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Das Recht ber Überfegung wird vorbehalten.

Berrn Generalmajor von Graberg

und Gemahlin

Frau Hedwig bon Graberg

im aufridjfiglter Derehrung 1 010

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Es ift das Glück ein flüchtig Ding Und mar'8 zu allen Tagen, Und jagteft bu um ber Erde 8, Du fünnteft e8 nicht erjagen! Leg lieber dich i8 Gras voll Duft Und finge deine Lieder 1110180516 aus ber blauen Luft Salt e8 auf bid) Dernieber!

G eibel.

hängen . .—! Heerenje bod)! 69۱ Hier hab’ id) Sie ja "ne Einladung fürn Excellenz!!“

Sean, ber feine, hochbewährte Kammerdiener Seiner (Srcellena, welcher e3 in den Tod Date, wenn fein thü- vingifcher, jer minderwertiger Kollege ihn vertraulich „Schängchen“ nannte, blidte vermeijenb von den Büchern, welche er foeben abjtäubte, empor, und die Falte ۷ jeinen Brauen vertiefte ۰

„Wie oft fol id) Ihnen wiederholen, Banntkeufen, daß id) bie Titulatur „Schängchen” Bajje! Ich ver- {tebe dieſes Wort nicht, e3 ilt mir unjympathifch, und ich eradjte ¢3 in Ihrem Munde defpeftierlich flingend. Gie vergejjen jtet3 von neuem, was Sie einem Mann in

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meiner Stellung jchulden. Ich Dm nicht nur der erite Rammerdiener Seiner Excellenz, ich bin auch fein Faktotum, fein Schaßmeifter, fein Sekretär, fein Vertrauter, fein Ratgeber, ich bin der Mann, welcher die Trieb: feber be8 Ganzen ift jo zu fagen das Alpha und Omega das A und das B id) bin Herr Jean Baptifte Cafimtr Sternberg verftandez vous?” Und der Sprecher richtete fid) in allerimponierendfter Poſe empor und drüdte das [pibe Kinn auf bie ۰ „Si nadierlich, mei Rutefter!” nidte Pannkeuken voll unverwiiftlider Gutmütigfeit. „Se meenen mit anderen Worden: Sie waren ejendlich Excellenz und Excellenz wäre ejendlich mischt! Trifft Sie merjchtendeelg och zu! Das alte Herrchen fam’ Cie ja gar nicht von der Stelle ohne Cie, mei beftes Schängchen! 60 e fleene3 Luderdjen wie Cie i8 och gar nicht zu entbehren im Echlojfe; Alles wiffen Se alles finnen Se alles arrangjchieren Se wie gejagt id) meente gleich am erjchten Dage, wie Se Damals in Jahre 68 zu uns aufs Schloß famen Jemerſch, Herr Echängchen balde fin fer 24 Jahre! Die Beit hat werklich ۱ alfo damals jagte ich gleich zu allen andern bm . bm. . fagt id) . . das Schängehen i8 "n Luder! Aber wiljen Ss . . amen duht mer Cie bie 24 ٤۷ werklich nid) . Sean m wohl ober übel gejchmeichelt ۰ Er faltete das Staubtuch graziös aujammen und 0 [äffig gegen die Marmorftatue einer Venus.

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ſachtechen, mei Kuteſter!! Wenn Se das Geibelchen zer— ſchlagen, ſetzt's am Ende doch 'ne Koppnuß von Ex— cellenzen —“

„Das Geibelchen? Was meinen Sie damit?“

prs gar, das wiſſen Se niht Herr Schängchen? Dorthier das nafigte Borzellanpippden meen’ ih! Das is auch ſo'n teieres Geibelchen, wo die verſtorbene Gnä— dige ſo'n Aufhebens von machte!“

„Geibel? er iſt wohl verrückt, Pannkeuken! Wie kommt er auf die verdrehte Idee, daß dieſe Venus der Dichter Geibel ſein ſoll?“ |

„Bie ich babrauf komme? Na über fo was! wenn ich frieher bei ber Gnädigen in’ Boudoir den Dhee fer- vierte, {rie fe egal: „Pannkeuken! nehmen Se fid) in Obacht! ftoßen Se mir "n Geibel nicht von der Seile!” Dadermit meente fe och fone Borzellanfigur, die auf "t vergoldeten Schtänder boftiert war, willen Ee e Männergefichte . .^

Ein unendlich verächtliches Lächeln früujelte bie Lippen Sean Baptiftes. Sein forglich frifierte8 und pomadifiertes Haupt wiegte fid) mit {hier beleidigendem leifen Zungen: Ichnalgen auf der weißen Sravatte.

„Sie meinen das Standbild des Dichters Geibel und wie mir ſcheint haben Sie feine Ahnung von unjeren flajfifden Dichten . . . Denn wenn Sie bie Venus aud) für Emanuel Geibel halten —"

„Ra heeren Se wiffen Se, Herr Schängden . . daß Sie fone Nadfräfcherchen od) noch großartig mit Bor-

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und Sunamen bediddeliert haben wollen das gommt mir Dod) nachgerade e bischen iberdrieben vor! Bd) fier meine Berjon nenne eeng wies andere, Gei- belen! w kleenes Geibelden . . . w großes Geibelchen . fo wie bie Gnädige ihre Borzellanbubbe och nannte; verjtehen Se? un Dier i8 die Einladung ibrigens.”

Herr Sternberg murmelte achjelzudend ein: „Höchft ungebildet! entfeglich ungebildet!” Dann griff er mechanijch nach der Einladung und blidte auf bie Adreffe nieder.

‚Bringen Se je lieber gleich zu Gycellengen rein, ber reidende Bote will Se umgehende Antwort haben!”

„Bu Excellenz bringen? wozu das? Hält ja nur auf!” und Sean Baptifte öffnete gelaffen das Couvert, den Inhalt der großen, wappengejchmüdten und gold- geränderten Karte zu leſen.

yom .. Dinereinladung zu morgen Mittag .. Schloß

. Herzog Hans Friedrich ... Hm. . . Abfagen ۶

miglid) . . hm... hm. .“ und der Lefer richtete fid) in feiner gelafjen beftimmten Weije empor, {ob bie Rechte über ber Bruft in den Rod und fete den einen Fuß auf dem weichen Smyrnateppich vor. „Excellenz werden die Ehre haben und 0

pod gut. Ne heeren Se Schängdhen . . fo was

. gar nicht mal fragen Dhun Ce .. na ja .. id) 98

ja immer . . Se fin e Quderchen .. e reene8 ۳ und fröhlich ſchmunzelnd machte - 71 und tappte zur Thür.

Sean Baptijte aber ließ fi) in feiner Beichäftigung

10

abjolut nicht ftören, fondern räumte in feiner forgjamen Weife den Cdjreibtijd) Seiner Excellenz, be8 ehemaligen Finanzminiſters auf, wie vor dreißig Jahren, al8 berjelbe fid) nod) im Wirbelfturm der Gefchäfte ganz und gar auf feinen getreuen Sternberg verlaffen und den Diplo- matentijd) voll hochgejtapelter Papiere, Mappen und Bro: iren bem Ordnungsfinn feines Kammerdiener3 über- laffen fonnte.

Segt lagen weder Miten nod) Brofdiiren, noch eilig aufgerifjene Briefumjchläge auf bem grünen Tuch; bie Tinte war längjt zu Staub zufammengetrodnet, bie Feder verroftet, und die Pendule, von zwei edelſteingeſchmückten Mohren getragen, tidte fo fchläfrig und müde, wie das Herg- in der Bruft ihres alten, verabjchiedeten Herrn.

Die Zeit war abgelaufen für ihn und für fie, aber Sean Baptifte wollte e8 nicht Wort haben, er räumte den Cdreibtijd) auf, einen Tag wie den anderen obwohl feine, gar feine Unordnung darauf zu {eben mar, obwohl fein Yederzug mehr aus dem Tintenfaß gejchrieben, fein einziger fefreter Brief mehr in bie braunlederne Mappe gejchoben ward. Excellenz hatte fid) ſchon lange, lange von Welt und Leben gurüdgegogen, hierher in fein itille8, einfames Schloß, welches ehemals nur die ء7٤‎ Heine Ruheinſel in bem ſtürmiſchen Lebensmeer des 858 0 1.

Freiherr von Floringhoven zählte eDemal8 zu den beiten und bevorzugteiten Mitgliedern ۰ Glückliche, erfolggejegnete Unternehmungen machten feinen

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ſtrengung foujumiert. Auch Freiherr von Floringhoven empfand bie Laft der Jahre, und bie fchnell fid) folgenden herben Schickſalsſchläge, welche feine engfte Familie Heim- ſuchten, machten ihn vor ber Beit zum lebensmüden ۰ Seine beiden einzigen Kinder fanfen vor ihm in ba8 Grab. : Der Sohn, ein blühender, zu den beiten Hoffnungen berechtigender Kavallerieoffizier, verunglüdte bet einem Mandverritt in einem Graben, über welchen das Regiment in fcharfem Galopp, eingehüllt von {ier undurchfichtigen Staubwolfen hinmwegfete. mE

Das Pferd des Leutnant? von Floringhoven 1 zu furg und brach zufammen, und nachftürzende Neiter begruben den jungen Offizier unter fid), welchen ein Huf- tritt Die Bruft zermalmte. Wenige Stunden danad) erlag der einzige Sohn des Minifters feiner 71ء‎ Verlegung.

Und juft, al8 fei das Unheil gefonunen, um nicht wieder von ber Schwelle des Haufes zu weichen, folgte bie Mutter bem Cohn durch einen ebenfo jahen ۰ Eine Herzlähmung raffte die immerhin noch rüftige, all- gemein verehrte und geliebte Frau von der Seiteihres Gatten.

Schwer gebeugt zog fich Floringhoven in längerem Urlaub von feinem anftrengenden und verantwortlichen Poften zurüd, Kraft und Erholung in dem Haufe feiner verheirateten Tochter zu juchen. Dtefelbe hatte einem Vetter Foringhoven bie Hand zum Bunde gereicht, ein feiner Zeit viel bejubeltes und von der Familie innig erfehntes Erignis, welches nun bod) einen 71

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(ecte8 und ۲۱۵۵۱۱۵۵ Kleinod, welches er bejag. Und bod) nicht fein lebtc3!

Ein Heines, rofiges Ebenbild feiner Margarete lächelte ihm durch Thränen aus der Wiege entgegen. Sein Enkel— find, ber einzige Überreft von all dem großen, bielbe- neideten ۱

Die Welt mar für ben ehemals fo ۲۵۱۱/0۵ thätigen, nimmer müden Staatsmann plößlich abgeftorben. Für wen arbeitete er noch?

Für König und Vaterland.

Er that’3, er wollte nad) wie vor fein Beftes geben und leiten, aber ba8 Haar auf feinem Haupte ward ichneeweiß, unb in feinem Innern ward e3 ebenfalls Winter.

Wenn eine Gíode einen Sprung befommen, tönt fie wohl noch, aber fie ffingt nicht mehr.

Und das Herz des alten Mannes glich einer foldjen Gode. Es flug nad) wie vor in pflidjttrenem Mühen und Arbeiten, aber was in die Welt hinaus hallte, hatte nicht mehr den guten Klang wie früher. Krieg!

Mehr denn je braucht das Vaterland frische, jugend- jtarfe Männerhände an dem Staat8ruder, der Freiherr von Floringhoven aber ift ein Greis an Leib und Geele geworden. Er fühlt e3, er fann nicht mehr in bent Sturmjchritt ber Beit mit fort. Er ut müde geworden. Soll er gehen?

Sa, er muß e3. Vor ihm liegt die furze, entjegliche Depefde, welche bie Nachricht bringt, daß feine ٣۶

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Enkelin Benedifta eine Waife geworden. Shr Vater ilt vor Meg gefallen.

Nun find fie beide ganz allein, das Kleine hilflofe Würmchen in der Wiege und er, der alte, lebensmüde Mann.

Cie darf aber nicht ganz verlaffen fein, und er darf nod) nicht fterben um 62 Kindes willen.

Da fagte er der Welt und ihrem Leben und Treiben Valet und fiedelte über in fein ſchönes, einfames Schloß Tloringhof. SSenebifta nahm er zu fid), und gleichjam, al flammere fich ba8 morje alte Lebenspflanglein an dies jungaufblühende Reis, lebte ber Minifter nur nod) den Intereſſen des Kindes, wieder jung werdend bei bem innigen Sujammenleben mit biejem frijdjen Blut.

9۲] Habe der Todesengel eingefehen, daß er bie Mitglieder ber Familie viel zu früh und voreilig abgeholt, iden er nun doppelt lange zu zögern, ben alten Herrn mit feinen Lieben zu vereinen. Der Minifter jagte oft jelbft mit wehmütigem Kopfichütteln: „Man hat mid vergefjen Droben!” Jahr um Jahr verging, immer älter, immer ftumpfer und abjtändiger ward ber alte Mann, aber er ftarb ۰

Die Vergangenheit verwijdjte fid) mehr und mehr, unb Benediftas jugendſchöne Lidhtgeftalt berf(ürte einzig fein Dafein, wie eine liebe, goldige Sonne, in deren Glanz fid) fein füble8 Herz wärmte und erquidte.

Nun dachte er nicht mehr an Sterben und Scheiden. Er lebte fo {til unb behaglich in feinem Schloffe dahin, ber gute Sean Baptifte jorgte für alles, und ۵

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lächelte wie ber junge Frühling; wenn fie fang, lauſchte er mit gejalteten Händen, al8 fehe er den Himmel offen, und wenn fie Grofoüterdjem liebfojenb um etwas bat, dann hätte eher das ganze Weltall aus den Fugen brechen mögen, ehe er dem Liebling etwas abjdjlug. |

Und bie junge Barone wuchs immer fehöner und impojanter heran, und Sean Baptifte erflärte eines Schönen Tages: „Nun ijt das Kind groß geworden, Excellenz, mit den Gouvernanten taugt'8 nicht mehr, bie lebte ijt vor acht Tagen abgereijt, jebt muß eine Dame in das Schloß, welche unjere junge Gnädige in bie Welt führt!”

Der Minifter ſchaute verblüfft mit feinen matten, ausdrudzlofen Augen auf. „Aber Sean dazu bin ich ja nod) da!”

„Da3 halten (rcelleng nicht mehr aus.”

Der alte Herr wiegte ärgerlich das Haupt mit ben ipärlichen weißen 1.

„Barum fol id) e3 nicht mehr aushalten? ch habe mehr auf diefen jchwachen Schultern zu tragen, al8 ein paar Schlaflofe Ballnächte!” |

Sean Baptijte jah ftreng aus; fein hageres Geficht mit den intelligenten Augen unter den weißbuſchigen Brauen {chien aus Stein gemeißelt.

„Bei ein paar Nächten allein bleibt e3 nicht, Excellenz; das gnübige Fräulein muß regelrecht ausgeführt werden, und dahin wo {olde junge, behende Füßchen [pringen, fónnen wir Grauföpfe nicht mit. Wenn Güjte Hierher zu und fommen, müflen fid) Excellenz felbjtverjtändlich

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zeigen, denn das erfordert bie NRepräfentation und Nepu: tation, und wenn ein Diner in der Nachbarſchaft ab- gehalten wird, bei Standesperfonen oder hohem Adel, dann miiffen Excellenz auch hin, dag find wir ber eigenen Stellung und bem guten Namen ſchuldig. Da werden feine übermäßigen Anforderungen an yo. Excellenz ۰ Eſſen, trinten, Täßchen Kaffee, und dann bin id) (jon wieder zur Stelle und melde den Wagen.”

Freiherr von Floringhoven nidte apathifch vor fid) Hin. Seine angeregte Stimmung bielt nie mehr lange an und machte bald einer wortfargen Stumpfheit wieder ۰: „Sut, gut ganz wie du meint, Sean. Was für das Kind notwendig ift, muß felbftverftändlich gefchehen. Nichte e8 nur alles ein."

„Und bie Reprafentationsdame, (xcellena 2“

Der Minifter ftarrte nachdenklich vor fid) Din. Wie hilfeflehend fchlang er die welfen Hände ineinander. „Sa, bu lieber Gott! ich weiß feine, gar feine."

„Ich werde mit Baronefje fpreden und dann fahren wir zufammen zur Frau Gräfin Borken nach Kerptow hinüber, e8 wäre gut, wenn eine Dame, wie die Frau Gräfin, bieje Angelegenheit in die Hand nähme!”

Wie erlöft atmete ber alte Herr auf: „Gut . . . febr gut. . . Du weißt bod) immer Nat, Jean . . . und nun

nun lie mir nochmal den Heitungsartifel über bie neuen Bollgefege vor, lieber Sean! ... ich habe das vor- hin doch nicht fo gang erfaßt —“

„Darf id) zuvor noch melden, Excellenz, daß wir fo-

N.v. Eſchſtruth, IN. Rom. u. Nov., Stern des Glüds I. 2

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eben eine Einladung zum Jagddiner erhalten haben. Morgen mittag fünf Uhr im Jagdſchloß Wltenfahre.”

Sloringhoven hörte nur mit halbem Obre. „So, fo . . . zu wem denn?” fragte er gleichgültig, feine Pelz- Dee {efter um die Knie ziehend.

Bu bem Herrn Herzog Hans Friedrich, Königliche Ho- heit. Hochderjelbe hat wieder für vierzehn Tage Aufent- halt in Altenfähre genommen, um, wie alljährlich, bie Sauhatzen in den königlichen Forften abzuhalten.”

Go, fo... unb bu meinft, Jean .. . daß ich zu: fagen muß.”

„Fraglos, Excellenz; das erfordert ber Reſpekt und unfere Achtung vor uns ۳

yom... Dm .. Du weißt ja Beicheid Jean. Wer kommt denn ba?"

„Ich bin’3 Excellenz, bringe eine Taffe Bouillon. Bei dem falten Wetter {t8 zu brauchen.”

yom, bm, bie Jungfer Riehen! .. gut... febr {in . . . ah fo etwas Warmes thut gut.

Die alte Haushalterin rührte forgli in der großen, filbernen Taffe und fijdjte nod) ein Ichtes Fettauge ab. Ihre Kleine, zufammengefchrumpfte Geftalt trug ein winziges Stöpfchen, welches eine riefige Haube umrahmte. Silber- weiße Haarjträhne lagen glatt an den eingefunfenen Schläfen, und bie gab([ojen Runen und Fältchen in der pergamentfarbenen Haut ließen auf eine hohe Zahl 0 wollte man das Alter der Jungfer Niefchen angeben.

Dennoch war fie rüftig, flinf und behende wie ein

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machte unb Sean in den Zeitungen jtöberte, öffnete fid) die Thür abermals. `

Cin uraltes Männchen in der Uniform ber Leibjäger 110112 auf der Schwelle.

„Wollte gehorjamft anfragen, ob Excellenz bei diefem Schneejturm befehlen fpagieren zu fahren?”

„Rein, Konrad... . e8 ift bitterfalt. Solches Wetter taugt nicht für ung alte Garde.”

„Befehl Excellenz.” |

Wunderlich in dem behaglichen „Arbeit3”zimmer des ehemaligen Miniſters trafen fid) in diejem Augenblic ein paar Jahrhunderte zufammen.

Bier Menjchen mit weißem Haar, alte, greijenhaft alte Menſchen, und die, welche in Küche und Keller zu ihnen gehörten, waren nicht viel jünger, waren alle Über- bleibfel aus fchöner, vergangener Beit, treuer, 7 Cpheu von Fleiſch und Blut, welcher unlöglich mit Schloß Sloringhof verwachſen war.

Was Wunder, wenn die heitere, jugendliche Außenwelt ihre Betrachtungen darüber anftellte, und feherzweife nicht vom Schloß Floringhof fondern von dem „Petrefakten— hof“ ۵۰

Verfteinert und verfnichert!

Co unrecht Hatten die Schelmenzungen nicht. Das ganze Schloß, mit allem was drinnen war, glih trot feiner tadellos ſtolzen Mauern doch nur einer Ruine, in welcher verfteinerte, uralte Ziele Daujten, wie die Bewohner jener Gefpenfterburg, welche um Mitternacht von ihren Marmor:

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poftamenten niederfteigen und als fteinerne Güfte burd) bie Hallen fchreiten.

Sa, Floringhof war ein Trümmerhaufen wandelnder Grabdenfmäler, und Benedifta das einzig neue Leben, welches biejer Ruine entiproß, und dennoch gab e3 fein gemütlicheres, fröhlicheres Völkchen wie diefe „Petrefakten“ im Hofitaate be8 alten Miniſters.

Der Schnee wirbelte durch bie falte Winterluft, höher und höher bedte er die froftitarre Erde, und ber Nord- Wind DT um bie Türme und Giebelchen, al8 ärgere er fid) des rofigen Lebens hinter den hohen Spiegeljcheiben, welches er trog all feines Grimmes nod) nicht hatte zu Tode frieren ۰

SHm zum Hohne Halten und fchallten bie jugendfrifchen Stimmen durch das hohe Gemach, und je glüdjeliger bie Frühlings- und Licbeslteder zu ihm herausjubelten, je zorniger rüttelte er an dem Turmbau, ale wolle der König Winter bie Holden Melodien gerjeben, welche das 7٤6 Regiment des Lenzes priejen.

Wo das Feuer im Kamin lodert und die altmobifche,

aber fo[tbare unb geſchmackvolle Pracht des Turmzimmers fich in traulide Wärme hüllt, jak Baroneß Benedifta am Flügel, mit freudeitrahlenden Augen von ihrer ۰ würdigen, jungen Lehrerin zu lernen. ... Cie fangen, Duett, Solis, Lieder und Arien, alles, ۱۵۵۵ bie ımerfchöpfiiche Notenmappe ber Marga Daja zu Tage förderte.

„Marga Daja” Stand in goldenen Lettern auf der rot-

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juchtenen, febr eleganten Mufifmappe gebrudt, und bie Trägerin bieje8 abjonderlichen Namens lehnte, ebenfo ab- fonderlich und geſchmackvoll anzufchauen, neben bem Inſtru— ment, juft eine neue Arie leidenjchaftlichen Empfinden3 in Die winterliche, tief verjchneite Ginjamfeit hinaus zu jubeln.

Marga Daja war ein Rätfel, feine Wuflijung Hich Margarete Dallberg. Aber die Welt kannte diefe 8 nicht, fie wußte nur von einer Marga Daja, deren Namen fie mit befonderer Freude in ber Nelidenz auf dem Theater: zettel lad, vorerft nur hinter ben fleineren Neben: rollen, denn Marga Daja war eine Anfängerin, eine junge Sängerin, welche e8 nur der Proteftion des ehemaligen Minifters Floringhoven berbantte, daß fie thr erſtes ۶ gagement bereits an der Hofoper gefunden.

Die frijdje, ffangbolle Stimme ber jungen Sängerin entzücdte ba8 Publikum ebenjo jer, wie ihre äußerſt an- mutige, gragibje unb madonnenhafte Schönheit, deren ۶ ziger Kehler e8 war, daß fie nicht recht gu bem über- mütigen Pagen- und Soubrettenrollen voll Pilanterie und Schalk paffen wollte, welche nun bod) das Repertoir ein- fidt3lo3 der Stimme ber Künftlerin zufchrieb. -

Marga Daja mar bie Verförperung Iyrijcher Zartheit und poefievoller Schwärmerei.

Shre Heine, elfenhajte Geftalt [d)mebte wie ein Hauch durch das Leben, und die großen lichtblauen Augen blidten fo verflärt und ,überirbijd)^ aus bem blaffen Gefichtchen, wie bei einem fraufen Kind, welchem man liebe Märchen erzählt.

. Goldblond lodten jid) die Haare um das Köpfchen, mit Vorliebe offen unb lang niederwallend getragen, mit den weißen Kleidern harmonierend, welche Marga Daja, voll etgenartigen Geſchmacks, ftet3 in der Babyfagon einer Bettina von Arnim trug.

Wud) in der Künftlerwelt der Nefidenz wurde fie nur ,ba8 Kind!”, genannt und ihr findlicher Sauber fand viel Anbetung, wie aud) eines ihrer mett ausgestellten Bilder Durch feine rührende Naivetät Auffehen erregte.! |

($8 zeigte Das lodenummallte Köpfchen mit den großen, träumerifch zum Himmel blidenden Augen, das weiche Kinn auf bie gefalteten Hände geftügt! Cine berücende Mignon eine undenfbare Sufanne ein geradezu unmigliches „luſtiges Weib von Windfor!” Dic Zahl ber für fie geeigneten Opernpartien blieb Klein, und bae war ein großer Stein im Wege ihrer Bühnen: carriere. |

Margarete Dallberg war die Nichte Des ۵ von ۰

Jahrelang verlebte fie, eine Waije, all ihre Ferien und die |pátere Urlaubzeit bei den Verwandten, und da Die Jugend fid) noch fchneller und widerſtandsloſer anzieht als Gijen und Magnet, fo Hatten jid) bie beiden einzig jungen Lebewefen des Schlofjes fchnell gefunden, burd) gemeinjame Gejangjtudien den Grund für eine treue unb aufrichtige Zuneigung und Freundfchaft legend.

Keine größeren Gegenſätze fonnte man verkörpert 1 als in diefen beiden ۰

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Marga Dajas ſylphenhaftes Figürchen verſchwand neben der wundervollen, junoniſch ſtolzen Erſcheinung Benediktas. Stolz, ſelbſtbewußt, vom Scheitel bis zur Sohle die diſtinguiert vornehme Geſtalt der Ariſtokratin, überragte Baroneſſe Floringhoven „das Kind“, wie eine Edeltanne über das ſchmiegſame Schilf emporwächſt.

Ihr ſchönes, regelmäßiges Antlitz kannte keinen Mus- druck ſchwärmeriſcher Sentimentalität, im Gegenteil, ein Zug herber Reſignation ließ es älter als gerechtfertigt erſcheinen. Große, leuchtend ſchwarze Augen, unvergeß— lich jedem, der hineingeſchaut, belebten als größte und auffallendſte Schönheit das zartfarbene Anlitz, und wenn man vor Benedikta von Floringhoven ſtand, und ließ den Blid über die ſchlanke Geſtalt in dem dunklen Trauer: gewand gleiten, jo jchlich ein Gefühl ehrfurchtsvoller Be- wunderung in das Herz, wie e3 empfindjame Seelen bei dem Anblid einer geliebten und idealifierten Pringeffin oder Königin empfinden.

Gleich wie bei jenen, lag auch in ber Erjcheinung des jungen Mädchen eine Hobheitsvolle Würde, ۷۶۷ nie ihre Wirfung auf bie Umgebung verfehlte. Eine un- bewußte Hoheit, eine ahnungsloſe Würde. Cie prägte fich ungefucht und ungeübt in jeder Bewegung ۰

Marga Daja Hatte oft gefeufgt: „Was gäbe id) barum, könnte ich ein einziges Mal jo über die Bühne jchreiten, wie Sie tagtäglich und ftündlih burd) Schloß und Barf gehen, könnte ich meine Hände bewegen wie Ciel könnte id) das Haupt fo königlich auf bem

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Naden tragen, wie Barone! Wie machen Sie ba8? Lehren Sie e8 mich!”

Aber e8 ließ fid) nicht lehren, c8 lag im Blut, 8 war ein angeborene8 „Genie be8 Vornehmen”, welches jo unbewußt zu Tage tritt und eine Berjon durch 8 Leben geleitet, wie der Blumenduft, als nie Fünftlich zu erwerbende Gottesgabe, dem Blütenkelche der Königin Rofe anhaftet.

Marga Daja fang, fang mit ftrahlenden Mugen und Derzaufgquellender Innigkeit bie Arie aus der Gazza Cadra:

„Bas id) oft im Traume fab Wird nun in Erfüllung geb'n, Vater und Geliebter nab, Himmelstochter Wiederjehn! Hold wie das Morgenlicht Lächelt bie Ferne.

Glüdlidje Sterne

Täufchet mich ٦“

Nachdenklich glitten bie fchlanfen Finger Benediftas von den Taften, ihr großer, ernjter Blick haftete wie iu fragendem Staunen auf der Sängerin.

„Dieſe Arie würde id) niemals, aud) nur annähernd fo fingen fónnen wie Sie, liebe ۳

Überrajcht ließ bie jo jählings Unterbrochene dag Noten- blatt finfen: „So! unb warum nicht?“

Cine Derbe Falte ſenkte fid) um Benediftas Lippen. „Beil id) nie ber Zukunft derart zujubeln, weil ich nie an ein Glick glauben könnte, welches fie mir zu bringen verimöchte !”

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„Und was deucht Ihnen bie ۲۵۵9۲۶ °7

„Die Liebe! bie echte, durch nichts beeinflußte, große, heilige Liebe!” Benedifta preBte wie in jäher Leidenschaft bie Hände gegen die Bruft „und or: rade ba8 was Gie mir foeben al8 Glick auslegen wollten, ,,fug und reich genug” da3 wird zur Klippe werden, an welchem das einzige Schifflein fcheitert, wel- ches mid) in ein irbijd)e8 Paradies zu bringen ver- möchte!”

„Ich ver|tebe Sie nicht, Sie liebe 11

Marga Daja gog fid) ein Heines Tabouret Herzu und ließ fid) an der Sprecherin Seite nieder, ihre Hände mit innigem Drud zu umfchliegen. Forſchend blidte fie in das ſchöne 9[ntli& empor, welches fie mit den leije zuckenden Lippen noch nie jo erregt gefehen hatte wie in diefer Stunde. „Haben Cie etwa eine unglüdlidje Liebe, 7 flüfterte fie ۰

Sräulein von Floringhoven jchüttelte beinahe heftig das Haupt. „Noch nicht!” ſtieß fie fura. hervor.

Marga lachte. „Mein Gott, das Elingt ja, als hätten Sie fid) gang bejtimmt und erpreB eine folche für bie Buz ۸۱۱۱۶ ۳

po nein. Aber bie dreizehnte ee erjcheint zumeift ungerufen, um Gcvatterin bei einem armen 111118 zu 1٦601.“

„Benedikta! welch unbegreifliches Schwarzjehen! Ohne Grund und Urjache kommt man nicht auf fo 8۳۶ Gedanken! Wie Tonnen Cie Sie die alles befikt,

30

was Mänmerherzen entzüct und gewinnt, derartige Hirn- geſpinſte nähren!”

„Ich habe alles! ganz recht, ich habe zu viel!”

„Ein Überfchuß ift nie ein Übel!“

‚sn mandem Sinne doch.”

„Beweiſe! Sch verlange Beweife.”

„Ich bin reid), Gott fet e8 geflagt!”

„sh bin arm, Gott fet e8 noch ۱۱۵9۲ ۳

Benedifta lächelte. „Nicht bie Beweiſe unterbrechen, jon|t werden fie in ber Knoſpe erftidt.”

„Ich bin ganz und gar jd)meigenbe 16

„Ich bin reih! Wiffen Sie nicht, Marga, daß bie reichſten Mädchen im Grunde genommen bie Ärmſten find? Xd) Babe e3 erfahren. Bergangenen Sommer nahm mich Gräfin Borken mit nach Norderney. Bd) war anfangs wenig beachtet, während einer erften Brivatreunion tangte ich fo gut mie gar niht. „Es ift Herrenmangel, wir find noch gar nicht befannt im der Geſellſchaft“, tröftete mid) die Gräfin, ich, bie feines Troſtes bedurfte, denn ich ver- langte nicht nad) Tänzern und amiifierte mich jeher gut mit den älteren Herren, welche e3 nicht an ۱ feiten fehlen ließen. Wenige Tage darauf war id) ber umlagerte, angejchwärmte, ausgezeichnete Anziehungspunft für bie Herrenwelt. Sch begriff biejen Wechfel nicht, aber id) freute mich all ber Artigfeiten, welche man mir erwies. Die Gräfin forfdjte eifrig, welcher meiner Verehrer mir am beften gefalle, welcher die meisten Chancen habe? Reiner; folte e8 vielleicht mit ber Rett fid) ändern, war wohl

ein junger GutSbefiger ber fympathifdfte, in deffen Augen ich mehr, viel, viel mehr aufrichtige Gefühle zu leſen glaubte, wie in denen der anderen Herren.

war eine köſtliche Mondſcheinnacht. Sehr fpat noch begleitete id) bie Gräfin an die Dünen. Im Schatten eines Ctranbforbe8 jaßen wir, jdjmeigjam Die wunderbare Schönheit be8 lichtbeglänzten Meeres genießend. Schritte, lautes, weinfeliges Sprechen. : „Nein, nein, cher père fannft Gift drauf nehmen! Bch bin meiner Gade ganz gewiß! Die Kleine ift ja auf Brautidau Hierher geführt . . . haha . . Kein Menſch ahnte an- fangs, daß Hinter der ſtolzen Juno ein dufatenfunfeluder Kometenfchweif raujdje aber die alte Borken flüfterte jelber ein paar alten Herren in ba3 Ohr, daß Benedifta die Erbin des alten Floringhoven ijt. Na das Wett: rennen, welche nun begann: Jeder wollte natürlich der zu biejer Juno gehörige Beu? werden, und da man in Diejer Beziehung zum Heiden wurde und die Mythologie zur Modercligion machte, florierte ber Tanz um dag goldene Kalb in einer Art unb Weife, welche den Kampf um den Sieg verteufelt heiß ۳۵

„Smpörend! Wer fonnte e8 wagen, derart frivol und herzlo8 zu reden, Benedifta ?”

„Wer? id) fab feine elegante Geftalt Scharf gegen den Himmel abgezeichnet, ich erfannte jede Linie feines hübfchen, jonjt fo ganz anders breinjdjauenben Gefichtes, und ich merfte e8 auch an dem jähen Zufammenzuden der Gräfin, daß fie genau wußte, wer der Sprecher mar.

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‚Ma, Daun in Gottes Namen los, lieber Junge! Wenn bu glaubjt, Chancen zu haben, wäre ja diefe Verbindung eine leiblich pajjenbe Partie für bid). Vor allen Dingen vergaloppiere bid) aber nicht, fondern ziehe noch einmal genaue (rfunbigungen über die Höhe ihres Vermögens ein. Wenn bu um biejer Erbin Willen Alice vergefjen und aus Vernunftsgründen eine Konvenienzehe eingehen milit, muß wenigften3 eine {ebr glänzende Mitgift Das Opfer aufwiegen. Dein altes Familiengut vor dem Ruin zu retten, ijt immerhin feine Bagatelle. Man fagt aber Benedikta fei nebenbei recht ۳

„gm... etwas froftige Schönheit, mehr Statue wie Qyleijd) und Blut. Man liebt ba8 im allgemeinen nicht febr an bem Ewig-Weiblichen. Mber . . . ein paar hunderttaujend Thalerjcheine beden ja manches zu... .”

Die Stimmen entfernten fid) langjam und die einzelnen Worte wurden von der jtürfer anjdjmellenben Meeres: brandung übertönt. (8 ward fti, ſehr, jehr {till am Strande. Thränen rinnen lautlos, und ein Herz ver- blutet unhörbar an fold) moralijdjem Todesſtoß. End: lich erhob fid) die Gräfin, legte jählings den Arm um mid) und flüfterte erbittert: , 9(rme8, beflagenswertes Rind! Sc denfe, jener Freier wird fid) einen Korb bei bir holen!”

„Er wird nicht Dazu fommen, angubalten!” ant- wortete ich.

Die Sterne funfelten über ung, wie Mugen der Liebe, welche zornig aufbligen, weil man einem Herzen wehe ge:

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than, und bad Meer raufchte näher und näher, lodenb und jchmeichlerijch feine weißen Wellenarme nad mir ausbreitend, al8 wollte e8 fagen: „Komm herab zu mir, bu armes, reiches Kind, Detten Geld ja bod) für ewig der Liebe den Weg zu deinen Herzen ۷۳۷ wird! |

„O, Benedifta, weld) unglüdliher Wahn! Weil ein Einziger fein frevles, felbftfüchtiges Spiel mit 301:11 ge- trieben, wollen Sie an dem Olid Bhrer ganzen Zukunft verzagen? Nod) hat Ihnen bie Liebe ja durchaus feine Wunde gefehlagen, oder... oder —" die Stimme Margas janf zu bangem Flijterlaut herab „oder liebten Sie jenen Faljchen etwa bod) ?^

Barone Floringhoven lehnte das Schöne Haupt zurück und ftarrte mit weit offenen Augen in den wirbelnden Schnee hinaus. ‚Nein, id) liebte ihn nicht, Gott jet Lob und Dant dafür!” antwortete fie mit fefter Stimme; „ich werde mich überhaupt nicht langjam allmählich ... nad) und nach in einen Mann verlieben, niemal3. Das nenne id) überhaupt feine Liebe, dad ift lediglich ein , fid) an einander gewöhnen.” Sollte aber der Liebe wahrer, heiliger Götterfunfen jemals in mein Herz fallen, fo ift’s ein Blig, ſchnell, ungeahnt, plóplid), wie ein Stern jähling3 erftrahlend die Wolfen durchbricht, der Stern des Olid! Ein einziger Blid, ein einziges tiefes ٣ in dem Antlig des Betreffenden und mein Herz wird aufflammen in einer Liebe, welche über Beit und Ewigfeit

währt. Sch ahne das und ich fürchte mich davor. Nv. Cf hftruth, I. Rom. u. Nov. Stern des Glüds I. 3

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Glücklich fann und wird eine folche Liebe niemals fein, jede Regung der Vernunft fpricht Dagegen.”

Marga nidte betroffen! „Sch würde e8 voenigiten8 auch für äußerſt gefährlich und risfant halten, fid) lediglich in ein {chines Glefidjt in bie trügerijche Enveloppe einer vielleicht febr wenig edlen Seele zu verlieben!”

Benedikta wandte jahlings das Haupt, ein flammender Blick fenfte fid) in der Sprecherin Auge. Dann lächelte fie, ein beinahe jchmerzliche8 Lächeln. „Sich für ein ichönes Geficht begeiltern ja, das fann man; fid) in das ſchöne Geficht einer fremden Perjon verlieben dag fann man meiner Anficht nad) niht. Sie haben mid) mißverjtanden, liebe Marga. Eine folch finnlofe Schwär- merin vermuten Sie wohl felber nicht in mir. Schönheit oder äußere Vorzüge würden mein Herz niemal3 allein gewinnen, wenn nicht jenes gewilje, namenlofe, wie erklärte Etwas damit verbunden wäre, welches mir fympathijd, jo jympathifch fein würde, daß e8 beim erjten Sehen mein ganzes Sd) zu eigen nehmen könnte, das muß fo viel Tiefinneres ausdrüden, daß man alles, vielleicht das häß- fidjite Außere, darüber vergißt. Der Ausdrud eines Ge- fits würde diefe geheimnisvolle Gewalt auf mid) ۶ üben ein Ausdrud, welcher fid) nicht mit Worten bejchreiben läßt. Er wird mein Verhängnis fein und weil id) Fataliftin bin und daran glaube, fürchte id) mich davor, ihn in einem Menjchengeficht zu jchauen.”

„Benn e3 ber liebe Gott verhütet, daß e5 ۱08 8 eines verheirateten Mannes oder eines folden ijt, welcher

durch unüberwindliche Hinderniffe anderer Art von Ihnen gejchieden fein müßte, jo wäre wohl der Augenblid eines folder Begegnen3 der Anfang und Inbegriff alles Glückes für Sie! Wunderlich wie verjchieden wir Mädchen bod) beanlagt find. Als ich meinen Herzliebiten zuerst ſah ...“

„Marga!!“ l

Die Sprecherin verjtummte jah erfdroden und fprang empor, ihr heiß erglühendes Gefichtchen abzuwenden. Benedifta aber ergriff jtürmijch ihre beiden Hände und erzwang fid) mit einem ftrahlenden Lächeln einen Blid in bie ausweichenden Blauaugen.

„Da3 nenne id) Verrat an fih felber!” jubelte fie. „Marga! liebe Marga nun laffen Sie mid bitte alles wiſſen!“

Die junge Sängerin ftrich tief aufatmend die 1 aug dem heißen 9(ntlig. Sie lachte auf wie ein eigen- finniges und doch glüdjeliges Kind. „Gewiß folen Sie e3 willen, Benedifta! wenn Sie mid) nur banad) fragen wollen! Wie er heißt? Roman Ermönyi! Was er ijt? Romponift einer vielgenannten Oper! Ob ich ihn liebe? Nachdem id) ihn hate biz auf Gift und Dold) nahdem ich ihm am liebjten die Augen ausgefraßt, bie ſchwarzen Loden einzeln ausgerauft hätte ja ba liebte ich ihn قاط‎ zur Naferei. Ob er mich wieder liebt? Er thut fo. Gr ſchwört 68. Er überfchüttet mid) mit Blumen, er fügt meine Füße er ijt wie von Sinnen. Nod) eine Oper will er jchreiben, die Titel: rolle für mi), und dann heiraten wir. Er fagt

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Pannkeuken liebte bie Mufif und die Jugend, und wenn fein Blid, wonneglingend, von einem ber jungen Mädchen zu dem anderen hinübereilte, dann bejchlich ihn 8 baéjelbe Gefühl wie einjt den Dichter Heinrich Heine, auch er. erachtete fid) gleich bem Eſel zwilchen zwei Heubündeln.

Heute deuchte ihm die Baroneß bei weiten fchöner, morgen thaten e3 thm Margas ſchwärmeriſche Augen wiederum an; in Diefem Wugenblic hätte er, ohne zu zaudern, die Palme des Sieges nur Benedifta überreicht, um fie im nüdjjten Moment ber Clfengeftalt im weißen Kinder- Hleidchen zu Füßen zu legen. Pannkeukens Haar war aud) ſchon grau, wie fid) bas für einen Bedienteten des Schlofjes Sloringhof gehörte, aber unter ber Afche feines 8 glühte dennoch ein unter, welchen die Beit noch nicht zu löfchen vermochte.

Mit breitem Schmunzeln, langjam, fehr langfam durch: maß der Alte den Salon, um fid) möglichit lange an dem Kaminfeuer (djajfet zu mader. Die beiden Rinderchen fangen derweil jo fchön, daß thm das Herz lachte, und weil SBannfeufen nebenbei noch eine Beftellung auszurichten hatte, jo verweilte er jo lange vor dem Feuer, bi 8 „hibſche Stickchen“ fertig gelungen war.

„Heizen Ste tüchtig ein, Alterchen ^ minfte ihm Marga luftig zu, „damit fid) unfere Seele, welche wir in ben Liedern aushauchen, feinen Schnupfen Holt!”

Pannfeufen grinfte: „Jemerſch! das wäre e Schlechter Spaß! Nachher miiffen be Dämchen aber bidjtig Db-

acht geben, daß Bede och ihre richtige Seele wieder ers wijdt, wenn Se fe wieder einfangen 7

„Haha! vielleicht wäre e3 ganz dienlich, wenn Baronef einmal mit mir austaufchen wollte —“ lachte Marga mit nedijchem Seitenblid: „Der meinen find rofige Schwingen gewachjen, welche voll freudiger Zuverficht in lachende wernen hinaugjtreben, Benediftas Seele aber ijt vor- läufig noh „matt wie 2uije8 Limonade”, fie wagt feinen glüdfeligen Aufflug, fondern bindet fich felber ihre ſchillern— ben SFlügelchen mit Trauerflor.” l |

Pannkeuken ftarrte die Sprecherin voll freundlicher Neugierde an: „Wie meenen Se denn da3 ejendlich, 1 Dallberg? Das habe ih Sie nämlich ganz und gar nicht gapiert!”

„Ich muß hinaus! id) muß zu Dir!“ trällerte Marga mit ausgebreiteten Armen.

„u eben! das wollte id) Sie nämlich och grade ben gnädigen Freileinchen vorjdlagen! Konrad ließ nämlich geborjam|t anfragen obr vielleicht e bischen mitn Schlitten fomm’ folte? Dorthier in’ königlichen 7٤4 i8 Sie nämlich heit ne’ Gaujagd . . . und ba meente Konrad, mür'8 für bie jungen Dämchen bod) febr Hibich, menn fe bie Reiterjd) in den roten Röcken vorbeireiten jehn!”

„Richtig! Herzog Hans Friedrich hält in Altenfähre die Sagden ۳

„Es follen viele auswärtige Gäfte ba fein, verfchiedene Prinzen und Fürſtlichkeiten!“

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„Es wäre jehr nett, fünnten wir ۵۳6 ۱ vorüber reiten jehen! Würde Ihnen Vergnügen machen, liebe Marga?”

„Fraglos! ich jah im Leben nod) feine Jäger zu Pferd!”

„Weiß Konrad, nad) welcher Gegend jid) bie Jagd hinziehen wird, ۲۳

„Na aber nadierlich! Heite jagen ſe auf'n Dohlen— kamp bis nunter nach'n Pfaffengraben! Wenn mer mit'n Schlitten fo facht chen bis an’ Kulm fahren, ſehen mer'ſche grad über de Hude reiten!“ |

„And das Wetter ijt herrlich! Ein wenig Schnee er- höht bie Poefie !”

„Buddeln Ce fid) aber bidjt'g ein, gnädge Freilein3! و6‎ geht (Seuen bod) ludermäß’gt falt an de Beene, wenn mer jo e Weilchen in Schnee romlatjcht!”

„Selbitredend, Bannfeufen! Wir wideln unà in Watte!”

„Am Ende ohn Tichelden um de Ohren? unne DeeBe Flaſche in’ ۳

„Eine Wärmflafche? Hahaha! Wenn wir fünfzig Sabre älter ۱1:۱۵, ۳۵

„Schnickſchnack, Baroneßchen! De Jugend muß od un erjdjt recht hibſch warm in’ Neſte figen! Na pas wol’ mer allen3 fon herrichten! Un’ wie wärfch denn mit Gummijchiechen 2“

„Seroiß, gewiß! Wir wideln uns dreifad) in Flanell! Cilen Sie fid) nur, 9[(terd)en, und laffen Sie Konrad rechtzeitig anfpannen, damit wir aud) etwas von der Jagd zu fehen ۳

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„Nadierlich! ich jpute mich ja reene wie ۳ verficherte Bannfeufen in feiner unverwüftlichen Gut: mütigfeit und fchlurrte [angjam, ganz langjam Durch ba8 Bimmer zurüd, biemeil die beiden jungen Damen eilig die Noten zujammenpadten und den Flügel |djlojjen.

Marga war wieder völlig „das Kind!” 16 in die Hände und freute fid) mit einer Naivetät, von welcher die Refidenzler behaupteten: fie fei bei einer Bühnen jangerin bod) etwas allzu felten, um echt zu ۱

Cie war aber dennoch echt. Benedifta fannte Die Freundin feit Jahren bereits, fannte fie in einem Alter, wo jegliches Kofettieren dem einfachen Landfind noch ein abjolut unbefannter Begriff war. Marga würde niemals Sängerin geworden fein, wenn ihre Mittellofigkeit fie nicht gezwungen hätte, einen Beruf zu ergreifen, wenn ihr {er mujifalijdjer Vormund und Onkel nicht bie ent- züdende Stimme erfannt und ihren Wert gejchäßt hätte. Daß Marga fid) gern ein wenig abjonderlid) nad) bem vergilbten Gefchmad einer Bettina fletdete, war eine harm- loje Schmwärmerei, welche auf einem Koſtümfeſt den Anfang genommen, unb von den jenjationzluftigen Verehrern und Freunden ber jungen Künjtlerin eifrig tultiviert worden par. Margas Eigenart forderte ganz unwillfürlich zu einem originellen Relief für ihr Zielen heraus, und in einer Welt, wo fo viel Unnatur, fo viel Schein und Re- flame vorherrjcht, in einer Welt der Launen, Capricen und Schminke war e3 vergethlid), wenn das nod) jo junge Mädchen unwillfiirlid) in ein Fahrwaſſer gedrängt

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wurde, auf welchem bie meiften ihrer Kolleginnen ber Gunjt und dem brennenden Interejje des Bublifums ent- gegen jchwammen.

Cine betagte Sängerin verficherte der Anfängerin voll wohlgemeinten Cpotte8: „Die Leute find viel zu engherzig, gleichgültig ober neidijch, um felber aus einem $ünjtler etwas Belonderes zu machen! Man ijt in der Welt nur das, wozu man fid) jelber macht. Das All: tägliche reizt nicht; ein Künftler ijt ein Ausnahmemenfch und fol ba8 beweijen. Der Begriff ‚Genialität‘ ver- bindet in den Augen der meisten Menjchen eine gewilfe Berrücdtheit. Etwas nie Dagewefenes, nie Gejchautes, Grengenlofes und ſcharf in bie Augen Stechendes ijt bie Außenjeite des Genius für bie Allgemeinheit. Gie mögen fingen wie ein Engel, Sie mögen ausfehen wie eine Venus wenn Cie aber während Ihrer Muhe- ftundDen im grauen Regenmantel jpagierem gehen, ober daheim figen, fochen und Strümpfe ftopfen wird bie Welt gleichgültig über Sie hinwegſehen und hören, die große Menge wenigstens, welche Das Renommee der Künstler ausmacht. Und Sie mögen häßlich fein und nur gerade fo viel Klang auf den Lippen haben, daß man Cie nicht au83ijdjt und Cie verftehen e3, 6 PVersönlichkeit mit einem interefjanten Nimbus zu umgeben, werden Cie aufjteigen wie mit Adlerſchwingen, Hoch, ſehr Hoch, bejto höher, je vollfommener Sie die Welt verblüffen und fascinieren können!“

Und diefe moderne Priefterin des Erfolges hatte nicht

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umjonft in bie unfdhuldsvollen Kleinen Ohren ber An- fängerin die Saat ihrer Lehre geftreut.

Marga blieb ein gutes, unverdorbenes Gemüt, über welchem treue Augen maten, fie blieb das „Kind“, welches fie ftet3 gewejen, aber fie blieb e8 nicht nur innerlich, jondern ward e8 auch äußerlich, fo daß bie Welt e8 aud) ohne Studium ihres Herzens und ihrer Seele erfannte an ber Façon!

Und man jubelte dem Kind zu, applaudierte ber Bettina rediviva, und mand eitle8 Dichterhirn träumte von dem originellen Aufjehen, welches e8 machen würde, wenn diefe neue Bettina einen neuen Goethe finden würde.

Aber Marga Daja hatte e3 leider noch zu feiner dieg- bezüglichen Zeitungsnotiz fonunen laffen, und man ٤۶ lächelnd die Achjeln über das Rind”, welches noch nicht einmal jein Herz entbedt hatte.

Dieweil bie junge Sängerin voll fröhlicher Haft in ihre Zimmer eilte, fid) für ihre Fahrt zu rüften, trat Benedikta noch einmal zu dem Fenſter und {haute in bie {tile Winterlandfchaft ۰

Bor ihr, weit gedehnt, lag ber Park mit feinen be- ſchneiten Wipfeln, den graziös überhaucdhten fablen Eichen-, Linden: unb Ahornzweigen und Tannen, welche fid) in mächtig weiße Schneededen gehüllt.

Tledenlos dehnten fid) bie Wiejen und Wege. Kein Schritt hatte fid) auf bie blendenden Flächen gezeichnet, IL. einfam, wie verzaubert in tiefem Schlaf lag die Welt vor den Bliden des jungen Mädchens. Milliarden von

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Flocken wirbelten durch bie Luft, Höher unb höher voudjjen die phantaftifden Hauben, welche König Winter auf das Haupt ber alten Steinbilder ۰

Grau und nebeldunftig dräute der Himmel.

Ein paar Dobler frächzten von bem Eichwipfel herüber und hielten melancholiiche Zwiejprache mit ihren Genojjen auf dem Schloßturm.

Die Fenfterjdeiben liefen an; höher und dichter 3og fid) das Gemirr ber Eisblumen darüber hin. 6 Palmenmwedel, bizarr gezadte Blätter und Feines, 5

Mons Venediftas Blid folgt mechanisch ber Beidh- nung, welche die Natur mit Künftlerhand über das 8 zaubert.

Und dann jeufzt fie tief auf.

Cie weiß e8 felber nicht, warum fie juft heute fo ernft und trübfinnig ijt. Cie hatte fid) jo innig gefreut, al Marga fih für etliche Tage zum „verjpäteten Weih- nachtsurlaub“ anmeldete, und nun anftatt glücklich unb vergnügt diefe ſchöne Zeit zu genießen, lag e8 über ihr wie ichattende, unheimliche Echleier einer unbegreiflich trüben Vorahnung.

Was mochte das bebeuten?

Sophie, bie Kammerjungfer, natürlich auch 7 grau und betagt, weil fie ihr al8 Erbjtüd der Großmutter überfommen, vounberte fic) {don während des Fri- fieren3, wie ern|t und nachdenklich ihre junge Herrin Heute fet.

Kein böjer Traum? feine Schmerzen? fein

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ijt'8 mir wieder leichter! Da8 find bie Nerven, lediglich die alten, dummen Nerven !”

Die Alte hatte wohl recht.

Bwar wußte Fräulein von Floringhoven bisher nicht viel bon biejen PBlagegeiftern, aber einmal mußten fie bod) wohl den Anfang machen, um ihre abjcheuliche Crijteng zu melden.

Vielleicht Hatte aud) das böje Wetter daran Schuld.

Es liegt |o ſchwer und grau in der Luft, der Wind erhebt fid) und fauft um das Schloß, wie ge: frorene Thränen praffelt ein Hagel feiner Eisförnchen gegen die Scheibe.

Eigentlich ijt e8 Thorheit, bei folcher Kälte und folchem Schneeiturm auszufahren.

Schneejturm! je nun, noch flingt e8 nicht allzu ſchlimm.

Und Marga freut ſich auf den Anblick der Jagd. Auch Benedikta liebt ein ſolch ritterliches Schauſpiel. Am liebſten ſäße fie ſelber im Sattel und ritte mit. Sie jtreicht über bie Stirn und wendet fid) haftig, ihr Ankleidezimmer zu erreichen.

Sophie legt ihr den warmen Pelzmantel um bie Schultern und bittet und fleht fo lange, big ihre junge Herrin den weichen, weiffeidenen Shawl anftatt 8 leichten Hütchens über bie dunklen, Hochfrifierten Haare legte.

Die Pelzſchuhe aber verweigerte Benedifta um jeden Preis, ein mächtiger Fußſack füllt ja den Schlitten

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aus, und Pannkeuken hat fraglo8 mehrere Wärmflafchen hineinlegen laffen.

Schon fíingeln die Rappen ungeduldig mit bem ۶ ganten Geläut, al bie beiden jungen Damen auf ber Freitreppe des Schlofjes erjcheinen.

Konrad und Bannfeufen figen bereits auf ihren Plätzen, jo did und übermäßig in Pelz gewidelt, daß fie fid) faum regen fünnen.

Sean bedient die Damen beim Einfteigen, und Pann- feufen dreht den Kopf fo feitlich, wie e3 ihm möglich ijt, und fnurrt mißbilligend ein paar Worte über den viel zu leichten Anzug. Marga Happt thm mit bem Muff auf den Mund. „Räſonnier Er nicht, Alter! Cin 82 alid, bap uns Wind und Schnee von oben abkühlen, bie: weil wir von unten auf glühenden Marterroiten braten! Grundgiitiger! wieviel Wärmfteine liegen den eigentlich bier brin? —" |

„Schticker finfe, gnáb'ge8 Fräulein!” gringt der Ge- treue freundlich wie immer. „Die Schteenerchen find mir alle vom Herzen gefallen, wie ich Deerte, daß mer um Uhre drei ſchon wieder derheeme fein folu!”

‚Ra, dann heizt Shr Herz für feine Jahre ja noch gang manierlich!” lachte bie Sängerin mit einer leichten Grimajje, und gog bie Füßchen empor, um fid) nicht bie Sohlen zu verjengen.

