn über- all folgt. Nach Bomare geht sie auch ins Wasser und schwimmt sehr gut. Sie nährt sich wie die Ringelnatter. 5. Die österreichische Natter. Coluber austriacus. Lin. Gm. p. 1114. Coronella austriaca. Zauren& p. 84. n. CLXXVIN. T.vV. £1\ Dr. Wolf in Sturms Fauna III, 2. nebst zwei sehr guten Abbildungen des Männchens und des Weibchens, La lisse. La Cepede. \ Coluber versicolor. La chatoyante. Razoumowsky hist. nat. du Jerat, 1. p. 122. f. 6.a.b, Kennzeichen der drt. Der Kopf platt, fast herzförmig, dem der Vipern ähnlich, jedoch mit 10 Schildern von ungleicher Grösse bedeckt. Am Hinter- kopfe zwei grosse braunrothe Flecken; der Körper röthlichbraun mit unregel- miässig paarweise fortlaufenden braunen Flecken, zu beiden Seiten noch eine Reihe ähnlicher Flecken. Sie erlangt eine Länge von höchstens 2 Schuh. Diese Schlange gleicht, auf den ersten flüchtigen Blick , einer Viper, doch ist sie immer weit dünner. In Ansehung der Grundfarbe ändert sie sehr ab. An der Sonne hat sie einen eignen Schiller. Sie ist in der ganzen Schweiz keine Seltenheit, hier in der Gegend von Bern aber die gemeinste Art. Man findet sie in Zäunen und Mauern; als in Bern von mehrern Jahren ein Theil der Schanzen abgetragen wurde, grub man täglich sehr viele derselben aus. Ich habe sie auch ziemlich weit hinauf an der Grimselstrasse gefunden. | Diese Schlange ist sehr sanften Charakters und gewöhnt sich leicht an den Menschen und au die Gefangenschaft. Wenn man sie fängt, beisst sie zwar um sich, doch ist ihr Biss so schwach, dass man ihn kaum spürt. Sie ernährt sich von kleinen Eidechsen und Regenwürmern. Die Eidechsen um- schlingt sie sehr fest, dass sie fast erstickt werden, ehe sie sie verschlingt. Wenn sie eine Eidechse beim Schwanze anpackt und dieser abbricht, verschlingt sie das abgebrochene Stück. Das merkwürdigste an -dieser Schlange, was aber noch kein Schriftsteller bemerkt hat, ist: dass sie wie die Vipern lebendige Junge gebährt. Diese lie- gen eben so wie bei den Vipern in dünnen Eihüllen zusammengerollt und sind, wenn sie geboren werden, 4 bis 5 Zoll lang. Museum der Naturgeschichte Helvetiens. Nr. 12. Ueber die in der Schweiz einheimischen Schlangen überhaupt und die Vipern insbesondere. (Fortsetzung,) II. Gattung: Yipera, (Viper.) Die Kennzeichen, wodurch sich die Vipern von den Nattern unterscheiden , sind 1. ein platter, mehr oder weniger herzförmiger Kopf, der merklich breiter ist, als der Hals, mit etwas aufgestülpter Nase. 2. Die kleinen Schuppen, wo- mit der ganze Kopf bedeckt ist, und von welchen bei einigen Arten nur diejenigen, welche die Augen bedecken, und diejenigen , welche zwischen den Augen lie- gen, etwas grösser sind, als die übrigen. 3. Die haakenförmigen, beweglichen Giftzähne am vordern Ende des Oberkiefers. 4. Die vertical gespaltene Pupille. 5. Der Schwanz sehr kurz. Die Querreifen unter dem Bauche und die doppelte Reihe halber Querreifen . unter dem Schwanze haben sie mit den Nattern gemein. Wir kennen bis jetzt von dieser Gattung folgende drei bestimmt ver- schiedene Arten in der Schweiz einheimisch. Ob die vierte eine eigene Art sei, müssen wir einstweilen noch unentschieden lassen. 