Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft ^Frankfurt am Main. Vom Juni 1881 bis Juni 1882. Die Direction der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft beehrt sich hiermit, statuteugemäss ihren Bericht über das Jahr 1881 bis 1882 za überreichen. Frankfurt a. M., im August 1882. Die Direction: Dr. med. Robert Fridberg, d. Z. erster Director. Dr. p'hilos. hon. c. Hauptmann z. D. L. von Heyden, d. Z. zweiter Director. Dr. phil. Friedrich Kinkelin, d. Z. erster Schriftführer. Dr. med. Wilhelm Loretz, d. Z. zweiter Schriftführer. Bericht über die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt am Main. Erstattet am Jahresfeste den 4. Juni 1882. Dr. philos. hon. c. , Hauptmanu z. D. L. von Heyden, d. Z. zweiter Director. Hochgeehrte Versammluug! Am 22. November 1817 traten eine Anzahl Bürger hiesiger Stadt, Aerzte und Naturfreunde zusammen und stifteten die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft. Unsere Gesellschaft steht also heute in ihrem 65. Lebensjahre ; eine lauge Zeit, seit ihrer Begründung, während welcher aber die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft viel zur Erkenntniss und Verbreitung der Naturwissenschaften in ihrer Vaterstadt und in den weitesten Kreisen des In- und Auslandes beigetragen und sich eine der hervorragendsten Stellen unter den gesammten naturwissenschaft- lichen Instituten Europas und überseeischer Länder erworben hat. Wenn auch in dem abgelaufenen Jahre keine besonders wichtigen Momente in dem Leben der Gesellschaft zu verzeichnen sind, so wird Ihnen doch der Bericht, den ich Ihnen, geehrte Herren, als Ihr zweiter Director, zu erstatten habe, darthun, wie die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft auch in dem ver- — 4 — flosseneu Jahre bestrebt war, der ihr zukommenden Aufgabe, die Kenntniss der Naturwissenschaften zu fördern und zu verbreiten, gerecht geworden ist. Was zunächst die Personal Verhältnisse der Gesellschaft betrifft, so sind : Neu hinzugetreten die Herren: Achilles Audreae, Phil. Jac. Brückmann, Baron Ludwig von Erlanger, RemigiusAlex. Eyssen, Franz Fabricius, Adolf Kugle r, August Müller, PaulOssyra, Fritz Rothamel, Wilh. Stock, Albrecht Weis, Wilh. Winter und die Königliche Bibliothek in Berlin. Ihren Austritt haben erklärt die Herren: Phil. Fr, Behrends, Jacob Börne, Jos. L. Blumenthal, Dr. jur. Alfr. Buck, John Frank, Carl Lud wig Fun ck, Albert H o m berger, N. Löwe nick, Director Wilh. Mayer, Hof Zahnarzt Dr. Peter- mann, Ernst Raabe, Dr. P. Reingan um, Benjamin Roos, J. D. Scheue k, Gr. Th. Scherbius, Julius Stiebel, Moritz Sulzbach und Georg von Weisweiler. Aus Frankfurt weggezogen nach San Francisco ist Herr Dr. med. Max K r i e g k. Gestorben sind die Herren : F. B e 1 1 i - S e u f f e r h e 1 d , C. E. Eyssen, Franz Fabricius, A. Goldschmidt, A. W. E. Haase, Georg Le Bailly, Joh. Heinr. Steuer nagel, H. A. Stock und Christian Winter. Es stellt sich demnach die Gesammtzahl unserer Mitglieder jetzt auf 454 gegen 483 im Vorjahre, also eine Abnahme von 29 Mitgliedern; im Jahre 1881 hatten wir 18 Mitglieder weniger, wie im Jahre 1880; eine Abnahme, die lediglich in den ungünstigen Zeitverhältnissen, nicht aber in dem Mangel an Interesse für unser altes vaterstädtisches Institut zu suchen ist. In dem Bestände der arbeitenden Mitglieder hat sich insofern nichts geändert, als Herr Dr. phil. Emil Buck, unser verehrter zweiter Secretär, trotz seines Ueberzuges nach Constanz (hoffentlich nicht für allzulange Zeit) in der Reihe unserer arbeitenden Mitglieder verbleibt; wie nicht anders zu erwarten ist, wird er in regem Verkehr mit der Gesellschaft bleiben. — 5 — Zu correspondirenden Mitg-liedern wurden ernannt die Herren: Odon Debeaux, pharmacien major de l'"^ classe in Oran, Dr. med. Fetu in Jassy, Dr. med. Max Flesch aus Frankfurt, Privatdocent und d. Z. Prosector in Würzburg, Geh. Obermediciualrath Prof. Dr. Henle in Göttingen, Wirklicher Staatsrath Dr. von Renard in Moskau, Gymnasiallehrer 0. Retowski in Theodosia in der Krim, Dr. Gustav Retzius, Prof. am Caroline -medico -chirurgischen Institut in Stockholm, Dr. Ludwig Russ in Jassy und P. C. T. S n e 1 1 e n in Rotterdam. Auch dieses Jahr hat der Tod uns einige der ausgezeichnetsten correspondirenden Mitglieder entnommen. Es starb Professor Christoph Gottfried Andreas Giebel in Halle, der bekannte Paläontologe, unser Mitglied seit 13. Juni 1873. Am 22. Juni 1881 starb in Frankfurt der Kaiserlich Russische Staatsrath Prof. Dr. von S c h 1 e i d e n, unser Mitglied seit 21. April 1849, der auch in den weitesten Kreisen bekannte naturwissenschaft- liche Schriftsteller. Am 11. Januar 1882 verstarb der berühmte Entdecker der thierischen Zelle, Prof. Dr. Th. Schwann in Löwen, welcher am 7. April 1841, als von unserer Gesellschaft der Söramerriug'sche Preis zum zweiten Male zu vergeben war, einstimmig dieser hohen Auszeichnung würdig erkannt wurde und seit dieser Zeit zu unseren Mitgliedern zählte. Am 19. April 1882 starb Charles Robert Darwin im Alter von 73 Jahren. Seit dem Jahre 1873 durfte die Sencken- bergische naturforscheude Gesellschaft es sich zur Ehre rechnen, diese naturwissenschaftliche Grösse ersten Ranges zu den ihrigen zu zählen. Vor dem Glänze des Dahingeschiedenen erbleichen auch die ersten Sterne der Naturforscherkreise unseres Jahr- hunderts; höchstens der Name eines Alexander von Humboldt wird nicht durch ihn verdunkelt. Wenn auch die von ihm aufgestellten Theorien die anderen Forscher in zwei sich hart bekämpfende Lager theilte, so erscheint doch Darwin als wissenschaftlicher Neugestalter und Gesetzgeber, wenn nicht für das anorganische, so doch für das gesammte organische Natur- bereich, für den Libegriff der biologischen Erscheinungen und Vor- gänge, grösser nicht blos als jeder der auf dem gleichen Gebiet forschenden Zeitgenossen, sondern auch als sämmtliche Vorgänger. Unsere Gesellschaft hat aber noch ganz besonders zweier Verluste zu gedenken von Männero, die ihr nahe standen und grosse Verdienste um unser Seuckenbergianura hatten. Es sind Dr. Friedrich Schärft' und Dr. Carl Koch. Dr. jur. Friedrich Scharff, geboren 1812 in Frankfurt, trat am 8. November 1851 in die Gesellschaft als arbeitendes Mitglied und wurde bald darauf zum Sectionär für Mineralogie ernannt. In den Jahren 1853 und 1854 war er erster Secretär und in den Jahren 1863 und 1864 zweiter Director unserer Gesellschaft. Dr. Fr. Scharff hat im Vereine mit seinem Freunde Dr. Hessen- berg die Mineraliensammlung geordnet und was er darin geleistet und welche Anregungen zu seineu wissenschaftlichen Arbeiten er gerade aus dieser Sammlung schöpfte, dies werden Sie aus dem Necrologe ersehen , den Herr Dr. S c h a u f , der Nachfolger Schar ff 's als Sectionär für Mineralogie, für den gedruckten Jahresbericht vorbereitet hat. Am Beerdigungstage legte die Direction im Namen der Gesellschaft einen Lorbeerkranz auf das Grab unseres langjährigen, verdienstvollen Mitgliedes. Durch letztwillige Verfügung hat Dr. Scharff der Gesellschaft einen Theil seiner werthvolleu mineralogischen Privatsammlung vermacht. Am 18. April 1882 verstarb in Wiesbaden nach verhältniss- mässig kurzem Kranksein im rüstigsten Manuesalter unser aller lieber Freund, der Königliche Landesgeologe, Dr. philosophiae honoris causa Carl Jacob Wilhelm Koch. Derselbe war in den Jahren 1870 bis 1873 in Frankfurt als Lehrer thätig und aus dieser Zeit rührt sein inniges Zusammen- gehen mit den Bestrebungen unserer Gesellschaft. In verschiedenen Jahren hat er in einer grossen Reihe von Vorträgen uns mit seiner umfassenden Kenntniss der mineralogischen, geologischen, geo- gnostischen sowie zoologischen Verhältnisse unserer Gegend, speciell des Taunusgebirges vertraut gemacht. Bei der Beerdigung in Wiesbaden, woselbst Koch als Landesgeologe der Provinz Hessen- Nassau in den letzten Jahren wohnte, war die Gesellschaft durch mehrere Mitglieder und den I. Herrn Secretär vertreten. Aus der Direction traten am Ende des Jahres 1881 statuten- gemäss aus der II. Director Herr Dr. F. C. Noll und der II. Secretär Herr Dr. med. E. Blumen thai. An die Stelle des ersteren wurde gewählt Herr Hauptmann Dr. von Hey den, an die des letzteren Herr Dr. Emil Buck. Leider hat Herr Dr. Buck mit Ende Mai seinen Wohnsitz nach Constanz ver- legt und trat damit aus der Direction. An seine Stelle wurde in der Sitzung vom 13. Mai gewählt Herr Dr. med. Wilhelm L 0 r e t z. Herrn Dr. Buck sei hier nochmals der Dank der Gesellschaft ausgesprochen für Wahrung seines mühevollen Amtes als cor- respondirender Secretär. Ganz besonders fühlt sich aber die Senckenbergische natur- forschende Gesellschaft verpflichtet dem Herrn Director Hermann Andreae, welcher als unser erster Gassier mit so viel Umsicht und luteresse für das Gedeihen der Gesellschaft dieses wichtio-e Amt seit einer Reihe von Jahren führt. Ihm sei hier erneut der Dank speciell auch der Direction, die ja mit der Verwaltung unseres schönen Institutes betraut und am ehesten in der Lage ist, die Mühewaltung ihres Herrn Cassiers beurtheileu zu können, dargebracht. Die Generalversammlung fand am 25. Februar 1882 statt. Der gedruckte Jahresbericht wird, wie alljährlich, Rechenschaft über den Stand unserer Finanzen ablegen. Aus der Revision-Commission traten statutengem äss aus die Herren Albert Mumm von Schwarzenstein und Rechts- anwalt Paul Reiss und wurden ersetzt durch die von der Generalversammluug neu gewählten Herren Dr. jur. Eduard von Harnier und Paul Müller. Die Redactions -Commission der Abhandinngen besteht in der gleichen Weise wie in dem vorigen Jahre aus den Herren Prof. Dr. Lucae als Vorsitzenden, Dr. Geyler, Hauptmann Dr. von Heyden, Dr. Noll und Dr. Petersen. Ebenso blieben auch in der Bücher-Commission wie bisher die Herren Prof. Dr. Lucae, Dr. Noll, Dr. Petersen und Dr. med. Stricker. Der vorjährige Jahresbericht ist redigirt von Herrn Dr. Kinkel in sowie dem vorjährigen zweiten Director Dr. Noll und Dr. med. Blumenthal. Von den Sectionären, denen die Ueberwachung und Be- arbeitung der einzelnen Abtheilungen unserer reichen Sammlungen anvertraut, ist Herr Dr. jur. Friedr. Schar ff gestorben und wurde au dessen Stelle gewählt Herr Dr. W. S c h a u f. — In die Section für niedere Thiere trat ein Herr Dr. philos. H. Reichen- bach (gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Noll). Was nun die Thätigkeit der Gesellschaft betrifft, so zerfällt diese in 5 Haupt- Arbeitsgebiete: 1) werden in den Verwaltungs- sitzungen der arbeitenden Mitglieder die laufenden Geschäfte er- ledigt; 2) werden wissenschaftliche Vorträge von Mitgliedern, oder auch anderen Gelehrten, allmonatlich gehalten; 3) veranstaltet die Gesellschaft akademische Curse von Lehrvorträgen aus den verschiedensten Gebieten der Naturkunde ; 4) erscheinen regel- mässige Publicatiouen, vor allem unsere wichtigen Abhandlungen, durch die wir in Verkehr mit der ganzen wissenschaftlichen Welt treten, sowie die Jahresberichte mit kleineren Abhandlungen; 5) richtet sich die Aufmerksamkeit, speciell der Sectionäre, auf die Instandhaltung und Vermehrung der Sammlungen, die dann wieder den Stoff zu den obenbenannten Publicationen liefern. Verwaltungssitzungen wurden 9 abgehalten. Wissenschaftliche Sitzungen wurden 6 gehalten und kamen darin folgende Themata zur Verhandlung: I. Sitzung am 5. November 1881: Herr Dr. W. Kobelt berichtet über seine Reise in Süd-Spanien, Oran und Marocco an der nordafrikanischen Küste, die er im Auftrage der Gesellschaft aus Mitteln der Rüppell-Stiftung unternahm. IL Sitzung am 17. December 1881: 1) Herr Dr. Sc häuf: Zum Andenken an das verstorbene Mitglied Dr. Fr. Scharf f. 2) Dr. W. Kobelt: Fortsetzung seines Reiseberichtes. III. Sitzung am 14. Januar 1882: Herr Dr. J uli us Moritz vom Pomologischen Institut in Geisenheim: Ueber die Phylloxera vastatrix, die Reblaus, und ihr Auftreten in Deutschlaud. IV. Sitzung am 18. Februar 1882: Herr Prof. Dr. Lucae: Ueber den graphischen Zeichnen-Apparat für Herstellung geo- metrischer Bilder, verbessert durch Chr. Schröder und Andere. V. Sitzung am 18. März 1882: 1) Herr Dr. W. Seh auf: Ueber die mineralischen Bestandtheile und Einschlüsse des Basalts von Naurod im Taunus; 2) Herr Dr. W. Stricker: Ueber mumificirte Katzen, die beim Abbruche des Ulmerhofes dahier • eingemauert gefunden wurden. VI. Sitzung am 1. April 1882: 1) Herr Dr. Max Schmidt, Director des Zoologischen Gartens: üeber einige Maki des Zoologischen Gartens; 2) Dr. phil. H. Loretz: üeber das Yer- hältniss der äusseren Form des Erdbodens zu seinem geologischen Bau. Curse von Lehrvorträgen wurden und werden gehalten: 1) Von Herrn Dr. H. Reichenbach: üeber die Natur- geschichte der wirbellosen Thiere. Begonnen wurde mit den Arthropoden, Krebsen, Spinnen, Tausendfüssern und Insekten; 2) Von Herrn Dr. H. Th. Geyler: Phytopaläoutologie. Die Pflanzenwelt der früheren geologischen Perioden ; 2) Herr Dr. med. August Carl: Ein Cyclus von Vorlesungen über ausgewählte Capitel aus der physiologischen Optik (Gang der Lichtstrahlen im menschlichen Auge. Entstehung der Netzbilder. Accomodation. Kurzsichtigkeit und Uebersichtigkeit. Farbenempfinduug). Das letzte Heft unserer Abhandlungen (Heft 3 und 4 von Band XII) enthält folgende Arbeiten: 1) A. de Bary. Unter- suchungen über die Peronosporeen und Soprolegnieen und die Grundlagen eines natürlichen Systems der Pilze. Mit 6 Tafeln ; 2) 0. Boettger. Beitrag zur Kenntniss der Reptilien und Amphibien Spaniens und der Balearen ; 3) 0. Boettger. Auf- zählung der von Freiherrn H. und Freifrau von Maltzan im Winter 1880 — 81 am Cap Verde in Seuegambien gesammelten Kriech thiere. Mit 1 Tafel; 4) H. Lenz und F. Richters. Beitrag zur Crustaceeufauua von Madagascar. Mit 1 Tafel; 5) 0. Boettger. Die Reptilien und Amphibien von Madagascar^.r Dritter Nachtrag. Mit 5 Tafeln; 6) M. W or on in. Beitrag zur Kenntniss der Ustilagineen. Mit 5 Tafeln. Der letzte Jahresbericht, der an alle Mitglieder vergeben wird, enthält ausser dem vorigen Berichte des II. Directors, noch folgende Vorträge und Abhandlungen: 1) die Steinzeit des Menschen in Deutschland. Festrede, gehalten am 29. Mai 1881 von Dr. Fr. K i n k e l i n ; 2) Bericht des Freiherrn Hermann von Maltzan über die von ihm im Herbst 1880 unternommene Reise nach der Küste Senegambiens und insbesondere über die Fauna dieses Gebietes ; 3) Vergrünte Blüthen von Tropaeohim majns von Dr. Julius Ziegler. Mit 2 Tafeln; 4) Zweite Liste von Reptilien und Batrachiern aus der Provinz Saö Paulo in Brasilien von Dr. Oscar Boettger; 5) Liste von Reptilien und Batrachiern, — 10 — gesammelt 1880—81 auf Sicilieu durch Herrn Inspector Carl Hirsch, von Dr. 0. Boettger; 6) Rüppell-Stiftuug. IV. Reise. Liste der von Herr Dr. med. W. Kobelt in Spanien und Algerien gesammelten Kriechthiere, von Dr. 0. Boettger; 7) Fische von Nossi-Be o-esammelt von den Herren Carl Ebeuau und Anton Stumpf, bearbeitet von Dr. H. Lenz; 8) Myriapoden von Nossi-Be gesammelt von den Herren Carl Ebenau und A uton Stumpf, bearbeitet von Dr. H. Leu z. Im Auftrage der Gesellschaft erschienen ferner zwei von Herrn Professor Dr. Lucae verfasste Jubiläumsschriften: 1) zum 50jährigen Doctorjubiläum des Herrn Geheimen Sanitätsrath Dr. med. Georg Varren trapp am 24. September 1881. »Zur Statik und Meclianik der Quadrupeden. Felis und Lemur« ; 2) zum 50jährigen raedicinischen Doctorjubiläum von Herrn Geheimrath Dr. Ludwig Wilhelm Theodor von Bischoff in München am 16. Januar 1882: »Der Fuchsaffe und das Faulthier [Lemur macaco und CJioIoejnis äidactylus) in ihrem Knochen- und Muskel- skelet. Eine vergleichende anatomisch-physiologische Studie.« — Diese Arbeit wird auch in unseren Abhandlungen erscheinen. Auch in dem vergangenen Jahre war der Zuwachs unserer Sammlungen ein recht bedeutender; die Mittel zu deren Ver- mehrung und Ergänzung sind nicht sehr bedeutend, desto er- freulicher ist es nun, dass wir, wie in früheren Jahren, so auch in dem abgelaufenen, reichlich mit Geschenken bedacht wurden, welche wie alle anderen uns zugeflossenen Gaben in dem ge- druckten Jahresbericht detaillirt angegeben werden sollen. Heute will ich nur die gütigen Geber in den eizelueu Abtheiluugen erwähnen. Die Säugethiersammluug erhielt Geschenke von der Neuen Zoologischen Gesellschaft, von Herrn Anton Stumpf z. Z. auf Madagascar, Verwalter M ü h 1 i g hier, August Hänlein hier, Minister Weber in Tanger, A. Koch hier. Von Frau Dr. Carl Koch wurde dem Museum eine werthvolle schenkungsweise Zuwendung in der umfangreichen Sammlang der einheimischen, ausgebälgten und skelettisirten Fledermäuse, welche den Chiro- pteren arbeiten Dr. Koch's zu Grunde lagen, gemacht. Derselben^, lagen noch einige ausländische Fledermäuse und eine kleinere Zahl Nager- und Insectenfresser-Bälge bei. — 11 — Die Vögelsamralung: von Herrn Graf Böse, Heinrich FHnsch, Phil, von Donner, Frau Elisabethe Voltz hier, Ernst Diehl, Friedr. Wagner, Eduard Meyer- Lust und Wildprethändler Chr. Geyer hier, von der Neuen Zoologischen Gesellschaft , Herrn A. Koch, Th. Math es, Dr. med. W, Kobelt, J. Ch. D. Nies, J. Kren seh er, Carl Mittler und Wilhelm von den Velden, hier, Herr von Donner hatte wie in den V^orjahreu, so auch dieses Jahr die Güte, vierzig Mark zur Complettiruug unserer Papageisammlung zu verehren. Die Reptilien- und Amphibieusammlung : von Herrn Hans Simon in Stuttgart, Anton Stumpf auf Madagascar, Victor Lopez de Seoane in Coruna (Spanien), Freiherrn von M a 1 1 z a n und Dr. 0. Boettger hier, G. A. Boul enger in London, vom Zoologischen Museum in Berlin durch Herrn Prof. Dr. Peters. Die Fischsammlung: von Herrn Anton Stumpf und Hans Simon. Die Insektensammlung: von Herrn Anton Stumpf, Oberst- lieuteuaut Saal mü Her, HansSimon und H. von Langs dorf in Oberrad. Von unserem verehrten langjährigen früheren Gassier Herrn Theodor Passavant Hymenoptera^ gesammelt in der Umgebung von Frankfurt, im Taunus und an der Bergstrasse; 1196 Exemplare in 190 Gattungen und 748 Arten, sowie Dipteren 1191 Exemplare in 265 Gattungen und 780 Arten; zwei Samm- lungen, die sich nicht nur durch die Sauberkeit der Präparation auszeichnen , sondern auch beredtes Zeugniss ablegen von der vielseitigen Kenutniss des Schenkers in dieser schwierigen Insekten- Ordnung. Eine bedeutende Vermehrung der Sammlung unseres Museums ist als hochherziges Geschenk von Herrn Privatier W. Roose, langjährigem Sectionär der entomologischen Ab- theilung in Aussicht gestellt, bestehend in seiner reichhaltigen und schönen Sammlung europäischer Schmetterlinge. Herr Oberst- lieutenaut Saalmüller schenkte eine , kleine Sammlung von Microlepidopteren zumeist schädlicher Arten für die Lehrvorträge des Herrn Dr. Reichenbach, in 3 Glaskästen. Die Crustaceen-Sammlung : von Herrn Anton Stump f. Die Sammlung der Mollusken erhielt Zuwachs durch Geschenke der Herreu A. Stumpf, H. Simon, Adolf Becker und Heynem a n n hier. — 12 — Die botanische Sammlung: von der Palmengarten-Gesellschaft, P. A. Kesselmeyer hier, Oberlandesgerichtsx-ath Arnold in München, Hauptmann Dr. von Heyden, Sanitätsrath Dr. Kloss, Professor Dr. Hoffmauu in Giessen, H. Senn holz, Fr. Basti er und Gottl. Bansa hier; H. Debeaux in Oran, Albert Schenkel in Hamburg. Für die zoopalaeoutologische Sammlung sind eingegangen Gaben der Herren Dr. Boettger und Dr. 0. Meyer in Berlin. Für die phytopalaeoutologische Sammlung von Herren Dr. F. Kinkeliu, Franz Ritter und Fräulein Bausch hier, sowie von Baron Ferdinand von Müller, Director des Botanischen Gartens in Melbourne in Australien. Der Mineraliensammlung schenkten verschiedene Objecte die Herren Dr. med. Felix Jordan in St. Johann bei Saarbrücken und Dr. Kinkelin. Ganz besonders ist aber hier noch zu erwähnen des Vermächt- nisses des verstorbenen Dr. Fr. Scharff. Er bedachte nämlich die Gesellschaft mit einer grossen und werthvollen ca. 2000 Stück umfassenden Sammlung vou Feldspäthen, Eiseuglanzeu, Eisenkiesen und Kalkspäthen, eine so umfangreiche Gabe, dass dadurch die Anfertigung zweier neuen grossen Schränke nothweudig wurde. Ganz besonders aber wurden bereichert fast alle Abtheiluugen durch die Menge Naturalien, die Herr Dr. Kobelt von seiner Reise (der vierten Reise der Rüppell-Stiftung) nach Spanien und Nordafrika mitbrachte. Ebenso wie die Naturaliensammlnngen wurde auch unsere Bibliothek durch werthvolle Geschenke vermehrt, unter denen besonders zu erwähnen sind : 1) von Herrn Dr. med. Eduard R ü p p e 1 1 , unserem allver- ehrten Senior, dem Nestor der Afrika-Reisenden : Proceedings of the scientific meeting of the Zoological Society of London 1881. Part. I — IV. colorirtes Exemplar, — und Transactions of the Zoological Society of London. Vol. XL Part. 5 — 6 und General Index zu Vol. I — X. Ferner von Herrn Gustav Retzius, Professor am Carolino-medico-chirurgischen Institut in Stockholm: Das Gehörorgan der Wirbelthiere. Vol.1. Das Gehörorgan der Fische und Amphibien. Durch zahlreiche Sendungen unserer correspondirenden Mit- glieder der Herren E b e u au und Stumpf in Madagascar verfügt — 13 - die Gesellschaft über ein reiches Dublettenmaterial fast aller Thier. Ordnungen. Hierdurch wurde es der Gesellschaft ermöglicht, höchst werthvolle, uuserer Sammlung zum grössten Theil seither fehlende Naturalien zu ertauschen und zwar: 1) Für die Reptiliensammluug : von der Linnaea hier, Herrn Naturalienhändler Gustav Schneider in Basel und Professor Dr. Peters in Berlin. 2) für die Fischsammlung: von dem k. k. Zoologischen Hof- cabinet in Wien. 3) für die Schmetterlingssammlung: von Herrn Maasseu in Elberfeld. Madagascar Conchylien ertauschten wir gegen Dubletten der 4. Rüppellreise vom k. k. Zoologischen Hofcabinet in Wien. Durch Kauf wurden erworben: 1) Säugethiere von der Neuen Zoologischen Gesellschaft und von Herrn Conrad Kläsi auf der Insel Bauka, 2) Vögel von der Neuen Zoologischen Gesellschaft hier. 3) Reptilien und Amphibien von Herrn A. Müller hier und C. Kläsi. 4) Insekten und zwar Lepidopteren von Herren Rib be und Dr. 0. Staudinger in Blase witz-Dresden, Kunsthändler Hourath in Berlin, Fräulein Jeanette Kessler, M.Korb in München ; Käfer durch Herrn Kläsi von der Insel Banka. 5) Mollusken aus der Ausbeute des Herrn Hans Leder aus dem Kaukasus. 6) Für die botanische Sammlung von Herrn Dr. Hierouymus Keck in Aistersheim 168 Arten der Flora Argentina; ferner: Schultz, Herbarium normale, nova series und von Herrn Dr. C. Baenitz in Königsberg Herbarium Europae Liefg. 42 und 43. In das Herbarium der Gesellschaft wurden im Jahre 1881 ein- gereiht etwa 9000 Nummern, darunter befanden sich 2177 für das Herbarium neue Arten und 201 neue Gattungen. 7) Für die zoopaläontologische Sammlung Fragmente eines Elengeweihes von Sachsenhausen. Schliesslich Objecte 8) für die phytopaläoutologische Sammlung von Herrn Bergfactor Lange in Saarbrücken, und 9) für die Mineraliensammlung von Mineralienhändler Druninger und Dr. S c h u c k a r d t in Görlitz. — 14 — Die städtischen Behördeu bewilligten eiue Subvention von 2000 Mark für die Dauer vom 1. April 1881 bis 1. April 1882, desgleichen für das Etatsjahr 1882 — 83, wofür die Gesellschaft auch hier wiederholt den verbindlichsten Dank ausspricht. Was die Thätigkeit in den einzelnen Sectionen betrifft, so ist das Hauptsächlichste schon bei Besj^rechung der Geschenke, Kaufe und Tausche erwähnt worden; überall wurde fleissig geordnet, das Vorhandene konservirt, Neues präparirt. Besonders sei aber noch hervorgehoben, dass das grosse Werk des Herrn Oberstlieuteuant S aa 1 m ü 1 1 e r »Ueber die Lepidopteren von Madagascar« seiner Vollendung mit raschen Schritten zueilt; der grösste Theil der schwierig herzustellenden Tafeln ist vollendet, ebenso der Text im Manuscript beendet. Ausführliche Berichte der Sectionäre über die ihnen unter- stellten Abtheilungen erscheinen in dem gedruckten Jahresbericht. Von wichtigen Momenten aus dem Leben der Gesellschaft seien noch folgende erwähnt: 1) der II. Bericht des Administrators der Gräflich von Bose'- SChen Stiftung" wurde zur Kenntuiss der Gesellschaft gebracht. Das Erträgniss für die Gesellschaft war ein höheres als in den Vorjahren und steht zu hoffen , dass auch in den kommenden Jahren das Erträgniss , nach Abzug der vertragsmässigeu Quote zur Errichtung von Schulen und ünterhaltuug von Schulhäusern, ein so günstiges sein wird, dass der Senckenbergischen uatur- forschenden Gesellschaft ein erklecklicher Zuschuss zu den bereiten Mitteln für die Zwecke derselben erwächst. 2) Die Feuerversicherung- wurde auf 3 Jahre, mit erhöhten Prämien, neu abgeschlossen, besonders mit Rücksicht auf die Feuergefährlichkeit in den Arbeitsräumen des Physikalischen Vereins in dem Parterrestocke unseres Museums. Mit unserer Schwesteranstalt wurde bereits in Verhandluug getreten wegen Räumung der von ihr innehabenden Lokalitäten. Der Physikalische Verein hat sich auch bereits an die Stiftuugsad ministration ge- wandt behufs unentgeltlicher Ueberlassung von Grund und Boden zu einem Neubau und wollen wir nur hoffen, dass der Physikalische Verein bald sein eigenes neues Heim beziehen könne ; für die Seuckenbergische naturforschende Gesellschaft wird die Platz- raangelfrage immer dringender; mit jedem Jahre nehmen die — 15 — Sammlungen an umfang zu und schon jetzt hält es schwer, alle Schätze gut, sicher und auch für den Beschauer zugänglich unter- zubringen; noch gar zu viel des bereits rorhandeuen werthvollen Materials muss bis auf bessere Zeiten, die hoffentlich in nicht allzuweiter. Ferne stehen, einstweilen in Kästen verschlossen, aufbewahrt werden. 3) Am 24. September 1881 feierte unser hochverdientes Mitglied, Herr Geheime Sanitäts-Rath Dr. med. Georg Varr en- trap p das Fest seines 50jährigen Doctorjubiläums. Die akademi- sche Feier fand auf Veranlassung des ärztlichen Vereines in unserem Vogelsaale statt und fanden sich dazu an 230 Theilnehraer ein. Unsere Gesellschaft war durch die Direction vertreten, welche bei dieser Gelegenheit dem Jubilar eine von Professor Dr. Lucae verfasste Gratulationsschrift überreichte. 4) Am 20. April 1882 waren es 25 Jahre, dass unser erster Custos, Herr Adam Koch, in die Dienste unserer Gesellschaft trat. Die Direction beglückwünschte in ihm einen ihrer tüchtig- sten Diener und bezeugte die Anerkennung für seine unermüdliche Thätigkeit im Interesse der Gesellschaft in einem Gedenkblatt, einer Gratification und Gehaltszulage. Möge es dem pflichttreuen Beamten, der in dem besten Manuesalter steht, noch recht lauge ver- gönnt sein, an unserer schönen Anstalt fruchtbringend zu wirken. 5) Die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft betheiligte sich mit einem Beitrag an dem zu errichtenden Denkmale für das verstorbene ausserordentliche Ehren -Mitglied, Professor Dr. Rudolf Boettger. 6) Vom 14. — 16. August d. J. wird in Frankfurt die Deutsche Anthropologische Gesellschaft tagen. Zur würdigen Begehung der Festtage hat sich ein Comite gebildet aus Vertretern der Seuckenbergischen naturforschenden Gesellschaft, des ärztlichen Vereins, des Vereins für das historische Museum, des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde und aus anderen Interessenten. Herr Oberbürgermeister Dr. Mi quel hatte die Güte das Ehren- präsidium zu übernehmen; mit der Geschäftsführung ist unser I. Director, Herr Dr. med. Robert Fridbejg und der Vorsitzende des ärztlichen Vereins, Herr Dr. med. de Bary betraut, 7) Unsere Gesellschaft ist in der glücklichen Lage, wie kaum eine andere gelehrte Corporation, verschiedene Preise zu verleihen — 16- — für hervorragende Arbeiten, welche in einer bestimmten Reihe von Jahren die Physiologie am meisten gefördert haben. Im vergangenen Jahre hatte die Dr. Senckeubergische Stiftuugsadministration den Stiebel-Preis zu vergeben. In die Commission für Verleihung des Preises »für die in den letzten 4 Jahren über die Entwicklungs- geschichte und Kinderkrankheiten veröffentlichte beste Arbeit« wurden von Seiten der Senckenbergischen uaturforschenden Gesell- schaft gewählt die Herren Prof. Dr. Lucae und Dr. med. Hein- rich Schmidt. 8) Zu Anfang des Jahres 1882 verstarb der laugjährige Verleger unserer Abhandlungen, Herr Christian Winter. In einer ganzen Reihe von Sitzungen war die Redactionscommission im Vereine mit der Direction bemüht, für die Gesellschaft einen erspriesslichen Modus zu finden, der es ihr ermöglichte, grössere Vortheile aus ihren Publicationen zu erzielen als dies seither der Fall war. In der Verwaltungssitzung am 13. Mai 1882 einigte sich die Gesellschaft dahin vorerst probeweise auf die Dauer von 2 Jahren unsere Abhandlungen in Commissionsverlag zu vergeben. 9) Die Gesellschaft hatte Gelegenheit unserer städtischen Baudeputatiou eine Gefälligkeit erweisen zu können. Sie wandte sich au uns mit dem Ersuchen Ansichten zu äussern und Vor- schläge zu machen behufs Beseitigung der Verunreinigung der städtisciien Teiche in den öffentlichen Anlagen. Die Herreu Dr. Noll und Dr. Geyler arbeiteten ein diesbezügliches Expose aus, das der Baudeputatiou übersandt wurde. Ein anderes Mal hatte die Societe Zoologique de France in Paris eine Abhandlung »de la nomenclature des etres organises« zur Begutachtung eingesandt, welchem Ersuchen Herr Dr. Oscar Boettger auf Wunsch der Gesellschaft nachkam. Die Societe sprach später in einem besonderen Schreiben ihren Dank aus für die in dem Gutachten niedergelegten Ansichten und wünschte in regelmässigen Schriftenaustausch zu treten. Meine Herren! Ich bin am Schlüsse meines Berichtes au- gelangt. Aus den Ihnen vorgeführten Mittheiluugen aus dem inneren und äusseren Leben der Gesellschaft werden Sie ersehen haben, dass die Senckeubergische naturforschende Gesellschaft auch im vergangeneu Jahre ihr Schärflein zur allgemeinen Natur- erkenntniss beigetragen, dass sie stark und kräftig in dem Voll- bewusstsein der ihr vor 65 Jahren vorgesteckten Ziele dasteht. — 17 — Sie verdankt dies aber von Anbeginn an einzig und allein diesem Gemeinsinne, der sich in unserer Vaterstadt von unseren Vor- eltern vererbt hat und der es auch ermöglicht, dass sich, neben den Fachgelehrten, stets in allen Zweiten der Naturwissenschaften Männer finden, die ohne irgend welches Eiitgeld, mit Einsetzung ihrer Kräfte die ihnen von den Berufsgeschäften erübrigte Zeit zur Erhaltung und Förderung der Senckenbergischen uaturfor- schenden Gesellschaft verwenden. Möge es immer so bleiben I Dieses ist unser aller aufrichtigster Wunsch! — 18 Yerzeichiiiss der Mitglieder der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft. I. Stifter.*) Becker, Johannes, Stiftsgärtner am Senckenbergiachen med. Institut. 1817 t 24. November 1833. Boegner, Joh. Willi. Jos., Dr. med., Mineraloge (1817 zweiter Secretär) 1817. t 16. Juni 1868. Bloss, Joh. (ileorg", Glasermeister, Entomologe. 1817. f 29. Februar 1820. Bach, Joh. Jak. Casimir, Dr. med. und phil., Mineraloge. 1817. f 13. März 1851. Cretzschmar, Phil. Jakob, Lehrer der Anatomie am Senckeubergisclien med. Institut. (1817 zweiter Director.) 1817. Lehrer der Zoologie von 1826 bis Ende 1844, Physikus und Administrator der Senckenbergischen Stiftung. t 4. Mai 1845. *Ehrniann, Joh. Christian, Dr. med., Medicinalrath. 1818. f 13. August 1827. Fritz, Joh. Christoph, Schneidermeister, Entomologe. 1817. f 21. August 1835. *f reyreiss, Georg Wilh., Prof. der Zoologie in Rio Janeiro. 1818. f 1. April 1825. •Grunelius, Joachim Andreas, Banquier. 1818. f 7. December 1852. Ton Heyden, Karl Heiur. Georg:, Dr. phil., Oberlieutenant, nachmals Schöff und Bürgermeister, Entomologe. (1817 erster Secretär.) 1817. f 7. Jan. 1866. Helm, Joh. Friedr. Anton, Verwalter der adligen uralten Gesellschaft des Hauses Frauenstein, Conchyliologe. 1817. f 5. März 18^9. Massoy, Ludw. Daniel, Dr. jur. 1818. f 5. October 1831. *Kloss, Joh. Georg Burkhard Franz, Dr. med., Medicinalrath, Prof. 1818. t 10. Februar 1854. *Loehrl, Joh. Konrad Kaspar, Dr. med., Geheimerath, Stabsarzt. 1818. t 2. September 1828. *Metzler, Friedr., Banquier, Geheimer Commerzienrath. 1818. f 11. März 1825. Meyer, Bernhard, Dr. med., Hofrath, Ornithologe. 1817. f 1. Januar 1836. Miltenberg, Wilh. Adolph, Dr. phil., Prof., Mineraloge. 1817. f 31. Mai 1824. *Melber, Joh. Georg David, Dr. med. 1818. f H- August 1824. Neefif, Christian Ernst, Dr. med., Lehrer der Botanik, Stifts- und Hospitalarzt am Senckenbergianum, Prof. 1817. f 15. Juli 1849. Nenburg, Joh. Georg, Dr. med., Administrator der Dr. Senckenberg. Stiftung, Mineraloge, Ornithologe. (1817 erster Director.) 1817. f 25. Mai 1830. *) Die 1818 eingetretenen Herren wurden nachträglich unter die ßeihe der Stifter aufgenommen. 19 *de Nenfville, Matthias Wilh., Dr. med. 1818. f 31. Juli 1842. Reus, Joli. Wilh., Hospitalmeister am Dr. Senckenberg. Bürgerhospital. 1817. t 21. October 1848. *Rül>i)elI, Wilh. Peter Eduard Simon, Dr. med., Zoologe uud Mineraloge. 1818. Stein, Joh. Caspar, Apotheker, Botaniker. 1817. f 16. April 1834. Stiehel, Salomo Friedrich, Dr. med., Geheimer Hofratb, Zoologe. 1817. t 20. Mai 1868. *Varrentrapp, Joh. Konr., Physikus, Prof., Administrator der Dr. Senckenberg. Stiftung. 1818. t 11. März 1860. Voelcker, Qeorg Adolf, Handelsmann, Entomologe. 1817. f 19. Juli 1826. *Wenzel, Heinr. Karl, Geheimeratb, Prof., Dr., Director der Primatischen medicinischen Special.scbule. 1818. f 18. October .^827. *T. Wieseuhütten, Heinr. Earl , Freiherr, Königl. bair. Oberst-Lieutenant, Mineraloge. 1818. f 8. November 1826. *v. Gerning, Joh. Isaak, Geh. Rath, Entomologe. 1818. f 21. Febr. 1837. *T. Soemmerring, Samuel Thomas, Dr. med., Geheimerath, Prof. 1818. t 2. März 1830. *T. Bethniann, Simon Moritz, Staatsrath 1818. f 28. December 1826. II. Ewige Mitglieder. Ewige Mitglieder sind solche, welche, anstatt den gewöhnlichen Beitrag jährlich zu entrichten, es vorgezogen haben, der Gesellschaft ein Capital zu schenken oder zu vermachen, dessen Zinsen dem Jahresbeiträge gleichkommen, mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass dieses Capital verzinslich augelegt werden müsse und nur der Zinsenertrag desselben zur Vermehrung und Unterhaltung der Samm- lungen verwendet werden dürfe. Die den Namen beigedruckten Jahreszahlen bezeichnen die Zeit der Schenkung oder des Vermächt- nisses. Die Namen sämmtlicher ewigen Mitglieder sind auf einer Marmortafel im Musenmsgebäude bleibend verzeichnet. Hr. Simon Morit/ von Bethmaim. 1827. | Hr. Alexander t. Bethmaun. 1846. » Gfeorg Heiar. Schwendel. 1828. » Johann Friedr. Ant. Helm. 1829. » Georg Lndwig Gontard. 1830. FrauSnsaiuja Elisabeth Bethuiann- Hohreg. 1831. Hä. Heinrich Mylins sen. 1844. » Georg Melchior Mylins. 1844. » Baron Amschel Mayer von Roth- schHd. 1845. » Johann Georg Schmidbora. 1845. » Johann Daniel Souchay. 1845. Heinr. t. Bethmann. 1846. Dr. jur. Rath Friedr. Schlosser. 1847. Stephan von Guaita. 1847. 11. L. Döbel in Batavia. 1847. G. H. Hanck-Steeg. 1848. Dr. J. J. K. Buch. 1851. G. von St. George. 1853. J. A. Grunelins. 1853. P. F. Ch. Kroger. 1854. Alexander Gontard. 1854. 20 Hr. M. Frhr. v. Bethmann. 1854. » Dr. Eduard Rilppell. 1857. » Dr. Th. Ad. Jak. Em. Müller. 1858. » Julius Nestle. 1860. » Eduard Finger. 1800. > Dr. jiir. Eduard Soucliay. 1862. > J. N. Gräffendeich. 1861. > E. F. K. Büttner. 1865. > K. F. Krepp. 1866. i Jonas Mylius. 1866. * Constantiu Fellner. 1867. » Dr. Hermann von Meyer. 1869. » Dr. W. D. Sömmerring:. 1871. » J. G. H. Petseh. 1871. Hr. Bernhard Dondorf. 1872. » Friedrich Karl Rücker. 1874. » Dr. Friedrich Hessenherg-, 1875 » Ferdinand Laurin. 1876. » Jakob Bernhard Rikoflf. 1878. > Joh. Heinrich Roth. 1878. » J. Ph. Nicol. Manskopf. 1878. » Jean Noe du Fay. 1879. y> Gg. Friedr. Metzler. 1880. Fr. Louise Wilhelmine Eniilie Gräfin Böse, geb. Gräfin Ton Reichen- bach-Lessonitz. 1880. Hr. Carl August Graf Böse. 1880. » Gust. Ad. de Neufville. 1881. III. Mitglieder des Jalires 1881. Die arbeitenden sind mit * bezeichnet. Hr. Alt, Franz. 1873. » Alt, F. G. Johannes. 1869. » Andreae, Achille. 1878. » Andreae, Herrn., Bank-Director, 1873. » Andreae, H. V., Dr. med. 1849. » Andreae-Passavant, Jean, Director. 1869. » Andreae-Goll, J. K. A. 1848. » Andreae-Goll, Phil. 1878. » Andreae-Winckler, Joh. 1869. ■> Andreae, Rudolph. 1878. » Angelheim, J. 1873. » *Askenasy, Engen, Dr. phil., Prof. 1871. . Auffarth, F. B. 1874. » *Baader, Friedrich. 1873. » Bacher, Max. 1873. » Bachfeld, Friedrich. 1877. > Baer, Joseph, Buchhändler. 186<>. » Baer, Joseph, Director. 1873. » Bärwindt, J., Oberstabsarzt, Dr. med. 1860. » Bansa, Gottlieb. 1855. > Bansa, Julius. 1860. Hr. Bansa-Streiber, K. 1860. » *Bardorfr, Karl, Dr. med. 1864. » de Bary, Heinr. A. 1873. » de Bary, Jak., Dr. med. 1866. » *Bastier, Friedrich. 1876. » Becker, Adolf. 1873. » *Becker, Ludw., Ingenieur. 1877. >> Behrends, Phil. Friedr. 1878. > Belli-Seufferheld, F. 1837. » Berg, K. N., Dr. jur., Senator. 1869. ^ Berle, Karl. 1878. > Berthol dt, Joh. Georg. 1866. - Best, Karl. 1878. '■ V. Bethmann, S. M., Baron. 1869. » Beyfus, M. 1873. » Blum, Herm. 1860. » *Blum, J. 1868. » "Blumenthal, E., Dr. med. 1870. » Blumenthal, Jos. Leop. 1866. » *Bockenheimer, Dr. med. 1864. « » Böhm, .Joh. Friedr. 1874. » Börne, Jak. 1875. ■> *Böttger, Oscar, Dr. phil. 1874. > Bolongaro, Karl Aug. 1860. » Bolongaro-Creveiina, A. 1869. — 21 Hr. Bolongaro-Crevenua, J. L., Stadt- rath. 1866. » Bonn, Karl. 1866. V Bonn, Phil. Bch. 1880. > Bontant, F. 1866. » Borgnis, J. Fr. Franz. 1873. » Both, J. B. 1824. * Braunfels, Otto. 1877. » Brentano, Anton Theod. 1873. ■> Brentano, Ludwig, Dr. jur. 1842. » Brofft, Franz. 1866. » Brofft, Theodor, Stadtrath. 1877. » Brofft, Wilh. Leonh. 1866. » Brückner, Wilh. 1846. » Buchka, Franz Anton. 1854. >. Buck, A. F., Dr. jur. 1866. >: *Buck, Emil, Dr. phil. 1879. » Büttel, Wilhelm. 1878. » Cahn, Heinrich. 1878. » Cahn, Moritz. 1873. » -Carl, Aug., Dr. med. 1880. » Caspari, Franz, Dr. jur. 1877. » Cassel, Gustav. 1873. » Chun, Oberlehrer. 1866. » Claus, Dan. Andr. 1870. » Cnyrim, Ed., Dr. jur. 1873. » Cnyrim, Vict., Dr. med. 1866. » Cornill-Goll, Wilh. 1878. » Creizenach, Ignaz. 1869. » Defize, Adolf. 1873. » Degener, K., Dr. 1866. » *Deichler, J. Gh., Dr. med. 1862. » Delosea, Dr. med. 1878. » Dibelka, .Jos. 1873. » Doctor, Ad. Heinr. 1869. * Doudorf, Carl. 1878. » Dondorf, Paul. 1878. » Donner, Karl. 1873. > V. Donner, Phil. 1859. » Drexel, Heinr. Theod. 1868. » Ducca, Wilh. 1873. » Edenfeld, Felix. 1873. » Ehinger, August. 1872. > Ehrhard, W., Ingenieur. 1873. » Ellissen, Justizrath, Dr. jur. 1860. » Enders, Ch. 1866. -» Engelhard, Bernhard. 1877. Hr. Engelhard, Karl Phil. 1873. » Engelhard, Robert. 1878. » Epstein, Theodor. 1873. » Eyssen, K. E. 1860. " Fabricius, Franz. 1866. » Feist, Eduard. 1878. » Fellner, F. 1878. » *Finger, Oberlehrer, Dr. phil. 1851. » Finger, L. F. 1876. >- Flersheim, Ed. 1860. . Flersheim, Rob. 1872. » Flesch, Dr. med. 1866. ^ Flinsch, Heinr. 1866. » Flinsch, W. 1869. > Frank, John. 1878. » Frank, Karl. 1880. » Franz, Jean. 1878. » Fresenius, Ph., Dr. phil. 1873. ^ Frey, Philipp. 1878. » Freyeisen, Heinr. Phil. 1876. > *Fridberg, Rob., Dr. med. 1873. > Friedmann, Jos. 1869. » Fries, Friedr. Adolf. 1876. » V. Frisching, K. 1873. » Fritsch, Ph., Dr. med. 1873. » Fi'ohmann, Herz. 1873. :> Fuld, S., Dr. jur. 1866. > Fulda, Karl Herrn. 1877. . » Funck, K. L. 1873. » Garny, Joh. Jak. 1866. >- Geiger, Berthold, Dr. Advocat 1878. » Gering, F. A. 1866. ^ Gerson, Jak., Generalconsul. 1860. » Getz, Max, Dr. med., Sanitätsrath. 1854. » Geyer, Joh. Christoph. 1878. > *Geyler, Herrn. Theodor, Dr. phil. 1869. » Gockel, Ludwig, Director. 1869. » Goldscbmidt, Abr. 1873. * Goldschmidt, Ad. B. H. 1860. » Goldschmidt, Marcus. 1873. » V. Goldschmidt, Leop., General- consul. 1869. » Gontard, Moritz. 1850. » Gotthold, Ch , Dr. phil. 1873. — 22 — Hr. Graubner, Friedrich. 1873. » Greiff, Jacob. 1880. » Gross, Max. 1878. » Grünebaum, M. A. 1869. » Grünebaum, Ludwig. 1881. » Grunelius, Adolf. 1858. » Grunelius, Moritz Eduard. 1869. > V. Guaita, Max. 1869. » Gundersheim, Joseph. 1873. » Haase, A. W. E. 1873. » Häberlin, E. J., Dr. jur. 1871. y> Hahn, Adolf L. A., Consul. 1869. » Hahn, Anton. 1869. . Hahn, Moritz. 1873. » Hamburger, K., Dr. jur. 1866. » Hammeran, K. A. A., Dr. phil. 1875. » Hanau, Heinrich A. 1869. » V. Harnier, Ed., Dr. jur. 1866. » Harth, M. 1876. » Hauck, Christ., Stadtrath. 1860. » Hauck, Georg A. H. 1842. » Hauck, Alex. 1878. » Hauck, Moritz, Advocat. 1873. » Heimpel, Jakob. 1873. » Henninger, Heinrich. 1877. » Henrich, Joh. Gerhard. 1860. » Henrich, K. F., jun. 1873. » Herz, Otto. 1878. > Hessel, Julius. 1863. > Heuer, Ferd. 1866. » *v. Heyden, Luc, Dr. phil., Haupt- mann. 1860. » V. Heyder, Georg. 1844. > *Heynemann, D. Fr. 1860. » Höchberg, Otto. 1877. » Hoff, Joh. Adam. 1866. » Hoff, Karl. 1860. » Hohenemser, H., Director. 1866. > Holthof, Carl, Stadtrath. 1878. » V. Holzhausen, Georg, Frhr. 1867. » Holzmann, Phil. 1866. » Hornberger, Albert. 1870. » Ihm, August. 1866. » Jacobi, Rudolf. 1843. » Jacquet Sohn, H. 1878. Die Jägersche Buchhandlung. 1866. Hr. Jassoy, Wilh. Ludw. 1866. Hr. Jeanrenaud, Dr. jur., Appellations- gerichtsrath. 1866. » Jeidels, Julius H. 1881. » Jordan, Felix. 1860. » Jost, Konr., Apotheker. 1859. » Jourdan, Jacob. 1878. » Jügel, Karl Franz. 1821. » Jung, Karl. 1875. > Kalb, Emil, Bankdirector. 1878. » Kahn, Hermann. 1880. » Katheder, K. 1863. » Katzensteiu, Albert. 1869. » Kayser, Adam Friedr. 1869. » Kayser, J. Adam. 1873. » Keller, Adolf, Rentier. 1878. » Keller, Heinr., Buchhändler. 1844. » *Kesselmeyer, F. A. 1859. j> *Kessler, F. J., Senator. 1838. » Kessler, Heinrich. 1870. » Kessler, Wilh. 1844. » Kinen, Karl. 1873. » *Kinkelin, Friedr., Dr. phil. 1873. » Kirchheim, S., Dr. med. 1873. » Kissel, Georg. 1866. » Kling, Gustav. 1861. » Klitscher, F. Aug. 1878. » *Kloss, H., Dr. med., Physikus, Sanitätsrath. 1842. » Klotz, Karl Const. V. 1844. » Kuabeuschuh, Jakob, jun. 1877. » Knips, Jos. 1878. » Knopf, L., Dr. jur., Stadtrath. 1869. » *Kobelt, W., Dr. med. 1877. » Koch, Joh. Friedr. 1866. » Königswerther, Martin. 1878. » Kohn-Speyer, Sigism. 1860. » Kotzenberg, Gustav. 1873. » Krämer, Johannes. 1866. » Kraussold, Dr. med. 1878. » Krebs-Ffaff, Louis. 1878. » Kreuscher, Jacob. 1880. » Kriegk, Max, Dr. med. 1878. » Küchler, Ed. 1866. » Kugele, G. 1869. » Kusenberg, R. J., Director. 1873. » Ladenburg, Emil. 1869. » Laemmerhirt, Karl, Director. 1878. — 23 Hr. Landauer, Wilh. 1873. » Lang, R., Dr. jur. 1873. » Langer, Dr. jur. 1873. » Lautenschläger, Alex., Director. 1878. > Lauteren, K., Consul. 1869. » Le Bailly, Georg. 1866. » Leschhorn, Ludw. Karl. 1869. » Leser, Phil. 1873. » Lindheimer. Ernst. 1878. » Lindheimer, Gerhard. 1854. » Lindheimer, Julius. 1873. j> Lion, Benno. 1873. » Lion, Franz, Director. 1873. » Lion, Jakob, Director. 1866. » Lion, Siegmund, Director. 1873. » Lochmann, Richard. 1881. » Löhr, Clemens. 1851. » Löwenick, N. 1875. > Loretz, A. W. 1869. » *Loretz, Herrn., Dr. phil. 1877. » *Loretz, Wilh., Dr. med. 1877. > *Lorey, Karl, Dr. med. 1869. > Lorey, W., Dr. jur. 1873. » *Lucae,G.,Prof.,Dr.med.u.phil. 1842. » Lucius, Eug., Dr. phil. 1859. » Maas, Adolf. 1860. » Maas, Simon, Dr. jur. 1869. » Mahlau, Albert. 1867. » Majer, Joh. Karl. 1854. Fr. Majer-Steeg. 1842. Hr. V. Maltzan, Herm., Freiherr. 1880. » Manskopf,W. H ,Geh.Commerzien- rath. 18(39. » Marburg, Heinrich. 1878. » Marx, Dr. med. 1878. » Matti, Alex., Dr. jur. 1873. » Matti, J. J. A., Dr. jur. 1836. » Maubach, Jos. 1878. » May, Arthur. 1873. » May, Ed. Gustav. 1873. > May, Joh. Val., Dr. jur. 1873. » May, Julius. 1873. » May, Martin. 186G. » Mayer, Wilh., Director. 1878. > Merton, Albert. 1869. > Merton, W. 1878. Hr. Merzbach, A. 1878. » Mettenheimer, Chr. Heinr. 1873 » *Metzler, Adolf. 1870. » Metzler, Albert, Stadtrath. 1869. » Metzler, Gustav. 1859. y Metzler, Karl. 1869. » Metzler, Wilh. 1844. > Minjon, Herm. 1878. » Minoprio, Karl Anton. 1821. » Minoprio, Karl Gg. 1869. » Mohr, Oberlehrer, Dr. phil. 1866. * Mouson, Joh. Gg. 1873. » Müller, Joh. Christ. 1866. » Müller, Paul. 1878. > Müller, Siegm. Fr., Dr. Notar. 1878. » Mumm von Schwarzenstein, Alb. 1869. » Mumm v. Schwarzenstein, D. H., Dr. jur., Senator. 1869. » Mumm V. Schwarzenstein, Herrn., Generalconsul. 1852. » Mumm V. Schwarzenstein, P. H., jun. 1873. » Mumm V. Schwarzenstein, W. 1856. » Mylius, Karl Jonas, Architekt. 1871. » Nestle- John, Georg. 1878. » Nestle, Hermann. 1857. » Nestle, Julius. 1873. » Nestle, Richard. 1855. * Neubert, W. L., Zahnarzt. 1878. » Neubürger, Dr. med. 1860. » Neustadt, Samuel. 1878. » de Neufville-Büttner, Gust., Geh. Commerzienrath. 1859. » de Neufville-Siebert, Friedr. 1860. » de Neufville, Otto. 1878. » Neumann, Alfred. 1881. » Neumüller, Fritz. 1875. » Niederhof heim, A., Director. 1873. » *Non, F. C, Oberl., Dr. sc. nat. 1863. » V. Oberuberg, Ad., Dr. jur. 1870. » Ochs, Hermann. 1873. » Ochs, Karl. 1878. » Ochs, Lazarus. 1873. » Odrell, Leop., Dr. jur. 1874. » Ohlenschlager, J. A., Dr. jur. 1859. » Ohlenschlager, K. Fr.,Dr.med. 1873. 24 — Hr. Oplin, Adolph. 1878. » Oppenheim, Guido. 1873. » Oppenheimer, Charles.Consul. 1873. » Ortenbach, Friedr. 1853. » d'Orville, Friedr. 1846. » Osterrieth, Franz. 1867. > Osterrieth-v. Bihl. 1860. » Osterrieth-Laurin, Aug. 1866. y Osterrieth, Eduard. 1878. » Oswalt, H., Dr. jur. 1873. » Parrot, J. Ch. 1873. » Passavant, Gust., Dr. med. 1859. » Passavant, Herrn. 1859. 5> Passavant, Robert. 1860. » Passavant, Rudolf. 1869. » *Passavant, Theodor. 1854. » *Peter8en, K. Th., Dr. phil. 1873. » Petsch-Goll, Phil., Commerzien- rath. 1860. > Pfaehler, F. W. 1878. » Pfeffel, Aug. 1869. » Pfeffel, Friedr. 1850. » Pfefferkorn, R., Dr. jur. 1856. » Pfeifer, Eugen. 1846. » Pfeiffer, C. W., Subdirector. 1880. > Pieg, K., Steuerrath. 1873. » Ponfick, Otto, Dr. jur., Rechts- anwalt. 1869. » Posen, Jakob. 1873. » Prestel, Ferd. 1866. =< Propach, Robert. 1880. » Quilling, Friedr. Wilh. 1869. » Raabe, Ernst. 1872. > Rautenberg, Leopold. 1873. » Ravensteiu, Simon. 1873. Die Realschule, Israelitische. 1869. Hr. *Rehu, J. H., Dr. med. 1880. y *Reichenbach, J. H., Dr. phil. 1879. > Reiffenstein, .1. P. 1878. » v. Eeinach, Alb., Baron. 1870. > Reinganum, Paul, Dr. jur. 1878. > Reiss, Enoch. 1843. » Reiss, Jacques, Geh. Commerzien- rath. 1844. » Reiss, Paul, Advocat. 1878. > Reuss, Dr. jur., Schöff. 1824. » Ricard, Adolf. 1866. Hr. Ricard, L. A. 1873. » * Richters, A. J. Ferd., Dr. 1877. > ^Ripps, Dr. med. 1856. Rittner, Georg, Commeraienrath. 1860. » Rödiger, Konr., Dr. phil., Direc- torialrath. 1859. > Rössler, F., Münzward ein. 1866. » Rössler, Hector. 1878. !^ lloos, Benjamin. 1869. > -Roose, Wilh. 1869. ' Roth, Georg. 1878. > Roth, Joh. Heinrich. 1878. > V. Rothschild, M.K.,Geueralconsul, Freiherr. 1843. » V. Rothschild, Wilh., Generalconsul, Freiherr. 1870. ^ Uueff, Julius, Apotheker. 1878. >.. liühl, Louis. 1880. » Rumpf, Dr. jur., Consulent. 1866. » *3aalmüller, Max, Oberstlieut. 1878. » Sachs, Joh. Jak. 1870. » Sanct-Goar, Meier. 1866. » Sandhagen, Wilh. 1873. » .Sauerländer, J. D., Dr. jur. 1873. » Schäfer, Friedrich. 1879. » Scharff, Alexander. 1844. y> -Scharff, F. A., Dr. jur. 1852. » Schaub, Carl. 1878. » *Schauf, Wilh., Dr. phil. 1881. » *Scheidel, Seb. AI. 1850. » Schenck, W. 1878. - Schepeler, Ch. F. 1873. >. Scherbius, G. Th. 1869. » Scherlenzky, Dr. jur. 1873. » Schiele, Simon, Director. 1866. >' Schlemmer, Dr. jur. 1873. » Schmick, J. P. W., Ingenieur. 1873. ■" Schmidt, Adolf, Dr. med. 1832. ■" -'Schmidt, Heinr., Dr. med. 1866. » Schmidt, J. Chr., Dr. med. 1876. » Schmidt, Konrad Fr. 1872. » Schmidt, Louis A. A. 1871. " » *Schmidt, Maxim., Dr. vet.. Director. 1866. » *Schmidt, Moritz, Dr. med. 1870. » Schmidt-Polex, Adolf. 1855. Hr. Schmidt-Rumpf, L. D. Phil. 1876. > Schmidt-ScharfF, Adolf. 1855. » Schmölder, P. A. 1873. ■' SchöUes, Joh., Dr. med. 1866. > *Schott, Eugen, Dr. med. 1872. » Schulz, Heiur., Dr. jur. 1866. >> Schwarz, Georg Ph. A. 1878. » Schwarzschild, Em. 1878. » Schwarzschild, Moses. 1866. » v.Schweitzer,K.,Dr.jur.,SchöeF. 1831. > V. Seydewitz, Haus, Pfarrer. 1878. » *Siebert, J., Dr. jur. 1854. « Siebert, Karl August. 1869. » Sömmerring, Karl. 1876. » Sonnemann, Leopold. 1873. » Souchay, A. 1842. » Speltz, Dr. jur., Senator. 1860. » Speltz, Jakob. 1819. » Spengel, Friedrich. 1878. » Speyer, Georg. 1878. » Speyer, Gustav. 1873. » Spiess, Alexander, Dr. med., Sani- tätsrath. 1865. » Stadermann, Ernst. 1873. » *Steffan, Ph. J., Dr. med. 1862. » V. Steiger, L. 1869. > Stern, B. E., Dr. med. 1865. » Stern, Theodor. 1863. » Steuernagel, Joh. Heinr. 1860. » *Stiebel, Fritz, Dr. med. 1849. » Stiebel, Julius. 1877. » V. Stiebel, Heinr., Consul. 1860. » Stilgebauer, Gust, Bankdirector. 1878. » Stock, H. A. 1859. * 'Stricker, W., Dr. med. 1870. » Strube, Jak., Hofrath. 1873. » Strubell, Bruno. 1876. Hr. Sulzbach, Emil. 1878. » Sulzbach, Moritz. 1878. » Sulzbach, Rud. 1869. V Trier, Gustav. 1879. » Trost, Otto. 1878. » Umpfenbach, A. E. 1873. Hr. Üna-Maas, S. 1873. » Varrentrapp, Fr., Dr. jur. 1850. •» * Varrentrapp, Georg, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. 1838. » Varrentrapp, J. A. 1857. » von den Velden, Fr. 1842. > Vogt, Ludwig, Director. 1866. » *Volger, Otto, Dr. phil. 1862. » Volkert, K. A. Ch. 1873. » Weber, Andreas. 1860. » AVeiller, Hirsch Jacob. 1869. » Weismann, Wilhelm. 1878. » V. Weisweiller, Georg. 1866. » nVenz, Emil, Dr. med. 1869. > Wertheimber, Emanuel. 1878. > Wertheimber, Louis. 1869. » Wetzel, Heinr. 1864. > Wiesner, Dr. med. 1873. » Winter, W. Chr. 18.52. » Winter, Wilh. 1881. » * Wirsing, J. P., Dr. med. 1869. ^ Wirth, Franz. 1869. V Wittekind, H., Dr. jur. 1860. » Wolff. Adam. 1873. » Wolfskehl, H. M., Commerzien- rath. 1860. Hr. Wüst, K. L. 1866. » Wunderlich, Gg. 1869. » Zickwolff, Albert. 1873. Hr.*Ziegler, Julius, Dr. phil. 1869. > Ziegler, Otto, Director. 1873. » Zimmer, Georg Carl. 1878. IV. Neue Mitglieder für das Jahr 1882. Hr. Andreae, Arthur. > Brückmann, Phil. Jac. » V. Erlanger, Baron Ludwig. > Eyssen, Remigius Alex. Hr. Fabricius, Franz. » Jeidels, Sigmund. » Königliche Bibliothek in Berli » Kngler, Adolf. — 26 — Hr. Müller, August, Dr. i'hil. » Ossyra, Paul. » Kitter, Franz. Hr. Rothamel, Fritz. * Stock, Wilhelm. » Weis, Albrecht. V. Ausserordentliche Ehrenmitglieder. Hr. Mühlig, J. G. G., Inspector (von hier). 1872. » Erckel, Theodor (von hier). 1875. » Hetzer, Wilhelm (von hier). 1878. VI. Correspoiidirende Ehrenmitglieder. Hr. Rein, J. J., Prof., Dr., Marburg. 1876. • VII. Correspondirende Mitglieder. *) 1820. Wöhler, Friedr.,Geh.Ober-Medici- nalrath, Professor in Göttingen (von hier). 1 823. Radius, Justus, Dr. med. in Leipzig. 1825. de Laizer, Comte Maurice, in Clairmont-Ferrant. 1827. Keferstein, Adolf, Gerichtsrath in Erfurt. 1827. Reinhardt, Joh. A., Professor in Kopenhagen. 1830. V. Czihak, J. Ch., Dr., Professor, Ritter, in Aschaifenburg. 1832. Engelmann, Joh. Georg, Dr. med. in St. Louis, Nordamerika (von hier). 1833. Fechner, Gustav Theodor, Prof. in Leipzig. 1834. Listing, Dr. phil., Professor in Göttingen (von hier). 1834. Wiebel, Karl, Prof. in Hamburg. 1836. Decaisne, Akademiker in Paris. 1836. Schlegel, Herrn., Professor Dr., Director des Museums in Leyden. 1836. Agardh, JakobGg., Prof. in Lnnd. 1837. Studer, Bernhard, Prof. in Bern. 1837. Studer, Apotheker in Bern. 1837. Coulon, Louis, in Neufchatel. 1837. de Montmoliu , Auguste , in Neufchatel. 1839. Meyer, Georg Hermann, Prof. in Zürich (von hier). 1841. Genth, Adolf, Geh. Sanitätsrath, Dr. med. in Schwalbach. 1841. Budge, Jul., Prof. in Greifswald. 1841. Betti, Pietro, Soperintendente de sanita in Florenz. 1841. Parolini, Alberto, in Bassano. 1841. Fasetta, Valentin, Dr. med. in Venedig. 1842. Thomae, K., Prof. emerit. Di- rector des laudwirthschaftlicheu Instituts in Wiesbaden. 1842. Hein, Dr. in Danzig. 1842. Claus, Bruno, Dr. med., Oberarzt des städtischen Krankenhauses in Elberfeld (von hier). 1844. Göppert, Heinrich Robert, Prof., Geh. Medicinalrath in Breslau. 1844. Bidder,Friedr. H., Prof. inDorpat. 1844. Blum, Prof. in Heidelberg. *) Die vorgesetzte Zahl bedeutet das Jahr der Aufnahme. — 27 1845. v.Biscboff,Th.L.W., Professor in 1853. München. 1853. 1845. Adelmann, Georg B. F., Prof. in Dorpat. 1853. 1845. Kützing, Friedrich Traugott, in Nordhausen. 1853. 1845. Meneghini, Giuseppe, Professor in Padua. 1853. 1845. Zimmermann, Ludwig Philipp, 1853. Medicinalrath , Dr. med. in Braunfels. 1854. 1846. Sandberger, Fridolin, Professor in Würzburg. 1854. 1846. Worms, Gabriel, auf Ceylon (von hier). 1854. 1846. Worms, Moritz, auf Ceylon (von hier). 1856. 1846. Schiff, Moritz, Dr. med., Prof. in Genf (von hier). 1856. 1847. Virchow, Rudolf, Geh. Medicinal- 1857. rath, Professor in Berlin. 1848. Dunker, Wilhelm, Professor in 1857. Marburg. 1848. Philippi, Eudolf Amadeus, Di- 1859. rector des Museums in Santiago 1859. de Chile. 1849. Beck, Beruh., Dr. med., General- 1860. arzt in Karlsruhe. 1849. Dohrn, Karl August, Dr., Präsi- dent des Entomolog. Vereins in 1860. Stettin. 1860. 1849. Fischer, Georg, in Milwaukee, Wisconsin (von hier). 1861. 1849. Gray, Asa, Prof. an der Howard- Uni vei'sity in Cambridge. 1861. 1850. Kirchner (Consul in Sydney), jetzt in Wiesbaden (von hier). 1861. 1850. Mettenheimer, Karl Christian Friedrich, Dr. med., Geh. Med.- 1863. Rath, Leibarzt in Schwerin (von hier). 1863. 1851. Jordan, Hermann, Dr. med., in Saarbrücken. j 1803. 1851. Landerer, Xaver, Professor, Hof- 1864. apotheker in Athen. [ 1852. Leuckart, Rudolf, Dr., Professor | 1864. in Leipzig. ( Robin, Charles, Prof. in Paris, de Bary, Heinr. Anton, Prof. in Strassburg (von hier). Buchenau, Franz, Dr., Professor in Bremen. Brücke, Ernst Wilh., Prof. in Wien. Ludwig, Karl, Prof. in Leipzig. Bruch , K. , Dr. , Professor in Offenbach. Schneider, Wilh. Gottlieb, Dr. phil. in Breslau. Ecker, Alexander, Geh. Med.- Rath, Professor in Freiburg. Besnard, Anton, Dr., Oberstabs- arzt in München. Scacchi, Archangelo, Professor in Neapel. Palmieri, Professor in Neapel. Leyh, Friedrich A., Professor in Stuttgart. V. Homeyer, Alex., Major in Wiesbaden. Ribeira in Coira, Brasilien. Frey, Heinrich, Prof. in Zürich (von hier). Weinlaud, Christ. Dav. P'riedr., Dr. phil. in Hohen- Wittlingen, Württemberg. Gerlach, J., Prof. in Erlangen. Weismann, Aug., Professor in Freiburg (von hier). Becker, Ludwig, in Melbourne, Australien. Helmholtz, H. L. F., Geheim- rath, Professor in Berlin, von Manderstjerna, Ex cell., kais. Russ. Generallieut. in Warschau. Hoffmann, Herrn., Geh. Hofrath, Professor in Giessen. von Riese-Stalburg, W. F., Frei- herr, Gutsbesitzer in Prag, de Saussure, Henri, in Genf. Pauli, Friedr. Wilh., Dr. med., Hofrath in Lübeck (von hier). SchaaiFhausen, H., Geh. Med.- Rath., Prof. in Bonn. — 9J 1864. Keyserling, Graf Alex., Ex-Cura- \ 1873. tor der Universität Dorpat. ' 1865. Bielz,E.Albert, Dr., in Hermann- ' 1873. Stadt. 1873. 186G. Möhl, Dr., Professor in Kassel. 1867. Landzert, Professor in St. Peters- 1873. bürg. 1867. von Harold, Freih., Major a. D. 1873. in München. 1867. de Marseul, Abbe in Paris. 1873. 1868. Horustein, Dr., Oberl. in Kassel. 1869. Lieberkühn, N., Prof. in Marburg. 1873. 1869. Wagner, R., Prof. in Marburg. 18G9. Gegenbaur, Karl, Prof. in .Tena. 1873. 1869. His, Wilhelm, Prof. in Leipzig. 1873. 1869. Rütimeyer, Ludw., Professor in 1873. Basel. 1873. 1869. Semper, Karl, Prof. in Würzburg. 1869. Gerlach, Dr. med. in Hongkong, 1873. China (von hier). 1873. 1869. Woronin, M., in Wiesbaden. 1869. Barboza du Boccage, Director des zoolog. Museums in Lissabon. 1873. 1869. Kenngott , G. A. , Professor in Zürich. 1873. 1871. V. Müller, F., Director des botan. 1873. Gartensin Melbourne, Australien. 1873. 1871. V. Haast, Jul., Dr., Professor und Director des Canterbury-Museum 1873. in Christ-Church auf Neuseeland. 1871. Jones, Matthew, Präsident des naturhistor. Vereins in Halifax. 1873. 1872. Agardh-Westerlund, Dr. in Ron- 1873. neby, Schweden. 1872. Verkrüzen, Th. A., in London. 1874. 1872. V. Nägeli, K., Prof. in München. 1872. V.Sachs, J., Prof. in Würzburg. 1874. 1872. Hooker, J. D., Direct, des botan. Gartens in Kew, England. 1874. 1873. Streng, Prof.in Giessen (von hier). 1873. Stossich, Adolf, Professor an der 1875. Realschule in Triest. 1873. vom Rath, Gerh., Prof. in Bonn. 1875. 1873. Römer, Geh.-Rath, Professor in 1875. Breslau. 1873. Heer, Oswald, Prof. in Zürich. ■ 1875. 1873. von Siebold. Prof. in München. 1 Caspary, Rob., Prof. in Königs- berg. Cramer, Prof. in Zürich. Bentham, Georg, Präsident der Linnean Society in London. Günther, Dr., am British Museum in London. Sclater, Phil. Lutley, Secretary of zoolog. Soc. in London. Leydig, Franz, Dr., Professor in Bonn. Loven , Professor, Akademiker in Stockholm. Schmarda, Prof. in Wien. Pringsheim, Dr., Prof. in Berlin. Schwendener, Dr., Prof in Berlin, de Candolle, Alphonse, Prof. in Genf. Fries, Th., Professor in Upsala. Schweinfurth, Dr. in Berlin, Präsident der Geographischen Gesellschaft in Cairo. Russow, Edmund, Dr., Prof. in Dorpat. Cohu, Dr., Prof. in Breslau. Rees, Prof. in Erlangen. Godeflfroy, J. K., Rheder in Ham- burg. Ernst, Dr., Vorsitzender d. deut- schen naturforsch. Gesellsch. in Caracas. Mousson, Professor in Züi-ich. KrefFt, Director des Museums in Sydney. Joseph, Gustav, Dr. med.. Decent in Breslau. V. Fritsch, Karl, Freiherr, Dr., Professor in Halle. Gasser, Dr., Privatdocent in Marburg (von hier). Bütschli, Otto, Dr., Prof. in Heidelberg (von hier). Dietze, Karl,inKarl8ruhe (v. hier). Fraas, Oscar, Dr., Professor in Stuttgart. Fischer von Waldheim, Alex., Staatsrath in Moskau. — 29 1875. Genthe, Herrn., Prof. Dr., Direc- tor des Gymnasiums in Ham- burg. 1875. Klein, Karl, Dr., Prof, in Heidel- berg. 1875. Ebenau, Karl, Vice -Consul des Deutschen Reiches in Zanzibar, d. Z. auf Madagascar (von hier). 1875. Moritz, A., Dr., Directeur de I'observatoire phj'sique in Tiflis. 1875. Probst, Pfarrer, Dr. phil. in Unter - Essendorf, Württemberg. 1875. Targioni-Tozetti, Prof.inFlorenz. 1875. Zittel, Karl, Dr., Prof. inMünchen. 1876. Liversidge, Prof, in Sydney. 1876. Böttger, Hugo, Director in St. Cristof, Vorarlberg (von hier). 1876. Langer, Karl, Dr., Prof. in Wien. 1876. Le .Jolis, Auguste, President de la Societd nationale des sciences naturelles in Cherbourg. 1876. Meyer, A. B., Dr., Director des kgl. zoolog. Museums in Dresden. 1876. Wetterhan, J. D., in Freiburg i. Br. (von hier). 1877. V. Voit, Karl, Dr., Professor in München. 1877. Schmitt, C. G. Fr., Dr., Prälat in Mainz. 1878. Chun, Carl, Dr., Docent in Leip- zig (von hier). 1878. Corradi, A., Professor an der Universität in Pavia. 1878. Hayden, Prof, Dr., Staatsgeologe in Washington. 1878. Strauch, Alex., Dr. phil., Mit- glied der k. Akademie der Wissenschaften in St. Peters- burg. 1878. StumpfF, Anton, aus Homburg v. d. H., d. Z. auf Madagascar. 1879. Adler, Nathaniel, Consul in Port Elisabeth, Süd-Afrika, d. Z. hier. 1879. v. Scherzer, Carl, Ritter, Mini- sterialrath, k. k. österr.-ungar. Geschäftsträger und General- Consul in Leipzig. 1879. Reichenbach, H. G., Prof. Dr., in Hamburg. 1880. Adams, Charles Francis, Presi- dent of the American Academy of Arts and Sciences in Boston Mass. 1880. Winthrop, Robert C, Prof., Mit- ■ glied der American Academy of Arts and Sciences in Boston Mass. 1880. Simon, Hans, in Stuttgart. 1880. Jickeli, Carl F., Dr. phil. inHer- mannstadt. 1880. Stapft\ E. M., Dr. Ingenieur- Geolog der Gotthardbahn- Ge- sellschaft in Bern. 1881. Lopez Seoane, Victor, in Corufia, Spanien. 1881. Hirsch, Carl, Director der Tram- ways in Palermo (von bier). 1881. Todaro, A., Prof. Dr., Director des botan. Gartens in Palermo. 1881. Snellen, P. C. T. in Rotterdam. 1881. Debeaux, Odon, Pharmacien en chef de I'hopital militaire in Orau. 1881. Flesch, Max, Dr. med. Privat- docent und d. Z. Prosector in Würzbiirg (von hier). 1882. Retowski, 0. , Gymnasiallehrer in Theodosia. 1882. Retzius, Gustaf, Dr., Prof, am Carolinischen medico - chirurgi- schen Institut in Stockholm. 1882. Henle, Prof. Dr. Geh. Ober- Medicinalrath in Göttingen. 1882. V. Renard, Dr., wirklicher Staats- rath in Moskau. 1882. Fetu, A., Dr. med. in Jassy. 1882. Russ, Ludwig, Dr. in Jassy. — 30 — Durch die Mitgliedschaft werden folgende Rechte erworben: 1. Das uaturhistorische Museum an Wochentagen von 8 — 1 und 3 — 4 Uhr zu besuchen nnd Fremde einzuführen. 2. Alle von der Gesellschaft veranstalteten Vorlesungen und wissenschaftlichen Sitzungen zu besuchen. 8. Die vereinigte Senckenbergische Bibliothek zu benutzen. Bibliotheks - Ordnung. 1. Nur Mitglieder der einzelnen Vereine erhalten Bücher. 2. Die Herren Bibliothekare sind gehalten, sich von der per- sönlichen Mitgliedschaft durch Vorzeigen der Karte zu überzeugen. 3. Jedes Mitglied kann gleichzeitig höchstens 6 Baude ge- liehen erhalten; 2 Broschüren entsprechen 1 Band. 4. Der entliehene Gegenstand kann höchstens auf 3 Monate der Bibliothek entnommen werden. 5. Auswärtige Doceuten erhalten nur durch Bevollmächtigte, welche Mitglieder eines der Vereine sein müssen, Bücher. Diese besorgen den Versandt. 31 Geschenke und Erwerbungen. Juni ] 881 bis Juni 1882. I. Naturalien. A. Geschenke. 1. Für die vergleichend-anatomische Sammlung. Von der Neuen zoologischen Gesellschaft:! GercopUhecus ruher Q Schädel, 1 Cynocephdlus Anuhis (^ Skelet, 1 Cyno- cephalus Sphinx (^ Schädel. Von Herrn Julius Ben n er hier: 2 mumificirte Katzen und eine Ratte, welche in der 1G74 erbauten »Stadt Ulm« dahier eingemauert gefunden wurden. Von der Palniengarten-Gesellschaft: 1 Cygniis iiigricollis 9 (Skelet). Von Herrn Dr. med. Max Flesch: Gypsbüste eines Microcephahis. 2. Für die Säugethiersammlung. Von Herrn Anton Stumpff auf Madagascar: 1 Echinops Telfairi (?). Von Herrn Inspector Mühlig hier: 1 3Iustela foina. Von Herrn August Hänlein hier : 1 Rehkitz, Cervus capreolus. Von Herrn Minister We b er in Tanger: 1 Mus alexandrinus i^i }. Von Herrn A. Koch: 1 Pittorius erminea (im Winterkleid), 1 Cricetus vulgaris. 3. Für die Vogelsammlung. Von Herrn Carl Aug. Graf Böse: Leiothrix lutea (^. Von Herrn Heinrich Fliusch hier: 2 werth volle Nestor notahilis (J und 9- Von Herrn Phil, von Donner hier : 1 Trichoglossus papuensis, 1 Domicella cardinalis. Von Frau E 1 i s a b e t h e V o 1 1 z hier : 1 Chrysotis amagonicus ^f, 1 Coniirus aureus (^. — 32 — Von Herrn Ernst Diehl hier : 1 Plictolophus roseicapülus Q . Von Herrn Friedr. Wagner hier: 1 Psittacula pullaria cf, 1 Ploceus melanogaster (5", 2 Eier von Aegintha cinerea. Von Herrn Eduard Meyer-Lust hier : 1 Ghnjsoüs Levnillantü. Von der Neuen zoologischen Gesellschaft: 1 Callocifta sinensis, 1 Flictolophus galeritus (;^, 1 FlictolopJuis nasicus (^ . Von Herrn Wildprethändler Chr. Geyer hier: 2 Anas hoschas (^ und 9, 2 Anas crecca (^ und 9^ 1 Anas Penelope Q. Von Herrn A. Koch: 1 Strix otus, 2 Puticilla ütJiys (J" und 9i 2 Fringilla coelebs (5" und 9- Von Herrn Th. Matthes hier : 1 Spermestes acuticauda, 1 Ama- dina cantans, 1 Sylvia trochilus, 2 Eier von Psittacula cana, 1 Nest von Ploceus haya. Von Herrn Dr. med. W. Kobelt: 1 Gallinula chloropus cf. Von Herrn J, Ch. D. Nies hier: 1 Oedicnenms crepitans. Von Herrn J. Kreu scher hier: 1 JButeo vidgaris. Von Herrn Carl Mittler hier : 1 Psittacus erythacus. Von Herrn Wilh. von den Velden hier: 40 Nordamerikanische Vogelbälge. 4. Für die Reptilien- und Amphibiensammlung. Von Herrn Chefiuspector C. Hirsch in Palermo: Lacerta viridis vom Cap Gallo bei Palermo. Von Herrn Hans Simon in Stuttgart durch Herrn Dr. Böttger: 1 lebende Clemmys Gaspia aus Syrien, 20 Flaschen Reptilien u. Amphibien aus Marocco, darunter 2 neue Species. Auswahl aus einer Suite syrischer Kriechthiere von Haiifa u. Jerusalem, 5 Flaschen von Syrien, 2 Flaschen mit Vipern aus Syrien. Von Herrn Gymnasiallehrer 0. Retowski in Theodosia: 8 Arten Reptilien u. Amphibien der Krim in z. Th. neuen Varietäten. Von Herrn Ant. Sturapff auf Madagascar: einige Flaschen mit Eidechsen', Schlangen und Fröschen, darunter Mcga- lixalus, PJiomhophryne. Von Herrn J. Chr. Parrot dahier: Ver micella annuluta Gnnth. von Australien. Von Herrn Victor Lopez Seoane in Corufia, Spanien: Meh- rere Rana esculenta L., fnsca Rösel var. hrevipalniata Seoajie und Iberica Boul., 3 Discoglossus pictus Grav. von N. W. Spanien, 4 Chioglossa Lusitanica Barboza, Spanien. J — 33 - Von Freih, v, Maltzau hier: 1 Varanus cxanthematicus Daud.- Von Herrn Dr. 0. B ö 1 1 g e r hier : 3 Scdamandra atra von Obers- torf, Allgäu. Von Herrn G. A. Boulenger in London: 1 Hyperölius Hor- stocki Schleg. ans Caffraria und Triton Montandoni Boulgr. aus der Moldau, Von Herrn Dr. Aug. Müller dahier: Lacerta agilis Lin, var. rubra aus dem Park Brieselang bei Berlin. Von Herrn Gust. Herath: Rhacophorus maculaüis, HydropJris hicolor^ Dendrophis pictiis var., Lycodon aidicus var., Tropido- notus stolaüis und quincunciatus , Remid actyliis maciüatus und Balg eines Monitor, sämmtlich von Ceylon. 5. Für die Fischsamnilung. Von Herrn Ant. Stump ff: Diverse Fische von Madagascar. Von Herrn Hans Simon: 1 grosses Glas voll Fische aus Syrieu. 6. Für die Insektensammlung. Von Herrn Ant. Stumpff: in 2 Sendungen mehrere Flaschen mit Käfern, Orthopteren, Hemipteren, IIymenop>tcren und Spinneu, ferner 5 Cigarrenkistchen mit Schmetterlingen, (2 Kasten enthalten Rhopaloceren, die anderen höchst werth- volle Heteroceren, v^ovon ein Theil neu für unsere Samm- lung, auch einige Species, die für die Wissenschaft neu sind. Von Herrn Oberstlieutenant S a a 1 m ü 1 1 e r : 1 Philampclns var, Jiissieuae von Nord-Amerika. Von Herrn Hans Simon: 3 Heuschrecken von Syrien, Von Herrn Theodor Passavant hier: Tlymenoptera, ge- sammelt in der Umgebung von Frankfurt, im Taunus und an der Bergstrasse und zwar : 55 Gesellige Bienen in 2 Gattungen u. 14 Arten 233 Einsame Sammelbienen 32 Schmarotzer-Bieuen 27 Gesellige Faltenwespen 27 Einsame » 181 Grabwespen 346 Blattwespen 29 Holzwespen 27 Goldwespen 239 Aechte Schlupfwespen 1196 »22 » »145 » 5 » » 23 » 2 » » 10 » 6 •» » 16 » 47 » »114 »40 » »234 » 6 » ^ 15 » 5 » » 20 »55 » »193 190 748 3 — 34 — feruer : 125 Mücken (ortJiorhapha) iu 7 Fam. 31 Gatt. u. 81 Art. 1066 Fliegen (cijclorhapha) ^ 18 » 284 » » 699 » 1191 25 265 780 Von Herrn v. Langsdorff in Oberrad : 1 Scolopendra carpo- philusi?) Leach. Von Herrn Oberstlieutenant Saalmüller dahier : eine Sammlung Microlrpidoptera, zumeist schädlicher Arten, für die Lehr- vorträge, in 3 Glaskästen. 7. Für die Crustaceensammlung. Von Herrn Anton Stnmpff: Diverse Krebs-Arten. Von Herrn Hans Simon in Stuttgart : 1 Glas syrischer Süss- wasserkrebse, Scorpione. 8. Für die Sammlung von Mollusken. Von Herrn Ant. Stumpff: Diverse Conchylien von Madagascar. Von Herrn Hans Simon in Stuttgart: 1 Octopus von Syrien. Von Herrn Baron von Maltzan: eine Anzahl Turbinella. Von Herrn Adolf Becker hier: 1 Ärgonauta argo. 9. Eür die botanische Sammlung. Von der Palmen garte n-Ges ellschaft: 1 Stammquerschuitt von JBalantmm antarcticum. Von Herrn P. A. Kessel meyer hier: eine Suite sicilianischer und afrikanischer Pflanzen und mehrere Coniferenfrüchte aus Italien. Von Herrn Oberlandesgerichtsrath Arnold in München: eine werthvolle Flechteusammluno-. Von Herrn Hauptmann Dr. v. Hey den : 1 Kohlblatt (Abnormität) von Neuenahr. Von Herrn Sanitätsrath Dr. Kloss hier: 1 Kartoffel (Abnormität). Von Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. Hoffmann in Giessen : 1 Kartoffel, von einer Quecke durchwachsen, aus Schlesien. Von Herrn G. Sennholz hier: 1 Zapfen von Äbies nohilis. Von Herrn Fr. B a s t i e r hier : 2 Früchte von Bassia longifolia. Von Herrn Gottl. Bansa hier: l Pilz, Stereum spec. Von Herrn Dr. Julius Ziegler hier: vergrünte Blüthen von Tropaeolum mujus. • — 35 - Von Herrn 0. Debeaux iu Oran, Pharmacien en chef: eine umfangreiche Sendung Pflanzen von Algier. Von Herrn Albert Schenkel in Hamburg : Frucht von Jaca- randa mimosaefoUa von Orotava. 10. Für die zoopalaeontologische Sammlung. Von Herrn Dr. 0. B ö 1 1 g e r hier : Den unteren Theil eines Ober- armknochens von MJiinoceros aus den Sandgruben von Mos- bach bei Wiesbaden und foss. Korallenstücke (Plioc.) von Spinalonga auf Creta. Von Herrn Dr. 0. Meyer in Berlin: einige foss. Conchjlien, wie Lucina excisa und JBicorium irreguläre von Alzey und eine vollständige Suite der Corallenarten des Mainzer Beckens. • 11. Für die phytopalaeontologisehe Sammlung. Von Herrn Dr. Fr. Kinkel in: eine Anzahl Pflanzenabdrücke von Oeningen und Bern und 1 Stück oligocäne Braunkohle von St. Wendelin. Von Herrn Franz Ritter hier: 2 Pflanzenabdrücke aus der Steinkohle von Duttvveiler bei Saarbrücken. Von Herrn Baron Ferd. v. Müller, Director des botan. Gartens in Melbourne: foss. Früchte von Sponäylostrohus Smythii, Vhymatocaryon Mackayi und 1 Stückchen Braunkohle von Australien. Von Fraul. Bausch hier: 1 Blattabdruck von Neuropteris^ Südl. Schiefer von Indiana. U. St. 12. Für die Mineraliensammlung. Durch Vermächtniss des verstorbenen Herrn Dr. jur. Fr. Schar ff hier : eine grosse und werthvolle ca. 2400 Stück umfassende Mineraliensammlung (Feldspath, Eisenglanz, Eisenkies, Kalk- spath u. s. w.). Von Herrn Dr. med. Felix Jordan in St. Johann bei Saar- brücken: 5 schöne Stufen Gypsspath, Steinsalz, Salzfels und ausgelaugter Salzfels von Bex, Canton Waadt, Schweiz. Von Herrn Dr. Fr. Kinkelin: 1 Stück Gneiss mit Magnetit von Schweden, 1 Stück Granit von Bregenz. 36 B. Im Tausch erhalten, a. Gegeu Madagascar-Reptilien und -Ampliibien. 1. Für die Reptiliensammlving. Von der Liniiaea hier: 2 Nyderidium platyurus Sehn., 1 Ampliisbaena vermicularis, Wagl. Von Herrn Naturalieuhäudler Gust. Schneider in Basel: 2 Byscoplms sanguineus Böttg. , von Tohizaua, 0. Madagascar. Vom Zoolog. Museum in Berlin durch Herrn Prof. Dr. Peters: Anolis stratulus Cope, aus Westindieu, Eumeces Sundevalli Suiith, Hyperolius (Megaliooalus) Fornasinii Biauconi, Xenojms Mülleri Peters, JBreviceps mossamhicus Peters, Chiromantis xerampeUna Peters, von Mozambique. 2. Für die Fisehsammlung. Von der Direction des k. k. zoolog. Hof- Cabinets in Wien : 2 Protopterus annectens adult, uud juv., 3 Folyptems hicJiir aus dem Nil, 1 Neuropterus niloticus, Salmo öbtusirostris, Chondrostoma Kneri von der Narenta, 1 Squalius svallize von der Narenta, 1 Doras longispinus vom Magdalenenstrom. b. Gegen Doubletten von der Ausbeute der Kobelt'schen Rüppell- stiftungs -Reise. Für die Molluskensammlung. Von Herrn H. Crosse in Paris : JBulimiis siibmariei Crosse, Bulimus Pancheri Crosse, Cyclotus Bocageanus Gass., Ortlia- licus Boucardi Pfr., Eucalodium Liehmanni Pfr. Von Herrn Th. Löbbecke in Düsseldorf: Cyrtidus scroti tius Hd. 2 Stück , Ovida angulata Lam. , Manella marginata Gmel., Conus acutangulus Chemn., Conus emarginatus Rve., Conus coffea Gmelin. Von Herrn Hans Heckle in Saaz: 20 Species fossiler Land- schnecken von Tuchofitz. Von Herrn A. Morelet in Velars: Limnaea Ribeirensis Stübel, Capverden; Helix Grassetti Mous., Canaren; Helixmodesta Fer., Canaren ; Vitrina Laniarcki Fer., Tenerife ; Hyalina Miguelina Pfr., A9oren; Bulimus pruninus Gould, St. Maria; Helix Guarfemes Grass., Canaren; Helix pJialerataWehh. , Canaren; — 87 — Bulimus vulgaris Morel., Canaren; Cionella agorica Morel., A9oreii; Marinula Vulcani Morel., Terceira. Vou Herrn Albert De nans in Marseille : 56 Species uns fehlender Landconchylieu von Mauritius, den Nicobaren und Neucaledonien. Vou Herrn Th. Löbbeckeiu Düsseldorf: 2 Scarabus trigonus Troschel, 1 Scarabus leJcithostoma, 1 Scarabus ceylanicus^ 1 Scarabus striatus , 1 Eupleura triquetra Rve. , 1 Murex corrugatus Sow., 1 Ranella tuberculata Sow., 1 Euptychia metableta Crosse, 1 Ricmula lobata Desh., 1 Ricinula mu- ricina var., 1 Ricmula elongata Blaiuv., 1 Ricinula con- catenata L., 2 Engina rosea Rve., 2 Ricinula jodostonia Rve., 1 Purpura coronata A. Adams, 2 Purpura Freycineti Desh., 1 Ranella pustulosa Rve., 1 Engina histrio Rve. Von Dr. H. Dohrn in Stettin: 1 Nanina interrupta Benson, 1 Nanina Kadapaensis Nevill, 1 Nanina Theobaldiana Nev., 1 Spiracidum Beddomei, 1 Hyhocystis gravida Benson, 1 Helix anax Benson, 3 Helicina tenuis Pf., 1 Cataidus recurvatus Pf., 1 Bitropis planorhis Blanf. , 2 Helicina paraensis Pf., 2 Helix retifera Pf., 2 Helicina psorica Morel., 1 Helix Ortoni Crosse, 1 CyclopJiorus nilgiricus Bens., 1 Otopoma clathratulum. Von Herrn Th. Löbbecke in Düsseldorf: 1 Marginella Be- langeri Kiener, 1 Melania aspera Lenn., 1 PJiorus exutus Rve. , 1 Megaloniastoma croceum Gmel. , 1 Megalomastonia venfricosum d'Orb. , 1 Megaloniastoma bituberculatuni Sow., 1 Cyclotus gramdatus Pfr. , 1 Cyclophorus perdix Pfr., 1 Zonites chloroticus Pfr. Von Herru P r i i s in Lillekjöbelevgaard : Etwa 40 uns fehlende Arten von den Andamanen und Nicobaren. Von Herrn H. von Maltzan in Frankfurt : Eine grössere Serie Seeconchylien vom Senegal, darunter namentlich zahlreiche Formen von Marginella. c. Gegen ältere Doubletten. Von Herrn J. Blum hier : 1 Pachydactylus maculatus^ 1 Crota- phopeltis und 1 Psammophis crucifer vom Kap. 38 — Von Herrn Dr. J. vou Bedriaga in Nizza : 1 Lacerta oxy- cephala von Korsika. Vou Herrn Maasseu in Elberfeld : 1 Paar prächtiger Urania Croesus Gerst. v, Sansibar. C. Durch Kauf erworben. 1. Für die Säugethiersammlung. Von der Neuen zoologischen Gesellschaft hier : 1 Simia satyrus (Oraug-Utaug) , 1 Osphranter rufus (J. 1 Equus BurcJiellii cJ*. Von Herrn C. Kläsi: 1 Tarsius spectrum. 2. Für die Vogelsammlung. 1 Pezoporus formosus, 1 Platycercus ßaveolus^ 1 Conurus calUpterus., 1 Conurus nana, 1 Conurus acuticaudatus, 1 Palaeornis cal- thropae^ 1 Pionias mitratus^ 1 Pionias chalcoptera, 1 Pionias leucogaster^ 1 Trichoglossus versicolor. 3. Für die Reptilien- und Amphibiensammlung. Von Herrn A. Müller hier: 1 Geoemyda spinosa Gra,j, 1 Galotes ophiomachus Gray von der Insel Salanga, Hinterindien. Von Herrn Cour. Kläsi: 23 zum Theil grössere Schlangen von der Insel Baugka. 4. Für die Insektensammlung. Von Herrn Hotkunsthändler Honrath in Berlin: 2 Euryades Corethrus (^ Q aus Uruguay und 1 Parnassius Nomion. Von Herrn Ribbe in Blasewitz-Dresden: 1 Papilio Lycophron^ 1 Opsiphanes Batea^ 1 Catagramma Pyracmon, 1 Haema- taera Py ramus, 1 Änaea Phidile und 1 Anaea Morvus von Brasilien, 2 Aporia Soracta cf 9 vom Himalaja. Von Herrn Dr. Staudinger in Dresden : Eine grössere Parthie Schmetterlinge. Von Fräulein Jeanette Kessler: Schmetterlinge von Odessa. Von Herrn M. Korb aus München : 3 Schmetterlinge, Von Herrn Conr. Kläsi: Käfer von der Insel Bangka. - 39 — 5. Für die Molluskensammlung. Von der Ausbeute des Herrn Leder: 26 Arten neue und seltene Species kaukasischer Mollusken. Eine reiche Suite californischer Seeconchylien. 6. Für die botanische Sammlung. Von Herrn H. Keck in Aistersheim : 168 Arten der Flora Argentina von Dr. Hieronymus ; Schultz Herbarium normale, Nova Series. Von Herrn Dr. C. ß a e n i t z in Königsberg : Herbarium Euro- paeum, Lief. 42 u. 43. 7. Für die zoopaläontologisehe Sammlung. Fragmente eines Elen-Geweihes, welche beim Graben eines Funda- ments 4 Meter tief in Sachseuhausen gefunden wurden. 8. Für die phytopaläontologische Sammlung. Von Herrn Bergfactor Lange: Eine grosse Suite Pflanzen- Abdrucke aus der Steinkohle, Grube Keden bei Saarbrücken. 9. Für die Mineraliensammlung. Von Mineralienhändler Druninger: l Calcitgruppe, 1 grosser und 3 kleine Wiserin vom Binnenthal. Von Herrn Dr. Schuchardt in Görlitz : Eine Collection seltener oder schön krystallisirter Mineralien. II. Bücher und Schriften. A. Geschenke. (Die mit * versehenen sind vom Autor gegeben. * Admiuistratio n der Senck enb ergischen Stiftung: 47. Nachricht von dem Fortgang und Zuwachs der Sencken bergischen Stiftung. *Bernard, Oberstabsarzt, A. F. in München: Systematischer Jahresbericht. (Die Mineralogie in ihren neuesten Ent- deckungen und Fortschritten). No. XXXIV, 1881. - 40 — C 0 p p e r u i c u s - V e r e i u für Wissenschaft und K unst zu Thoru : Mittheihmgeu, Heft III. *C r a m e r , Prof. Dr. C. iu Zürich : 3 gerichtliche mikroskopische Expertisen. 