Und dann fliegt der Schlitten mie auf Sturmesflügeln dahin durch bie winterliche ۰

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Wie ein Märchenbild, von weißem Duft überhaudt, liegt der Wald zu beiden Seiten.

Die bereiften Zweige neigen jid) graziös unter ber blendend hellen Lajt des immer höher und höher fallenden Schnee; von den Kleinen Fichten: und den niederen Tannenbäumchen find nur nod) formloje, weiß umbüllte Klumpen zu fehen, und auf dem Erdboden türmen fid) die flimmernden Maffen, als wollten fie jedwedem Leben Weg und Steg in die traumhaft {tile Einöde Ders jperren.

Rein Laut nah und fern.

Kur der Wind fährt leife agend durch das Gezweig unb [djüttet einen Sprühregen dicht wirbelnder Sternchen auf das einjame Gefährt hernieder, nur ba8 Schellen- geläute und zeitweife Aufjchnaufen der Pferde unterbricht bie grabestiefe ۰

Benedifta hat mit großen, ernjten Augen geradeaus geſchaut, fie fchrict leije zufammen, al8 Marga plöglich ihren Arm an fid) preBt und mit unterbrüdtent Jubel fagt: „Wenn id) einmal eine Hochzeitsrcije made, fo mug e8 im Schlitten durch folh einen verjchneiten Märchen: wald fein, wie Deler hier! Können Cie fid) ein folches Glück au&malen, Benedifta, mit dem Herzallerliebiten Arm in Arm durch bieje8 menschenleere Paradies im warmen, bequemen Belz dahin zu fliegen!”

Fraulein von Floringhoven lächelte: ‚Nein, ich fann mir eine folche Seligfeit nicht ausmalen, Kleine Schwärmerin, denn dazu gehört in er|ter Linie das Bild eines geliebten

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Mannes, welchen man an feine Seite wünfchen möchte. Da ich aber feinen, feinen auf Gottes weiter Welt wüßte, den id) momentan anftatt Shrer hier neben mir ۴ möchte, fo verfteigt fid) auch meine Phantafie zu feinen Traumbildern, welche fid) ja bod) niemal3 verwirklichen werden. Aber e3 ijt gut, daß Sie unfer interefjantes Thema wieder berühren. Glauben Sie, mich mit ein paar flüchtigen Stichworten abfpeijen zu fónnen, wenn e3 fid) um ٣ ganzes Lebensglück Handelt? Gewig nicht. Es ijt feine neugierige Indiskretion von mir, fondern Das warme, auf- richtige Intereffe der Sugendgeipielin, welches eine aus— führliche Beichte verlangt. Wer Roman Ermönyi ijt, weiß ich, Denn der Name be8 genialen, feuerblütigen Komponiften, jowie Auszüge feiner Werte find mir rühmlichft befannt, wie man aber einen Mann auf das Grbittertite haffen, und ihn furze Beit barnad) leidenjchaftlich lieben fam, Das ijt mir vorläufig noch ein Rätſel, welches Sie mir löſen miiffen, Marga !”

„Das Kind” lachte und wicelte fid) feiter in ben Pelz, jodaß Da3 rofig überhauchte Gefichtchen beinahe hinter dem goldgelben, langmähnigen Lömwenfell ihres eleganten Mantels untertauchte.

„Es ift eine wunderliche Welt!” Ficherte fie, ,,ebenfo ver- rift wie bie verliebten Menjchen, welche fie bewohnen! Warum id) Roman hafte? Sehr einfach. Er ftudierte [feine neue Oper perſönlich mit ung ein. Für mid) hatte er die Heinfte, jämmerlichfte, undankbarfte Rolle ausge: fucht, welche darin vorhanden war. Er behauptete, id)

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hätte nicht bas Temperament, um eine heifbliitige, rache- glühende Südländerin verftändnisvoll zu verfdrpern. Das Kind fei nicht Weib genug, um wie eine teuflifche Sirene die Männer zu bethören.”

„Da3 war viel eher eine Schmeichelei wie eine Unart, welche er Ihnen ۳

„Vielleicht; vielleicht auch nicht. Später dachte und glaubte id) auch, aber anfänglich erbitterte und verlegte e8 meinen Künſtlerſtolz auf das peinlid)ite. Als er mir vorgeitellt wurde, drehte id) mid) auf bem Haden um und würdigte ihn feines Blides. Darauf folte jollte er jpottenb zu den Umſtehenden gejagt haben: ,,yrduz lein Daja präjentiert fid) bod) |tet8 von ihrer vorteil- bafteften Seite!” Das war in meinen Augen eine tödliche Beleidigung welche mich vor allen Kollegen lächer- lich machte. Ich Bafte ihn darum und id) zeigte e8 thm, ich ballte bie Hände, und er lachte. Ich fang in den Proben unter aller Kritik. „Ich dachte e8 mir gleich, daß fie nichts fann!” jpottete er abermal8, daß ih e3 Hiren mußte, „wie gut, daß i ihr feine bedeu- tende Rolle anvertraute.” Bch Ihäumte! Nun fang id) gut. „Sie lernt etwas bet mir”, mofierte er fi. Sch Hätte ihn morden fünnen. Das Koftüm bei der Aufführung ftand mir befonders gut. Gie fennen mein Bild darin, Benediftal Ich Hatte mir vorgenommen, jo fchlecht, fo jchlecht zu fingen, daß feine ganze Muſik zu Schanden wurde, gleichviel, ob ich mir jelber dadurch die Zukunft verderben würde oder nicht.

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Mit haßfprühenden Augen erwartete ich ihn. Er trat aus den Coulifjen, fein Blick fchweifte juchend über bie Bühne, er traf aud) mid. Wie ein Blig flammte e3 durch fein Auge. Er jtarrte mid) ein paar Sekunden an aber er trat mir weder entgegen, nod) grüßte er mich. Das Blut fodjte in meinen Adern, unb ein fremdes, ganz wunderliches Gefühl prepte mein Herz zufammen. ۲ء‎ gornigen Wehs fchojfen mir in bie Augen. Wie fchön, wie ſchön war er! Sch wollte e3 nicht zugeitehen, aber id) mußte e8. Die Augen flammten wie große, fchwarze Sonnen in dem bleichen Antlitz, bie Lippen wölbten fich fo ftolg wie bei einem Gott aber ein feiner, jarfaftifcher Bug gab dem Geficht ein Gepräge, voeldje8 mir in jenem )(ugenbli nod) viel teujfijd)er wie göttlich vorfam. Die Erregung de3 Premterenfieber3 jchien ihm fremd, er war äußerlich diefelbe Marmorjtatue der ,,fteinerne Gat", wie ich ihn genannt wie alle Tage vorher, aber in feinem Blid, da brannte ein Funken der verriet dennoch, welch ein Feuer tief unter Deler Maske von Gleichgiiltig- feit loderte. Und wie er mich anjab mit biejem feelen- mordenden Blid, da hätte ich ihn töten mögen. Er trug einen Strauß roter Rofen in der Hand. Für men? Natürlich für bie Dival Die Heldin! Das Weib, welches ihm feuerblütig und leidenjchaftlich genug zur Verfirperung feiner Titelrolle gemejen! Ich big bie Zähne zufammen und wandte mid) trobig ab, id) wollte ich fonnte e8 nicht anjehen, wie er jener anderen bie Rofen in die Hände drüdte.

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Sch trat Hinter die Couliffen, dorthin, wo niemand mehr etwas zu fuchen hatte, ich wollte allein fein mit meinem Haß und meinen Thränen. Und wie id) ein paar Minuten dort auf einem umgeworfenen Pfeiler aus Sphigenias Tempel fige und mit zitterndem Herzen bie fchauerlichiten Rachepläne erjinne, da jteht er plößlich bor mir, er! wirklich er. Und nicht etwa aus Bu- fall. „Ich juhte Sie, Fräulein Daja”, fagte er mit einer Verneigung, bie mir outriert, mit einer Stimme, bie mir ironijdjer wie je Hang: „Da id) weiß, daß Sie bem Komponiſten heute abend Ihr Beites geben werden, fo geftatten Sie ihm einen befcheidenen, vorläufigen Dank!” Und damit reichte er mir bie Rofen! er mirl! Sch fprang auf: „Ich denfe gar nicht daran, Ihnen mein Beites zu geben!” rief ich mit zornbligenden Augen with hafje meine Rolle und werde das bemeijen!" Cpradj's, ichleuderte bie Rofen zur Erde und lief davon. Und als id) hochatmend zwiſchen all den Coulijjenfchiebern unb Choriften jtand, ward e3 mir jo unbejd)reiblid) weh um ba8 Herz, daß id) am liebiten hätte jterben mögen. Warum nahm id) feine Rofen nicht? ich fühlte e8 id) hätte mein Hergblut für diefe Rofen gegeben das heißt id) akte bie Blumen um feinetwillen, e8 that mir leid, daß ich nicht nod) mit den Füßen darauf herum: getreten hatte. Konnte i3 nicht noch? Seije, atem: [o8 huſchte id) zurüd. Drunten im Orchefter erflangen die erjten Töne ber Ouverture Roman Ermönyi Job wohl in der Loge des Intendanten und hob fpöttifch bie

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Lippen bei bem Gebaufen an ba8 ,finbi[dje Rind!” Sd eilte zu den Rofen zurüd id) ftand vor ihnen und wollte fie mit dem Haden meines Atlasfchuhes gers ftampfen aber ich that e8 nicht ich raffte fie 8 empor und prepte fie wie eine Sinnlofe an mein bren- 11611068 Gelicht, an meine fieberheißen Lippen. Und dann Date ich ihn nicht mehr, denn er {tand neben mir, ٤ mid) ungejtim in feine Arme und fügte fügte tüpte mih Warum lachen Sie, :SBenebifta? Meine - Geſchichte ijt furchtbar ernft. Sie haben noch nie einen Mann gefüpt, thuen Cie e3 auch niemals, Männerlippen find giftig und man jtirbt an ihnen! Und id) jtarb aud in jenem Augenblid aus Liebe! Roman jah mich an und lachte, wie nur ein Mann lachen fann, der ۲ alüd(id) ijt. „Nun Haft du mir bod) dein Beſtes gegeben, Troßföpfchen, dein Wllerbeftes bid) jelbjt!^ Und bie Muſik, feine Mufil, braufte zu unà herüber, das Lublifum rafte Beifall er fragte nicht? danach, er füßte mich. Sch habe an jenem Abend gelungen. Jn der Kritik Stand: „Fräulein Daja {uf aus ihrer fleinen, an und für fid) undanfbaren, aber dennoch mu- fifalijd) febr wichtigen Rolle ein wahres Meilterftüd. Wir haben bie junge Sängerin nod) nie mit derartiger 12 idt eine Aufgabe lojen fehen. Die tiefe Innerlichkeit ber Mufif fam voll zur Geltung, unb der Kompo- nift fann mit äußerfter Zufriedenheit auf bie Premiere zurüdbliden, an welcher jegliche Rolle in unvergleich- lich vollendeter Weiſe Ereiert wurde” So ftand in

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der Zeitung, und andern Zonë war id) 115 Braut!”

„och Yvard bie Verlobung nicht veröffentlicht?” fagte Fräulein von Floringhoven leife, e3 lag wie ein feiner, faum merflicher Ausdrud der Gorge in den priefterlich reinen Zügen.

„Rein, noch nicht!” lachte Marga harmlos. „Sn ۲ Linie fehlen ung beiden noch die Mittel, in zweiter will Roman zuvor noch ein neues Werk vollenden, und drittens Hat er fid) in den Kopf gelegt, mich zuvor nod) zu einer Berühmtheit zu machen! Auf feinen Wunfch [tubiere id) noch bei unferen ء۲٣٢٢‎ Sangesgrößen der 06 wegen und wenn id) in ber neuen Oper bie Titel- rolle, welche wie gefdaffen für mich ijt, recht vortrefflich und berzjtürmend verförpert habe, hofft Roman auf eine glänzende Carriere und ſehr günftiges Engagement für mich!”

„Gebe Gott, daß fid) diefe glücklichen Zufunftsträume verwirklichen !” nicte Benedifta nachdenklich, e3 wollte ihr nicht recht gelingen, daran zu glauben, al8 Marga ihr ein Medaillon mit dem Bilde Roman Ermönyis entgegen- hielt. Sie hergte und füpte e3 in ihrer überſchwänglich begeifterten Weife, und war mit allen Gedanken bei bem Erwählten ihres Herzens, fo daß fie ganz vergaß zu fragen, ob Benedikta das Bildchen ebenjo begaubernb fände, wie fie. Vielleicht hielt jie e3 für ſelbſtverſtändlich. Aber Benedikta fand es durchaus nicht.

Sie blickte ſinnend auf den allerdings recht genialen

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Männerfopf hernieder, deffen Gefichtsausdrud ihr jebodj durchaus unjympathifd war. Etwas Kaltherziges, egoiftifch Berechnendes, ja fogar etwas Cynifdjes lag darin, etwas, was auf Benedifta direft abjtoßend wirkte Cie entjann fid) auch verfchiedener Zeitungsnotizen über den jungen Komponijten, deffen grenzenlofer Ehrgeiz, deffen franfhafte Sucht nad) Ruhm und Erfolg leider bie Bers anlajjung zu einer zu fehr gefuchten und ء٤۷‎ Muſik fet, welche ſchon jebt dad edle, großangelegte Talent auf falfche Bahnen brünge. Man tadelte wiederholt, daß Roman Ermönyi mit allen möglichen erlaubten und ۶ ertaubten Mitteln arbeite, um einen Erfolg zu erzwingen.

Pannkeuken wandte den Kopf. „Mer miffen e bischen jeitwärt8 an’ Graben fahren, Baroneß, Herr Edert fommt und affrab auf der ſchmalſten Stelle von ganzen Wege entgegen!”

„Herr Edert!” Marga barg das Bildchen haftig in der Hand und Fräulein von Floringhoven atmete un- willkürlich auf, einer längeren Auslaffung über bie Photo- graphie enthoben zu fein.

„Was hat denn der langweilige Philifter hier in un- ferem Zauberhain zu fuchen?” grollte die Sängerin mit ungnädigem Blid nach dem maffiven Apfelfchimmel, welcher vor ihnen an ber Wegbiegung erjchien. „Schon genug daß er mich jeden Mittag und Abend im Padthaus ۶ ödet, muß er mir aud) hier nod) bie ſchöne Natur verunglimpfen !“

„Aber Marga, wie fann man jo rüjonnierem, wenn

man den ganzen Himmel voller Geigen hängen ſieht!“ lächelte ihre Nachbarin gutmütig. „Schelten Sie mir nicht auf Eckert! Er iſt ein braver, vortrefflicher Mann, der treueſte, aufopferndſte Vater, welchen man ſich denken kann!“

„Das iſt ſeine Pflicht und Schuldigkeit.“

„Eine Pflicht, welche herzlich felten geübt wird. Wit .. er kommt.“

Der Apfelihimmel ward neben dem Schlitten pariert. Militarifd grüßend legte Inſpektor (Sdert bie Hand an bie Pelzmüte. „Wollen bie Damen noch weit waldein fahren?” fragte er mit tief tönender Stimme, ben 6 wie gebannt auf Marga Deftenb, ,e8 kommt ein bedenf- licher Schneefturm herauf, und bie Kälte dürfte in ein 8 zwei Stunden recht empfindlich fein!”

„So leichte Ware find wir ja nicht, dak uns ein bip- chen Schneefturm wegpuftet!” entgegnete Marga fchnippifch, Das Köpfchen in das Lowenfell ihres Pelzes zurücbiegend; Benedifta aber ſah freundlich zu dem Sprecher auf und nidte ihm gütig gu. ,,Beften Dank für ihre Warnung, Herr Edert, welche wir leichtfinnigerweife heute gang und gar nicht befolgen werden! Der Anblid einer Töniglichen Parforcejagd lodt ung an bie Hudel Sehr lange werden wir uns aber nicht aufhalten und Hoffen nod) por ber ſchlimmſten Kälte zurüdzufommen.”

Der Inſpektor verneigte fid) refpeftvoll. Sein frifches, rotwangiges Gefiht mit dem blonden Vollbart lächelte. „Da darf man viel Vergnügen wünfchen, denn für ge-

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wöhnlich ift wenig Vergnügen für bie Zuſchauer dabei.” Wieder traf fein Bii Marga. „Befehlen bie Damen, daß ich den Schlitten zum Schub eBfortiere?”

„Danke! Danke! Bemühen Sie fid) um Gottes: willen nicht!” wehrte Marga voll beinahe unhöflicher Haft ab. „Ihr Heiner Willy möchte aus feinen Mittags: ſchlaf erwachen und uns blutige Fehde fehwören, ۱ fein Papa nicht gehorjamft mit der Milchflajche bereit tet!“ |

Benedifta gog errötend bie Branen gufammen, und aud) über da3 ehrliche Geficht (dert8 flog momentan glühende Nöte, welche einem wehmütigen, beinahe fchmerz- lichen Crnjt wich. Er jtarrte nad) wie vor in das ۴٤ Mädchengeficht, deffen Befigerin fid) mit den Allüren eines Prinzeßchens in bie eleganten Polſter fchmiegte.

„Sch bedaure, Fräulein Dalberg, meine Dienfte ver: ſchmäht zu ſehen!“ antwortete er, jid) mit furzem Rud zu foldatijdjer Strammheit im Sattel aufrichtend, „aber ich werde andererjeit3 glücklich fein, diejelben meinen Kindern widmen zu Dürfen. Arme, Hilflofe, Heine Wejen, welchen der liebe Gott fo früh die Mutter genommen, bedürfen leider doppelter Vaterliebe, weiche fid) nicht ſcheut felbft mit der Milchflafche bereit ناج‎

Er hob abermals die Hand an bie Müge, grüpte bie junge VBaroneß mit großer Hochachtung und fpornte fein Pferd an, erft im Abreiten wiederholte er den Gruß von Marga, unb e8 Idien, al3 wende er gewaltjam das Haupt, um den Blid von 19 ۰

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Der Apfelihimmel griff aus, und Edert mußte feine marfige Gejtalt tief Dernieberbeuger, um den Zweigen aus- zuweichen, welche ibm in bas Antlitz ſchlugen. Sie fchütteten den Schnee über ihn, al8 wollten fie mit weißem Bahr- tud) ein fterbend Herz bededen.

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= 63

„Iſt das ein Vergehen?“

„Ja, ich haſſe es, wenn ein Mann daſitzt, wie die verkörperte Anbetung und nichts Beſſeres weiß, als einen anzuſtarren, gleich wie ein Mops den Fleiſcherladen. Wer gab ihm ein Recht dazu? ich wahrlich nicht!“

„Ob ich dich liebe, was geht's dich an!“

„Viel, ſehr viel geht es mich an, denn es geniert mich im höchſten Grade. Lächerlich, wenn dieſer Unteroffizier in Civil ſich mit lyriſchen Gedanken tragen wollte! Seine Kinder ſind ſehr niedliche, allerliebſte Dinger, und weil ich aus Langerweile ein paarmal mit ihnen ſpielte, leidet ihr Vater plötzlich an dem Größenwahn, Marga Daja könnte ihre zweite Mutter werden!“

„Nein, Marga, das thut er nicht!“

„Thut er nicht?“ ihr eben noch jo hochmütiges Gefichtchen fah überrafcht aus. ,,Woraus jdjlieBen Sie das?“

„Aus mancherlei Beobachtungen. (dert ſchwärmt Sie an wie einen Stern, den man nicht begehrt. Er ijt viel zu vernünftig und praftijd) benfenb, um e8 fidh je zu wünfchen, eine verwöhnte und anfpruchsvolle Sängerin unter fein be|djeibene8 Dach führen zu dürfen —“

‚Beil bie verwöhnte Sängerin au fond ein armes Mädchen ift und nicht die nötigen Mittel mitbringt, um dem Gatten zu ermöglichen, felbftändig ein Gut zu paten! Ein jcharfer Klang lag in der Stimme der Sprecherin. „Glauben Sie etwa, Benedifta, Herr Edert rechnet und jpefuliert nicht? Wo fit ber Geld-

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teufel ficherer und fefter im Neft, als wie Hinter einer 8ل‎

„Eckert ijt fein Bauer. Er ftammt aus fehr refpet- tabler, wohlhabender Beamtenfamilie, und hätte nicht fein Schwiegervater Banferott gemacht, fape er nach wie vor al8 vielbeneideter Gut3beliger auf dem jchönen Gartlau.”

„Tempi passati! jegt adert und pflügt er, wie nun wie jeder andere untergeordnete 7“

„Er findet fid) mit bewundernswerter Ruhe und Selbit- verleugnung in Ddiefen herben Umſchwung!“

„Und überlegt fer Hug und weile, daß eine Opern- jängerin von Ruf, glänzend honoriert und bei einiger Cparjamfeit in wenig Jahren eine höchft gute Partie ijt!”

„Sollten andere Manner das nicht aud) überlegen?”

Marga lachte. „Gewiß! leider viel zu viel! Was für Heiraten haben unjere großen Divas zumeift ۱۱۳۷

„And wie manch verfehlte Spekulation ijt nicht am fold) eine Künftlerin gefnüpft worden! Hörten Sie nod) nie von Sängerinnen, welche über Nacht ihre Stimme ver: loren, und von der Höhe einer Königin in bie tiefjte Ar- mut gejtürzt wurden? Warum halten Cie fic) jo ent- jebt die Ohren zu, liebe Marga? Gott im Himmel behüte Sie vor einem folch entjeglichen Schickſal. Sch will Shnen nur diefe Thatjache nennen, um mitteljt 71 für Edert in die Schranken treten zu fünnen. Iſi er thatfächlich ein {older Spefulant und Geldmenjch, wie Sie annehmen, jo hat er auch dieje Möglichkeit eines Mik- erfolges in Ihrer Carriere erwogen. Dennoch bin id)

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überzeugt, daß er —“ Benedifta betonte bieje8 Wort, unb feine Rite Wien in ihre Wangen —: „nie die Heirat hinauszögern würde, bid ihr Nuf ihn eine Garantie gäbe, jondern daß er in ehrlicher Treue aud) ba8 arme, zufunfts- loje Mädchen zu der Seinen machen würde!”

Marga jchüttelte mit ungeduldigem, etwas ärgerlichem Lächeln das Köpfchen: „Sch begreife Sie gar nicht, Bene: difta, marum Sie fidh plößlich fo febr zu bem beredten Anwalt jenes blonden Riejen machen! Als ob ich Ihnen nie ba8 Geftändnis gemacht hätte, daß ich in Roman all mein (Ind und ben jeligjten Inbegriff meiner Zufunft gefunden hätte. Ihr gutes Herz erträgt die Toggenburg- miene be8 Papa Adalbert nicht, und das Mitleid macht Cie zur Berräterin an meinem herrlichen Ermönyil Wehe Shen, menn er’3 erfährt! Er würde Sie mit feinen weueraugen zu Tode brennen!”

drüuleim von Floringhoven hielt den Muff vor ba8 Antlig und Marga that das Gleiche. Der Schlitten verließ den Wald und fuhr eine Kleine Anhöhe auf freiem Feld empor.

Der Sturm م٣۲‎ eifig über die Blöße und peitfdhte einen Schauer feiner Hagel: und Schneemafjen üt ۱66 + geröteten Gefichter, der Himmel verdunfelte jid) mehr und mehr, bie grauen Wolfen zogen jo tief, als müßten fie ihre Dunftfchleier an den fahlen Eichwipfeln des Waldes gerfeben.

Pannkeuken flug bie Arme gegen den Körper und

Konrad trampelte mit den Füßen. Der Schlitten hielt N.v. Eſchſtruth, IN. Nom. u. Nov., Stern des 61168 I. 5

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auf ber Anhöhe und die Pferde ftampften ärgerlich den Schnee.

„Benn bie Herren nur werklich bei bem ۰۳۴ Schnee un’ der Mordskälte reiten werden! philojophierte SBannfeufen in peffimiftifcher Anwandlung. „Über bie Schneife riber fin fe noch nich, mer mifte e8 fonft am auf- gebaddelten Schnee febn l^

Benedifta hatte fid) aufgerichtet und überflog mit dem Blid bie ſchmale Ebene, welche fid) gwifden den mächtigen Waldungen thalabwärt3 gog. Neugierig hob aud) Marga Das Näschen aus bem Pelz und jdjaute lebhaft um ۰

„Senn die Jagd thatfächlic” Hier vorüber fommt, finnen wir fie vortrefflich ſehen!“ jubelte fie, wieder ganz und gar findlide Naivetät und Übermut. „O Himmel, wenn fie nur nicht fo nahe bei uns ſchießen wollten das fann id) um bie Welt nicht hören!“

„Schießen? Herrjemerjch, Heite wird ja reene gar nicht gefchoffen! Heite ramenten fe je blus hingerdord) ben Schweine!”

„Stil! Hört ihr nicht Hundegebell ?”

Pannkeuken lüftete haftig bie dide Pelgmiike etwas von dem Ohr und ftredte laufchend den Kopf vor.

‚ee, 1۱100 Yippschen! 's i8 ja alles muttermeis- chenftille!! —“ fchüttelte er vergnügt da3 ۰۶ Haupt.

„Doch! bod)!! gang fern aus dem Walde drüben!”

„Richtig! ein Signal! Die Wajferjanfare! Sie werden Den See ۳

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„Nadierlich! abgepritfchtIl Se miffen um See rum!”

„Bieder ein Signal bedeutend näher ſchon Id) höre auch bie Meute dort unten in dem ۳

„Mer mißte am Ende noch e ‚bißchen dort runter fahr'n!“

„Daß ſe uns in Dreck reiten!“ wehrte Konrad, ſein Schweigen unterbrechend, lakoniſch ab.

„Nein, nein! hier ſehen wir's am beſten!“

„Da unten jagen ein paar Hunde ein Piqueur Hinter ihnen! Sie fommen!!^

„Hm ben Biggör feh’ id) od) wo aber de andern Deen Pog Deitchen! ich globe gar, je Hoden fo fachte oben beim Pfaffengraben rom’! Der Biggör verfriemelt fid) och wieder in’ ۳

„Das Geldut der Meute und das Signal flingt ja plöglich ganz fern dort drüben!”

„Der Piqueur macht kehrt und jagt Hierher l^

„Es ift ja gar fein PBiqueur! Ich erkenne den roten Rod der Parforcereiter !^

„Seht fauft er durch bie Tannen —"

„Ale Wetter! Der i8 wohl reene nárrjdj? Was fars joblt’n ber ejal von eener Seite uff die andere?!”

Hodhaufgeridhtet Honn Fräulein von Floringhoven und fchaute dem Reiter mit ftarrem Blid entgegen. Gie, bie lelbjt eine vorzüglich gefdulte Reiterin war, erkannte, daß bie Bewegungen des Pferdes feine beeinflußten, fon- dern vollfommen willfürlide waren. Auch ber Cif

des Jägers war fein vegelrechter.

س 68

Pannkeuken grin|te. „Der Musje hängt och wie e Heifchen Unglid in’ Sattel! Na, na, teen Porzlament nich! Ich [69 2 Schon fommen, daß ’r bie fcheenfte Frieh= ling3lerche mitten in Jann’ware 7

Ein leifer zitternder Aufjchrei von Benedittas Lippen. „Herr be8 Himmel! Er hat ja die Zügel verloren! Da ift ein Unglüd paffiert! Seht bod), feht, er fink ganz bornüber!”

Das Pferd fam mit allen Zeichen wilder Flucht dem Schlitten entgegen gerajt. Sein jdjeue8 Auffchnaufen und gielloje8 Hinz und Herfchleudern liepen erkennen, daß feine frajftvolle Hand e3 mehr bünbigte. Wie an- gelodt von bem Anblid ber Schlittenpferde verließ e3 feine Bahn längs des Waldes und jagte fchnurgerade auf den Schlitten los. Konrad griff mit eijernen Fauften bie Zügel unb Pannfeufen jprang haftig zur Erde.

Leichenblaß jtand Benedifta und verfolgte mit jtierem Blid jede Bewegung de3 Reiters, während Marga mit leijem Angſtſchrei das Wntlig auf den Muff drücdte.

Sr finit! Er fink feitlic) vom Pferd!” {rie Bene- bifta auf. ,,Barmbergziger Gott! Helft, helft, daß er nicht gejchleift wird!” Schneller ۵15 der Gedanke, ehe nur Pannkeuken Hilfe leijten fonnte, ſchwang fid) bie junge Dame aus dem Schlitten und ftürmte dem Pferd entgegen, welches durch bie jübling8 veränderte Laft des 8 unb burd) bie Wucht feines Niederfinfend nieder ge: riffen wurde. Mit wildgeblahten Nüftern brad) e8 auf bie Vorderbeine nieder, wollte wieder empor,. [traudjelte

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Che e8 gum zweitenmal empor fonnte, padten zwei fraft- volle Mädchenhände bie Trenfenzügel und zwangen 8 aufbäumende Tier mit fier übermenfchlicher Gewalt zurüd.

Pannfeufen folgte in atemlofer Haft feiner Herrin, er hielt den Durchgänger mit beiden Fäuften und {rie ihm fein bejchwichtigendes „Hu! jo! Deu heu!” in die Obren. Schaum trat vor das Gebif, der Nappe zitterte an allen Gliedern und [prang auf die Füße. -

„Halt ihn! Halt ihn um Himmelswillen feft, ۶ feufen, der Fup hängt nod) im Bügel!” rief Benedifta mit dunfelgerdtetem Antlig, wandte fid) ſchnell wie ber Gedanke und löfte, nicht ohne Mühe und Anftrengung, den Stiefel des Reiters aus bem Steigbügel.

Gin Aufatmen der Erlöfung aus Todesangft. Gerettet [ag der Bewußtloſe in dem tiefen Schnee. Pannkeuken führte da3 fchredende Pferd ein paar Schritte zur Seite. „Donner unb Doria, Baroneßchen, das arme ۴ wäre raddegal zu Marmelade gewercht, menn Se nich be Geiftesjajenwart gehabt hätten, den Rater hier zu faſſen!!“ (obte er jdjmungelnb. „Was hat'n ber Herr ejentlich in’ Sinne gehabt? Ei bu mei Jeſſes ich globe wert- (ih ٭‎ Blut leift’n an Roppe runter!"

Benedifta hörte e3 nicht. Sie fniete neben dem Ber- unglüdten und bettete voll zitternder Angſt fein Haupt in ihren Schoß. So gut e8 ging, trocnete fie das rinnende Blut von feiner Stirn.

‚Bunde das Pferd an einen Baum und hilf mir, Pann- feufen !” rief fie leile.

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Und dieweil ber Getreue ihrem Befehl Folge leiltete, winfte fie nah dem Schlitten gurüd: „Bitte bring mir dein Tajdentud), Marga, meing reicht nicht ۳

Voll fchaudernder Abwehr hob „das Kind” bie Arıne. „Ich fann fein Blut fehen!” fchluchzte fie und warf fid) weinend auf bie Pelgdecken nieder.

Sräulein von Floringhoven bi die Zähne zufanmen. Sie verjudjte, jo gut e8 ging, ihr Tajchentuch um den Kopf des Verlegten zu jchlingen, die Wunde vor der grimmigen Kälte zu jd)üben. Dad fleine Stüdchen ſpitzen- bejegten Battiftes reichte nicht dazu aus. Ohne 71 rip fie den feidenen Shawl bon ihren Kopf und flang ihn um ba8 Haupt des Fremden. Jhr Blid ruhte wie gebannt an dem (eblos {tiller Wntlig auf ihren Knien, und wie fie in bieje bleichen, blutüberftrömten Züge fab, ba frantp[te fid) ihr Herz zufanımen wie unter Todesqualen. Wie eine glühende, übergewaltige Flamme loderte e3 von biejem Herzen auf und füllte ihre ganze Seele, ihren ganzen Körper mit Feuergluten.

Welch eine wunderfame Gewalt ging von biejem 82 {tarren Antlig aus? Die rätjelhafte, unbegreifliche und ' göttliche Allgewalt jener Sympathie, welche geheimnisvoll unb rettungslos ein Herz in ben Sauberfrei8 des anderen zieht.

Benedifta hatte e8 vorempfunden, daß diefer Augen- bli ber Entjcheidung für ihr Leben fommen mußte, fie hatte gezittert vor ihm, wie vor einem drohenden Unglüd, und nun, ba er feine unheimliche Macht auf fie ausübte,

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war e3, al8 life fid) ihre Seele auf in einem Jubelfchrei unausjpred)lidjen Entzüdens, eines Entzückens, in welches fid) dennoch bie Todesangft der Verzweiflung mijdjt.

Während ihre bebenden Hände des Bemwußtlofen war: teten, Hing ihr Blick wie in unerfättlihem Schauen an dem Antlig des Fremden, welches {til und ernft, felbjt in ber ftarren Ruhe der Ohnmacht, unvergleichlich edel und hoheit3voll in ihrem Schoße rubte. Bleiche, ſchmal— gejchnittene Züge, Lippen, um welche Wohlwollen, Liebens- würdigfeit und ein Ausdruck beinahe feufcher Reinheit ihre unverfennbaren Linien zogen.

Mochte e8 der momentane Blutverluft fein, daß das Geficht leidend und eingefallen ausfah oder widen die tiefen, bläulichen Schatten unter den Augen, wenn Leben und Bewußtjein zurüdfehrten? Cin Schnurrbart Darmonierte mit dem Haupthaar, welches jonjt wohl glatt und fchlidt, in biejem Wugenblic aber blutver: Debt und wirr in bie Stirn hing, und bie Hand, welche gez frampft und leicht zudend niederhängt, ift ۱۵۱۵۱۲ unter Dem Reithandſchuh ſchlank und jd)mal wie die Rechte einer vornehmen rau. Will er immer immer noch nicht die Augen aufjchlagen ?

Voll Hilfeflehender Angſt blickte Fraulein ۱۵0۱ Hoven auf Pannkeuken, welcher heraneilt und mit feinen ewig freundlich und gutmütigen Augen prüfend auf den Verunglückten ۰

„Hätten wir doch irgend eine belebende Eſſenz, Pann- feufen, daß wir ihn zum Bewußtjein bringen fonnten!

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mid. Du Jemerſch! Da Habe ich je beu Dippler Schanzen jchlimmer bluten jehen! Da hier . . . 8 Hätt mer ben Hier? Son Schnäpschen bubt'8 od) ſchon!“ und Bannfeufen neigte fid), hielt eine Kleine Feldflaſche an die Lippen des Reiters und gop ohne Um- 116110 etwas zwangsweiſe nachjchiebend, den Nordhäuſer in feinen Mund. Cin Zufammenzuden und tiefes Auf- atmen. Die Hände greifen wehrend in die Luft, und 8 Haupt regt fid) wie im Sauder.

„So . .nochemal, Musjöüchen! Profit! . . Das wird Sie ſchon uff be Beene bringen! Na, Gottlob . . da warn mer ja!!” Der Gejtürzte rip jählings die Augen auf, fein irrer, ausdrudslofer Blid traf das geneigte Antlitz Benediftas. Mit leifem Aufjtöhnen gab er fid) einen Rud und {tibte fid), wild um fid) jchauend, auf den Ellenbogen. Er jah fein Pferd, Job bie weitverjchneite Ebene, jab in geringer Entfernung den Schlitten halten. Das Bewußtſein fchien zurüdzufehren, die Erinnerung fam bligartig wieder.

Ein leifer, gurge(uber Laut, er taftet nad) feiner Stirn und blidt auf das Blut, welches feinen Hand- (dub färbt.

Dann finft fein Haupt abermals guri auf die Knie de3 jungen Mädchens, und fein umjchattetes Auge jchlägt fid) voll auf. Benedifta neigt jid) über ihn, Blick ruht in Bli, jo tief, jo feft und unauslöfchlich, al8 wolle er zwei Geelen für ewige Beit verjchinelzen.

Dann [dauert die junge Samariterin leicht gujammen

und zwingt die Gedanken, welche fo hohen, fernen Flug genommen, gewaltjam zu der traurigen Wirklichkeit zurüd.

„Wo dürfen wir fie hinbringen?” flüftert fie Toeidj.

Er will fprechen. „Altenfähre“, lallte er, Bluts— tropfen perlen über feine Muppen, unb mit leijem Schreckens— (drei ſchlingt Benedifta die Arme um ihn. „Schnell, Pannkeuken! Um Gotteswillen |djnell! Marga fol den Schlitten verlaffen . . . Der Verwundete muß fo bequem al8 nur möglich gebettet ۳

„Daß aud) feene Menjchenfeele von der ganzen Jagd: gejellichaft fid) herbemüht!” grote der Alte mit jorgendem Ausblid über bie todezitille Ebene. „Können Sie denn den jchweren Herrn tragen helfen, 8

Sie nidt haftig; wie gebannt hängt ihr Blid an feinem Auge. Er möchte fish verſtändlich machen, erhebt die Hand und ftrebt mit dem SOberfürper empor. ,,Gebhen ... gehen...” ftammelt er. Auf Neue fidert Blut über die Lippen.

,Anmüglid).... Sie dürfen nicht gehen . . . . Ihre Brujt er deutet mit dem Finger nad) bem Mund

. „Kur Bunge . . . Nicht ſchlimm . . .“ Und als er

dazu beruhigend den Kopf fchütteln will, umfloren fid) feine Augen abermals, ba8 Haupt fink ſchwer zurüd, und der Fremde ruht in erneuter 3Berouptlojigfeit in dem Arm feiner Retterin.

Pannkeuken ijt während deffen zum Schlitten gelaufen, et Debt bie jchluchzende Marga heraus und breitet bie Belge und Deden forglid) über bie Bolfter aus.

ہے 60 بیع

„Wenn Baroneß die Pferde halten wollen, fain ich ja den Herrn tragen helfen!” jagte Konrad. `

Pannkeuken überfliegt mit ſchnellem Bli bie morfe, gebrechliche Geftalt des Alten. Nee, nce fenn mer ganz alleene, Runnrddden!” Spricht's und ftampft eilig durch den Schnee zurüd.

Benediftas fchlanfe Arme feinen von Eijen.

Cie hebt den verwundeten an dem Oberkörper, dieweil SBaunfeufen feine Füße fapt, und trägt ihn feuchend bis zu dem Schlitten. Die ungewohnte Anftrengung treibt podjenbe Glut in die Schläfen be8 jungen ۰ Schweißperlen rinnen von der Stirn und Dazu pfeift ber eifige Schneejturm um ihr ungeſchütztes Köpfchen. Niemand achtet darauf, Fräulein von Floringhoven am penigiten. Eine ſchwere Mühe verurfacht e3 nod), ben hilflojen, wuchtigen Körper des Ohnmächtigen in den Schlitten zu heben. Dann hüllt ihn Benedifta voll garter Sorge warm und ficher ein, dieweil Pannfeufen auf ihren Befehl das Pferd de Jägers Holt unb dem Schlitten anfoppelt.

„Sp nun in Gottes Namen fo jchnell wie möglich nad) Altenfähre, Konrad! Pannkeuken fährt mit Ihnen, ۲۵118 Sie untermeg8 irgend welche Hilfe brauchen.”

Der Getreue fchüttelt bedenklich den Kopf. „Und was jol aus den Damen derweil werden?”

„Bir gehen zu Fuß den Waldweg voraus. Ihr bringt den Herrn zum Jagdſchloß und folgt uns [o jchnell wie irgend möglich, um und wieder aufzunehmen.” Gie neigt

fid) näher zu SBannfeufen: „Wenn möglich), bring mir meinen Kopfſhawl wieder mit, Alter.“

„Jemerſch und bu mei Herrgott! Se haben reene gar 1۱1101 ums Kepfchen, Baroneß ٠گ‎ entfebte fid) ber Ge- nannte. „Wollen Se nid) mei Pelsfappden nehmen?”

„Damit bu betagter Mann bir den Tod Doljt!^ fie wehrt ihn energijd) ab. Der Jugend ſchadet fo etwas nit, id will ja den Shawl aud) nicht ber Wärme wegen!” und ihre Verlegenheit bezwingend gibt fie Konrad nod) einmal haftigen Befehl —; „ſchnell ſchnell! fahr zu, was bie Pferde zu laufen vermögen, ber Schnee liegt hod), und das fchnelle Fahren erjchüttert nicht!

Der Kutjcher jchnalzt leije mit ber Zunge an, und der Schlitten fliegt wie ein Schattenbild über die breite, weißverjchneite Thalfläche dem Jagdſchloß entgegen.

Stil ringsum totenjtill. Der Lärm der Jagd ijt verflungen, tiefer Frieden liegt über ber graudunftigen Welt, und die Stimme des Windes fchrillt allein wie bange Klage durch ben laubíojen Wald.

Hodaujatmend jteht Benedifta und ftreicht über bie feuchtperlende Stirn. Eifiger Schauder riejelt ihr durch die Glieder, ihre Zähne {lager zufammen vor Kälte, fie achtet 68 nicht. Ihr Blick ſchweift wie verflart über bie Welt, al8 wolle er Himmel und Erde in unendlicher, grenzenlojer Liebe ۰

Margas Hand legte fid) auf ihren Arm und wedte fie aus bem träumerifchen ۰

„Was fangen wir denn nun an, Benedifta!” grollt

RÉI ہے‎

fie mit weinerlicher Stimme: „Es iſt ja ein entjchlicher Gedanke, daß wir nun womöglich eine Stunde lang durch diefen kniehohen Schnee waten folen! Ich zittere {hon jebt wie Cfpenlaub vor Kälte, wie fol ba8 nun erft in einer Stunde werden!”

„Wir fchreiten tüchtig au8 unb erwärmen uns im Gehen!”

„Sie werden fic) eine jchöne Erfältung holen! Bei diefem graufigen Schneefturm nichts auf bem Kopf! Das ijt ja eine rajenbe 38:۱۱ Das Waffer läuft Ihnen fon jegt aus den Haaren, und nicht mal ein trodene8 Tafden- tuh, um e3 Ihnen um bie Ohren zu binden!”

„Ich {lage den Pelgfragen fo Dod) wie möglich! Auch bin ich {ebr abgehärtet und reibe den Kopf tüchtig ab, wenn wir nad) Haufe ۳ |

„Entſetzlich! ein ſolches 9DtiBgeldjid! Warum fonnte nur das einfältige Kamel von einem Pferd nicht nach einer anderen Gegend laufen!”

Ein jaher, leidenjchaftlicher Dli in 3Benebifta8 Augen. „Damit er einfam, hilflos fernab im Walde läge und womöglich feinen Wunden und der Kälte erläge, ehe Rettung fame? Schämen Cie fih, Marga! für eine folche Herzlofe Egoiftin hätte ich Sie nicht ۳

Das , Rind” ſchluchzt leije auf; ob aus Reue oder Ärger, ift nicht zu fonjtatierem. „Mein Gott, jo ſchlimm meine ich e8 ja nicht, e8 hätte ihn ficher jemand ۵ gefunden! O, ich bin ganz elend von der Aufregung, ih kann fein Blut fehen, und obwohl ich gern ben armen

u ہے‎

Menfdjen angefehen hätte, Hatte ich bod) nicht den Mut dazu! War er noch jung?”

„Dag läßt fid) jchwer jagen, ich glaube, ja!“

„Bar er hübjch ?^

„Da3 läßt fid) nod) fchwerer jagen, aber ich glaube مت‎ ja!”

„Da3 würde nod) ein Troft fein! Für einen jungen, hübſchen Mann bringt man jdjon leichter ein Opfer! O Himmel, Ihr ganzes Kleid, ber ganze Mantel ijt ja naf zum Wusringen! woher fonunt dag?”

„Ich fniete ein Werlchen im Schnee.”

„Shauelih! Sie find eine geborene barmbergige Cdywe|ter, id) für meine Perjon würde nie Talent für derartige Samariterdienfte haben!”

Benedifta widerfprach nicht, fie kämpfte fich ſchweigend durch ben immer ftärfer daher braufenden Sturm. Ein paar Minuten fritten die beiden jungen Mädchen ſchweigend nebeneinander her. Plöglich blieb Marga ftehen unb ftampfte mit den Füßen wie ein ungezogened® Baby.

„Ich fann nicht weiter!” weinte fie, „ich bin todmüde! Man verfintt ja in dem Schnee und kommt nicht vor- pürt8! O Himmel, wie fol ba8 enden!”

„Es würde fehr gut gemejen fein, hätte Edert uns begleitet Di Í

„Inwiefern?“ braufte bie Reine eigenfinnig auf.

„Sr würde Sie jebt auf fein Pferd nehmen und Sie im Galopp nad) Haufe bringen!”

„And Sie? wo blieben Sie?”

80 =

„Ich komme wohl nod) aus eigenen Kräften heim!“

„Sa, wenn man jo groß und Wort ijt, wie Gie!” Elagte das Elfchen wehleidig, „aber id) armer Liliput! Xd) werde ja demnächſt felber fortgepuftet wie eine Schneeflode!”

"Geben Sie mir Ihren Arm, hängen Sie fid) feft ein, ich nehme Cie gern in 0۵۵ Edhlepptau.”

„Ah wie gut, wie gut Sie find! Sa, Benedikta, Sie find in allen Dingen jo gut wie ein Engel, und ih? o ich bin ein abjcheuliches, nichtsnugiges Ding! Sa, hätte id) Edert mitreiten lafjen!!”

Und wieder fritten bie beiden einfamen, fturmumtobten ‚Mädchengeftalten durch den hochverjchneiten Wald. 8 braufte und heulte im Geäft, hohe Schneewehen 1 ununterbrochen den Weg, niederbrechendes Gezweig tute unheimlich durch den dunkler und Dunkler werdenden kort,

Die Beit verging.

Bitternd fdmiegte fih Marga an ihre Begleiterin und verftedte ba8 Geficht in ihrem Ärmel: „Sch fürchte mih fo, wir find fo allein... ad) und e8 wird fon jo furdjtbar bümmerig !“

„Der Schlitten muß unà ja jeden Augenblid einholen!“

„Ich höre nod) nichts noch nicht eine einzige Schelle!”

„Doh ... da... ba por uns... ba Klingt etwas —"

„Richtig aber das ijt nicht ber Schlitten, 8 fommt und entgegen.”

س 81

Marga fant vor Schreck beinahe in die nie. ,, Denes Difta, wenn e8 Räuber ۳

„Narrheit! wie fann ein großes, vernünftiges Mädchen jo finbijd) fein! Da fommt e8 fhon . . durch bie Tannen . ۰. [eben Cie? Cin Reiter —“

„Edert! (dert! wie ein Jubeljchrei flang eg.

„Wahrlich, e8 ijt der getreue Ekkehard!“

Marga rig fid) los und lief dem „Unteroffizier in Civil” mit ausgebreiteten Armen entgegen: „Herr Edert! Ach helfen Sie! retten Cie ung!”

Überrafcht parierte der Gerufene feinen Apfelfchinunel vor den jungen Damen.

„Algütiger Gott! wie fommen Cie zu Fup hier- Her? Bei diefem Unwetter... . ganz allein?!“

Atemlos, fic) überfprudelnd in Erregung, erzählte bie junge Sängerin ihr Erlebnis „wie ‚wir‘ den Reiter retteten, wie ‚wir‘ ihn in den Schlitten jchafften, wie ‚wir‘ ohne Befinnen felber zu Fuh gingen . .“

Fräulein von Bloringhoven Stand ſchweigend daneben und hörte lächelnd, welche Heldenthaten wir” vollbracht Hatten. Dann fchnitt fie den Wortjchwall jchnell ab.

„Die kleine Sängerin von Gottes Gnaden verzweifelt vor Angft, Müdigkeit und Froſt! Haben Ste bie Güte, Herr (dert, Fräulein Dallberg zu jid) in den Sattel zu heben unb fie fo fdynell und ficher wie möglich nach Haufe zu bringen!”

Namenlofe Verlegenheit malte fid) auf dem ehrlichen

Seficht. Aber er verneigte fid) voll gehorfamen Reſpekts! 9t. 9. €i d ftruth, SIC. Nom. u. Nov, Stern des Glüds I. 6

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„Bie Dante id) Gott, daß mid) eine unbeftimmte Ahnung den Damen folgen ließ!” Und fid) zu Marga wendend, lächelte er: „Willy {lief noch, und die Flaſche war nod) nicht warm genug, ba fonnte ich e$ ſchon wagen, dem Schlitten nad) zu reiten l^ |

Cie bib fid) auf die Lippe und wandte das Köpfchen verlegen ab, (dert aber rip haftig feinen Halsſhawl ab, und reichte ihn Benedifta: „Baroneß find ohne jede Kopf: bebedung, bei diefem Wetter ein mehr a(8 waghalfiges Beginnen!“

Zögernd griff Fräulein von Floringhoven danach. „Ich friere allerdings gewaltig aber ich fürchte, daß Sie ſich um meinetwillen erkälten werden —“

„Durchaus nicht, mein Taſchentuch iſt reichlich ebenſo warm!“ Er zog das große, buntgemuſterte Seiden— tuch aus der Taſche, deſſen ſich in der Regel nur ein Schnupfer bedient. Marga erblickte es, nicht ohne ein heimliches Zucken des Spottes um den Mundwinkel, aber ſie ließ es ſich nicht im mindeſten merken.

„Wenn es Baroneß beruhigt, lege ich dieſes Tuch anſtatt des Shawls um, obwohl es bei dem Pelzkragen kaum nötig iſt. Was aber ſoll aus Ihnen werden, gnädiges Fräulein, wenn ich Fräulein Dallberg nach Hauſe bringe? Sie kön— nen doch unmöglich allein hier im Walde zurückbleiben?“

„Und warum nicht?“ lächelte Benedikta, „ich fürchte mich nicht. Außerdem muß der Schlitten ja bald kommen und mich aufnehmen. Ich bitte Sie dringend, Marga ſchleunigſt in Sicherheit zu bringen!“

83

„Ach ja, ſchnell, fchnell! ich friere fo!” bat das Elf- chen, welches im diden Pelz unb ber warmen Kapotte gar nicht fo ausjah, al8 ob Dag möglich fein ۰

„Auf jeden Fall {hide id) jofort nod) einen Wagen hierher!” richtete fid) Edert ftramm auf. „Wir wiffen ja, wo Baroneß zu finden find; irregehen ijt auf diefem Wege nicht möglih . . ک‎ |

„Gewiß nicht —! und nun Glück zur Fahrt.” = Der Sujpeftor neigte fid), um bie zierliche Geftalt ber Sängerin zu fid) empor zu Heben.

(S8 deuchte Benedifta, al8 ob bie Hände unficher zu- griffen, a(8 ob ein Beben die Geftalt des miarfigen Mannes erjd)ütterte. ۱

Daß fein Geſicht fich dunfelrot färbte, lag wohl an der momentanen Anftrengung, die Kälte legte Heute wohl ihren Zinnober auf jegliche Wange.

Marga fürdjtete fic) noch einen Angenblid.

„Können Sie mid) aud) feft und ficher halten, Herr Edert?” fragte fie mit angitvol abmwehrenden Händchen.

„Sp fider wie in Gottes ۳

„Seht Sor Pferd nicht etwa auch durch, wie dasjenige des Barforcejägers ?^

„Rein gewiß nicht. Die Blanca ift lammfromm.“

„Schlägt fie auch nicht 4

„Sie hat e8 nie gethan.”

„Rann fie uns denn auch beide tragen?”

Da muß er lächeln. „Sie merkt e8 wohl faum, daß

ihr Gewicht erhöht würde!” n*

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Und... und... {ie id) denn da in dem Sattel aud) bequem ?"

„Marga, feien Sie nicht finbijd)!^ unterbrad) Bene: difta in beinahe {trengem Ton: „Wenn Sie wirklid) fo jehr jrieren, ift e8 Ihnen wohl gleichgültig, ob der Sattel bequem ijt oder nicht!“

„Hu, wie böſe! Ja, ja, id) eile mich jd)on! Aber id) habe noch nie auf folh einem Vieh gefeflen . . . 0 fürchte mid) immer jo vor den Pferden Himmel, halten Cie mid) feft, ۳

„Schlingen Sie Ihren Arm um mid) und halten Sie fich feft! Er vermochte faum zu fprechen.

„Mir wird jchwindlig werden!”

„Schliegen Sie die Augen und bergen Cie Ihr Ge- fidjtchen an meiner Bruft.” Xeife, ganz leije [aate er ۰

„Sp, und nun in Gottes Namen!” Benedifta Elopft den Apfelichinnmel freundlich auf den Schenkel, und Debuts fam, Sähritt um Schritt, reitet Edert an.

„Ich jdide jofort einen Wagen, Baroneß!“ ruft er zurüd.

Und dann verfftngt der Huffchlag im weichen Schnee, nur ein angftvoller Aufichrei Margas, al8 fid) dag Rok in eine jchnellere Gangart febte.

„rieren Cie aud), Herr (dert?^ fie jchmiegte fid) fefter an ihn, bie Rofetterie ber Eva ward in „dem Kind“ lebendig.

„Rein. Warum folte id) frieren 2“

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heimfchleppen müjjen?" Sie neigt das Köpfchen zurüd und lächelt ihn an.

Er beißt die Zähne zufanımen. „Sch rette genau in bemjelben Tempo, al8 ob ich allein zurückkehrte. Willy wird jebt erwacht jein und nach mir rufen, ich erreiche ihn noch fchneller, weil ich auf dem halben Wege fchon Kehrt machen fonnte.”

„Sieben Cie die Kinder wirklich fo abgöttifch ?^

„Ich Habe nichts anderes auf der Welt, bem ich meine Liebe und Zärtlichkeit widmen könnte. Außerdem bin id) mir der doppelt jchweren Pflicht gegen bie armen, mutter: fojen Würmchen bewußt.”

„Sie haben bod) eine gute Kinderfrau.”

„Selbſt bie befte erjebt feine Mutter.”

„Wird e8 Jhnen nicht langweilig, fo viel mit ben Kleinen zu ۲ |

„Ber das fragt, tennt Elternliebe noch nicht.”

„Mein Ontel fagte mir aber dod), daß Sie ٤ grau nicht aus Liebe, fondern nur aus Mitleid geheiratet hätten ?”

Er zudte zufammen und murmelte etwas Unverjtänd- liche in den Bart.

„Dar Ihre Frau ك۳‎

„Sie war brav und gut und liebte mich.”

„Alfo fie war haptic). Gleichen ihr bie Kinder trobbem ?” |

„Sa und nein, mid) erinnern fie oft am bie Tote.”

بے 87

„Sit fold) eine Erinnerung niht ۳

„Inwiefern? Mein Gewiffen, ber Verewigten gegen: über, ijt rein und frei. Ihr ۱۵۱6۵ Wort war ein Cegenà- pun|d für mic), bie Verficherung, daß ich fie unendlich glücklich gemacht.”

„And dennoch liebten Sie bieje Frau nicht. Wie groß muß Shr Pflichtgefühl und Ihre Treue fein! Mein Himmel, ba8 fann man fid) faum vorftellen. Wenn Sie aber nun eine andere Frau heiraten wollen, follte ba dieſes ‚Erinnert werden‘ an die erfte nicht lájtig fallen?”

Er wandte den Kopf weit zur Seite. , d) ۶ aud) dann dag Andenken der Mutter meiner Kinder heilig und wert halten, aber . . . id) ... ich Heirate nicht zum zweitenmal.“

„Warum nicht?“

„Fragen Sie mich nicht danach.“

„Gut, ich werde ſchweigen.“

Der Apfelſchimmel trabte durch den dämmrigen, ver— ſchneiten Wald, und Marga barg ſchützend ihr Geſichtchen an der Bruſt eines Mannes, in welcher es noch viel heftiger ſtürmte, als wie hier draußen in dem wetter— durchtobten Tann.

