1 \ ^,>^5: Elisabeth Schultz Blumcnmalerin geboren 12. Mai 1817 gestorben 26. Sept. 1898. Licht.dnirk von C. F. Fay, Frankfurt a. M. BERICHT DER SENCKEN BERGISCHEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN FRANKFUßT AM MAIN, 1899. Tom Juui 1898 bis Jimi 1899. Die Direktion der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft beelirt sicli hiermit, statutengemäß ihren Bericht über das vertlossene Jahr zu überreichen. Frankfurt a. M., im Juni 1899. Die Direktion: Dr. med. A, Kiioblaucli, derz. I. Direktor. Dr. med. E. lihiineuthal, derz. II. Direktor. Dr. med. E. Rö(lii?er, derz. I. Sekretär. Dr. med. Karl Vohsen, derz. IL Sekretär. x^--- Jahresfeier der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft am 28. Mai 1899. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich, die Spitzen der Behörden, zahlreiclie Mitglieder und Gäste hatten sich in dem Festsaale eingefunden. Der I. Direktor, Herr Dr. med. A. Knoblauch, begrüßte die Versammlung und erteilte alsdann das Wort Herrn Sanitätsrat Dr. A. Libb ertz zu seinem Vortrage „Blutparasiten und ihre Übertragung durch blutsaugende Insekten." (Siehe diesen Bericht Seite 105). Hierauf erstattete Herr Dr. med. E. Blumenthal, derz. II. Direktor, den folgenden Jaliresbericlit. Geehrte Anwesende! Das Gründungsjahr unserer Gesellschaft, 1817, fällt zeit- lich ungefähr mit dem Ende der verheerenden Kriege zusammen, die im Beginne unseres Jahrlmnderts ganz Europa heimsuchten. Es bewährt sich da wieder die in der Geschichte mehrfach be- obachtete Erscheinung, daß nach großen staatlichen Umwälzungen, nach gewaltigen Waffenkämpfen, die bis in ihr Innerstes er- schütterte Volksseele, der politischen Leidenschaften müde, sich 1* — IV — gleichsam auf ihr besseres Selbst besinnt, daß sie höheren Zielen nachstrebt und an die Mehrung ihrer geistigen Güter denkt. Dann blühen Künste und Wissenschaften. Das klassischste Bei- spiel dafür bietet das Augustische Zeitalter, und wenn es auch nicht erlaubt ist. Kleines mit Großem zu vergleichen, so bietet die Entstehung unserer Gesellschaft immerhin einen Beleg, wie geistige Kräfte, wie ideales Streben durch politische Erschütte- rungen geweckt werden können. Und dieses ideale Streben hat, freilich mit wechselnder Intensität, während nunmehr 82 Jahren in unserer Gesellschaft fortgewirkt. Zw^ar ist auf den gewaltigen Aufschwung, den unsere Gesellschaft bald nach ihrer Gründung genommen, auf die erstaunliche Schaffenskraft, die sie damals bekundete, eine Periode der Stagnation gefolgt, die erst einem regeren geistigen Leben wich, als nach dem ruhmreichen Feld- zuge des Jahres 1870 unser wiedergeeintes Vaterland einen mäch- tigen wirtschaftlichen und intellektuellen Aufschwung nalim. Noch ist die Nachwirkung dieser gewaltigen Zeit nicht erloschen, noch bewegen wir uns in aufsteigender Linie der Entwicklung und daß auch die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft, wenn auch nur in bescheidenem Maße, an dem allgemeinen Auf- schwung während des vergangenen Jahres teilgenommen, das mögen Sie aus dem Berichte erkennen, den ich satzungsgemäß Ihnen zu erstatten, mir die Ehre geben werde. Die Mitglied er zahl betrug am Ende des vergangenen Jahres 474. Von diesen haben wir durch den Tod und durcli freiwilligen Austritt 18 verloren: neu eingetreten sind 14. so daß unsere Gesellschaft augenblicklich 470 Mitglieder in sich vereinigt. Gestorben sind: Herr Franz Benjamin A u f f a r t h , Herr Adolph L. A. H a h n , Herr J a c o b He im pel, Herr Wilhelm Landauer-Donner. Herr Direktor Alexander L a u t e n s c h 1 ä g e r . Herr Direktor Franz Lion, Herr Richard Nestle. Fräulein Dora Schimper und Herr J()sei)h Wertheini. Ihnen allen, die meist durch lange Jahre tieu zu uns gestanden haben, werden wir ein ehrendes Andenken bewahren. Besonders schmerzlicli berührt hat uns der Hintritt unseres aulk'rordentlichen Ehren- mitgliedes der Malerin Fräulein Elisabeth Schultz, die hochbetagt am 2(). Sei)tember 1898 hier gestorben ist. Ihrer künstlerischen Bedeutung, die sieh besonch'rs in iiieisterliafti'n — V — Abbildungen aller in hiesiger Gegend vorkommenden Blumen betliätigte, hat der Bericht des vergangenen Jahres gerecht zu werden gesucht. Ihre letztwillige Verfügung, wonach ihre Pflanzenbilder mitsamt einer stattlichen Geldsumme zu deren Erhaltung in den Besitz unserer Gesellschaft gelangen soll, ist vollzogen worden. \Mr werden das uns anvertraute kostbare Gut treu bewahren und entsprechend dem von der Erblasserin ausgesprochenen ^^'unsche durch wechselnde Ausstellungen die Pflanzenl)ilder der allgemeinen Besichtigung zugänglich machen. Sie sehen heute schon einen Teil derselben ausgestellt. Der Name der hochherzigen Schenkerin ist unter die Zahl unserer ewigen Mitglieder eingereiht worden. Von unseren korrespondierenden Mitgliedern wurden uns durch den Tod die folgenden entrissen: Am 25. Juni 1898 starb zu Breslau, seiner Vaterstadt, der Professor der Botanik an der dortigen Universität, Dr. Fer- dinand Julius Colin. Geboren am 24. Januar 1828, bezog er mit 16 Jahren die Universität seiner Vaterstadt, habilitierte sich daselbt 1856 als Privatdocent für Botanik und wurde 1873 zum ordentlichen Professor dieses Faches ernannt. In nahezu 50jähriger Thätigkeit hat er seine Spezialwissenschaft in mäch- tiger Weise gefördert und besonders auf dem Gebiet der Er- forschung der niedersten Organismen, der Infusorien, Algen und Pilze hat er Unvergängliches geleistet. Seine Studien über die Bakterien bilden noch heute die Grundlage dieses Wissenszweiges ; er schuf die erste umfassende und strenge Einteilung dieser Lebewesen, und seine Ansichten über die Konstanz der Arten hat er siegreich behauptet. Die für die Heilkunde so wichtige Bakterienlehre, die unsere Anschauungen über die Aetiologie der Infektionskrankheiten geklärt und auf sichere wissenschaft- liche Grundlagen gestellt hat, beruht nicht zum kleinsten Teil auf den Ergebnissen der exakten Forschungen Cohns. Litte- rarisch war er ungemein produktiv. Erwähnt aus seineu zahl- reichen ^^'erken seien nur „Beiträge zur Biologie der Pflanzen" und sein gemeinverständliches, für sein eminentes Lehrtalent zeugendes Buch „Die Pflanze". Am 26. Mai 1898 vollendete der Kgl. Rat Eduard Albert Bielz zu Hermannstadt in Siebenbürgen sein dem Dienst seines Volkes und Vaterlandes, der Förderung der Wissenschaft ge- — VI — widmetes Leben. Gehören zu Hermannstadt am 4. Februar 1827, be-suclite er die Rechtsakademie seiner Vaterstadt, und g-eliörte von 1848—1850 als Leutnant der österreicliisclien Armee an. Später als Verwaltungsbeamter in verschiedenen liolien Staats- ämtern bescliäftigt, widmete er sich nebenbei mit Eifer und tiefem Verständnis der naturwissenschaftlichen Erforschung seines engeren Vaterlandes. Zahlreiclie Arbeiten über die Flora und Fauna Siebenbürgens, insbesondere geologische und paläonto- logische Forschungen, die er zum größten Teil in den Verliandlungen und jMitteilungen des Siel)enbürgischen Vereins für Naturwissen- schaften zu Hermannstadt veröffentlichte, geben Zeugnis von seinem eindringenden Verständnis und seiner seltenen Be- obachtungsgabe. Ein Todesfall, der unsere Gesellschaft besonders schmerzlich berührte, war der des Geh. Medizinalrates Dr. Carl Friedrich Christian v. Mettenheimer, Großherzoglich Mecklenburg- Schwerinschen Leibarztes. Er war in Frankfurt a. M. am 19. De- zember 1824 geboren, besuchte das hiesige Gymnasium und be- gann, nachdem er promovierte und durch mehrjährige Eeisen nach Prag, Wien, Heidelberg, Paris seine Erfahrungen erweitert liatte, seine Laufbahn als praktischer Arzt 1850 in seiner Vaterstadt; er schloß sich sofort als arbeitendes Mitglied unsrer Gesellschaft an. Als Assistent des Dr. Stiebel senior wirkte er am Christschen Kinderhospital, begründete 1852 die noch heute bestehende Krippe und in demselben Jahre hielt er im Anatomiegebäude Vorlesungen über Histologie. Im \Mnter 1854/55 und 1857/58 wurde er von unserer Gesellschaft mit den Vorlesungen über wirl)ellose Tiere betraut. Im Jalire 1857 übernahm er die ärztliche Leitung des Versorgimgsliauses. 1861 wurde er als Leibarzt des Groß- herzogs von Mecklenburg nach Scliwerin berufen, in welcher Stellung er nicht nur als Arzt des dortigen Kinderkrankenhauses, sondern auch durch die Gründung der Kinderheilstätte zu ,Müritz an der Ostsee sicli bleibende Verdienste erwarb. Mettenheimer entfaltete eine rege Tliätigkeit als wissenschaftliclier Schriftsteller: seine zalilreichen Publikationen beliandehi meist Beobachtungen am Krankenbette, casuistisclie Beiträge und ärztliclie Standes- fragen, denen er ein reges Interesse entgegenbrachte. Er starb am 18. September 1898. Bei seiner liier erfolgten Beerdigung war unsere Gesellschaft durch den ersten Direktor vertreten. ^ vn — der in gerecliter Würdigung der Verdienste des Verewigten um unsere Gesellschaft einen Kranz an seiner Bahre niederlegte. Am 18. Januar d. J. erfolgte in Wien der Tod des be- deutenden Zoologen Hofrat Carl von Claus, der seit 1892 unser korrespondierendes Mitglied war. Er war zu Cassel am 2. Januar 1835 geboren, studierte in Marburg und später in Gießen unter Leuckart Zoologie, habilitierte sicli 1859 als Privat- dozent in Würzburg, wurde daselbst 1860 außerordentlicher und 1863 in Marburg ordentlicher Professor der Zoologie. 1870 folgte er einem Ihife nach Giittingen und übernahm 1873 den Lelirstuhl für Zoologie an der Wiener Universität, wo ihm zugleich die Leitung der zoologischen Station in Triest übertragen wurde. 1896 trat er in den Ruliestand. (Haus hat die Wissenschaft durch zahlreiche wertvolle Arbeiten über niedere Tiere gefördert ; zu seinem dauernden Ruhme gereicht sein 2-bändiges Werk: „Grundzüge der Zoologie'' und das in vielen Auflagen verbreitete „Lehrbuch der Zoologie". In beiden Werken bekennt er sich als eifrigen Vertreter der Descendenzlehre ; doch bekämpft er die extreme Richtung des Darwinismus. Schmerzlich müssen wir noch des im Berichtsjahre erfolgten Heimtritts von vier Männern gedenken, die zu korrespondierenden Mitgliedern unserer Gesellschaft ernannt worden waren, nicht wegen liervorragender wissenschaftlicher Bedeutung, sondern wegen des regen Interesses, das sie an unserer Gesellschaft nahmen und das sie durch zahlreiche wertvolle Galten an Naturahen bethätigten. Es sind dies die Herren Carl Hirsch, Direktor der Tramways in Palermo, dem wir viele schöne Naturalien aus Sizilien verdanken, Konsul Carl Eben au in Hamburg, der während seines langjährigen Aufenthaltes auf Madagaskar unsrer Gesellschaft seltene und schöne Exemplare der dortigen reichen Fauna ül)ermittelte, Hans Simon, Kaufmann in Stuttgart, ein kenntnis- und erfolgreicher Sammler, der unsere herpetologische Sammlung durch exotische Exemplare in liberalster Weise be- reicherte, und Dr. med. Bruno Claus, Oberarzt des städtischen Krankenhauses zu Elberfeld. der. hier geboren und seit 1842 unser korrespondierendes Mitglied, stets den regsten Anteil am Gedeihen unserer Gesellschaft nahm. Ausgetreten aus der Reihe unserer zahlenden ]\Iitglieder sind die Herren Moritz Emden, M. Harth, Apotheker Dr. — YIII — Homeyer. Dr. mod. Aiioust Marx, Direktor Max Schwemer. Eisenbahn- Direktioris- Präsident Hermann Becher und die Her m a n n sehe Bucliliandhing-. Dagegen sind neueingetreten die Herren: Alliard Andreae-v. (rrunelius, Victor Andreae, Carl Dietze in Jugenheini, Dr. med. Friedr. Ebenau, Baron Carlo von Erlanger in Nieder-Ingelheim. Direktor E. Franck, W. K. August Heimpel - Manskopf , Dr. med. August Hom- burg e r , Heinrich R o o s . Christian Rumpf. Carl Sabarly, Dr. med. Siegmund Zimmern. Frau Thekla Hetzer, Arcliitekt Fritz Kaysse r und Apotheker Rud. Nöggerath. Zu arbeitenden Mitgliedern wurden ernannt die Herren : Hofrat Dr. B.Hagen, Robert deXeufville, Baron Carlo von E r 1 a n g e r in Nieder - Ingelheim , Dr. med . Alois Alz- heimer, Alhard Andreae-v. Grunelius. In die Reihe unserer ewigen Mitglieder, deren Name die Eingangshalle unseres Museums schmückt, sind außer der schon erwähnten Frl. E 1 i s a b e t li Schultz aufgenommen worden Herr Konsul Karl Ebenau und Herr Geh. Kommerzienrat Max von G u a i t a. Zu korrespondierenden Mitgliedern sind gewälilt worden die Herren: Dr. Fritz Sara sin in Basel, Dr. Paul S a r a s i n in Basel, Prof. Dr . R u d o 1 f B u r c k h a r d t in Basel. I )r . Otto S c h m i e d e k n e c h t in Blankenburg, Prof. 1 )r. A 1 b r e c h t Kos sei, Direktor des physiologischen Instituts in Marburg, Prof. Dr. Adolf Fick in \Mirzburg. Aus der Direktion schied satzungsgemäß am Schlüsse des Jahres 1898 Herr Oberlehrer J. Blum, welcher bereits in zwei Wahlperioden das verantwortungsvolle und zeitraubende Amt des ersten Direktors mit Umsicht und Hingebung bekleidet hat. Wir sprechen demselben für seine aufopfernde ]\Iüliewaltung. für die würdige Vertretung unserer Gesellschaft unseren verbind- lichsten Dank aus. Zu unserer Freude hat sicli der erste Sekretär Herr Dr. med. Ernst Rikliger, dessen Amtszeit mit dem Ende vergangenen Jahres auch abgelaufen war, dessen \Mederwahl jedoch statutengemäl:i zulässig ist. bereit tiiuhMi lassen, im Amte zu bleiben. Es bleibt der Direktion dachircli ein schätzenswerter Mitarbeiter erhalten, dessen Sachkenntnis bei — IX — Erledigung" der .sicli stetig' melirenden laufenden rTeschäfte wir nur ungern entbehrt haben würden. Zum ersten Direktor für die Jahre 1899 und 1900 wurde Herr Dr. med. August Knoblauch erwählt. Zu unserm aufrichtigen Bedauern hat sich unser erster Kassier, Herr Bankdirektor Hermann Andreae, der seit 21 Jahren unser Kassenwesen in musterhafter Weise verwaltete, infolge Überhäufung mit Berufsgeschäften veranlaßt gesehen, von seinem Ehrenamte zurückzutreten. Die Gesellschaft ward ihm zu stetem Danke verpflichtet bleil)en, eingedenk der ersprieß- lichen Dienste, die er ilir geleistet. Wir vertrauen, daß er uns seinen schätzenswerten fachmännischen Rat nicht ganz entziehen und seinem von ihm vorgeschlagenen und von der Generalver- sammlung erwählten Nachfolger, Herrn Alhard Andreae- von Grunelius, in Gemeinschaft mit unserem verdienstvollen zweiten Kassier, Herrn Generalkonsul Stadtrat Albert Metzler, ein allzeit hilfsbereiter Berater und Mitarbeiter sein w^rde. Die Generalversammlung fand am I.März d. J. statt. In derselben wurden für die statutengemäß aus der Revisionskom- mission austretenden Herren Otto Keller und Arthur An- dreae, welchen für ihre Mühewaltung hiermit bestens gedankt sei, die Herren Wilhelm Sandhagen und Stadtrat Anton Meyer gewählt. Der von unserer Gesellschaft alle 4 Jahre zu vergebende Tie demannp reis, der im Jahr 1 854 zu Ehren des 50jährigen Doktorjubiläums des großen Anatomen Friedrich Tiede- mann gestiftet, laut Stiftungsbrief demjenigen zuerkannt werden soll, der die Physiologie im weitesten Sinne des Wortes in den letzten 4 Jahren am meisten gefördert hat, gelangte im Berichts- jahre zum 7. Male zur Verteilung. Eine Kommission, bestehend aus den Herren Geheimrat Prof. Weigert als Vorsitzenden, Professor Edinger, Prof. Reiclien bach, Prof. Möbius und Prof. Lepsin s, war mit der Prüfung der einschlägigen Arbeiten betraut. Sie berichtete in der Festsitzung am 10. März d. J. durch die Referenten Herren Prof. Weigert und Lepsius ein- gehend über zahlreiche Publikationen, unter welchen den Arbeiten des Direktors des Physiologischen Instituts in Marburg. Herrn Prof. Dr. Alb recht Kossei, über die chemische Struktur des Eiweißmoleküls einstinnnig der Preis zuerkannt wurde. Wir haben die hohe Freude, den preisgekrönten Forscher heute unter — X — uns zu sehen und wollen nicht verfehlen, ihm nochmals unsern Glückwunsch für die wohlverdiente Ehrung- auszusprechen. Mit dem lebhaftesten Interesse und aufrichtiger Befriedig- ung hat unsere Gesellschaft zwei hervorragende Unternehmungen verfolgt, die eine gewaltige Förderung unserer naturwissenschaft- lichen Erkenntnis herbeizuführen berufen sind. Am 30. April d. J. ist die deutsche Tiefsee-Expedition, die unter der Leitung des Professors Karl Chun, eines geborenen Frankfurters, stand, und an der ein weiterer Sohn unserer Stadt, Herr Fritz Winter, als wissenschaftlicher Zeichner teilgenommen hat, nach 9 monatlicher, von dem glücklichsten Erfolge gekrönter Reise nach Hamburg zurückgekehrt. Die Ergebnisse dieses vom deutschen Reiche unterstützten Unternehmens versprechen sowohl in geo- graphischer wie in zoologischer Hinsicht außerordentliche zu werden. Es muß jeden wahrhaft Nationalgesinnten mit berech- tigtem Stolze erfüllen, daß das wiedererstandene Reich unter den Auspizien seines weitblickenden Oberhauptes ein so bedeutsames, rein wissenschaftliches Unternehmen beginnen und fördern konnte und daß, wie in dem Begrüßungstelegramm unseres Kaisers aus- gesprochen ist, die Männer, die es leiteten, sich so vollkommen ihrer Aufgabe gewachsen zeigten, l'nsere Gesellschaft hat nicht nur den heimkehrenden Forschern einen telegraphischen Will- kommgruß gesandt, sondern durch eines unserer ar])eitenden Mitglieder, Herrn Wilhelm Winter, persönlich in Hamburg unserer Freude über das Gelingen des grolk'U \\>rkes Ausdruck verleihen lassen. Fast zu gleicher Zeit fand in Monaco die feierUche Grund- steinlegung des oceanographischen Museums statt, das Fürst Albert zu errichten beabsichtigt und das er unter das Protektorat unseres Kaisers gestellt hat. Die Bedeutung dieses in seiner Art einzig dastehenden Unternehmens für die Erforschung der vielgestaltigen, Lebewelt des Meeres kann nicht liocli genug an- geschlagen werden und die Thatsache, daß bei seiner Grüiulung die deutsche Flagge wehte, spricht nicht iiui' für die Weltmacht- stellung des deutschen Reiches, sondern, was inuli mehr ist, für die wolilberechtigte .Anerkennung der deutschen Wissenschaft. Fürst Albert von .Monaco, (h'r sicli (hiifli seine gründlichen Tiefseeforschungen bleibende Verdienste um die Wissenschaft erworben hat. hat seit .lahnni unserer (n'- — XI — Seilschaft durcli wahrhaft fürstliche litterarische Gaben sein Wohl- wollen erzeigt. Damm haben wir auch nicht ermangelt, ihm unsere freudige und hoffnungsvolle Anteilnahme bei der Gründung des Museums brieflich auszusprechen, wofür er uns in warmen Worten gedankt hat. Das wissenschaftliche Leben in unserer Gesellschaft hat seinen gewohnten Fortgang genommen. Durch systematische Lehrvorträge unserer bewährten Dozenten und zahlreiche wissen- schafthche Sitzungen haben wir zur Verbreitung naturwissen- schaftlicher Kenntnisse in den Kreisen unserer Mitglieder und Freunde beizutragen gesucht. Es haben gelesen im Winter 1898/99: Herr Professor Dr. Eeichenbach über: „Zoologie (Urtiere, Schwämme, Quallen, Polypen, Stachelhäuter)." Herr Professor Dr. Kinkelin über: „Historische Geologie (die Wandlungen in der Ausdehnung von Festland und Meeren während des historischen Mittelalters und der Lebewelt in diesem Zeitalter)." Im laufenden Sommer lesen: Herr Professor Dr. Reichenbach über: „Zoologie (Würmer, Weichtiere etc.)