1. Kipera berus: ‘(mihi.) T..1.. Fig. 4. 2: Coluber berus. Laur. p. 97. n. CCXVI. Tab. II. F. 1. p. 192. Coluber chersea. Die Kreuzotter. Dr. Wolf in Sturms Fauna III. 3. Kennzeichen der Art. Auf dem Kopfe stehen zwei dunkelbraune Linien, die nach vorn in eine Spitze zusammenstossen, nach hinten aber wie ein lat. V auseinander laufen; hinter jedem Auge eine braune nach dem Halse hinziehende Linie. Ueber jedem Auge steht eine grosse längliche Schuppe, und zwischen beiden in der Mitte eine dritte grössere (F. 2.) Ueber den Rücken bis zur 13 90 Schwanzspitze läuft eine ununterbrochen zusammenhängende Zikzakbinde und neben derselben zu beiden Seiten einzelne Flecken von dunkelbrauner Farbe. Die Grundfarbe ist röthlich braun. Die Länge beträgt 1 Schuh 6 Zoll. Diese Viper hält sich in der Schweiz in den höhern Alpen, wie in den niedrigern Gegenden auf. Ich selbst fieng sie (1812) unweit des Schwarren- bachs auf der Gemmi; und sie ist auch in der Nähe des Zürich - Sees gefangen worden. Sie scheint aber überhaupt selten zu seyn, daher haben wir auch noch nicht Gelegenheit gehabt, sie in der Gefangenschaft näher zu beobachten. Laurenti, der über die Giftigkeit dieser Viper, wie über andere, Versuche an- gestellt hat, fand dass ihr Biss kaum für kleine Thiere, für den Menschen. aber durchaus nicht gefährlich sei. Er liess sich endlich, durch viele Versuche an Thieren dreist gemacht , sogar selbst von ihr beissen und der Biss blieb ohne alle Folgen; und er glaubt daher schliessen zu dürfen, dass die Linneische Regel: jede mit Giftzähnen versehene Schlange ist giftig, falsch sei; welcher Schluss uns jedoch nicht richtig scheint, indem es sehr wahrscheinlich ist, dass seine Viper nur durch die vorhergegangenen Versuche so erschöpft und entkriftet war , dass ihr Biss nicht einmal mehr die Haut zu verletzen vermochte. 2.) Vipera Rediü. (Aldrov.) Serp. p. 115. 116. Laurenti p. 99. 198. Lin. Gmel. p. 1091. u. 185, La Vipere commune. La Cepede. Tab, I. “E: 3. Fem. var. IE, %. 1. Mas: Kennzeichen der Art. Der Kopf länglich herzförmig, ganz mit kleinen Schuppen bedeckt, der Hals sehr dünn. Der Körper der ganzen Länge nach mit vier Reihen brauner länglicht viereckigter Flecken besetzt, von welchen die der beiden mittlern Reihen mehr oder weniger zusammenfliessen. Die Seiten- flecken ungleich kleiner. Der Bauch bleifarbig. In Hinsicht der Grundfarbe ändert diese Viper sehr ab. Das Männchen ist gewöhnlich aschgrau wie (Tab, II. F. 1.), das Weibchen braunroth wie (Tab. I. F. 3.), die braunen Flecken sind öfters sehr erloschen und bei manchen Indivi- duen kaum sichtbar. Wir haben ein Exemplar vor uns, das ganz einfarbig braunroth, ohne alle Flecken ist; das wir, weil es übrigens sich durch nichts unterscheidet, auch als Abänderung hieher zählen müssen. | Diese Art ist im Ganzen schlanker und scheint auch etwas länger zu wer- den, als die vorhergehende Art, doch wird sie nie länger als zwei Fuss. 1 Diese Viper ist es, über deren Gift so viele Versuche von Redi, Charas, Fontana, Laurenti u. a. angestellt worden sind, deren Resultate wir als be- kannt übergehen können, Sie ist von allen Vipern- Arten in der Schweiz die gemeinste. Am häufig- sten lebt sie an