1880. De beaux, M. 0. in Orau : 5 verschiedene Schriften. (Separat- abzüge). *von Decheu, H., wirkhcher Geheiraerath : Dr. Carl Koch, ein Lebensbild. *Erust, A. in Caracas: Las Familias mas importautes del reiuo vegetal. — Memoria botanica sobre el Embarbascar. *Flesch, Dr. med.. Prosector au der anatomischen Anstalt in Würzburg : Untersuchungen über Verbrechergehirne. . L Theil. — 19 diverse Inaugural-Dissertatiouen. *Freytag, Bergrath: Bad Oeynhausen iu Rehme, Westfalen. *Göteborgs naturhist. Museum: Afdelningarua III Arsskrift 1881. *Grisebaeh, August: Flora Europaea. *J a c k , J. B. : Die europäischen Radula- Arten. *Joseph, Gust., Dr. med. et phil. , Docent au der Universität in Breslau : Erfahrungen im wissenschaftlichen Sammeln und Beobachten der den Krainer Tropfsteingrotten eigenen Arthropoden. Berlin 1881. *Kobelt, Dr. med. W. in Schwanheim: Katalog der im Europäi- schen Fauneugebiet lebenden ßinuenconcbylien. 2. Aufl. — M. E. Debeaux, Contributions ä la flore de la Chine. Fase. I— IV. Paris 1879. *Königlich norwegische Regierung: Den Norske Nord- havs-Expedition 1876—1878. *L anger, Prof. Dr. C. in Wien: Lehrbuch der systematischen und topographischen Anatomie. IL Auflage. *Lucae, Prof. Dr. G. : Festschrift der Senckenbergischen uatur- forscheuden Gesellschaft zum 50jährigen Doctor-Jubiläum von Prof. Dr. L. W. Th. von Bischoff in München. *Meyer, Dr. A. B., Director des zoologischen Museums in Dres- den : Ueber künsthch deformirte Schädel von Borneo und Mindanao. 1881. — 41 — *Natur his torisches Museum iu Lübeck: Jahresbericht der Vorsteherschaft. 1880. ^Petersen, Dr. Th. in Frankfurt a. M.: 1) Zur Kenntuiss des Melaphyrs. 2) Der Monte Viso. 3) Untersuchungen über Grünstein und Kupfer. *v o m Rath, G. in Bonn: Palaestina und Libanon. — Erdbeben von Ischia vom 4. März 1881. Zustand des Vesuvs im März 1881. *ßetzius, Gustaf, Professor am Carolinischen medico. -chirurgi- schen Institut in Stockhohn : Das Gehörorgan der Wirbel- thiere. Vol. I. Das Gehörorgan der Fische und Amphibien, Stockholm 1881. Küppell, Dr. Eduard iu Frankfurt a. M. Proceedings of the scientific meetings of the Zoological society of Loudon 1881. Part 1—4 (Colorirtes Exemplar). — Transactions of the Zoolog, society of Loudon. Vol. XI. Part. 5 — 6. — General-index to the Transactions. Vol. T — X, *Saalmüller , Oberstlieutenant M. Neue Lepidopteren aus Madagascar. — Allgemeine geographische und naturgeschichtliche Ver- hältnisse Madagascars (2 Exempl.). *Salvadore Licciardello in Catania: Reflessioni sulla origine del verde. *Sandberger, Prof. Dr. Fr. iu W^ürzburg : Geologische Er- scheinungen in nassen Jahren. — Triasformation im mittleren Maingebiete. *Schwendener, S. in Berlin : üeber Bau und Mechanik der Spaltöffnungen. — üeber das Winden der Pflanzen. "^Snellen, P. C. T. und M. C. Piepers: Lepidoptera van Celebes. *Stapff, Dr. F. M. in Airolo: Wie am Monte Piottino die Parallelstruktur des Gneisses in Schichtung übergeht. — De l'accroissement des temperatures ä l'iuterieur des hautes montagnes. — Drei geologische Beobachtungen im Tessinthal. *Targioni-TQzetti, Prof. in Florenz: 28 verschiedene Schriften. — ■J2 — *T r e V i s a n , Vittore in Saint Leon : Scritti botanici et di storia naturale II. Partie, 22 Stück. Winter, Chr. in Frankfurt a. M. : A. Turner, die Kraft und Materie im Räume. Frankfurt 1878. *Zahnärztliclier Verein in Erankfurt a. M. : Officiel 1er Bericht über die Hanptsitzung am 8. Januar 1881. — Officieller Bericht über die Festsitzung am 14. und 15. Mai 1881. *Ziegler, Dr. Julius in Frankfurt a, M. : Vergrüute Blüthen von Tropacolum ?najns. S. Im Tausch erhalten vou iliademien, Beliörrten, Gesellscl>aften, Instituten, Vereinen «. dgl, gegen die Al)liandliiugen nnd Berichte der Gesellschaft. Aiuieiis. Societe Linneenue du nord de la France: Bulletin mensuel. Tome IV. No. 88—90. » Y. » 91—98. Amsterdam. Königl. Akadeutie der Wissenschaften: Jaarboek. 1880. Processen -Verbaal. 1880—81. Verhandelingen, Deel XXI. Verslagen eu Mededeelingei]. Tweede Recks. Deel XVI. — Zoologisclie Gesellschaft: Catalogns der Bibliotheek. Annaberg. Annaberg-Buchliolzer Verein für Naturkunde : Jahresbericht. V. 1880. Augsburg. Naturhistorischer Verein: Bericht. XXVI. 1881. Batavia. Natuurknndige Vereenigung in Neederlandsch Indie: Natuurkuudig Tijdschrift. Deel XL. Serie VIII. Deel I. IJerlin. Königl. Prenss. Akademie der Wissenschaften : Monatsbericht von Febiuar bis December 1881. Sitzungsberichte. 1882. XXII. » L-XVIL — Deutsehe geologische Gesellschaft: Zeitschrift. Bd. XXXIIL Heft 1—4. 1881. — 43 — Berlin. Königl. Preuss. Ministerium für Handel, Gewerbe nnd öffent- liche Angpelegenheiteu: Geologische Specialkarte von Preussen und den Thürin- gischen Staaten. Lieferung XVII. in 6 Blättern mit 6 Heften Erläuteruugen. Lieferung XIX. in 9 Blättern mit Erläuterungen. Abhandlungen zur geologischen Specialkarte etc. Bd. III. Heft 2 u. 3. Jahrbuch für das Jahr 1880. — Botanischer Verein für die Provinz Brandenburg: Verhandlungen. Jahrgänge XXI — XXIII. — Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsberichte. 1881. Bern. Naturforschende Gesellschaft: Mittheilungen. 1880. No. 979 — 1003. 1881. » 1004—1029. Heft II. Bologna. Reale accademia delle scienze delP Istitnto: Memorie. Serie IV. Tomo I. Indici generali dei dieci tomi delle Memorie. 1871—79. Bonn. Naturhistorischer Yerein der Preuss. Rheinlande und West- falens : Verhandlungen. Jahrg. XXXVII. 2. Hälfte. » » XXXVIII. Supplement zu den Verhandlungen. Jahrg. XXXVIII. Bordeaux. Soci6t6 des sciences physiques et naturelles: Memoires. Serie II. Tome IV. Heft 2 u. 3. Boston. American academy of arts and sciences: Proceedings. New series. Vol. VIII. Whole series. Vol. XVI. Part. 1 u. 2. — Society of natural history: Anniversary memoirs. 1830 — 80. Braunschweig. * Verein für Naturwissenschaft : J{;hresbericht. 1880—81. Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen. Bd. VH. Heft 3. Breslau. Schlesische Gesellschaft für raterländische Cultur: 58. Jahresbericht. 1880. Brunn. K. k. Mährisch -Schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde: Mittheilungen. Jahrg. 61. 1881. — 44 - Brunn. Naturforschender Verein: Verhandlnugeu. Bd. XIX. Brüssel (Briixelles). Academie royale des sciences des lettres et des beanx arts de Belgique: Memoires. Serie II. Tome IX. — Societe entomologiqne de Belgique: Annales. Tome XXV. Compte-rendu des seances. Serie III. No. 9 — 17. Extrait des Comptes-rendus. Dec. 1881. Januar, März und Mai 1881. Budapest. Königl. Ungar. Natunvissenschaftliclie Gesellschaft: Li vi US, M., Magyarorszag Vasercz Fekhelyei. Or ley, Dr. L., Monographie der Auguilluliden. Schenzl, Dr. G., Beiträge zur Keuntniss der erd- magnetischen Verhältnisse in den Ländern der ungarischen Krone. Calcutta. Asiatic society of Bengal: Journal. Vol. L. Part. I. No. 3 u. 4. » » » » II. » 3 » 4. » » » » I. Extra-Nummer. Proceedings. 1881. No. 5 u. 7-10. 1882. » 1 » 2. Cambridge. U. S. A. (Mass.) Mnsenm of comparative zoology: Annual report. 1880—81. Bulletin. Vol. VI. No. 12. » » IX. » 1 — 5. Memoirs. Vol. VII. Part. II. No. 2. Carlsruhe. Naturwissenscliaftlicher Verein: Verhandlungen. Heft VIIL 1881. Cassel. Verein für Naturkunde: Bericht 28. Catania. Accademia Grioenia di scienze naturali: Atti. Ser. III. Tomo XIII.— XV. 1879—81. Cherbourg. Society nationale des sciences naturelles: Me'moires. Tome XXII. 1879. Christiania. Königl. Norwegische Universität: Archiv for Mathematik og Naturvidenscab. Bd.V. Heft 4, Bd. VI. Heft 1-3. — 45 — Chur. Natnrforschende Oesellscliaft Granbnndens : Jahresbericht. Neue Folge. Jahrg. XXIII. u. XXIV. Danzig. Naturforschende Gesellschaft : Schriften. Neue Folge. Bd. V. Heft 1 u. 2. Darmstadt. Verein für Erdkunde und Mittelrheinischer geologischer Verein : Abhandlungen (Lepsius, Halitherium Schinzi, die fossile Sirene des Mainzer Beckens). Bd. I. Lief. 1 u. 2. Notizblatt. IV. Folge. Heft 2. Donauescliiugeii. Verein für Geschichte und Naturgeschichte: Schriften. Heft IV. Dorpat. Naturforscher- Gesellschaft : Archiv für die Naturkunde Liv-, Esth- und Kurlands. IL Serie. Bd. IX. Lief. 3-4. Sitzungsberichte. Bd. VI. Heft 1. Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis: Sitzungsberichte. Jahrg. 1871 u. 1872. Sitzungsberichte und A-bhandlungen. 1881. Dublin. Royal Dnhlin society: Scientific transactions. Ser. IL Vol. I. No. 13 u. 14. Scientific proceedings. Vol. IL Part. VIT. » » » Hl. » L— IV. Edinburgh. Royal society: Transactions. Vol. XXIX. Part IL 1879—80. Proceedings. Vol. X. 1870-80. No. 105. Erlangen. Physikalisch-medicinische Societiit: Sitzungsberichte. Heft 13. 1881. Florenz (Firenze). Real istituto di studi superior! pratici e di per- fezionamente : Publicazioni. 1880—81. 3 Hefte. Frankfurt a. M. Neue zoologische Gesellschaft: Der Zoologische Garten. Jahrg. 1881. No. 4—12. » » » 1882. » 1—5. — Physikalischer Verein: Jahresbericht. 1879—80. 8t. Gallen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Bericht. 1879—80. Genf (Genöve). Societe de physique et d'histoire naturelle: Memoires. Tome XXVIl. Pnrt. IL — 46 — Compte-rendu des travaux preseutes ä la 63. session de la Societe Helvetique des sciences naturelles rennie ä Brigue les 13—15 Septembre 1880. Compte-rendu etc. 64. session ä Aarau 8 — 10 Aout 1881. Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natnr- mid Heilknnde: XX. Bericht. 1881. Glasgow. Natural history society: Proceedings. Vol. TV. Part. TL T 879- 80. Graz. Akademischer Lesevereiu der k. k. Universität: .Jahresbericht XTV. 1881. Halifax. Nova Scotlan institute of natural science : Proceedings and Transactions. Vol IV. Part. ITT und IV. 1877—78. Vol. V. Part. I— III. 1879—81. Halle a. S. Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinisch-Deutsche Academie der Naturforscher : Nova acta. Vol. XLI. Part. 1—2. Leopoldina. Heft XVII. No. 11—24. » XVIII. No. 1-8. — Verein für Erdkunde : Mittheilungen. 1881. Hamburs:. Naturwissenschaftlicher Verein: Verhandluncj-en. 1880. Neue Folge V. — Verein für Naturv^issenschaftliche Unterhaltung": Verhandlungen. 1877. Bd. TV. Hannover. Naturhistorische Gesellschaft : Jahresbericht 29—30. 1878—80. Harlem. Societe Hollandaise des sciences exactes et naturelles: Archives Neerlandaises des sciences exactes et naturelles: Tome XVI. Livr. I— II. Genzel, F. K. Neue Untersuchungen über die Bahn des Albers'scheu Kometen und seine Wiederkehr. 1881. — Musee Teyler: Archives du musee Teyler Ser. II. Origine et but de la Part. II. Fondation Teyler et son cabinet de physique. Heidelberg. Naturhistorisch-medieinischer Verein : Verhandlungen. Neue Folge. Bd. III. Heft I. Helsingfors. Societas pro fauna et flora Feunica: Meddelanden. Heft 6—8. — 47 — Jena. Medicinisdi-natunrissenschaftliche Gesellschaft: Jenaische Zeitschrift. Bd. XV. Neue Folge. Bd. VIIT. Heft 2 u. 3. Iniisl)ruck. Naturwissenschattlich-medicinischer Verein: Berichte. Jahrgang XI. 1880—81. Lausanne. Societe Vaudoise des sciences naturelles: Bulletin. II. Ser. Vol. XVII. No. 85. 86. Leyden. Nederlandsche dierknndige Yereeniguiig: Tijdschrift. Deel V. Aflev. 4. — UniTersitäts-Bibliothek : Jaarboek van het Mijuwezen in Nederlaudsch 0.st-liidie. Jahrg. 1877. Bd. I. 1878. Bd. I und IL 1880. Bd. n. Lissabon (Lisboa). Academia real das scieucias : Memorias (Classe sciencias mathematicas , ' physicas e naturaes). Nova serie. Torao V. Parte II. Tomo VI. Parte I. Historias dos estabelecimentos scientificos litterarios e artis- ticos de Portugal. Tonio VIII u. IX. Jorual de scienc. roathem. phys. et naturaes. Tomo XXIV-XXIX. Flora dos Lusiadas 1880. — Sociedade de geograpliia: Bulletin. Ser. II. No. 5—10. London. British museum (Zoological departement) : Catalogue of the birds in the British museum. Vol. I — VI. Illustrations of typical specimens of lepidoptera heterocera in the collection of the British museum. Part. I, II u. V. Catalogue of batrachia salientia ecaudata. 1882. — Liunean society: The journal, Botany. Vol. XVIII. No. 8—13. The journal, Zoology. Vol. XV. No. 84—85. Transactions. Vol. II. Part. 2. List of the Linuean society. 1881. — Royal society: Philosophical transactions. Vol. 171. Part. 2 3. » » » 172. » 1, — 48 — Proceedings. Vol. XXXI. No. 206-211. » » » » 212—213. Mitijliederverzeichniss. 1880. Loudon. Royal luicioscopical society: .Journal. Ser. II. Vol. I. Part. 4—6. » » » » II. » 1 — 2. — Zoological society: Proceedings. 1881. Part. 1—4. Transactions. Vol. XL Part. 5 — 6. General index of the Transactions. Vol. I. — X. Lüttich (Li^ge). Societe geologique de Belgique: Auuales. Tome VII. 1879—80. — Societe royale «les sciences: Memoires. Tome IX. Luxemburg. Societe royale des sciences naturelles et mathematiques : Publications. Tome XVIII. (Sections des sciences naturelles.) LyOU. Academic des sciences, belles lettres et arts: Memoires. Vol. XXIV. 1879—80. — Societe Liuneenne: Annales. Tome XXVI.— XXVII. 1879—80. — Societe d'agriculture, liistoire naturelle et Jirts utiles: Annales. Ser. V. Tome II. 1879. — Musee d'histoire naturelle: Rapport a M. le Prefet. IX. 1881. Mailand (Milane). Reale istituto Louibardo di scienze e lettere: llendiconti. Ser. II. Vol. XIII. — Societa Italiana di scienze naturale: Atti. Vol. XXII. Fasc. 3 u. 4. » XXIII. » 1—4. Modena. Societa dei naturalisti: Annuario. Anno XV. Disp. 1 — 3. Montpellier. Academic. des sciences et lettres: Memoires de la section des sciences. Tome I. — VII. Tome VIIL, Fasc. 1—4. Tome IX., Fasc. 1. Tome X., Fasc. 1. Fascicule de 1861. 2*^ partie. Moskau. Societe imperiale des naturalistes: Bulletin. Annee 1880, No. 4. 1881, No. 1—3. Nouveaux memoires. Tome XIV. Livr. 2. — 49 — München. König-]. Bayrische Akademie der Wissenscliafteii : AbhandluDgeu der mathematisch - physikalischen Classe. Bd. XIV. Abth. I. Sitzungsberichte. 1881, Heft 3—4. 1882, Heft 1—2. Münster. Westfälisclier Proviuzisilveiein: IX. Jahresbericht. 1880. ^-^-r--^-^ Neapel. Zoologische Station: / ^ ]'^y''^/l^\ Mittheilungen. Bd. I, Heft 1. f^ ^"^ ^ ;> HI. ;> 1—3. Ir '■ Neu fell iltel. Societe des sciences naturelles: Bulletin. Tome XII. No. 2. 1881. Nürnberg-. IVaturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen. Bd. VII. Odessa. Nenmssische Natnrforscher-Glesellschaft: Bote der Neu russischen Gesellschaft. Tome VI. No. 2. u. Tome VII. No. 1. Paris. Societe zoolog'ique de Fr.ince: De la nomenclature des etres organises. 1881. St. PeteiSblirg. Academie imperiale des sciences: Bulletin. Tome VII. No. 3 u. 4. » » VIII. » 1. Memoires. » XX Vi II. No. 3— 9. » XXIX. » 1—4. » » XXX. »1 — 2. — Kaiserlicher botanischer Cfarten: Acta horti Petropolitani. Tomus VII. Fase. 2. — Societas entomologica Rossica: Horae Societatis entomologicae Rossicae. Tome XI. Tome XV. 1879. Philadelphia. Academy of natural sciences: Proceedings. Part 1—3. 1880. Journal. Ser. II. Vol. VIII. Part 4. — American philosophical society: Proceedings. Vol. XI. 1869. No. 81. » XIX. 1880. No. 107 u. 108. Pisa. Societa Toscana di scienze natnrali: Atti (Memorie). Vol. I. Fasc. 1. » » » III. 4 - 50 — Regensburg. Zoologisch -niincralog-iselier Verein: Correspondeuzblatt. Jahrg. XXXIV. 1880. Reicheilberg. Verein der Nattirfreunde: Mittheiluugeu. Jahrg. XII.— XIII. Rom. R. aceademia del lincei: Atti. Vol. V. Fase. 13 -U. » » VI. » 1—10. R. comitato geologic© : Bolletiuo. 1881. No. 5— 12., 1882. No. 1--2. Riga. Naturforscher -Verein : Correspoudeuzblatt. .Tahrg. XXIV. 1881. Salem. Essex iustitutiou: Bulletin. Vol. Xtl. No. 1-12. Visitors guide. Sitten (Sioii). Societe Murithienne du Valais: Bulletin des travaux. Soiulersbausen. Botanischer Verein ..Irmischia": Correspoudeuzblatt. IL Jahrg. Nu. 1—4. 1881. Stettill. Entouiologischer Vorein: Entomologische Zeitung. Jahrg. 42. 1881. Stockholiu. Königl. Akademie der Wissenschaften: Handlingar (Memoires). Bd. XIV. 2. Bd. XV.— Xv'll. Mit Atlas. Bihang (Supplement aux memoires). Bd. IV., Heft 1 — 2. Bd. V., Heft 1—2. Öfversigt (Bulletin). Arg. XXXIV.— XXXVII. Meteorologiska Jakttagelser (Observations meteorologiques). Tome XVII. -XIX. Lefuadsteckuiügar (Biographie des membres). Bd. II. Heftl. Icones selectae hymenomycetum noudum delineatorum. Vol. II. 1-6. — Entoniologiska Föreningen: Entomologisk Tijdskrift. Bd. I. 1880. Haft 8—4. » » ' » IT. 1881. » 1-4. — Bureau de la recherche geologique de la Suede: Carte geologique de ja Suede. Kartbladeu. Ser. Aa. No. 73 — 79. Beskrifniug. No. 73— 79. Kartbladen. Ser. Ab. No. 6. Beskrifuing No. 6. Afhandliugar och Uppsatzer. Ser. C. No. 30 — 44. — 51 — Stl'aSSburg. Kaiserliche Uuiversitäts- und Landes-Bibliotliek: 3 Inaugural-Dissertatlouen. Stuttgart. Königliches Polytechnikum: Jahresbericht. 1880-81. Triest (Trieste). Societä agraria: L'amico dei campi. Jahrg. XVII. No. 7 — 12. » )> » XVIII. y> 1— .3. Tronclhjeni. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Skrifter. 1879. Turin (Torino). Reale accademia delle scienze: Atti. Vol. XVI. Disp. 6—7. » XVII. » 1—3. Tromsö. Tromsö Musenm: Aarshefter. III. u. IV. VV.ashington. Smithsonian institution: Auuual report of the board of regents. 1879. Smithsonian contributions to knowledge. Vol. XXIIT. 1881. Smithsonian miscellaneous collections. Vol. XIX. — XXI, Proceedings of the American association for the advancement of science (29. Meeting held at Boston). 2 Bände. The Canadian journal (Proceedings of the Canadian In- stitute. New series. Vol. I. Part 2. — Departement of the Interrior: Bulletin. Vol. VI. No. 2. — Departement of agriculture: Annual report of the commissioner of agriculture. 1878 und 1879. Wien. K. k. Akademie der Wissenschaften: Anzeiger. Jahrg. 1881. No. 14—28. » » 1882. » 1—9. — K. k. geologische Reichsanstalt: Abhandlungen. 1882. Bd. XII. Heft 3. Jahrbuch. 1882. Bd. XXXI. No. 4. » » » XXXII. » 1. Verhandlungen. Jahrg. 1881. No. 16—18. » 1882. » 1—7. Führer zu den Excursionen der Deutschen geologischen Gesellschaft nach der allgemeinen Versammlung in Wien 1877. — 52 — Autobiographie du docteur medeciu Ami Boue, membre de TAcademie imperiale des sciences de Vienue. Wien. Zoologisch-botanische tiesellschaft: Verhandlungen. Jahrg. 1881. Bd. XXXT. — Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse: Schriften. Bd. XXI. 1880-81. Wiesbaden. Nas.sauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher. Jahrg. XXXIIL— XXXIV. 1880-81. Wiii'zbnrg. Pliysikalisch-medicinische Gesellschaft: 37 Inaugural-Dissertationen. Sitzungsberichte. 1881. Verhandlungeu. Neue Folge. Bd. XVI. New-York. Academy of sciences: Annals of the Lyceum of natural history. Vol. XL No. 13. Annals of the New-York academy of sciences. Vol. I., No. 9—14. Vol. IL, No. 1—6. Zürich. Schweizerische uaturforscheside Gesellschaft für die gesamniten Naturwissenschaften : Verhau dlungen. 63. Jahresversammlung vom 13. — 15. Sept. 1880 in Brieg. Verhandlungeu der Schweizerischen naturforschenden Ge- sellschaft in Aarau. 64. Jahresversammlung vom 7. bis 10. August 1881. Neue Denkschriften. Bd. XXVIII. I. Abth. 1881. — Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahrsschrift. Jahrg. XXIII. Heft 1—4. 1879. Zwickau. Verein für Naturkunde: Jahresbericht. 1880. C. Durch Kauf erworben. Die mit ' bezeichneten sind auch früher gehalten worden. *Abhandlungen der Schweizerischen palaeoutologischen Gesellschaft. *Aunales des sciences naturelles (zoologie et botanique), *Annals and magazine of natural history. *Archiv für Anthropologie. *Balfour: Handbuch für vergleichende Embryologie, übersetzt von Vetter. Band II. — 53 — *Beiträge zau* geologischen Karte der Schweiz. ^Berliner eutoiiiologische Zeitschrift. *Claus, Prof. J. V.: Zoologischer Jahresbericht für 1879. I u. n. Hälfte. — Zoologischer Jahresbericht für 1880. Abth. I — IV. *Deutsche eutomologische Zeitschrift. *Dohrn, Dr. A. und Graf zu Solms- Laubach: Fauna uud Flora des Golfes von Neapel. III. Monographie Pantopoda. IV. Monographie Corallina. *Gegeubaur: Morphologisches Jahrbuch. (Eine Zeitschrift für Anatomie uud Entwicklungsgeschichte.) *Geological magazine. *G r o t h , P. : Zeitschrift für Krystallographie. *J a u : Iconographie des Ophidiens. *Just, Leop. : Botanischer Jahresbericht. *K o b e 1 i : Jahrbücher der Deutschen malakozoologischeu Gesell- schaft, *Leuckart und Nitsche: Wandtafeln. *L i n d e n s c h m i 1 1 , Dr. L. : Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit. Bd. III. Heft 12. *Malakozoologische Blätter. *M artin i-Chemnitz: Couchylien-Cabinet. *MülIer: Archiv für Anatomie uud Physiologie. *Nachrichtsblatt der Deutschen malakozoologischeu Gesellschaft. *PaIaeontographica. *Palaeontologie Fran9aise. *Quarterly Journal of the Geological society of Loudon. Sibree, James: Geographie, Naturgeschichte und Ethnographie der Insel Madagascar (Deutsche Ausgabe). *Siebold & Köllicker: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. *S i 1 1 i m a u : The american journal of science and arts. *Stapff, Dr. E. M. : Geologisches Profil vom Gotthardtunnel, 37 Tafeln nebst Erläuterungen. *Troschel: Archiv für Naturgeschichte. *Tschermak, G. : Mineralogische und petrographische Mit- theilungen. * Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 54 III. Geld. Geschenk des Herrn Ph. von Donner für die Vogel- sararaluug M. 40 Städtische Subvention für das Jahr vom April 1881 bis April 1882, am 30. Juli 1881 empfangen . . » 2000 Städtische Subvention für das Jahr vom April 1882 bis April 1883, am 27. Mai 1882 empfangen . . » 2000 55 ^ CS i-M O QC ^N F-H o; «J a> O S a;» 'Ö fl O) A c^ Of? ^ 1-H o m •iM no ^ p '♦-- 03 «s Xi fl S 03 s O) CJ Q p^ p'm V 1—1 isr? CO •fh fer ^ p- Ol .s c OD ^ <^ C o QC 1^ O) 'Ö N ^•m t*^ fiS P3 -«1 ^' i-H CO 1 CO Oi 1 o 1 to t^ fN 1 CO fc fM rM CO rr, o o ^ . C- —1 o 1^ o o o l>- ^ 1^ 1-- CO o S --1 o o CO CN O lO r- C-) Oi -^ «3 i-H lO 1— ( fM o CO a) co f— H CO CO 1^ lO r>- (M CO t> CQ 1-1 I-H CO C5 i '"^ O O o o a o a o O So i § a o O o a o o t» tfl a a o ;-■ ■ Oh • bD a o 5 o o a o o Ö o o bD a > 0) CO 03 ).:] cä -i (-4 1—1 eä s . S o CQ !> bc S s a a q= ?^ 03 o m h-l o S rt , 1 O a 3 ^ Ö c < .71 1 o C .2 :? ?r' a o O <13 03 ^ rd ,a -a a . K W ? 03 ■-1 m o o o 3 v2 s-i ;h u «I 0) <13 03 c O ffi a K m ^ C P Q Q tf fe CO < » A « « « a » A * A « A tM y-^ CO 1 1 1-H 1 CO a- Tt c^ CO 1 1 I> 1 o o 00 o o lO o o Cv •^ CO «7 (M Of) o -^ th 1—1 CO »o CO CO 05 T-l 'a TS <1 CO ÖD a a jS Uj 03 CO o :a o 12h ,53 o a o 0) ho bo a - Oij CO c» t- '^ ca ■<* CO 1-1 (M (N lO lO '^ Oa (M 00 CO O JZ; 'rö fi T3 60 -a m s 9. TS £ -» "S =3 t-l a CS « Z CO 1=^ o o •c .b o fa 9. g I § ,. n O ffi C/3 3 cS p> <1 w W CO cö g cö "^ s <^ 2 J^ OD Ph C» O I s I S -t' O 00 O Ttl CO O 00 O C- T-c lO »O Cd (M o o "O ic o CC O CD 00 O -* O CO CO lO Cd CO CO . OD CO o -* <^« u . bD -a 55 ^^ N M S > OJ _H J ^ W « Ä a a Q- o II) v P3 Ö ß Vorträge und Abhandlungen. — 59 — lieber Vervollkommmiiig diircli Arbeitstlieiluiig im Tliierreich. Vortrag, gehalten bei der Jahresfeier am 4. Juni 1882 von Dr. Heinrich Reichenbach. H o c h a n s e h n 1 i c h e Ve r s a m m 1 u u g ! Die Betrachtung der Gesammtleistung eines modernen Cultur- volkes hat von jeher den denkenden Menschen in das höchste Erstaunen versetzt. Man denke an die Arbeitskraft, die erforder- lich ist, die Massen von Nahrungsstoffen dem harten Boden abzuringen oder sie im Kampf mit der Thierwelt zu erbeuten; man denke au die Leistung so vieler Tausende, die unter steter Gefahr ihres Lebens und im Schweiss ihres Angesichts im Schoos der Erde die nutzbaren Erzlagerstätten und die Kraftmagazine der Kohlenflötze ausbeuten ; man denke ferner an die Weiter- verarbeitung der dem Boden abgerungenen Schätze. Wer könnte in kurzen Worten die zahllosen Hebel und Räder des gewaltigen Culturapparates, des Verkehrs, der Industrie, des Handels einiger- massen zusammenfassen, wenn dabei auch nur die materielle Seite ins Auge gefasst würde ? Geradezu unendlich sind aber die Collectivleistungen auf geistigem Gebiet. Viele Tausende setzen ihre ganze Kraft ein, die Welt und den Menschen zu ergründen, die Naturkräfte zu erforschen und die gewonnenen Resultate der Gesammtheit nutzbar zu machen; sei es, dass grossartige Erfindungen die materiellen — 60 — Existeuzschwierigkeiten erleichtern, sei es, dass Kunst und Wissen- schaft das Dasein der Mitmenschen zu vergeistigen und veredeln trachten und die dem Menschen unverlierbaren Ideale und gött- lichen Anlagen immer weiter ausbauen. Und welche kolossale Arbeitskraft ist erforderlich, den ganzen socialen Organismus in seiner Integrität zu erhalten, die zahllos auftretenden Störungen auszumerzen oder zu paralysiren ! Mit welchem Eifer und mit welchem Ernst werden alle die Errungen- schaften auf die Nachkommen zu übertragen gesucht ! In der That, man wird zu der Frage gedrängt : Wie kann der verhältnissmässig schwache, doch nur eine kurze Spanne Zeit lebende Mensch solche Riesenleistungen vollbringen ? Man sieht nun ohne Weiteres ein, dass der Satz : »Einigkeit macht stark«, so verstanden, als ob durch Summation gleicher Einzelarbeiten eine so grossartige CoUectivleistung entstehen könne, eine befriedigende Antwort nicht zu geben vermag, wie es über- haupt geradezu unmöglich ist, diese Frage in ihrer vollen Tiefe zu beantworten. Wir würden sehr bald auf metaphysisches Gebiet gedrängt werden und den festen Boden unter den Füssen verlieren. Immerhin aber gelingt es, Einzelfactoren blosszulegen und bis zu einem gewissen Grad einen Einblick in den Causalzusammeuhang zu gewinnen. Ein helles Licht fällt auf die erwähnten Erscheinungen beim Vergleich des Culturvolkes mit einem uncivilisirten Volksstamm. Es springt sofort ein fundamentaler Unterschied in die Augen. Im Culturstaat übernimmt der Einzelne nur einen geringen, aber mehr oder weniger streng gesonderten Theil der Gesammtleistung ; für alles andfere lässt er die Uebrigen sorgen. Die Arbeit ist also getheilt. Ganz anders bei den wilden Völkerstämmen. Hier ist der Einzelne mehr oder weniger Alles in Allem. Er jagt, er fischt, er treibt Ackerbau, er gräbt sich die Höhle oder baut die ärmliche Hütte ; er fertigt seine Instrumente und Waffen selbst, so gut es gehen will ; mit einem Wort : er ist ein Universal- genie; aber es ist auch darnach. Dieser Volksstamm wird nicht fortschreiten ; die Einzel- personen der Horde, der Raub-, Jagd- und Weidenomadeu, sind auch nicht wesentlich von einander verschieden ; alle sind ziemlich gleichmässig entwickelt. Uebernimuit aber nun in einem solchen — 61 — Volksstamm der mit scharfem Ang' und sicherer Haud Begabte ausschliesslich die Jagd, bändigt der Nervige Ross und Stier und zwingt sie ihm zu dienen, während der Intelligente Waffen und Instrumente erfindet und der Schwache die Schafe hütet, und kommen sie überein, nicht den Nutzeffect der Einzelarbeit für sich zu behalten, sondern ihn zu Gunsten der Gesammtheit wirken zu lassen, so ist dadurch für die Gesammtheit, aber auch für den Ein- zelneu offenbar ein bedeutender Vortheil im Daseinskampf gegeben. Es tritt aber bald in jener Horde eine höchst bedeutsame Veränderung ein. Die vorher nicht wesentlich von einander ab- weichenden Mitglieder verlieren allmählich den Charakter der Gleichartigkeit. Die Kräfte werden im Kampf gestählt, das Auge wird schärfer, die Hand sicherer, der Intelligente wird erfindungs- reicher, während der Hirte, wenn er nicht gegen Räuber kämpfen muss, bald die Folgen seiner Thätigkeit deutlich genug zur Schau trägt. Denn die im Kampf und auf der Jagd Erstarkten be- nutzen sehr bald ihre Kräfte zur Ausbeutung der Schwachen; die Eroberungskämpfe beginnen; es werden Sclaven geraubt, unter die nun die Herren die Haus- und Feldarbeit vertheilen; diese im embryonalen Staat eingetretene Arbeitstheilung wirkt nun ver- ändernd ein und ist von höchst bedeutsamen Folgeerscheinuns-en begleitet. Die Arbeitstheilung schafft Specialisten und Virtuosen und bald wird mehr producirt als zur nackten Existenz noth- weudig ist. Der Ueberschuss findet die mannigfachste Verwendung; vor allem kann er in Geistesarbeit umgesetzt werden; die Intelligenz steigert sich; die Genies entstehen und ihre Leistungen werden zum Besten der Gesammtheit verwendet; die rohe Kraft wird all- mählich eingedämmt und in bessere Bahnen gelenkt; das Recht entwickelt sich u. s. w. An die Stelle der verhältnissmässig tief stehenden getrennten Einzelexistenzen ist nunmehr eine Einheit höherer Art, ein Collectivwesen von potenzirter Leistungsfähigkeit getreten. Die Arbeitstheilung bringt Vervollkommnung zu Stande. Dabei wirken nun aber noch andere Momente mit. Wie bereits hervorgehoben, verändern sich die Individuen in bestimmter Richtung, die von ihrer Beschäftigung abhängig ist; sie passen sich an. Hierzu tritt eine weitere, ebenso fundamentale Thatsache: Die so erworbenen Eigentliüinlichkeiten werden auf die Nach- kommen vererbt. — 62 — Das scharfe Auge, die sichere Hand, der gestählte Körper, das wohlentwickelte Gehirn gehen auf die Nachkommen über. Dem Fortschrittspriucip der Anpassung steht hier das con- servative Princip der Vererbung zur Seite, die gewonnenen Vor- theile zu Gunsten der Gesammtheit festzuhalten. Wir sehen also auf der Grundlage der Arbeitstheilung durch Anpassung und Vererbung eine Möglichkeit der fortschreitenden Entwicklung der Völker gegeben ; diese kommt aber allerdings vorzugsweise mit Hülfe jenes gewaltigen und mit grösster Präcision arbeitenden Regulators zu Stande , der unter seinen Rädern erbarmungslos alles zermalmt, was diesem Fortschreiten hinderlich ist; es ist der Kampf um's Dasein , der unausgesetzt scharfe Auslese des Passenden hält, »der Anpassungen lohnt und Verbildungen richtet«, der die Zahl der Arbeiter gleicher Art in ehernen Schranken ein- schliesst und dadurch bessere Arbeitsvertheilung, also grössere Productivität und Existeuzmöglichkeit schafft. Die Anfänge dieser in der That grossartigen Anschauungen, nämlich dass der Kulturfortschritt auf eingehender Arbeitstheilung iu Wechselwirkung mit Anpassung und Vererbung und in Ver- bindung mit dem Kampf um's Dasein beruht, sind bereits vor ge- raumer Zeit auf sociologischem Gebiet errungen worden. Aber die Biologie, die Lehre vom Lebenden überhaupt, hat diese An- schauung in neuerer Zeit nicht nur verallgemeinert, sondern auch weiter ausgebaut. Die Einsicht, dass diese Principien in der ge- sammten organischen Welt Geltung haben, ist eine Errungen- schaft des Menschengeistes von hoher Bedeutung. Es erlangen offenbar dadurch die genannten Principien für die Auffassung des socialen Körpers und in mancher Beziehung für die gesammte Weltanschauung eine eiuschneidende Wichtig- keit. Wir sehen wiederum: »Nach ewigen, ehrnen, Grossen Gesetzen Müssen wir alle Unseres Daseins Kreise vollenden.« Es sei mir nun gestattet, in einigen grossen Zügen dies Princip der Vervollkommnung durch Arbeitstheiluug auf dem Gebiet der Thierwelt zu entwickeln. Die Hauptresultate, zu denen wir gelangen werden , und die durch die Forschungen von — 63 — Milne-Edwards, Leu ck art, C. Vogt, Ha eck el, Gegeu- baur, Darwin u. v. a. festgestellt wurden, sind folgende: Werden die zur Existenz eines Thieres erforderlichen Leistungen der Ernährung, der Fortpflanzung, der Bewegung, Empfindung, des Schutzes etc. mehr oder weniger scharf gesondert auf bestimmte und getrennte Parthien des Organismus, auf Organe und Orgausysterae übertragen, oder übernehmen gar ge- sonderte Lidividuen — mögen sie durch materielle Bande fest verknüpft sein, oder mögen sie getrennt von einander ein Einzel- daseiu führen — specifische Leistungen, so verändern sich die ursprünglich gleichartigen Orgaue und Organsysteme resp. die Individuen zu Gunsten der Gesammtleistung. Mit wenigen Ausnahmen schreitet der Organismus mit weiterer Arbeitstheilung zu eiuer höheren Organisationsstufe vor und immer complicirtere physiologische Einheiten treten auf. Dies lässt sich verfolgen von der einfachen Zelle bis zu dem als physiologisches Lidividuum fassbaren Ameisen- und Bienenstaat. Hier stehen wir nun zunächst vor der schwierigen Frage, die ich nur kennzeichnen will: Was ist ein Individuum, also ein üntheil- bares, eine Einheit? Wir können den Organismus der höheren Thiere, der in physiologischem Sinne eine Einheit darstellt, auch als Zelleustaat betrachten, wo die Arbeitstheilung der Zellen in hohem Masse vorgeschritten ist, und können auch den Ameisen- haufen, das Bienenvolk, sowie den Menscheustaat als Einheit fassen , wo die Eiuzelindividnen , Eiuzelfamilien etc. die ent- sprechenden Rollen spielen, wie die einzelneu Zellen im Zellen- staat. Und wer hindert uns, die Einzelzelle als ein höchst complicirtes Aggregat von chemischen Molekülen aufzufassen, die die Arbeiten der Zelle unter sich vertheilt haben? Hier stehen wir offenbar vor einem metaphysischen Problem: Was ist eine Einheit? Der Begrifi" der Einheit ist relativ ; es kommt darauf au, ob wir Form oder Stoff in's Auge fassen. Die Form kann eine Einheit darstellen. Der Stoff ist immer ein Vieles. Dies gilt ganz besonders vom Lebenden. Göthe, der viele der modernen , die organischen Wissenschaften durch- dringenden Anschauungen auticipirte, sagt sehr schön : »Jedes Lebendige ist kein Einzelnes, sondern eine Mehrheit; selbst insofern es uns als Individuum erscheint, bleibt es doch eine Versammlung von lebendigen, selbständigen Wesen, die der — 04 — Idee, der Anlage nach gleich sind, in der Erscheinung aber gleich oder ähnlich, ungleich oder unähnlich werden können.« »Je unvollkommener das Geschöpf ist, desto mehr sind seine Theile gleich oder ähnlich und desto mehr gleichen sie dem Ganzen, Je vollkommener das Geschöpf wird, desto unähnlicher werden die Theile einander.« Häckel unterscheidet daher Individuen verschiedener Ord- nung ; jedes Individuum höherer Ordnung ist aus Individuen der nächst niederen zusammengesetzt. Wir wollen uns hier aber nicht weiter mit dieser schwierigen Frage befassen souderii mit G ö t h e sagen : > Freuet euch des wahren Scheins Euch des ernsten Spieles Kein Lebendiges ist Eins Immer ist's ein Vieles« und frisch in das Leben der Natur hineingreifen. Bei dem nur aus einem mikroskopischen Klümpchen lebender Substanz oder Protoplasma bestehenden Geschöpfen ist von Arbeits- theiluug kaum die Rede. Die Ernährung erfolgt meist durch Umfliessen von Nahruugstheilchen mittels Protoplasmafäden. Die Fortpflanzung besteht in einfacher Theilung des Klürapchens ; die Locomotion ist mehr ein langsames Fortfliessen. Sobald aber in dem Plasma ein festerer Inhaltskörper, ein sog. Zellkern auftritt, findet auch schon eine Theilung der Arbeit statt; denn dieser Kern scheint u. a. vorzugsweise die Fortpflan- zungsfuuctionen zu übernehmen; wenigstens nehmen die höchst wunderbaren und complicirten Fig / 3 Zellen aus dem Epithel der Horiüiaut des Menschen. a. ruhende KtuMie, l). Kern in der 'I'lieilunfj begriffen. (Nach Kleniming, Archiv für niikrosk. Aniitoniie. Hd. 20. Tat". III. Fig. 11.) Theilungsprozesse, die erst in der Neuzeit gehörig erforscht wurden, hier ihren Anfang (Fig. 1). Auch bei der Befruchtung der Eizellen spielen die Kerne dieser letzteren mit der Samenzelle eine höchst bedeutungsvolle Rolle. Vereinigt sich doch der Kern der Sperma- zelle, deren Protoplasma nur noch als Vehikel, als Bewegungsapparat zu functioniren scheint, mit dem Kern der Eizelle, dadurch den — 65 — Ei eines Seeigels. (Starke Verdrösse- rung:.) (Toxopntustes lividna.) 4 Alinuten nach der Befruchtung). S Nicht eingedrungene Samenfäden. Sk. Kopf (Zellkern) des eingedrungenen Samenfadens, der sich mit dem Eikern Ek vereinigt. P. Protoplasma der Eizelle. (Nach Flemming. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 20. Taf. I. Fig. 1. Impuls zur Entwicklung eines neuen Wesens gebend, so class man, wie es unser Landsmann Bütscbli kürzlich aussprach, den Kern der Ei- und Samenzelle gleichsam als die Träger eines hypothetischen Lebeusfermeutes ry anschauen könne. (Fig. 2.) Bei den weiter entwickelten ein- zelligen Wesen, Infusorien, Rhizopo- deu u. a. übernehmen nun bereits einzelne gesonderte Protoplasma- parthieu specifische Leistungen. Die äussere Schicht übernimmt bei vielen den Schatz; sie sondert ein Cuticular- häutchen ab, oder lässt starke, oft äusserst zierliche Kiesel- oder Kalk- skelete entstehen, die späteren Be- standtheile zu schützen. Es bilden sich bewegliche, geisselartige Proto- plasmafoitsätze oder lange wurzel- faserähnlich sieh verzweigende Fäden oder feine Haare und Borsten, die durch Schlagen im Wasser die Locomotion und das Herbeischwimmeu von Nahrungspartikelchen bewirken. Die Er- nährung wird besser bewerkstelligt, wenn die äussere Fläche Pseudopodien ausschickt oder wenn Mund und innere Verdauungs- räume auftreten. Im Innern des Protoplasmas finden sich häufig regelmässig pulsirende Hohlräume, sog. Vacuolen, deren Bedeutung noch nicht hinreichend feststeht. Aeusserst kleine Stäbchen in der Rinden- schicht vermitteln eine feinere Empfindung und bei einigen Infu- sorien (Stentor) treten im Protoplasma Bänder und Fasern auf, die durch sehr wesentliche Eigenschaften — Contractilität und Doppelbrechung — sich als die ersten Spuren der Muskeln docu- mentiren. Demgemäss haben diese einzelligen Wesen durch Vertheilung der Arbeit auf bestimmte Plasmaportionen eine Stufe der Organi- sation und eine Leistungsfähigkeit erreicht, die uns mit Stauneu und Bewunderung erfüllt. Wir kennen aber auch einzellige Wesen, die zusammentreten und Colouien bilden. Die zu den zierlichen Bäumcheu vereinigten Glockenthierchen haben durch diese Vereinigung vielleicht den 5 66 — Kzß. Mikrogromia socidlis: (Stark vergrössert.) Theil einer Colonie iin ausgebreiteten Zuland. Uie Individuen . Deck- individuen (Schutzpersonen). 1-. Eierstöcke, generative Personen oder Geschlechts- individiien /. Hoden, generative Personen oder Geschlechtsindividuen. II. Reifes männliches Individuuni, im Wasser schwimmend gefunden. ". Stiel mit dem Nährkanal, der sich in 4 longitudinale Gefässe verzweigt, die oben durch ein Ringgefäss in Verbindung stehen, h. Samenkapsel. III. Eine einzelne Kapsel aus einem Eierträubchen. a. wie bei IL e. Ei mit Keim- bläschen. IV. Ein Nesselorgan mit dem Anfang des Fadens ans einer Nesselkapsel v. Vergr. 300. (NachKölliker. Die Schwimmpolypen oder Siphonophoren von Messina. Leipzig 1853. — 76 — theilung erkennen ; alle nach gleichem Bauprincip construivt, nehmen sie je nach ihrem Beruf verschiedene Formen an, machen es möglich, dass der Staat nicht mehr an die Scholle gebunden ist, sondern die Freiheit erlangt. Bei Physophora befindet sieh am oberen Ende eine »wie ein verwehter Regenschirm« umgestülpte Meduse, deren Ränder ver- wachsen sind und die nun einen Luftsack, einen hydrostatischen Apparat darstellt. Er ist, wie Carl Vogt bemerkt, der Wind- beutel, der an der Spitze der Gesellschaft steht. (Fig. 5 a.) Eine Anzahl weiter nach unten folgender Thiere (Fig. bb.) sind auch nach dem Medusentypus gebaut; sie übernehmen die Locomotion des ganzen Polypenstaates, indem sie unausgesetzt Purapbewegungen machen. Sie, wie die Luftsackmeduse, haben weder Mund noch Magen, weder Tentakeln noch Raudfäden ; sie w;erdt'n eben auf Gemeindeunkosteu ernährt; ein Nährkanal [r.) verbindet die vielen Hundert Einzelpersonen, und alle werden von polypenartig gestalteten Fresspersonen (/".), die mit grossem Mund und Magen versehen sind, mit Nahrungsmaterial versorgt ; um des letzteren besser habhaft zu werden, bleiben einige dieser nutritiven Personen rudimentär, sinken zu einem tasterartigen Faden herab, mit furchtbaren Nesselbatterien besetzt, aus denen zahllose mikroscopische, vergiftete Fädchen abgeschossen werden können. Diese Tastpolypen fischen unausgesetzt nach Beute im Wasser herum und lähmen mit ihren Nesselgeschossen die Thierchen, die dann zunächst den Nährpolypen zum Opfer fallen. Eine weitere Anzahl von Mitgliedern dieser wunderbaren Commune erinnern an ein zur Düte eingerolltes Papiei' ; sie erweisen sich als rudimentäre Medusen, als Schutzindividuen, die mehrere der anderen umhüllen, ii.) Endlich giebt es noch generative Indi- viduen; ebenfalls vom Quallenhabitus, zerfallen sie wieder in 2 verschiedene: die einen produciren nur Eier, die andern nur Samen. (Fig. .5. 7. Je. l. IL III.) Meist in dauernder Verbindung mit dem Stock verbleibend, lösen sie sich bei Velella, wo ein colossaler Fresspolyp, in der Mitte stehend, die ganze Gesellschaft zu ernähren hat, zur Zeit der Reife vom Mutterboden ab, eine neue Colonie zu gründen. Alle die verschieden gestalteten Individuen arbeiten sich trefflich in die Hände ; Alles greift sfut in einander und wir dürfen wohl vermuthen, dass irgendwo ein Nervencentrum ist, — 77 — von dem aus wie mittelst Telegraphendrähteu alles geregelt und geleitet wird. Beim Vergleich mit dem Korallenstock, der hin- sichtlich des Bauplanes nicht wesentlich vom Siphonophorenstock abweicht, wo aber keine Arbeitstheilung stattfindet, werden wir nicht zögern, dem freischwimmenden Staat mit seinen polymorphen Individuen eine höhere Stellung einzuräumen und gerade der streng durchgeführten Theilung der Arbeit die Hauptrolle zur Erreichung der höheren Entwicklungsstufe zu viudiciren.^^j Dass aber auch selbst bei den durch Schmarotzerthum — welches ja in der grossen weiten Welt eine so bedeutungsvolle Rolle spielt — tiefgesunkeuen Thieren in gewissem Sinn von einer Theiluug der Arbeit geredet werden kann, beweist u. a. die Bandwurmkette. Zwar die Ernährungsarbeit theilen die zu einer Kette vereinigten Gliederiudividuen nicht; die besorgt der un- glückliche zechgeprelHe Wirth. Aber der Bandwarmkopf hält mit Angelhaken und Saugnäpfen die ganze Gliederbande fest und lässt fortwährend neue Glieder aus sich hervorsprossen, während die hermaphroditisch entwickelten Glieder die Fabrikation von Milliarden Keimen besorgen, die oft auf grossen Umwegen wieder neue Köpfe geben. Wie verhält es sich nun bei denjenigen Thieren, wo die Einzel- individuen nie mit einander znsauimengehängt haben, zeitlebens getrennt leben, die Existenzarbeit zwar im grossen Ganzen für sich übernehmen und nur auf einem Gebiet zu Specialisten werden. Es ist wiederum bezeichnend, dass dies Gebiet in erster Linie die Arbeit der Arterhaltung ist. Es scheint der Hermaphroditisraus der ursprüngliche Zustand gewesen zu sein; in fast allen Thierkreisen fiuden wir noch An- klänge daran ; wo die sonstigen Existenzbedingungen günstig waren, konnte er sich vielleicht erhalten ; wir kennen Schnecken, Würmer, Krebse u. v. a. als vollkommene Hermaphroditen, bei denen aber meist die zweierlei in Betracht kommenden Producte zu verschiedener Zeit zur Reife kommen ; Theilung der Arbeit der Zeit nach ! Offenbar liegt in der Trennung der Geschlechter ein Existenz- vortheil und diese Arbeitstrennung hat auch hier verändernd auf *) Englische Forscher fassenden Siphonophorenstock als ein Indi- viduum auf und die verschiedenen Theile als Organe. Was ist aber der Unterschied zwischen Organ und Individuum? - 78 — '^ ^ die Thiere eingewirkt und den bekannten Geschlechtsdiraorphismus zu Stunde o-ebraclit. Freilich sind bei vielen Meeresthieren u. a. beide Gesclilechter äusserst ähnlich , da ja das Wasser den Trausport der Befruchtuugsstoffe übernehmen kann; wo aber solche kostenlose Hiilfsmittel nicht zu Gebote stehen, treten oft tiefgreifende Modificatiouen auf. Meist sind die Männchen kräftiger, denn sie kämpfen unter einander; sie sind beweglicher und mit schärferen Sinnen und höherer Intelligenz ausgestattet, denn sie spüren ihren Art- genossen auf: sehr oft sind sie bedeutend kleiner, denn Bewegung grosser Massen ist kostspielig ; auch lebhaftere Färbung, schönere Stimme und interessante Bewaffnung u. v. a. zeichnet sie vor den Weibchen aus. Den letzteren fällt nun in der Regel die Hauptarbeit zu: Production der meist volu- minösen und kostbare, schwer zu erringende Nährstoffe enthaltenden Eier und Versorgung der Brut. Sie sind demgemäss umgestaltet: meist weniger beweglich , von plumperen Formen, geringerer Intelligenz. Es würde hier zu weit führen, die zahllosen Einzel- heiten auch nur einigermassen erschöpfend zu behandeln. Nur einige eclatante Fälle des sog. Geschlechtsdimorphismus seien kurz berührt. Wahrhaft ungeheuerlich sind die Verhältnisse bei einigen Rankenfüsslern und Schmarotzerkrebseu. Die Rankenfüssler sind meist Herma- phroditen : bei einigen getrenntgeschlecht- sciimarotzerkrebs Dmm go- lichen Zeigt das Weibchen keine tiefgreifen- hinus: Fab. ^ ° «. Männchen ungefähr 20mai deu Veränderungen : das Männchen aber ist vergrossert, sog. Pygmäen- . zur Pygmäe reducirt, zwergartig klein; ohne Mund und Verdauuugskanal und ohne Girren lebt es auf einem Weibchen zu 2 oder 3 wie Parasiten. Bei den Schmarotzerkrebsen (Fig. 6) können durch die günstigen Er- nährungshedingungen die Beweguugsfähigkeit , die Gliederung des Leibes, die Extremitäten, die Sinnesorgane der Weibchen verschwinden, alles zu Gunsten der Ovarien, die sich ganz unge- heuerlich vergrössern; der ganze Leib wird zu einem plumpen, '9- 6. % 20 miiunclien ''. Weibchen 4nial ver- grössert. Man sieht die zahlreichen Eier «Uirchsehiinraem. (Nach Stieiistrup u. Liitken au.s Urouii's Klivsscn u. Ord- nungen V. 1. Erste Ilälfie. Taf. III. Fig. 14 u. Ih.) 79 — unbeweglichen Sack mit allerlei Aus- und Einbuchtungen und Anhängseln, in die dann Verzweigungen des Ovariums hinein- wuchern. Aber ebenso lehrreich ist die Kehrseite: Die Arbeit des Männchens verhindert ein so tiefes Herabsinken ; es behält die Gliederung, die Symmetrie, die Extremitäten, die Beweglich- keit, die Sinnesorgane aus leicht begreiflichen Gründen. Es muss in der Regel das Weibchen aufspüren und dann wird bei ihm nur ein kleiner Theil der Nahrung in Generationsproducte umge- setzt, da ja eine verschwindende Menge von Samen ausreicht, eine colossale Masse von Eiern zu befruchten. Hiermit steht wiederum die Kleinheit der Männchen im Zusammenhang. — Bei Chondracanthus ist das Verhältniss der Masse des Männchens zu der des Weibchens = 1 : 12500. Dass es sich hierbei wirklich um allmählich stattgefundene Veränderungen handelt, beweist der Umstand, dass zwischen den oben skizzirteu extremen Fällen Zwischenformen existiren, bei denen der modificirende Einfluss der Arbeitstheiluug nicht aus- gereicht hat, den Organismus auf so tiefe Stufen herabzudrücken. Die Arbeit der Arterhaltung kann aber auch in ein und demselben Zeugungskreis auf mehrere Generationen vertheilt werden, und die oben erwähnte Fortpflanzung der Polypen und Quallen hat uns bereits Aehnliches gezeigt. Ein prägnantes Beispiel bietet die Reblaus. (Fig. 7). Vom Früh- ling bis in den Sommer hinein bringt die Wurzellaus auf partheuogene- tischem Weg 40 — 50 Junge zur Welt, die nach wenigen Tagen auf gleiche Weise frachtbar werden; und so geht dies 6—8 Generationen hindurch weiter; es leuchtet ein, den Wurzelläusen fällt die Aufgabe zu die Art ins Ungeheure zu ver- mehren; diese Individuen sind auch dieser Function treiflich angepasst; sie sind klein , leicht beweglich, mit starken Fresswerkzeugen versehen, haben unvollkommene Punkt- augen und leben unter der Erde an den Wurzeln; sie üben auch die verheerende Wirkung aus. Im Sommer erscheint nun auf einmal eine Eeldaus. Phylloxera vastatrix {Stark ver- grössert ) l. Wurzellaus von der Bauchseite. ■2. Geflügelte Laus. (Nach Brehms Thierleben. II. Aufl. Bd. 9. pag. 583). — 80 — von diesen Wurzelläusen abstammende geflügelte Generation; sie ist verhältuissmässig schlanker , liafc grosse Facetteuaugeu und ihr liegt ob, mittelst ihrer grossen Flügel, die wie Segel ausgebreitet werden, die Art weiter zu verbreiten, Flüsse, Berge, Thäler zu überschreiten, das Verderben weiter zu führen. Sie legt, wie das ihre sonstigen Functionen nicht anders erwarten lassen, nur wenige, ebenfalls unbefruchtete Eier, aber von zweierlei Grösse; aus den Sfrossen entwickeln sich nun ächte Weibchen, aus den kleineren die Männchen. Sonderbar — diese Geschleehtsgeneratiou hat weder ent- wickelte Fresswerkzeuge noch Verdauungsorgane; dafür aber einen sehr ausgebildeten Generationsapparat; sie haben auch nichts weiter zu thun als Blutsvermischung, Kreuzung zu vermitteln, die verderblichen Folgen der Inzucht zu eliminiren; das Weibchen legt nur ein einziges aber befruchtetes Ei, welches als sogen. »Wiuterei« die kalte Jahreszeit überdauert und im Frühjahr wieder die Wurzellaus liefert. Bei den Tnsecten, bei denen ja überhaupt alles vorzugsweise auf colossale Vermehrung zugespitzt ist — und die sich in manchen Fällen gerade dadurch im Existenzkampf die Wage halten ■ — treffen wir noch mehr derlei Verhältnisse. So hat bei gewissen Gallmücken (Miastor) z, B. das ausgebildete Insect nur ganz wenige Eier zu legen; die Multiplikation besorgt dann schon die Larve, denn in ihrem Körper entstehen mehrere Larven, die die inneren Weichtheile des Mutterthieres aufzehren, auswachseu, herauskriechen und auf gleiche Weise neue Larven erzeugen. Die Zahl nimmt also in geometrischem Verhältniss zu, bis endlich wieder Puppen und ausgebildete Thiere erscheinen. — Das Höchste aber, was durch Ärbeitstheilung und Arbeits- vereiuigung auf dem Gebiet der Thierwelt erreicht wird, treffen wir bei jenen wunderbaren staatenbildenden Insecten, den Ter- miten, Bienen, Wespen und Ameisen: Hier erzeugen die Arbeits- individuen durch Ueberproduction sogar in gewissem Sinne Güter, die uns als kunstvolle Bauten, als gefüllte Vorrathsmagazine, als Strassen und Minen entgegen treten und deren Erzeugung meist auf Grundlage der Feldarbeit, Halten von Weidevieh, Sclaverei u. a. ermöglicht wird, vor allem aber auf strenger Ärbeitstheilung, dergestalt, dass nur ganz wenige Individuen die Production der Eier und des Spermas übernehmen, alles andere aber von Arbeits- — 81 — thieren, von unentwickelten, sitzengebliebenen Weibchen besorgt wird. Keines der Individuen vermag sich selbst allein zu erhalten und die Art fortzupflanzen; alle sind streng auf einander an- gewiesen und arbeiten unbewusst auf ein bestimmtes Ziel los, — das der Arterhaltuug. Hier gilt keineswegs das Dogma des Ego- ismus: das Ganze gedeiht am besten, wenn nur jeder Einzelne für sich allein sorgt. Lassen wir in grossen Zügen einige der interessanteren Verhält- nisse dieser social lebenden Thiere an unserem Blick vorüberziehen: Im Bieuenstaat übernimmt ein einziges Individuum ausschliess- lich das Eierlegen ; es ist die Königin ; sie ist dazu trefflich aus- gestattet; die grossen Ovarien können bis zu 60 000 Eier bergen und in guter Jahreszeit kann sie 3000 Eier an einem Tage legen ; damit steht in Zusammenhang ihr vermindertes Flugvermögen , ihr stets vorhandener kräftiger Appetit und ein grosses Recepta- culum semims. Eine der Gesammtheit nachtheilige Ueberproduction zeigt sich in der Zahl der Männchen, die nur verständlich erscheint hinsichtlich der Auswahl des kräftigsten zur Fortpflanzung; im August, wo hiervon keine Rede mehr ist, werden sie daher von den Arbeitern getödtet. Die Grundlage des ganzen Bieuenstaates aber sind die Arbeiter, die bei der Arbeitstheilnng schlecht weg- gekommen sind. Kleine gedrungene Geschöpfe mit verkümmerten Ovarien, aber mit Sammelapparaten, ausgebildeten Mundtheilen, die sowohl zum Lecken, als auch zum Saugen und Beissen trefflich eingerichtet erscheinen, entwickeln sie eine fabelhafte Vielseitigkeit und oft eine erstaunliche Urtheilsfähigkeit, die man durchaus nicht mit dem Wort Instinkt erklären kann. Von früh bis spät tragen die älteren Arbeiter Wasser, Harz, Honig und Blütenstaub ein , während die jüngeren vorzugsweise die Bratpflege übernehmen. Beim Wabenbau verfahren sie arbeits- theilend, indem einzelne das Wachs kneten, kauen, mit Speichel vermischen, aufmauern, verrichten andere Handlangerdienste ; stets ist die Königin von Arbeitern umgeben, die bereit sind, ihr das Beste aus dem eignen Leib heraus zu würgen, oder neben das Ei etwas Futterbrei zu legen , während zahlreiche andere mit Reinigen und Ordnen der Zellen, Füttern der Brut u. v. a. alle Hände voll zu thun haben. So stellt also der Bienenstaat, oder »der Bien« eine physio- logische Einheit dar mit streng geschiedenen Bevölkerungsschichten; 6 — 82 — Kastenwesen, Specialisteuthum, Partikularismus haben sich ent- wickelt und stehen in vollster Blüte. Wir können einzelne Stadien dieses Entwicklungsprozesses noch nachweisen, wenn auch nur mittelst Indicienbeweises. So ähnelt die Königin im Bau ihrer Mundtheile etc. sehr den Arbeitern. Wer weiss, ob sie früher nicht mit auf das Feld musste , harte Arbeit zu verrichten , zu einer Zeit, als der Arbeiterstand noch nicht vorhanden war. So ist es ja auch noch bei vielen Hummeln und Wespen u. a., wo das überwinterte Weibchen anfangs alle Arbeit übernehmen muss, bis die aufgezogene Brut helfen kann. Und bei PolUstes gallica, jener bei uns häufigen Papierwespe ist in der That der Arbeiter- stand überhaupt noch nicht entwickelt: denn die allein über- winterte Königin rauss anfangs harte Maurer- und Feldarbeit neben der Kinderpflege übernehmen; natürlich, dass unter diesen Umständen die entstehenden jungen Weibchen wegen Futtermaugel kleiner bleiben ; kaum ausgeschlüpft, helfen sie eifrig mit arbeiten, legen aber auch Eier; nach Sie bold sind diese unbefruchtet und liefern nur Männchen. Zwar nicht so kunstvoll, aber durch ihre Ausdehnung merk- würdig sind die Collectivbilduugeu der Termiten, jene wunderbaren und kolossalen Bauten aus Thon, Excremeuten u. a., die oft wie Negerdörfer aussehen, mit Burgen und Thürmen versehen sein können und im Innern Gänge, Laufgräben, Kessel, Keller, Vor- rathskammern, Wochenstuben u. a. enthalten. Auch hier treffen wir die drei Individuenformen wieder (Fig. 8) ; unten im Bau sitzt in ihrem Thronsaal die riesige Königin, die in ihrer Jugendzeit zwar schlank und geflügelt war, jetzt aber zu einem ungeschlachten Eiersack mit 80 000 Eiern herab- gesunken ist, der an einem Ende noch deutlich das Köpfchen und die kleine Brust erkennen lässt; auch hier fällt den Arbeitern, die nach Lupes theils verkümmerte Männchen theils ebensolche Weibchen sind, die Hauptarbeit zu. Höchst bemerkeuswerth ist aber eine weitere Arbeiterform, die sog. Soldaten; ungeflügelt, mit ungeheurem Kopf versehen, der weniger auf grosse Intelligenz als auf gehörige Beisskraft schhessen lässt, scheinen sie die Ver- theidigung zu übernehmen, denn sie erscheinen mit drohend er- hobenen Fresszangen, wenn ein Eindringlinff sich bemerkbar macht. Am complicirtesteu gestalten sich die socialen Verhältnisse bei den Ameisen. Hier ist, mit Ausnahme der Bruterzengung 83 — uud der Jungenversorgung, die Arbeitstlieilung nicht so in strengen Grenzen durchgeführt ; der Einzelne erscheint freier ; das mag mit dem Leben auf der Erde zusammenhängen, welches eine grössere Fig. 8. V ct. Männchen der „schrecklichen Termite" {Teiines dirus). l. Arheiter. c. Soldat. d. Weibchen von Tennes regina. Alle Fig'uren natürliche Grösse. (Kach Brehm's Thierleben. II. Aufl. Bd. 9. pag. 531. Vielseitigkeit erheischt ; der Einzelne macht als Fussgänger inten- sivere Erfahrungen, kommt leichter in gar mancherlei Gefahren, denen er auszuweichen hat ; hierdurch wird eben die Urtheilskraft gestärkt, und die immerhin etwas einseitigen Arbeiten der Biene suchen wir bei den Ameisen vergebens ; im Gegentheil : eine be- wundernswerthe Vielseitigkeit tritt uns entgegen. So steht noch auf dem Stadium der Räuberhorde die west- afrikanische Treiberameise (Anomma arcens) ; sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht und bauen nicht; aber frech durch ihre Ueberzahl fallen sie auf ihren nächtlichen Beutezügen über Ratten, Mäuse, Eidechsen etc. her. Die meisten Ameisen sind zur Staatenbildung mit Arbeits- theilung vorgeschritten; eine geringe Anzahl von Männchen und Weibchen lässt sich von den Arbeitern ernähren uud liefert dafür die Brut, deren mühevolle Pflege auch den Arbeitern über- lassen bleibt. Auch hier ist bei vielen Gattungen eine vierte Form, die Soldaten , nachgewiesen. Die geflügelten Männchen und Weibchen haben nach dem Ausschlüpfen den Hang, den Staat zu verlassen und neue Colonien zu gründen ; die ungeflügelten — 84 — Arbeiter suchen sie aber festzuhalten , kueipeu ihnen die Flügel ab, lecken und füttern sie und bald beginnt das Eierlegen und bei der nächsten Volkszählung ist eine bedeutende Zunahme zu constatieren. Aber welche Arbeitslast für die verkümmerten Weibchen ! Die frisch gelegten Eier müssen geleckt und geborgen werden; wenn es heiss ist, kommen sie in die oberen Stockwerke; schlüpfen die zahlreichen Larven aus so haben sie zwei sehr hervorstechende Eigenthümlichkeiten : absolute Hülflosigkeit und eine enorme Fresslust ; sind sie endlich durch die Mühe der Ar- beiter so weit gemästet, dass sie in das Puppenstadium eintreten können, so hört damit die Last nicht auf; denn jetzt gilt es, die Puppe in die Sonne zu schleppen, was durchaus keine Kleinigkeit für die Kindsmägde ist, denn ein solcher Puppensack ist grösser wie dEis reife Thier selbst. Habeu endlich die Arbeiter der reifen Ameise im Puppen- gespiunst durch Aufkneipen des letztern die Freiheit verschafft, so können sie von Glück sagen, wenn es eine Arbeiterameise ist, die nun die Lasten des Lebens tragen hilft und sie nicht auch noch vermehrt. Kein Wunder, dass bei diesen Riesenleistungen — und mau bedenke, alles geht zu Fuss vor sich — sich höchst bemerkeuswerthe Gewohnheiten der Ameisen entwickelt haben, die ihnen die Last erleichtern. Wie beim Menschen so erzeugt auch hier Schwierigkeit im Existenzkampf höhere Intelligenz. Mit erstaunlichem Eifer und mit vereinten Kräften werden Obst- und Fleischstücke, Thierleichen etc. in den Bau gezerrt; eine fette Insecteularve, die hundert mal herunterrollt wird eben so oft wieder heraufgezogen ; ein förmlicher Weideviehstand hat sich entwickelt: auf den benachbarten Bäumen und Sträuchern etc. weiden die Blattläuse; eingebohrt mit ihrem Schnabel saugen sie den Pflanzensaft; auf besondern Strassen und Wegen ziehen die Arbeiter der benachbarten Ameisenstadt in hellen Haufen zu ihnen herauf, sie zu melken, d. h. sie mit ihren Fühlern zu kitzeln, bis aus den Honigtrompeten am Hinterleib der Blattläuse ein Tröpfchen Zuckersaft — und wie es scheint gern und willig — abgegeben wird, welchen die Ameise begierig aufleckt. Auch Stallfütteruug ist beobachtet; eine Blattlausheerde wird mit Erde ummauert, wird gemolken, ja sogar die Kinder werden zu ihnen gleichsam auf den Milchhof geschleppt. Wieder andere [Lasius ßavus) sammeln im Herbst die Blattlauseier, lassen sie im Bau überwintern und bringen die ausgeschlüpften Jungen im Frühjahr wieder auf die Weide. Also Freibeuterei, Weidevieh, Stallfütte- rung, Thierzüchterei — da ist nicht mehr viel zu wundern, dass Myrmica moUificans (Texas) zum Ackerbau, der Grundlage aller Cultur vorgeschritten ist; rings um das Nest in 3 — 4 Fuss Ent- fernung wird der Boden geplättet, alles Grüne vertilgt mit Aus- nahme eines korntragenden Grases, welches nun in Folge der gründlichen Ausjähtung des Unkrautes bald üppig gedeiht. Nach der Reife werden die Körner geerntet, der Spreu entledigt und in Vorrathskammern aufgespeichert; war Nässe eingetreten und ist mithin Gefahr des Keimens vorhanden, so werden die Körner in die Sonne geschleppt und getrockuet. Eine sehr eigenthümliche Function haben einzelne Arbeiter bei der mexikanischen Formica melligera übernommen. Auf ihren nächtlichen Zügen saugen sie sich auf Eichengallen so voll mit Honig, dass sie die Grösse einer Erbse erreichen, kaum nach Hause können und nun sich träge an die Decke des Baues hängen als lebendige Vorrathstöpfe im ^vahren Sinne des Wortes; denn sie sind stets bereit den hungernden Schwestern und Brüdern den Honig auszuwürgen. Dass sich in sehr vielen Ameisenstaaten eine besondere Wehr- kaste , die Soldaten , entwickeln konnten , lässt auf erbitterten Kampf ums Dasein schliessen; die Soldaten stellen eine modificirte Arbeiterform dar, die nur bei der Vertheidigung und beim Sclaven- raub thätig ist. Der merkwürdige Instinct Sclaven zu machen, der nur bei Ameisen beobachtet ist, ist eiue sehr schwierig zu erklärende aber gut verbürgte Thatsache ; das Wesentliche dabei ist, dass Arbeiter einer ganz andern Gattung in einem Ameisen- staat in gleicher Weise thätig sind, wie in Staaten ihrer eigenen Gattung. Mau kann offenbar hier nur in sehr zweifelhaftem Sinne von einer Arbeitstheilung reden, besonders wenn es so weit kommt, wie bei der südeuropäischeu Amazonenameise {Folyergus rufercens), die durch die schändliche Sclaveumacherei in so hohem Grade arbeitsscheu geworden ist, dass sie gar nicht mehr arbeiten, ja nicht einmal mehr Futter suchen kann und verhungern müsste, würde sie nicht von ihren Sclaven (zu Formica fusca und cuni- cularia gehörig) gefüttert, die alle Arbeiten wilhg verrichten, offenbar in der Meinung, sie seien bei sich zu Hause, Meist — 86 ~ -werden Puppen geraubt ; so ziehen brasilianische Ameisen (Eciton) in hellen Haufen auf Sclaveuraub ; am Bau des Feindes angelangt, graben sie Minen, wobei die einen die Erde aufkratzen, während die andern Handlangerdienste verrichten. Endlich fallen sie in Wuth über die Thiere her, ergreifen Arbeiterpuppen uud machen sich davon ; sonderbar ist, dass die Sclaven bei der Räuberei mit- thun; sie schlies.-en sich dem Raubzug an und helfen Angehörige der eignen Art zu Sclaven machen. Dass es sich hier nicht um unabänderliche Verhältnisse handelt, geht daraus hervor, dass bei Formica sanguinea in der Schweiz Herren nnd Sclaven am Nestbaumaterial, an der Herbei- schaifung der Nahrung und an der Brutpflege gleichmässig arbeiten, während in England die Sclaven gar nicht das Nest verlassen, sondern nur Hausarbeit verrichten*). Kommen wir zum Schluss : Wir haben die Wirkung der Arbeitstheilung in Verbindung mit Anpassung und Vererbung uud unter sehr hervorragender Mitwirkung des Daseinskampfes flüchtig von der Zelle bis zum Ameisenstaat verfolgt. Die Arbeitstheilung der Zellen, der Or- gane und Organsysteme, der verbundeneu und getrennteu Indi- viduen und Generationen bewirkt, sofern nicht Schmarotzerthum iu's Spiel kommt, das in der Regel in schmähliche Abhängigkeit bringt, — einen Fortschritt in der Organisation. Je weitergehend die Arbeitstheilung, uud je strenger das Kastenwesen, desto aus- gebildeter das Virtuosen- und Specialistenthum, dessen Leistungs- fähigkeit mit den Schwierigkeiten des Daseinskampfes wächst, uud die Collectivleistung der Zellen, der Organe, der Individuen und Staaten w'ird auf erstaunliche Weise gesteigert, Hand in Hand gehend mit weiter schreitender Complication des Bauplans. Immer höhere physiologische Einheiten bis zum Bienen- und Ameisenstaat herauf konnten sich entwickeln. Es liegt nahe, die hier erörterten Factoreu nun auch auf das menschliche Gebiet zu übertragen, das Völkerlebeu, die Staaten- bildung, die ganze Cultur u. s. w. einfach unter den gleichen Gesichtspunkt zu bringen. Hier sind ja gerade die so ungemein fruchtbaren Begriffe: Arbeitstheilung, Anpassung, Kampf um's Dasein aufgestellt worden. *) Vergl. Darwin, Entstehung der Arten. — 87 — Wenn auch ohne Weiteres eingeräumt werden muss, dass, da die Kräfte und Gesetze der Natur allgemein-gültig sind, wir auch ähnliche Verhältnisse im Menschenleben wie im Thier- und Pflanzenreich antreffen, dass »wir nach grossen, ehrnen, allgemeinen Gesetzen alle unseres Daseins Kreise vollenden müssen« — so muss doch auf das nachdrücklichste hervorgehoben werden, dass auf dem Gebiet des Menscheulebens Prozesse stattfinden, die etwas so funda- mental vom Thierischen Verschiedenes darstellen, dass ein Vergleich des Menscheustaates mit analogen Dingen im Gebiet der Thierwelt nur innerhalb sehr beschränkter Grenzen berechtigt erscheint. Worauf spitzt sich denn die ganze Arbeitstheiluug mit allen ihren Folgen im Thierreich — im Einzelindividuum, im Polypen- stock, im Ameisen- und Bienenstaat — in letzter Instanz zu? Es ist der nackte Existenzkampf und die Sorge für die Nach- kommenschaft. Die menschliche Gesellschaft kann nun offenbar durchaus nicht als »zoologische Gemeinschaft« aufgefasst werden. Dies zu thun — hat, wie Seh äff le bemerkt, auch der kühnste Zooloo'e nicht gewagt. Die collective und die individuelle Geistesarbeit, das Gemüthsleben u. v. a. sind denn doch zu grossartige Er- scheinungen, als dass wir uns so ohne Weiteres unterfangen dürften, diese einfach als Resultate der Arbeitstheilung, An- passung, Vererbung u. dergl. hinzustellen. Wir können mit Schäffle behaupten : »Mit der menschlichen Civilisation beginnt ein drittes Reich der Erscheinungswelt«, Sprache, Schrift, Recht, Moral, Kunst und Wissenschaft u. a. sind allerdings Collectiverzeugnisse, wobei Arbeitstheilung und Differenzirung eine grosse Rolle mitspielen ; mag auch die menschliche Ge- sellschaft »ein Machtproduct des Daseinskampfes« genannt werden und »der höhere Idealismus sieh nur aus einer gewissen funken- schlagenden Härte jenes Kampfes herausarbeiten«, so steht doch über alle Zweifel fest : die uu vertilgbaren, idealen Güter erheben den Menschen in seiner edlen Erscheinungsform himmelweit über die Thierwelt hinaus. »Du führst die Reihen der Lebendigen Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. Dann führst Du mich zur sichern Höhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich«. Literatur. Haeckel, E., Generelle Morphologie. Berlin 1866. Graber, V., Die Insekten, Naturkräfte. Bd. 22. München 1877. Darwin, Gh., Entstehung der Arten. Leuckart, E., Ueber den Polymorphismus der Individuen oder die Er- scheinung der Arbeitstheiluug in der Natur. Giesseu 1851. Milnue-Edwards, Introduction ä la Zoologie generale. Paris 1851. Virchow, R., Vier Reden über Leben und Kranksein. Berlin 1862. Haeckel, E., Ueber Arbeitstheilung in Natur- und Menschenleben. Samml. gemeinverständl. wissensch. Vortr. von Virchow und Holtzen- dorflF. IV. Serie. Heft 78. Pagenstecher, A., Allgemeine Zoologie. Bd. I. Berlin 1875. Claus, C., Grundzüge der Zoologie. Bd I. u. II. Marburg 1882. Schäffle. Bau und Leben des socialen Körpers. II. Aufl. 89 - Nach den Säulen des Hercules. Von Dr. W. Kobelt. Erstes Capitel. Von Mühlhausen bis Tarragona. Eine Reise in den Frühling hinein war es, als wir aus dem gewerbthätigen Mühlhausen hinaus dem Rhonegebiet zuflogen. Dicke Wolken lagen über dem Rheintlial und es war noch recht winterlich kalt, ganz dem Datum, dem dreizehnten März ent- sprechend. Kaum aber hatten wir die Grenze und die ungemein höfliche und nachsichtige Douane im Rücken, so hellte es sich auf und im prachtvollen Sonnenglanze lagen die Vogesen vor uns. Noch war die Vegetation todt, nur an den sonnigen Böschungen der Bahndurchschuitte zeigten sich die ersten gelben Blüthen des Huflattigs {Tussüago farfara)^ auch bei uns die ersten Frühlings- boten. Die Vogesengipfel trugen noch Schneekappen, aber im Thale schien die Sonne warm. Wir passirten Beifort. Trotzig liegt die Citadelle auf ihrem Felsen in einem weiten, gut gebauten Wieseugrunde ; von den übrigen Festungswerken sieht man nur wenig. Dann geht es weiter durch grüne Wiesenthäler ; an den Waldrändern entfalten sich schon die ersten grünen Blätter; die weissen Sterne der Hain-Anemone und die Blütheukätzchen der Saalweide leuchten um die Wette, bei Hericourt sehen wir — 90 — schou grüne Fliederbüsche, bei Montbeliard, das mit seiuem zwei- thürmigen Schlosse das gauze Thal sperrt, die ersten grünen Bäume. Dann geht es hinab in das Thal des Doubs, den wir bei Vougeaucourt erreichen. Er ist hier der ächte Alpensohn, tief grün uud wild. Seither siud wir dem Kanal gefolgt, der die 111 mit dem Doubs, also Rhein und Rhone verbindet, und haben Gelegenheit genug gehabt, uns zu erinnern wie unendlich Frankreich in Beziehung auf Wasserstrassen unserer Heimath voraus ist. Auch der Doubs ist trotz seiner Wildheit und trotz seines starken Gefälles durch Wehre und Schleussen in seiner ganzen Länge schiffbar gemacht und gibt uns manche Veranlassung zu Vergleichen mit unserem schönen Main. Von Schiffen ist allerdings noch keine Spur zu sehen, die Schifffahrt ist offenbar noch nicht eröffnet. Weiter geht es, dem Doubs entlang. Anfangs ist das Thal ziemlich offen, aber bei l'Isle de Doubs zieht es sich zu einer Schlucht zusammen, in welcher man nur mit Mühe Raum für die Eisenbahn gefunden. Die steil abfallenden Felsberge bieten mitunter prächtige Schichtenprofile. Die gelbe Narcisse blüht in den Gärten, bei Clerval schmücken Veilchen und Leberblümchen eine seltsame Felswand, deren horizontale Schichten in mächtigen Tafeln vorspringen uud, von gemauerten Pfeilern gestützt, Vor- rathsräume und Stallungen bilden. Bei Baume les Dames endlich erscheint, von uns mit Jubel begrüsst, der erste blühende Mandel- baura, uud an den Böschungen überall die grüne Nieswurz in voller Blüthe : wir hatten in wenigen Stunden einen vollen Monat übersprungen, wir waren aus dem Winter in den Frühling gelaugt. Sorgsam gepflegte Gärten mit prächtigen Spalierobstbäumen verriethen bald die Nähe von Besan9on, das noch in reizender Lage an den Bergen hängt. Aber dann wird die Gegend alle, das Thal weitet sich zur Ebene, die sich endlos nach beiden Seiten erstreckt. Die Fruchtfelder, die hier alle in schmale gewölbte Beete getheilt sind, prangen schon in üppigem Grün ; dazwischen ackern Bauern in blauer Blouse und Holzschuhen, gewöhnlich mit drei hinter einander gespannten Pferden vor dem Pfluge. Die Gegend bleibt sich gleich bis Dijon, das wir in der Dämmerung erreichten; von da an verhüllte sie ein dichter Nebel, aus dem nur hier uud da der breite Spiegel der Saöne hervorblinkte. — 91 — Spät Abends erreichten wir Lyon, und so gern wir auch die zweite Stadt Frankreichs und ihre Museen ein wenig in Augen- schein genommen hätten, der Süden lockte zu mächtig, es ging am anderen Morgen wieder weiter. Das Wetter begünstigte uns ausnehmend. Anfangs lag zwar dichter Nebel über der Gegend, aber schon, als wir über die prächtige Rhonebrücke fuhren, lichtete er sich und als wir endlich aus dem stundenweit sich erstreckenden Bahnhof drausseu waren, leuchtete die Sonne wieder hell. Die Bahn folgt dem steilen Abfall des linken Thalgehänges, an sonder- bar geschichteten Alluvialmassen hin, den Zeugen der Epoche, in welcher die Gletscher der Alpen bis hierher vordrangen und das Rennthier auf den Hügeln der Provence weidete. Hier waren wir schon in vollem Frühling; eine blassgelbe Primel bedeckte die Wiesen, Mandeln und Pfirsiche, hier und da auch schon Birnbäume blühten in den Gärten, die Hecken waren grün, ja bei Chasse sahen wir schon Rosenbäumchen im vollen Blätter- schmuck. Durch einen langen Tunnel gelangt mau in das gewerb- fleissige Vienne, dann geht es immer der wilden Rhone entlaug. Die Rapsfelder stehen in voller Blüthe, das Korn beginnt schon zu wogen. An die Stelle der Mandelbäume, die um Lyon vor- herrschen, treten hier Maulbeerbäume; wir nähern uns einem der Centren der französischen Seidenzucht. Gegenüber liegt mit Städten bedeckt der rechte Abhang des Rhonethals und hinter ihm steigen ernste, düstere Kuppen auf, hier und da noch Schneekappen tragend. Bisher hatten wir umsonst nach den Alpen ausgespäht, da öffnet sich plötzlich hinter Tain das weite Thal der Isere und in seinem Hintergrunde erscheint das Prachtpanorama der schnee- bedeckten Alpen der Dauphinee, für einen Augenblick überragt von der gewaltigen spitzen Pyramide des Montblanc. Bis hierher ist die Vegetation immer noch ganz deutsch. Wohl einige Wochen voraus gegen die Heimath, denn schon blühen die Kirschen, und in den Wäldern Stechpalme und Ahorn, aber nach den Charakterbäumen des Südens schauen wir umsonst aus. Erst im Iserethal begegnet uns, Anfangs einzeln auf Kirch- höfen, dann immer häufiger in Alleen die ernste Cypresse, hinter Valence kommen an geschützten Stellen auch einzelne Feigen- bäume dazu. Dann aber ziehen sich die Hügel von beiden Seiten heran und verengen das Thal zu einer Schlucht, durch die sich — 92 — die Balm mühsam bindurchwiudet. Durch eiaeu Tunnel tritt sie wieder hinaus ins Freie, und auf einmal sehen w'r rings um uns Oelbäume und Feigen ; wir sind im Süden angelangt. Diese Schlucht von Douciere trennt in der schärfsten Weise den Norden vom Süden, Mittelfrankreich von der Olivenregion. Mit Jubel begrüssen wir den Oelbaum. Schön ist er freilich nicht, der knorrige Geselle mit seinen unscheinbaren Blättern und seinem schmutzigen Grüngrau; aber er ist ja das Symbol der Gegend, deren Erforschung ich mir zum Ziel gesteckt, und sein Anblick erinnert au so manche geuussreiche Stunde, die ich schon in seinem Schatten verbracht, an so manche ertragreiche Excursion in den schönen Ländern am Mittelraeer. Wohl weiss ich, dass es fast zum guten Ton gehört, den Oelbaum langweilig zu finden, aber was kann er denn dafür, dass man ihn mit Vorliebe in Gegenden anpflanzt, die an und für sich nichts weniger als reizend und aumuthig sind ? Anfangs drückt sich der Oelbaum noch ängstlich in den Schutz der Hügel, denn noch ist dem W^inter nicht alle Macht genommen. Vor uns erhebt sich vielmehr eine gewaltige Pyramide, auf der er bis tief in den Sommer hinein thront. Es ist der Mont Ventoux, der Mons Ventosus der Alten, der König der Provence. Von ihm herab stürzt der Mistral, der furchtbare Sturmwind, die Geissei der Länder bis zum Mittelmeer, welcher keinen Widerstand duldet. Es ist das einer jeuer Localwinde, wie die Bora au der Adria, entstehend durch die Temperatur- unterschiede zwischen den eisigen Gipfeln und den glühenden Ebenen der Provence. Er war unter dem Namen Melamboreas schon den Alten bekannt und schon Strabo berichtet von ihm, dass er »Steine versetzt und fortrollt, die Menschen oben von ihren Wägen herunterwirft, ihnen die Glieder zerschmettert und sie ihrer Kleider und Waffen beraubt«. Martins^) sagt von ihm: »Seine Heftigkeit hat sich seit Strabos Zeit nicht vermindert; er reisst Mauern, schwere mit Heu beladene Wagen und Eisen- bahnwaggons um, hebt den Sand, ja selbst Kieseln auf in einem Grade, dass man es aufgegeben hat an der Nordfa9ade des Schlosses von Grignau die Fensterscheiben wieder einzusetzen: sie wurden immer wieder von den auf der benachbarten Terrasse ') Von Spitzbergen zur Sahara II p. 99. — 93 — aufgewirbelten Kieselsteinen eingeschlagen«. — Als achter Local- wind geht er nicht weit über die Küstenebenen hinaus. Segel- schiffe, welche ihn zur Ueberfahrt nach Afrika benutzen wollen, treffen meist schon wenige Meilen von der Küste entfernt auf Gegenwind, und umgekehrt kommt es nicht selten vor, dass die Schiffe, wenn sie mit dem günstigsten Südwinde von Algerien herüberkommen, fast im Angesicht des Landes von dem wüthenden Mistral gefasst und gezwungen werden, hinter den hyerischen Inseln oder selbst den Balearen Zuflucht zu suchen. Der Sturm dauert mitunter eine ganze Woche lang mit unverminderter Heftigkeit fort und ihm ist zum guten Theile die trockene kahle Beschaffenheit der Provence zuzuschreiben. Zum Schutze gegen ihn sind die Gärten allenthalben von Cypressenalleen oder von hohen Rohrzäunen durchzogen, die genau von Osten nach Westen laufen. Zwischen ihnen stehen Reihen von Pfirsichbäumen im prachtvollsten Blüthenscbmuck ; trotz der Schutzwände zeigen ihre Stämme ohne Ausnahme eine erhebliche Neigung nach Süden, die Folge des Mistral. Der Mont Ventoux liegt fast isolirt in der Ebene, nur niedere Hügelketten verbinden ihn mit den Alpen. Unverständige Gewinn- sucht hat die prächtigen Wälder, die ihn ehemals bedeckten, zerstört, so dass er jetzt wie eine nackte Steinpyramide aufragt; die von ihm zeitweise herabstürzenden Wasserfluthen verheeren die Umcfegeud. Nun arbeitet man seit dreissig Jahren an seiner Wiederbewaldung, doch ist ein Erfolg, wenigstens von der Bahn aus noch nicht zu erkennen. An den Fuss des gewaltigen Berges schmiegt sich Orange, die Hauptstadt des Fürsteuthumes, nach welchem Wilhelmus ze Nassauen, der Schweigsame, seineu Fürstentitel trug. Von da ab wird der Charakter der Gegend immer entschiedener südlich. Es folgt Avignon, überragt von seinem gewaltigen Schlosse, dem Wohnsitz der Päpste während des grossen Schismas. Die Umgegend steht noch im Rufe grosser Bigotterie, aber was würden unsere Frommen für Augen gemacht haben ! Es war ja doch Sonntag, und trotzdem sah man überall auf dem Felde die Leute bei der Arbeit! Das ist mir nachher auch in Spanien und früher schon in Italien oft aufgefallen. Der Sudländer hat einmal keinen Sinn für den jüdischen Sabbath ; er geht jeden Tag in die Messe, wenn er fromm ist, aber damit hat er seine Schuldigkeit gethan, und — 94 — wouu er am Sonntag, statt sich zu amüsiren, arbeiten will, so kümmert das Niemand ; Entweihung des Sabbaths ist dort ein unbekanntes Vergehen. Bei Tarrascon, das wir mit sinkendem Abend erreichten, verliessen wir den von Paris nach Marseille eilenden Schnellzug und vertrauten uns der proven9alischen Bahn an. Es ging über die Rhone hinüber nach Beaucaire, aus dessen Hüttenwerken die Flammen hoch emporschlugen, dann immer dem Kamm einer Hügelkette entlang, von dem aus südwärts sich unabsehbar ein Wald von Oelbäumen erstreckte. Es war eine wunderschöne Mondnacht, die Luft weich und warm, Fledermäuse schwirrten zahlreich umher und in den Gräben musicirten die Frösche nach Herzenslust. Trotzdem hatten wir in uuserem Coupe die vor- schriftsmässige Bouillotte (Fusswärmer) und sie wurde pflichtgemäss auf jeder grösseren Station gewechselt, denn die Sommersaison beginnt erst mit dem 15. März. Aus dem Olivenwald kamen wir in ein Gehölz von immer- grünen Eichen, dann ging es durch ziemlich öde Gegend, vorbei an Nimes und Montpellier, und endlich hinab zum Meere und zwischen Morästen und Salzlagunen durch. Schon schimmern vor uns die Lichter von Cette, da gibt es noch einmal einen Halt, und wir haben fast eine Stunde Zeit, dem lange nicht gehörten Donner der Meeresbrandung zu lauschen, bis endlich das Zeichen zum Weiterfahren gegeben wird und wir in das ersehnte Nacht- quartier gelangen. Cette bietet schon ein acht südliches Leben; schon die Nase bewies uns, dass wir uns im Süden befanden, noch mehr das Ohr. Uns konnte aber die schmutzige Stadt, die ausser ihren gross- artigen Weinverfälschungsanstalten kein Interesse bietet, nicht fesseln ; ebensowenig ihre reizlose Umgegend , und schon um 9 Uhr des anderen Morgens sassen wir wieder im Coupe, in der Hoffnung schon am Abend in Barcelona einzutreffen. Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden, das ist richtig, aber nach Bar- celona kamen wir doch nicht so schnell. Die Bahn läuft geraume Zeit auf einer schmalen Landenge. Links brandet dicht am Damme das blaue Mittelmeer, das bei schwerem Scirocco oft sein Spritzwasser über die Bahn hinüber- jagt; rechts dehnte sicH weithin einer jener Etang's, jener Salz- wasserlagunen, welche die Küste der Provence umsäumen. An — 95 — ihren morastigen Ufern hat man ausgedehnte Salinen angelegt ; die strohgedeckten Salzhaufen sehen von weitem ganz wie kleine Häuser aus. Nach einiger Zeit verbreitert sich die Landenge, Weinberge schieben sich zwischen Meer und Lagune ; dann ver- schwindet die Lagune; und man sieht, soweit das Auge reicht, nur Weinberge, hier anscheinend von den Verwüstungen der Reblaus noch verschont. Wir passiren das romantisch gelegene Beziers, das alte Albigensernest, und erreichen Narbonne, wo die Bahn sich theilt und wir einen anderen Zug besteigen müssen. Narbonne liegt schon im Gebiete der Pyrenäen und ihre Macht wird fühlbar. Der in der Provence ewig heitere Himmel hat sich umzogen und es beginnt erst sachte, dann immer leb- hafter zu regneu. Die Bahn folgt dem Rande eines Etaug, der sich endlos ausbreitet, ein Rest des Meeresarmes, welcher das Mittelmeer mit dem Golfe von Biscaya verband und den kalten nordischen Gewässern einen Zugang eröffnete. Zahlreiche Fischer- bote und kleine Küstenfahrzeuge beleben die Fläche ; man hat die Landengen, welche die einzelnen Etangs von einander trennen, durchstochen, grössere Zwischenräume canalisirt und so eine In- landverbindung geschafiFeu, die von der Rhonemündung bis zum Fusse der Pyrenäen führt. Die Etangs sind ungemein reich an Fischen und essbaren Muscheln und bringen dem Staate eine sehr erhebliche Reute. Allzu gesund mögen ihre morastigen Ufer frei- lich nicht sein und man hat wohl nicht umsonst au den Bahn- wärterhäuschen, den einzigen Menschenwohuungen auf grosse Strecken hin, überall den fiebervertreibendeu Eucalyptus augepflanzt. Um Narbonne sieht man, wo es der Raum erlaubt, Wein- berge, und in diesen Birnbäume und Pfirsiche in voller Blüthe; die Mandeln haben hier schon abgeblüht und sind völlig grün. Weiterhin folgen ausgedehnte Haiden, bedeckt mit gelbblühendem Ginster. Dann treten Kalkhügel an die Bahn heran und geben uns einen Begriff davon, wie die so viel gerühmte Provence im Innern aussieht. Eine ähnliche sterile Steinwüste, wie diese sogenannten Garrigues ist mir in Italien niemals vorgekommen ; sonnverbrannt und kahl, auch jetzt im Frühjahr ohne jede Vege- tation. Um so üppiger sieht es bei der Station Salses aus. Ein ganzer Bach bricht dort dicht neben der Bahn aus dem Felsen, eins jener Flusshäupter (Kephalobothra der Griechen), die für die Kalkgebiete am Mittelmeer so charakteristisch sind. Sie sammeln — 96 — die Quellen eiuer ganzen Gegend in ihrem unterirdischen Laufe und führen das Wasser meist fast nutzlos für die dürstende Um- gebung direct ius Meer. Es war die schöne Aufgabe, die sich der Quellenfinder Abbe Richard gestellt, diese unterirdischen Wasser- züge weiter oben aufzusuchen und nutzbar zu machen. In der Provence könnte damit noch unendlich viel Gutes geschaffen werden, denn in diesen südlichen Gegenden ist das Wasser flüssiges Leben und jede Quelle schafft ein kleines Paradies. Auch hier bei Salses war die Station von üppig blühendem Laurostmus umgeben und prächtige Oleanderbüsche entfalteten schon im Freien die ersten Blütheu. Weiterhin kommen wieder ausgedehnte Weinberge ; wir sind in der Heimath des berühmten Rivesaltes. Leider scheinen seine Tage gezählt, denn die Reben sehen krank aus und überall in den Weinbergen sieht man die ominösen Maschinen au der Arbeit, mit denen man jetzt der Reblaus beizukommeu versucht. Fast wie kleine Lokomobilen sehen die Dinger aus; sie sollen auch Erfolg haben, aber die Kosten sind so hoch, dass sie nur in den besten Lagen angewandt werden können. Dem armen Cultivateur, der nicht in der Lage ist grosse Summen anwenden zu können, bleibt nichts übrig, als den Weinbau aufzugeben; schaarenweis flüchten sie jetzt hinüber nach Algerien und pflanzen dort an den Ab- hängen der zweiten Terrasse neue Weinberge. Wird es ihnen wohl gelingen, den tückischen Feind fernzuhalten? Wir erreichen Perpiguan, die französische Grenzfeste, pracht- voll in einem Walde blühender Pfirsichbäume gelegen. Dann geht es in die Pyrenäen hinein, die leider von Wolken verhüllt sind. Es regnet immer sachte weiter. In einem reizenden geschützten Bergwinkel liegt Collioure, umgeben von Palmen, Cactus und Aloe, eine südliche Insel im Gebirge drin. Nun nimmt die Bahn den Charakter eiuer Gebirgsbahn an, Tunnel folgt auf Tunnel. Aus einem derselben hinausfahrend, sehen wir auf einmal vor uns einen blauen See, mit grossen Dampfern dicht am Bahnhof; das ist der Hafen von Port Vendres, der Ausgangspunkt der grossen Messa- geriedampfer, die in weniger als 24 Stunden nach Oran und Algier hinübergehen , die kürzeste uud bequemste Verbindung zwischen der France europeenne und der France africaine. Von da ab bleibt sich der Charakter der Bahn gleich, ein Tunnel, dann ein reizen- des Thal mit blauer Meeresbucht, immer fort in reizendem Wechsel. So erreichen wir Cerbere , die französische Endstation , noch ein Tunnel uod wir sind in Spanien, in Portbou. Es ist erst vier Uhr und wir hoffen baldigst weiterzufahren, aber zu unserer namenlosen üeberraschung wird uns die Mittheilung, dass der Zug nicht weiter geht, und dass wir hier in diesem elenden Pyrenäendorf bleiben müssen bis zum andern Morgen. Dagegen ist nun nicht anzukämpfen. Wir gehen zunächst zur spanischen Douane, die den Senor Äleman auch ohne Bestechung sehr coulant behandelt, dann sehen wir uns nach einer Schlafstätte um. Ein hochgewachsener, verschmitzt aussehender Gebirgsbe- wohner in blauer Blouse, Alpargates — die in ganz Spanien ge- bräuchlichen Sandalen — au den Füssen, bietet uns seine Wohnung au , wir haben keine Wahl und folgen ihm nach einem nah- gelegenen Hause, an dem angeschrieben steht: On sert ä manger et on löge ä pied. Auf dem kurzen Wege erzählte uns unser Führer, der Kaiser von Russland sei umgebracht worden ; das glaubte ich ihm schon. Als er aber weiter erzählte, es wohnten auch zwei Deutsche bei ihm, begann ich einigen Zweifel in seine Wahrheitsliebe zu setzen. Es war aber richtig. In der sauberen Küche sassen am Herdfeuer zwei Männer, die uns sofort als Lauds- leute begrüssteu, zwei Monteure der Waggonfabrik in Nürnberg, welche hier auf der ersten spanischen Station die gelieferten Waggontheile zusammenzusetzen hatten. Sie rühmten uus das Wirthshaus sehr und mit Recht; auch wir können das »Hotel Blanc« jedem Fremden, den das Schicksal nach Portbou — Purbu sagt der Catalonier — verschlägt, sehr empfehlen. Die Padrona ist eine Catalonierin , spricht aber auch französisch und spanisch und hat sich in den Diensten eines französischen Generals die nöthigeu Kenntnisse in der civilisirten Kochkunst augeeignet. Wir brauchten uns somit nicht mit Brod und Käse zu behelfen, sondern bekamen ein splendides Abendessen und köstlichen Wein, und auch ein ganz befriedigendes Nachtquartier. Portbon wird mau auch auf den neuesten Karten noch ver- geblich suchen; noch vor drei Jahren standen an der kleinen Bucht nur ein paar Fischerhütten und ausser ihren Booten lief nur dann und wann ein Schmuggelfahrzeug ein. Jetzt haben sich ausser den Bahnbeamten auch ein paar Spediteure angesiedelt, aber eine Zukunft, wie das benachbarte Port Vendres, hat der Ort nicht. Die Bahnverwaltung sorgt nach Kräften für das Seelenheil : — 98 - ■ eine hübsche Kirche aus Granit ist im Bau begriffen und so lange sie noch nicht fertig ist, werden die EiuAvohuer allsonutäghch durch Extrazug nach der nächsten spanischen Station befördert, um die Messe zu hören. Das wird natürlich fleissig benutzt, und da man nur denen Freibillete gibt, die auch wirklich die Messe besuchen, so wird damit auch ein ganz hübscher Kirchgang be- wirkt. Auch ein Arzt ist angestellt worden, aber von einer Schule ist noch keine Rede. Weder unser Wirth noch unsere Wirthiu, obwohl beide sehr intelligente Leute, sind des Lesens und Schreibens kundig, auch das nette Töchterchen hat noch keine Schule besucht , soll aber zu dem Zweck bald zu Verwandten jenseits der Grenze geschickt werden. Die Umgegend von Portbou muss bei gutem Wetter reizend sein ; unmittelbar über dem Orte erheben sich sehr beträchtliche Berge, von denen aus man nach unseres Wirthes Versicherung die schneebedeckten Gipfel der hohen Pyrenäen und selbst den fernen Maladetta sehen kann. Leider wehte aber Ostwind, Levante, und der bringt hier immer dauernden Regen. Ich machte trotzdem eine kleine Excursion in die Umgegend. Die Weiustöcke fingen eben an auszutreiben, eine grosse Wolfsmilch mit dunkler Blüthe und ein kleines mir aus Süditalien her wohlbekanntes Arum stan- den allenthalben zwischen den Steinen. Unter diesen lagen häss- liche Geckouen, noch halb im Winterschlafe befangen : die sonst so flinken Thiere, die mit Blitzesschnelle um den Stein herum- laufen, liessen sich leicht greifen ; ich nahm sie in die Hand, zum Entsetzen zuschauender Spanier, v/elche das harmlose Thier als sehr giftig fürchten. Ueberall hingen die Eierkapseln der Gottes- anbeterin {Mantis religiosa)\ die Heuschrecke selbst, die wie die Pfaffen durch fromme Geberden und anscheinende Harmlosigkeit ihre Opfer berückt, bekamen wir noch nicht zu sehen, sie kommt erst später. Meine Ausbeute an den Thieren , um derentwillen ich meine Reise unternommen, au Schnecken, war wenig befrie- digend; doch fand ich neben unserer geraeinen Hain-Schnirkel- schnecke (Helix nemordlis) auch ein paar acht südliche Formen, die äussersten Ausläufer der spanischen Fauna. Der zunehmende Regen trieb mich wieder in die Herberge zurück und an den mit Kastanienholz genährten Kamin, wo wir den Abend in traulichem Geplauder mit unseren Landsleuten zu brachten. Es waren ein paar nette und tüchtige Leute mit offenen — 99 — Augeu, die nichts mehr bedauerten, als dass sie so wenig von der fremden Natur kannten, die sie von allen Seiten umcrab. Sie fragten uns gar Manches und erboten sich gern am anderen Morgen die Führer bei einer Excursion in die Umgegend zu machen. Leider umsonst, denn am anderen Morgen goss es, wie der Spanier sagt, a cantaros, und ein Gang nach dem Bahnhof, wo wir ein paar Gesteine, und im Bureau des französischen Stationsvorstehers ein paar von ihm gesammelte Naturalien sehen wollten, war eine reine Wasserparthie, In der Naturaliensamm- lung spielten freilich ein paar aus Hummerscheeren gemachte Männer die Hauptrolle ; an den Wänden steckten das Wiener Nachtpfauenauge und der schöne SxMnx lineafus, ausserdem in Menge unser Distelfalter, der im vorigen Jahre hier, ganz wie bei uns, in Unzahl aufgetreten war. Mittags um 1 Uhr geht der einzige Tageszug, mit dem man Barcelona erreichen kann, ab; wir gingen zum Bahnhof, aber da empfing uns die angenehme Nachricht, dass die Bahn durch einen Felssturz diesseits Gerona gesperrt sei und man nicht sicher wisse, ob der Zug Barcelona erreichen werde. Hätte das Wetter einiger- massen Besserung versprochen, so wären wir unbedenklich in Portbou geblieben, aber es goss immer stärker und auf das Zu- reden eines Bremer Touristen hin, der von Algier über Port Vendres kam, entschlossen wir uns die Fahrt zu wagnn. Noch eine Zeit lang wechseln Tunnels und liebliche Thäler mit tief einschneidenden Meeresbuchten ab, dann werden die Thäler weiter, die sie durchströmenden Bäche breiter und man sieht, dass man sich vom Hauptkamme der Pyrenäen entfernt. So ei'- reichen wir Figueras, die spanische Grenzfestung, und hier können wir endlich Genaueres über das Hinderniss erfahren. In einem tiefen Durchstich ist die Böschung eingestürzt; beträchtliche Erd- und Steinmassen sperren die Schienen. Wir müssen also aus dem Zuge heraus und klettern die Böschung des ziemlich hohen Dammes hinunter; der Regen hat zum Glück nachgelassen, seit wir uns von den Pyrenäen entfernt. Unten warten unserer drei Tartaneu, zweirädrige mit einem Tuch überspannte Karren, das spanische Nationalfuhrwerk. Wir begnügen uns, ihnen unser Gepäck anzu- vertrauen und machen uns zu Fuss auf den Weg; die schöne Gelegenheit zum Sammeln lassen wir uns nicht entgehen. Hier begrüssen uns schon acht südliche Formen, aber die Zeit ist zu — 100 — kurz, bald kommt ein anderer Zug und weiter geht es durch das gewevbfleissige Catalouien. Ein freundliches Hügelland umgibt uns, auf den üppigen Feldern schiesst das Korn schon in die Aehren und stehen die Lupinen in Blüthe. Die Wiesen sind aber sämmtlich überschwemmt und der Ter, dessen Thale wir eine Zeit lang folgen, wälzt seine trüben Fluthen bis zum Rande des Bettes und ist offenbar noch stark im Steigen. Die Hügel sind mit immergrünen Eichen bedeckt, auch in den Thälern sehen wir hier und da sorgsam gepflegte Wäldchen von Pappelbäumen; der Catalonier hat viel mehr Sinn für die Forstcultur als der Spanier und der Südfranzose. Dem Ter folgend erreichen wir Gerona, das uralte Gerundium, um das so viel Blut geflossen; seine Festungswerke sind alt- modische Zinnenraauern und sehen nicht aus, als könnten sie der modernen Artillerie Widerstand leisten. Bei Empahne spaltet sich die catalonische Bahn; die eine Linie fährt längs der Küste, die andere, der wir folgen, durch das Inland. Eine Zeit laug wird sie beherrscht von dem gewaltigen Monseny, dessen Gipfel von Wolken verdeckt ist, dann verhüllt die Dunkelheit alles. In dem Wagen, der keine Coupescheidewände hat, wird es nach- gerade empfindlich kühl und wir sind froh, als wir endlich um 8 ühr am Bahnhof von Barcelona anlangen. Barcelona ist noch die zweite Stadt Spaniens, was die Ein- wohnerzahl anbelangt, es wird aber auch in dieser Beziehung bald Madrid überflügelt haben , wie es demselben längst an Ge- werbfleiss und Handelsthätigkeit überlegen ist. Bis in die neueste Zeit war es in seine Festungsmauern eingeschnürt und der Verkehr mit den umliegenden Vororten in jeder Weise erschwert ; die Bourbons duldeten nicht, dass die alte Ringmauer geschleift werde, und als einmal in einer kritischen Zeit die Erlaubniss glücklich erlangt war und die Bürger sich daran machen wollten, den zu eng gewordenen Gürtel zu sprengen, kam unmittelbar hinterher die Erklärung, dass jene Erlaubniss sich nur auf die Befestigungen längs der Seeseite beziehe. Erst nach der Vertreibung Isabella's wurde Ernst gemacht und heute nimmt ein prächtiger öffentlicher Garten die Stelle der alten Citadelle ein; nur der Monjuich, die Zwingburg auf dem die Stadt überragenden und beherrschenden Mons Jovis, steht noch und schaut drohend auf die stets zur Rebellion geneigte Stadt herab. — 101 — Man ist im Auslände meist gewöhnt, alle Bewohner der Pyre- näeuhalbinsel für Spanier, für ein homogenes Volk zu halten. Das ist ein grosser Irrthum. Weder der Catalane noch der Baske fühlt sich eigentlich als Spanier; er liebt den hochmüthigen steifen Castiliauer noch viel weniger als der Süddeutsche den Altpreussen, und sieht in ihm immer den Fremden, der ihm seine Freiheiten genommen hat und ihn ausbeuten will. Der Catalane kann nicht vergessen, dass er einmal frei und selbstständig war, und hat seine Freiheiten, seine Fueros, die ihm nach dem spanischen Erbfolgekrieg genommen wurden, niemals aufgegeben. Noch niemand hat seitdem in ganz Spanien die Fahne der Rebellion aufgepflanzt, ohne dass die Catalonier sofort mitthaten, mochte die Rebellion gegen ein liberales oder gegen ein despotisches Regimeut gerichtet seiu ; selbst mit Don Carlos haben sie sich verbündet, sobald er ihnen die Wieder- herstellung der Fueros versprach. Eifersüchtig wacht der Cata- lane über den Resten seiner alten Freiheiten; in den Schulen wird noch immer in der catalonischen Sprache — denn es ist wirklich eine Sprache und nichts weniger als ein Dialect der spani- schen — unterrichtet, die wissenschaftlichen Gesellschaften in Bar- celona bedienen sich derselben für ihre Veröffentlichungen, auch die amtlichen Verfügungen erfolgen neben der spanischen auch in cata- lonischer Sprache. Fragt man einen Catalanen: Esta V. Espagnol? so wird mau sehr häufig die Autwort erhalten: No, Seßor, Catalan. Der Catalonier hat von jeher ein ungemeines Talent für Handel und Industrie bewiesen. Fast in allen spanischen Städten sind die Tiendas (Läden) in catalonischen Händen, und »Vamos al Catalan« ist so ziemlich gleich bedeutend mit »Vamos alia Tienda«. Nicht weniger aber ist auch der Grosshaadel in catalonischen Händen. Zwar die Zeiten sind vorbei, in denen die catalonische Flagge mit deneu von Venedig, Genua und Pisa um die Herr- schaft des Mittelmeeres streiten konnte, aber die Rhederei von Barcelona hat in neuerer Zeit wieder einen erfreulichen Aufschwung genommen und mit ihr der Bau von Schiffen. Nicht miuder bedeutend ist die Industrie; überall sieht man ranchende Schlote und die grosse Fabrica de achon (Kattunfabrik) macht den franzö- sischen und englischen Webereien mit grösstem Erfolg in ganz Spanien Concurrenz. Wer nach Barcelona kommt in der Erwartung eine acht spanische Stadt zu finden, wird sehr enttäuscht. Barcelona hat — 102 — durchaus keinen spanischen Typus und könnte eben so gut in Südfraukreich oder in Oberitalien liegen; hat ja doch auch die Sprache der Eingeborenen weit mehr Aehnlichkeit mit dem pro- vencalischen und genuesischen Dialecte, als mit dem castilianischen. Nur die von den Damen noch vielfach getragene Mantilla ist spanisch. Die Männer tragen fast ausnahmslos die Pariser Kleidung, in den niederen Ständen die französische Blouse. Nur selten sieht man noch neue Zuzügler in der catalouischen Tracht, mit der blauen oder rotheu , nach vorn zusammengebrochenen Zipfel- mütze und der unentbehrlichen gestreiften oder carrirten Wollen- decke, der Manta, über die Schultern. Uebrigens hat Barcelona als grosse Handelsstadt natürlich auch sehr viele fremde Elemente, ganz besonders stark sind die Franzosen vertreten und man klagt sehr über die Menge französischer Glücksritter, welche herüber- strömen in der Hoffnung sich eine neue Existenz zu gründen. Auch sonst hat der rasche Aufschwung der Stadt eine Menge zweifelhafter Elemente dahin gezogen und man rieth mir ent- schieden von Ausflügen in die Umgegend ohne zuverlässige Be- gleitung ab. Zum Sammeln war es hier allerdings auch noch zu früh ; die Thierwelt lag noch im Wiuterschlafe ; ein Ausflug nach dem Monjuich blieb in der Beziehung fast resultatlos, gab uns aber einen prachtvollen üeberblick über das Häus'^rmeer von Barcelona und den es umgebenden Hügelkrauz. Die Festungswerke sind in gutem Stande und werden sorgsam gehütet, denn die Regierung traut den Catalouieru nicht sonderlich und ist immer auf ein Prouunciamento gefasst. Das Hauptlebeu von Barcelona coucentrirt sich auf der Rambla, einer breiten, baumbevflauzten Strasse, welche sich vom Hafen aus landein zieht und die Stadt in ihrer ganzen Länge durch- schneidet. Hier ist die Alameda, der Hauptspaziergang Barcelonas, gleich belebt im Sommer wie im Winter. An schönen Sommer- abenden machte ihm früher die Muralle del Mar Coucurreuz, der Festuugswall nach dem Hafen hin, auf dessen breitem Rücken man köstlich die kühle Meerbrise geuiesseu konnte. Eben ist man aber daran, die letzten Reste des Walles abzutragen, um der Stadt nach dieser Richtung hin Luft zu schaffen. — Neuerdings zieht freilich auch der junge Stadtpark viele Besucher an, eine noch neue, aber reizende Anlage, welche die Stelle der allen castilia- — 103 — nischen Zwingburg, der uuu zum grössten Tbeil geschleiften Citadelle, einnimmt. Die reiche Stadt hat bei der Anlage keine Kosten gescheut, unter anderen auch einen Gärtner auf 2 Jahre nach Frankreich und Deutschland geschickt, um die dortigen Gärten zu studiren. Demgemäss trägt der Garten auch ganz den Charakter der französischen Parks, nur dass so manche Pflanze, die man bei uns noch im Treibhause hütet, hier im freien Lande gedeiht. Dattelpalme und Bambus sind nur einzeln vorhanden und haben gelbe Blattspitzen; aber eine Hauptrolle spielt der Gummibaum und die prachtvolle Äraucaria excelsa. Ganz be- sonders lernte ich aber den Eucalyptus hier als Zierpflanze schätzen; obschou erst seit 6 Jahren angepflanzt , bildet er doch schon stattliche Bäume. Dieser Baum scheint überhaupt berufen, in den südlichen Lau dem eine grosse Rolle zu spielen und deren landschaftliche Physiognomie einigermassen umzugestalten. Zur Wiederbevvalduug der kahlen Berge ist er freilich ungeeignet, da er zum Gedeihen Wasser verlaugt, wohl aber kann man ihn in den Ramblas anpflanzen, den für Spanien charakteristischen Fluss- betten, die nur im Winter Wasser führen, im Sommer aber ganz trocken sind. An solchen Stellen habe ich besonders in der Umgegend von Malaga prachtvolle Wälder gesehen, welche, ob- schon erst 15 Jahre alt, schon Holz zu Eisenbahnschwellen liefern. Orangen- und Citroneubäume stehen hier natürlich auch im Freien und ganz besonders gedeihen die verschiedeneu feinen Nadelhölzer, von denen man eine sehr reichhaltige Collection angepflanzt hat. Der Park war ziemlich belebt, aber umsonst schauten wir uns nach nationalen Eigenthümlichkeiten um ; die Frauen trugen noch die Mantilla, und vielleicht etwas mehr bunte Farben, als man bei uns gewöhnt ist; sonst hätten wir uns im südlichen Frank- reich glauben können. Namentlich fehlten ganz die nationalen Fuhrwerke, welche den Alamedas des Südens ihr charakteristisches Gepräge geben, die Tartanen und Galeras. Ersteressind zweirädrige, letzteres vierrädrige Wagen, welche mit einem Wachstuch über- spannt und nur hinten und vorne offen sind ; im Sommer schliesst man sie durch seidene Vorhänge, im Winter durch Glasfenster. Es ist ein eigenthümlicher, nur dem Spanier verständlicher Geuuss, sich täglich zwei Stunden laug in diesen Kästen, in denen man kaum gesehen werden kann und ausser dem vorherfahrenden und dem nachfolgenden Wagen aucli durchaus nichts sieht, auf der — 104 — Alameda auf und ab fahren zu lassen, und zwar im langsamsten Schritte, In Barcelona hatte man sich von dieser nationalen Eigenthüralichkeit schon emancipirt, wir sahen nur offene Wagen; aber ziemlich viele derselben waren mit Maulthieren bespannt, die der Spanier den Pferden vorzieht. Im Parke erbaut man eben ein prächtiges Museum ; ein edler Catalane, Martorell, hat das nöthige Geld und seine ausgedehnten Sammlungen vermacht und eine catalonische uaturforschende Ge- Seilschaft wird die Sammlungen weiterführen und Catalonien gründlicher, als seither geschehen, wissenschaftlich erforschen. Die Seele der Gesellschaft ist allerdings kein Catalonier, sondern ein Schweizer, mein verehrter Freund Daniel Müller, der seit 18 Jahren als Zeichner der grossen Kattunfabrik in Barcelona lebt und seine Mussestunden der Erforschung der catalonischen Insecten- fauna widmet. Ihm und dem amerikanischen Consul Herrn Scheuch, ebenfalls einem eifi'igeu Entomologen, verdanke ich sehr angenehme Stunden in Barcelona und freundliche Führung in die nächste Umgebung. An dem, was man gewöhnlich Sehenswürdigkeiten nennt, ist Barcelona arm ; Galerien sind gar keine vorhanden, hervorragende Bauwerke fehlen, mit Ausnahme des mächtigen gothischen Domes, Um die obligatorische Excursion auf den Montserrat zu macheu, war es noch zu früh, wir hätten noch Schnee oben gefunden, also entschlossen wir uns zur Weiterreise. Vorher aber kauften wir uns auf Freund Müller's Andrängen noch catalonische Schuhe, und wir sind ihm auf unseren Excursionen dafür unzählige Mal dankbar gewesen. Es sind diese Schuhe eine Modification der Alpargates, der Haufsandalen, welche man in Spanien allgemein trägt. Die ächten Alpargates, wie man sie in Andalusien sieht, bestehen nur aus einer Sohle, welche aus zusammengerolltem Bind- faden gemacht wird, einer kleinen Kappe für die Zehen und einer Fersenkappe; die beiden Kappen sind durch 8 — 10 Lederriemen verbunden; beim Anziehen biegt man dieselben auseinander und sie halten dann die Sohlen am Fuss fest. In solchen Sandalen geht mau ungemein leicht, läuft sich bei den grössten Märschen keine Blasen und haftet am glatten Fels fest wie ein Gecko. Nur die Zehen sind ungenügend geschützt und in Alpargates lernt man bald das Bibelwort verstehen: »der Herr soll dich behüten, dass dein Fuss an keinen Stein stosse,« Die catalonischen Schuhe — 105 — haben die Hanfsohle der Alpargates, aber ein gutes starkes, doch weiches Oberleder, und sind in trockenen Gegenden für starke Märsche das beste Schuhwerk, das ich mij- denken kann. In den Kalkbergeu freilich haben sie eine böse Schattenseite: die messer- scharfen Kalke zerschneiden das Oberleder in sehr kurzer Zeit, die Hanfsohle dagegen nutzt sich auch dort langsam ab. Für Touristen, die in Südspanien Excursionen machen, füge ich hier noch die Ermahnung bei, sich mit solchem unentbehrlichem Schuhzeug schon in Barcelona zu versehen, wenn sie nicht be- sonders kleine Füsse haben. Für den Durchschnittsdeutschen ist es in Andalusien absolut unmöglich, passende Nummern zu be- kommen, wenigstens habe ich, obschon nicht auf allzugrossem Fusse lebend, selbst in den grösseren Städten Südspaniens ver- geblich nach passendem Schuhzeug gesucht. Die Catalonier aber werden auch von den Südländern ihrer grossen Füsse wegen verspottet. Um das Kapitel des Schuhzeugs gleich zu erledigen, erwähne ich hier noch, dass die Feldarbeiter, die hier weit seltener barfuss gehen, als bei uns, meistens Alpargates aus Espartogras tragen, die noch unverwüstlicher und viel billiger sind, als die aus Hanf gemachten, solche kosten nur etwa 20 Pfg. Sehr häufig sieht man auch Alpargates mit Oberzeug aus Leinwand oder Segeltuch, solche kosten 1^/2 Frcs, und sind sehr dauerhaft. Es dürfte wahrscheinlich lohneu, solche Schuhe als Haus- und Arbeits- schuhe nach Deutschland einzuführen; nach Frankreich bilden sie schon lange einen sehr Avichtigen Exportartikel. Schon am 17. März Mittags gingen wir wieder weiter nach Süden. Als Reiseziel hatten wir uns diesmal nur Tarragona ge- steckt, die alte Römerstadt; sie sollte nach unserem Murray auf einem siebenhundert Fuss hohen Kalkfelseu liegen und das ver- sprach mir reiche Ausbeute. Ich muss hier nämlich auf die Gefahr hin von meinen Lesern ausgelacht zu werden, bekennen, dass ich die ganze Reise nur unternommen habe, um Landschnecken zu sammeln und die geographische Verbreitung der einzelnen Arten im westlichsten Europa und in Nordafrika zu studiren. »Auch der Mühe werth«, wird mancher denken. Es ist aber ein solches Studium nicht ganz so unwichtig, wie es dem Unkundigen scheint ; ist ja doch keine Erscheinung in der Natur so unbedeutend, dass sie nicht bei richtiger wissenschaftlicher Behandlung und gründlicher Unter- — 106 — suchuug zu Resultaten von Wichtigkeit führen köuute. Ich will das an eiuem Beispiel erläutern. Seit alter Zeit schon ist man aus der Form des Mittelmeeres sowie durch zahlreiche Beobachtungen, welche eine andere Er- klärungs weise nicht zulassen, zu der Ansicht gekommeu, dass das heute von den Säulen des Hercules bei Gibraltar bis zum Caucasus in ununterbrochenem Zusammenhang sich ausdehnende Mittelmeer früher in mehrere getrennte Becken zerfallen ist und ganz be- sonders an der Strasse von Gibraltar einstmals geschlossen war. Letzteres wurde schon von der Schiffersage der Phöuicier als Thatsache angenommen ; Hercules oder richtiger Melkarth hat die Strasse zur Verbindung des inneren mit dem äusseren Meere ge- öffnet und zu ewigem Augedenken hüben und drüben die beiden mächtigen Pelsenberge aufgerichtet, die mau heute noch die Säulen des Hercules nennt. Dass die Meerengen zwischen dem schwarzen und dem aegäischen Meere einmal geschlossen waren, war im Alterthum weniger allgemein anerkannt ; von dem Durch- bruch des überfüllten Pontus melden aber noch die ältesten Sagen der Htlleueu. Kann es ja doch keinem Zweifel unterliegen, dass die sogenannte deukalionische Fluth nichts anderes war, als dieser Durchbruch, der Griechenland verwüstete und möglicher Weise aus einer fruchtbaren reichbevölkerten Ebene den heutigen Archipel schuf. Einen dritten Landzusarameuhang nimmt mau gewöhnlich zwischen Sicilien und Tunis an. Von. diesem melden keine alten Sagen, aber man glaubte das Vorkommen fossiler Elephauten in Sicilien und selbst auf dem kleinen Malta nicht anders erklären zu können ; einen weitereu Beweis i^uchte man in dem Wandern der Vögel gerade über diese schmale Stelle ; die Vögel sollten sich die Erinnerung au einen alten Landzusammenhang vererbt haben. Um nun die Richtigkeit dieter Ansichten zu prüfen gibt es kein geeigneteres und sichereres Mittel, als die gründliche Unter- suchung der geographischen Verbreitung der Schnecken. Diese Thiere sind ohne alle Mittel, um Meere zu überschreiten, sie sind an den Bodeu gefesselt und zeigen in der Form ihres Gehäuses jede Veränderung in den physikalischen Einflüssen, Finden wir an beiden Seiten eines Meeresarmes dieselben oder auch nur an- nähernd dieselben Arten, so können wir mit Sicherheit annehmen, dass der Meeresarni erst in verhältnissmässio- neuerer Zeit eni- — 107 — standen sei. Finden wir dagegeli hüben und drüben verschiedene Arten oder gar verschiedene Untergattungen, so müssen wir schliessen, dass ein Landzusammenhaug in neuerer Zeit, d. h. etwa seit der mittleren Tertiärzeit nicht bestanden hat. Keine andere Thierkhisse bietet ähnlich sichere Resultate, denn keine, selbst die das Meerwasser scheuenden Reptilien nicht, ist in ähnlicher Weise an den Boden gefesselt und aller Mittel, einen Meeresarm zu überschreiten, beraubt. Um die oben erwähnten Fragen zu prüfen, hatte ich schon einmal einige Monate im westlichen Sicilieu zugebracht und dort die üeberzeugung gewonnen, dass die Theorie eines ehemaligen Zusammenhangs zwischen Sicilieu und Tunis unhaltbar sei. Meine diesmalige Reise sollte mir Gewissheit verschaffen über die alte Verbindung an den Säulen des Hercules, die freilich weit weniger problematisch war. Meine Untersuchungen haben denn auch, um das hier gleich zu erwähnen, nicht nur die Ansicht über die verhältnissniässig sehr neue Eröffnung der Strasse von Gibraltar in vollstem Masse bestätigt, sondern sie haben mir auch die Ge- wissheit gegeben, dass der alte Landzusammenhaug nicht auf die Säulen des Hercules beschränkt war, ^^elmehr mindestens bis zu dem Meridian von Oran und Cartagena zurückgereicht hat. Der Leser rauss also entschuldigen, wenn von Zeit zu Zeit einmal von den Schnecken die Rede ist, ich verspreche ihm aber, dass das nicht allzuoft geschehen soll. Der Bahnhof der von Barcelona nach dem Süden führenden Eisenbahn liegt am oberen Ende der Rambla; er ist, wie alle spanischen Bahnhöfe, nichts weniger als monumental und bequem eingerichtet. Die Bahn führt noch geraume Zeit durch die Vor- städte Barcelonas und zwischen rauchenden Schloten hin ; dann kommen Gärten mit üppiger Vegetation und zahlreiche schöne Landhäuser, viele offenbar erst in neuester Zeit angelegt. Das Korn schiesst hier schon in die Aehren, die Mandeln haben ab- geblüht, ebenso die Pfirsiche, dagegen stehen die Birnbäume, die man in grossen Mengen neu angepflanzt hat, in voller Blüthe. In deu Parks, v/elche die Landhäuser umgeben, wird die Dattelpalme immer häufiger, daneben stehen mehrere Cederuarten und die prächtige Araucaria excelsa. Auch der letzte von uns noch ver- misste Charakterbaum des Südens stellt sich nun ein, der Johannis- brodbaum, die Karrube, wie er mit ^!eiuem arabischen Namen am — 108 - ganzen Mittelmeere genannt wird. Für Südspanien ist dieser Baum von grösster Wichtigkeit, denn mit seineu Sclioteu — bei uns ein Leckerbissen für die Jugend — füttert man dort vor- zugsweise die Esel und Maulthiere. Um Barcelona scheint seine Kultur noch neuereu Datums zu sein und war auf einzelne Güter beschränkt. Kanäle und Wege sind meist mit Silberpappeln, dem Lieblingsbaume des Spaniers, bepflanzt; dieselben treiben eben die ersten crrünen Blätter aus und machen mit ihrer weissen glänzenden Rinde und dem zarten frischen Grün einen ungemein freundlichen Eindruck. Die fruchtbare Ebene ist sehr sorgsam be- baut. Weizenfelder auf denen das Getreide schon in die A ehren schiesst, wechseln mit Saubohnen und ewigem Klee. Oelbäume sieht man nur ausnahmsweise ; die Obstkultur herrscht hier vor. Die Bahn biegt bald in das Thal des Llobregat ein. Zackige kahle Bert^reiheu, ächte spanische Sierra's, fassen es von beiden Seiten ein. Lu Hinausfahren aus einem Tunnel sehen wir eins der ältesten Bauwerke Spaniens vor uns, el puente del diablo, die uralte Brücke über den Llobregat, welche Hannibal im Jahre 535 der Stadt Rom erbauen Hess, um die Verbindung zwischen Tarragona und Geroua zu sichern. In einem einzigen Spitzbogen von 130' Weite spannt sich der kühne Bau über den wilden Bergstrom, freilich so schmal und hoch, dass er nur für Fuss- gänger und Maulthiere passirbar ist. Die Fundamente und ein Theil des Bogens sind noch antik, der Rest des Bogens und das auf der Höhe stehende kleine Häuschen maurisch ; ein Triumph- bogen am Eingang deutet auf eine Erneuerung durch die Römer. Eine ganz ähnliche Brücke führt bei Gerona über den Ter ; auch sie ist carthagischen Ursprungs. Gleichzeitig mit der Brücke erscheint auf der anderen Seite am Horizont ein Bergrücken, der mit seiner phantastischen Form eher wie eine Wetterwolke, als wie ein Berg aussieht. Es ist der Monserrat, die Wiege des Jesuitenordens. Auf seiner schwindelnden Höhe erdachte Loyola diesen Orden, welcher den Kampf gegen die siegenden Lichtgeister, gegen Humanismus und Reformation auf- nehmen sollte und ihn für eine Zeit lang wenigstens auch mit Erfolg aufgenommen hat. Man behält den Berg lange genug vor Augen, um jede Zacke seines Rückens genau studiren zu können und sich zu überzeugen, dass die Alten ihn nicht mit Unrecht Mons serratus, den Sägeberg, nannten. Eine tiefe Kluft spaltet — 109 — ihn fast bis herunter zur Ebene. Die beiden Hälften sind in ihrer ganzen Ausdehnung mit seltsamen spitzen Felszacken besetzt, die ganz den Zähnen eiuer ungeheuren Säge gleichen. Gerne hätten wir ihn besucht; von der Station Martorell aus, die wir bald erreichten, kann man das bequem in einem Tage macheu, da eine Bahn unmittelbar an seinem Fusse vorüberführt; man kann sogar auf einer bequemen Strasse mit der Diligence direkt bis an das aufgehobene Jesuitenkloster fahren. Es war aber noch zu früh im Jahre und unsere Zeit knapp, wir mussten vorüber. Bei Martorell verlässt die Bahn das Thal des Llobregat und folgt eine Zeit laug einem Seiteuthale. Die Fruchtbarkeit hört bald auf und für mehrere Stunden geht es durch ein schwach angebautes Hügelland, welches sich in den Bahndurchschnitten als nur aus Diluvialschutt bestehend erwies. Jetzt im Frühjahr war es leidlich grün, im Sommer mag es dürr und verbrannt genug aussehen. Mit sinkender Sonne erreichten wir wieder das Meer und an ihm hinfahrend die uralte Phönicierstadt Tarragona, wo wir in der Fonda de los quatro nacioues ein ganz leidliches, Unterkommen fanden. ,.' .■:-. * a Zweites Capitel. Tarragona — Valencia — ■ Cartagena. Tarragona hatte mich aus zwei Gründen besonders angezogen. Einmal hatten die verlockenden Schilderungen Murray's über seine Wichtigkeit als Krankenstation mein medicinisches Interesse erregt, dann hoffte ich au dem »limestone rock of 700 feet elevation«, auf dem nach demselben Autor die Stadt liegen sollte, eine reiche Schueckenausbeute zu machen. Besonders aus letzterem Grunde hatte ich Tarragona zur ersten Saramelstation bestimmt, wurde aber, um das gleich hier zu erwähnen, ziemlich enttäuscht. Auch mit der Krankeustation ging es mir nicht viel besser. Zwar das Klima ist dafür nicht ungeeignet. Schon die Römei, die sich auf dergleichen Dinge ganz ausgezeichnet verstanden, hatten die Stadt ihres milden Winterkfimas wegen zur Winter- residenz des Prätors auserkoren und auch Augustus überwinterte nach seinem cautabrischen Feldzuge hier. Von Anstalten für X •',^ — no — die Beherbergung kranker Fremder war aber nirgends eine Spur zu entdecken. Unser Wirth, ein schlauer Lombarde vom Corner See, wie fast alle Hotelbesitzer iu Spanien, wusste sich denn auch gar nicht zu erinnern, dass kranke Engländer für längere Zeit in Tarragona gewohnt hätten. Ich möchte auch trotz des prächtigen Klimas Niemand hinschicken, denn das Klima allein thuts nicht, und schliesslich stirbt man au Langeweile gerade so gut, wie au Tuberkulose. Spaziergänge bietet Tarragona nur wenig. Es hat zwar seine Alameda, wie jede spanische Stadt, sogar schöner, denn sie liegt hoch oben am Rande des Hügels, welcher die Altstadt trägt, und gestattet eine prächtige Aussicht auf das Meer. Ausserdem bleiben nur die Chausseen, welche von der Stadt aus nach allen Richtungen die hügelige Umgebung durchschneiden ; aber sie sind schnurgerade, offenbar nur mit dem Richtscheit tracirt und ohne Spur von Schatten. Schon jotzt im März wurden Sonnenbrand und Staub ungemein lästig ; für eiueu Brustleidenden wären sie unerträglich gewesen. Ein Ver- gleich mit den Winterkurorten in Sicilien, namentlich mit dem reizenden Palermo, fällt für Tarragona sehr ungünstig aus. Tarragona liegt auf dem äussersten Ausläufer einer Hügel- kette, welche sich dem Meere entlang erstreckt und durch das breite Thal des Fraucoli von den Sierren des Lmeren geschieden ^^■ird. Es hat ausgedehnte und ziemlich im Stande erhaltene Festungswerke, die aber moderner Artillerie durchaus keinen Widerstand leisten könnten. Die Stadt nimmt nur einen» kleinen Theil der alten Römerstadt ein, aber sie macht allenthalben den Eindruck, als sei sie im entschiedenen Aufblühen begriffen. Die ganze Umgegend ist mit Weinreben bepflanzt, zwischen denen sich Oelbäume und Karruben erheben. Auf den neu augelegten Strassen begegnet man fortwährend Fuhrwerken, welche Wein und Oel zur Stadt bringen. Es sind ausnahmslos zweirädrige Karren mit ungeheuren Rädern, vorn mit einer Gabeldeichsel ; man spannt dje Maulthiere stets vor einander, häufig bis zu sieben und mehr in einer Reihe ; sie machen einen eigenthüm- lichen Eindruck, da sie bis zur Mitte des Körpers herunter immer sorgsam geschoren und darunter häufig sehr zottig sind. Es sieht das ganz aus, als seien sie mit einer Kautschukdecke bedeckt. Die Thiere selbst sind meist kräftig und gut gehalten, oft auch bunt aufgeputzt. Die Fuhrleute sind ächte Catalonier - Ill — mit gestreifter Mauta uud blauer Zipfelmütze; sie grüsseu den Fremden freundlicher, als die Bewohner der Umgebung von Barcelona. Eine Unterhaltung war leider auch hier nicht möglich, denn die Leute sprachen mit geringen Ausnahmen nur catalonisch. Die zahlreichen Alterthümer von Tarragona haben nur historisches Interesse ; auch das Grabmal der Scipioneu, das ohnehin apocryph ist, bietet keinerlei Kunstinteresse. Wir machten uns also schon nach zweitägigem Aufenthalt wieder reisefertig, dem schönen Valencia zu, eine Reise, welche durch die Vollen- dung der Küstenbahu jetzt sehr bequem geworden ist. Von Tarragona aus bleibt die Gegend noch lange Zeit eben und ausgezeichnet angebaut. Eine Specialität sind die Haselnüsse, die mau hier im Grossen zieht; man sieht ganze Wälder, aus lauter mannshohen, sorgsam im Schnitt gehaltenen Büschen bestehend ; auch auf den Feldern sind sie reihenweise angepflanzt. Ihr Product bildet einen nicht unwichtigen Exportartikel Tarra- gonas. Dann folgen ausgedehnte Karrubenpflanzuugen ; von ziem- licher Bedeutung scheint auch die Gemüsezucht zu sein ; mau hatte gerade überall junge Pflanzen ausgesetzt und sie in sehr sinnreicher Weise durch Ueberdeckung mit Hohlziegeln gegen den Sonnenbrand geschützt. — Nach und nach wurde die Gegend öder und immer häufiger traten die Wahrzeichen Südspaniens, die wasserlosen Flussbetten oder Ramblas auf. Die unsinnige Verwüstung der Wälder, welche einstmals die benachbarten Sierren bedeckten, hat die Quellen versiegen lassen und das Land zur Wüste gemacht. Die Dürre dauert aber nicht lange, bald nimmt uns das üppig grüne Delta des Ebro auf, die Bahn führt nun eine Strecke stromauf bis Tortosa. Hier sind wir au einem Platze, den wir mit Ehrfurcht betrachten müssen, denn Tortosa ist die älteste Stadt Europas. Die anderen phönicischen Colonien haben zwar aucii schon ein respectabeles Alter und können sich zum Theil rühmen, von Hercules-Melkarth gegründet zu sein, reichen aber doch kaum bis über die Zeiten hinaus, wo Josua Palästina eroberte und die Phönicier aus den Küstenstricheu vertrieb, Tortosa hat aber kein anderer gegründet, als der Erzvater Jubal höchstseligen Augedenkens, als er noch vor der Sprachverwirrung beim babylonischen Thurmbau nach Westen zog ; hier im Ebro- delta landete er und wurde der Stammvater der Basken. Diese sprechen, da ihre Vorfahren nicht mit am Thurme von Babel — 112 — gebaut, noch heute die Sprache, welche Adam von Gott im Paradiese lernte, dieselbe Sprache, die heute noch unter den Eucrelu üblich ist. Jubal aber gründete alsbald die Stadt Tortosa, die damals noch am Meere lag und den natürlichen Ausfuhrhafen des weiten Ebrothales bildete. Der Erzvater hatte bei seiner Gründung aber leider noch keine Idee von Deltabildungen und ähnlichen Erscheinungen, und so ist es gekommen, dass seine Stadt heute ziemlich tief im Lande drin liegt und keinen Hafen mehr hat. Dafür liegt sie freilich in einer uugemein fruchtbaren, reichen Gegend ; in den üppigen Gärten sieht man die Dattel- palme in Meuge, natürlich nur als Zierbaum oder der Blätter wegen angepflanzt, deun die Dattel reift hier noch nicht. Nach den schattigen Kastanien, die Geibel am Ebro wachsen lässt, sieht man sich allerdings vergeblich um. Angesichts Tortosa überschreitet die Bahn auf einer schönen Eisenbrücke den hier recht breiten Ebro und wendet sich dann Aussah, immer dem Rande des fruchtbaren Deltas entlang. Hier fallen uns zum ersten Mal die Norias auf, jene tür die spanische Bodenkultur so unendlich wichtigen Schöpfräder, mit denen man den höher gelegenen Grundstücken das hier so unentbehrliche Wasser zuführt. Ein altes Maulthier geht mit verbundenen Augen im Kreise herum und treibt ein horizontales Kammrad; dieses bewegt wieder ein verticales Rad, über welches ein Seil ohne Ende hängt, au welchem die Schöpfgefässe angebracht sind, welche in das Wasser tauchen und dasselbe in ein höher liegendes Reservoir heben, aus welchem es überall hiugeleitet werden kann. Solche Noriat; findet man überall in Spanien ; aus ihrer Construction kann man gleich den Kulturgrad des betreffenden Landstriches erkennen. Hier am Ebro waren sie noch so primitiv wie möglich, aus Holz construirt, die Schöpfgefässe gewöhnliche irdene Töpfe. Weiterhin im Süden trafen wir sie mit eisernen Göpelwerken, und bei Cartagena wurden sie durch amerikanische Windmühlen bewegt. Li Algerien hat man sie auf grossen Gütern mit ausgezeichnetem Erfolg durch dampfgetriebene Ceutrifugal- pumpen ersetzt. Die Bahn ersteigt allinählig das rechtsseitige Gehänge des Ebrothales und kommt nun in einen endlosen Oliven wald. So weit das Auge reicht, nur Oelbäume und Karrubeu. Stelleuweise" hätte man sich ins steinige Apulien versetzt glauben können. — 113 — Gerade wie dort hatte man allenthalbeu zwischen den Grund- stücken breite Trockenmanern aus den Kalksteinen des Bodens errichtet, die Bäume mit Steiuwällen umgeben, hier und da ganze Berge von aufgeleseneu Steinen aufgehäuft, und doch war der Boden noch dicht mit Steinen bedeckt. Die Oelbäume zeigten freudiges Gedeihen. Wenn nur die Spanier ein klein wenig mehr Sorgfalt auf die Bereitung des Olivenöls wenden wollten, könnten dem Lande Millionen zugeführt werden. So aber wird nur ordinärstes Oel producirt. Zu den Speisen wird überhaupt nur ranziges Oel verwendet ; auch die Butter, die ohnehin selten zur Verwendung kommt, findet der Spanier nur in ranzigem Zustande schmackhaft. Für den Fremden ist das eine der grössten Unannehmlichkeiten in Spanien; bei gebackeuen Speisen tritt der ranzige Geschmack weniger hervor, aber es dauert lauge, bis man lernt, einen mit spanischem Oel zubereiteten Salat zu essen. Auch der Olivenwald nahm schliesslich ein Ende und wer ihn unschön und langweilig gefunden, wurde rasch eines Besseren belehrt, denn nun begann eine Gegend, die es an Schönheit ge- trost mit der Lünebnrger Haide und anderen Glanzstellen unserer lieben Heimath aufnehmen konnte. Eine wirkliche Haide, stellen- weise mit niederem Gestrüpp bewachsen, aber vollständig baumlos, -erstreckt sich viele Stunden weit, landwärts eingefasst von einer kahlen, öden, langweiligen Sierra, von der zahlreiche Ramblas zum nahen Meere heruuterführen. Wohl ist die Gegend cultur- fähig, denn um die Stationen liegen oasengleich prächtige An- pflanzungen von Reben und Oelbäumen, aber die Bebauer fehlen, denn Spanien hat noch gar viel fruchtbareren Boden und bei weitem nicht Hände genug ihn zu bestellen. Diese Gegend wird aber wohl auch noch lange unbebaut bleiben, denn wenn ein Spanier sich entschliesst, seine Heimath zu verlassen, geht er lieber hinüber nach Algier oder gleich über den atlantischen Ocean nach Argentinien, wo ihm bessere Aussichten für die Zu- kunft winken, als unter der heimischen Missregierung. Eine Oase in dürrer Haide ist auch das weinberühmte Benin- carlo, der Stapelplatz für die spanischen Landweine, aus denen man in Cette alle möglichen Sorten Rothwein fabricirt. Von hier an aber nimmt die Gegend einen ausgesprochen südlichen Charakter an ; besonders fallen die bunten glasirten Firstziegel auf, mit denen die Thürme und Kirchenkuppeln hier ganz wie in Andalusien — 114 — gedeckt sind. Der Spanier uenut diese blauen, rothen oder gelben Ziegel, die im Sonnenschein weithin leuchten, Azulejos, mit einem maurischen Worte, das ursprünglich die kleinen glasirten Steiuwürfel bezeichnet, aus denen die Mosaikverzierungen der AUiambra bestehen. Die Sierren treten näher an das Meer heran und nehmen zackigere Formen au, hier und da, au unzugänglichen Stellen sieht man noch einzelne Fichtenbäume stehen. Schliesslich verlegen sie den Weg ganz; ein Tunnel folgt dem anderen, immer dicht an dem Meere hin. Auf einmal kommen wir wieder in eine weite Ebene und auch dem blödesten Auge kann es nicht entgehen, dass hier eine neue Welt beginnt. Ein üppiges Frucht- land , von Orangenbäumen beschattet, breitet sich vor uns aus, durchschnitten von einem dichten Netz unzähliger Bewässerungs- gräben, welche das Wasser überall hin führen. Es ist die erste jener wunderbar fruchtbaren Vega's oder Huerta' s , der Schöpfun- gen der Mauren, die in Südspauien die Ausgänge aller Fluss- thäler erfüllen. Hier ist es der Rio Mijares welcher die Gräben speist, weiterhin bei Valencia der Guadal a vi ar, und noch weiter südlich der Ju car; die drei Flüsse stehen unter einander vielfach in Verbindung und ihre Mündungsgebiete bilden nur eine zu- sammenhängende Ebene, die prachtvolle Huerta de Valencia, den Garten von Spanien. Geradezu entzückend schön war die Gegend um Bur ri ana, ein Wald von Orangenbäumen, oder richtiger Orangenbüschen, soweit das Auge reichte, viele noch schwer mit den goldeuen Aepfeln beladen und dabei schon wieder mit Blüthen bedeckt, welche die gauze Gegend mit einem förmlich berauschenden Wohlgeruch erfüllten. Näher nach Valencia hin treten ausgedehnte Waizeufelder an die Stelle der Orangengärteu ; die weniger zahlreichen Bäume sind beinahe sämmtlich Maulbeerbäume. Die Landleute waren noch vielfach mit der Ausstellung beschäftigt, überall dampften kleine Erdhaufen, die sogenannten Formigats, in denen mau die Erde brennt, um ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen. Man macht aus den Abfällen der Bäume, aus Binsen und Rohr, im Nothfall auch mit Stroh kleine Häufchen, überdeckt sie mit Erde bis auf einige Luftlöcher und zündet dann an. Später macht man die Haufen wieder auseinander, ackert die Erde unter, wässert tüchtig und sät die Frucht iu den daraus entstehenden Schlamm. Für die — 115 — Somnierfrucht genügt einmaliges Bewässern, den Waizen dagegen wässert man noch einmal im Frühjahr, wenn er in die Aehren zu schiessen beginnt. Natürlich sind alle Felder in diesen Huertas von einem kleinen Damm umgeben uud vollständig wasserrecht. Der Huertano, wie man den Arbeiter in diesen südspanischen Vegas nennt, versteht sich ausgezeichnet darauf, das von den Mauren ererbte Nivellement des Bodens zu erhalten. Wir erreichten Valencia erst Abends um 8 Uhr; ein deutscher Personenzug würde die Strecke Tarragona- Valencia iu der halben Zeit zurückgelegt haben, aber dem Spanier hat die Zeit noch keinen Werth. Mit uns zusammen kam eine Coloune Engländer an, die eine Tour durch Spanien unter Leitung eines Reisebureaus machten. Unterwegs hatten sie viel zu unserer Erheiterung bei- getragen, namentlich als sie iu Castillon de la Plana das von Murray angegebene Büffet suchten und nicht finden konnten. Iu Valencia aber begannen sie uns zu geuiren, denn sie hatten iu den besseren Hotels so ziemlich alle Zimmer bestellt uud nur mit einiger Mühe fanden wir im Hotel de Paris noch ein Quartier im vierten Stock. Zum Glück wandten sie sich von Valencia aus nach Cordova und Hessen uns den Weg nach Cartagena frei. Valencia, die Stadt des Cid, dessen Namen sie officiell als Beinamen führt — die meisten Städte Spaniens haben einen solchen officiellen Beinamen und sehr viele auch einen bestimmten persönlichen Rang unter den Granden — ist stolz darauf, die schönste und geistig regsamste Stadt Spaniens zu sein. In der That macht es auf den Fremden einen recht angenehmen Eindruck. Seine öffentlichen Gärten, auch die berühmte Giorieta, halten freilich einen Vergleich mit denen Palermos nicht aus; die Glorieta selbst erscheint einigermassen vernachlässigt und sehr verwildert und nur ein paar schöne Palmen und noch schönere Araucarieu sind bemerkenswerth. Die vielgefeierte Alameda dagegen, der Lieblingsspaziergang der schönen Valeucianerinnen, ist nur eine lange vierfache Allee, welche sich von der Stadt längs des fast wasserlosen Guadalaviar nach dem Hafenort Grao erstreckt. Aller- dings darf man solche südländische Promenaden nicht am^ Tag und nicht ausser der Saison sehen ; nur wenn sie an schönen Sommerabenden im Glänze unzähliger Gasflammen flimmern uud von geputzten Menschen und eleganten Equipagen wimmeln, machen sie den richtigen Effect. Gerade hier in Valencia ist 116 — übricrens der Eindruck eiu ganz fremdartiger, denn hier ist die nationale Tartane noch nicht von der ofiFeuen Chaise verdrängt worden. Der Fussgänger sieht auf der Alameda nur eine endlose Reihe verdeckter Wagen vor sich auf- und abfahren, deren Insassen ihm fast ganz unsichtbar bleiben. Es ist das um so uuangeuehmer, als die Valencianerinnen nicht mit Unrecht in dem Rufe stehen, die schönsten Frauen Spaniens zu sein. Leider thun sie der Mode zu lieb ihr möglichstes, um sich zu entstellen; die »Simpelfränzchen« haben hier noch eine allgemeine Verbreitung und die hübschen Gesichter waren meist mit einer dicken Schicht Mehlpuder über- zogen. Wir konnten die Promenade leider nicht in vollem Glänze sehen ; für uns war es zwar warm genug, aber den verwöhnten Valenciauer wollte die Temparatur noch nicht behagen und die Alamedas waren noch wenig besucht. Ich hatte für Valencia nur einen ganz kurzen Aufenthalt vor- gesehen, da dessen Fauna schon durch Rossmässler genügend erforscht worden war und wir eilen mussten, wollten wir in Afrika nicht zu spät kommen. Drei Punkte aber hatte ich mir fest vor- genommen, ich wollte die Sammlungen der Universität sehen, die vielgepriesene Vega ein wenig kennen lernen und dem See Albufera wenigstens einen Besuch machen. Von den Sammlungen konnte mir Niemand etwas Rechtes sagen; aber ein glücklicher Zufall Hess mich in der Glorieta einen Herrn finden, der so professoren- mässig aussah, dass ich ihn sofort daraufhin ansprach. Ich hatte mich auch nicht getäuscht, es war wirklich ein Professor der Philosophie und ein sehr vernünftiger obendrein. Er sprach zwar nur spanisch und mit der leugua castillana wusste ich noch nicht sonderlich viel Bescheid, wir verständigten uns aber doch ganz gut. Der Herr Professor bot sich uns mit der grössten Bereit- willigkeit zum Führer an, und führte uns direct in das Universitäts- gebäude. Die Sammlungen sind jetzt leider sehr vernachlässigt, doch sieht man noch Spuren der sorgsamen Pflege, welche sie durch Arigo und Vidal erfahren haben. Den Glanzpunkt bildet das prachtvolle Skelett eines riesigen Walfisches, der vor 20 Jahren bei dem benachbarten Burriana strandete; es ist 70 — 80' lang und tadellos erhalten. Auch die Vogelsammlung ist recht be- friedigend ; die meisten Arten sind auf dem Albuferasee erlegt, auf dem sich im Sommer die afrikanischen, im Winter die nordischen Schwimm- und Watvögel Rendezvous geben. Nordische Möveu — 117 — und Enteu standen darum in diesem Lokalmuseum zusammen mit dem Pelikan, dem Ibis und dem langbeinigen Flamingo. Unser freundlicher Führer, dessen Nainea ich leider nicbt erfahren habe, führte uns dann in die Aula der Universität, die mit zahlreichen, zum Theil recht gut gemalten Portraits be- rühmter Yaleucianer geschmückt ist, und dann in den prachtvollen Hof des gegenüberliegenden Klosters. Dasselbe ist von dem be- rüchtigten Patriarchen Ribera erbaut, der gleichzeitig General- capitän von Valencia war; er hat viel für sein Land und seine Provinz gethan, aber auch Spanien durch die Vertreibung der fleissigen Mauren eine so unheilbare Wunde geschlagen. Dann aber, und das bewies, dass er mit Deutschland doch nicht so ganz un- bekannt war, setzte der Herr Professor seinen guten Werken die Krone auf und führte uns in eine deutsche Bierbrauerei, eine Fabrica de cerveza oder cerve^eria, wie sie der Spanier nennt. Der Besitzer, Herr Ra kos nie, ein Deutsch böhme, und seine Frau, eine Schweizerin, bewillkommneten die Landsleute sehr freundlich und haben uns während unseres Aufenthaltes unzählige Gefälligkeiten erwiesen. Mit Frau Rakosnic besuchten wir zunächst den Markt. In allen südlichen Ländern darf man das nie unterlassen, wenn man das Land, seine Bewohner und seine Producte kenneu lernen will. Die Märkte, welche überall täglich stattfinden, sind be- deutend belebter, als bei uns, denn das Klima lässt es unthunlich erscheinen, grössere Vorräthe auf einmal einzukaufen, macht frei- licli eben so das Ansammeln von Wintervorräthen unuöthig. In Spanien gehen meistens die Männer auf den Markt einkaufen, eine ganz praktische Einrichtung, die manchen Disput im Hause erspart. Der Markt in Valencia erstreckt sich über verschiedene unregelmässige Strassen und Plätze, wird aber trotzdem sehr in Ordnung gehalten. Fischmarkt, Fleischmarkt und Gemüsemarkt sind getrennt, zum Theil in gedeckten Hallen, zum Theil nur durch ausgespannte Tücher gegen die Sonne geschützt. Eine Hauptrolle auf allen spanischen Märkten spielen die Hülsenfrüchte, die Lieblingsnahrung der Spanier, obenan die Garbanzos, die Früchte der Kichererbse {Cicer arietinus L.), grosse Erbsen von ausgezeichnetem Geschmack, der Hauptbestandtheil des Puchero oder der 011a portrida. Dieses Gericht ist das eigentliche spanische Nationalgericht und erscheint täglich auf jeder spanischen Tafel. — 118 — Seine Zusammensetzung gestattet mannigfache Variationen ; unver- änderliche Hauptbestandtheile eines kunstgerechten Puchero sind aber Garbauzos und weisse Bohnen (Habichuelas), mit verschiedenartigen Gemüsen, grünen Bohnen, auch Obst etc.; ausserdem Rindfleisch, in Scheiben geschnittener Speck und geschmorte Bratwurst. Beim Armen fallen die verschiedenen Fleischsorten fort, die Aermsten begnügen sich mit gequellten Garbanzos, die man an allen Ecken zu kaufen bekommt. Der Spanier isst auch die halbreifen Gar- banzos gerne, in der Saison sieht man sie überall feilbieten ; ich konnte ihnen keinen sonderlichen Geschmack abgewinnen. Auch Linsen werden viel gezogen und noch mehr die grossen Pferde- oder Saubohnen (Habas). Diese gelten im grünen Zustand als Delicatesse; während der Saison sieht man sie auf allen Tischen und zwar ungekocht; man macht sie auf und isst die Kerne mit etwas Salz. Gleichfalls eine Hauptrolle auf allen Märkten spielen die Zwiebeln (CeboUas) und ihr wohlriechender Verwandter, der Knob- lauch {Ajo). Wer letzteren nicht liebt oder gar einen Widerwillen gegen ihn hat, der ist in Spanien übel daran, denn ohne Knob- lauch geniesst der Spanier so leicht kein Gericht, ja das gewöhnliche Frühstück des Aermeren ist Brod mit Knoblauch. Zum Verkauf windet man die Knollen mit Espartogras zu langen Zöpfen zusammen und bringt sie so auf den Markt. Die Zwiebeln erreichen oft eine riesige Grösse und schmecken viel süsser, als bei uns. .■\uf dem Obstmarkt fallen zunächst natürlich die Orangen ins Auge, deren Saison jetzt eigentlich erst beginnt. Die Vega von Valencia ist ja so recht das Orangenlaud Spaniens; auf den Bahnen sieht mau ganze Züge eigens für den Orangenexport ein- gerichteter Waggons; dieselben sind mit Draht vergittert und inwendig in ein paar Stockwerke geschieden ; die Früchte werden lose auf Stroh gelegt, eine sorgsamere Verpackung findet meistens erst im Hafen statt. Der Export ist Ende März der Hauptsache nach beendigt, der Verbrauch im Lande selbst beginnt erst um diese Zeit. »Vor April, sagen Spanier und Italiener gleichmässig, sind die Orangen nur für Fremde und Kinder geniessbar.« Dies gilt natürlich nur für die gewöhnliche Orange; man hat auch frühere Sorten, wie in Sicilien, die schon im December geniessbar sind; auch die delicaten Mandarinen werden früher reif und halten sich kaum über den April hinaus. Dagegen hat man aber auch — 119 — viel später reifende Sorten. Selbst die gewöhnliche Orange (Na- ranje) kann bis tief in den Herbst hinein am Banrae bleiben und kommt noch im October mit einem grünen Blatt am Stiel als Zeichen der Frische auf die Tafel, doch hat sie im Nachsommer bei weitem nicht mehr den köstlichen Geschmack wie im April und Mai. Die köstlichen Orangen von Lanjaron in den Alpujarras aber werden erst in der ßadesaison, im August, geniessbar. Man scheint um Valencia noch nicht die Arteumannigfaltigkeit von Orangen zu cultiviren, wie in Sicilien; wenigstens haben wir nur die eine Sorte, die auch zu uns kommt, den Portogallo der Italiener, bekommen. In Messina brachte uns ein Freund einmal einen grossen Korb voll Orangen, lauter verschiedene Sorten ent- haltend, die in einem einzigen Garten in der Nähe gezogen wurden. Neben den Orangen lagen in Haufen angeschüttet Kürbisse von allen Arten, ebenfalls ein Lieblingsgericht der Spanier; für die delicaten Melonen war es noch zu früh. Der Obstmarkt war natürlich noch sehr schwach besetzt, doch kamen schon die ersten Ananas-Erdbeeren, wie in unseren Gärten und hier und da auch die köstlichen japanischen Mispeln zum Verkauf. Letztere sollten wir erst in Oran recht schätzen lernen; es ist eine Frucht von der Grösse einer kleinen Birne mit erfrischendem säuerlichen Fleisch, dessen Quantität leider durch drei grosse kastanienartige Samen- kerne sehr beeinträchtigt wird. Die Gartenkultur würde diese Frucht leicht veredeln können, denn mau findet nicht selten Exem- plare mit nur zwei oder auch mit nur einem Samen und es würde kaum schwer halten, dit?se Eigenthümlichkeit constant zu machen. Neben dem frischen Obst standen in zahlreichen Säcken ge- trocknete Früchte, Feigen, Rosinen, dann Haselnüsse, Wallnüsse und Kastanien. An sie schlössen sich die Plätze für den Getreide- verkauf im Kleinen. Hier fällt dem Fremden besonders der Reis (Arroz) auf, den man an den Ufern des Albuferasees in grossen Quantitäten baut. Daneben sind schon frische Kartoffel zu haben und alle möglichen Arten Viehfutter. Eine langgestreckte Halle beherbergt die Blumenhändlerinnen, deren Hauptabsatz frischab- geschnittene Blumen bilden, denn keine Spanierin geht aus ohne eine Blume im Haar. Auch Backv/aaren und Fleisch werden hier auf dem Markte verkauft und nehmen besondere Abtheilnngen ein. Ein offener — 120 — Hof ist dem Fischmarkt zugewiesen, der hier, wie überall am Mittelmeer, eine Menge der abenteuerlichsten Fiscbformen aufzu- weisen hat. Seekrebse, Tintenfische und Seemuscheln rangiren mit den Fischen, boten uns aber nichts besonders Interessantes. Die letzte Abtheiluug des Marktes dagegen enthielt eine Waare, die man auf deutscheu Märkten vergeblich suchen würde, nämlich Landschneckeu. Wohl isst man auch bei uns in Süd- deutschland hier und da als Leckerei in der Fasteuzeit die grosse Weinbergsschnecko, doch kann mau sie kaum als eiu Nahrungs- mittel von Wichtigkeit bezeichnen. Der Spanier isst dagegen so ziemlich alle Landschnecken, die gross genug sind, um das etwas mühsame Herausholen aus dem Gehäuse zu lohnen, mit Ausnahme einiger weniger Arten, welche für zäh und ungesund gelten {Helix Gualtieriana, Leucochroa candidissima und baetica). Auf allen Märkten findet mau deshalb ganze Körbe voll Schnecken zum Verkauf und der Schneckensammler kaun wenigstens die grösseren Arten so sehr bequem erwerben. Wer aber die geographische Verbreitung der Arten studiren will, muss beim Ankauf sehr vor- sichtig sein und sich bei den Caracoleras, den Schueckenhäudler- innen, genau nach dem Herkommen der Schnecken erkundigen, denn seit die Communicationen durch Eisenbahnen und Dampf- schiffe so unendlich erleichtert worden sind, hat sich eiu beträcht- licher Handel in Caracoles (Schnecken) entwickelt. Ganz besonders hommeu sie in grossen Quantitäten von den Balearen und von Oran herüber, selbst noch in Madrid kommen zur Fasteuzeit Schnecken aus Oran auf den Markt, dabei auch Arten, die in Spanien nicht gefunden werden. Wer das nicht weiss, kaun leicht zu falschen Schlüssen verleitet werden. Nicht einmal wenn mau eine Art selbst draussen im Felde sammelt, kaun mau ganz sicher sein, dass sie wirklich iu der Gegend einheimisch ist. Einzelne Exemplare können immer aus der Kücke entwischt sein; der Spa- nier hat aber seine Lieblingssorteu (Helix dlonensis und Helix lactea) nicht nur in Spanien und Südfrankreich vielfach ausser- halb ihres eigentlichen Verbreitungsbezirkes angesiedelt, er hat sie auch nach den Canaren und Südamerika verpflanzt; ja Helix asper sa soll auch auf den Philippinen vorkommen und findet sich sicher auf den Maskarenen und in Californien. Aehnliche An- siedeluugen finden wir übrigens auch iu Europa. Helix pomatiu^ unsere Weinbergsschuecke, ist eigentlich weder in England noch — 121 — in den Ostseeproviuzeu heimisch; aber die Mönche, welche sich die leckere Fasteuspeise nicht entgehen lassen wollten, haben sie dort eingeführt und noch jetzt findet man sie vorwiegend in der Nähe aufgehobener Klöster oder Burgen. In Valencia befindet sich der Schueckenmarkt auf einem kleinen freien Platz. Etwa ein Dutzend alter Weiber sassen da auf Matten, grosse Körbe mit Schnecken vor sich; sie erkannten in uns sofort gute Kunden und schrieen uns an: »Serranos, Senor, muy gordos« (Bergschnecken, Herr, sehr fette) ! Mit dem Namen Serranos bezeichnet der Spanier ausschliesslich die bergbewohuende Helix cdonensis, welche für die delicateste aller Schneckensorten gilt, um uns die Güte ihrer Waare zu zeigen, knackten die Verkäuferinneu die Schalen mit den Zähnen auf. Als wir ihnen aber sagten, wir wollten die Schnecken nicht para comer (zum Essen), sondern por estudio, begriffen sie uns gleich und halfen uns die schönsten Exemplare mit unverletzter Mündung aussuchen, gaben uns auch genau die Fundorte an. Helix alonensis, der Ca- racol serrano, war aus der Umgebung der Vega reich vertreten, noch häufiger Helix lactea, eine schöne, besonders durch die glän- zend braunschwarze Mündung ausgezeichnete Art, die man in ganz Südspanien findet; die hier verkauften Exemplare kamen aber von Mallorka. Die Dritte im Bunde war eine Art, die in Spanien nur an wenigen Stellen, nämlich zwischen Murcia und Cartagena, um so häufiger dagegen in der Provinz Oran vorkommt, Helix Dupotetiana; die ausgebotenen Exemplare stammten denn auch richtig aus Oran. Ausserdem wurden noch zwei weiter verbreitete Arten verkauft. Helix vermiculata und Helix aspersa. Für zwei Franken erhielten wir ein paar Hundert Exemplare. Im Hotel lachte man uns tüchtig aus, als wir ankamen und sagten, dass wir nur die Häuser mitnehmen, die Schnecken aber wegwerfen wollten, und die Köchin erklärte sich gerne bereit, uns die Mühe zu sparen und die Gehäuse zu entleeren. Ich habe übrigens später mehrfach Gelegenheit gehabt, nach spanischer Methode zubereitete Schnecken zu essen und muss gestehen, dass manche Sorten ganz delieat schmecken. Man geniesst sie entweder mit der Schale in einer Brühe mit vielen Zwiebeln gedämpft, oder man kocht sie in Salzwasser, zieht sie aus dem Gehäuse, reinigt sie, schmort sie in der Pfanne und steckt sie dann wieder in das Gehäuse. Eine dritte, in Spanien ebenfalls beliebte Zubereitungsmethode ist, die — 122 — Scbneckeu in Reis zu dämpfen. Ungekocht, wie so viele See- schuecken, geniesst mau sie nie. Die Fremden gewöhnen sich übrigens selten au dieses spanische Lieblingsgericht; los caracoles por los Espaguoles, sagte unsere Führerin, weuu ihr eine Caraco- 1er a die Waare anpries. Unmittelbar an den Markt stösst der prachtvolle Bau der Lonja, die Seideubörse, eine geräumige Halle, deren Dach von mehreren Reihen spiral canellirter Säulen getragen wird. Hierhin brinaeu die Vesabaueru ihre Cocous uud ihre rohe Seide zum Verkauf. Im März hat uatürlich die Saisou noch nicht begonnen uud war nur wenig Geschäft. Den Nachmittag widmeten wir dem botanischen Garten, dem besten Spaniens. Herr Rakosnic, der von Beruf eigeutlich Gärtuer ist, führte uns dahin. Meine Erwartungen waren hochgespaunt, denn ich hatte die enthusiastischeu Schilderungen Rossmässler's im Kopf, der den Garten besuchte als er noch unter Leitung seines Grüuders , des edlen Carbouell, uud des frauzösischeu Gärtners Robillard staud. Leider wurde ich auch hier bitter enttäuscht. Wohl hatte Carbouell bei seinem Tode eiu ausreichendes Capital zur Unterhaltung des Gartens sicher gestellt, aber seine Nachfolger wareu nicht immer die geeigneten Leute gewesen. In Spanien eutscheidet bei Besetzung einer Stelle eben viel weniger Fähigkeit, als Protection uud politische Stellung. Fiemde lässt mau so leicht nicht zu einem Amte zu, aber jeder Spanier gilt für jedes Amt als geeignet, wenn er nur hübsche feine Maniereu hat und sich einflussreichen Leuten angenehm machen kann. So hatte man auch dem botanischen Garten verschiedene Directoren gegeben, die von Botanik auch nicht die leiseste xAhnung hatten. Man hatte die schönsteu und seltensten Exemplare zum Theil verkauft, zum Theil einfach umgehauen, um eine neue Eintheilung der Beete durchzuführen. Der jetzige Director, Don Jose Arevalo- Baca, ist zwar Botaniker und hat eiu reges Interesse für den Garten, aber er widmet leider seine ganze Sorgfalt den Treib- häusern, uud darin kann der Spanier nichts leisten, denn es geht ihm die nöthige Aufmerksamkeit und Gewisf.euhaftigkeit ab. Die Freilandpflanzeu. in denen hier Wuiideibares geleistet werden künute, werden veruachlässigt; doch hat sich immerhin bei dem herrlichen Klima noch manches Gute aus früheren Zeiten erhalten: eine Yticca fdamentosa mit fast raeterdickem Stauiui, eine gerade — 1 23 — mit reifem Sameu bedeckte Latania borbonica, eine schöne, viel- leicht neue Sabal, prachtvolle Podocarpus, zahlreiche wunderschöne Nadelhölzer u. dergl. mehr ; die schöne Bougainvillia speciosa be- deckte hier eine Wand im Treibhaus, in Palermo und später auch in Oran sah ich sie im Freien und halbwild. Der zweite Tag iu Valencia galt dem Albufera-See und der hochinteressanten Dehesa, einer schmalen Dünenreihe, welche den See vom Meere trennt. Man macht diese Excursion am bequem- sten, indem man mit der Eisenbahn bis zur Station Silla fährt und sich dann in einem Boote über den See nach den Dünen führen lässt. Wir zogen es indess vor, uns durch eine der Tar- taneu, welche hier die Droschken ersetzen, nach dem unmittelbar vor der Dehesa gelegenen Fischerdorf Albufera bringen zulassen; ich dachte auf diesem Wege die Vegd genauer kennen zu lernen. Leider führt aber der Weg nur durch die niederen, am wenigsten schönen Tbeile der fruchtbaren Ebene. Nur im Anfang sieht man noch Bäume und üppige Gärten, dann folgen ausgedehnte Waizen- felder; mit dem Dorfe Ruzafa beginnt aber das nichts weniger als schöne Gebiet der Reisfelder. Soweit das Auge reicht sieht man das Feld in viereckige Beete getheilt, welche durch Dämme geschieden werden; auf dem Damme verläuft ein kleiner Kanal, durch den das Feld nach Belieben unter Wasser gesetzt werden kann. Im Sommer sind alle diese Felder mit üppig grünem Reis bedeckt, jetzt war es aber noch zu früh zur Reiskultur, der graue Schlamm der Beete war meistens mit einem Teppich von abgestorbenen Algen bedeckt, aus welchem die vorjährigen Stoppeln herausragten, und ich kann gerade nicht sagen, dass der Geruch unseren Nasen sonderlich angenehm erschienen wäre. Noch waren die Gräben wasserleer und an vielen Punkten war man beschäftigt, sie vom Schlamm zu reinigen und wieder auf das alte Niveau zu bringen. Hier und da fing man indess schon au, Beete zur Aussaat vorzubereiten ; man hatte Wasser hineingelassen und dadurch den Schlamm er- weicht und ackerte nun iu dem Schlamm herum. Uebermässig reinlich kann die Arbeit nicht genannt werden, noch weniger das nach der Aussaat folgende Zueggen oder richtiger Zuschleifen der geackerten Furchen. Ross und Mann waren von einer dicken Lehmkruste überzogen. Die Gegend mag, wie überall wo man Reis baut, nicht allzugesund sein ; im Sommer bedecken sieh die Reisfelder mit einem dichten Filz grüner Algen und hauchen — 124 — Fiebermiasmeu aus. Zum Glück ist aber die Ebeue von Valencia nach dem Meere hin offen und der Seewind reinigt die Luft. Die • Leute, die uns begegneten und die Arbeiter an den Gräben sahen durchaus nicht so abgemergelt aus, wie in den italienischen Fieber- gegeuden, die ich gesehen; auch nimmt die Bevölkerung ziemlich rasch zu und stellt ein nicht unbeträchtliches Contingent zur Auswanderung nach Oran. Die Vega kann nämlich nicht ver- grössert werden, da alles bewässerbare Land schon seit Jahrhun- derten unter Kultur steht. Der Werth des Ackers ist darum sehr hoch, und die Güter sind meist so klein, dass nicht mehr getheilt werden kann. Die meisten Colouisten am Sig und in den Ebenen der Macta sind Huertanos (Vegabauern) von Valencia und Murcia, während die Arbeiter in den Halfadistricteu des Inneren fast sämmtlich aus der dürren, wüstenartigen Provinz Almeria stammen. Schlimmer als das Fieber ist in diesen Gegenden die Mücken- plage, gegen die sich die Bewohner kaum schützen können. Auch der Mangel an Trinkwasser ist recht empfindlich; Brunnen sind in der Vega nur ausnahmsweise vorhanden, man trinkt das Kanal- wasser, das man in grossen porösen Krügen sich absetzen und klären lässt. Die Dörfer bestehen aus zerstreuten Häusern mit spitzen schilfgedeckten Dächern, an deren Giebel meistens ein Kreuz prangt. Der Huertano von Valencia hält es für nöthig, sich bei jeder Gelegenheit als einen Christen von reinem und unvermischten Blute zu dokumentireu, denn seine Nachbarn streiten ihm das oft genug ab. In der That, wenn irgendwo noch viel maurisches Blut in spanischen Adern rollt, so ist es hier. Der Vegabauer in seiner dunklen Tracht .sieht dem Araber noch ähn- lich genug und lebt ziemlich genau in derselben Weise. In Oran in den Villages negres vor den Thoreu der grösseren Städte leben auch Spanier und Araber pele-mele; die Haushaltungen sind bei beiden ganz gleich, Menschen und Vieh leben in trauter Gemein- schaft in demselben Raum. Der einzige Unterschied besteht darin, dass mau in jedem spanischen Hause auch ein vierfüssiges Schwein findet, in den arabischen dagegen nicht. Ruzafa ist ein armes, von Reisbauern und Fischern bewohntes Dorf; die grossen Pläne, die man einmal mit ihm hatte, haben sich nicht realisirt. Man wollte nämlich aus diesem Dorf einen Hafen machen und hat einen Kanal vom Albufera bis hierher ge- graben, durch den die Seeschifi'e, die heute am Grao anlegen und - 125 — dort früher uur einen sehr unsicheren Ankergrnnd fanden, bis vor die Thore von Valencia gelangen sollten. Die ungenügende Tiefe des Sees und die Schwierigkeit der Einfahrt in denselben Hessen das Project nicht recht gedeihen, die Verbesserung des Hafens von Grao and die Anlage einer Eisenbahn und einer Trambahn zwischen Valencia und dem Hafen gaben ihm den Todesstoss. Heute dient der Kanal nur noch den Fischerbooten, von denen wir zahlreiche vor dem frischen Winde heimkehren sahen, reichbeladen mit den Bewohnern des fischreichen Sees. Der See ist königliche Domaine und die Jagd und Fischerei auf demselben verpachtet. Ein altes Herkommen aber gestattet den Bewohnern von Valencia, an zwei Tagen im November nach Herzenslust zu jageu und zu fischen. Es sind das Hauptfesttage, die leider selten ohue ernstliche Un- glücksfälle ablaufen. Schon hinter Ruzafa sahen wir in der Ferne den Kieferwald, welcher die Dünen bedeckt, es dauerte aber noch geraume Zeit, bis wir endlich das kleine Fischerdörfchen Albufera erreichten, welches unmittelbar am Beginn der Dehesa liegt. Hier hört der Fahrweg auf und wir kletterten aus der Tartane heraus, herzlich zufrieden nun ihren Stössen enthoben zu sein. Als ich unseren Tartanero bezahlen wollte, wurde ich leider mit einer nichts weniger als angenehmen spanischen Eigenthümlichkeit bekannt : er wies einen Duro (fünf Frauken), den ich ihm gab, als falsch zurück, und hatte leider Recht. Ich hatte beim Geldwechseln in Tarragona etwas unterlassen, was man in Spanien niemals unter- lassen darf, nämlich beim Wechseln Geld angenommen, ohne jedes einzelne Stück gründlich zu prüfen. Der Spanier thut das nie, auch seinem besten Freunde gegenüber nicht; kein Geschäftsmann nimmt eine Peseta (Franken), ohne sie erst auf einem Marmortisch klingen" zu lassen. Der Fremde genirt sich anfangs, das zu thun; die natürliche Folge ist, dass er Lehrgeld zahlen muss. Spanien und speciell Valencia ist die Heiraath der