." Herr Professor Dr. Kinkelin über: „Geologie des südwestlichen Deutschland, ausführlich die der Tertiär- und Diluvialzeit daselbst." Außerdem hat Herr Professor Möbius im Auftrage des Medicinischen Institutes im Winter 1898/99 über „Kryptogamen (Algen und Pilze)" gelesen und behandelt in diesem Sommer die „Biologie der Pflanzen". In den wissenschaftliclien Sitzungen wurden folgende Vor- träge gehalten: Am 15. Oktober 1898 : Herr Prof. Reichenbach: „Über lebende Ameisenkolonien in künstlichen Nestern." Am 29. Oktober 1898 und 12. November 1898: Herr Hofrat Dr. B. Hagen: „Meine Reisen in die Batakländer (Central-Sumatra)." 2 A^orträge. Am 26. November 1898: Herr Prof. Dr. 0. Bfittger: „Mitteilungen über Bau, Lebens- weise und Unterscheidung der Schlangen." — XII — Am 10. Dezember 1898: Herr Prof. M. Mi)!) ins: „Die untere Grenze des Pflanzenreichs." Am 7. Januar 1899: Herr Prof. Dr. L. E d i n ge r : „Der heutige Stand unseres Wissens von den Grundelementen des Nervensystems". Am 21. Januar 1899: Herr Dr. W. Kobelt: „Über die Zoogeograpliie Vorderindiens." Am 4. Februar 1899: Herr Prof. Dr. A. Andre a e aus Hildesheini: „Demonstration einer Anzahl von Lichtbildern", welche Rekonstruktionen fos- siler, sogen, vorweltlicher Tiere zur Anscliauung brachten. Am 18. Februar 1899: Herr Dr. G. Greim aus Darmstadt: „Die Gezeiten." Am 10. März 1899 fand die schon erwähnte Zuerkennung- des Tiedemannpreises statt. Am 18. März 1899: Herr Prof. Dr. F. Kinkelin: 1) „Die Entwickelung der ältesten Ki'ebse." 2) „Die Lurchfische der Vorzeit." Auch unsere Pul)likationen sind in althergebrachter ^^'eise fortgeführt worden. Der „Bericht" für 1898, der im September vorigen Jahres erschien und nicht nur unseren Mitgliedern, sondern aucli zahlreichen befreundeten Gesellschaften, Vereinen und Ge- lehrten überlassen wurde, enthielt außer einer eingehenden f'hronik des Berichtsjahrs wissenschaftliche und populär-wissen- schaftliche Beiträge der Herren Seh auf, Steffan, J. Blum, Mob ins, V oh sen, Rüdiger, Kinkelin, ^^'ittich. Audi die „Abhandlungen", die nur für den l>eschränkten Leserkreis der Fachgenossen bestimmt sind, sind fortgeführt worden. Es erschien im Berichtsjahr: Bd. XXI. „Wissenschaftliche Ergebnisse der Reisen in Madagaskar und Ostafrika in den Jahren 1889 — 95" von Dr. A. Voeltzkow. 2. Heft: G. W. Müller, „Die Ostracoden". mit 7 Tafeln. F. Koenike, „Hydrachniden-Fauna von ^iadagaskar und Xossi- Be, mit 10 TnMu 3. Heft: Dr. Tindwig v. Lorenz-T^ib nrna u . .,S;ingotier(> von Mada- gaskar und Sansibar", mit 4 Tafcbi. — XIII — Prof. Dr. Eeiclienow, Graf v. Berlepscli und A. Voeltzkow. „Verzeichnis der von Dr. Voeltzkow in West-Madagaskar ge- sammelten Vogelarten " , Graf V. Berlepscli, ,, Systematisches Verzeichnis der von Dr. Voeltzkow in Ost-Afrika und auf Aldabra gesammelten Vogelbälge", R. Jatzow und Dr. H. Lenz: „Fische von Ostafrika, Mada- gaskar und Aldabra", mit 3 Tafeln. 4. Heft: H. Ludwig: „Ecliinodermen des Sansibargebietes". H. de Saussure: „Orthoptera", mit 2 Tafeln. Bd. XXIV. „Ergebnisse einer zoologischen Forschungsreise in den Molukken und Borneo", im Auftrage der Senckenbergischen naturforschen- den Gesellschaft ausgeführt von Dr. Willy Kükenthal. 3. Heft: F. Wiegmann: „Landmollusken." (Stylommatophoren.) Zoolo- mischer Teil, mit 11 Tafeln. 4. Heft: Dr. A. Appellöf: „Cephalopoden von Ternate", mit 3 Tafeln. Dr. R. G 0 1 1 s c h a 1 d t : „ Synascidien von Ternate " , mit 2 Tafeln. Diese Publikationen, die zwar im Buchhandel käuflich zu erwerben sind, dienen doch vorzugsweise zu einem lebhaften litterarischen Tauschverkehr, den wir mit zahlreichen, gleich- strebenden Instituten, Vereinen und Gesellschaften der ganzen Welt unterhalten und den zu erweitern unser stetes Bestreben ist. Zu der großen Zahl derselben sind im Berichtsjahre folgende hinzugekommen : Abhandlungen und Bericht erhalten: American plülosophical Society in Pliiladelphia. Maryland geological Survey in Balthnore. Bibliotlieque de l'universite de Lyon, Landesbibliothek in Posen. Der „Bericht" wird abgegeben an: Verein der Naturfreunde in Greiz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis in Bautzen. South African Museum in Cape Town. — XIV — Ostsibirische Abteilung der Kais. russ. geographischen Gesellschaft in Irkutsk. University of Toronto in Toronto, Canada. Publisher of American Microscopical Journal and The Micro- scope, Washington. Herausgeber der Rivista di Patalogia vegetale (e zimologia), Portici. Society of Natural Science, Buffalo. Museo Nacional in Montevideo (Uruguay). Meriden Scientific Association in Meriden (Conn.). The Illinois State Laboratory of Natural History, Urbana (lU.). K. K. Universitätsbibliothek in Wien. Naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Winterthur (Schweiz). Werfen wir noch einen Blick auf die Seite unserer Thätig- keit, die den Schwerpunkt derselben bildet und dem Publikum am Sinnfälligsten vor Augen tritt, die Erhaltung und Vermehrung der in unserem Museum vereinigten naturwissenschaftlichen Sammlungen, so kann mit Befriedigung bericlitet \verden, daß das abgelaufene Jahr einen besonders reichen und wertvollen Zuwachs gebracht hat. Entgegen der Gepflogenheit anderer gleichstrebender Anstalten, die meist unter die einheitliche Leitung eines Direktors gestellt sind, hat unsere Gesellschaft von Beginn an die verschiedenen, nach natürlichen Systemen geordneten Abteilungen der Fürsorge einzelner Sektionäre, die im Ehrenamt schalten, anvertraut. Dieses Prinzip hat sich bestens bewährt. Die Sektionäre, welchen reiche Erfahrung und gründliche Kenntnis ihrer Spezialwissenschaft zu Gebote steht, wetteifern miteinander, die ilinen unterstellte Abteilung durch Kauf und Tausch immer reicher und vollständiger auszugestalten. Auch konnnt ilinen die Munifizenz hochlierziger Schenker, die uns auch im abge- laufenen Jahre nicht gefehlt haben, zu statten. Zu den bewährten Kräften, die bereits in frülieren Jahren thätig waren, ist im Berichtsjahr Herr Robert de Neufville getreten, der die Sektion der Vi»gel übernommen hat. Er hat bereits eigene Mittel für seine Abteilung aufgewandt. Ganz besondere Bereicherung hat die Sektion für Insekten erfahren, die den Herren Major Dr. v. Heyden. A. Weis und Hofrat Dr. Hagen unterstellt ist. Die reiclie Ausbeute an Käfern. Schmetterlingen und sonstigen Insekten, die Herr Professor K ü k e n t h a 1 von seiner auf Kosten unserer R ü p p e 1 1 s t i f t u n g — XT — vor einigen Jahren ausgeführten Reise nach den Moinkken lieim- g-ebracht hat, ist bestimmt und eingeordnet und eine durch Kauf erworbene wolilbestimmte Sammlung- von Diplopoden und Chilopoden den alten Beständen hinzugefügt worden. Es kann nicht die Aufgabe dieses gedräng^ten Berichtes sein, alle Gaben an Naturalien, die uns im abgelaufenen Jahre zugegangen sind, einzeln aufzuführen. Der gedruckte Bericht wird ein vollständiges Verzeichnis derselben ])ringen. Hier ge- nüge mit dem Ausdruck unseres verbindlichsten Dankes an alle gütigen Geber die Aufführung einzelner besonders wertvoller Geschenke. Da ist denn zuvörderst einer Schenkung unseres Sektionärs für Konchyliologie, Herrn Dr. Wilhelm Kobelt in Schwanheim, zu gedenken, der seine wertvolle und reichhaltige Sammlung von Meeres-, Süßwasser- und Land-Konchylien unserer Gesellschaft zum Eigentum überwiesen hat. Die Sammlung bleibt zu weiterer Ausgestaltung und Vervollständigung bei Lebzeiten des Schenkers und seiner Ehefrau in deren Gewahrsam. Die schwierigen rechtlichen Verhältnisse, die sich aus den besonderen Bedingungen dieser Schenkung ergeben, sind durch einen bindenden notariellen Vertrag festgelegt worden, den die Herren Dr. jur. Drewes und unser Rechtskonsulent Herr Dr. jur. Fritz Berg mit seltener Umsicht entworfen haben. Wir wollen nicht verfehlen, ihnen dafür, letzerem auch für seine sonstige ersprießliche Mühewaltung, unsern verbindlichsten Dank auszusprechen. Auch die Sektionen für Mineralogie und für Geologie und Paläontologie hat Herr Dr. Kobelt reich bedacht, indem er ei-sterer eine große Serie alpiner Gesteine, letzterer eine reiche Kollektion aus dem Subapennin. aus der Nununulitenformation und aus dem oberen alpinen Muschelkalk überwies, als Ausbeute einer von ihm auf Kosten des Rüppell- fonds unternommenen Forschungsreise nach Oberitalien. Außerdem vermittelte er eine Schenkung des Herrn Direktor Jago Becker in Valencia, bestehend in zalilreichen Petrefakten aus Spanien, die bisher in unserer Sammlung nicht vertreten waren. Schließlich ist noch einer bedeutenden Kollektion von Fossilien aus dem russischen Jura von Popliany zu gedenken, die wir der Munifizenz des Herrn Konsuls Dr. v. Möllendorf f in Kowno verdanken. So sehen wir mit stiller Freude unsere Sammlungen wachsen und immer gebieterischer tritt die Frage an uns heran, wie wir — XVI — sie in zugleich iibersiclitlielier und helelirender Weise den zalil- reichen Besuchern des Museums zur Schau stellen. Denn unser Museum soll nicht nur Studienzwecken dienen, es soll durch die ül)erwälti<>ende Menge und Sciiönheit der Xaturohjekte die Massen anziehen und zum Studium der Naturwissenschaften anregen. Dazu erweist sich jetzt unser Museumsgebäude zu klein. ^Mancli köstliches Stück, für dessen Ausstellung uns der Eaum mangelt, bleibt dem Auge des Beschauers entzogen. Zwar haben wir in unserem Vogelsaal, der heute den B ahmen füi' unsere Feier abgiebt, freistehende Kästen und Gestelle anbringen lassen, in welchem wir wechselnde Ausstellungen aus unseren sonst den Blicken der Besucher entzogenen Beständen an Naturalien und künstlerischen Abbildungen veranstalten. Diese Schaustellungen haben eine große Anziehungskraft auf das Publikum ausgeübt ; docli können sie nur als ein vorübergehender Notl)ehelf gelten. Ein Neubau, der nicht nur mächtige und zugleich gefällige Schauräume, sondern auch die annoch fehlenden und nur kümmer- lich vorhandenen Versammlungsräume für die Mitglieder. Arl)eits- räume für die Sektionäre, Laboratorien und sonstige Nebenräume enthält, ist für die fernere gedeihliche Entwickelung unserer Ge- sellschaft ein unabweisbares Erfordernis. Schon in dem Berichte des vergangenen Jahres konnte darauf hingewiesen werden, daß dieser Plan, so kühn er auch erscheint, durch die Munilizenz einiger hervorragender Bürger unserer Stadt, die uns eine be- deutende Geldsumme zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt haben, der Verwirklichung näher gerückt ist. Seitdem ist durch eine mit dem Neubau betraute Kommission ein genaues Bau- programm aufgestellt worden, die Verhandlungen mit der Ad- ministration der Dr. Senckenbergischen Stiftung, auf deren Grund und Boden der Neubau sich erheben soll, sind dank dem freundwilligen Entgegenkommen dieser Behörde zu einem ge- deihlichen Ende geführt und an sechs namhafte Frankfurter Architekten ist die Aufforderung zur Kinreichung von Plänen und Skizzen ergangen. Noch fehlen uns die zur Bauausführung ausreichenden Mittel, aber wir vertrauen. dal.i zu den fünf geldspendeiKU'U Wohlthätern sich noch anchM-e fiiKÜMt wer(hMi. so daß in kürzester Zeit unsere Gesellscliaft um eine würdige. zweckmäLtige Fnterkunftstätte für ihi'e Sannnlungen. unsi-re Vater- stadt iini ciiif lu'i\(»n;ig('n(U' Sehenswürdigkeit reiciier sein wird. — XAII — Wer iiiinu'i' unsere Gesellschaft in ihren Hestrebunoen unterstützt, der handelt naili (hin leuchtenden, nachciferungs- vverten Vorbild jener edlen, hochher/ifien Frau, deren geseg-netes Andenken in. unserer schnelllebigen und rasch vergessenden Zeit immer und innnei' wieder zw beleben eine Kliienittlicht unserer Gesellschaft ist. Frau (^rälin Louise Böse. geb. Gräün von Ileiclienl)acli-Lessonit z hat durch ihre im Jahre 18H0 errichtete, ausschließlicli Tuterrichts- und wissenschaftlichen Zwecken dienende großartige Stiftung, deren reiche Erträgnisse größtenteils unserer Gesellschaft zugute kommen, für alle Zeiten unsere Finanzen auf eine sichere Grundlage gestellt- Die Stiftung ist einer besonderen ^'erwaltung unterstellt, zu der unsrerseits unsere beiden Herren Kassierer deputiert sind. Die auf unsere Gesellschaft fallende Quote aus den Stiftungserträg- nissen ist in den letzten Jahren, nachdem eine Eeilie von Lasten den testamentischen Bestimmungen gemäß abgetragen sind, stetig gewachsen und hat es uns erm()glicht, unsere Abhandlungen in opulentester Weise auszustatten. Ich bin zu Ende mit meinen Ausführungen. Sie, meine verehrten Anwesenden, werden aus denselben hoffentlich ent- nonnnen lialien, daß die einleitende Bemerkung wohl begründet und berechtigt war, die Senckenbergische naturforschende Ge- sellschaft habe an dem allgemeinen Aufschwung in unserem Vaterlande in bescheidener Weise teilgenommen. Und indem wir uns des Erreichten freuen, hoffen wir, daß auch in Zukunft die Gesellschaft rüstig voranschreiten und. getragen von der Gunst der Bürgerschaft, mehr und nielir dem Ziele zustreben werde, das sie sich vorgesetzt hat. Eine Gesellschaft, der es nie an Männern gefehlt hat. die ilire reichen Kenntnisse, ihre Ar- beitskraft und ihre wissenschaftliclie Erfalirung uneigennützig in ihren Dienst gestellt hal)en, die immer Freunde und Gönner gefunden hat, die mit materiellen Gütern, wo es galt, für sie eingetreten sind, kann beruhigt in die Zukunft blicken und sich unentwegt ihrer hohen Aufgabe, ihren idealen Zwecken widmen. — XVTTT — yerteiluii<>* der Ämter im Jahre 1899. Direktion. Dr. incd. A. KnoMiiiich, I. Direktor. ' Albard Aiidreae-v. («ruuelius, Dr. med. E. Bluiucutlial, II. Direktor. Kassier. Dr. med. E. Ködig-er, I. Sekretär. i Generalkonsul Stadtrat A. Mctzler, Dr. med. Karl Volisen, IL Sekretär. Kassier. Dr. jur. Fritz Borg, Rechtskonsulent. Ilevisioiis-Kommissiou. Hugo Metzler, Vorsitzender. (lieorg Schluud. Baron A. von Reiuach. Adolf Kugler. Stadtrat Anton 3Ieyer, Wilhelm Sandhageu. Abgeordneter für die Revision der vereinigten Bibliotlielien. Dr. J. Ziegler. Abgeordn. für die Kommission der vereinigten Bibliotlieken. Prof. Dr. H. Reicheubach. Bücher-Kommission. Oberlehrer J. Blum, Vorsitzender. ; Alb. von Reinaob. Prof. Dr. H. Reicbenbacb. Prof. Dr. 31. Möbius. Dr. W. Scbauf. | Redaktion für die Abhandlungen. Oberlehrer J. Blum, Vorsitzender. 1 Prof. Dr. 0. Boettger. D. F. Heynemann. Major Dr. L. von Heyden. Prof. Dr. Tli. Petersen. JJedaktion für den JJericht. Oberlehrer .1. Blum, Vorsitzender. Dr. med. Ernst Biuuieiitbal. Dr. med. E. |{ödi«or. — XIX — Sektionäre. Vergleichende Anatomie und Skelette .... Prof. Dr. Reiclieubach. Säugetiere Dr. W. Kobelt. Vögel R. de Neufvilie. Keptilien und Batrachier Prof. Dr. Boettger. Fische vacat. , , ., , , , T • , . f Major Dr. von Heydeii und Insekten mit Ausnahme der Lepidoiiteren . i . ",., . I A. Weis. Lepidopteren Hofrat Dr. B. Ilageii. C'rustaceen Prof. Dr. Richters. „, . , . f D. F. Heyueiuanu und Weichtiere r^ -«r t/ i i* i Dr. >V. Kobelt. Niedere Tiere Prof. Dr. Reicheubacli. .„ ., f Oberlehrer J. Blum und Botanik d t t^ ^r ir-i • [ Prof. Dr. 31. 