der Südseite des Juragebirges, in dessen ganzer Ausdehnung sie angetroffen wird, vornehmlich ist die Gegend um das Dorf Baume unweit Yverdun in dieser Hinsicht berüchtiget, wo auch verschiedene Leute aus dem Vipernfang ein Gewerb machen. Ausserdem ist sie in ganz Wallis an der Son- nenseite der Gebirge und in den gegen Süden sich öffnenden Thälern gemein. Auch längs dem Genfersee findet sie sich überall, besonders ostwärts von Lau- sanne längs dem Gebirge, zumal an den der Morgensonne ausgesetzten Abhän- gen der kleinen Thäler, die sich gegen Süden öffnen. So findet man sie nur auf der Ostseite des Sauvabelin- Waldes bei Lausanne im Gesträuch und längs den Sandsteinfelsen dieser Gegend. Gewöhnlich trifft man sie längs den Zäunen oder Mauern an den untern Abhängen der Gebirge. Sie zeigen sich gleich den Eidechsen und gleich andern Schlangen nie, bevor die Sonne den Abhang in welchem sie ihre Wohnungen haben, bescheint, auch verbergen sie sich sobald derselbe wieder in Schatten kömmt. An trüben, regnichten Tagen kommen sie gar nicht zum Vorschein. Im Frühling sind sie fast innmer Paarweise bei- einander, so dass, wenn man das eine Geschlecht findet, man auch gewöhn- lich bald und nicht weit davon das andere antrifft. Im Herbst nähern sie sich den Ebenen und nicht selten selbst den Wohnungen, um da zu überwintern. So bald die kältere Jahrszeit eintritt, verbergen sie sich in der Erde, in Felsen- spalten etc. wo sie ununterbrochen bis zum Frühling in Erstarrung zubringen. Die Anzahl der Giftzähne ist bei verschiedenen Individuen dieser Art, (ver- muthlich auch bei andern Arten,) ungleich. Wir haben öfterer auf jeder Seite zwei'und drei Giftzähne, als nur Einen gefunden, der erste oder vorderste ist immer viel grösser als der zweite, und der dritte kleiner als der zweite. Diese scheinen nur gleichsam zur Reserve bestimmt zuseyn, wenn der erste, der eigentlich so zu sagen im Dienst ist, verloren geht, welches beim Beissen oft geschieht. Die- ses Beissen ist aber vielmehr ein blosses Einhacken der sehr spitzen Giftzähne, als ein wirklicher Biss, indem der Unterkiefer dabei ganz unthätig zu seyn scheint, 92 Diese Viper, wie alle andern mit Giftzähnen versehenen Schlangen, macht in der Regel keinen andern Gebrauch von diesen Waffen, als um die Thiere , die ihr zur Nahrung dienen, zu tödten. Sie ist an sich ein friedliches Geschöpf, das gewiss kein Thier, welches nicht zu ihrer Nahrung dient, angreift; wenig- stens lebte sie in der Gefangenschaft mit andern Schlangen und andern Amphi- bien stets in Frieden, auch äusserten diese nicht die geringste Furcht gegen sie, Vielweniger wird sie ungereizt je einen Menschen angreifen, bei dessen An- blick sie immer sogleich die Flucht nimmt. Aber freilich, sobald sie sich ge- fangen fühlt, wehrt sie sich. Ihr Auge und ihr ganzes Ansehn ist dann schreck- lich, und man nchme sich wohl in Acht gebissen zu werden. Uebrigens ist diese Viper, zumal wenn sie einen Raub verschlungen hat, wie andere Schlan- gen schwerfällig und unbehülfiich und daher gar nicht schwer zu fangen. Nur wäre es unvorsichtig sie mit der blossen Hand, ohne eine Zange, beim Halse ergreifen zu wollen. /7’yder räth an, sie