Allein, mutterſeelen allein.

Benedikta ſchaute nicht rechts noch links, ſie ſchritt un— bekümmert um das Ungemach, welches ſie bedräute, durch die wirbelnden Flocken dahin.

Ihr ſtarrer, leuchtender Blick war ins Leere gerichtet.

88

Sie fchaute die wülten, unftät ziehenden Wolfen an, und ja bod) nicht, fie laufchte dem Saufen und Schrillen des Sturmwindes, und hörte e8 bod) nicht.

Eine halbe Stunde mochte vergangen felt.

Ihre durchnäßten Kleider froren zu Cis an ihrem Körper, in den ſchwarzen Haaren flimmerten die Kleinen Kryſtalle und legten fid) falt, unaujpredjfid) falt auf dag Haupt.

Cie bemerkte e8 nicht.

Schneeklumpen balíten jid) unter ihren Füßen, fie glitt und ftrauchelte, tiefer, immer tiefer verjanf fie in dem Schnee.

Ihre Gedanken weilten fernab in einem traulich warmen Gemah des Jagdſchlößchens Altenfähre ۳۲ geijtige8 Auge jchaute über Raum und Ferne. Sie jah, wie ein bleicher, bewußtlojer Mann voll Sorge und Angft emporgetragen wird auf fein ftille Lager.

Er jchlägt bie Augen auf er hält alles, was er erlebte für ein Wahngebilde des Ficbers. Die Jagd —, den unglüd(idem Ritt —, das grope, 0 ٤۶ Mädchen, welches ihn barmherzig im Schoß gehalten.

Und dann greift er nad) dem Haupt und fühlt den feidenen Shawl. Er loft in ab —, er fieht ihn an —, (ange, lange, Da? feine, weiche, weiße Seidengewebe, auf welches fein rinnend Blut rote Rofen gemalt.

„Wem gehört bieje8 ud)? Wer war meine 7/6 will er fragen, aber er fann nicht, rote Tropfen perlen abermals über feine Lipper.

Der Arzt kommt und unterjucht haftig die Wunden. Er lächelt und verbindet fie mit freundlichem Zuſpruch. Dann ein paar ftärkende Tropfen, ein behagliches Betten, und bie fchönen, finnend ernjten Männeraugen 1 fich zu erquidendem Schlummer.

Wenn er erwacht, ijt der weiffeidne Shawl von feinem Bett verjchwunden, er fieht ihn nicht mehr und gedenft feiner nicht mehr. €3 war alles ein Traum, die Jagd fein Sturz vom Pferde, ba8 große, رر‎ ۴۶ Mädchen, welches die bebenden Hände auf feine Stirn gelegt und ihn fo lange, lange durch Thränen ange- {haut hat.

Benedifta krampft die eisfalten, erjtarrten Finger in bem Muff gujammen, fie lächelt.

Wenn er bem Leben erhalten bleibt, wenn er recht: zeitig gepflegt und gerettet in Altenfähre genejen wird, fo ift e8 ihre That.

Gein Bild jd)mebt vor ihr; fie fieht nidjt8 anderes mehr als ba8 fo eigenartig feffelnde, 09611200116 ۲۵, Da3 bleiche, todesjtarre, mit den weitgeöffneten Augen, deren Blid regung3los in dem ihren geruht.

Und fie ftarrt wie eine Trunfene in die Augen und wanft weiter durch Echnee und ۰

Geltjam bie Augen tanzen vor ihr her, werden große, dunkle Fleden, um welche blutroter Nebel wallt, jie wirbeln Hin und ber, wie bie windgejagten Floden, fie dringen riefengroß anmwachfend, auf fie ein und legen fid) wie jdjmarge Schatten über fie. Bentner-

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Mit lebter Anftrengung rafft fich Benedifta zufammen. Sie preßt bie Arme gegen die Bruft und ftarrt ihm ent- gegen. Wie ein Schattenbild fliegt er heran.

Cie hört SBaunfeufen8 Stimme, aber fie verfteht nicht, was er fagt. Sie finit mit gejchlojjenen Augen in feinen Armen zufammen.

Noch fühlt fie, daß er fie in den Schlitten Debt, ۶ Felldecken fchmiegen fic) um fie, und bann ijt e3 ftille, dunkle 9tadjt.

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Cr muß e8 aud, fein Herr benft an nicht mehr; er ijt wieder zum Baby geworden, welches von getreuer Warterhand gepäppelt und gewartet werden ۰

A Sean die Vorbereitungen beendet, meldet er 8 in das „Arbeitszimmer, wo Excellenz im Lehnituhl fibt, und, ein kurzes Pfeifchen im Mund, in das Schneegeftöber hinausträumt.

„Anziehen fol id) mid), Sean?” wiederholt er 0.

„Es ijt bie 90۱16 Zeit, Excellenz.“

yom... du mußt e3 ja willen, Sean.”

Auf den Arm feines Faktotums gejtübt, erhebt fid) ber alte Herr und fchreitet in ba8 Nebenzimmer. So wie er e3 ftet3 gewohnt ijt, nimmt er vor bem Toilettenfpiegel Plak, unb ber Kammerdiener waltet jeines Amtes. Er- celleng ijt gerftreut. Sonft hat er jtet3 eine Kleine Unter: haltung geliebt, heut ſchaut er wortfarg in ba8 gejchliffene Glas und ijt mit allen Gedanken bet einem neuen Handels- vertrag, über welchen ihn Benedifta am Bormittag aus der Zeitung ۰ |

Mechaniſch läßt er fid) anziehen.

Die gleipende Pracht der Ordensſterne auf bem Frad tit ihm momentan in bie Augen und regt für eine Sekunde fein Intereſſe an.

‚le diefe Orden, Sean? Bit das nötig?”

„Jawohl, Excellenz, e3 ijt nad) 0

yom du mußt e3 ja wiljen, Sean.”

„Excellenz können jid) auf mich verlaffen.”

Der ungewohnte Anzug geniert den alten Herrn ein wenig. Er feufzt und blidt zerftreut an fid) nieder.

„Iſt e3 denn jo notwendig, das ich zum Diner muß, Sean?” |

„Ich würde e8 Excellenz nicht zumuten, wenn e3 nicht eine abfolute Unerläßlichfeit wäre.”

„Hm, wegen Benedifta . . . $d verftche . . . Das Kind ijt groß geworden gut, gut, id) fahre febitoeritánblid) zum Effen . . . noch mehr Orden umbinben? Hm . . . bu mußt 68 ja wiffen, Sean.”

Sn aller Nuhe und Bequemlichkeit ijt die Toilette be- endet.

Der Getreue blidt ungeduldig zum Fenfter hinaus, fo oft wie er an ber großen Epiegeljcheibe vorüber geht, und bann fliegt fein Blid nach dem Zeiger ber Heinen Rofofouhr, weiche filberHell von dem Kaminſims Bers übertidt.

(rcelleng hat fic) wieder in ben Seſſel zurückgelehnt und träumt weiter von bem internationalen ۰ vertrag, während Jean voll nervöjer Unruhe auf ben Klingelknopf brüdt.

Die Jungfer Benediftas erjcheint im ا‎

„Iſt Konrad noch nicht mit dem Schlitten zurück? Es iſt die höchſte, allerhöchſte Zeit, Excellenz muß fahren!“ flüſtert Jean, mit ber Rechten fein weißes Haar zu einem Krakehlſchopf über der Stirn auffträubend, was er nur thut, wenn er fehr alteriert ijt.

Sophie bleibt jehr gelafjen: „Die Equipage {teht fix

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und fertig angejdjirrt, Hannöfel traut e8 fih aud) gern zu, Excellenz zu fahren, wenn Konrad u zur Beit zurüd fein folte.”

„Hannöfel? Sollte ihn aud) der Teufel ا‎ wenn bie alte Trahntute nicht mal eine Stunde Weges weit fahren fónnte!^

„sahren Sie nicht mit, Herr Sean?"

„ein! Was fol ich ftundenlang da in der Gefinde- ſtube figen unb Maulaffen feil bieten! Bch habe mit dem ` Kammerdiener ded Herzogs alles Nötige verabredet, wie er den Miniſter zu bedienen hat. Abends fahre ich natürlich hin und hole Excellenz ab."

„So fann wohl Hannöfel bie Livree anziehen?”

Sean 30g bie Uhr und flappte fie umftändlich auf. Er zeigte fie gern, denn fie war jchwer golden und trug auf der Kapfel bie eingravierte Infchrift: „Meinem gez treuen Sean zum 25 jährigen Dienitjubiläum.” Nachdem er fie genugjam vor Sophies Augen hatte glänzen laffen, jebte er fid) in Bofitur.

„Der zweite Kutjcher Hannöfel fol fid) umgehend den großen Livreepelgmantel, große Garnitur fowie den Treffen- Hut mit Koferde aufjegen und unverzüglich mit ber Equi- page vorfahren.”

Sophie nidte gelafjen zum Einverjtändnis; fie war dem Sprecher nicht jonderlich gewogen und behauptete, Jean fei in allen Dingen Excellenz und Excellenz in allen Sean! Aber ein offizielles Opponteren dagegen war leider unmöglich, denn jo lange, wie ber alte Herr icbte, ftand

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jein Kammerdiener auf ber Kommandobrüde von ۰ Hof. Wie lange noh? Der Minifter steht wohl for mit einem Fuß im Grabe, und wenn er erft die Augen geſchloſſen, und Benedifta das Erbe antritt, dann liegen die Zügel in Weiberhänden, und dann ijt auch 8 Stunde gefommen, wo fie mit einer goldenen Uhr in der Hand vor Monfieur Jean {teber und, aufgeblafen wie ein Froſch ihrerjeit3 die Befehle erteilen wird.

Diefer Bufunjt&gebanfe war das Beruhigungsmittel, welches jedesmal gute Wirkung ausübte, wenn der biederen Alien die Galle in das Blut treten wollte.

Sean Tonn am Fenſter unb erachtete e3 al3 ۵ liche Beleidigung, daß der Schlitten mit den Damen nod) immer nicht bie Barfallee entlang geflingelt fam. Statt Delen quietid)te bie große Galakaroſſe durch beu tiefen Schnee vor die. Freitreppe und Hannöfel3 runzliges Ge- fidt Hob fich fpdhend nad) den ۰

Er gehörte auch zu jenen landesüblichen Phlegmatifern, welche den armen Sean durch unverwüjtliche freundliche Beichränftheit zur Naferei bringen konnten.

Wann mag Ercellenz unter Führung diejes in Altenfähre anfommen? Wenn nicht heute, dann ` morgen, denkt Hanndfel.

Schritt für Schritt, hübſch pomadig und bujelig wie alle Gedanfen im Haupte des guten, alten Stiefel wird die Schnedenpoft ihr Ziel erreichen!

Sean könnte bei diefem Gedanken aus der Haut fahren. Er, der bewegliche, flinfe Nheinländer fann fid) abjolut

9t. o. Cf d$ ftrutb, SK. Rom u. Nov., Stern des Glüds I. 7

8

nicht in die fchwerfällige Umftändlichkeit biejer Guts- und Dorfbewohner finden.

Aber gerade das Bewußtfein, Excellenz jefr langſam erpediert zu fehen, veranlaßt ihn, feinen Gebieter wohl oder übel zu der Equipage hinab zu geleiten.

C3 ijt bie allerhöchite Beit, fol ber Herr rechtzeitig an der Tafel des Herzogs ۰۲ ۰

Hannöfel fibt fteif und gravitätiich auf bem Bod und glogt nur mit einem Auge über den hohen ۵ hinweg, um dem Einfteigen feines Herrn und 65 zuzujehen.

Excellenz folgt willenlos wie ein ۰

Sean widelt ihn in Pele, legt die Wärmflafche unter bie Füße und fieht bie Fenſter nad). Dann [treift er feinem Herrn noch warme Fäuftlinge über bie weißen Glacés unb tritt mit einer Verneigung guri.

„Alles in Ordnung, Excellenz.“

yom... ich glaube wohl; bu mußt ق‎ ja wiffen, Sean.” ` „Zufahren!“

Hannökel zuckelt ein paarmal an den Zügeln, und ... quietſch quietſch ... mahlen die Räder Durch den Hart- gefrorenen Schnee. Jean ſieht ihm mit nervös blitzenden Augen nach.

„Ein bißchen flott fahren, Hannökel, es iſt bereits ſehr ſpät geworden!“ ruft er.

Der Cylinder auf dem graubuſchigen Kopf macht eine undefinierbare Bewegung nach vorn. Das bedeutet Zu—

ſtimmung, obwohl Hannöfel den Kopf nicht zurüchvendet, weil e8 ihm zu umftändlich deucht.

„Sin Pferd fann nur fo toll laufen wie e8 eben tann”, philofophiert er, ſchnalzt mit der Zunge und biegt, ohne fid) und die Roffe anzuftrengen, in die SBarfallee ein.

In Jeans Fingerſpitzen fribbeft e&, aber er wirft nur einen anklagenden Blid zum Himmel, flappt fich leicht vor die Stirn und eilt leichtfüßig in das Schloß zurüd; bie Kälte Dat ihm die Ohren gefäumt, und er haftet in das Arbeitszimmer jeine8 Herrn, fid) bei angenehmer Qef- türe und einer Taffe Kaffee zu erwärmen.

Eine Biertelftunde mag vergangen fein, da rufen verjchiedene Stimmen wie in höchſter Erregung feinen Kamen.

Sean fchnellt aus dem Cefjel empor und eilt zur Thür.

Sophie flattert thm Handeringend entgegen, Hinter ihm die ۰

„Herr Sean! Herr Jean! Kommen Sie fchnell an das Portal! Greelleng Hält unten an der ۳

,Sxcelleng?! Seid ihr toll geworden, ihr 2 leute? Rappelts bet ۳

Jean ijt ganz bla vor

„rein, nein, ey ift ۴8 wahrhaftig!”

Der Kammerdiener jtürzt gur Thüre: „Iſt etwa ein Unglüd ۳

Sophie wagt e8 zu lächeln. „Nein durchaus nicht, Grcelleng und Hannöfel wollen Sie nur fprechen !4

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100

Sean faut bie Treppe hinab und fteht einen Augen: bli ۱۵۵۲۵۲ atemío8 vor ber Equipage.

Da3 Geficht des Kutſchers wendet fid) ihm mit freund: lichem Grinjen zu, das müde, ausdrudsloje Geficht des alten Herrn neigt fid) f(üglid) an bie Scheibe. 1

„ean, lieber Jean . . . Du Haft ja gang 1 uns zu jagen, wo wir eigentlich hinfahren ?^

Das Faktotum fteht ba wie vom Donner gerührt.

„Hm . . big nieder ang Grummbolz mardi fchon ge: fahren aber Excellenz meente er wißte ’3 ejendlic) felber nicht recht, wo mer hinfahren follten!” berichtet Hannöfel freundlich und gemütlich wie ftets.

"Sie ringt e3 fid) Haltlos, feud)eub, empört aus Jeans Bruft.

Der Kopf feiner Excellenz ſchrickt jählings, fchuldbe- wußt hinter der Scheibe zurüd. Hannöfel dudt fid) als habe ein Fauſtſchlag unvermutet den Boden feines Cylinder- hutes getroffen.

„Warten! ich fahre mit!” ponit sean, ftürzt zurüd, erfdeint wenige Minuten jpäter in Belg unb Hut, Ihwingt fid) auf den Bod neben den entjegten Hannöfel und reißt bie Zügel an fid).

„Mari vorwärts! —" رر‎ er, läßt die Peitſche wie ein Hagelſchauer auf die Füchſe niederfaufen und rollt im flotteften Tempo, wie von dem Sturm ge: blajen, mit feinem Herrn bem Jagdſchloß Altenfähre zu.

Während deffen näherte {ih Hufichlag auf dem Waldweg. AS Marga bie Schloßtürme aufjteigen fa,

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auch ihr Mut und ihre Laune um cin Beträcht—‏ م1116 liches.‏

Cie verleugnete ihren Spitznamen „das Kind” aud) jebt nicht. |

Gleidh wie ein unartiges Baby jefr zahm und ge- fügig wird, wenn e8 fid) allein und geängſtigt im 010 befindet, griff auch Marga jchmeichelnd und liebenswürdig nad) einer Hand, welche fid) thr rettend und fchüßend entgegen bot, ohne lange zu fragen, ob e3 für gewöhnlich auf ihrem Programm Toun, diefe Hand fortzuitoßen. Sebt, wo ber erfte Lichtfirahl in das Dunkel fiel, und das Ge- ۱۱۱0۲ wiederfehrender Sicherheit ihre Lebenzgeifter anregte, wo bie auftauchenden Scloßtürme ihr die Nähe ber Heimat garantierten, glich fie abermal3 dem Kind, welches Hid) undanfbar und ungezogen von ber leitenden Hand losreißt, wenn es fid) in Eicherheit mäint,

Die Sängerin hob. aufatmend das Köpfchen.

„Wenn nun Shr Herr Sohn fhilt, daß ber Papa fo cigenmäcdhtig war, ohne Konſens auszureiten P^" hob fie von neuem an, und diesmal flang jchon verfchleierter Spott durch ihre Stimme.

Eckert war viel zu erregt und mit feinen eigenen Ge— danken befchäftigt, um e8 zu bemerfen. Er lächelte.

„Ich werde mir alle Mühe geben, den Heinen Mann Schnell zu verfühnen!” fagte er gutmütig.

„Sie verziehen Ihre Kinder in geradezu unerlaubter Weife! Glauben Sie, daß fo etwas gute Früchte trägt? Ein Junge mup jtreng fehr ftreng ja

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mit eiferner Etrenge erzogen werden, fonft wird nichts aus ۳

Er lächelte noch mehr: „Wirklich? Die 81“ darüber find jo verjchieden. Sch bin ein einfacher, fchlichter Mann und fenne mid) nicht auf bie modernen Erziehungs- theorien aus, aber ich bin ein- guter Chrift und weiß... daß „die Liebe die größte unter ihnen” ijt. Was Liebe nicht außrichtet, erreicht auch die Strenge nicht.”

„Ein guter Chrift?” Marga bog das Köpfchen zurüd und blickte ironisch in fein freundliches Geficht empor. „Dann fennen Ste bod) wohl aud) das Bibelwort: „Ber fein Kind lieb Bat, der züchtigt e3?”

Er ward plöglich ern|t. „Gewiß fenne ich e3. Ich jtrafe jede Unart. Die Rute jtedt drohend Hinter dem Epiegel.”

Sie lacht leije auf. „Sie Viet und {tet und bleibt ftecfen, bid Der Staub fie zudeckt!“

„Ber fagt Ihnen: das, Fräulein Dalberg?”

„Meine eigenen Augen.”

„Was ſahen diefelben? KC Staub auf den SSirfenreijern P^

„Moraliſchen wenigjtens! Ihre Liebe ijt Schwäche, große, unmännliche, beflagenswerte Schwäche! Bd be: greife nicht, wie ein Derfulijd)er, energild)er Mann fich von zwei Liliputs in Windelhöschen derart tyrannifieren laffen fann!”

Er zucte leicht zufammen, aber er blieb vollkommen ruhig. „Sie tyramnifieren mich nicht. Was id) jür bie

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Kinder thue, ift das Ergebnis meines ureigenften Willens. Sch Habe fie lieb, fie zu hegen und zu pflegen ift meine Freude und Crquidung. Gd habe Sinn und Herz für Kinder, id) erniebrige mich nicht in, ihrem Dienft, Sondern erhebe und erbaue mich. Sch für meine Perjon Dajfe die rohe und brutale. Art von Vätern, welche mit Liliputs in Windelhöschen‘ (hon abrechnen wollen, wie mit großen vernünftig denfenden Menſchen! Mag vor- läufig noch Staub auf der Rute liegen ich 0 mich Dellen nicht, denn bie ‚Liliput in Windelhöschen‘ thuen vorläufig weder etwas Unrechtes nod) etwas Schlechtes, und nur für Bösartiges oder Schlechtes werde id) meine Kinder züchtigen. Cin wenig Cigenfinn, ein beichmugtes Schürgchen, ein zerbrochener Gegenstand find nicht Der Rute wert. ch habe mich überzeugt, daß id) durch liebevolle3 Burechtweifen und Bureden ebenfo weit, wenn nicht weiter fomme. ——

„Run, das ijt eben 9(nfidjtejadje. Sch für ٤۶) Perjon finde ein folches Glaubensbefenntnis im Munde einer ſchwachen, verliebten und zärtlichen Mutter wohl begreiflich und entjchuldbar, bei dem Vater, einem Mann, welcher in allen Dingen, felbft in ber Kinderftube cin ‚Mann‘ fein fol, imponiert mir fold) weichliche Senti- mentalität durchaus nicht. Nehmen Sie mir diefe Offenheit übel, Herr (Sdert?" |

„Nicht im mindeften.” Sein Antli ward felbft unter ‚der Nöte des Winterfroftes bleih. Man muß in allen Dingen be8 Lebens auf Widerfpruch gefaßt fein und fid)

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Damit abzufinden wijfen, mit feiner Anficht allein zu ftehen. So unbegreiflih, wie Ihnen mein Handeln jet ericheint, -fo unfaßlich find mir Ihre Worte im Munde einer Dame. Gd) war ber Anficht, daß e3 jede Frau entzüden und beglüden müfje, ihre Rinder als Inbegriff aller Liebe und Zärtlichkeit des Vater zu jehen. Meine Mutter hat mir oft verjichert, jeder Schlag, den wir von Vaters Hand erhielten und wenn er fehr wohl verdient gewejen habe ihr bod) ٤ف‎ weber gethan wie ۰ Cie find nod) unverheiratet, Fräulein Dalberg, Sie fennen Mutterliebe mod) nicht und Sprechen wie bie Blinde von der Farbe. E3 ijt mir herzlichit leid, daß Sie eine fold) wenig gute Meinung von mir haben, aber felbjt um den Preis, Ihnen zu imponieren, werde ich nie 71 oder mein Benehmen gegen meine Lieblinge ändern.”

Cie warf fdnippijd) das Näschen zurüd. „Sch habe mir aud) durchaus nicht eingebildet, aus Ihnen einen Profelyten meiner Theorien zu machen. Ich bin ٣ von Herzen dankbar für Jhr hilfreiches Geleit und bitte Sie, mid) in ber Nefidenz zu befuchen, damit id) Sie en revanche für biejet Cpagierritt in einer Drofchfe erjter Güte fpagieren fahren fann. Und nun bitte id) Sie, zu halten. Wir find am Parkthor, ich möchte biejeà Heine Stücchen zu Fuß gehen.”

Er hielt das Pferd [oport an. Seine Lippen bebten unmerflich. „Ich erlaube mir, Sie darauf ۹ءء‎ zu maen, daß juft hier in der Allee der Schnee fer Dod) liegt und bie Paſſage jehr erjchwert ift.”

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„Sleichviel. Die Allee wird von dem Hofe aus über: blidt, und ich möchte bod) nicht den Leuten den Anblid unjerer ſchönen Illuſtration zu dem ,geretteten König3- find‘ gewähren!”

„Der Anblid ijt burdjaus fein ۳

„Aber ein allzu origineler für bie fpießbürgerliche Sefinnung diefer Provinzler!“

„Sie mögen wohl Recht Haben.” Worfichtig, wie man ein zerbrechliches Püppchen anjapt, nahm Edert „das Kind” in feine großen, derben Landmannshände und hob fie behutjam zur Erde.

Sein Geficht fah febr ruhig aus, nur um den Mund ging ein leiſes Beben. Er faute fie fo lange und res gungslos an wie immer, fchweigend, weil auch ۱۱6 ۰ Marga ftampfte ein paarmal mit den frofterftarrten Füßen und {tite jid) momentan auf den Gockel 8 Parfthores.

Dann flutete neues, warmes Leben durch die fteifen Glieder. Cie bot ifm mit überrafchend freundlichem Blid bie Hand empor. „Ich danke Ihnen, Herr (dert, für diefe Hilfe in der Not, Sie waren [efr lieben8- würdig zu mir! Bitte, gedenken Sie nun aud) der armen Baroneß und fchiden Sie fchnell einen Wagen zu ihr hinaus!”

Er hatte ihre Hand flüchtig ergriffen und Tie fie nun - {nell wieder 108, um falutierend an die Pelzmütze zu greifen. Er verneigte fid) in ftummem Gruß und drängte das Pferd zurüd.

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Während Marga mit nod) immer unficheren Schritten burd) ba8 Thor trat, wendete er den Apfelichimmel und trabte auf furgem Umweg bireft in den Wirtſchaftshof.

Der Bli der jungen Eängerin hatte ihn beobachtet. Ein ſarkaſtiſches Lächeln zudte über ihr hübſches Gelicht. Wie manchmal Batte fie im Tiergarten oder Tatterjall gejehen, wie die Reiter ihre Pferde fura zufammenriffen, Cporn gaben und davon jprengten, (dert aber hatte auch dem wohlgenährten Gaul gegenüber biejelbe Zartheit der Behandlung, wie bei feinen Kindern.

Die Sporen hatte , Blanca" wohl nod) nie gefpiirt und bie Rettgerte ebenjowenig, wie Willy und Grethen Daheim bie Rute!

Welch ein Poffenfptel ber Natur! Bn einen Körper, hoch, Tromm, bärenhaft ſtark und trußig, Daudjte fie eine Geele, fo ſchwach, weich und weibilch, wie bet einen lyrifchjt beanlagten ۱

Marga liebt einen derartigen Männercharafter nicht! Cie hat fid) ihr Ideal ftets voll rauher, jeder Sentimen- talität fremder Mannhaftigfeit gedacht. Lieber zu ſchroff, wie zu zart, lieber zufchlagen, wie ſtreicheln! Das würde ihr imponieren. Es lieft fid) jo gut in Romanen von fold) trobig rauhen Helden, welche bie ganze Welt mit eijernen Fäuſten paden und fehiitteln und dam gum Schluffe bod) das Haupt mit ber Löwenmähne fein bemütig und lammfromm auf den Schoß der Geliebten neigen!

oman war ein derartiger Charafter. Ein Titan!

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Marga Hatte e3 voll jdjeuer Bewunderung mitan- gefehen, wie er voll Wut über eine Nachläffigfeit 8 Orcheſters feinen teuern Geigenbogen in Stüde brach wie ein Schwefelholz! Sie hatte e3 erlebt, daß er fein Taſchen— tud) zerfeßte in maßlofem Born, daß er bleich vor In— grimm einem Sänger mit geballter Fauft gegenüber jtanb.

Er f(opfte einmal feinem Bernhardinerhund felber mit- (eidig den Rüden. „Das arme Vieh frißt ein faures Brot bei bem Künſtler Ermönyi! Er ift der 6 meiner jchlechten Laune und muß manden Fußtritt auf- fangen, ber eigentlich einem anderen gilt. Hundelos! Was hat folh elendes Geſchöpf anderes vom Leben zu erwarten, als behandelt zu werden wie ein Hund!!“

Und dann Batte er felber von feiner Jugend erzählt, wie oft bie wilde Leidenjchaftlichfeit des Künſtlers fon Damals über ihn gefommen fei, daß er fid) auf ein Pferd geworfen unb wie ein Wahnfinniger meilenweit durch bie Pußta gejagt fei, bid fein Pferd blutend und halb tob unter ihm zufanımengebrochen fci! Dann wäre er zur Vernunft gefommen. Aber manches Roß habe er dabei zu Schanden geritten! |

Wie intereffant war das! Wie unheimlich jchön war der Sprecher dabei anzuschauen, mit den Schwarzen Augen, aus welchen nod) jebt das Feuer ungezähmter Wildheit jprübte, mit den fchlanfen, weißen Händen, welche bei der fleinften Erregung wie im Fieber

Und er, bieler ungeftiime, zügellofe, himmelanſtürmende Niefe ber Kunft, lag zu den Füßen „des Kindes” wie

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ein gebulbige8 Spielzeug, welches ihre Eleinen Hände tändelnd zaujen, wie ein Adler, welcher fid) ۲ unb demütig vor dem Täubchen in den Staub dudt!

Was fann einem eitlen, hübjchen Mädchen mehr ichmeicheln, al8, fraft feiner gauberhaften Nähe, den Tiger in ein Lamm zu wandeln? |

Und Marga war eitel, grenzenlos eitel. Sie war auch verwöhnt und eigemnmillig, fie verlangte, daß fie von Sedermann auf Händen getragen werde, fie verlangte bie zarteften, liebevolliten Rückſichten, weil fie jeit ۰۶ beinen auf daran gewöhnt war, bie Menfchen durch, ihre Schönheit und Anmut wie Dulbigenbe Sklaven zu be: herrſchen.

Welch ein Triumph aber war größer, als wie der, Roman Ermönyi, den Brauſekopf, den Leidenſchaftstollen, den Rückſichtsloſeſten aller Künſtler ſo ganz und gar wie Wachs zwiſchen den Fingerchen zu kneten?

Marga atmete mit leuchtenden Augen hochauf. Sie eilte ungeſtüm dem Schloß entgegen, in deſſen rieſig großem, linken Seitenflügel die Wohnung des Gutspächters ein— gerichtet war.

Herr Dallberg war ein älterer Mann, wie er es notwendig ſein mußte, wollte er auf dem „Petrefaktenhof“ exiſtenzberechtigt ſein —, welcher mit ſeiner kränklichen Frau ſehr ſtill und zurückgezogen in der Einſamkeit dieſes Landſitzes lebte.

Da die Ehe anfänglich kinderlos geblieben, war Marga, die Jungverwaiſte, ſchon in ihren erſten Lebensjahren

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von dem vortrefflidjen Ehepaar aufgenommen und mit größter Liebe und Zärtlichkeit wie ein eigenes Kind ۶ zogen. Als nad) fünf Jahren plötzlich der Klapperftord) Einfehr hielt und den entzücten Eltern einen prächtigen Jungen in bie Arme legte, welchen fogar mad) zwei Sahren noch ein Brüderchen folgte, blieb Marga Dennoch nad) wie vor al8 allgemein verhätjchelter Liebling im Haufe, Doppelt auf Händen getragen, weil man das arme Kind bemitleidete, welchen die Erbichaft der Pflegeeltern num entgehen mußte.

Die beiden Söhne Dallbergs befanden fid) in ber benachbarten Provinzialftadt in Benfion, weil fie auf Wunſch des Baters das Gymnaſium beſuchen jollten, und wenn bie blafje, leidende Mutter jo ft und einjam am Fenſter des Schlofjes fab, biidte fie voll Sehufucht über bie reizendfte aller Gebirg8gegenben, nad) jener Richtung, wo ihr Liebjtes weilte. Am Sonnabend leuchteten bie müden Augen auf in unausjprechlicher Freude, denn am Sonnabend famen die beiden Rotfappen als jehr junger und {tet fer aufregend lebhafter Bejud) nad) Schloß Sloringhof.

Marga eilte im Sturmfchritt bie Treppe empor, ent- jebte bie Tante durch ihren laut gejammerten, recht wirren Vortrag über das Gejchehene und flingelte jehr ungeftün das gejamte weibliche Dienftperjonal zu ihrer 71 Hilfeleiftung aujammert.

Heigen Thee! Cognac! Außsfleiden! Bett durch- wärmen, alle Glieder mit Franzbranntwein reiben,

Ill ==

eine Reihe von Befehlen jchwirrten über bie Lippen, und der ganze ftille Haushalt ftand auf dem Kopf, bis bie verwöhnte Heine Dame endlich in den weißen, gefticten Kiffen lag, Glühwein tranf und fehr behaglid) in einem Romanbuch ۰

Auf ihren Befehl mußte jedoch fofort eim reitender Bote in die Stadt gejagt werden, um den Arzt zu holen, denn Marga üngitigte fid) fehr, daß fie womöglich) ` Schnupfen oder Halsentzündung befommen fünne.

Tante Dalberg aber war in allen Zuftänden der Sorge und Verzweiflung, denn Marga verftand e3, ihre Umgebung durch bie düſterſten Zufunftsbilder, über alles, was ihr nun paffieren könne, zu alterieren.

Schellengeläut drang die Parfallee entlang.

Der Schlitten fehrte zurüd, und Sophie trat ou bie Portalthiir, ihre junge Herrin zu empfangen.

Das Bewußtjein war Benedifta zurüdgefehrt, aber Sophie {tie einen Schrei des Entſetzens aus, als fie bie Schwache, ftet3 wie im Schwindel Taumelnde mit Pann- feufen3 Hilfe aus dem Schlitten ۰

Gott im Himmel, wie fah das junge Mädchen aus! Leichenfahl, mit tiefumfchatteten Augen und farblojen Lippen, Hinter welchen die Zähne permanent mie im Schüttelfroft zufammen jchlugen.

„Almächtiger Gott! was ijt gefchehen ۶“ {rie bie Alte auf.

Pannkeuken aber wehrte mit entfegtem, angitvergzerrtem

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Geſicht ab und flüfterte: „Bu Bett! fchnell zu Bett mit ihr!”

Eine unbefchreibliche Aufregung erfaßte bie Bewohner des Schloſſes.

Sophie und Mamſell betteten die noch immer halb Bewußtloſe, ſie rieben die froſtſtarren Glieder, ſie flößten ihr ſtarken Wein und heiße Getränke ein. `

Mechaniſch, wie im Traum ließ Benedifta alles mit ſich gefchehen. |

"Gott im Himmel! nicht mal Pelzſchuhe hat fie an- gehabt! Das Leder ihrer Stiefelchen ift ganz 11 in all dem Schneewaffer!” jammerte Sophie.

„Die Füßchen find fraglos erfroren!” ftöhnte Mamfell leife auf.

Endlich fehrte etwas Wärme in den Körper auriid. Dic in Federbetten und Kijfen gepadt lag Benedifta in Dem mächtigen Himmelbett, von deffen gejchnigtem Bal- dahin bie grünfeidenen Damajtvorhänge, fpibenbefegt, Herniederfloffen. |

Mit Leijem Aufjeufzen ſchloß das junge Mädchen die Augen.

„Wenn fie mur in Schweiß fommen wollte!” rang Sophie die Hände.

youll till fie Schläft ein.” سے‎

Welch eine ſchreckliche Nacht. Die Eiſeskälte in Bene- ۵۱61۵8 Körper wich rafender Ficberglut. Kopf und Ges fidt Schwollen hoch auf. Namenloje Schmerzen ließen

2

SL

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Fräulein von Floringhoven ftand er momentan in rat: [ofer ۰.

„Wird e3 Die Kopfroje, Herr Doktor!” jchluchzte Sophie; „ach du barmberziger Gott, der ganze Kopf glüht ja dunfel- rot wie Feuer und ſchwillt aud) fon auf o, und Dieleë Bieber! Man brennt fid) ja, wenn man bie Händ- chen anfaßt!“ |

Der Arzt audte bie Achjeln. ‚Abwarten. Auf alle Fälle haben wir e8 mit einer fehr ſchweren Erfältung zu thun. Hat das guädige Fräulein öfters an Ohrenjchmerzen gelitten?’

„Ach ja, ja, gewiß! Als Kind {ebr viel fogar! Gn den legten Jahren war e8 beffer; nur einmal fam nach zu langem Bad ein Ohrengeſchwür.“

yom, Dm, [o haben die Schmerzen, unter welchen bie Kranke leidet, fraglos ihren Sig in den Ohren. Hm, fehr übel, jehr übel!”

Man hatte dem Minifter, welcher febr müde und ab- gefpannt von bem Sagdiner heimfehrte, nichts von ber Erfranfung Benediftas gejagt; er hatte fid) frühzeitig zur Ruhe begeben und ahnte e8 nicht, daß wenige Bimmer von ihm entfernt der Arzt bie gauge Nacht hindurch am Schmerzenzlager feines Lieblings wachte, daß ein reitender Bote nod) zu fpätefter Stunde in die Apotheke zur Stadt jagte. |

Benedifta war ſchwer erfrauft. Die ganze Wucht ber Erkältung hatte fid) auf das Köpfchen geworfen, und die un- beichreiblichiten Qualen eines entzündlichen Ohrenkatarrhs,

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begleitet von Gefchwiiren, jchüttelten den jungen Körper, al3 fet er nicht in weiche Daunen, fondern auf den fred- lichiten aller Marterrofte gebettet.

Tagelang hegte der aus der Refidenz telegraphifd) be- rufene Medizinalrat bie ernftelten Beforgniffe. Dan hatte endlid) Das Fieber ausgetobt und lieb nach, ber ſchwache Schimmer von Bewußtjein ftürfte fid), man fab c3 dem Blid der großen Mugen an, dak Benedifta ihre Umgegend wieder erfannte und an dem Thun und Walten derjelben Anteil nahm.

„Sophie! flüfterte fie.

Die Alte trat gefchäftig Hinzu, neigte fid) über bae Bett und küßte zärtlich die bleichen, abgezehrten Hände der jungen Herrin.

„Ah Baroneß, wie fchön, wie fdin, dak Sie md wieder rufen! wie wird fid) (Xrcelleng freuen!”

‚Barum feid ihr alle fo furchtbar [till und leije, Sophie? Bin ich denn fo jehr ۳

„Keine Spur, Baronefschen! ein wenig Ohrenſchmer— zen, Das geht alles vorüber, bi wir auf der Hochzeit tangen!”

„Warum bewegft du immer bie Lippen und redeft nicht ?^

„Ich? et du mein Himmel, ich fpreche ja!”

Erregt richtete fid) Benedifta auf unb ۵ bie Hand ber alten Frau: „Sophie! um Gottes Barm- herzigfeitt |prich zu mir!”

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Die Matrone entfärbte fih: „Herzchen! Kindchen! id) rede ja! rede in einem fort! Hören Sie mich deun nicht 2”

Da gelte ein Schrei der Berzweiflung Durch das Krankenzimmer. Die gefalteten Hände voie in 71 Entjegen hebend, janf das junge Mädchen in die Kiffen zurüd.

„Sophie! id) bin taub!”

Der Jammerruf fand ein Echo im Munde ber Gc- treuen. Alles Blut void) aus den Wangen der Kammer: frau. Mit gerungenen Händen fank fie neben dem Bett nieder. „Das verhüte Gott im Himmel, Sie armes, armes 10)

Die Thürvorhänge regten fich. Der Arzt trat cin. Sein fchredverftörtes Geficht bewies cà, daß cr Zeuge der furgen Unterredung ۰

Mit bebenden Händen nahm er, foweit wie e8 bei dem jebigen Bujtand ber Kranken möglich, eine Unterfuchung der Ohren vor, cr forjchte, prüfte und alles ergab nur bie cine, cutfeglide Thatſache ۵ hatte das Gehör verloren.

Thränen jtürzten aus den Augen des Minifters, als ihm bie furchtbare Mitteilung fehonend beigebracht wurde, er neigte Das weißhaarige Haupt auf bie gefalteten Hände und weinte bitterlich.

Der Arzt juchte ihn zu ermutigen. Er verficherte, daß aller Wahrfcheinlichfeit nach das Leiden nur ein ۶ gehendes fein werde, daß cin tüchtiger Spegialijt ¢3 frag-

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rähig find zu reiſen, Fonjultieren wir einen Spezialiften, welcher fie fraglos wieder herftellen wird.”

Ein Aufatmen Hob bie Bruft des jungen Mädchens. Cie Hammerte fich feft an bieje Hoffnung, und die Tafel mit den tröjtenden Worten glich einem Stern, welcher fanftes Licht in tiefer Dunkelheit verbreitet.

Die furgen, trüben Wintertage zogen langjam dahin, und Benedifta lag till und geduldig in den Kiffen mit weit offenen Augen vor fid) Hintrdumend. Oft Hufchte cin kurzes, feliges Lächeln um ihre Lippen. Das jchöne, ernjte Antliß leuchtete wie verklärt, und wenn Sophie es zufällig bemerkte, jeufate fie tief auf, „welch Schöner Traum mag bem armen Kinde wohl vorgaufeln ?^

Sa, e8 war ein fchöner Traum. Stets ein und Ders jelbe, der Traum, welcher bod) eine jo traurige, unglüd- jelige Wahrheit ۰

Gibt e3 einen Einfluß, welder phantaftifche Gehirn- gelpinjte in den Köpfen ber Menjchen und namentlich ber jungen Menjchen nährt, jo find c8 die ftillen, Ichlaflojen Nächte, bie einjamen, eintünigen Tagezitunden eines ۰

Was vielleicht inmitten eines wechjelreich bunten 8 wie Schaum und Traum verflogen wäre, faum noch als f(eine Epifode in der Erinnerung haftend, das nahin in dem fturmumfauften, Dämmerigen Gemah Benediftas ftets feftere und bleibendere Formen an, das wuchs empor und brannte fid) mit bem feurigen Stift Franfhaft erregter Phantafie in Herz und Ceele eim, big e8 fein Traum,

= اف =

fein Bild mehr, fondern eine unauslöjchliche und unver: geßliche Thatjache, ein Inbegriff alles Denfen3 und Sinnens war. Wenn bie Erjcheinung eines Menfchen mit dem . liebevolljten Intereffe und dem rajftlofeften Eifer glühender Einbildungsfraft ausgejchinüct wird, jo muß felbft 8 farbloſeſte Nebelbild zum lebenswarmen, ftrahlenden Ideal werden, vollberechtigt ein Mädchengemüt zu erfüllen.

Und was hatte Benedifta Lieberes zu thun, als fic) in ihrer trojtlofen Cinjamfett die Erinnerung an eine Stunde zurüdzurufen, welche für fie zum Verhängnis ge- worden. |

Alle ihre Gedanken Freiften nur mod) um ein Ereignis, um jene Unglüd auf ber vom Schneejturm umbrauften Heide, um bie Gejtalt jenes Fremden, welchen fie rettete, um fid) felber und ihr ganzes Lebensglück babet aufzuopfern.

Nettete fie ihn wirflih? Wie mag e8 ihm gehen? Sjt er Hergeftellt von feinen Verletzungen oder liegt er, gleich wie fie, ftilf und freudlos auf bem 60۴۲ zu Altenfähre, um von dem jdjmargüugigen Mädchen zu träumen, welchem er Leben und Gefundheit ۸ Oder haben Fieber unb Bewußtloſigkeit jede Grinnerung daran verwilcht? Ahnt er nichts mehr von den einzelnen Umständen jeiner Rettung? Erzählt ihm Niemand und forjcht er bei Keinem, wie er nad) Altenfähre zurüd- gekommen, welch ein Schlitten e3 gewejen, ber ihn barm- Herzig aufgenommen ?

Keine Antwort auf alle diefe brennenden Fragen ihres Herzens. Still granenvoll ۰

ee‏ بین

Cie fieht, wie der Uhrpendel fid) regt, aber fie hört fein Tiden, fie fiet, wie die Baume vor den Fenftern fich biegen und jchnellen, aber fie hört nidjt8 faujen und

Mandel tritt ein und bringt das Frühftüd, aber die Kranfe Hirt weder einen Schritt noch das ۷۴ und Raſſeln des Vorzellans und ۰

Unbefchreiblic) qualvolle Ruhe um fie Her.

Nur einmal! einmal wieder eine menſchliche ۵ hören! Nur einmal nod) am Flügel figen und ۱ und fingen fünnen, nur einmal im Leben feines Mundes Worte in fid) aufnehmen fünnen wie einen Klang aus befferer Welt!

Er! immer wieder er! fein Gedanfen mehr ohne ihn.

Cie möchte nad) ihm fragen, fie möchte für ihr Leben gern feinen Namen erfahren und wijfen, wie e8 ihm geht!

Aber eine unerfldrlidle Scheu ſchließt ihr bie Lippen. Etwas Ungünjtiges, Beängjtigendes über fein Befinden hören, würde fie zur Verzweiflung bringen.

Cie graut fid) aud) Davor, zu jpredjem, ohne ihre eigenen Worte zu Düren.

Wollte fie bod) genejen! Wollte bicle unnatürliche Schwäche und Kraftlofigkeit doch endlich weichen, Damit fie bie Reife zu dem Spezialijten antreten fann! Cine fieberijd)e Ungeduld erfaßt fie.

Das günjtige Zeichen, daß die unangenehmen ſauſen— den und fodjenben Geräufche im Ohr nadjlafjen, erfüllt fie mit zitternder Freude.

س 123

Geltjanı, fie, bie vor wenig Tagen iod) fo gleichgültig und rejigniert in die Welt blickte, fie, bie von ber Zus funft weder Gifüd nod) Erfüllung ihrer Wünfche erhoffte, fie benft und finnt plößlich nichts anderes mehr, als wieder in ben Vollbefiß ihrer jungen, jtrahlenden Schön: beit zu fonunen!

Warum ?

Wenn fie ihre Gedanken ausſpinnt, fo werden fie zu duftigem Schleier, welcher ein bräutlid) Haupt ۰ Anders, ganz ander wie früher. Leben und Welt (oen fie plöglich wie mit Baubergewalt. Sie fennt nur noch einen Wunſch ihn, jenen Fremden, Namenlofen, wiederzujehen; fie fennt nur nod) ein Verlangen, thm als— dann aud) zu gefallen!

Und jeßt, gerade jebt, wo all ihre Sehnjucht unb ihr leidenschaftliches Wünjchen fie hinaus in den bunten Strom des Lebeng zieht, jebt, wo fie mehr denn je jung, ge: junb und lebenzfrifch fein möchte, jebt muß fie abgeftorben, invalide und ausgeſtoßen von ber menjchlichen Gemein- ۱000۲۲ Bier in ber Ginjamfeit von Floringhof dahinfiechen. Taub! Laub.

Sie will e8 nicht fein! fie fann e3 nicht fein! ihre ganze Seele ftrdubt jid) dagegen. Ein Schrei der ۶ zweiflung ruft nach ihrem gemordeten Gíüd, nad) ihrer vernichteten Jugend.

Sie will leben für ihn! ge will glüdlid) jein mit ibm! fie will hören aus feinem Munde das einzig füße Wort, welches all ihr Denfen und Träumen erfüllt.

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Der Arzt redet ihr gu, er tröftet, er ftärft fie in ber Hoffnung und Benediftas Wangen färben fid) gum erfien- mal wieder mit einem rofigen Shimmer der Freude, als fie das Bett verlaffen und ein paar Stunden im ۲ zubringen darf. |

Das rüdt fie bem Biel ſchon um ein Bedeutendes näher. Wie Hell das Feuer im Kamin lodert, wie die ۷8۷ emporfpriihen und gleich einem ]تماق‎ einherwirbeln. Benedikta läßt das Buch finken, in 1 fie gedanfenlos geblättert, und {haut finnend in bie Feuersglut hinein.

Cie hört nicht, daß fid) bie Thüre öffnet, fie Hört nicht, day Schritte näher fommen, fie lächelt vor fid) hin und denkt: wie mag der Fremde heißen? Er gehörte zu den Gäften auf Altenfähre, er muß ein Offizier oder ein Kavalier vom Hof fein, was ijt er wohl und wer ift er? Arm ober rei? Das ijt gleichgültig, Benedifta fragt nicht nad) Namen und Mitteln, fie Bat in Dem ſchönen, edlen Angeficht gelefen, daß biejer Mann ber Reichfte an jtofaer Tugend, ber Vornehmi{te unter den Belten feiner Zeit fein muß. Ein Schatten füllt gegen bie weißen WBorzellanfacheln des Ofens, und Baroneß Floringhoven wendet langjam das Köpfchen.

Sean Baptifte fteht neben ifr. ein altes ver- trocknetes Geficht blidt fummervoll auf bie flante Geftalt, welche in dem weißen Kafchmirmorgenkleid jo zart und leidend, wie ber Getreue e3 nie für möglich gehalten, ausſieht.

Er verneigt jid) und bietet ihr bie fleine Tafel ent- gegen. Mit der andern Hand Hält er einen Brief auf filbernem Tablett.

Benedikta neigte fid) über dic Tafel und Delt. was Sean für fie aufgejchrieben.

„Gnädigſte Baroneß. Sch habe Wio feit zwei Tagen einen Brief für Grcelleng in Empfang genommen. Der- jelbe trägt einen Namenszug mit Fürltenfrone und den "Vermerk: „Herzogliche Angelegenheit.” Sch wage darum nicht, Den Brief zu öffnen. Nun fann id) aber Excellenz auch nicht dazu bewegen, e3 zu thun. Der alte Herr ift vollfominen jtumpffinnig geworden und jchiebt den Brief immer wieder zurüd. Da e3 etwas Eiliges fein Fünnte, erlaube id) mir nun Baroneß zu bitten, dag Schreiben 01111011 öffnen zu wollen.”

Sean Baptifte war ein gewandter Schreiber gewefen, aber e8 beudjte Benedifta, alà ob feine Schrift fehr viel zittriger al3 früher ء٤۰‎

Cie nidte ihm freundlich zu und griff nad) dem Sprei- ben, einen aufmerfjamen Blid auf die Smitialen des Um: ichlages werfend. Ein Ordensband {lang fid) zum Ring, cine lateinische Sufdrift tragend. Ganz Hein inmitten zwei verichlungene Buchjtaben, und über dem Ganzen Die gefchloffene Fürſtenkrone.

Eine flare, große, jehr ruhige und fefte Schrift, aber feine Schreiberhand.

Nad) Turzem Zögern öffnet Bencdifta das ſteiſe Papicr.

Ein elfenbeinfarbener Bogen, chenfalls die 1

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ded Umſchlages, Klein und anfpruchlos, mehr al8 einen Stenipel tragend, Elappt unter ihren fchlanfen Fingern auseinander.

Erxcellenz, hochzuverehrender Herr Minijter!

Durd) meine Kranfenwärter habe ich in Erfahrung gebracht, daß id) Cw. Excellenz jowohl wie Dero hoch: zuverehrenden Baroneß Enfelin zu ganz bejonderem Dant verpflichtet bin. Während ich durch den Sturz von dem Pferde bewuftlos auf freiem Feld gelegen, hat ۲ Floringhoven die unendlich Tiebenswürdige Barmherzigkeit geübt, mich in ihrem Schlitten nach Altenfähre befördern zu lajjem. Leider machte e3 mir meine bejchleunigte Ab- reife in bie Kini des Profeſſor Dr. B. unmöglich, per: fönlich meinen Dank im Haufe Cw. Excellenz abjtatten zu fünnen, und Dole ich denjelben nunmehr auf fdjrijt- lihem Wege in verbindlidfter und erfenntlid)iter ۶۴ nad). Wollen Cw. Excellenz bie große Liebenswürdigfeit haben, mid) Baroneß Floringhoven voll bienjtmilliger Verehrung angelegentlichjt zu empfehlen, und die ۶ fiherung meiner vorzüglichſten Hodjachtung zu genehmigen, mit welcher id) ftet3 verbleibe Euer Excellenz aufridjtigft

ergebener Percy, Pring zu X. X. Dag Heite Briefblatt wankte und zitterte vounberlid) in der Hand ber Lejenden. Cie hob, wie unter gemaltjamer Anjtrengung, dag feichenfahle Antlig und befahl Jean mit furzer Hand: bewegung, fich zu entfernen.

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Uhr weiter vorrücdte, Daß bie Nebeljchleier ber Dämmerung fich über das jtille Turmgemach fentten.

ALS fie das Haupt endlich wieder hob, war ihr junges Antlitz verändert. Cine fteincrne, leblofe Ruhe lag auf den jchönen, bleihen ۰

Cie ſtrich langfam über die Stirn und griff 8 nach Dem Brief und blicte darauf nieder lang und regungslos. Und dann hob fie ihn mit zitternder Hand und füpte den Namen Percy, wie man die Stirn eines teueren Toten ۰

Prinz Percy! Sa, ein Pring Percy war tot für fie tol und unerreichbar, wie bie lichtverklärten Ge- Italten, welche unjere Liebe und unſere Sehnjucdht in einer fernen, befferen Gotteswelt fuchen muß. Pring Percy! ihn Hatte fie gerettet ihn. Um Hohen Preis.

Wahrlich jo Dod)? Bor eim paar Stunden noch hat fie e3 geglaubt, jebt lächelt fie wehmütig und fchüttelt das Haupt mit den thränenmüden Augen.

Mein, mun deucht fie ihr Elend feiner Klage wert. AM bie thörichten JSünjdje und Hoffnungen, welche ihr Herz an den Unbekannten geknüpft, fanfen baltlos vor einem Prinzen Percy aujammen, wie Schatten vor ber 60111166 ۰

Wenn eine Barone Floringhoven einen herzoglichen Prinzen liebt, jo ift e8 gleichgültig, ob fie hören fam oder nicht, ob fie zu fehen vermag, oder ob fie blind geworden.

Der Abgrund, welcher fie trennt, ijt fo breit und fo

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ſchwindeind tief, daß c8 gleichgültig ift, ob eine gefunde, blühende Schönheit an feinem Rande fteht, oder ein un- glüdliches, gebrochenes Bild des Jammers; eine wird dem Prinzen Percy fo fern und gleichgültig bleiben wie bie andere.

Nun, da Benedifta weiß, wer zu ihrem traurigen &djidjal geworden, empfindet fie ihr Unglüd beinahe wie cine milde Tröftung.

Wäre fie gejunb, würde fie Dod) vielleicht in thörichter Sehnfucht Mittel und Wege gefucht haben, der ritterlichen Erjcheinung de3 Prinzen nod) einmal zu begegnen. Was fie für ein Glüd erachtet haben würde, mit ihm zu vers fehren, ihn zu fehen, fid) an biejer oder jener Kleinen Aufmerkſamkeit feinerfeit3 zu beraufchen, da3 würde im Grunde genommen doch nur ein Glück ohne Rube, ein Aufreiben und Verzehren in unglüdlicher Leidenjchaft ge- melen fein. Sekt hatte das Cdjidjal fie vor den Qualen eine3 fol) Hoffnungslofen, nie beglüdenden Verkehrs bewahrt.

Ein freundlicher Engel war an ihr Lager getreten und hatte feine Hände weinend auf ihr Ohr gelegt, e8 ber Welt und all ihren verwirrenden Klängen und Weijen zu verjchließen.

Da fie bod) niemal3 ben Laut 84+۶۴ Beleligung von den Lippen des Geliebten hören fonnte, brauchten aud) bie Mißklänge und das Getöfe der Welt nicht bie Grabesruhe zu jtiren, in welder ihr Herz nun liegen und träumen ۰

91.9. ECfHftruth, IN. Nom. u. Nov., Stern bes Glücks I. 9

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Der Brief be8 geliebten Mannes war ber Grabjtein, welcher e8 voll {tiller Hoheit ſchmückt, er war das Kleinod, welches ihr Leben reich machen wird. Bn dem fleinen Schrein fol er verwahrt liegen, welcher ba8 weißjeidene Kopftuch birgt, deffen dunkle Fleden fein Menſch zu deuten wiſſen wird, wenn einft frende Hände den Nachlaß der „Nonne von Floringhof” 15ھ‎

Nach dem unbegreiflichen Ausbruch be8 Schmerzes, welchen der Brief mit ber „herzoglichen Angelegenheit” verurfachte, glaubte Sophie einer trojtlofen Stimmung bei ber jungen Gebieterin zu begegnen, al8 fie nad) ge- raumer Beit eintrat, ba8 Feuer in dem Kamin لا‎

Ihre Befürchtungen erwiefen fid) jebod) glüdlicher- weiſe ۰

Sm Gegenteil, e3 wollte der überrafchten Alten ٤ ſcheinen, al8 fei eine milde, erlöfende Ruhe über 1.6 gefommen, bie Ruhe eines friedlichen Gommerabend3, wenn die Elemente zwifchen Himmel und Erde fid)

Und diefe Refignation und das freundliche Fügen in ein unabwendbares Schidjal (hienen anzudauern, ja fie traten ftet3 auffälliger zu Tage, je weiter bie Befferung in dem förperlichen Befinden der Kranten fortjchritt.