3Iobius. Mineralogie Dr. W. Schauf. Geologie Prof. Dr. F. Kiukcliu. „,..,. I Prof. Dr. Boettger und Palaontoloo-ie nrr^r^ T^- 1 1- I Prof. Dr. F. Kmkelin. ö' Miiseums-KoiuiHissioii. Die Sektionäre und der zweite Direktor. Kommissiüii für das lieisestiiK'iidhim der KiippHIstiftuiig". Oberlehrer J. Blum, Vorsitzender. Prof. Dr. Richters. Dr. med. E. Blumentlial. j Wilh. Winter. Prof. Dr. Reicheubacli. ! Bau-Koniniissioii. Oberlehrer J. Blum, Vorsitzender. 1). F. Heynemann. Dr. A. Knoblauch. R. de Neufvilie. A. V. Reinach. Dr. E. Rüdiger. W. Winter. Dozenten. Zoologie ... Prof. Dr. H. Reichenbach. Botanik Prof. Dr. M. 3Iöbius. Mineralogie Dr. W. Schauf. Geologie und Paläontologie Prof. Dr. F. Kiukelin. Bibliothekare. Dr. Fr. d. Schwenck. Prof. Dr. M. 3Iöbius. Ph. Thorn. Kustoden. Adam Koch. August Koch. 9* XX — Verzeiclinis der Mitglieder der Senckenbergischen naturforsclienden Gesellschaft. I. Stifter.^) Becker, Johannes, Stiftsgärtner ain Dr. Senckenberg'sclien med. Institut. 1817. t 24. November 1833. *v. Bethnianu, Simon Moritz, Staatsrat. 1818. f 28. Dezember 1826. Bög'uer, Joh. Willi. Jos., Dr. med., Mineralog (1817 zweiter Sekretär). 1817. t 16. Juni 1868. Bloss, Joh. Georg-, Glasermeister, Entomolog. 1817. f 29. Februar 1820. Buch, Joh. Jjik. Kasimir, Dr. med. und phil, Mineralog. 1817. f 13. März 1851. Cretzsclimar, Phil. Jak., Dr. med., Lehrer der Anatomie am Dr. Sencken- berg'schen med. Institut, Lehrer der Zoologie von 1826 bis Ende 1844, Physikus und Administrator der Dr. Senckenberg'schen Stiftung (1817 zweiter Direktor). 1817. f 4. Mai 1845. *Ehrmann, Joh. Christian, Dr. med,, Medizinalrat. 1818. t 13. August 1827. Fritz, Joh. Christoph, Schneidermeister, Entomolog. 1817. f 21. August 1835. *Freyreiss, (xeorgWilh., Prof. der Zoologie iuKioJaneiro. 1818. f I.April 1825. *v. (rerning-, Joh. Isaak, Geheimrat, Entomolog. 1818. f 21. Februar 1837. *(iiruuelius, Joacliim Andreas, Bankier. 1818. f ^- Dezember 1852. von Heydeu, Karl Heinr. Oeorg', Dr. phil, Oberleutnant, nachmals Schöff und Bürgermeister, Entomolog (1817 erster Sekretär). 1817. f 7. Jan. 1866. Helm, Joh. Frledr. Ant., Verwalter der adligen uralten Gesellschaft des Hauses Frauenstein, Konchyliolog. 1817. f 5. März 182SI. *Jassoy, Lndw. Daniel, Dr. jur 1818. f 5. Oktober 1S31. KIoss, Joh. (ieorg Burkhard Franz, Dr. med., Mcdizinalrat, Prof. 1818. t 10. Feln-uar 1854. *Lölirl, Johann Konrad Kaspar, Dr. med., Geheimrat, Stabsarzt. 1818. t 2. September 1828. *3Ie1zler, Friodr., Bankier, Geheimer Kommerzienrat. 1818. f ll.]\lärz 1825, Meyer, Beruhard, Dr. med., Hofrat, Ornitholog. 1817. f 1. Januar 1836. ') Die 1818 eingetretenen Herren wurden nachträglich unter die ßeihe der Stifter aufgenommen. — XXI — Miltenberg, Willi. Adolf, Dr. phil., Prof., Mineralog. 1817. f 31. Mai 1824. *Melbei-, Joli. Georg- David, Dr. med. 1818. f H- August 1824. Neeff, Christian Ernst, Dr. med., Prof., Lehrer der Botanik, Stifts- und Hospi- talarzt am Dr. Senckenberg'schen Bürgerhospital. 1817. f 15. Juli 1849. Neiiburg, Joh. Georg, Dr. med., Administrator der Dr.Senckenberg'schen Stiftung, Mineralog und Ornitholog (1817 erster Direktor). 1817. f 25. Mai 1830. de Neufville, Mathias Wilh., Dr. med. 1817. f 31. Juli 1842. Rcuss, Job. Wilh., Hospitalmeister am Dr. Senckenberg'schen Bürgerhospital. 1817. t 21. Oktober 1848. *Rül)pell, Wilh. Peter Eduard Simon, Dr. med., Zoolog imä Mineralog. 1818. t 10. Dezember 1884. *v. Soemmerring, Samuel Thomas, Dr. med., Geheimrat, Professor. 1818. t 2. März 1830. Stein, Job. Kaspar, Apotheker, Botaniker. 1817. f 16 April 1834. Stiebel, Salomo Friedrich, Dr. med, Geheimer Hofrat, Zoolog. 1817. t 20. Mai 1868. *Varrenti'app, Job. Konr., Dr. med., Prof., Physikus und Administrator der Dr. Senckenberg'schen Stiftung. 1818. j H- Jlärz 1860. Völcker, Georg Adolf, Handelsmann, Entomolog. 1817. f 19. Juli 1826. *Weuzel, Heinr. Karl, Dr. med., Geheimrat, Prof., Direktor der Primatischen medizinischen Spezialschule. 1818. f 18. Oktober 1827. *v. Wiesenhütten, Heinrich Karl, Freiherr, Königl. bayr. Oberstleutnant, Mineralog. 1818. f 8. November 1826. II. Ewige Mitglieder. Ewige Mitglieder sind solche, die, anstatt den gewölm- licheu Beitrag jährlich zu entrichten, es vorgezogen haben, der Gesellschaft ein Kapital zn schenken oder zu vermachen, dessen Zinsen dem Jahresbeitrag gleichkommen, mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß dieses Kapital verzinslich angelegt werden müsse und nur sein Zinsenertrag zur Vermehrung . und Unter- haltung der Sammlungen verwendet werden dürfe. Die den Namen beigedruckten Jahreszahlen bezeichnen die Zeit der Schenkung oder des Vermächtnisses. Die Namen sämtlicher ewigen Mitglieder sind auf Marmortafeln im Museumsgebäude bleibend verzeichnet. Hr.Simon Moritz v.Bethmanu. 1827. , Hr. Georg 3Ielchior Mylius. 1S44. „ Georg Heinr. Schwendel. 1828. „ Joh. Friedr. Ant. Helm. 1829. „ Georg Ludwig Gontard. 1830. Frau Susanna Elisabeth Bethniann- Holweg. 1831. Hr. Heinrich Mylius sen. 1844. Baron Amschel Mayer v. Rotli- schild. 1845. Joh. Georg Schmidborn. 1845. Johann Daniel Souchay. 1845. Alexander v. Bethniann. 1846. Heinr. v. Bethmann. 1846. XXII Hr. Dr. jnr. Rat Fr. Schlosser. „ Stephan v. (»iiaita. 1«47. „ H. L. Döbel in Batavia. 1847. „ ii. H. Hauck-Steeg. 1H48. , Dr. J. .1. K.Buch. 1851. „ a. V. St. George. 1853. „ J. A. Grruuelius. 1853. „ P. F. Chr. Kroger. 1854. „ Alexander (Jontard. 1854. „ M. Frhr. v. Bethmann. 1854. „ Dr. Eduard Rüppell. 1857. „ Dr. Th. Ad. Jak. Em. Müller. 1858. „ Julius Nestle. ISßÜ. „ Eduard Finger. 1860. „ Dr. jur. Eduard Souchay. 18()2. „ J. N. Gräften deich. 1864. „ E. F. K. Büttner. 1865. „ K. F. Krepp. 1866. , Jonas Mylius. 1866. ,, Konstantin Fellner. 1867. „ Dr. Hermann t. Meyer. 1869. „ Dr. W. D. Soemmerring. 1871. „ J. G. H. Petsch. 1871. „ Bernhard Dondorf. 1872. „ Friedrich Karl Itücker. 1874. „ Dr. Friedrich Hessenberg. 1875. „ Ferdinand Laurin. 1876. „ Jakol» Bernhard Rlkoff'. 1878. „ Joh. Heinr. Roth. 1878. „ J. Ph. Nikol. Mauskopf. 1877, „ Jean Noe du Fay. 1878. , Gg. Friedr. Metzler. 1878. FrauLouiseWilhelmineEmilie Gräfin Böse, geb. Griiün y. Reichen- bach-Lessonit/. 1880. 1847. Hr. Karl August Graf Böse. 188Ü. 18i»l, V. Bethmann. „ Gust. Ad. de Neufville. 1881. „ Adolf Met/ler. 1883. , Joh. Friedr. Koch. 1883. „ Joh. Wilh. Roose. 1884. „ Adolf Soemmerring. 1886. „ Jacques Reiss. 1887. „ *Albert von Reinach. 1889. „ Wilhelm Metzler. 18!)0 „ *Albert 3Ietzler. „ L. S. Moritz Frln 1891. „ Victor Moessinger. 18!)1. „ Dr. Ph. Jak. Cretzschmar. 1891. „ Theodor Erckel. 1891. „ Georg Albert Keyl. 1891. „ Michael Hey. 1892. „ Dr. Otto Ponflck. 1892 „ Prof. Dr. (ig. H. v. Meyer. 1892. „ Fritz Neumüller. 1893. „ Th. K. Soemmerring. 1894. „ Dr. med. P. H. Pfefferkorn. 1896. „ BaronL. A.vonLöwensteiu. 1896. ,, Louis Bernus. 189(;. Frau Ad. von Brüning. 1896. Hr. Friedr. Jaennicke. 1896. , Dr. phil. Wilh. Jaennicke. 1896. „ P. A. Kesselmeyer. 1897. „ Chr. G. Ludw. Vogt. 1897. „ Anton L. A. Hahn. 1897. „ Moritz L. A. Hahn. 1897. „ Julius Lejeune 1897. Frl.Elisabeth Schultz 1898. Hr. Karl Ebenau 1898. „ Max von Guaita 1898. III. Mitglieder des Jahres 1898. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Friedrich. a) Mitglieder, die in Frankfurt wohnen. Hr. Abele, Paul. 1897. „ Abendroth, Moritz, Buclihändler. 1886. „ Adickes, Franz, Oberbürgermeister. 1891. Hr.Alfermann. Felix, Apotheker. ISiU. „ Alt, Friedrich, Buchhändler. 1894. „ *Alten, Heinrich. 1891. „ *Alzheimer, Alois, Dr. med. 1896. ,, Andreae, Albert. 1891. Anmerkung: Die arbeitenden Mitglieder sind mit * bezeichnet. XXIII " Hr. Andreae, Arthur. 1882. „ *Andreae, Hennann, Bankdirektor. 1873. „ Andreae, J. M. 1891. „ Andreae, Richard. 1891. „ Andreae, Rudolf. 1878. Fr. Andreae-Lemme, Karoline Klise. 1891. Hr. Andreae-Passavant, Jean, Bank- direktor, Generalkonsul. 1869. „ V. Arand, Julius. 1889. „ Askenasy, Alex., Ingenieur. 1891. ,, Auerbach, L., Dr. med. 1886. „ ^Auerbach, S., Dr. med. 1895. Auffarth"sche Buchhandlung. 1874. Hr. Bacr, Joseph Moritz, Stadtrat. 1873. „ Baer, Max. 1897. „ Baer, M. H., Dr. jur., Rechtsanw. 1891. ,. Baer, Simon Leop. , Buchhändler. 1860. „ Bansa, Julius. 1860. „ *Bardorff, Karl, Dr. med. 1864. „ de Bary, Jacob, Dr. med., San.- Rat. 1866. „ de Bary, Karl Friedr. 1891. „ de Bary-Jeanrenaud. H. 1891. „ *Bastier, Friedrich. 1892. „ Raunach, Viktor. 1891. „ Becher, Hermann, Geh. Über-Reg. Rat, Präsident d.Kgl. Eisenbahn- Direktion. 1897. Ausgetreten. „ Bechhold, J. H., Dr. phil. 1885. „ Beer, J. L. 1891. „ Behrends, Robert, Ingenieur. 1896. „ Behrends-Schmidt, Karl, Konsul. 1896. „ Beit, Eduard. 1897. ,, Belli, Ludwig, Dr, phil., Chemiker. 1885. „ Benario, Jacques, Dr. med. 1897. „ Bender, August. 1897. „ *Berg, Fritz, Dr. jur., Rechtsan- walt. 1897. „ Beyhis, M. 1873. „ Binding, Karl. 1897. Hr .Binding, Konrad. 1892. Bittelmann, Karl. 1887. *Blum, Ferd., Dr. med. 1893. *Blum, J., Oberlehrer. 1868. Blumenthal, Adolf. 1883. *Blumenthal, E.. Dr. med. 1870. *Bockenheimer, Jakob. Dr. med,, San.-Rat. 1864. Bode, Paul, Dr. phil., Schuldirektor. 1895. Boettger, Bruno. 1891. *Boettger, Oskar, Dr. phil., Prof. 1874. Bolongaro, Karl. 1860. Bolongaro-Crevenna, A. 1869. Bonn, Sally. 1891. Bonn, William B. 1886. Borgnis, Alfr. Franz. 1891. Braunfels, Otto, Konsul. 1877. Brettauer, Karl. 1897. Brodnitz, Siegfried, Dr. med. 1897 Brofft, Franz. 1866. Brückmann, Phil, Jacob. 1882. Bücheier, Anton, Dr. med. 1897. Bütschly. Wilhelm. 1891. Büttel. Wilhelm. 1878. Cahen-Brach, Eugen, Dr. med. 1897. Cahn, Heinrich. 1878. Canne, Ernst, Dr. med. 1897. *Carl, August, Dr. med. 1880. Cassian, Karl, Dr. med. 1892. Cnyrim, Viktor, Dr. med. 1866. Coustol, Wilhelm. 1891. Cunze, D., Dr. phil. 1891. Daube, G. L. 1891. *Deichler, J. Ohrist., Dr. med. 1862. Delosea, S. R., Dr. med. 1878, Demmer, Theodor, Dr. med. 1897. Diesterweg, Moritz, 1883. Dietze, Hermann, Direktor. 1891. Ditmar, Karl Theodor. 1891. Doctor, Ad. Heinr. 1869. Doctor, Ferdinand. 1892. Dondorf, Karl. 1878. Dondorf, Paul. 1878. Donner, Karl. 1873. Dreyfus, Is. 1891. — XXIV Hr Drory, William, Diroktnr. 1897. | Hr Dn Bois, August. 18'.) 1. Dacca, Wilhelm. 1878. Ebeliug. Hugo, Dr. med. 1897. E.lenfeld, Felix. 1873. *E Comptes rendus 28, 8. 29, 1-4, 6—8. — Russisch. Kaiserl. Mineralogische Gesellschaft: Verhandlungen. Ser. 2. Bd. 35. Lief. 2. Philadelphia. Academy of Natural Sciences: Proceedings. 1898. Part 1—3. — American Philosophical Society: ^Proceedings. Vol. 36. No. 157. Vol. 37. No. 158. — The American Naturalist: — — Wagner Free Institute: Transactions. Vol. 3. Part. 4. Pisa. Societä Toscana di Seien ze Naturali: Atti (Memorie). Vol. 16. „ (Processi verbali). Vol. 11. Portici. ßivista di patologia vegetale e zimologia (Prof. A. B e r 1 e s e) : Posen. Naturwissenschaftlicher Verein der Provinz Posen: Zeitschrift der botanischen Abteilung. Jahrg. 5. Heft 1 — 3. — Landesbibliothek: — Prag. Deutscher Akademischer Lese verein (Lese- und Rede- halle der Deutschen Studenten): Bericht 1897. — Verein Lotos: Lotos, Jahrbuch für Naturwissenschaft. N. F. Bd. 16. 17. — Germania, Central VC rein der Deutschen Hochschüler: — — König 1. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften: Sitzungsberichte 1898. 1. u. IL Jahresbericht 1898. Pre SS bürg. Verein für Natur- und Heilkunde: — R e g e n s b u r g. Naturwissenschaftlicher Verein: Berichte. Heft 6. 1896—1897. Reichenberg. Österreichischer Verein der Naturfreunde: Mitteihmgen. Jahrg. 29. Riga. N a t u r f o r s c h e r - G e s e 1 1 s c h a f t : Korrespundenzblatt 41. 1898. — LXXI — Rio de Janeiro. Museu Nacional de Rio de Janeiro: Archivos. Vol. 9. (Revista. Vol. I.) Rochester. Academy of Science: — Rom. Museo de Geologia dell' Universitä: — — R. Comitato Geologico d 'Italia: Bollettino. 1898. No. 1—3. — R. Accademia dei Lincei: Atti Rendiconti. Vol. 7. I. Sem. Fase. 10—12, II. Sem. Fase. 1—12. Vol. 8. I. Sem. Fase. 1—7. — Universitä Roma (Pietro de Vescovi) : — Rover et 0. R. Accademia di Scienze,Lettere edArtidegli Agiati: Atti. Vol. 4. Fase. 1—4. Salem (Mass.). Essex Institution: — San Jose. Museo Nacional de la Re publica de Costa Rica: Informe del Museo Nacional de Costa Rica. 1898 — 99. Santiago (Chile). Deutscher Wissenschaftlicher Verein: Verhandlungen. Band III. Heft 5. — SocieteSeientifique du Chili: — .- Saö Paulo. Zoologisches Museum (Museu Paulista): ^ .jl Revista. Vol. 3 Sarajevo. Bosniseh-Herzegowinisches Landes muse um: — Siena. Accademia dei Fisiocritici: Atti. Ser. 4. Fase. 7—11. Processi Verbali 205, 2. 206, 1—3. Sitten (Sion). Societe Murithienne du Valais: Bulletin des Travaux. No. 19. 20. 26. Stavanger. Stavanger Museum: Aarsberetning for 1897. Stettin. Entomologischer Verein: — Stockholm. König 1. Akademie der Wissenschaften: Handlingar. Bd. 30. Accessions-Katalog. 6. 11. 12. Bihang, Vol. 23. Afd. 1—4. 1897—98. Observations meteorologiques Suedoises. Vol. 35. Öfversigt. Vol. 54. — Institut Royal Geologique de la Suede: — — Entomologiska Föreningen: Entomologisk Tidskiüft. Bd. 19. No. 1—4. Straßburg. Kaiserl. Universitäts- undLandes-Bibliothek: 9 Inaugural-Dissertationen. — Kommission für die geologische Landes-Unter- suchung von Elsaß-Lothringen: Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Elsaß-Lothringen. N. F. Heft 1—2. Stuttgart. Verein für Vaterländische Naturkunde: ■"" -: Jahreshefte 54. 1 — LXXII — Stuttgart. König 1. Technische Hochschule: Jahres-Bericht 1897-98. Programm 1898—99. Sydney. Academy of New South Wales: Journal and Proceedings. Vol. 31. 1897. Abstract of Proceedings. Mai— Dezember 1898. — Linnean Society of New South Wales: Proceedings. No. 87—91. — Australian Museum: Keport of the Trustees. 1897. Records. Vol. 3. No. 4. Catalogue of the Australian Birds. Part. 1 — 2. — Department of Mines and Agriculture (Geological Survey of New South Wales): Memoirs of the Geological Survey. Palaeontology. No. 6. 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No. 5—11. 1899. No. 1—4. Society Adriatica di Scienze Natur a li: Bollettino. Vol. 16—18. — Museo Civic 0 di Storia Naturale: — Tring (Herts., England). Zoological Museum: Novitates Zoologicae. Vol, 5. No. 3—5. Vol. 6. No. 1. — LXXIII — Tromsö. Tromsö Museum: Aarshefter 18. 1896. Aarsberetning. 1H95 — 96. Trondhjem. Königl. Gesellschaft der Naturwissenschaften: Skrifter 1897. Troppau. Naturwissenschaftlicher Verein: Mitteilungen. 1898. No. 8—9. Tübingen. Universitäts-Bibliothek: — TuftsCollege,Mass. : Studies. No. 5. Turin (Torino). Reale Accademia delle Scienze: Memorie. Ser. 2. Tomo 48. Atti. Tomo 38. Disp. 7—15. , , 34. , la-4a. Osservazioni meteorologiche 1897. — Musei di Zoologia ed Anatom ia: BoUettino. Vol. 12. No. 311—334. Upsala. Societas Regia Scientiarum: Nova acta. Vol. 17. Fase. 2. Urbana: (Illinois). The Illinois State Laboratory of Natural History : — Washington. Smithsonian Institution: Annual Report of the board of regents. 1896. 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Akademie der Wissenschaften: Denkschriften. Bd. 64. ♦Anzeiger. 1898. Ko. 8—12. — K. k. Geologische Reichsanstalt: ♦Verhandlungen 1899. No. 1—4. ♦Jahrbuch. Bd. 47. Heft 3—4. Bd. 48. Heft 1-2. — K. k. Naturhistorisches Hof- Museum: ♦Annalen. Bd. 13. Heft 1—3. — Zoologisch-Botanische Gesellschaft: ♦Verhandlungen. 1898. Bd. 48. No. 4— lU. 1899. , 49. „ 1-3. — Entomologischer Verein: Jahresbericht 9. 1898. — Oesterreichischer Touristen-Klub (Sektion für Na- turkunde): Mitteilungen. Jahrg. 10. — K. k. Zentral-Anstalt für Meteorologie und Erd- magnetismus: Jahrbücher. 1894 (31). 1897 (34). — Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse: Schriften. Bd. 38. — Naturwissenschaftlicher Verein an der Universität: — Wiesbaden. N as saui scher Verein für Naturkunde: Jahrbücher. Jahrg. 51. Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Mitteilungen. Heft I. Würz bürg. Physikalisch-medicinische Gesellschaft: Verhandlungen. N. F. Bd. 31. No. 8-11. Bd. 32. No. 1—5. Sitzungsberichte. 1897. No. 3-9. 1898. No. 1—8. Zürich. Natur forschen de Gesellschaft: Vierteljahrschrift. Jahrg. 43. 1898. Heft 1—4. Jahrg. 44. 1899. Heft 1-2. Neujahrsblatt 1899 (101). — Schweizerische Botanische Gesellschaft: Der botanische Garten und das botanische Museum der Universität Zürich. 1897. 1898. Zweibrücken. Naturhistorischer Verein: — Zwickau. Verein für Naturkunde: Jahresbericht. 1897. C. Durch Kauf erworben. a. V<»llstän (M CC I I I § I O CO IC o o -t lO l> ■M -h ?C 00 O iC CO lO -*00(M0— 't~— 'O-f :£:c;ooci>-o-^C;'nrc?CJOto ina5coiccx)OOoaoGO — ^(N CO lO '^ -^ C<1 tH T-H lO GO o s o O I be o ^ _s — ^ a o o S .'S o ::) ^1 •a ^ 2 ft bD ' c .23 o CO M .— ft 13 o ;i 1 CO CD ft > Q pq 2 ~ o 2 '^ -IJJ o Q ^ O o o q 5 -A a o t-i CO 0} I CO be C PC? 