immer am Ende des Schwanzes zu ergreifen, sie vermöge nicht mit dem Kopfe sich bis zur Hand empor zu heben, wenn man sie nur so gefasst habe, dass sie den Schwanz nicht un den Finger schlingen kann. An die Gefangenschaft gewöhnt sich diese Viper durchaus nicht. Der Verlust ihrer Freiheit geht ihr so nahe, dass sie sogleich alles, was sie kurz vorher verschlungen hat, wieder von sich giebt und sodann standhaft alle Nahrung verschmähet. Dennoch kann sie noch sehr lange leben. 77. hat mehrere gehabt die 16 Monate lang ohne alle Nahrung am Leben blieben. Die Nahrung dieser Viper besteht hauptsächlich in Mäusen und Maulwürfen, die sie in acht bis zehn Minuten tödtet. Die Jungen mögen im ersten Jahre - wohl von Insekten, Schnecken n. dergl. leben, bis sie stark genug sind kleine Säugethiere anzugreifen, | Die Begattung der Viper geschieht im Monat April oder May. Der Actus dauert, nach W/yders Beobachtung, mehr als drei Stunden; das Männchen ist vermittelst seiner doppelten, dreispitzigen Ruthe (die unsere Figur 1. T. II. sehr genau nach der Natur darstellt *) dergestalt an das Weibchen gebunden, dass sie *) Sollten nicht vielleicht bei Linnes Lacerta bipes und apus die hervorsiehenden männlichen Zeu- gungstheile einer Schlangenart für Füsse angesehen worden seyn? Wenigstens war dies ganz ge- wiss der Fall bei den Schlangen , die Sander in St. Blasien sahe,, wovon er im Naturforscher XVII, p. 247. so grosses Aufhebens machte. d 93 sie sich während der Paarung nicht willkührlich trennen können. Das Weib- chen trägt ungefähr vier Monate, und bringt alsdann 8 bis 15 lebendige, ganz ausgebildete 6 bis 8 Zoll lange Junge zur Welt. Jedes dieser Jungen liegt im Mutterleibe in einer dünnen, durchsichtigen Eihaut zusammengerollt, und von nährenden Stoffen (Eiweiss und Dotter) umgeben, die es nach und nach wäh- rend seiner Entwickelung aufzehrt. Die Häutung der Vipern geschieht unter ähnlichen Umständen, wie die ‘der gemeinen Schlangen. Kurz vorher wird die Haut dunkler, die Flecken un- terscheiden sich weniger von der Grundfarbe und so bald die neue Haut sich vollkommen gebildet hat, wird die alte abgestreift, wie man einen Strumpf über das Bein abzieht, so dass die innere Seite auswendig kömmt. Die neue Haut ist viel lebhatter gefärbt und ihre Flecken sind- deutlicher und abstechender. Man erzählt viele Beispiele, dass auch in der Schweiz Personen an den Fol- gen des Vipernbisses gestorben seyn sollen. Aber wir kennen von allen diesen Beispielen kein einziges, das authentisch erwiesen wäre, im Gegentheil aber viele von gänzlicher Heilung, wenn auch die ärztliche Hülfe oft erst mehrere Stun- den nach dem Bisse angewendet wurde, | 3. Fipera Prester. T. Il. F, 3. Coluber Prester. Zir. Fauna Suec. 287. Gmel. p. 1091. Coluber vipera Anglorum. ZLaurenti p. 98, T. IV. Fig. 1. La vipere noire. La Cepede, Kennzeichen der Art. Ueber jedem Auge eine längliche Schuppe, und in der Mitte zwischen denselben eine ähnliche ovale, deren Spitze nach hinten gekehrt ist. ( T. I. F. 3.). Das ganze Thier tief schwarz ohne alle Zeichnung, nur die Lippen haben röthlichweisse Flecken. Sie erreicht eine Länge von 2 Schuh bis 2 Schuh 2 Zoll Par. M. Diese Viper ist erst im letzten Jahr als in der Schweiz einheimisch entdeckt worden, und zwar bei Brienz im Berner - Oberlande, von wo wir mehrere Exemplare erhielten, und wo sie nicht selten zu seyn scheint, (D 4. Fipera atra (mihi.) Die schwarze Viper.. T. I. F. 2. Diese ebenfalls ganz. schwarze Viper unterscheidet sich von der vorherge- henden durch folgende Kennzeichen : 13.