Falschmünzerei, und jeder, der irgendwie mit Fremden in Berührung kommt, ist darauf ein- gerichtet, ihm falsches Geld zuzuschieben. Es wird in Spanien ganz offen erzählt, dass die Cassierer an den Gassen grösserer Stationen sich in dieser Weise einen sehr hübschen Nebenverdienst schaffen. Kommt ein Fremder, um ein Billet zu lösen und zahlt den Betrag in Gold einfach auf das Schalterbrett, so nimmt der Cassier die Stücke und prüft sie hinter dem Schalter, dann gibt — 126 — er eius als falsch zurück. Zu beweisen, class er rasch die Stücke vertauscht, ist uumöglich, der Fremde geprellt. Landeskundige macheu es darum wie der Spanier und werfen jedes einzelne Stück so auf den Zahltisch, dass es kliugt, dann wagen die Herren so leicht keinen Betrug. Selbst bei Banquiers soll mau nicht immer sicher sein. Verschlimmert wird die Sache noch dadurch, dass die spanische Münze nicht sonderlich gut prägt, aber unbekümmert auch fehlerhafte Stücke zur Ausgabe briugt. Wir Hessen uns durch den falschen Duro die Laune nicht verderben. Vor uns breitete sich fast unabsehbar die blaue Fläche des Sees, von Fischerbooten belebt. Hinter ihr in blauer Ferne erhoben sich die phantastischen Formen der Sierra de Culler a. Nahe und am Rande des Sees dehnte sich unser Ziel aus, der prächtige Kieferwald, welche die Deliesa deckt; mit dem Brausen des Windes in den Wipfeln mischte sich der dumpfe Donner der Brandung. Das Wetter war prachtvoll ; die Sonne schien warm aber durchaus noch nicht unerträglich heiss. Eine sumpfige, zeitweise überschwemmte Strecke trennte uns noch vom See, zahl- reiche von Wasserpflanzen erfüllte Kanäle versprachen reiche Aus- beute an Wasserschnecken. Wir nähern uns ihnen; -da raschelt es vor unseren Füssen und eine grosse Natter stürzt sich in den Kanal, ein paar Schritte weiter eine zweite, uud so fort, als hätten sich alle Schlangen der Vega hier ein Rendezvous gegeben. Ich habe niemals eine ähnliche Menge Schlangen beisammen gesehen, wie hier am Albufera; die Gräben bieten ihnen sichere Verstecke und die zahllosen Frösche darin reichliche Nahrung. Natürlich sind sie vollkommen harmlos und wir kümmerten uns nicht weiter um sie. Die Valencianer wissen viel zu erzählen von ungeheuren Schlangen, die auf der Dehesa leben und gross genug sind um ein Kauinchen auf einmal zu vei-schlucken. Wir haben indess keine solche Ungeheuer gesehen und wie ich meinen Lesern, die ein günstiges Geschick einmal in das schöne Valencia führen sollte, zum Tröste mittheilen kann, auch im Museum von Valencia fehlen sie, können also getrost in das Bereich der Mythe verwiesen werden. Gefähi-licher als diese Schlangen können wohl die halb- wilden Stiere werden, welche ohne Aufsicht auf der Dehesa weiden; wir haben iudess keinen von ihnen zu Gesicht bekommen. Die Dünen selbst machen unter einem südlichen Himmel uud am Rande eines Süsswassersees durchaus nicht den trauriscen — 127 - ödeu Eindruck, wie etwa au der Nordsee oder au der Ostsee. Sie sind mit gut gedeihenden Kiefern bestanden und der Wald ist besser gepflegt, als sonst in Spanien üblich. Es scheint fast, als sähen die Valencianer doch ein, welche unendliche Wichtigkeit die Bewaldung der Dehesa für die Erhaltung ihres herrlichen Sees hat. Würde man die Bäume fällen, so würde der Flugsaud als- bald seine Wanderung wieder beginnen und in verhältnissmässig kurzer Zeit den See in einen Miasmen aushauchenden Sumpf ver- wandeln. Unter den Kiefern — ■ es ist die Strandkiefer, Pinus maritima, — ist üppiges Leben. Die Zwergpalme [Chamaerops humilis) entfaltet sich hier in einer Pracht, wie ich sie nie wieder gesehen ; statt der mageren Fächer, die sie sonst an den dürren Kalkfelsen treibt, breitete sie hier üppig grüne, fettglänzende Blätter aus, wie die bekannte Lafania borboiiica, so dass wir uns staunend fragten, ob das wirklich noch dieselbe Pflanze sei. Hier und da hatte sie sogar, ihrem Namen zum Trotz, einen Stamm von mehreren Fuss Höhe entwickelt, was sie nur ausnahmsweise und meistens nur in Folge sorgsamer Pflege thut. Daneben standen prachtvolle Büsche eines Solanum^ reich mit gelben Aepfeln be- deckt, ein schönes Ildianthemiim^ dessen weisse Blumenblätter an der Basis einen lebhaft orangerothen Fleck tragen, ein Hie- raciinn und unsere Sandimmortelle {Helichrysum arenarium). Zwischen den Pflanzen aber tummelten sich unzählige Eidechsen, grosse Heuschrecken und alles mögliche Insectenvolk. Von Menschen war keine Spur zu sehen, nur auf dem See, dessen blauer Spiegel allenthalben durch die Bäume hinein leuchtete, glänzten die weissen Segel einiger Fischerboote. Meine Specialliebhaberei fand hier auch reiche Befriedigung. In Millionen lagen die leeren Schalen zahlreicher Schnecken auf dem Sande herum, meistens der Gruppe Xerophila angehörend, weisse kalkige Arten mit braunen Binden, wie sie für die üferländer des Mittelmeeres charakteristisch sind. Die lebenden Exemplare sassen an den Pflanzen, fest an- gekettet durch verhärteten Schleim, so dass man sie kaum ab- brechen konnte, ohne sie zu beschädigen. Es ist dies die Art und Weise, wie diese Schnecken sich gegen die Sonnengluth schützen ; sie hängen den ganzen Sommer über fest und unbeweglich bis die ersten Regen im Herbst sie wecken. Tief in den Büschen der Zwergpalme verborgen sass einzeln der prächtige grosse Helix punctata, auch eine Lieblingsspeise des Spaniers und auf den — 128 — Blättern selbst die zierliche Helix splendida, beide Arten meistens noch nicht ausgewachsen, da sie den Höhepunkt ihrer Entwicklung erst im Sommer erreichen. Die eigentlichen Sommerschueckeu, die Untergattung Fruiicicola, waren noch gar nicht vertreten. Der Einfluss der Jahreszeiten macht sich eben auch in diesen südlichen Breiten, wo es keinen Winter in unserem Sinne mehr gibt, deut- lich fühlbar, er wirkt aber auf verschiedene Thierklassen in ver- schiedener Weise. Die einen verträumen den Sommer in halb- erstarrtem Zustande, die anderen den Winter, noch andere sterben im Herbst ab, nachdem sie ihre Eier abgelegt und erst im Vor- sommer erscheinen wieder die Jungen. Für den sammelnden Naturforscher sind das Verhältnisse von grösster Wichtigkeit, und von ihrer Berücksichtigung hängt seine Ausbeute ab. Reich beladen wandten wir uns aus dem Walde dem Ufer des Sees zu. Der Albufera hat nach dieser Seite hin in Folge des hinein gewehten Sandes nur eine sehr geringe Tiefe und sein Gestade zeigt nichts von dem üppigen Pflanzenwuchs, welcher es auf der gegenüberliegenden Seite bei Silla umsäumt. Damit fehlen auch die Sumpfvögel, welche das Röhricht massenhaft bevölkern ; nur hier und da lauert ein einsamer Reiher, der auf der Dehesa horstet, auf seine Beute. Trotzdem fehlt es nicht an Leben im Wasser. Allenthalben im Sande kroch die interessante Melanopsis Dufourei, mit ihrem schweren Gehäuse Furchen im Sande ziehend, wie unsere Flussmuscheln. Es ist das eine der Formen, welche auf die wärmste Mittelmeerregion beschränkt sind. Die ganze Gat- tung im engeren Sinne findet sich auf europäischem Boden nur in Südspanien, in Griechenland und an einer isolirten Stelle in den toscanischen Maremnen, sonst nur in Nordafrika und Vorderasien, und seltsamer Weise wieder in ganz ähnlichen Formen bei den Antipoden, in dem fernen Neucaledonien. In Spanien selbst be- ginnt ihr Gebiet erst mit der Vega von Valencia, bei Castillon de la Plana ; hier aber bevölkern die Melanopsis in unzähligen Wandelformen alle Wasserläufe und Quellen. Ebenso zahlreich sind sie in Andalusien, dem Flussgebiet des Guadalquivir und des Guadiana, im Innern von Spanien sucht man sie dagegen ver- geblich. Nirgends aber findet man sie in ähnlich schönen Exem- plaren, wie im Albufera, wo sie 1^2" Länge überschreiten. Mit ihnen zusammen kamen zahlreiche andere Wasserschnecken und auch ein paar Muscheln vor, doch sind erstere meistens Arten, — 120 — die man auch bei uns findet. Es ist nämlich eine eigenthüniliclia Erscheinung, dass alle Süsswasserschneckenarten einen nngeraein grossen Verbreituugsbezirk haben. Die deutschen Arten finden wir nicht nur in Spanien nud Italien, sondern auch in Nordafrika und Vorderasien wieder, ja einige reichen durch Centralasieu bis in den Himalaya und nacli Japan, und nicht ganz wenige finden sich auch noch in Nordamerika. Landschnecken sind daofecfen meistens in ihrer Verbreitung begränzt, besonders im Süden; viele Arten sind auf ein Gebirg oder einen Berg, manche sogar auf einen einzelnen Fehen beschränkt. Nur die dicht am Wasser lebenden Bernsteinschnecken (Sitccinea) verhalten sich in ihrer Verbreitung wie Wasserschnecken. Ceber dem Sammeln war es drei Uhr geworden und Zeit zur Heimkehr. Wir hatten darauf gerechnet, ein Boot zur Fahrt nach Silla zu finden und wollten von dort aus die Bahn benutzen, aber »so weit er auch spähet und blicket«, es war kein Boot zu sehen und wir musston uns entschliessen, auf demselben Wes«, auf dem wir gekommen, auch wieder zurückzukehren, und zwar zu Fuss, denn an einen Wagen war in dem armen Fischerdorfe nicht zu denken. Nicht einmal Wein war dort zu haben und ohne Wein trauten wir uns doch das Kaualwasser nicht zu trinken. Erst nach dreistündigem Marsch durch die eintönigen endlosen Reisfelder fanden v,ir eine Tienda, ein Haus in dem Wein ver- kauft wurde und konnten unseren brennenden Durst löschen ; zu essen gab es aber auch da nichts und wir mussten den Hunuer mit nach Valencia ins Hotel nehmen. Am Abend kamen schwere Wolken herauf und am anderen Morgen regnete es tüchtig, iiegeuwetter hält aber hier nicht leicht lange an und schon am Mittag schien die Sonne wieder warm. Ich machte einen längereu Spaziergang durch die Vega, konnte aber deren gppriesene Schönheit nirgends finden. Gerade die Umgebung von Valencia ist eine zwar fruchtbare, aber ent- schieden langweilige Ebene; stundenweit sah ich nichts als Weizen und Pferdebohnen, und an dem Rande der Bewässerungsgräben Maulbeerbäume. Nur an den Banernhäusern, die landein von der Stadt aus immer sauber und mit Kalk blendend weiss angestrichen sind, standen auch Feigenbäume; Palmen sah man nur einzelne als Zierbäume; ihr Gebiet beginnt erst weiter südlich in den Steppenflächen der Provinz Alicante. Neben den Häusern ver- 9 — 130 - raisst der Deutsche Scheaneu und Stallungen; die braucht man hier nicht, denn das Getreide wird bei der Ernte gleich draussen auf dem Felde ausgedroscheu und das Vieh bleibt das ganze Jahr hindurch auf der Weide. Der Vegabauer hält überhaupt nur so viel Vieh, als er zur Bestellung seiner Felder braucht; in der Viehzucht kann er mit den Bewohnern der Hochebenen nicht con- cnrriren. Nur ein Nebengebäude findet sich bei jedem Hause, ein halbkugeliger , steinerner Backofen , in welchem sich jede Familie ihr Brot selbst backt; er steht stets isolirt, ein Stück vom Hause ab. üeberall waren die Landleute au der Arbeit und ich hatte Gelegenheit genug, die Art und Weise der Bestellung genau zu beobachten. Sie ist von der uusrigen dadurch grundverschieden, dass sie überall auf die Bewässerung gegründet ist. Jedes Feld ist darum von einem Damm umzogen und die Hauptaufgabe des Bebauers ist, das Niveau vollständig eben zu erhalten, damit das eintretende Wasser sich langsam und gleichmässig vertheilt und keinen Schaden thut. Die Grundlage dazu haben die Mauren gelegt, welche an das Bewässerungswesen A^on Nordafrika her gewöhnt waren ; von ihnen rührt auch das ausgezeichnete Kanal- sjstem her, welches die ganze Ebene durchzieht und jedes Stück Feld zu be- und entwässern gestattet. Nicht minder maurisch ist auch das einfache, aber strenge Recht, nach welchem alle Streitigkeiten über Bewässerung entschieden werden, und ebenfalls maurisch ist das Volksgericht, welches jeden Donnerstag unter dem Thore der Kathedrale zusammenkommt, um Streitigkeiten über das Wasser zu entscheiden. Für jede Acequia (Bewässerungs- graben) ist genau vorgeschrieben, wie weit ihr Eiugang sein darf, das Cementmauerwerk der Schleussen wird sorgsam im Stande ge- halten , aber die Reparaturen dürfen nur nuter Aufsicht der Wasseraufseher vorgenommen werden. Das uralte Herkommen regelt auch die Vertheiluug des Wassers; eine grosse Glocke auf dem unvollendeten Torre de Miguelete gibt das Zeichen, wann die Schleussen geöffnet oder geschlossen werden müssen. Man bewässert die Felder gewöhnlich zweimal, einmal bei der Ausstellung und ein zweites Mal unmittelbar vor der Blüthe. Geackert wird heute noch mit dem altrömischen Pflug. Derselbe besteht aus zwei Theilen : einer Gabeldeichsel für das Maulthier, welche nach hinten in eine Stange ausläuft, und einer steil auf- — 131 — steigenden Sterze; beide Theile treffen sich fast iu einem rechten Winkel und tragen da die festsitzende Schar; von einem Streich- brett ist keine Rede. Beim Hinausfahren schiebt man unter die Schar eine kleine Schleife. — So einfach dieser Pflug ist, so ge- nügt er doch in Verbindung mit der Bewässerung vollständig. Den geackerten Boden nivellirt mau mit einem Brette, das von dem Maulthier darüber geschleift wird, oder mit einem kasten- artigeu Instrument, welches die überflüssige Erde aufnimmt und am Rande des Feldes gleich zu einem Damm aufwirft. Dann säet man und lässt unmittelbar darauf das Wasser eintreten, bis es das ganze Feld einige Zoll hoch bedeckt. In Berührung mit dem Wasser zerfällt der Lehmboden, ans welchem die Arbeit unzähliger Generationen längst jedes Steinchen entfernt hat, in einen Brei, in welchem die Samenkörner sehr rasch und schnell keimen und sich sehr reich bestocken. Die Erträgnisse, unab- hängig von den atmosphärischen Niederschlägen , sind ungemein reich und die Vegabauern in Folge davon recht wohlhabend. Zum Glück hat sich hier noch ein freier Bauernstand erhalten, die unerlässliche Bedingung für das Gedeihen einer solchen Gegend. Die Stadt Valencia bietet keine sonderliche Merkwürdigkeiten. Weder die prachtvoll angelegte, aber unvollendete Fa9ade der Kathedrale noch der gewaltige, aber nur zu einem Drittel fertig gewordene Torre de Miguelete macheu in ihrem gegenwärtigen Zustande einen besonderen Eindruck. Um so interessanter ist das Volkstreiben iu den engen Gassen; die offenen Thüreu der Par- terrewohnungen gestatten auch, die Handwerker bei ihrer Arbeit zu beobachten, üeberall sitzen stickende Frauen und Mädchen vor den Thüreu ; mau sieht unter ihnen aufiallend viele Bloudiuen. Die Valencianer gelten übrigens in gauz Spanien für besonders falsch und hinterlistig und mehr als sonstwo muss der Fremde sich hier vor Betrug und Prellerei hüten. Um von Valencia nach Cartagena zu gelangen, hat mau drei Wege : zur See vom Grao aus mit den spauischen Dampfern, die in Alicante anlegen, zu Land mit der Diligence ebenfalls über Alicante und mit der Bahn auf dem grossen Umweg über Chin- chilla. Die Diligence führt durch die berühmten Palmenwälder von Elche und Orihuela, und mich hätte schon einmal gelüstet, diese einzige europäische Palmenoase zu sehen. Aber wir hatten schon zu viel Zeit auf der Reise verbracht und konnten keine — 132 — Woche mehr aii diese Tour wenden; auch wäre vmser Gepäck uns sehr lästig gewesen, denn in den spanischen Dih'genceu muss man für Uebergewicht ganz sündhaft bezahlen. Der Seeweg schien bei dein lieftig wehenden T.evante (Ostwind) nicht eben räthlich, wir mussteu also die Eisenbahn benutzen uud den grossen Umweg bis auf das castiliauische rlochplateau machen. Dazu hatten wir die ^Vahl zwischen zwei Zügen. Wir konnten entweder mit dem treno mixte (Bummelzng) von Valencia abfahren, dann trafen wir in Chinchilla ein«^n treno direlto, od^r wir konnteji es umgekehrt macheu, den treno diretto bis Chinchilla benutzen uud dann den treno mixte nehmen. So ist es in Spanien immer; directe durch- gehende Schnellzüge kennt man nur zwischen Madrid und Bayonne, man braucht darum von Valencia nach Cartagena unter allen Urasiändeu "20 Stunden und muss eine Nacht durchfahren. Um halb drei Uhr verliessen wir Valencia. Die Bahn führt an der gewaltigen steinernen Plaza de toros vorbei, dem Platz für die Stiergefe elite, der fünftausend Personen fasst, und dann durch die Vega , welche noch eine geraume Strecke weit eben so lang- weilig bleibt wie um Valencia. Erst hinter Silla treten mehr Bäume auf; wirklich schön wird aber die Gegend erst, wenn man die eigentliche Vega von Valeiicia verlässt uud über einen niederen, mit Oliven und Karruben beptianzten Rücken hii^über in das Gebiet des Rio Jucar '<;elauo:t. Da ist alles ein weiter blühender Oraugengarten, noch schöner al-; bei Burriana auf der anderen Seite, und so bleibt es auch noch geraume Zeit, nachdem die Bahn das Meer und die Ebene verlassen und sicli über Alcira landein gewandt hat. Au den Bahnhöfen sind des Feiertags — Maria Verkündigung — wegen viele Landleute im Sonntagsstaat versammelt; ihre Tracht bietet aber abgesehen von der bunten wollenen Manta der Männer nichts Auffallendes. Das weite Thal des Jucar bleibt ein von berauf^chendem Dufte erfüllter Orangen- garten bis wir das wunderbar gelegene Jätiva erreichen. Hier ist einer der schönsten Punkte Südspaniens. Aus den Oraugen- wäldern steigen schroffe Kalkfelseu auf; gekrönt von ausgedehnten ('astelleu, die früher für uueinuehmbar galten und darum häufig als Staatsgefängnisse dienten. Jativa hat im spanischen Erbfolgr- kriege treu zu Oesterreich gehalten ; die siegenden Bourbonen nahmen ihm seine Freiheiten und sogar seinen Namen; es musste den seines Siegers annehmen und hiess bis in die neueste Zeit 1 oo — i'J-^) — F-^au Felipe; erst die letzte Revolution gab ihm den alten arabischen Namen, den es im Volksmimde immer behalten, auch officiell wieder zurück. Hinter Jätiva verengt sich das Thal, die Bahn beginnt stark zu steigen, die Orangen verschwinden, Oelbänme und Karrubeu treten an ihre Stelle und zwischen sie hinein schieben sich auch öde Haiden mit Ciströschen überdeckt. Der Fluss nimmt den Charakter eines klaren Bergbaches au, so dass man unwillkürlich nach Forellen späht. Die Kuppen tragen überall Ruinen von Castellen aus der Zeit, v.'o die Castilianer den Mauren die blühenden Gefilde von Valencia zu entreissen suchten. Langsam ersteigt die Bahn den Rand der Hochebene und folgt ihm längere Zeit. Hier ist man gerade am Rande der Olivenregiou, die sich links endlos jiin erstreckt, während rechts sich die Hai Jen des Hochplateaus ausdehnen. ' Die Gegend vvird immer langweiligT und wir sind ganz zufrieden, als die Nacht sie mit mildem Schleier verhüllt. Gegen zehn Übr erreichen wir Chinchilla, den Knotenpunkt. Hier haben wir zwei Stunden Zr;it zum Ausruhen. Zum Glück sind die spanischen Bahnt.m von Fremden gebaut und verwaltet und die tragen auch Bedürfnissen Rechnung, an die der genüg- same Spanier nicht denken würde oder zu deren Befriedigung er zu knausetig ist. So hat auch Chinchilla nicht nur einen ge- räumigen Wartesaal, sondern auch ein gutes Buffet. liu Kamin brennt ein tüchtiges Feuer, denn hier oben (dieser Rand der Hoch- ebene liegt immerhin 700 Meter über dem Meere) hat der Frühling seinen Einzug noch nicht gehalten und es ist ganz empfindlich kühl. Bis hierher hatten wir, wie auf dem Fahrplane stand, einen treno diretto gehabt, also einen Schnellzug; er hatte sich etwas langsamer bewegt als unsere gewöhnlichen Züge und keine Station ohne Anhalt durchfahren. Nun war ich natürlich sehr gespannt auf den Bummelzug. Er machte seinem deutschen Namen Ehre; nicht nur dass er unendlich langsam fuhr, er hielt auch auf jeder kleinen Station zum Mindesten eine Viertelstunde, meistens ohne dass eine Person ein- oder ausgestiegen oder ein Colli verladen worden wäre. Wir waren sehr unbequem placirt; der ganze Zug führte nur zwei Coupees zweiter Classe, und diese, die ohnehin schon sehr unbecjuem waren, da sie durch eine Mittelthür zu- sammenhingen, mussten wir noch mit den Guardia civiles, den — 134 — Gensdarmen theileu, welche den Zug zu begleiten hatten. ludess Alles nimmt einmal ein Ende. In der Dämmerung durchfuhren wir noch eine trostlose Einöde mit nackten Thonschieferbergen, aber als die Sonne aufgiug, vergoldete sie die Palmen der üppigen Vega von Murcia, welche von dem Rio Segura bewässert, noch fruchtbarer ist, als die von Valencia, und schöner, weil sie enger von prachtvollen Sierren umzogen wird; die Gebirge von Valencia stehen zu weit entfernt, um noch wesentlich zum Landschaftsbilde beitragen zu können. Die Ebene von Murcia ist neuerdings mehrfach von verheeren- den üeberschwemmungen heimgesucht worden und wird es noch öfter werden. Mau hat nämlich in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts begonnen, die Wälder der Sierra de Segura, aus welcher der Fluss kommt, unbarmherzig abzuholzen ; hochstehende Personen, vorab der Gemahl der Königin Christine, hatten zu dem Zweck eine Actiengesellschaft gebildet und sollen viel Geld ver- dient habeu. Rossmaessler, der gerade damals in Murcia war, bemühte sich vergeblich, seiueu Freunden dort klar zu machen, was die Folge dieser unsinnigen Verwüstung sein müsse. Die Ereignisse haben ihm nur zu schnell recht gegeben ; jeder ausser- gewöhnlich starke Regen erzeugt nun verheerende üeberschwem- mungen, und im Sommer beginut der früher immer so wasser- reiche Segura schon nachzulassen und knapp zu werden. Abhülfe wird kaum zu schaffen sein, denn wo soll in Spanien Geld zur Wiederbewaldung der verwüsteten Berge herkommen, auch wenn die Regierung gegen alles Erwarten Einsicht genug habeu sollte, eine solche Wiederbewalduug auzustrebeu ? Murcia ist eine grosse und wohlhabende Stadt, aber von der Eisenbahn aus sieht man nur den Thurra der Kathedrale und einige schön angelegte Gärten vornehmer Murcianer"; die Stadt selbst bleibt unsichtbar und der Bahnhof präsentirt sich so un- vortheilhaft als möglich. Nicht einmal eine Tasse Kaffee konnten wir bekommen, dafür wurden uns riesige Blumensträusse zum Kauf angeboten, um meterlange Stäbe gewunden, eine Special- industrie der Stadt, sie waren spottbillig, wir hatten aber keine Verwendung dafür. Etwa eiue halbe Stunde hielten wir ohne erkennbaren Grund im Bahnhof, dann ging es langsam weiter auf die Berge zu, welche ringsum die Ebene einschliessen. Mit der Steigung schwand nicht nur die üppige, sondern bald jede — 135 — Vegetation, und eine Wüste umgab uns, wie man sie sich nicht schauerlicher denken kann. Nackte bleiche Thonfelder streckten sich weithin, fast ohne jede Spur von Grün, nur hier und da ein verkümmerter Baum und an den Bahnwärterhäuschen der fieber- verkündende Eucalyptus. So sieht unter dieser fast afrikanischen Sonne der Boden aus, wenn die Bewässerung fehlt; dicht daneben zeigt Murcias Vega, was er leisten kann, wenn das Wasser sich mit ihm verbündet. Eine eindringlichere Vorlesung über die Wichtigkeit des Wassers kann man sich nicht denken. — Langsam ersteigt der Zug die Höhe des Puerto de Cartagena, des Passes, welcher Murcia und Cartagena trennt ; dann geht es kaum schneller abwärts, anfangs auch noch durch eine Wüste, aber bald treten mehr Zeichen der Cultur auf. Erst Oelbäume, dann Landhäuser, bei denen die Radbrunuen nicht durch Maul- thiere, sondern durch Windmotoren neuester Construction getrie- ben werden, deuten auf die Nähe einer Stadt, in welcher fremder Einfluss prävalirt. Die Felder blieben allerdings im Vergleich zu der Vega von Murcia kümmerlich; freilich jene erhalten im üeberfluss das trübe, fast einen flüssigen Dünger darstellende Segurawasser, diese müssen sich mit sparsam zugemessenem Quell- wasser begnügen. Bei einer Biegung erscheint im Hintergrunde ganz plötzlich Cartagena, überragt von den auf unzugänglichen Höhen liegenden Forts, hinter ihm sein fast ringsum von Land umschlossener Hafen. Der Bahnhof liegt in einiger Entfernung von der Stadt, aber Cartagena ist eine civilisirte Stadt mit lebhaftem Fremdenverkehr, es besitzt Hotelomnibus, und mit einem derselben kamen wir rasch in das Hospedacio de Francisco Ramos, ein acht spanisches Wirthshaus, das uns ein Schweizer, den wir in Valencia kennen gelernt, empfohlen hatte. Wir hatten auch nicht zu bereuen, seiner Empfehlung gefolgt zu sein, denn die Verpflegung war gut, die Zimmer sauber und ohne Wanzen, was in spanischen Hotels durchaus nicht immer der Fall ist, und der Preis nicht zu hoch. In Cartagena endete vorläufig unsere Landreise ; von hier sollte uns der Messageriedampfer, welcher von Marseille nach Oran fährt, direct nach dem gegenüberliegenden Oran bringen, eine Fahrt, die bei günstigem Wetter nur 10 Stunden iu An- spruch nimmt. Der Dampfer sollte Freitag den ersten April — 136 — abgehen, wir hatten somit noch 5 Tage vor uns. um Cartagena und seine Umgebung grüudlieli kennen zu lernen. Es war mir das sehr angenehm, denn die Umgebung von Cartageua war in Bezno- auf Laudschnecken noch sehr wenig erforscht. Gerade die Fauna dieses Punktes aber war mir fur die Vergleichuug mit der des gegenüberliegenden Oran sehr wichtig, denn hier rinden sich hüben und drüben dieselben Arten, muss also in alten Zeiten einmal ein Landzusammeuhang stattgefunden haben und zwar ein direkter. Ueber Marocco uud Gibraltar können die uordafrika- uischen Arten nämlich nicht nach Cartagena gelaugt sein, denn sie fehlen in Marocco Avie in dem westlich von Cartagena gelege- nen Südspanien. Wir müssen also annehmen, dass die frühere Landverbindnng zw-ischen Nordafrika und Südspauieu mindestens bis zum Meridian vou Oran und Cartagena zurückgereicht hat. Die Umgebung- vou Cartagena ist freilich für den Natur- forscher nichts v/eniger als erfreulich anzusehen. Dürre ist ihr vorwiegender Charakterzug. Die Berge der Sierra de Cartagena sind allerdings prächtig gefoiTut und ihre Formen gelangen auch zur vollen Geltung, da sie sich ziemlich isolirt dicht am Meere erheben. Die Stadt selbst liegt wunderschön am Rande einer fast kreisrunden Meeresbucht, die nur durch einen schmalen Ein- gang mit dem Meere zusammenhängt. Zwei Molen schliessen den Eingang beinahe vollständig und schaiien einen Hafen, dem wenige in Europa gleich kommen. Die Stadt selbst gruppirt sich amphi- theatralisch im Hintergründe des Hafens, überragt von zwei Hügeln, welche mit verfallenen Festungswerken gekrönt sind. Die Haupt- .strasse längs des Meeres, Muralle del mar genannt, wo die meisten fremden Kaufleute und die Consule aller Nationen wohnen, macht einen sehr angenehmen Eindruck. Zu beiden Seiten der Einfahrt erheben sich spitze Hügel von 6 — 700' Höhe , steil abfallend und oben mit gut unterhaltenen Festungswerken gekrönt; hinter den südlichen steht noch ein höherer, oben tafelförmig abgestutz- ter Berg, der Roldau, während sich nordöstlich die Berge der Sierra de Cartagena anschliessen. Das Ganze würde ein reizendes Landschaftsbild bieten, wenn es nicht so entsetzlich dürr wäre. Aber Cartagena hat keinen Tropfen fliessenden Wassers; spärliche Quellen reichen durchaus nicht für den Bedarf an Trinkwasser aus, so dass man zu ausgedehnten Cisternenanlagen seine Zuflucht hat nehmen müssen, für Gartenanlagen und Pflanzen bleibt nichts — 137 — übrig uüd die Umgebung eatbehrt darum alles Grün. Nur in der Ebene westlich von der Stadt ermöglichen einige Brunnen mit schwachsalzigem Wasser die Anlage einiger kümmerlicher Felder und die Anpflanzung einiger Dattelpalmen. Die Berge starren völlig kahl empor und tragen nicht einmal das kärgliche Zwergpalmengestrüpp das mau sonst überall in den südspanischen Sierreu findet. Es war nicht immer so in dieser Gegend. Noch vor fünfzig Jahren waren alle diese Berge mit Strandkiefern bewachsen und in Folge davon die Quellen reicher und ausdauernd. Der Bergbau hat den Wald bis auf die letzte Spur vertilgt und jetzt dürfte keine noch so sorgsame Pflege mehr im Stande sein, auf den sonnendurchglühten Bergen einen neuen Wald zu schaffen. Bei unseren Excnrsionen fanden wir nur aa wenigen unzugäüglichen Stelleu einzelne Zwergpalmen und Haifabüsche (StijM ienacissima). Die Winterregen, welche in diesem Jahre reichlicher als sonst gefallen waren, hatten nicht vermocht, mehr hervorzurufeu, als hier und da eine Liiiacee, deren tief verborgene Knollen der Sonnenhitze trotzen können. Nur in einer tiefen schattigen Schlucht, durch welche wir bei einer Excursion von dem eineu Fort herabkletterten, zeigten sich einzelne Felsen mit einer prächtigen rankenden Ansfolochia überzogen. Cartagena ist einer der heissesten Punkte Südspaniens, im Sommer liegt die Luft schwer und glühend in dem geschlossenen Kessel; wer abkommen kann, entflieht. Epidemische Krankheiten sind deshalb auch häufig und treten nicht selten verheerend auf. Dennoch ist die Stadt ganz entschieden im Aufblühen begriöeu, dank ihrem trefTüchen Hafen und dem Mineralreichthum der umgebenden Berge. Schon die Carthager hatten, dadurch angelockt, hier ihre Carthago nova gegründet. Die Silberbergwerke der Umgegend lieferten Hannibal die Mittel zu seinem Zuge gegen Rom und waren wichtig bis in das Mittelalter hinein. Ueber den reichen Minen der neuen Welt wurden sie vergessen, und Cartagena blieb bis in die neueste Zeit hinein unbedeutend und verarmt. Seinen Wiederaufschwung hat es auch nicht den Silberbergv/erken zu verdanken. Es wird zwar auch jetzt noch ziemlich viel silberhaltiges Blei verhüttet und man sieht überall auf den Bergen die hohen Schornsteine der Bieihütten. Auch Zink wird noch gefordert, aber die Bedeutung der Stadt beruht — 138 — ausschliesslich auf den grossen Lageru phosphorfreier Eisen- und Manganerze, die man in den umliegenden Bergen fördert. Erst seit fremde Capitalisten sich mit der Ausbeutung dieser Erze beschäftigen, blüht die alte Carthagerstadt wieder auf. An dem Export sind auch Deutsche in hervorragender Weise betheiligt, in erster Linie Don Guilliermo Ehlers, ein Hamburger, welcher, selbst ein eifriger Naturforscher, uns sehr freundlich aufnahm und mit Gefälligkeiten überhäufte. Herr Ehlers hatte auch die Güte, da er durch Unwohlsein verhindert war, mir einen seiner Beamten zu einer Tour durch die Bergwerksdistricte mitzugeben, so dass ich mir ein Bild von dem eigenthümlichen Treiben in diesen Bergen machen konnte. Diese Tour wird wesentlich erleichtert durch eine schmal- spurige Eisenbahn, welche von Cartagena durch den Haupt- erzdistrict bis nach Herreria führt. Man fährt anfangs durch eine dürre, aber trotzdem sorgsam angebaute Ebene, dann biegt man in die Berge ein, welche sich längs der Küste hin erstrecken. In ungefähr einer halben Stunde erreicht man so la Union, den Mittelpunkt des Minendistrictes. Ein ameisenartiges Treiben umgibt den Bahnhof. Ueberall Hüttenwerke, Halden und steinbruchartige Tagebaue, aus denen das Erz gefördert wird. Ganze Züge von zweirädrigen Karren, jeder mit 3 — 4 Maulthieren bespannt und oft mit einem Esel an der Spitze, bringen das Erz zur Bahn ; dazwischen endlose Reihen von Eseln und Maulthieren, welche in Espartokörben die Erze von den unzugänglicheren Gruben herabbringen. Ein tiefer brauner Staub überdeckt Alles. In la Union erwartete mich eine Tartane, mit zwei Pferden bespannt, den einzigen, die ich in dem ganzen Districte zu sehen bekam. Ich bestieg dieselbe mit einem Aufseher, den mir Don Paco Bosch, der Director der Ehlers'schen Gruben, mit- gegeben. Der Kutscher nahm die Peitsche : »Arre, Caballos, arre Monarca, arre Cabrito,« mit dieser fortwährend wiederholten Aufforderung au die Pferde ging es hinaus in die dichte Staub- wolke, aus der nur undeutlich die Maulthiere und ihre Treiber heraussahen. Die Anzahl der in diesen Districten verwendeten bestias — Maulthiere und Esel — hat seit der Anlage fahrbarer Wege und schmalspuriger Bahnen, die jetzt zu allen Haupt- werken führen, abgenommeu, doch schätzt man ihre Anzahl immer noch auf 25,000. Wir fuhren nach dem grossen Braunstein- — 139 — werk la Manuelita zu, welches auf der anderen Seite der Sierra de Cartagena liegt. Auf der Höhe, welche man dort zu passiren hat, eröffnet sich ein freier Blick auf das Mar menor, eine Lagune nahe dem Meer, deren Wasser in Folge der Verdunstung einen viel höheren Salzgehalt hat, als das Mittelmeer, und auf den ebenen Theil der Provinz Murcia, welcher ziemlich angebaut und mit zahlreichen Dörfern überdeckt ist, aber trotzdem ziemlich kahl erscheint. Das Treiben blieb überall gleich rege, aber die Gegend auch gleich öde und für den Naturforscher hoffnungslos. Bei der Grube Preciosa Hess ich halten, um doch einen Versuch zum Sammeln zu machen. Ich stieg in die Sierren hinein und einen Berg hinauf; Pflanzen waren fast absolut nicht zu finden, von lebenden Thiereu nur hier und da eine Eidechse ; Insecten und Schnecken fehlten fast ganz. Auf der Höhe hatte ich eine prächtige Aussicht, aber so weit man sehen konnte, war alles kahl und öde. Kein Laut war zu hören, ausser dem monotonen Picken der Hämmer in den Bergwerken. Selbst hier auf dem steilen Kamm hatte man ein paar Schürfe augelegt, die aber nur einen rauhen, anscheinend nicht sehr gehaltreichen Braun- stein lieferten. Wohin ich am Abhang auch treten mochte, überall sah ich Spuren bergmännischer Thätigkeit ; kein Stein, der nicht schon einmal umgewälzt gewesen, keine Spalte, an deren Ausgang man nicht schon geschürft. Das Muttergestein ist hier ein fester, klingender Quarzit, der am Stahle Funken gibt, und das Erz liegt in unregelmässigen Stöcken und Nestern darin. Anderwärts sieht man Thonschiefer und in diesem finden sieh ausgedehntere Lager und Gänge. Leider wird der Bau immer noch vielfach als Raubbau betrieben ; mau wühlt so tief man kann, nimmt was eben erreichbar ist und lässt dann die Grube wieder einstürzen. Nur die grösseren, unter deutscher oder englischer Leitung stehenden Gruben werden regelmässig betrieben und nur diese haben Wasserhaltungsmaschinen, die einen regelrechten Tiefbau ermöglichen. Vielleicht trifft ein solcher Schacht mit der Zeit ja auch einmal auf eine ergiebige Quelle und heilt so die Wunde wieder, welche die unsinnige Waldverwüstuug geschlagen. Mit solchen Reflexionen kletterte ich durch eine kleine Rambla abwärts; da schreckt mich plötzlich ein Ruf auf. »La Mina, — 140 — Senor«, ruft mir ein kleiner Steiuklopfer zn, und rasch springe ich zurück und ducke mich hinter einen Felsen. Im nächsten Augenblick kracht es und Steinbrocken fliegen über mich weg. Das war mir deuu doch nicht so ganz augenehm. Ich kletterte schleunigst herunter, suchte meine Tartane wieder auf und liess mich nach der Bahn zurückbringen, iu naturwissenschaftlicher Beziehung wenig befriedigt von dem Miuendistrict. Die Stadt Cartagena bietet nur wenig Interessantes, den Hafen ausgenommen, au dessen Verbesserung eben energisch gearbeitet wird. Man hat einen ganzen Berg abgetragen, uiu den Hinter- grund des Hafens so weit auszufüllen, dass die grossen Dampfer sich dicht an den Quai legen können. Die Bahn ist bereits in ^^erbiudnng mit dem Hafen gebracht und iu Zukunft werden die erzbeladenen Waggons uumittelbar bis au die Schiffe gelangen und dort entladen werdeu können. Auch mit Baggermaschiuen wird tüchtig gearbeitet; eine Anzahl Alterthümer, welche bei dieser Gelegenheit gefunden worden sind, bewahrt Herr Ehlers auf. Von dem alten Carthago nova ist nichts übrig geblieben ; Vaudaleu. Araber und Spanier haben um die Wette zerstört. Die Stadt ist durch ihre Lage von Natur zu einer Festung bestimmt und würde uneinnehmbar sein, wenn die Festungswerke richtig unterhalten und mit modernen Geschützen bevv'affnet wären. Die Forts auf deu Höhen sind kaum angreifbar und liegen so hoch, dass Ge- schützfeuer von unten ihnen nichts anhaben kann; sie sind nur durch iu den Fels gehauene Serpentineu zugänglich, welche ihrem Feuer ausgesetzt siud ; eine Erstürmuug liegt ausser dem Bereich der Möglichkeit. Auch die Einfahrt iu deu Hafen dürfte kaum zu forciren sein, deuu die Schiffe müssten ein vernichteudes Kreuz- feuer passiren, das zum Theil ans einer Höhe von mehreren Hundert Fuss herabkoramt. Die Befestigungen nach der Seeseite hin scheinen auch gut unterhalten zu werden uud sind mit Hinter- ladern bewaffnet. Nach der Landseite dagegen wird die Stadt nur von einer einfachen Mauer vertheidigt, au welcher die im Bürgerkriege erlittenen Beschädigungen nur theilv/eise ausgebessert sind. Hier ist ein Angriff sehr leicht, denn der Augreifer würde durch die Stadt selbst gegeu das Feuer der Forts gedeckt. Aber freilich, ein Angriff von dieser Seite ist kaum zu erwarten, es sei denn in einem Bürgerkriege, und iu dem letzten solchen kam die Schwäche der Lanclseite der Regierung sehr zu Gute. — 1-il — Strassen und Plätze sind, wie in einer so alten Stadt natür- lich, eng nnd nnschöu, doch ziemlich sauber gehalten. Neuerdings scheint man auch ernstlich an ihre Verschönerung zu denken und hat, wo PS irgend anging, Dattelpalmen angepflanzt. Dieselben sind noch ganz jung, gedeihen aber gut ; sie sehen nur höchst eigenthümlich aus, da man, damit sie den Verkehr nicht hemmen, ihre Blätter zusammengebunden hat. Auch in der Urao-ecreud sieht man ziemlich viele Palmen und kann sogar den Geuuss haben, im Schatten einer nur aus Dattelpalmen bestehenden Allee spazieren zu gehn. Hier reift ja die r»attel auch besser, als in Algerien, wie denn ja überhaupt der Südrand ^'paniens heisser ist, als das dem kühlenden Nordwinde ausgesetzte Nordafrika. Ihre volle Güte erreicht sie freilich auch hier noch nicht, taugen ja doch nach der Ansicht des Arabers — gewiss des corapetentesten Beurtheilers — selbst die Datteln von Biskrah nur zum Viehfutter und erst in den Oasen der Beni Mzab und dem Sandmeere des Suf erreichen sie die volle Süsse. In Spanien pflanzt man darum die Palme meist nur als Zierbaum, an wärmeren Punkten wohl auch um der Blätter willen, welche am Domingo de los ramos, dem Palm- sonntage, die Hauptrolle spielen. Leider findet man die Bäume, welche zu diesem Zwecke dienen sollen, immer jämmerlich ent- stellt; man bindet die jüngeren Blätter zusammen und umwickelt sie mit Stroh, um das Licht abzuschhesseu ; sie bekommen dann eine gelbliche Färbung und werden theurer bezahlt, als die grünen. Nur in der Umgebung von Elche und Orihuela, zwischen Murcia und Alicante, wird die Palmenzucht im Grossen getrieben; hundert- tausende von Stämmen bilden dort einen vollkommenen Wald, eine Avahre Oase inmitten einer kahlen Salzsteppe, welche der Sahara in keiner Beziehung nachsteht. Ein schwacher Salz- gehalt ist der Palme nämlich durchaus nicht unangenehm, sie nimmt sogar mit brakischem Wasser vorlieb, wenn es nur nicht zu spärlich ist. Von Elche kommen auch die Datteln die man in Südspanien isst, und ich muss gestehen, sie sind durchaus nicht schlecht. Wir benutzten die fünf Tage unseres Aufenthaltes in der Stadt sehr fleissig und hatten auch alle Ursache, mit unserer Aus- beute zufrieden zu sein. So dürr die Berge auch aussahen, so waren sie doch durchaas nicht von Bewohnern eutblösst, die allerdings unter Steinen und in Felsenspalten Schutz vor der 142 — o-lüheuden Sonue suchten und darum nicht leicht zu finden waren. Besonders fanden wir eine erst von liossm äs s 1er hier entdeckte, iu den Sammlungen noch seltene Art {Helix carthaginiensis), welche auf diese Gegend beschränkt ist, ziemlich zahlreich. Um- sonst suchten wir aber einheimische Schnecken auf dem Markte; vor der Coucurrenz mit Orau und Murcia hatten die einheimischen Caracoleros das Selbstsammeln längst aufgegeben und waren zu Händlern mit importirter Waare geworden. Cartagena ist in mancher Beziehung noch kleinstädtisch ge- blieben, hier sorgt für die Sicherheit noch der nationale Sereno, welcher in den grösseren Städten längst dem Guardia civil, dem Constabler, hat weichen müssen, Sereno (heiter) heisst nämlich iu ganz Südspanien der Nachtwächter; diesen Biedermännern liegt die Pflicht ob, nicht nur die Stunde nebst dem obligaten Ave Maria auszurufen, sondern auch den Stadtbewohnern von Stunde zu Stunde den Stand des Wetters zu verkünden , und da in Südspanien der Himmel fast immer heiter ist, so zieht der nächt- liche Wächter umher und brüllt an jeder Ecke: Ave Maria, sono las once, cielo sereno (Gelobt seist du Maria ; elf Uhr ; der Himmel ist heiter), daher sein Name. Es ist das ja ganz amüsant, aber weun man im ersten Stock dicht an einer Ecke wohnt und der Sereno eine solche Stentorstimme besitzt, wie unserer in Cartagena, ist es doch um den Schlaf des Reisenden schlecht bestellt und man wünscht den guten Sereno zu allen Teufeln oder doch wenig- stens hinaus in die Sierra. Drittes Capitel. Oran. Die Mo'ise, der Messageriedampfer der uns nach Oran bringen sollte, war pünktlich angekommen und sollte präcis Mittags abgehen. Es war Freitag und obendrein der erste April, und das Wetter sah ganz darnach aus, als wolle es dem ominösen Datum Ehre machen. Eiu tüchtiger Südweststurm rüttelte an den Fenstern als wir uns bei Ehlers verabschiedeten, und selbst im Hafeu, dessen Wasser so leicht kein Wind iu Bewegung bringt, schwankten die kleinen Schiffe lustig herüber und hinüber. Nur unser Dampfer, ein grosses, neues Schiff, lag unbeweglich uud - 143 — das machte nus Mutli. Pünktlich gingen wir an Bord, aber der erste April sollte doch Recht behalten. Es wurde Mittag, der Dampfer lag noch ruhig, und Stunde auf Stunde verging, ohne dass Anstalten zur Abfahrt gemacht worden wären. Endlich er- fuhren wir, der Capitäu könne Abends doch nicht mehr in deu Hafen von Orau einlaufen und ziehe vor, in dem sicheren Hafen von Cartagena das Nachlassen des Sturmes abzuwarten, anstatt ein paar Stunden vor Orau zu kreuzen. Dagegen war nichts zu sagen; draussen sah es allerdings schauderhaft aus. An den Forts am Eingang des Hafens, deren Wälle doch mindestens 50 — 60' über dem Wasserspiegel liegen, schlug die Brandung bis fast zur Mauerzinne empor, und wenn eine Welle hinter dem Hafendamm hinjagte, sah es aus, als fahre eine Locomotive mit vollem Dampfe vorbei. Wir ergaben uns also in unser Schicksal. Meine Frau legte sich in ihre Koje, ich betrachtete mir die umliegenden kahlen Berge und das prächtige Panorama der Stadt und plauderte mit ein paar deutschen Bergingenieuren, die auch einen Ausflug nach Oran zu machen gedachten. Endlich um acht Uhr Abends wurden die Anker gelichtet und es ging hinaus in die wogende See. Der Sturm hatte nach- gelassen, aber die Wellen gingen noch sehr hoch. Trotzdem schwankte das gute Schiff nur wenig und zeigte keine Spur von dem entsetzlichen Rollen, das mau auf kleineren Schiffen bei ähn- lichem Wetter ausstehen muss. Nach ein paar Stunden wurde auch das Meer ruhiger und schliesslich bekamen auch die armen Seekranken etwas Ruhe. Als der Morgen graute, sahen wir an beiden Seiten vorspringende Landspitzen und im Hintergrunde die Montagua de St. Cruz mit dem alten Spanierfort, die Land- marke von Oran. Ich wusste nicht anders, als dass Orau selbst keinen Hafen habe und die Dampfer in dem etwa anderthalb Stunden entfernten Mers-el-Kebir anlaufen müssten. Zu meiner ansfeuehmeu ITeber- raschung liess aber unser Schiff die vorspringende Landzunge rechts liegen, und hielt direct auf die Häusermasse von Oran los, welche von grossen Militärgebäuden überragt, sich amphithea- tralisch am L^fer erhebt. Bald wurden auch zahlreiche Schiffe und vor ihnen ein gewaltiger Hafendamm sichtbar ; unser Dampfer umfuhr denselben und wir waren in dem Hafen von Oran. Der- selbe ist noch ganz neu, erst seit wenigen Jahren vollendet, und — \u - vollkommen künstlich, zwei Dämme schliesseu ein geränraiges Bassin ein, das für die grössten Schiffe tief genug ist. Unser Dampfer legte sich sogar unmittelbar an den Hafeudamra, so dass wir der Unannehmlichkeit des Landens mit Booten überhohen waren. Am Land sah es lustig genug aus. Braune und schwarze Burschen in zerlumpte einst weissgewesene Burnusse gehüllt, um den Kopf das weisse, mit der Kameelhaarschnur umwundene Tuch, warteten auf das Herablaspeii der Brücke und wollten mit wildem (jreschrei an Bord stürmen. Aber im Nu war ein Peleton Znaven da, und hielt strengste Ordnung; nur die Comniissionäre der Hotels duiiten an Bord, und wir konnten vollkommen un- belästigt das Land und die Douane erreichen. Dort beo-nügte man sich mit der einfachen Versicherung, dass unser Handgepäck — die Koffer Averden bei den Messageriedampfern erst später aus- gehändigt — nichts Zollpflichtiges enthalte; dann brachte uns eine Droschke nach dem Hotel de Commerce, das uns ein Eng- länder in Valencia, und zwar mit Recht, empfohlen hatte. Oran macht, wenn mau von dem Hafen herauf kommt, einen sehr günstigen Eindruck. Es liegt an dem steilen Abiall des Küstenlandes gegen das Meer hin, durch mehrere tiefe Ravinen gespalten und eigentlich vier verschiedene Städte bildend, welche mit den dazwischen liegenden Schluchten und noch unbebauten Flächen einen gewaltigen Raum bedecken. Am weitesten nach Westen, unmittelbar unter dem steilen Abhang des Monte Santo geschmiegt liegt die alte Spanierstadt, auch jetzt wieder vorwie- gend von Spaniern bewohnt. Es sind das natürlich lauter neue Einwanderer, denn als die Stadt im Jahre 1794 den Türken über- lassen wurde, zogen die sämmtlichen spanischen Ansiedler mit deri Truppen ab, und Mauren traten an ihre Stelle. Nur ein einziger Spanier, ein Uhrmacher seines Zeichens, konnte sich nicht ent- schliesseu, die Heimath zu verlassen, und die Türken Hessen ihn seines nützlichen Handwerkes wegen unbelästigt; als die Fran- zosen vierzig Jahre später die Stadt besetzten, fanden sie ihn munter und in guten Verhältnissen ; er war vierzig Jahre lang der einzige freie Christ in Algerien gewesen. Jenseits der Spanierstadt springt der Fuss des Monte Santo schroff ins Meer vor. Auf dem letzten Ausläufer liegt das Fort de la Moune oder Bordsch el Ihudi, das Judenfort, wie — 145 — es die Araber nennen. Letzterer Name soll daran erinnern, dass es ein Jude war, welcher diesen Schlüssel Orans an die Spanier verrieth, als im Jahre 1509 der Cardinal Ximenes die Stadt angrift'. Ein Thor bietet hier den einzigen Ausweg, den Eingang zu der in den Felsen gehauenen Strasse, welcher Oran mit Mers- el-Kebir verbindet. Dann steigt der Berg steil empor zu einer zweiten Terrasse, auf welcher das Port San Gregorio, jetzt das stärkste Werk Orans, liegt, und darüber erhebt sich fast uner- steiglich der Gipfel des Berges, von dem Plateau des Murdj ad j o, wie die ganze Bergmasse von rechtswegen heisst, durch eine tiefe Schlucht getrennt. Anf dem Gipfel aber hängt wie ein Adler- nest das alte Spanierfort Santa Cruz, so unzugänglich, dass man kaum begreift, wie Menschen auf den Gedanken kommen konnten, da oben ein solches kolossales Bauwerk zu errichten. Nur wenig darunter, durch Zickzackpfade den Gläubigen zugänglich, hat man eine Kapelle, der Notre Dame de la Garde geweiht, errichtet, einen ganz stattlichen Bau mit spitzem hochragendem Thurm. Fort und Kapelle, werden aber beherrscht von einem kleinen weissen Häuschen, das von dem Gipfel des eigentlichen Monte Santo oder Murdjadjo hcrabgläuzt. Es ist eine arabische Kubbah, oder wie die Franzosen das gewöhnlich nennen ein Marabout, dem grossen Sidi Abd-el-Kader el Djelali gewidmet, wie fast alle derartige Gebäude in Nordafrika. Ein scharfes Auge kann neben ihm den weissgekleideten Araber erkennen, der Tag und Nacht am Heiligthum Wache hält , und zahlreiche steile aber sehr betretene Pfade beweisen, dass der Araber seineu Heiligen fleissig besucht. Auf der anderen Seite wird die Spanierstadt, la Blauca, wie sie der Eingeborene nennt, von dem grossen Militärspital überragt, und an dieses schliesst sich die neue Franzosenstadt, das eigentliche Oran. Sie erhebt sich an den beiden Abhängen einer tiefen Ravine, in welcher die Quelle von Ras-el-Ai'n dem Meere zufliesst. Die Franzosen haben diese tiefe Schlucht in ihrer ganzen Länge überwölbt und auf dem Gewölbe steht die Haupt- strasse von Oran mit den bedeutendsten Läden, der Boulevard du Malakoff. Die arabischen Mühlen, welche an dem Bache lagen, hat man mit überwölbt ; sie sind heute noch im Betrieb und arbeiten tief unter dem Strassenpflaster. Am Ausgang der Schlucht hat man eine grosse Terrasse aufgeschüttet, von der aus man 10 — 146 — eiueu prächtigeu Blick auf das Meer geuiesst, und am Ostabliang dehneu sich die prächtigen Anlagen der Promenade de Letang, der Stolz von Oran, benannt nach dem General gleichen Nameus, der sie geschaffen. Ueber der Frauzosenstadt liegt das Chateau Neuf, das älteste augenblicklich noch im Stande gehaltene Fort, ein mächtiger Bau mit gewaltigen Rundthürmen, die Wohnung des Generalgouver- neurs, Dann folgt wieder eine Schlucht, der Ravin vert. An seinen Abhängen und auf ihn durchschneidenden Dämmen liegt Philippe ville, die dritte Abtheilung von Oran, und auf der Hochebene weiter hinaus folgt Kergueuta mit dem Bahnhof der Bahn nach Algier. Zwischen beiden ist noch ein ziemlich crrosser freier Raum, in welchem das Village negre, die Wohustätte der Ai'aber, seine einstöckigen Häuser ausbreitet. Ausser den genannten Stadttheilen umschliesst die Zinuen- jnauer von Oran noch die Vorstädte Saint Michel und Saint Antüiue. Alle diese zusammen haben über 60 000 Einwohner, aber der Raum würde mindestens für die dreifache Anzahl aus- reichen. Freilich ist Oran in einem solchen Aufschwünge be- griffen, dass diese Zahl vielleicht in nicht allzuferner Zeit erreicht werden dürfte, besonders wenn jetzt endlich einmal mit dem Bau der Bahn nach Tlemcen Ernst gemacht wird. Unser Hotel war keines ersten Ranges, und die Reinlichkeit hätte in manchen Punkten etwas grösser sein dürfen, indess darin ist man im Süden nicht so empfindlich und die Leute waren sehr freundlich, die Verpflegung ausgezeichnet und der Preis sehr billig. Wir blickten auf die Rue de Tenes, eine dem Malakoff parallel lautende nicht sehr breite, aber belebte Strasse, nach der andern Seite hatten wir eine prächtige Aussicht auf den Murd- jadjo und die Spauierstadt an seinem Fusse, Auf der Strasse war von früh bis spät ein äusserst reges und interessantes Treiben. Sobald der Tag graute, erschienen die Lumpensammler von Fach, mit kuustgeübter Hand die Kehrichthaufen durchstöbernd und alles Brauchbare mitnehmend. Mit neidischem Blick schauen ihnen zerlumpte Araberjungen und Mädchen zu, die zitternd vor Kälte an den Strassenecken ihre Zeit abwarten. Kaum haben die Chiffoniers ihre Körbe auf den Rücken gepackt, so stürzt diese zweite Serie von Sammlern hinzu und hält Nachlese, dabei wieder mit neidischem Auge beobachtet von einem Rudel halbverhungerter — 147 — Hunde, das uicbt immer geduldig abwartet, sondern mitunter mit vieler Energie den angehenden Lumpensammlern die Beute streitig macht. Endlich haben auch die Kinder ihre Arbeit beendigt und die Hunde können ungestört den Rest des Kehrichts nach Geniessbarem durchstöbern, bis die städtischen Abfuhrkompagnieu ihre Thätigkeit beginnen und die Strassen säubern. Arabische, spanische und französische Hausirer uud Händler durchziehen fortwährend mit gellenden, unverständlichen Rufen die Strassen. Am meisten fallen dem Fremden die Wasserträger auf, welche ihre an den Brunnen gefüllten Wasserfässehen in die Hänser bringen. Oran hat keinen Mangel au gutem Trinkwasser. Die Quelle von Ras-el-Ain allein ist mächtig genug, um die ganze Stadt zu versorgen und behält doch noch Wasser übrig, um die Mühlen unter dem Malakoff zu treiben. Dafür ist sie freilich auch die einzige Quelle auf viele Stunden in der Runde. Am ganzen Murdjadjo scheint keine zweite zu sein, denn man hat sogar nach dem zwei Stunden entfernten Mers-el -Kebir das Trinkwasser leiten müssen. Erst in neuerer Zeit ist es den Be- mühungen eines französischen Ingenieurs Noiseux gelungen, etwa 8 Kilometer oberhalb Oran eine zweite mächtige Quelle ausfindig zu machen, welche es ermöglicht hat, auch die höher gelegenen Theile der Stadt mit fliessendem Wasser zu versorgen. Die Wasserträger sind meistens Araber; auch die Versorgung der Stadt mit Kohlen und Holz ist fast ausschliesslich in den Händen von Arabern. Den Juden fällt der Handel mit alten Kleidern uud altem Eisen zu, die Spanier bringen frische Gemüse, Obst und — Schnecken zur Stadt; Caracoles und EspaSoles gehören nun einmal zusammen. Der Hausirhandel auf den Strassen hat übrigens sehr abgenommen, seit die geräumigen Markthallen, eine in der französischen und eine in der spanischen Stadt, eröffnet worden sind. In Oran war ich nicht allein mit meinen naturwissenschaft- lichen Bestrebungen. Der als Botaniker wie als Conchyliologe wohl bekannte Od on Debeaux war seit einem Jahre als Oberapotheker an das grosse Militärspital in Oran versetzt worden und machte mit der grössten Bereitwilligkeit den Führer bei unseren Excursionen in die nähere Umgebung von Oran. Tag für Tag kam er, sobald seine Dienststunde im Spital abgelaufen, mit seiner grossen Botanisirbüchse, uns im Hotel abzuholen und — 148 — dann gingen wir drei hinaus in die Umgegend, von einem reichen Fundorte zum anderen. Das Wetter war wunderbar schön, eigentlich zu schön, denn mit bauger Sehnsucht wartete man in der ganzen Provinz Oran auf einen durchgreifenden Regen. Die gewohnten Winterregen waren ausgeblieben, die Herbstsaaten waren schon verloren und die Frühlingssaat wollte nicht aufgehen oder stockte in der ersten Entwickelung. Leider wurde auch diese Hoffnung getäuscht, die Regen blieben aus, und wir werden später noch manchmal von den Folgen dieser abnormen Witterung zu sprechen haben. Die Temperatur war noch durchaus erträglich, selbst um Mittag und in der Sonne nicht zu heiss ; Abends und Morgens früh konnte mau, so lange wir in der Provinz Oran waren, immer noch recht gut seineu Ueberzieher brauchen. Man macht sich in der Beziehung in Deutschland meistens eine sehr falsche Vorstellung von den Ländern am Mittelmeer. Freunde von mir hatten sich unendlich gewundert, dass ich hauptsächlich warme Kleider mit nach dem Süden nahm; im März müsse es doch da schon sehr heiss sein. Ich hatte das schon mehr mitgemacht; in Italien wie in Spanien gilt es als Regel bei Arm und Reich, dass mau vor Juli nicht ohne ueberzieher oder Mantel geht, mag es Mittags auch noch' so warm sein. Es wird eben Abends immer noch sehr frisch und Erkältungen sind in diesen Kliraaten stets bedeuklich. April und Mai briogen immer noch kühle Tage, erst im Juli beginnt die eigentliche Gluthhitze, die dann freilich bis Ende October ununterbrochen anhält. Dann ist es für den Deutschen in diesen Klimaten nicht mehr geheuer; der Naturforscher kann dann aber auch höchstens noch im Hochgebirge etwas ausrichten, denn in der Ebene wie in den niedrigeren Gebirgen stirbt im eigent- lichen Sommer alles Leben ab. Freund Debeaux kam gleich am Tage unserer Ankunft, und da er für diesen Tag mit seinem Collegen vom Civilhospital, Herrn Fabrieux, ebenfalls einem Naturforscher, eine Excursion nach eiuer versteinerungsreichen Localität am Meeresstraude ver- abredet hatte, schlössen wir uns gleich an. Unser Weg führte zunächst durch die Promenade de Letang. Aus der steilen Böschung, welche vom Chateau Neuf nach dem Hafen hinabführt, hat man einen wunderbar üppigen Garten geschaffen, doppelt schön am Abend, denn schon um fünf Uhr — 149 — taucht (lie Sonne hinter den gegenüberliegenden Murdjadjo. Dann sitzt mau hier im kühlen Schatten, umgeben vom üppigsten Grün, vor sich die Stadt und den Hafen, in dem die Dampfer kommeu und gehen; man blickt hinaus auf das tiefblaue, sonnen- begläuzte Mittelmeer und kann nicht müde werden, die wechselnden Lichter zu bewundern, welche den gegenüberliegenden Berg und die Forts an seinem Abhänge umspielen. Es ist eine der schönsten uuter den vielen schönen Alamedas, die ich auf meinen Fahrten besucht, doppelt schön durch den sorgsam gepflegten üppigen Park, für den der Franzose nun einmal mehr Sinn hat, als der Spanier und der Italiener. Die Straudkiefer {Pinus halepensis) bildet den Hauptbestand am Abhang, dazwischen aber stehen die Typen der Mittelmeerflora, die Dattelpalme, die Agave und der Cactus, unter ihnen unsere Liebliugspflanzen, Geranien, Pelar- gonien und Heliotrop, hier alle in gewaltigen Büschen, denn kein Winter unterbricht ihre Vegetation. Eine blaublühende Crassulacee überwuchert den Boden und hängt weit über die Mauern herab, während Epheu und Winden, und hier und da die schöne Bougamvillia sjieciosa mit ihrer Blütheupracht ihr eutgegeu- kletteru. Die für die Spaziergänger uud Concerte bestimmte grosse Terrasse ist natürlich mit dem Baume bepflanzt, der als Schattenbaum seines Gleichen nicht hat, dem JBellasonihra {Phyto- lacca dioica). Durch seine üppige Blätterkrone dringt kein Sonnen- strahl und sein Wachsthum ist so reissend schnell, dass er schon in wenigen Jahren ein stattlicher Baum wird und in Alleen ein alljährliches sehr scharfes Zurückschneiden erfordert. Unzählige Sträucher von Japan, China und dem Cap, die mau bei uns noch im Treibhaus hegen muss, stehen hier im Freien, doch vermisste ich die Palmenmannigfaltigkeit der Concha d'oro von Palermo. Ausser der Dattelpalme uud der Zwergpalme, die unter dem Schutze des Gärtners auch zu einem respectablen Baume wird, sah ich nur einzelne Exemplare von Latania horhonica. — Die Orangen und Citrouen fehlten natürlich auch nicht ; ganz besonders gedieh hier der japanische Papiermaulbeerbaum (Brous- sonetia papyrifera) . Unser Götterbauni {Ailcmthus glandulosus) dagegen, den mau auch augepflanzt hatte, fand es hier ofFenbar zu warm und kümmerte; oben an den Abhängen des Monte Santo fand ich ihu später besser gedeihend. Durch ein schmales Pförtchen stiegen wir hinab in den tiefen — 150 — Ravin vert, der, mit einer üppigen Vegetation erfüllt, seinem Namen Ehre machte. Dann gingen wir an dem schmalen Saum zwischen dem brandenden Meere nnd dem ausgewaschenen Ufer hin, auf einem Pfade den bei einigermasseu lebhaftem Nordwind die Wellen überspülen und ungangbar macheu, Salsola uud Zwergpalmen bedeckten die steile Falaise (Abhang nach dem Meere hin.) Unter den Steinen hielten wir eine ziemlich reiche Ernte. Zum ersten Mal fand ich hier ein für Nord- afrikä charakteristisches Reptil , eine Eidechse von Fusslänge die auf den ersten Blick ganz wie eine Schlange aussieht, da sie mit ihren Beiuen dicht an den Leib gezogen regungslos daliegt; im nächsten Momente schiesst sie blitzschnell davon und kann' den harmlosen Sammler recht erschrecken. Auch Scorpioue und die hässlicheu rothen Tausendfüsse (Julus) waren unter den Steinen nicht selten. Erstere sind nugeraeiu trag; hebt mau einen Stein auf, so bleiben sie still neben ihrem Loch sitzen und begnügen sich, drohend den Schwanz in die Höhe zu krümmen; mit einer Pincette kann man sie ganz ruhig am Körperende fassen und in das Spiritusglas spediren. Mit den Tausendfüsseu muss man vor- sichtiger sein und sie unmittelbar hinter dem Kopf, und zwar ordentlich fest fassen; sie setzen sich energisch zur Wehr und biegen sich blitzschnell nach allen Richtungen. Ihr Biss ist zwar nicht tödlich, aber recht schmerzhaft, und verursacht wenn man die Wunde nicht gleich mit Salmiak auswäscht, langdauernde lästige Entzündungen und Ausschläge, bei denen Wochen lang immer neue eiternde Blasen kommen. Auch der gefürchtete Stich des Scorpions ist nicht tödlich, wenigstens der des gemeinen Scor- pions nicht; die grosse schwarze Art, die man aber fast nur in der Sahara beobachtet, gilt dagegen für »tres-mechant« und der Stich eines solchen 5—6" langen Burscheu soll nicht selten zum Tode führen. Ich will hier nur gleich erwähnen, dass giftige Schlangen in Nordafrika zwar vorkommen, aber ungemein selten sind. Im Sommer sollen sie auch um Oran dann und wann zu finden sein, ich habe mich in den Monaten April und Mai vergeblich bemüht, ein Exemplar aufzutreiben; auch die professionellen Schlangen- bändiger konnten mir kein Stück verschaffen. In der Sahara dagegen ist eine recht gefährliche Giftschlange, die Hornviper {Cerastes cornidus) nicht selten und gibt häufig zu Unglücksfällen - 151 — Veranlassimg. Mau erzählte mir hier und da auch von einer kleinen Giftschlange, welche dem Menschen nach dem Gesicht springe; ich konnte aber nichts Sicheres darüber erfahren und muss diese Schlange ebenso ins Reich der Fabel verweisen, wie die armsdicken Vipern, von denen man mir allen Ernstes in Oran sprach, oder die Riesenschlangen der Dehesa des Albufera. Zu meinem Erstannen fanden wir an dem Abhang hier und da die unverkennbaren Spuren eines sammelnden Naturforschers, umgedrehte Steine u. dgl. Nach einiger Zeit wurden wir auch unseres Collegen ansichtig; es war merkwürdiger Weise ein Sergeant von den Zuaven, der in seinen Musestunden Käfer und Schnecken nicht nur sammelte, sondern auch wirklich studirte. Herr Lemoine, so hiess er, war ein Nordfranzose von der bel- gischen Grenze, hatte eine tüchtige Schulbildung genossen und war dann in die Armee getreten, um auf Avancement zu dienen. Die Carriere schien aber seinen Wünschen nicht ganz zu entsprechen und er trug sich mit dem Gedanken, auszutreten und sich ganz dem Sammeln und Studiren zu widmen. Sein ganzes Auftreten war das eines gebildeten, feinsinnigen Mannes und hat mich von manchem Vorurtheil über den französischen Soldaten geheilt. Wir schlössen uns rasch aneinander und seine genaue Localkenntniss hat mir manchen Dienst geleistet. Leider Avurde er sofort beim Beginn der Unruhen nach Saida beordert. Vom Meeresufer stiegen wir durch eine Schlucht auf das Küstenplateau hinauf; es war eine ziemlich kahle, aber sorgsam angebaute Ebene; auch hier sah man den Krappfeldern gar sehr den Mangel der nöthigen Feuchtigkeit an. Die ganze nähere Umgebung von Oran hat keine Brunnen und muss ihr Trink- wasser von Oran beziehen. Wir schritten über die Ebene dem Dörfchen Gambetta zu. Hier befindet sich die Rennbahn, eine Einrichtung, welche man bei allen algerischen Städten findet. Jährlich mehrmals finden überall Wettrennen der Eingeborenen statt; uns war leider nicht vergönnt, einer derartigen Scene bei- zuwohnen, denn die während unseren Aufenthaltes ausbrechenden Unruhen Hessen die Abhaltung solcher aufregender Schauspiele, bei denen tausende von Arabern zusammenkommen, nicht räthlich erscheinen. Bei der dem Araber angeborenen Liebe für gute Pferde und Fantasias haben sich die Rennen als mächtige Beförderungs- mittel für die Pferdezucht erwiesen, vorzüglich seitdem man nicht — 152 — mehr alle Pferde zulässt, sondern den Nachweis edlen Blutes ver- lanfft. Früher war es den stolzen Scheikhs unter ihrer Würde, ihre Pferde mit ganz gemeinen Gäulen eoncurrireu zu lassen; jetzt fehlt so leicht keiner und wendet den letzten Douro au die Be- schaffung eines edlen Pferdes. Es war allerdings auch Zeit zu energischen Massregeln, denn die Pferdezucht war in Nordafrika sehr gesunken und die Rasse, Avenu auch noch in alleu Gliedern das edle arabische Blut zeigend, ziemlich degeuerirt. Die Franzosen haben edle Hengste ans Arabien kommen lassen und Kenner ver- sichern, dass die guten Folgen dieser Einführung heute schon deutlich erkennbar sind. Die französische Cavallerie bezieht jetzt schon einen beträchtlichen Theil ihrer Remonte für die leichteren Waffengattungen aus der Algerie. Gambetta ist eine neue Anlage, ein Dörfchen aus Cafes und Restaurants mit einigen Landhäusern gemischt, der Anbau der Umgebung lässt noch viel zu wünschen übrig. Bald hinter dem Dorfe hört er ganz auf und nur der Ssaf, die Zwergpalme, bedeckt auf Meilen hin den Boden. Näher nach Oran hin sieht man dagegen überall gutgepflegte Gärten, und in denselben ganze Felder mit Bananen bepflanzt. Die staubige Strasse, über welche wir den Rückweg nahmen, war sehr belebt, es war Sabbath und überall sah mau die eingeborenen Juden in ihrer reichen, gold- gestickten Maurentracht, grell abstechend von den zerlumpten, schmutzigen Araberu. Wir kamen an einer Bierbrauerei vorbei ; König Gambrinus hat überall in Afrika seine Anhänger und in jedem Städtchen findet man miudestens eine Brasserie, allerdings meist in Verbin- dung mit der Fabrikation von Limonade und Eau de Seltz. Hier stand angeschrieben : de la biere en Bock, en Canette et eu Moos. Bock, das kannte ich schon von Frankreich her, Canette konnte ich mir auch denken, aber Moos, was war das? Der gute Debeaux belehrte mich, es sei das ein englisches Wort und bedeute ein Glas, doppelt so gross, wie eine Canette. Da ging mir ein Licht auf und ich begrüsste freudigst das auf algerischem Boden hei- misch gewordene bayrische »Moasserl«. Verschiedene unserer Excursionen gelten dem die ganze Gegend beherrschenden Monte Santo oder Murdjadjo und den von ihm herniederziehenden Schluchten. Der Berg bildet eine isolirte Masse ohne Zusammenhang mit den Bergen des Innern, ganz in — 153 — derselben Weise, wie sich auf der anderen Seite des grossen Busens von Oran die Montagne des Lions, der Löwenberg erhebt. Beide Berge sehen von ferne fast wie Vulcane aus ; der Löweu- berg besonders hat eine ganz auflfallende Aehulichkeit mit dem Vesuv. Trotzdem sind sie nichts weniger als vulcanisch. Der Monte Santo besteht zum Theil aus Quarziten und Thouschiefern, die stellenweise denen des rheinischen Schiefergebirges auffallend ähnlich sind, zum Theil aus einem dolomitischen Kalk: um den Fuss lagern sich jüngere, schneeweisse Tertiärkalke, Der Berg stürzt nach dem Meere hin sehr steil ab ; die Küste bildet einen flachen Bogen, dessen beide Enden schroff und kühn ins Meer hinein vorspringen; auf dem einen Ende liegen die Forts von Oran, auf dem anderen die Festungswerke von Mers-el-Kebir ; nach dem Lande zu verläuft er sich laugsam in die mulden- förmige Ebene, welche den grossen Salzsee umschliesst. Als die Franzosen Besitz von Oran ergriffen, war der Mnrdjadjo natürlich vollkommen kahl und baumlos ; Bäume waren damals überhaupt im Gebiete der Stadt unbekannt. Nur bei dem heutigen Dorfe Valmy stand an einer der spärlichen Quellen ein uralter heilig gehaltener Feigenbaum, und dieser galt für so merkwürdig, dass die Franzosen dem dort errichteten Lager einfach den Namen Camp du Figuier beilegten. In der Nähe der Stadt hatte das Bedürfuiss der Küchenfeuerung längst jeden Busch mit Ausnahme des unausrottbaren Ssaf (Chamaerops) vertilgt. Die französische Regierung hat sich das grosse Verdienst erworben, die Wieder- bewaldung des Berges v.enigstens au seinem Abhänge nach der Stadt zu zu versuchen und zwar mit dem glücklichsten Erfolg. Heute bedeckt ein stattlicher Wald von Strandkiefern (Pinus halepensis) den grösseren Theil des Abhangs und bietet einen ganz prachtvollen Spaziergang. Gutangelegte Fusspfade leiten überall an den steilen Abhängen hin und gestatten hier und da ent- zückende Aussichten auf das blaue Meer und die lebensvolle Stadt, deren geschäftiges Treiben nur wie dumpfes Brausen heraufklingt. Hinter ihr sieht man sich eine weite Ebene ausdehnen, hier und da mit einem Colonistendorf, beherrscht vor dem gewaltigen Löwenberge, der von unserm Staudpunkte aus ganz dem Vesuv gleicht. Die Pfade leiten hinauf bis auf den Kamm. Dort steht der Wanderer wie geblendet. Unter ihm dehnt sich eine weite gelbe Mulde, mehrere Stunden breit und sich nach Westen hin - 154 — Dieeresähulich am Horizont verlierend. Ihre Mitte nimmt ein tiefblauer See ein, aber um ihn herumblitzt und funkelt es wie von hunderttausend Diamanten. Das ist die Sebcha von Miserghim, einer jener Salzseen, die für Nordafrika diesseits und jenseits des Atlas so charakteristisch sind. Die übrigen Sebchas liegen meistens in abgelegeneu Districten, die von Miserghim ist die einzige, welche näher der Küste und dem Touristeu bequem erreichbar ist. Man kann eine solche Sebcha eigentlich nicht einen Salzsee nennen, denn ein See ist sie nur im Winter, wenn es tüchtig gereguet hat: dann füllt sich das Becken bis zmia. Rande und bildet eine tiefblaue Wasserfläche, auf der es von Schwimmvögeln wimmelt. Mit den Zugvögehi des Nordens mischen sich dort Flamingo, Ibis und Löffelreiher. Im Sommer dagegen ver- schwindet das Wasser beinahe vollständig; eine von unzähligen Crystallen flimmernde Sal/decke überzieht einen unergründlichen Schlamm, in dem rettungslos versinkt, wer sich von den Furthen entfernt, welche den Seebodeu durchschneiden. In der Nähe ge- sehen, bietet der See dann ganz das wunderbare Bild, wie es ein deutscher Rauchfrost an einer Bergquelle schafft, Millionen von Crystallen, in denen sich das Sonnenlicht bricht. Jetzt im Früh- ling bot die Sebcha von Miserghim eine Mittelform zwischen beiden Extremen, einen blauen See, eingefasst von einem flimmern- den Rahmen. Etv/as al) vom See, wo Quellen aus dem Fusse des Murdjadjo herausbrechen und nach und nach den Salzgehalt aus dem Boden herausgewaschen haben, liegen ein paar blühende Colonistendörfer, welche Oran mit Gemüse und Obst versehen, sonst ist die ganze Ebene kahl und unfruchtbar. Die Mulde des Sees liegt ziemlich hoch über dem Mittelmeer und es würde sehr leicht sein, durch einen kurzen Canal den See mit dem westlich vorbeifliessenden Rio Salado, dem salzigen Fluss, in Verbindung zu setzen und trocken zu legen. In der That ist dieses Project schon mehrfach aufgetaucht, mau hat es aber immer wieder fallen lassen, denn was kann der Gewinn an Boden nützen, wenn man nicht hin- reichend Wasser hat um ihn auszusüssen und dauernd zu be- wässern? Oran hat noch Land genug, das die darauf ver- wandten Kosten besser lohnt, und ausserdem würde die Regierung durch Trockenlegung der Sebcha die ganz erhebliche Rente ver- lieren, welche das dort gewonnene Salz alljährlich bringt. — 155 — Der Rücken des Murdjadjo ist eine geräumige Hochebene; ein tiefer Einschnitt trennt sie von dem spitzen Gipfel, welcher das alte Spanierfort Santa Cruz trägt. Am steil abstürzenden Rande liegt das blendend weiss getünchte Häuschen, welches mau von Oran aus stets vor Augen hat, le Marabout, wie es die Franzosen, welche es mit den nationalen Eigenthümlichkeiten der Araber niemals so genau nehmen, nennen. Es ist eine Kapelle, eine Kubbah, wie die Araber sagen. Solche Kubbahs sieht man überall in Nordafrika, sie liegen stets auf weithin sicht- baren Punkten und tragen zum Landschaftsbilde nicht wenig bei. Sie sind entweder wirkliche Grabdenkmäler, erbaut da, wo irgend ein Heiliger des Islam begraben liegt, oder nur zu Ehren irgend eines der grossen Heiligen errichtet. Der moderne Islam hat un- zählige Heilige; jeder Irrsinnige wird für eine Art Heiligen ge- halten und es ist ein gar nicht uueiuträgliches Handwerk, den Heiligen zu spielen. Einem solchen ist alles erlaubt, nur das Waschen nicht; man erkennt ihn am Schmutze, je schmutziger, desto heiliger. Der Heilige tritt unbekümmert in ein Haus, wo gerade gegessen wird, langt mit seinen schmutzigen Fingern in die Schüssel und nimmt sich die besten Bissen ; das ist eine grosse Ehre für das Haus. Alles beugt sich vor ihm und bittet demüthig um seinen Segen. Selbst ein Verbrechen wird ihm nachgesehen, denn seine Seele ist ja bei Allah im Paradiese. Solche Heilige findet man fast in jedem Stamme ; sie thun auch sämmtlich Wunder, was bei dem gläubigen Sinne des Arabers keine Kunst ist. Ihr Ruf erstreckt sich aber nur selten über ihr Stammesgebiet hinaus. Stirbt einer, so errichtet man auf der Grabstelle einen Steinhaufen und steckt einen Stab mit einer grünen Fahne hinein; jeder Vorüberziehende wirft, um seine Verehrung zu bezeugen, einen neuen Stein auf den Haufen. Nur den berühmteren Heiligen errichtet man eine Kubbah, ein kleines fast würfelförmiges Häuschen mit einer kleinen Kuppel, wenn die Mittel ausreichen, wird auch ein Wächter angestellt, der die Kubbah behütet und in Ordnung hält. Gewöhnlich geschieht dies aber nicht, und wenn das Andenken an den Heiligen er- lischt, verfällt auch seine Kapelle. Anders ist es mit den Votivkapellen, die man einem grossen allgemein verehrten Heiligen errichtet. In Nordafrika sind drei Viertel derselben dem grossen Abd-el-Kader el Djilaui oder, wie — 156 — mau den Nameu auch geschriebeu findet, el Djelali errichtet. Es ist das einer der am weitest verehrten Heiligen ; begraben liegt er am Euphrat in Mesopotamien ; sein mit sieben Kuppeln geschmücktes Grab bei Bagdad ist das Ziel unzähliger Pilger- fahrten. Freilich ruht auch dort sein Leib nicht, denn nach der orthodoxen Legende ist Abd-el-Kader überhaupt nicht gestorben, sondern nur der Erde entrückt, von Eugelu getragen schwebt er in den Regionen zwischen dem dritten und vierten Himmel und erscheint, wenn einer seiner Anhänger in Noth ist und ihn ruft. Wo er erscheint, wird jedesmal eine Kapelle gebaut. Seine An- hänger bilden den vornehmsten und verbreitetsten unter den vier grossen Orden (Khuans) des Islam ; im Namen des Sidi Abd el Kader spricht jeder Bettler den Fremden um ein Almosen an. Das hat früher manchem armen Teufel eine Tracht Prügel ein- getragen, wenn er einen Franzosen mit seinem näselnden Tathiui ala üedsch Sidij Abd-el-Kader ansprach, denn die Franzosen kannten nur den Sultan Abd-el-Kader von Maskara und sahen in der Bitte einen Spott. Heute noch zieht kein Araber au einer Kubbah des grossen el Djelali vorbei, ohne seine Verehrung zu bezeugen. Auch die Kubbah auf dem Murdjadjo ist diesem Heiligen gewidmet. Ein weissbärtiger schneeweiss gekleideter Araber hält Tag und Nacht Wache am Grabe. Auch ihn nennen die Franzosen Marabout; von unseren Einsiedlern unterscheidet er sich dadurch, dass er auch eine Madame Marabout besitzt; ehe- loser Zustand ist dem Araber unbegreiflich und Mufti kann über- haupt nur ein Verheiratheter werden. Halbkreise von zusammen- gelesenen Steinen sind überall auf der Hochebene errichtet, um den Betern Schutz gegen die scharfe Luft zu gewähren. Die steilen Pfade, welche von der Stadt heraufführen, sind gut be- treten, besser als die, welche drüben an Santa Cruz zur Notre Dame de la Garde leiten. Die meisten Besucher sind allerdings Frauen und sie alle kommen in einer und derselben delicaten Angelegenheit. Ln Süden gilt Kinderlosigkeit nämlich für das grösste Unglück, viele Kinder und besonders Knaben für Gottes Segen; jeder rechte Heilige muss darum auch die Kraft haben, diesem Fluch abzuhelfen und den Segen zu verleihen. Sidi Abi el Kader gilt auch in dieser Hinsicht für besonders probat und Araberinnen, Maurinuen, selbst Jüdinnen wandern schaareuweise zu seinem Heiligthum und bitten um seine Fürsprache. — 157 — Früher führte auch der Weg von Orau nach Mers el Kebir an der Kubbah vorbei, da es unmöglich war, am Meeresabhang hin von einem Orte zum anderen zu gelangen. Es ist Nichts so charakteristisch für das türkische Regiment, wie der Umstand, dass man sich für die Verbindung einer Provinzialhauptstadt mit ihrem Hafen mit einem steilen Saumpfad begnügte, welcher über einen 500 Meter hohen Kamm hinüberführte. Es war ein Sonntag als wir den Murdjadjo zum ersten Male bestiegen. Ueberall in den Ravinen trafen wir Gruppen von Spaniern gelagert; mit Weib und Kind ziehen sie hinaus, eine Guitarre natürlich mit; an irgend einem hübschen Eckchen wird gelagert, ein Tanzplatz improvisirt und gejubelt und getanzt bis zum Abend. Getrunken wird dabei nicht, die südlichen Völker fühlen kein Bedürfniss, ihren Geist in dieser Weise aufzumuntern und anzuregen, die Töne der Guitarre genügen dem Spanier. Auch Franzosen sahen wir öfter, meistens auch Südländer; sie hatten statt der Guitarre eine Harmonika. Als wir herabstiegen, kehrten auch diese Gruppen wieder heim ; die Franzosen ver- suchten die Marseillaise anzustimmen, warfen sie aber fast aus- nahmslos um ; Chorgesaug und ganz besonders bei einer so schweren Melodie ist einmal nicht Sache der Franzosen. Einen Ausflug darf ich nicht unerwähnt lassen, den wir gleichfalls unter Leitung unseres Freundes Debeaux nach der so- genannten Batterie espagnole hinter dem Dörfchen Gambetta machten. Natürlich galt er auch wieder den Schnecken. Wir nahmen einen der kleinen Omnibus, welche von Place Kleber abfahrend die Verbindung vermitteln ; vom Dörfchen aus gingen wir dann über das mit Zwergpalmenbüschen bedeckte Plateau dem steil abfallenden Meeresufer zu. Hier hatten die Spanier früher eine nun längst verfallene Batterie, nach welcher man den Ort noch immer Batterie espagnole nennt. Hier wimmelte es von Schnecken; die Palmenbüsche waren stellenweise bedeckt mit einer kleinen weissen brauugebänderten Art [Helix oranensis Morel.), welche auf die Küste der Provinz Oran beschränkt ist ; mit ihr zusammen lebten noch ein paar verwandte Arten ; tief in den Blättern verborgen sass die Krone der algerischen Schnecken, die seltene Helix Lucasii Desh., mit ihrer tiefschwarz glänzenden Mündung, fast immer zwei Exemplare in einem Busch, aber nur sehr schwer zu finden. Beim Sammeln merken wir sehr bald, — 158 — (lass der Blattstiel der Zwergpalme mit Stacheln besetzt ist, aber das konnte imseru Sammeleifer durchaus nicht vermindern. Noch schlimmer ist der stachelige Goldregen {Cytisus spinosus)^ in dessen dichten Büschen einige verwandte Schneckenarten {Hei. punctata Müll, und Hei. Biipotetiana Forbes) ihr Quartier auf- geschlagen haben ; auch da giebts blutige Finger. Bequemer zu sammeln sind die kalkweisseu Arten der Gattung Leiicochroa (candidissima Drp. und cariosula Mich.), welche sich hier in ganz besonders schönen und grossen Exemplaren finden. Noch reicher aber wurde die Ausbeute, als wir auf einem steilen Pfade den Abhang hiuabklettern. Die Palmenbüsche sind in Folge der feuchten Meeresluft ganz wunderbar üppig, auf den breiten Blättern wimmeln zwei der schönsten Schneckeuarteu Afrikas, die auch auf die Provinz Orau beschränkt sind {hiero- glypliicula Mich, und alabastrites Mich.). Unten dehnt sich eine grasbewachsene Mulde aus, in welcher eine Anzahl Kühe weiden ; meerwärts erheben sich eine Reihe von Dünen. Im südlichen Clima bieten aber die Dünen nur ausnahmsweise das Bild der Oede und des Todes, wie im Norden ; meistens sind sie ziemlich reich bewachsen und von Mollusken und lusecten belebt. Auch hier war dies der Fall. Zahlreiche grosse Käfer der Familie Slaps versuchten umsonst, den steilen Sandabhaug zu erklimmen ; die Büsche wimmelten von Helix oranensis, und mitten im Sande blühte eine prachtvolle gelbe Orchidee {Orohanche lutea). In diesen Dünen soll auch eine kleine Giftschlange vorkommen {Vipera hrachyiiriis?)