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Sektion für Ornithologie. Im abgelaufenen Jahr wurde die Sammlung nach ver- schiedenen Seiten hin durch Geschenke und Erwerbungen ver- mehrt, unter anderm die Paradiesvögel um 4 Arten, deren Er- werbung den Herren W. Merton, Stadtrat H. Flinsch und Geh. Kommerzienrat von Guaita, die einen ansehnlichen Geldbetrag hierzu stifteten, zu danken ist. Ebenso erhielt die Papageiensammlung durch Tausch mit dem Grafen von Berlepsch gegen Kük enthal'sche und einige Voeltzkow'sche Vogeldubletten einen Zuwachs von 9 Arten, ferner durch Geschenk von dem Unterzeichneten und Erwerbung zum Teil aus der Cretzschmar-Stiftung um weitere 6 neue Arten, so daß die Gesamtzahl dieser Vogelordnung in unserm Museum sich jetzt auf 295 Arten erstreckt. Auch die Familie der Bucerotidae erhielt durch den in Bandur Kwala, Sumatra, weilenden Herrn Adolf von Au er eine Vermehrung. Die älteren Exemplare der Familien A na t id a e und Laridae war der Sektionär bemüht teilweise durch neue zu ersetzen. Was die Lokalsammlung anbelangt, so wurde sie eben- falls von einigen (jönnern bedacht. Frankfurt a. M., 18. Juni 1899. Robert de Neufville. — LXXXV — Herpetologische Sektion. Auch im verflossenen Jahre wurde an der Aufstellung der Sammhing' rüstig weiter gearbeitet; die Neuerwerbungen sind schon großenteils durchbestiramt, eingeordnet und in den Kata- logen nachgetragen worden. Von hervorragenden Gescheuken seien hier noch besonders erwähnt eine Suite seltner Arten aus dem Staat Rio de Janeiro, die wir Herrn Apotheker A d. K i n k e 1 i n in Nürnberg verdanken, eine große, vom oberen Ucayali stammende Sammlung der Herren Gebr. Fr. und Ferd. Emmel in Arequipa-Hamburg, die uns durch Herrn Oberlehrer Dr. Aug. Hahn zuging, und eine Reihe seltner Formen aus Suakim, ein Geschenk des Herrn Dr. John Anderson in London. Auch eine Sendung von Dir. Prof. Dr. Carlos Berg in Buenos Aires aus verschiedenen Orten der Rep. Argentina und aus dem Staate Matto Grosso enthielt für uns neue und wertvolle Arten. Die Einreihung anderer Eingänge mußte wegen Arbeitsüberhäufuug des Sektionärs für dieses Jahr zurückgestellt werden. Was die Fauna unserer näheren Umgebung anlaugt, so konnten zwei weitere Arten von Auuren IV4 Wegstunden süd- östlich von Neu-Isenburg festgestellt werden, die seit langen Jahren nicht mehr in der Frankfurter Gegend gefunden worden waren, nämlich Bombinator pachypus Bonap. 1898 in Tümpeln auf der „Steinerne Straß-Schneiße" und Bufo calamhda Laur. 1899 in solchen am „Offenbacher Weg", in nächster Nähe des eben genannten Fundortes. Von wissenschaftlichen Arbeiten wurden im Laufe des Jahres veröffentlicht der „Bericht über die Leistungen in der Herpetologie während des Jahres 1892" im Arch. f. Naturgesch. (Hilgendorf) Jahrg. 59, Bd. 2, p.65 — 172, sowie zahlreiche Referate über neuere herpetologische Arbeiten im Jahrg. 1898 und 1899 des „Zool. Zentralblattes" und des „Zool. Gartens". Der Verkehr der Sektion mit wissenschaftlichen Instituten beschränkte sich im Vorjahr auf die zoologischen Museen von Berlin, Buenos Aires, Heidelberg, Laibach, London, Lüttich, Offenbach (Main). Singapore und Wien und auf die hiesige Neue Zoologische Gesellschaft. Prof. Dr. 0. Boettger. — LXXXVI — Bericht der Sektion für Insekten. Hofrat Dr. Hagen hat am 11. April die Neuordnung der gesamten Lepidoptereu-Sammlungen beendet und mit der Be- stimmung, Etikettieruug, Katalogisierung und dem T^m spannen der schlecht gespannten Stücke begonnen. Major a. D. Dr. von Heyden hat die Kukenthal'schen Molukken-Orthopteren, von Brunner v. Wattenwyl bestimmt, eingeordnet. — Die alten Bestände an Insekten, mit Ausschluß der Käfer und Schmetterlinge, wurden durchgesehen und zum Teil in zweckmäßigere Kasten umgesteckt. Ferner wurden die von Verhoeff gekauften Diplopoden und Chilopodeu (Tausend- füßer etc.) in Standgläser gethan, etikettiert und systematisch geordnet. — A. Weis hat die Neuordnung der exotischen Käfer beendet und mit der Neuordnung der paläarktischen Käfer begonnen. — Dr. von Heyden. A. Weis. Dr. B. Hagen. Botanische Sektion. Die Vermehrung unseres Herbars sowie der Ausstellungs- sammlung erfolgte im verflossenen Jahre fast ausschließlich durch Geschenke, die auf Seite XLI und XLII dieses Berichtes verzeich- net sind. Eine sehr wertvolle Bereicherung hat die Gesellschaft letztwillig von der am 26. September 1898 verstorbenen Malerin Frl. Elisabeth Schultz dahier erhalten: ihre in Aquarell- farben dargestellte Phanerogameufiora von Frankfurt a. M., im ganzen 1262 Darstellungen. Sie sind unter (ilas und K ahmen nach dem Linneischen System in drei Schränken wohlgeordnet untergebracht. Wir glauben, daß sie ein geeignetes Mittel der Belehrung für die Besucher unseres Museums sein werden und wir werden sie daher, entsprechend dem Wunsche der Erblasserin, abteilungsweise in kürzeren Zwischenräumen dem Publikum zu- gänglich machen. Im verflossenen Jahre haben wir die von Frau General Louise von Panhuys, geb. von Barckhausen- Wiesenhütten, in den Jahren 1811 — 1815 gemalten Aquarelle, vornehmlich Bäume, Blumen uiul Landschaften von Suiinam. ausgestellt, und sie haben den Beifall der Besucher gefunden. — LXXXVII — Es ist zu bedauern, daß wir von der dritten, ältesten und be- rühmtesten naturwissenschaftlichen Malerin Frankfurts , die ebenfalls längere Zeit in Surinam weilte, nichts, was sie mit eigener Hand gemalt hat, besitzen ; wir meinen die am 2. April 1647 dahier geborene Maria Sibylla Merian. Im Bericht 1898 haben die unterzeichneten Sektiouäre zwei Arbeiten veröffentlicht, und zwar Oberlehrer Blum: Die zweizeilige Sumpf cypresse am Rechneigraben in Frankfurt a. M. mit 2 Tafeln, uud Professor Möbius: Über ein eigentümliches Blühen von Bambusa vulgm^is Wendl. (Mitteilung aus dem botan. Garten zu Frankfurt a. M. IIL). Mit 1 Tafel. Oberlehrer Blum. Professor Möbius. Bericht der geologisch-paläontologischen Sammlung. Auch dieses Jahr wurde die Sammlung durch größere Schenkungen, wie auch durch Kauf und Tausch nicht unbe- deutend bereichert, sodaß zahlreiche Lücken ausgefüllt wurden, ja sogar uns Materialien aus Ländern uud geologischen Hori- zonten zukamen, die bisher in der Sammlung noch nicht ver- treten waren. Von den Fossiliensuiten, die für die Sammlung ganz neu sind, müssen wir vor allem die sachkundige Aufsammlung des Herrn Konsul Dr. von MöUendorff in Kowno hervorheben; sie führte uns von den Ufern der Wenda bei Popilany in Litauen eine reiche Ausbeute an Cephalopoden, Bivalven und auch Gastropoden aus dem oberen Kelloway des russischen Jura zu, eine Fauna, die noch ziemlich mitteleuropäischen Charakter hat, während die wundervolle Erhaltung ganz mit der der Fos- silien des Moskauer Beckens übereinstimmt. Besonders bemerkenswert ist ein Ammonitenfragment, das zum Genus Haploceras gehört, da diese Gattung sonst eine so östliche Verbreitung nicht hat; außerdem beobachtete ich einen dem Prosopon ähnlichen Cephalothorax. Die zahlreichen Rhyn- chonellen scheinen zu Rhtpichonella rarians zu gehören, die dann hier eine nicht unwesentlich größere vertikale Verbreitung als im mitteleuropäischen Jura hätte. Diese dem unteren Malm — den L«rw6e/-^/-Schichten — augehörige Schichtenfolge scheint hier — LXXXVIII — von Absätzen des Senons überlagert, der Gryphaea vesicularis nach zu urteilen. Aus einem tertiären Horizont ist die Zahl und Mannigfaltigkeit zu gering, so daß dieselbe nicht bestimmt werden konnte. Eine wiederholte Aufsammlung durch unser muniiizentes korrespondierendes Mitglied wird sicher den Reich- tum au Formen noch erhöhen. Wie ich hoffe, wird mir die Litteratur zur Verfügung gestellt, um die Durchbestimmung dieser Fauna vornehmen zu können, die nicht allein durcli den Reich- tum an Formen, sondern mehr noch in Rücksicht auf den Ver- lauf der nach Osten zunehmenden Ausbreitung des Jurameeres von großem Interesse ist. Durch den Besitz der Popilany- Fossilien, die wir Herrn Dr. 0. von Möllendorf f verdanken, ist der fast völlige Mangel von Organismenresteu aus dem wirk- lichen Moskauer Becken in unserer Sammlung recht fühlbar. Es scheint, daß sich eine Hoffnung, die ich hegte, nicht erfüllt. Absolut neu ist dann alles, was uns durch die Herren Direktor Jage Becker und Professor Boscä in Valencia zu- gesandt wurde. Die Verbindung mit diesen beiden Herreu, die wir Herrn Dr. Kobelt verdanken, läßt uns hoffen, daß wir uns in der Folge in unserer Sammlung auch über die Geologie Spaniens durch die Materialien unterrichten können, aus denen wir sie überhaupt zu beurteilen vermögen Heute schon ist das Carbon durch eine interessante Suite von Stammstücken von Beimez bei Cordoba, die Trias durch eine Gesteinsfolge, der Jura und die Kreide, ferner mehrere Horizonte des Tertiärs durch Konchylien vertreten. Eine Sammelreise des Herrn Dr. Kobelt führte der Samm- lung der marinen italienischen Miocän- und Pliocäufossilien, z. T. von neuen Fundpunkten, reiche E^aunen zu. Den größten Wert legen wir aber auf die Aufsammluug von Petrefakten aus einem alpintriadischen Horizont, dem Esinokaik, der im Museum noch nicht vertreten war; nun aber ist dieser obere Muschelkalk der Alpen sowohl durch zahlreiche Gastropoden, besonders aber auch durch Ammoneen reichlich vertreten; auch aus den Perledo- schief ern (Muschelkalk) kamen uns von Dr. Kobelt Fossilien zu, darunter ein Fisch, der uns in der Sammlung von Perledo- tischen, von welchen das Museum eine große Zahl von Originalen besitzt, gefehlt hat: Belonorhijuc/ms macroccphalus. Noch ist anzuführen, daß Dr. Kobelt aus den Eocänschichten der Riviera — LXXXIX — u. a. auch Korallen und seltsame Organismenspuren im Flysch mitbrachte. Eine Tauscliseudung von Herrn Dr. P. Oppen- heim hat die Korallensammlung aus gleichaltrigen Schichten nicht unwesentlich vervollständigt. Zu der ebenerwälmten Fauna aus dem oberen Muschel- kalk der Alpen (Esinokalk) kam vor kurzem eine außerordentlich reiche und interessante Sendung des Herrn Rechnuugsrates Jets chin in Patschkau, die dieser bekannte Konchyliolog durch Herrn Professor Boettger scheukuugsweise angeboten hat. Es gehört diese an Aramoneen ungemein reiche Fauna zu einer mergeligen marinen Facies des Buntsandsteins resp. der Werfener Schichten. Wir besitzen nun aus den verschiedenen Horizonten der alpinen Trias ansehnliche Faunen. Raummangel verbietet es leider, sie alle zur Aufstellung zu bringen. Sehr interessante Geschenke danken wir. wie schon seit manchem Jahr, auch hener unserem korrespondierenden Mitglied Herrn Oberingenieur C. Brandenburg in Szeged. Durch das eine ist nun auch Ostslavonien in seineu Paludinenschichten vertreten. Ein Stückchen Sandstein zeigte mir, daß hier, bei der Räuberhöhle von Karlowitz, wohl ähnlich wie im Caplja- grabeu, eine Pflauzenabdrücke führende Schichte vorkommt, die des Aufsuchens wert wäre. Neben Paludinenformen, die zu jienmaijri, sadleri, leiostraca und cijrtomorpka zu zählen sind, liegen kugeligere Formen als die Paludina iieumayri. Durch das andere Geschenk konnte wiederum ein für unsere Sammlung neuer Horizont des alpinen Dogger {Hiünphriesiamis-Sdn(!,hi) und zwar durch eine Suite Ammoniten von Yillan}', Com. Baranya, der Sammlung eingereiht werden. So könnten nun auch aus der Juraperiode, wie es für den Trias geschehen, mehrere Hori- zonte der mediterranen Eutwickelung, besonders dank der wertvollen Sendungen von Herrn Brandenburg von Swinitza und Villany, gesondert ausgestellt werden, um so die besondere faunistische Entwicklung gegenüber der mitteleuropäischen in der Aufstellung herauszuheben. Es fehlt aber hiezu am Platz. Wenn anders könnte nun auch dem russischen Jura ein Platz angewiesen werden. Auch die schöne und reiche Sammlung aus den Mediterranschichten von Kostej, Com. Krassö Szoreny, war uns ganz neu. Ein höchst wertvolles Stück einer Mergelplatte mit Blatt- — xc — abdrückeü von Niederscliöua und ein Sandsteinstück mit Sequoia relchenbachi von der goldenen HiJlie bei Dresden, beides aus dem cenomonen unteren Quader, ein Geschenk von Herrn Prof. H, Engelliardt, haben wir zu unserer großen Freude der Samm- lung einreihen können. Bekanntlich mußte noch vor ungefähr 10 Jahren die bei Niederschöna entdeckte, von v. Et tinghausen und H. Engelhardt beschriebene Flora als die gelten, welche die ältesten dikotylen Pflanzenreste enthält. Die von Gott a in Niederschöna gesammelten Pflanzenreste befinden sich in Berlin, die von Reich gesammelten und von Engelhardt beschriebenen in Dresden. Da seit 30 Jahren der Bruch, in dem die pflauzenführende Mergelschicht angestanden hatte, ver- schüttet ist, so ist obiges Material alles, was von dieser in- teressanten Flora existiert. Das Stück mit den Blattabdrücken einer dikotylen Pflanze und eines Farns, das in den Besitz von Herrn Professor Engelhardt kam, hat er uns zum Ge- schenk gemacht, so daß diese bedeutungsvolle Flora doch in unserer Sammlung vertreten ist. Diesem Geschenk fügte Herr Professor Engelhardt noch die Originalzeichnungen der im Dresdener Museum liegenden Stücke bei. Sehr schätzenswert sind uns auch die tertiären Pflanzen von Spitzbergen, die Herr Carl Strauß gesammelt hat. Zu dieser Gruppe von Bereicherungen der geologisch- paläontologischen Sammlung gehört nun noch die Ausbeute, die Herr Direktor Franck bei El Kantara in Algerien in der senonen Kreide gemacht hat, aus der neben zahlreichen Echinideu und Gastropoden als Leitfossilien Inoceramus cripsii und Ostrea nicaisi hervorzuheben sind. Unter den durch Tausch erworbenen Sammlungen zählen hierher auch die von Herrn J. Miquel in Barroubio und von Herrn Prof. Dr. Andreae in Hildesheim. Neben der Vervoll- ständigung der oberdevonen Fauna aus der Montague noire waren uns die Suiten aus dem Lias und Malm, ferner aus dem Unter- und Mittelmiocän Südfrankreichs recht erwünscht, letztere besonders in Rücksicht auf die gleichzeitigen Faunen von Sieben- bürgen, Nieder-Oesterreich und Kraiu, Bayern, Schwaben und der Schweiz. Durch die Tausch-Sendungen des Herrn Prof. Dr. Andreae wurden die jurassischen Fossilien Norddeutsch- lands, die in den letzten -laliren durch den Saniineleifer des — XCI — Herrn H. Becker in Rinteln dem Museum so reich zugeflossen sind, besonders durch Fossilien aus höheren Horizonten ergänzt ; dazu kam noch eine wertvolle Suite aus dem Neocom von Hildesheim. Am höchsten schätzen wir die Gegensendung, die uns Herr Professor Dr. A. F ritsch in Prag gemacht hat; sie stammt ausschließlich aus der unterpermischen Gaskohle Böhmens. Über- aus erwünscht waren uns alle Stegocephalenreste, nicht minder die von Selachieru und Gauoiden. Die vorzüglich erhaltenen Zähne und Kopf teile von Ctenodus machten es Prof. Kinkelin möglich, unter Demonstration der im Museum vorhandenen re- centen und fossilen Ceratodiis und dieser permischen Cteuodonteu über die Dipuoer der Vorzeit und Jetztzeit in einer wissen- schaftlichen Sitzung zu sprechen. Bei derselben Gelegenheit sprach Kinkelin auch über die Entwicklung der ältesten Krebse, die er an der Hand der Eutwicklungsreihe eines Trilobiten, Sao hirsuta, dargelegt hat. Auch diese Objekte waren in der Gegenseudung von Prof. A. Frit seh enthalten. Recht erfreulich w^ar es, Gelegenheit zu erhalten, für das Museum eine Suite Pflanzenabdrücke aus der iuterglacialen und inneralpinen Höttinger Breccie erwerben zu können. Schließlich erwähne ich noch die schönen Ammoneen aus dem Bergkalk von Clane in Irland, die wir im Tausch von Herrn Dr. Robert Scharff in Dublin erworben haben. Prof. Kinkel in reihte dies Jahr seine Sammlung aus allen Horizonten des weißen Juras der Schweiz , Schwabens und Frankens der Museumssammlung ein, ferner seine Sammlung aus dem mittleren und oberen Devon, dem Orthocerasschiefer, dem Stringocephalenkalk etc. Die Sammlung aus dem Gault Voralbergs wurde wieder wesentlich vermehrt und zwar durch eine Sendung des Herrn Götzger in Lindau i /B. Unsere Sammlung von Fossilien aus den Tertiärschichten des Mainzer Beckens ist durch größere Suiten, die uns schen- kungsweise von Herrn Dr. med. Willem er, Herrn Heinrich Roos, aus dem Nachlaß von Fräulein Dora Schimper und von Prof. Kinkelin zukamen, dann durch solche, die wir käuf- lich erwarben, vermehrt worden. Von den Erwerbungen aus der Weinheimer Gegend erwähne ich Mytilus aciitirostris vom !1 n^ — XCII — Zeilstück, woselbst eben durch tiefere Grabung von diesem MijUUiü erfüllte Bänke angeschnitten sind. Die Bestimmung und Bearbeitung unserer Sammlungen tertiärer Pflanzen aus dem Mainzer Becken, die Herr Professor H. Eugelhardt so liebenswürdig war zu übernehmen, hat wieder einen großen Schritt vorwärts gemacht. Über die Salz- hausener Flora, die wir vor allem Herrn Professor Boettger verdanken und die nun in den nächsten Tagen vollständig bestimmt sich im Museum befinden wird, werde ich im folgenden Sektionsbericht Mitteilungen machen. Dieses Jahr bewältigte Herr Professor Engel har dt außerdem die Bestimmung unserer Aufsammlung aus den uutermiocänen Mergeln der Frankfurter Hafeubaugrube, dann unsere umfangreiche, seinerzeit von Herrn Hassenkam p erworbene Kollektion von Bischoffsheim und vom Himmelsberg bei Fulda in der Rhön. Besonders reich an Arten ist die vom Himmelsberg, die auch schöne, bisher aus unserer Landschaft noch nicht bekannte Pflanzeuformen enthält, u. a. eine sehr schöne Ficiis-AYi. Da die Bearbeitung dieser Flora wohl bald in den Senckenbergischen Abhandlungen publiziert werden wird, so beschiänke ich mich darauf nur einen kurzen Überblick der Zahl der Gattungen und Arten ; ^u geben. Sie umfaßt an Thallophyten 4 Genera mit 6 Sj )ezies „ Pteridophyten 4 n ,, 4 n „ Gymnospermen 6 , 1 „ 8 v „ Monocotylen 4 , 1 „ 4 V „ Dicotylen 55 „95 n Aus dem Frankfurter Mergel besitzen wir von folgenden Pflanzen Blatt- und Fruchtreste: Pteris sp.