* 94 4. Der Kopf ist weniger in die Länge gestreckt sondern rundlicher, als bei jener. 2. Die Schuppen auf dem Kopfe sind alle sehr klein, und weder über noch zwischen den Augen befinden sich grössere. 3. Keine Spur von weissen Flecken an den Lippen. 4 Die BRINDEEN des Leibes sind mehr a und breiter, als bei jener, ; Ich weiss nicht ob diese Kennzeichen hinreichend sind, um darauf eine Artverschiedenheit zwischen beiden zu gründen. Vielleicht zeigen sie nur den Geschlechtsunterschied an. Hierüber werden uns fernere Beobachtungen erst belehren müssen. Ich fieng das Individuum, von welchem unsere Abbildung genommen ist, im Jahr 1814 im Aug. bei Kandersteg zwischen dem niedrigen Gesträuch,, womit das steinige Bett des aus dem Oeschinenthale herabstürzenden Baches bewachsen ist. Sie hatte eben eine Maus verschlungen und war daher in ihren Bewegungen schr unbehülflich , so dass sie ohne alle Mühe gefangen werden konnte. Ir. Gattung. Anguis. Blindschleiche. Der Kopf ist sehr klein, durch keinen Hals von dem übrigen Körper abge- sondert. Dieser ist cylindrisch,, fast durchaus von gleicher Dicke. Der Schwanz stumpf. Der Bauch und Schwanz ist nicht mit Querreifen, suldernn) mit klei- nen Schuppen bedeckt. Von dieser Gattung kömmt in der Schweiz nur Eine Art vor, die allge- mein bekannte Gemeine Blindschleiche. Anguis fragilis. Laurenti p. 68 'T. V. F. 2 Sturms Fauna III, 3. Anguis lineata. ZLaurenti. p, 68. ‚Sturm 1. c. (Die junge Blindschleiche.) L’orvet. La Cepede. Kennzeichen der Art. Der Oberleib kupferroth oder röthlichbraun , die Seiten nach oben mit feinen nahe an einander liegenden dunkelbraunen Linien. Jung : der Rücken weiss mit einer braunen Mittellinie; der Daran schwarz. Sie erreicht eine Länge von 14 Fuss. Jedermann kennt dieses kleine unschuldige Thier, mit dem die Kinder, als völlig unschädlich , auf den Wiesen spielen. Bemerkenswerth ist sein Schwanz, der fast drey Fünftheile seiner ganzen Länge beträgt und so zerbrechlich ist, dass er 95 bei dem geringsten Zufall in mehrere Stücke zerf{llt, sich aber sehr leicht wieder reproduzirt. Die Blindschleiche häutet sich nicht, wie andere Schlangen, dass sich die Haut, wie ein Strumpf umgewendet, abstreift, sondern sie schält sich vom Kopf bis zum Schwanz ohngefähr so, wie der Balg der Raupen, ab, iu- dem sie sich zusammenschiebt. | | Weit entfernt, grössere Thiere, als sie selbst ist, wie andere Schlangen verschlingen zu können, kann die Blindschleiche mit ihrem kleinen Munde fast nichts als Regenwürmer und kleine Insecten fressen. Sie lebt daher meistens unter der Erde, unter Moos, Steinen u. s. w. Sie kann den Mangel an Nah- rung länger, als jede andere Art von Schlangen, mit Ausnahme der Viper, er- tragen. Die Blindschleiche ist lebendig gebährend, Die Jungen sind, wenn sie ge- boren werden, 3 