Benedifta |prad) und verfehrte wieder in ihrer ge- wohnten, gütigen Weife mit ihrer Umgebung, ja fie brachte e8 fogar fertig, hier und da wieder einen matten Sonnen- dimmer der Freude auf bem Antlig des Miniſters Bers borzuzaubern, wenn fie ihm mit heiterem Lächeln Ders ficherte, fie vermifje ihr Gehör durchaus nicht mehr, und

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der fchriftliche Verkehr mit den Leuten werde ihr fon zu einer ganz behaglichen Gewohnheit.

Dem Wunſch des Arztes, die Reife zu einem Spe- ztalilten anzutreten, widerfegte fie fid) ploglid). Es habe ja Beit bis zum Frühjahr! Das Reifen bei der jebigen Witterung fei ihr fo unangenehm, fie fürchte eine neue Erkältung und was der Gründe mehr waren.

Diejem lebteren fonnte der Arzt ja nur beipflichten, da der Winter ein ungewöhnlich ftrenger, und Benediftas Gejundheit eine immer nod) {ebr zarte war.

Ihre größte und liebjte Zerjtreuung waren Margas Briefe, welche faft täglich eintrafen, jeit bie junge Sängerin um bieje Freude mußte.

Der Inhalt ber Korrefpondenz drehte fid) ۵۲ itünbfid) nod) viel um dag Unglüd bei 06 ۰

Marga hatte e8 natürlich auch erfahren, daß der Ver: unglüdte Bring Percy gemejen. Sie jchrieb ganz begeiltert von ber kühnen That Benediftas, welche ber Welt einen jo vorzüglichen, hervorragend tüchtigen Mann erhalten.

„Denten Sie bod) nur, liebjte Benedifta, ber Pring wohnt jebt hier in ber Nefidenz, um in ber ۴ des Profeffor $. umfangreiche mebigimijde Studien zu machen. Daß er aus Baflion ſchon feit Jahren Medizin jtubierte, wiffen Sie bod) wohl. Gr Bat fogar ein glänzendes Doftoreramen gemacht, und feine Lehrer und bie Univerfitätsprofefforen folen gang erfüllt von feiner hohen Begabung und feinen beinahe außergemwöhnlichen Kenntniffen fein. Mein Gott, ein Pring als Arzt!

Ort

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Wenn man fid) jo etwas denft! Da gehört bod) wirklich Paffion dazu, um in einer derartigen Stellung fid) mit ben aufreibendften Studien abzuquälen. Geftern war er in der Oper. Leider hatte ich nur eine feine Partie zu fingen, dafür aber in den Bwijdenpau]en Zeit, durch) den Vorhang zu guden! Ihr Pring Percy ] ٤) mich natürlich jehr. Schön famm id) ihn nun amar abjolut nicht finden, höchſtens bie 09۱۱۵9016 Figur, welche fid) geftern bejonber8 gut präfentierte. Cr trug bie Uniform der Garde-Ulanen. Sein Geficht ijt fabel- haft geijtreid) und intereffant, er fieht fo febr lieben8- würdig aus, aber hübſch finde id) ihn nicht. Oder lag e3 an ber Beleuchtung, daß er fo elend ausſah, vielleicht aud) etwas überarbeitet. Er blidte fo viel unter fid, machte bie Augen gar nicht recht auf, wenn er mit Königin-Mutter |prad), neigte er den Kopf immer febr tief. Aber die Unterhaltung fien febr. angeregt und interejfant. Und dann brad) Marga ab und bez richtete von Roman Ermönyi.

Strahlend, jubelnd vor Entzüden. Er fet in hohem Grade aufgeregt und entjegt geweſen, al8 er von ber ichredlichen Schlittenaffaire gehört habe. Herr 8 Himmels, Marga! wenn du anjtatt der beflagenswerten Baroneß taub geworden wärelt. Deine ganze Carriere wäre ja vernichtet geweſen!“ hatte er tötlich er- ichroden ausgerufen, und fie alsdann bejdjmoren, fid) nie wieder derart in Gefahr zu begeben! Als ob mir folh ein Unfall nicht bei jeder Reife zuftoßen

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fónne!! Sie glauben nicht, Benedifta, wie über alle Begriffe Roman verliebt ijt! Wenn ich ihm aus ber neuen Oper meine Partie vorjinge, ift er wie ء٥۱‎ Er behauptet, meine Stimme entwidele fic) unter ber vortreffliden Schule der Madame Aftot zauberhaft! sch glaube e8 in gewifjer Beziehung auch, Denn ber Jn- tendant will mir nächiten Winter größere Partien geben, und ba8 Bublifum zeichnet mich durch immer lebhafteren Applaus aus.

Sm Mai fol Romans neue Oper an bem +٣۴ Theater ihre Premiere machen. Sie finnen jid) denken, in welcher Aufregung id) mich befinde, juft an biejem Abend bie Titelrolle zu fingen. Auch Noman ift ohne 2۳۲۵۵6 jehr nervös und reizbar Durch das 46٤6 Arbeiten; denken Sie bod), ber Higtopf hat geftern auf dem Korridor feiner Wohnung ein paar Portiersrangen durchgebläut, weil fie folchen Spektakel machten und ihn jtirten, dafür haben ihn nun bie unverjchämten, Ders blendeten Eltern verklagt! Wuftatt baufbar zu fein, wenn ein Mann wie Roman ihre frehen Göhren ٤+٤۰

Wieder nahm Benediftas Geficht den beforgten Aus— brud an, welder thm fo oft eigen, wenn fie 8 Berichte über den Komponiften las.

Das Herz ward ihr jchwer bei dem Gedanken, Dag arme, ſchwärmeriſche Kind als Gattin eines derart un- berechenbaren und rüdjichtslofen Mannes wie Ermönpi zu wifjen.

„Armer Edert! Wie unvorteilhaft ijt eine folh biebere

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unb brave Neblichfeit wie die deine, wenn fie durch gar feine blendende 9[upenjeite den Sinn eines 8 reizen fann.”

Die Berichte über Pring Percy interejjierten fie auf Das Höchſte. Ihre Phantafie bejchäftigte fid) in ۶ ſchwächt lebhafter Weife mit ihm, und jede neue Anregung war ein unerjchöpflicher Duell des 61111:13 und 8 für fie.

Seine medizinischen Studien verfolgte fie voll lebhaften Cifer3, ihre Bewunderung und Verehrung gefellte fid) zu der ſchwärmeriſchen Liebe, mit welcher fie fein Bild umgab.

Ein Bild aber, welches fich lediglich beim flüchtigften Sehen im Auge gejpiegelt, verblaßt und verjchwimmt mit ber Beit, unb fo angftooll auch Beneditta be- mühte, e3 feitzuhalten und ftet3 auf neue dem Gedächtnis einzuprägen, bemerkte fie e3 doch felber mit forgender Angft, daß ق‎ ihr immer unklarer dahinſchwand.

Hatte ſchon ihre jchwere Krankheit dazu beigetragen, die Erinnerung zu fehwächen, fo that e8 nun bie Beit voll rettungslofer ۰

Welch eine unbefdhreibliche Aufregung und Glüd- jeligfeit erfaßte darum das einjame junge Mädchen, 8 im Laufe be8 Frühlings ein großer, bejchwerter Brief von Marga eintraf, aus deffen Umſchlag eine Photographie auftauchte.

„Percy! Percy!” rang e8 fih in lautem Jubelſchrei jablings von Benediktas Lippen.

Aber... was war das? Ein Bittern flog burd)

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Cie frampft bie Hände um fein Bild und finft in einen Geffel nieder. Die Augen fchließt fie, al8 ob bie itrablenbe Frühlingsfonne fie plößlic) blendet. Und als fie fid) wieder etwas beruhigt, {Haut fie wieder auf fein Bild. Da Sieht fie e3 erft, wie weit fid) ihre Phan- tafie verirrt. Wohl fennt fie feine Züge wieder, fie empfindet auch biejelbe warmherzige und zaubermächtige Sympathie dafür, und bod) faut diefer Prinz Percy anders au8 wie derjenige ihrer Gedanken.

Hier blidt er fie mit feinen großen, durchgeiftigten Augen lächelnd an, die Haare umrahmen in leichten Wellen, foldatijd fnapp, bie hohe Stiru, und bie flante Figur in ber Ulanfa fit jo elajtijd) und fraftvoll vor ihr, al8 Babe fie niemal3 wie ein gebrochen Schilf im blutgefärbten Schnee gelegen.

Er Scheint die Uniform noch viel zu tragen, ficherlich eine Zuporfommenheit gegen den regierenden Wetter, welcher vom Scheitel DiS zur Sohle ein paffionierter Soldat dit. Benedifta war nod) nie in ihrem einjamen Leben jo glüdlich, wie in diefer Stunde, welche ihr die Erfüllung des Tiebften, fo lange jdjon geheim gehegten Wunfches 06۰

Die Zeit vergeht. Durch die weit offenen ۴۲ flutet bie bafjamijd)e Frithlingsluft, und taujenb 1 an Baum und Strauch erzählen felbft tauben Ohren von dem Gnadenwunder Gottes, welches aus Cis und Schnee dennoch bie a(üdjeligite Lenzesluſt wecken fann.

Marga jchreibt wieder fehr ausführlich.

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Den Hauptinhalt des Briefes nimmt Roman Er- mönyi ein.

„Ich ſchmettere meine glüdlichjten Wonneträume gleich ben Vöglein draußen zum Himmel! ch finge mit einer Begeijterung, welche mein ganzes Weſen in Flammen fegt. Xd) glaube, diefe Flammen brennen das ‚Kind‘ in mir zu Tode! Roman glaubt e8 auch und findet e8 voll: fommen zeitgemäß. Wie lange nod? Dann ift das Kind Marga Daja das Weib be8 Ermönyi geworden.

„Hell wie das Morgenlicht Lächelt bie Ferne. Glückliche Sterne Täuſchet mich nicht!”

Benedifta lächeit mit rofigen Wangen. Aud) ihr ijt وه‎ plöglich zu Mute, ald müjje fie diefe Weije der Gazza cadra hinaus jubeln in alle Welt. Das Klavier {teht neben ihr. Wie lange, lange hat fie e3 nicht geöffnet. Mechaniſch greift ihre weiße Hand nad) bem Dedel, jchlägt ihn zurüd und finft auf bie ۰

Ein paar volle Wforde fraftig angejchlagen. Wieder zudt Benedifta jahlings zufammen, denn abermals verirrt fid) eine leife Klangwelle in ihr Ohr.

Slühende Nöte brennt auf ihrem Antlig.

Cie jpringt empor, fegt fid) an bem Inſtrument nieder unb fingt mit heller, jdjallenber Stimme in bie Frühlings- pradjt hinaus.

Wie ein Saufen raujdjt e$ durch ihr Ohr Hie und ba ein feiner Klang, oft ſchwächer, oft deutlicher.

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Die Thür öffnet fid) Hinter ihr.

Die gebeugte Gejtalt des Miniſters, auf den Stod geftüßt, erfcheint faujdjenb in ihr. Die Hände des alten Mannes zittern, ein verklärendes Leuchten fliegt über bae runglige ۰

Er wehrt Sophie und Pannkeuken, welche atemío8 bei ben Mufifflängen herbeieilen, lächelnd ab. „Es wird Frühling!” murmelt er, „draußen und drinnen —, Das walte Gott.”

Die jubelnden Weifen verflingen allmählich.

Benedifta läßt ihre Hände Hochaufatmend ۰ Thränen glänzen in ihren Augen. „O Herr, mein Gott, wenn e3 nod) einmal anders werden könnte!“ flüftert fie zum Himmel auf.

Und dann greift fie abermals zu Margas Brief. Nod) hat fie ihn nicht zu Ende gelejen.

Nach einer kurzen Andeutung, daß Roman die Stelle eines eriten Rapellmeijters im einer großen jüddeutjchen Nefidenz angeboten befommen habe, welche er aud) ۶ nehmen wolle, wenn feine Oper reüjfiere und Marga einen derartigen Triumph verzeichne, daß fie an bejagter jüddeutjcher Oper al3 er|te Sängerin engagiert werde ipringt „das Rind” ohne jeden Übergang zu bem Thema Percy über.

„Soeben [af ich in einer Buchhandlung das audgezeich- nete Bild des Prinzen eben, Da er Cie wohl immer noch intereffiert, fende ich e3 Ihnen mit, liebe Benedifta. Sch fahudete ſchon jo lange Danah, aber Monjeigneur

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Muß fie nicht feine Heirat al8 etwas gang Natürliches und GSelbftverftändliches erwarten? Kann fie e8 verhin- dern, daß broben am Himmel zwei Sterne ihre Strahlen ineinanderflechten ?

Sener unbefannte Reiter, welchen fie einſt blutend und bewußtlos im Arm gehalten, der gehört ihr für alle Ewigkeit, Pring Percy aber, ber gefunde, lebenzfrifche Sohn des Fürftenhaufes, gehört bem Vaterland und feinen dynaſtiſchen ۰

Benedikta weiß e8 und verlangt e3 nicht anders, barum läßt fie bie Nachricht von feiner Verlobung vollfommen ruhig. Sie denkt nur darüber nad), ob er mit ber jungen Witwe auch glüdlic) werden wird. Wer mag e3 voraus- jagen! Die Ehe gleicht dem Wetter, man fann e3 nie mit Sicherheit propDegeien! Manh ein Tag, welcher jonnenbell und wolfenlos begonnen, endet in Wetter, Sturm und nüdjigem raus, und mand ein trüber Negenmorgen Härte fid) auf in fonnigfte Lenzespracht.

Das liegt in ber Hand Dellen, welcher Wolfen, Wind unb Menjchenherzen lenkt.

Nicht Das Scifflein fert jedesmal ficher zum Hafen ein, welches bei glatter See bie Reife begann, pfeift der Sturm gleich anfangs in bie Segel, treibt er e8 oft Defto {neler dem Biele zu.

Ein Mann, welcher fo ruhig, jo brav und ficher den Weg des Nechten geht, wie Pring Percy, wird fchadlos aud) durch Sturm und hohe See Steuern, wenn feinem Lebenzichifflein bot Wetter bejd)ieben, aber jene Eleine,

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hilflos Schwache Blüte Marga, wird fie nicht entblättert und todesmatt in den Staub finfen, wenn bie entfejjel- ten Gewalten einer unglüdlichen Che fie paden und Ichleudern?

Und Benedifta bangt vor den Stürmen, welche eines Ermönyi zügellofe Leidenjchaft mit fich bringt. Die wunderliche, unzuverläſſige Welt!

Hier in der Ginjamfeit von Floringhof haben fid) Wirbel und hohe Flut gelegt. Hier glänzt nur nod) ein tiller, friedlidjer Gee, welcher auf Himmelsblaue bie weiße Rofe der Erinnerung wiegt.

سب‎ Benedilta verfündete aert Niemand die glüdfelige Entdedung, welche fie an ihrem Gehör gemacht, um nicht voreilig eine Hoffnung zu weden, welche jid) möglicherweife doch nicht erfüllte. Gie beobachtete fid) voll regen Eifer während ber nächſten Zeit. Scharfe, einfchneidende und forile Geräuſche vernahm fie mit zunehmender Deutlichfeit, an manchen Tagen beffer, an manchen jchlechter. Während eines Burgen. Erfältungs- gefühls verlor fid) bie Beſſerung vollfommen, um ۵ lich, bei dem jtet8 wärmer und gleihmäßiger werdenden Wetter, wiederzufehren.

Den Arzt verjepte bieje Mitteilung in freudigite Erregung.

Er drang mehr denn je darauf, einen ۴ت6‎ zu fonfultieren. Profeſſor X. in der Refideng fet ein ganz hervorragender Gelehrter, ein Beweis dafür jet e8 bod) wohl, daß Pring Percy eine Beit lang bet ihm ftu-

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biert, ja, gewiffermagen ala WAffijtengargt bei ihm in ber Klinik thätig gewefen jet.

Benedifta zucdte unmerflid) gujammen. „Und ijt er noch immer dafelbft beichäftigt?” fragte fie mit ES wandtem Köpfchen.

„Der Pring? Gott bewahre! Moien Sie e8 nicht in der Zeitung, daß er zur Beit in Wien feine Kenntnifje erweitern will, Baroneß?” frigelte er eifrig auf 8 Tafeldhen, und bemerkte dadurch nicht das feine Rot, welches die Wangen feiner Patientin überhauchte: ,,Wie man allgemein glaubt, um dem Gerede wegen feiner Ber: mählung aus dem Wege zu gehen! Wunderliche 7+ eines folh hohen Herrn, derart raftlos zu ftudieren. Wie man fagt, will er feine Wiſſenſchaft fpäter in den Dienft ber leidenden Menjchheit Wellen und aus feinen eigenen Mitteln eine Armenklinif bauen, welcher er perjönlich vorfteht. Ein Gonderling, biejer Pring! Aber ein ganz vortrefflicher.”

„Sr ijt Chirurg?” fragte Baroneß Floringhoven, fid) beim Lejen febr tief niederbeugend.

Wieder flog der Stift über bie Tafel in des Arztes Hand.

„Bis jebt ſchien ihn bie Chirurgie bejonders zu inter- efjieren, dann wandte er fid) eine Beitlang jehr auffällig den inneren Krankheiten, namentlich den Erkrankungen bea Hirns zu. Er ftudierte eigentlich bei allen Fachmännern, ohne fid) bislang für eine Spezialität zu entfcheiden. Er fol e8 aber im Sinne haben, unb id) glaube, daß die Chirurgie den Sieg babontrügt."

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„Ein Zeitpunkt ijt dafür noch nicht angegeben?”

„Wie wäre das möglich! Ein Pring ijt nicht jo frei und unabhängig wie unjereiner. Da fprechen gar zu viele andere Dinge mit, 3. B. feine eventuelle Vermahlung, jeine militärische Carriere, welche er auf Wunſch 8 Regenten aud) nicht völlig vernachläffigen fol, u. f. ۳

Der Schreiber hielt inne, reichte Das Täfelchen feiner Patientin hinüber und erhob fih, um dem Minifter ent- gegen zu gehen, welcher, auf Jeans Arm gejtiibt, in das Bimmer trat, um die eventuelle Abreife Benedtftas in bie Klinik de Spegialiften zu belpredjen.

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ber Unterfuchung feine zuverjichtliche Hoffnung aus, bie junge Dame vollftändig herzuftellen, ober bod) eine große Befjerung ihres Leidens zu erzielen.

So Streng wie der Winter regierte, fo üppig und milde hatte der Frühling die Welt zu eigen genommen. Wunder: volles, beinahe allzu warmes Wetter lodte bie Nefidenzler auf die Promenade, und Marga Daja ftürmte in da3 Bimmer ber Jugendfreundin und brüdte ihr mit [trabfen- den Augen bie lange „Bittichrift” in bie Hand, welche fie fürjorglich {don daheim zu Papier gebracht hatte.

Heute fand die Premiere |tatt! Eine fiebernde, uner— trägliche Aufregung quälte Marga. Mit Roman war überhaupt nicht zu verkehren. Er lief wie ein ۵ in feiner Wohnung umber, [ud den Revolver, mit welchem er fid) im Fall eines Nichterfolges erjchießen wollte, warf fich in den Klavierjefjel und jpielte bie einzelnen Partien, bi8 er die Fünfte gegen die Stirn flug, die Noten zer: lebte unb fih auf bie Chaifelongue warf, um in rafen- den Ausdrüden der Leidenfchaft die ganze Mufif ber Welt zu verfluchen. Bum erftenmale hatte er Marga, welche ihm zärtlich zur Vernunft reden wollte, un: geftiim, „beinahe” grob bei Seite gejdjoben. Er wolle allein fein. Sie lachte darüber. So find bie [7 alle! Glückliche Unglüdfeligel Go etwas muß aus- toben.

Was aber fol Marga an diefem langen, fonnenhellen Tag beginnen? Auch ihr gießt bie Aufregung Feuer in Die Adern, aud) ihr zehrt biele8 Hangen und Bangen an

N v. Eſchſtrunh, SIL Rom. u. Nov, Stern des Glüds I. 10

zo | سے‎

den Nerven, obwohl fie fid) durchaus nicht ängftigt, fondern jehr guten Mutes ift.

Cie fingt ihre Partie tadellos, fie fpielt ihre Rolle, eine Art ſchwärmeriſcher Mignonfigur, bezaubernd, und joviel fie beurteilen fann, muß aud) ihr Koſtüm beftridend wirken. Nun, und die Oper? Wie fünnte man an einem Erfolge Roman Ermönyis zweifeln!

Friſche Luft! Zerſtreuung! Erheiterung! Das Wetter loft zu einer Spazierfahrt! Die Equipage Harrt vor ber Thür, und Marga umarmt die ernfte Freundin voll jchmeichelnder Zärtlichkeit, ſchlägt fo lange bittend bie Keinen Hände zujammen und fleht mit den Kinderaugen jo injtändig, daß Benedifta lächeind Gewährung ict.

Ihr Blick ſchweift voll Entzüden über Margas auf- fallende reizende Erfcheinung.

Ein großer, weißer Spigenhut, ganz in Babyfacon gehalten, ein weißes Kafchmirkleid mit hängenden Schleifen, flatternden Bändern und Spiten, wirft äußerſt zart und geſchmackvoll, und wenn „das Rind” mit ben ۵ ۵ blonden Loden die großen Augen auffchlägt und aus dem Greenewayhut hervorlächelt, dann müßte wohl ein Männer: herz von Eis und Stein fein, wollte e8 fid) nicht für fol einen Anblid erwärmen.

Welch ein Kontraft gegen SSenebifta.

Schwarze Wollfalten fchmiegen fid) um die flante, majeſtätiſche Figur und fchleppen diifter auf dem Teppich nad, ein Hut, welcher mehr ein geſchmackvoll gejchlungener Schleier zu fein jcheint, umrahmt mit feinem Grépegemebe

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ba3 Haupt und läßt das finnende, zartbleiche Antlig wie ein eble8 Marmorbild erjcheinen.

Marga jdjütteít ein wenig vorwurfsvoll das Köpfchen und macht jid) durch Gejten verftdndlid), bap fie fol einen Srauerangug abfolut nicht an der Freundin liebe, Träulein von Floringhoven lächelt wehmütig, läßt lid) von Sophie bie Handichuhe reichen und wendet fid) zur Thür.

Die weichen Teppiche deden bie jchmalen, vielfach durchquerten Korridore der Klinik.

Marga Daja flattert wie ein Schmetterling der Treppe entgegen, jo erregt und mit allen Gedanken fern ab, daß fie beinahe gegen zwei Herren ftößt, welche {harf um einen Pfeiler biegen. |

„Pardon —"

Marga lächelt und nidt. Cie hat den Affiftengargt des Rrofeffors jüngft im Wartefalon fennen gelernt. ۵ id)reitet fie weiter, den Begleiter be8 Arztes feines Blickes würdigend, ba ber junge Doktor ihren flüchtigen Gruß allein empfangen.

Das Haupt desfelben jd)nellt herum und ۱۱۵۲۲۲ ber reigenben Erjcheinung nad), er bemerkt nicht, daß aud) ber Herr an feiner Ceite wie angewurzelt jtehen bleibt.

Benedifta tritt in das Delle Oberlicht des Treppen- 90102. Ihr Blick ftreift den Begleiter des Arztes, und jah zuſammenzuckend, jtarrt fie wie gelähmt in fein Antlig. Das muß ihm wohl auffallen.

Auch er Halt jählings im Gehen inne und blidt fie

10*

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an wie ein Menſch, ber in hohem Grade überrafcht und betroffen ijt.

Abermals ruht Auge in Auge, ein einziger, gwingender Bli voll rätjelhaften Sauber8 und dann färbt jid) Benediftas Antlig mit dunklem Purpur, fie [d)ridt zurück vor ihm und wendet jid) zur Treppe, al8 gülte e3 eine Flucht.

Regungslos ſtarrt der Fremde ihr nach. Er ſtreicht langſam mit der Hand über die Stirn und drückt den Hut wieder auf das Haupt.

„Wer war dieſe Dame, lieber Doktor?“ fragte er.

„Kannten Sie unſere kleine Nachtigall in Civil nicht wieder, Hoheit?“ lachte der junge Mann ſehr animiert: „Es war ja Marga Daja, ‚das Kind, welche heute abend die Titelrolle in Ermönyis neuer Oper freieren fol”

„Cine ۳

„Mein Gott, das flingt ja wie ein Geufzer der Ents tiufdung, Hoheit! Glaubten Sie, ein veritabler Engel ichwebe über den Weg?”

„Rein nicht im mindeften. Sch war frappiert von ihren Augen, von ihrem ganzen Geficht, welches id) [don einmal im Leben gejehen haben muß, aber wo, wo?”

„Run, wo anders als wie auf der Bühne? Wer Marga Dajas Augen ein einziges Mal gejehen, fann fie fo leicht nicht wieder vergeſſen.“

Der Pring ſchüttelt finnend den Kopf: „Auf ber Bühne? Nein, mid) haben bie Divas nie interefjiert, id) ent- finne mid) aud) niht, Marga Daja jemals gehört zu

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Percy jchüttelte beinahe heftig den Kopf. Ein uner: fíárlidje8 Gefühl bejchleicht thn. Es würde ihm geradezu unangenehm fein, diefe vornehme Geſtalt, bieje8 feelenvolle imponierend edle Gejicht unter Schminke unb Zampenlicht wiederzujehen. Es . . . würde ihm leid ۰

,"Bebaure, lieber Doktor, mein Bug geht bereits um fieben Uhr und wartet nicht, bis id) Fräulein Marga Daja applaubiert habe. Sch bin {ebr eilig, und triebe mich nicht bie aufrichtigfte Verehrung zu unferm vor- trefflichen Profeſſor und Meijter, würde id) felbit zu diefer kurzen Bifite feine Beit gefunden haben. Wollen Sie fo freundlich fein, Defter Doktor, und mich bei Ihrem Chef melden 2

Mit glühenden Wangen hatte Benedikta den Wagen beftiegen.

Sore Erregung und außergewöhnliche Unruhe fielen Marga nicht auf, fap fie doch fe(ber mit fiebernden Bulfen neben der Freundin, feinen andern Gedanfen al8 den, „was wird der heutige Abend bringen, wie wird er über deine ganze Zukunft entjcheiden!”

Pring Percy ſchien fie bei der flüchtigen Begegnung gar nicht erfannt zu Haben, und diefe Thatfache erfüllte Fraulein von Floringhoven mit großer Beruhigung. Marga unberechenbarem Temperament, ihrem nicht allzu peinlichen Taft und der leichten Lebensauffaffung, welche jie fid) im Verkehr mit bem luftigen Theatervölfchen an- geeignet, war e3 zuzutrauen, daß fie durch irgend meld

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gewagte Manöver verjucht hätte, eine Annäherung mit bem Prinzen herbeizuführen, denn die große That edler Barmberzigkeit, „wie wir einjt Pring Percy ۸ jpufte nod) jebr lebhaft in dem Köpfchen des großen Kindes. 2

Wie bitter empfand e3 Marga juft heute, daß bie junge Dame an ihrer Seite taub marl Heute! wo fie taufend Dinge aus übervollem Herzen hervorjprudeln möchte, ungegübHe Fragen thun und in dem bitterfüßen „Hangen und Bangen in [d)mebenber Pein” (68 8 und Zuſpruchs bedurfte, heute gerade mußte fie ihre Gefühle zurüdhalten, deun mie fonnte man im Wagen mit Handjchuhen! jo ausführlich und viel auf 8 weiße Elfenbein fchreiben, welches bie Leidende in ele- ganter Vifitenfartenform mit fid) führte. Nur kurze, Kleine Gage fonnte man zur Not darauf frigeln.

„Süße, angebetete Benedifta, Sie müffen heute abend zugegen fein, 5۱6 ۲۶۱

Gejtern noch hatte e3 bie Baroneß entjchieden ab- gelehnt. Mit tauben Ohren der Aufführung einer Oper beiwohnen, war für ihr mufifverjtändiges und mufiflieben- des Gemüt eine allzu qualvolle Anforderung.

Heute neigte fie das Haupt tiefer über das Täfelchen, als fie las. Ihre Wangen färbten fih ۰

„Wenn Ihnen meine abjolut indifferente Anweſenheit wahrlich angenehm ijt, liebe Marga —"

Davon überzeugte fie die jtürmifche Umarmung.

„Ich Habe Logenplage referviert! Sophie zieht ein

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1091001161261168 Kleid an, einen hübfchen ۰ pub, unb [ipt al8 , Anſtandswauwau‘ Hinter

Marga fann faum [djreiben, jo übermütig ijt fie.

„Nach ber Vorftellung miüjjen Sie aber warten, damit ji Roman Ihre Glückwünsche holen fann!”

„Gewiß! Sch freue mid) ja fo fehr darauf, ihn fennen zu lernen!”

„And dann miiffen Sie fid) ung zu einem gemeinfamen Souper anjdjliepen ?”

Benedifta jchüttelte voll wehmütigen Ernſtes 8 Ihöne Haupt. , d) würde nur bie dreizehnte Fee in ber glüdklichen Tafelrunde fein und Durch meine Anweſenheit alle Fröhlichfeit dämpfen. Sch fann mich mit niemand unterhalten, ich würde meine Nachbarn genieren und be- läftigen, eine Perjon mit meinem Gebrechen gehört nicht mehr unter Menjchen.”

Marga jchüttelte lachend den Kopf und redete im Eifer durch bie gewagteiten Seiten, dann jchrieb fie las ۲0۲۱۱۱ auf: „Sie müfjen mit!”

Fräulein von Floringhoven ſchwieg. Ihr Blick irrte wie in großer, qualvoller Sehnſucht zu dem ſonnigen Frühlingshimmel empor, und ſo weit und endlos, wie die Welt ſich vor ihren Augen dehnte, ſo endlos weit und groß wuchs auch die Sehnſucht in ihrem jungen Herzen, einmal ad) nur einmal wieder eine glückſelige Genoſſin fröhlicher Menjchen fein zu können.

Ram die alte Ungeduld und Aufregung zurüd? Faft {chien e8 fo. |

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Die Blüten der Hoffnung, die taufend grünen Blatter an ihrem jungen Lebensbaum waren in ber (injamfeit und unter bem Todeshauch entjagungsvoller 7 welf und Dürr geworden, jebt fiel ploplid) ein 81 darauf nieder, und all die abgeitorbenen 6 ٤ flammten Hell auf, in dem euer einer unbezwinglichen, naturgewaltigen Sehnſucht. Mit der ganzen Innigfeit eines jungen, glüdpeijd)enben Menfchenherzen3 flammerte fid) Benedifta an den Troftipruch des Profeſſors, welcher fie ganz ficher und beftimmt als geheilt zu entlaffen dachte.

Und der Wagen rollte in mäßigem Tempo durch bie Frühlingspracht ber neuen Anlagen.

Blütenzweige nidten wie felige Grüße auf bie beiden Mädchenköpfe hernieder, Vogelſchwingen gleich Boten der Liebe bie blaue Luft, um Erde unb Himmel zu verbinden, unb die fröhliche Menge ber feftlich gepu ben Menfchen drängte fid) zu Fup, Rop und Wagen auf der Promenade, al8 gelte e8, bem holden Knaben Lenz eine große Ovation zu bereiten. Marga hatte Recht, bier flogen bie Stunden jchnell und anregend dahin.

Benediftas Herz Flopfte Dod) auf, als bie neuer|tanbene „Bettina“ nach bem winzigen Ührchen auf ihrem goldenen Armband jah und mit lebhaft aufbligenden Augen dem Rutfcher befahl, nach Haufe zurüdzufahren. Nun blieb ihr gerade nod) Beit, ein leichtes Mittagsbrod zu effen, (id) eine Stunde Dingulegen, noch einmal die große Scene mit den jchwierigen Ginjágen durchzufehen und dann nad) der Oper zu fahren, um gemächlic) und mit ۲

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Naffinement Toilette zu machen. Benedifta ijt mit diejem Stundenplan fehr ۰

Die fchmerzhajte Behandlung ihrer Ohren raubt ihr durch bie nervöſe Erregung noch die Nachtruhe, auch fie fühlt das Bedürfnis nad) Erholung, wenn fie heute abend wirklich bie ungewohnte Anjtrengung eines Opern- befuch3 wagen ۰

Shr Blid fliegt wie in ängjtlichem Forſchen über bie Tenjter der Klinik, al8 bie Equipage hält.

Ein kurzer, berzlicher Abjchied, welcher fid) nicht in Morten, fondern in der Hand ausdrüdt, und Fräulein von Floringhoven jchreitet Haftig an dem dicnernden Portier vorüber, bie teppichbelegte Treppe empor. Einen Augenblid hat fie gezaudert, den alten Mann zu fragen, „wer der fremde Herr in Begleitung des WAffiftengargtes gemejen" in der Hoffnung, etwas Näheres über deg Prinzen hiefigen Aufenthalt und deffen Veranlafjung zu erfahren, aber ein Gefühl großer Befangenheit verſchließt ihr bie ۰

Tief atmend eilte fie weiter. Cie fühlt ihr Herz flopfen, al3 wolle e8 zerfpringen; ba8 Bewußtfein, daß vor faum einer Stunde Pring Percy durch elen Dämmerig itillen Korridor gejd)ritten, bentmmt ihr den Atem.

Cie erbebt bei dem Gedanfen, daß fid) eine Thür öffnen, und bie fchlanfe, hoheitsvolle Geftalt des fürftlichen Arztes ihr abermals entgegen treten firme. Aber es bleibt alles [till und ۰

Heftig öffnet Benedifta die Thür zu ihren Salon.

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Sophie tritt ihr aus dem Schlafzimmer entgegen und blickt freudig überrajcht in das rofig überhauchte, außer: gewöhnlich angeregte Antlitz ihrer Gebteterin. Benedifta hat fid) jhon daran gewöhnt, etliche Worte von ben Lippen zu lejem. Sie nidt der Getreuen herzlich zu: „Es war eine jchöne Fahrt, Sophie, der ganze Frühling duftet dur die Welt. Wie g(üd(id) bie Menjchen, welche feinen falter ber Wonne nicht allein fühlen und fehen, fondern aud) hören können!”

Der zuverfichtliche Ausdrud in bem Geficht der Alten, ihre ermutigende (Seite haben etwas auferorbentfid) Trö- ftende3 für ba8 junge Mädchen. Sie jchlingt jabhlings den Arm um ben Naden ber erprobten Dienerin: 0رر‎ Sophie! Gott gebe e3.” Und dann richtet fie fid) auf und blickt mit verflärten Augen um fih. „Es find noch beinahe zwei Stunden Rett bis zum Diner, id) möchte mich gern ein Weilchen niederlegen und rufen, die Frühlingsluft macht müde.”

Die Kammerfrau nit lebhaft Beifall und bereitet mit forgender Hand das Lager auf bem Diwan, dann ichreibt fie ein paar Zeilen anf.

„Befehlen Baroneß heute auf dem Zimmer نام‎ ۸

Benedifta wendet fid) ab und legt etwas umftändlich ihre Handjchuhe von bem Sib auf bie Bronzefonfole vor dem ۰

„Rein, Sophie, ich möchte an dem Diner im Speiſe— faal teilnehmen, e3 ijt fo umftändlich für die Bedienung, mir fo oft bier im Salon gu fervieren . . . leg mir,

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bitte, bie ſchwarze Cpibentoilette zurecht ich ۲ mich ja dann gleich zur Oper anfleiben —“

„Bur Oper!” Die Matrone ijt jo freudig überrafcht, daß fie gar feine Zeit Dat, in Da3 verlegene, immer höher fid) färbende 9[nt(i& der Sprecherin zu fdjauen, fie nidt nur mit ftrahlendem Lächeln und eilt ohne Befinnen Da- von, die Befehle auszuführen.

Benedifta aber fink in dem Glücksgefühl endlichen Ungeftörtfeing auf dem Diwan nieder, fchiebt mit feligem Lächeln die Arme unter ba8 Haupt und gibt fih nun voll und ganz dem Entzüden Din, mit welchem ba8 un- verhoffte Wiederjehen ihre ganze Seele erfüllt.

Cie {liegt bie Augen und faut dennoch voll licht: umftrahlter Klarheit jene8 eine, zaubergemwaltige Bild, welches zu ihrem ſchmerzlich ſüßen Schidjal geworden.

Auf der Straße jchrillt bie G(ode der Pferdebahn unb ein monniger Schauder riefelt durch bie Glieder ber Träumerin, fie hört e8! Wenn aud) nur ganz, ganz ſchwach aber fie hört ق١‎ Und al8 der 5 heute morgen einen neuen Hörverjuch mit ihr anftellte, hatte fie ebenfalls bie einzelnen Laute wahrgenommen Das zufriedene Niden und Lächeln des Arztes 0 ihr vor den Augen, wie ein rofiger Schimmer, welder nach langer Leidenzzeit eine aufiteigende Sonne verfündet.

Benedikta (Hlief nicht, aber fie träumte, und gleichfam, 6] ob unfichtbare Fäden von Geilterhand gewebt und bon einem Traum in ber andern hinübergetragen würden, lehnte fid) aud) Bring Percy in bie Polfter feines Wagens

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zurüd und jab gleich einem Holden Traumbild ba8 vor- nehme ftolze Geficht eines fehwarzäugigen Mädchens. „Marga Daja! wie ijt e8 möglich!” dachte er. „Nie und nimmermehr hätte ich fie für eine Sängerin gehalten. Und war fo ftoh auf meine Menfchenfenntnis. Schade, dade barum. Warum blidte fie mich jo vounberfid) an? Es war feine Rofetterie, e8 war die Überrafchung eines jähen Erfennens. Kenne ich fie denn? Faft möchte id) ſchwören darauf. Es find Ddiefelben Augen, welche mir fo oft vorjchweben und von welchen id) bod) nicht weiß, rem fie gehören. Marga Daja? Seltſam id) habe nie in einer Marga Daja Augen gefchaut.”.

Und die Equipage rollte weiter durch das Haften und Treiben ber Großjtadt, der Latai fprang von dem hohen Kutfjcherfiß und rip den Schlag auf, um zu melden, daß man vor bem Geſandtſchaftshotel der öfterreichifchen Botſchaft halte.

Leichtfüßig Iprang der Prinz bie Treppe empor und vergaß während einer lebhaft eiligen Unterredung mit dem auswärtigen Würdenträger bie Begegnung Marga Dajas.

Der Kutſcher ftudierte während deffen den Zettel mit der langen Reihe von Adreffen, welche noch „abgefahren“ werden mußte. |

„Himmel! was Hoheit bod) aud) für merkwürdige SBajfione hat! In zwei chirurgische Gejdüje in bie Blindenanjtalt, zu Profeſſor L., zum Dofter H. in dag pathologijche Inſtitut und dabei um fieben Uhr

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jhon wieder auf der Bahn fein man follte wirklich faum glauben, daß man einen fiirftliden Herrn fährt!“

Aber er fuhr einen fürftlichen Herrn, vor welchem fid) alle Häupter in begeijterter Verehrung neigten und ent- blößten, fobald man in bem fchlichten Gibilijten den Prinzen Percy erfanute.

Während des gemeinjamen Diners nahm Benedikta den Platz neben dem Profeffor ein, welcher zumeift mit den Patienten feiner bejchränften Heinen Privatklinik zu jpeifen pflegte, ba er fchon feit Jahren verwitwet ۰ Er liebte e8, jedwede Einrichtung feines fehr eleganten Haufes einer perjönlichen Kontrole zu unterwerfen, ۵8 wohl den Grundftein zu dem vorzüglichen Renommee gelegt hatte, deffen fid) bie Anstalt weit und breit erfreute.

Auch Beute fand Benedifta eine erlejene Kleine Tafel- runde, welche durchaus nicht den Anjchein hatte, als ob fid) zumeiſt taube, oder jebr ſchwerhörige Perſonen in ihr zuſammen fänden.

Eine Deitere, {ebr animierte Unterhaltung flog ber und hin, bie Eleinen Schreibtafeln waren weniger in Aktion wie das Hörrohr, ein Zeichen für bie vortrefflichen 7 des Profeſſors, unter deffen Patienten Fräulein von Floringhoven zur Zeit wohl bie kränkſte und beflagens- werteite war.

Er felber war ein geijtooller, alter Herr von tabellojen gejellfchaftlichen Formen, welder voll warmen Intereſſes Anteil an dem Schidjal des jungen Mädchen? nahm,

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intereffieren fünne. Endlich glaubt er die richtige Spur gefunden, nachdem Benedikta feine ärztliche Erlaubnis zu einem Bejuch be8 Opernhaujes erbittet.

Das beinahe verblüffte Gelicht be8 Gefragten 6 ba8 erjte Lachen über ihre ۰

„Sie find vollauf berechtigt, überrajcht zu fein, Herr Profeſſor“ fährt fie heiter fort, ,e8 ift ein mert würdiges Vergnügen für taube Menschen, fid) Mufif anz zuhören, ebenjo wie für blinde, welche eine Bildergallerie befuchen! Aber mein Befuch in der Premiere Roman Ermönyis gilt nicht ber Mufif allein, er gilt dem Erfolg, unb ob eine Oper reüffiert oder ausgepfiffen wird, baa versteht man felbft mit tauben ۳

„Sie tennen Roman Ermönyt perfönlid, Barone 27 forscht ber Profefjor mit einem Blick, welcher nod) viel mehr fragt wie die Worte. WAbermals ijt er enttäufcht. Die rofigen Wangen und leuchtenden Augen ber jungen Dame gelten ihm nicht.

„Rein, noch fenne ich ihn nicht perfönlich”, lächelt fie, „Doch intereffiert mich feine Carriere, weil jid) Da3 2 glüd einer febr lieben Qugendgefpielin daran fnüppt! —“

„So, jo! ein Heiner Roman hinter den ۳ amiifierte fid) der Profeſſor, „das ijt allerdings ein zwingender Grund, um Cie heute noch einmal von den jtrengen Saßungen bieje8 Haufes zu dispenficren! Schade, daß bie Premiere nicht ein Weilchen ſpäter jtattfindet, Baroneß fünnten dam, jo Gott will, voll eigenjter Überzeugung applaudieren I^

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Benediftas Antlig erglüht mod) tiefer, ber Profeffor aber jchreibt abermal3 auf das Täfelden: „Sie find heute fpagieren gefahren, gnábige8 Fräulein, leichtfinniger- peije, ohne fid) zuvor den Kopf bandagieren zu laffen! Wiffen Cie aud), daß von morgen ab bie guten ٤6 von Aranjuez aufhören?” Yd) werde Ihr ۷ fein und Sie wochenlang ftrenger gefangen halten, wie einst Der elfen ſeinen ۳

„Herr Doktor Brödler begegnete uns leider auf der Treppe”, lächelt Benedifta und neigt fid) tief auf ihren Teller, „er hat mich ficherlich bei Ihnen verklagt?”

,"rüdler? Diefer leichtfinnige Schelm baut meiner ſchönen Patientin eher mit eigener Hand bie Brüde zur Flucht, ehe er Sie jemals denunzieren würde!”

Der Profeſſor muß fid im Schreiben unterbrechen, da ihm eine Speije ferviert ۰

Die Hand feiner Nachbarin bebt auf der Serviette; jebt wäre wohl ber geeignete Moment, nad) Pring Percy zu fragen, fie will die Lippen öffnen, will c3 thun, aber fie glaubt an ihrem Herzjchlag erjtiden zu miiffen.

Scham und Verlegenheit jd)nüren ihr bie Kehle zu- jammen.

Wie harmlos könnte fie nun dem Profeffor die Ver: anlaffung Die detaillierte Beranlafjung gu ihrer un- glüdfeligen Erfranfung erzählen! Er würde fraglo8 den Prinzen von ber opfermütigen That feiner Retterin unter: richten, und ber hohe Herr würde fraglos nod) jebt feinen perjönlichen Dank überbringen. Cie wäre feines warın-

"$$ v Gídftrutb, SU. Mom. u. Nov., Stern des GIüdS I. 11

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herzigen Sntereffes gewiß, fie würde fid) zeitlebens feiner Teilnahme erfreuen.

Benedifta atmet (hwer auf. Aber weld) ein Gefühl pernidjtenber Neue, welch ein Schuldbewußtfein, welch eine bittere Selbftanflage würden andererjeits aud) den Prinzen quälen, welch ein verzweifelnder Gedanfe würde e8 für feinen ritterlichen Ginn fein, am bem bitteren Unglüd einer jungen Dame die Schuld zu tragen!

Nein, Pring Percy fol und darf niemals die traurige Wahrheit erfuhren. Benedifta hat barum aud) Marga Das heilige Verjprechen abgenommen, nie und vor feiner Menjchenjeele bie Urfache von der Crfranfung zu erzählen.

Aber Sprechen von ifm! etwas über ihn erfahren und hören, das möchte fie für ihr Leben gern, und bod) will die Frage mad) Pring Percy nicht über ihre Rippen. Oft hat fie bie injtinktive Empfindung, daß der Profeffor mit den andern Tijchgäften von dem Befuch des Hohen Freundes jpricht, aber fie fibt mit tauben Ohren dabei, unfähig, aud) nur ein Wort von dem zu verftehen, was fie doch fo über alles intereffiert.

Der Nachtiſch ijt noch nicht aufgetragen, als der Profeſſor fid) von feiner Nachbarin verabjdjicbet, ba eine wichtige Operation ihn abruft. Er erhebt fid, ruft reihum ein Heiteres Lebewohl, grüßt und nit, wie ein guter Freund mit Freunden verkehrt.

Der Plag neben Benedikta bleibt frei.

Obwohl alle anderen Anwejenden aud) dasjelbe, uur minder harte Schicfal des jungen Mädchens teilen, hat

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c3 bod) für Jeden ein peinliches unb genierendes Gefühl, nur fchriftlich mit ihr verfehren zu können. In jedem Menfchen liegt eine gewilfe Schwerfälligfeit, welche fich gegen Ungewohntes fträubt, und Benedifta empfindet e3 mit ihren feinen Taktgeſühl, daß eine Unterhaltung mit ihr wohl niemand zum Vergnügen gereicht.

Cin herbes Weh prebt ihr Herz zufammen.

Niemand paßt jchlechter in bie menjchliche Gejellichaft, alg ein Tauber. Kein anderes Gebrechen erfchwert bei Verkehr derart, wie Ohren, welche nicht hören ۰

Der Blinde fann plaudern, fcherzen, lachen, ohne Daf einem einzigen ber Anwejenden eine Schwierigfeit baburd) erwächlt, der Lahme fann eine ganze Gejellichaft ami- fieren und erheitern, ohne daß einem einzigen der Ge- danfe kommt: Die Füße unter dem Tiſch fehlen oder find verfrüppelt.

Nur der Taube ijt ausgeichloffen von bem Manna geiftiger Nahrung und Crquicung, welches der 7 in einer heiteren Geſellſchaft bietet.

Nod) ftrafft bie Hoffnung alle Nerven und an Benedifta3 jungem Körper, nod) gewinnen Erbitterung und menfchenfliehende Feindfeligkeit feine Macht, ihn zu- fammenbredjen zu laffen in dem Elend eines ۵ : Du but ber Paria unter den Celigen, der Tote unter ben Lebenden, ber Ausgeftoßgene unter Geniepeuben!

Und bod) liegt auch jebt {chou ber feine Hauch ber Schwermut auf bem ſchönen Antlitz, welches jo ۷۲ gelächelt, alS e bie Anweſenden an dieſem Tiſch begrüßte.

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Ein penfionierter General hat e3 wohl beobachtet. (Sr rüdt ungeniert auf des Profeffors leeren Stuhl und greift nach der Kleinen Elfenbeintafel, um mit 181 derben Schriftzügen darauf zu malen: „Ein Eoldat muß ben Vorteil einer verlajjenen Pofition auszunugen ver: jtehen! Ich ride nicht al8 Eroberer näher, dazu iit mein Kopf fhon zu grau aber al8 Alliierter. Wie befinden jid) Baroneß heute?” |

„Da ich in all diefen heiter |predjenben und Hören- den Herrichaften die Patienten des Profeffors erblide, machen mich Hoffnung und Buverficht ſchon jebt halb gefund.”

„Bravo. So muß e8 fein. Sch alter Kerl werde lernen von Ihnen, bin mit meinem einen harthörigen Ranonenohr jo unzufrieden und mifmutig, daß e3 eine Schande ijt, id) werde 6741

Fräulein von Floringhoven lacht auf, واه‎ fie e3 lieft und in das rote, fröhlich feijte Antlitz ber alten Excellenz mit Dem Graupinticherfopf blidt.

„Die gut, daß Sie diefes Bekenntnis einer 1 Seele nur ganz leije aufgefchrieben haben!!

„Dobo! ich Habe e8 Beute bem Pring Percy in das Geſicht gejagt, Denn er eben ijt e8, ber mich dazu madjt! Benedifta wird blutrot. „Der Pring? ftottert fie.

Wie gut, daß ber alte Herr fid) fo tief bei bem Schreiben büdt. Er ftöhnt aud) mächtig dabei und findet, daß er nie Talent zum Schriftjteller verraten.

‚a, der Bring! er! gerade er! Hol der Teufel

feine Kunſt, wenn fie für ung verdiente, alte Krieger bod) nur eine berbedte Schüffel fein fol! Treffe ich ben hohen Herrn heute im Zimmer beim Brofejjor und höre, daß er in Wien eine großartige Kur an einem taub ge- borenen Zungen gemacht hat unb daß er eben ba8 Terrain anfauft, um eine (nif erbauen zu laffen. „Hoheit“, lage id) „Donnerwetter! Sch bin Jhr erter Patient in ber Klinik! Schneiden Sie mir aud) mal bie verfluchte Schwarte aus dem Löffel raus. Unter bem ۲ Eurer Hoheit werde ich jelbjt bei bem tolliten ۲ vor Freude Schmunzeln!’ Und was jagt ber 6 Doktor darauf: „Is nich, Excellenz, Mund ۱ Für einen jo reichen Erbonfel wie Sie, gibt e8 genug gejdjidte und berühmte Ärzte, bie ihre Sache nod) beffer verjtehen und Patienten brauchen, um leben zu ۰ Sd) bin mur ein Arzt der Armen, und wer nod) fo viel Geld hat, daß er einen anderen Doktor bezahlen fann, der wird nie in meiner Klinik aufgenommen!”

„Ra, Baroneß, was jagen Sie nun? Und ba foll ein braver, alter Merl wie ich, nicht Sozialdemofrat werden?”

Excellenz puftete und wijchte fid) die Ctirr. Co viel hatte er im ganzen Leben noch nicht freiwillig gejchrieben, hätte e8 aud) heute nicht gethan, wenn dads nette Mädel nicht jo verteufelt fehöne Augen hätte. Aber nun hat er auch jür eine Weile genug gethan. Er 118 fid) Wein ein und jtärft fid) nad) biejer Anftrengung, und dann muß er in aller Eile fein Konfeft aufefjen.

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Die gerftreute Antwort feiner Nachbarin beantwortet er nur mit freundlichen Brummen und Grungen, da er juft ein paar Apfelfinenfcheiben in den Mund jchiebt. Dabei wendet er {i an feine Nachbarin zur anderen Seite. „Bei Deler Apfelfine fällt mir eine Gefchichte ein, gnädige Frau!” fchreit er in ihr Ohr.

„Wir hören, Excellenz! Wir hören! lacht e3 bou allen Seiten. Der alte Militär ſchmunzelt und erzählt mit vollen Baden: , m, bei einem Manöver in Süd- deutichland war ich in bem Luftichloß eines regierenden Herrn etuquartiert. KHochderjelbe fam eines Tages zu feinem Beſuch herausgefahren, dinterte mit unà und unternahm dann mit mir eine Kleine Promenade Durch den Barf. Bor der Orangerie ftand ein Apfelfinenbaum voll herrlicher, reifer Früchte. Der König brach eine ab und wandte fih zu dem Gärtner, welcher refpeft- voll im der Nähe {teber geblieben war. „Sind ۷ Früchte Toirffid) Hier ausgereift, Alterchen?” fragte er jovial, „find fie fig, und fann id) wohl wagen, binein- zubeißen ?

„Dös fann i Shua v’rfichre” antwortete der biedre Schwab freudeitrahlend, „wann ber Herr Küni da nei: beißa wola, naha leift "më Aroma glei um’3 Maul rum!”

Subelnde3 Gelächter. Excellenz wifdhte fid) , bae Aroma” jdjmungelub aud) feinerjeit3 mit der ں٤6‎ aus bem Bart, erhob fid) und bot Benedifta voll fefbjt- verftändlicher Höflichkeit den Arm. Zuvor frigelte er

= E d dor ës x IE ber Gillet

; pine om pum ae ink di e T : par Ju werden, جال‎ Pon Tate an Diner mt:

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Klinik für arme Kranke, um fie perjünlid) zu behandeln! Wie ein Zittern rann e3 durch bie Glieder be8 jungen Mädchens.

O, daß er auch ihr Arzt und Retter ſein könnte!

Jählings blitzt ihr der Gedanke durch den Sinn! nur er kann dir helfen! Er, der all dein Elend über dich gebracht, muß es auch wieder von dir nehmen! Nur eine Sekunde, dann birgt ſie das Antlitz wie mit leiſem Schauder in die Hände. Niemals! Auch hier iſt ihr Reichtum das unüberwindliche Hindernis, welches ſich zwiſchen ſie und ihr Glück drängt! >

Für fie find alle anderen Ärzte Da, welche von ihrer Kunſt und ihren Kenntnijfen leben müjfen. Das ijt eine jehr richtige unb anerfennenswerte Anficht des Prinzen; er will der Wiſſenſchaft feine Konkurrenz machen, fondern nur da Delfenb und niigend eintreten, wo die natürlichen, fozialen Verhältnijje felber bie Grenze gezogen.

Und wenn die anderen Ärzte trog aller Kunſt und alles guten Willens nicht helfen können?

Ein tiefer Atemzug ringt fid) ans der Bruft ber Ginnenden. Noch hat fie feine Berechtigung, daran zu zweifeln, noch jteht fie am Anfang einer Kur, von deren Ende fid) der Profeffor fo viel Erfolg veripridjt.

Langjam ftreicht Benedifta über die Stirn, bie alte Ruhe und Müdigkeit, bie alte Refignation fommt über fie. Ihr Blid jchweift voll feuchten Gíange8 zu bem Himmel empor, über deffen Frühligspracht bie erften Dämmerſchleier der Nacht finfen. Cie lächelt. Sie

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Danft e3 ihrem Reichtum, daß er eine Echeidewand zwijchen fie und den Arzt Percy fchiebt. Würde fie überhaupt die Kraft und den Mut befipen, ifm unter Die Augen zu treten? Al Fremde, Unbekannte ja! AS Benedifta von Floringhoven nie.

Die einzige Möglichkeit, daß der Prinz eine Ausnahme machen und die Enkelin bes Miniſters in feine Armen: Elinif aufnehmen würde, wäre bie, daß feine Verpflich- tung gegen bie Retterin feines eigenen Lebeng ihn dazu zwänge.

Alsdann mußte er jedoch erfahren, was Benedikta für ihn gethan, was ſie für ihn gelitten und geopfert. Das würde ihn zu ihrem Schuldner machen, welcher dadurch auf das Peinlichſte beeinflußt, alles aufbieten würde, dieſe Schuld abzutragen. Das würde Verkehr zwiſchen Arzt und Patienten äußerſt verlegen und unerquicklich geftalten ; ja, e8 würde durch bie Feſſeln eines moralijchen 8 bie Hand be8 Operateurs lähmen. Und wehe, wenn aud) er alZdann nicht helfen könnte!