* Cinnamorm()}i scheuchxeri Heer* Larix gracilis Ludw. — hessenhergiana'LwdiVf. Ovigm. Finus immilio Berendt* Engelhardtia brongniarti Sap.* Salix varians Goepp.* Ficus lanceolata Heer* — tenera AI. Br.* — spectahile Heer* — media AI. Br. — rossmässlen Heev* Betida, Rinde EJiamnus decheni Web. Fagus korrida Ludw. Berc/ihemian/idHnervisAl.BY.sy* Carya senekenbergiann Ludw. Enca/i/plus oceanica Uug.* XCIII — * Banksia longifolia Ung.* Cassia francofurtensis Geji. Dnjandroides sp. Andromeda vaccinifolia Ung.* Apocynophyllum cf. reussi Ett.* Die von Ludwig nicht angegebenen Pflanzen sind mit * bezeichnet. Bekanntlich kommen in dem bituminijsen Schiefer von Messe!, von untermiocänem Alter, aus dem in neuerer Zeit zwei Ganoiden Lepidosteus strausi Kink. und Amia kehreri Andr. — bekannt geworden sind, auch Blattabdrücke vor. Von ihnen ist, soviel mir bekannt, noch nichts publiziert worden, so daß auch eine kurze Notiz über unseren Besitz, den wir Herrn A. von Rein ach verdanken, von Interesse sein dürfte: Olyptostrobus europaeus Heer Lauriis primlgenia Ung. Pinus sp. Berchhemiamjdtmervisk\.Bi\s.^. Phoenicites spectabilis Ung. Sterculia lahrusca Ung. Die Sammlung aus den Mosbacher Diluvialsanden hat nicht unbedeutende Ergänzung erfahren; u.a. erhielten wir Zähne von Sus scrofa, die bisher noch nicht in unserer Sammlung enthalten war; die wertvollste Erwerbung, von der das gleiche gilt, ist der Calcaneus eines riesigen Löwen. Hoffentlich wird es unserem Präparator Herrn August Koch gelingen, das arg zertrümmerte Geweih eines Alces latifrons wieder zusammenzufügen. Wie im Ankauf von Säugerresten von Mosbach sind wir auch in dem von Fossilien aus den Unterdevonschichten von Stadtfeld fortgefahren. Von einer Exkursion der Herren von Reinach und Professor Kinkelin kam aus dem Gedinnien (Schistes de Mon- trepuis) in der Nähe von Wiesbaden ein schlecht erhaltener Brachiopodenrest in die Sammlung, bis jetzt das älteste Fossil unserer Gegend. Die heuer ausgehobeue Baugrube der Schleuse oberhalb der Gerbermühle bei Oberrad wurde von mir vielfach besucht, lange ohne mit Sicherheit den Horizont der dort unter Aulehm und jungdiluvialem Kies liegenden Lettenschichten bestimmen zu können. Der Letten aus der tiefsten ausgehobenen Schicht in der unteren Schleusenkammer enthielt endlich erkennbare Trümmer von Konchylien ; sie gehören fast alle der Tellina nysti Desh. an; begleitet sind sie von zwei Schälchen der Po- ronia rosea Sdbg., ferner zwei jungen Exemplaren von Limnaeus — XCB' — fabula Brongn. und wenigen Trümmern von Hydrohia sp. Diese Schicht gehört somit zu dem mittleren CjTeneumergel. Was aus den hier gewonnenen Thatsachen hervorgeht, ist, daß wir uns in der Oberräder Schleuse noch auf derselben Scholle befinden, wie bei Offenbach; d. h. daß das Schichtenglied in der Schleuse bei schwachem westlichen Einfallen das gleiche ist, das wir nach der Schichtenfolge bei Offenbach erwarten müßten, daß somit die Störung, die zwischen Röderberg und Mainthal, resp. Cerithienkalk und Rupelthon existiei t, nicht rein südlich, wie bis- her angenommen, verläuft, sondern die Verwerfung am Hainerweg als südliche Fortsetzung hat. Die von Herrn J. Bamberger s. Z. gesammelten Fossilien aus Peru sind Heirn Prof. St ein mann in Freiburg i. Br. auf seinen Wunsch zur Bearbeitung übergeben worden : sie haben sich als der Kreide zugehöi'ig ausgewiesen. Zur Bearbeitung haben auch die von Herrn von Reinach gesammelten mittel- eocäuen Petrefakten Herrn Dr. P. Oppenheim auf sein Er- suchen vorgelegen. Zur Demonstration in den geologischen Vorlesungen wurden folgende Gegenstände angekauft: 1. ein Erdglobus, der die Verbreitung der geologischen Sj'steme zeigt, 2. ein Gipsabdruck von Ärchaeopteryx siemensi Dames, 3. das Modell eines Trilobiten und 4. ein recenter Nautilus pomijilius. Neu aufgestellt wurde die miocäne Flora vom Himmelsberg bei Fulda, von Bischoffsheim in der Rhön, von Messel bei Darm- stadt und die interglaciale Flora von Hotting bei Innsbruck. Auch heuer wurde die geologisch- paläontologische Samm- lung von zahlreichen Fachgelehrten besucht : wir nennen die Herren: Dr. Stehlin, Basel; Prof. Dr. Anton Frit seh, Prag; Oberlehrer Richters, Quedlinburg; Dr. Heinrich Lotz, Marburg; Prof. Dr. Klaatsch, Heidelberg; Prof. Dr. Jäkel, Berlin; Oberlehrer Dr. Heß, Mühlhausen i. E. ; Reichsgeologe Dr. J. J. J ahn, Wien ; Va u g h a n J e n n i n g s , F. G. S., London. Juni 1899. Prof. Dr. F. K i n k e 1 i u. Prof. Dr. 0. Boettger. — XCY — B. Protokoll-Auszüge. Samstag, den 15. Oktober LSOS. Vorsitzender: Herr Oberlehrer Blum. Der Vorsitzende begrüßt die Versammlung zum Wieder- beginn der wissenschaftlichen Sitzungen und gedenkt in warmen Worten der treuen Mitglieder, die die Gesellschaft in der jüngsten Zeit durch den Tod verloren hat. Gestorben sind: Fräulein Dora Schi rap er und das außerordentliche Ehrenmitglied Fräu- lein Elisabeth Schultz, die korrespondierenden Mitglieder Herr Geh. Medizinalrat Dr. K. v. Mettenheimer und Herr Hans Simon in Stuttgart, ferner die Herren F. B. Auffarth, Direktor A. Lautenschläger und Richard Nestle. Die anwesenden Mitglieder ehren das Andenken der Heimgegangenen durch Erheben von den Sitzen. Herr Prof. Dr. Reichen bach hält alsdann den ange- kündigten Vortrag : Über lebende Ameisenkolonien in künstlichen Nestern. Ausgehend von den neueren Arbeiten Foreis, Wasmanns und Bethes bespricht Redner die Frage, ob wir den in vieler Beziehung so merkwürdigen Ameisen psjxhische Eigenschaften zuschreiben dürfen. Besonders die Arbeiten Bethes haben An- schauungen zu Tage gefördert, die den bisherigen entgegengesetzt sind. Um nun aus eigener Beobachtung die fraglichen Tiere genauer kennen zu lernen, hat Redner nach den Angaben des berühmten französischen Forschers Janet in Limoges künstliche Nester aus Gips mit Kammern, die mit Spiegelglasplatten bedeckt sind, probeweise angelegt, und berichtet nun über seine Erfahrungen aus diesem Frühjahr und Sommer. Er zeigt u. a. Kolonien der Riesenameise vom Altkönig, der Raubameise mit ihren schwarz- braunen Sklaven, der hier seltenen Amazone, die die gleiche Art wie die vorhergehende Ameise als Sklaven oder Hilfs- ameiseu benutzt, der roten Knotenameise u. v. a. In einem Nest der Rasenameise finden sich getiügelte Männchen und Weibchen neben den flügellosen Arbeitern, die die Larven und Puppen versorgen. Von besonderem Interesse ist eine sog. Bundeskolonie der roten Säbelameise mit der schwarzbraunen Rasenameise, die — XCVI — sein Freund Lowitzer im Scliwanheimer Wald unter einem Stein entdeckte und die sich ausserordentlich gut entwickelt hat. Zu erwähnen sind noch die Anfänge von Kolonien, die aus einem Weibchen und einer geringen Anzahl kleiner Arbeiter bestehen, die von dem Weibcheu allein aufgezogen wurden. So benutzte ein Rasenameisenweibchen die Puppenhülle einer Hummel als Wochenstube, wo sie etwa 11 Puppen aufzog, von denen eine eben ausgeschlüpft war. In der Amazonenkolonie finden sich auch noch zwei Käfer als Gäste. Viele Erfahrungen nötigen den Redner, vorläufig den ex- tremen Anschauungen Bethes nicht beizupflichten, vielmehr sich auf den Standpunkt B'orels zu stellen, der das Leben der Ameisen im wesentlichen zwar auch aus ererbten, automatisch wirkenden Instinkten ableitet, ihnen aber nicht jede Fähigkeit, Erfahrungen zu machen und zu benützen, abspricht. Die Entscheidung der wichtigen Frage hängt von weiteren Versuchen ab. Der Vorsitzende dankte dem Redner für die Mitteilungen aus seinen interessanten Ameisenstudien; die heutige Demon- strationwerde sicherlich manches Mitglied zum eigenen Beobachten dieser merkwürdigen Geschöpfe anregen. Samstag, den 29. Oktober 1898. Vorsitzender: Herr Oberlehrer Blum. Der Vorsitzende legt den Bericht 1898 vor, der im Laufe der nächsten Woche den Mitgliedern der Gesellschaft zugestellt werden wird. Er enthält in seinem wissenschaftlichen Teile außer der Wiedergabe mehrerer Vorträge Arbeiten der Herreu Schauf, Blum, Möbius, Kinkelin und Wittich. Herr Hofrat Dr. B.Hagen, der nahezu fünfzehn Jahre als Arzt und Forscher in Sumatra gelebt hat und somit als einer der besten Kenner dieser Insel gelten darf, sprach hierauf über das angekündigte Thema: „Meine Reisen in die Batakländer (Zeutral-Sumatra)". Nachdem Redner zunächst die falsche Betonung des Namens Sumatra gerügt hat, der in Europa immer noch als Sumatra im Walzerdactylus durch unsere Sprache hüpft, schildert er zunächst kurz die geographischen und naturhistorischeu Verhältnisse der Insel. Sumati'a ist bekanntlich die viertgrößte Insel der Erde. — XCVII — Sie ist eine exquisit tropische Insel, die vom Äquator beinahe in der Mitte durchschnitten wird. Ihre Hauptachse liegt von NW nach SO und in dieser Richtung wird sie von zwei parallel nebeneinander liegenden Gebirgsketten vulkanischer Natur (meist Augit-Andesit) mit Gipfeln bis zu 10,000 Fuß durch- zogen, die durch manuigfache Kreuz- und Querzüge mitein- ander verbunden sind und ein großes, weites, langhingestrecktes Hochthal von nahezu 4000 Fuß Seehöhe zwischen sich fassen. Dieses Hochthal ist einst eine tiefe Erdspalte gewesen, die aber im Laufe der Jahrtausende ganz mit vulkanischer Asche und Eruptionsprodukten — auf Sumati-a rauchen ja heute noch an die zwei Dutzend vulkanischer Feuerschlünde — ausgefüllt wurde, wie Redner selbst hat in dem von ihm bereisten Gebiete nachweisen können. Die Westseite der Insel, die schutzlos dem Wogeuprall des Indischen Ozeans ausgesetzt ist, wurde hierdurch bis fast an den Fuß des Gebirges ausgeuagt; die Ost- seite dagegen, die der stillen, glatten und ruhigen, vor allen Winden geschützten Straße von Malakka zugewendet ist, ist niciit nur nicht ausgenagt, sondern es haben sich sogar hier große, ausgedehnte Alluvialebenen angesetzt, die rapide anwachsen und die Straße von Malakka immer mehr verseichten und einengen. Sumatra besteht also sozusagen aus zwei Teilen, die der Länge nach nebeneinander liegen : dem westlichen, gebirgigen, ursprünglichen, und dem östlichen, flachen, alluvialen Teil. Diese beiden Teile sind in jeder Beziehung scharf getrennt; nicht bloß der geologische Aufbau ist ein anderer, sondern die Tren- nung erstreckt sich auch auf die Pflanzendecke, die Tierwelt und sogar auf die menschlichen Bewohner. Auf den Bergen und Hochebenen des westlichen Teiles sitzen Völker, die wir nach ihrem ganzen physischen Habitus als autochthone Urvölker ansehen müssen. Redner bezeichnet sie als Ur- oder Präma- layen und erinnert daran , daß man heutzutage Sumatra all- gemein als das Entsteliungs- oder Entwicklungszentrum der Malayen ansieht. Der Name „ Malay en" ist veraltet und ent- spricht in keiner Weise mehr dem heutigen Standpunkt unserer Wissenschaft vom Menschen; es wäre an der Zeit, mit diesen alten Wörtern und Begriffen einmal aufzuräumen. Die Ur- oder Prämalayen also stiegen, durch Übervölkerung oder sonstwelche — XCVIII — Ursachen bewogen, von ihren kiililen Hochsitzen in den Beigen herab in die heißen, fieberscliwangei-en Kiistenebenen. kohjni- sierten hier nnd trafen da znsammen mit den seefahrenden und handeltreibenden Völkern von der Coroniandelkiiste Vorder- indiens und von China. Aus der Vermischung dieser Elemente entstand dann allmählich das Mischvolk der Küstenbewohner, das wir heutzutage ganz speziell mit dem Namen der Ma- layen belegen, und dessen bedeutendsten Vertreter wir neulich sogar eine Zeit lang in den Mauein Frankfurts beherbergten, nämlich den Sultan von Siak. Die Batak nun , zu den Redner heute seine Zuhörer führen möchte, sind ein Bestandteil dieser Uri'asse im Innern Sumatras, die den ganzen nördlichen Teil des vorhin ge- schilderten Hochthaies einnehmen. Im Norden grenzen sie an das durch seinen nunmehr schon 25 Jahre dauernden Kampf gegen die Holländer wohl bekannte Atjeh, das nach arabischen Berichten schon im 14. Jahrhundert ein blühendes Reich war, und im Süden an die Länder des ebenfalls uralten früheren Malayenreiches von Menanykaban, des größten und mächtigsten Reiches, das der Malayenstamm je selbständig hervorge- bracht hat. Von diesen beiden sumatranischen Kulturzentren haben die Batak ihre eigentümliche Kultur empfangen. Rein körperlich betrachtet, sind die Batak ziemlich kleine Gestalten mit einem sehr großen, umfangreichen Kopf, sehr hoher, breiter Stirn, breitem, niederem Gesicht mit flachei'. breiter und eingedrückter Nase, langem Rumpf, kurzen Beinen und mittellangen AriBen. Mit diesen körpei'lichen Merkmalen, die noch ganz auf der Stufe des neugeborenen Kindes stehen, und sich himmelweit von der voll ausgebildeten ]\[enschengestalt, wie wir sie postulieren, entfernen, sehen wir die Batak an als auf einer niedrigeren, weil kindlicheren Entwicklungsperiode stehen geblieben und betrachten sie darum mit Recht als eine Urrasse, die körperlich den diametralsten Gegensatz zum Apoll von Belvedere darstellt. Seit Redner seinen Fuß in Sumati-a ans Land gesetzt hatte, war es stets sein höchster Wunsch gewesen, die damals — 1881 — noch fast ganz unbekannten nördlichen Batakländer zu besuchen. Aber jahrelang stellten sich seinem Vorhaben fast unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg: Verbot der in- — XCIX — (lisclien Regierung' wegen der Gefährlichkeit einer Reise in diese unabhängigen Länder, der Widerstand der Batak gegen das Eindringen von Europäern, Gekl- und Transportschwierig- keiten u. s. w. Hierbei stellt sich heraus, daß ein Abend zur Bewältigung des Themas nicht ansreicht un- CIX — und iliren Verzweigungen rundliche oder vieleckige Zellen, die (ianglienzellen. Nur wenn sie lebend bestehen, kann das Nerven- system fungieren, und nur wenn ihr Zusammenhang mit den Nervenfasern gewahrt bleibt, behalten diese ihren normalen Auf- bau. Ti-ennt man die Nervenfasern von den Ganglienzellen, so zerfallen sie. Vernichtet eine Krankheit, z. B. die Kindei'lähmung, einzelne Gruppen von solchen Ganglienzellen im Eückenmarke, so werden die daher innervierten Glieder völlig gelähmt. Viele Thatsachen sprechen dafüi-, daß die Ganglienzellen die eigent- lichen Träger der nervösen Funktion sind. Es ist deshalb von nicht geringem Interesse, daß im Laufe der letzten Jahre eine Anzahl Arbeiten erschienen sind, die über den Bau und die Beziehungen der Ganglienzellen zum Nervensj^steme neues Licht verbreiten. Der Vortragende beabsichtigte das Wesentliche von dem mitzuteilen, was sich heute feststellen läßt, und eine kritische Übersicht über dasjenige zu geben, was sich über die Funktion und Bedeutung der einzelnen Teile der Nervenzellen heute aus- sagen läßt. Schon bald nachdem im Jahre 1836 Valentin die Ganglien- zellen als spezifische Bestandteile des Nervensystemes kennen gelehrt hatte, fand man, daß aus ihnen die Nervenfasern ent- springen. Indem man sie genauer untersuchte, entdeckte man, daß die früher für rundlich gehaltenen Gebilde allerlei Fortsätze hatten, die sie in ihre Umgebung hinaussenden. Auch wurde es immer wahrscheinlicher, daß mindestens einer dieser Fort- sätze zu einer Nervenfaser wird. Viele Foischer nahmen aber an, daß auch die anderen Fortsätze in der Weise Nervenfasern Ursprung geben, daß sie sich fein aufzweigten, verästelten, mit benachbarten Fortsätzen verbänden, ein Netzwerk mit ihnen herstellten. Aus diesem Netzwerke sollten dann erst wiedei- Nerven stammen. So intensiv war das Interesse an diesen Fragen, daß im Jahre 1887 Nansen, der bekannte Polarfahrer, der auch liier tüchtig gearbeitet hat, schon 841 Arbeiten zusammenstellen konnte. Seitdem dürfte die Zahl noch um ungefähr 800 Einzelarbeiten gewachsen sein, so daß also etwa ()40 Arbeiten über die Elemente des normalen Nervensystemes bekannt sind. Drei Fragestellungen waren es vornehmlich, die man zu ~ ex — beantworten versuchte. Die Frage nadi dem Verhalten des Nerven zur Ganglienzelle, die nach dem inneren Bau der Zelle selbst und die Fi'age nach dem Verhalten der Nerven, die einer einzelnen Zelle entstammten, zu denen aus anderen Zellen. Auf alle haben die letzten Jahre soweit Antwort gegeben, daß wir heute wahrscheinlich das Wesentliche übersehen und dadurch ein Bild vom feineren Aufbau des Nervensystemes ge- winnen können. Schon seit den 40 er Jahren glaubte man annehmen zu düifen, daß feine Läugsstreifungen, die man mit hohen Ver- größerungen an den Ganglienzellen fand, der Ausdruck des sich da auflösenden Nerven seien, aber diese Bilder waren durchaus anzweifelbar und blieben angezweifelt, bis es in den letzten Jahren Apathj^ gelang, in der That feinste Fäserchen zu färben, die aus den Nerven in die Zellen hineintreten. Sie mußten, weil sie in allen Nerven und Nervenzellen vorhanden sind, und weil sie eine spezifische Färbung geben, als ein dem Nervensystem eigenartiges Element angesehen werden. Der Vortragende legte eine große Zahl von Apathy gewonnener Bilder vor und zeigte, wie es jetzt möglich ist, geradezu zu sehen, wie in den Ganglienzellen die von