Zolllang. Ihrer sind gewöhnlich 12 bis 15. Nichts ist nied- licher als diese kleinen Geschöpfe. Der Irrthum durch welchen sich diese jungen Blindschleichen unter dem Nahmen Anguis lineata in den Schriften der Amphibio- logen so lange als eigne Art erhalten haben, ist ein Beweis wie wenig ihre Ar- beiten auf eigne Naturbeobachtung gegründet sind, die doch bei diesen so all. gemein vorkommenden Thieren so leicht gewesen wäre, 96 Zusätze und Berichtigungen zu einigen in diesen Heften enthaltenen Abhandlungen. Zu N‘. 5. Der hier abgehildete und unter dem Nahmen der arktischen Meve beschriebene Vogel, ist der wahre Larus parasiticus Lin. für welchen ich ihn dort wirklich erkannt habe. Es ist aber dieser Vogel ganz verschie- den von Temminks Lestris parasiticus (Manuel p. 5ı2.) Dieser Kenntniss- und Erfahrungsreiche Ornitholog schrieb mir unterm 3ten Jan. 1818 von Lau- sanne aus hierüber folgendes: „ J’ai compare vos Stercoraires avec ceux, que jai ici et avec ceux de mon cabinet, et il se trouve, que ces oiseaux ne sont point decrits par moi dans le Manuel. Je me suis aussi appercu par cette inspection comparative, que le Lestris parasiticus du Manuel est un .oiseau tres-different du vötre, ei dans le fait c’est vous qui avez eu raison de prendre vos Lestris pour le veritable parasiticus de Linne ; de mon cöte ja commis une faute grave de m’en etre rapporte pour le Lestris parasiticus du Manuel äux descriptions et | aux donnees de Meyer, qui s’est etrangement abuse en comparant son oiseau au veritable Parasiticus de Linne. Ce Lestris de Meyer et celui de mon Ma- nuel doit obtenir un nouveau nom, vü que c’est une espece dont aucun au- teur avant nous n’a fait mention. Notre oiseau est de la taille du Larus fla- vipes, il a des pieds a palmures tres-grandes et larges, le tarse rabotteux et entaille a sa partie posterieure; enfin un gros bec de Goeland; son plumage differe aussi beaucoup. \ Une particularite , sur laquelle je dois encore renouveller mes observa- tions sur la nature, est l'identitE que jaai trouvee dans la forme du bec et des pieds entre vos deux Stercoraires et mon Lestris Crepidatus ; bien que le plumage de ces deux especes est ires-different, jinclinerai a considerer les vöires (A. B.) comme des mäles et le Crepidatus pourrait bien Etre la femelle, Sür est-ıl que vos Lestris sont bien ceux decrits sous Larus parasiticus et que la planche enluminde de Buffon ı62 represente fort exactement votre oiseau, aussi bien que la tab. 99. de Latham est exactement votre second in- dividu (A.) qui est seulement plus jeune, que celui a longue queue. “ Der unter C. von uns beschriebene Vogel, ist Lestris pomarinus Temm. (Manuel p. 514.) (und D, ist Lestris crepidatus.) id. p. 5ı5. Zu N’. 6. Wir haben seit der Erscheinung jenes Heftes, eine bedeutende Anzahl lebender Individuen beider Arten von Eidechsen , sowohl von L. margariiata (L. ocellata Daud) als von L. smaragdina (nobis) unter Augen gehabt, und alles, was wir dort über die Verschiedenheit beider Arten angemerkt hatten, durchaus bestätiget gefunden. Die bei Fig. 5. der zu diesem Heft gehörigen Kupfertafel abgebildete Eidechse, soll nach Hrn. Schreibers (Dir. das K. K. Nat. Cabinets in Wien) Ver- sicherung ein junges Exemplar von L. smaragdina, und zwar ım 3ten oder ım Anfange des 4ten Jahres seyn. ‚ Ich beobachte, schrieb mir dieser mein hochverehrter Freund, diese Species seit mehrern Jahren, sowohl im Freien, als zu Hause, habe sie mehrmals aus dem Ei gezogen , und gegenwärtig zwölf auffallend verschiedene Individuen, die alle nichts als Varietäten des Alters und Geschlechis sind.