Doppelte Gewiſſensbiſſe würden feine empfindjame Seele peinigen; das entfeßliche Gefühl, die Urfache wenn aud) bie unfchuldige an fo viel Unglüd zu fein, ein Mädchen, welchem er felber Leben und Gejundheit ver- dankt, für alle Bett elend gemacht zu haben, würde ihn Tag und Nacht ruhelos verfolgen. Und zu fold) einem Dafein voll nagender Vorwürfe follte Benedifta ihn ver- urteilen, ihn, für deffen Heil und Frieden fie täglich bie gefalteten Hände zum Himmel hebt?

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Cie pret bie Lippen gujammen und fchüttelt jählings Das Haupt. Cher Iterben!

Die breigeDnte Fee, welche an ihrer Wiege geftanden, hat ihr das Gold zum Angebinde gebracht, das rote, bümornijdje Gold, an welchem Loges böſer Geijt für ewig haftet, welches den Fluch Alberichs unlöglich durch bie Welt trägt. „Kein roher fol feiner fid) freuen, feinem Slüdlihen lache fein lichter Glanz!” Heißt e3 in ber „Sötterdämmerung.”

Gold oder Liebe! Die Unheilsnorne hat für Bene- difta gewählt.

Cine leichte Erfchütterung der Dielen läßt bie Träumerin auffchauen.

Sophie eilt febr Dajtig, mit allen Zeichen freudiger Erregung, ihrer jungen Herrin entgegen. Sie nimmt fid) gar nicht bie Zeit, bie föftlichen Veilchenſträuße welche fie für bie Theatertoilette ber Baroneß beforgt, ber jungen Dame zu überreichen, achtlos wirft fie biejelben auf ben Tisch, ergreift bie Schreibtafel und malt fo jchnell fic fann, ihre fehwerfälligen Buchſtaben darauf nieder.

/Sdert {teht draußen!”

Cin Freudenlaut f(ingt über bie Lippen Benediftas. Sie gibt feinen Befehl, beu Inſpektor eintreten gu laffen. Sondern ftürmt zu ber Thüre, um fie perfönlic) zu öffnen, und ihm voll großer freudiger Uberrafdung bie Hand entgegen zu bieten.

„Eckert, weld) ein unverhoffter Beſuch ۵۱۱۵ hof! Grüß Sie Gott!” und al der ftramme, blond:

ہے 177 ہت

bärtige Mann fid) rejpeftvoll über ihre Hand neigt, unb jeine junge Gebieterin alsdann mit feinen milden Blau- augen anlächelt, fährt Fräulein von Floringhoven auf: atmend fort: „sch jefe e8 Ihnen am, Edert, Cie bringen Gottlob gute Nachricht!”

Er macht eine bejahende Gefte und überreicht einen Brief, welcher die Sdhriftgiige Dallbergs trägt.

„Da3 |djint eine lange Lektüre zu werden”, nidte bie Enfelin des Minifters freundlich. „Nehmen Sie, bitte, Plak, lieber (Sdert, und laffen Sie Sophie für eine Er- frifhung forget. Hören Sie, Sophie? Sh möchte nod) vor meiner Fahrt in bie Oper den Thee trinfen, und Herr Edert wird mir liebenswürdiger Weiſe Gefellfdhaft leiften. Es fol fo {nel wie möglich bier in meinem Salon ferviert werden.” |

Schmunzelnd verjd)manb die Alte Hinter der Portiere, unb ber Blid des Inſpektors folgte ihr ſtaunend. Cr hätte Frau Copbie faum wiedererfannt, fo impojant jab fie in dem fehwarzen Geibenfleib und dem weißen Spigen- aufjag aus; daß Diefe ungewohnte Pracht Ermönyis neuer Oper galt, ahnte er noch nicht.

SSenebifta war an das jyenjter getreten und überflog mit haſtigem Blid die Zeilen ihres Gutspächters. Ein wehmütiger Zug ſchlich fid) um ihre Lippen, und ein tiefes Aufleufzen Hob ihre Bruft.

Ein Zimmermädchen trat ein, drücte auf einen Knopf an der Wand, und der elegante Salon erjtrahlte in elef- trijdem Licht, Dann wandte fie fid) und räumte haftig

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den 2110 ab, mit etwas erftauntem Blid bie anjprudja- lofe Geftalt des fremden Herrn mufternd, welchem bie Auszeichnung zu Teil werden follte, mit der Enkelin 8 Minifters zu foupieren.

Sräulein von Floringhoven wartete, bi das Mädchen wiederum Das Bimmer verlaffen hatte, dann trat fie an den Tijd) und fete fid) in den Seffel neben den großen, blondbärtigen Mann nieder.

„Derr Dallberg teilt mir mit, daß mein armer Grok- vater leider Gottes vollftindig teilnahmlos und ungue gänglich für jede gefchäftliche Beſprechung ijt. Er fet aud) durchaus nicht zu bewegen gewejen, bie Abrechnung und Bücher am erften April gu revidieren und zu unterzeichnen. Das fei nunmehr abjolut notwendig, ba e8 auBerbem mit manchen Neueinrichtungen dränge und Bahlungstermine por der Thür ſtänden.“ Die Sprecherin machte eine Kleine Baufe und blidte nachdenklich auf den Brief nieder, während Cert fid) in jchweigender Zuſtimmung verneigte. „Herr Dalberg wendet fid) nun an mich, mit der Bitte, bie fchwebenden Angelegenheiten mit Ihnen zu 6:1 und zu erledigen, Herr Inſpektor, da die fähigfeit Des greifen Großvater mir ſchon jebt ben 2 fig und bie Verwaltung ber Güter zufchiebe. Als feine Stellvertreterin ftehe mir bie Befugnis zu, in den dringenden Angelegenheiten der Verwaltung zu entjcheiden, und meine notariell beglaubigte Unterjchrift erfege in diefem Notfall durchaus diejenige des ۳۶

Wieder machte ber Gefragte eine zujtimmende Kopf-

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bewegung, und wicder fah Benedifta, einen Augenblid unſchlüſſig vor fid) nieder.

„Da ic) von all diefen Dingen fehr wenig verftehe, ijt bie Verantwortung für mich eine jer große —", fuhr fie tief aufatmend fort, hob jählings ba8 Haupt und ٤6 (Sdert feft in die Augen: „Doc, werde id) mid) ۷ Vorſchlägen in allen Dingen fügen, lieber (Sdert, ba ich nen und Herrn Dallberg von ganzem Herzen vertraue, unb überzeugt bin, daß Sie beide nur mein Beftes wollen!”

Ein warmes Aufleuchten jtrahlte aus bem ehrlichen Augen des Inſpektors, er griff ad) dem Kleinen Täfelchen, und fein Geficht ward eruit.

„Ich baute, Barone, für das ehrenvolle Vertrauen, welches mid) [tola und glüdíid) macht und welches ich mit Gottes Hilfe vollauf rechtfertigen werde. Ihnen das Ber: mögen und den Grundbeſitz Seiner Excellenz nicht nur zu erhalten, jondern aud) zu vergrößern, ift ber redliche Wunſch von uns Allen. Wir wollen über dag Glick bes gnädigen Fräuleins wachen, auf diefer Welt erfauft jid) ja leider Gottes alles Glüd nur durch Geld!“

Ein jchmerzlicher Ausdruc lag auf bem Antlig des Schreibenden, und als Benedifta gelefen, verftand fie, weld) ein Gedanke ihm wohl bei dem legten Sak das Herz durchbebt hatte.

Marga! Er wahute, daß nur feine Armut und jeine untergeordnete Lebensjtellung ihn den Weg zu ihr und dem Gíüd verjperrtei.

Könnte er als reicher, Hochangejehener Gutsbefiber um

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bie verwöhnte feine Dame werben, würde er e8 erfteu8 Wagen und zweitens würde fie wohl nicht nein fagen! Das Geld ijt eine Macht, welche nicht nur den Rüden, fondern auch bie Herzen ber Menjchen beugt und neigt. |

wit e3 aber wahrlich ein Glüd, ein Herz zu gewinnen, welches fid) nicht auf dem Altar der Liebe, fondern nur auf dem des goldenen Kalbes 07۶

Nein! Tauſendmal nein!

Die Marga, jo wie fie jet lebt und webt, würde al3 Frau des reichiten Wert felbjt, nur ein Unglüd für ihn fein, denn fie würde nicht ihn, fondern nur fein Geld lieben, nnd der Reichtum würde aud) in biejem Fall ber Mörder alles Glüdes fein.

Die dunklen Augen Benediftas hafteten voll milder Wehmut auf dem geneigten Antlig ihres Gegenübers.

„Sie halten das Geld für den Kaufpreis alles Glückes, Herr Edert?” fragte fie leife: „Dann überjchägen Cie e8 in hohem Grade. Das Glück läßt fid) überhaupt nicht faufen, Da3 große, wahre und echte Glüd fällt ungefucht und unerhandelt vom Himmel herab in den Schoß Ders jenigen, welche e3 oft am wenigften vermuten und mand- mal aud) am wenigiten würdigen. Gar mancher, ber bas Glück kaufen wollte, der mit Golbf(umpen nach feiner rollenden Glaskugel warf, jchlug fie für ewige Beit in Splitter!”

Und wieder griff er mechanisch nach der Elfenbein: tafel: „So glauben Barone, daß nur ein armer Menſch

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glücklich fein fann?” fdjrieb er, mit feiner Schmerzen: linie um den ۰

„Rein, diefe Behauptung würde eine unhaltbare 6 fein. Ich bin fogar der Anficht, daß das Olid au feiner Erhaltung und Vervollfommnung fo viel Gold braucht, wie DI notwendig ijt, um die Flamme einer Lampe zu nähren. Stügen und halten fann wohl der Reichtum das Glück, wenn er jo groß ijt, daß er Sorge und Not von einer Schwelle fern hält, über welche die Liebe gefchritten. Das Geld fann das Glü vor manchem Sturm, mancher Anfechtung und mancher Gefahr jchügen, aber e3 fann e3 niemals kaufen, denn das Olid ijt die Liebe.”

‚And wenn fid) zwei arme Menjchenfinder lieben, und finnen nicht heiraten, weil bie Mittel fehlen?”

Benedifta lächelte. „Ich beufe auch in diefem Punkt vieleicht etwas jd)roff und allzu ideal. Oft fann ein armer Mann ein armes Mädchen nicht heiraten, weil feine Stel- (ung, fein Geſchäft oder feine Carriere reichlihe Mittel bedingen. Liebt er bieje Stellung, dieſes Gefchäft oder diefe Carriere mehr al das Mädchen, fo daß er nicht imftande ift, fie um ihretwillen aufzugeben, nun fo ift bie Neigung zu biejem Weibe auch nicht fein 61٤۱ Riebt er fie aber jo über alles, daß er jedes Band ber Konvenienz um ihretwillen zerreißt, wird er fid) fein Glück nicht erfaufen, fondern e3 mit offenen Armen und arbeits- mutigen Händen vom Himmel ۳

„Und wenn er Weib und Kind felbft mit den arbeits- luſtigſten Händen nicht ernähren ۲

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3 bie Millionen rt

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Menfchenherzen auf biejer Welt flagen, jo ungezählte Formen von Glü und Liebe wird e3 geben, und bod) behaupte ich angeficht3 ihrer Aller, daß das wahre, ۴۶ Olid alles Erdenlebenz die Liebe ijt, und daß die wahre Liebe nie Durd) Geldeswert erhandelt werden fann wie eine tote Ware.”

„Alſo glücklich wer reich ijt, noch glüdlicher vielleicht, wer e3 nicht ift?”

(dert lächelte, und auch Benedifta lachte und änderte Ichnell Das Gejpradsthema.

Die Speijen wurden jerbiert unb Baroneß Floring- Hoven füllte eigenhändig dag Glas ihres Gajte&. Gie hob ihm das ihre entgegen: „Auf daß ich recht behalten möchte, auf daß Sie mit leeren Händen das größte, Ihönfte Glick auf Deler Welt gewinnen möchten!” lächelte fie in ihrer fo vornehmen unb dabei doch fo Herz- gewinnend liebengwürdigen ۰

Cdert ward dunfelrot und verneigte fid) ۰ Dann fragte er per Stift, ob Baroneß befiehlt, noch heute abend die Bücher +7۶

Benedifta jchüttelt haftig das {chine Haupt: „Heute abend will id) gar nidjt8 mit folh abjcheulicher Profa zu thun haben, Herr (dert, heute {tebe id) ganz und gar im Dienst ber Poefie und Kunft und Hoffe, aud) Sie für denjelben anwerben zu können. Sch fahre Heute abend in Das Theater, um Marga Daja in ber Hauptpartie einer neuen Oper zu bewundern unb zu fehen, zu Hören, kann id) ja leider niht jagen. Sie werden

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ebenfalls Shr Scherflein Lorbeer in Geftalt Ihrer An- wejenheit ۳

Er neigte das Haupt jer tief, um zu fehreiben: „Ich habe mich leider vergeblich um ein Billet bemüht, das Haus war ausverkauft.” |

„Ihnen einen Blah zu verjchaffen, laffen Sie, bitte, meine Gorge fein!” | |

Er verjudjt auszumweichen. „Ich würde beffer thun, mich Heute zeitig zur Rube zu begeben, bie legten Tage waren überreid) an Arbeit!”

Benedifta macht eine heiter abwehrende Geſte: „Sie fehen durchaus nicht müde oder abgefpannt aus. 98 würde mid) fo freuen, finnten Sie Marga aud) einmal auf der Bühne fennen lernen!”

Gr blidt fie mit feinen ehrlichen Augen feft an und jchiittelt wehmwütig das Haupt: „Ich glaube nicht, Daf ich ihre Leiftungen richtig zu würdigen ۹ه‎

‚Auf den Verfud) kommt e3 am. Sehen Sie, 8 erinnert mid) an unfer er[te8. Geſpräch. Marga ijt ein Wefen, welches genau denkt wie Sie. Alles Glück macht fie vom Gold abhängig. Cin großer, durchichlagender Erfolg deucht ihr eine Garantie für Glück und Liebe, und der heutige Abend wird gewiffermaßen die Ent: Scheidung bringen. Heute wird von zwei Menfchen die große Frage ausgejprochen: „Wird der Erfolg und Gold wird bae Gold ung Glü und Liebe bringen?” Gie jelber jubelt jdjon jest ein übermüti- ges „3a!“ der Überzeugung, aber die große, wahre Ant:

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wort fann wohl erft die Beit und die näcjiten Jahre darauf geben!”

Edert3 Wntlig war um einen Schein erbfeidjt, aber er blieb vollfommen ruhig.

„Sebe Gott, daß diefe Antwort günftig lautet“, und dann trat Sophie ein und meldete, daß e3 wohl Beit fet, einen Wagen holen zu ۰

Benedifta erhob fid) ;, Nun muß id) bod) bitten, Herr Edert, das Souper ohne mid) zu bejchliegen. Wie id) fehe, will meine eitle Sophie mich nod) mit 1 jdmüden und benötigt baburd) meine Anweſenheit vor dem Spiegel. Bitte, bedienen Cie fid) einmal ohne Be- Dienung” und halten Sie fid) alsdann bereit, mid) zu begleiten !^

Welch cin ungewohnter, fcherzender Klang in ihrer Stimme! Edert {tand an feinem Geffel und blidte ihr voll warmberziger Verehrung nah. Das Unglüd hatte ۵16168 junge Haupt [djmer, fehr jd)mer getroffen, aber e3 Batte dennoch nicht permodjt, e8 faſſungslos und 9 zu beugen. Mit heiterer GelajfenDeit, voll ۵۵ und eritaunlicher Celbjtbeherrjdjung fand fid) 0 in ihr herbes Cdjidjal.

Wie hätte wohl Marga Daja, „das Kind” mit dem eigenfinnigen Köpfchen voll kindiſcher Launen unb ٤ Ungeduld fid) in gleicher Lage benommen? dert benft an jenen Ausbruch ihrer ungeftümen Verzweiflung und Empörung guri, al man ihr damals zumntete, burd) Pelze, Kapotte und warme Schuhe gefchüßt, eine

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Stunde burd) den Schnee zu gehen. Wie würde Marga ein Gchidjal ertragen, wie dasjenige, welches 6 heimgefuht? Marga, welche {chon um einer Kleinigkeit willen in Thränen des Trotzes unb der Mutlofigfeit ) 7,7

Edert ftarrt nadjbenfíid) in fein Weinglas nieder, ا‎ aus welchem rubinrote Lichtfunfen zu ifm aufglühen. Sollte Benedifta recht haben? Sollte e3 bod) nicht bas wahre Git fein, welches am Gold hängt und nad dem Gold drängt? Sollte die Armut bod) zum Segen werden können, weil fie der jäh aufflammenden Leidenfchaft, welche fid) mit der Maske der Liebe [d)müdt und bod) nur die Blindheit von ihr erborgt, ein Hindernis in den Weg baut?

Dit lehrt e3 erft bie Beit, daß ein viel betrauertes und beflagtes Gntjagen im une genommen nur ein hohes Gewinnen war.

Langjam hebt der finnende Mann das Glas an bie Rippen, und bie roten Funken aus feiner Tiefe leuchten ihm entgegen, wie ein geheimnisvoller Hort des Gliictes, welcher für ihn nod) verborgen im Strom der Zeiten ruht.

9۲] Benedifta wieder eintrat, ftand (dert wartend hinter feinem Sefjel und mie8 mit einem fragenden Blid auf bie Kleine Tafel nieder.

„Befehlen Baroneß wirklich, daß ich nod) einmal mit- fahre? (X8 wird durchaus vergeblich fein, da fein Billet mehr zu haben ijt!" Stand darauf.

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Fräulein von Floringhoven lächelte: „Verſuchen wir 68 noh einmal!”

Sophie legte den eleganten Pelzmantel um die Schultern der jungen Herrin und hüllte fid jelber in einen ſchönen Abendmantel, welchen der Infpektor noch nicht an ihr faunte.

Er war überhaupt fprachlos, wie würdig und gut bie alte Frau ausjah, wie fie ihr feidenes Kleid und den Itatiöjen Kopjpug mit einer Miene trug, als fei fie es niemals anders gewohnt gewejen. Auch die filbergrauen Glacéhandſchuhe ftreifte fie genau in der Weile an, wie fie e3 feit Jahren bei ihren eleganten Herrinnen gejehen.

SSef(ommen jchweifte Eckerts Bli an feiner anſpruchs— lojen Erjcheinung hernieder, bie gwar das befte Sonntags- civil trug, welches er bejab, in bem er aber zwijchen ben modern gefleideten Refidenglern dennoch jo vorfintflutlich Dreinjdaute, al8 müſſe erft der Staub von feiner „aus dem Winkel geholten” Gejtalt abgeblajen werden.

Er empfand e$ mit einem Gefühl inniger Dankbarkeit, daß bie vornehme ſchöne Dame an feiner Geite fidh feiner nicht fchämte, und wagte faum ben Gedanken ۰ aujpinnen, wie wohl Marga fid) in gleihem Falle bc- nehmen würde. Geltjam, ¢3 war, al8 ob Benediftas Worte einen feinen Schleier von feinen Augen fortgezogen hätten, al& ob er nun die ftrahlende Erjcheinung ber jungen Sängerin nicht mehr mit ber verblendeten, an- betenden, tief unglücklichen Liebe anfchaue, jondern ۵ mit ber forgenden Frage: „Würde fie und ihr 8 wahrlich dein © li d verkörpern! Was würdejt bu an

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ihr gewinnen, wenn du fie jeßt mit Geld واه‎ Weib er: taufen ۳

Der Wagen rollte durch die belebten Straßen, Die Fenſterſcheiben Hirrten leije, und die Strahlen ber elef- trijden Lichtflammen zuckten wie {rele Blige durd) ba8 ۰ l

Eine Unterhaltung war ausgeſchloſſen, und die Einzige,

welche dies vielleicht jehr bebauerte, war Sophie. | SSenebifta8 Gedanfen weilten fernab bei dem Bild eines Mannes, welches in lebensvoller Wirklichkeit fo plüglid) und unerwartet ihren Weg gefreuzt hatte. Boll fieberijdher Aufregung lebte fie nur nod) ber einen Hoffnung, ihn Beute abend wiederzufehen.

Was war begreiflicher als ber Wunfch des Prinzen, einer Premiere beizumohnen, welche momentan das volle Intereſſe ber gefamten Kunftwelt, des ganzen mufifliebenden Publiftums war! Sollte er ein folches Ereignis ver- jäumen, ba er nun doch einmal in der Refideng anweſend war, unb fraglos Hof unb Hofgefellichaft heute abend vollzählig ba8 Opernhaus 727

Benediftas Pulje jtürmten. Mit unficherer Hand taftete fie nah bem Wagengriff, als bie Equipage vor dem ftrahlend erleuchteten Portal des Muſentempels hielt. Der Schlag ward aufgeriffen.

(Sdert jprang zur Erde und hob Fräulein von Floring- Hoven mit einer Chrerbietung aus dem Wagen, als ob ein Vajall feiner Fürstin dient.

Noch war e3 jehr frühzeitig, und die in bie Mäntel

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gehüllten Geftalten des Publifums erftiegen vereinzelt und voll behaglicher Gelafjenheit bie breiten Cteintreppen.

„Bitte, folgen Sie mir zu ben Garderoben, Herr (Sdert, id) fenne den Weg durch einen Befuch bei Marga während einer Aufführung. Die einzige Möglichkeit, nod) einen Blah für Sie zu erhalten ift bie, daß Marga thn Schafft.”

Edert zudt zufammen. „Ich bitte dringend, Baroneß, in Diefem Falle davon abzuſehen!“ jtieß er bittend hervor, aber gleichzeitig entfann er fid), daß feine ۶ gleiterin thn nicht verjtand, und daß e8 momentan un- möglich fet, fchriftlic) mit ihr zu verfehren. Auch fritt fie jo Haftig voraus, daß er wohl oder übel folgen mußte. |

Er nabm fid) jebod) vor, Fräulein Dalberg zu ver- jihern, daß er nur dem Wunfch feiner Schloßherrin folge und felber nicht den mindeften Wert auf eine Ein: tritt3farte lege. | |

Sräulein von Floringhoven eilte um das Opernhaus herum, nach einer jchmalen Seitenthür unter vorgebautem Jiegenjdjutbad), welches nur durch zwei Gaslaternen Dc- leuchtet wurde.

Cie trat in den ſchmalen Korridor ein, in welchem ein Feuerwehrmann gelangweilt auf und nieder jchritt unb ber Nahenden mit dem Finger am Helm ۵ meldete: „Hier geht’3 zu den Gaderoben, meine Dame! Haupteingang auf der anderen Seite, 0

Benedifta nite ihm [reunblid) zu und antwortete,

4 t | 1

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ben Suhalt feiner Worte ahnend: „Wir werden in den Garderoben erwartet!”

Der Feuerwehrmann trat höflich zur Seite, und Penc- Difta ftieg eilig bie Treppe empor.

Lautes, lujtige$ Leben und Treiben. Gejang, Ge- lächter, Hin und Der eilende Perjonen in abjonderlichem Koſtüm. Die gejchmintten Gefichter wirken in der un- mittelbaren Nähe beinahe erjchredend. ` Man muftert bie Kommenden ungeniert, läßt aber bie majeftátijd)e Frauengeſtalt anſtandslos paffieren, ba fie Beicheid in diejen Räumen zu willen feint.

Benedikta bleibt vor einer Seitenthür Stehen.

„Das ift Margas Bimmer” jagt fie hochatmend, „Ditte erwarten Ste mich Hier auf dem Korridor, Herr Edert.” Gleichzeitig ۲۱۵۲۲۲ fie am.

„3a! was ijt benu los?!” ruft Margas filberhelle Stimme etwas ungeduldig, „näher treten !^

Fräulein von Floringhoven blidt fragend auf den Su|peftor. „Hat fie geantwortet? Darf id) eintreten ?^ fragt fie.

(Sdert nidt zujtimmend, gleichzeitig wird bie Thür aufgeriffen unb eine Jungfer erjcheint darin, 8 gape Brenneifen noch in der Hand.

„Ah S8aroneB! gnädiges Fräulein!” fnixt fie und ichlägt die Thür vollends zurüd, mit einladender ٤۶ bittend, näher zu treten. Dieweil bie junge Dame 10 über bie Schwelle fchreitet, muftert bie Kammerjungfer mit neugierig ungentertem Blick bie fremdartige Er:

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Icheinung des Gutsinfpeftors. Er hält weder einen Brief nod) einen Strauß in der Hand, alfo gänzlich un- interejjant.

Rückſichtslos fchmettert fie ihm bie Thür vor ber Nafe zu, denn auch in ihren Augen machen lediglich die Kleider Meute,

(dert blidt vor fid) nieder. Er hört Margas Stimme nebenan in leifem Auffchrei, und dann ifr Iuftiges, be- thörendes ۰

Das Herz erzittert ihm. Cin namenlojes Etwas fteigt in ihm auf, قاط‎ Bod) in den Hals, ba ۱۱۵۶2 feft und würgt ihn.

Er will auf und davon, er findet e8 verächtlich, 8 Bittender vor ber Thür eines Weſens zu ftehen, welches nichts al3 Spott und Verachtung für ihn Dat.

Das jdjneibet ihm in das weiche, tief fühlende Herz.

Sie, bie mit den Heinen Kinderfüßen rückſichtslos und mitleidslos bieje8 Herz in den Staub tritt, fol doch nicht glauben, daß er واه‎ willenlofer Sflave nad) der Wonne feufgt, Marga Daja auf bem Gipfel be8 Ruhmes und Erfolges zu jehen.

Nein, er will aud) einmal [toa unb hart fein, er will ihr fagen, daß er fid) mit Baroneß nicht verjtändigen fonnte, daß er ihr nur aus Höflichkeit folgte, und Fräu— lein Dalberg abjolut nicht wegen einer Cinlabfaric be- läftigen will. Qa, ba8 will er jagen.

Ein Berber Zug jchleicht um feine Lippen. Er richtet fid) ftramm empor zu feiner riefenhaften, imponierenden

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Größe, und blidt jchier feindfelig auf da3 lofe, leichtfertige, geſchminkte Völkchen, welches wie ein feder Maskenſchwarm um ihn herum tollt. Da wird bie Thürflinfe neben ihm hart niedergedrüdt, und Edert zudt gujammen.

Cin Rud und Auffchlagen des Thürflügels, zwei ffeine, fchneeweiße Hände ftreden fid) ihm entgegen.

„Kommen Sie, Edert! Kommen Sie nur herein! ich fann zur Not fon Herrenvifiten empfangen!” ) 8 ihm entgegen, Margas Köpfchen flimmert in märchen: haftem Schmud vor feinen Augen, bie Hände faffen ihn und ziehen ihn über die Schwelle.

Da fteht er vor ihr, und wie geblenbet, mie über- mannt von ihrem unvergleichlichen Anblick ftarrt er wort- [o8 auf ihre Clfengeftalt Dernieber.

Cie lieft die Wirkung ihrer Erjcheinung in feinem Antlig, wie in einem aufgejchlagenen Buch, und weil fie gar jo viel darin lieft, fiegt bie Eva in ihr.

Gejchmeichelte Eitelfeit, Mitleid mit dem armen Falter, welcher fid) die Schwingen am Licht verbrennt, und eine unbezwingbare Kofetterie, einen noch immer tieferen Cin- Druck auf Delen Sklaven ihrer Anmut zu machen, zwingt ihr eine Liebenswürdigfeit auf bie Lippen und in das Antliß, welche Edert nod) nie an ihr fennen lernte.

Sm Berein mit ihrem Ausfehen wirkt fie beraufchend.

„Welch eine Überrafchung! weld) eine freudige Über- raſchung, lieber Edert!” ruft fie mit gauberijd) leuchtenden Augen, „Sie heute abend hier im Theater in meiner Nähe zu wiſſen, Dat etwas geradezu Tröftliches für mich!

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Heute, wo jede Freundeshand unbezahlbar ijt! Seien Cie willfommen, lieber (dert taujenbmal von Herzen willfonımen!” und fie lächelt ihm zu und drüdt ihm abermals bie Hände. Cie freut fid) wirklich, ihn zu fehen, wenn aud) ba8 Grundmotiv diefer Freude nur Eitelfeit und Egoismus ijt. | :

Wie im Schwindel ftarrt er auf fie nieder, unb da er abfolut feine Worte findet, auf fold) eine Begrüßung zu antworten, fährt fie lächelnd fort: „Baroneß jagt, daß Sie Wrmfter fein Billet befommen haben! Unbeforgt, mon ami, in unjerer Schaufpielerloge find wohl nod) 56 frei Stehpläße auf jeden Fall. Aber was thut 8 —- Cie fegen fih in den Zwiſchenpauſen, und während bie Anderen fid) ermüden, ruhen Ste fid) aus. Bch ۰ gleich einen Zettel...”

„Fräulein Daja id) muß weiter frifieren! mahnt bie Bofe mit langem Blid be8 Staunens den feltfamen Stoffel mufternd, welcher ftumm und {tarr wie ein Stod- fld vor ihrer Schönen Herrin fteht je nun, feine Augen reden um fo mehr unb um fo deutlicher.

„Gleich, Doris, gleich! Mein Gott, man wird ganz fonfus bei folh einer Überrafchung —! Bitte, nehmen Cie Pla, lieber Edert, und laffen Sie mid) während des Reſtes meiner Toilette nod) mit Ihnen plaudern!” Cie met auf den Cejjel neben bem Copha, auf welchen Benedifta Play genommen Hat und jchweigend in den Notenblättern auf dem ZTijche lieft.

‚Sch würde Ihnen allerdings unendlich danfbar fein,

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2۳۲۱۱۱۲6۱۱۱ Marga und wäre es auch nur das befcheidenfte Winkelchen . . .“, ftottert er, Dunfelrot vor Aufregung und vor innerer Scham, daß all feine ftolzen Vorſätze von dem Hauch eines einzigen ihrer Worte über den Haufen geblajen find wie leere Spreu.

Cie wendet das Köpfchen lachend zurüd. „Eine Freund: Ichaft ijt Der anderen wert! Wiſſen Sie noch, wie Sie, Ritter ohne Furcht und Tadel, mid) hoch zu Roß aus dem Schnee erretteten 2^

Und ob ers nod) weiß! Er jagt e8 aber nicht. Ceine Bunge liegt wieder vollfommen im Bann feiner Augen. Was haben bie aber aud) zu jehen!

Wie ein Traum beudjt es ihm. Er hat bod) früher, al er noch ein wohlhabender Mann mar, auch oft 8 Theater bejudjt, allerdings nicht bie Oper ber Refi- Deng. Aber jo viel Blendendes, wie das Bild Margas, welches der Hohe Wandipiegel zurüditrahlt Dat er dod) nie gel haut.

Shr Koftiim fol wohl dasjenige einer Melufine oder einer Elfenfünigin darftellen, er weiß e$ niht. Gold- leuchtende Schleiergewebe umhauchen ihre zarte Geftalt, blonde Loden wallen wie ein Mantel darüber Din, durch: zogen von einem jumelbligenden Stirnreif, überjät von funfelnden Steinen. Hals, Brujt und Gürtel find ۸ von märchenhaften Schmud, bie nadten Arme zieren wunderliche Spangen, fandalenartige Schuhe befleiden den Fuß. Marga befejtigt joeben noch lange, edeljteinbejeßte Golbbánber an dem Gürtel.

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Er jd)ridt wie aus einem Traum empor. „Nein Fräus lein Marga, nod) ۳

„Dort auf dem Tide liegt er! Nehmen Sie ihn mit, auf daß Sie doch erfahren, wie graufam mid) die Menfden behandeln! Werden Sie mir eine Thräne nadh- weinen, wenn mich bie Flammen verjchlingen 2

po, Fräulein Marga —!” |

„Ich bin ja nicht maujetob. Wenn Sie recht, recht tüchtig klatſchen, lieber (dert, erjtehe id) phönirgleich aus ber Aſche und mache Ihnen jo oft nod) einen danfbaren Snir, al8 wie Cie mid) herausrufer! Aber den Kom- ponijten miiffen Sie immer mit mir zufammenrufen, fo erfordert e3 hier bie Sitte, hören Sie, lieber Edert! Mein Gott, wie wundervoll müffen Sie mit ihren waderen, immer fleißigen Händen Hatjchen finnen! Go, Doris, iut legen Sie mir noch den Prauenmwedel bereit . . . bie weiße Rofe . . . ah! Und Dier bie eine Mode noch etwas feititeden, fie fällt allzu tief in bie Stim ۰ nun wär id) ja gerüjtet.”

Die Sprecherin ſchob eine Tee Mospaitille in den Mund und wandte fid) nad) ihrem Toilettentifh, um ein Notizbuch zu ergreifen. Sie wühlte gwijden Schmud, Blumen, Spigen und Schleiern fehr forglos herum, bis fie Dad Gefuchte fand. |

„Ich Schreibe ein paar Worte an den ۲ . . bie geben Cie ab, Herr Edert, und bu bringit einen Zettel an Regiffeur Braunberg, Doris, welder aud) in ber Loge {igen wird.” Gie neigte fid) tief nieder und

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kritzelte haſtig mit Bleiſtift einige Zeilen nieder, riß die beiden Blätter aus dem Notizbuch und faltete ſie zu— ſammen. |

Dem Inſpektor deuchte e3, eine Märchenfee fei von dem dunklen Nachthimmel herniedergejchiwebt, freundliche Einkehr unter diefem Dah zu halten.

Marga wandte fid) ibm zu. „Hier, Herr (dert, bie Bauberformel für ben ‚Sefam‘, auf daß er fid) öffne. Nach ber Vorftellung müſſen Sie mich jelbjtverftändlich erwarten! Wir foupieren gemeinjdaftlid), unb ich hoffe jer, daß Sie mit von der Partie fein werden.”

Sie nidte ihm mit unvergleichlichem Blick zu und wandte fih au Benedifta, melde fid) erhoben hatte und einen Zettel fa8, welchen Marga aud) für fie ge [0

„Das ijt ja vortrefflih, daß ein Plak für Herrn (Sdert bejorgt wird!” fagte fie heiter, „ih Danke 11 taufendinal dafür, liebe Marga! Und nun wird e8 wohl hohe Beit bag wir bie Loge aufjuchen, Sophie wird ſchon in allergrößter Sorge fein, daß wir den Anfang ver- fäumen. Mfo auf Wiederfehen, liebe Marga! Ich werde fleißig den Daumen Halten und hoffe von Herzen auf den beiten Erfolg. Nah Schluß der Oper benfe ich, , 1 und bem Komponijten zu der Erfüllung aller ٤+ gratulieren zu fünnen, id) erwarte Cie im Foyer. Und 110711118 Gott befohlen! Wenn Ste ebenjo jchön fingen, wie Sie ausjehen, Marga Daja, miiffen Sie ba8 Publikum begeijtern 1“

N.v. Eſchſtruth, IN. Rom. u. Nov., Stern bes Glüds I. 13

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Edert empfahl fid) fo ſtumm, wie er gefommen, aber bie Hand, welche er ber Sängerin bot, bebte wie im Fieber.

Langjamer, al3 wie fie gefommen, fchritten fie Korridor und Treppe hinab.

Sn bem {tiller Eleinen Vorflur blieb Benedifta plöß- lich ftehen. Ihre ernten ruhigen Augen blidten den Jn- ipeftor an. „Eine wunderliche Welt, diefe Welt Hinter ben Goulijjen", fagte fie, „für und nüchterne 6661 eine gar unbegreiflihe! Auch Ihnen Hat fie die Augen . geblenbet und den Atem benommen, Herr Edert. Warum das? Sahen Sie wahrlich nicht, daß bie Steine und baa Gold auf Margad Haupt und Brujt ure Ot waren? Daß ihr herrliches Haar faljch, ihr reigendes Antlitz ge- ſchminkt war?” Sie blieb momentan ftehen und blickte voll wunderfamen Ernftes in fein entjeßtes Geſicht. „Es muß fo fein, Herr Gdert, ba8 Theater ijt ja nur ein Spiegel der Wahrheit, e3 borgt fid) alle Mittel um möglichft wahrheitsgetreu das Auge zu täufchen. Der Glo einer Bühne verträgt fein Sonnenlicht. Wehe, wenn Sie die zauberhafte Erjcheinung Margas am hellen Mittag auf den nüchternen Gutshof unjerer Heimat Stellen wollten, Sie würden erjchreden vor bem grefen Serrbilb, welches fid) Ihnen bte. Ceben Sie fid) Marga Daja heute abend genau an, gang genau. Dann werden Cie e$ gleich mir empfinden, bap ihre eigenartige Schönheit bie Theaterfolie braucht, um jo unvergleichlich zu wirken, wie fie e8 thut. Marga taugt nicht für ein profaifches, lichte und duftloſes Dafein, jie ijt eine Blume, welche

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Niemand ungeftraft verpflangt.. Ich glaube, daß unfere Eleine Freundin im Begriff fteht, fich zu verloben, und ihrer Anficht nach ijt bie Wahl, welche fie getroffen, eine glücdliche. Sie bleibt ihrer Carriere, fie bleibt bem Theater erhalten; fie wird fortdauernd Triumphe feiern, angebetet und umjchwärmt fein, und nur das deucht ihr der Guz begriff des Glüdes. Sch beflage den Miann, welcher Dag Kind‘ zum Weibe begehrt, aber taufendmal mehr beflage ich noch das arme Weib, welches fein Glück heute abend durch goldenen Lorbeer erfaufen will!”

Sie reichte dem |pradjlojen Inſpektor bie Hand, nidte ihm noch einmal mit einem unerflärlichen Ausdrud in dem edlen, geiftvollen 9[ntlig zu und wandte fid) Haftig zu Sophie, welche ihnen mit allen Zeichen fiebernder Unge- bulb entgegeneilte.

(Sdert jtarrte ber jchlanfen Geftalt nah, bis fie hinter dem (Golbgitter der Treppe im bunten, hoch: wogenden Menjchenichwarm verfdwand, dann wandte er fich langfam, die Steintreppen zu dem zweiten Rang zu erjteigen. Die Gedanken freijten wirr Hinter feiner Stirn.

Was follten Benediftas Worte bedeuten?

Hatten ihre Eugen, ernjten Augen in feinem Herzen gelejen? 1yragío8. Wollte jie ihn von feiner unglüd- feligen Neigung für Marga Daja heilen?

Es Tënten fo. Sie meinte e8 gut mit ihm. Gie führte ihn hinein in diefe Welt voll Lug und Schein, unb gog fanft die Schleier herab, welche feine Augen ۰

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„Ihre Steine find unedht, ihr Haar ift faljd) ihr 8 ijt geichmintt.” Die Worie gelen ihm vor ben Ohren und betäuben ihn. Wie fühle Schauer riefelt e8 burc) feine Glieder. Ya, er verfteht feine freundliche Mahnerin. So trügerifch wie Margas äußere Erjcheinung, jo trügerifch ijt auch ihre Seele, ebenjo leicht und ober- Hächlich, ebenjo erfolggierig und egoiftifch wie bie Schein- welt, welche fie umgibt.

Die freundlichen, beraujdjenben Worte, welche fie zu ihm gejprochen, galten nicht ihm, jondern feinen Händen, melde ja groß genug zum Applaudieren find.

Er war nur ba8 Mittel zum Zwed ebenjo wie alles andere, was Marga Daja fid) unterthan macht, um damit ihre eigene Perſon zu heben und zu ftügen.

Cie meint ٥ق‎ nicht böfe, fie ijt em Kind, ein un- berechenbares, launifches, felbitfüchtiges und eitles Rind, welches das Glück durch das Leben getragen und ۶ wöhnt hat.

Aber wehe dem Mann, welcher „das Kind” zu feinem Weibe machen will!

(Sdert nidt tief in Gedanken vor fid) Hin, reicht dem Logenſchließer mechanifch feinen Bettel entgegen und läßt fid) von ihm nad) der Künftlerloge ۰

Die Thür öffnete fid) Unficher tritt ber Inſpektor ein und Stellt fid) bejcheiden im dunkelſten Chen auf. Das Stimmgewirr thut ihm weh in den Ohren, und Das grelle Licht quält feine Augen. Mit gejenftem Blid fteht er ba und [tarrt vor fich nieder.

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Ein blitendes Durcheinander von Uniformen und eles ganten Toiletten. Die Fächer wogen auf und nieder, Die blumengefchmücten Köpfchen wenden und neigen fid) in lebhafter Unterhaltung, Fräulein von Floringhoven ift e8 ein fo feltener Anblid, daß fie fich erft allmählich in bem reizenden Gewirr zurechtfindet.

Ihr Blick jchweift von einem Antlig gu dem anderen, fremde, lauter fremde Gefichter. Es find auch gumeift die Hofdamen, Adjutanten und Kammerherren, welche in der großen Loge Blak genommen. Die hohen Herrichaften bevorzugen bie jeitlichen, Heinen Fürftenlogen, dicht neben der Bühne.

Benedifta erkannte die Königin Mutter neben dem regierenden Herrn, bie Prinzen und Pringelfinnen 8 Herrfcherhaufes, ebenfo etliche hohe Gäſte dedfelben. Unter bieje würde Prinz Percy, der Bruder des befreun- deten Herzog, gehören.

Aber fie judjt vergeblich nah ifm. Auch in ben gegenüberliegenden Logen erblicdt fie ihn nicht; ijt er heute abend nicht 7۶۵

GCelijam, bei feinem Aufenthalt in der ۵ verfäumt er eine Premiere, welche doch bie ganze Funft: finnige Welt interejjiert!

Pring Percy ift fein Kunftenthufiaft.

Benedikta entfinnt fih, daß Marga fich einmal heftig beflagte, wie wenig fih „ihr Geretteter für Muſik und Theater interejfiere.

Nur in den feltenften Fallen, eigentlich nur anläßlich

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einer Galaoper, wo gewilfermaßen ber Dienft das Er: (deinen der Herren vorjchreibt, war Pring Percy eine fehr gleichgültige und gelangweilte Erjcheinung in der Fürſtenloge.

Er liebte anſcheinend weder Muſik noch Drama; ſeine Studien nahmen ihn [o völlig und ausſchließlich in An: ſpruch, daß fie ihm feine Beit ließen, Gefchmad an heiterer Zerſtreuung oder künſtleriſchen Idealen zu finden.

Sollte Beneditta e3 bedauern? Bm Augenblid that fie e8, denn bie Enttäufchung, ihn nicht zu fehen und bie Vereitelung all ihres Hoffen waren doppelt ſchmerzlich für ein fo freudearmes Zielen wie fie. Aber auch dies- mal gewannen Vernunft und Einjicht ſchnell bie Oberhand. Cie hatte (hon auf jo manches Glück im Leben verzichten müjjen, fie blidte auch auf dieſe vernichtete Freude ohne Klage und ohne Murren. Warum wollte fie ihn eigent- (ich

Es war eine Thorheit. Konnte fie nicht fein Bild täglic vor Augen haben, das jchöne, freundliche Bild, welches fie anblidt und ifr zulächelt ?

Der lebende Prinz Percy würde das nicht thun. Er würde mit Anderen plaudern unb verfehren, ohne bie mindejte Notiz von der Fremden zu nehmen, welche fernab itl. und einfam zwifchen all den Hundert frohen Menfchen ' im Schatten der Loge fibt. Wahrlih! Würde er fie völlig überjeen? Er that e8 aud) heute auf bem Korri- bor der Klinik nicht.

Benedifta preßte die Hände jählings um den fchwarzen

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Straußfederfächer. Närrin, bie fie war. In dem fchmalen lur eines Privathauſes wäre e3 wohl eine direfte Un- höflichfeit gewefen, einer Dame ohne Gruß den Weg zu vertreten, und wann wäre wohl der ritterlichjte ber Prinzen jemal3 unhöflich gegen eine Dame gewejen, gleichviel, ob er fie fennt, fid) für fie intereffiert, oder nicht? ۱

Das junge Mädchen neigt die Stirn tief Hinter bie fühlen, weichen Straußfedern. Will fie e3 denn fo ۲ faffen unb begreifen, daß Pring Percy nur ein ۲ für fie ift, welche3 immer unerreid)barer vor ihr entflieht, je thörichter ihr Herz den hohen Flug nimmt, ihm in Bahnen zu folgen, welche bod) nur Phantafie und Ge- Danten allein erreichen 7۶7

Nicht genug, daß Geburt und Rang fie ewig jcheiden, aud) das Verhängnis reißt eine doppelte Kluft ۴ fie und permet das taube Mädchen felbjt aus ber Ge- meinfchaft aller Sener, welche ihm fonft im Verkehr näher treten Innen.

Nur ihr Gebrechen trägt die Schuld daran, daß fie fo fremd und allein heute abend inmitten einer Gejellichaft fibt, welcher fie bod) fo nahe ftehen könnte, wie ehemals, als fie noch in bem Befig all ihrer gefunden Sinne mar.

Sie, die Enkelin des beliebteften Miniſters, welche überall mit offenen Armen aufgenommen werden würde, wo ihr Namen erflänge und ihr Antlit fich zeigte, fie wagt e3 nicht, aud) mur von einer einzigen all der un- zähligen Empfehlungen Gebrauch gu machen, welche ihr der Großvater und Gräfin Borken mitgegeben.

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Wie glücklich fbunte fie fein, wäre fie nicht fo un- glüdlich geworden durch fremde Schuld. Cie, bie inmitten aller Lebensfreude, inmitten einer Welt ftehen 6 welche ihr alles erfchließt, fie flüchtet fid) [deu und zag- Daft in die jtilljte, fernfte Ginjamfeit, weil fie weiß, daß ihre Anmwejenheit für niemand ein Vergnügen ijt.

Die allgemeine Erregung und bie ftürmijche Bewegung aller Hände fowie ein Blid in daß Orcheiter belehren fic, bap bie Ouverture beendet und mit viel Beifall aufge: nommen wird, ber emporraufchende Vorhang gewährt den Blid auf eine feenhaft üppige, bezaubernde, ۵ Dekoration. Marga Dajas Anblid wirkt inmitten diefer fremden Pracht geradezu berüdend.

Celbit ein jo flar und wahr fehendes Auge, wie das de3 Fräulein von Floringhoven, ift geblenbet von jo viel unbejchreiblicher Anmut und Schönheit. Welch eine Fülle ber Driginalität ftürmt auf den Beichauer ein, weld einen unvergleichlichen (inbrud muß diefelbe erft ausüben, wenn Auge und Ohr fid) vermählen, wenn man Marga Daja nicht mur fiet, jonbern ihre filberhelle Stimme in beitridendem Melodienreichtun erklingen hört. Ein banger Schreck durchzuckt ploplid) bie junge Dame. Hat fie recht gethan, Edert, den einfachen, ſchlichten Naturmenjchen, hierher zu führen?

Wird fie nicht vielleicht gerade ba8 Gegenteil von dem erreichen, was fie mit biejen beiden ۰۶

Gein Herz ijt nicht fühl, fein Verftand nicht unberührt und gleichgültig genug, um in einer joldjen Stunde derart

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zu empfinden und zu überlegen, wie e8 Benedifta gehofft und erwartete.

Der Anblid diefer Marga Daja fann wohl fein liebe- franfe8 Herz entſagungsvoll jtimmen, ihre Stimme mit folden Liedern und Klängen feine Vernunft predigen.

Fräulein von Floringhoven wollte fo herzlich gern dem armen Eckert die Stunde erleichtern, in welcher ihm Margas Verlobung befannt wurde.

Cie hoffte, daß er fid) bei dem Anblick der ٣۴ Heinen Cheaterpringeffin werde fagen müfjen, daß ۶ nie und nimmermehr zur Frau eines ſchlichten Gutsin- ۱۲۰۲۲0۲2 tauge.

Cie hatte mit voller Abſichtlichkeit Gdert in die un- mittelbare Nähe ber jungen Sängerin gerührt, damit er bie Kunſt fehen follte, durch welche ihre Schönheit erzielt wurde. Sein Staunen und Verjtummen hatte ihr leider bemiejen, daß fein redliches Herz nicht im mindeften daran dachte zu prüfen, ob ba8, was er jab, Schein oder Wahrheit fei.

Benedifta hatte e3 ihm erft mit grellen, flaren Worten jagen müfjen, um ihm bie Augen zu öffnen.

Werden diefe Augen nun aud) Har und offen bleiben, wenn die Pracht auf der Bühne drunten fie blendet?

Ein Gefühl verantwortlicher Sorge überfam bie junge Dame. Sie hat das Beſte gewollt und bezwedt, folte fie Das Gegenteil erreichen ?

Shr Blid ſchweift ſpähend zu ben Logenreihen empor, in welcher fid) wohl Edert3 Plaş befindet.

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` Ral längerem Suchen glaubt fie ihn entbedt zu haben. Man erkennt ſchlecht in ber dämmerigen Be- leuchtung be8 Haufes, welches fid) beim Aufrollen 8 Vorhanges verbuntelte.

Droben, hinter den weit vorgeneigten Damen und Herren einer Kleinen Seitenloge fteht eine Gejtalt, welche jo riefengroß unb robuft aus dem Dunkel taucht, wie ein els, um welchen das heitere Bolf der Waſſernixen fpielt.

Sein Geſicht leuchtet wie ein blaffer Schein zu ihr Derab, die einzelnen Züge desjelben zu erkennen, ijt leider unmöglich. Aber Benedifta fieht, dak e3 regungslos nach der Bühne zu gerichtet ift. Könnte fie nur einen einzigen Blick jebt in feine Augen ۰

Wird feine ganze Seele beim Anblic des verführerifchen Wefens ba unten, welches durch feine Rolle das vollite Mitleid, die leidenfchaftlihe Sympathie des Publifums ermeden muß, nicht in hellen Flammen auflodern? Wird dieje Glut nicht noch ben lebten Reſt Fühler 21ء‎ in dem naiven Landmann zu Tode brennen?

Glücklicherweiſe finit der ۰

Die Flammen an den Kronleuchtern bligen hell auf, die ſtürmiſche Bewegung, welche durch das Publikum geht, und ber leije jurrenbe Klang in Benediftas Ohr jagen ihr, daß ber Beifall ein außerordentlicher ift. Alle Hände regen fic) aud) (dert, welchen fie jebt deutlich erkennt, ichlägt bie Hände zufammen, wie e8 jdjeiut, jer frait- voll, denn bie vor ihm figenden Schaufpielerinnen wenden lachend die Köpfe mad) ihm zurüd,

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empor, dann ringsum in das PBublifum. Wud zu dem „Unteroffizier in Civil” fliegt fefundenlang ihr Bli empor.

Sorbeerfrünge und Blumen wirbeln vor die Füße 8 gefeierten Baares, und das Publifum fcheint zu jubeln, man fieht e8 den Gefichtern an.

Benedikta hat mit großem Buterefje einen Blick auf Roman Ermönyi geworfen, und fie läßt diefen Bli auf ihm ruhen, jo lange wie der Komponift auf der Bühne ſteht.

Arme Marga!

Fräulein von Floringhoven empfindet bei ſeinem An— blid dasſelbe unbehagliche Gefühl, welches fie oft über- kommen, wenn ſie in den Briefen der Freundin über Roman Ermönyi las. |

Ihre ganz bejonders jenfibel beanlagte Natur fcheint injtinftiv zu fühlen, welch eine Menſchenſeele fid) Hinter einem Antlit birgt, und die Schlüffe, welche fie aus den (ächelnden Zügen be8 jungen Mufifer3 zieht, find feine erfreulichen und feine günftigen.

(Sr lächelt und verneigt fic) in verbindlichiter Weife, und dennoch glaubt Benedifta nicht an biele8 lieben8- wiirdige Lächeln. (S8 ift bie poetijdje Maste, Hinter welcher jid) bie frajjefte Proja verftedt.

Da3 bíajje, idjmalgejd)nittene Geficht ift von wüſter Reidenschaftlichfeit durchfurcht, unb der Mund, mit den ichmalen, nad) innen gezogenen Lippen deucht ihr bie Bers förperung von Egoismus, Gewinnſucht und rüdfichtzlojer Giraujamteit.

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Das junge Mädchen erfdridt jelber über diefe böje $onbuite, welche fie ihin ſchier unbewußt auzftellt. Sie wollte fo gern recht viel, recht viel Gutes aus bem Antlik eines Mannes lejen, welchen Eitelkeit und Berblendung zum Ideal ber Freundin erhoben, fie möchte fo gern in den Augen bieje8 berühmten Mannes ein Herz entbeden, aber juft diejes findet fie am wenigiten.

Die fleine, ſchmächtige Geltalt ijt die verkörperte Ele- ganz, feine Bewegungen gejchmeidig und angenehm. Es liegt fraglos etwas Intereſſantes und Beftechendes in dem Äußeren diefes Menfchen, juft das, was einer fchwärmerifch und eitel beanlagten Mädchenfeele imponiert.

Auf Marga hat e3 biejen Cindruc nicht verfehlt, auf Benedifta übte e8 denfelben abfolut nicht aus, im Gegen: teil, e8 verfehlte jegliche Wirkung.

Se nun, vielleicht täufcht fie fid), der Anblid war zu furz und flüchtig, vielleicht gewinnt Roman Ermönyi bei näherer Befanntichaft.

Benedifta folgt mechanisch bem niederfinfenden Vor- Dang. Nein! er wird nicht, gewißlich nicht. Warum fid) jelber täujchen? Hat fie das Urteil betrogen, welches fie nad) bem erften Anblic, tief in Herzen, über Pring Bercy fällte? Ebenfowenig wie dasjenige, welches fie in biejem Augen- blid über den gefeierten Mann auf der Bühne drunten fällt.

D, daß dod) Marga mit ihren Augen jefen fbuntel hr Blid würde fraglos viel länger unb lieber auf bem ſchlichten Gutsinfpeftor von Floringhof als wie auf dem (orbeergefrönten Künftler Ermönyi haften!

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Unwillkürlich hebt fid) ber Blid ber Sinnenden wieder zu Gdert8 lag. Derfelbe ift leer, und der ۲ verichwunden. Sollte er gegangen fein? Undenkbar! Sollte er den Wunjd haben, Benedifta aufzufuchen ? Bei feiner übergrogen Befdheidenheit faum glaublid. Und bod) haftet ihr Blid an ber Logenthär. Vergeblich, Edert öffnet fie nid).

—— Während die lachende, eifrig plaudernde und hocherregte Menge auf die Korridore und in die Foyers hinausflutete, ſetzte ſich der Inſpektor im dämmrigſten Winkelchen der Loge nieder und ſtützte den Kopf mit dem krauſen Vollbart tief, tief in die Hand.

Kein Auge ſah ihn, kein Ohr hörte den leiſen Seufzer, welcher tief aus ſeiner Bruſt drang, wie ein Strom von Thränen, welcher in Hauch und Klang verwandelt war. So konnte er der Empfindungen Herr werden, welche allzu verſchiedenartig und gewaltſam auf ihn eindrangen.

Als der Vorhang ſich gehoben, als er Marga in der nie geſchauten Fülle ihrer Schönheit ſah, als er ihre ſüße Stimme erklingen hörte, eine Stimme, welche ihm Herz und Seele erzittern ließ, ba mar momentan alles Ders geſſen, was Fräulein von Floringhoven ſoeben noch wie eine ernſte Mahnung geſagt hatte. Er gab ſich dem Zauber ihres Anblicks vollkommen hin und vergaß Welt und Zeit in dieſer Glückſeligkeit. Und dann ſtürzte ihn ein ſchriller Mißklang aus allen Himmeln.