^ wir waren aber nicht so glücklich, eine zu finden. Reich beladen machten wir uns auf den Heimweg. Debeaux fiihrte uns an dem steilen, meist über hundert Fuss hohen Gestade hin. Dasselbe besteht aus Mergeln, über denen eine wasserführende Sandschicht liegt, welche wiederum von einer mächtigen Bank harter Sandsteine überlagert wird. Wind und Wetter haben die oberste Schicht unterwaschen; grosse Blöcke sind herabgestürzt in das ewig brandende Meer; was noch steht, ist wunderbar zer- nagt und zerfressen, einer gewaltigen Ruinenmauer ähnlich. Aus der Sandschicht darunter sickert überall Wasser; auf den feuchten Steinen wuchert das Venushaar {Adiantum capllhis veneris L.) in nie gesehener Ueppigkeit, dicke Polster bildend. Wo der Wasser- zufluss etwas stärker ist, steht eine riesige Binse, der Diss der Araber {Festuca arundinokles)., eine Pflanze, welche in Hunger- — 159 • — Zeiten als Nahruug dient und auch vielleicht noch einmal durch ihren Fasergehalt als Papiersurrogat vou Wichtigkeit wird. Da- neben bildet unser Wermuth ganze Dickichte und mehrere Com- positen schmückten den Abhang mit ihren Blumen. Hier und da sammelt sich das leicht salzige Wasser zu kleinen Lachen, an denen mau die Schafe tränkt; auch die Vögel benutzen diese Stelle häufig zum Trinket» wie zum Baden, finden sie ja doch auf Stuudeu im Umkreis keine andere Gelegenheit. Eben im April war der Abhang noch belebt; zahlreiche Zugvögel warten hier auf günstigen Wind , um nach Cartagena hinüberzufliegen. Fast täglich kamen grössere Trupps vou Schwalben in Oran an. trieben sich ein paar Stunden über der Stadt herum uud ver- schwanden dann wieder; es waren offenbar die Bewohner nörd- licherer Gegenden, denn unsere deutschen Schwalben waren jetzt ja schon längst wieder in ihrer Heimath angelangt. Unser Weg war nun vou den Schafen auf dem Gang zur Tränke ausgetreten worden ; er führte immer am steilen Hange hin, eine prachtvolle Aussicht bietend auf das blaue Meer und das gerade gegenüberliegende Oran. So gingen wir eine Stunde lang; stets wechselte die Scenerie ; manchmal hingen Blöcke drohend über unserem Haupt, ein paar Mal war auch der Pfad im W^iuter gerutscht und nicht gang unbedenklich, doch kamen wir glücklich hinüber. Endlich erreichten wir eine kleine Grotte, in welcher aus einem in den Felsen gesteckten Schilfrohr ein Strahl köstlichen Wassers rieselte. Es war ein prächtiges Plätz- chen, in einer Ecke gelegen, so dass man nichts sah, als das unendliche blaue Meer. Asche und Speisereste bewiesen aber, dass wir nicht die Ersteu seien, welche dieser Source de Gambetta einen Besuch abstatteten. In der That ist sie ein beliebter Verguügungs- punkt der jüdischen und spanischen Bewohner Oraus. welche hier häufig Picknicks abhalten. Der Franzose liebt dergleichen Yer- gnügungen weniger und sitzt lieber im Cafe. Ein bequemer in den- Felsen gehauener Weg führt hinauf auf die Hochebene uud erleichterte uns den Rückweg nach Gambetta. Auf ihm wimmelte es von einem schwarzen Käfer (Chrysomela), welcher auch oben häufig ist; die armen Bursche waren zweifellos den Abhang heruntergestürzt und bemühten sich nun vergeblich den steilen Fels zu erklettern. Natürlich vergassen wir über der Umgegend auch die Stadt - 160 — Oran uiclit. Ein paar Mal gingen wir Abends in die Cafes anf dem Malakoff, aber wenn wir erwartet hatten, dort ein reges Leben zu finden, wurden wir sehr enttäuscht; alle Cafes zeich- neten sich durch entsetzliche Leere aus ; nur hier und da sassen ein paar Stammgäste und spielten Karten oder Domino. Es war uns das wieder ein Beweis dafür, dass Oran mehr spanisch als französisch ist, der Spanier kennt das französische Cafeleben nicht und geht Abends lieber in eine Familie zur Tertulia. Am Tage dagegen war es iuteressant genug, im Plataneuschatten vor einem Cafe zu sitzen und dem bunten Treiben auf der Strasse zuzusehen. Elegante Droschken, meist leichte Korbwägelcheu mit eigenthüm- lichem, sonnenschirmartigem Verdeck fliegen durch die Strasse; Ordonnanzen in den verschiedensten Uniformen, Spahis (eingebo- rene Polizei) in rothen Mäuteln, auf arabisch gezäumten Schimmeln sitzend, sprengen auf und ab ; eingeborene Chefs im weissen Burnus kommen und gehen zu den ßerathungen des Provinziallaudtages, welche gerade eben stattfinden. Dazwischen das mannigfache Getreibe der Fussgänger. Die kleinen Stiefelwichser, meist Neger oder Halbblut, mustern mit Falkenaugen die Füsse der Gäste; wer nicht gauz blanke Schuhe hat, bekommt keine Ruhe gelassen, bis er sie einem der Bande zum Wichsen hinhält ; nur an mir gehen sie mit missbilligendem Blick vorüber, denn ich trage meine uaturfarbigen Catalonier. Juden ausTlemceu bieten grell- bunte Decken und Teppiche und die mannigfachen, Lederarbeiten von Tlemcen aus; unermüdlich halten sie dem Fremden ein Stück nach dem anderen vor; bietet man mehr als 20 ^/o ihrer Forde- rung, so schlagen sie schleunigst zu. Die Hausknechte der euro- päischen Geschäfte tragen Lasten vorbei ; sie sind im Anzüge schon halb hispanisirt: Hemd und weisse weite Kniehosen, darüber eine Tuchweste, um den Leib eine breite Schärpe; nur das mit der heihgen Schnur aus Kameeihaaren umwundene Kopftuch ist acht arabisch. Ab und zu stolzirt ein eingeborener Jude vorüber iu reicher Maurentracht, das Tuchjäckchen reich mit Gold gestickt und besonders die Aermelschlitze mit breiten Goldborten eingefasst, um den Leib eine prachtvolle Seideuschärpe, das Haupt mit einem schneeweissen Turban bedeckt, die Beine in feinen Strümpfeu, an den Füssen goldgestickte Pantoffeln, über den Anzug ein schleier- artig feiner Haik geschluugen. Mit einem Gemisch von Hass und Verachtung schaut ihm der arme Beduine nach, der in — 161 — scbmutzigem zerrissenem Burnus auf einer Bank im Schatten kauert; er mag wohl der Zeiten denken, wo er noch Herr war und kein Jude bei Todesstrafe wagen durfte, bunte Farben oder gar einen Turban zu tragen. Hier und da sieht man auch ein- mal einen maurischen Kaufmann aus Tlemcen oder auch aus Marocco, in dunkle Farben gekleidet, auch der Kopf mit einem dunklen Turban bedeckt, ohne die Kameelhaarschnur des Beduinen. Spanische Fuhrleute traus]jortiren Waaren vom Hafen in die Magazine und umgekehrt ; die Karren sind sämratlich nach dem spanischen Modell gebaut, die geschorenen Maulesel zu 5 — 7 vor einander gespannt, wie in Spanien. Rothhosige französische In- fanteristen, Zouaven in ihrer phantastischen Tracht mit schnee- weissem Turban , fein gekleidete Civilisten mit Damen in den neuesten pariser Roben vollenden tlas bunte Bild. Nur hier und da wird auch einmal eine Araberin sichtbar ; in ein weisses Lein- tuch gehüllt, das nur ein Auge frei lässt, schleicht sie gespenster- mässig über die Strasse, wohl nach dem Bade, das zu gewissen Stunden des Tages ausschliesslich für die Frauen reservirt ist und ihre Hauptunterhaltung bildet. Meist ist sie von einem kleinen Mädchen begleitet, das ein Kind auf dem Rücken und ein Bündel schmutziger Wäsche in der Hand trägt; das warme Wasser des Bades wird gleich auch zur Vornahme einer kleinen Wäsche benutzt. Sehr interessant ist ein Besuch im Villacre negre. Nachdem Oran französisch geworden war und der Handel sich zu heben begann, zogen sich die armen Laudaraber in Massen dahin, um Arbeit und Verdienst zu suchen ; sie lagerten auf den Strassen und Plätzen und beeinträchtigten schliesslich Verkehr und Sicher- heit so, dass die französische Regierung ihnen ein eignes Quartier zwischen der Stadt und Kergueuta anwies, wo sie sich anzusiedeln hatten. Dieses Eingeborenendorf hat nach und nach einen ziemlichen Umfang angenommen; die Zelte, aus denen es anfangs bestand, sind verschwunden und haben einstöckigen Häusern' Platz ge- macht, niederen Steinwürfeln mit platten Dächern, welche sich dicht aneinander schliessen, so dass man ganze Strassen entlang von einem auf das andere hinübertreten kann. Ausser Arabern und Negern wohnen hier auch arme eingeborene Juden und nicht wenige Spanier, welche sich trotz des beiderseitigen Fanatismus 11 — 162 — in Orau mit den Arabern ganz gut vertragen und häufig mit ihnen zusammenwohneu. Wir besuchten das Village negre unter Führung des Herrn Louis Levy, eines Trierers, welcher schon seit vierzig Jahren in Oran ansässig ist und zu den angesehensten Kaufleuten dort zählt. Wir waren durch Herrn Ehlers in Cartagena an ihn empfohlen und können ihm nicht dankbar genug sein für die Freundlichkeit, mit welcher er uns behandelte, und für die Umsicht, mit welcher er unsere Reisezwecke förderte. In dem Dorfe trafen wir reges Leben ; unser Führer war überall bekannt und die ehrerbietigst grüssenden Araber stritten sich darum, uus in ihre Häuser zu führen. Uns galt es natürlich hauptsächlich darum, die Handwerker bei der Arbeit zu sehen. In einem Hause waren zwei ältere Frauen beschäftigt, einen Haik zu weben. Haik bedeutet eigentlich nur ein Stück Zeug, dann aber auch das Tuch, in welches sich die Frauen hüllen und das auch die Männer mitunter über die tuchenen Kleider tragen. Man hätte sich zweitausend Jahre zurückversetzt glauben können, wenn mau diese Weberei ansah. Von einem Webstuhl war keine Rede ; zwischen zwei Balken waren die Fäden der Kette ausge- spannt und konnten durch eine höchst primitive Mechanik ge- wechselt werden ; für den Eiuschuss hatte mau aber kein Schiftchen, sondern der Faden wurde mit einer langen Nadel durchgesteckt und dann mit einem breiten, rechtwinklig gebogeneu Pinsel fest- gedrückt. Die Arbeit fördert natürlich nicht sonderlich; an einem Haik, den jeder deutsche Weber bequem in einem Tage fertigen würde, arbeiten zwei Frauen mindestens vierzehn Tage. Wunderbar ist nur, wie sie bei ihrem ursprünglichen Verfahren so feine, schleierartig durchsichtige Stoffe herstellen können. Der Preis ist natürlich entsprechend; für einen feinen, an den Rändern mit Seide durchschossenen Haik forderte man 50 Franken und Herr Levy versicherte uus, dass man ihn unter 30 Frauken nicht bekomme. Trotzdem ziehen die Eingeborenen die einheimischen Gewebe dem billigeren fremden Fabrikate vor. Wir gingen dann an verschiedenen Holzarbeitern vorüber, deren Werkstätten nichts besouderes boten, zu einem Dreher. Dieser arbeitete wie ein ächter Vierhänder; er drehte die Drehbank mit einer Art Fiedel- bogeu, mit dem einen Fuss hielt er das zu bearbeitende Holz, mit dem anderen den Meissel. Wir betrachteten seine Producte, sie Hessen an Sauberkeit nichts zu wünschen übrig und die Arbeit — 163 — fleckte ganz tüchtig. Schmiede und Schlosser arbeiteten ganz wie die unseren. Bei einem Bäcker wurden gerade die Oster- brode für die Israeliten gebacken ; zum Kneten gebrauchte man merkwürdigerweise nicht die Hand, sondern eine eben so einfache wie sinnreiche Maschinerie : man hatte in der Wand einen Hebel befestigt, nach Art der altmodischen Keltern, und mit diesem be- wegte man einen Stempel, welcher den auf einem Tisch ausge- breiteten Teig durcheinander arbeitete. Wir kamen auch am Bain maure, dem maurischen Badhause, vorbei; es war gerade die Stunde für die Frauen, wir Männer durften es also nicht betreten ; meine Frau dagegen fand bereit- willigsten Einlass, hielt es jedoch in der feuchtheissen Atmosphäre nicht lange aus. Dann gingen wir in ein arabisches Kaffeehaus oder richtiger Theehaus, denn in Oran macht sich schon der Einfluss Maroccos geltend, in welchem nur Thee getrunken wird und Kaffeetrinkeu fast für Sünde gilt. In unserem Cafe war es ganz leidlich sauber ; eine Anzahl Araber hockten auf Matten am Boden oder auf hühnerstallartigen ebenfalls mit Matten belegten Divans. Keiner rauchte ; der Araber des Maghreb (Westen) ist dem Tabakrauchen durchaus nicht so ergeben, wie sein Stammes- bruder im Osten oder gar der Türke ; lange türkische Pfeifen habe ich niemals gesehen ; hier und da rauchen junge Leute halbverstohlen eine Cigarette, und wenn man einen Araber mit der Wasserpfeife (Nargileh) sieht, ist es meistens ein Hadsch, ein Pilger, der sie auf der Pilgerfahrt im Osten kennen gelernt hat. Der Thee wurde uns nicht in den kleinen arabischen Tässchen servirt, sondern in Gläsern, wie in den französischen Cafes. Auch den Kaffee erhält man bei den arabischen Kafidschis nur noch ausnahmsweise in den einheimischen Tässchen und meist auf französische Weise zubereitet. Dem Cafe gegenüber war ein Brunnen ; um ihu hockten arabische Mädchen, geduldig wartend, bis die Reihe des Füllens an sie kommen würde ; alle sind im Gesicht bald am Kinn, bald auf der Stirn mit ibrem blauschwarzen Stammeskenuzeichen tätowirt, viele waren auch an den Armen in dieser Weise ver- schönert, alle trugen an Armen und Knöcheln mehrere Ringe, den unerlässlichen Schmuck der Araberin. Zahlreiche Kinder tummelten sich auf der Strasse umher, meistens nur mangelhaft oder auch gar nicht bekleidet und sehr schmutzig, aber sonst — 164 - gut aussehend uud mit lebendigen funkelnden Augen. Nacli den Erfahrungen, die ich in Italien und Spanien gemacht, war es mir gauz unendlich auffallend , dass wir durchaus nicht von Bettlern belästigt wurden. Die Franzosen halten in dieser Be- ziehung in den Städten strenge Ordnung, überall findet man an den Thoren antjeschrieben : La meudicite est iuterdite dans toute la province d'Oran. Auf dem Laude ist mau freilich weniger streng. Im Village negre benehmen sich die Leute überhaupt sehr civilisirt ; die Männer sprechen meistens, die Jungen sämmt- lich französisch und unter letzteren waren nicht wenige, die auch französisch lesen und schreiben konnten. Die Ecole franco-arabe wird in Oran selbst ziemlich fleissig besucht. Aus dem Araberdorf fuhren wir hinaus nach dem Bahnhof, um einen der wichtigsten Industriezweige der Provinz Oran kennen zu lernen. So fruchtbar nämlich die Provinz ist und so ausge- zeichnet der Ackerbau an den meisten Stellen rentirt, so dankt sie doch ihren überraschend schnellen Aufschwung in der neuesten Zeit nicht den Cerealien oder den Südfrüchten, sondern zwei Pflanzen, die man sonst als sehr lästige Unkräuter betrachtete, der Zwergpalme uud dem Haifagras. Die Zwergpalme {Chamaerops humilis L.), die man bei uns als beliebte Zierpflanze im Zimmer cultivirt, bedeckt überall am Mittelmeer den sich selbst überlassenen Boden, am meisten da, wo derselbe aus Kalk besteht. Die mit zottigen, einem groben Gewebe ähnlichen Blattstielresten umgebenen Stämme oder rich- tiger Rhizome widerstehen der grössten Dürre und selbst dem Feuer und nur durch sorgsames Ausgraben bis zur letzten Wur- zelfaser kann der Colonist seinen Acker vom Ssaf, wie der Araber die Zwergpalme nennt, reinigen. Sie ist sogar unempfindlich gegen den Zahn der Ziege, dieser schlimmsten Feindin der Vege- tation im Süden und schlägt, noch so oft abgenagt, immer wieder aus. Nur in schlechten Zeiten dienten ihre Beerenfrüchte und das Mark der Wurzelstämme den Arabern als Nahrung. Seit einigen Jahren hat man aber in den zerschlitzten Blättern ein ausgezeichnetes Polstermuteriiil gefunden, das unter dem Namen Crin vegetal als Surrogat für Rosshaar in den Handel kommt und dem Seegras in jeder Beziehung vorzuziehen ist. Wir be- suchten eine Fabrik dieses Artikels, welche mit einer Locomo- bile arbeitete. Zahlreiche Araber sind beständig beschäftigt, die — 165 — Zwergpalmenblätter in der Umgegend zu sammeln imd auf ihren Eseln in die Fabrik zu bringen ; man zahlt ihnen für den Doppel- centner 30 Sous (Rm. 1,20), und da sie keinerlei Auslagen haben, stehen sie sich dabei ganz gut. Die Zwergpalme kommt um Oran in solchen Massen vor und die Blätter wachsen so rasch nach, dass man uoch gar keine Abnahme bemerkt. Spanische Arbeite- rinnen packen in der Fabrik die Blätter in Bündel zusammen und reichen sie einem Arbeiter, welcher au einem feststehenden Messer die dornigen Stiele abschneidet uud dann die Blätter einem zweiten Arbeiter giebt, welcher sie auf der dampfgetrie- benen Maschine zerschlitzen lässt. Die Maschine gleicht dem Wolf unserer Kuustwollfabrikeu : ein mit Stacheln besetzter Cy- linder, gegen den die Blätter gedrückt werden. Diese Arbeit ist nicht ganz ungefährlich, die meisten der au der Maschine sitzenden Arbeiter hatten verstümmelte Finger. Die feiuen Fasern werden in der Sonne getrocknet und später iu dicke Taue gesponnen, die man in Ballen zusammenpresst und so in den Haudel bringt. In derselben Fabrik wurde auch Haifa für den Esport zurecht gemacht. Diese Pflanze, iu Europa mehr unter ihrem spanischen Namen Esparto bekannt, bedeckt überall in Südspanien uud Nord- afrika die ebenen, steppenartigen, wasserarmen Flächeu, auf denen sonst nichts gedeihen will. Sie wächst fast nach Art unserer Binsen iu einzelnen Büscheln, welche auf kleinen Erhöhungen stehen; die Halme sind rund, nur bei genauem Zusehen erkennt man, dass sie auf der Rückseite einen feiuen Spalt haben und somit zusammengerollte Blätter darstellen. Im Inneren von Al- gerien, namentlich auf der Hochterrasse jenseits Saida, bedeckt dieses Gras, dessen botanischer Name Stipa s. MacrocMoa icnacissima seine Haupteigeuschaft, die ungemeine Festigkeit, andeutet, ganze Quadratraeilen und bildet, wie die Franzosen sagen, einen Ocean de Haifa. Seine vielseitige Verwendbarkeit war den Alten bereits wohlbekannt und Südspanien trug von ihm den Namen Hispania spartiaria. Aus Esparto flochten die berühmten balearischen Schleu- derer ihre Wurfwaife, aus Esparto macht man in Südspanien noch heute unzählige Gegenstände, zu denen mau bei uns Weiden oder Stroh verwendet. Vor beiden Materialien hat das Esparto- gras den Vorzug der grösseren Haltbarkeit; man verwendet da- rum Espartokörbe zu manchen Zweckeu, welche bei uns starke Kisten erfordern, z. B. zum Transport von Steinen u. s. w. Auch - 166 — die Sandalen der Arbeiter werden aus diesem nützlichen Grase geflochten. Wichtigkeit für den Welthandel hat die Haifa aber erst erlaugt, als mau iu neuerer Zeit darauf aufmerksam wurde, dass die Fasern eiueu ausgezeichueten Stoff zur Papierbereituug abgeben, Tn «Oran war es besonders ein Engländer Helsingwood, dem mau die Hebuug der Ausfuhr nach England verdankt ; er war in Oran unter dem Namen le pere de l'Halfa, arabisch Bu Haifa, überall bekaunt; einer seiner frühesten und eifrigsten Mit- arbeiter war unser freundlicher Führer, Herr Levy. Zur Förde- runcf des Haifaexportes wurde die Compagnie Fraucaise-Algerienne durch Herrn Desbrousses mit grossem Capital, französischem und englischem, ins Leben gerufen ; die Regierung überliess ihr 700 000 Hectaren Land südlich von Saida auf der obersten Terrasse der Provinz zur Ausbeutung und die Compagnie erbaute zur Erleich- terung der Ausfuhr eine eigene Bahn von beinahe 200 Kilometer Lauge von dem fast verlassenen Hafen Arzew an der Bucht von Mostaganem bis in das Centrum der Halfafelder jenseits Saida, eine Bahn, welche für die Entwicklung der Provinz Oran von der grössteu Wichtigkeit geworden ist. Die Haifa wird jährlich zweimal geerntet, einmal im Früh- jahr, das zweitemal im Sommer — wenn man das Einsammeln einer wild wachsenden Pflanze überhaupt ernten nennen kann. Für die zweite Erute erwies sich die Verwendung französischer oder deutscher Arbeiter sehr bald als unthunlich; sie erlagen massenhaft den bösartigen Wechselfieberu und uoch häufiger der Ruhr, der Geissei des Europäers auf den Hochplateaus, wo extreme Temperaturen schnell wechseln und der glühend heisse Tag häufig von einer eisig kalten Nacht gefolgt wird. Arabische Arbeiter sind in diesen Gegenden auch nicht zu bekommen; man musste also Spanier anwerben, welche sich ausgezeichnet qualificirten. Besonders die Bewohner der Provinz von Alnieria kamen in Schaareu herüber; sie fanden hier das Clima ihrer wüstenartig dürren Provinz wieder, mit der Behandlung des Esparto waren sie ohnehin vertraut, und bald zählten sie nach vielen Tausenden. Fortwährend strömen neue nach, denn sobald der Spanier sich ein kleines Sümmchen verdient hat, kehrt er nach den tiefer liegenden Gegenden zurück, kauft sich ein Stück Land und wird zum Colonisten. Auf diese Weise ist die Bevölkerung von Oran binnen Kurzem um das Doppelte gestiegen ; zwei Drittel sind — 167 — Spanier, die zwar französische Bürger werden, aber zäh an Sprache und Sitte festhalten. Einsichtigen Franzosen ist das nicht unbe- denklich ; zwischen Franzosen und Spaniern ist seit uralten Zeiten ein Hass so giftig, wie er eben nur zwischen Verwandten sein kann ; sollte einmal, was ja nicht ausbleiben kann, das benach- barte Marocco in spanische Hände gelangen, so könnte das Vor- wiegen des spanischen Elementes in Oran zu ernstlichen Ver- wickelungen Anlass geben. Die später zu erwähnenden Unruhen in den Halfadistricten haben zwar unter den Spaniern einen panischen Schrecken erregt und über zwanzig Tausend zur Rück- kehr in die Heimath veranlasst; dort verfielen sie aber alsbald einer solchen Noth, dass sie so rasch als möglich wieder nach Oran hinübergingen und ihre Arbeit wieder aufnahmen. Die Haifa Avird in Oran nicht weiter bearbeitet; mau presst sie vermittelst starker Pressen in Ballen und schafft sie so nach England, wo die Hauptmasse in Papier verwandelt wird. Nur wenig geht nach Deutschland, etwas mehr nachOesterreich, v/o man die Halme als Durchzug in den Virginiacigarren, vulgo Ratten- schwänzen verwendet. Welche Wichtigkeit der Export für Oran hat, beweist der una vorliegende Bericht der Handelskammer daselbst. Nach demselben wurden in den Jahren 1874 — 1879 durchschnittlich jährlich über 60 Mill. Kilo Haifa ausgeführt, der Doppelcentner im Werth von 12 — 15 Frcs. Weniger constant ist die Ausfuhr des Crin vegetal, die zwischen 100 000 Kilo und einer Million schwankt ; die Nachfrage scheint mit der Mode zu wechseln ; der Preis ist nach der Güte äusserst verschieden , schwankt aber ungefähr in denselben Grenzen, wie für die Haifa. Beide Industrien stehen noch in den Anfängen und sind offenbar noch grosser Entwicklung fähig, — Ein dritter Faserstoff, der Diss, die oben erwähnte Binse, versprach auch eine Zeit lang eine bedeutende Rolle zu spielen; in 1874 wurden über 500 000 Kilo ausgeführt; das Material entsprach aber den Erwartungen nicht, das daraus bereitete Papier wurde fleckig und in den Ex- portlisten der späteren Jahre wird der Diss überhaupt nicht mehr aufgeführt. X: — 168 — Viertes Capitel. St. Denis du Sig. Mascara. Eiu zehntägiger Aufenthalt in Orau hatte genügt, um die Schnecken fauna der Umgebung von Oran ziemlich gründlich zu erforschen ; ja wir hatten sogar ein paar Arten aufgefunden , welche Freund Debeaux bis dahin entgangen waren. Nun hiess es nach dem Inneren aufbrechen. Seit das ganze Teil, d. h. das Laud diesseits des Atlas, dem Civilregiment übergeben worden, bedarf mau zu einer Reise daselbst keiner besonderen Erlaubniss mehr. Wir packten also am 11. April ohne weitere Umstände unseren Handkoffer und meinen Tornister, gaben das übrige Gepäck unserem freundlichen Wirthe in Verwahrung und fuhren nach dem Bahnhof. Derselbe liegt fast eine halbe Stuude vom Mittelpunkte der Stadt entfernt, unmittelbar an der Zinneumauer, zunächst der Vorstadt Kerguenta; ein Schienenstrang führt von dort in weitem Bogen an dem Dörfchen Gambetta vorbei nach dem Hafen hinunter, er wird aber nur zum Waarentransport benutzt. Für einen Personenbahnhof ist allerdings am Hafen kaum ge- nügend Platz; hat es ja doch schon kolossaler Sprengarbeiten bedurft, um nothdürftig Raum für die unentbehrlichsten Hafen- anlagen zu schaffen. Die Wagen der algerischen Eisenbahnen sind sehr bequem und den spanischen weit vorzuziehen ; erster Classe fahren darum hier nur die Leute, die ein Freibillet besitzen. Unser Zug war gut besetzt ; auch den Arabern gefällt die bequeme Beförderuugs- weise; sie kommen immer schon sehr zeitig, nehmen ihre Plätze ein und warten dort geduldig auf die Abfahrt. Zeit hat für den Araber noch keinen Werth. Die Wohlhabenderen gönnen sich mitunter sogar den Luxus zweiter Classe ; auch in unserem Coupe sass ein junger, sehr fein und sauber aussehender Ein- geborener, ein Häuptling, ein Chef, wie die Franzosen sagen. Ganz zuletzt kam noch, von zwei Uuterofficieren geführt, ein Trupp junger Leute, offenbar Recruten ; ich glaubte, sie gehörten zu der armee territoire, der Landwehr, deren Uebungen damals gerade begannen; als sie in St. Barbe ausstiegen, hörte ich sie zu meiner Ueberraschung deutsch sprechen und erfuhr von ihnen, dass sie sich zur Fremdenlegion hatten anwerben lassen und nun — 169 — Dach Sidi-bei-Abbes in das Standquartier ihrer Truppe gingen. Die Arbeitslosigkeit habe sie dazu gebracht, sagten sie mir; die armen Teufel waren munter und guter Dinge und hatten keine Ahnung von dem Schicksal, dem sie entgegengingen. Der Franzose behandelt nämlich den Fremdenlegionär mit der grössten Verachtung, nicht besser, wie einen Zuchthäusler; die Armee- leitung verwendet sie für gewöhnlich zu Strassenbauten und öffentlichen Arbeiten, und zwar mit Vorliebe in ungesunden Gegenden, um das kostbare französische Blut zu sparen. Die Fremdenlegion hat den Sumpf von Sidi-bei-Abbes ausgetrocknet und zu einem Garten umgeschail^en, in dem sich nun andere wohl sein lassen ; mit ihrem Blute und ihren Leichen hat sie den Boden gedüngt, der jetzt freilich eine Kornkammer bildet. Kommt es einmal zu einem Aufstand, so fällt der legion etraugere stets die schwerste Arbeit zu, und mancher der armen Burschen, die mit uns fuhren, mag nun schon bei Saida und weiter südlich zur ewigen Ruhe gebettet worden sein. — »0 Strassburg, o Strassburg«, so summte mir auf der ganzen Fahrt die weh- müthige Melodie des alten Liedes durch den Kopf; ich brauchte lange, bis der traurige Eindruck überwunden war. Die Bahn steigt rasch zur Höhe hinter Oran hinauf; die Gegend ist ziemlich bebaut, aber die Felder sehen in Folge der Dürre unsäglich traurig aus ; Bäume sieht man nur an den Stationen und den Bahnwärterhäuschen. Man durchfährt die Ebene der Sebcha an ihrem oberen Ende und berührt auch den Salzsee selbst; er glich mit seiner dünnen Salzkruste täuschend einem kothigen Weg nach einem starken Nachtfrost, nach Westen hin verliert sich die Ebene am Horizont. Im Sommer hat man hier oft Gelegenheit, die Fata Morgana zu bewundern, die Mirage, wie sie Franzosen und Spanier nennen. Die Luftspiegelung erfüllt dann die kahle Ebene mit dem üppigsten Grün, aus dem sich Prachtpaläste erheben, so wunderbar deutlich und körperlich, dass man sich kaum entschliessen kann, sie für eine Sinnestäuschung zu halten. Der Araber ist schnell mit einer Legende bei der Hand; die Mirage — Bahr el Afrid, das Wasser des Teufels nennt er sie — zeigt das Bild der Gegend, wie sie einmal war, ehe Allah sie zur Strafe für die Sünden ihrer Bewohner mit Unfruchtbarkeit schlug und zur Wüste machte. Jenseits der Ebene folgt Saint Barbe de Tlelat, wo sich die — 170 — Bahn nach Sedi-bel-Abbes abzweigt. Hier liefert eiue starke Quelle hinreichend Wasser, um die Umgebung in einen Garten zu verwandeln ; Orangen und Granatbäume umgeben den Bahn- hof, in einem kleinen Bassin trieben sich sogar Goldfische herum. Auch der Eucalyptus trat hier wieder auf, daneben der Pfeffer- baum (Schmus mollis), die neuholländische Casuarine mit ihren eigenthümlich nadeiartigen Blättern, und die Bellasombra {Phytolacca dioica). An die Heimath erinnerte die Acazie {Rohiuia pseiidacacia)^ welche man an den Bahndämmen gepflanzt hatte ; sie schien ganz gut zu gedeihen und war eben mit ihren weissen Blüthentrauben dicht bedeckt. Stellenweise hatte man auch Cypressen und einen stattlichen Wachholder(jMM(2;enekannt waren. Da die Entfernung beinahe drei Stunden betrug und eine gute Strasse hinführte, nahmen wir einen Wagen. Der Weg hält sich immer auf der Höhe und bietet nach der einen Seite hin einen prächtigen Blick auf die Ebene Eghriz, nach der anderen Seite hin aber öfihet sich bald eine tiefe wilde Schlucht, welche vom Meere aus bis nach Mascara eindringt und, obschon auch nur in — 185 — Schutt und Thon eingeschnitten, doch mitunter einen wildroman- tischen Anblick bietet; die Franzosen haben ihr den bezeichnenden Namen Creve - Coeur gegeben. Prächtige Weinberge ziehen die Strasse entlang, hier und da sieht man auch grpsse Strecken mit Feigenbäumen bepflanzt, die Hügel sind mit ganzen Wäldern von Mandelbäumen bedeckt, alle Anpflanzungen sind freilich noch jung und scheinen erst aus den letzten Jahren zu stammen. Weiter hinaus kommen auch Araberfelder, mit ihren Zwergpalmen und Meer- zwiebeln zwischen der Frucht eigenthümlich abstechend von den sorgsam gepflegten Feldern der Colonisten. Auch ein paar Duars lagen in der Nähe der Strasse: wo der Wind günstig war konnte man sie ganz deutlich riechen. Durch das Dorf fuhren ^vir rasch hindurch, einem flachen Rücken auf der anderen Seite zu, wo Tertiärschichten auftreten. Dort war der Boden noch sich selbst überlassen, die Zwergpalme, der Diss, Dent du chieu und die busch- artige Eiche mit essbaren Früchten (Quercus hallota) bildeten den für Nordafrika charakteristischen Buschwald. Hier fanden wir, was wir suchten, an den Büschen klebte Helix Juilleti in ziem- licher Anzahl und wir sammelten tüchtig ein. Als wir so in den Büschen herumkrochen und gerade weit von Zeller getrennt waren, hörten wir auf einmal wildes Geschrei, ein paar Araber kamen durch den Wald auf uns los, die Fäuste drohend erhoben. So wäre es wenigstens Jemand vorgekommen, der die südUchen Völker noch nicht gekannt hätte. Ich Hess mich nicht einschüchtern und wartete die Leute ab, und siehe da, sie kamen in der friedlich- sten Absicht, und in den anscheinend drohend erhobenen Fäusten hatten sie Schnecken, welche sie uns anboten. Wären wir davon gelaufen und in das nahe Dorf geflüchtet, so hätten wir eine schöne Geschichte erzählen können von einem Räuberanfall, dem wir nur durch eilige Flucht entgangen; gar manches Abenteuer ist auf diese Weise entstanden, wenn es nicht rein zur Belustigung der Zuhörer oder Leser erfunden wurde. Unsere Araber hatten mit ihren scharfen Augen gar wohl gesehen, was wir suchten und Hessen sich die Gelegenheit, ein paar Sous zu verdienen, nicht entgehen, die Schnecke kannten sie gar wohl, in schlechten Zeiten muss sie ihnen trotz ihrer Zähigkeit zur Nahrung dienen, sie nannten sie Bubusche, ein Name, der auffallend an das sicilianische Babalucci erinnert; der sicilianische Name mag sich wohl auch aus der Saracenenzeit herschreiben. — 186 — Wir rasteten an einem gar herrlichen Plätzchen. Zu unseren Füssen fiel der Berg vielleicht hundert Meter tief senkrecht in ein grünes Thal ab; dahinter dehnte sich der Creve-coeur, seinem Namen Ehre machend, denn er dringt wirklich bis ins Herz des Landes herein ; gegenüber ein wild zerrissenes Berglaud, der Rand der Terrasse, dahinter bei Arzew das Meer, von welchem eine er- quickende Seebrise heraufwehte zu unserem etwa 850 Meter hoch gelegenen Standpunkte. Um uns war, was mr bei Oran ver- geblich gesucht, voller Frühhng; alles grünte und blühte. In hellem Goldgelb leuchteten die Ginsterbüsche; zwischen ihnen prangte das tiefe Blau der Lavendel, und einer Anagallis; das rosenartige Helianthemum bildete mit einem weissen Rittersporn, einer prächtigen L'is und zahlreichen uns unbekannten Blumen einen reizenden Blüthenteppich zwischen den dunklen Eichen- büschen. Hier fanden wir auch die gesuchten Versteinerungen, ganz mit denen des italienischen Subappenin übereinstimmend; sie liegen in Thon eingebettet, offenbar auf secundärer Lagerstätte, denn unter ihnen gehört auf hunderte von Füssen alles dem Diluvium an. Ueberall konnte man die Wirkungen der Verwitterung und Absch^v^emmung sehen, denen der ganze Spalt von Creve-cceur seine Entstehung verdankt. Der steile Absturz, an dessen Rande wir lagerten, war offenbar ein Erdfall, bedingt durch eine ziem- lich starke Quelle, welche unten rieselte und einen kleinen Weiher füllte; oben waren tiefe brunnenartige Löcher mit senkrechten Wänden ausgewaschen ; die nächste Regenzeit muss ihren Einsturz und damit ein Zurückweichen des Abhanges bedingen. An anderen Stellen sah man solche Schachte erst in der Bildung begriffen; an einem Punkte führte der Weg über eine natürliche Brücke, welche der Regen unterwaschen hatte; auch sie wird bald ein- stürzen und den Schuttkegel am Fusse des steilen Abhanges ver- mehren. Aus dem Weilier im grünen Thale unten klang verlockend das Quaken von Fröschen, es schien auch ganz nahe und ich stieg mit einem der Araber auf einem Maulthierpfade , welcher am Steilhang hinableitete, zu der Quelle hinunter. Die klare Luft des Südens hatte mich aber wieder einmal betrogen; die Tiefe betrug mindestens hundert Meter. Unten war eine üppige Wiese, ganz unseren deutschen gleich, daneben ein paar bewässerte Gersten- — 187 — felder, die aber viel zu wünschen übrig Hessen. An Amphibien fehlte es auch nicht. Unter einer steilen Böschung sass eine riesige buntgezeichnete Kröte (Bufo mauritanicus), sie musste mit- wandern, die zahlreichen Frösche dagegen wussten sich meist unseren Nachstellungen zu entziehen ; nicht ohne Grund schreibt schon der alte Homer in dem Frosch - Mäusekrieg diesen Thieren einen verschlagenen hinterlistigen Charakter zu; sobald ich einen ins Auge fasste, sprang er mit einem mächtigen Satz in den Weiher, tauchte erst in einiger Entfernung wieder auf und quakte mich höhnisch an. Zu meiner Ueberraschung fand ich unter einem Steine eine stattliche Krabbe; sie hob drohend ihre Scheeren, musste sich aber trotzdem zur Kröte ins Säckchen spediren lassen. Mein Araber kannte sie wohl und machte mir mit ergötzlichen Geberden klar, wie hart sie kneipen könne. Er gab mir von seiner heiligen Kameelhaarschnur ein Stück, um den Sack zuzu- binden, dann ging es den steilen Pfad wieder hinauf. Oben gab ich ihm für seine Dienste einen halben Franken; da war der arme Teufel ganz gerührt, gab jedem von uns Dreien die Hand und wiederholte unzählige Mal sein bon jour, das einzige französische Wort, das er kannte; er lief auch mit uns zurück bis fast zum Dorfe und suchte noch eine ganze Menge Helix Juületi für uns, ohne noch ein weiteres Trinkgeld zu beanspruchen. Die Leute sind bier noch nicht verwöhnt und haben das ewige Bakschisch- Fordern noch nicht so gelernt, wie ihre Stammesgenossen im Orient. — Ain-Farez ist ein noch ganz neues Dorf, erst seit zwei oder drei Jahren gegründet. Wir fanden unseren Wagen vor einem stattlichen, an einem freien Platz liegenden Hause halten, das wir für eine Kirche gehalten hätten, wenn nicht mit grossen Lettern angeschrieben gestanden hätte: Ecole municipale. Den Lehrer, mit dem Zeller bekannt war, trafen wir nicht zu Hause; aber seine Frau, eine Arleserin, welche dem Rufe ihrer Vaterstadt, die schönsten Frauen Frankreichs zu beherbergen, alle Ehre machte, empfing uns sehr freundlich, nöthigte uns in das Haus und be- wirthete uns mit einem köstlichen süssen, in Ain-Farez gezogenen Wein, welcher dem jungen Weinbau der Gegend ein sehr gün- stiges Prognostikon stellte. Die arme Frau war erst seit einem Jahre in Algerien und sehnte sich natürlich nach ihrer civilisirten Heimath zurück ; sie meinte aber, es sei doch hier auf der kühlen — 188 — Höhe imendKch besser als drunten in der Backofenhitze am Sig. wo sie vorher ein paar Monate lang gewesen. Uns war es sehr interessant, einmal ein solches funkelneues Dorf zu sehen. In Algerien entstehen solche Ansiedelungen näm- lich nicht wie in anderen neuen Gegenden nach dem freien Willen der Colonisten, sondern die Regierung decretirt: an dem und dem Punkte wird ein Dorf von 50 oder 100 feu's errichtet. Das wird dann in den Blättern bekannt gemacht; die Regierung baut ein Schulhaus und stattet es mit Ländereien, durchschnittlich 7'/2 Hectaren, aus, legt, wenn nöthig, Brunnen an und baut eine Strasse zum Orte. Die Colonisten müssen in neuerer Zeit ein Baar- vermögen von 3000 Frcs. nachweisen, um die Zeit bis zur nächsten Ernte aushalten zu können: diese Einrichtung erschwert die An- siedelung sehr, denn wer in Frankreich noch so viel Capital be- sitzt, geht nicht leicht nach Algerien. Die meisten Colonien fallen somit gewerbsmässigen Speculanten in die Hände, welche nothdürftig die vorgeschriebenen Bedingungen — Erbauung eines Hauses und Anrodung eines kleinen Feldes — erfüllen und sich dann das Eigenthum definitiv übertragen lassen. Wenn möglich, setzen sie dann einen armen Spanier auf das Stück, der es fertig anroden muss; wenn er die Pacht nicht zahlen kann, wird er weggejagt, aber das Land ist dann schon angerodet und findet leichter einen Käufer. Die Colonisten werden auch sonst in alle möglichen Reglements eingeschnürt , ohne die sich der Franzose einmal das Leben nicht denken kann; sie müssen alsbald ein massives Haus bauen , wo andere sich mit einer Hütte behelfen würden und dgl. mehr. Gar oft werden sie auch an den un- passendsten Stellen angesiedelt und im Allgemeinen sind es nur wenige Colonien, welche wirklich gedeihen. Hier in Ain-Farez hatte die Behörde aber offenbar einen glücklichen Griff gethan; die Lage ist luftig und gesund, es ist Wasser vorhanden und die ganze Umgegend besteht aus frucht- barem tiefgründigen Lehmboden. Auch die Ansiedler bestehen nicht wie das meistens sonst in Algerien der Fall ist, aus ruinirten Städtern, die vom Ackerbau keinen Begriff haben, es sind vielmehr vorwiegend Proven^alen, Weinbauer, ausgewandert in Folge der Verwüstungen der Reblaus. Hier fanden sie einen für den Wein- bau ganz besonders geeigneten Boden, in welchem die Rebe schon ^ im dritten Jahre nach der Anpflanzung reichen Ertrag bringt; — 189 — einer der älteren Ansiedler hatte im Jahre 1880 von zwei Hec- taren Weinberg schon 20 Bordelaises, ungetähr 45 Hectoliter Wein geerntet, geAviss ein zufriedenstellender Erfolg. Der Wein, den wir an der Table d'höte in Mascara zu trinken bekamen, war inländischer; er glich mehr den spanischen als den südfran- zösischen Weinen und war sehr trinkbar. Gelingt es, die Phyl- loxera draussen zu halten, so wird hier am Rande der ersten Terrasse ein neues Weinland erblühen. Wir sprachen natürlich auch von dem bevorstehenden Auf- stande der Araber. Ueberall in der Provinz Oran fand ich die feste üeberzeugung verbreitet, dass im Herbst eine allgemeine Erhebung stattfinden werde, die Journale discutirten darüber ganz unbefangen. Man wusste, dass bei der Wallfahrt in Mekka der heilige Krieg verabredet worden war, Jedermann richtete sich darauf ein, nur die Regierung wollte nicht daran glauben. Die Araber selbst machten kein Hehl daraus. Was ihre Pläne diesmal be- sonders gefährlich erscheinen Hess, war der unerschütterliche Glaube, dass im Jahre 1881 die Herrschaft der Franzosen über Grau zu Ende gehen müsse. Von Mund zu Mund ging eine alte Prophe- zeiung, angeblich schon von Muley Taieb herrührend, wenigstens jedenfalls nicht neu erfunden, da sie H. von Maltzan bereits er- wähnt. Nach dieser würden zuerst die Türken in Algerien herr- schen, dann werde Allah das Land in die Hände der Rumis geben ; nach fünfzig Jahren aber werde ein arabischer Sultan aufstehen, die Christen vertreiben und ein neues arabisches Reich begründen, das bestehen werde bis zum Ende der Dinge. Wie tief dieser Glaube sitzt, davon hatte sich Zeller überzeugen können. Ein Araberchef, mit dem er befreundet und der gut französisch ge- sinnt war, hatte ihm schon vor zwei Jahren einmal gesagt: Warum steckt ihr Franzosen nur das viele Geld in das Land, baut Chaus- seen und Eisenbahnen? ihr müsst ja doch bald fort und dann denken wir nicht daran, euch das Geld wieder zu geben. Als Zeller ihm dann lachend erwiederte, die Franzosen dächten an kein Weggehen, sagte der Scheikh ernst: »Das hilft euch nichts, in zwei Jahren ist eure Zeit um und dann müsst ihr fort, ihr mögt wollen oder nicht.« In den Städten sah man im Allgemeinen dem Ausbruch mit der grössten Ruhe entgegen; man wusste ja, dass an den Mauern die Reiterhorden zerstieben würden, die armen Colonisten freilich — 190 — — nun, die mussten eben sehen , wie sie durclikamen. Nachher würde man den aufständischen Stäninien ihre fruchtbaren Ländereien nehmen und sie in die Wüste oder nach Marocco treiben. Den Colonisten war es freilich nicht ganz so wohl zu Muthe und die hübsche Arleserin schaute mit einiger Unruhe in die Zukunft. Doch ist für diese Gegenden die Gefahr in Folge verschiedener Zufälle glücklich vorübergegangen, der Aufstand hat die Grenzen der Colonistengebiete kaum eben berührt. Bis jetzt hatten wir das algerische Klima nur von seiner Lichtseite kennen gelernt: der Ostersonntag sollte es uns auch einmal von der Schattenseite zeigen. Der Morgen Hess sich ganz prachtvoll an, nur war es ein wenig warm : auf einmal nahm der Horizont nach Süden hin eine eigenthümlich röthliche Färbung an, ein paar tüchtige Windstösse, und im Nu war die ganze Atmosphäre in eine dichte Staubmasse verwandelt ; der Wind war glühend, als käme er aus einem Backofen. Es war ein echter Wüstensturm, ein Samum. Er nahm rasch an Heftigkeit zu, immer dichter wurde der Staub, immer unerträglicher die Hitze ; von dem grossen Platz vor unserem Hotel war alles Leben ver- schwunden; im Zimmer begann es unheimlich zu knacken, die Tapeten sprangen von den Wänden, der feine Staub drang auch durch die Ritzen herein und machte sich beim Atlimen in lästiger Weise empfindlich. Wir hatten im Anfang unbekümmert um den Sturm an unserer Ausbeute geputzt, aber bald war an kein Arbeiten mehr zu denken ; wir streckten uns aufs Lager, aber auch Schlaf war nicht möglich ; ja sogar zum Denken war man unfähig, unruhig wälzten wir uns hin und lier. Auf einmal sprang der Wind um und in einem Nu war der Staub weg- gefegt, die Temperatur um mindestens zwölf Grad gesunken. Die Seebrise war durchgebrochen und hatte den Wüstenwind zurückgedrängt. Ein solcher schneller Wechsel ist natürlich nichts weniger als gesund, aber Alles athmet auf, wenn der Scirocco, wie die Franzosen alle Südwinde nennen, vorüber ist. Heute war es nur ein kleines, wenn auch heftiges Vorspiel ge- wesen ; mitunter hält ein solcher Wind Tage und selbst Wochen hindurch an ; Zeller erzählte uns sogar, dass er im Juni 1880 in Mascara 24 Tage unausgesetzt geweht. Dann stockt natürlich alles Leben; früh am Morgen werden die nothwendigsten Ge- schäfte erledigt, dann verbirgt sich Alles in den Häusern bis zum — 191 — Abend; auch das Militär wird mit Ausnahme der nöthigsten Posten ins Bett commaudirt, erst gegen Abend wird zum zweiten- mal Reveille geblasen. Selbst der Araber scheut diesen Wind un- gemein ; er fühlt ihn vorher und ist dann nicht zu bewegen, sein Zelt zu verlassen ; erst nachträglich erinnerten wir uns, dass schon am Morgen kein Araber auf dem grossen Platz, wo sie sonst so gerne im Schatten herumlungern, sichtbar gewesen war. Nicht minder verbergen sich die Thiere. Die Schwalben, welche in unserem Hofe nisteten, sassen Avährend des Sturmes ängstlich in ihre Nester gedrückt ; ja sogar ein Völkchen Ameisen, das sich auf dem Balkon angesiedelt hatte und mit grösstem Eifer die dort hingelegten Schneckenhäuser von Thierresten säuberte , war während des Sturmes vollständig verschwunden. Dass der Scii'occo direct aus der Wüste kommt, darüber kann hier dicht am Rande derselben auch unter Gelehrten kein Zweifel sein ; die Ungelehrten sind darüber ja überall einig ; denselben Wind mit denselben Staubmassen habe ich auch in Süditalien und Sicilien gar manchmal erlebt. Der Samum, von dem wir heute einen kleinen Vorgeschmack gehabt, scheint nur ein höherer Grad des Scirocco zu sein ; wovon seine grössere Hitze und seine verheerende Wirkung al)hängten, weiss ich mir nicht recht zu er- klären. Auch ihn kennt man drüben über dem Meere ; der Sicilianer fürchtet ihn als Favugna, der Spanier als Solano. Unter seinem Gluthhauch kräuseln sich die Blätter, als sei Feuer darüber hin gefahren, und die saftigsten Trauben werden in wenigen Stunden zu Rosinen. Giftig, wie mitunter behauptet wird, ist der Samum natürlich nicht; noch weniger ist er im .Stande, eine ganze Caravane zu verschütten ; ein paar Zoll Sand, wie er sie schlimmsten Falles aufhäuft, können kein Kameel be- graben. Die Gefahr liegt in der hochgradigen Trockenheit, welche selbst in den Schläuchen das Wasser rasch verdunsten lässt; dadurch ist allerdings schon manche Caravane zu Grunde gegangen, wie ihm allein auch seiner Zeit das Heer des Kambyses erlag. Wenn der Seewind den Scirocco verdrängt, kommt meist Regen ; diesmal blieb er aber leider aus, und als wir am anderen Morgen ausgingen, sah man den Pflanzen die Wirkungen des Südwindes gar sehr an. Dauernder Scirocco im Frühling, der glücklicher Weise selten ist, kann die ganze Ernte vernichten. Am Ostermontage machten wir eine Excursion nach dem — 192 — Poste telegraphique, einer nun verlassenen Station des optischen Telegraphen, welche am oberen Ende des Creve-coeur auf einem die ganze Gegend dorainirenden Berge gelegen ist. Gab sie uns auch keinen besonderen Ertrag in naturwissenschaftlicher Be- ziehung, so bot sie doch des Interessanten gar viel. Wir gingen durch das Thor Bab Ali — Bab bedeutet im Arabischen Thor — und durch das Village negre, welches hier nicht innerhalb der Ringmauer, sondern vor derselben liegt. Es besteht ganz aus denselben Stein würfeln, wie das Dorf in Oran; hier fiel uns aber auf, dass auch viele Spanier sich unter den Arabern angesiedelt hatten. Trotz des beiderseitigen Fanatismus vertragen sich diese beiden Völker ausgezeichnet ; sie haben auch in ihrer Lebensweise viel Aehnliches. Bei beiden wohnen in dem einzigen Zimmer des Hauses Mensch und Vieh in trauter Gemeinschaft zusammen, nur dass beim Araber das Schwein fehlt, welches der Spanier ausnahmslos hält. Der Huertano hat ja Maurenblut genug in sich, wenn er sich auch mit Vorliebe einen Cristiano viejo nennt. Die boshaften Franzosen sagen, er halte nur deshalb Schweine, um wenigstens in einem Punkte von dem Araber unterschieden zu sein. Weiter draussen fanden wir häufig unter Bäumen Gruppen von Spaniern gelagert ; Ausflüge an Sonntagen scheinen ihnen ein Bedürfniss. Unseren Weg nahmen wir quer durch die Wein- gärten ; die Reben waren mit Trauben beladen, Hessen aber sehr die sorgsame Pflege vermissen. Handarbeiter sind hier nicht all- zu häufig, der Spanier sucht so bald als möglich eigenen Besitz zu erwerben, der fleissige Kabyle kommt nicht in diese Gegenden, und der Araber versteht sich nur im Nothfall und immer nur auf kürzere Zeit zum Tagelohn. In diesem Jahre machte ihn der Hunger geschmeidiger und wir sahen ziemlich häufig Araber in den Oelbaumpflanzungen mit der Bearbeitung des Bodens beschäftigt. Der Tagelohn, den sie erhalten, beläuft sich durchschnittlich auf zwei Franken, für einen Araber schon viel Geld. Auf dem Heimwege begegneten uns, zum ersten Male in der Provinz, eine Anzahl beladeuer Kameele. Weiter hinunter ins Teil kommen sie nur ausnahmsweise, auch hierher nach Mascara nicht allzu häufig. Man macht sich überhaupt meistens falsche Vorstellungen von der Nützlichkeit und Wichtigkeit des Kameeis — 193 — für Algerien. Wo Strassen gebaut werden, verschwindet es ganz, auf einigermassen hartem Boden kann es sogar mit dem Maul- thiere nicht concurriren. Nur in der Wüste machen es seine Fähigkeit, lange ohne Wasser auszuhalten und seine breiten Hufe, mit denen es ohne einzusinken über den Sand hingleitet, unent- behrlich. Die Araber des Teil halten k nne Kameele, nur die Wüstenstämme kommen im Hochsommer mit ihren Kameelheerden bis herauf auf die Hochebene von Saida und mitunter sogar bis in die Ebene von Eghriz. Unhörbar schritten die seltsamen Ge- stalten an uns vorüber; kurz dahinter kam ein feingekleideter Araber auf einem bequemen Char-a-banc, auch ein Zeichen der Zeit. Wie mag der Mann von seinen Stammesgenossen als ein Abtrünniger angesehen werden oder im besten Falle als ein Weichling; der Vollblutaraber wird sobald noch nicht seine edle Stute in einen Wagen spannen. Mit Freund Zeller zusammen machte ich noch einen Streif- zug in die Ebene hinab, durch eine mit Grün erfüllte, tief ein- gerissene Schlucht, in der ein schwacher Wasserfaden rieselte. Die Ebene selbst war sehr verbrannt und bot wenig Interessantes. Es war furchtbar schwül und in der Ferne thürmten sich Ge- witterwolken auf. An einer Ferme — mit diesem Namen be- zeichnet man hier alle, auch die freien Güter — fielen mir die ganz auffallend sorgsam gezogenen Bäume auf. Wir traten hinein, um uns ein Glas Wasser geben zu lassen, und fanden in der Be- sitzerin eine Französin, von der ich ein paar Tage vorher auf dem Markte Schnecken gekauft. Sie erkannte mich sofort und nöthigte uns ins Zimmer ; ich folgte gerne, weil es mich interessirte, auch einmal einen älteren wohlhabenden Colonisten in seinem Hause zu sehen. Die Leute waren schon fast vierzig Jahre im Land und zu bedeutendem Wohlstand gelangt. Der Mann, ein prachtvoller Kopf, noch rüstig und aufrecht trotz seiner Jahre, war aus Deux-Sevres, Gärtner von Beruf, wie man jedem Baume auf seinem Gute ansah; die Frau war eine Picarde, aber sie war eine Zeit lang in Paris gewesen und nicht wenig stolz auf den feinen Ton, den sie sich dort angeeignet. Oh, je sais vivre, sagte sie, holte sofort selbstgezogenen Wein und machte sich daran, für uns Weckschnitten zu backen. Die Leute waren schon im Anfang der vierziger Jahre herübergekommen und hatten die Colonie nach und nach entstehen sehen ; aus schweren Anfängen 13 — 194 — hatten sie sich allmählig emporgearbeitet. Manclimal war es ihnen sauer genug geworden; aber die Frau hatte trotz ihrer zwölf Kinder tüchtig mit gearbeitet bis die Kleinen heranwuchsen und auch helfen konnten. Es waren elf Jungen, nach denen, die wir sahen, lauter Prachtkerle, auf die eine Mutter schon einmal stolz sein konnte. Nun besassen sie hier ein zusammen- hängendes Grundstück von 50 Hectaren, auf dem keine Zwerg- palme und kein Dent du chien mehr zu sehen war; am Abhang lagen üppige Weinberge und um das Haus herum standen prächtige Mandel- und Oelbäume, deren Früchte an die einge- borenen Juden nach Mascara zum Einmachen verkauft wurden und einen sehr hohen Ertrag lieferten. Die älteren Kinder sassen schon meist auf eigenen Colonistenstellen und befanden sich alle sehr wohl. Wir plauderten lange mit den biederen, intelligenten Leuten. Der Mann erzählte von seinen Schicksalen; du courage, c'est ce qu'il faut avoir ; er hatte Tausende von Colonisten unter- gehen sehen und meinte, die für die Einwanderung neu be- willigten 50 Millionen Franken würden wieder, wie schon einmal in 1849, lauter Leute zur Ausw^anderung veranlassen, die zu Nichts weniger taugten, als zum Colonisiren. Damals kamen ganze Schaaren ruinirter Boulevardexistenzen aus Paris herüber, um sich zwei Jahre lang auf Staatskosten füttern zu lassen ; sie arbeiteten natürlich nicht das Geringste, aber als sie wieder zurück- kamen, waren sie es gerade, welche durch ihre Erzählungen Algerien so in Verruf brachten. — Besser war unser Wirth auf die Elsässer zu sprechen, aber gerade diesen habe die Regierung vielfach schlechtes, ungenügend bewässertes Land angevnesen und sie litten mitunter grosse Noth ; die Colonisten in dem benachbarten Am Fekkan konnten sich nur dadurch vor dem Hungertode be- •\vahren, dass sie in den Halfadistricten Verdienst suchten: gar viele erlagen aber dem Klima. Das Klima von Algerien ist überhaupt dem europäischen Colonisten nicht zuträglich. Nur der Spanier, der Südfranzose und der Italiener, also überhaupt die Angehörigen der mittel- ländischen Völker, gedeihen; Nordfranzosen und Deutsche halten zwar das Klima aus, aber in ihren Familien überwiegen die Todes- fälle über die Geburten und nicht leicht bringt es eine Familie über die dritte Generation hinaus. So ist es immer gewesen. Nur dadurch lässt es sich erklären, dass in der Völkerwanderung — 195 — die deutschen Völker, welche sich dauernd am Mittelmeer nieder- liessen, die Ostgothen und Vandalen, so schnell erlagen und ganz aus der Geschichte verschwanden ; sie waren nicht verweichlicht, wie die Geschichtsbücher gewöhnlich sagen, sie waren einfach schon halb ausgestorben und ihre Herrschaft hätte auch ohne die byzantinischen Waffen nicht mehr lange dauern können. Gegen Naturgesetze ist nicht anzukämpfen, das mögen sich auch die Coloniefanatiker merken, welche dafür schwärmen, Colonien in subtropischen und tropischen Ländern für Deutschland zu er- werben. Ein leichter Gewitterregen begleitete uns nach Mascara zurück ; er war schwächer, als sonst im Süden und bei weitem nicht aus- reichend, um die durstende Gegend zu tränken. Wir kamen auf dem Heimwege über den Marktplatz, auf welchem der grosse Wochenmarkt (Suk oder Soko) abgehalten wird, zu welchem sich oft 8 — 10 000 Araber zusammenfinden. Ein grosser eingezäumter Platz dient zum Viehmarkt, der hier sehr bedeutend ist. Weiter- hin haben sich die ständigen Marktbesucher, die Beni Mzab oder Mzabiten (wohl auch Mosabiten) angesiedelt. Den Gliedern dieses Wüstenstammes begegnet man überall in Nordafrika ; alle Bade- knechte, Fleischer und die meisten arabischen Händler sind Mzabiten. Sie sind berberischer Abkunft, und werden, obschon Muhamedaner , von den Rechtgläubigen schief angesehen, denn sie gehören zu keiner der vier orthodoxen Secten des Islam, haben vielmehr aus alter vorislamitischer Zeit noch manche Eigen- thümlichkeit bewahrt. Nennen sie ja doch auch die Monate mit den alten lateinischen Namen und haben sich auch das cäsarianische Sonnenjahr beibehalten ; nur für die Feste richten sie sich nach der arabischen Zeitrechnung. Ihre Heimath haben sie tief in der Sahara, wohin sie vor der arabischen Invasion zurückgewichen sind ; dort bewohnen sie südlich von Laghouat vier Oasen, welche unter sich in einem festen Verbände stehen und durch eine aus- gezeichnete alte Militärorganisation im Stande sind, die nach ihren Schätzen lüsternen Wüstenaraber im Respecte zu halten. Die Städte (Quecars oder Ksors) sind mit starken Mauern umgeben und für Beduinen und Tuareg uneinnehmbar. Zu den Franzosen haben sich die Beni Mzab schon zeitig in ein freundschaftliches Verhältniss gestellt und, als diese Laghouat besetzten, bereitwillig deren Oberherrlichkeit anerkannt; damit begnügten sich die — 196 — Franzosen und Hessen ihnen sonst gern ihre Selbstständigkeit und ihre eigenthümlichen demokratischen Einrichtungen. Die Mzabiten sind ausgezeichnete Ackerbauer, sie haben nicht minder Sinn für Industrie, namentlich Weberei , ihre Haupt- beschäftigung ist aber der Handel. In allen nordafrikanischen Städten sind sie ansässig und handeln mit allem Möglichen; sobald einer genug zum Leben verdient hat, lässt er sich einen Verwandten zum Ersatz kommen und kehrt in seine theure Heimath zurück. Manche Mzabitenfamilien haben Filialen in allen Städten des Teil und treiben ihr Geschäft im grÖssten Style, auch bis hinüber nach Timbuktu und dem Sudan. Sie gelten im Allgemeinen für ehrlich und zuverlässig und geniessen grossen Credit ; sie wachen auch eifersüchtig darüber. Die heimische Djema, die gewählte Regierungsbehörde, hält überhaupt strenge Zucht; sie hat das Recht, über jeden Mzabiten den Bann zu ver- hängen, der ganz wie im Alterthum bei den Christen dem bürger- lichen Tode gleichkommt und die Existenz des Betroffenen völlig vernichtet. Es scheint wirklich fast, als habe man diese Ein- richtung noch aus christlichen Zeiten beibehalten, denn auch bei den Mzabiten kann der Gebannte sich durch eine Art Kirchen- busse vom Banne reinigen. Die Stadt Mascara ist durchgängig neu und bietet wenig Interessantes. Historisch denkwürdig ist der Palast, welchen einst Abd-el-Kader bewohnte. Es ist ein einfaches maurisches Haus, zum Theil verfallen, denn der Emir hat ihn nach der ersten Eroberung Mascaras durch die Franzosen nicht wieder betreten und absichtlich verfallen lassen. Gelegentlich der Anlage einer neuen Strasse hat man einen Theil niedergerissen, der Rest ist in neuerer Zeit wieder einigermassen rejoarirt worden und dient nun einem französischen Obersten zur Wohnung. Noch darf ich eine Begegnung nicht unerwähnt lassen, die ein grelles Licht auf die Zustände in Algerien wirft. Zeller machte uns auf einen alten Araber aufmerksam, welcher sich nur durch ein prächtiges Pferd auszeichnete, aber den Grosscordon der Ehren- legion trug. Es war der Baschaga, der oberste Chef, der Hakem Scherifi. Als im Jahre 1872 eine französische Division ausrückte, um die Stämme des Südens, insbesondere die Uled-Sidi-Scheikh, zu züchtigen , führte dieser Baschaga den Franzosen seine 5000 Ghums (freiwillige Reiterei) zu und zog mit ihnen gegen - 197 — Saida. Als es aber zum Kampfe kam, war er mit seinen Leuten der erste, welcher über die Franzosen herfiel. Die ganze Division wurde niedergemetzelt, nur einen Obersten Hess man am Leben, um ihn gegen die Frau eines vornehmen Arabers, die in der Gewalt der Franzosen war, auszuwechseln ; auch die Dubib's, die Aerzte und Apotheker, wurden geschont. Li Europa hat man von diesem Blutbade freilich nicht viel gehört. Die Franzosen haben es nicht rächen können, sie waren froh, als diese Stämme endlich den Aman (Amnestie) nachsuchten, und derselbe Baschaga ist heute noch Oberhaupt des Stammes und trägt den Grosscordon der Ehrenlegion. ^"^^T^^ Fünftes Capitel. Saida. — Mostaganem. Der Omnibus, mit dem wir gekommen, brachte uns am 20. April auch v/ieder zurück nach der Bahnstation Tisi. Mit ganz auffallender Pünktlichkeit kam der Zug herangekeucht und wir fuhren weiter, den Gränzeu der Civilisation zu. Noch längere Zeit blieben wir in der Ebene, in welcher aber bald alle Zeichen des europäischen Anbaues verschwauden. Nur hie und da hatten die Araber zwischen den Zwergpalmen etwas herum gekratzt und Gerste angesät, weitaus der grösste Theil der fruchtbaren Kbene lag wüst und diente den Pferden der Hakem Scherifi als Weide. Was man hier bauen könnte, davon legen die üppigen Zwerg- palmen Zeugniss ab ; so prächtig gedeihen sie nur auf sehr gutem Boden. Eine Barrage weiter oben im Thale des Oued-el-Hamma könnte das Land in wenigen Jahren ia ein Paradies verwandeln, aber davon kann keine Rede sein, so lauge es in den Händen der Araber ist. An der Bahn hat man zwei Dörfer angelegt oder richtiger ihre Anlegung dekretirt; wir hielten an den Stationen, aber von den officiellen Dörfern sah man noch keine Spur. Und doch trug eines den Namen des kleinen Thiers, war also nicht mehr ganz neuen Datums. Weiterhin begann die Bahn zu steigen und die Berge traten näher. Die Zwergpalme ver- schwand, eine mächtige Doldenpflanze (Fenila erubescens?) trat an ihre Stelle, nicht selten Manneshöhe erreichend. Dann wurde — 198 — der Boden steiniger und bedeckte sich mit Gestrüpp , aus dem hier und da ein Stamm des afrikanischen Wachholders {Juniperus phoeniciacus) hervorragt. So etwas nennt man hierzulande einen Wald. Von einer sorgsamen Pflege ist aber trotz aller Verord- nungen und der Anstellung von Forstleuten hier oben noch keine Rede. Ueberall lagen die Stämme frisch gefällt, häufig nieder- gebrannt, anscheinend uubenutzt und der Fäulniss überlassen, dem Araber ist die Mühe des Zerkleiuerns zu gross, denn eine Säge kennt er nicht, er haut also nur die Aeste ab und lässt die Stämme liegen. Als es dunkelte, sah man überall die Feuer der Kohlenbrenner und roch die Meiler. Um neun Uhr erreichten wir Saida und liessen uns in das erste und einzige Hotel fahren. Aber mit dem Donnerworte wurde uns aufgethan : Kein Zimmer zu haben ! Das hatte ich hier obeu, wo sich nur ganz selten einmal ein Geschäftsreisender und fast nie ein Tourist hin verirrt, nicht erwartet, aber es war wirklich so. Es sollte eine Regieruugscommission zur luspicirung der Haifaindustrie kommen und für die waren alle Zimmer im Voraus mit Beschlag belegt. Zum Glück war die Commission aber erst für den anderen Tag angemeldet, und nach einigem Parlamentiren erklärte sich auch der Wirth bereit, uns nicht nur heute aufzunehmen, sondern uns auch für die folgende Nacht ein paar Betten ins Speisezimmer zu stellen. Vorläufig waren wir also unter und machten uns um die Zukunft keine Sorgen. Am anderen Morgen weckten uns die Hühner auf dem Hofe unmittelbar vor unserem Fenster schon ziemlich zeitig, nach einigem Verhandeln bekamen wir auch Kaffee und zogen dann ab den Bergen zu. Aber es stand geschrieben, dass der Tag für uns kein erfreulicher werden sollte ; möglich, dass wir mit dem linken Fusse zuerst aufgestanden waren. Gleich im Anfang spielte sich vor unseren Augen eine widerwärtige Familienscene ab. Als wir die Strasse nach dem Flusse hiuab gingen, sahen wir vor uns einen alten Araber mit einer Frau und einem jüngeren Mann, sie gingen anfangs einträchtig zusammen, fingen aber dann an zu streiten und schliesslich bekam die Frau ein paar tüchtige Püfle. Als sie aber dann nicht schwieg, brach der Alte auf einmal in eine entsetzliche Wuth aus, ergriff die Frau bei den Haaren, schleifte sie auf der Erde herum und schlug mit seinem schweren Prügel wie rasend auf sie los. Gern wäre ich dazwischen se- — 199 — Sprüngen, aber das hätte schwere Unannehmlichkeiten veranlassen können und doch der Frau nicht geholfen, sie hätte ihre Prügel doppelt und dreifach später bekommen, denn das Recht seine Frau ganz nach Belieben zu prügeln, lässt sich der Araber nicht nehmen. Wir eilten vorüber, aber noch lange hörten wir das Jammergeschrei der Misshandelten. Saida liegt in einem grünen Hochthal , nach der einen Seite eingefasst von dem zerfressenen felsigen Abhang des Hochpla- teaus; nach der anderen dehnen sich flachere Sandsteinhügel, die in einiger Entfernung zu stattlichen bewaldeten Bergen aufsteigen. Die Schuttmassen der ersten Terrasse sind hier völlig verschwun- den. Die Kalkscbichteu sollen zum Theil sogar der Juraforma- tion angehören. Wir nahmen unsere Richtung nach einem gerade gegen- überliegenden Berge, welcher ganz nahe schien. Mit einiger Schwierigkeit überschritten wir den Bach, den ein Gewitter in der Nacht vor unserer Ankunft etwas angeschwellt hatte ; Oleander fassteu ihn auch hier oben noch ein. Jenseits sahen wir überall, dass auch hier die Trockenheit schweren Scha- den angerichtet. Der Regen hatte sicher alles, was von Schnecken da war, herausgelockt, aber es war gar wenig im Ver- hältniss zu den massenhaft herumliegenden leeren Schaalen. Auch die Vegetation war ziemlich trostlos ; nur in den Schlachten hatten sich stattliche Wachholderstämme erhalten, aber man sah nur alte, oft vom Feuer beschädigte Bäume und keinen Nachwuchs. Als wir die erste Höhe erreichten und am Fusse des Berges zu stehen hofften, dehnte sich vor uns noch ein stundenweites kahles Feld aus, wieder einmal hatte uns die klare Luft des Südens ge- täuscht. Erst nach einer guten Stunde erreichten wir unser Ziel. Hier bildete der Wachholder {Juniperus pJioeniciacus) ein ganz hübsches Wäldchen, in dem sich auch einzelne stattliche Exem- plare der syrischen Kiefer {Pinus halepensis) erhoben. Für uns war hier auf Sandboden wenig zu machen und verdriesslich dreh- ten wir um, und wandten uns einer Felseuschlucht zu, wo wir auf dem Herweg einiges gefunden. Dort machten wir auch eine ganz befriedigende Ausbeute, aber als ich einen schweren Stein aufhob, um darunter eine reizende kleine Schnecke, die uns hier zum erstenmal begegnete, {Ferussacia agraecia Bgt.) zu suchen, glitt er mir aus der Hand und fiel mir mit aller Gewalt auf den — 200 — Fuss. Damit war unser Sammeln mit einem Male zu Ende und nur mit Mühe schleppte ich mich nach Saida zurück. Dort hatte man schon unser Zimmer für die Commission eingerichtet und wir konnten sehen, wie wir unterkamen; für den Abend versprach uns der Wirth zwar ein paar Betten, aber vor- läufig hatten wir doch keinen rechten Aufenthalt. Trotz meiner Contusion machten wir uns darum wieder auf den Weg, um das Städtchen Saida selbst einmal in Augenschein zu nehmen und wo möglich auch den Felsen hinter der Stadt einen Besuch ab- zustatten. Meine weichen catalonischeu Schuhe kamen mir dabei sehr gut zu statten; am Morgen hatte ich sie glücklicherweise nicht angehabt, sonst wäre ich schwerlich so gut durchgekommen. Saida ist ein freundliches Städtchen, in dem viel gebaut wird, es ist offenbar in entschiedenem Aufschwung begriffen, den es ganz allein der Haifaindustrie verdankt. Noch vor wenigen Jahren war Saida nur eine der abgelegeneu Redouten, die man längs des Hochplateaus errichtet hat, um die Araber in Unterthäuigkeit zu halten. Jetzt hat es schon 3000 Seelen und die Umgegend füllt sich rasch mit Colonisten, durch alle Strassen fliesst Wasser des Oued-el-Hamma und hält die zahlreichen Gärten frisch und grün. Jenseits der Stadt kamen wir an eine tief eingeschnittene Schlucht, durch welche sich der Bach mühsam hindurchzwängt, am Rande hin hat sich die Bahn den Weg nach dem Plateau gesucht. Die Gegend war recht hübsch, stellenweise wildroman- tisch, nur zu'kahl ; in dem Kalkterrain fand sich kaum ein Baum, nur hier und da etwas dorniges Gestrüpp und am Bache der Oleander. Belebt wurde die Gegend durch die einheimischen Israeliten, welche ihr Passah mit Pikuiks draussen an schönen Punkten feierten, die Alten in der prächtigen bunten Mauren- tracht, die Jungen französisch in Tracht und Benehmen. Die Leute sind jetzt französische Bürger und bilden sich nicht wenig darauf ein; sie sehen nun mit Stolz auf den Araber herab, der sie seinerseits wieder mit Hass und Verachtung betrachtet. Das Herumlaufen hatte meine Schmerzen erheblich gesteigert und der mangelnde Comfort verbesserte unsere Stimmung gerade nicht. Die Commission kam uns sehr in die Quere. Wollten wir unsere Pläne ausführen und nach dem Halfadistricte gehen, so hätten wir auch dort überall nur nothdürftiges Unterkommen gefunden und die Beamten, an welche ich empfohlen war, wür- — 201 — den kaum Zeit gehabt haben, sich mit uns zu beschäftigen. Auch wäre es fraglich gewesen, ob wir zur Weiterfahrt nach Genjville Platz in der Diligence gefunden hätten, die wöchentlich einmal durch die Wüste der Schotts nach diesem äussersteu Vorposten abgeht. Mein schmerzender Fuss verlieh allen diesen Zweifeln doppeltes Gewicht, und so entschlossen wir uns, den Ausflug in die Sahara aufzugeben und direct zur Meeresküste zurückzukehren. Wir ahnten damals noch nicht, welchen Gefahren wir durch diesen Eutschluss entgingen. Zwei Tage später erhielten wir in Mostagauem die Nachricht von dem Ausbruch der Empörung der Uled-Sidi-Scheikh und die Diligence, welche wir hätten benutzen müssen, wurde geplündert und der Couducteur getödtet. Am anderen Morgen um zehn Uhr sassen wir wieder im Coupe, und mit ziemlicher Geschwindigkeit ging es wieder ab- wärts. Ueberall längs der Bahn sah mau im Walde beginnende Ansiedelungen. Hier baut mau allerdings keine Blockhäuser, sondern Bretterbuden oder Reiserhütten; ringsum dampften Kohlen- meiler, deren Ertrag die erste Hülfsquelle der Colonisten ist. Die armen Leuten ahnten nicht, dass wenige Wochen später Bu Amema, dessen Namen mau damals im Teil noch kaum kannte, diese Ansiedelungen mit Mord und Plünderung erfüllen sollte! An allen Stationen war reges Leben; spanische Karren und Last- thiere brachten Halfaladungeu vom Plateau herab zu den Chan- tiers der Actiengesellschaft, wo das Gras in Ballen gepresst und zum Versandt fertig gemacht wird. Zeitig kamen wir nach Perregaux, wo wir die Bahn ver- liesseu, weil der Weg über Arzew uns zu weit um gewesen wäre ; wir dachten damals, diesen Hafen auf dem Rückwege nach Oran zu besuchen, sollten aber nicht dazu kommen. Die Verbindung mit Mostagauem, unserem nächsten Reiseziele, wird durch eine Diligence vermittelt, einem alten Rumpelkasten, der mit der be- quemen französischen Diligence wenig gemein hat. Wir hatten noch zwei Stunden Zeit, um uns zu restauriren und das auf- blühende Städtchen zu betrachten , welches , au der Kreuzungs- stelle zweier Bahuen und im Centrum einer ausgedehnten, wohlbewässerten Ebene gelegen, eine bedeutende Zukunft hat. Hier durchschwirrten schon unheimliche Gerüchte die Luft, die kommenden Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Am Tage vorher war ohne eigentlichen Grund eine vollständige Panik — 202 — ausgebrocheu, die Colouisten der Umgegend waren schaarenweise zur Stadt geflüchtet. Mehrfach wurden wir nach den Zuständen in Saida gefragt, über die wir natürlich die beruhigendste Aus- kunft geben konnten. Ich machte mir um die Araber keine grossen Sorgen ; bei allem Fanatismus sind sie doch ungemein vorsichtig. Aufstände brechen erfahrungsgemäss niemals inner- halb des bebauten Landes aus, immer sind es zuerst die wilden Stämme des Südens, welche an der Grenze des Teil den Anfang machen. Haben sie Erfolg, so kann natürlich binnen wenigen Tagen ganz Algerien in Flammen stehen, aber von einem solchen Erfolge konnte gegenwärtig, wo die Besatzung der Colonie voll- zählig war, keine Rede sein. Auch im schlimmsten Falle wären wir wohl kaum ernstlich gefährdet gewesen , denn die Araber unterscheiden sehr wohl zwischen dem Franzosen und dem Deut- schen ; es war mir manchmal aufgefallen, wie sie mich mit ganz anderen Augen ansahen, sobald sie erfuhren, ich sei ein Pruss. Wir kletterten also unbekümmert in den Wagen hinein, in welchem mau durch eine Scheidewand acht Eckplätze geschaffen hatte, und waren im Anfang wenigstens die einzigen Passagiere. Das war uns sehr erwünscht, denn wenn man auch nicht das ge- ringste Vorurtheil gegen den Araber hat, man kommt ihm doch aus guten Gründen nicht gerne zu nahe. Der Araber hat näm- lich anscheinend eine durchaus unempfindliche Haut und duldet darum an Haut and Kleidern zahlreiche Bewohner, welche dem Europäer höchst unangenehm sind. — Die Strasse führt stunden- lang in schnurgerader Richtung durch die Ebene am Rande der weiten Habrasümpfe hin. Anfangs bot Perregaux mit seinem Walde von Obstbäumen, der sich von den kahlen Bergen des Habrathaies abhob, ein prächtiges Bild ; bald verhüllte aber die Dämmerung alles ; nur undeutlich sahen wir noch ein paar grössere Baumpflanzungeu , offenbar Eucalyptus. Unterwegs stiegen noch ein paar Araber ein, Handelsleute aus Mostagauem ; der eine war ein leidenschaftlicher Sänger und sang fast fortwährend in der eintönigen, näselnden Weise, die auch der Spanier und der Sici- lianer von dem Araber augeuommen haben. Ich schlief darüber schliesslich ein und erwachte erst, als uns die Strassenbeleuchtung von Mostagauem in die Fenster schien. Leider fanden wir auch hier das ohnehin schlechte Hotel überfüllt und mussten mit einem kümmerlichen Quartier vorlieb nehmen. — 203 — In der Nacht kam ein tüchtiger Gewitterregen und am Mor- gen sah die Gegend prächtig frisch und grün aus. Mostaganem ist darin vor Oran begünstigt ; es regnet hier viel häufiger und zahlreiche Quellen liefern auch in trockenen Jahren Wasser in Hülle und Fülle. Unser Hotel lag an einem mit schattigen Pla- tanen bepflanzten Platz ; drei Seiten desselben waren mit Arcadeu geschmückt, die vierte bildete die Kirche, welche auf ihrem Dache ein gewaltiges Storchnest trug. Auf dem Platz und in den an- liegenden Strassen herrschte reges Leben, die Landwehr war zu den alljährlichen Uebungen einberufen und mit den Landwehr- männern waren auch vielfach die Angehörigen zur Stadt ge- kommen. Unter den Einberufenen waren viele Juden, welche mit einem wahren Stolz ihre Dienstpflicht erfüllten, durch welche sie sich als französische Bürger dokumeutirten ; vor dem Ka- sernenhof standen in dichten Schaaren die Angehörigen und sahen den militärischen Leistungen ihi'er Verwandten zu. Die Araber werden nicht als französische Bürger betrachtet und demgemäss auch nicht zur Landwehr eingezogen ; sie eignen sich auch zum regulären Soldaten sehr wenig. Unter den Turkos findet man wohl Kabyleu und Neger, auch herabgekommene Franzosen, aber nur sehr selten einen reinen Araber ; nur zu den Spahis, der ein- geborenen Polizei, lassen sie sich gern anwerben. Eine solche Stellung entspricht ganz den Wünschen des Arabers; er kann in kleidsamer Tracht mit rothem Mantel auf einem schönen Pferde paradiren und, wo er hin geschickt wird, nach Herzeuslust com- mandiren ; bei ordentlichem Benehmen kann er sogar zum Lieute- nant aufrücken, nur die höheren Officiere sind Franzosen. — Die meisten Araber thun nur Dienste als Ghums, d. h. sie ziehen im Falle eines Aufgebotes unter ihren einheimischen Kaids und Agas als irreguläre Reiterei aus. Plündern ist dann ihre Haupt- beschäftigung, zu einem regulären Augrifi" sind sie nicht zu ge- brauchen und ganz zuverlässig sind sie im Falle eines Aufstandes nur, wenn es gegen alte Stammesfeinde geht. Doch sind sie den Franzosen unentbehrlich, denn die Cavallerie war von jeher deren schwächste Seite und auch in Algerien verlassen sie sich haupt- sächlich auf die Infanterie. Gegen einen Araberangriff genügt allerdings Carreebildung und Schnellfeuer, aber zum Schutze der Colonisten im Falle eines Aufstandes wäre mehr leichte Reiterei nöthig, als die Franzosen haben. — 204 — In Mostaganem liegt ein Regiment Turkos oder, wie sie of- ficiell heisseu, Tirailleurs indigenes. Ueberall lungerten die brau- nen und schwarzen Bursche herum, meist ältere Leute mit gut- raüthigem, etwas stupidem Gesichtsausdruck. Am Abend hatten wir das Glück, beim Zapfenstreich ihre Musik zu hören ; die grosse Trommel und die Becken spielten die Hauptrolle, zwischen die europäischen Trompeten hinein quietschten die arabischen Flöten in derselben näselnden Weise wie die Araber singen. Für uns Europäer ist eine solche Musik ein etwas unverständlicher Geuuss, die Turkos sind aber davon durchdrungen und würden sich diese nationale Eigenthümlichkeit um keinen Preis nehmen lassen. Mit der Militärmusik ist es in Algerien überhaupt nicht glänzend be- stellt; eine wirklich gute Truppe hat nur die Fremdenlegion, deren Musik sich auch schon in Paris mit grossem Erfolg hat hören lassen. Die Legion ist deshalb auch trotz der ungünstigen Mei- nung, welche man von den einzelnen Legiouärs hat, als Garnison sehr gesucht und gerade, als wir in Mascara waren, agitirte mau dort sehr lebhaft, um ihre Verlegung von Sidi-bel- Abbes nach Mascara zu bewirken. Mostaganem wird ringsum von arabischem Gebiete umgeben und zeigt darum viel mehr arabisches Leben als eine der anderen Städte, die wir bisher besucht. Auf den Strassen war das Treiben entsprechend bunt. Es hat einen eigenen Reiz, dieses unvermit- telte Nebeneinanderstehen von Civilisation und Barbarei, aber je länger man das Leben in Algerien beobachtet, um so mehr kommt man zu der