allen Seiten an- kommenden Leitungsfasern umgelagert, zu einzelnen Strängen gesammelt, zu Geflechten aufgelöst und wieder gesammelt werden. Auch wie jene Fäserchen in die Sinneszellen der Haut, wie sie in die Netzhaut eindringen und wie sie sich da verhalten, das hat Apathy gezeigt. Es ist ihm gelungen, bei niederen Tieren eine Übersicht fast des gesamten peripheren und zenti'alen Nervensystemes zu gewinnen, das Fibrillennetz, das beide durchzieht, überall zu demonstrieren. Dieses Fibrillensystem , das nun bei Wirbel- tieren und Wirbellosen nachgewiesen ist, war bisher unbekannt. Sein ganzes Verhalten spricht dafür, daß wir in den Fibrillen das eigentlich leitende Element des Nervensystems endlich erkannt haben. Auch die längst erschlossene Natur der Ganglienzellen als Z e n t r a 1 o r g a n e des N e r v e n a p p a r a t e s ist hier endlich anatomisch bewiesen. Daß in den Ganglienzellen feine Körnungen sind, war schon den älteren Anatomen bekannt, aber es haben erst die vortrefllichen Untersuchungen des früheren Oberarztes der Frank- furter Irrenanstalt, Dr. Nißl, uns gezeigt, wie diese Körnungen — CXI ~ von den Lebensverhältnissen der Zelle abhängio- sind. Eine ganz neue Aufklärung hat sich durch fortgesetzte Untersuchungen über die Nißl sehen Körner für viele wichtige Prozesse, be- sonders auch für die Auffassung mancher Geisteskrankheiten, gewinnen lassen. Es ist, nachdem heute zirka 200 Arbeiten über dieselben in allen Kulturländern erschienen sind, am wahr- scheinlichsten geworden, daß wir in ihnen die Kraftstoffe erblicken dürfen, die in der Zelle für den Ver- brauch bei der Funktion angehäuft werden. Sie ver- ändern sich bei Unterbrechungen der Nervenleitung und vor allem auch bei hoher Inanspruchnahme der Zellen durch den Gebrauch. Diese Nißlschen Körner liegen zwischen den Fi- brillen, die die, Ganglienzelle erfüllen. Der Vortragende besprach dann die verschiedenen Vorstellungen, die man im Laufe der Zeit von der Zusammenordnung der Nervenelemeute zu physiologischer Tliätigkeit sich gemacht hat. Er zeigte, daß es durch die anatomischen Studien der letzten Jahre endlich möglich geworden ist, an die Stelle von sehr vagen Theorien eine Anschauungsweise zu setzen , die sehr wohl viele Thätigkeitsäußerungen des Nervensystemes auf seinen Bau zu- rückzuführen gestattet. Im wesentlichen handelt es sich na- türlich vorerst noch um die Erkläi'ung anscheinend sehr einfacher Vorgänge, es liegen aber überall Ansätze vor, die zeigen, daß wir auf dem betretenen Wege zur partiellen Erklärung sehr komplizierter Erscheinungen kommen können. Der Vorsitzende drückte dem Redner für seinen hoch- interessanten Vortrag den Dank der Gesellschaft aus. Samstag, den 21. Januar 1899. Vorsitzender: Herr Dr. A. Kn oblauch. Der Vorsitzende gedenkt des am 18. d. Mts. in Wien ver- storbenen koiTespondierenden Mitgliedes, des hervorragenden Zoologen Professor Dr. Karl Claus und erteilt alsdann das Wort Herrn Dr. W. Kobalt zu seinem Vortrage: Die Zoogeographie V o r d e r - 1 n d i e n s. (Siehe diesen Bericht S. 89). Der Vorsitzende dankt dem Redner für die Mitteilungen aus dem reichen Schatze seines Wissens auf dem Gebiete der Zoogeographie. /5. — CXII — Samstag, den 4. Februar 1899. Vorsitzender: Herr Dr. A. Knoblauch. Herr Professor Dr. A. Audreae aus Hildesheim demon- strierte eine Anzahl von Lichtbildern, w eiche Reko n- struktionen fossiler, sogenannte „vorweltlicher " Tiere zur Anschauung- brachten. Die kurze Einleitung betonte, daß derartige Rekonstruktionsversuche fossiler Tiere bei vielen derselben, welche hinreichend genau bekannt, durchaus möglich und auch vom rein wissenschaftlichen Stand- punkte aus zu rechtfertigen sind. Am besten arbeiten beim Entwürfe einer solchen Restauration ein Paläontologe und ein Tiermaler zusammen, wie das auch schon öfters geschehen ist. Die Zeichnung eines vollständigen Skelettes macht den Anfang, die einzelnen Knochen werden am besten in ihrer natürliclien Größe in der richtigen Ansicht auf Papier gezeichnet, aus- geschnitten und auf einer Tafel angeheftet, eine Methode, welcher sich auch z. B. Professor 0. C. Marsh in New-Haven bei dem Entwürfe seiner ausgezeichnet restaurierten Skelette von Dino- sauriern bediente. Der Vorteil ist der, leicht kleine Ver- schiebungen ausführen zu können, bis eine möglichst natürliche Lage resp. Stellung der Knochen erreicht ist. Man wird von dem Kochenmaterial ausgehen, das so viel als möglich zu einem einzigen Individuum gehört und wird dann das Skelett nach anderen Lidividuen, eventuell im Notfalle nach anderen ver- wandten recenten oder fossilen Arten, ergänzen. Beim Bekleiden dieser Skelette mit den Muskelmassen, d. h. mit Fleisch, sowie mit Haut und Haar ist die Analogie mit den verwandten lebenden Formen natürlich in erster Linie maßgebend, doch über Lage, Größe und Entwicklung der Muskulatur giebt ja das Skelett selbst, welches die Stützpunkte der JVIuskulatur bildet, viele Auskunft. Was die Behaarung, die Ikdeckung mit Hautknochen oder Schuppen resp. Federn betrifft, so sind von diesen allein die Hautknochen direkt und die Schuppen, zuweilen im Abdruck, fossil vorhanden; was das Übrige betrifft, so muß uns hier die Analogie mit lebenden Formen leiten, denn nur selten kennen wir die Haare fossiler Tiere, wie bei den ]\lammut- und Rhino- cerosleichen aus dem sibirischen Eis. In Bezug auf die Zeichnung und Färbung des Felles resp. der Haut sind wir lediglicli auf — CXIII ■-" die Analogie mit den lebenden Tieren angewiesen. Wir wissen z. B., daß die Unterseite meist heller ist als der Rücken, eine Kompensation, die gewissermaßen als Schutzfärbung gegen den nach unten fallenden Körperschatten dient. Hell oder dunkel gefleckte Tiere finden sich viel unter den Bewohnern der wärmeren sonnigen, oft immergrünen Wälder, wie die Leoparden, Jaguare, viele der kleinereu Katzenarten, Viverren, Palmmarder und die Riesenschlangen; es sind zumeist Baumtiere. Unter den Hirschen besitzen der Axis und das Damwild helle Flecken. Alle haben sich offenbar dem buntfleckigen Licht der durch die Blätter und Äste spielenden Sonne angepaßt. Im Rohrdjungel und in der Grassteppe hausen oft senkrecht gestreifte Tiere wie der Tiger, die Zebras, der Beutel wolf Australiens u. a. Einfarbige, der Umgebung angepaßte Tiere sind meist erst das Produkt einer langen Entwicklung und stammen vielfach von gefleckten Waldbewohnern ab, was ihre oft noch gefleckten Jungen beweisen, wie beim Löwen und beim Reh. Ersterer hat, als er sich dem Leben in der Wüste mehr und mehr zu- wandte, seine dunklen Flecken verloren und sich der Boden- farbe angepaßt, letzteres stammt wohl von Formen ab, die in sonnenreicheren und nicht die Hälfte des Jahres entblätterten Wäldern lebten. Weiße Färbung finden wir bei den Bewohnern des ewigen Eises und der nordischen, oft schneebedeckten Steppen, ganze Farbenpracht und auch Melanismus in der Licht- fülle der Tropen. Alle diese biologischen Betrachtungen können uns Anhaltspunkte gewähren. Der Fortschritt der modernen Rekonstruktionen gegen- über den älteren ist augenfällig, was die vorgezeigten Bilder der früher im Garten des Crj^stal Palace bei London und des Central Park von New -York aufgestellten großen Stuck- und Gipsmodelle, sowie alte Abbildungen darthun. Gute photogra- phische Diapositive verdienen vor kostspieligen Gipsmodellen oder großen Bildern den Vorzug wegen der Billigkeit und des- halb leichten Ersetzbarkeit beim Fortschritt unserer Erkenntnis, können aber trotzdem im Hörsaal, wenn erwünscht, durch Pro- jektion auf die natürliche, oft recht imposante Größe gebracht werden. Auf die zahlreichen alsdann vorgeführten Lichtbilder fossiler Säugetiere. Vögel und Saurier, die von interessanten Erläute- — CXIV — rungen begleitet, eine wahre Menagerie der Vorwelt an den Augen der Zuschauer vorbeiführten, näher einzugehen, verbietet uns hier der Raum. Der Vorsitzende dankte dem Redner für seine schönen und lehrreichen Demonstrationen und bat ihn, der Seucken- bergischen Gesellschaft seine vielfach bewiesene Anhänglichkeit auch fernerhin zu bewahren. Samstag, den 18. Februar 1899. Vorsitzender: Herr Dr. A. Knoblauch. Der Vorsitzende teilt mit, daß die Gesellschaft schon wiederum durch den Tod den Verlust eines treuen Mitgliedes zu beklagen habe. Am 8. d. Mts. ist Herr Wilhelm Landauer, Mitglied der Gesellschaft seit dem Jahre 1873, aus dem Leben geschieden. Die Gesellschaft wird ihm ein dankbares Andenken bewahren. Alsdann legte der Vorsitzende vor : Abhandlungen Bd. XXI, Heft 3 (Voeltzkows Reiseergebnisse in Madagaskar und Ostafrika), sowie Heft 4 des XXIV. Bandes der Abhand- lungen (Kükenthals Reiseergebnisse in den Molukkeu und Borneo). Von Kükenthals Reisewerk sind nunmehr drei starke Quart- bände erschienen und die noch ausstehenden Arbeiten werden voraussichtlich einen weiteren Band der Abhandlungen füllen. Das korrespondierende Mitglied Herr Dr. G. Greim von Darmstadt hielt hierauf seinen angekündigten Vortrag über: Die Gezeiten. Ausgehend von den Beobachtungen, die ein Beobachter an einem Seehafen über die Erscheinungen der Gezeiten an- stellen kann, werden die thatsächlichen Verhältnisse derselben kurz rekapituliert und diejenigen hervorgehoben, welche die Abhängigkeit von kosmischen Einflüssen, speziell des Mondes und der Sonne, beweisen. Es führt dies zur Erörterung der theoretischen Gezeiten, wie sie von Newton aus seinem Gravi- tationsgesetz abgeleitet wurden, und durch den Abdruck des Wesentlichsten in allen Lehrbüchern derPh3'sikund physikalischen Geographie etc. genügend bekannt sind. Laplace erkannte schon, daß diese Newton'sche Theorie zur Eiklärung der wirklichen Gezeiten nicht ausreicht, ohne etwas Befriedigenderes an die — cxv — stelle setzen zu können. Je mehr in der Nenzeit Beobachtungen einliefen, desto mehr ließen sie diese Verschiedenheiten der that- sächlichen von den theoretisch geforderten Verhältnissen hervor- treten. Insbesondere das Verhältniß der Höhe der Mondgezeit zu der der Sonnengezeit, die Höhe des Flutwechsels, die Eintags- fluten, die Hafenzeiten u. a. ließen eine große Masse von Schwierig- keiten auftauchen. Deragegeniiber scheint nun die Airy'sche Gezeitentheorie, die hauptsächlich von Borgen, Lord Kelvin, Darwin u. A. m. weitergebildet wurde, berufen zu sein, an die Stelle zu treten. Durch rein mathematische Ableitungen fand Airy, daß die theoi'etisch geforderten Flutwellen nur in ganz regelmäßig gestalteten Meeresbecken auftreten, daß aber bei Veränderung dieser Grundbedingungen andere, zum Unterschied davon „freie Wellen" genannte Flutwellen entstehen, die mit jenen nur das gemeinsam haben, daß sie die gleiche Periode besitzen, die aber in Bezug auf Höhe, Wellenlänge und Fort- pflanzungsgeschwindigkeit sehr wesentlich von der Beschaifenheit des Meeresbeckens abhängen, in dem sie erzeugt werden. Durch ihre Interferenzen sind mit Leichtigkeit die starken Differenzen über kurze Strecken in Höhe und Eintritt der Gezeiten zu er- klären, ebenso die Eintagsfluten nnd die an manchen Plätzen beobachteten, über die theoretisch geforderte Zahl hinaus an einem Tage auftretenden Fluten, die mit sogenannten Ober- tönen bei den Schwingungen der Saiten verglichen wurden. Ein kurzer Hinweis auf die auch bei dieser, schon sehr be- friedigenden Theorie noch vorhandenen Schwierigkeiten schloß den Vortrag. Der Vorsitzende dankte dem Redner wärmstens für seine klaren Auseinandersetzungen. Freitag, den 10. März 1899. Vorsitzender: Herr Dr. August Knoblauch. In dem mit der Büste Friedrich T i e d e m a n n s und mit frischem Grün festlich geschmückten Saale eröffnet der Vor- sitzende die Sitzung, die der Erteilung des Tiedemann- Preises gewidmet ist, mit einer kurzen Geschichte des Preises. Er erinnert daran, daß Tiedemann, nachdem er in Heidelberg länger als ein Menschenalter als akademischer Lehrer segens- 8* — ex VI - reich gewirkt, sicli nach Frankfurt zurückgezogen hat, nachdem er im badischen Aufstand in Rastatt seinen ältesten Sohn ver- loren und nachdem seine beiden jüngeren Söline mit Weib und Kind nach Amerika geflüclitet waren. Er hat hier Ruhe und Trost in seinem Leid gesucht und hat sie in dem wissenscliaft- lichen Verkelir mit den ausgezeichneten Männern der Sencken- bergischen Gesellschaft, einem Spieß, Varrentrapp, Lucae u. a. gefunden. Als am 10. März 1854 auf Anregung der Gesellschaft von den Gelehrten ganz Europas hier, im Holländischen Hofe, das 50jährige Doktorjubiläum Tiedemanns gefeiert wurde, ist dem Jubilar eine Medaille, in Gold, Silber und Bronze, über- reicht und gleichzeitig zu seinem Gedächtnis der Tiedemanu- Preis gestiftet worden. Die Medaille trägt auf der Vorderseite das Bildnis Tiedemanns, von Ed. v. d. Launitz modelliert, und auf der Rückseite einen Seestern als Hinweis auf eine im Jahre 1812 vom Institut de France in Paris gekrönte Preisschrift Tiede- manns. Seit 1875 ist der Preis, der aus 500 Mark und der silbernen Medaille besteht, regelmäßig alle 4 Jahre für die ausgezeichneteste Arbeit aus dem Gebiete der Physiologie, am 10. März, dem Jahrestage der Promotion Tiedemanns, einem deutschen Forscher zuerkannt worden; u. A. haben ihn erhalten die grossen Vorkämpfer der Wissenschaft im Kampfe gegen die In- fektionskrankheiten : Robert Koch, Paul Ehrlich und Emil Behring. Die Preiskommission hat diesmal aus den Herren Professor Drs. Edinger (Physiologie des Nervensystems und der Sinnes- organe), Möbius (Botanik), Lepsius (physiologische Chemie), Reichenbach (Anatomie und allgemeine Physiologie der niederen Tiere) und Weigert (Anatomie und allgemeine Physiologie) be- standen. Als Vorsitzender der Preiskommission berichtet so- dann Herr Geh. San. -Rat Professor Dr. Weigert über eine Anzahl einschlägiger Arbeiten, die die Kommission in mehreren Sitzungen eingehend besprochen hat. Sodann berichtet Herr Prof. Dr. Lepsius über eine große Reihe von Arbeiten Kossels und seiner Schüler und verkündet unter lebhaftem Beifall der Versammlung, daß auf einstimmigen Vorschlag der Kommission der diesjährige Tiedemannpreis dem Direktor des physiologischen Instituts in Marburg, Herrn Professor Dr. med. Albrecht Kossei, für eine Reihe ausgezeichneter Arbeiten über die Chemie der Eiweißkörper zuerkannt worden ist. — CXVII — Der Vorsitzende schließt hierauf die Festsitzung mit einem Danke an die Preislvommission und ihren Berichterstatter. Samstag, den 18. März 1899. Vorsitzender: Herr Dr. A. Knoblauch. Ausgestellt sind die von Prof. Dr. Kükenthal auf den Molukken gesammelten und von Hof rat Dr. Brunn er von Wattenwyl in Wien bestimmten Orthopteren (Geradflügler). Der Sektionär Herr Major Dr. von Hey den giebt dazu einige Erläuterungen. Es fallen auf: 1. Unter den Blattei (Schaben): die große Panaesthia javanica, die Männchen mit Hörnern am Kopfende. 2. Unter den Mantodea: Die Gottesanbeterin leno- dera superstitiosa F. mit mächtigen Fangarmen und Beroplatijs siccifolium Saussure^ einem welken Blatt ähnlich, 3, Die Phas- modea oder Stabschrecken: die sehr große Orxines xiyhias Westw., die stachelige Ileteropterijx echinata ßedtb., die Riesen- art Aiickicde maculata Ol. und das wandelnde Blatt Philliiim siccifolium L. 4. Die Acridiodea oder Heuschrecken: Cranae kükenthali ßr., sehr schön schwarz und gelbrot gezeichnet; Äcridium succinctum F., eine Art Wanderheuschrecke. 5. Die Locustodea oder Grashüpfer: Conocephalus longiceps Redt, mit langzugespitztem Kopf, die lackartig glänzende Scdomona coriacea Redtb., mehrere Arten Gnjllacris mit schön gezeichneten Unter- flügeln und die flügellose, wohl an dunklen Orten lebende, Rhaphidojjalpa nlgerrima. Schließlich 6. Die Grijllodea: Gnjllo- ialpa africana Pallis., eine Verwandte unserer Maulwurfsgrille, und verschiedene Gry Uus- Arten. Herr Professor Dr. F. Kinkelin hielt hierauf seinen an- gekündigten Vortrag über die beiden Themata: 1. Die Entwickelung der ältesten Krebse und 2. Die Lurchfische der Vorzeit. 1. Ein Tausch mit dem Prager Museum setzte den Vor- tragenden in den Stand, einige allgemein interessante Fossilien vorzulegen. Während der Norden Böhmens, umwallt von mäch- tigen Gebirgen, nur aus Kreidesandstein und Kreidemergel, zum Teil bedeckt von jüngerem Tertiär und durchbrochen von zahlreichen eruptiven Massen, besteht, gehören die Gesteius- masseu, die um Prag liegen, zu den ältesten, welche organische — CXVIII — Reste führen. Sie liegen in einer Grabensenke innerlialb der krystalliuen Urgesteine. Schon die cambrisclien Schiefer führen eine ziemlich mannigfaltige Tierwelt und, was das Über- raschendste ist, diese Fauna ist zum Teil auch schon hoch entwickelt. Die auffallendste Tiergruppe sind kiemenatmende Gliederfüßer, die nach ihrem Bau den Namen Trilobiten erhalten haben. Redner legt die Organisation eines ausgewachsenen typischen Trilobiten dar. Barrande, der die böhmischen Trilo- biten zu seinem Lebensstudium gemacht hat, ist es gelungen, die Entwicklungsstadien einiger Arten vom Ei bis zum aus- gewachsenen Tier zu verfolgen. Der Vortragende bespricht nun unter Vorweisung der Entwicklungsreihe von Sao hirsiäa die Wandlung, die dieses Tier durchgemacht. Die Größe des jüngsten, eben aus dem Ei geschlüpften Tieres ist ungefähr ^/4 Millimeter. Es besteht nur aus einem Kopfschild ; in den folgenden Stadien entstehen die gegeneinander unbeweglichen Glieder des Schwanzschildes ; im weiteien entstehen die gelenkig verbundenen Glieder des Rumpfes, der sich mit mehr und mehr an Zahl und Größe zunehmenden Gliedern zwischen Kopf und Schwanzschild einschiebt. Erst in einem späteren Stadium wird die Oberflächenskulptur fertig. 