Die Damen und Herren um ihn her waren Schauſpieler und Sänger, ſie waren abgeſtumpft gegen Eindrücke, wie

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fie Eckert ſoeben beraufejten. Cie fahen nicht das Hold- jeligite, engelhafteite Zielen Marga Daja vor fid) auf der Bühne, fondern lediglich die Kollegin, bie Rivalin, Die beneidete, mißgünſtig ober gleichgültig Eritifierte Dar- jtellerin ihrer Rolle.

‚a, nal Man jachte mit die jungen Pferde!” fpottete eine forpulente Schöne mit leichtem Schnurrbartflaum auf der Oberlippe und großen Brillantfnöpfen in den Ohrläppchen: „Die Bühne ijt ja abgefegt! Braucht gar nicht fo gewaltig mit ihrem Florſchleppchen herum: zuarbeiten! Mein Gott wenn bie Schleppe und bie Haare hängen bleiben, was bleibt nod) an dem Rinde dran?!“

„Ich fürchte, Dann bleibt troßdem ‚er‘ noch daran fleben!^ flüfterte ber Bap, und alle lachten leije auf.

„Sie hat mal wieder zu Kleine Schuhe an! Der Kinderfuß foll um jeden Preis ein Babyfüßchen werden, nun hinkt fie wie eine Krähe auf der Bühne 0

„Sb wohl das [done Kollier jet gelötet ift?” ficherte eine fchlanfe, liebe Kollegin mit fpindjem Blid; ,al8 id) e3 mir das legte Mal zur Elifabeth borgte, hatte bie geniale Marga ein paar zerbrochene Glieder mit weißem Zwirn ام‎ j^

„Macht nichts! Der Effekt blieb derjelbel Welch ein Opernglas entdeckt weißen .ٌ۸۸

Warum aud) ou folh unechten Trödel nod) Macher: lohn wenden?”

„Sollte er voirffid) fo unecht fein? Man munfelt N. v. Eſchſt ruth, IL. Nom. ۱٠۰ Nov., Stern des Glücks. I. 14

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bod), dak das ‚Kind‘ feit einiger Beit ‚wiſſend‘ genug geworden fet, um bie Kleinen Steinen zu unter: jcheiden 2“

bah! Man hätte bod) wohl bie Spender derfelben einmal hinter den Couliffen bemerkt!”

„Ophelia! Göttliche Harmlojigteit Sie! Wie wird das Kind‘ fo thöricht fein, mit anderen Goldfiichen zu ichäfern, wenn ein reeller WZintenfifd) an ber Angel gappelt 1^

„Wenn fie nur nicht immer. bie Augen fo ‚übergehen ließ, fie befommen fon ben reinen haut son

Reifes, wieherndes Gelächter. Edert? Fäujte zittern.

„Seid man stille, Kinder! Das ijt 6 grungt eine forpulente ,,vergniigte Alte” Dagwifden. „Wenn bie Najdfake Roman fid) den Magen verderben will, hat ء۲٢‎ umfonft. Ihr fount euch ja bie Nafe zuhalten, wenn e8 allzu febr haut-goüt wird!”

,Slappern gehört zum Handwerk! Ste mug bod) das cwig Männliche zum Applaudieren 7

„Natürlich auf bie Claque fonunt heute alles an, fie arbeitet aud) gang brav!” piepite eine Raive mit ۲ Titusköpfchen und wandte fid) jehr ungeniert nach dert um, welcher in feiner gornigen Erregung aus lauter Dppofition wie ein Unfimriger applaudierte. Gie 6 ihn mit fedem Lächeln, und alle Umfigenden lachten jebr ungeniert und falend auf.

„© ja, Marga Daja weiß ihre Rappenhetiner Heraus- zufinden! Wenn Heute nicht geklatſcht wird, verfracht ja

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Der Gufpeftor war glühendrot geworden, jo verlegen wie ein Sdjulfuabe, welcher auf verbotenem Wege ertappt wird.

Hatte ihn Marga wirklich nur al8 Claqueur hierher geftellt? Deutlich genug hatte fie e3 ifm ja zu verftehen gegeben, daß er applaudieren und den Komponift und fie herausrufen fole. Er hatte in feiner Erregung gar nicht darauf geachtet jetzt plößlich fiel e8 ihm wie Schuppen von den Augen. Er hätte vor Scham in bie Erde Jinfen mögen. Geine Hände fanten fchlaff Dernieber, wie ein Strid legte e$ jid) um feinen Hals und fchnürte ihn

G8 wäre mur ein raufer Auffchrei geworden, hätte er jeßt nach der Sängerin und Noman Ermönyt rufen ۰

Genug Stimmen thaten es, und ber Klang gellte ihm in bie Ohren.

„© ja, bie Claque macht ihre Sache recht gut!” jpottete Die Naive weiter, während fih alle erhoben, um die Loge in ber Zwiſchenpauſe zu verlaffen. „Das ‚Kind‘ war ja auch in (cbter Beit bie zuckerſüßeſte Liebensiwiirdig- fcit gegen alle Welt! Wen fie fonft nicht am Wege anjab, der wurde jebt mit den Holdfeligften Worten und Bliden zur Lärmtrompete angeworben !^

„Das Kind‘ bat auf alle Fälle etwas vorzüglich gelernt, zu berechnen nämlich!“ nidte ber 8 mit einem beinahe mitleidigen Seitenblid nad) dem großen, ungefügen Brovinzler, welchem er während der Aufführung bie flammende Begeifterung aus den Augen gelefen Hatte,

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„ihade nur, daß ihre Freundlichfeit fo felten bare Münze ijt! Sollten wir damit bezahlen, Kinder jäßen wir bald auf dem ۳7 |

Man drängte durch die Thür, e3 ward leer und ſtill um Edert. `

Er fete fid) langjam und fchwerfällig auf einen Stuhl nieder und ftüßte dad Antli in beide Hände. (X8 war ifm zu Sinn, als müßten brennende, bittere Thränen aus feinen Augen ſtürzen, aber fie ftarrten ۱۱۸۲ ۰ heiß und troden wie bei einem ieberfranfen geradeaus Leere. | |

Nein, ihre Freundlichkeit ift feine bare Münze, fie ijt lediglich Mittel zum Zweck, auch ihm gegenüber. Und er Narr hatte den Himmel offen gejehen.

Nicht mehr; der Himmel feiner Illuſionen hat fid) wohl für ewig gejchloffen, und bas ftrahlende lichte Götter: bild, welches ihn erfüllte, ward berabgerifjen aus feiner Höhe und vor feinen Augen zerfebt.

Da jab er, daß die goldenen Moden zum größten Teil eine SRerriüde, daß Gold und Gbeljteine nur unechter Flitterkram, daß da3 fife Kindergeficht uur ein [don ge- malte3 Bild war, hinter welchem die Berechnung und die ` «agb nad) dem Glück hervorblinzelten.

Und ijt alles, was er an ihr fieht, aud) wahrlich od eing muß ja echt und wahr fein! Die gauber- Dolbe Etimme, welche die Augen der Hörer mit 1 gefüllt, welche bie Herzen rettungslos dahinſchmelzen lief in Wonne und Ergriffendeit.

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Und nein! nein! taufendmal nein] Diefe Stimme lügt und betrügt am meiften! |

Hat fie ihm niht mit all demfelben innigen Wohl- Hang joeben noch bie jchönften, beglücendften Worte ge- jagt, und flüftert fie jegt nicht bem Komponiften ins Ohr: „Ich habe nod) im legten Moment einen thörichten Mann vom Lande angeworben, daß er mit feinen ۲ flatjdjt unb mit feinem Unteroffizierorgan unjere Namen ruft? Sch fagte dem Narr ein paar innige Worte, und er war fo naiv, daran zu glauben |

Co jagt fie, und wenn fie nicht jo jagt, nun fo denkt fie e8. |

Die Stimme aber ift die Trägerin und die Sklavin der Gedanfen. Empfindet Marga all das Leid, all bie LiebeSqual, all die Sehnfucht, welche fie in fol Herz- ergreifende Töne f(eibet? Nein, fie find nur „Rolle“ fie find nur bie fünftlerifche Wiedergabe von Gefühlen, welche Effekt erzielen, welche dad Bublifum erwärmen und anregen follen!

Margas Herz jauchzt ja vor Freude bei bem 9100 be8 auöverfauften Haujes, der Beifall jpendenden Menge, und bennod) ringt fie bie Hände und reißt Durch ihren Schmerz die Zuhörer mit fort, Dennoch weint und klagt fie mit einer Stimme, welche fo wahr und echt Elingt, fo überzeugend wie vorhin, als fie den Inſpektor (dert begrüßte.

Es ijt nur „Role, nur fchöne, überrafchende Runft! Ein Aufftöhnen, ein leije8 Schüttern geht durch

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bie robuste Geſtalt des fchlichten Mannes. Minutenlang blidt er in regungslojem Sinnen vor fich nieder, und dann Debt er das Haupt und [treic)t mit ber Hand über bie heiße Stirn.

oa, das Götterbild liegt zerbrochen vor feinen Füßen, und e8 ift gut, daß e3 ftürztee Ob früher ober fpäter, einmal mußten feine Augen ja bod) jehend werden. Er dankt e8 Allen, welche ihm dazu verholfen haben. 8 jollte e8 frommen, tote Gigen anzubeten? Seine Gedanken Hatten fid) verirrt. Langfam und mühjfelig [d)leppen fie fid) auf den rechten Weg zurück. |

„Denken Cie fid) Marga Daja auf den Gutshof unferer Heimat!” hatte Benedifta gefagt.

Cin webhmiitiges Lächeln zut um die Lippen 8 Träumerd. Das ftrahlende, blendende, umjubelte und angebetete Wefen, welches drunten auf der Bühne mit Blüten und Lorbeer überfchüttet wird, Marga Daja als Inſpektorsfrau in Floringhof!

Co wie er fie jüngjt dajelbjt gefehen, war der Gedante wohl etwas verwegen der eleganten Dame gegenüber ge: wejen, aber e8 beudjte ihm damals fein Wahnwiß wie in diefer Stunde. Debt erft hatte er Marga Daja fennen gelernt und wußte, wer fie war, was ihre Stellung alg Sängerin und Diva bejagen wollte! |

Wie ein Traumgebilde fteigt e8 plößlich vor feinem geiftigen Auge empor, das {tille Heine Stübchen mit den weißgetünchten Wänden und dem großen grünen Kachel- ofen.

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Vor den Fenftern webhen blütenweiße Mullgardinen, fehr altmodisch, aber fehr wohlerhalten, um den breit ges gitterten Asflepiaftod, deffen jüpe Blütentropfen bie vo[igen Kinderfingerchen fo gern zum Munde führen. An ben Wänden ein paar vergilbte Bilder aus der 181 Geldjid)te, inmitten die „Anbetung der Hirten”, von welcher der goldene Stern juft auf bie hölzernen Rinderbettchen niederftrahlt, welche, Seite an Seite, darunter ftehen.

Mit fchlummerfeilten Rojenwangen liegen die beiden Kleinen jest darin. Das braunlodige Mädel, der flach3- Haarige Bub.

Das Herz des fernen Baters erzittert in Sehnfucht. Geine Augen erglänzen fo weich und zärtlich, واه‎ ۵۶ er neben feinen Lieblingen, die runden Händchen leije von der Dede zu heben, um fie zum lebten Zu Nacht” uod) einmal zu +81

Die Schwarzwälder Uhr tidt behaglich ihr Wiegen- lied, bie alte, weißhaarige Frau in der landezüblichen Tracht der Bäuerinnen, mit fchwarzer Ylorhaube und dem Ddicfaltigen „Raſchrock“ fibt im Nebenzimmer an bent TH unb regt emfig bie Stridnadeln. Ein grüner Schirm verhüllt das Licht ber Lampe, ein mahnendes „Pſcht!!“ ertönt, wenn bie Magd etwas allzu geräufchvoll die Thüre öffnet.

Liebe, trauliche Stille ringsum.

Heute fibt bie alte Hanne allein und behütet ben Schlummer der Kleinen, fonft leiltet (dert ihr Ge- fellfchaft, fibt neben ihr om Tiſch und jchreibt ober lieft,

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beforgt den Kopf hebend, wenn nebenan ein liebe3 ۶ chen im Traume lallt. |

In der lebten Bett hat ber Inſpektor oft bie Stirn in bie Hände gejtüßt und auch geträumt, mit offenen Augen. Dann fap nicht bie alte Hanne neben ihm, fondern ein füßes, holdfelige8 Engelsgeſicht, das Rind” mit den goldenen Loden unb den großen Veildenaugen, welches e8 ihm mit unerflärlihem Zauber angethan! Er {chlingt in wortlojer Celigfeit die Arme um fie, er ۶ den zarten Mund, Hinter welchem bie taujenb wonne- famen Lieder von Seng und Liebe wohnen, und beide treten zufammen an bie Kinderbettchen und freuen fid) an dem Stüdlein Paradies, welches Gottes unerfchöpfliche Liebe bod) nod) auf bicjer Welt zurüdgelafjen!

(Sdert [d)ridt jah empor. Wirre, wüjte Klänge. Aus bem Orchefter fchrillt das (Geigenjtimmen zu ihm empor, die Menge der Zuhörer ftrömt geräufchvoll auf bie Plage zurüd.

Wie ein Phantom zerrinnt das trauliche Bild vor Den Augen des Lraumers.

Ein wehes, qualvolles Auffeufzen entringt fid) feiner Bruft, und das Haupt zudt mit finfterer Stirn auf ben Schultern empor.

Weld) ein krankhafter Wahn hielt ihn befangen! Marga Daja in dem Inſpektorhaus von Floringhof! Marga Daja als zärtlich forgende Mutter an den Bettchen feiner Rinder!! Wie Wahınvig beudjt es ihm jet. Wo

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wäre unter dem ſchlichten Dade Pla und Raum für jo viel ftrahlende Herrlichkeit!

Wie vermochte das ſchmuckloſe Stübchen ein Weib zu unmfaffen, welches eine halbe Welt Huldigend zu Füßen fehen will! Da wären die Mauern be8 Haufes zu eng, um allein bie Lorbeeren und Blüten zu bergen, welche Marga Daja tüglid) unter bie ہ١ا1‎ begehrlichen Füßchen tritt. Und würde fie, bie Gefeterte, Umjubelte jemaí8 Beit haben, abends an bie Bettchen ihrer Rinder zu treten, würde fie jemals Luft verfpiiren, in bie rofigen Gefichtchen zu fchauen, aus den hellen Kinder: augen all das tieffinnige, ftille Glück zu jchöpfen, welches die Welt einzig hierin noch unverfälicht und rein bewahrte?

Kein, Marga Daja fpottet über eine Sentimentalität, welche fid) zum Sklaven ber eigenen Kinder macht! Marga Daja findet e3 verächtlich, wenn ein Vater liebfoft, an- 11۵11 zu prügeln! (G8 imponiert ihr nicht, wenn ein Mann ein warmes, großes, opfermutiges Herz voll ٤+ für feine Kleinen hat!

Ein Weib, welches das Glick nur draußen in ber lauten, amüfanten und leichtlebigen Welt fut, wird nie eine Gattin werden, welche das Leben ihres Mannes mit dornenloſen Rofen und Lilien jchmückt, fie wird ewig eine Belladonna bleiben, deren Gifthaucd das Glück bes Hauſes mordet.

Der heutige Abend wird über Marga Dajas Zukunft entjcheiden. Lorbeer und Gold follen ihr einen Noman Ermönyi erfaufen, ihn, feine Liebe und das Olid.

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Benedifta aber fagt: Das wahre Glü läßt jid) nicht erfaufen, e8 fällt als Gnadengefchent Gottes gleich einem Stern vom Himmel nieder.

Adalbert (dert aber deucht e3, al3 fei der Himmel nie fo weit und fern gewefen wie heute abend, wenngleich ihn Margas geblendete Augen wohl offen zu jehen ver: meinen. Wie viele jdjmarge Wolfen, wie viel grauer Dunft fehteben fid) trog alles grellen Lichtgefunfels zwischen bie Bühne drunten und ba8 weite, leuchtende Sternenzelt, weldje3 mit taujenb treuen Augen über den beiden Kinder: bettchen im Gutshaus von Floringhof wacht!

Dort jenft fid) der Himmel jo nah und Get auf bie Mille Erde herab, bier aber flagen bie üppigen lammen der Welt viel zu Dod) und verderblich aus allen Fugen und Rigen empor, um das fromme Licht der Sterne über fid) zu dulden. Es erblaßt und verlifcht, und das Glü findet in der Finsternis nicht den Weg zu ben Menfchenherzen, welche anbetend um die Gbben- altäre tanzen.

Ladjende, frivole, falfchzüngige Menfchen drängen fid) abermal3 in bie Loge, um bie gefeierte Kollegin, welcher fie foeben wohl immig glückwünſchend die Hände drüdten, aufs neue mit Den Zungen zu zerfleiichen. Die ۴ jebt ein und erbrauft wie wilde Meeresbrandung, welche jeden armen Fiſcher zu verjchlingen droht, deffen Auge voll wilden Weh3 an der goldlodigen Lorelei auf den Brettern Droben hängt; Edert erhebt fid) langjam und wirft nod) einen Did zu der Bühne herab.

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Gr fah blag und etwas müde aus. Geine Augen verfchleierten fid) hinter den Wimpern und die Fälten in feinen Wangen, welche dem Geficht leicht etwas Ver: lebte3 gaben, vertieften fid).

Als Marga die Bühne betrat, nie jein Auge auf, nicht allein in Entzücden und Verwunderung, fondern in einem angſtvollen Forſchen und Prüfen, wie ein Gefchäfts- mann ein ſchönes Schauftüd prüft, ehe er e8 als Qod- vogel hinter dem Ladenjenjter ausitellt. Er nick ihr ſchon von weitem zu, empfahl fid) mit verbindlichen Worten unb trat ihr entgegen. Ein Blick geheimen Einverftänd- niffes zwifchen beiden. Er füßt ihre Hand mit heißen Lippen, und während er in höflicher, formeler Weife mit ihr zu plaudern fien, brauften die Worte, Bajtig ge: flültert, it leidenjchaftlicher Erregung über feine Lippen.

„Du Welt entzüdend aus, Geliebte! Beraufchend wie ein Liebestranf! Nun finge nod) wie eine Nachtigall und unfer Glid ijt gemadt! Marga du Weißt e, in deinen Händen liegt heute unfer beider Zufunft! An dir liegt e3, all unjere Träume zur Wahrheit zu machen. Qd) werde bid) lieben قاط‎ zum Wahnwig wenn bu die Hoffnung erfüllit, welche ich Heute in bid) und deine Kunſt fee!“

Cie lächelte ein wenig fofett: „Und wenn id fie nun nicht erfülle, holder ۲

Seine Hände frampften fid), ein jäher Blig brad) aus feinen Augen: „Dann .. . o Marga ich glaube, id könnte bid) Hajjen barum!" ftieß er hervor.

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Cie lachte filberhell auf. „Haß und Liebe gehen ja immer Hand in Hand; unb bejjer noch, von dir erdolcht zu werden, al8 dich gleichgültig von mir fcheiden zu jehen. Aber unbejorgt! Mir ijt gu Mute, als feien mir heute abend Flügel gemadjjen, mid) hod), hoch empor zu Heben, dahin, wo ber Haß feine Macht verliert, und nur nod) bie Sonne der Liebe glüht!“

Shr Blid jtrablte ihm zuverfichtlich, beinahe ۰ gewiß entgegen, und Romans (ntfi, brüdte alles aus, was unter ber fühlen Masfe gährte und ۰

„Mädchen nimm diejen hohen Flug und Dole 8 den Himmel auf die Erde herab!” flüfterte er. „Auch id) habe weit über biejer nüchternen Welt gejchwebt, als id) die Melodien meiner Oper erjanı; fie verlangen darum, daß aud) ein Weſen höherer Art fie wiedergibt, ein leichter Engel, welchen die Liebe trägt und hebt!” Er trat näher an fie heran, fein Blid überflog mod) einmal ihre reizende Geſtalt. „Hätteft bu dich nicht ein Klein wenig verführerifcher Eleiden können, Kleine Göttin?” fragte er etwas bejorgt; „das ‚Sind‘ hat fich allzu finblid) decent in Duft und Schleier gehüllt, und bod) verlangt deine Molle, daß fie aud) burd) alle äußeren Mittel wirkt!”

Marga wandte jchmollend das Köpfchen. „Du fenujt meinen Geſchmack und meine Anfichten!” jagte fie kurz, ‚and folltejt dich freuen, wenn ich deine Eiferfucht nicht Deraué[orbere |”

Schmeichelnd gog er ihre Hand aberınal3 an Die Lippen.

„Ar. تھا‎ ili 1 hi 7 in: ٠ em —— E Mann gor bie, welchen, 40 ^or 501ا‎ û nt Bone ا‎ më, Der Geliebte wird. hir erit nad der ور نظ‎ DEE E W Soner, bow Dank And: Stabat au ten tinten, j aN EXT Re beiden” Weſen ir einer. E E Par Ion pdt. Pa qud). Im s | * O LN SS ee io Die, جو تا‎ 26

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welche nie beffer und wirffamer verkörpert werden fonnte al3 burd) Marga Dajas kindliche zarte Elfengeftalt.

Schon nad) dem Applaus und Hervorruf des erften Altes ftürmte ber Komponift zu der reizenden Sängerin.

„Marga! Marga!“ feuchte er, Halb finnlos vor Freude und Aufregung. Ihre Augen ftrahlten. „Bit du zufrieden mit mir, Roman?” flüfterte fie.

„Senn bu immer fo bleibjt wie heute abend ja! ja! und taujenbmal ja!

Cie lachte. „Alfo noch brauche ich deinen Haß nicht zu fürchten ?^

Er brüdte ihre Hände, baf fie jchmerzten. „Ich bin alüd(id! Du jolljt e8 mit mir fein!”

Und ber Applaus und der Erfolg wuchſen immer größer, und Romans heißblütige Leidenschaft rüttelte an den Schranken, welche Form und guter Ton dem ۲۴ vorjchrieben.

Er durfte jid) noch nicht derartig freuen, wie er 8 gern möchte, er durfte e8 vor der Welt nicht zeigen, Daf er an einem Erfolg gezweifelt, daß diefe Ovationen ihn bejeligten, weil fie ihn aus bem Fegefeuer quälender Zweifel und Sorge erlöften.

Er blieb vor der Welt der höflich Lächelnde, marmor- fühle und felbjtbewußte Komponiſt, welcher lediglich feine Werke veröffentlicht, um dem Publifum einen Genuß zu verichaffen!

Hinter einer Coulifje perftedt, fowohl ben Zujchauern

wie ben Darftellern unfichtbar, lehnte Roman Ermönyi N. v. Eſchſtruth, SM. Rom. u. Noy., Stern des Glüds I. 15

س 996

unb folgte dem legten WE. Sein blafjes Geficht bedurfte in diefem ficheren Winkelchen feiner 6,

Die Leidenschaften furchten e8 und flammten aus ben dunklen Augen wie verderbliche Gewalten, welche für ge- wöhnlich mühſam gezügelt, enblid) einmal fret hevor- brechen dürfen.

Er lachte! Er lachte wie ein Menſch, der triumphiert wie die Eitelfeit, welcher gejchmeichelt wird, wie ein lang Unterdrüdter, welcher fid) endlich empor jdjmingt und ben Fuß auf den Naden der Beliegten fegt!

Und einen Sieg hatte er heute abend erfämpft, einen Sieg über fic) felber. Er arbeitete nicht gern, er ver- mochte nur mit grenzenlojer Mühe zu fchaffen. 8 anderen genialen Künftlern zuflog, mußte er mühjfelig er- ringen. Oft verzagte er jelber an feinem Können. Stunden entfeglicher Entmutigung und Schlaffheit überfamen ihn, Stunden, in welchen er fid) und feine Eriftenz verfluchte. Daß er niemals Mufifer geworden wäre! |

Die viel beneibete Thatjache, Sohn eines berühmten Bater zu fein, ward ihm zum Verhängnis. Er ftammte aus einer Künftlerfamilie. Der Vater war Geigenvirtuo3, ein viel genannter, viel gefeierter Halbzigeuner, welcher fid) in der Kaiferjtadt Wien durch raftlofen Ehrgeiz und mit Hilfe guter $tonnerionen zur Größe emporgearbettet hatte. Das Glück begünjtigte ihn. Seine Laufbahn glich einem Triumphzug, und dennoch jtrahlte fein ٤] über dem elterlichen ەو‎ Die Mutter war niederer Herkunft und dem ehrgeizigen, citlen Gatten ein Hindernis

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auf feinem Sriumphgug. Er vernachläffigte fie, er Des handelte fie mit der rüdfichtslofen Noheit eines ungez bildeten Menjchen. Was Roman in feinem Elternhaufe erlebte, waren Greuelfcenen ehelichen Zwiſtes. Endlich warf bie leidenjchaftliche Frau alle von fid), was fie an ba8 Haus be8 Verhaften gefeffelt; fein Geld, feinen Namen, fein Kind. Wo fie geblieben war? Ob fie lebte oder . ftarb? Roman Batte nie Danah gefragt und niemals Auskunft erhalten. Er wuchs in zügellojer Freiheit auf.

Anfänglich begleitete er den Bater auf deffen Stunjt- reifen. Von Stadt zu Stadt führte die ruhelofe Wanderung. Teils verhätfchelt, teils von unberechenbaren Launen und wiifter Heftigfeit gequält, wus ber Knabe heran. Reine Hand leitete ihn. Seine Leidenschaften ſproßten wild auf, wochenlang ungeftraft geduldet und plößlic) durch bie Hundepeitfche geitraft, je nachdem e3 bem gut- ober übel- gelaunten Vater in den Sinn fam. Die flechten Gigen- Ichaften entwidelten fid), die guten verfümmerten. Cin Hang zum Bummeln und fünftleriichen Bagabondieren (tefte in ihm. Die Laufbahn des Vaters fagte ihm mehr zu alg ein reelle Studium oder ern|te8 Streben. Als er älter ward, gab ihn der Vater zu einem Kaplan in ein Pußtadorf. Der Bengel follte lernen und Die glänzende Welt mit ihren Lodungen, welche ihn (dou allzufrüh zu umftriden begann, für ein Weilchen ver- geffen. Roman revoltierte; er zwang feinen Lehrer durch fein Betragen, ihn zu bem Vater Deimgujdjidem. Cine unmenjchliche Tracht Prügel empfing ihn, dann befiim-

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xx 3998: e

merte fid) ber Künftler nicht weiter um den Cohn, DiS e3 ihm eines Tages in den Em fam, an die Zukunft dieſes ‚‚reffenden Kapitals“ zu denken. „Was willft bu eigentlich werden, bu Lump?” „Dasſelbe wie der Vater!” „Run, fo fang an, bet mir zu lernen.” Und er fing {pat mit Diefem Lernen an. Die Wubeter feines Vaters fchenkten jelbftverftändlich aud) dem Cohn das lebhafteſte Intereſſe. Seine Leijtungen wurden überjdjüpt, und das, ma8 an ` wirklichen Talent vorhanden war, in allzu frühzeitigem Weihrauch erjtidt. Roman jpiefte den Wunderfnaben aber er war e3 nicht. Er veritand e8 nur, fid) durch aeidjidte Heine Effekthafchereien den Anfchein zu geben. Die 59111 behandelte ihn jchlecht, bie Freunde des berühmten Paters Hatjchten um des Baters willen bem Sohn. Der Knabe ward Mann. Er mußte Mufik Studieren, denn fein perjdjmenberijd)er Ernährer dachte nicht daran, für fein Kind ein Vermögen zu erwerben. Als ihm das Meffer an der Kehle jag, als der Vater erflärte, einen Tagedieb nicht länger unterhalten zu wollen, entjchloß fid) Roman zur Arbeit. Cie war ihm feit jeher ein 1 und hätte ihm nicht bie grenzenlofe Citelfcit ۵:3 Vaters als Erbteil im Naden gefejjen, hätte er nie ein Nefultat erzielt. Das geſchah aud) meijten8 nur durch fein Talent, alle Vorteile auf das Gejdjidtelte auszunugen. Mit dem Namen des berühmten Baters erfaufte er fid) „Jein Glück!“ Er öffnete ifm Thür und Thor, cr bafute ihm den Weg. Nannte er ihn, jo ward ihm fchneller aufgethan wie anderen, erflang er, fo hatte er bie gute Meinung

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für fid, Stand er gedrudt auf dem Bettel, fo zahlte 89 Publifum um des Vaters willen feine Beifallsſteuer aud) dem Sohn.

Der Bater ftarb, und Roman bemühte fid) voll fieberifchen Eifers, da3 Echo diejes fojtbaren Namens in dem Gedächtnis ber Leute wad) zu halten. eine halt: und zügellofe Natur hate alle geregelten Verhältniſſe, Date alles ernfte Schaffen. Boll wilder Zornesausbrüche Ichlug er mit den Fäuſten gegen die Ctirn, wenn er fid) genötigt fab, zu fomponieren oder während einer furzen Beit al Dirigent einer Kapelle vorzuftchen. Er arbeitete nur dann, wenn er hungerte und Durjtete, nur Dann, wenn er abfolut Doan gezwungen ۰

Aber mit wunderbarem Gejdjid erfand er ۲۱۵۵ ۵ Effekte, welche ihre Wirkung nicht verfehlten. Tongemälde ohne fünjtlerijdjen Wert, in welchen jedoch ein wirkliches Becherflingen und Peitſchenknallen, Cchlittengeläut und Lofomotivpfiffe ihren Eindrud auf das große Bublifum ansübten, machten auch feinen Namen befannt.

Auch bet feiner erjten Oper ſchlug Roman Zinſen 8 dem Namen feines Baters. Die Aufführung derfelben ward lediglich von dem Gedanken bejtimmt, daß e8 8 Publikum interejjieren werde, bie Leiftungen eines jungen Mannes fennen zu leruen, welchen bie Mufen bod) den Lorbeer Schon in die Wiege gelegt Haben mußten.

Und wenn aud) die Kritif faum ein Wort des Lobes und deg aufrichtigiten Beifalls fand, fo amüfierten fid) die Zuhörer bod) recht gut, Denn Das Libretto war nad)

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einem allbefannten und beliebten Roman gearbeitet und verlangte ein paar jo außergewöhnliche Dekorationen, daß nicht nur für das Obr, fondern aud) für das Auge Sorge getragen war. Dazu ein paar anjprechende Melodien, Die Figur eines wirklich und wahrhaftigen treuen ۶ Darbiner Hundes, deffen Erfcheinen mit Laterne und Proz piantförbehen außerordentliche Erregung bei allen fühlenden Damenherzen forte den ent|predjenben Applaus Hervorrief, und bie erjte Oper Ermönyis hielt fid) trog aller Spott- jucht der Kritif auf bem Repertoir und machte volle Haufer. Nun feierte fein zweites Werk heute abend fein Wiegen- feft, und der Komponiſt jtand verjtedt gwifden den Cou- lijfen und rieb fid) bligenden Auges die Hände. Er hatte abermal3 falfuliert und fid) auch diesmal nicht verrechnet. Seinem fcharfen Blick und jo trefflich ausgebildeten Spürfinn war die Eigenart Marga Dajas nicht entgangen. ($8 gab ja jo viele Wunderfinder, follte fid) mit diefem großen „Kind“ nicht aud) ein Wunder erzielen laffen? Wenn man die rührende, elfenhaft wirkende Erjcheinung der auch ftimmlid) hochbegabten Sängerin in das richtige Licht ftellte, mußte fid) durch dieſelbe eine außergewöhn— liche Wirkung erzielen laffen! Man fah ja, wie die Kleine als Mignon alle Herzen entflammte, follte fid) nicht eine ähnliche, fentimentale Rolle erfinnen laffen, eine Rolle, in welcher Marga, mit ihren thränengefüllten, jehnfuchts: vollen Rinderaugen auf die Sentimentalität be8 Publi- kums ۶ Staffage gehört auch dazu, ein originelles, Hier zu

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Land nod) nicht gefehenes Märchenreich. Coll der Nil feine gelben Wogen um die Uarda wälzen? Collen Opfer: feuer bie todgeweihte Schweiter eines Afra verjchlingen ? Soll Wüſtenſand bie Arabierin verid)ütten? C3 wird fid) finden laffen.

Und e3 fand fih. Sowohl ber junge unbefannte Seminarift,. der angehende Dichter, welcher voll glühender Begeifterung und Bhantafie fein Beftes giebt, um dem Halbgott eines gefeierten Komponiften zu genügen, و‎ aud) der wirffame Tert, welchen Roman mit bem ۶ ment und liftigen Gejchid des Zigeunerfohnes einer Marga Daja anzupafjen weiß. Die Requifiten des (۸۶ find da, aud) bie Mufik erhält ihre Hilfsmittel, ۵ welcher fie jedermann, der fie nicht ſchön finden fann, bod) originell nennen muß.

Roman Ermönyi verfteht e8. Er fannte das 80 und fannie bie allmächtige, zwingende Göttin, welche „Sein oder Nichtjein” auf dem Repertoir beftimmte, die Theaterfajfe.

Eine Aufführung welche volle Häufer erzielt, ijt immer gut, mag fie noch jo jchlecht fein, und ein Komponift, welcher auf den Bühnen zuhaufe ijt, ijt ۱16/2 ein gemachter Mann, mag er im wahren Reich ber Kunft auch nod) fo fremd fein. Se mehr gefdidte „Mache“, defto „ge: machter.”

„Sit ba8 wahr?” hatte Roman Ermönyi durch feine neue Oper gefragt, und der Beifall, welcher Marga Daja und fein Werk überjchüttete, war die Antwort darauf.

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Er hatte feinen Breck erreicht. Die junge Sangerin erwies fid) al8 reizendes Mittel dazu, fie wird aud) in Zukunft als Lockvögelchen zu gebrauchen fein. 50 ۳۲ wie der Erfolg aud) das Blut be8 Komponiften in Wallung brachte, fo begehrlich wie auch fein Herz ۲ Vertreterin der Titelrolle entgegen ftürmte, fo fühl und berechnend blieben bod) bie Gedanken Hinter der Stirn, und juft diefen Gedanken wollte Roman Ermönyi bier in ungeftirter Buriidgezogenheit nod) eine furze ۵۸ geben.

Gein oder Nichtfein? Binden oder nicht binden? Bu- greifen ober laufen laffen? ba8 mar der Generalge- danke, um welchen fid) feine Reflerionen drehten.

Er hatte Marga Daja mit dem Gedanken, die Seine zu werden, „geködert“ hatte fie zu ber Leidenjchaftlichkeit der Empfindung entflammt, welche bie Seele eines ۵ in den Körper des Kindes Daudjte. Sollte er nun Wort halten und Crnft machen? oder follte er ben Kopf gejchiekt wieder aus ber Echlinge ziehen, jebt, nachdem ja der Mohr feine Schuldigfeit gethan? Da galt e8 ein gründliches Überlegen.

Der Erfolg, welchen die Kleine heute abend feiert, ijt außerordentlich) und läßt fie Dod) empor fchnellen. Der Intendant ift enizüct und erhebt Marga Daja jelber auf bie Nangftufe einer erjten Diva. Ihr Sontraft an der hiefigen Oper ift abgelaufen, neue Offerten, welche man ijr von Hier oder auswärts macht, miiffen nach diefem Abend jehr glänzend fein.

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Noman Ermönyi fennt die Gagen, bie eine Prima- Donna bezieht. Sie ftechen ihm in bie Augen. C8 ift fein übel Ding um eine Frau, welde Millionen in der Kehle trägt, und Roman fann und wird nur eine reiche Frau heiraten, welche ihm ein behagliches Leben garantiert, aud) Dann, wenn er auf bie Lorbeeren des Komponiften verzichten wird. Da bieje Lorbeeren für ihn ftet3 einen recht bitteren Beigefchmad von Mühen und Arbeit haben, legt er feinen großen Wert darauf, fondern erwartet voll Gehnfucht bie Beit, fid) auf ben قاط‎ jet erworbenen gründ- lid) ہ٢‎

Er hatte öfters den Gedanken gehabt, eine reiche Erbin heimzuführen. Dieſe Spezies ijt aber leider nicht allzu- dicht gefät, und Roman Ermönyi fand ftet3 fehr viel Wenn und 9[Der8, wenn fid) endlich eine pafjende Partie zu bieten ۰

Meiftens jchredte ihn der Anhang ber Erwählten ab. Da war e3 der ehrbare Bürger und Gejchäftsmann, welcher als Papa die jtrenge Hand über bie junge Che halten würde, oder e8 war bie goldproßige Schwieger- mama, weldje regierend auf den Geldjäden ۰

Roman aber hatte feit jeher einen Widerwillen gegen alle geordneten bürgerlichen Verhältniffe, er, welcher feit Kindes Beinen an ein zügellojeg Nomadenleben, an eine Criftenz ohne jedwede jolide Bafis gewöhnt war. _

Er hapte alles Spiegbürgerliche, er revoltierte gegen Gittenftrenge und Gefebe der Ordnung, wie ein un: Dreffierter, wild aufgewachjener tier ingrimmig 8

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Sod vom Naden fchleudert und die Ctallfette nicht Dul- den will.

Wud) biejer Punkt ijt einer Marga Daja gegenüber zu erwägen, und er fällt {cher in bie Wagfchale.

Die Sängerin ift frei, unabhängig und ganz das Werkzeug in feiner Hand. Ihr Geld gehört ihr beziehungs— weile ihrem Gatten. Keine läftige Verwandtſchaft fann fid) aufdrängen, fhug- und hilflos ift das „Kind“ dem Wollen und Willen be8 Gatten anheimgegeben. Auch bie Sange- rinnen haben auf Erden fein bleibend Quartier und ein folh unftetes, abwechslungsreiches Leben ijt e3 juft, was dem ruhelojen Mann gufagt.

Keine geordneten Berhältniffe! Aus dem Koffer, auf ber Achfe leben —! Go war er 68 gewohnt und jo will er e8 haben.

Nichts langweilt ihn mehr, als das Stillfigen und Kleben an ein und demfelben ۰

Kann e3 aber etwas Amüfanteres geben, al8 wie ein [ujtige8 Reifeleben, freug und quer, ohne alle Anjtrengung, alg wie bodjten8 bie eine, ba8 Geld einzufaffieren, wenn die Frau vor ausverkauften Häufern fingt?

Das ift bequem und ſchön, das ijt ein menjen- würdiges Dafein. Und Roman Ermönyi hat e3 fid) zu- geſchworen, jehr vorfichtig zu fein, was feine forgenfreic Zukunft anbelangt. Aber nicht allein all diefe materiellen Punkte fallen bei Marga Daja in erter Linie ind Gewicht, fie ift nebenbei aud) ein anmutiges, entzückendes Geſchöpf, vollberechtigt, bie Sinne eines Mannes لام‎

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Und Romans wiifte Leidenjchaftlichfeit findet Gefallen daran, aud) einmal ein fylphenhaftes , Rind” in die Arme zu 1.

Sehr amüjant und auf bie Dauer feffelnd ijt ja die Kleine gerade nicht, aber dafür ift fie ja auch feine Haus- badene Bürgerstochter, welche den Hauzfchlüffel voll eifer- jiichtiger Anwandlung in die Tafche et. Darum forgt fid) ein Mann wie Ermönyi am wenigften. Er wird nie- malS die fgrijdjen Baffionen feiner Gattin, welche ja fon ber Beruf für alle Welt auf die Bretter ſtellt, beeinfluffen, er wird ber Devije Dulbigen: , eben und leben laffen!”

Marga [dint in diefer Hinficht aud) recht vernünftig zu fein. Gie quälte ihn noch nie mit der geringften AMn- wandlung von Mißtrauen ober Giferjud)t und wird in ihrer hilfloſen Naivetät leicht zu behandeln fein.

Erfüllte fie die Hoffnungen, welche ihr Mann in fie fegt, fo fol fie e3 {ebr gut haben, ein wahres Götter- (eben, und fegt fid) Das Engelchen etwa nad) der Hoh- zeit bie Teufelshörnchen der Satanella auf, nun, fo ift Ermönyi der Mann dazu, fie mit der nötigen Harte, Schärfe und Rüdfichtslofigfeit abzufchleifen.

Alles in Allem betrachtet erfcheint Marja Daja eine gute und wünfchenswerte Partie für ihn, und foweit wie e3 möglich ijt, wird er fid) nicht an fie verkaufen, fondern in ber gefeierten Sängerin das Lebensglüd erhandeln, nah welchem er ftrebt.

Soll er nun alfo Ernft machen und der Kleinen fchon heute abend das bindende Ringelein an den Finger Streifen,

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oder fol er fie nod) ein Weilchen zappeln laffen, um fie Schon jet möglichft von feiner Überlegenheit zu überzeugen? Man darf felbjt der Umworbenen nicht allzu viel weiß- machen und fie nicht thörichterweife felbft auf einen Thron erheben, welchen fie nach der Hochzeit ja bod) bem Herrn und Gebieter räumen muß!

Da3 blafie, jcharfgejchnittene Geficht des Sinnenden hob fid; er laujd)te mit aufglühenden Augen auf einen jtürmifchen Applaus, welchen Marga Daja bei offener Scene ۰ |

Ein Ausdrud Halb Zufriedenheit, Halb Unruhe trat in feine Züge. Ja, bie Kleine ward gewaltig Ders wöhnt, und e3 wäre wohl nicht allzu erjtauníid), wenn biejer ftarfe Lorbeerduft dem naiven Kind zu Monte ftieg.

Man hat e8 ja jattjam erlebt, daß aus einer be jcheidenen Debütantin, welche mit rotgeweinten Mugen und zitternden Gliedern die Bühne betrat, über Nacht eine prätentiöfe, übermütige, unnahbare Diva wurde, welche, ihren eigenen Wert erfennenb, fid) plóglid) felber fo hod) im Preiſe ftellte, daß manch fiegesgewilfer Verehrer 8 Abends am müdjten Morgen fchon ein überwundener Standpunkt ۰

Und warum folte Marga Daja bei biejem plößlichen Aufflug nicht aud) bie Macht ihrer Flüglein erproben und bie Anwandlung befommen, nod) viel, viel höher zu fliegen wie big an das Herz eines Roman Ermönyi?

Warum jchidten bie eleganten Herren ihr Blumen über Blumen Hinter bie Bühne?

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Wäre e3 ein übler Gedanke, bie Gattin eines fteinreichen Bankiers zu werden, auf Gummirädern durch ba8 Leben zu rollen und fid) alles gewähren zu können, was ein Herz nur wünſchen und begehren mag?

Dder ſticht folh eine Heine Grafen- ober Freiherrn⸗ frone nicht etwa auch in bie Augen? Bit e3 nicht ftet3 bas höchſte Ziel der berühmten Sängerinnen gewejen, als Gemahlin eines vornehmen Mannes der Bühnenlaufbahn Valet zu jagen? Ob eine Arijtofratin be8 8 oder be8 Blutes eins ijt fo [odenb wie bas andere, und Marga Daja ijt ein Kind, welches fid) von folchen Koſtbarkeiten reizen läßt, ein unberechenbares Kind, 8 in ber einen Minute ein Herz als Spielzeug füßt und fojt, um e3 im nächſten Augenblick zerbrochen in die Ede zu werfen!

Roman Ermönyi jtrich mit der Hand über die Stirn und grub die {pier Zähne in die Lippe. Was follte er thun?

Abermals cin Applaus. Neben feiner Couliffe ۶ء‎ Das neugierig lugenbe Geficht eines Bühnenarbeiters. Roman fieht, daß derjelbe ein wundervolle Bouquet und einen Kleinen Brief in der Hand Hält.

„ür wen?” fragte er ۰

„gür bie ۳

„Der idjdt e3?”

Der Mann grinft und gudt bie Achſeln. „Det wird wol in bet Liebesbriefchen drinne ۳

Sa, e3 wird wohl manches in dem Briefchen ftehen!

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wirr, bon ber Letdenfchaft durchwühlt Tuten bie Haare über Bruft und Arme und ihre Augen brennen wie üt ſtummem Hilfefchrei auf dem Publitum. 6!

Und nun fingt fie Das muß ein 0: werden, welcher zum Orfan ammüdjt!

a taufendmal ja! E3 ijt hohe Seit, diefen Edel- {tein ficher, febr ficher zu ۰

Ein neuer Gedanke bligt burd) Romans Sinn. Wäre e$ vielleicht vorteilhafter, eine heimliche Ehe zu fchließen ? Der Schwarm ber Anbeter ijt nicht zu verachten, und fojtbare Gejdjenfe nimmt man ja gang gern mit in ben Rauf! Aber... e8 ijt bod) ein mißlih Ding, und andererjeit3 wäre e3 gleichzeitig bie befte und ء١٢‎ Reklame für ihn, wenn Marga in Zufunft feinen Namen führt, ihn mit boppeltem Lorbeer gu frangen.

Warum fol nicht aud) eine Frau ihre Verehrer haben? (fà wird fchnell genug befannt werden, daß ber beneibete Gatte nicht eiferſüchtig ijt.

So mag denn der Würfel fallen! Nach) Romans Be: rechnung fann er nur bie weiße Seite zeigen.

Wieder brennt fein Blid auf ber anmutigen Erfcheinung Margas, welche juft in rührender, herzbezwingender Klage die Sinderhändchen hebt und mit brechender Stimme ſchluchzt: „Laß ab von mir id) bin bie Todgemweihte, laß ab von mir, das Unheil folgt mir nad) —“

Cr lächelt. Wie vorzüglich fie das Gemiſch von Angit und Schmerz wiedergibt! (S8 ift geradezu jpaßhaft, daß fid) Hunderte von Augen mit Thränen füllen, weil eine

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fleine Komödiantin, deren Herz vor lauter Luft und ۰ jeligfeit zerjpringen möchte, in eingebildeter Todesangft fich vor ihnen verzehrt!

Sa, fie ift eine gute Sängerin und eine gute Ko- mödiantin, darum will er ihr nicht nachftehen unb aud) ein guter Komödiant fein.

Er will Marga Daja freien, teil3 aus Liebe, wenn das Gefühl lüfterner Begehrlichkeit, welches er empfindet, Liebe ift teil8 aus Spekulation, wenn das Gejdaft, welches er mit dem Trauring zu machen hofft, in ber That ein gutes ift!

Roman ftreift mit feinem Lächeln bie Handfchuh ftraffer an den Fingern empor, rüujpert fich und fteht mit hämmern— ben Schläfen bereit, an der Seite feiner Diva ben lebten Anfturm von Applaus über fid) ergehen zu laffen.

Marga ftirbt, der Chor verf(ingt, und aus den Flammen, welche joeben die Todgeweihte umlodern, wird bie lebens- {rohefte und glüdjeligite Braut fteigen, in deren Kleiner Kehle das Gold verborgen liegt, mit welchen fie heute abend ba8 Olid erfaujt.

Zum [ebtenmal rollt der Vorhang nieder.

Die legten Klänge bes Ordhefters werden von bem lauten Beifall verjchlungen, welcher das Haus durdtoft.

Chon Steht Roman neben der Vertreterin feiner Titel- rolle und reicht ihre beide Hände entgegen.

„Komm Marga fomm! Meine Marga!” ringt e8 fid) Balb erjtidt von feinen ۰

Sie jpringt mit ftrahlendem Lächeln von dem Holz

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110۴ herab; eine der goldenen Loden ftreift durch bie lamme einer Pechfacel, welche ein Fenerwerfer foeben löſchen will, und fladert auf.

Roman jtürgt fid) mit beiden Händen darauf und er- 16۱616 Die Gefahr im Keim. Cr hat in dem Schreden ihre fchlanfe Gejtalt an fid) geriffen und prept fie an bie Bruft, fein heißer Atem ftreift ihre Wange, fein Auge glüht nah in dem ihren.

Auch ber Feuerwerker ijt voll Entjegen zugejprungen und prept bie wallenden Haare zwijchen den Händen.

‚Nehmen Sie fih in adt, Fräulein! Durch ۴ verdeimwelte Rolle fommen Sie noch zu Schaden!” warnte er erregt, ohne daran zu Denten, daß ber Komponift neben ihm fteht. „Man fol nicht mit dem Feuer fpielen! . .. Wiffen Sie nicht, daß man bei uns im Theater fagt: ,Unglid zum Anfang bringt Ungliic firs Ende?” und heute haben wir eine Premiere!”

Marga lachte. „Daß Sie bod) immer unten miiffen, Wallert! Habe id) etwa Schaden genommen?” fie lächelt ſchelmiſch auf und flüftert: „Das Feuer Hat mich in deine Arme getrieben, Roman, tönnte ba8 ein Un- glück fein?”

pra! Wer weiß, ob dich bie Fenersbrunft meiner iibermächtigen Liebe nicht zu Tode brennt, feine Göttin!” murmelte er leidenschaftlich, und gleichzeitig löſt er feinen Arm, um ihre Hand zu ۰

peorhang Hoch!” ruft ber Regiffeur. „Cie miiffen heraus, Ermönyt und Daja!”

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Marga ruft nach ben Vertretern der anderen Haupt: partien, und Roman ftredt denjelben mit +۷۴ Dantes: und Lobesworten die andere Hand entgegen. „Bir gehören zufanmen, meine Herrfdaften! Diefer Mp- plaus ruft uns alle!” Tächelt er in feiner gewohnten ruhigen ۰

Wieder und wieder muften fich Romponijt und Dar: {teller Dem banfbaren Publikum zeigen, aud) der Dichter des Textes wird gerufen. Margas Namen aber flingt am lautejten und enthuſiaſtiſchſten von allen Lippen.

Shr Blid ſchweift voll ftrablenber Freude zu 8٥6 empor, welche fid) über bie Logenbriiftung neigt und ihr herzlich zuminft, aud) zu der Echaufpielerioge blidte fic empor und jucht Edert. Die Kolegen haben ihr während einer Zwiſchenpauſe erzählt, ein ganz drolliger Rauz aus der Provinz weine Thränen der Nührung und fíatjdje fid) bie Hinde entzwei! Man wiffe gar nicht, wie diefer jeltiame Gaft unter bie Künftler geraten fei?

Marga lächelt ohne zu antworten, und jebt fucht fie ihn, aber fie findet ihn nicht. |

Collte er in feiner Begeifterung fchon herabgeftürmt fein, fie perfönlich zu 7

Poor boy! Weld) eine fatale Überrafchung wird für bid) fein, wenn Roman Ermönyt dir feine Braut zu- führt! Dann Hagen die Heinen Tyrannen ber 677 zu Floringhof bod) vielleicht ein paar Tage lang über Papachens flechte Laune und üble Etimmung!

Lange Toun fid) Marga bei dicjem Gebanfen nicht auf: 16*

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halten, nur wie im luge zieht er durch ihr Köpfchen, dann beanspruchen bie Blumenfpenden, bie jubelnden Zus rufe all ihre Aufmerkjamfeit, unter dem blendend hellen Licht, welches die neu aufjteigende Ruhmesſonne jo plötz— lich über bie junge Sängerin wirft, verblaffen alle Er: innerungen an eine Beit, in welder Marga Daja noch nicht ein Stern erjten Ranges gewefen!

Als fid) der Ausbruch ftiirmifder Anerfennung gelegt, al3 bie Bühne fid) mehr und mehr leert, und der 12 dant mit anerfennendem Händedrud bie 6:6:1: 7 Worte gefprochen: „Meinen Gliidwunfd, Fräulein Daja! Cie haben Großartiges geleijtet, wir |pred)en morgen nod) Näheres darüber!” bietet Roman Ermöndi der Gefeierten den Arm, um fie in die Garderobe zurüdzuführen.

Verfdhiedene Herren drängen eilig Herzu, ber entzücken— den „Zodgeweihten” noch perjönlih ein paar Worte glühendften Lobes zu jagen.

Die Anwefenheit des Komponiften feint fie etwas zu ftórem, obwohl Roman voll ſcharmanteſter Liebenswürdig- feit fofort den Arm ber jungen Dame frei gibt und Di3 fret zurüdtritt, قاط‎ Marga ihn felber voll nervöfer Eile an ihre Seite ruft.

„Zante Lore wartet gewiß voll höchiter Ungeduld in der Garderobe auf mich!” entjchuldigt fie fid) mit 7+ Lächeln und einem unerwiderten Händedrud, „und will nicht allein mir, fondern auch dem Schöpfer be8 Herr- lichften aller Werfe gratulieren!”

Cie nimmt Romans Arm aufs neue und eilt weiter.

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‚Aber Herzhen! Du darfit nicht fo rückſichtslos gegen bie Herren fein! ch fürchte, dein abyweifendes Benehmen hat fie beleidigt!” jchüttelt Ermönyi etwas bejorgt den Kopf.

Sie lachte Hell auf: „Dieſe Coulifjenhelden find wohl nod) an ganz andere Abfertigungen gewöhnt! Bd) habe mir früher nicht von ihnen Huldigen laffen, wie folte id) e8 jebt, wo nur nod) ein Einziger all meine Liebe, all mein Intereſſe beanjprudjt l^

Sie blicte innig, glüdjtrahlend zu ihm auf, und Roman drüdte ihren Arm zärtlich am fid) und flüjtert mit glut- vollem Blid: „Du füßes, ſüßes Kind! Ach, dak id) ert mit bir allein fein könnte! Warum muß Tante Lore alg Cerberus dein Bimmer bemadjen! Bd) lechze nad) ein paar Minuten ungejtörter ۸

Sie jchmiegt fid) an ihn: „Bor biejer treuen Seele habe id) ja feine Gebeimnijje, 7

„Sie ift eine dritte Perſon, und alles Dritte ijt bei ſüßem Mtinnefojen läftig und überflüffig !“

„UD, Roman, weld) eine glüdjelige Zeit langen, un- getrübten Alleinfeins jteht ung, jo Gott will, bald be: yor!”

Er nidt aufgeregt und legt den Arm um fie, derweil fie ` die Treppe emporfteigen! „Bald, bald!! Die Flammen auf der Bühne haben nicht allein dich, fondern auch mein Herz verjdlungen! (X8 verzehrt fid) in der Sehnſucht nad) diefem Alleinfein! Sit e3 Dir recht, Geliebte, fo 6 id) aus Tante Cores Anweſenheit Profit und bitte fie fo- gleich um deine Hand!”

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Cie bleibt momentan ftehen, neigt das Köpfchen wie in atemloſem Saujdjen zurück und lächelt verklärt.

„Ah, Roman welche Freude, endlich unjer aürt- liches Geheimnis aller Welt verraten نام‎ ۳

Er blidte fie ernjt an. „Und bu voürbe|t aud) bereit fein, bald zu heiraten und meinen Namen mit deinem jebigen auch auf dem Theaterzettel لا‎ ?”

„Da3 ijt wohl felbjtverftändlich), Geliebter” nidt fie harmlos. Plötzlich aber tritt ein Ausdrud ber Bangig- feit in ihr Antlitz: „Schon jo bald heiraten? Wird das denn möglich fein, Roman? Noch verdiene ich nicht viel, und deine Einfünfte miiffen fid) auch erft fteigern, ehe wir einen Hausftand gründen ۲

„Unſere beiderfeitigen Einnahmen werden nad) dem heutigen Erfolg aujdjmelleu wie ein Waldbac nach dem Gewitter.”

Ein energijdjer Bug zeigt fid) um ihre Lippen: „Es it immerhin feine fid)ere und beftimmte Revenue!” jagt fie kopfſchüttelnd. „Ich werde nur in eine baldige Heirat willigen, wenn id) am Xr Hoftheater mit hohem Gehalt engagiert werde, und wenn bu, was bie Haupt- fache ijt, baje(bjt bie Dirigentenjtelle annimmjt."