Ueberzeugung, dass der Araber im Grossen und Gan- zen für die europäische Civilisation absolut unzugänglich ist. Die fünfzig Jahre Fraozoseuherrschaft sind spurlos au ihm vorüber- gegangen. Er sieht die Ernten der Colonisten, aber es fällt ihm bei aller Geldgier nicht ein, seinen Acker sorgsamer zu bestellen ; er sitzt gerne im Schatten der Bäume und nascht vom Obst, aber darum pflanzt er doch keinen Baum neben seinem Duar. Jahr- tausende haben nicht vermocht , seine Sitten zu ändern , die Be- rührung mit der Civilisation wird das auch nicht thun. so wenig wie sie in Europa den Zigeuner von seinem Wanderleben hat ab- bringen können. Au dem unwiderstehlichen Wandertrieb des Nomaden scheitern alle noch so wohlgemeinten Versuche der Franzosen, der Araber wird Nomade bleiben und schliesslich vor der fortschreitenden Civilisation in die Wüste weichen müssen. — 205 — Man stellt zwar gewöhnlicli den spanischen Maureu als leuchten- den Beweis für die Civilisationsfähigkeit der Araber hin,' aber die Eroberer Spaniens waren nur zum kleiusten Theile Araber, zum grössten Theile Berber. Der Berber aber oder der Kabyle, wie man ihn in Europa meistens nennt — mit Unrecht, denn Kabil ist ein arabisches Wort; das einfach »Stamm« bedeutet — ist ein anderer Mensch, an eine feste Heimath gewöhnt, mit unverbrüch- licher Treue an ihr hängend, wie alle Bergbewohner, dem Acker- bau und dem Handwerk zugethau , darum bei allem Fanatismus und aller Wildheit eher für die Civilisation zu gewinnen. Es hat lange gedauert, bis die Franzosen die freien Bergvölker unter- jochten, noch länger, bis sie dei'en Eigenthümlichkeiteu begreifen und achten lernten. Der Berber ist ein starrer Demokrat, der keinen geborenen Oberherrn über sich anerkennt; frei wählt jede Gemeinde ihre Executivbehörde und über jede wichtigere Ange- legenheit entscheidet die Gemeindeversammlung. Seit die Fran- zosen die altherkömmliche Selbstverwaltung anerkannt haben, sitzt der Kabyle ruhig in seinen Bergen, pflanzt Oelbäume oder treibt ein Handwerk, zu dem diese Stämme merkwürdige Befähigung haben, — oder wenn er kein Grundeigenthum hat, geht er als Tagelöhner in die nächste Stadt und arbeitet mit rastlosem Fleiss, bis er genug zusammengescharrt hat, um sich ein Häuschen und ein Stück Land ankaufen zu können. In der Provinz Oran sieht man Kabjlen nur selten, am häu- figsten noch in Mostaganem ; den letzten Vorposten ihres Gebietes, den Dahra, sieht man von dieser Stadt aus jenseits der Müu- dungsebene des Scheliff emporragen. Dort haben sie den Fran- zosen den letzten blutigen Widerstand geleistet; am Dahra war es , wo der spätere Herzog von Malakoff den ganzen Stamm der Beni Rama in einer Höhle zu Tode räuchern liess. Die Berber dieses Gebirgszugs sind auch heute noch den Franzosen nur no- minell unterworfen, aber sie halten sieh ruhig und damit ist man gerne zufrieden. — Man erkennt den Berber sofort an seinem blossen Kopfe, der Araber geht niemals ohne Kopfbedeckung. Aber nicht nur die arabische Umgegend lässt das Leben in Mostaganem soviel fremdartiger erscheinen als in Oran und Mas- cara. Mostaganem hat, was diesen beiden Städten fehlt, eine ein- geborene maurische Bevölkerung. Oran ist zu kurze Zeit in den Händen der Türken gewesen ; dreissig Jahre haben nicht genügt, — 206 — um la Bianca den spanischen Character zu nehmen; die wenigen Maurenfamilien , welche nach der Räumung der Feste herüber- kamen, sind beim Einzug der Franzosen wieder nach Mostagauem und Arzew zurückgekehrt, wo sie herstammten. Diese beiden Städte haben darum einen viel mehr orientalischen Character und in Mostagauem sind noch viele Handwerke und auch noch manche Landgüter in den Händen ächter Mauren. Dieselben bilden eine eigeuthiimliche Race, ein Zwischending aus Berbern und Arabern, aus deren Vermischung sie ja auch entstanden ist. Vom Berber haben die Mauren die Liebe zum festen Wohnsitz und die Vor- liebe für das Handwerk, von dem Araber mehr die Körperbe- schaffeuheit und Gesichtsbildung. Ihre Zeit in dem französischen Afrika ist übrigens um ; sie sind seit der Emancipation der Juden diesen nicht mehr gewachsen, denn bei allem Fleiss und aller Geschicklichkeit fehlt ihnen jeder Speculationsgeist; sie arbeiten nur auf Bestellung, und sparen und für die Zukunft sorgen haben sie nicht gelernt. In die neuen Verhältnisse und Gesetze wissen sie sich nicht zu schicken ; eben so gutmüthig wie leichtsinnig spricht immer einer für den anderen gut, sie verarmen |rasch und auch ihre Zahl nimmt sehr schnell ab, um so schneller, als die Töchter der armen Mauren fast ausnahmslos der Prostitution anheimfallen. Deren Kinder bilden dann die Uled Blasa, die Kinder der Strasse, und aus ihnen entsteht das racelose Proletariat der französisch- arabischen Städte. Mostagauem liegt in einer sehr fruchtbaren und reich be- wässerten Umgebung, etwa eine halbe Stunde vom Meere ent- fernt. Ein tief eingeschnittener mit der üppigsten Vegetation er- füllter Ravin trennt die neue Franzosenstadt mit den Militärge- bäuden von dem maurischen Quartier , das mit seinen terrassen- förmig emporsteigenden weissen Häusern und deren platten Dächern ein acht arabisches Bild bietet. Ganz besonders fruchtbar und reich bewässert ist die Meeresküste bis zu dem eine halbe Stunde entfernten Dörfchen Mazagran. Hier sahen wir eine Vegetation, deren Ueppigkeit selbst die Goldmuschel von Palermo in den Schatten stellte. Der Regen hatte alles aufgefrischt und vom Staube gesäubert. Zwölf bis fünfzehn Fuss hoch erhoben sich Hecken, nur von blühendem Lantana gebildet ; dahinter streckte das gewaltige Rohr des Südens {Ärundo donax) seine Halme noch höher in die Luft. Unter den dichtstehenden Fruchtbäuraen - 207 — dehnteu sich üppige Gemüsefelder, die Vorgärten vor den Land- häuschen, welche sich der Strasse entlang weit hinaus ziehen, waren mit Geranien und Rosen erfüllt; Schlingrosen und Abu- tilon bildeten prächtige Lauben. An den Rainen blühte unsere Petunie verwildert, weiterhin kam eine prachtvolle Allee von Judeubäunieu {Gerds siliquastrum), dicht bedeckt mit ihren sy- ringenartigeu Blüthen. Von der afrikanischen Hitze war wenig zu spüren, die Seebrise wehte und es war kühl wie auch bei uns nach einem Gewitter. Von dem steilen Abhänge zogen sich zahl- reiche kurze Ravinen dem Meere zu , in jeder hatte man oben einen Brunnen gegraben und das Wasser zur Bewässerung auf die Felder geleitet. Lange vor dem Auftreten des Quellenfinders Paramelle hatten hier die Mauren schon sich dieselbe Theorie entwickelt und aus dem Einsinken des Bodens an Existenz eines Wasserlaufes darunter geahnt. Die Umgebung von Mostaganem und Mazagran wird dadurch fast unabhängig vom Regen und ist üppig grün zu allen Jahreszeiten. Auch für uns erwies sich Mostaganem als ein reicher Fund- ort, nur mit Mühe brachten wir die reiche Ausbeute noch unter und schon das uöthigte uns an die Rückkehr nach Oran zu den- ken. — Dazu kamen die Nachrichten aus dem Inuern. Noch war nichts Bestimmtes bekannt, aber die Unruhe war allgemein, Nie- mand zweifelte mehr an einem baldigen Ausbruch. Wir nahmen also Plätze in der Diligence und fahren am 25. April wieder nach Perregaux, um von da die Bahn nach Oran zu benützen. Es war gut so, denn an demselben Morgen traf die Nachricht von der Ermordung des Lieutenant Weinbrenner ein, natürlich anfangs zur Niedermetzeluug eines ganzen Detachements aufge- bauscht. Erst in Oran erfuhren wir Genaueres. Echt französischer Leichtsinn hatte die Katastrophe herbeigeführt. Der Regierung waren die offen betriebenen Agitationen des Bu Amema nach und nach bedenklich geworden; sie lud ihn darum ein, zu einer Be- sprechung nach Mascara zu kommen. Der Marabut war aber klug genug, nicht in die Falle zu gehen und blieb bei seinem getreuen Uled Sidi Scheikh, Man beschloss nun, sich seiner mit Gewalt zu bemächtigen und sandte dazu einen Lieutenant vom Bureau arabe mit vier, sage vier Spahis ab; natürlich wurde er von dem fanatischen Stamm ohne Weiteres erschlagen und mit ihm seine vier Begleiter. — 208 — Man kann sich denken , dass in unserem Wagen von nichts anderem die Rede war, als von den Arabern, und dass wir mit- unter nicht ohne Besorgniss zum Fenster hinausblickteu. Fuhren wir doch durch eine Gegend, in der manche blutige Schlacht ge- schlagen worden. Mazagrau ist berühmt durch den verzweifelten Widerstand, den ein kleines Detachement in seinem Fort dem ganzen Heere Abd-el-Kaders geleistet und in der Ebene, durch welche der Weg führt, haben die Franzosen seinerzeit die unter dem Namen der Schlacht an der Makta bekannte blutige Nieder- lage erlitten. Ganz uuaugegriffen sollten wir auch nicht durch- kommen. Als unser Wagen eine Zeitlang langsamer fuhr, stürzte eine wilde Kinderhorde auf uns zu uud verfolgte uns, aber nicht in b()ser Absicht. Soldo, derka Soldo, hiess es unaufhörlich und in allen möglichen Tonarten ; fast eine halbe Stunde weit rannte die Bande unserem Wagen nach uud balgte sich um die Kupfer- münzen, die man ihnen hinauswarf. Sie gehörten zu einem grossen Duar , den wir in einiger Entfernung von der Strasse sahen und scheinen das Wegelagern handwerksmässig zu be- treiben. Die Gegend war von Mostaganem an anfangs sehr gut be- baut, die Felder sahen gut aus uud zeigten, was mau auf gutem Boden in Afrika auch ohne Bewässerung in Durchschuitts- jahren erwarten kann. Der Weizen war am Reifen, die Trauben begannen schon zu schwellen. Die zahlreichen wilden Oelbäume hatte mau im europäischen Gebiete überall gepfropft, in wenigen Jahren werden sie reiche Ernten bringen. Wilde Oliven findet man durch ganz Algerien ; das Ausschlagsvermögen des Oelbaums ist fast unbegränzt und trotzt sogar dem Verwüstuugssystem des Arabers ; in neuerer Zeit hat man ernstlich angefangen , sie zu veredeln und die Regierung unterstützt das nach besten Kräften durch Prämien. Zwischen Mostaganem und der Maktaebene erhebt sich der Bergrücken Trek- el-Touires, ganz in den Händen der Colonisten und gut augebaut. Hier liegt auch das Dorf la Stidia, das vil- lage des Prussieus, von lauter Deutschen aus der Gegend von Trier bewohnt, welche sich 1847 von Auswanderungsageuten be- reden Hessen , hierher statt nach Amerika überzusiedeln. Das jammervolle Schicksal der armen Leute ist in Algerien heute noch Jedermann bekaunt; man hielt ihnen keine der gegebenen Ver- — 209 — sprechungeu und gab sie geradezu dem Huuger preis. Der deutsche Fleiss hat aber trotzdem gesiegt ; die Colouisteu rodeten Nachts das Buschwerk aus uud brachten es ara Tage nach Mostaganem, um sich wenigstens den nothdürftigsten Lebensunterhalt zu verdienen ; ihrem ünermüdhchen Arbeiten gelang es, dem nicht sonderlich ergiebigen Boden immer reichere Ernten abzuringen und sich nach und nach in bessere Verhältnisse zu bringen. Heute ist la Stidia die wohlhabendste Colonie der ganzen Gegend, aber von den Gründern ist keiner mehr übrig. Ihre Kinder gelten noch immer als Prussiens uud haben das französische Bürgerrecht noch nicht erworben. Die Strasse überschreitet den Bergrücken und steigt dann hinab nach dem Dorfe Aboukir, das auch noch in reich ange- gebauter, grüner Umgebung liegt. Dann beginnt die Ebene uud mit ihr das Land der Araber und die Einöde. Erst näher an Perreganx haben wieder Europäer gewagt, sich anzusiedeln und im Vertrauen auf den Eucalyptus, welcher in mehrfachen Reihen jedes Gehöfte umgiebt, dem Fieber zu trotzen. Es bleibt abzu- warten, ob es ihnen gelingen wird, die sumpfige Ebene der Cul- tur zu erobern. Näher an Perreganx ist das schon geschehen. Hier kann das Land von der grossen Barrage der Habra aus be- wässert werden. Weithin streckten sich prächtige Gerstenfelder, die sich schon zu färben begannen. Hier und da hatte man 8 — 10 Fuss hohe Gerüste aus Balken aufgeschlagen und auf jedem stand gesticulirend und schreiend ein Araber im flatternden Bur- nus, der Feldhüter, der von diesem erhöhten Standpunkte aus die Ernte gegen Vögel und Vieh zu beschützen hat. Zeitig erreichten wir Oran , freudig bewillkommnet von un- seren Freunden, die schon in Sorgen um uns gewesen. Genaueres über den Aufstand konnten wir hier auch noch nicht erfahren ; wir mussten ohnehin ein paar Tage ausruhen und unsere Aus- beute ordnen und zum Verschicken fertig machen ; wir entschlossen uns also, ruhig die Entwicklung der Sache abzuwarten. An einen Erfolg oder auch nur an eine grosse Ausbreitung des Aufstandes war ja nicht zu denken, dazu lagen zu viel Truppen in der Pro- vinz, aber vereinzelte Räubereien und Mordanfälle konnten nicht ausbleiben, auch konnte Niemand wissen, ob nicht die unbändigen Hakem Scherifi in der Ebene von Maskara mit den Uled Sidi Scheikh im Einverständnisse wären. 14 — 210 — Schon nach wenigen Tagen stellte sich aber heraus, dass der Ausbruch zu früh erfolgt und eine Weiterverbreitung nicht zu erwarten war. Mau erfuhr, dass Kaddur-beu-Hamza, der Aga von Saida, unmittelbar nach dem Ausbruch der Unruhen sich mit seinen Ghums auf die Uled Sidi Scheikh, mit denen er jedenfalls noch «ine alte Rechnung abzumachen hatte, geworfen. Allerdings war er mit einem tüchtigen Denkzettel heimgeschickt worden, aber damit war der alte Hass zwischen beiden Stämmen neu erweckt und eine Barriere zwischen den Beduinen der Wüste und den Stämmen der Ebene Eghriz geschaffen , welche den Plänen Bu Amenias verhänguissvoll werden sollte. Herr Levy, welcher das Land genau kennt und durch seine ausgedehnten Handelsverbindungen immer gut untei-richtet ist, meinte, man könnte ganz unbekümmert nach Tlemcen gehen, rieth uns aber ganz entschieden davon ab, von dort aus, wie wir vorhatten , längs der marokkanischen Gränze über Lella Marnia und Nedroma nach Nemours weiter zu reisen, da nahe der Gränze die Verlockung zu einem Raubanfall zu gross sei. Wir hatten schon mehrmals Gelegenheit gehabt, seine Rathschläge als gut zu erproben, und entschlossen uns, ihm auch diesmal zu folgen. Sechstes Capitel. Tlemcen. Wer kennt heute in Europa noch den -Namen Tlemcen? Die Zeiten sind vorüber, wo es die Residenzstadt der Beni Zian war und an Glanz mit Tunis und Marocco wetteiferte, wo -von ihm aus fast das v ganze heutige Algerien und ein gutes Stück von Marocco regiert wurde. Damals hatten alle italienischen Handels- städte ihre Comptoirs in Tlemcen und tauschten dort ihre Waareu gegen die Producte Nordafrikas und des fernen Sudan. Wie Mährchen aus Tausend und einer Nacht weht es uns an, wenn wir bei den arabischen Chronisten die Beschreibung der Feste lesen, welche die prachtliebenden Sultane von Tlemcen ihren Unter- thanen gaben und wenn wir von dem Ruhme der Universität hören, die sich am Grabe des grossen Heiligen Bu Medin erhob. Die Rothbärte mit ihren Türkenhorden habeu dem Zenidenreiche ein Ende gemacht, von der Herrlichkeit ihrer Residenz ist wenig — 211 — übrig geblieben und Tlemcen ist heute ein abgelegenes Laud- städtehen, das nur dann und wann einmal von einem neugierigen Touristen aufgesucht wird. Noch ist die Eisenbahnverbindung mit Oran, obschon sie auch aus strategischen Gründen unbedingt nöthig erscheint, nicht über das Stadium eines Projectes hinaus gekommen, aber eine gute Strasse mit täglich zweimaliger Diligence erleichtert den Besuch von Tlemcen. Fünfzehn bis achtzehn Stunden in einer algerischen Diligence ist freilich kein allzu grosser Genuss, doch kauu man im schlimmsten Falle auch halbweg in Ain Temuschent über- nachten und am anderen Tage weiter fahren. Wir hatten zwar Coupeplätze genommen, aber da wir den Raum noch mit einem Dritten, einem Advocaten aus Tlemcen, th eilen musten, kann ich nicht gerade sagen, dass wir sonderlich bequem gesessen hätten, unsere Situation hatte eine verzweifelte Aehnlichkeit mit der von Häringeu in einer vollgepackten Tonne. Immerhin waren wir aber vor dem Staube geschützt, und als am anderen Morgen die Passagiere des Interieur herauskrochen, weiss bestäubt wie Müller, waren wir doch noch ganz zufrieden. Viel Freude machte uns ein mitfahrender Gensdarm, offenbar ein alter, im strammen Dienst ergrauter Troupier, der sich gar nicht darüber beruhigen konnte; bei jedem Pferde Wechsel sprang er heraus, zog eine grosse Kleiderbürste hervor und machte die verzweifeisten An- strengungen , um seiner Uniform wieder die dienstmässige Fär- buno- zu verschaffen. Seine Mühe war umsonst, auf der nächsten Station sah er doch wieder aus, als habe er sich im Staub gewälzt. Die Diligence fäbrt Abends 8 Uhr ab. In scharfem Trab gingen unsere sieben Schimmel — unter sieberispännig , drei Pferde hinten und vier vorn, sieht man selten eine Diligence — die steile Strasse hinauf nach der Vorstadt Eckmühl und der Porte S. Audree; man braucht fast eine halbe Stunde, bis man aus dem Ortsbering hinauskommt. Dann ging es weiter über die Hochebene, bald in scharfem Trab, bald im Galopp, in einem anderen Tempo, als in den deutschen Eilwagen hochseligen An- gedenkens, von einer dichten Staubwolke umhüllt, aus welcher sich nur die sieben Pferde heraushoben. Höchstens alle zwei Stunden wurde umgespannt, immer waren es muthige Thiere, welche kein Antreiben seitens des Postilions bedurften. — 212 — Als der Morgen graute batten wir Ai'n Temuschent bereits passirt ; von den üeberresten des römischen Tiniici ist nicht viel mehr zu sehen, die ausgegrabenen Alterthünier hat man ohnehin nach Oran gebracht, wo sie noch immer vergeblich auf die Er- richtung eines Alterthumsmuseums harren. Die Gegend ist alluviales Hügelland, ziemlich grün, aber fast baumlos, in ihrer ganzen Beschaffenheit auffallend an das innere Sicilien erinnernd. Nur hier und da deuteten Colonisteuhäuser, von Weinbergen und prächtig gedeihenden Olivenpflanzungen umgeben, auf eine bessere Zukunft, sonst bewies nur selten ein arabisches Zeltdorf auf dem kahlen Felde, dass man sich in einem bewohnten Lande befinde. In langen Schlangen Windungen ersteigt die Strasse die Wasser- scheide des Col de Tizih, wo man an einer starken Quelle das Colouistendörfcheu Aiu Sefra gegründet hat. Von der Höhe bietet sich eine prächtige Aussicht auf das Thal des Isser und darüber hin auf die Berge von Tletncen, in deren Wall das Thal des Safsaf wie eine Scharte einschneidet. In tollem Galopp geht es nun zwei volle Stunden laug in Schlangenwindungen bergab, vorbei an den Steinbrüchen, welche einst das Material zu den durchsichtigen Säulen lieferten, mit welchen die Sultane von Tlemceu ihre Prachtbauten schmückten, hinab ins grüne Thal des der Tafna zuströmenden Isser, und dann wieder in ebenso langen Windungen bergauf auf das Plateau des Dschebel ßome- liah. Immer deutlicher treten die mächtigen Berge hervor, welche südlich von Tlemcen das Teil von der Wüste scheiden , der Dschebel Attar, der Dschebel Abbas und der Dschebel Beni Abbal der Hauptkuoteupunkt der Gebirge von Oran, an dem zahlreiche Flüsse ihren Ursprung nehmen. An ihrem Fusse erstreckt sich mauerartig eine Felsenwand aus einem dichten Walde aufragend, in welchem die weisse Moschee von Bu Medin sich leuchtend abhebt. Endlich kommt auch Tlemcen selbst in Sicht, fast versunken in einem Meere von Obstbäumen, aus dem nur die Minarete und die Zinnen des Meschuar hervorragen. Unten am Safsaf werden zum letzten Male die Pferde gewechselt, dann geht es im rasenden Galopp bergauf und in den Obstwald hinein. Oelbäume von einer Höhe, wie ich sie in Sicilien nie gesehen, beschatten den Weg, Rosen- hecken, mit unzähligen Blütheu bedeckt, fassen die Grundstücke ein, überall rieselt Wasser durch das frische Grün, nur der Staub — 213 — auf deu Blättern zeigt, class auch hier seit lauge keiu Regen ge- fallen. Durch den Stadtpark, den der Bewohner von Tlemcen mit nicht geringem Stolze Bois de Boulogne nennt, erreichen wir das Thor und durch eine prachtvolle vierfache Allee von Platanen das Postbureau, in dessen Nähe uns das freundliche, saubere Hotel de France seine gastlichen Zimmer öffuet. Tlemcen müssen Sie sehen, Tlemcen ist maguifique, hatte man mir überall in Oran gesagt ; hier begriff ich bald deu Zauber, welchen der üppiggrüne Obstwald von Tlemcen auf deu Be- wohner Nordafiikas ausübt. Es ist eben ein Stück Italien, ein- gefasst von dem kahlen Ackerlande Nordafrikas. An den Hängen des südlichen Apennin habe ich manche ähnliche Gegend gesehen, doch würde Tlemcen auch dort immer noch für schön gelten. Die Stadt liegt auf einer Höhe über dem Safsaf, am Fusse einer gewaltigen Felswand, welche sich stundenweit hinzieht; dieselbe macht ganz den Eindruck, als sei sie aus Tuff gebildet, Absatz der mächtigen Quellen, welche oben auf dem Plateau am Fusse der Sandsteinschichten entspringen, die den Kalk überlagern und ihrerseits wieder von den älteren Kalken des Dschebel Attar überlagert werden. An den Quellen hängt die Existenz der Stadt, sie allein haben ihr die Möglichkeit gegeben, ihre Wohlhaben- heit und auch einen Theil ihrer Gewerbthätigkeit über die Türken- herrschaft hinaus zu retten, üeberall rauscht' und rieselt es von den Bergen herab, treibt Mühlen und Oelpressen und bewässert die Gärten; die eine Quelle Ain Kalaat hat Wasser genug, um nicht nur die jetzt existireuden, sondern noch eine ganze Menge neuer Anlagen zu treiben, sobald erst einmal eine Eisenbahn, sei es nach Oran, sei es nach Raschgun an der Mündung der Tafna, die Verbindung mit dem Meere erleichtert. Im Zimmer litt es uns trotz der durchfahreuen Nacht nicht, wir restaurirten uns etwas und machten uns dann auf den Weg hinaus ins Freie. Am Meschuar vorbei, dem alten Schlosse, das nun mit seinen eisenfesten Mauern als eine Art Citadelle mitten in der Stadt liegt, gelangten wir zu dem Thore von Bu Medin, durch welches wir gekommen, dann wandten wir uns rechts, dem Bache entlang zu den Felsen aufsteigend. Gut gepflegte Gärten mit Obstbäumen bepflanzt, dehnten sich nach allen Seiten aus, erfüllt von üppiger Vegetation, überall durchrieselt von den Ver- zweigungen der Bergquelle. Hier und da lag eine oberschlächtige — 214 — Mühle oder eine Oelfabrik mit ungeheurem Rade, auch ein paar Gerbereien bewiesen, dass die Lederindustrie heute noch in Tlemcen gepflegt wird. An die Gärten schlössen sich Gersten- felder mit einzelnen Oelbäumen, dann kam eine steile, mit kurzem Rasen bedeckte Berglehne und über derselben erhob sich schroff und unersteiglich der mauerartige Felsabhang, welcher die ganze Gegend von Tlemcen nach Süden hin begränzt. Wie an solchen Stellen immer, machten wir auch hier eine reiche Ernte an sel- tenen Schnecken, die. in den Spalten und Löchern Schutz vor den Sonnenstrahlen gesucht. Oben liatten wir eine prächtige Aussicht. Der Blick schweifte weit hinaus über die Provinz Oran bis nach Marrocco hinein ; das Meer aber war durch den hohen Col de Taza bei-Nedroma verdeckt. Zu unseren Füssen liegt das schöne Tlemcen in seiner üppig grünen Baumumrahmung; wie aus der Vogelperspective übersehen wir jede Strasse und die klare Luft lässt auch die geringste Einzelheit erkennen. Uns zunächst sehen wir den Meschuar. Von seiner alten Herrlichkeit ist freilich wenig übrig geblieben, nur eine Moschee mit ihrem zierlichen Minaret zeugt noch von verschwundener Pracht ; die Paläste der Beui Ziau sind in den Kämpfen derselben mit den marroecauischen Sultanen zer- stört worden, was übrig blieb, wurde in den Bürgerkriegen ver- wüstet. Die Chronik von Mohamed el Tenessi uud die Reise- beschreibung des Leo Africanus erzählen Wunderdinge von den Kunstschätzeu, mit welchen besonders Abu Taschfin seinen Palast schmückte. Hier stand die berühmte Uhr, welche ein Maure aus Tlemcen, Ihn el Fahhani, zwischen 1350 — 13(50 n. Chr. für den kunstliebenden Herrscher fertigte und deren genaue Beschreibung uns der Chronist überliefert hat. Sie bestand aus einem prächtig gearbeiteten Kästchen mit zwölf Thüren ; nach jeder Stunde öffnete sich eine derselben, welche die Zahl der Stunde trug; aus zwei grösseren Pforten kamen zwei Adler heraus, setzten sich auf den Rand eines kupfernen Beckens und Hessen aus dem Schnabel ein Gewicht hinein fallen. Sofort begann eine Schlange, welche sich um einen Baumstamm, der auf dem Kästchen stand, ringelte, sich zu bewegen, sties ein Zischen aus uud verschlang einen jungen Vogel aus einem Neste auf dem Baum, während der alte Vogel sich vergeblich zur Wehr setzte. Aus einer Thür der Uhr trat aber gleichzeitig eine prächtig gekleidete Sclavin, begrüsste den — 215 — Sultan und hielt ihm eine Rolle hin, auf welcher die Stunde ver- zeichnet stand. Ein anderes weit berühmtes Kunstwerk des Meschuar war ein silberner Baum, unter welchem der Thron stand, alle Arten Singvögel waren auf demselben angebracht und Hessen ihr Zwitschern hören, wenn die verborgenen Blasbälge in Bewegung gesetzt wurdeu, bis der Luftstrom den Falken erreichte, welcher auf dem obersten Zweige sass; dann stiess dieser seinen wilden Schrei aus und die kleinen Vögelchen schwiegen wie er- schreckt. Gerade diese Schätze waren es, welche die Eifersucht der maroccanischen Sultane aus dem Stamme der Meriniden er- regten. Nach langem unentschiedenen Kampfe erstürmte Abu Hassen. Ali, der Schwarze, am 1. Mai 1337 die Stadt; Abu 'Taschfin fiel tapfer kämpfend bei der Vertheidigung des Meschuar und seine Schätze wanderten nach Marocco. Zwar gelang es schon zwanzig Jahre später den Beni Zian^ sich wieder unabhängig zu machen, und Tlemcen erlebte unter ihrem Scepter noch einmal eine Nachblüthe, aber zu der alten Macht und Herrlichkeit gelangte es nicht wieder. Die Eroberung Orans durch die Spanier schnitt es von der See ab, und die letzten Zeniden sahen sich .genöthigt, die Oberherrschaft des Königs von Spanien anzuerkennen. Einer derselben rief die Janitscharen aus Algier zu Hülfe, und Arudseh Barbarossa kam auch und besetzte Tlemcen; aber anstatt seinem Schützling zu helfen, Hess er ihn und seine sieben Söhne ergreifen und an Händen und Füssen gebunden in einen Teich werfen; er selbst stand dabei und er- götzte sich an dem Todeskampfe der Verrathenen. Die Strafe blieb aber nicht aus; von den Spaniern angegriffen, musste der gefürchtete Seeräuber flüchten; ein spanischer Ritter holte ihn ein und brachte sein abgeschlagenes Haupt zurück. So kam noch einmal ein Sprössling der alten Herrscherfamilie auf den Thron, aber seine Herrschaft dauerte nicht lange; 1558 erschien Salah Reis, der Pascha von Algier vor der Stadt und der letzte der Beni Zian floh nach Oran, wo er als SchützHng der Spanier starb. Sein einziger Sohn ging nach Spanien und trat zum Christen- thume über. Von da an hielten die Türken den Meschuar besetzt, auch nach der Eroberung von Algier durch die Franzosen vertheidigten sie und ihre Nachkommen von arabischen Weibern, die Kuluglis, diese Festung mannhaft gegen den Sultan von Marrocco, welcher die — 216 — Gelegenhtiit benutzen wollte, um das westliche Oran zu aunectiren. Die Kuluglis traten später in den Dienst der Franzosen und ver- theidigteu den Meschuar auch gegen Abd-el- Kader, bis General Clauzel sie entsetzte. Seitdem lag französische Besatzung in der Citadelle ; der Oberst Cavaignac hielt hier eine lange Belagerung durch Abd-el-Kader aus, bis die Schlacht bei Sikkek ihn befreite. Trotzdem wurde das Gebiet von Tlemcen im Frieden an der Tafna dem Emir abgetreten, und die Stadt war seine Residenz, bis sie 1842 definitiv dem französischen Territorium einverleibt wurde. Heute dient die Burg der Zeniden ausschliesslich französischen Militärzwecken und bildet gewissermassen die Citadelle von Tlemcen, obschon sie die Stadt durchaus nicht beherrscht und yon den benachbarten Höhen aus jederzeit beschossen werden kann. Auf unserem Heimweg hatten wir Gelegenheit, das Innere des Me- schuar zu sehen, es ist aber nicht viel Sehenswürdiges mehr darin, nur das Officierscasino und das ausgedehnte Militärspital sind von prächtigen Gärten umgeben. Der zweite Tag war der Cascade des Safsaf gewidmet, der Hauptmerkwürdigkeit von Tlemcen. Da die Entfernung dorthin etwa anderthalb Stunden betrug, und eine gute Strasse bis un- mittelbar an den Fuss des Falles führt, nahmen wir einen Wagen. Wir fuhren fast fortwährend durch den üppigen Obstwald, welcher Tlemcen und Bu Medin umgibt, immergrüne Eichen mit essbaren Früchten, Birnen, Kirschen und Nassbäume mischen sich mit dem Oelbaum, die Rebe klettert bis zu den Wipfeln empor und ihre Trauben lachen aus dem fremden Laub heraus, saftgrüne Wiesen, von Eschen beschattet, erfüllen die von den Verzweigungen des Safsaf durchrieselten Thalgründchen. Ein Canal, den man un- mittelbar über dpm Wasserfall abgezweigt hat, führt das Nass den Districteu zu, welche nicht mehr von der Quelle von Ain Kelaat bewässert werden können. Im Grün förmlich versunken liegt das Dörfchen el Eubbad, nur die Moschee Bu Medin's, nach welcher man gewöhnlich das Dörfchen benennt, ragt mit ihrem Minaret über die Wipfel hervor. Bald biegt die gute Strasse in das Thal des Safsaf ein und führt fast eine Stunde lang, immer sich senkend, an seinem steilen Abhänge hin, während gegenüber, genau in derselben Weise ansteigend ihre Fortsetzung sichtbar ist. Das enge schluchtartige Thal ist unten mit Grün erfüllt, am Ab- hang selbst stehen nur wenige Bäume, oberhalb unserer Strasse — 217 — aber, oder richtiger oberhalb des Bewässeruugscanals, der nahe der Strasse verläuft, ist alles kahl bis au die Felsenziuueu, welche auch hier den Abhang nach oben begränzen. Jetzt biegt die Strasse um eine Ecke und führt auf eine Brücke, der Wagen hält, wir sind am Ziele, aber umsonst sehen wir uns nach der Cascade um, der abnorme Winter hat auch hier gewirkt und der Safsaf hat kaum noch Wasser genug für die Bewässerungsgräben, sein herrlicher Wasserfall liegt seit undenklicher Zeit wohl zum ersten Mal schon Anfangs Mai trocken. Im Hotel hatte man uns das wohlweislich verschwiegen und unser erstes Gefühl war daher das einer grossen Enttäuschung, bei genauerer Betrachtung sahen wir aber immer noch genug, um uns eine Vorstellung da- von machen zu können, wie wunderschön es hier in anderen Jahren sein muss. In einem geschlossenen Halbkreis erhebt sich eine Felswand, deren freie Enden mindestens 200 Meter hoch senkrecht abfallen ; sie scheinen höher als die Mitte , aber vielleicht ist das nur eine Täuschung , denn der Hintergrund ist mit mächtigen Felsblöcken erfüllt bis fast obenhin. Ueber diese schäumt sonst der crystall- klare Safsaf in wilden Sätzen herunter, nach jedem Sprung ein tiefes Bassin bildend , als wolle er ausruhen ; der schönste Fall aber liegt unmittelbar unter der Brücke , wo der Bach über eine mindestens sechs Meter hohe senkrechte Felswand hinabstürzt. Eine üppige Masse von Grün erfüllt den ganzen Cirkus ; Kirsch- bäume und Feigenbäume stehen, wo nur der geringste Raum zwischen den Felsblöckeu bleibt, und über die Blöcke und an den Wänden empor klettern Epheu und verschiedene Clematisarteu, deneh sich von obenher die dunkelgrünen Banken der Brombeeren entgegensenken. Nirgends habe ich den Acanthus mit seinen prächtigen Blättern so üppig gesehen wie hier ; wo aber ein klei- nes Stückchen Land zwischen den Blöcken blieb, hatten fleissige Araber ihre Gärtcheu angelegt, in denen die Gerste und mancher- lei Gemüse prächtig gedieh. Durch dieses Grün rieselt sonst über- all das Wasser in unzähligen Cascatellen, die ganze Schlucht mit feinem Wasserstaub erfüllend; überall sah man noch ihre Spu- ren, kenntlich an dem feinen Moos, das alle Rinnsale auskleidet. Ein feiner Kalktuff, aus dem Wasser abgesetzt, überzieht alle Felsenwände; auch die Felsen selbst scheinen Kalktuff und ein Product desselben Safsaf, der sie später wieder zerstört. - 218 — Wenn der Fluss Wasser genug hat, muss es herrlich sein, hier in dem von Wasserstaub erfüllten Cirkus , im Schatten der hohen Felsenwände zu sitzen und auf die souuendurcb- glühten kahlen Abhänge des gegenüberliegeu-den Dschebel Bom- meliah und darüber hin nach den fernen Küsteubergen zu blicken. Wir trafen es weniger günstig. Es war kurz nach Mittag, kein Lüftchen regte sich und die Sonne brannte entsetz- lich in dem Felsenzirkel. Ein euges Pfädchen führt zwischen den Felsen blocken hiuauf bis zum Oberraude der Cascade; wnr folgten ihm; manchmal mussten Avir uns mühsam durchwinden oder durch förmliche Thore kriechen, aber wir hielten reiche Ernte. Eine schöne, für die Gegend von Tlemcen charakteristische Schnecke, Helix Jourdaniana Bourg., welche sonst reich und bunt gezeichnet ist und besonders eine tiefbrauue Mündung hat , findet sich hier im Bereich des Falles nur milchweiss , aber trotzdem festschalig und nur selten mit durchscheinenden Bändern , wie sie sonst bei den sogenannten Albinos, den des E'arbstoffs entbehrenden Exem- plaren, Regel sind. Es ist nicht eben leicht, diese Erscheinung zu erklären. Man beobachtet ein Vorwiegen albiner Exemplare auch anderswo und hat den Grand dafür meistens in ungünstigen Lebensbedingungen, Mangel an Kalk u. dgl. gesucht. Hier be- steht der ganze Boden aus Kalk, sogar aus einem leicht löslichen Kalktuff, Nahrung ist im Ueberfluss vorhanden, die Spalten und Höhlen der Kalkblöcke bieten die denkbar günstigsten Wohn- plätze, an Licht, Luft und Wärme fehlt es selbstverständlich nicht, und dennoch waren sämmtliche Exemplare von Hei. Jourdaniana, die ich finden konnte, Albinos. Auch sonst ist das Gebiet der Cascade von einer reichen Schueckenwelt bevölkert, aber die Trockenheit hatte auch hier ihre verderbliche Wirkung ausgeübt und wir mussten uns viel- fach mit leeren Schalen begnügen. Nur in den cristallklaren, tiefen Bassins, deren Ruhe eben durch keine hineinstürzenden Wasserstrahlen mehr gestört wurde, wimmelte es von riesigen Exemplaren einer Wasserschnecke {Melanopsis praerosa L.), die ich selten so schön und gross gefunden habe, wie hier. Fische sahen wir nur wenige, noch weniger die bis zu vier Meter langen Schlaugen, mit denen die arabische Phantasie diese Localität bevölkert. Die glühende Hitze trieb uns zurück in eine von einem Spa- nier gehaltene Cantine, in der wir uns erquicken konnten. Dann — 219 — ging es zurück nach Tlemcen. Diesmal nahmen wir den Weg über die Mokbara, das Todtenfeld des alten Tlemcen. Es ist ein weiter, wüster Raum, welcher sich zwischen Bu Mediu und Tlem- cen ausdehnt, bedeckt mit unzähligen Disteln und Dornsträuchern, erfüllt mit verfallenen Gräbern, welche meistens ein Steinhaufen gegen die früher hier häufige Hyäne schützt. Nur wenige meist zerfallene Kubbahs deuten die Gräber wichtigerer Persönlichkeiten an. Der Araber hat zwar insofern eine grosse Pietät gegen seine Todten, als er ihnen den Raum, den sie einmal eingenommen, für alle Zeiten lässt, bis sie am jüngsten Tage der Erzengel zum Gericht ruft ; aber sonst kümmert er sich um die Friedhöfe nicht sehr viel und auch die einzelnen Gräber werden von den Ange- hörigen nicht weiter unterhalten. Zwergpalmen und Dornsträucher erfüllen bald die älteren Theiie der Grabstätte; Bäume, wie sie der Türke gerne ans Grab pflanzt, liebt der Araber nicht. Nur wo ein vornehmerer Manu oder einer der unzähligen Localheiligen begraben liegt, errichtet mau eine Kubbah oder, wie es die Fran- zosen meist unrichtig nennen , einen Marabut , d. h. eine kleine viereckige Kappelle mit einer Kuppel. Aber auch diese zerfällt meistens bald, und nur die Kubbahs grösserer Heiligen werden im Stande erhalten. Hier auf dem Mokbara von Tlemcen liegt ein weitberühmter Heiliger begraben, Sidi Mohamed el Snussi, der im Jahre unserer Zeitrechnung 1489 zu Tlemcen verstarb. Sein Grabmal steht heute noch aufrecht und ist blendend weiss angestrichen, Dank einer Stiftung, welche die Sultane von Tlem- cen bald nach dem Tode dieser Zierde ihrer Universität gemacht. Das kleine Dorf El Eubbah war einstmals hochberühmt im Islam, Hier ruht nicht nur der grosse Wali Sidi Abd-Allah-ben- Ali, sondern auch der noch grössere Ibu Hussan el Andalusi, ge- nannt Abu Median oder im Volksmunde gewöhnlich Bu Mediu; er schläft an der Stelle, die er sich selbst gewählt, als der eifer- süchtige Sultan von Tlemcen ihn aus Bugia an seinen Hof hatte fordern lassen. Dieser Heilige war, wie sein Beiname el Anda- lusi andeutet, in Südspauieu und zwar in Sevilla geboren und zeichnete sich schon früh durch Wunder ohne Zahl aus. Eine Zeit lang lebte er in Tlemcen, dann zog er weiter nach Mekka und Bagdad, und wurde dort der Schüler des grossen el Djelali, welcher ihn in seinem neu gegründeten Khuan (Orden) aufnahm und ihm später dessen Leitung verebbte. Als berühmter Heiliger — 220 — kehrte Bu Meclin in sein Vaterland zurück, aber iu seiner De- muth war ihm die allgemeine Verehrung lästig, und er verliess Spanien, um sich in Bugia niederzulassen. Doch auch dort konnte er seinen Verehrern nicht entgehen, sein Ruhm verbreitete sich immer weiter, aber er erwarb sich auch Feinde und diese ver- leumdeten ihn am Hofe zu Tlemcen. Yakub el Mansur, der Al- mohade, welcher damals in Nordafrika herrschte, Hess den Gottes- mann vor seinen Thron fordern. Als derselbe mit seiner Escorte auf dem Col de Tizi stand, deutete er hinüber nach El Eubbah und sagte: »Dort will ich den ewigen Schlaf schlafen!» und unten am Isser angelangt, starb er. Man begrub ihn nahe der Kubbah des Abu Abd Allah ben Ali und Wunder ohne Zahl, die sich am Grabe ereigneten, überzeugten bald den Sultan, dass er wirklich ein grosser Heiliger gewesen. Er Hess ihm darum eine prächtige Kubbah errichten und seine Nachfolger fügten eine glänzende Moschee hinzu und stifteten auch eine Medersa (Universität), an welcher sich bald die frömmsten und gelehrtesten Männer des Islam sammelten. Die Moschee hat den Ruf ihrer Heiligkeit durch alle Stürme bewahrt, noch heute kommen von allen Seiten Wallfahrer mit reichen Geschenken , wenn auch nicht mehr so zahlreich wie zur Zeit Abd-el-Kaders, wo hier die Feinde der Franzosen sich Rendezvous gaben und den Segen Allahs für den heilio-en Krieg erflehten. Kubbah wie Moschee sind heute dem Fremden gegen ein Trinkgeld zugänglich. Die Kubbah wird von einem Hof umgeben, dessen Arcaden auf Säulen des durchsichtigen Travertins ruhen, den man am Col de Tizi bricht ; die Sultane von Tlemcen be- nutzten mit Vorliebe diesen Stein statt des in der Gegend feh- lenden Marmors. Die Kapelle ist von ungewöhnlicher Grösse : durch die mit buntem Glase geschlossenen schmalen Fenster der Kuppel fällt ein mystisches Licht auf den reichgeschnitzten Sar- cophag, welcher die Gebeine des Heiligen umschliesst. Schwere Decken mit Goldstickereien verhüllen den Sarg, grüne Fahnen wehen darüber, und von der Decke herab hängen prächtige Oan- delaber, buntverzierte Strausseneier und andere Geschenke frommer Muselmänner, die hier gebetet. Nicht minder prächtig ist die Moschee. Thüreu aus massivem Cedernholz, reich mit getriebenem Kupfer beschlagen , die Arbeit eines gefangenen Spaniers,^ welcher sich damit seine Freiheit — 221 — erkaufte, schliessen das Thor, welches von zwei corintliischen Säu- len eingefasst und von buuten Payenceplatten urügebeu ist. Das Innere ist ganz im Style der Alhambra verziert und nach dieser wohl einer der schönsten Ueberreste'aus der guten Zeit der mau- rischen Baukunst. Der Eintritt wird dem Fremden ohne Schwie- rigkeit gestattet, nur darf er den Boden nicht mit seinen Stiefeln betreten. .Man verlangt aber von ihm nicht, dass er sie ausziehe, sondern hält hölzerne Pantoffeln bereit, die durch einen Riemen über die Fu?sbekleidung befestigt werden. Am folgenden Tage, dem sechsten Mai, besuchten wir die Trümmer von Mansurah oder Mansuriah, der Festuugsstadt, welche der Sultan von Marokko Abu Yakub erbaute, um von hier aus Tlemcen zu vernichten. Durch die engen Gassen der alten Mau- renstadt suchten wir uns den Weg zum Thore von Fez. Unmittel- bar vor demselben, liegt ein noch wohlerhaltener prachtvoller, Wasserbehälter, el Saridj genannt, welcher wahrscheinlich früher zu Bewässerungszweckeu , vielleicht aber auch zur Belustigung diente. Er ist jetzt leer , könnte aber mit geringen Auslagen wieder in Betrieb gesetzt werden. Hier Hess der Seeräuber Bar- barossa seine verrathenen Schützlinge , die Beni Zian , soweit er deren habhaft werden konnte , ertränken. — Nicht weit davon liegt eine kleine, aber sorgsam in Stand erhaltene Kubbah ; sie bezeichnet das Grab eines Localheiligen von Tlemcen , des Bu Djema. Es war das ein Kabyle, der in den Bergen von Trara lebte, bis ihn eine innere Stimme trieb, seine Schaafe zu verlassen und als Heiliger in die Welt zu ziehen. Vor dem Thore von Tlemcen gebot ihm die innere Stimme anzuhalten und gehorsam setzte er sich auf den Stein, neben dem er stand und blieb da sitzen, und so sass er viele Tage, viele Jahre lang, wie der selige Toggenburger, liess Haar und Bart wachsen, wusch sich nie — nebenbei bemerkt, das Hauptkriterium eines arabischen Heiligen — und nahm auch sonst wenig Notiz von der Welt. Die Bewohner von Tlemcen erkannten in dem seltsamen Gast bald einen Wali, einen Heiligen, fütterten ihn aufs Beste und sorgten ihm auch, wenn sein Burnus in Lumpen von ihm fiel, für einen neuen, und als er schliesslich »eine Leiche eines Morgens« dasass, bauten sie ihm die kleine Kubbah, die immer noch erhalten wird. Eine halbe Stunde weiter steht unmittelbar neben der Strasse ein Hufeisenbogen, nur aus Ziegeln erbaut, aber von prächtigen — 222 — Verhältnissen. Man könnte ihn für einen maurischen Triumph- bogen halten, wenn solche jemals im Islam Sitte gewesen wären. Es ist das ein Rest der gewaltigen Mauer, mit welcher der Merinide Abu Yacub die Stadt umgab, als er sie zum ersten Male be- lagerte , Bab el Khremis, das Thor der Armee, heisst der Bogen noch bis zum heutigen Tage. Fünf Minuten weiter kommt man an eine aus gestampfter Erde errichtete Mauer mit Zinnenthürmen, die einstmalige Stadtmauer von Mansurah. Die Merinidensultane von Marocco waren schon lauge eifer- süchtig auf die Macht der Beni Zian von Tlemceu. Da geschah es eines Tages, dass der Sultan von Tlemcen einen Sclaven grau- sam einer Kleinigkeit wegen züchtigte; der Sclave floh nach Fez und als er dort vor Abu Yacub geführt wurde, schilderte er ihm die Herrlichkeit des Meschuar mit so glühenden Farben, dass der Sultan sofort aufbrach, um die Stadt zu erobern. In Mansurah schlug er sein Lager auf und als seine Stürme an den festen Mauern von Tlemcen scheiterten , umzog er die ganze Stadt mit einer gewaltigen Mauer und baute für sich statt eines Lagers eine vollständige .Stadt, mit Mauern und vicFeckigen Thürmeu, die er Mansurah , die Siegreiche, nannte. Sieben Jahre lag er hier und schmückte seine Stadt mit prächtigen Bauwerken, aber es gelang ihm nicht die Mauern von Tlemcen zu brechen. Im achten Jahre des Krieges traf ihn der Dolch eines Mörders und sein Nachfolger hob die Belagerung auf. Mansurah wurde von den Bewohnern Tlemcens bis auf die prächtige Moschee zerstört, aber noch zweimal diente es den Meriniden als Stützpunkt, bis Abu Hassan Ali wieder nach einer mehrjährigen Belagerung Tlemcen erstürmte und seinem Reiche einverleibte. Ibu l^haldun, der Chronist der Meriniden, erzählt Wunder- dinge von der Pracht Mansurahs, und Ausgrabungen, welche man in neuerer Zeit vorgenommen, bestätigen seine Angaben. Heute sind nur noch die Mauern übrig, in deren Mitte sich ein- sam die Ruine der Moschee erhebt. Die Mauern sind wie die Thürme, nur aus gestampfter Erde erbaut, aber mit der Zeit eisenfest geworden; die viereckigen, in Entfernungen von etwa 50 Metern angebrachten Thürme haben seltsamer Weise keine Einsänge, sondern mussten auch von der Besatzung mit Leitern erstiegen werden. Von der grossen Moschee stehen noch die Umfassungsmauern und die Hälfte des Minarets, und zwar die — 223 — eine Läugshälfte. Bei dieser seltsamsteu aller Ruinen ist näm- lich der Thurm gei'ade der Länge nach von oben nach nnten durchgespalteu ; die eine Hälfte steht noch in ihrer ganzen Höhe aufrecht, während die andere bis zum Fundament zusam- mengestürzt ist. Der Araber hat natürlich dafür sofort eine, er- klärende Legende. Abu Yacub konnte bei der Eile, mit welcher er seine Stadt erbaute, nicht genug rechtgläubige Maurer auf- treiben und muste sich der Hülfe von Christen, nach anderen sogar von Juden bedienen; besonders an dem Minaret, welches er um die Hälfte höher erbauen Hess als sonst im Maghreb üblich , arbeiteten Rechtgläubige und Rumis zusammen , sogar ge Wissermassen um die Wette, denn jede Partie baute au einer Hälfte. Allah segnete aber nur das Werk seiner Getreuen, das der Ungläubigen stürzte zusammen. Die Trümmer geben heute noch Zeugniss von der Pracht der Moschee, vielfach sieht man noch Fayenceplatten, welche einst die ganze Oberfläche in eleganten Mustern bedeckten. Ouyxsäulen tragen die prächtigen Hufeisenbogen der Doppelfenster, und aus dem Schutte der Moschee hat mau die prachtvollen Säulen aus durchscheinendem Travertin hervorgezogen, welche heute die Museen in Algier und Paris schmücken. Innerhalb der Ringmauer liegt jetzt das französische Colo- uistendorf Mansurah, eine lauge Strasse, durchrauscht von dem Abfluss einer Quelle, welche oben auf dem Plateau entspringt und der von Tlemcen au Mächtigkeit nicht nachgiebt. Die Gärten sind darum auch hier nicht minder frisch und üppig, als um Tlemcen. Wir folgen dem Bache aufwärts an zahlreichen Mühlen vorbei, bis zum Felsrande, über welchen er in einem prächtigen Falle herunterkommt und ersteigen dann die Hochfläche. Hier ist keine Spur mehr von dem prachtvollen Baumwnchs, welcher Tlemcen und Mansurah umgibt, öde und kahl streckt sich die Fläche bis zum Fuss des Dschebel Attur, nur an der Quelle selbst hat sich ein Spanier angesiedelt und ein paar Silberpappeln ge- pflanzt. Um so schöner war der Blick hinunter auf den Wald und die daraus aufragenden Ruiuen, welche die Aehnlichkeit mit italienischen Landschaften noch mehr hervortreten Hessen. Längs der Felsenmauer , welche sich noch weit jenseits von Mansurah erstreckt, kehrten wir zurück bis zu einem zweiten, aber weniger wasserreichen Bache , welcher ebenfalls am Fusse — 224 — des Dschebel Attur entspringt und in kühnem Satze vom Fels- rande herunterkommt, ihm entlang erreichten wir die alte Strasse, welche nach Sebdu und dem Inneren führt und von den Arabern immer noch benutzt wird, obschon die Franzosen eine neue bequeme Landstrasse gebaut haben, welche freilich fünf Kilometer braucht, um das Plateau zu ersteigen. Zahlreiche Trupps, meist von Hunden begleitet, begegneten uns, vom Wocheu- markte heimkehrend. Sie grüssten freundlich und uns fiel jetzt erst wieder ein, dass man uns vor der Umgegend von Tlemcen gewarnt hatte und dass im Süden der Aufstand wüthe. Hier war mau darum ganz unbekümmert und hat es auch nicht zu be- reuen gehabt. Die Stadt Tlemcen bietet dem Touristen des Interessanten viel. Das maurische Element, das in Oran ganz fehlt, tritt hier in den Vordergrund. Oran hat niemals eine eigentliche Mauren- bevölkerung gehabt. Als die Spanier es 1794 räumten, zogen zwar eine Anzahl maurischer Familien von Mostaganem herüber, aber die sechs und dreissig Jahre bis zur Eroberung durch die Franzosen genügten nicht, um der Stadt einen maurischen Stempel aufzudrücken, und die Altstadt Orans trägt darum heute noch einen ganz ausgesprochen spanischen Charakter. Anders in Tlem- cen, wo Handwerk und Geschäft heute noch vielfach in mauri- schen Händen sind. Aber auch die Juden sind hier zahlreich und wohlhabend, und darum gestaltete sich am Sabbath, an dem auch wir einen Rasttag machten, das Strassenleben besonders bunt und glänzend. Wir setzten uns Mittags vor eins der Cafes, welche sich dem Meschuar gegenüber im Schatten der pracht- vollen vierfachen Platanenallee befinden. Diese Allee bietet zu allen Tageszeiten Schatten und bildet den Lieblingsspaziergang der Bewohner Tlemcens. Vor uns entfaltete sich ein buntes Treiben. Die Männer in der prächtigen kleidsamen Maurentracht, die Jacken aus farbigem feinem Tuch oder Sammet reichgestickt und an den geschlitzten Aermeln mit breiten Goldbordeu besetzt, den Kopf mit dem schueeweissen Turban umwunden, stolzirten würde- voll auf und ab, die hoffnungsvolle Jugend, in ähnlichem Kostüm, aber eine schwarze Sammetmütze mit Schild auf dem Kopfe, be- wegte sich lebhaft gesticulirend dazwischen ; hier und da sah man auch eine Jüdin, in Seide und Brokat glänzend, leider meist nicht sonderlich geschmackvoll costümirt und auch nicht durch ihre — 225 — Schöuheit auffallend. Die meisten Frauen zogen es freilich vor, von dem Balkon aus das Sabbathtreiben zu betrachten. Aus der nahen Kaserne gingen und kamen Turkos in ihrer bunten Uni- form und Spahis in ihren rothen Mänteln, den ungeheuren Be- duiuenstrohhut meist auf dem Rücken tragend, was urkomisch aussieht. Neben uns vor einem maurischen Cafe kauern schmutzige Araber mit nicht allzu freundlichen Blicken die Jhudis musternd, dann und wann schleicht eine Araberin, in den weissen Haick eingewickelt vorbei, ihre Sprösslinge springen zahlreich auf der Strasse herum, die Knaben in langen Hemden und mit einer kleinen Schaschia (Mütze) auf dem Kopf, die Mädchen in ärmel- losen Kleidern aus buntem Kattun, auf dem Kopfe ein spitzzu- laufendes rundes Mützchen, welches bei wohlhabenderen reich mit Gold gestickt ist, in den Ohren zwei bis drei grosse Ringe übereinander. Diese Ringe haben bis zu zwei Zoll im Durch- messer und sind häufig so schwer, dass sie durch ein quer über den Kopf laufendes Kettchen getragen werden müssen. Die armen Mädchen werden schon früh als Lastthiere benutzt, den ganzen Tag über haben sie ein kleines Brüderchen auf dem Rücken hängen. Sobald sie 9 — 10 Jahre alt sind, fangen sie schon an, sich nach Art der Erwachsenen zu verhüllen, wenn auch nicht 80 sorgsam. Mit dem Verschleiern ist man überhaupt hier im Inneren nicht so streng. Als wir von einer unserer Excursiouen zurück- kamen, begegnete uns innerhalb der Gärten ein ganzer Trupp Mädchen, offenbar Töchter wohlhabender Stadtmauren; sie schlu- gen, als sie uns erreichten, ganz ungenirt die Schleier ausein- ander, um meine Frau genauer betrachten zu können, vielleicht auch um sich ein wenig betrachten zu lassen, und ich muss ge- stehen , es waren ein paar recht hübsche Gesichter darunter. Leider hält man es meistens für nöthig die Kinder zu ver- schönern, indem man ihnen das schwarze Kraushaar mit Hennah röthlich färbt, um das hier so geschätzte Blond nachzuahmen. Die Stadtaraber tragen in Tlemcen vielfach kurze, nur bis zum Knie reichende Burnusse aus WoUeustoff, auf welche in grellen Farben die abenteuerlichsten Muster, Sterne, Blumen und Palmen aufgenäht sind. Zieht ein solcher Araber die Kaputze über, so gleicht er täuschend einem Gnomen unserer Mährchen. Es kostete einige Mühe unseren Platz gegen das Andringen 15 — 226 — der Händler zu behaupten, die uns mit aller Gewalt alle mög- lichen Handelsartikel, Lederwaaren mit Gold gestickt, Korbflechte- reien und die buntgestreiften Wollendecken von Tlemcen, ver- kaufen wollten. Die zudringliche Strassenjugend — Uled el Blaza, Kinder des Platzes , nennt sie der Araber — schaffte uns der Wirth sehr rasch vom Halse, indem er sie aus einem Siphon mit Selterswasser bespritzte. Endlich wurde uns das Treiben aber doch zu toll und wir zogen uns ins Hotel zurück. Den Händ- lern entgingen wir darum doch nicht; sie pflanzten sich unsrem Fenster gegenüber auf und hielten uns ihre Waare so lange hin, bis wir uns endlich erweichen Hessen. Vor dem Hotel spielten ein paar hübsche Kinder; auf ein- mal deuteten sie in die Höhe und fingen au ein Liedchen zu singen, das mit dem Tonfall des »Storch, Storch, Steiner« unserer deutscheu Kinder die grösste Aehulichkeit hatte. Wir schauten empor, und richtig, oben flog Freund Adebar, der ganz in der Nähe auf einem Minarete nistete. Man scheint ihm also hier eine ganz ähnliche Rolle zuzuschreiben, wie bei uns. Fünf Tage eifrigen Sammeins hatten hingereicht, um die nächste Umgebung von Tlemcen genauer kennen zu lernen; zu weitereu Ausflügen nach Sebdu oder nach der maroccanischen Gränze hatten wir denn doch keine Lust, auch war es schon einigermassen spät geworden und die Hitze wurde täglich fühl- barer. Sie war stets am lästigsten während des Vormittags, wo es entweder windstill war oder ein leichter Landwind wehte, Nachmittags machte sich die Seebrise auf und erfrischte etwas. Das hatte uns veranlasst, von unserer früheren Gewohnheit ab- zugehen und nicht früh Morgens, sondern erst nach dem Früh- stück unsere Excursionen zu begiunen. Die Nächte waren mit- unter noch recht frisch, das ganze Klima nicht sonderlich ange- nehm. Tlemcen gilt übrigens durchaus nicht für ungesund. Nur die Kindersterblichkeit ist gross; wer einmal in Tlemcen achtzehn Monate alt geworden, sagt ein Sprüchwort, der wird auch achtzig Jahre alt. Wir hatten keine Lust, den langweiligen Weg nach Oran noch einmal zu machen. Am liebsten wären wir über Lella Mar- nia und Nedroma nach Nemours und hätten uns dort eingeschifft, denn diese Tour hätte uns durch noch unerforschte Gegenden ge- führt und jedenfalls manches Neue geboten; diese Fahrt schilderte — 227 — man uns auch hier in Tlemcen als vollkommen ungefährlich, . aber wir hatten unsere Effecten in Oran zurückgelassen und mussten unbedingt noch einmal dorthin zurück. Es blieb uns also keine andere Wahl übrig, als die Diligence nach Sidi-bel- Abbes zu be- nutzen und von dort mit der Bahn über Tlelat nach Oran zurück- zukehren, was, wie uns gesagt wurde, ganz gut in einem Tage ausführbar sein sollte. Da Sonntags die Diligence nicht fährt, blieb uns dieser Tag noch übrig und wir beschlossen, ihn auf den Besuch der Moscheen von Tlemcen zu verwenden. Im Geleite unseres Hotelführers, eines Arabers von tadellos sauberem Aeusseren und sehr würdevollem Benehmen, gingen wir zunächst nach der Djema Abul Hassau , welche jetzt als franzö- sisch-arabische Schule dient. Es ist ein kleines Gebäude mit zier- lichem, mit bunten glasirten Platten geschmücktem Minaret; eine recht hübsche Facade mit bunten Verzierungen in Azulejos und Stucco steht zwar einigermassen im Widerspruch mit den Traditionen des strengen maurischen Styls, macht aber einen recht angenehmen Eindruck. Hier in Tlemcen scheint man übrigens, wie die Moschee in Bu Medin beweist, die verzierten Portiken ge- liebt zu haben. Ein paar Stufen führen hinab in das Innere. Nur am Mihrab, d. h. der Nische, in welcher der Koran aufbe- wahrt wird und an einigen Bögen, welche von schlanken Onyx- säulen getragen werden, sieht man noch die Reste der alten Pracht, Stuckverzierungen im Style der Alhambra , welche ganz den Eindruck von Spitzengewebe machen , das mit verschieden- farbiger Seide unterlegt ist. Das Dach aus (ycdernholz ist von der Zeit gebräunt, von der einstmaligen Vergoldung ist nichts mehr zu erkennen. Diese kleine Moschee muss aber einen wunder- bar prächtigen Eindruck gemacht haben, als sie um 1300 durch Abu Said Othman , den Sohn von Yarmoracen , eröffnet wurde. Den Franzosen hat sie lange als Fouragemagazin gedient , bis man auf die architektonische Schönheit aufmerksam wurde und eine Restauration beschloss. Man musste dazu Arbeiter aus Ma- rocco kommen lassen, wo sich die Tradition der alten maurischen Baukunst noch erhalten hat. Die Erneuerung ist in der That mit Geschick erfolgt ; nur an der etwas dunkleren Färbung der Gypsplatten kann man noch erkennen, was die granadinischen Künstler, die Yarmoracen kommen Hess, gemacht haben, und was neuere Arbeit ist. Unser Führer, welcher sich in der Geschichte — 228 — seiner Heimath ungewöhulicli gut unterrichtet zeigte, erzählte uns, die Franzosen hätten das ganze Innere in derselben Weise re- staurireu wollen, aber die raaroccanischeu Arbeiter hätten sich geweigert, in der entweihteu Moschee weiter zu arbeiten, und in Frankreich habe man Niemand gefunden, der es gekonnt. Nach anderen und sichereren Nachrichten hat es aber an Geld gefehlt, wie immer in Algerien bei Bauten , welche nicht geradezu zu Militärzweckeu dienen. Tout comme chez nous. — Nicht weit von der kleinen Djema Abul Hassau liegt die Hauptmoschee von Tlemceu, welche heute noch dem islamitischen Cult dient, Djema Kebir, die grosse Moschee. Sie ist nach aussen vollkommen schmucklos und unscheinbar; nur an dem 35 Meter hohen Minaret erkennt man ihre Bestimmung. Mehrere Thüreu führen unmittelbar vom Marktplatze aus in ihr Inneres, aber unser Führer schritt durch keine derselben; wir mussten vielmehr um die gauze Moschee herum und kamen endlich durch ein enges zum Theil von Weinlaub übersponnenes, zum Theil mit gewaltigen Widerlagern überwölbtes Gässchen an das für die Fremden be- stimmte Thor. Durch eine uralte Pforte mit gewaltigen, kunst- voll beschlagenen Flügelthüren gelaugten wir in die Arcaden, welche den Hof umgeben. In diesem ist noch zum Theil das Pflaster aus dem kostbaren, durchscheinenden Travertin des Col de Tizi erhalten ; auch die Säuleu der Arcaden und das Becken des Springbrunnens in der Mitte sind aus demselben Stein, den die Franzosen gewöhnlich als Onyx bezeichnen. Ein Maulbeer- baum , ein Feigenbaum und ein Pomeranzenbaum stehen am Brunnen , in ihrem Schatten hocken verschiedene Gläubige und vollziehen die vorgeschriebenen Abwaschungen. Unser Führer hat schon am Eingange seine Schuhe ausgezogen ; nun netzt er ebenfalls seine Finger mit dem heiligen Nass und berührt seine Stirn, dann neigt er sich gegen ein kleines Kapellchen in der Ecke. Dort ruht im Schatten eines riesigen Weinstocks ein grosser Heiliger, Ahmed ben Hassau el Homari, an dessen Grabe noch immer die Araber Genesung von allen möglichen Leiden suchen. Ein Bogen unter den Arcaden eröffnet den Blick in die geräumige Moschee ; sie ist , wie alle, nach unseren Begriffen sehr niedrig ; dreizehn Reiheu von je sechs Säulen tragen die Hufeisenbögeu, welche die Decke stützen. An der Schwelle präsentirt uns ein Moscheedieuer die bekannten Holzpantoffeln, dann können wir ein- — 229 — treten. Das Innere bietet freilich wenig Sehenswerthes ; die Säu- len und Bogen sind meistens schmucklos und einfach weiss ge- tüncht, nur der Mihrab und seine Umgebungen zeigen dieselben Verzierungen wie in der kleinen Moschee und in der Alhambra. Auf den Espartomatten, welche den Boden in seiner ganzen Ausdehnung bedecken, kuieeu zahlreiche Gläubige und verrichten, ungestört durch die Anwesenheit der Rumis, ihre Gebete ; andere kauern nach been- digtem Gebete in den Ecken oder schlafen auch in der kühlen Moschee den Schlaf des Gerechten. Mit besonderem Stolze zeigt uns der Führer einen riesigen plumpen Kronleuchter aus Cedern- holz mit Kupfer beschlagen, welchen Yarmoracen, der Erbauer des Minarets, um 1250 stiftete; uns scheint er nur durch sein Alter merkwürdig. Die Moschee selbst wurde 1136 unter dem Almoraviden Ali-ben-Yussuf vollendet. Die übrigen Moscheen verdienen keine besondere Aufmerk- samkeit ; das städtische Museum war am Sonntag geschlossen ; es ist freilich auch nur für den professionellen Alterthumsforscher interessant durch ein paar römische Inschriften aus der anschei- nend unbedeutenden Stadt Pomaria, welche in der Römerzeit an der Stelle von Tlemcen gelegen hat. Auf den Ruinen der Römer- stadt gründeten die Berber dann Agadir, dessen Trümmer heute unmittelbar vor den Mauern von Tlemcen noch erkennbar sind ; es zerfiel, als sich um den Königspalast die neue Stadt Tlemcen bildete. Diese hiess ursprünglich Tagrart und entstand aus dem Lager, welches der Almoravide Abu Yakub Jussuf ben Taschfin baute, als er das Bab el Maghreb, die Pforte des Westens, wie die Stadt bei den Arabern heisst, belagerte. Der heutige Name soll in dem berberischen Dialecte »Ziel« bedeuten und ihr von dem Almohaden Abd-el-Mumen beigelegt worden sein, als er die Stadt zum Ziel seines Kriegszuges bestimmte. Damals waren Tlem- cen und Agadir noch getrennt; nach der Eroberung des ersteren hielten sich die Almoraviden noch vier Jahre in der alten Stadt, bis auch diese erlag und völlig zerstört wurde. — 230 - Siebentes Capitel. Sidi-bel- Abbes. — Oran. — Nemours. Die ueu erbaute Strasse von Tlemceu nach Sidi-bel-Abbes führt durch eine Gegend, der man nicht gerade das Prädieat schön beilegen kann; ja ich glaube versichern zu können, dass der Genuss, den sie bietet, nicht viel grösser ist, als der, wel- chen uns eine Postfahrt durch die Lüneburger Haide verschaflFt. Bis zur Cascade des Safsaf war uns die Strasse bekannt; von dort bis zurück zum Eingang des Thaies geht es dann ungefähr eine Stunde weit wieder bergauf, bis man nach zweistündiger Fahrt den Anfang der Strasse auf ungefähr Büchsenschussweite sich gegenüber hat. Dann führt die Strasse über ein leidlich an- gebautes Hügelland au der neuen Colonie Ain Fekkan vorbei nach dem Städtchen Lamoriciere. Hier wurde gerade grosser arabischer Markt abgehalten; eine Menge von Zelten war aufgeschlagen und es ging sehr lebhaft her. Uns erfreuten besonders die nieter- grossen Strohhüte, in welchen die Araber zur Sommerszeit zu paradiren pflegen; wir sähen sie hier zum ersten Male in grösserer Menge beisammen. Dieselben sind aus dem Haifagras geflochten, sehr dicht und haltbar, und oft mit bunten Mustern und Bäll- chen verziert. Sie sind der Mode noch nicht unterworfen und man kann dem sparsamen Araber nicht vorwerfen, dass er sie allzuhäufig wechsle; eiu Hut vererbt sich durch Generationen; auch wenn er längst den Boden verloren hat, muss die Krempe noch dienen , und wenn sogar die zähe Haifafaser nicht mehr halten will, werden die Löcher mit Papier verklebt und der Hut erfüllt immer noch seinen ursprünglichen Zweck. Unter dem schweren Strohhut behält aber der Araber immer noch sein Kopftuch; je grösser die Hitze, desto mehr verhüllt er seineu Kopf, ganz im Gegensatz zu den bei uns geltenden Grund- sätzen. Den Kopf warm, die Füsse kühl, heisst es hier zu Lande. Wir hatten keine Zeit, dem Markttreibeu in Lamoriciere viel Aufmerksamkeit zu schenken; schnell war umgespannt und nun ging es hinein in den Buschwald, welcher sich von hier bis zum Thale des Mekerra fast ununterbrochen ausdehnt. Im An- — 231 - fang sah mau wohl noch ein paar wirkliche Bäume, Eichen, Cy- pressen und Kiefern, aber bald verschwanden sie und der acht afrikanische Buschwald umschloss uns. Soweit das Auge von der Imperiale des Wagens schweifen konnte, sah es nur Buschwerk, nirgends über mannshoch , kein zusammenhängendes Dickicht, sondern lauter einzelne Büsche. Vor Allem fällt die Kermeseiche ins Auge, kreisrunde Büsche von 5 — 6 Meter Durchmesser, aber ihre Loden selten über fingerdick und meist nicht über einen Meter hoch. Dazwischen bilden die Zwergpalme (Chamaerops Jm- milis) und der stachlige Hundszahn {Zigiphus lotus) kleinere Büsche, und wo einigermassen Feuchtigkeit vorhanden ist, wu- chert der Dis (Arundo festucinoides) mit seinen mannshohen Bin- senhalmen. Von Thierleben war kaum eine Spur zu sehen ; dann und wann huschte ein Kaninchen vorbei ; Eaubthiere verirren sich nur selten einmal hierher, doch war der Conducteur für alle Fälle mit einer geladenen Doppelflinte versehen. Stundenlang blieb das Terrain fast eben, die Vegetation die- selbe, der Boden stets der gleiche braune Lehm, dem mau ansah, wie fruchtbar er sein müsse. Unser Reisegefährte , ein sehr ge- bildeter Franzose , welcher die Algerie bereiste , um ihre wirth- schaftlichen Verhältnisse kennen zu lernen, war ganz untröstlich über die Vernachlässigung dieses köstlichen Bodens, der hundert- tausende von Menschen ernähren könnte. Er mochte Recht ha- ben wenn er meinte, die französische Regierung sollte lieber hier oben colonisiren , als drunten in der Gluthhitze, wo selbst der Colonist aus Mittelfrankreich nicht mehr gedeiht. Endlich erreichten wir Ain Tellut, die Mitte des Weges; eine starke Quelle hat dort die Veranlassung zu einer kleinen Ansiedelung gegeben, welche aber etwas abseits der Strasse liegt. Am Stationshaus standen ein paar prächtige Eichen, ein Zeichen, was für Bäume bei einiger Pflege hier gedeihen könnten. — Die Forstwirthschaft liegt aber leider noch sehr im Argen. Unmittelbar hinter Ain Tellut begann wieder der Buschwald und zog sich stundenlang in gleicher Eintönigkeit hin; keine Menschenspur, soweit das Auge reichte. Dann kam eine ächte Urwaldscene, eine beginnende Ansiedelung. Ein Franzose hatte hier aus Brettern ein Haus gebaut, das als Poststation diente; ringsum standen eine Anzahl Strohhütten für spanische Arbeiter, welche den Boden urbar machten. Wie überall, so beginnt man — 232 — auch hier mit dem Ausroden der Eichenhüsche. Nicht nur macheu sie am wenigsten Schwierigkeit und geben sofort grössere Lich- tungen , sie liefern auch alsbald einen Baarertrag. Die dünnen Loden habeu freilich als Brennholz keinen sonderlichen Werth und ihre Rinde enthält , wie man sagt , in Folge der Hitze nur Spureu von Gerbstoff. Um so bessere Lohe liefern dagegen die unverhältnissmässig starken Wurzeln oder wohl richtiger Rhi- zome, förmliche unterirdische Stämme von Armsdicke und mehr. Diese werden von den Spaniern geschält, sie übernehmen die Ar- beit meist in Accord und werden nach dem Gewichte der gelie- ferten Lohe bezahlt. Oran führt au solcher Lohrinde nach Abzug des sehr bedeutenden inländischen Consums immerhin 200 000 Cent- ner jährlich aus. — Das Holz der Wurzeln wird kunstgerecht zu Kohlen gebrannt, welche zur Küchenfeuerung sehr gesucht sind ; auf dem gerodeten Boden gedeiht der Weizen ausgezeichnet, wenn er einigermassen Regen bekommt. In diesem uuglücklichen Win- ter war die Ernte freilich auch hier sehr schlecht ausgefallen, denn von Bewässerung ist auf dieser Hochebene keine Rede, der einzige Brunnen der Station ist circa 40 Meter tief. — Erst wenn die Eichen ganz beseitigt sind, kommen Dis und Zwerg- palme an die Reihe, zu allerletzt der Dent du Chien mit seinen über zwei Meter tief eindringenden Wurzeln. Noch stundenlang ging es weiter durch die Einöde ; die Strasse war noch nicht chaussirt und muss zur Regenzeit absolut unpas- sirbar sein. Dann kamen einzelne arabische Culturen , in denen noch überall die Büsche zwischen dem spärlichen Getreide stan- den, weiterhin aber auch gut gebaute Felder, Obstbäume und Dörfer; wir waren im Gebiete der Mekerra, welche wir schon ein- mal weiter unten bei St. Denis als Sig kennen gelernt. Der Fluss ist hier näher der Quelle, als ächter Steppenfluss wasser- reicher, als weiter unten ; der gewaltige Dschebel Beui Assaf nährt zahlreiche ausdauernde Quellen, und so hat diese Gegend weniger unter der Trockenheit gelitten , als der Rest der Provinz Oran. Wir fuhren durch zwei freundlich und wohlhabend aussehende Dörfer, welche von Obstbäumen und ausgedehnten grünen Feldern umgeben waren und gelaugten endlich gegen fünf Uhr in das ganz von Grün umgebene Städtchen, genau eine Stunde zu spät, um noch den Zug nach Oran benutzen zu können. Das war nicht sonderlich angenehm , denn dass hier nichts zu sammeln — 233 — war, bewies ein Blick auf die cultivirte sonnendurchglühte Ebene ; aber was war zu machen ? Sidi-bel-Abbes ist eine ganz moderne französische Gründung, Früher weideten hier die Beni Amer ihre Heerden und an Stelle der heutigen Stadt stand die Kubbah des obscuren Heiligen, nach welchem sie ihren Namen trägt. Im Jahre 1843 wurde hier mitten im Sumpfe der Grundstein zu einem Fort gelegt, um die trotzigen Stämme im Zaume zu halten. Diese aber gaben lieber ihre Heimath auf und nach einem vergeblichen Versuch, die gehasste Zwingburg durch einen Handstreich zu nehmen , wanderten sie 25 000 Mann stark nach Marocco aus, sehr zur Freude der fran- zösischen Regierung, welche sich beeilte, ihr Gebiet zu confiscireu und zu colonisireu. Heute ist Sidi bei Abbes eine blühende Stadt von 10 000 Ein- wohnern und Mittelpunkt einer der fruchtbarsten und bestculti- virtesteu Gegenden Algeriens. Diese Blüthe ist freilich mit schweren Opfern erkauft worden; die Annalen der Fremdenlegion wissen davon zu erzählen. Sie ist es gewesen, welche den fieber- erzeugenden Morast entwässert und in einen prächtigen Garten« verwandelt hat, aber Niemand hat die unzähligen Opfer verzeich- net, welche das Clima dabei gefordert. Aus der Musterfarm der Fremdenlegion sind alle die Obstbäume hervorgegangen, welche jetzt die Dörfer der Ebene beschatten und der schattige Park vor dem Thore der Stadt heisst heute noch : la pepiuiere de la legion etrangere. — Wie alle französischen Anlagen ist auch Sidi-bel-Abbes mit der grössten Regelmässigkeit gebaut, ein läugliches Rechteck, von zwei geraden Hauptstrassen von je 25 Meter Breite durchschnitten, an deren Kreuzungspunkt der Hauptplatz liegt. Eine bastionirte Mauer mit tiefem Graben umgibt die ganze Stadt und schützt sie vor einem üeberfall. Man scheint aber einen solchen kaum zu fürchten, denn es waren nur wenig Schildwachen zu sehen , und an einer Stelle sah man sogar ganz deutlich, dass die arabischen Knaben einen Weg über die Mauer und durch den Graben ge- funden hatten, der gar nicht wenig benutzt zu werden schient. Und doch wohnen Stämme , denen durchaus nicht zu trauen ist, nur wenige Stunden von der Stadt entfernt und in der Sahara war der Aufstand im vollen Gange ! — Um die Stadt zieht sich eine Allee aus fünf Reihen hoher Platanen, durchrieselt von den — 234 — Verzweigungen derMekerra; weiterhin dehnen sich üppige Gärten, wie um St. Denis. Nur hat sich hier in diesem Jahre ein un- gewohnter Gast eingestellt, ein scharfer Frost in den letzten Tagen des April, welcher den Weinbergen schweren Schaden zu- gefügt. Der andere Morgen begann glühend heiss; trotzdem ent- schlossen wir uns zu einer Excursion in die Umgegend. Wir kamen über den Markt; umsonst sahen wir uns nach verkäuf- lichen Schnecken um; la saison des escargots est passee, sagte uns eine Verkäuferin. Dafür sahen wir zum ersten Male eine zum Verkauf angebotene zahme Gazelle, ein Beweis, dass wir dem Hochplateau noch ziemlich nahe sind. Draussen war alles verbrannt und kahl , sobald man das Bewässerungsgebiet verliess , und um- sonst spähten wir nach einem Stück Land , das die Cultur noch nicht in Besitz genommen. Dabei war es glühend heiss und am Südhorizont begann es sich unheimlich zu röthen. Das trieb uns zu eiliger Heimkehr, und richtig, als wir Nachmittags zum Bahn- hof fuhren, war der Scirocco im vollen Gang. Es war aber dies- mal eben nur ein Scirocco und kein Samum, und in den luftigen Eisenbahnwagen liess es sich schon aushalten. Wie es uns frei- lich hätte gehen sollen , wenn der Wind einen Tag früher ge- kommen wäre , war uns unklar ; eine Fahrt im engen Coupee einer Diligence bei Scirocco muss entsetzlich sein. Die Bahn bleibt noch längere Zeit in der Ebene der Me- kerra, dann nähert sie sich den Ausläufern des Dschebel Tessala, welcher die ganze Gegend beherrscht, und überschreitet die Berg- kette in einer tiefen Schlucht. Auf der anderen Seite steigt sie durch eine ähnliche Schlucht hinab zu dem Colonistendörfchen Laurier-rose, das seinen Namen mit Recht trägt, denn alle Wasser- läufe der Umgegend sind von blühenden Oleandern (französisch Laurier-rose) eingefasst. Dem Thal folgend erreichen wir bald die Ebene von Tlelat, welche auch durch eine Barrage bewässert wird. Bis hierher war der Scirocco nicht gedrungen"; es wehte vielmehr eine Seebrise und der Abend war ganz empfindlich kühl. Zum Glück brauchten wir auf dem offenen Bahnhofe nicht zu lange zu warten. Schon um sieben Uhr waren wir wieder in Orau, das uns nun schon fast wie eine Heimath vorkam. Diesmal kamen wir aber definitiv zum letzten Male nach Oran zurück ; wenn wir noch Nordmarocco und Südspanien — 235 — besuchen wollten, war es höchste Zeit, dass wir die Algerie ver- liessen. Da nur Samstag Abend ein Dampfer nach Gibraltar abgeht, hatten wir noch vier Tage vor uns und wir hatten sie auch so ziemlich uöthig, um unsere reiche Ausbeute zu ordnen und zum Versenden fertig zu macheu. Nur zu zwei Excursionen nahmen wir uns noch Zeit. Die eine galt einer interessanten Pflanze, welche nur in der Umgebung von Oran und auf einem Felsen der Inselgruppe von Malta wächst, wenn anders der sici- lische Äpteranfhus Gussoneanus wirklich mit seinem uordafri- kanisehen Verwandten zur selben Art gehört, was Freund Debeaux ganz entschieden bestreitet. Es ist eine Stapeliacee, welche ganz wie ein kleiner Cactus aussieht, aber eine oleanderartige Blüthe hat und ihr Früchte, wie der Oleander, in zwei laugen Schoten ansetzt, welche der Pflanze ein ganz eigenthümliches Ausehen geben, neue Botaniker nennen die Gattung dieser Hörner wegen Bucerastium, Ochsenhorupflanze. Sie gehört zu den Saftpflanzen, welche eine merkwürdige Lebenszähigkeit haben ; den Botaniker kann sie zur Verzweiflung bringen, da sie im Herbarium ruhig weiter wächst. Eine Anzahl Exemplare, welche ich ohne weitere Vorsichtsmassregeln in ein Kistchen gelegt hatte und nach Hause sandte, sind vollkommen wohlerhalten angekommen und wachsen jetzt in mehreren botanischen Gärten Deutschlands lustig weiter. Weniger leicht als das Versenden war aber das Einsammeln der Pflanze und ohne Freund Debeaux hätte ich wohl kaum eine nennenswerthe Zahl von Exemplaren gefunden. Sie ist nämlich nur an einer Stelle häufiger, an einem mächtigen Felsblock am Abhänge des Murdjadjo, dort steckt sie verborgen in den Ritzen, nur bei genauerem Zusehen erkennbar, aber immer Colonien bildend, welche durch Sprossung aus einer gemeinschaftlichen Wurzel entstehen. Die zweite Excursion galt dem Gebiete jenseits des Berges von Mers-el-Kebir. Eigentlich wollten wir die Habibas -Inseln besuchen, welche zwischen Oran und Nemours nahe der Küste liegen; es sind nur ein paar unfruchtbare Felsen, welche als Fischereistation wichtig sind, unbewohnt bis auf eine, auf welcher sich ein paar Fischer niedergelassen haben. In Oran wusste man seltsamer Weise kaum etwas von diesen Inseln, obschon die dor- tigen Fischer regelmässig auf den Markt nach Oran kommen. Herr Levy hatte, stets hülfreich und gefällig mir eine Gelegen- - 236 — heit ausgemacht, die Inseln mit einem kleineu Dampfer, welcher zwischen Orau und Melilla verkehrt, zu besuchen, aber die un- ruhige See veranlasste luich, darauf zil verzichten, zum Glück, denn es kam ein tüchtiger Sturm und der Dampfer hätte mich nicht aussetzen können. Nun sagte man mir, die Inseln lägen dem Cap Carbon unmittelbar gegenüber und seien von da aus leicht zu erreichen, wir beschlossen daher, diesem Cap einen Be- such abzustatten und einen Versuch zu machen, von da auf die Inseln — auf denen natürlich eine interessante Schnecke lebt — zu besuchen. Ich hatte damals keine gute Karte, sonst hätte ich sofort sehen können, dass dieser Plan unausführbar sei, weil die Inseln nicht hinter Cap Falcon, sondern erst hinter dem fernen Cap Lindies liegen. Wir machten uns zeitig auf den Weg in einem der präch- tigen Wagen mit Sonnenschirmverdeck, welche man in Orau mit Vorliebe als Droschke benutzt. Es hatte am Abend ein wenig geregnet und die Luft war — am 12 Mai — so kühl, dass ich den Ueberzieher mitnahm. Wir fuhren durch das Thor, welches am Fort de la Moune den engen Ausgang schliesst und folgten dann der Strasse nach Mers-el-Kebir. Die Herstellung dieser Verbin- dung hat grosse Mühe gekostet, man hat überall die eisenfesten Kieselschiefer mühsam wegsprengen müssen, um Raum zu ge- winnen, eine Strecke weit fährt man sogar durch einen Tunnel. In der Brüstung der Strasse verläuft zugleich die Leitung, welche der Mariuestation von Mers-el-Kebir das nöthige Trinkwasser zu- führt, eine äusserst zweckmässige Anlage, denn eine Granate von der See aus genügt, um dem Hafen das Wasser abzuschneiden. Die Strasse wird jetzt wenig mehr benutzt und zeigt Spuren des Verfalls; die grossen Steinbrüche dicht oberhalb derselben, stören den Verkehr auch nicht wenig. Auch als wir vorbeirollten, hiess es auf einmal: Gardez la mine, und wir mussten abwarten, bis die Explosion und ein nachfolgendes Hornsignal den Weg wieder frei gaben. Unten brandete das Meer, durch einen tüchtigen Nordwest aufgeregt und warf seinen Schaum mitunter bis fast herauf. Eine Viertelstunde von Oran entfernt liegen die Bäder der Königin .Johanna, ein paar warme Quellen (circa 35'^ C.) welche in einer Grotte dicht am Meeresspiegel entspringen. Sie waren schon den Arabern wohlbekannt und wurden auch von Spanien — 237 — aus viel besucht, besonders uaclideiu der Cardinal Ximeues, der Eroberer von Oran hier Genesung gefunden. Ihren Namen er- hielten die Quellen von der Königin Juana la