2. Auf dem durch Gebirgsbeweguug entstandenen alten böhmischen Festland haben sich Süßwasserseen und in ihnen Pflanzenanhäufungen gebildet, die zu Steinkohlen wurden. Aus den Absätzen in diesen Seen und zwar ungefähr aus der Zeit der produktiven Steinkohle stammen Zähne und Schädels tücke eines Fisches, genannt Ctenodiis. Zur Erläuterung der Bedeut- samkeit dieser aus der sogenannten Gaskohle stammenden Reste, weist Redner auf einen seltsamen australischen Fisch, Ccra- tochis, der erst 1870 entdeckt worden ist. Mit einem zenti-al- afrikanischen und einem südamerikanischen Fisch macht er die Ordnung der lungenatmendeu Fische oder Lurchfische aus. Ganz eigenartig von Kämmen durchzogen sind die Kauplatten des australischen Lurchfisches. Die Gestalt und Struktur von Kauplatten, die man längst aus der Triaszeit kennt, besonders aber der mit solchen Kauidatten ausgestattete Schädel eines Fisches aus der Lettenkuhle von Lunz in Nieder-Osterreich er- gab das Überraschende, daß der rezente australisciie Fisch und der Fisch, welchem die triassischen Kauplatten angehört haben, — CXIX — einer und derselben Fischgattung zuzuzahlen sind. Diese trias- sclie Fiscligattung hat also bis zur heutigen Zeit fast keine Veränderung in ihrem Bau erfahren und gehört somit zu den wenigen Organismen, die sich hierin in einem gewissen Gegen- satze zu der übrigen organischen Welt befinden. Wir können uns dies kaum anders erklären, als daß während der Jahr- millionen, die zwischen der Triaszeit und heute vergangen sind, die Lebensbedingungen stets dieselben geblieben sind. Nach der großen Übereinstimmung der Kauplatten, Schädelteile und Flossen vom Ctenodus aus der böhmischen Gaskohle mit den- selben Organen des rezenten Ceratodus zu schließen, ist dem- nach der Stammbaum des Ceratodus von Queensland noch viel weiter als in der Triaszeit zu verfolgen, sogar bis ins Carbon. Der Vorsitzende dankte dem Redner für die hochinteres- santen Mitteilungen und schließt mit der heutigen Sitzung das Wintersemester, C. Aus den Protokollen der Verwaltungssitzungen. Die Senckeuberg'sche JJibliothek und ihre Eutw ickeluiig in der neueren Zeit. Von Dr. med. Ph. Steffan. Bei der vorliegenden Besprechung uuserer Bibliothekver- hältuisse liegt mir speziell die neuere Zeit am Herzen. Gleich- wohl darf, um ein Gesamtbild zu geben, ein historischer Rück- blick nicht fehlen. In der Geschichte unserer Bibliothek lassen sich deutlich 3 Perioden unterscheiden: die erste reicht vom Tode Senckenbergs 1772 bis zur Mitte dieses Jahrhunderts (1850), die zweite von 1850-1888, die dritte von 1888 bis jetzt. I. Periode (1772-1850). Als Johann Christian Senckenberg unerwartet am 15. November 1772 aus dem Leben schied, hinterließ er seine eigene Bibliothek als ersten Grundstock der noch jetzt be- stehenden und nach seinem Namen benannten Bibliothek; sie — cxx — bildete einen Bestandteil der wissenschaftlichen Abteilung seiner Stiftung, des sogenannten Medizinischen Instituts, während das Bürgerhospital der öffentlichen Wohlthätigkeit zu dienen berufen war. Ursprünglich lag die Gründung eines Hospitales gar nicht in der * Absicht Senckenberg's ; der Haupt- und eigentliche Grund seiner Stiftung war die Errichtung eines Medizinischen Institutes. In dem Hauptstiftungsbriefe Sencken- berg's vom 18. August 1763 ist von der Gründung eines Hospitales überhaupt noch keine Rede: „Ein Drittel der 4*^/o Zinsen des ursprünglichen Kapitales in der Höhe von 95000 li. sollten an arme Kranke verteilt werden. Erst in den später folgenden Zusätzen und Erläuterungen zu seinem ursprünglichen Stiftungsbriefe vom 16. Dezember 1765 sagt Senckeuberg: Da er noch hoffe, durch den Zuwachs seines Vermögens die Stiftungs- summe auf 100000 Gulden oder darüber zu bringen — in der That belief sich das hinterlassene Vermögen auf 11740011., siehe § 4, 5, 6 u. 9 der ersten Nachricht der Stiftung aus dem Jahre 1776 (Stiftungsfonds = 124840 fl. 54 kr. = 214012,97 M) — , so solle man von dem für die Armen bestimmten Drittel der Einkünfte die Hälfte zur Errichtung eines Hospitales für kranke Bürger und Beisassen, woran es in hiesiger Stadt aunoch fehle, verwenden, zumal wenn andere christlich gesinnte wohl- habende Leute zutreten wollten, jedoch mit der Bedingnis. daß seiner Stiftung die Subdirektion gegönnt werde. Wer möchte demgemäß bezweifeln, daß Senckenberg, wenn er heute d. li. nach Einführung des Gemeindeverfassungsgesetzes vom 25. März 1867 und des Gesetzes über den Unterstützungs Wohn- sitz vom 6. Juni 1870 nebst Ausführungsgesetz vom 8. März 1871, nach welchen die Armenkrankenpflege nicht mehr Sache der Privatwohlthätigkeit, sondern gesetzmäßige Pflicht des Staates resp. der Gemeinden geworden ist, nochmals seine Stiftung zu machen hätte, au die Gründung eines Hospitales überhaupt nicht mehr denken würde? Der Grundgedanke Senckenberg's bei seiner Stiftung war, in seinem Medizinischen Institute für die Heilkunde und die Naturwissenschaften hier in Frankfurt einen Mittelpunkt zu schaffen. Lediglich aus Liebe zur Wissenschaft ging die Stiftung Senckenberg's hervor; der Stifter wollte, wie seine eigenen Worte lauten, der Wissen- schaft in seiner Vaterstadt einen Tempel gründen. Demgemäß — CXXI — richtete er 1767 im Stiftshause zunächst ein Laboratorium, eine Bibliothek und eine Gärtuerwolmung ein; auch erbaute er in diesem Jahre seine Gruft. Im Jahre 1768 ging er an den Bau der Anatomie und eines Gewächshauses und erst zuletzt im Jahre 1771 begann er mit dem Bau des Hospitales. (Am 22. Oktober 1768 Besuch des stud. jur. W. Goethe). — Die Geschichte unserer Bibliothek in ihrer ersten Periode hängt mit der Geschichte des Medizinischen Institutes eng zusammen. Den ersten Zuwachs erhielt die Bibliothek von dem ersten am Bürger- hospitale thätigen Stiftsarzte J. J. Reichard (er war Stiftsarzt von 1779—1782 f, Verfasser der Flora Moeno-Fraucofurtana, 2 Bde. 1772—1778); er vermachte ihr seine Bücher und außerdem 4000 fl., deren jährliche Zinsen für botanische Werke Ver- wendung finden sollten, — der sogenannte Reichard'sche Bücher- konto zu Händen des Medizinischen Institutes resp, der Senckeu- berg'schen Stiftuugsadministration (siehe 7. Nachricht der Stiftung 1783 § 1). Dieser erste von Senckenberg und Reichard ge- schaifeue Bücherbestand der Senckeuberg'schen Bibliothek enthielt nicht weniger als 6000 der Natur- und Heilkunde vollkommen fremde Werke. Der 2. Stiftsarzt, G. Ph. Lehr (war Stifts- arzt von 1782 — 1807), ein ausgezeichneter Geburtshelfer, schied 1784 diese Bände aus und fertigte ein Verzeichnis davon (siehe 8. Nachricht der Stiftung 1784 § 1). 1786 wurden diese Bücher versteigert und daraus 1581 fl. erlöst, von deren Zinsen neue brauchbare Bücher angeschafft werden sollten (siehe 10. Nachricht 1786 § 4). Das war somit die erste Reinigung unserer Bibliothek von allen Werken nicht naturwissenschaft- lichen und nicht medizinischen Inhaltes. Auch der zweite Stifts- arzt, G. Ph. Lehr (f 1807), vermachte dem Medizinischen In- stitute seine Bücher, dazu eine Porträtsamniluug, Präparate und 14000 11. in bar; von dieser Summe sollten die Interessen von 9000 11. zur Jahrgehaltserhöhung des jedesmaligen Stiftsarztes bestimmt werden, damit derselbe „von Nahrungssorgen besser befreit, bei seinen Berufsangelegenheiten den botanischen Vor- lesungen besser obliegen könne" (siehe 21. Nachricht 1810 § 2). Aus dem Gesagten ist ersichtlich, von welcher Bedeutung die beiden ersten Stiftsärzte für das Gedeihen des Medizinischen Institutes im allgemeinen und unserer Bibliothek im besonderen waren. Leider nahmen von jetzt ab die Mittel des Me- — CXXII — diziuischeu Institutes nicht zu, sondern ab. Bereits in der im Jahre 1803 erschienenen 19. Nachriclit der Stiftung wird darüber Klage geführt, daß seit Senckenberg's Tod d. h. seit 31 Jaliren, abgesehen von den 4000 Gulden Reichard's, kaum ein weiterer Zuwachs an Geld dem Medizinischen Institut zugeflossen sei (im ganzen nur 250 fl.); im i^ 3 der betreffenden Nachriclit heißt es wörtlich: „Hat vor 31 Jahren bei der ersten Existenz der Stiftung, gleich nach dem Tode des Stifters, das Medizinische Institut das Bürgerhospital an Einkommen bei weitem übertroffen, so ist dies jetzt ganz umgekehrt." Sehr nachteilig wirkten auf das Gedeihen gerade des Medizinischen Institutes die Kriegszeiten von 1792 — 1813. An den schweren Kriegslasten, die der Stadt Frankfurt von den verschiedenen französischen Heerführern auferlegt wurden,*) hatte auch unsere Stiftung ihr Teil zu tragen. Im Zeitraum von 1797 — 1813 be- trugen die Beiträge der Stiftung zu diesen Kriegskontributionen die Summe von 35856 Gulden 55 Kreuzer. Der vorübergehende Bestand eines Großherzoglichen **j Lyceum Carolinum verbunden mit einer medizinisch-chirurgischen Spezialschule, deren Mittel- punkt das Medizinische Institut bildete (Eröifnung am 9. No- vember 1812, Ende im Herbste 18 13), brachte weiter keinen Nutzen. 1814, resp. 1815 spricht sich Goethe (Über Kunst nnd Altertum in den Rhein- und Main-Gegenden. Stuttgart. Cotta- sche Buchhandlung, 1816, Heft 1, S. 56—100 und 1817, Heft 2, S. 200—208. Vergl. sämtliche Werke in 40 Bdn., Stuttgart nnd Tübingen 1840, Bd. 26, S. 272 u. s. f.) folgendermaßen aus; „Hier (d. h. in den alten Stiftshäusern) findet sich eine tretiliche Bibliothek, welche bis auf die unmittelbaren Nachfolger Halles hinaufreicht ; sie enthält die bedeutendsten älteren anatomischen und physiologischen Bücher und würde geordnet, fortgesetzt und zum Gebrauche eröffnet, der Stadtbibliothek ein bedeutendes Fach ersparen .... Indessen nahmen die zu dieser Abteilung bestimmten *) 1792Custine: 2 000000 fl. — 1796 Kleber: Beschießung der Stadt-. () 000 000 Frcs. Kriegsentscliiidiguni,^ dazu Natufallieferuntien im Betrag von 2 000 000 frcs. Aus dieser Zeit stauiiut auch die noch jetzt erhaltene Auf- schrift: „L'Höpital des bourgeois" links vom Thore des Bürgerhospitales. der Stiftsstraße gegenüber. — 180(i Augereau: 4 000 000 frcs. Kriegssteuer. **) Karl von Uallierg, Fürstprimas und Großherzog von Frankfurt. 1806-1813. — CXXIII — Kapitalien nicht zu, aus dem Grunde, weil man in einer Handels- stadt dem Praktischen geneigter als dem Wissenschaftlichen ist, und sich überhaupt mehr gedrängt fühlt, eiuem gegenwärtigen Übel abzuhelfen, als einem künftigen vorzubeugen. Diesem nach wurde die Kraukenanstalt mit Schenkungen und Vermächt- nissen allein bedacht, und das Wissenschaftliche vorbeige- gangen. Dieses versank immer mehr in Staub und Verborgen- heit und erkrankte an äußeren und inneren Übeln. Eine medizinische Schule, welche das Studium aufs Neue beleben sollte, entstand und verging. Die Kriegslasten wurden uud werden mitgetragen, sowie manches andere Unheil, das sich auflud; genug, das Institut ist gegenwärtig so arm, daß es nicht das geringste Bedürfnis aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Schon jetzt bei Anschaffung der Schränke für Sonderung und Ordnung der Mineralien muß auf fremde Güte gerechnet werden. Doch auch hier belebt sich die Hoffnung. Der kui'z verstorbene Stiftsarzt Dr. Lehr, dem Frankfurt die Einimpfung der Kuh- pocken verdankt, hat seine Bibliothek der Seuckenbergischen einverleibt, eine Sammlung von Porträten berühmter Aerzte ihr vermacht u. s. f. Allein alles was wir gesagt, würde ganz vergeblich gewesen sein, wenn wir uns nicht ei'kühnten auszu- sprechen, daß ein so wohldurchdachtes, dem Stifter wie der Stadt Ehre bringendes, wissenschaftliches Institut nicht gedeihen, noch auch mit aller Bemühung der Angestellten nur im min- desten nützen könne, wenn seine Einkünfte nicht verbessert werden. Auch hiervon liegt die Nutzlosigkeit nahe genug, uud wir tragen kein Bedenken, sowohl die bürgerlichen als die ärzt- lichen Herrn Vorsteher aufzufordern, in Überlegung zu nehmen, inwiefern von dem Überfluß, dessen das Hospital genießt, ein Teil zur wissenschaftlichen Anstalt herübergewendet werden könne, uud jeue trefflichen Männer dringend zu ersuchen, daß sie hierüber, wenn sie bejahend einig geworden, um die höchste obrigkeitliche Billigung baldigst nachsuchen mögen. Die einer solchen Wanderung entgegenstehenden Schwierigkeiten sind nicht unbekannt; es läßt sich ihnen aber mit einem Wort begegnen, daß einer freien Stadt ein freier Sinn gezieme, und daß man bei einem erneuten Dasein, um die Spuren ungeheurer Übel auszulöschen, sich vor allen Dingen von veralteten Vorurteilen zu befreien habe. Es geziemt Frankfurt von allen Seiten zu ■ i f — CXXIV — glänzeu, imd nach allen Seiten hin thätig zu sein. Freilich gehört theoretische Betrachtung, wissenschaftliche Bildung den Universitäten vorzüglich an; aber nicht ausschließlich gehört sie ihnen. Einsicht ist überall willkomnieu. Man erkundige sich, welchen Einfluß die Universitäten in Berlin, Breslau, Leipzig auf das praktische Leben der Bürger haben, man sehe, wie in London und Paris, den bewegtesten nud thätigsten Orten, der Chemiker und Ph3^siker gerade sein wahres Element findet ; und Frankfurt hat gar Avohl das Recht, nach seinem Zustand, seiner Lage, seineu Kräften für so löbliche Zwecke mitzueifern." In „Nachträgliches aus Frankfurt a.M." kommt Goethe nochmals auf Seuckenbergs Stiftung zurück und sagt unter anderem: „ Es wäre sehr zu wünschen, daß die Kassen unserer reichen Mitbürger, wenn auch nur durch mäßige Beiträge, dem einbrechenden Verfall eines so nützlichen Institutes vorbauen möchten .... so ist es doch traurig, so wenig Sinn für die medizi- nische Wissenschaft nnd Kunst, die der Stifter so sehr beab- sichtigte, und deren Beförderung so heilsam in ihren Folgen ist, bei ihnen zu bemerken " Trotz Goethes warmer Worte wartet das Medizinische Institut immer noch auf einen zweiten Joh. Chr. Senckenberg; dem in erster Reihe als seinem Lieblingskinde die ganze Stiftung galt, ist das Stiefkind geworden und bis jetzt geblieben. Bis zur heutigen Stunde wäre das Medizinische Institut nicht imstande seinen Verpflich- tungen nachzukommen (Vermögen am 30. Juni 1898 gleich M 299 789.12, dagegen Hospital M 1 560452.59), wenn es sich nicht der werkthätigen Beihülfe der vier auf dem Boden des Senckenbergiauums mit ihm zusammenarbeitenden Vei'eiuen (Senckenbergische naturforschende Gesellschaft, Physikalischer Verein, Geographischer Verein, Ärztlicher Verein) zu erfreuen hätte. Nur diesem Zusammenstehen ist es zu verdanken, daß die Verhältnisse unserer Bibliothek nicht rückwärts, sondern gleichwohl, wenn auch langsam, vorwärts geschritten sind. Das Verdienst, diese Vereinigung herbeigeführt zu haben, gebührt namentlich dem unermüdlichen Dr. med. Joh. Michael Map p es, der auch zuerst die Bücher der Naturforschenden Gesellschaft katalogisierte. Im Jahre 1824 (siehe 26. Nachricht 1825 § 2) wurde die Bibliothek der 1817 gegründeten Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, 1840 (siehe .'Jl. Nachricht 1840 ~ cxxv — § 1) die des 1824 gegründeten Physikalischen Vereins mit der Senckenbergisclien Bibliothek vereinigt nnter Vorbehalt des Eigen- tums von jeder Seite. Dasselbe thateu 1850 der 1836 gegrün- dete Geographische Verein und der 1845 gegründete Ärztliche Verein. Seit 1840 (siehe 31. Nachricht 1840 § 1) hieß unsere Bibliothek nicht mehr Dr. Senckeubergische Bibliothek, sondern Vereinte Senckeubergische Bibliothek. Im Jahre 1845 machte H. Myli us der Stiftung ein Vermächtuis vonfl. 9000, dessen jährliche Zinsen für naturhistorische Werke nicht bo- tanischen Inhaltes Verwendung finden sollten. Diese Ver- wendung geschieht der Bestimmung des Erblassers gemäß durch Vermittlung der Naturforschenden Gesellschaft, welche alljährlich die betreffenden Zinsen bei der Stiftung erhebt (H. Myliussches Bücherkonto). Aus dem Jahre 1840 stammt das erste Überein- kommen der bis dahin bei unserer Bibliothek beteiligten zwei Vereine : Senckeubergische naturforschende Gesellschaft und Physikalischer Verein; 1850 fand eine Neuordnung der Biblio- thekverhältnisse mit allen vier Vereinen statt; sie bestimmten, daß der einzelne Verein wieder austreten könne, wenn er ein Jahr vorher gekündigt hätte. 1849, in welchem Jahre der 6. und letzte Stiftsarzt, Dr. C. E. Neef, starb und dem Medizinischen Institut die Summe von fl. 35065.31 hinterließ, fand die erste Ernennung zweier besonderer Bibliothekare statt: I.Bibliothekar Dr. B. Ch. B'resenius (Vetter des Botanikers), 2. Bibliothekar Dr. Alexander Knoblauch. Sie erhielten eine besondere Instruktion. Zugleich wurde eine Bibliothekordnung erlassen, die später 1886 erneuert imd verbessert wurde.