Ein ſeltſames Buden ging über fein Geficht, welches metiten3 anzeigte, daß Roman Ermönyi feine innere Hef- tigteit mur gewaltfam beherrfchte.

„Sieh, fieh, meine Heine Göttin macht ihre Bedin- gungen und ſchwingt das PBantöffelchen Jon vor ber Hochzeit! Je nun, du weißt ja, Liebdjen, daß id) Wachs

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in deinen Händen bin! Obwohl mir eine fefte Stellung, ein Binden und Jeffem an bejtimmten Fle und in bez jtimmten Berhältniffen gräulich) unjympathifd ijt, fo ge- horde id) bod) willig deinem Befehl und füge mich deiner Tyrannei! Bilt du zufrieden damit, Kind 2“

Cie brüdte feinen Arm ſtürmiſch an fih. „Du Defter, du einzigiter Mann! Bit e8 nicht unfer beider Wohl und Glick, welches id) bedenfe und ficher gründen will? Wie ſchön fteht e8 dem Leu, wenn er fid) vor dem weißen Lämmchen dudt” fie lacht filberhell auf und blinzelt ifn nedijd) an: „und wie gut und artig von Dent ۶ chen, wenn e$ fid) al3 Gegenleiftung mit Haut und Haar bon dem König ber Wülte verjchlingen läßt! Mfo unfer Patt ijt gefdloffen! Nun fne, Schnell zu Tante Lore, damit fie unjereu Herzensbund jegnet und eine ellenlange Depefche an Onfel und Tante nad) Floringhof von Stapel läßt!“

Im Sturmſchritt geht's weiter. Lachend, glückſelig, ganz und gar „Kind“, ſchmiegt fie fid) an feinen Arm. ,"Benebifta wird aud) in bie Garderobe fommen, und fie muß natürlich auch fofort Zeuge unjere$ Glückes werden! Nicht war, Roman? ch fann bid) bod) gleich als Sieger, al3 doppelten Sieger „bor und Dinter den Goulijjen^ prä- jentieren 2“

„Das verjteht fid), Heiner Engel! Bch werde ben Hut hinhalten und meinen Dant von der Baronejje einfammeln, daß ich ihre Jugendgeſpielin Marga über Nacht zur be- rühmten Sängerin machte!”

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in Floringhof in Eäglichen Briefen verfichert, daß fie fid) abjolut nicht zum Schuß ihrer Pflegebefohlenen eigne. Cie ift viel zu elend, um Da3 aufreibende Leben mitmachen zu können, fie liegt viel zu oft im Bett, um Marga über- allhin begleiten zu fünnen, wie e3 ihr Pflicht und Ge- wijjenhaftigfeit vorjchreiben.

Cie thut, was in ihren Schwachen Kräften jteht, und Das ijt nicht viel.

Wenn fie dem Heinen Haushalt vorfteht, die Einkünfte und Ausgaben der Nichte überwacht, und fie morgens und abends unter Thränen bejchwört, allen Berfuchungen zu widerjtehen und ihren Ruf und ihre Ehre als 8 Kleinod zu wahren, jo hat fie das ihre gethan. Auf Schritt und Tritt hinter dem ruhelojen Elfchen herlaufen, vermag fie bei ihren grauen Haaren nicht.

Blaß und fummervoll blidt ihr hageres Geficht aua der ſchwarzen Spigenhaube heraus, jtet8 geneigt, ein paar Thränen der Sorge und Nührung zu vergießen, immer bereit, den Zuhörer durch eine endlofe +٤۶6 zu ۵۰

Sie paßt fo gar nicht unter das lebensfrohe 1 der Künftler, und das empfindet fie felber und Halt fidh ihm mit Vorliebe fern.

Der Gedanke, diejes entjegliche Leben zwijchen himmel: hohen Steinwänden, Fabrifeffen und lärmenden Grof- ftadtjtraßen noch jahrelang führen zu miiffen, Bat fie wie ein Alp Debrüdt, und ihre Miene von Monat zu Monat unglüdlicher ٥

س 251

Da fam ein rettender Hoffnungzftrahl in Geftalt 8 Komponiften Roman ۸

Marga, welche nie ein Geheimnis vor ber Tante ge- habt, machte fie aud) zur Mitwiſſerin all der ۷ Hofſnungen, welche fid) an den heutigen Premierenabend fnüpfen, und dieje Ausficht, bie junge Sängerin bald zu verheiraten und dem thatkräftigen Schuß eines Gatten übergeben zu können, übte einen unbejchreiblich glücklichen Einfluß auf bie heimmehlranfe, alte Frau aus. `

Kun fannte fie faum noch ein anderes Gebet, wenn fie ihre vertrodneten Hände faltete, al3 eine inbrünftige Bitte zum Himmel, diefe verhangni8volle Premiere mit Erfolg zu ۰

Gab ihr biejelbe bod) bie Freiheit und bie Heimat wieder, zwei Begriffe, welche fid) zu zehrender Sehnjucht ber Leidenden geftaltet Hatten. |

Die Aufregung und Spannung, mit welcher fie dem heutigen Abend entgegenfah, wirkten nicht günftig auf ihre Nerven, und al8 fie voll gitteruber Angſt Hinter den Couliffen jap und auf den Applaus laufchte, reifte ber Gedanfe um jeden nur möglichen Preis ber Dual biejer Stellung zu entgehen, in ihrem gemarterten Hirn.

Wie eine Erlöjung überfam e3 fie bei dem Sturm des Beifall3, welchen Ermönyi und ihre Kleine ernteten und die Bühnenarbeiter und Choriften, welche bie blaffe, fränfliche Frau in dem jchwarzen Kleid faunten, 1 voll Rührung auf ihre gujammengejuntene Geftalt, wie

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fie mit gefalteten Händen ba fag, unb Thräne um Thräne Haltlos über bie rungligen Wangen flop.

Ein Häuflein Unglüd inmitten eines Dimmelfod) jaud)- gender 8.

Bol übermütiger Seligfeit {lang Marga in ben Awijdjenpaujen die Arme um fie und häufte Blumen und Lorbeeren mit immer vollen Händen um bie Tiefergriffene.

„Du bift ja wieder ganz und gar Thränenweide, Tantchen!” lachte fie nedend, „und regit bid) Dier ganz unnötig auf! Komm! Bac die ſchönen Blumen auf und ruhe bid) in ber Garderobe aus! Dann überlegt du bir, ob bu Diefe fchönen, friſchen Lorbeerblatter zuerit am eine Filchfauce oder an ein Ragout verwendeit, und wenn bu an das fone, belifate Ragout benf|t, wird bir wieder wohl unb vergnügt zu Ginu!”

Die alte Frau lächelte gutmütig, jtreid)elte ihrem be- rühmten, kleinen Schelm voll Zärtlichkeit die Wangen, padte die Blumen mit beiden Armen gujammen und 30g jid gehorjam in bie Garderobe guri.

Irgend welche Empfindung von Stolz oder Genug: thuung angeſichts biejer Ovationen war Tante Lore völlig fremd. Sie verftand nicht viel von ber Kunft und dem Künftlerruhm und fonnte bie Tragweite eines Erfolges nicht recht bemefjen. Für fie genügte ber Gedanfe, Daf eine günjtige Aufnahme der Oper Marga zur Gattin 8 RKomponiften machen fole.

Cp weit, wie fie in ihrem engbegrenzten 3Berjtanbe8- und Lebenshorizont bie Fühlfäden ausſtrecken founte,

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fatte fie e8 gethan, um fid) nad) Perfon und Ruf Roman Ermönyis zu erkundigen.

Was fie hörte, gereichte ihr jer zur Beruhigung. Er war der Sohn be8 berühmten Vaters, welchem bie Welt offen Steht. Sein Talent berechtigte zu ben 1 Hoffnungen und wies bereits jchönfte Erfolge auf. Nahm er bie fichere Stelle eines Dirigenten oder Kapellmeiſters an, war wohl fein täglich Brod gefidjert. Was feine Perfönlichkeit anbelangte, fo fand man den jungen Mann allgemein jehr intereffant und liebenswürdig, ohne ihm irgend eine üble Charaftereigenfchaft ober ein Zafter nach: lagen zu finnen. G8 waren ja melt nur Mitglieder ber Oper, welche Tante Lore befragen fonnte, und daß Dies jelben einen Mann in mancher Beziehung fehr nachſichtig beurteilen, entging der Beobachtung ber alten, fchlichten arau.

Was ihr jedoch am mafgebendften erfchien, war bie ichwärmerifche Verehrung Margas, welde in Roman Ermönyt das deal ihrer Mädchenträume anbetete. 0 Ihmüdte ihn vor den Augen ber Ratin mit dem vollften Blütenfranz aller männlichen Tugenden, und wenn ja auch manch weltfluge und erfahrene Mutter viele diejer Tugenden recht mißtrauifch unter bie Lupe genommen und nad) genauerer Befichtigung durchaus nicht alà Tugend anerfannt haben würde, fo war Tante Lore weit entfernt, bie Menjchenkenntnis ihrer Eugen, berounderten unb an- gejtaunten Nichte aud) nur im mindeften anzuzweifeln.

Cie hatte fid) daran gewöhnt, Margas Anfichten ftet3

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aig maßgebend zu erachten, Denn das junge Mädchen jtand mit offenen Augen und Ohren in einer Welt, welche ihr, ber halb Abgeftorbenen, in jeder Hinficht weit ent- fernt lag.

Sp verjtand fie aud) Roman Ermönyi, den eigen: artigen, intereffanten Künftler, nicht recht zu würdigen, und verließ fid) aud) in feiner Beurteilung +1 auf Das, was ihr die Nichte mit ftrahlenden Augen ver- ficherte.

Cie hatte einmal etwas ſchüchtern geäußert, bie bleiche Gefichtsfarbe und das fleiſchloſe Antlig Romans be- dngftigten fie etwas. Solh ein Ausjehen fei bod) unna- türlich bei einem jungen, lebensfrischen Hochzeiter, welcher ausjehen müßte wie bie ftroßende Geſundheit. Die Sängerin hat lant aufgelacht und voll Schaudernder Ab- wehr die Händchen an bie Ohren gepreft.

„Aber Tante! Welch ein horribler Gedanfe! Wie barf ein Künftler mit roten Üpfelbädchen und einem Doppelfinn in der Welt herumlaufen! Wo bliebe da die Poefie und Äſthetik! Im Gegenteil, fo intereffant wie möglich muß er ausjeben, eim Gelicht wie aus einem Totenreigen Mugen wie ein Hillenbrand ein Lacheln, wie ein Vampyr —"

„Um Gottes Himmel3willen, Hör auf!“ entjeßte fid) die Tante. „Wie gut, Da der Gefchmad verjchieden ۰ Aber das ift ja deine Sache, bu heiratet deinen inter- effanten Künftler, nicht id); und wenn er mit bem Toten- reigengeficht nachher an ber Schwindſucht oder jonjt einer

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Schredlichen Krankheit leidet, mußt du ihn pflegen, Herzen, nicht ۳

Marga Daja Hatte diefen Ausſpruch fo über Die Maken jchauderhaft und für ihr Ideal beleidigend ge- funden, Daf fie in Thränen, recht finbijd)e, eigenfinnige Thränen ausbrach, und Tante Lore fid) tagelang mit bitteren Selbſtvorwürfen quälte, bem in allen Dingen tadellofen Ermönyi vielleicht zu nahe getreten zu fein.

Sie bemühte fih, durch bejonders fchmeichelhafte Äußerungen über ben Komponiften bie gefränfte Nichte zu verjühnen, und während ihres Lobes redete fie fi felber in den jeligen Glauben, daß e3 der Cohn des be- rühmten Baters thatjächlich verdiene. ۳

Cie hatte den ftürmijchen Applaus gehört, Hatte dic zahlreichen Ovationen gejehen, welche man der Darftellerin und dem Echöpfer des Merfes gollte, und war Dod) Elopfenden Herzens in das Garderobegimmer geeilt, in ber feften Vorausfegung, daß nun die jehnlichft erhoffte Ver: lobung fie ans allen Angften und Nöten befreien verde.

Cie war darum nicht jonberfid) überrafcht, als Roman Ermönyi ihr voll Gíüd ftrablenber Erregung die Nichte zuführte und mit erhobener Stimme verficherte: „Hier Tante Lore, bringe ich Ihnen unfere Marga, wele ic) fraft ihrer umwiderftehlichen Rolle heute abend Bod) empor an den Himmel ber erjten Sterne ber Kunſt gehoben habe! Können Cie fid) wundern, teuerste Frau Rätin, wenn ich für cine foldje große That aud) einen großen Lohn verlange? Nichts geringeres al8 wie ۵۸

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bligende Eternlein‘ felbft, welches mir ja längft mit offenen Armen und heißem Herzen al3 mein 00۳۶ Bräutchen zublinft!”

Gr gog bie junge Eängerin ungeftüm an fih und füpte voll Leidenschaft bie Lippen, welche feine Melodien joeben voll fieghafter Schöne in bie Welt getragen. Die rejpeftvolle, etwas jteife und anbetende Scheu, welche bie rau Rätin ihrerzeit an ihrem werbenden Bräutigam fo tief gerührt und geehrt hatte, vermißte fie bet ۲ greier vollfommen. Es lag vieimehr ein perjtefter Zug von $erablajjung in feinen Worten, als thue er der Sängerin, welche durch feine Muſik groß geworden, eine bejoubere Ehre Durch feine Wahl an.

Frau Lore würde ba8 an ihrem Frig etwas verleßend gefunden Baber, auch bie Art unb Weije ber Liebfofungen fand fie nicht allzu taftvoll da aber Marga weder burd) eine einzige Miene, noch durch dad leifefte Wort ver- riet, daß fie dieſe Anficht teile, tröftete jid) bie Rätin aber- malS in dem Gedanken, daß folch ein ehrfurchtvolles Liebes- werben wohl aud) altmobijd) unb unfünftlerisch fei, und freute fid) ohne weitere Reflerionen der Thatjache, bie Hand der Nichte mit überjtrömenden Augen vergeben zu ۰ Sie wagte einen fchüchternen Berfuch, auf bie pefunidren Bufunftsverhältniffe anzutippen, ward aber jehr ۲ von dem Schwiegerneffen in spe abgefertigt, daß bieje alberne Profa Schon genugjam erörtert fet; er lebe jet jo voll- fommen in allen Glüdshimmeln, daß er nicht am Die Mifere biejer Thränenwelt erinnert fein wole!

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glaubjt du von einer zugfräftigen Oper! Sie ift eine un- erichöpfliche Goldquelle!“

„Und was glauben Gie von einer Nachtigallenfehle à la Marga?” lachte ber Komponist mit aufbligenden Augen; „ich werde {don Sorge tragen, daß man diejem Cüngerfeim einen goldenen Käfig baut” unb er griff mit beiden Händen in bie duftigen Blumenjirduge, rif bie Blumen heraus und wary fie in DdDuftigem Regen über jein „Feenkind!“ Er war plöglich von einer tollen Luftig- feit, wie oftmal3 eine Anmwandlung wildeften Gefühlzer- guſſes über den „Marmorkühlen” fonunen founte. Marga vermochte faum ihn zu bejtimmen, fie auf dem Korridor zu erwarten, ba e3 bie ا750‎ Zeit für fie fet, fid) um- zufleiden. Suft, als Roman voll übermütigen Abjchiedes bie Thüre öffnen wollte, wid) er vor einer hohen, {ier majeftätijchen Frauengeſtalt zurüd, neben welcher feine ichmächtige Heine Figur wie ein Schatten bor der Sonne zuſammen jchrumpfte.

,"Beuebifta! Benedifta! —“

Mit lauten Jubel ftürmte Marga ihr entgegen und warf fih in ihre Arme, dann ri fie fid) wieder log, fakte Romans Hand unb zog ihn mit jprechender ۸٤۵ an fid).

Fräulein von Floringhoven verftand fie. Mit den herzlichften Glüclwünjchen bot fie bem jungen Paar beide Hände bar, aber ihr Blick jd)meijte jo jählings und unruhig Durch das Bimmer, als fude fie Je- manden.

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Roman liebte feine Damen, welche jo vornehm im: ponierend auf ihre Mitwelt herniederbliden wie bie 10 des Ministers. Obwohl er fih mit ber verbindlichiten Piene und höflichiten Gefte verneigte, jagte er jehr ۰ geniert zu Marga: „Bitte, bedeute ifr, daß wir eilig find und von Freunden erwartet werden!”

Abermals empfand Benedifta unendlich Ichmerzlich, wie verlegen und unerquidíid) der Verkehr mit einer tauben Perfünlichkeit ijt; fie vermißte aud) in Romans Geficht jede Spur von zartfühlender Teilnahme, meld, fie ermutigt hätte, ihm eine jchriftliche Unterhaltung zu— zumuten.

Das unangenehme Gefühl, welches fie Stets beſchlichen, wenn Marga von ihm jchrieb und erzählte, drängte fich ihr bei feinem Anbli in noch erhöhten Maße auf. Die Perſönlichkeit Romans wirkte direft abjtopenb auf fie, und ihre wunderbar jarf ausgeprägte 9006148 Durd)jdaute in ihm den herz: und gefühllojen Egoiften, welcher eine Marga Daja lebiglid) aus Gewinnfucht an fich ۰ |

Während das Brautpaar in erregtem Ton flüfterte wie es ſchien, wollte die Sängerin ihren Bräutiganı beftinunen, Baroneß Floringhoven zum 601۱۲6۲ was ihm höchſt überflüffig und langweilig ſchien wandte jid) Benedifta an Tante Lore, um aud) ihr einen Glück: wunsch zu fagen, welcher immer weniger von Herzen fommen wollte. Da fie die Antwort ber alten Frau nicht verftand, fuhr fie haftig fort: „War mein Syujpeftor aus

17*

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Floringhof nad) ber Aufführung fchon hier?” Frau Kirch: ſtück {chiittelte verftändnislos den Kopf, und mit be- jorgtem Geficht wandte jid) bie junge Dame wieder zu Marga, welche ihr mit flehendem Bitten die 74٤+ fleine Tafel reichte.

Roman zog fih mit formeller Verbeugung und einem jehr einjtubiert gewinnenden Lächeln zurüd, während Bene: difta fehr freundlich, aber jehr entjchieden die Einladung zum gemeinfamen Gouper ablehnte.

„Sind Sie zu ftolz dazu, liebfte Freundin? Roman behauptet e3!” frigelte Marga etwas fchmollend nieder, während fie begann, fid) voll liegender Haft umzu— kleiden.

„Ihr Herr Bräutigam kennt mich nicht, darum kann mich ſeine Annahme nicht befremden, von Ihnen, liebe Marga, hätte ich ein beſſeres Verſtändnis für meine Un— fähigkeit, an Geſellſchaften teilzunehmen, erwartet.”

Benedikta jeu[gte tief auf und fab jo traurig aus, daß Marga voll inniger Teilnahme ihre Hände in bie ihren nahm und füpte. Qa, fie wußte e8, wie qualvoll ber Verfehr mit heiteren Menſchen für bie Kranfe war.

„Haben Sie Edert nad) der Aufführung gefehen, Marga? Nein? o mein Gott id) bin fo bejorgt um ben Armen. Fraglos hat er von Ihrer Verlobung gehört, daß er jo jpurío8 verjchwunden ijt! Und ich hatte mich fo febr bemüht, ihn auf diefe Schmerzenskunde vor- zubereiten!”

Marga fa jedoch mehr gejchmeichelt als beftürzt aus

201

„Ich war bod) jer nett zu ihm Heute, nicht war?” Ichrieb fie [d)nell auf, während Tante Lore und bie Kammerjungfer die blonde PVerrüde von ihrem Köpfchen löften.

„Biel zu nett, Sie Turandot! Da3 Hat ihn erft in alle Himmel gehoben, um ihn alsdann defto tiefer ſtürzen zu laffen. Wenn ber nur feinen unüberlegten Streich macht!”

Marga war viel zu ausgelafjen, um einen ernjten Ge- danken faffen zu können. „Wie jollte er! Da müßte er bod) zuvor fein Oberfommando in der Kinderftube um Erlaubnis fragen, ob er ind Waffer gehen darf ober nicht !”

Der ernite Did Benediftas flammte vorwurfsvoll auf fie nieder. „targa! Marga! vielleicht flagt Sie fein brechendes Auge ſchon vor Gottes Richterftuhl an!“

Tante Lore fing vor Schred an zu weinen, und bie junge Sängerin machte pliglic) aud) ein gang betroffenes Geſicht.

„Aber liebſte Benedifta glauben Gie etwa im Ernſt?“

„Warum ſollte er ſo ſpurlos verſchwinden, wenn er nicht in höchſter Erregung das Theater verlaſſen hätte?“

Marga [dug mit ber Heinen Fault heftig auf den Tisch und ftampfte wie ein ungezogenes Kind mit beiden Füßchen auf die Erde. „Zum Kudud mit dem albernen Menschen! Was geht er mich denn an? Was habe ich mit ihm zu fchaffen?” rief fie weinerlich, „er ftórt mir

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den ganzen fchönen Abend! Warum bildet fid) ber freche Patron Dinge ein, bie fid) nicht erfüllen ۸ Warum wagt er e3, feine Augen zu mir zu erheben!” Fräulein von Floringhoven verjtand fein Wort unb nahm an, daß ein bitterer Ausbruch von Neue und Angft bie arme Marga derart {djitttele. Sie legte freundlich tröjtend den Arm um fie: , d) hoffe ja auch zu Gott, daß er vernünftig ijt, liebite Marga, daß er vielleicht unten bei Sophie auf mich wartet! Leben Sie wohl, und fommen Sie bald zu mir, auf daß wir über den heutigen ſchönen Erfolg nod) ausführlich plaudern können, das Heißt, wenn Sie in Ihrem jungen Gli noch Beit für alte Freunde haben! Wenn (dert drunten auf mich wartet, fende id) Ihnen fofort Nachricht herauf! Und nochmals Gott befohlen! Möchte der heutige doppelte Glüdstag zum Heil und Eegen für Ihr ganzes Leben werden!” Marga neigte ihr Gefichtchen abermals fiijjend auf die Hand ber Eprecherin, diesmal um ihr ſchamrotes Antli zu ver- Heen und Benedifta verabjchiedete fid) von Tante Lore, welche als jtumme Sammergeftalt noch immer bie Augen trodnete. Sie fannte zwar Herrn Edert nicht und afnte nicht, um was e3 fih handelte, aber fie hatte jo nahe an ba3 Waſſer gebaut, und da3 leijefte tragijche Stichwort genügte, um ihre Thränen Haltlos rinnen zu laffen. Das Weinen war ihr eine liebe Gewohnheit geworden, und gleich wie andere Menfchen am Sonntag eine Schöne Partie machen, oder al bejonderes Vergnügen

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Kuchen in den Kaffee ftippen, je&te fid) Tante Lore bez faglid) in das Sopha unb weinte ein Stücchen zu ihrer Unterhaltung und Erholung.

9۲) fid) bie Thüre hinter Fraulein von Floringhoven geichlojjen, rif Marga das Chpipertud) vom "Zuch und fnäulte e3 ärgerlich in den Händen. „Gott fet Dant ijt ber Unglüdsrabe davon geflattert. Eine botcnloje Rück— fichtslofigfett, mid) an dem heutigen Tage derart zu Gngjtigen und aufzuregen! Mag bod) ihr thörichter Onkel Bräfig bleiben, wo ber Pfeffer wächſt! Hätte viel zu thur, wenn ich hinter allen fentimentalen 781 berlaufen wollte, welche für Marga Daja Feuer fangen! Schnell bod), Tante, mein Kleid Der! Wie lange foll Roman warten! Sch glaube wahrhaftig, e8 Hat fid) heute alles gegen mich verfdworen!” und das Kind be- fam wiederum eine Anmwandlung jenes finbi|djen Unge- {tiim3 und Eigenfinnz, welcher Tante Lore ۱۱6۸8 zu bleichen Wangen ängftigte. Gott fei Lob und Dank, daß fie ver- lobt war! daß bieje8 Elend bald aufhören wird! Dic Rätin feufzte tief auf und fuhr in ratlojer Aufregung mit den Händen in alle Eden, um das Gefuchte nod) lange, lange nicht zu finden. Doris hatte nämlich das Kleid jhon längst ihrer jungen Herrin übergeworfen.

„Sag mal, Tante Lore, fouunjt bu eigentlich Hente abend mit in das Nejtaurant? gehört fich bod), daß du unfere Verlobung proflamierft und fie in erfter Linie mit uns ۳

Die Matin nahm vor Schreck auf dem nächſten Stuhl

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Play. „Ich? . . id. . fol jet nod) jo jurdjtbar fpat nad all biejen Aufregungen —“ ftotterte fie und [oderte fdjon wieder ba8 Tafchentuh. „O mein Gott, Marga, das hält ja meine ſchwache Gejundheit nicht aus! Du weißt, ich fann feine Menjchen mehr ertragen, und nun gar bis in bie Naht um 2, 3 Uhr dafigen unb Wein trinfen! . . Du weißt bod), daß id) überhaupt feinen Wein trinken darf, weil [ont meine Nervenjchmerzen unerträglich werden! Ad, ich bin ja ein fo armes, krankes, unglückliches Geſchöpf! -— Und mm ftrimten bie Thränen haltlos in das weiße Tüchlein nieder. Marga war gereizt und ungeduldig. „Nun, Dann bleib bod) in drei Teufels Namen zu Haufe! E3 zwingt bid) ja feine Menfchenfeele! Roman wird. mich ficher und wohlbehalten heimbringen; Gott fet Dank hat er ja jebt ein Recht dazu, mich zu begleiten! Thu mir nur bie einzige Liebe und hör mit deinem Gerweine auf! Bd bin ſchon ganz nervös vor Angst, aud) uur das ٤۶ Wort zu jagen, weil bu bid) ja prinzipiell bei jeder Äußerung in Salzwafjer auflöft” „Ach ja, Gott fei Dank ijt ja mun Roman da, um dich zu befchiigen! ع91۲‎ Bräutigam ijt e3 gwar durchaus nicht pajjenb aber ich denke, e8 find noch verjchiedene Damen da, und ihr könnt zu Bieren eine Droſchke nehmen! Ich möchte ja gern meiner Pflicht nachkommen, aber ich kann es nicht mehr, ich arme, wandelnde Leiche! Wenn nur der Onkel in Floringhof und der Vormund ihre Einwilligung zur baldigen Hochzeit geben!“

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aber cr wollte es nicht. Seine Gattin folte und durfte nicht nervös fein, war fie e$, jo nahm er feine Notiz davon.

Die ärgerliche Stimmung hielt bei beiden nicht lange vor. Dazu war die freudige Aufregung des Abends viel zu groß, eine Aufregung, welche mehr und mehr wie tolle Leidenfchaftlichfeit bei dem Sohne des Halbzigeuners zu Zone trat.

Er Hatte jtet3 eine überjchwengliche Weife gehabt, feine Liebe zu verfichern und zu befunden, jebt, als er endlich ungefehen und ungehört von Fremden feine Erwählte im Arme hielt, dieweil der Wagen im fchärfften Tempo dem Rejtaurant entgegen jaujte, brach fid) bie Erregung in taufend Tiebeglühenden Worten Bahn, und beraujdjte das „Kind“ mit dem jüßen Gift Himmeljtür- mender Leidenschaft; Marga war geiltig viel zu unbe: deutend, um fold) einen Ausbruch jähen Gefühls richtig zu beurteilen, fie jchwelgte in der Überzeugung, über 7 und Biel geliebt zu fein, und in dem Triumph der Eitel- feit, den unberechenbarjten und launenhaften Künftler jo völlig befiegt und lammfromm zu ihren Füßen, nieder- gezwungen zu haben!

Hell wie das Morgenlicht lächelt die Ferne! Glückliche Sterne, tüujdjet mich nicht! wieder tang e8 in leifem Subel von ihren Lippen, und hätte fid) nicht trog aller Leichtfertigfeit bod) eine Stimme in ihrem Innern geregt: „Wo blieb (Sdert?" hätte fid) Marga Daja in der That ein wolfenlojes Glick erfauft. Für wie lange?

ہے 9077 =

Darnach fragte fie nicht.

Der Wagen hielt vor dem glänzend erleuchteten Re- jtaurant, und Roman faßte bie junge Braut voll über- mitiger Celigfeit, um fie wie ein Rind aus ber Equipage zu Deben und noch ein paar Schritte über ba8 Trottoir zu tragen.

„Siehſt bu, Feinsliebehen! jo werde ich dich durch dein ganzes Leben hindurch auf Händen tragen!” flüfterte er ihr wie ein Beraufchter in das Ohr.

Die Gasflammen und das elektrifche Licht brannten jo blendend Bell, und dennoch fand Adalbert dert nicht Weg und Steg.

Er fuchte auch nicht Darnah, er jdjritt و‎ wie ein Träumender geradeaus, dahin, wo ihn der Strom be8 großjtädtifchen Nachtlebens Dintrieb. Wo follte er hingehen? Er wußte e3 jelber nicht. Er empfand ledig- fid) den Wunſch, möglichft ruhig und von (۳۲ unbehelligt allein git ۰

Und hier, unter Hunderten von fremden Leuten, welche an ihm vorüberhajteten, war er allein, ganz allein mit feinen ۰

Die Hike, bie Mufik, bie Lichter und Leute in dem Dpernhaus hatten ihn verwirrt und jein Blut in Wallung qebradjt. Da jaujte und braufte e3 durch feinen Kopf, und die bezaubernde Sirene auf der Bühne drunten glich einer Heinejchen Epufgeftalt, welche des Nachts fommt, ben armen, liebestrunfenen Gejellen um Hirn, Herz und Ver: jtand zu bringen.

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Debt als bie Nachtluft frifd) und fühl um feine Stirn Hd, atmete Edert auf, als erwache er aus einem ۴ Traum.

Sa, er hatte geträumt. Nicht etwa das Furchtbare, Unerträgliche, daß ein anderer gefommen fet, ihm fein (Ind. feine Liebe, feine Marga zu rauben, nein, ein ganz anderer, wunderlicher Traum hatte ihn Wochen und Monde fang gefangen gehalten. Ihm war e8 gewejen, alg liebe er ein Mädchen, ein füßes, anmutiges Kind, welches er zum erftenmal im loringhofer Inſpektorhaus gejehen, wo fie gleich einem lichten Engel in die Stube zu feinen Kindern getreten war, bie Kleinen voll herzlicher Neigung zu fojen. Da war e8 ihm heiß, glühend heiß um das Herz geworden, ba hatte er dieſes Heike, treuinnige Herz zu eigen gegeben. Cie war ein verwöhntes, elegantes Prinzeßchen. Schredte ihn daS zurüd? Mein. Seine erfte Frau, bie Tochter des reichen Yabrifanten war wohl nod) verwöhnter gewejen, und bod) hatte fie fid) in den jungen Gutsvolontär des Baters verliebt und Hatte ihn geheiratet, all thr Glid, all ihr vieles Geld mit ihm teilend, قاط‎ der Bankrott ber Fabrifen fie arm gemacht. Marga war eine Sängerin. Echredte ihn das ۰۶۷ Wohl niemals aus demütiger Befcheidenheit, denn Adalbert Edert entftammte einer foliden, hochgeachteten Beamten: familie, welche noch ber altmobijd)en Anficht lebte, daß eine Ehe mit einer Komddiantin ftet3 eine Mesalliance je. Er hätte nichts darnad) gefragt, denn er liebte Marga mit feiner vollen, großen Ehrlichkeit, weil fie 8

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ihm mit ihrem jüßen Lachen und den blauen 6 71 angethan hatte. Die Kinder waren ja zeitlebens feine Liebe gewejen. Daß das junge Mädchen ihn unliebenz- würdig behandelte, ihn jchroff unb rückſichtslos frünfte, ala fie feine Gefühle erfannte, hatte ihn auch nicht un- angenehm berührt, im Gegenteil, er rejpeftierte ihr Wejen al8 eine achtbare Sprödigfeit, welche fid) einem Manne nicht fonder Kampf und Sieg, al allzu jchnell erobert, an den Hals werfen will. Er war viel gu harmlos und edel benfenb, um die Zurüdhaltung Margas als Hochmut zu deuten. Warum follte fie ihn verjchmähen? Geine Vergangenheit war tadellos. Seine Armut fein Bers brechen. Er arbeitete redlich und fleißig um fein täglich Brot, und das reichte aus, um eine Familie anftändig zu ernähren.

Daß er ihr feinen Lurus bieten fonnte, erachtete cr bei feiner großen Anfpruchslofigfeit und Beſcheidenheit als fein Hindernis. Die Liebe verlangt ja fo wenig, um glücklich zu fein. Gehen Frieden und Cintradht Hand in Hand mit ihr, fo ijt fie reicher, wie die Könige ۲ Welt.

Wenn man jo liebe, unfchuldige Augen Dat, wie Marga, fann man aud niht an Flitter und Tand hängen, davon war er überzeugt, und feine Seele lebte fid) ben in einen wonnigen Zufunftstraum, ۱ Verwirklidung ihm nur noch eine Frage der Zeit deudhte.

Und Beute erwachte er, rauf) und unbarmberzig auf- gerüttelt von der Hand des Scidjals. Er fah Marga

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ihn nieder. Wie Spuf und bbjer Zauber verfliegt ber lebte Reit eines franffaften Wehs. Tief aufatmend bleibt er {teber und lächelt: , Gott im Himmel fei gelobt, daß er meine Kleinen vor einer jolchen Stiefmutter bewahrte!” murmelte er. Ein Gefühl froher Erleichterung über: fommt ۰

Mit Hellen Augen blickt er fid) um.

Wohin ijt er in der großen, fremden Stadt geraten? Bor ihm, in der weniger belebten Straße fchreiten zwei Herren. Ä

„Ich habe Durjt, Berehrtefter!” lacht der eine, „und ba wir jo nahe an der Quelle find, laffen Cie ung Ein: fehr halten und den alten Adam regelrecht in einem ٤6 Kulmbacher oder Nierjteiner erjüufen; je nachdem Ihr Herz für Bayern oder das Rheinland 7

„Wenn bid) bie böfen Buben loden, fo folge ihnen nicht, fondern geh voran!” antwortet der andere luftig. „Sie wifjen, daß ich fein Cpielperberber bin, amico!”

Ein friiher Trunf!

(Sdert empfindet es plößlich, daß ihm der Hal wie anzgetrodnet ijt. Das flüchtige, faum angerührte Nacht: mahl bei der Baroneß ift das einzige gewefen, was er tagsüber, während ber Neije, genoffen. Nun verlangt Die Natur ihr Recht.

(S8 ijt bem Inſpektor jo leicht und froh um das Herz gewejen, Daß er bae Haupt in ben Moden jchüttelt wie ein Löwe, welcher bie Bande und Ketten geriffen und fid) feiner Freiheit freut. Nun will er auf das Wohl jenes

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Eugen, waderen Mädchens trinten, welches ihm die Mugen geöffnet. | Die Herren vor ihm biegen in einen [trablenb ers leuchteten, palmengejchmücdten Hausflur ein. Befradte Kellner treten ihnen entgegen und Bratenduft durchzieht. die Luft. Gäert folgt mechanisch und tritt ein.

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Starke Parfüms verfchiedenfter Art, von Damen und Halbdamen hereingetragen, untermifcht Durch feine Ciga- rettendüfte unb bie Wölfchen ſchwerer Havannas, burd) bie Blume guter Weine und das appetitlide Aroma alles Dellen, was bie erlefene Cpeijefarte aufweilt, und ſchließ— lich gekrönt durch ben beraufchend ſüßen Hauch, welcher den Veildhen und Maiglöcdchen entjtrömt, welche utters müdlich von blafjen Kindern oder übernächtigten Mädchen reilgeboten werden. Der Gasgeruch ift durch das Gliih- licht verdrängt, er gehörte ehemals unlöslic) zu diefem Gemiſch, und der feine Beobachter des Machtlebens fonnte fich oft an Phyfiognomien eintretender Dandys und an- ſpruchsvoller Damen ergößen, deren erhobenes Geficht mit den „witternd“ aufgeblähten Nüftern ۱۱۵۱۵ bie dumme Frage verfirperten: „Riecht e8 hier nicht nach Gas?" Tempi passati. Die jpiegefbfaufen Cylinder jchwanfen jebt beim Eintreten nicht mehr rüdwärts, fie fteuern un- behelligt im ftrahlenden, duftlofen Glanz des „Elektriſchen“ den weißen Marmortifchen entgegen, welchen ein einziger Wink mit der Speifefolge, binnen Sekunden ein gauber- 0061168 „Ded dich!” befiehlt.

Momentan Stand Cert und blickte fich in dem fäulen- getragenen, blumengefchmücten Saal um, welcher um ۷ Beit, nad) Schluß ber Theater, Den höchjten Stand der anjchwellenden Menjchenflut erreicht hatte.

Ein paar Gejid)ter wandten fic) ifm gleichgültig zu, zwei alt einem Tijchehen allein fiende, etwas auf- fallende Damen bligten ihn mit dunklen Augen ermutigend

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au, bie Cinfalt vom Lande ſchritt Harmlo3 an ihnen vorüber, einem Nebenzimmer zu, weiches weniger bejucht erichien. g

Ein langer, bedeutend ſchmälerer Naum, welcher nifchen= artige Seitenfabinett3 ۰

Hier wird wohl ein ftilles, menjchenleeres Plätzchen zu finden fein.

Als er langfanı vorwärts fchreitet, ertönt aus einer der Nijchen, in welcher eine elegant gedecte Tafel ftebt, jubeludes Hod) und Gíüjerffingen: „Marga Daja! Roman Ermönyi!” Eingt e3 grell in die Ohren des Inſpektors, und wie vom Blitz getroffen jtcht er till und ftarrt auf die alfo Lärmenden.

Ein jäher Schreck lähmt ihm die Füße.

Bor ifm, von bem Arm be8 jungen 1 umſchlungen, Steht Marga, mit glühenden Wangen und ftrahlenden Augen reium anzuftoßgen! Die Glajer bieten fid) ihr entgegen. Lachende Lippen, weinjelige Augen grüßen bie reizende Braut.

„Hoch das Brautpaar! Hoch ber unfterbliche Lorbeer!” flingt e3 abermals von den Lippen des forpulenten Herrn, welchen (dert ſchon in der Schaufpielerloge genugjam fennen gelernt, und indem Marga thin lachend Bejcheid thut, wendet fie das Köpfchen.

Shr Blick fchweift weiter und plößlich brennt er in den weit aufgeriffenen Augen des Sufpeftors. Momentan ftarrt fie ihn fprachlos an, Damn ringt fid) ein Heller Jubel- faut von ihren Lippen, und fid) jählings aus dem 041

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de3 Berlobten betreien, ſtößt fie den Stuhl zurück und jtürmt dem Gajt aus ۲۱0۲۱۱۱۵90۲ ۰

„Edert! Edert!” lachte fie. „Gott fei Dank, daß Sie Ausreiger wieder da find! Wo haben Sie böjer Menfch geſteckt? Etwa als ‚Mullah auf verbotenen Wegen‘ wandelnd? Schämen Sie fih, Sie folider Mann! Wir dachten ja wirklich ihon, eine unglüdliche Liebe habe Sie fopfüber in den Kanal getrieben!”

Aller Augen blidten höchlichſt überrascht auf den riefen- haften. Mann, vor welchen Marga Daja wie ein bunter Schmetterling gaufelt, ihn an beiden Händen zu bem Tiſch heranziehend.

„Hier, meine Herrſchaften!“ ruft ſie übermütig, „ein Mann, welcher Durſt nach Wein und Appetit auf junge Mädchenherzen verſpürt! Laßt ihn nicht ver— ſchmachten!“

„Fräulein Marga —“ ſtottert Eckert mit ernſtem Ge— ſicht, „ich bedauere lebhaft, nicht Platz nehmen zu kön— nen —“

„Papperlapap! Warum nicht? Hat Baroneß Sie nur hierher geſchickt, mich durch Ihren Anblick aus den tauſend Sorgen um Ihr junges Leben zu erlöſen?

„Baroneß?“ „Nun ja, kommen Sie nicht von ihr?“ „Nein, Fräulein Marga —“

„Um ſo beſſer!“ ſie lacht ſilberhell auf, „ſo folgten Sie aus eigenem Antriebe errötend meinen Spuren! Und wollen nicht Platz nehmen? Thorheit! Sie werden

Doch nicht fo ungalant fein, ¢3 zu verweigern, auf mein Wohl zu trinken?”

„Gewiß niht! Aber . . . ٥ة‎ ijt fon ۲ pût —"

„Warum famen Sie denn hierher ? 1”

Kun wird er blutrot. „Sch wollte in aller Eile nod) cin Glas Bier trinfen! $ ahnte wirklich nicht, daß id) Cie hier treffen würde, Fräulein ۳

„Dann fällt Ihnen diefes Gli alfo ganz unverdtenter- weife in den Schoß? lächelt Roman, mit höflicher Ber- beugung näher tretend, „und Doppelt ۵ wäre e3, wollten Cie e3 nicht beim Schopfe faffen! Darf id) bitten, Debe Marga, mid) deinem überraschenden Beſuch befannt gu machen ?^

Marga legte ungeniert ihre Hand auf den Arm 8 Sufpeftors und führte ihn vor bem Stuhl, welchen ein Kellner dienfteifrig an die Tafel gefchoben, dann zeigte fie mit großer Gejte auf den Fremden und rief voll Pathos: „Meine Herrjchaften, heißen Sie einen Mann willfommen, welchem ich mein Leben verdanke

„Donnerwetter Shr Vater?” grungte ber Baß voll Humor, cit homertjches Gelächter veranlafjend, 12 fich erft allmählich wieder legte.

„Abſcheulich!“ Schmollte Marga, „dah Sie bod) aud) niemals Stimmung halten können, 7

„Bin id) eine ۳

„Mit dem Interjchiede, daß nicht Cic, jondern ۲ Ihre Umgebung bird) Ste ٤ ۳

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„Erlauben Sie mal "^

„Stil! Weiter im Tert! Wenn alfo nicht Papa, Dann bod) ۳

„Hört, hört!“

„Jawohl, ganz richtig, mein Lebensretter! Stellen Sie fid) vor, meine Herrschaften, verjeßen Sie fid) iu einen bitterzbitterzgrinumig falten Schneefturm.”

„Orr . . id) zittre vor Kälte! Kellner! Einen heißen Grog ^

„Nicht unterbrechen, Kranzlow! Lieber bie Bunge er- frieren, al8 wie einer Dame das Wort abjchneiden.”

„Alſo ein grimmig falter Schneefturn —“

„Ich jage Shnen, meine Herrichaften, ein Wetter, wie Sie e3 fich hier in ber Friedrich- ober Leipzigerſtraße über- haupt gar nicht 0016611611 können —“

„Kellner! Malen Cie ung zur befferen Veranſchau— lidjung einen Schneefturm an die Wand!”

„Schreien Sie nicht fo! Sie fingen ja foeben nicht den 61

„Kellner! Treten Sie mal den Herrn hier tot! Er unterbricht ung immer!”

„Ruhe! E3 Haben nur immer zwölf auf einmal das Wort!”

„Alfo, ein ſchrecklicher Schneeſturm —“

„Barone Floringhoven und ich Hatten einen Par- forcereiter gerettet, o, wem Gie ahnten, wen, meine Herrfchaften Sie wären ftarr vor Hochad)- tung —“

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"aug recht, id) wars!”

„Ste ritten Barforce? u! Gingen Schufters Jappen mit Ihnen durch ?^

Kranzlow hob den Stiefel und ſchaute auf bie Coble. „Ganz recht, fie gehen fogar {don wieder ۳

„Au! Au! Haut ۳

„Stil doch! Es wird ja fo intereffant! Alſo Marga rettete eine febr vejpeftable 8))

„Gewiß Herrn Abba! Der ijt fo ‚par force —"

„Ja wir retteten! Und ließen den Verungliidten in unjerem Schlitten transportieren.”

„Wo ift bie Medaille? Sch will erft Die Medaille jehen, ehe id) e$ ۳

„Hier ijt fie!” Marga verjeßte dem einen Nafenftüber und fuhr eifrig fort: ‚Allein mutter- jeelenallein jtanden wir im tiefverjchneiten Winterwald —“

„Haben Sie fchon mal einen tiefverfchneiten © mmer- wald gejehen ?”

„giternd vor Kälte, Sturm und Grauen! Mit brechenden Knien rangen wir uns dem fernen Schloß ۰ gegen —“

‚Barum war denn den Knien jo übel ۲

Marga ftampfte wie ein ungeduldiges Kind mit dem Füßchen und wandte fid) anflagend zu ۲

„Er ijt unerträglich, Roman!”

„Das Habe id) Ihnen ja gleich gejagt, dak ‚er, Shr Roman‘, unerträglich ijt! Sie wollen fid) aber troßdem mit ihm ۳ l

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„Laß mir, Marga, wir laden nachher bie großen Kanonen am KRaftanienwäldchen und fchiegen den Sünder zollweife tot!”

„Aber dann bitte mit bem neuen Pulver! Bd) bin Nichtraucher !^

Roloffale Freude. „Ignorieren Sie ihn doch, Marga, Cie wiffen, daß Diefer verlorene Sohn unverbefjerlich ift!

„Ber zahlt Finderlohn, wenn id) ihn ۲

„Ich! Bier... einen Handſchuhknopp zum ۳

„Beiter bod), weiter!! Afo Sie ftarben beinahe im Schnee! Waren Wölfe oder Bären in der Nähe?” forjdjte bie Naive mit rübergroBen Angftaugen.

„Bie folen denn Bären dahin kommen! Crmönyi bindet bie feinen ja nur hier in der Reſidenz ۳

„Da die Wälder fo endlos bet Floringhof find, fonnte ich e8 immerhin nicht wifjen! Außerdem hatten fid) vor etlichen Jahren Rauber darin aufgehalten!”

„Sehr wahr, zur Beit des Fauftrecht3 durchitreiften Bufchflepperbanden bie ganze Gegend. Etwas früher nod, al Thüringen noch ein Stüd Ojtice war und bie Meeres- fluten den Sufelberg umfpülten daher der Name Sollen fogar Piraten per Schiff über bie von Floringhof Hinweggefahren fein!”

Kranzlow jah fehr ernjt aus, al8 er ۵۱6۱68۵ fagte, und trauf fein Glas bis auf den legten Tropfen aus.

„Wie lange mußten fie denn in dem Wald aushalten ?”

„O c8 waren wohl ein paar Stunden! Da in ber höchjten Net, als ich ſchon in den Echnee nieder:

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jauf und eben bie Augen zum Todesſchlaf fchliegen wollte —"

„Wozu ſolche Umstände? Sch Hätte fie ruhig offen gelaſſen.“

„Als ich noch einmal ſo recht wehmütig hierher dachte an Euch Alle, liebe Kinder —“

„Wenn Sie meiner man blos im Teſtament gedacht hätten, holde Daja das würde mich am meiſten ge— rührt haben —“ ſchluchzte Kranzlow in ſeine Serviette.

„Da nahte plötzlich hod) au Roß ber Netter in der Kot!”

„Am mir meine Erbjchaft wieder abzujagen!! —^

„Hier, Diejer brave, vortrefflidje Maun, Herr Inſpektor Eder!” Marga hob mit aauberijdjem Lächeln ihr Glas zu dem Genannten „welcher mich empor in feinen Sattel nahm, wie ber Rieſe das Königsfind, welcher mic) und mein Leben aufs neue der Welt wiederjdhenfte —“

„Grundgütiger! jeßt genicht ber gute Kerl jhon wieder Mutterfreuden !^

„Und welchen id) darum als getreuen Freund und Saft in diefem frohen Kreis willfommen heiße!”

Subelndes Halloh. „Hoch Elingt das Lied vom braven Mann wie Orgelton und Gíodenffaug! Hoch! Hod! hoch!!“

Ermönyi drückte dem Gefeierten ſtürmiſch die Hand und dankte ihm nicht nur für Margas gerettetes Leben, ſondern aud) für ihre wohlerhaltene Kehle, ohne welche ja eine Sängerin feinen Wert habe!

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Das lang im Munde cines Bräntigams und zärt- lichen €iebfaber8 etwas jeltjam und dert jtarrte den Sprecher auch höchlichſt betroffen an: im Wein joll ja Wahrheit liegen, wäre e3 in dieſem Augenblick der Sal, würde e3 eine greuliche Wahrheit fein.

Das Borfpiel der Vorftellung Hatte etwas lange ge- Dauert und charafterifierte die Geſellſchaſt, in welche ber Inſpektor eingeführt wurde.

Sn einen Schwarm ibermutstoller Geijter, welche den ernften, fo wenig zur Heiterkeit aufgelegten Mann um- tollten, war er wider Willen hineingedrängt, und jebt, als die Namen der Feſtteilnehmer wirr vor feinem Ohr Hangen, al3 ihm voll gemütlicher Ungeniertheit die Hände entgegengeftredt wurden und man feinen Stuhl ganz wie jelbitverftändfich ber Tafelrunde einreihte, ba war e3 wohl unmöglich, einen pafjenden Vorwand zu finden, Dielem Kreife den Juden zu kehren.

Wunderlich! Sceben hatte er den fejten, freudigen Ent- ſchluß gefaßt, bem Trugbild, welches feines Herzens Rube geftört, für ewige Zeit zu entjagen und fid) auf Nimmer- wiederjehen von ihm zu wenden, und eine halbe Stunde ipäter ipüít ihn eine unbegreifliche und unberechenbare Lebenswoge juft in ihre Nähe zurüd.

Mun fak er Marga Daja abermals gegenüber, und al$ er fie anjah, al8 er ihre ausgelaffene Stimme hörte und merfte, daß fie fid) befonders bemühte, ihn durch Liebenswürdigfeit und Munut aufs neuc zu umſtricken, ba fam ifm plößlich das VerftändniS, warum er nod)

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einmal ihren Weg frenzen jofíte. Um fid) und feine männliche Standhaftigkeit zu prüfen, um fid) zu über: zeugen, daß feine Augen wirklich und wahrhaftig jehend geworden waren.

Die Marga, welche fid) ihm foeben wicder in feter Weinlaune und angeheiterter Gejelljdjaft zeigte, verlor den legten, ſchwachen Schimmer jenes Glorienfcheing, welchen feine anbetende Liebe ihr ehemal3 um das Köpf- ` chen gezaubert.

Co wie er fie jebt fennen lernte, entiprach fie in nichts mehr dem deal, welches er fid) von ihr geichaffen. Adalbert Eckert, der ftille, ftreng benfenbe Mann, welcher in den folideften Grundjagen erzogen, bie höchten An- forderungen an eine edle Weiblichkeit fiellte, fühlte fid) Durch den leidjtlebigen Ton, bie freien Scherze und ſeltſame Wertraulichfeit des Verkehrs, geradezu ab- geſtoßen.

Wie Entſetzen überkam es ihn bei dem Gedanken, dieſe luſtigen Freunde Margas womöglich in der trauten, feierlich ſtillen Stube ſeines Inſpektorhauſes zu empfangen, ſie als unlösliches Gefolge ſeiner Frau mit in den Kauf nehmen zu müſſen. Nein, dieſe ausgelaſſene Marga, welcher der Wein das Köpfchen rötet und die Zunge löſt, welche immer ungenierter ſcherzt und lacht, und in über— ſchwenglicher Weiſe ihren Erfolg, in geräuſchvollſter Art ihr junges Brautglück feiert, die gefällt ihm ganz und gar nicht mehr, und er ſtaunt ſich ſelber an, wie nüchtern und unempfindlich er ihr gegenüber ſitzt, ſelbſt unter ihren

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leuchtendften Bliden und Gunftbezeugungen mit feiner Wimper zu zuden.

Marga hat den neugierig forjdenden Damen ohne alle Disfretion laut lachend erzählt, daß Herr (dert. ein junger, fehr annehmbarer Witwer in gefichertiter Lebens- ftellung fet, daß fie felber „beinahe“ Feuer für ۷ blonden Herkules gefangen Hätte, wenn nicht Roman, ber füße Böfewicht, kurz zuvor ihr Herglein geftohlen hätte” und was dergleichen Dinge mehr waren.

Kun Hatte fid) die Naive mit den fraujeu ۰ löckchen und der niedlichen Stumpfnafe fehr finblid) ver- traut neben ihn gelegt, ihn mit allem Naffinement und ‘aller Kunft zu bezaubern.

Cie ſchenkte ihm, ohne im mindeſten aufgefordert zu fein, von den Blumen, welche fie an der Bruft trug, id)eufte ihm, ftet3 dringlicher nötigend, das Glas voll und ſtieß mit ihm auf Glü und Liebe, auf feliges Finden und Binden an. Ja, fie erzählte ihm fogar voll herziger ` Unfchuld, daß fie Heute nacht ſchon von ifm geträumt habe, von einem großen, blondbärtigen Herrn, Zug für Bug das Angefiht be8 Inſpektors, welcher wie mit Sturmesflügeln Dinter ihr bergeeilt fei. Sie habe fid) anfänglich ſchrecklich gefürchtet, bie fie fehließlich wie ein gehehtes Wild vor ihm auf die Knie gejunfen fei. Da Habe er fie mit innigem Bli empor an feine Bruft ge- zogen, Habe fie gefüßt und ihr einen Ring angefteckt. —“

Co leije, wie fie aud) geflüftert hatte, bie Nachbarin zur Nechten Eckerts hatte fie dennoch verftanden.

zx. BG ..

Sie hob das {pike Geficht mit fehr ironiſchem Lächeln. „räume find Schäume, liebe Marietta”, jpottete fie, und Träume, weiche man erzählt, werden überhaupt nic- malS wahr!”

Mariettas jugendliches Gefichtchen fah einen Augen- bid recht alt aus, Dann lachte fie fcharf auf: „Darum eben erzähle id) ja, Leuerjte! Ware e8 nicht jchredlich, wenn Herr Edert mid) Halb tot Deben wollte? Cie wiſſen, ich liebe nicht jonderlich eine Promenade zu Fup, fahre lieber in der Drojchfe und nun gar einen Daucr= lauf!”

„Sewiß, gewiß, dag Vorjpiel hat ja in der Regel mit dem Inhalt der Oper nur fo viel zu fchaffen, daß ¢3 Stimmung naden fol! Herr Gert nehmen Sie fid) vor ber (einen Here in Acht! Cie ijt den 1 fehr gefährlich und hat Schon manchen burd) liebfid)e Träume über die fatale Wirklichkeit hinweggetäuſcht!“

(dert ift e8 unmöglich, in einen derartigen Ton ein- zuftimmen. Derjelbe ijt für die Begriffe der leidjtbenfenben und leichtlebenden großjtädtiichen Stünftler eit. äußerft jofiber und anftändiger. Dem Inſpektor aber, welcher einen wirklich frivolen Verkehr noch nicht fennen gelernt, Deucht bie übermütige, unverblümte Weife der entſetzlich.

Die Stimmung wird immer gehobener, der Wein treibt das Blut ſtets hitziger durch die Adern, und der, welcher ihm am unerſättlichſten zuſpricht, iſt Noman Ermönyi.

Die Zügelloſigkeit ſeines Temperaments, die rückſichts—

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(oje Willkür feines nie gehegten und gepflegten Wejeng, fie brechen Dur) die Glajur, welche e3 in Form blafierter Gelaffenheit und intereffanter Nonchalance für gewöhnlich überzieht.