Loca, der Mutter Karls V., welche sie mehrmals besuchte, von dem Araber werden sie nach dem Marabut Sidi Dedeieb, der sie zuerst benützt haben soll, benannt. Heute erhebt sich über ihnen ein französisches Badeetablissemeut, welches von an Rheumatismus und Gicht-Leiden- den viel besucht wird. Etwas weiterhin überschreitet der Weg eine tiefe Schlucht, el salto del cavallo genannt. Hier fand Taschfiu-beu-Ali, der letzte Alraoravide seinen Tod; von dem Almohaden Abd-el-Mumeu 1145 geschlagen, flüchtete er mit seiner Lieblingsfrau; hier er- reichten ihn die Feinde und um nicht lebend in ihre Hände zu fallen, stürzte er sich mit seiner Gefährtin hinab in die Tiefe. Jenseits der Schlucht tritt der Berg etwas zurück und gibt Raum für ein Lehmplateau, auf welchem die Colonic Sainte-Clo- tilde liegt, der Hauptsitz der Ziegelbrennereien für Oran. Dann erreicht man das dicht am Meere gelegene St. Andre und nun legt sich wieder eine gewaltige Bergmasse in den Weg, ein Aus- laufer der Murdjadjo, welcher auf seiner Spitze die Festungswerke von Mers-el-Kebir trägt. Der ausgezeichnete Naturhafen, welcher schon bei den Römern als portus magnus berühmt war, ist deut- lich zu erkennen, mehrere französische Kriegsschiffe liegen in ihm vor Anker. Wir biegen unmittelbar hinter St. Andre vom Meeresufer ab und ersteigen in langen Serpentinen die Jochhöhe hinter dem Berg. Die Strasse, obschon nur ein Vicinalweg nach zwei kleinen Dörfern jenseits, ist sehr gut angelegt und unter- halten, sie gibt einen Begriff davon, mit welchen Schwierigkeiten die Franzosen hier zu kämpfen, und was sie schon geleistet haben. Oben auf der Höhe entspringt eine kleine Quelle, ein Spanier hat sich dabei angesiedelt und einen hübschen Garten angelegt. Solche einzelne Ansiedler findet man allenthalben um Oran, wo der Boden einigermassen günstig ist. Nun geht es wieder ab- wärts in langem gleichmässigen Fall, immer am steilen Abhang hin. An der Stelle der kahlen Kieselschiefer sind Saudsteine ge- treten und mit ihnen kommt wie überall eine reiche Busch- vegetation, Zwergpalmen und Dis. Unter uns liegt eine ziemlich ausgedehnte Ebene mit dem Dörfchen Ain Turk, nach Westen hin begrenzt durch eine mit dem Murdjadjo zusammenhängende — 238 — Bergkette, welche in das Cap Lindles ausläuft. Hiuter diesem sind in nebliger Ferue für einen Augenblick die Habibas- Inseln sichtbar, uns unerreichbar, wie wir sofort begreifen. Die Ebene, welche ausser Ain Turk weiter hinaus noch ein zweites Dörfchen Bu Sfeur trägt, ist gut cultivirt und mit Gerstenfeldern, auf denen die Frucht schon völlig gereift ist, bedeckt. Hier und da wird schon geerntet, auch Dreschen sahen wir, allerdings in einer anderen Weise wie bei uns. Es geschieht natürlich unter freiem Himmel, denn in allen diesen Ländern regnet es im Sommer nie und der Laudmann braucht darum keine Scheunen. Mitten im Felde ist eine Tenne festgestampft, und auf dieser gehen ein paar Pferde im Kreis herum und ziehen eine leicht kegelförmige ge- riefte Steinwalze, welche an einem Pfahl in der Mitte befestigt ist, über das ausgebreitete Getreide, bis alle Körner heraus ge- quetscht sind. Das Stroh wird dabei, wie bei allen im Süden gebräuchlichen Dreschmethoden, zu einer Art Häckerling zermalmt und in diesem Zustande später verfüttert. Die Ebene heisst heute noch la plaja de los Audaluz, die Spanierebene, denn hier wurden bei den Angriffen auf Mers el Kebir und Oran die spanischen Truppen ausgeschifft; in 1732 erlitten die Araber hier eine schwere Niederlage durch den spani- schen General Graf Montemor. Zwischen dem Dörfchen und dem Leuchtthurm des Gap Falcon erstreckt sich ein weites Düneugebiet, welches, wie immer in diesen südlichen Breiten, uns eine reiche Ernte bot; auch Eidechsen und Landschildkröten waren zahlreich, von Käfern fanden wir merkwürdiger Weise kaum eine Spur. Wir wandten uns zum Meere hinunter, aber der Sturm peitschte die Wellen weit dem steilen Abhang hinauf, so dass an kein Sam- meln zu denken war. Also ging es zurück nach dem Dorfe. In dem sauberen spanischen Wivthshause erquickten wir uns an Oliven, köstlichem Brod und hier gezogenem, ganz gutem Wein. Die Leute schienen ganz wohlhabend und waren recht zufrieden, in diesem Jahre hatten sie freilich auch keine sonderliche Ernte zu verzeichnen. Nachmittags brachte unsere Droschke uns wieder nach Oran zurück und damit waren unsere Excursionen in der Gegend von Oran beschlossen. Der 14. Mai kam und damit die Stunde des Abschieds. Nicht ohne Rührung sagten wir unserem freundlichen Führer Debeaux und Herrn Levy Lebewohl, dann ging es zum Hafen. — 239 — Die Africaine, ein hübsches Schiff, war fast leer von Passagieren, in Folge einer Empfehlung des Herrn Levy wurde uns die ge- räumige Damenkajüte überwiesen, in der wir es uns nach Herzens- lust bequem machen konnten. Um acht ühr steuerten wir hinaus ; es war ganz kühl und wehte lustig drausseu, aber das Schiff hielt sich wacker und als der Tag anbrach lagen wir vor Nemours. Auf der offenen Rhede tanzte das Schiff nicht schlecht und da wir keine Lust hatten, uns ein paar Stunden lang schaukeln zu lassen, Hessen wir uns ans Land setzen, um ein wenig zu sammeln. Nemours liegt im Grunde einer nicht allzutiefen Bucht, theils im Ausgang eines kleinen Thaies, theils auf dem schmalen Strande zwischen dem Meer und dem steilen Abhang, welcher die Festungs- werke trägt. Als Greuzfestung gegen Marocco und Stützpunkt im Falle eines Krieges hat das Städtchen einige Wichtigkeit, als Handelsplatz wird es wohl nie eine sonderliche Bedeutung er- langen. Gegenwärtig wird wohl etwas Gerste nach Südspanieu ausgeführt, der Handel wird aber wohl ganz aufhören, sobald der projectirte Hafen von Raschgun an der Tafnamündung erbaut und mit Tlemcen durch eine Eisenbahn verbunden ist. Es ist fast unbegreiflich, warum die Franzosen diesen Punkt bis jetzt so vernachlässigt haben. Schon die Phönicier hatten hier am Aus- gang des fruchtbaren Beckens der Tafna die Handelsstadt Siga gegründet, aus der die Massäsylier ihre Hauptstadt machten. Unter den Arabern stand hier die Stadt Harschgui; sie wurde von den Almohadeu zerstört und blieb seitdem wüst. Nur eine Zeit lang, nach 1835, hatten die Franzosen hier ein kleines Fort an- gelegt, welches den Unternehmungen gegen Tlemcen zum Stütz- punkt diente; nach dem Frieden an der Tafna wurde es wieder verlassen. Die zunehmende Besiedelung des Tafnathales hat in neuerer Zeit mehrere Projecte zu Hafenaulagen an der Stelle des alten Portus sigensis hervorgerufen , sie sind aber bis jetzt noch Projecte geblieben. Die Stelle des heutigen Nemours war übrigens zur Römer- zeit auch nicht unbewohnt; es lag hier eine Station, welche nach zwei eigenthümlichen in der Bucht liegenden Felsen den Namen ad fratres, bei den Brüdern erhalten hatte ; sie bildete den Hafen von Coloma, dem heutigen Nedroma. Unter den Türken war sie ein Hauptpiratennest; bei den Arabern heisst sie noch heute — 240 — Dschema Rhasuat, die Moschee der Seeräuber. Das arabische Städtchen lag übrigens nicht an der Stelle des heutigen Nemours, sondern auf der Höhe über dem Hafen, wo die Trümmer heute noch sichtbar sind. Das heutige Nemours ist rein französisch, aus zwei Strassen bestehend, welche sich zwischen Berg und Meer einkeilen ; an sei- nem Westende liegt die viereckige Citadelle. Unmittelbar neben derselben ergiesst der Aid Tessäa das wenige Wasser, welches ihm nach Bewässerung seines fruchtbaren Thaies übrig geblieben ist, ins Meer. Wir hielten uns in dem Städtchen durchaus nicht auf, son- dern suchten uns das nächste Thor und erstiegeu den Berg un- mittelbar hinter der Stadt. Eine von der von Oran in vielen Punkten abweichende Schneckenfauua Hess uns bald sehr be- dauern, dass wir nicht länger hier bleiben und die Gegend nach Nedroma und Marocco hin genauer erforschen konnten ; aber es war zu spät und wir konnten nichts thun als die Zeit ausnützen und nach besten Kräften zusammenraffen. Der Berg war ziemlich reich mit Zwergpalmen und dem stacheligen Goldregen bewachsen, auf der Höhe, wo sich eine prächtige Aussicht nach dem Col de Taza hin eröffnete, waren Felder angelegt. W^ir stiegen dann in das Thal des Aid Tessaä hinunter und kehrten durch ein anderes Thor zurück. Meine Frau, von der Fahrt doch angegriffen, legte sich zur Ruhe ; ich machte mich auf, um den Ruinen der Seeräubermoschee einen Besuch abzustatten, aber da kam unser Bootsmann gesprungen und meldete, der Capitaiu wolle um 1 1 Uhr abfahren. So schnell ging das nun nicht, denn die Herren Postbeamten hatten keine Lust sich zu beeilen ; wir frühstückten in aller Ruhe und hatten dann immer noch eine Stunde auf den mächtigen Steinblöcken des Molos zu warten, bis endlich das Felleisen kam. Ich plau- derte derweilen mit dem Fährmann, dem ich alsbald den Italiener angesehen. Er war ein geborener Neapolitaner und freute sich sehr, durch mich etwas von seiner Heimath, die er seit 25 Jah- ren nicht gesehen, zu hören. Erst gegen Mittag dampfte die Africaine wieder weiter, Ma- rocco zu, dessen Grenze wir bald passirten. Der Himmel hatte sich mittlerweile umzogen und ein leichter Regen trieb mich unter Deck. Als es wieder heller wurde , waren wir in offener See ; nur undeutlich sahen wir hinter uns noch die Zaffarinas-Inseln, — 241 — ein paar öde kahle Felsen, auf welchen Spanien ein Fort und ein Presidio (Zuchthaus) unterhält. Es ist das die erste der Stationen, von welchen aus Spanien den Maghreb (Marocco) bewacht, welchen es sich schon gewöhnt hat, als sein eiustiges Erbtheil anzusehen. Gegen Sonnenuntergang kamen die Berge des Rif in Sicht und vor ihnen, nur durch eine schmale Landzunge mit dem Pestlande verbunden, die spanische Feste Melilla. Hier ist das sicherste der spanischen Zuchthäuser, in dem man die Gefangenen nicht zu hüten braucht; die Berber aus dem Rif halten gute Wacht und wer sich über die spanische Grenzlinie hinaus wagt, ist verloren. Die Küstenberge des verrufenen Rif machen einen ganz freundlichen Eindruck; aus dem Grün schauen überall weisse Häuser mit Schieferdächern hervor, denn auch der wilde Rifpirat bewohnt als echter Berber ein Haus und kein Zelt. Aber heute noch scheut der Seefahrer die Küste, denn ein kleines Segelschiff, das hier von Windstille befallen wird, ist noch immer in Gefahr. Hier gilt keine Regierungsautorität ; der Sultan von Marocco hat zwar das Recht, die Entschädigungen für etwaige Räubereien zu zahlen, aber weiter gehen seine Souveräuetätsrechte nicht. Noch nie haben sich diese Stämme unter ein Herrscherjoch gebogen; selbst die Römer konnten nichts gegen sie ausrichten ; keine Römerstrasse führte- durch das Rif uud die Mauritania tingitana, das Gebiet von Tauger, wurde nicht von dem afrikanischen, son- dern von dem spanischen Proconsul verwaltet. Kurz hinter Melilla springt das Cap tres forcas vor, eine prachtvoll geformte Berglandschaft, die noch kein Naturforscher betreten; die weitere Küste verhüllte die hereinbrechende Dunkelheit. Als der Morgen anbrach, zeigte uns die aufgehende Sonne in dem fernen Nebel die weissen Mauern von Genta, dahinter die afrikanische Säule des Hercules, der Felsencoloss von Abyla. Rechts davon schimmerte undeutlich, ganz wie eine riesige Säule aussehend, der Felsen von Gibraltar und ganz in der Ferne im Süden zeigte uns der Capitän die Berge von Tetuan. Wir hofften früh anzukommen, aber ein frischer Wind blies vom Ocean her- ein und verstärkte die ohnehin schon heftige Strömung in einem Grade, dass wir nur ganz langsam vorankamen. Von der Commandobrücke aus bot unser Vorderdeck einen eigenthümlichen Anbhck. Wir hatten eine ganze Menge Ma- roccaner an Bord, welche nach Oran gegangen waren, um bei 16 — 242 — der Ernte zu helfeu. Ihre Dieuste waren aber nicht gebraucht worden, denn Oran hatte in diesem Jahre keine Ernte einzu- bringen, und die armen Leute mussten un verrichteter Dinge zu- rückkehren. Jetzt erwachten sie nach und nach, machten ihre Morgentoilette und bereiteten ihr karges Morgenmahl, alles unge- mein einfach und natürlich, aber nicht besonders appetitlich. Einem mitreisenden Franzosen, welcher bis jetzt der Seekrankheit siegreich Trotz geboten, übermannte bei diesem Anblick der Ekel und er musste dem Neptun opfern. Nur langsam näherten wir uns unserem Ziele. Immer deut- licher trat der Felsen von Gibraltar hervor; man erkannte den Thurm auf der vordersten Spitze, die steilen Felsen abhänge seiner Ostseite und endlich auch den Leuchtthurm und die Batterien an seiner äussersten Spitze, aber es war schon zehn Uhr vorüber, als wir endlich die Punta de Europa erreichten und in die schöne Bai von Gibraltar, oder richtiger von Algesiras einliefen, an deren Gestaden wir einen längeren Aufenthalt zu nehmen beabsichtigten. 243 Die Chrysiden oder Goldwespen aus der weiteren Umgebung von Frankfurt. Besprochen von Hauptmann z, D. Dr. L. von Heyden. Diese farbenprächtigen Thiere erregten schon lange die Auf- merksamkeit der Hyraeuopterologen und fanden auch eine ganze Reihe von Bearbeitern, die ihre Untersuchungen in verschiedenen Monographien niederlegten, so: 1. Lepeletier de St. Fargeau. Memoires sur quelques nou- velles especes de Chrysides. (Annales du Mus. d'hist. nat. XL) 1806. 2. Shuckard. Description of the Genera and Species of British Chrysididae. (Entomolog. Magaz. T. IV.) 1837. 3. W e s m a e 1. Notices sur les Chrysidides de Belgique (Bullet. Acad, sciences Bruxelles T. 6. P. I.) 1839. 4. Förster. Beschreibung neuer Arten aus der Familie der Chrysiden nebst einer Bestimmungstabelle der ihm bekannten Species der Gattung Chrysis (Verhandl. naturh. Ver. preuss. Rhein- lande X. Heft 3, 4) 1853. 5. Dahlbom. Hymenoptera Europaea. T. H. 1854. (Schon früher bearbeitete er die Gattung: 1829 in Mouographia Chrysi- dum Sueciae und 1831 Exercitationes Hymenopterologicae). Ihm folgte 6. Schenck. Beschreibung der in Nassau aufgefundenen Goldwespen {Chrysidida) nebst einer Einleitung über die Familie im Allgemeinen und einer kurzen Beschreibung der übrigen deutschen Arten (Jahrbuch. Ver. f. Naturkunde in Nassau XI. u. XVI.) 1856 u. 1861. Bis zu dieser Zeit begnügte man sich mit diesen zum Theil mustergültigen Arbeiten. 7. 1862 veröffentlichte Chevrier eine ganze Anzahl Schwei- zer Arten in seiner : Description des Chrysides du Bassin du Leman. — 244 — Fast alle hier genannte Autoreu hielten sich bei der Art- bestimmuug an die Anzahl der Zähnchen am letzten Hiuterleib- segment ; dass dieses Kennzeichen nicht immer genügt um viele Arten, die oft bis ins unendliche in Form und Sculptur variiren, scharf von einander zu trennen , hat neuerdings Abeille de Per r in an der Chrysis assimiUs Spinola nachgewiesen, deren Zähnchen in der Zahl von 2, 3 und 4 schwanken, manchmal sogar fast verschwinden. 8. H. Touruier hat in den Petites uouvelles entomologi- ques par Deyrolle. \^^ Fevrier 1877 und Mittheilungen der Schweizerisch. Eutom. Gesellsch. Juni 1878 eine Reihe neuer Arten beschrieben. Eine grosse Anzahl derselben wird aber wohl nicht stichhaltig sein, da zumeist zu wenige Stücke einer Art vor- lagen und auf variabele Kennzeichen zu viel Gewicht gelegt wurde. Im October 1878 erschien nun in den Annales soc. Linneenue de Lyon eine umfassende Arbeit von Elzear Abeille de P err in unter dem Titel Synopsis critique et synonymique des Chrysides de France. Dem Verfasser, dem ich auf Wunsch auch mein gesammtes Sammluugsmaterial zur Revision nach Marseille geschickt hatte, standen die meisten Privat- und öffentlichen Sammlungen in allen Theilen Europas zur Verfügung und war dadurch in den Stand gesetzt, an Händen der meisten typischen Stücke, die einzelnen Arten genau zu fixiren; nur die Förster- seben Arten, die in den meisten Fällen ein Räthsel bleiben wer- den, waren ihm nicht zugänglich. An Professor Schenck hatte ich, vor Absenduug nach Marseille, meine Chrysideu nach Weil- burg zur Revision geschickt, sie kamen dort am Todestag dieses tüchtigen Hymeuopterologen an. Abeille de Perrin hat meine ganze Sammlung revidirt und schrieb er mir am 15. März 1878: »Vous pouvez etre certain des noms que je vous transmets, quelques etonnants que puissent vous paraitre au premier abord certains rapprochements. J'ai beaucoup etudie ces jolis betes.« 9. In Katter Entomol. Nachrichten Jahrg. VI. 1880. Heft 16 und 18 beschreibt Dr. 0. Schmiedeknecht zwei neue Arten der Gattung Chrysis aus Thüringen und gibt p. 195 eine tabella- rische üebersicbt über die Arten aus Dahlboms Phalanx I. (Chrysides ano iutegerrimo, Olochrisis Lichtenstein), welche blauen oder grünen Kopf und Thorax bei goldfarbigem Hinterleib be- sitzen. Sie gehören zu der später besprochenen Sectio III Bicolores — 245 — nach Abeille. — Schmiedeknecht führt 19 europäische hierher gehörige Arten an , speciell in Thüringen zu Hai}se sind nur 2 : Thuringiaca n. sp., Blancoburgensis n. sp. Von der bei Frank- furt vorkommenden aerata Dahlb. sagt er zerstreut in Mitteleuropa. 10. Die Chrysiden und Vesparien Tirols von Dr. Karl von Dalla Torre und Franz Kohl, — Ferdinandeum Zeitschrift 1878 p. 5 — 16. — Behandelt 65 Arten. A. Ich gebe nun hier eine Aufzählung (nach Abeille'scher Be- stimmung) der Arten, die ich aus dem Frankfurter Gebiet und anderen angrenzenden Theilen von Mitteldeutschland besitze. I. Omalus Jurine. Abeille vereinigt unter diesem Namen die Gattungen Omalus Jurine (1807), Elampus Spinola (1806 — 1808) und Notosus Förster (1853), die alle darin übereinstimmen, dass die Mitte des letzten Hinterleibsegments scharf eingeschnitten ist. 1. O. JPanzeri F. Einmal von Frankfurt. Nach Schenck bei Mombach unfern Mainz. — Ich besitze die Art auch aus Carls- ruhe (Geyer). Das Postscutellum ist in eine horizontale Platte ausgezogen, der Thorax ist blau, der Hinterleib feuergoldglänzend ; der Scheitel grob netzartig punktirt. 2. O. truncatus DalJib. Frankfurt einmal, Ende Juni bei Flörsheim in den Steinbrüchen. Neu für Mitteldeutschland. Das Postscutellum ist conisch; die Ausbuchtung des letzten Seg- ments zum Theil durch eine seitliche Falte ausgefüllt; der violette oder dunkelblaue Hinterleib glockenförmig, Pronotum unregel- mässig punktirt mit glatten Zwischenstellen. 3. O. Wesmaeli Chevr. (= bidentulus Wesm.pars = pusillus Wesm. Dalilb. pars, nee Fabr.) Frankfurt zwei- mal, Ende August bei Mombacb ; Ende September bei Bonn; Carlsruhe (Geyer); 1868 fand ich die Art bei Venta de Cardenas in der Sierra Moreua in Spanien. Wie die vorige Art, aber Hinterleib goldglänzeud. Schenck führt bei seinen drei Varietäten des bidentulus keine mit solcher Hinterleibsfarbe auf, sondern alle drei haben mehr oder weniger schwärzliche Färburg. Neu für unsere Gegend. 4. O. aiiratus L. — Frankfurt 5 Ex.; von Ende Mai bis Mitte Juni aus dürrem Waldholz, und Mitte Mai aus dem — 246 — Mark der Zweige von Buhus fruticosa erzogen, wo sie von den Larven von Cemonus lebt; Mitte Mai bei Mombach und Mitte Juli bei Pfungstadt auf Blumen gef.; Birstein im Süd- Vogelsberg (Dr. Bauer) ; Poutresina im Engadin (v. Heyden). Nach Schenck bei Mombach und Weilburg häufig. — Das Postscutellum ist buckelig, aber nicht sehr couisch; die Ausbuchtung am letzten Segment frei und tief ; Hinterleib immer , wenigstens zum Theil, mit Goldfarbe. 5. O. pusillus F, (= minutus Wesm, Chevr.) Frank- furt 8 Stücke; Mitte Mai aus dem Mark der Zweige von JRuhus fruticosa; Mitte August bei Flörsheim, Mitte Juli am Leinpfad bei Offenbach und Ende Juni bei Lorsch in Rheinhessen. Nach Schenck bei Mombach. Ich besitze ein Stück von 4^/2 mm Länge aus Carlsruhe (Geyer) sonst nur 2V2 — 4. — Es ist die kleinste Chryside, das Postscut. ist konisch , die Ausbuchtung frei , die ganze Oberseite glänzend-grün. Klauen mit 4 Terminalzähnen. 6. O. caeruleus Degeer. Frankfurt Ende Mai und Mitte Juni drei Ex. aus dürrem Waldholz erzogen. Neu für das Gebiet. Postscut. normal, Ausbuchtung frei, Hinterleib glänzend schwarz- blau, die drei oder vier ersten Fühlerglieder metallisch, Mitte des Mesonotums punktirt, Klauen mit 5 Termiualzähnen. 7. O. aeneus Panzer, Von Mitte Mai bis Mitte Juni aus dürrem Waldholz erzogen, Mitte September am grossen Sand bei Mombach. Nach Schenck bei Dillenburg einmal gef. — Die Art gleicht der vorigen , aber nur die zwei ersten Fühlerglieder sind metallisch und die Scheibe des Mesonotums ist stets glatt; Klauen mit 4 Termninalzähnen. Hierher gehört wohl sicher als kleinere Varietät der von Schenck als ^;?/^waeM5 nach einem Ex. von Dil- lenburg beschriebene Elaniims, auf welchen die Beschreibung des als kleine , schwarzblaue Varietät hierher gehörenden Omalus Chevrieri Tournier passt. Der Scheuck'sche Name hat die Prio- rität. Schenck selbst sagt »am nächsten stehend aeneus.« Schenck beschreibt 1. c. noch drei Notozus-Arten , alle nach einzelnen Exemplaren aufgestellt, nämlich : 2^. affinis und N. pulchellus von Mombach und iV. elongatus Kirschbaum i. l. von Wiesbaden. Bei allen Dreien sagt er selbst : »Vielleicht nur Varietät von N. Pan^eri*. — und — 247 — 3^. mimitiilus von Mombach, in dessen Beschreibung es heisst: »Vielleicht Varietät von Elampus euer uleus Dalilb. Klug. «^ — In minutulus möchte ich den viridiventris Äheille {= caeru- leus Dahlb. teste AbeilW) vermuthen. 0. viridiventris gehört in die Gruppe mit horizontal verlängertem Postscutellum ; die Ober- seite ist blaugrün ; die Verdickung , welche die Ausbuchtung des letzten Segments umgibt, ist von oben sichtbar. IL Holopyg-a Dahlbom. Die Arten sind charakterisirt durch die dicken Ecken des Metasternums, deren Spitze nach unten gerichtet ist. In Mitteldeutschland kommt wohl nur die eine Art vor: 8. JEf. gloriosa F. und zwar meist nur die var. 1" Aheille = ovata Dahlb. mit blauem Thorax, Stücke mit grünem Thorax bilden die var. 4*^ Aheille = amacnula Dahlb. Typische Stücke habe ich je ein Exemplar aus dem Frank- furter Wald von Mitte Juli und Anfang August und von Soden im Taunusgebirg auf Umbellen, sonst aus Genf und durch Haud- schuch aus Carthagena in Südspanien; die var. amaenula Mitte Juni aus dem Schwauheimer und Frankfurter Wald, sowie aus Birstein am Vogelsberg (Dr. Bauer) und von Barcelona. Schenck beschreibt noch vier Arten: jBT. splendida von Weilburg, sehr selten, S. generosa von Wiesbaden und Mombach, selten, II. varia von ebendaher und ff. punctatissima Dahlb. (= cJirysonotus Forst.) nicht selten bei Mombach. — 1. c. pag. 178 sagt Schenck »wohl nur Varietäten von H. ovata Dahlb.« Nach der Angabe Thorax hellgrün gehört splendida zur var. amaenula ; nach Thorax blau oder blaugrün generosa zur typischen ovata; nach Pro- und Mesothorax roth varia zur var. ignicollis Dahlb., die ich nur von Genf besitze. E. chrysonotus Forst, kann Aheille nicht AeviiQn ; xmnctatissima Dahlb., Schenck gehört sicher zu gloriosa F. — III. Hedychrum Latreille. Klauen der Tarsen mit zwei langen Krallen an der Spitze. 9. ff. rutilans Dahlb. Frankfurt nicht selten Ende Juli an Blüthen von Thymus am Sandhof. Zu derselben Zeit auch in den Steinbrüchen bei Hochheim. Bei ihnen ist der Pro- und Meso- - 248 — thorax kupferfarben ; bei einem Ex. von Mombach, Ende August auf Eryngium gefunden, sind diese Theile blau, der Hinterleib viel grün. Die Art ist kenntlich an dem unregelmässig, dicht punktirten, aber nicht netzförmigen Pro- und Mesothorax, der Vorderkörper ist dunkel und kurz behaart. Neu für unsere Gegend. 10. H. lucidiiliim Lepeletier (Mann = regium F. mit grünem oder blaugrünem Thorax; Weib Pro- und Mesothorax rothgold) Mann öfter von Frankfurt, Mitte Juli bei Kahl bei Hanau: Weib Ende Juni im Frankfurter Wald im Gehren auf Blumen und Ende September auf der Bruchschneisse, Mitte Au- gust bei Soden auf Umbellen , Anfang August bei Offenbach in Wieseugräbeu , noch Mitte October bei Mombach ; Heynemann fand beide Geschlechter bei Hanau; ich fand einen Mann 1868 bei Branuelas in Asturieu. — Nach Schenck bei Weilburg, Wies- baden, Mombach. Die Art unterscheidet sich von rutilans (hat dies aber mit Gerstäckeri gemeinsam) durch die starke, regelmässig netzartige Sculptur des Pro und Mesothorax, von Gerst. durch kurzen Prothorax (bei Gerst. lang und bei beiden Geschlechtern gleich gefärbt); das 3. Bauchsegmeut beim Weib in der Mitte des Hinterrandes mit einem starken (bei Gerst. kleinen) Hacken, das 4. mit einer (bei Gerst. ohne) Mittelleiste. 11. iZ. Gerstäckeri Chevrier, Je ein Weib Anfang Au- gust auf Wiesen bei Offenbach und Anfang Juli bei Hanau auf Disteln. War seither nur aus der Schweiz bekannt, Abeille be- sitzt die Art aus Paris und den Pyrenäen. Sie unterscheidet sich von der südfranzösischen longicoUis Abeille durch stärkere und weniger enge Punktirung des Halsschildes sowie durch dunkle und kurze Stirnhaare, die bei longicoUis lang und weiss sind. Hedyclirum coriaceum Dahlb. bei Schenck von Weilburg, Wiesbaden und Mombach ist eine Varietät von Hedychridium mi- nutuni Lepeletier. Hedychrum roseum Rossi bei Schenck gehört in die Gattung Hedychridium. IV. Hedychridium AbeiUe. Die Klauen haben in der Mitte einen perpendiculären Zahn und nur eine Endkralle. 12. jH. fninutuni Lepel. Anfang Mai bei Frankfurt zwei Exemplare, Ende August bei Mombach einmal. Birstein am — 249 — Vogelsberg (Bauer). Neu für das Gebiet ist die Stammart, die Varietät coriaceum Dahlb. führt Schenck an. Kopf, Halsscbild und Hinterleib sind rotbgolden, die letzten Segmeute einfach, nicht saumartig aufgebogen ; Schenkel und Schienen grün, nie metallisch ; Hinterleib ohne (var. cociaceum mit) schwarzen Fleck auf der Mitte. 13. S. roseum Hossi. Bei Frankfurt 6 Stück, Mitte August auf ümbellen bei Soden. Vou Schenck aus Mombach und Weil- burg erwähnt. — Die einzige Art mit rosarothem glattem Hinter- leib ohne Metallglanz und ausser Parnopes carnea die einzige europäische Chryside dieser Färbung. Ghrysis Linne. Das dritte Hinterleibsegment ist durch eine Linie von einge- stochenen Punkten begrenzt, welche vor dem aufgebogenen Rande steht. I. Sectio. Virides. Der ganze Körper ist grün oder blau, ohne Spur von Gold- glanz. 14. Chrysis violacea JPan&er. Einmal Mitte Juni bei Frankfurt aus dürrem Aspenholz erzogen. Neu für das Gebiet. Das letzte Hinterleibsegment mit 6 deutlichen Zähnen. 15. Ch. cyanea L. Frankfurt einmal, Ende Juni bei Königstein an einem Eichenstamm, Anfang September bei Soden an dürren Apfelbäumen, alte Eiche bei Münster im Taunus; Birsteiu (Bauer). Nach Schenck überall ziemlich häufig. Das letzte Hinterleibsegment mit drei deutlichen Endzähnen. 16. Ch. indigotea Dufour = Dufouri Abeille. Frank- furt einmal. Neu für das Gebiet. Letzte Hinterleibsegmeut mit vier spitzen Endzähnen. Sectio U. Zonatae. Hinterleib golden, aber wenigstens eins der drei Segmente grün oder blau. 17. Ch. fulgida Linne. Mitte Juni aus dürrem Waldholz erzogen, Anfang August in einer hohlen Weide bei Enkheim, Carlsruhe (Geyer). Erste Hinterleibsegment ganz grün oder blau, das letzte mit vier Endzähnen ; die Puuktirung des zweiten be- steht aus grossen und kleinen Punkten. 18. Ch. hidentata L. = diniidiata Lepel. Unter dem letzten Namen mir von Abeille als Varietät bestimmt, kommt — 250 — unter dieser Bezeichnung aber in seiner Arbeit nicht vor ; Chev- rier zieht die dimidiata Oliv. F. zu hidentata. — Einmal Ende Juli in der Hohen Mark im Taunus auf Blumen gefangen. Die Art ist leicht an der Farbe des Hinterleibs zu erkennen : Seg- ment 1 und 2 sind goldkupferig, 3 ganz blau ; der ganze Thorax ist goldkupferig. Bei dem vorliegenden männlichen Exemplar ist auf dem Hinterleib viel Grün in die Goldfarbe eingemischt, eine Farbenmischung wie sie Abeille nicht erwähnt, Schenck aber, der die Art selten bei Weilburg fand, andeutet, indem er sagt »oft grün schillernd«. — Schenck beschreibt noch eine Art, die zu dieser Section gehört, nämlich die einmal bei Mombach gefundene Ch. ornata n. sp., die er aber später selbst zu splendidida Rossi zieht, die ich nur aus Marseille besitze. Die Beschreibung der ornata stimmt übrigens mit der Abeille'schen der splendidula. Section III. Bicolores. Hinterleib ganz golden, höchstens mit Ausnahme des Randes des dritten Segmentes; Koj^f und Thorax grün oder blau. 19. Ch. aerata Dahlbofn. Bei Frankfurt dreimal gefunden. Schenck fand die Art bei Weilburg und Prof. Dr. Kirschbaum drei Stück bei Hadamar. Diese und die folgende Art gehören in die Gruppe mit nicht gezähntem Hinterleibsende. Bei Ch. aerata hat der feuerrothe Bauch keine Ausbuchtung in der Mitte des Randes. Die Spitze selbst ist zugerundet, das Metasternum konisch, die drei ersten Fühlerglieder sind metallisch. 20. C7i. Saussurei CJievr. Bei Rüdesheim Anfang Juni einmal gefunden. Neu für Deutschland, seither nur aus der Schweiz bekannt. Der Bauch ist am Ende gebuchtet und bildet drei sehr stumpfe Ecken ; durch das dritte metallische Fühlerglied und die kleine Körpergestalt von den verwandten Arten ver- schieden. 21. Ch. ignita L, Von Ende April bis Mitte Mai aus dürrem Waldholz erzogen, dann von Anfang Juni bis Anfang August bei Frankfurt gefangen; Darmstadt 5. 9. 1846 an Eichen- holz und 16. 6. 1847 bei Darmstadt von Forstrath Reissig ge- funden. Birstein am Vogelsberg (Bauer) ; ich fand sie 1868 bei Coimbra in Portugal. Nach Schenck ist sie überall häufig vom Frühjahr bis Herbst. — Hinterleib mit vier in einer Bogenlinie stehenden Zähnchen; das ganze dritte Segment ist einfarbig; die — 251 — Puuktirung des zweiten Segments ist stark and nicht gedrängt. Bei der Stammart sind die Zähne des Abdomens spitz, die Exem- plare sind mittelgross. Die Art variirt nach Abeille so, dass man kaum ein Stück findet, das mit den andern in allen Punkten übereinstimmt, doch kann man drei Hauptracen unterscheiden ; die erste bildet die Stammart. Bei ihr sind die Zähne des Ab- domens spitz, die Exemplare sind meist mittelgross. Va7\ obtiisidens Dufour. Sehr kleine Stücke bis zu 3 ^/2 mm herunter , die Abdominalzähne sind stumpf, Hinterleib meistens rothgold, während er bei der Stammart mehr grün oder blau ist. Frankfurt Mitte Mai und Anfang Juni aus dürrem Waldholz entwickelt, Birstein (Bauer) ; ich besitze ein Exemplar, Mitte Juli am Isteiner Klotz in Süd-Baden gefunden. Var, longula Abeille. Sehr lang gestreckte, grosse Stücke bis zu 11 mm. Die Zähnchen sind immer stumpf, der Hinter- leib glänzend goldroth. Abeille kennt ausser Frankfurt nur noch Senart, die Basses- und Hautes-Alpes als Fundort. Aus dürrem Waldholz von Ende Mai bis Ende Juli erzogen, Ems, Mitte Juni bei Lorsch in Rheinhesseu, Birstein am Vogelsberg; icli besitze sie auch von Genf. Aus dieser Section beschrieb Schenck 5 neue Arten, die er aber selbst spater wieder mit ignita vereinigt. Es sind : Ch, vitripennis n. sp., Ch. impressa n. sp. von Weilburg und Wiesbaden, Ch. gracilis n. sp. von Weilburg 2 Weibchen, Ch. angusttila n. sp. nicht häufig bei Weilburg, Wiesbaden und Mombach und Ch. brevidentata n. s/?. bei Weilburg einmal ge- funden. Nach der Beschreibung gehören impressa zum Theil zu var. longula., gracilis zu longula, brevidentata ist eine kleine longula, angustula zu obtusidens. Ch. marginalis n. sp. ist nach der Beschreibung die Ch. analis Spinola, mit der er sie auch vergleicht. Sie ist bei Weilburg sehr selten. Section IV, Auratae. Wie bei Section III, aber Kopf und Thorax, wenigstens zum Theil goldglänzeud. — 252 — 22. Ch. succincta L. Je einmal Mitte Juni bei Mombach, und Ende Juli bei Jngenheim an der Bergstrasse gefangen. Nach Schenck bei Mombach ziemlich selten. Parnopes Fabr. 23. J*. carnea Rossi, — Von dieser interessanten Gattung kommt in Europa nur eine Art vor, die in sandigen Gegenden in den Nestern der grossen Benibex rostrata L. schmarotzt. Das grosse, schöne Thier hat smaragdgrünen Kopf, Thorax, Fühler, Schenkel und ersten Hinterleibsriug mit Ausnahme des Hinter- randes; der Rest des Hinterleibs, die Flügelschuppen, die Schienen und Beine sind matt, fleischroth. — Die Gattung ist ferner ausgezeichnet, dass der Hinterleib beim Männchen vier, beim Weibchen nur drei Segmente hat und durch einen Rüssel von fast halber Körper- länge. Der Hinterleib ist hinten mit vielen kleinen sägeförmigen Zähuchen besetzt. Mein Vater fing vor langen Jahren Ende Juli ein Männchen auf Thymus-Blüthen an saudigen Stellen am Frank- furter Wald nicht weit vom Sandhofe. An derselben Stelle fand er auch Betnbex, ahnte aber damals noch nicht den biologischen Zusammenhang beider Thiere. Ein Weibchen besitze ich von Mar- cs seille. Cleptes Latreille. Die Gattung ist von allen Chrysiden unterschieden durch unten convexen Hinterleib. 24. C. sevniaurata L. Von den Gattungsgenossen durch eine eingedrückte starke Punktlinie an der Basis des Halsschildes ausgezeichet. — Ein Männchen von Frankfurt in meiner Samm- lung, ein anderes sammelte Herr Th. Passavant. Dieses Geschlecht hat ganz grünblauen Kopf und Thorax, während sie beim Weib mit Gold untermischt sind und die Flügel starke Nebelflecke be- sitzen, 25. C nitidula F. Ein Männchen und 2 Weibchen. Das Männchen gleicht vollkommen der semiaurata , nur fehlen ihm die eingestochenen Punkte an der Halsschildbasis; bei dem Weib- chen ist der Prothorax fleischfarben. Ich besitze beide Arten von Genf. B. Unter den von Herrn Theodor Passavant der Senckenbergischen naturforschendeu Gesellschaft verehrten Hymenopteren befinden — 253 — sich eine Anzahl Chrysiden, die als aus unserem Faunengebiet (von Frankfurt, dem Taunus und der Bergstrasse) stammend, ganz besonders noch zu erwähnen sind. Es sind : 1.* Omalus Pan^eri F. Hierher gehört der Passavant'sche Elampiis trmwatus Dahlb. Der letztere hat gerade nicht das charakteristisch vorstehende Hinterschildchen des Panseri', Elam- pus. ist synonym mit Omalus. 4.* 0. auratus L. (= Elampus auratus-L.) Ein Pärchen. 5.* 0. pusülus F. — Hieher gehört das Pass. Stück von pygmaeus Schk. 8.* Holojjyga gloriosa F. Hierher als erste Form die ovata Dahlb. mit blauem Kopf und Thorax und goldenem Hinterleib ; zu dieser selben Form stelle ich auch das Passav. Stück ovata var. generosa (Forst.) Schenck. 26. Solopyga fervida F. Hierher ein Weib, von Pass. als Hedychrum fervidum bestimmt, wohin sie auch von Dahlbom gesetzt wurde. Die Ecken des Metasternums sind aber dick und nicht spitzig-divergirend wie bei Hedychrum. Das Thier ist ganz purpurfeurig und nur das normale, nicht konische Hinterschildchen ist blau. Ich habe von dieser Art nur 1 St. aus Marseille. 9.* Hedychrum rutüans Dahlb. Ein Pärchen. Hierher auch das von Pass, als Holopyga ovata var. punctatissima Dahlb. be- nannte Stück. Es ist ein Hedychrum und keine Holopyga. 10.* H. lucidulum Lep. Ein Pärchen. Hierher au^ch das Passav. Stück des H. minutum. Das vorliegende Stück hat an der Spitze gespaltene Klauen, ist also ein Hedychrum und zwar ein kleines lucidulum Männchen. Minutum Lep. gehört aber zur Gattung Hedychridium Abeille, weil die Klauen an der Spitze nicht gespalten , aber mit einem derben Zahn in der Mitte ver- sehen sind. 15.* Chrysis cyanea L. Ein Weibchen. 17.* Ch. fulgida L. Ein Pärchen. Bei diesem Männchen ist das 2. Segment zum grössten Theil oben blau gefärbt, wie bei einem Exemplare gleichen Geschlechts in meiner Sammlung aus Ober- Italien. 18." Ch. hidentata L. Ein Stück. Von Pass, für ein Männ- chen angesehen, das aber roth und schwarz geringelte Fühler hat. Die mit * versehenen Nummern beziehen sich auf die gleichen Num- mern im Haupttext. — 254 — wie mein Stück vou der Hohen Mark. Die Goldfarbe ist bei die- sem Passavant'schen Stück glänzender als bei allen meinen Exem- plaren. Abeille sagt aber: .... »l'espece est une des plus em- barrassantes que Ton puisse trouver. Je crois qu'il ne faut ici tenir que tres peu compte de la couleur etc.« 19.* Ch. aerata Dahlb. Ein Weibchen. 21.* Ch. ignita L. Manu und Weib typische Stücke. var. impressa Schk. Mann und Weib und var. angustula Schk. Ein Pärchen. — Ich stelle beide Va- rietäten zur var. longula Abeille, da sie sehr lauggestreckt, gross und die Hinterleiber unten golden statt grün siud. Beide Männer habeu stumpfe, beide Weiber spitze Zähne des letzten Seg- mentes, was der Abeille'schen Beschreibung (er kannte nur Weiber aus Südfrankreich und Frankfurt) entgegen wäre, da er sagt: »les dents apicales sout toujours obtuses.« — 27. Clirysis pustulosa Abeille* Aus der Gruppe HI, JBicolores. Hierher ziehe ich das Passavant'sche Stück iniegrella Dahlb., ein Name, der bei Abeille und Dahlbom nicht vorkommt. Pustulosa ist dadurch gekennzeichnet, dass der Hinterleib keine Zähne hat, der Bauch in der Mitte ohne Ausbuchtung und das Metasteruum nicht konisch ist (wie bei aurata der Fall) : die Puuktiruug des Hinterleibes ist eine doppelte und besteht aus kleinen und untermischten grossen Punkten. Der Rand vor der Spitze des letzten oberen Hinterleibsegmentes ist an der Basis breiter als an der Spitze. 28. Ch. splendidula Mossi. Aus der Gruppe Zonatae. Ein Weibchen. Die zwei ersten Hinterleibsegmente sind golden, das dritte blau und hat vier scharfe Zähnchen. Der Thorax ist blau. Der Körper ist langgestreckt. Ich besitze die Art nur aus Marseille. C. In der Berliner Entomologischen Zeitschrift 1867. pag. 141 bis 155 veröffentlichte Herr F. Jaennicke, jetzt Oberrevisor in Mainz, damals in Frankfurt an unserem Museum sehr thätig im Ordnen und Bestimmen der Dipteren — einen Beitrag »Zur Hy- menopteren Fauna der Umgegend von Frankfurt a. Main.« — Es werden dort 14 Chrysiden aufgeführt und zwar die No. 3* {Omalus pusillus Wesm. nicht selten), — No. 4* 9 — No. 6* 9 (violaceus Scop. =: caeruleus Deg.); No. 8* {Holopyga ovata); No. 9* — 255 — {Hedychrum rutilans, Kelsterbach an der Ludwigseisenbahn häufig) ; No. 10.* {H. lucidulum \regium\ Kelsterbach, Rüsselsheim); Zu No. *10 auch als 9 ardens Latr. von Kelsterbach. — No. *12 {Uedychri- dium mimitum, bei Jaennicke Hedychrum coriaceum Dahlb.) ; No. *13 {Hedychridium roseum Rossi, bei Jaen. Hedychrum ros. 9 Mom- bach); No. *16. {Chrysis indigotea Duf. 9); No. *17. {Ch.ful- gida L. Schwanheim); No. *18. {Ch. bidentataF. Taunus); No. *21. {Ch, ignita L. nicht selten, besonders bei Kelsterbach und var. impressa Schk. Kelsterbach); No. *22 {Ch. succincta Wsm. Mann, Frankft. Wald.) — Durch diese Aufzählung wird die Zahl der sub A. u. B. an- geführten Arten nicht erhöht. Wir hätten also 28 richtig be- stimmte Arten nachgewiesen. Prof. Dr. Schenck zählt 40 nassauische Arten auf, von denen 13 Arten eingehen, so dass 27 verbleiben. 1869 veröffentlichte C. G. Thomson in seinen Opuscula entomologica I. p. 101 eine »Oefversigt af de in Sverige funna arter af slägtet Chrysis«. Er führt für Schweden an 28 Arten, wovon bei uns vorkommen die No. 1, 2, 4, 6, 7, 8, 10, 13, 15, 17, 21, 22, 24, 25, also die Hälfte der Arten. Abgeschlossen im Mai 1882. 256 Zweite Liste von Reptilien und Batrachiern, gesammelt 1881 — 82 auf Sicilien durch Herrn Chefinspector Carl Hirsch. Von Dr. Oscar Boettger. Wie im vergangenen Jahre schickte uns auch heuer Herr Chefinspector C,a r 1 Hirsch neben anderen Naturalien eine Suite von Kriechthieren, die sich durch besonders gute Erhaltung auszeichnen. Drei von den hier in Kürze namhaft zu machenden Arten, näm- lich : Seps chalcides, Vipera aspis var. und Rana esculenta und weitere drei bemerkenswerthe Varietäten waren in unserer Lokal- sammlnng von Sicilien noch nicht vertreten gewesen. ReptiHen. Eidechsen. 1. Lacerta viridis Laur. typ. (var. concolor Duges) (Laurenti, Syuops. rept. 1768 p. 62; Duges, Mem. s. 1. esp. indig. d. genre Lac. Ann. Sc, Nat., Bnd. 16, 1829, p. 374). Aus Sicilien neu für uns. Ein Exemplar von Marsala 13, 6, 82. Ganz grün, ohne Spur von schwarzen Fleckchen oder Makeln. Femoralporen 18—18. var. punctata Duges (vergl. Jahresber. 1880 — 81 p. 134). Exemplare von Rosettano 23, 2, 81, vom Fusse des Mte. Pell eg r in o auf der Meeresseite 16, 7, 82, vom Mte. Sta. C ristin a , ebenfalls von der Strandseite 10, 2, 82, alles Oert- lichkeiten in der Nähe von Palermo, und von der Insel Us tic a 22, 6, 82. Die Zahl der Femoralporen beträgt bei diesen Stücken beziehungsweise 17 — 16, 18—16, 18—17 und 18—19. var. &27ni(Sato Daud. (Daudin, Hist. nat. gen. d. rept., Bnd. 3, 1803, p. 152, Tat". 35, Fig. 1.) Aus Sicilien neu für uns. - 257 — Ein Stück von der Insel Ustica 22, 6, 82 ist grün, gegen den Hals und die Wangen hin blau; Körper mit jederseits zwei Längsstreifen weissgelber Flecke, die nach oben hin von einzelnen schwarzen Schuppen begrenzt werden. Schenkelporeu 17 — 17. Uebergangsform zu den folgenden noch mehr charakteristischen Stücken dieser Varietät. Stück von Maria V e r g i n e , am Fusse des Mte. Pellegrino bei Palermo 16, 4, 82. Oliveugrüu, auf der Schwanzbasis ins Oliven- braune, die Seitenstreifen gelb, der obere durchlaufend, der untere nur als Fleckenreihe entwickelt, die genannten gelben Streifen und Flecke kräftig mit Schwarz gesäumt. Schenkelporen 16 — 16. Maasse: Kopf bis Halsband incl. 34, Rumpf 75, Schwanz 246 mm. KÖrperläuge zu Schwanzlänge also wie 1 : 2,26. Exemplar von Marsala 13, 6, 82. Eine besonders ausge- sprochene Bilineata-Form: Tief bisterbraun mit 4 ununterbrochenen gelben Längslinien. Schenkelporen 19 — 18. Die sicilianische Lac. viridis schwankt demnach in der Zahl ihrer Schenkelporeu von 16 — 16 zu 20 — 21 und hat im Mittel 18 — 18 Poren. Sehr bemerken s we rth ist noch, dass die Fundorte unserer 1 1 Exemplare sämmtlich auf den Küsteninseln liegen oder auf siciliauischer Erde wenigstens direct dem Meere zugewandt sind, so dass die Art hier wenigstens der Küsteuregion ausschliess- lich oder zum mindesten vorzugsweise anzugehören scheint. 2. Lacerta murdlis\jQ.m'. (vergl. Jahresber. 1880 — 81, p. 135). var. Simla Bonap. Ganz junge Stücke dieser Varietät vom Prato Tramways in Palermo 26, 9, 82 sind einfarbig dunkel grüugrau mit je 2 leb- haft gelben oder weissen, schmalen Seitenstreifen. /". ruhriventris Bonap. (1. c. p. 137). Stücke von Villa Tasca bei Monreale 21, 5, 82. 3. Seps {Seps) chalcides (L.) (Linne, Syst. uat. I., 1758, p. 209). /'. bilineata mihi. Vom Typus der Art nur durch die Färbung unterschieden, indem die sicilianische Form sich durch nur je einen breiten, hel- len, schwarz eingefassten Läugsstreifen auf der Rückeuseite aus- zeichnet. 24 Schuppenreihen um die Bauchmitte wie bei der ty- pischen Form. Ein Exemplar vom Mte. Sto. Cirro bei Pa- lermo 12, 6, 81. Aus Sicilien neu für unsere Sammlung. 17 — 258 — 4. Sej^s {Gongylus) ocellatus (Forsk.) var. tiUgugu Gmel. (1. c. p. 138). Die neuen Exemplare stammen von St a. Margherita 6, 4, 82 und aus dem Orto botanico 5, 5, 82 in Palermo, sowie Ton Samucco bei Partiuico 4, 5, 82. 5. Tarentola Mauritanica (L.) (1. c. p. 139). Die zahlreichen neu erhaltenen Stücke kommen von Cata- nia 4, 12, 81, und von Porazzi 15, 3, 31, Bagheria 29, 3, 81, Sta. Fla vi a 2, 6, 82 und Villa Tasca bei Monreale 21, 5, 82, sämmtlich Orte in der näheren oder entfernteren Umgebung von Palermo. 6. Hemidactylus verruculatus Cuv. (1. c. p. 139). Schönes Stück vom Prato Tramways in Palermo 26, 9, 82. Schlangen. 7. Zamenis viridiflavus (Latr.) (1. c. p. 139). var. communis Donnd. kleine Stücke vom Mte. Zaffarano 7, 4, 82 und von Sto. Lorenzo 13, 5, 82, beides Oertlichkeiten in der Nähe von Palermo. Uebergangsformeu zu var. carbotiaria Fitz, von Villa Bel- moute 2, 1, 82 uud vonThomaso di Natale 11, 12, 81 bei Palermo. Pholidose normal; Temporalen 2,3,3—2,3,3 uud 2,2, 3—2, 2, 3. 8. Tropidonotus natrix (L.) var. Sictda Cuv. (1. c. p. 141.) Exemplare von Bagheria 12, 10, 81, vom Mte, Pelle- grino 23, 7, 82 uud vom Piano dei Grece bei Palermo 14, 8, 82, hier ein besonders grosses, ja geradezu unförmliches Exem- plar, das vermuthlich erst kurz vor dem Fange eine Ratte ver- schlungen haben mag, 9. Vipcra aspis L. var. Hugyl Schinz (Schinz, Naturgesch. u. Abb. d. Rept. 1833 p. 179, Taf. 78, Fig. 2). Von den beiden prächtigen vorliegenden Exemplaren wurde das kleinere No. 1 auf dem Mte. Cuccio nächst Palermo 23, 8, 82, das grössere No. 2 bei Caltauisetta 16, 8, 82 getödtet. Beide zeigen bis auf die folgenden bemerkenswertheu Ab- weichungen nahezu normale Beschilderung. Das Auge ist von den 10 — 9, resp. 9 — 10 Supralabialen wie gewöhnlich durch zwei Schuppenreihen getrennt. Die Schnauzenkante ist vorn bei dem jüngeren Exemplar merklich, bei dem grösseren recht auffällig aufgebogen und erhebt sich an der Schnauzenspitze fast 1 mm — 259 — über die etwas eingesenkte Fläche des Vorderkopfes, also deutlich steiler und höher als z. B. in J a n's Abbildung seiner V. aspis var. in Iconogr. des Ophid., Lief. 45, Taf. 3, Fig. 7e, die ein ver- muthlich ebenfalls siciliauisches Stück unserer Giftschlange aus dem Mailänder Museum darstellt. Seh up pen for mel. No. 1: Squ. 21; G. 5, V. 146, A. 1, Sc. 39/39. No. 2: Squ. 21; G. 4, V. 147, A. 1, Sc. ^^/3 3. Färbung beider Stücke nahezu übereinstimmend hell weiss- grau ins Bräunliche, mit grossen querovaleu, dichtstehenden (50 — 60) Rückenmakeln (ähnlich wie bei Zamenis hippocrepis L.), die z. Th. in einen schlangenlinienförraigeu Zickzackstreifen übergehen. Diese Rückenmakeln haben eine dunkel graubraune Färbung und sind an ihren Rändern überall von einer feinen schwarzbraunen Linie eingefasst (also ganz wie bei var. ocellata Latr., die mir leider nur aus der Beschreibung bekannt ist). Au den Seiten des Rückens alterniren mit ihnen je zwei weitere Reihen kleinerer, dunklerer Flecke, Die gewöhnliche dunkle Binde hinter der Orbita zeigt sich sehr deutlich markirt. Die Supralabialen, das Mentale, der Aussenrand des Ocularschildes und die Spitzen der hinteren Tn- fralabialen sind röthlich milch weiss, sehr scharf gegen ihre Um- gebung sich abhebend. Die Körperunterseite ist dunkel, stark mit Schwarz bestäubt; die Ränder der Ventralen zeigen sich mit je 4 schwarzen und je 4 weissen Fleckchen bald breiter, bald schmäler schachbrettartig gewürfelt. Die Spitze des Schwanzes ist unterseits lebhaft citrongelb. In Sicilien schwankt bei F. aspis die Schuppenformel (nach 6 Beobachtungen von AI. Strauch und mir) von Squ. 21; G. 4—5, V. 139-147, A. 1., Sc. ^^/ss— ^2/^2, und die Durchschnittsformel für var. Hugyi Schinz beträgt dem- nach: Squ. 21; G. 4—5, V. 144, A. 1, Sc. 36 36, Vergleichen wir nun unsere Sicilianerin mit typischen Stücken der V. aspis, wie sie sub III FF 4 mit der Schuppenformel Squ. 21 ; G. 4, V. 156, A. 1, Sc. ^'^ji-j aus Südeuropa im Museum Senckenberg liegen, so zeichnet sich diese letztere, abgesehen von der grösseren Anzahl der Ventralen und der Subcaudalen, nament- lich auch durch die fast constant ins Grüne oder Blaugrüne — 260 — fallende graue Grundfarbe und durch die kleinen, entweder isolirt In 4 Längslinien geordneten oder als schmale Bänder quer über den Rücken gestellten schwarzen Flecke aas. Was die Nasenkuppe, den wichtigsten Charakter aller hierhergehörigen Formen, anlaugt, so ist bei der sicilianischen Form die Schnauzenkante von Auge Tornüber zu Auge weit schärfer markirt, und die Schnauzenspitze in Folge dessen oben mehr aufgestülpt und in der Seitenansicht entschieden höckerartig vortretend. Ausserdem zeigt die Schnauzen- kante von Auge vornüber zu Ange nur 6 grosse Schüppchen, während bei der typischen F. aspis constant 8 — 9 und zwar meist kleinere Schüppchen dafür zu beobachten sind. Von vorn gesehen sind die beiden vordersten über dem Rostrale gelegenen Schüpp- chen der Schnauzenkante auffallend flach und schneidig aufgelagert, während bei V. aspis typ. die 3 uupaaren oder 2 paarigen ent- sprechenden Schüppchen constant etwas aufgeschwollen erscheinen. Die Zahl der Supralabialen beträgt bei dem Typus 10 — 11, bei der sicilianischen Form wenigstens auf der einen Maulseite wohl constant 9. V. Latastei Boscä hat dagegen, wenigstens nach unseren beiden maroccanischeu Stücken, schon ein distinktes und wirklich nach aufwärts gerichtetes Nasenknötchen, und wenn diese Art auch im Allgemeinen dieselbe Färbung und Körperzeichnung trägt, so sind doch die Rückenmakeln bei ihr immer rhombisch, nie queroval wie bei unserer Sicilianerin. Die Schüppchen der Nasen- kante sind bei V. Latastei dicklich, aufgeblasen, nicht flach und nicht, von vorn gesehen, eine quere Schneide bildend, wie bei der sicilianischen Viper. In Folge dessen ist bei V. Latastei und bei V. ammodytes die Schnauze ganz evident spitzer wie bei V. aspis und ihren Varietäten. Die Zickzacklinie der Rückenzeichnung und der hohe, be- schuppte Nasenaufsatz der ächten V. ammodytes^ zu der V. La- tastei, die ich als gute Art anerkenne, übrigens nähere Beziehungen zeigt, als zu F. asjns , entfernt unsere sicilianische Form noch weiter von ihr als von F. Latastei. In der Form der Nasenkuppe bildet diese sicilianische Varietät mithin einen bemerkenswertheu üebergang von F. aspis typ. zur spauisch-uordafrikanischen F. Latastei Boscä, so dass ich den alten und fast vergessenen Namen var. Hugyi Schiuz für die sicilianische Aspis-Form wieder in Anspruch nehmen möchte. Wahrscheinlich — 261 — deckt sich dieser Name mit Latreille's var. oceJlafa, die aber auch in Siidfrankreich und bei Neapel vorkommen soll, so dass ich es vorziehe, um Verwechsluugen zu vermeiden, die sicilianische Giftschlange, die von den verschiedensten Autoren bald für V. aspis, bald für V. ammodytes angesprochen worden ist, mit einer aus- drücklich und ausschliesslich für die sicilianische Viper geschaffenen Benennung zu belegen. Neben ihr dürfte kaum eine zweite Gift- schlange auf der Insel vorkommen. Batrachier. Anuren. 10. Discoglossus jnctus Otth (1. c p. 142). Es liegen von dieser Art 2 Stücke vor, eins der typischen Form dieses Frosches mit den drei hellen Längsbinden über den Rücken von Calatafimi 16, 1, 82, eins in der fast einfarbig grauen, früher 1. c. beschriebenen Tracht des Weibchens aus dem Giardino Garibaldi in Palermo 11, 9, 82. Bei dem letztge- genannten Exemplar (var. Nebrodensis Minä Palumbo, Biblioteca d. Nat. Sicil. Fase. I, Palermo 1863 p. 24) zeigen sich die glei- chen Rauhigkeiten wie bei dem früher beschriebenen palermita- nischen Stücke auf Rücken und Schenkeln, doch sind hier die Rückenmakeln, welche die var. Sardoa Gene auszeichueu , als schwach dunkelgraue Zeichnungen auf der wenig helleren Grund- farbe eben noch zu erkennen. 11. JRana esculenta L. f. maritima Risso (Hist. uat. des princ. prod, de l'Eur. mer. III, 1826, p. 92). Rückenhaut feinwarzig; dunkel olivengrün, Streif unter dem Auge deutlich heller, graugrün, Rückenstreif kaum heller als die Grundfarbe. Ein Exemplar vom Solonthurm bei Palermo 27, 3, 82. Aus Sicilieu neu für uns. (12. Bufo viridis Laur.) (1-3. Bufo vidgaris Laur. var. spinosa Daud.) 12. (14) Hyla arborea (L.) var. intermedia Boul. (1. c. p. 143 =^ var. SardaBoeitg. non Bonelli; Bou] enger. Cat. Batr. Sal. Brit. Mus., II ed., London 1882 p. 381). Drei neue Stücke von Sta. Favor ita bei Palermo 15, 8 82, übereinstimmend mit den früher beschriebenen Exemplaren und ausgezeichnet durch das Fehlen des Frenalstreifs und das Vorhandensein der Seitenlinie und einer schwachen Hüftschlinge ; aber das Grün der Oberseite geht an den Kinnseiten wie bei meiner var. meridionalis auf die Kehlunterseite über. — 262 — Der var. Sarda Bonelli vou Corsika und Sardinien, mit der ich früher diese sicihanische Form zusammenwarf, fehlt nach Dr. F. Müller in II. Nachtr. z. Katalog d. herp. Samml. Basel, 1882 p. 5 die Hüftschlinge constant, so dass diese Inselform ent- weder eine eigene Varietät bilden muss , oder aber mit var. Sa- vignyi Aud. oder var. meridionalis Bttg. identisch ist. Exemplare Ton dort habe ich noch nicht gesehen. 263 Gedächtnissrede auf Dr. Friedrich Scharff, gehalten am 17. December 1881 von Dr. Wilhelm Schauf. Hochgeehrte Versammlung! Heute vor vier Wochen hat die Gesellschaft durch den Tod eines in ihrem Interesse während einer langen Reihe von Jahren äusserst thätigen Mitgliedes, des Herrn Dr. Friedrich Scharff, einen schweren Verlust erlitten. Geboren in Frankfurt im Jahre 1812, besuchte Scharff an- fangs die hiesige Musterschule, dann das Gymnasium, studirte in Bonn und Heidelberg die Rechte und promovirte 1834 an letzt- genanntem Orte. Anfangs mit rechtswissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, zog er sich dann mehr und mehr von der juristischen Praxis zurück und wandte sich seit Anfang der fünfziger Jahre, dieser Thätigkeit gänzlich entsagend, lediglich naturwissenschaft- lichen, speciell mineralogischen Studien zu , die ihn bis kurz vor seinem Tode, wo ihm ein schweres Augenleiden jede Anstrengung des Gesichts zu vermeiden gebot, in Anspruch nahmen. Er pflegte gern zu erzählen, dass er sich die Anfangsgründe seiner mineralogischen Kenntnisse in der Museumssammlung an- geeignet habe , indem er mit Blums Lehrbuch der Oryktognosie in der Hand die ausgestellten Stücke an den allgemeinen Besuchs- tagen nach ihren äusseren Kennzeichen studirte. Durch fleissige Lektüre und eine eigene Sammlung suchte er sich weiter zu för- dern; besonders an Bischof und Volger hat er sich, wie aus einer seiner Arbeiten hervorgeht, herangebildet und trugen die ge- nannten Forscher wesentlich dazu bei, ihm den Glauben an Auto- — 264 — ritäten abzuschwächen uud ihn darauf hinzuleiten, an alle Fragen selbst prüfend heranzutreten , wie das auch thatsächlich ein Hauptchai'akterzug seiner Schriften ist. Die persönliche Bekannt- schaft mit Friedrich Hessenberg, dem hervorragenden Meister auf dem Gebiete der Morphologie der unorganischen Individuen, bot ihm die beste Gelegenheit, mit der an Räthseln so reichen Krystall- welt näher vertraut zu werden. Im Jahr 1851 trat Scharff in die Senckenberg. Gesellschaft ein und übernahm bald darauf die mineralogische Section, die er bis kurz vor seinem Tode, wo ihm sein Augenleiden die weitere Verwaltung derselben unmöglich machte, leitete; 1853 — 54 be- kleidete er das Amt des ersten Secretärs, 1866—67 das des zweiten Directors; ausserdem war er meist als Mitglied der Abhandlungs- commission thätig. Lassen Sie mich zunächst der treuen Pflege , welche Scharff der Mineraliensammlung angedeihen Hess , mit einigen Worten gedeuken. Die Cataloge der Sammlung, die Ordnung derselben, die Etiquet- tirung, die hinterlassenen Schriftstücke seiner Section zeugen von genauer Sachkenntniss, von einer musterhaften Gewissenhaftigkeit, von ausdauerndem Fleiss, von einer unvergleichlichen Sorgfalt, mit der er wesentliche Dinge in gleicher Weise wie nebensächliche behandelte. Seine Cataloge sind nicht bloss eine Aufzeichnung der vorhandenen Mineralien, ein blosses Inhaltsregister der Samm- lung, sondern sie geben bei jedem besseren Stück eine genaue Be- schreibung, eine detaillirte Charakteristik besonders der Beschaf- fenheit der Krystallflächen, welche ihm von jeher das meiste Inter- esse abgewannen und denen er fast seine ganzen Studien wid- mete; seine Notizen geben uns den genauesten Einblick in den gegenwärtigen Zustand und die Entwicklungsgeschichte der Samm- lung. Als er die Verwaltung derselben im Verein mit Friedrich Hessenberg antrat, war sie mangelhaft geordnet und durchaus lückenhaft; nachdem er sie mit Hesseuberg geordnet hatte, ist es ihm im Lauf der Zeit gelungen, die grösseren und allzu fühlbaren Lücken auszufüllen, und zwar hat er dazu in hervorragendem Maasse durch eigene Schenkung aus seiner trefflichen Collection beigetragen. Darch eifrige Bemühungen hat er auch Andere ver- mocht, Beiträge zu spenden uud insbesondere hat das Museum das erfreuliche Vermächtniss Wilhelm Kochs Scharffs Einfluss — 265 — zu verdanken. Es gereicht mir nun zur höchsten Freude, Ihnen an dieser Stelle die Mittheilung bringen zu können , dass der Verstorbene noch durch seinen Nachlass sein grosses Interesse an der Förderung des Museums erwiesen hat; ein sehr grosser Theil seiner Sammlung ist demselben zugedacht worden, insbesondere sind die Eisenkiese, Eisenglanze, Kalkspäthe und Al- bite, ferner die Mineralien des Vesuvs und die von Traversella namhaft gemacht. Die Albite und auch die übrigen Feldspäthe sind eine Auslese der prächtigsten Krystalle : »Ich glaube nicht, dass in irgend einer andern Sammlung so schöne Albite zu finden sind; sie werden eine Zierde der Frankfurter Sammlung bleiben« sind des Verstorbeneu eigene Worte. Durch Kochs und Scharffs Schenkung ist die mineralogische Abtheilung unseres Museums in ein weit vollkommeneres Stadium eingetreten als bisher. , Wie Scharff eine lauge Reihe von Jahren zum Nutzen der Gesellschaft eine anspruchslose und ausserordentlich fleissige Thä- tigkeit entfaltet hat, so zeigt er sich auch als ein bescheidener, gewissenhafter und rastloser Arbeiter im Dienste der Wissenschaft. Seine erste Abhandlung auf dem Gebiet der Mineralogie »Der Taunus und die Alpen« erschien 1853, ein Jahr vor seinem Tod die letzte »Eisenglanz und Kalkspath, ein Beitrag zur vergleichen- den Mineralogie.« Es mag hier das Verzeichniss seiner zahlreichen Arbeiten mineralogischen Inhaltes folgen : 1853. Der Taunus und die Alpen. Jahrb. d. Ver. f. Na- turk. im Herzogthum Nassau. 1856. Aus der Naturgeschichte der Krystalle. 1857. Der Krystall und die Pflanze, Frankfurt. Verlag von Meidinger. 1859. Axinit- und Quarzgänge im Taunus. » Ueber den Quarz. Abhandl. d. Senck. naturf. Ges. Bd. III. 1860. Ueber die milchige Trübung auf der Endfläche des säuligen Kalkspaths. Neues Jahrb. f. Min. 1860. Ueber die Bildungsweite des Aragonits. Neues Jahrb. f. Min. 1860. Ueber Werner und Rom^ Delisle in Zusammenstel- lung mit Hauy. N. Jahrb. f. Min. 1861. Ueber die Bauweise der würfelförmigen Krystalle. N. Jahrb. f. Min. — 266 — 1862. Der Krystall und die Pflanze. IL Ausg. Beobach- tungeu über die Bauweise d. Krystalle. 1862. Der kohlensaure Kalk. N. Jahrb. f. Miu. 1863. üeber Bleiglanzkrystalle. N. Jahrb. f. Min. 1864. üebe den Zwillingsbau des Quarzes. N. Jahrb. f. Min. 1865. Ueber das Irisiren des Qaarzes. N. Jahrb. f. Miu. 1866. Ueber die Bauweise des Feldspaths. Abhdl. d. Senck. naturf. Ges. 1866. Adular und Quarz, Damascirung gewisser Flächen ders. N. Jahrb. f. Miu. 1867. Kalkspath und Pseudomorphosen von Auerbach. N. Jahrb. f. Min. 1867. Ueber missgebildete Steiusalzkrystalle. N. J. f. Min. 1868. Der Bergkrystall von Carrara. N. J. f. M. » Ueber den Sericit. N. J. f. M. 1870. Zwillingsbau beim Kalkspath. N. J. f. M. 1871. Ueber den Gypsspath. Abh. d. Senck. nat. Ges. 1872. Ueber das Sarganser Seebecken. N. J. f. M. * Die Fundstätten der Taunusmineralieu. Jahresber, d. Taunusclubs. 1873. Quarzkrystalle von Poonah. N. J. f. M. 1874. Weiteres über den Sericit. N. J. f. M. 1875. Ueber den inneren Zusammenhang der verschiedeneu Krystallgestalten des Kalkspaths. Abh. d. Senck. nat. Ges. 1876. Ueber die Selbstthätigkeit in ihrer AusbilduDg ge- störter sowie im Berge zerbrochener und wieder ergänzter Kry- stalle. N. J. f. M. Ber. d. Senck. Ges. 1878. Topas und Quarz. N. J. f. M. > Die Taunusalbite (briefl. Mitth. im N. J.) 1879. Die Treppen- und Skelettbildung einiger regulären Krystalle. Abh. d. Senck. nat. Ges. 1880. Eisenglanz und Kalkspath. Ber. d. Senck. Ges. Bei weitem der grösste Theil dieser Untersuchung ist seinen Lieblingen, den Krystallen, insbesondere den so wechselvollen und complicirten Wachsthumserscheinungen, die sich durch die Flächeubeschaffenheit kundgeben, gewidmet. Wie Ihnen bekannt, zeigen die in der Natur auftretenden Krystalle nur ausnahmsweise jene von ebenen Flächen begrenzten idealen Formeu, sowie selbige in Zeichnung und Modell zur Anschauung gebracht zu werden — 267 — pflegen oder wie mau sie häufig auf künstlichem Weg zu erhalten im Stande ist, sondern abgesehen von dem gewöhnlichen durch ein- seitiges Wachsthum bedingten Verzerrungen der rein geometrischen Form werden die Krystallflächeu selten den Anforderungen an eine mathematisch ebene Begrenzung gerecht, zeigen dagegen in den meisten Fällen Unregelmässigkeiten, bestehend in Streifung, Rauhigkeiten, Vertiefungen, konischen oder pyramidalen Erhebun- gen, Krümmung u. s. w. Diese Erscheinungen sind es, welche Scharffs Aufmerksamkeit fesselten, von ihm einer detaillirten Betrachtung und gewissenhaften Beschreibung unterzogen wurden and zu einer Reihe bemerkenswerther Beobachtungen Anlass gaben. Diesen Weg einschlagend, hoffte er einem immer noch in weiter Ferne liegenden Ziel, nämlich der Lösung der Frage näher treten zu können , wie das Wachsthum der Krystalle eigentlich vor sich geht, unter welchen Bedingungen die genannten flächen architek- tonischen Erscheinungen auftreten, unter welchen sie unterbleiben, worin die innere Ursache liegt, dass der Krystall so wechselvolle Combinationeu zeigt, warum gewisse Formen mit Vorliebe bei bestimmten Mineralien zu Stande kommen , andere nur unter- geordnet und verkümmert zum Ausdruck gelangen. Scharff findet, dass die unregelmässige Flächengestaltung zumeist auf gestörtes Wachsthum, »auf Störung in der bauenden Thätigkeit des Krystalls» zurückzuführen sei, die entweder von einem anderen Krystall oder von zu reichlich gebotener Nahrung, von Auflagerung fremder Substanz oder durch Temperaturbeeinflussung hervorgerufen sein konnte. Ebenso treten gewisse Flächen, von ihm Uebergangs- flächen genannt, nur bei gestörtem Wachsthum ein, so die Rhombenfläche 2 P 2 und die Trapezflächen beim Bergkrystall, das Pyramidenoktaeder 2 0 beim Bleiglanz , der 48 Flächuer beim Flussspath und andere mehr. Durch das Aufwachsen eines Krystalles auf einem andern werden auf der Unterlage Flächen hervorgerufen, welche bei ungestörtem Wachsthum nicht zur Gel- tung gelangen, der Krystall verwendet an der gestörten Stelle mehr Nahrung als an einer anderen. Die Krystalle derselben Art bauen in den verschiedenen Richtungen verschieden, manche vorwiegend von bestimmten Kanten , andere mehr von den Flächen aus. — Es findet sieh beim Wachsthum des Krystalls ein gestaltendes Princip, wie seine eigenen Worte sind, »nicht nur erhaltend und nährend, sondern auch heilend und ergänzend«. — 268 — Wir kommen hier auf eine Anschauungsweise, welche in allen krystallographischen Arbeiten Scharffs ausgesprochen und welche in neuerer Zeit nur von ihm vertreten wird. Die erwähnten Unregelmässigkeiten im Wachsthum derKrystalle, die Abweichungen von der ebenen Flächenbegrenzung, welche von Anderen durch Anschiesseu kleiner Krystallelemente, Sadebecks Subiudividuen, die eine andere Gestalt haben können, als der Gesammt-Krystall, er- klärt werden, sowie die mannigfaltigen, organischen Gebilden oft täuschend ähnelnden, Gruppeubildungeu, das Aufwachsen langsäu- liger Formen in einem Hohlraum , riefen bei ihm die Hypothese hervor, dass der Krystall nicht durch Anlagerung der Atome vou aussen her sich aufbaue, sondern dass er in ähnlicher Weise wie die organischen Wesen Nahrung in das Innere aufnehme, und er glaubt sogar eine gewisse Lebeusthätigkeit, epyaaia, den Krystallen beilegen zu müssen. Er will die Mineralogie nicht ganz in die Fesseln der Physik und Chemie geschlagen wissen, er ist bestrebt ihr eine grössere Selbstständigkeit zu erkämpfen dadurch, dass er der chemischen und physikalischen Methode gegen- über die Beobachtung der äusseren Erscheinungsweise in den Vor- dergrund stellt und daraus seine Schlüsse gewinnt. Die Krystallwelt gewissermasseu belebend tritt uns Scharff als ein sinniger Beob- achter entgegen: »Die Tafeln des Schwerspaths zeigen in ihrem Wachsthum ein gewisses Selbsfgefühl ; der Talk schmiegt sich überall an, duckt sich, schmeichelt sich ein und gewinnt so schliess- lich Raum und Existenz , freilich oft zerdrückt und zerknittert ; die Mesotype von Fassathal zeigen ein Ringen nach Selbstständig- keit, ein Bestreben, die ihnen im Wege stehende gegnerische Gruppe zu unterdrücken, zu verdrängen; der Prehnit hält ängst- lich an massiger Verwachsung fest; aus dem Granat von Auer- bach erwächst der Wollastonit, die eigene Mutter aussaugend und dieselbe batrachitähnlich zersplitternd — überall Krieg und Zer- störung, Undank und Selbstsucht.« Die Anschauungen Scharflfs über das Wachsthum der Krystalle finden Sie am deutlichsten niedergelegt in der zweiten verkürzten Bearbeitung seines Werkes »Krystall und Pflanze« sowie in der Abhandlung »Ueber die Selbstthätigkeit in ihrer Ausbildung ge- störter sowie im Berge zerbrochener und wieder ergänzter Krystalle.« Kann sich auch die moderne Wissenschaft mit ScharfFs eigenar- tiger Richtung nicht befreunden, so müssen wir doch der Gewis- — 269 — senhaftigkeit seiner Beobachtungen unsere höchste Achtung dar- bringen, und das reiche Material an Thatsacheu , welches er zu- sammengestellt hat, wird sich für einen späteren Forscher als eine höchst willkommene Fundgrube nutzbarer Schätze erweisen. Scharff war ein grosser Naturfreund. Wald und Berge übten auf ihn ihre ewig sich verjüngende Zauberkraft ans und so finden wir ihn in unserer anziehenden Umgebung eifrig umherstreifeud, Erholung und Belehrung suchend, neben mineralogischen gleich- zeitig geognostische Studien anstellend. Seine diesbezüglichen Be- obachtungen sind in : Taunus und Alpen, üeber den Quarz, Axi- nit und Quarzgänge im Taunus, Ueber den Sericit, üeber die Fundstätten der Taunusmineralien verzeichnet. Auch auf archäo- logischem Gebiete war er zu Haus ; und besonders wenn sein periodisch heftig auftretendes Augenleiden ihm anstrengendes Sehen versagte, gab er sich mit derartigen Forschungen ab und es findet sich in seinem Nachlass noch ein ungedrucktes Manuscript »üeber die alten Wege im Taunus« vor. In Allem lernen wir in Friedrich Scharff einen Manu kennen, der keinen Tag seines Lebens ungenutzt in müssiger Beschaulich- keit vorüberziehen liess, einen Mann , der seinen Lebensberuf in emsiger Arbeit suchte und darin seinen Lohn fand , einen Mann, »Der, wenn ihn auch kein Eid zum Dienst der Welt verbindet, Beruf und Eid und Amt schon in sich selber findet.« (Geliert.) — 270 — Zum Andenken an Dr. Carl Koch von Dr. phil. Friedrich Kinkelin. Hoch ansehnliche Versammlung! Vor wenigen Wochen traf uus die freilich nicht üherrascheude, aber erschütternde Nachricht, unser Aller lieber Freund Dr. Carl Koch ist nicht mehr unter den Lebenden. Schwer waren dem geistig nie Rastenden die letzten Jahre geworden; missliche Kom- plikationen seiner Leiden Hessen ihn, der völlig klar seinen körper- lichen Zustand erkannte, eine Genesung nicht mehr erwarten; doch hielt er bis gegen Ende vorigen Jahres an der Hoffnung fest, ein recht zweckmässiger Besuch des Vierwaldstätter See's werde besser als im vorigen Jahre vielleicht wesentliche Er- leichterung bringen. Es hat sich seine und imsere Hoffnung nicht, erfüllt. Am 20. April geleiteten wir ihn zur letzten Ruhe- stätte. Als Zeichen höchster Anerkennung und Verehrung, welche die Gesellschaft ihrem begeisternden Lehrer und dem durch Herz wie durch Geist hochstehenden, gleichstrebenden Freund schuldete, Hess sie auf sein Grab einen Lorbeerkranz niederlegen. Im Namen des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung sprach Herr Blum tiefgefühlte Worte, Carl Jakob Wilhelm Ludwig Koch, der ältere von zwei Brüdern wurde am 1, Juni 1827 in Heidelberg geboren. Durch den frühen Tod seines Vaters beeinflusste sein Oheim und Vor- mund die Erziehung der beiden Brüder in wohlgemeinter, im Ganzen aber bedauerlicher Richtung. Selbst kinderlos und Be- sitzer grösserer Bergwerke und Eisenhütten, suchte er die beiden Knaben als seine Geschäftsnachfolger und Erben zu erziehen; die — 271 — Erziehung zielte somit mehr auf technische und kaufmännische Ausbildung ab. Früh schon suchte Carl dem entgegen seiner Neigung zu einer wissenschaftlichen Laufbahn zu folgen. Mehr- fach sagte er sich, nachdem er die Gymuasialstudien hinter sich hatte, von der vermeintlich väterlichen Obhut los, bis es immer wieder seiner Mutter durch gütliches Zureden gelang, ihn in die vom Oheim bestimmte Bahn zu bringen. 1846 bezog er die Universität Heidelberg, darauf Marburg und Giessen, widmete sich besonders in den ersten Jahren gleichmässig den gesammten Naturwissenschaften und machte grössere Reisen in die Schweizer und Tyroler Alpen, auch nach Oberitalien, botanischen, minera- logischen und geognostischen Studien obliegend. 1852 vom Oheim mit Zusendung von Mitteln im Stiche gelassen, hiess es heim- wärts. Hier verwerthete er einen Theil des Gesammelten, um seine Studien zum Abschluss zu bringen. Durch Empfehlung seines alten Lehrers Geheimrath C. v. Leouhard erhielt er die erste Stelle, und zwar beim Gipsgrubenbetrieb am Neckar. Seine ersten geognostischen Publicationeu verfasste er für die Beiträge zur mineralogischen und geognostischen Kenntniss Badens von G, Leon- hard — die Trias am Baden'schen Neckar 1853 und über den Gipsbergbau daselbst 1854. Seine Stellung vertauschte er mit der Direction der Silbergruben von Schapbach im Schwarz- wald und zog bald nach seiner Verehelichuug nach Dilleuburg, wo er sich im Jahre 1854 mit einigen nahen Verwandten bei Uebernahme des Scheiderwerkes, eines grösseren Bergwerks -Com- plexes und Eisenhüttenwerkes mit ausgedehnter Giesserei associrte. Koch übernahm auf Wunsch dieser Societät die technische und bald auch die kaufmännische Leitung desselben. Trotz vielfacher und verschiedenartiger Inanspruchnahme und trotz der schwierigsten geognostischen Verhältnisse des Dillgebietes, machte sich Koch daran, dasselbe geognostisch zu durchforschen; er sammelte das Material zur Abfassung seines bedeutendsten geog- nostischen Werkes, das mit wenigen Modificationen vollen Werth behielt — die paläozoischen Schichten und Grünsteine in den nassauischen Aemtern Dillenburg und Herborn. Diese grosse Arbeit ist im 13. Hefte der Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau 1858 niedergelegt. — »In dem Faltensystem des rheinisch -westphälischen Devon, urtheilt Herr von Dechen, gibt es wohl kaum eine Stelle, welche die Lahn- - 272 — mulde in Dillenburg und Herboru an Verwickelung übertreffen dürfte. Der Aasdauer und dem Scharfsinn Koch's war es ge- lungen, dieselbe klar zu legen.« Aus jener Zeit rührt sein Bekanntwerden mit Herrn Ober- berghauptraann Dr. von Dechen, das ihm für seine spätere Lauf- bahn materiell und intellectuell von wesentlicher Förderung war. Dieser hervorragende Geologe erkannte in Koch den Mann, der auch den schwierigsten Aufgaben gewachsen war. Aus der Dilienburger Zeit stammen auch einige kleinere Ar- beiten: über das Vorkommen von Nickelerzen im Wester- wald, über Dachschiefer in Culm und über Grünsteine in Nassau und dem Hinterlande, Notizbl. d. mittelrh. geolog. Ver. 1858. Als Koch nach 12 — 13 Jahren die Direction der Scheider Werke niederlegte, besonders wohl dadurch veranlasst, dass seine Interessen an wissenschaftlichen Studien und der hierzu nöthige Zeitaufwand mit den Forderungen jenes technischen Unternehmens nicht har- monirteu, übernahm er au der provisorisch wieder eingerichteten Bergschule in Dillenburg die Lehrstelle für Mineralogie, Geologie, Physik, Chemie und Mathematik. In diese Zeit, 1868, fällt die Zuerkennung der höchsten aka- demischen Ehre Seitens der Bonner Universität. Dieselbe ernannte ihn in Anerkennung seiner bedeutenden Leistungen im Gebiete der Geologie und Zoologie zum Doctor philo- sophiae honoris causa. Erfreuliche Resultate bei seiner Lehrthätigkeit gaben Koch die Veranlassung, sich um die Stelle als ordentlicher Lehrer an einer entsprechenden Anstalt zu bewerben. Eude 1869 erhielt Koch, wohl besonders auf Empfehlung von Dr. Noll, dessen Nach- folger er in einigen Fächern wurde, einen Ruf als Lehrer der Mathematik und Naturwissenschaften an die Schulen der israelitischen Religiousgesellschaft in Frankfurt am Main. Das Provinzial-Schulcollegium in Cassel bestätigte seine Berufung unter Anerkennung der Facultas docendi für die beiden oberen Classen einer Realschule II. Ordnung in Mathematik und Naturwissenschaften. Im November 1869 zog Koch von Dillenburg nach Frank- furt über. Die erste Zeit war eine solche strenger Arbeit und harter Entbehrunsjen. Nächte hindurch hat Koch gearbeitet, sich - 273 — wieder zum Zwecke des Uuterriclits in Mathematik und Chemie einzuarbeiten, sich ferner wissenschaftlichen Arbeiten widmend und zum Zwecke der Vermehrung seiner Subsistenzraittel tech- nische Gutachten verfassend , endlich au seinen Sammlungen arbeitend. S'/s Jahre war Koch an dieser Schule als ordentlicher Lehrer thätig. Die Beziehungen Kochs zu Frankfurt datiren übrigens weiter als 1869 zurück, wenigstens wurde zu denselben viel früher der Grund gelegt. 1851, damals also ein ganz junger Mann, machte sich Koch durch seine mit Fridolin Sandberger publicirte erste malakozoologische Arbeit nach dieser Richtung bekannt — diese Beiträge zur Kenntniss der Mollusken des oberen Lahu- und Dillgebietes, hauptsächlich um Weilburg und Dillen- burg sind im 7. und 8. Jahrbuch des Vereins für Naturkunde in Nassau enthalten; sie führen 7 als in Nassau neu gefundene Species auf. Um sich zu seinem bergmännischen Berufe vorzubereiten, hielt er sich nämlich zu jener Zeit bei Dillenburg, dem Wohn- sitze seines Oheims auf; bei dieser Gelegenheit 1848 lernte er auch seine künftige Lebensgefährtin kennen. Koch betheiligte sich dann im October 1868 von Dillenburg aus an einem Aufruf zur Gründung der deutschen malakozoolo- gischen Gesellschaft, deren Hauptsitz Frankfurt auch heute noch ist. In dieser Richtung sind die drei folgenden Arbeiten be- merkenswertb. 1. Die im Nachrichtsblatt jener Gesellschaft 1871 veröffent- lichte; Vitrina Heynemanni, verglichen mit den verwandten Arten, mit Abbildungen. Darin ist zuerst auf die Merkmale auf- merksam gemacht, welche der Körper des Thieres selbst zur Art- unterscheidung bietet. 2. Die im Jahrbuche derselben Gesellschaft 1874 publicirte Beschreibung und Abbildung von lÄmax (AgrioUmax, Krzni- hillus) Fetschenhoi (Heyuemann u. Koch) und Amalia maculata (Heynemann u. Koch) aus Samarkand. 