“ „Seps sericeus, terrestris und variegatus Laur. (Ihre Fig. 5. ist gewiss eine von beiden leiziern) sind bestimmt nichts als Altersverschiedenheiten von Seps viridis Zaur. Auch Ihre Varietät, ohne alle schwarze Punkte, scheint hieher zu gehören. “ Dieses letzte hat seine Richtigkeit, und zwar sind die ganz einfarbig - grünen schr alte Individuen. Hingegen kann ich über jene olivenbraune , schwarz gefleckte und mit zwei weissen Strichen zu beiden Seiten längs dem Rücken versehene Eidechse meinem Freunde nicht beistim- men, da ich sie eben jetzt im Laufe dieses Sommers wıeder zu beobachten und mit L. smaragdina zu vergleichen Gelegenheit hatte. Ausser den schon früher bemerkten Verschiedenheiten in dem ganzen Habitus, vornehmlich in der Form des Kopfes und der Länge des Schwanzes, unterscheidet sich diese Eidechse von der L. smaragdina auch ganz durch ihren Charakter und ihr Betragen. Während L. smaragdina bald schr zalım, freundlich und zutrau- lich wurde, blieb diese hingegen stets äusserst wild, feindselig und men- schenscheu, Auch zeigte sie sich selten, und nur auf Augenblicke, nahm fast keine Nahrung und lebte mit L. smaragdina in beständigem Kriege. Ich glaube mich daher berechtiget, sie als eigne Art anzusehen und möchte sie L. fusco - maculata nennen. 98 Inhalt des ersten Bandes. J. Säugethiere : Der Alpenhase (Zepus variabilıs.) No. 4. ER SUITE AR, ee} a rRBeTE Der Steinbock. (Capra ıbex.). Das junge Männchen und das Weibchen. No. 4. - Der alte Bock. No. 5. : . . - - Verzeichniss der in der Schweiz wildlebenden Säugethiere No. 4& . . - 11. Vögel: Der Geyeradler. (Gypaätus barbatus.) No. 7. 8. . s $ & < - Der grossköpfige Kautz. (Sirix macrocephala.) No, 8. Die Steinkrähe. (Corvus graculus.) No. 2. . s } Die Alpendohle. (Corvus pyrrhocorax.) No. 2. ER Die Felsenschwalbe. (Zirundo rupestris.) No. 10. Be ale RE Die Arktische Meve. (Zarus parasiticus L.) No. 3. 8.48. No. 12. . . -» Nachträge zu dem Verzeichnisse der schweizerischen Vögel No. 2.5.4 Nee Berichtiget sind diese Nachträge seither aufgenommen uud benutzt in Meisner und Schinz die Vögel der Schweiz, Zürich 1815. JII. Amphibien. Die smaragdgrüne Eidechse. (Zacerta smaragdina.) No. 6. 5.41. No. 42. - Die in der Schweiz lebenden Schlangen. No. 14. und 142. IV. Versteinerungen. Die in der Schweiz gefundenen Osteolithen und Odontolithen. No. 9. 10. - V. Zusätze und Berichtigungen. N’. ı2. 5 DROHEN N } Ar 97 81 64 a u _ G ZE G iS „NR daR. JTT hal I) I. LSomert del. DL Abk Ye Kontmas FE, Sr > IQ Pi 2. Das | I Litkographee ven PD lingelsnann ın Mulkarusen: F Fl NL Tu ieh LP U " Ey Pe TEE? ANEIR RREEIE N , & Ne nt nr a "u on Zn ” ae TE s u . ee S2 R “ : 2 >> Be = T: 5 2 \ ; 2 SE . - u ” - - ae >? Fr JUNK, BERLIN N.W. 5 RATHENOWER STRASSE 22.