Die Freude über den Erfolg jowohl vor wie Hinter den Couliffen, welche er zuvor zurückgedämmt hatte, wn fid) nichts durch biejelbe zu vergeben, ſchäumt jetzt ۵ maßloßer über und wird unter dem Einfluß des Cham- pagner3 zu einem Naufch, welcher ihn nicht mehr 11 und überlegen läßt.

Gein Benehmen gegen Marga entbehrt jeder Würde und jeden Reſpekts, und e3 gehört bie ganze Harmlofig- feit und verblendete Cingenommenheit dieſes „Kindes“ dazu, um das Ungehörige in dem Benehmen diefes Mannes nicht zu durchichauen.

Wer aber vermöchte das überhaupt in einem Kreiſe, Deffen Glieder fajt ſämtlich burd) verglafte Augen 1: deren Sinne fid) immer rofiger umnebelu, je weiter ber Reiger auf der Uhr vorrüdt, je öfter bie leeren Flafchen gegen volle umgetaujcht werden.

Eckert ijt wohl der einzige, welcher als fteinerner Saft, unberührt und unverändert auf feinem Blab fibt, wie ein grauer elfen, um welchen fchäumende Flut ihre Wellen wirft, um welchen bie Niren ungeftört und ungewürdigt ihr Spiel treiben, vergeblich ihre bethörenden Lieder fingen und unerhirt die weien Arme heben.

Sein fteifes, abweijendes Benehmen reizt bie Damen ganz 08 um Der Seltenheit willen und Die

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Eitelfeit, biejem Schneemann mit feurigen Blicken und Worten zu ſchmelzen, treibt bie Damen in einen feden Wettftreit, bei welchen fid) ſelbſt Marga Daja, bie junge Braut, voll übermütiger Laune beteiligt.

Roman ijt ja nicht eiferfüchtig.

Er jelber verfichert e3 und verlangt von feiner Buz fünftigen biefelbe Bernunft als Gegenleiftung.

Adalbert3 jtarrer Bli trifft ihn.

„Ste werden e3 erlauben, Herr Ermönyi, daß 06 junge rau noch als Sängerin auftritt?”

Hätte er türfijd) gefprochen, würde feine Frage dem Komponiſten kaum unverſtändlicher ſein.

„Na verſteht fich, erft recht! Warum etwa nicht?” fragt er mit gujammengefniffenen Augen, „glauben Sie, man (ipt heutzutage einen Schatz in der Kehle ruhen, ohne ihn zu Deben."

„Sie werden e3 gleichgültig anfehen, wie Shre Gattin al3 bezauberndes, finnbethörendes Wejen, wie fie e heute abend war, auf den Brettern Debt und alle Männerherzen in Flammen ſetzt?“

„Ah! bravo! bravo! Daja, bedanken Sie ſich für dieſes unfreiwillige Kompliment!“

Ermönyis Lippen verziehen ſich ironiſch: „Gleichgültig? o, nein, ſo gleichgültig wird es mir gerade nicht ſein, im Gegenteil, ich würde ſehr böſe werden, wenn meine Gattin nur einhundert Männerherzen erobern wollte, wenn acht: hundert im dem Theater anweſend find!”

„Sie -würden aber jeden Einzelnen würgen, Herr

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Cert, ber e3 wagte, Ihre Frau auf der Bühne an- aujeDen?^ jubelt bie Naive mit zärtlichem Blid.

„Natürlich! Wer weiß, ob der Dynamitattentäter be8 Liceotheaters nicht auch nur der eiferjüchtige Gemahl einer Diva war!”

„Faktiſch, Suipettord)en, würden Cie eiferfüchtig fein?” Eckerts Blick jchweift ruhig über bie ۰

„Fraglos würde id) e3 fein, ich würde nie eiue Frau heiraten, um fie mit der halben Welt zu teilen!”

„Rein, du wirft nicht nein, du wirft nicht, füßer Junge!“ flitet bie Naive als Berline aus dem Don Guan, und fie fchmiegt fid) fo nah an den Sprecher, daß ihr Lockenköpfchen beinahe auf feiner Schulter ruht.

Ermönyi lacht jdjallenb auf. „Gottlob, daß ber Ge- Ichmad verschieden ijt. Was follte aus den Opernhäuſern werden, wenn ein Othello jede Thür bewachte! Cie haben gut gethan, Herr Edert, fid) auf das Strautpflanzen und Startoffelernten gelegt zu haben, anftatt zu komponieren, dichten und fingen e3 ijt bie Nettung ۱۱۱۲ ۲ und Publikum! Sehen Sie, id) denfe ganz anders darüber! Sch werde jelber die Toiletten meiner Frau fontrollieren, Diefelben jo verführerifch und prideind wie möglich zu ge- Halten, id) feiber werde ihr bie Anbeter zuführen, damit bie Edhar ihrer Bajallen auwachſe wie bie Eterne am Himmel, wie ber Gand am Meer!”

Hochaufgerichtet faf Adalbert und {Haute mit bleichen 9(nt(ig in das Dod)gerbtete Geficht des Sprecdhers, aus beffen Augen in dieſem Moment eine ihm beudjte e$

Nv.Cihftruth, SIC Mom u. Nov, Stern des Glücks I. 19

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iierijde Gemeinheit junfelte. Marga Hatte lahend Die Arme um ihn gefchlungen und jchien gar nicht zu ahnen, was ber Mann ihrer Wahl ihr mit feinen Worten anthat.

„Sp, jo —“ nidte (dert mechanijch, und bann fragte er plößlich mit raufer, lauter Stimme: „Lieben Sie denn Ihre Braut und Fünftige Gemahlin, Herr Ermönyi lieben Cie Marga Daja?”

Subelndes, nicht endenmwollendes Gelächter.

Auch Roman lacht, bag fid) ba8 Weiße feiner Angen rot färbt. Er reißt jener Braut das Glas aus ber Hand, welches fie joeben zum Mund geführt hat, ſchwing e8 Dod) und fingt mit heijerer Kehle:

„Die Engel nennen es Himmelsfreud’, Die Teufel nennen e$ Höllenleid, Die Menjchen nennen e3 Liebe!”

priebe, Liebe!” wiederholte der Chor joffenb, dieweil Ermönyi die zarte Geftalt „des Kindes’ am fid) preft, gleich wie ein Sturmwind, welcher die weißen Rofen mit rauher Hand pact und entblättert. Er ftiirgte den Wein hinab, füllt das Glas noch eine, zweimal und leert feinen Inhalt mit unerjáttidjer Gier. Dann atmet er tief auf unb jchiebt Marga zurüd, um jid) mit beiden Armen auf den Tisch zu legen.

Sein ganzes Benehmen trägt den Stempel großer Unmanier und verrät bedeutenden Mangel an Bildung.

„Ob id) meine Braut liebe, Herr Edert?” fragte er ۱1001010 belujtigt: „3a! id) liebe fie. Denfen Sie an id) liebe fie! Aber auf meine Art nicht auf bie

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für den Käfig, in melden fid) bie ‚verliebten‘, pflicht-. getreucn Ehegatten gegenjeitig einfperren, und an Dellen Gitter fie Dennoch zeitlebens ingrimmig rütteln, wie ein König der Freiheit, welcher in ummürdigen und ۰ lihen Banden ſchmachtet. Ja, fehen Sie mich nur an, Cie Anbeter diefes Käfige! Klingt Ihnen die Predigt cines Sreiheitsapoftel3 fo fremd in den Ohren? Dann Düren fie nur weiter! Hören und lernen Cie! Ich bin cin Mann, welcher bie unbejchränfte Selbftändigfeit über alles jchäßt, welcher fie für fid) jelber unbedingt verlangt, unb welcher fie aud) anderen in bemjelben Mape gönnt! Leben und leben laffen. Es gibt fein Glück, welches in irgend einer Hinficht, und fei e3 felbft in der gering- ften, eine Zwangsjade trägt, e3 gibt fein Olid, welches permanent Nüdfichten nehmen fol, fid) fügen und bequemen, jo wie e8 ein [rember Wille oder irgend eine Mode bedingt. Alles, was vorgejchrieben wird, ift ein Zwang, und jeder Zwang ift unerträglich. Bch licbe bie Freiheit, nicht nur in der Liebe, fondern in allen Dingen. 3d) Haffe jede Stellung, welche den Mann bindet und knechtet, id) haſſe jede Vorſchrift, welche ‚Höherer! Wille Diftiert, fet e3 ber des Stönigs, derjenige Der Polizei ober eines Agitators, welcher unter der ſchönſten Devije ‚für Die Freiheit‘ lediglich ein neues Regiment in anderer Façon heraufrevolutiognieren will. Wer befiehlt, ift ja gleichgültig, ob nur einer oder ber wüjte Haufen dcs Volfes, id) mag mir von feinem befehlen ۸ nicht bon Männer-, nicht von Weiberhänden, jelbft

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von biejen allerflcinften nicht. Ich erkenne nur einen Willen an, und das ijf der meine. Ich Stelle e8 meiner grau aber auch frei, ganz genau ebenjo zu Denten und zu thun —“

„Himmel! wenn niemand fich fügen und nachgeben will, was für einen permanenten Speftafel fol ba8 im Haufe geben?” lachte bie Naive hell auf.

„Spektakel?“ Roman aite die Achſeln. „Narrheit. (S8 geht eben jedes Den Weg, welder ihm gujagt.”

„Bravo! (Gebr vernünftig! Ermönyi foll ۸ jubelten die Stimmen der Zuhörer, welche fid) abjolut nicht in ber Laune befanden, lange Reden mit angu- hören; Kranglow fob fein Glas und {tie lebhaft mit Marga an: „Na dann rate ich Ihnen, ſchöne Daja, nehmen Sie gleich am Hochzeiistage ein Nundreijebillet um die Erde, damit Sie fid) nod) einmal im Leben mit Ihrem Gatten begegnen!”

„Und Sie find mit den Anfichten Ihres Bräutigams einveritanden ?^ fragte bie fchlanfe Nachbarin zur Rechten Adalberta, nicht ohne boshaftes Blinzeln gegen bie Kollegin, über die Tafel herüber.

Marga blickte wie verflärt zu Noman empor: „Gewiß, ich bin e8! Sein eijerner Wille imponiert mir! 0 liebe das Rauhe und Energifche an dem Mann.” Das hatte fie Gert. {chon damals verfichert, al8 fie während 8 Ritts im Schnee feine „ſchwächliche“ Vaterliebe verfpottete.

Schweigend jtarrte er nieder in fein Glas, und während Kranzlow ein übermütiges, nicht allzu zartes Couplet an-

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{timmte, yoeldje8 bie Freiheit ber Liebe pries, während die Stimmung an der Tafel ſchon in jenes 6 Gemiſch von gewaltfamer Beraufchtheit und Übermüdung einfenfte, gog er die Uhr und blickte darauf nieder. 8 war bie zweite ۰

Die Naive rib ihm bie Kette aus ber Hand, und bie \chlanfe Blondine zwang ihn mit kräftigen Armen auf den Stuhl zurüd: „Was ba!! fein Spielverderber fein! Wie dürfen Ste aufbrechen, ehe bie würdige Mama da drüben befiehlt —“

„An dieſem Tiſch Huldigt man dem eigenen Willen!” gab Eckert ſcharf zurüd.

„Bravo! Famog gegeben!”

„Dem eigenen Willen? Nur in Liebesdingen, Zu- \peftorchen !^

„Ganz recht! fejjelt ihn, Kinder!“

„Er gehorcht ja der Liebe nicht!“

„Kuſch dich, Löwe! ۳

„Ha ba hab’ ich's Liebe Händchen” trällerte Berline abermals.

„Kinder, ich weiß eine {hine Geſchichte —“

„Hört, hört!“

„Kranzlow hat das ۳

„er fann Schneller rennen ein blinded ober ein fehendes Huhn?” |

Ctürmijdje8 Durcheinander. „Wer's rät, darf bem Kellner einen Kuß geben!”

„Auflöfung, 0۲“

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Der Gefangsfomifer 309 eine verjd)migte Grimaffe.

„Ihr wipt’s nicht, Kinder?” Schämt Gud)! '8 liegt ja fo auf der Hand. Das blinde Huhn fann beffer laufen, ba8 {teht bod) auger allem Zweifel!“

„Sp? und warum denn?‘

Kranglow rüdte vorfichtshalber an die Wand.

„Run .. . weil e8 feine Hühneraugen fat!!^

Rieſiger Lärm.

Gelbft ber jchlaftrunfene Kellner, welcher wie ein blafjes Bild des Jammers um den Tijch gleitet, verzieht das Gejid)t zu einem traumhaften Lächeln.

Und weiter wird getrunfen, immer weiter, DiS fid) Roman Ermönyi mit ftierem Bli nach vorne neigt, und Marga abgefpaunt ۰

„Nehmt e3 mir nicht übel, Kinder id) muß nad) Haufe!”

„Rah Haufe gehn wir nicht, nach Haufe gehn wir lange nicht!” lalt Roman und tajtet nad) dem Glas.

„Roh ein Hoch auf den Erfolg und auf das Braut- paar!”

"Sod! Hod! ۳

Der Komponiſt erhebt fid) wanfend, Heft einen Augen: bli und fink Schwer auf den Stuhl zurüd.

„Rinder! Kinder!! Leutchen er hat einen 7 lachte Marga harmlos.

„Einen koloſſalen Schwipps! Holt ben Totenwagen, id) werde den Unjterbliden nad) Haufe bringen!“ ٥8۶ Kranglow, felber nicht mehr gang ficher auf den Fügen.

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„Aber, mon Dieu! wer fol mid) denn begleiten?’ entjeßt fid) Marga plötzlich ganz weinerlid).

„Unſinn, Täubchen id) bringe dich!” lacht Roman mit einem neuen Verfuch, fich zu erheben, „aber eine Drojchfe muß ich haben . . . zu Fuße t8 nicht.”

Edert fteht neben der jungen Sängerin und zieht fie mit undefinierbarem Blick auf den Beraufchten von Er- mönyis Seite hinweg.

„Da3 ijt unmöglich —" fagt er rauh. ‚Nehmen Sie, bitte, Shren Mantel um, Fräulein Dalberg! Sch dürfte jest wohl ein zuverläfligerer Schuß fein wie thr Herr Bräutigam.”

„Auh gut .. . meinetwegen . . . Haft ber Kerl Dat ret und . . . eiferfüchtig bin id) ja nicht, Kinder —“

Mit einem beinahe verächtlichen Ausdruck in den ernſten Zügen wandte (dert. dem Wanfenden den Rüden, um Marga behilflich zu fein, den Mantel anzuziehen. Die Kleine jd)fang ben weißen Spigenf{hawl um das Köpfchen und lächelt vertraulich zu ihm auf. „Sie find entzücend liebenswürdig, amico mio! Co recht in Wahrheit ein getreuer Effehard, welcher jtet8 zur Stelle ijt, mir Hilfe zu bringen. Wundern Cie fid) nicht über Roman! An einem folchen Freudentag wie dem heutigen darf man 8 einem Stünftler nicht übel nehmen, wenn er ded Guten zu viel thut! Er tranf ja auf mein Wohl, und Gie wijfen doch, lieber Gert: Wer niemals einen Rauſch gehabt, ber ijt fein braver ۳

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Ein wunderliches Lähen Hufchte um feine Lipper. „Sh glaube, felbjt ber Rauſch Ihres Bräutigam . imponiert Ihnen, Fraulein Dalberg?” fragte er.

Sie lachte filberhell auf. „Wenn ich ehrlich fein foll ja! 58 liegt fo etwas Männliches darin, etwas, 8 ich ihm nicht nachthun könnte und möchte. Gin Mann fann auch im Lafter groß fein! Und folde Männer, welche wie gute, friedliche ämmer nur immer den Weg tugend- after Pflicht trollen, die find unbejchreiblich langweilig !^

„Daja, Cie find ein Juwel!“ lachte Kranzlow mit anggebreiteten Armen. „Wenn Sie 60 Pfund fchwerer wiegen wollten, gäbe c3 feine beffere Frau für mich, als wie Ste!”

Marga ward momentan von Adalberts €cite gedrängt, was benjelben einer Antwort enthob. Er ftand und ۰ falt, beinahe feindjelig auf das Häuflein Inftiger Menjchen, welche jo fündhajt und gewiſſenlos mit den heiligften Ge: fühlen fpielten. Bor einer kurzen Weile nod) hatte er dag „Kind“ aus tiefitem Grund feines Herzen bedauert. Da war e8 ihm zu Mute gewejen, als müjje er blutige Thranen um ihr Lebensglid weinen jeht hatte er weder Klagen nod) Thränen mehr für fie. Ihre ۵ Narrheit verdiente fein Mitleid, und e3 gejchah ihr recht, wenn fie im Leben fo lag, wie fie fid) jebt voll thörichter Laune bettete.

„Alles, alles geht vorbei,

Ad) was bleibt von Olid und Mai? Diirre Blätter! Ditrre ۳

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Dergueilte und zärtlichen Abjchied von ihrem „ganzen Mann“ nahm, um mit dem Kellner für feine Berfon abzurechnen. Dann wandte er fid) mit einer fühlen Ver: neigung gu der jungen Sängerin: „Darf ich bitten, Fräulein Dallberg! Es wird wohl Zeit, zu gehen!”

Ermönyi war wieder auf einen Stuhl gefunfen und ließ den Kopf tief auf bie Bruft hängen: `. „Müde . . müde! . . . eine Drofchke, Kinder! . . . mir ijt e8 fo verdammt jchläfrig! Rranglow, Kleiner Satan du! fud) feine Händel mit mir ... reize nicht ben Löwen... Du weißt ich fann fchauderhaft grob fein. . A

Der Komifer flappte ihm ftatt aller Antwort mit bem weichen Filzhut auf den Kopf, {ob den Arm Eräftig unter Den des Gefeierten und eSfortierte ihn ohne große ۱۱۱۱۱۸۵۱۱۵۵ burd) bie Thür.

Marga wollte fid) ausfchütten vor Lachen: „Nein es ift gar zu komisch! Roman mit einem Schwipps

. D, wie werde id) ihn damit neden!" und dann nahm fie ungeniert Ederts Arm und {lop fid) bem Kleinen Trupp ihrer Gajte an.

Mur wenig Flammen brannten mod) in den leeren Galen de3 Lofal3, die Schwere Luft machte fid) unangenehm bemerflic).

„Oott fei Dant, ein frifcher Hauch!” atmete Marga Dod) auf, als fie in den blumengejchmüdten Hausflur traten, „wie wohl dag thut!”

Auf Der Straße ein bewegter, lärmender Abfchied. Nach allen Seiten zerjtreute fid) das übermütige 1۱۷۱

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unb bie Drofchfe, welche Roman und Kranzlow aufge: nommen, rumpelte fchläfrig die Straße hinab.

„Ich tenne Ihren Heimweg nicht, Fraulein Dalberg!” jagte dert im Weiterfchreiten zögernd, „wäre e3 nicht beffer, auch einen Wagen zu ۲

Cie jchitttelte haftig das Köpfchen. „Luft! Luft, Cla- bigo! Sd) freue mid) ja, nod) einmal tüchtig Durch- atmen‘ zu fünnen. Das Wetter ijt aud) fo (din —"

„Es droht mit Regen.”

„Rur eine furze Querſtraße noch, und wir find am Ziel Megen fürchte ich nicht, nur den Wind, den id)red(iden Wind! Bor bem zittere ich!”

„Bringt er Ihnen Erkältungen mit?"

‚Mein, Das würde meine geringjte Sorge fein.”

„Und was fcheuen Sie jonjt an ihm?”

Da ſchmiegte fie fid) ganz feft an ihn und flüfterte mit angjtvoll großen Augen: , 3d) bin furdtfam! Sch graule mich wie ein Baby vor Dingen, welche ich nicht begreifen fann. Und den Wind, bieje8 unfichtbare, un- heimliche Weſen, begreife ich nicht! Sit e3 nicht ein graufiger Gedanke, pliglid) von jemand gefaßt, gezauft und gefchüttelt zu werden, ben man gar nicht fieht? Etwas heulen und pfeifen zu hören, was man nicht feft- halten und mit Augen fchauen fann? Welch ein ge- Heimnisvolles Wefen fliegt um mid) Der? Was für Geilterbünbe berühren mid? Puh es ift fo ۴۶ haft! Sch male mir jedesmal jd)redí(id)e Gejpenjter aus, welche ba in ber Luft herumtollen, und ich lanfe

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fort vor ihnen. . Sch verftecte mich im fernften Winkelchen, wenn die Sturmgeilter durd) die Straßen toben!”

Er idjüttelte mit ernfter Miene den Kopf. „Wie finnen Sie fic vor einer unjerer harmlofeiten Natur- erfcheinungen entjegen, welche Ihnen jeder Gelehrte, ja wohl mancher Late auf bie einfachite Art erklären fann? Cie find in der That ein Kind, Fräulein Dalberg, ein großes Kind. Bor dem Saufen und Wehen in ber Luft fürdten Cie jid), und bem Chim, dem wülten Sturm ber LReidenjchaften in der Menjchenbruft rufen Sie mit lachenden Lippen Beifall! Haben Sie nie daran gedacht, daß e3 viel gebotener fei, fid) vor ben unfidjtbaren Ge- waltigen zu hüten, welche nicht Mantel und Hut zaufen, Sondern den inneren Menjchen voll roher Gewalt 7

„Nein, an fo etwas denfe ich nicht!” lachte fie naiv. „Barum aud? Was gehen mich fremde 1 an. Und was meinen Sie überhaupt mit dem ‚inneren‘ Menschen 2

„Ich meine die after, welche derart über einen Menjchen Hinbraujen fünnen, daß fie ihn zu einem Tier erniedrigen und derart in den Staub herab drüden, daß fie alles in den Abgrund reißen, was Hand in Hand mit ihm ۳

„Bas fümmern mich die Verbrecher?” Der Sturm, welcher fie packt, brauft weit ab von mir.”

„So? Wahrlich? ES giebt Verbrecher, welchen niemal3 ein Zuchthaus Droht, Verbrecher, welche nicht mit Dold) und Gift Menſchen töten, jondern welche heim: lich und Hinterliftig Tugend, Ehre, Sitte, Git und Liebe

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gar zum Verbrecher ftempeln, weil er Heute abend ein Släschen über den Durft getrunfen? Mein Himmel, was für Pendanten feid ihr bod), ifr braven, welt- fremden Leute aus der Proving! Als Cie ehemals Spr landwirtichaftliches Cramen glücklich betonnen und biele8 frohe Ereignis feierten, haben Sie da nicht auch einen Rauſch gehabt?”

„Nein! Sch geftehe e8 ehrlich ein, felbjt auf die Gefahr Din, Shnen auch Dadurch abfolut nicht zu 07

„Dag thun Sie allerdings nicht. Seien Ste mir nicht böje, aber ein Mann, der nicht trinfen und nicht bei guter Gelegenheit aud) einmal zu viel trinken fann, der ijt ein fchlafmüßiger Gejel, ein Echwächling, der niemals große Thaten vollbringen wird!”

„sh darf Ihren Vorwurf ohne Erröten anhören. sch bin gwar eine Schlafmiige und Schwächling in Ihrem Ginn, denn ich habe mir mie eine Unregelmäßigfeit im Trinken zu fuben kommen laffen, aber meine Prlicht habe id) trogbem gethan. Sch 309 als Unteroffizier anno fiebzig mit in das Feld und bin al3 Leutnant der Nejerve, al& Ritter be8 eijernen Kreuzes heimgefehrt. War Herr Ermönyi aud) Soldat?”

Marga big fid) auf die Lippe: „Nein, Gott fei Dant Dat er fid) nie unter Da3 rohe Kriegsvolk gemijcht!” trobte fie eigenfinnig; „denn er ift gleich mir ber Anficht, Daf nicht allein auf dem Schlachtfeld große Thaten gethan werden! Haben Sie heute abend nicht das Feld der Ehre gejehen, auf welchen er feine Lorbeeren pflückte?“

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„Sie pfliidten noch mehr deSfelben an feiner Seite, unb ein Lorbeer, welchen auch Frauenhände ernten fonnen, Deucht mir bod) nicht derjenige ftolzen Mutes und ftolzer Mannhaftigkeit! Den Künftlerlorbeer fann meiner Anficht nad) jeder Schwächling ernten, jede Schlafmüße, welche als Soldat unbrauchbar fein würde!”

„Sie Iprechen nur von körperlichen Eigenfchaften, ein Schwädling des Geistes wird auch niemals ben Künftler- [orbeer erwerben! Und ich laffe e8 jedem ٥ه‎ frei, der äußeren oder inneren Kraft den Vorzug zu geben!”

„Es bliebe abzuwarten, welcher Chrenfrang fid) dauer: after ermeijt! Aus dem meinen hat nie eine Kritik ein einzige Blättlein gezupft!“

„Kritik!“ Höhnte Marga. „Spielen Sie auf Zeitung? fritif an? Treten Sie bod) einmal mit Ihren Heldenthaten vor ein taufendföpfiges und taufendzüngiges Publikum, und laffen Sie ung dann abwarten, wie viele Blättlein 1 bie Mißgunſt und Oppofition an Ihrem Krange läßt.” Gie legte 160111103 den Arm wieder in den feinen, lachte und hob mit reizendem Ausdrud ihr ۰ „Aber warum ftreiten wir und um Kaiſers Bart, amico mio? Wir waren foeben auf dem beiten Wege, recht Idiot ins Zeug zu geben, Thorheit! Halte Feder den Kranz, den er im Schweiße feines Angefichts erworben! Wüßte id) nicht, Sie Nitter ohne Furcht und Tadel, daß e3 lediglich die Ciferjucht ift, welche aus Ihnen [jpridjt und ben Nebenbuhler verdächtigen möchte fie lachte

N. v. Eſch ſtruth, SH. Rom. u. Nov. Stern des Glüds ۰ 20

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Ihelmifch auf „fo würde id) Ihnen Ihre Worte bitter übel nehmen, aber jo in diefem Fale —“

„Eiferſucht?“ er fragte e8 fehr fühl und fein Geficht blidte in bem falen Lichtichein jo fteinern zu ihr herab, daß bie junge Dame neben ihm gang betroffen verftummte. Dann fiegte abermals die übermütige Weinlaune, welche fie noch völlig ۰

„Aber Sufpeftorden wollen Sie etwa leugnen?”

„Was ſoll ich leugnen?”

„Daß Cie immer ein großer Verehrer von mir ge: melen 2”

„Rein, das leugne ich nicht.”

„Sehen Sie, o Sie ۳

„Ich verehre viel auf diefer Welt; aber nur das, was mir wirklich der Verehrung wert ۳

„Sehr fchmeichelhaft. Mfo Sonne, Mond und Sterne!”

„Sanz recht, auch diefe.”

„Wiſſen Sie nicht, daß man die Sterne nicht be- gehren ۲۳

„Gewiß weiß ich das, die’ gebietet bie einfachite Ber- nunft!“

„Und dennoch dennoch eiferſüchtig, Eckert?“ Sie ſtützte ſich feſter auf ſeinen Arm und blickte mit zaube— riſchem Lächeln zu ihm auf. Seine auffallend gleich— gültige und gelaſſene Art überraſchte ſie, und weckte alle Teufelchen der Eitelkeit, eine Flamme zu ſchüren, welche ſie lediglich zu ihrer Beluſtigung brennen ſehen wollte.

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Er wandte erftaunt den Kopf, mit aller ۶ Derrjdjung jab er fie groß an. ,,Ciferjudjt? Gie ges brauchen bieje8 Wort zum zweitenmal, Fräulein Dallberg, und id) verjtand e8 weder vorhin, noch ۳

„Stolz lieb’ ich den. Spanier! aber nicht meinen guten, alten Sloringhofer Freund Edert! Warum wollen wir und nicht ehrlich ausſprechen? Gie find erbittert, das nterfe id) Ihnen aus jedem Wort und jeder Miene an, unb doch möchte ich jo gern im guten, alten Frieden von Ihnen ۳

Seine Brauen zogen fid) zufammen. „Sie dichten mir Gefinnungen an, welche mir durchaus fern liegen! Wären unfere gegenfeitigen Beziehungen im mindeften getrübt, würde ich in Diefem Augenblid nicht an Ihrer Seite idreiten! Wie kommen Sie auf bie feltfame Idee, daß id) erbittert ober eiferfüchtig fein fol?”

Cie ward unruhig, biejer ungewohnte Ton ver- droß fie.

„Wie id) darauf tomme?” ſchmollte fie mit ber Miene eines eigenjinnigen Kindes. „Als ob ich auf diefe 6 gefommen wäre!”

„Nicht Sie? Wer ٤۳۶

„Beuedikta! wie finnen Sie noch fragen! Sie war e8, welche in größter Aufregung zu mir fam, nad) dem plöglich verjchwundenen Inſpektor zu judjen! Da ſchuldigte fie mid) bireft an, daß unglüdliche Liebe Sie gar in den Tod getrieben habe!”

Ein lautes, febr herzliches Lachen. „Baroneß hat fich

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wohl einen Echerz erlaubt! Welch eine Licbe follte fo groß fein, daß fie diejenige zu meinen Rindern entwurzeln fönnte! Nein, Fräulein Dallberg, jo jentimental, ober beffer gejagt, jo ehrlos bin id) nicht beanlagt, jemals um der Liebe willen die Pflicht zu vergejjen! Wie fam Fräu— (eim von Floringhoven auf diefe unglüdliche Idee, zu welcher nicht bie mindefte Veranlaffung vorlag?”

„Reine Veranlafjung?” fuhr Marga pifiert empor, „lie glaubte wohl, der heutige Abend jet Veranlafjung genug!”

„Inwiefern? Berzeihen Sie, Fraulein Dalberg, ic) Schlafmütze bin fchwer von Begriffen!

Sore Lippen zudten ironisch. „Cie wären wohl nicht der einzige Mann, welcher Heute abend Feuer für bie ‚Zodgeweihte‘ gefangen!”

Abermal3 lachte er leife vor fih Hin. „Und wenn id) e3 dennoch wäre?”

Cie braufte ärgerlich empor. „Dann wäre ¢3 eine Lüge, welche ich nicht glaube!”

„Si, ei, wie eingenommen folh ein junge Dame bod) ift!” fpottete er, immer Fühler und faltblütiger werdend, je mehr fid) feine Begletterin erhigte, und ein Geſpräch Deraufbejd)mor, welches der jolibe Pedant an ihrer Cette ebenfo unpaffend wie ab[toBenb fand. „Und warum find Cie jo überzeugt von meinem eroberten Herzen?”

Cie warf ba8 Köpfchen zurüd. „Weil das Herz in den Augen liegt und fic) Die und da verrät!”

„Sollte aber die Eitelkeit auch in biejer Beziehung nicht

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mehr jehen, al3 vorhanden ijt, 0 uur das, was fie gern jehen ۴

„Möchte?

„Fraglos möchte. Wäre e8 Ihnen gleichgültig, ob ich an brem Triumphmwagen mitziehe oder nicht, würden Cie mir jebt nicht gemaltjam Gefühle aufnötigen, welche mir durchaus fern liegen!”

„Sie liegen Ihnen fern, feit meine Verlobung ver: öffentlicht ward!” {tie fie brüsf hervor. Die ٤ Heine Dame Hatte niemals einen Widerfprud) ertragen und nie in einem Streit vor bem Gegner die Waffen gez ۱1۳601 auch jebt führte fie voll unüberlegten Troßes den Disput fort, gleichviel ob fie eine Hägliche Rolle dabei jptelte oder nicht.

„Ich wußte noch nicht davon, al8 ich das Theater verließ !^

Cie jtubte. „Und warum entflohen fie aus bem Theater? Aus Vernunft, um dem Einfluß eines Sternes, welchen man nicht begehren darf, zu entgehen?” Sie lehnte fid) feiter auf feinen Arm und blidte fchmeichelnd zu ihm empor. „Seien Sie doch nicht fo halzftarrig. Sit : denn fo fchlimm, einem Weibe gegenüber der Be- fiegte zu fein? Sit e8 denn eine Schande zu lieben, war e3 eine Sünde von mir, den Mann zu wählen, welchen mein Herz erfor? Warum wollen wir nicht aufrichtig zu einander fein? Gie follen und müfjen al3 Freund von mir geben!”

„Da3 thie ich, Fräulein Dallberg, und verfichere Cie

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abermals, daß ich Ihnen nichts, abfolut nichts übel ge- nommen habe! Wenn ich ba8 Theater vorzeitig verließ, jo gefdah e3 aus Abneigung gegen eine Schauftellung, welche mir nicht fympathijd war. Die Marga Daja auf der Bühne drunten gefiel mir nicht fo gut wie Die- jenige in ۰

„Die? wie?!” rief bie junge Sängerin mit einem Wusdrud des Gutjeben8 in bem reizenden Geficht, welder den Sprecher überrajchte. „Ich habe Bhnen nicht ge- fallen? Sie find unzufrieden mit mir?!”

Er fab ihr ernjt in die Augen. „Nein, Fräulein Dallberg, Sie haben mir nicht gefallen!” fagte er feft. „Ihr Herr Bräutigam ijt nicht zugegen und fann meine Anficht nicht al& Oppofition gegen die feine ۰ Sch achte in Bhnen bie Holde anmutige Weiblichkeit, ۰ e8 verftand, burd) unbewußten Zauber zu entzüden. Heute abend entgiicten Sie das Publikum nicht unbewußt, fie entzücten e8 burd) eine Menge von Kunftmitteln, welche Shnen 830۲ Beruf wohl gebietet, welche Sie aber in meinen Augen entwürdigten. Ich habe feinen Sinn für ba8 Theater, id) bin zu engherzig, um e3 zu billigen, daß eine Dame, bie ich hochachte, als Zielfcheibe aller Wünſche und Begierden, aller Läfterfucht und frivoler Beurteilung auf bie Bretter gejtellt wird. Sch nenne mich nur Ihren Freund, Fräulein Marga, und bin in Diefem alle haben Sie vielleicht recht zu eifer- 11100110 auf Ihre Würde, um Sie mit einem hundertföpfigen Publikum lachen und fofetticren zu jehen, wäre id)

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Shr BVerlobter ober Ihr Gatte, würde id) Sie zu lieb haben, um Sie auf der Bühne erbliden zu können. Gie hören, id) bin ehrlih. Was vielleicht Hunderte von leichtdenfenden Männern entzüdt, Hat mich ermüchtert. Mein Geldjmad, die Frauen betreffend, ift ein anderer, und Margarete Dallberg in Floringhof war mir ohne Lorbeer, ohne Schimmer und Glanz, ohne Ruhm und Ehren taufendmal lieber al8 Marga Daja, welche heute abend den größten der Erfolge gefeiert!”

Wie vom Donner gerührt, ftand fie an feiner Seite. Minutenlang rang fie nad) Atem. Dann hob fie mit aufbligenden Augen den Kopf. „Sie fagen mit anderen Worten, Roman Ermönyi liebe mich nicht, weil er meinen Triumphzug über bie deutfchen Bühnen nicht aus prüdem Egoismu3 verhindern will?” Ihre Stimme Hang jcharf, fie löfte jählings die Hand aus feinen Arm und gog die 9tadjtalode ber Hausthür, vor welcher fie ftanden.

„Sr liebt Sie aber . . . wie er fagt auf feine Art!” Hochaufgerichtet ftand er neben ihrer Elfen- geitalt. |

„Und feine Art dürfte mir wohl bie wahre und richtige Dünfen! Ich danke Ihnen für Ihr Geleit, Herr (dert, ich bin zu Hanfe!

Er blickte fie ernfthaft an. „Leben Sie wohl, Fräulein Marga, und wem ich Ihnen noch einen Freundesrat mitgeben darf für Shr gufünftige8 Leben, fo folgen Cie dem Eindlichen Inſtinkt, welcher Ste mahnen will, fürchten Cie den Wind und Sturm —! Nicht jenen, der unter

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Gottes freiem Himmel weht, jonbern jenen, welcher in den Menjchenherzen alles Glick über den Haufen bläft!”

Er bot ihr die Hand zum Abjchied entgegen, mit furgem, ſpöttiſchem Auflachen wandte ihm das „Kind jedoch den Rüden und flog wie ein Schatten durch bie breite Hausthür, welche der Portier, auf ihr Klingeln er: ſcheinend, vor ihr öffnete.

Ohne Gruß, ohne Abjchiedswort fchied fie, und bie ſchweren Thürflügel fchlugen laut fradjenb Hinter ihr git.

Einen Augenblid nod) {tard Adalbert Eert und war- tete, bid ber faderube Lichtichein Hinter den Flurfenftern verid)manb, dann Hob er das Haupt in den Naden, ۸ und hochaufatmend wie ein Kämpfer, welcher einen ſchönen Sieg erringen.

Und er fatte geliegt, hatte bie ſchlimmen Gaufelbilder ſeines Herzend in die Flucht gefchlagen, jene trügerifchen Phantome, welche ihm Frieden und Glück rauben wollten! Als er bie Reife nad) der Nefidenz antrat, hatte er nur den einen felig fcheuen Wunſch gehabt, feinen Lieblingen daheim eine neue Mutter mitbringen zu können, da lebte Margas Bild noch im fledenlojen Glorienjchein jeiner anbetenden Liebe, und jebt, al8 er heimfehrt, dankt er Gott auf den Knien, daß er feine Kinder vor einer Stief— mutter bewahrte, welche ihnen wohl manches, nur nicht bas, was fie je beglücen würde, zugetragen hätte.

„Ich Hatte cinft ein blondes Mädchen lieb, 8 war ein Traum!”

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oa, er fann e3, er fann wunderjüß träumen, ahnungslos, daß er an einem Abgrund ruht, aber er fann, gottlob, auch erwachen! Die Morgenluft ftreicht frisch Daher, am Himmel flammt der erfte gelbrote Gruß des jungen Tages empor, unb Adalbert Eert fchreitet ihm erlöften Herzend entgegen.

Benediftad Stimme Klingt ihm vor den Ohren: „Sch Datte einjt ein blondes Mädchen lieb, . . . . . e8 war ein Traum.” Aber bie Worte klingen nicht mehr tod- traurig wie in dem Turmzimmer von Floringhof, ۰۷۴ aud) durch fie Hallt ein heimlicher Frühlingstroſt gejeg- neten Erwachen aus einem Winterjchlaf unb Wintertraum.

Marga Daja drüdte das brennende Antlitz in bie ۰

Sie war fo müde gewefen, fo todmiide.

Nun lag fie mit weit offenen Augen und fonnte doch nicht ſchlafen!

War e3 die Erregung, ber haltloje Jubel eines jungen bräutlichen Glückes, welche ihr die pochende Glut in bie Schläfen trieben und rofige Zufunftsbilder vor ihr ents rollten? Bilder voll Liebe und friedlichen Glücks, Bilder voll Baradiefeswonne und

© nein, Marga Daja dachte faum an den Ring an irem Finger.

Cie hatte ja {don lange genug Beit gehabt, fid) feiner im voraus zu freuen und ihre Eitelfeit in feinem lange zu fonnen. Was bedeutete diefer goldene Reif für Marga Daja? Den Triumph, die Frau eines berühmten Mannes

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zu werden, um welchen fid) bie meiften Kolleginnen fo jehr bemüht hatten, und welcher unter allen ihr den Vor: zug gegeben! Die angenehme Ausficht, in baldiger Che frei unb felbjtändig zu werden.

Marga Daja war eines jener unzähligen. Mädchen, welche zu eingebildet find, um lange auf einen Mann warten zu wollen, welche darauf [o8Deiratem, ohne zu überlegen, „ob fid) ba8 Herz zum Herzen findet“, welche um jeden Preis je eher, je bejjer unter bie Haube zu fommen ftreben. Boll kindifcher Illuſionen, leichtlebig, an- fprud3voll und ahnungslos beffen, was bie 2 würde und Hausfrauenbiirde von ihnen verlangt, rennen fie blindling3 in Feſſeln hinein, welche fie nicht jehen wollen und welche fie nun bod) für ein ganzes Leben ertragen jollen!

Was Wunder, wenn der goldene Ring am Finger zu dem erften Glied einer unerträglichen Kette, wenn der Treueſchwur des Verlöbnifjes zur $trieg8erflürung für bie unglüdliche Ehe wird!

Marga Daja hatte niemals weit vorausgedacht. Der Reif, welchen Roman ihr unter Moden und Scherzen an- gefteckt, Hatte feinen Zauber verloren, feit fie ihn bejaß, gleichwie ein Kind gelangweilt ein Spielzeug beijeite wirft, wenn e8 den Reig der Neuheit verloren. Roman Ermönyi hatte fie anfänglich durch feine Gleichgültigfeit gar zu unbefchreiblich geärgert und ihre eigenfinnige 2 feit entflammt, gerade ihn, den Opponiften beherrfchen zu wollen.

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Cie hatte e3 nicmal3 ertragen, überjehen oder ver- nadj(ájfigt zu werden, und hatte e$ auch dem jungen Rom- poniften gegenüber fich in den Kopf gejebt, ihn wie alle anderen zu ihren Füßen zu fehen; Trauben, welche Hoch hängen, find für den Ehrgeiz nicht immer fauer, fondern doppelt heiß begehrt. (8 liegt in der menschlichen Natur, etwas dringend Erwünjchtes mit allen denkbaren Vorzügen und Vollfommenheiten auszufchmüden, und aud) Margas Phantafie arbeitete fid) gewaltſam in Illuſionen hinein, welche Roman Ermönyi mit den Tugenden eines Halb- gottes ۰

Da fie nur das Beſte an ihm fehen wollte, fo fab fie e8 auch; denn teil war fie nicht Scharfblidend und Menfchentennerin genug, um die Schwächen und Fehler zu entdecken, andererfeit3 fchloß fie gewaltfam die Augen, voll finbijder Eigenwilligfeit bei der Überzeugung ver- Darrenb: „Was ein (Srmongi thut, ijt ein für allemal wohlgethan.”

Und nun lag fie mit fiebernden Pulſen in den Kiffen, ftarrte auf bie Fenjterqgardinen, welche immer heller und rofiger von dem erwachenden Tag durchleuchtet wurden, und frampite in ohnmächtiger Erregung bie Heinen Hände zujammen.

Sie dachte mit feinem Gedanfen an den Bräutigam, ber war bejiegt und mit Nofenfetten gebunden als über- ۱۵۱۱۲۱۵۵۱۱۵۲ Standpunkt vor ihre Füße niedergelegt, fic Dachte lediglich an ihn! Den Unerhörten, Empörenden, welcher e8 gewagt hatte, einer Marga Daja Dinge in

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bas Geficht zu jagen, wie e3 nod) fein Sterblider vor ibm fid) erdreijtet!

War e8 au$3ubenfen! Er, ber Jnjpeftor dert, ber Mann ohne Cang und Klang! Der Bauer der Habenicht3! Der Unteroffizier in Civil er, er hatte bor Schluß das Theater verlaffen, weil ihm Marga Daja in ihrer herzbeitridenden Glangrolle nicht gefiel.

Sft jolch eine Vermeffenheit auszudenfen ?

Früher in Floringhof Dat fie ihm beffer gefallen? Undenfbar! Sit fie während weniger Wochen etwa alt und häßlich 72

Nein, taufendmal nein! Cie hat ja genugfam Beweife, wie viel Eroberungen fie juft gejtern abend gemacht, und cr Diejer will ihr opponieren.

Sollte e$ nicht Hap und Rache gegen die „Braut 8 Anderen” gemejen fein?

Kein, er ahnte ihre Verlobung nod) nicht, al3 er 8 Theater verließ, er entfernte fic) mit gleichgültigem Vor- jag, Marga Daja nicht wiederzuichen; fein Erjcheinen in dem Lokal war thatfächlich ber Zufall, das fab fie feinem entjeßten Geſicht an, mit welchem er fie anftierte. Hatte fie ihn nicht beinahe gewaltfam in ihren Kreis ۷ miiffer? Hat er nicht ftet3 von neuem verfucht, fid) zu verabfchieden ?

Wieviele Hunderte hätten wohl alles darum gegeben, an diefem Abend einer Marga Daja gegenüber figen zu finnen, und er, bie Einfalt vom Lande, wendete ihr un- gerührt den ٣۰

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Wie ift ba8 möglich?

Er war ihr glühender Verehrer, warum ijt er e3 plöß- lich nicht mehr? Sie Thörin hatte fid) eingebildet, fein ſtummes unbeholfenes Zielen in der Garderobe fei hoch: gradiges Entzüden ۰

Unfinn! Es war wohl {don ein mißbilligendes Muſtern ihrer ۰

Mehrte er e8 anfangs nicht auch ojtenjibel ab, Daf fie ihm noch eim Billet verjchaffte? Führte er fein Er- ſcheinen im Theater nicht lediglich auf einen Befehl Bene- bifta8 zurüd?

Was war gejchehen?

Brennende Glut fteigt pliglich in Margas Wangen. Vielleicht war e3 unbedacht von ihr, fid) dtefem ۲۲ Naturmenfden in ihrem Theaterpug jo ganz in nádjtet Nähe zu zeigen! Seine fcharfen Augen fahen die fiinft- lichen Hilfsmittel, welche ihre Schönheit bildeten. Und das hatte den ftrengbenfenben Woraliften ernüchtert.

Sagte er nicht: Sie entzüdten das Publifum nicht unbewuft, jondern durch eine Menge von 72 Fraglo3! Ihr Koftüm, ihre PVerrüde, ihre Schminfe hat ihn entrüjtet! Hahaha! diefer pride Joſef! Marga möchte auflachen, aber fie fann e3 nicht, ihre Kehle ift wie zugefchnürt. Gie gräbt bie fpigen Zähnchen in Die Lippe.

Und waren e3 diefe Kunftmittel allein, welche er ver- Dammte? Nein, er richtete ja auch ihr Lächeln und Kofettieren in das beifalljpenbenbe Publitum. Er hat eg

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genau beobachtet, wie fie mit Did und Miene bemüht war, das Feuer nod) zu fchüren.

Einfaltspinjel ber! Was veritand er von den Sitten und Gebräuchen einer Couliffenwelt.

Ein Schneeball zündet nicht! Und ein gleichgültiges und faltes Publikum applaudiert nicht. Wo jollte Erfolg und Renommee Derfommen, wenn bie Divas fein Lächeln, feinen feurigen Blick für die Menge übrig hätten?

Kur ein Pedant, ein derart beichränfter Mann vom Lande fann jolh verbauerte Anfichten ausiprechen. Was liegt Marga Daja daran?

Mag er bod) zwanzigmal nach Haufe gehen! 8 bleiben nod) unzählige, maßgebende Augen, Ohren und Hände in dem Opernhaus, welche voll diltinguierteren Ge- ſchmacks eine erjte Sängerin auf den Schild heben!

Und bod, und bod! |

Hier, tief innen, ganz heimlich unb unbezwinglich regt fid) etwas in Margas eitlem Herzen, was einem tief verlegten Stolze gleicht!

Der Funken brennt, welcher eine Feuersbrunft entzünden fan.

wurmt fie! nagt ihr an der Ceele.

Noch nie Dat ihr Selbſtbewußtſein eine ſolch ۰ lihe Niederlage erlitten.

Ein Mann, welcher fie geliebt Dat, wendet fid) gleich- gültig von ihr, in einem Augenblid, wo Marga Daja bie höchite Sprofje bes Ruhmes erflommen. Wie ijt das möglich? Ehemal3 ärgerte e3 fie, bap biejer Inſpektor

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ohne Namen und Mittel, biejer fimple Mann aus dem Volke e3 wagte, die Augen zu ihr, ber verwöhnten, an- fpruchsvollen, fleinen Iheaterprinzejfin zu erheben, und jeßt verlegt und ergrimmt e8 [ie noch taujenbmal mehr, daß biejer jelbe Mann eS wagt, fie faltlächelnd auf- zugeben!

Was je an Selbjtüberhebung und Gefallfucht in ihr geſchlummert Hat, bäumt fih wild auf gegen bieje Stieberíage.

Sie will nicht von ihm überfehen und beifeite gefchoben fein! Er foll an ihre Macht glauben, er foll vor ihren süßen im Staub liegen wie jeder andere, welcher Margas Weg freugt! Will er etwas Befjeres fein, als Roman Ermönyi?

Beim Himmel, er bildet e8 fid) ein!

Wie jtolz, wie verächtlich blickte er auf den وس‎ nieder, welcher nicht mehr im jtande war, feiner Braut ein Schub und ficheres Geleit gu fein, als Roman den Arm um ihn legte mit ber Verficherung, bie ganze Zeche bezahlen zu wollen!

Das duldete der Bettelftols eines Gutsinſpektors nicht. Marga ballt die Hände und preft fie gegen die Stirn.

(S8 ift empürenb! C83 ift eine Schande!

Warum pajfierte Noman auch gerade an biejem Abend das Pech, fid) zu betrinfen ? Jeder wird eg an folch glänzendem Doppelfeit vegretflid) und verzeihlich finden, nur er der Sittenrichter aus Floringhof nicht!

Und ifm gegenüber ärgert e8 Marga doppelt. Wie

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jelbjtbewußt und prablerijd) jagte er: „Ich war uie in meinen Leben 1

Er! natürlich er, der feinen Grofden zum Bertrinfen hat! Früher ijt er allerdings reid) gewejen, aber pab! Er war wohl ſchon damals berje(be ſchlafmützige Patron wie heutzutage, welcher feine Kinder wiegt, ihnen die Win- deln unterlegt und um die Wette mit ihnen frifche Kuh- mild) fueipt! Könnte fie bod) nur lachen! unbändig und hohnvoll lachen! aber fie kann e3 nicht!

Unmäßig! Welch) ein Vorwurf für Roman! C3 fehlt nur nod), daß er ihn einen Trunfenbold und Wiiftling nennt! Im Herzen thut er e3 fraglos, fein verächtlicher Blid brennt ihr nod) in der Seele. Und fo jo wagte er einen Ermönyi anzujehen! Was gäbe fic darum, hätte Roman an biejeut Abend weniger gegedjt!

Sie erträgt bie Geringjchägung diejes 8 nicht!

Und weld) ein Selbftbewußtjein! Welch ein Hochmut, mit weichem er e3 wagt, auf den berühmten Komponiften herabzubliden! Eein €orbeerfrang deucht ihm womöglich verdienftooller, als jener des unfterblichen ۵ !

Er ijt Soldat gewejen! Lächerlich! jeder Bauern: junge mit geraden Knochen wird Colbat, das Hirn jpricht in biejer Etellung nicht mit! `

Aber... er ijt als Offizier, er ift al8 Ritter Des eijernen Kreuzes Heimgefehrt, und daß zu fold) einer Mus- zeichnung und Dekoration nicht allein heldenhaftejter Mut,

fondern aud) ein groper Teil Verjtand, Geiftesgegemvart 9t. v. Eſchſtruth, IE. Nom. u. Nov., Stern des 41168 I. 21

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und die erforderliche Bildung notwendig find, das weiß jelbjt eine Marga Daja!

Sie wühlt das Gefidjt in bie Kiffen, Thränen leiden- Ichaftliher Erbitterung treten ihr in die Augen. Warum iit Roman nicht aud) Soldat gewejen? Warum ward er nicht Nejerveoffizier? Warum Bolte er fid) feine Defo- ration aus dem Feldzuge heim? Marga fonnte ihn in biejem Augenbli darum 11

Weil er nicht genug auf der Schule gelernt hat, weil er ein zu fchwächlicher, frajt(ojer Menjch war, um drei: jährig dienen zu können, um fich überhaupt zum Rrieg3- Dienjt zu eignen.

Schwächling! jo Hatte fie (dert genannt, ihn, ber wie ein Herkules, wie ein Rieſe Roland, gejundheitftrogend, marfig und heldenhaft neben dem Kleinen, bleichen, ۳۴ Noman Stand!

Sekt Debt e8 Marga beinahe ein, daß fie fih mit biejer Anjchuldigung lächerlich gemacht!

Aber fie will e8 nicht einjehen, fie will e3 nicht. Liegt die Kraft allein in den Fäuften ?

Auch den Keimen, ſchwächlichen Künſtler ſchmückt ber Lorbeer.

(Sr ſchmückte ihn wohl nicht, wenn nicht bie Helden- frajt und ber jtolje Stegesmut unjerer waderen Water: landsjtreiter den Feind aus den Gauen des lieben deutjchen Reichs ۱

Wie kommt ihr biejer feberijdje Gedanke? Will ue etwa dem Prahlhans Eckert recht geben?

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Sie beißt, außer fid) vor Born und Leidenschaft, bie Zähne 7.

Sie will die beiden Männer nicht vergleichen, fie zittert in dem Gedanken, daß Romans lorbeergefrönte Zwerg— gejtalt vollfommen Luft und Sunt neben dem blond- birtigen Niejen wird.

Sie will überhaupt nicht mehr an ihn benfen! Wer fid) unterfteht, eine Marga Daja jo tödlich gu beleidigen, wie er, muß in Zukunft aus dem Regifter alles Grijtierenben geftrichen fein!

Und bod) möchte fie jo gern ihm gegenüber bie Scharte ausweßen! Cie empfindet e3 mit quälender Pein, daß fie ſich jehr viel ihm gegenüber vergeben hat, daß fie fich unsterblich blamierte mit ihren Bemühungen, ihn um jeden Vreis zu ihrem unglücklich liebenden Verehrer لام‎ ۱۲ (S3 überfommt fie wie eine finnloje Wut, ihn um jeden Preis, aus Rade, dazu zu machen!

Nur ihre Freund! Auch ber nicht mehr.

(Sr war al3 Freund jelbit zu eiferfüchtig, fie auf der Bühne zu jehen, und bie Anfchuldigung, bie er Roman baburd) entgegenjchleudert, o, Marga 06۲۱۱۵94 fie, und fie möchte wild aufjchreien vor Empörung. Liebt Roman fie etwa auch nicht?

, ja —- hatte er ironijd) gelächelt: Er liebt Cie, aber auf feine Art!”

Welch eine Art ijt 682 Eine Liebe, welche feine Giferjud)t fennt, eine Liebe, welche fid) ohne ۸ der glänzenden Erfolge der Gattin freut!

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Sit ba8 feine echte Qicbe? Lächerlich! weld) cine wäre pajfenber und ermwünjchter für eine Daja als juft folche ?

Würde e3 ihr angenehm fein, ihr junges Leben hinter Floringhofs Mauern einfam gu vertrauen? Welch eiu gräßlicher Gedanfe! Das bebe fie morden! Und bod) ... Marga Daja Bat überjpannte Fdeale! Cte jagte nod) jüngfthin: „Wie beneide id) bie Desdemona! E3 muß bod) Schön fein, fo über alles, fo voll wilder Glut geliebt zu werden! Belfer unter den Händen eines folchen Liebhabers fterben, al8 an ber Seite eines gleichgültigen Mannes zollweife crfrieren!”

Daran dachte fie jet. Tief erſchöpft fant fie in die Kiffen zurüd.

Plötzlich war c8 ihr, اہ‎ jtefe Adalbert Eert vor ihr, riejenfatt groß, ftarf und gewaltig wie Othello, mit Augen, welche wie ein Gemisch von wahnfinniger Liebe und voll tödlichen Bornes glühen, und er fat fie mit den ftarfen Armen und preßt fie an fih, daß fie erftidei muß wie Desdemona.

Sie will auffchreien fie kann c8 nicht. Seine Leiden- ichaft zermalmt fie. Ein Schauer riefelt durch ihre Glieder, Halb Wonne, halb ۰

Sie ftirbt fie vergeht in Miche !

Wild guck fie cempor und ftarrt mit weit offenen Augen um fid.

Cie ift allem.

Adalbert Gert. weilt fern von ihr und denkt wicht

Drud von 3. 3. pirídfelb in Leipzig.

1 WI Ch Kar a. a AND

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