3. Veränderungen der Conchylienfauna — im Nachbl. d. d. mal. Ges. 1871 — ein interessanter Aufsatz, der nicht allein die Abnahme und das gänzliche Verschwinden einer beträcht- lichen Anzahl von Thieren konstatirt, sondern auch die mehr- fachen Ursachen ausfindig macht, die hiezu führten. — 274 — Die Absicht mit D. P. Hejuemann 1874 eine Monographie der gehäusloseu Pulmonaten und verwandter Typen in Europa und den angrenzenden Ländertheilen zu publiciren, wurde durch seine anderweitige Beschäftigung vereitelt; dieselbe liegt unvollendet unter den hinterlassenen Manuscripten. Wenn Koch seit Jahren schon zoologischen Studien sich hin- gegeben hatte, so darf doch gerade sein Aufenthalt in Frankfurt als eine vorherrschend zoologische Episode iu seinem arbeitsvollen Leben bezeichnet werden. Seine zoologischen Studien fasste er in Bezug auf die Chiropteren in seiner vorzüglichen Arbeit, die er iu den Jahrbüchern 17 und 18 des Vereins für Naturkunde in Nassau mit 2 Tafeln 1865 niedergelegt hatte, zusammen — das Wesentliche der Chiropteren mit besonderer Beschreibung der im Herzogthum Nassau und den angrenzenden Lan- destheilen vorkommenden Fledermäuse — eine Arbeit, die bekanntlich zu den in dieser Sache massgebenden und für die deutsche Fauna grundlegenden Werken gehört, von der Koch selbst sagt, dass sie, soweit es sich um den beschreibenden Theil handelt , auf möglichste Vollständigkeit Anspruch machen kann. Dieser Arbeit waren folgende Abhandlungen, Aehnliches be- treffend, vorausgegangen: Ueber die Fledermäuse Oberhessens und der angrenzenden Ländertheile im 8. Berichte der ober- hessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde 1860 und die Chiroptereufauna des Pollichiagebietes, Vortrag in der Pollichia am 6. September 1863. Seltsamerweise suchte sich Koch trotz seiner früh ausge- sprochenen Vorliebe für Versteinerungen älterer Formationen — in seiner Dillenburger Zeit hatte er eine wundervolle, wissenschaft- lich bedeutende, reichhaltige Sammlung von Culm- und Devon- petrefakten zusammengebracht — seltsamerweise suchte er während seines 3 ^/2 jährigen Frankfurter Aufenthalts sich mit dem Maiuzer- becken nicht in's Klare zu setzen — ich sage trotz seiner Freund- schaft zu Dr. Karl vonFritsch, der damals als Doceut und Sectionär der Gesellschaft das Mainzerbecken fleissig durchforschte und in manchen Stücken die Kenntniss desselben wesentlich förderte. Die Freundschaft Noll wog vor. Koch blieb dem Tertiär, das er später so intensiv cultivirte, aus einer gewissen, selbst eingestandenen Voreingenommenheit fern; auch ein Gegenstand, der ihn in den — 275 — letzten Jahren im höchsten Grade beschäftigte, das Studium der Diluvialgebilde und der Fauna derselben, schien ihm nicht beach- tenswerth , war ihm fast antipathisch. Erst gelegentlich der geologischen Landesaufnahme befreundete er sich mehr und mehr mit diesen geologischen Epochen und brachte während der letzten 8 Jahre eine ausgezeichnet durchgearbeitete Sammluug von Petre- fakten aus dem Mainzer Tertiärbecken und den Diluvialschichten innerhalb desselben zusammen. Bedeutende Bereicherung stand der Wissenschaft aus diesen Studien in sicherer Aussicht. Der Tod hat uns derselben beraubt, soweit nicht, wenn auch unvollendete Manuscripte vorhanden sind. Ich kehre zurück zu seinem Ueberzug nach Frankfurt. Hier äusserte sich seine ausserordentliche geistige Arbeitskraft nach verschiedenen Richtungen. Erstlich in der Schule, wo er ausserordentlich anregend wirkte; ernst nahm er sein Amt und mit grosser Freudigkeit waltete er desselben. Ich, als sein Nach- folger, weiss, wie hoch Koch von seinem geistvollen Director Rab- biner S. Hirsch und den meisten Collegen geschätzt wurde; es war schwer nach ihm auch ein wenig zur Geltung zu kommen; die Schüler hingen mit grosser Liebe und grossem Vertrauen an ihm, was sich noch in späteren Jahren u. a. dadurch äusserte, dass sie väterlichen und technischen Rath bei ihrem ehemaligen Lehrer suchten. Ausser seinem Hauptunterricht an der israelitischen Realschule suchte Koch seinen Erwerb noch durch Unterricht an der Mädchen-Musterschule, an der Handelsschule, im Roos'scheu Institut und durch Privatunterricht zu erhöhen, so dass die An- zahl der von ihm gegebenen Unterrichtsstunden in der Woche bis auf 39 (!) kam. In das Programm dieser Schule schrieb Koch 1872 eine 55 Quartseiten umfassende Abhandlung, die er selbst als gelungen bezeichnete, an die er immer mit Freuden dachte — dieArchitectur derThiere — ; ein riesiges Wissen und viele originale Beobachtungen sind darin auf die geistvollste Weise verarbeitet und verknüpft. In seinem wahren Element war Koch draussen in der freien Natur — im R e V i e r , wie er sich gern, wohl aus bergmännischer Gewöhnung, ausdrückte. Von Jugend an muss er für die Freuden des Naturgenusses ein offenes Herz und Auge gehabt und sein liebevolles Interesse an den belebten wie unbelebten Naturgegen- ständen durch präcises Beobachten geäussert haben. — 276 - Hier in Frankfurt zogen von seiner Thätigkeit im Revier Nutzen — unmittelbar seine Begleiter in' s Revier, dann der Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung, die Senckeuberg'sche naturforschende Gesellschaft, der geographische Verein und die Wissenschaft über- haupt. Im persönlichen Verkehr, auf Excursioueu, auf Reisen, war Koch eminent anregend. Wer das Glück hatte, mit ihm zu- sammen zu sein, immer konnte derselbe durch seinen geistvollen Umgang ein gut Theil Kenntnisse und Einsicht neu einheimsen. Jeder ist durch ihn gewachsen. Nicht hoch genug kann diese Seite seines Wesens und Wirkens geschätzt werden. Wenige wohl hatten sich dessen mehr zu freuen und schulden ihm darum mehr Dank, als ich, der mit ihm Wochen laug den Taunus, das Dill- gebiet und den Westerwald, die Lahngegend , das Mainzerbecken nach den verschiedensten Richtungen (in Rheinhesseo, in der Nahegegend , im Rheingau und nähereu Umgegend von Frank- furt) durchwanderte und in den Jahren seiner Senckenbergischeu Vorlesungen nach denselben in trautem Gespräche bis in den Morgen hinein verkehrte. Immer, so verschiedenartig auch die Gesellschaft war, immer wusste Koch den für den Begleiter passenden Ton zu finden, wie er überhaupt in hohem Maasse Tact besass. Von hohem Stand- punkte aus wusste Koch Alles zu betrachten und in geistvollster Weise Beziehungen herzustellen , worin ihn ein eminentes Ge- dächtniss unterstützte. Koch ist im wahren Sinn unersetzlich, verloren sind die mannigfaltigen Qualitäten, die sich in ihm ver- eint fanden, die sich in keinem Anderen vereint finden. Was die Kenntniss der Natur nach ihrem äusseren Sich- geben wie nach ihrem inneren Zusammenhang angeht, Koch war universell, in allen Gebieten war er zu Haus ; Alles war harmonisch durchgeistigt. Seine feine aufs Einzelne gerichtete Beobachtungs- gabe hinderte ihn nicht, sondern förderte ihn überall zu grossen allgemeinen Ausblicken. Nie dachte Koch von sich zu sprechen, seine Arbeiten, seine Erfolge, seine Persönlichkeit zum Gegenstand der Besprechung zu machen. Die tüchtigen Kenntnisse Kochs in Botanik — Phanerogamen wie Kryptogameu — kamen ihm in hohem Maasse bei Beurtheilung der Bodenverhältnisse u, a. gele- gentlich der von ihm ausgeführten geologischen Aufnahmen zu — 277 — Gute; besonders hebe ich hervor, dass er ein Kenner einer der schwierigsten und artenreichsten Familien, der Carices, war; er hat sich überhaupt immer an das Schwierigste und auch Kleine ge- macht. — Wie Wenige war Koch ein gründlicher Kenner der My- riapoden des In- und Auslandes. Die Beiträge zur Kenutuiss der My- riapoden Europas und die Myriapodenfauna des Mittel-Rheiugebietes blieban unvollendet. Ausgetretene Wege liebte Koch nicht, eben weil die Myriapoden und Opilioniden von den Zoologen zu stief- mütterlich behandelt wurden, eben deshalb widmete er sich den- selben so einlässlich. — Koch war ein passiouirter Jäger. Hierbei schöpfte er eine Fülle von Thatsachen über das Leben der Thiere in Wald und Feld. Jägerlatein verstand Koch auch ganz meisterlich. - Im Zeichnen war er sehr geübt — ein Vortheil, der seinen Publicatiouen sehr zu Statten kam; einen Hauptspass konnte er sich dadurch einstmals mit seinem Freund Oscar Böttger, einem mit mikroskopischen Augen ausgestatteten, sehr geübten Beobachter erlauben. — Welchem Horizont gehören die bunten Phyliite des Taunus zu? Nur einmal eine Versteinerung und so manche Zweifel und Fragen wären gelöst! — Auf einer Excursion, vor dem Anbruch des Phyllites stehend, zeichnet er rasch, Böttger den Rücken kehrend, einen Graptolithen auf den matten grauen Schiefer und Böttger nahm ihn für echt. Seltsam ist es , dass Koch, der doch so viel geschrieben hat, mit der Orthographie nicht auf dem besten Fusse stand, dass er, der doch so sicher und begeisternd sprechen konnte, so mangel- haftes Sprachgefühl besass. Participien , Artikel resp. Casus, wissenschaftliche Benennungen wurden oft nicht sehr kritisch gebraucht. Koch war aber auch ein Mann, ganz nach dem Herzen Gottes, liebenswürdig, gefällig im höchsten Grade, opferwillig, ein offen- herziger, treuer Freund, von idealster Sinnesart. Und was war Koch ein unterhaltender, witziger Gesellschafter. Zahllos ist die Menge von Anekdoten, über die er verfügte, — Koch hatte nur Freunde, von Ueberall, von Alt und Jung wurde ihm Vertrauen und Hochachtung gezollt. So war es, wenn auch geradezu komisch, bei seiner Persönlichkeit leicht verständlich, dass, man mochte mit ihm hin kommen, wohin man wollte, nah und fern, überall war Koch bekannt und auf's Herzlichste begrüsst. Die Art, wie er — 278 — mit den gewöhnlichen Leuten verkehrte, die Sprache, die er ihnen gegenüber anwandte, die Art und Weise, wie er z. B. die Herzen der Mütter durch Bewunderung ihrer Kinder zu erobern wusste, erwarb ihm sofort Vertrauen; vielfach war er denn auch Rath- geber, auf den die Leute geradezu warteten. Mit seinen politischen Ansichten trat Koch in den letzten 20 Jahren nicht an die Oeffeutlichkeit; nichts desto weniger hatte er tief empfindendes, patriotisches Gemüth, das in gewissen weihe- vollen Momenten überfloss. — Nach mühevoller Besteigung des Ramoljoches brach er, hingerissen von der Pracht der grossen, sich ihm darbietenden Natur, in eine begeisternde patriotische Rede aus, die mit einem »Hoch» auf's Vaterland schloss und auf alle Begleiter mächtig wirkte. Deutschland hat Koch in weitem Umfang durchreist, die Schweiz und Tyrol kannte er nach allen Richtungen ; im Süden kam er bis Venedig. In vertikaler Richtung hat er sich zwischen dem Meeresstrand bis zu einer Gebirgshöhe von 11 000 Fuss bewegt. Dem Verein für naturwissenschaftliche Unter- haltung gehörte Koch von 1869 — 1880 thätig an; 1871 und 1872 war er 1. Präsident desselben. Wenigen hat der Verein so viel belehrende Anregung, so viel originale Mittheilungen zu dan- ken , wie Koch, Wie schon berührt , hatten dieselben fast aus- schliesslich zoologischen Inhalt. Seine speciellen Studien galten den Batrachiern, dann den Spinnen und Afterspinnen, synoptisch wie biologisch. Lassen Sie mich in Kürze nur an einige der bedeutsamsten Mittheilungen erinnern; sie werden Manchem genussreiche Abende wieder neu aufleben machen. Was seine Studien über die Lebens- und Entwicklungs- geschichte der Batrachier anbetrifft, so handeln mehrere Mit- theilungen über den von ihm bei Bana csculenta, Biifo viridis^ Pelohates fuscus, an Triton taeniahis und anderen verwandten Formen beobachteten Dimorphismus , den er dadurch begründet, dass die Metamorphose früher oder später im Jahre stattfinde. Vielfach behandelten seine Mittheilungen die Spinnen ; so gab er ein lebendiges Bild von der Lebensweise von Argyroneda, sprach über diejenige von Ätypus , führte an , dass manche Spinnen- weibchen ihre Jungen auf dem Rücken tragen, dass in Höhlen — 279 — lebende Spinnen nichts desto weniger mit Augen ausgestattet pind endlich, dass es entschieden auch inländische giftige Spinnen gibt. Verschiedene kleinere Vorträge galten dem Äpus und JBrancliijms etc. ihrem Vorkommen und ihren Existenzbediugungeu. Voa grossem Interesse waren seine Auseinandersetzungen über die Siphonaleiurichtuug bei recenten und fossilen Cephalo- podeu, ferner die Synopsis der Orthoceratiten, welchem Thema er specielle Studien gewidmet hat. Auch an fossilen Orthoce- ratiten glaubte er ein Merkmal gefunden zu haben, das Ge- schlecht, ob Weibchen oder Männchen, zu erkennen, (»elegentlich der Besprechung des genus Vitrina begründet er die Nothwendig- keit, auch bei den Conchylien die Jugendzustäude zu studiren. Eine seiner ersten Mittheilungen hatte u. a. die verschie- denen Erklärungsversuche über den^ Ursprung der von den Land- leuten für Sternschnuppen gehaltenen Gallertmassen zum Gegen- stand; eigener und zuverlässiger Beobachtungen Anderer wird hierbei Erwähnung gethan. Noch sei erwähnt seine Beobachtung über die Begattung von Vespertüio pipistrellus während der Ueber- winterung, des Vorkommens von Cysticercen in Ovarien und die Erklärung über das häufige Vorkommen von Phosphaten auf den Gipfeln von Bergen. Als Koch nach Wiesbaden übergesiedelt war und besonders in den Wintersemestern an den Tagen der Senckenbergischen Vor- lesungen fast regelmässig die Vereinsabende besuchte — diese Vorträge wurden auf den Dienstag Abend 7 — 8 festgesetzt, um Koch im Verein geniessen zu können — da hatte der Verein erhöhten Zug und Besuch. Koch kommt, Koch ist da, das war die sicherste Gewähr eines lehr- und genussreichen Abends. Von nun an sind seine Mittheilungen vorherrschend geologischer Art. Hier sprach er sich aus über die im Taunus gewonnene Einsicht, über seine Studien an der Lahn. Da kam auch u. A. der Gletscherschliff vom grauen Stein in pachydermaler Erklärung, der durch Petrefakten festgestellte Ho- rizont des Taunusquarzites zur Sprache etc. In mehreren Mit- theilungen brachte er die Diluvialgebilde zur Besprechung u. a. in sofern als die Fauna derselben, aber auch die des Alluvium, zum Verständniss der Entwickelung der heutigen Fauna von grosser Bedeutung sei ; so referirte er z. B. mehrfach über die Tufffauna von Weyer bei Niederselters, über die Moorfauua des Enkheimer - 280 — Riedes uud über die der Mosbacher Sande, danu gelegentlich der Aufnahme der um Frankfurt herumliegenden Sectionen, dass die- selbe ergebe, dass das linke Maiuufer zur Diluvialzeit sich von Kelsterbach durch den Wald in die Nähe des Forsthauses ver- folgen lasse, das rechte Ufer aus jener Zeit sei bei Bischofsheim erkennbar, bei Schierstein sei der Main in den Rhein getreten, ein späterer alter Flusslauf sei durch das Enkheimer Moor , im Hirschgrabeu , das Goldsteinmoor und den Schwanheimer Wald angezeigt. In zwei ausführlichen Vorträgen behandelte er die Frage M'egen der Emser Quellen, die damals auch das grosse Publi- kum iuteressirten ; das Resultat seiner Arbeit, sein wohlmotivirtes Gutachten au die Regierung ist nicht in die Oeffentlichkeit gelangt. Publikationen Kochs aus dieser Zeit und zwar zoologischen Inhalts sind im »zoologischen Garten« zu finden ; sie betreffen einen blinden Albino unter den Fledermäusen 1870, die Lebensweise und das Vorkommen einer central- europäischen Spinne Atypus Sidseri 1871 und Beobach- tungen au einer Siugmaus 1880. In die Sencke nbergisch e natu rforsch e nde Gesell- schaft trat Carl Koch 1870 uud zwar sofort als arbeitendes Mitglied; seinen ersten Vortrag über die Lebensweise der einheimischen Fledermäuse hielt Koch sogar 14 Tage vor seiner Aufnahme als Mitglied. Wie jener, so sind auch die meisten anderen in wissenschaftlichen Sitzungen gehaltenen Vorträge, dann einige in Beziehung zu den Museums-Sammlungeu stehende Ar- beiten im Jahresbericht der Gesellschaft publicirt. Diese Vorträge und Arbeiten sind folgende: lieber G eas ter. Ueber fossile Cephalopodeii.*) *) In Anlehnung an seine Studien über die eigenthümliche silurähnliche Fauna der VVisaenbacher Schiefer, welche ihn früher schon lebhaft beschäftigten ; dieselben nahm er, da die Orientirung derselben für die klare Einsicht in den Schichtenbau des rheinischen Devon von wesentlicher Bedeutung ist, vor 10 Jahren wieder auf uud hat dieselben derzeit stets im Auge behalten. Manche Wandlungen haben seine Anschauungen durchge- macht, je nachdem die Lagerung, das Einfallen, die Verbindung nach Ost und West mit etwa gleichaltrigen Schichten etc. ihn nach der einen oder andern Seite hinneigen Hess. Die Unermüdlichkeit, an den verschiedensten Stellen die kritischen Hebel anzusetzen, war ausserordentlich; geistvolle ~- 281 - Beiträge zur Kenntuiss der Arachniden der ea- narischen iDseln 1871/72. Formen und Wandlungen der ecaudateu Batra- chier des Uiite r main- und Lah ngebi etes 1871/72 — eine besonders wichtige, auch in vielen Beziehungen Grund legende und allgemein anerkannte Arbeit. Beiträge zur Keuntniss der Arachniden Nord- Afrika's, insbesondere der in dieser Richtung unbekannt ge- bliebenen Gebiete des Atlas und der Küstenländer Marokkos 1872/73. Lebensweise und Nestbau bei uns einheimischer Spinnen. Ich unterbreche die Aufzählung der im Schoosse unserer Ge- sellschaft gehaltenen Vorträge, um mich dem bedeutungsvollsten Wendepunkt in seinem Leben zuzukehren. Um das Jahr 1871 bereitete sich Koch vor, seine Freunde Dr. Karl von Fritsch und Dr. J. Rein nach Afrika zu begleiten ; seine Betheiliguug an dieser Reise nach Marokko und in den Atlas kam nicht zu Staude. Reime, die aucli mit der Mehrzahl der thatsächlichen Verhältnisse überein- stimmten, befriedigten ihn nicht. Auf unserer letzten mit einander unter- nommenen Excursion in der Umgegend von Haiger, September 1880, wies er diesen Schiefern am Grunde des Mitteldevon ihren Platz an, indem er dafür hielt, dass nicht diese, sondern die Wisperschiefer, die den Spiriferen- Sandsteinen zugehörigen Tiefseebildungen seien. — In der Saarhrücker Ver- sammlung der deutsch-geol. Gesellschaft August 1881, weist Koch nach, dass alte Devonkalke — die älteren Kalke von Bicken , Greifenstein, aus dem Ruppachthal und bei Holzheim etc. — dem Horizont der Wissenbacher Schiefer oder Orthocerasschiefer angehören, bezeichnet diesen Horizont aber als obere Grenze des rheinischen ünterdevons gegen das Mitteldevon. lieber die Cephalopoden der Wisse nbacher Schiefer Hegt eine in früherer Zeit, als er noch Mitbesitzer der Wissenbacher Gruben war, begonnene Arbeit unvollendet unter den hinterlassenen Schriften; sie be- handelt besonders die Goniatiten und Orthoceren, enthält eine beträchtliche Anzahl Diagnosen mit dazu gehörigen Zeichnungen. Wenn auch dieses ganze Material nicht ohne Weiteres verwerthbar ist und der Ergänzung und einer vollständigen Umarbeitung bedarf, so steht doch die Publikation durch die königl. geologische Landesanstalt, welche im Besitze der Koch'schen Wissenbacher Sammlung ist, in Aussicht. — In der XIX. Generalversamm- lung des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westphalea 1872 legte Koch eine Suite noch unbeschriebener Versteinerungen des Orthocerasschiefers von Wissenbach und Ruppach vor und beschrieb diesen Schichtencomplex im Zusammenhalt mit den Silurschichten F und G. vou Böhmen — 282 — Mit dem Jahre 1870 begann die Veröffentlichung der geolo- gischen Specialkarte von Pi'eusseu , wobei die Messtischblätter im Maassstabe 1 : 25 000 als topographische Grundlage verwendet wurden. Geheimrath Dr. von Dechen schreibt in seinem Dr. Carl Koch gewidmeten »Lebensbild« : »Sobald als die Karten für den Regierungsbezirk Wiesbaden vollendet waren und eine Ausdeh- nung der geologischen Aufnahmen auf diesen Landestheil ermög- lichten, wurde Koch als die bei Weitem geeignetste Persönlich- keit zu der Ausführung dieser wiclitigeu und grossen Arbeit in Aussicht genommen. Die Entwickelung der geologischen Landes- anstalt verzögerte sich jedoch so, dass Koch erst unt*u' dem 14. Mai 1873 zum kgl. Landes geolo gen mit Beibe- haltung seines Wohnsitzes Wiesbad eu ernannt wurde; schon im Jahre 1871 hatte er sich mit innigster Befriedigung zur Annahme dieser Stelle bereit erklärt, in Aussicht auf eine für ihn ganz geeignete und höchst erfolgreiche Thätigkeit.'^ So erklärt sich nun das Aufgeben der Afrikareise. Nun war Koch im richtigen Fahrwasser. In seinem für die Leopoldina bestimmten Curriculum vitae schreibt er unter dem 24. October 1874, also 1^2 Jahre, nachdem er die Stelle als Landesgeolog angetreten hatte: »So habeich in meinem 47. Lebens- jahre den segensreichen Wirkungskreis gefunden, den ich seit meinem 23, Lebensjahre zwar erstrebt, aber früher nicht gefunden habe. Ln aufrichtigsten Dankgefühl für mehrere mit Ehrfurcht genannte Männer der Wissenschaft zähle ich mich jetzt zu den Glücklichen dieser Erde.« Zugleich wurde Koch noch mit der Docentenstelle für Natur- wissenschaften an der königl. Oeconomieschule in Wiesbaden be- traut ; bald auch übernahm er die Vorlesungen über Mineralogie nnd Geognosie am chemischen Laboratorium des Geheimen Hof- rathes Dr. Fresenius. Herbst 1872 ist Koch mit seiner Familie, nach Wiesbaden übergesiedelt. Frisch ging Koch an's Werk. Am 25. März 1876 hielt er zum ersten Male wieder seit seinem Ueberzug nach Wiesbaden einen Vortrag in einer wissenschaftlichen Sitzung unserer Ge- sellschaft und zwar, nachdem sich in ihm die Hauptfragen über den Bau und das geologische Alter des Taunus geklärt hatten : — 283 — Neuere x4.us chauungen über die geogn osti sehen Verhältuisse des Taunus.*) Der Taunus galt, bevor Koch seine Untersuchungen begann, als aus einem Coraplexe sog. metamorphischer Schiefer aufgebaut, die in ihrem Habitus und in ihrer Zusammensetzung verschieden, ohne Regel wechsellagern und der Devonformation angehören sollten. Dem für stratigraphische Aufnahmen vorzüglich Ge- schulten ergab sich bald eine andere Anschauung. Soonwald, Idarwald, Taunus sind ein Gebirg mit analogem Gebirgsbau und ähnlicher petrographischer Natur. Dieses Ketteugebirge setzt sich zusammen aus parallel über einander lagernden krystallinischen, meist schiefrigen Gesteinsarten, die ihren Horizont gut einhalten; zu Unterst als Sattel beobachtet, die Sericitgneisse, dann die der Feldspäthe entbehrenden Sericitsehiefer, auf welche in grosser Mächtigkeit Glimmer-Sericitschiefer folgen, welche jedoch auf der Nordseite des Sattels in weiter Erstreckung durch Hornblende- schiefer ersetzt werden; diese beiden bezeichnet Koch als grüne Schiefer ; ihnen lagern sich bunte thonschieferartige Phyllite auf. Das oberste Glied, das wegen seiner geringen Verwitterbarkeit die höchsten Kämme bildet, ist der Quarzit. Die Klarlegung hatte um deswillen seine grosse Schwierigkeit, weil die lithologische Beschaffenheit mehrfach auch im Streichen sich ändert, weil sich Quarzeinlagen auch in tiefern Systemtheilen eingeschaltet finden etc. Bei der miskroskopischen Untersuchung der Gesteine, die nicht immer nach dem äusseren Aussehen ihre Bestandtheile zu erkennen geben, wurde Koch unterstützt von Dr. A. Wichmann und Professor Dr. Zirkel. Nach Koch sind jene unteren hemikrystallinischeu Gneisse, Porphyroide und Schiefer nicht durch Metamorphose her- vorgegangen, sie sind keine metamorphischen Gesteine, sondern als aus wässeriger Lösung oder ehemaligem Gebirgsbrei krystal- linisch ausgeschieden, gemengt mit klastischen Quarz- und Feld- spatkörnern etc. Die Bedeutung der Gesteinsmetamorphose verkennt jedoch Koch innerhalb gewisser möglicher Grenzen durchaus nicht. *) Schon in der Herbstversammlung des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westphalen 1S74 hatte Dr. Koch in längerem Vortrag sich über die krystallinischen, metamorphischen und devo- nischen Schichten des Taunus-Gebirges ausgesprochen und zwar in ziemlicher Uebereinstimmung mit den über den linksrheinischen Taunus vom Landesgeologen Dr. Lossen eruirten Ansichten. — 284 — Nach ihrer lithologischen Beschaffenheit weist er nach Ana- logieeu mit den Vorkommnissen in Nord-Amerika , in Schweden und den Alpen und im Vergleiche mit den durchaus krystallinischen, laureu tiuischeu Gneissen — diesen unteren Taunusgesteinen in der cambrischen Formation ihren Platz an. Mit denselben brinst er die nördlichen Phyllitgueisse und Phyllite des Spessart in Ver- bindung, die auf acht laureutiuischem Gneiss und Granit lagern. Aechte Granite und Gneisse, die als Basalteiuschlüsse bei Naurod vorkommen, sind möglicherweise die Aequivalente derselben im Taunus. Mit Ausdauer suchte Koch nach Petrefakten , die allein eine zuverlässige Orientirung gestattet hätten ; zweifelhafte Audeu- tuugen da und dort liesseu die Hofihung nicht sinken; endlich fand er im obersteu Schichtengliede des rechtsrheinischen Taunus, im Quarzit, gut charakterisirte Unlerdevon Versteinerungen.*) Der Tauuusquarzit wurde von Koch als unterstes Unter-Devon erkannt. Dieses konkordante Schichtensjstem demoustrirte Koch in jenem Vortrag durch den Hauptsattel des Taunus; belegt und coutrollirt war seine Aufstellung durch die in den Querthälern sich darbie- tenden Profile. Die Lithologie und Stratigraphie des Tau- nus kann wohl als durch Koch erledigt betrachtet werden. In den Jahren 1873 und 1874 waren 4 der Taunussectionen, Eltville, Wiesbaden, Langenschwalbach, Platte, druck- fertig hergestellt und die beiden andereu, Königstein und Hoch- heim, in Angriff genommen. Diese Taunusaufuahmen haben all- gemeine Anerkennung im In- und Auslände gefunden; beim Geo- graphencongress in Venedig und Paris waren sie mit den Lossen'scheu Karten des Harzes ausgestellt. Der Oeffeutlichkeit sind sie erst 1880 nebst den Erläuterungen übergeben worden. Für die Blätter Kettenbach, Idstein, Feldberg, Homburg v. d. Höhe, Limburg und Eisenbach ist die Schlussrevision be- endet. Die Erläuterungen sind nicht verfasst. Die Abfassung derselben liegt dem Nachfolger Koch's, Prof. Dr. Kaiser, an der Hand seiner Notizen ob. Auch die nothwendig folgende Aufgabe scheint Koch zum vollständigen Abschluss gebracht zu haben. Es betrifft dieselbe die Gliederung der sich auf und an den Tauuus- quarzit lagernden Uuter-Devonschichten ; ein diesbezüglicher uns *) Dr. Carl Koch: Ueber eigeuthümliche Vorkomme ji im Taun u s- Quarzit. Coit.-B1. d. naturh. Ver. f. Rheinl. u. Westphalen. — 285 — zugedachter Vortrag kam nicht zur Ausführung. Geheimrath Dr. V. Dachen hebt gelegentlich einer ausführlichen Besprechung dieser letzten, werthvoUen Arbeit Koch's, welche im Jahrbuch der preuss. geologischen Landesanstalt 1880: üeber die Gliederung der rheinischen Uuterdevonschichten zwischen Taunus und Westerwald, mit einer Tafel von Profilen veröffentlicht ist, hervor, dass diese von Koch vorgeschlagene Gliederung des ünterdevon immer Berücksichtguug werde finden müssen, wenn sowohl die nördlich vom Westerwalde gelegenen Theile des ünterdevon bis zu ihrer oberen Grenze gegen das Mitteldevou wie die westliche Fortsetzung der gleichen Schichten einer ähnlichen Untersuchung unterworfen sein werde. Im Jahre 1880 nahm er auch diese Arbeit schon in erneuten Angriff. Sein Leiden machte es ihm bald absolut unmöglich, hieran weiter zu arbeiten. Damit steht seine Arbeit über ein Trilobitengeuus im Zusammenhang; eine vorläufige Mittheilung gab er in den Publikationen des Vereins für Rheinland und Westphaleu; seine fast vollendete Abhandlung: Beiträge zur Kenutuiss der Tri- lobiten in den Schichten des Rheinischen Unterdevon, welche nur die Homalonoten betrifft, und zu welcher 12 Tafeln Abbildungen gehören, wird Herr Prof. Dr. Kaiser zu Ende führen und im Laufe dieses Winters in den Abhandlungen der geologischen Landesanstalt publiciren. Am 3. März 1877 hielt Koch in einer wissenschaftlichen Sitzung der Gesellschaft den Vortrag: Beiträge zur Kenutniss der Ufer des Tertiärmeeres im Mainzerbeckeu. — Jahres- bericht 1876/77. Die geologischen Studien im Mainzerbecken reichten denjenigen an der Lahn die Hand — ein Abfluss des Lahnsees oder Lim- burger Beckens, dessen nördliche Ufer dem Westerwald zuge- wendet waren, hatte seinen Weg, den Camberger Grund und das Thal von Wildsachsen durchfliessend, am Nauroder grauen Stein vorbei, also quer durch den Taunus in das Mainzerbecken gefunden, liess dort in Gestalt von Gerollen charakteristische Gesteine der Lahngegeud als wohlverstäudliche Spuren zurück und häufte, aus jener kalkreichen Gegend kommend, zwischen Hochheim und Flörsheim ein Delta an, durchspickt mit tertiären Land-Conchylien des Westerwaldes — den Landschneckeukalk von Hochheim. Ein seltsames Phänomen, die von Koch entdeckten Schliffe des grauen — 286 — Steins bei Naurod fanden biebei eine gelegentlicbe und ungezwun- gene Erklärung. Im Ziisamraeuhauge hiemit kommt die richtige Deutung der bis 300 Meter Meereshöhe au den Abhängen des Taunus sich hinaufziehenden, oft mit Brauneisen und Kiesel zu Conglomeraten oder sogar tertiären Quarziten verkitteten Quarz- gerölle als der Strandbildung unseres Tertiärmeeres aus der Zeit des Meeressandes und Rupelthones zur Be- sprechung: So demonstrirte er die Hebung während und nach der Tertiärzeit in einem Betrage von ca. 300 m. In den Jahren 1876/77, 1878/79 und 1879/80 folgte Koch dem Rufe unserer Gesellschaft als Docent der Geologie. Was er für den Seuckenberg übrig hatte, erhellt u. A. gerade aus der Uebernahme dieser Vorlesungen auch im letzten Jahre, als er schon seit einiger Zeit an dem nervösen Asthma litt, das ihm neben seinem Herzleiden unsägliche Pein bereitete. Im Winter 1876/77 sprach er über allgemeine Geologie mit besonderer Berücksichtigung der hiesigen Gegend; im Wintersemester 1878/79 behandelte er die Geognosie und Paläontologie der älteren Gebirgsformationen mit be- sonderer Berücksichtigung des Taunus und 1879/80 trug er über mesozoische und neozoische Schichten, speciell über das Mainzerbecken und die Diluvialgebilde vor. Hiebei bewährte sich Dr. Koch als ausgezeichneter, akade- mischer Lehrer. Jung und Alt fand sich ein, seinen klaren, le- bendigen, von Selbsterlebtem und Selbsterforschtem durchtränkten Vorträgen zu lauschen. Seine Sympathie zur Gesellschaft und deren Bestrebungen bewies Koch auch durch seine fast ausnahmslose Theilnahme an den Jahresfesten derselben. Was Koch als Mitglied einer Tafel- runde zu bedeuten hatte, das ist bekannt. Wer erinnert sich nicht des brillanten Toastes beim letzten Jahresfeste! Wie sehr er mit den Frankfurtern in steter Beziehung blieb, ist auch daraus ersichtlich, dass er mit Freuden der Aufforderung nachkam, für die Varrentrapp'sche Jubelschrift das Capitel: Boden- verhältnisse der Stadt Frankfurt — zu verfassen. In den- selben legte er die Mittheilung mehrerer die Hydrographie der Frankfurter Gegend betreffender, neu erkannter Verhältnisse nieder, die bisher nur im naturwissenschafthchen Verein von ihm zur Kenntniss gebracht worden waren. Ist auch die geologische Kar- — 287 - tirung der Sectionen Seh wauheim, Rödelheim, Prankfurt und Sachsenhausen im Farbendruck fertig gestellt, so sind sie doch, da die Erläuterungen unvollendet sind, noch nicht publicirt. An der Thätigkeit des geographischen Vereines in Frank- furt betheiligte sich Koch u, A. durch mehrere öffentliche Vor- träge innerhalb desselben. Am 10. Februar 1875 sprach Koch über Vorkommen und Gewinnung edler Metalle im deut- schen Reiche; der Vortrag am 12. December 1877 behandelte: Thalbildungen und zeitweise Aeuderungen der Fluss- läufe mit speciellen Betrachtungen des Rheingebietes; der am 6. November 1878 betraf die Mittel und Ziele geolo- gischer Kartirungen. In dem Jahresberichte des Frankfurter Taunus-Club von 1873 bespricht Koch die Reptilien des Taunusgebietes. Nicht vergessen darf ich, dass Koch als der beste Kenner der geologischen Verhältnisse in weitem Umkreis mit diesen Kennt- nissen auch der Stadt Frankfurt von unmittelbarem Nutzen war. In dem Volger'schen Process gab er März 1875, als Expert darum augegangen, ein umfassendes Gutachten über Beschaffen- heit und Bauausführung des Röderspiessbrunnens ab; die Objec- tivität, Gründlichkeit und Zuverlässigkeit seines Urtheiles hat die Sache der Stadt wesentlich gefördert. Neuerdings betr. Zuleitung neuer Quellen um ein Gutachten angegangen, musste er dasselbe aus Gesundheitsrücksichten ablehnen, förderte diese Angelegenheit aber nichts desto weniger gelegentlich eines im Interesse dieser Sache von Seiten der betr. städtischen Beamten, den Herrn Stadtrath Holthof und Oberingenieur Friedrich, ihm abgestatteten Besuches. Mit der Thätigkeit in Frankfurt geht diejenige für den Ver- ein in Offen bach parallel; im 12. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde 1871 legte Koch seine grundlegende Ar- beit: Beiträge zur Kenntniss der Opilioniden des Mittel- Rhein-Gebietes nieder. Auf den Offenbacher Festen war er der selten fehlende Vertreter des Auslandes. Seine Beiträge zur Kenntniss der nassauischen Spinnen I. sind in den nassauischen Jahrbüchern 1874 ent- halten; nicht publicirt sind seine Notizen über das Vorkommen von Arachniden in den Alpen etc. Für Wiesbaden war Koch alsbald, zum Theil mit Auf- opferung seiner Gesundheit, der Ausgangspunkt und Mittelpunkt — 288 — alles naturwissenschaftlichen Lebens, so dass der von ihm nach dem Muster des Frankfurter Vereins gegründete Verein, ferner der Verein für Naturkunde in Nassau und, noch mehr in die Oeffent- lichkeit tretend, die Hörer der Museumsvorträge ihm den grössten Dank schulden.*) Von Beginn seines Wiesbadener Aufenthaltes an war er Mit- glied des Vorstandes des Vereins für Naturkunde, bald auch Sectiouär für Paläontologie und seit dem Ableben seines Freundes Prof. Dr. Kirschbaum Secretär des Vereins für Naturkunde und kgl. Mnseumsiuspector. In den Jahr- büchern widmete Koch seinem Freunde den Nachruf. Für das kommende Jahrbuch des Vereins für Naturkunde in Nassau liegen aus der Feder Koch's folgende Arbeiten druckfertig bereit: eine Arbeit über das Diluvium des Rhein- und Main- gebietes und eine andere über die Unter- und Mitteldevon- Schichten des Lahngebietes. Ich übergehe die vielfachen Vorträge, die Koch in deu Sec- tions- und Generalversammlungen des nassauischen Vereins etc. gehalten.**) Noch vor l^ji Jahr, schon sehr leidend und daher vollberechtigt, auch wohl verpflichtet, nur au sich zu denken, sprach Koch vor einem Publikum, das der Museumssaal nicht fassen konnte: über die Beziehung von Gletscher und Po- lareis zur Geologie — der erste einer Reihe von Vorträgen von jenem sich anschliessendem Inhalte. Noch mehr, am 24. De- *) Aber auch durch eine Schöpfung, die dem gesammten Gemeinwesen Wiesbadens für alle Zeit zum Segen gereicht, hat sich Koch ein Denkmal gesetzt — ich meine, durch genaue geognostische und hydrographische Untersuchung die Wege angegeben zu haben, die Stadt, die seit den 60er Jahren an Bevölkerung ausserordentlich zugenommen hatte und für welche die damaligen Wassergewiuuungsanlagen nicht mehr ausreichten, mit herr- lichem, reinem Quellwasser aus dem Taunus zu versehen. Herr E. Winter, der Director der Wiesbadener Wasserwerke, welcher Koch auf seiner Suche nach Quellen begleitete, hebt in seiner Mittheilung besonders hervor, mit welch' rascher Fassungsgabe und glücklicher Combination Koch complicirte Ver- hältnisse zu klären wusste. **) Im Museum zu Wiesbaden hielt er u. a. folgende Vorträge: sechs Vorträge über geologische Bilder -des Regierungs-Bezirks Wiesbaden: — Betrachtungenüberdie Genesis vom Standpunkt neuerer Naturforschung; — das Leben im Mainzer Tertiär- becken und seiner continentalSn Umgebung; — Phosphor- escenz im Natu rieben und Irrlichter. — 289 — cember 1881 schon ein todtkranker Mann , stand Koch als Se- kretär gelegentlich der Generalversammlung des uassauischeu Ver- eins auf seinem Posten und verlas selbst den von ihm verfassteu Jahresbericht. Keiner der zahlreich Anwesenden wird diese Ver- lesung vergessen, Mancher mag im Stillen von dem herrlichen Menschen schmerzerfüllt Abschied genommen haben. So blieb Koch seiner Pflicht bis in den Tod getreu. Ich bin mir wohl bewusst, nur ein unvollständiges Bild vom Wesen und Wirken Dr. Carl Koch's Ihnen gegeben zu haben, ich beabsichtigte aber auch, die Beziehungen Koch's zu Frankfurt in den Vordergrund treten zu lassen. Koch's W^irksamkeit für den Verein für Naturkunde in Nassau wird wohl von demselben aus- führlicher, als es durch obige kurze Worte geschehen, gewürdigt werden; seine Thätigkeit für die geologische Landesaufnahme und bei den Geologen Versammlungen, wie auch diejenige innerhalb des naturhistorischen Vereines für Rheinland und Westphalen und noch mancher anderer der Naturerkenntniss dienender Vereine und Versammlungen *) hat Herr Wirklicher Geheimrath Dr. v. Dechen in seinem für die Verhandlungen des naturhistorischen Vereines für Rheinland und Westphalen bestimmten, das ganze Leben und Wirken Koch's umfassenden »Lebensbilde« geschildert. Ein gehaltreiches, nur in den edelsten Genüssen befriedigtes, den höchsten Fragen und Zielen dienendes Leben hat geendet. Drängen wir alle egoistisch trauernden Gedanken zurück, auch ihm, im Zenithe seines Wirkens, war das Scheiden leid. So manche Frage in seinen nahen und weiteren Zielen war noch nicht befriedigt, mancher Blick in das Dunkel der Vorzeit hatte sich ihm gelüftet, lag ihm aber noch nicht klar vor. Heisst leben, alle seine Kräfte im Dienste der Menschheit opfern, so hat Carl Koch im vollsten Sinne gelebt und wird immer leben in liebevollem, dankbarem Andenken. *) Um das Bild zu ergänzen, erwähne ich mehrere, mir erst kürzlich bekannt gewordene, von Koch in der rheinisch naturforschenden Gesellschaft zu Mainz gehaltene Vorträge: 1878: Das Leben der einheimischen Spinnen; das Mainzerbecken und seine Veränderungen bis zu seiner Austrocknung; üeber die noch wirksamen Ur- sachen geologischer Veränderungen der Beschaffenheit der Erdoberfläche — 1879: Skizzen zur Baukunst der Thiere; der Taunus — 1880: Das Leuchten der Thiere und anderer Natur- körper. == 19 — 290 — Allhang. A. Sektionsberichte. Herp etol ogische Sektion. Im laufenden Jahre wurden neben einigen Restbeständen namentlich die in der letzten Zeit eingetroffenen reichen Sammlungen der Herren C, Ebenau und A. Stump ff an madagassischen Kriechthieren durchgearbeitet und wissenschaftlich verwerthet. Alle sonstigen neuen Eingänge wurden bestimmt und eingeordnet. Mit dem Berliner Zoolog. Museum und mit dem Wiener Zoolog. Hof-Cabinet wurden Dupletten ausgetauscht , die z. Th. auch anderen Sektionen — wie der ichthyologischen — zu Gute kamen. Von den Schenkungen sind infolge ihres Werthes die von Herrn Dr. W. K o b e 1 1 auf der vierten Rüppellreise in Spanien, Algerien und Marocco erbeuteten Thiere, die pompösen Suiten des Herrn Hans Simon in Stuttgart an maroccanischen Reptilien und Amphibien, sowie au seltenen Kriechthieren Syriens, endlich die schöne Lokalsuite des Herrn 0. Retowski aus der Krim besonders hervorzuheben. Dr. 0. Boettger. Sektion für Entomologie (mit Ausschluss der Lepidopteren). Auch in diesem Jahre wurde mit dem Zusammenstellen des Materials für eine durchgehende Umordnung der Coleopteren- Sammlung fortgefahren. Ferner wurde ein grosser Theil der von Herrn Dr. Kobelt von seiner Reise (aus der Rüppell-Stiftung) aus Südspanien und Nordafrika mitgebrachten Insekten präparirt; schou jetzt lässt — 291 — sich ersehen, dass hierdurch die eutomologische Sammlung sehr ansehnlich an ausgezeichnetem Material bereichert wird. Weitere neue Acquisitiouen sind nicht zu verzeichnen. Dr. L. von Heyden. Sektion für Schmetterlinge. Dem vorgesteckten Plane entsprechend, die Schmetterlings- sammlung allmälig unter Benutzung und Ausbesserung des noch vorhandenen Materials nach einem gemeinsamen System (Europäer und Exoten vereinigt) zu ordnen, um sie für das wissenschaft- liche Studium geeignet zu machen, wurde auch, nachdem beim vorigen Jahresfeste die Familie der Papilioniden in allen wichtigeren Gruppen vertreten, mit 26 Kasten aufgestellt war, im verflossenen Jahre nur die Vermehrung einer einzigen grösseren Gruppe der Pieriden nnd der zwischen diesen und den Papilioniden liegenden wenigen Genera im Auge behalten. Da Herr Privatier Roose seine ausserordentlich reichhaltige Sammlung europäischer Schmetterlinge der Senckenberg'schen naturforscheuden Gesellschaft als hochherziges Geschenk in Aus- sicht gestellt hat, so wurde von einer Beschaffung europäischer Arten gänzlich abgesehen. Das Weiterschreiten der »Lepidopteren von Madagascar« hat nicht in der Weise stattgefunden, wie zu hoffen uud zu erwarten war. Die Platten für das Widmungsblatt und zu 8 weiteren Tafeln sind fertig, die übrigen fertig zu stellenden 4 Tafeln haben seitdem leider einen kleinen Aufschub erlitten. Die 8 ersten Bogen des Textes sind in der Auflage gedruckt. Die Sammlung wurde mehrfach von durchreisenden Entomo- logen besichtigt. Die Correspondenz der Sektion war eine überaus bedeutende. M. Saalmüller. Couchologische Sektion. In Folge der von dem Sektionär für Rechnung der Rüppell- stiftung unternommenen Reise ist die Berichterstattung für das vorige Jahr unterblieben und umfasst mein heutiger Bericht zwei Jahre, Die Sammlung hat auch in diesen beiden Jahren wieder eine beträchtliche Vermehrung erfahren, obschon durch die Vor- bereitungen für meine Reise und die Verarbeitung des zurück- ~ 292 — gebrachten Materials die Zeit, welche ich der Sammlung direct widmen konnte, sehr beschränkt wurde. Es wurden gegen fünf- hundert Arten neu aufgestellt, darunter manche Seltenheiten, wie Grassatella antillarum, Rostellaria melanostoma, Eburna australis, Cyrtulus serotinus, Ovula angulata, Marginella Belangeri^ Euptychia metahleta, Cyclophorus foliaceus u. dgl., welche uns seither noch fehlten. Die reichen Sendungen von Neuseeland und Australien sind erst theilweise zur Aufstellung gelangt. Für das der Sektion bewilligte Geld wurden in 1881 angeschatft eine sehr reiche Suite californischer Seeconchylien und eine Serie der von Herrn Leder im Kaukasus gesammelten Landcouchylien, letztere durch Herrn Dr. Boettger vermittelt. Die Reiseausbeute des Sektionärs lieferte ausser etwa 30 für die Wissenschaft überhaupt neuen Arten reiche Serien von seltenen Landschnecken, welche in unserer Sammlung noch nicht oder nur durch einzelne Exemplare vertreten waren. Mit der Nutzbar- machung der reichen Doublettenvorräthe ist kaum begonnen worden, immerhin sind aber, wie das Verzeichniss der durch Tausch erworbenen Naturalien beweist, dadurch schon nicht unbeträcht- liche Resultate erzielt worden, über welche ich im nächsten Jahre berichten zu können hoffe. Der für 1882 zu Anschaffungen bewilligte Betrag ist bis jetzt noch nicht zur Verwendung gelangt. An Geschenken ist zu erwähnen eine Anzahl von Turhinella, welche Herr H. von Maltzan der Sammlung schenkte; dieselben sind besonders wichtig, weil sie in der Monographie der Gattung im Conchyliencabinet vom Referenten abgebildet sind. Dr. W. Kobelt. Sektion für Botanik. Im Jahre 1881 wurden in das Herbar der Gesellschaft etwa 9000 Nummern eingereiht; darunter befanden sich 2177 für das Herbar neue Arten, sowie 201 neue Gattungen, auch eine neue Familie. Auf die Grisebach'schen Florengebiete entfielen hierbei von den neu einrangirten Arten: neue Gattungen neue Arten Nordamerika: Prärie 335 807 (von Colorado) „ Waldgebiet 144 534 293 — neue Gattungen neue Arten Mittel meergebiet 45 503 (aus Südspanien, Japan (Rein'sche Sammlung) 203 388 Cypern u. Cor- Neuseeland (v. Haast) 115 243 ^^^^-^ Oestliches Waldgebiet 19 237 Pampas (Argentinien) 75 103 (Sammlungen von Steppengebiet (Prof. Hausskuecht) 39 64 Lorentz u. Hie- Indisches Monsungebiet 4 g ronymus.) Cap 1 2 Californien 2 2 Dr. H. Th. Geyler. Zoopalaeontologiscb e Sektion. Aufgearbeitet und bestimmt wurden Sendungen des verstor- benen Apothekers H a s s e n c a m p in Fulda, welche namentlich für das Museum neue Tertiaerformen von Uudorf bei Regensburg und von Ortenburg enthielten. Dr. 0. Boettger. Mineralogische Sektion. Wie schon im vorigen Jahresbericht erwähnt wurde, hat die Mineraliensammlung eine sehr werthvolle Vermehrung durch das Vermächtniss der Koch'schen Collection erfahren; dieselbe enthält 1627 Nummern Mineralien, worunter die bekannteren Verbin- dungen zum Theil durch sehr schöne Stücke und auch einige seltenere Vorkommnisse vertreten sind sowie 217 Gesteiuarteu; die Sammlung wurde von den Herren Dr. Dr. Kinkelin und Schauf nach der chemischen Classification geordnet und catalogisirt. Auch in diesem Jahr wurde der Mineraliensammlung ein aussersrewöhnlicher Zuwachs durch das Vermächtniss eines circa 2400 Nummern enthaltenden Theiles der Dr. Scharffschen Samm- lung. Es sind darin besonders diejenigen Mineralien, mit deren Studium sich der Verstorbene beschäftigt hat, wegen der grossen Zahl ausgezeichneter Repräsentanten hervorzuheben, so die Feld- gpäthe, Kalkspäthe und Eisenkiese, ausserdem die Vorkommnisse des Vesuves und von Traversella in Piemont. Eingetragen und mit den Museumsetiquetten versehen sind bis jetzt 1000 Nummern. — 294 — Angekauft wurden Stufen von Apatit, Titanit, Gaylussit, Perowskit, Chrysotil, Grothit, Schwefel, Cerussit, Zinkit, Anglesit, Bernstein, Martit, Titauomorphit, Kalkspath, Moosachat, Fluss- spath, Couzerauit, Lapis Lazuli, Parisit, Danburit, Auatas, Ve- suvian. Dr. W. Schauf. B, Protokoll-Auszüge über die wissenschaftlichen Sitzungen während 1881/82. In diesen Sitzungen werden regelmässig die neuen Geschenke und Ankäufe für die Sammlungen, sowie für die Bibliothek vor- gelegt. Diese sind, da ein Verzeichniss derselben unter Seite 31 bis 53 gegeben ist, hier nicht erwähnt, insofern bich nicht etwa Vorträge daran knüpften. Ebenso ist nicht erwähnt, das;?, was regelmässig geschah, das Protokoll der vorigen Sitzung verlesen wurde. Samstag, den 5. November 1881. Vorsitzender Herr Dr. Pridberg. Herr Dr. Kobelt beginnt seinen Cyclus von Vorträgen über die letzte aus Mitteln des Rüppellfouds nach Spanien, Oran und Marocco unternommene Reise dieses Jahres. Siehe diesen Bericht Seite 189 bis 262. Samstag, den 17. December 1881. Herr Dr. W. Schauf erhält zu einer Gedächtnissrede auf den langjährigen, am 19. November d. J. verstorbenen Sektionär der mineralogischen Sektion Herrn Dr. Friedrich Schar ff das Wort. Siehe Seite 263 bis 269. Nach Beendigung des Vortrags fordert der erste Director die Anwesenden auf, sich zu Ehren des Andenkens an den Verstor- benen von ihren Plätzen zu erheben. Geschieht. Darauf setzte Herr Dr. Kobelt seinen Bericht über seine Reise nach Spanien und Nordafrika fort. — 205 — Samstag, den 14. Januar 1882. Den Vortrag hielt Herr Dr. Joseph Moritz vom pomo- logischen Institut zu Geiseuheini über Fhtjlloxera vastatrix. Seit 2 Jahrzehnten wird eine der edelsten Kulturpflanzen durch ein winziges Insekt in Frage gestellt, welches vielleicht nicht früher verschwinden wird als die Rebe selbst. Nachdem Redner die Fhylloxera vastatrix ihrer zoologischen Stellung im System und ihren Charakteren nach geschildert, geht er daran, die Entwicke- luugsgeschichte derselben im Verfolge der Jahreszeiten zu be- schreiben. Im Winter findet man sie in zwei Formen, die eine ist ein oberirdisches Ei, die andere besteht aus jungen in der Entwickeluug zurückgebliebenen Thieren, die sich flach, fast ver- trocknet au der Wurzel festsetzten , Winterschlaf halten. Im Frühjahr, wenn der Weinstock treibt, dann häutet sie sich und ein leuchtend gelbes Thier tritt aus, läuft rasch herum und setzt sich schliesslich wieder an der Wurzel fest; nach etwa dreimahger Häutung wechselt es kaum mehr den Ort, die Gliedmassen sind zu kurz geworden, das Insekt ist nun erwachsen und legt ohne Befruchtung 30 — 40 Eier um das Thier herum; sie sind oval, hellgelb und bräunen sich mit zunehmender Entwickeluug; aus ihnen schlüpfen bald wieder junge Thiere aus. Dies wieder- holt sich nun 3—4 Mal, bis Insekten auftreten, die sich wesent- lich von den bisherigen abheben, Sie sind länger, schlanker, langbeiniger und besitzen Fühler, deren letztes Glied beträcht- lich länger ist als die beiden unteren ; an den Seiten haben sie taschenförmige Absätze; den facettirten Augen nach sind sie augenscheinlich für ein Leben über der Erde bestimmt ; die gewöhnliche Wurzelform hat nämlich blos rudimentäre ans 3 rotheu Punkten bestehende Augen. Jene »Nymphe« geht auch wirklich aufwärts, häutet sich nochmals und hat hierbei 2 Paar verhältnissmässig grosse, flache Flügel erhalten, die es zum Fluge, wenn auch nicht zu weitem gebraucht. Besonders ist es der Wind, der bei diesem winzigen Thierchen von 1 nm Länge die Verbreitung fördert. Auch dieses legt ohue Befruchtung Eier und zwar an die Unterseite der Blätter in die Winkel der Blattrippen. Diese Eier sind verschieden ; aus den grösseren, gelblichen schlüpfen Weibchen, aus den kleineren braunen Männchen; beide entbehren gänzlich der Fress- oder Fangwerkzeuge; sie begatten sich nun — 206 — sofort ; ein Männchen kann mehrere Weibchen befruchten, welche je e i n grosses Ei Jegeu und als todte Hülle daneben liegend ge- funden werden; uatürlich stirbt auch das Männchen bald. Dieses über der Erde in Rindentheile gelegte Ei ist nun das oben schon erwähnte Ei, das sog. Wiuterei, welches also wieder die Wurzel- form liefert. Uebrigens hängt die Erhaltung der Phylloxera nicht unbedingt an diesem Winterei, denn überlebende junge Thiere der letzten Jahres-Generation vermehren sich auch. Alle diese Formen mit Ausnahme der geschlechtlichen Thiere und des Winter- eies sind schon in Deutschland beobachtet worden, unser Klima reicht also leider zu ihrer Entwickelung aus; so fand mau z. B, 1878 in Erfurt au Reben iu Gärten das geflügelte Insekt ; auch die noch nicht beobachteten Formen sind wohl da. In Amerika kommt nun auch eine andere Form vor, welche oberirdisch, in Gallen von den llebenblätteru lebt ; sie ist umfangreicher als die Wurzel- form, legt auch viel mehr Eier — 400 — 500, deren Thierchen wieder Gallenbildung veranlassen. Die Gallenform lässt sich leicht auf die Wurzeln verpflanzen, auch die Wurzelform wurde schon mit Erfolg au die Blätter verpflanzt. Auch die oberirdische Gallenform stammt von den Wiutereiern. Durch das Ausbleiben der Wintereier erklärte es sich, dass oft an gallenreichen Blättern im folgenden Jahre keine Thiere erschienen. Von den Blättern werden zuerst die jungen Blätter befallen ; auch an den Nodosi- täten der Wurzeln kommen oft besonders grosse Thiere vor. — Nun geht Redner auf die an den Reben angerichteten Krankheits- erscheinungen ein. Die von den unterirdischen Formen hervor- gerufenen bestehen in gewissen Verdickungen oder Nodositäteu der Wurzel; zuerst wendet sich nämlich das Thier an die zartesten Saugwurzeln, saugt daran und veranlasst so eine Wucherung, eine Anschwellung, in deren Vertiefung das Thier sitzt, auch an den Nodositäteu treten neue Saugwurzeln hervor, die jedoch sofort wieder befallen werden. Die dauernde Schädigung der Rebe geschieht nun dadurch, dass eben jene Nodositäteu bald faulen. Aber auch an den stärksten Wurzeln setzt sich die Fliylloxera fest und bewirkt Tuberositäten oder Höcker, ja auch über die Erde mehrere Centimeter hoch hat sich das Insekt am Stamra- theile festcjesetzt. Das Faulen ist ausschliesslich der mechanischen Thätigkeit des Saugens beizumessen. An den oberirdischen Reben- theilen kommt erst im zweiten Jahre diese durch die Phylloxera be- — 297 — wirkte Verderbniss der Wurzeln zum Vorschein und zwar dadurch, dass die Triebe immer kürzer werden und schliesslich völlig aus- bleiben. Das Gelbwerden der Blätter ist dagegen kein charakte-' ristisches Erkennungsmittel vom Vorhandensein der Phylloxera. — Die Verbreitung der Thiere findet entweder unter der Erde an den sehr weit sich ausdehnenden Wurzeln oder auch durch Wanderung auf dem Boden statt. Der Vortragende sah einmal eine 25' lange Wurzel — eine bequeme Heerstrasse für die Phylloxera, die aber auch hohle Zwischenräume durchwandert; in solchen wurden nämlich Eier in grosser Zahl gefunden. In Schaaren hat mau dann auch die unterirdische Form oberirdisch von Rebe zu Rebe wandern sehen. Immerhin wird diese Verbreitung eine verhält- nissmässig langsame sein gegenüber derjenigen durch das geflügelte Insekt. Die schlimmste Art der Verbreitung ist aber die durch die Menschen selbst. Auf die Mittel eingehend, durch welche man etwa dem Uebel wirksam entgegentreten kann, bezeichnet es der Redner als nicht mehr zweifelhaft, dass sie an amerikanischen Wurzelreben in Süd-Frankreich importirt worden sei. Es war lange unverständlich, warum sich in Nord-Amerika die europäischen Reben nicht einführen Hessen. In Californien, wo erst später die Reblaus durch Reben von Süd-Frankreich kam, gelang dies jedoch. — So weit beob- achtet wurde, ist die Reblaus noch auf keiner anderen Pflanze ansässig getroffen worden, wohl aber fand man sie allerdings auf Brombeeren (Erfurt), jedoch in Wanderung begriffen ; eben da- selbst wurden ganz zunächst stehende Ampelopsiswurzeln nicht einmal iuficirt. Es sind diese Umstände wichtig; wäre die Phylloxera einheimisch, so könnte man natürlich nicht an ein Ausrotten denken, ebensowenig auch, wenn sie noch eine andere Futterpflanze hätte ; sie hält also nur an Rebwurzeln. — Auf ihre Ausbreitung in Europa übergehend ; das Kränkeln der Reben und die Ausbreitung dieser Krankheit wurde zuerst im Rhonethal 1867 — 68 beobachtet; das veranlasste Planchou zu einer Unter- suchung. Während sie sich an abgefaulten Reben nicht ansiedelt, hat sie Planchou entfernter vom Ausbreitungsheerde an jungen Wurzeln gefunden. Seit dem ersten Anzeichen in Frankreich Anfangs der 1860er Jahre bis 1880 sind daselbst 558 605 Hektare so angegriffen, dass keine Rebe mehr darauf gedeiht; ausserdem sind noch angegriffen 454 252 Hektare Summa 1 012 859 Hektare — 298 — oder 4 Millioneu Morgen. Deutschland hat aber nur 150 000 Hektare Weinland überhaupt. In Frankreich ist demnach jetzt schon nahezu das Vierfache ganz und gar zerstört. Leider ist auch Italien, Spanien, Portugal, Ungarn, Oesterreich und die Krim angegriffen. In Deutschland wurde die Phi/lloxera zuerst 1874 an amerikanischen Reben auf dem Gute Annaberg bei Bonn be- obachtet. Von hier aus fand jedoch kaum eine Verbreitung statt. 1876 zeigte sich das Insekt in Handelsgärtnereien in Erfurt, wo 40 000 Reben zerstört werden mussteu. Dadurch dass die In- fection in PJrfurt nicht früh genug erkannt wurde, gab zu viel- facher Verschleppung Veranlassung. Gegenwärtig sind 23 inficirte Stellen in Deutschland bekannt, glücklicher Weise meist von den eigentlichen Weingegenden entfernt, in Pflanzschulen. Am nächsten der Weingegend lag der Infectionsheerd Sachsenhauseu. Leider ist im Vorjahre an der Ahr auf der Landskrone eine Strecke von 18 000 nm als inficirt befunden worden. Das Alter der dor- tigen Infection ist vielleicht 7 Jahre, und schon seit 5 Jahren ist sie beobachtet, ohne dass die Leute dem Aufmerksamkeit schenkten : so ist der dortige Weinbau ernstlich bedroht. Was ist nun an- gesichts dieser grossen Gefahr zu thun? In Frankreich kann schon von der Vernichtung des Thieres keine Rede mehr sein ; hier sucht man nach einem modus vivendi ; man wendet Insekten schädliche Mittel an, welche die Reben nicht besonders schädigen, jedoch einen Theil der Thiere vernichten ; jährlich muss diese Arbeit geschehen. Hier sucht man also mit dem Insekt zu leben. Au einzelnen Orten setzt mau auch die Weinberge 1 cm hoch unter Wasser. Dann hat man Pfropfung auf amerikanische Reben, welche der Phylloxera eher widerstehen, indem die Nodositäten nicht so schnell faulen, vorgeseh lagen ; es hat sich dies leidlich bewährt; denn schon hat mau von solchen Propfreisern Früchte erhalten; man hat auch amerikanische Reben allein gezüchtet, der Wein ist jedoch kaum geniessbar. In Deutschland hat das Pfropfen bezüglich Anwachsens grosse Schwierigkeit; die grosse damit verbundene Arbeit macht schliesslich den Weinbau ganz unrentabel; diese Methode ist aber vielleicht das letzte. Die Verhältnisse in Deutschland liegen übrigens noch wesent- lich anders als anderwärts; hier darf man noch Ausrottung hoffen, wie sie in P]rfurt und Sachsenhausen bereits gelungen ist, aller- dings unter Anwendung radikaler Mittel ; die Reben raussten — 299 — dabei geopfert werden. So muss fortgefahren werden, denn eine Million Mark Ausgabe würde noch rentiren, wenn es dabei geUngt, auch nur auf einige Jahre die Krankheit 7a\ hemmen. Die Hoff- nung auf Milben, welche die Phylloxera vertilgen sollten, ist eine trügerische. Diese Milben gediehen freilich besser bei dem be- treffenden Versuche, während die Phylloxeren zu Grunde gingen, weil eben die Milben von faulenden Rebenwurzeln leben, während die Phylloxera lebende Wurzeln braucht (Oblophora hastata und Thrips Phylloxerae). Zum Schluss spricht Redner noch die Hoff- nung aus, dass die unermüdlichen Bemühungen den herrlichen Weinbau erhalten mögen. Dann werden mikroskopische Präpa- rate vorgezeigt, desgleichen Karten über die Verbreitung der In- fection etc. Samstag, den 18. Februar 1882. Der Vortrag des Herrn Prof. Lucae galt vor allem der De- monstration des von Herrn Chr. Schröder dahier verbesserten Lucae'scheu Zeichenapparates für Herstellung geometrischer Bilder. Wenn das perspectivische Bild durch Betrachtung des Ob- jectes aus einem nicht zu fernen Punkte, das stereoscopische aus den in beiden Augen entstandeneu zwei ungleichen Bildern durch intellektuelle Zusammenfassung entsteht, so stellt dagegen das geometrische Bild eine durch parallele Ordinaten auf einer Ebene gebildete Projektion in den 3 aufeinander senkrechten Richtungen des Raumes dar, gibt daher in diesen 3 Projektionen Bilder an die Hand, aus welchen jede Dimension in ihrer wahren Grösse construirt werden kann. Wenn nun der Lucae'sche Zeichen- apparat, welcher nun schon seit ca. 20 Jahren besonders zum Zeichnen anatomischer Objekte ziemlich allgemein verwendet wird, stets nur das Bild in gleicher Grösse des Gegenstandes gab — das allerdings nachträglich verkleineit oder vergrössert werden konnte, so erlaubte die Schröder'sche Verbesserung durch Ver- bindung jenes Apparates mit dem Pantographen : 1., sofort jede gewünschte Verjüngung oder Vergrösserung, 2., durch Einschaltung einer Lupe unter dem Diopter mit Fadenkreuz die Zeichnung kleiner Gegenstände. Ein dritter Vortheil besteht darin, dass der Bleistift des Pantographen, während man mit dem Diopter resp. Fadenkreuz den Contouren des Objekts folgt, sofort diese auf — 300 Papier im Zusaramenhange zeichnet. Die ümständlichkeiteu der Lucae'schen Methode, welche darin bestand, durch Punktirung mit Tasch zuerst das Bild auf einer Glastafel zu notiren, davon dann eine Pause zu nehmen und darin die Punkte durch Linien zu^verbinden, fallen somit weg, abgesehen davon, dass jede be- liebige Yergrösseruug oder Verjüngung gleichzeitig ermöglicht ist. Diesen Auseinandersetzungen schickte Redner eine Geschichte der graphischen Zeichenmethode besonders in Bezug auf anato- mische Objecte voraus, citirte in erster Linie Schadow's Ausspruch in seinem Polyklet. Wenn der Geometer ein Dreieck, der Maler einen Amor zeichnet, wollen beide, dass dem Beschauer vernehm- lich werde, was sie im Sinne hatten; beide verbinden Linien zu einem Ganzen, der eine nach bestimmten Gesetzen, der andere mehrentheils nach dem Gefühl; der bescheidene Künstler gesteht sich still, dass seine Darstellung dem, was er im Sinne hatte, nicht entspreche ; der Geometer ist sicher verstanden zu werden ; er ist der Zuverlässige. So fanden sich schon früh Künstler wie Polyklet und Dürer, neuerdings Schadow, die einen bestimmten Kanon der menschlichen Figur feststellten, also Maasse für dieselben gaben. Andere zeichneten mit dem Maassstab; so entstanden u. A. die von Leonardo da Vinci und de la Torre, von Vesal und einem Schüler Leonardos hergestellten grossen anatomischen Werke. Da dieselben jedoch die Maasse nicht hinreichend sicher gaben, so suchte Siegfried Albin für sein grosses Werk der Knochen und Muskeln dieselben geometrisch zu zeichnen. Albin stellte sich 2 Rahmen mit derselben Zahl eingezogener Fadenquadrate her, der eine, welcher direkt vor dem Skelet stand, war 10 Mal so gross als der andere, welcher etwa 4' hinter jenem zurückstand; die mit 2 hintereinander liegenden Fadenkreuzen coincidirenden Punkte des abzubildendeudeu Gegenstandes wurden nun auf einem ähn- lichen Netze notirt. Jedoch auch diese Abbildungen waren, wie dies schon der Zeitgenosse Albin's Peter Camper zeigte, nicht geometrisch, sondern perspektivisch ; auch sie gaben keine rich- tigen Maasse sondern Verkürzungen von verschiedenem Grade. Die Fehler der verschiedeneu auch in der Folge angewandten Methoden lagen darin, dass man die verschiedenen Darstellungs- methodeu nicht trennte, sondern miteinander vermengt anwendete. Der Vortragende, welchen die Unklarheit im Urtheile über die Symmetrie der Rasseuschädel auf diesen Gegenstand leitete, wendete — 301 — 1844 zwei gleiche hintereinander liegende je in einem quadra- tischen Rahmen angebrachte Fadennetze an und konnte somit zwei hintereinander liegende Fadeuquadraten (1 Q" par) die Läse von 5 Punkten des hinter ienen Rahmen stehenden Gegenstandes notiren mit wandelndem Auge. Diese Bilder, frei- lich mühsam hergestellt, waren nun geometrisch. Trotzdem erfuhr die Methode mannigfachen Widerspruch. U, a. warf Welcker dagegen ein, man trage nicht Bilder geometrischer Art mit sich im Sinne her- um, sondern solche perspectivischer Art. So sind denn auch die grossen Craniologien von Morton, von Nott und Cliddon, von Meigs perspec- tivisch gezeichnet. Ein Fortschritt iu der Methode Lucae's ge- schah durch Vermehrung der Fadenquadrate, ferner durch die Art uud Weise, die identische Lage zweier Kreuzungspunkte leichter zu erkennen und die Anbriuguug einer Glastafel vor dem einen Rahmen, auf welcher mit der Feder das Bild getupft v^urde, um es nachher abzupausen und in der Pause mit Linien zum Bilde zu verbinden. So war jedoch nur eine Ansicht des Objektes z. B. des Schädels abgebildet. Ein verbessernder Schritt ermöglichte es, den Schädel um bestimmte Winkel (90°) zu drehen und solchen daher auch von der Seite, von vorne uud hinten zu zeichnen. Abbildungen von unten waren durch das genau im Winkel gearbeitete Rähmchen, auf dem der Schädel mit Schnüren befestigt war, gestört. Der Gegenstand sollte also zu allseitiger Zeichnung frei in der Luft schweben. — Nun kam fremde Hülfe und zwar zuerst durch Herrn Alexander Stix dahier, der den Schädel innerhalb eines kubischen Rahmens durch 4 spitze mit Schrauben an den Rahmeuleisten befestigbare Stahlstäbchen packte, so dass nun der Schädel nach allen Seiten gedreht werden konnte. Herr Schröder, welcher diese Vorrichtung hergestellt hatte, wendete in der Folge eine Zange an, die den Schädel packte und die Drehung in jeder Richtung gestattete. Durch die oben beschriebene neue Schröder'sche Einrichtung ist nun das Tupfen mit der Feder beseitigt etc. Von diesen neuen Apparaten waren 2 aufgestellt, wie überhaupt alle Entwickelungsphasen durch die Originalvorrichtuugen verständlich gemacht wurden. — Eine von Herrn Stockhaus dahier construirte Vorrichtung ist bestimmt, grosse Knochen samrat ihren Gelenkflächen und deren Achsen geometrisch und in verschiedener Drehung zeichnen zu können. — 302 — Samstag, den 18. März 1882. Zwei beim Abbruche der »Stadt Ulm« dabier eingemauert gefundene, muraificirte Katzen, die Herr Benner dem Museum zuwendete, gaben Herrn Dr, Stricker Veranlassung zu Mit- tbeilungen über den uralten, barbarischen Brauch, beim Neubau von Brücken, Ringmauern, Bargen, Kirchen u. a. Menschen oder Thiere einzumauern. Dieselben entnahm er zum grössten Theile dem Vortrage Mannhardt's über Menschen- und Thieropfer bei Neubauten im Correspondenzblatt der deutschen Anthropologischen Gesellschaft 1874 No. 5. Im Gegensatz zu Jacob Grimm, nach welchem dieser Brauch die Versöhnung der Geister des Bodens oder der Erde bezwecke, weil dieselbe ungewohnte Last tragen soll, hält Mannhardt dafür, dass sie als schützende, den Bau tra- gende und behütende Dämonen dienten und als Schutzgeister in denselben fortleben. Den Vortrag hielt Herr Dr. W. Schauf über die mine- ralisch en Bestan d th eil e un d Eiuschl üss e desBasalts von Naur od im Taunus. Während sehr verschiedenartige Schiefer und Quarzite die Hauptmasse der Taunuskette ausmachen, nehmen vulkauischeGesteine, vorwiegend Basalte, an dem geologischen Bau des Gebirges einen so untergeordneten Antheil, dass sie an den meisten Punkten leicht übersehen werden können ; nirgends erheben sie sich in Form steil aufstrebender Kuppen zu selbstständigen Bergen oder überdecken als erstarrte Lavaströme einen grösseren Flächen- raum, sondern sie machen sich nur als Ausfüllungsmaterial enger Gebirgsspalten bemerklich, was am besten an der Station Epp- stein kurz vor dem Tunnel zu beobachten ist, wo zwei noch nicht nieterbreite Basaltgäuge den Schiefer durchsetzen. Mitunter weisen Mineralquellen auf die Nähe des Basaltes hin. Bei Soden und Kronthal stiess mau beim Fassen der Quellen auf Basalt, wie über- haupt öfters das Auftreten der Mineralquellen die letzten Anklänge früherer vulkanischer Thätigkeit bezeichnet. Durch Steinbrüche am besten aufgeschlossen sind die beiden Basaltvorkommnisse von Naurod westlich von der Station Niedernhausen. Sie erregen be- sonderes Interesse durch eine auffallende Menge fremder Gesteins- einschlüsse, die der Basalt, als er in schmelzflüssigem Zustande aus der Tiefe empordrang , von Gaugspalten losgerissen und — 303 - mit ill die Höhe geführt hat. So erklärt es sich auch, dass Naurod eine Fundstätte mehrerer anderwärts im Taunus nicht beobachteter Mineralien ist, worüber der Vortragende ein von Herrn Franz Ritter dahier zusammengestelltes Verzeichniss verliest. Zu den häufigsten Vorkommnissen gehören anch anderwärts im Basalt sehr häufig auftretende und mitunter ein Gewicht von 40 Pfund erreichende grüne Knollen, die der Hauptmasse nach aus körnigem Olivin bestehen und genau dieselbe Zusammensetzung wie ein in den Pyrenäen und an mehreren anderen Orten selbst- ständig vorkommender Olivinfels besitzen. Während diese Knollen von älteren Geologen allgemein als vom Basalt losgerissene Bruch- stücke eines in tieferen Lagen oder vielleicht auch an der Grenze zwischen dem schmelzflüssigen Erdkern und seiner festen Schale weit verbreiteten Gesteins angesehen wurden, betrachtet man sie neuerdings mehrfach als erste Ausscheidungen der erstarrenden Basaltmasse selbst. Bei Erwägung der Gründe, welche für die eine und andere Theorie sprechen, scheint es dem Redner, dass der älteren Anschauungsweise eine grössere Berechtigung zuerkannt werden müsse. Neben diesen Oliviukuollen findet sich im Nauroder Basalt eine ganze Reihe unter einander sehr verschiedener Gesteinsbrocken, welche ohne Zweifel auf die vom Basalt durchbrochenen Felsai'ten zurückzuführen sind. Unter ihnen können manche mit Taunus- gesteineu identificirt werden, wenn sie auch, wie die mikro- skopische Untersuchung zeigt, nicht mehr vollständig mit denselben übereinstimmten, weil die glühende Basaltmasse eine theil weise Umschmelzung ihrer Bestandtheile bewirkt hat. Andere aber weichen schon in ihrem äusseren Aussehen von allen bekannten Taunusgesteiuen ab; sie entwerfen uns, wenigstens für die Gegend von Naurod, ein wenn auch recht unvollständiges Bild der Gebirgsarteu unter den anstehenden Tauuusschichten in Tiefen, die durch Schächte oder Bohrungen noch nie erreicht worden sind. Eine Contactwirkuug des Basaltes auf die Schiefer, welche von ihm bei Naurod durchbrochen wurden, lässt sich nicht cou- statiren; es stösst aber auch der Basalt nicht direkt an dieselben, sondern er wird von ihnen durch eine etwa fussbreite Zone vollständig verwitterten Materiales von erdiger Beschaffenheit ge- trennt. — 304 — Samstag, den I.April 1882. Bezugnehmend auf seine Erörterungen in voriger Sitzung über den barbarischen Brauch, bei Neubauten Menschen oderThiere einzumauern, trägt Herr Dr. Stricker eine Mittheilung von Herrn Senator Dr. von Oven nach, der gemäss in einem Hause in der Judengasse ein Abbild eines Thieres eingemauert gefunden wurde, so dass hier eine neue Abschwächung des ursprünglichen barbarischen Brauches vorläge. Hieran schlössen sich Mittheilungen von Herrn Director Dr. M. Schmidt über einige Maki's aus der vor 7 Jahren reichhaltigen Sammlung im Zoologischen Garten. Diese inter- essanten Thiere, die bekanntlich nur Madagascar bewohnen, an welchen unser Museum durch die Sendungen von Herrn Carl Ebenau ziemlich reich ist, haben mehrfach die bei Säugern doch nicht häufige Eigenthümlichkeit, dass Männchen und Weibchen durch Färbung etc. sich wesentlich von einander unterscheiden, so dass sie als verschiedene Arten augesehen wurden. Der Redner suchte nun, da sich unter den Maki's des Zoologischen Gartens Männchen und Weibchen fanden, zu eruiren, zuerst ob Lemur macaco cf, später Lemur niger (5* zu dem bisher Lemur leuco- mystax Q bezeichneten Maki gehören. Im Gegensatze zu dem schwarzen Lemur ist Lemur leucomystax braungrau, im Gesichte schwärzlich, hat ganz weisse Ohrbüschel und bräunliche Iris. Nach mehreren Jahren Zusammenseins mit dem schwarzen Maki gebar Lemur leucomystax ein Junges, das sie in ganz eigener Weise an die Lendengegend und ganz in den Pelz eingedrückt um die Bauchseite zwischen den Schenkeln hält, so dass Beob- achtungen hierüber sehr schwer zu machen sind. Die Augen waren sofort offen ; auch wurde das Thierchen bald sehr mobil. Ein zweites Junge, das neuerdings von derselben Mutter Lemur leucomystax geboren wurde, gedeiht ebenfalls vorzüglich. Es handelt sich hier also nicht um Bastardzucht, vielmehr ist der Nachweis geliefert, dass Lemur leucomystax das Weibchen von Lemur niger ist. Den angekündigten Vortrag hielt Herr Dr. Her mann Loretz über das Verhältniss der äusseren Form des Erd- bodens zu seinem geologischen Bau. Das Relief der Erdoberfläche, wie es uns in den Terraiuformen, in jener Anein- — 305 — anderreihung von Flächen aller möglicheu Lagen und Gestalten entgegentritt, ist das Ergebniss einer grossen Zahl von bestimmten Factoren. Diese sind zum Theil schon in der ersten Anlage der geologisch unterscheidbaren Theile der äusseren Erdkruste begründet, d. h. in dem Material der ausser en Umgrenzung und der inneren Structur dieser verschiedenartigen Gesteins- körper ; zum Theil aber sind sie in den geologischen Vorgängen zu suchen, welchen im Laufe der Zeit bis zu diesem Augenblick die Erdkruste unterworfen gewesen ist, nämlich einerseits in den dyna misch geologischen Vor gän gen und andererseits in der Denudation d. h. der fortgesetzten Abtragung und Modellirung der Oberfläche durch Ab Witterung und Ab seh wemm u u g. Das Material irgend eines Gesteinskörpers wirkt insofern auf das äussere Relief, als sich nach dem Grade seiner Härte, Festig- keit, Löslichkeit, Verwitterb'arkeit, nach seiner gleichartigen oder ungleichartigen Zusammensetzung u. s. f. die Beschaffenheit seiner Oberfläche richten wird, ob ebeuflächig oder rauh, durchlöchert, zerrissen etc. und besonders auch der wichtige und sehr ins Auge fallende Umstand, ob steile oder nur flache Böschungen bei der Abwitterung zu Stande kommen. Die äussere Begrenzung der einzelnen, geologisch zu unterscheidenden Theile der Erdrinde ist nicht minder wichtig für die Gestaltung des Terrains, insofern wir sie sehr oft und mitunter in grosser Ausdehnung als integri- rende Theile der letzteren erbhcken, z. B. die Schichtflächen von Sedimentgesteinen, auch wohl die Aussenseiten vorweltlicher Riff- bauten zwischen den Sedimenten oder die Oberflächen von Decken, Strömen, Massiven, Kugeln der Eruptivgesteine. Auch die inneren Formen der Gesteinskörper, beispielsweise die bankförmige Ab- sonderung beim Granit, die säulenförmige beim Basalt, die Zei'- klüftung der Schiefer und sonstiger Sedimentgesteine u. s. w. machen sich oft in der Gestaltung einzelner Theile der Erdober- fläche geltend. Von grosser Wichtigkeit sind nun ferner dyna- misch-geologische Vorgänge, wie Hebungen und Senkungen, seit- liche Zusammenschiebungen, Schichtenaufrichtungen, Faltungen und Verwerfungen, von welchen grössere oder kleinere Theile der Erdrinde zu verschiedeneu Zeiten (periodisch) betroffen worden sind; wie solche Vorgänge schon im Grossen und Ganzen die Entstehung des Festlandes und der Gebirge bedingt haben, so sind auch viele einzelne Formen und hervortretende Züge des land- 20 — 306 — schaftlicheu Bildes mancher Gegend auf sie zurückzuführen. End- lich sind Verwitterung und Erosion (Abschwenimung der ver- witterten Theile und Einschneiden von Thalrinuen) als ganz besonders wichtige und fortwährend wirksame Factoren hervor- zuheben, denen das äussere Relief der Erdoberflächenrinde nicht zum kleinsten Theile zuzuschreiben ist. Bei der practisch geologischen Beurtheilung des Terrains kommt es darauf an, die einzelnen Relieftheile zu deuten ; zu entscheiden, ob sie den betreffenden Gesteinmassen nach Stoff und ursprünglicher Form eigenthümlich sind, oder ob sie durch Ver- schiebungen und Verwerfungen oder einfach nur durch Erosion zu Stande gekommen sind. Diese Beurtheilung ist in manchen Fällen einfach, namentlich bei regelrechter Schichteufolge, so dass mau das geologische Bild leicht aus dem landschaftlichen heraus- lesen kann; in anderen wieder schwierig, so z. B, wenn in Folge Störungen des Gebirgsbaues ursprünglich nicht zusammengehörige in uuregelmässiger Lagerung sich häufen. Meisthin ist es das eine oder andere Moment oder auch eine Combination von zweien, welche die geologische Physiognomie des Terrains vorwiegend bedingen, z. B. Schicbtflächen nebst Erosioni-rändern, «anderswo Discolationen ; anderswo weitgehende Erosion. — So sehen wir in Franken und Thüringen in weiter Verbreitung die Sedimente der Trias- und Juraformation in ruhiger Lagerung aufeinanderfolgend, einen sehr einfachen Stufen- oder Treppenbau bilden, bei welchem Erosions- oder Abwitterungsränder und die Oberflächen gewisser fester Bänke das hauptsächlich im Terrain hervortretende sind. Die Abtreppung zwischen festen Bänken und weichen Schichteu- folgen wiederholt sich an jedem einzelneu Erosionsrand uud in besonders grossartigera Massstabe geschieht dies bei der mächtigen Entwickeluug, welche dieselben Formationen im alpinen Hoch- gebirge aufweisen. Wo Verwerfungslinien durchgehen, erleidet die Regelmässigkeit jenes Stufenbaues eine Unterbrechung; wo die allgemeinen Denudations- Verhältnisse andere sind, kann sich sein Bild wesentlich modificiren, wie in den Plateaux countries des westlichen Nordamerika. Zu anderen Terrainformen führt steile, mit enger Faltung verbundene Schichtenstellung, wie sie besonders in deu Schiefer- gebirgen vorkommt; der Unterschied von schwer und leicht ver- witterndem Gestein drückt sich hier in Längsthälern und Depression? — 307 — in Rücken- und Felsbilduug iu der Richtung des Streichens aus ; in den Querthälern markiren sich festere Schichten als Thah'iegel und Schwellen. Die oberen Theile der Schiefergebirge sind wir hier zu Lande gewohnt in festen Formen zu sehen ; doch liegt das nicht etwa am Material, sondern in den Denudations- Verhält- nissen ; wo die Erosion derart vorgeschritten ist, dass von den Bergkörpern nur schmale Theile stehen geblieben sind, bilden sich von selbst rauhe zackige Formen. — Ein Beispiel für starkes Hervortreten von Dislocation im landschaftlichen Bild bietet der südwestliche Verwerfungs-Rand , der längs dem thüringischen Schiefergebirge, Franken wald, Fichtelgebirg u. s. w. in der Richtung N.W. — S.O. zieht; das ältere, aus Schiefer bestehende Gebirge erhebt sich in diesem Rand wallartig über die vorgelagerten, jüngeren Sedimeutschichten. Auch in der Lagerung dieser Sedi- mente, sowie im Innern jenes älteren Gebirges im Verlauf der Bergzüge, Längs- und Querthäler u. s. f. macht sich dieselbe Verwerfungsrichtung, sowie eine zweite, quer zu ihr stehende geltend und erscheint somit noch jetzt als relief bildendes Moment. Verleihung des Stiebel-Preises. Für die nachstehenden höchst werth- und bedeutungsvollen Arbeiten aus der Entwickeln ngsgeschichte der Vögel- embryouen: 1. Der Primitivstreifen bei Vögelembryoneu, Marburg 1878. (Nachweis der Entstehung der drei Keimblätter und des Primitivstreifeus, ferner der Communication des Neural- und des Darmrohres). 2. Beiträge zur Entwickeluugsgeschichte des Urogenitalsjsteras der Hühnerembryonen (Vorniere und Urniere), iu den Sitzungsberichten der naturforschenden Gesellschaft in Mar- burg 1879. 3. Die Entwickelung der Kloakenöffuung bei Hühnerembryoneu (ein bis jetzt ziemlich wenig berücksichtigter Gegenstand), iu dem Archiv für Anatomie und Physiologie 1880 — 308 — ertheilte im Namen der Dr. Senckeubergiscben Stiftnngs- Admini- stration, der Senckenbergischeu uaturforschenden Gesellschaft und des Aerztlicheu Vereines die für das Jahr 1882 erwählte Commission am 28. April 1882 Herrn Dr. med. Emil Gasser, Privatdozent in Marburg den Stiebel-Preis. Dr. F. Kinkelin, 8eer. 309 Inhalt. Seite Bericht, erstattet am Jahresfeste, den 4. Juni 1882. von Hauptmann Dr. L. vonHeydeu ...... 3 Verzeichniss der Mitglieder: I. Stifter 18 IL Ewige Mitglieder 19 III. Mitglieder des Jahres 1881 20 IV. Neue Mitglieder für das .Jahr 1882 25 V. Ausserordentliche Ehrenmitglieder 26 VI. Correspondirende Ehrenmitglieder 2G VII. Correspondirende Mitglieder ... 26 Rechte der Mitglieder 30 Bibliotheks-Ordnung 30 Geschenke und Erwerbungen: I. Naturalien ol IL Bücher und Schriften 39 III. Geld 54 Bilanz^per 31. December 1881 55 Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben . 56 Vorträge und Abhandlungen: Ueber Vervollkommnung durch Arbeitstheilung im Thierreiche. Vortrag, gehalten bei der Jahresfeier am 4. Juui 1882 von Dr. Heinrich Keicheubach. Mit 8 Figuren 59 Nach den Säulen des Hercules. Von Dr. W. Kobelt 1. Capitel. Von Mühlhansen bis Tarragona 89 2. > Tarragona. — Valencia. — Cartagena .... 109 3. » Oran 142 4. » St. Denis du Sig. Mascara 168 5. » Saida. — Mostaganem 197 6. » Tlemcen 210 7. » Sidi-bel-Abbes. — Oran. — Nemours 23U Die Chrysiden oder Goldwespen aus der weiteren Umgebung von Prankfurt, besprochen von Hauptmann Dr. L. von Hey den. 24ci 310 Seife Zweite Liste von Reptilieu und Batracbieni, gesammelt 1881—82 auf Sicilien durch Herrn Chefinspector Carl Hirsch. Von Dr. OscarBoettger 256 Gedächtnissrede auf Dr. Friedrich Scharff, gehalten am 17. De- cember 1881 von Dr. Wilhelm Schauf 268 Zum Andenken an Dr.Carl Koch von Dr.phil. Friedrich Ki ukelin 270 Anbang: A. Sektionsberichte 290 B. Frotokollauszüge über die wissenschaftlichen Sitzungen während 1881/82 294 Malllau & Waldsehmiilt. Frankfurt a. M. Bericht /« M-4 -\ V^vf'A» 7 y^ über die ■ ,' Senckenbei'gische iiaturf ersehende Oesellschaft. 1881-1882. — <^..^. Frankfurt a. M. Druck von Mahlau & Waldsch mi d t. 1882. MBL WHOI Library - Serial 5 WHSE 00181