*) Damit schließt die erste Periode in der Geschichte unserer Bibliothek und wir gehen jetzt zur zweiten über. Dr. B. Ch. Fresenius (184Ü— 1852). Dr. Alexander Knoblauch (1849—1854). Dr. Alexander Knoblauch. Dr. Harald Bagge (1852-1863). Dr. Harald Bagge. Dr. W.Stricker (1854—1891). Dr. W. Stricker. Dr. Fr. Schwenck (1863-jetzt). Dr. Fr. Schwenck. Dr. W. Jännicke (1891—1893). *) Re ihen 1849- -1852. I. II. 1852- -1854. I. II. 1854- -1863. I. IL 1863- -1891. I. II. 1891- -1893. I. II. — CXXVI — II. Periode (1850-1888). Die zweite und dritte Periode unserer Bibliothek umfaßt die Geschichte der jetzt Vereinten Seuckeuberg'schen Biblio- thek. Die zweite Periode reicht bis zum Jahre 1888. Aus ihr sind die nachfolgenden wichtigen Punkte hervorzuheben. 1854 (7. Dez.). Von Seiten der Direktion der Sencken- bergischen naturforschenden Gesellschaft lief der folgende An- trag ein: Einleitung von Verhandlungen mit den städtischen Behörden über die Vereinigung des naturgeschichtlichen Teiles der städtischen Bibliothek mit der Vereinten Senckenbei-gischen Bibliothek. Damals lehnte die Administration diesen Antiag ab, einmal, weil die Ordnung des bisherigen Bestandes unserer Biblio- thek noch fehle, und zweitens, weil es fraglich erscheine, ob die vorhandenen Raumverhältnisse einen neuen Zuwachs erhxubten. Damit schlief der betr. Antrag zunächst ein, ist aber, wie wir weiter unten sehen werden, jetzt wieder aufgenommen worden. 1860 fand eine nochmalige wichtige Neuordnung unserer Bibliothekverhältnisse statt und zwar auf Veranlassung des Dr. Gg. Varrentrapp. Die frühere aus dem Jahre 1850 stammende Bestimmung, daß ein einzelner Verein nach vorausgegangener einjähriger Kündigung wieder austreten könnte, stellte den dauer- haften Bestand der Vereinten Senckenberg'schen Bibliothek in Frage. Die neuen Verträge vom 10. Februar 1860 setzen da- gegen fest: „Die vier Vereine erklären sich bereit, ihre zur Zeit zur Senckeuberg'scheu Bibliothek vereinigten und noch zu vereinigenden Bücher, Karten u. s. f. niemals, insbesondere nicht im Falle des Wegzugs eines Vereines aus dem Senckeu- bergiauum, von dem bestehenden Bibliothek -Verbände zu trennen. Dieser Verband kann während des Bestandes der vier Vereine nur durch übereinstimmenden Beschluß der vier vereinigten Ge- sellschaften gelöst werden." Damit war der dauerhafte Bestand der Vereinten Seuckeuberg'schen Bibliothek garantiert. Diese Garantie hat auch bereits ihre erste Feuerprobe bestanden; denn als 1891 der Geographische Verein austreten wollte, und 1893—1897. I. Dr. Fr. Schwenck. IL Prof. M. Möbius (1893— jetzt). 1897— jetzt. I. Dr. Fr. Schwenck. II. Prof. M. Möbius. III. Ph. Thoru (1897— jetzt). — CXXVII — sich dabei, uneingedenk der Bestimmungen von 1860. auf die Verträge von 1850 berief, konnte er von der Administration unter Hinweis auf eben die 1860er Verti'äge mit Erfolg zurück- gewiesen werden. In die Jalire 1866 und 1867 fällt der Neubau unseres Bibliothekgebäudes. Die alten Stiftshäuser, in deren Räumlich- keiten die Vereinte Senckenberg'sche Bibliothek untergebracht war, wurden im Jahre 1866 abgerissen. Vorübergehend mußte daher die Bibliothek in den im Mai 1865 von der Administration angekauften, dem Hospital gegenüberliegenden Peters'schen Häusern (jetzt Gebr. Roth) untergebracht werden. Am 20. No- vember 1867 bei Gelegenheit des 50jährigen Stiftungsfestes der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft wurde der Neubau seiner Bestimmung übergeben. In das Jahr 1873 fällt die erste Gründung einer gemein- samen ßibliothekkommission zur Beratung gemeinsamer Biblio- thekangelegeuheiten der vier Vereine. Sie bestand (§ 1) aus eiuem Delegierten der Administration und vier Delegierten der vier Vereine. Die Administration (§ 2) lädt zu den Sitzungen ein. Alljährlich finden mindestens zwei Sitzungen an einfür- allemal festbestimmten Tagen statt (1. Donnerstag im Juni und Dezember). Die Bestellung (§ 3) der Bibliothekare zu Delegierten ist unstatthaft. Die Stiftungsadministration (§ 4) verpflichtet sich die unter Zustimmung ihrer Repräsentanten mit der Dele- gation vereinbarten Beschlüsse in entsprechender Weise zur Ausführung zu bringen. — Von irgendwelcher Thätigkeit dieser ersten gemeinsamen Bibliothekkommissiou ist in den Akten nichts zu finden, sie scheint sofort wieder eingeschlafen zu sein. Bis zum Jahre 1888 ist aus der Geschichte unserer Bibliothek nichts zu berichten. III. Periode (1888 bis heute). Im Jahre 1888 wurde unsere Bibliothek aus ihrem ruhig dahinfiießenden Stillleben aufgerüttelt, und damit beginnt ein sehr bedeutsamer neuer fruchtbringender Abschnitt der Geschichte unserer Bibliothek. Die Veranlassung dazu ging von Herrn Dr. Julius Z i e g l e r aus. Im Dezember des betreffenden Jahres legte derselbe in einer umfangreichen Denkschrift, die er an die Administration und alle vier Vereine einsandte, die Mängel — CXXVIII - unserer Bibliothekverhältuisse offen dar. Seine Beschwerden umfassen die folgenden 7 Punkte: 1. Mangel eines Ausschusses („Delegation"), welcher die wünschenswerte vorherige Verständigung der vier Vereine in gemeinsamen Bibliothekangelegenheiten vermittelt. 2. Feststellung und Vervollständigung lückenhafter Werke. 3. Ordnung der üublettenfrage, resp. Abstoßung des Ent- behrlichen. 4. Erweiterung der Bibliothekstunden und bessere Aus- stattung unseres Lesezimmers. 5. Herstellung eines gedruckten Kataloges. 6. Anstellung eines bibliothekarisch gebildetenHilfsarbeiters, welcher seine Stelle nicht im Nebenamt versieht, sondern seine ganze Arbeitskraft unserer Bibliothek widmet. 7. Einheitliche Feuerversicherung. Die Beratung dieser Vorschläge ging an eine zehngliedrige Kommission (zwei Mitglieder aus der Administration und je zwei Mitglieder aus den vier Vereinen), darunter von selten des Geographischen Vereins der erste Bibliothekar unserer Stadt- bibliothek, Herr Prof. Dr. Ebrard. In drei Sitzungen beriet diese sog. Ziegler'sche Bibliothekkomraission die betr. Vorschläge durch: 25. April und 7. Oktober 1890 und 15. Oktober 1891. Die eine Forderung, betr. Herstellung eines gedruckten Kata- loges, konnte nicht befürwortet werden, da bei dem ^'orhanden- sein von 80000 Bänden die Herstellung eines gedruckten Kataloges unzweckmäßig sei. Die Herstellung desselben würde mehrere Jahre dauern und die volle Arbeitskraft eines Fachmannes in Anspruch nehmen. Der Druck des Kataloges würde sehr viel Geld kosten und nicht rentabel sein, fortwährend wären Nach- träge erforderlich. Auch die Stadtbibliothek besitzt keinen gedruckten Katalog. Wir besitzen einen sog. Zettelkatalog in einzelnen Kästen nach wissenschaftlichen Fächern übersichtlich angeordnet (System Schleiermacher), ferner alphabetisch ge- ordnete geschriebene Standortskataloge der einzelnen Vereine. Dazu ist die handschriftliche Anfertigung eines Gesamtzettel- kataloges über alle in unserer Bibliothek vorhandenen Werke in alphabetischer Beihenfolge gekommen. Plieran arbeiten zur Zeit unsere Bibliothekare und die Vollendung dieser Arbeit wird circa drei Jahre in Anspruch nehmen. Das ist genügend. — CXXIX — Alle übrigen sechs Forderungen der Dr. Ziegler'schen Vorschläge wurden als zutreffend anerkannt und deren Ausführung in Aussicht genommen. Vor allem wurde die erste Forderung Zieglers erfüllt : die Einsetzung einer fünfgiiedrigen ständigen Kommission der bei de rVer einten Senckenberg'schen Bibliothek beteiligten vier Vereine, bestehend aus einem Mitglied der Administration, das den Vorsitz führt und zugleich den Be- sitzstand des Medizinischen Instituts an unserer Bibliothek ver- tritt und je einem Mitglied der vier Vereine. Auch jetzt erfreuen wir uns in dieser Kommission der Mitgliedschaft einer der Herren Bibliothekare an der Stadtbibliothek und zwar des zweiten, Herrn Dr. von Nathusius; dadurch wird indirekt eine sehr er- freuliche Beziehung zwischen beiden Bibliotheken unterhalten. Diese gemeinsame Bibliothekkommission schiebt sich zwischen die vier Vereine und die Administration in der Weise ein, daß sie für die Administration und die Vereine eine in Bibliothek- angelegenheiten beratende und vermittelnde Instanz bildet. Am 28. Januar 1892 hat die gemeinsame Bibliothekkommission ihre erste Sitzung gehalten ; am 7. Dezember 1898 fand die 14. Sitzung statt, in der sie sich zu ihrer festeren und dauerhafteren Konstituierung eine aus sechs Paragraphen bestehende Geschäfts- ordnung gab.*) Unter Mitwirkung dieser gemeinsamen Bibliothek- *) § 1. Die Aufgaben der Kommission sind: a) Sorge für pünktliche Erfüllung der zur Zeit gültigen Verträge vom 10. Februar 1860. sowie der Bibliüthekordnung vom 1. März 1897. einschließlich des Zusatzes zu § 3 vom 8. Dezember 1898. b) Vorberatung und Überwachung aller Veränderungen in der Verwaltung der Bibliothek, sowie aller übrigen Bibliothekangelegenheiten, insbesondere Anstellungs- und Gehaltsverhältnisse, Instruktion und Arbeits- plan der Bibliothekare. — § 2. Die Kommission besteht aus einem Delegierten der Stiftungsadministration als Vorsitzendem — und zugleich als Vertreter des Medizinischen Instituts — , sowie je einem Delegierten der vier Vereine : Senckenbergische naturforschende Gesellschaft, Ärztlicher Verein, Physikalischer Verein und Geographischer Verein. — § 3. Die Bestellung der Bibliothekare zu Delegierten ist unstatthaft. — § 4. Der Vorsitzende lädt je nach Bedarf zu den gemeinsamen Sitzungen der Kommission ein. Außerdem ist die Kom- mission immer dann einzuberufen, wenn einer der vier Delegierten es verlangt. — § 5. Die Kommission ist bei Anwesenheit von drei Mitgliedern beschluß- fähig. — § 6. Die Stiftungsadministration verpflichtet sich, die unter Zu- stimmung ihrer Delegierten von der Kommission gefaßten Beschlüsse nach Möglichkeit zur Ausführung zu bringen. 9 — cxxx — kommission sind die restieienden fünf Forderungen Dr. Zieglers bis jetzt folgendermaßen zur Ausführung gekommen. Vom 1. Mai 1894 ab ist eine einheitliche Feuerversicherung des gesamten Bücherbestandes bei der Providentia und dem Deutschen Phönix zu den nachverzeichneten Summen abgeschlossen worden. Naturforschende Gesellschaft 181040 M (66,3 °/o) Ärztlicher Verein .... 35000 „ (12,8 °/o) Geographischer Verein . . 9000 „ (3,3 °/o) Physikalischer Verein . . . 18000 „ (6,6 o/o) Medizinisches Institut . , . 30000 „ (11,0 °/o) 273040 M. (100 o/o) Dem Wert nach berechnet, wäre also die Naturforschende Gesellschaft zu ^/s Besitzerin unserer Bibliothek. — Am 1. Januar 1897 trat Herr Ph. Thorn, der bereits zwei Jahre auf der hiesigen Stadtbibliothek thätig war, als bibliothekarisch ge- schulter Hilfsarbeiter in unsere Bibliothek ein, um ihr seine ganze Arbeitskraft (34 Stunden wöchentlich) zu widmen. Jetzt konnten auch die noch restierenden drei Forderungen Dr. Ziegler's erfüllt werden : Erweiterung der Bibliothekstunden, Ordnung der Dublettenfrage und Feststellung der Lücken in unserer Bibliothek. Außerdem mußte die inzwischen von der Naturforschenden Gesellschaft angekaufte wertvolle C. Vogt- sche Bibliothek eingereiht werden (siehe weiter unten). Alle diese Arbeiten sind zur Zeit vollendet oder doch nahezu voll- endet. Bis zu Anfang des Jahres 1897 fielen die Bibliothek- stunden auf 10 — 1 Uhr vormittags, ferner Montag und Donnerstag nachmittags 3 — 5 Uhr im Sommer, 2\'2 — 4 Uhr im Winter. Für viele Mitglieder, besonders die Ärzte, waren, da sie zu dieser Zeit in ihrem Beruf beschäftigt waren, diese Bibliothekstunden kaum benutzbar. Es mußte eine Einrichtung von Lesestunden in der Abendzeit ermöglicht werden ; dazu gehörte aber not- wendig die Einführung der elektrischen Beleuchtung in unsere Bibliothekräume. Mit größter Liberalität ist die Dr. Senckeu- bergische Stiftungsadministration auch hierauf eingegangen. Das Lesezimmer ist seit 1. März 1897 außer von 10 — 1 Uhr vor- mittags auch abends 6—8 Uhr — Samstag ausgenommen — geöffnet. Das Bücherausleihgeschäft bleibt auf die Vormittags- — CXXXI — stunden beschränkt (vergl, Bibliothekordnung vom 1. März 1897). Zur leichteren Benutzung der in unserem Lesezimmer aufliegenden Zeitschriften wurde im Jaiire 1892 ein Verzeichnis derselben mit Angabe der Gefachnummer, wo die betr. Zeitschrift in den zwei Repositorien des Lesezimmers liegt, gedruckt. Dieses Verzeichnis ist zur Zeit bereits vollkommen veraltet. Ein Neu- druck ist bei den ständigen Veränderungen der aufliegenden Zeitschriften nicht zu empfehlen. Die gemeinsame Bibliothek- kommission, jetzt einfach Senckenbergische Bibliothekkommission genannt (siehe deren 15. Sitzung am 8. März 1899), empfiehlt daher den einzelnen Vereinen, ein Verzeichnis der ihrerseits im Lesezimmer aufgelegten Zeitschriften in ihren alljährlich er- scheinenden Berichten, wie es von der Naturforschenden Gesell- schaft schon lange geschieht, abdrucken zu lassen. Im Lese- zimmmer selbst ist ein geschriebenes Verzeichnis aller aufliegenden Zeitschriften zur Benutzung vorhanden. Zwecks Lösung der Dublettenfrage hatte die am 15. Ok- tober 1891 stattgehabte dritte und letzte Sitzimg der zur Beratung der Dr. Ziegler'schen Vorschläge niedergesetzten Kommission die folgenden vier Leitsätze aufgestellt: 1. Sorgfältige Vergleichung der Dubletten mit den Be- ständen der Bibliothek. 2. Ersuchen an die einzelnen Vereine, sich nochmals die Dubletten anzusehen zur etwaigen Verwertung. 3. Einholen von Augeboten zweier Antiquare auf die über- schüssigen Dubletten. 4. Anfrage an die gelehrten Gesellschaften, mit denen Tauschverkehr stattfindet, ob sie von ihren unter den Dubletten befindlichen Schriften Gebrauch machen könnten. Nachdem die Forderungen 1 — 3 erfüllt worden sind, bleiben noch die Antworten der Gesellschaften, mit denen ein Tausch- verkehr stattfindet, abzuwarten übrig. Was dann von Dubletten noch vorhanden ist. muß verkauft werden. — Was die Lücken- frage betrilft, so sind bereits alle Lücken der fortlaufenden Zeitschriften festgestellt und den einzelnen Vereinen das Ver- zeichnis der auf ihren Besitzstand fallenden Lücken mit der Bitte zugestellt worden, ihr Möglichstes zur Beseitigung der- selben zu thuu. Es ist klar, daß eine solche Komplettierung teuer und schwierig ist und langer Zeit bedürfen wird, doch 9* — CXXXII — hoffen wir auch damit nach und nach zu einem erwünschten Ziele zu gelangen. Zum Schlüsse komme ich nun nochmals auf jenen im Jahre 1854 von der Naturforschenden Gesellschaft bei der Administration gestellten Antrag zurück: Einleitung von Verhandlungen mit den städtischen Behörden über die Vereinigung des naturge- schichtlichen Teiles der Stadtbibliothek mit der Vereinten Sencken- bergischen Bibliothek. Die Administration mußte sich damals wegen mangelnder Ordnung des vorhandenen Bibliothekbestandes und wegen Platzmangel ablehnend vei'halten (siehe oben). Der betreffende Antrag ist jetzt nach 45 Jahren seiner Ausführung nahegetreten und zwar auf folgende Weise. Im Jahre 1890 gelangte von den beiden Bibliothekaren Dr. Stricker und Dr, Schwenck das nachfolgende Schreiben an die Administration : „Durch die bedeutende jährliche Zunahme der vereinigten Sencken- bergischen Bibliothek tritt die Platzfrage neuerdings in den Vordergrund. Zur Abhilfe der Überfüllung beehrt sich das unterzeichnete Bibliothekariat folgende Vorschläge zu macheu: 1. Schaffung neuer Büchergestelle u. s. f. 2. Erleichterung der vorhandenen Büchergestelle durch Verkauf platzraubender, allerdings sehr wertvoller aber mit den Zwecken der Bibliothek in keiner Verbindung stehender philologischer Werke." Sollte dieser Wunsch der Bibliothekare erfüllt werden, so mußten vor allen Dingen die betr. Werke nicht naturwissenschaftlichen und nicht medizinischen Inhaltes ausgesondert und katalogisiert werden. Die Administration beschloß, mit der Stadtbibliothek wegen Übernahme dieser Werke oder eines Austausches gegen dort befindliche Werke naturwissenschaftlichen oder medizi- nischen Inhaltes in Verhandlung zu treten. Erst im Jahre 1894 kam es wirklich zur Ordnung der betr. nicht in unsere Bib- liothek passenden Werke. Es fanden sich ungefähr 1800 Bände solcher Werke vor, alle dem medizinischen Institute gehörig. Davon wählte zunächst die Stadtbibliothek als für sie ge- eignet etwa 150 Bände aus — sie befinden sich bereits auf der Stadtbibliothek — ; die übrigen, etwa 1650 Bände, wurden für 4000 M verkauft und diese 4000 M als neuer Bücherkonto dem alten Reichard'schen Bücherkonto (siehe oben) beigefügt, um auch aus seinen Zinsen neue Bücher für unsere Bibliothek anzuschaffen. Im Jahre 1896 wurde eine Anzahl kunstge- — CXXXIII — schichtlich bemerkenswerter Vorsätze und Büchereinbände durch Vermittlung der beiden Mitglieder der Administration, Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Moritz Schmidt und Herrn Dr. Rodiger, au das historische Museum dahier abgetreten. Somit war nach mehr als 100 Jahren (1786 erste Büchei'reiuigung unserer Bibliothek, siehe oben) die zweite Bücherreinigung unserer Bibliothek eingetreten. Sie sowohl wie die 1896 stattgehabte Verlegung der großen raumeinnehmenden Treppen in unseren Bibliothekräumen schafften zunächst wieder auf einige Zeit Platz für die jährlich zufließenden neuen Bücherbestände. Einen solchen bedeutsamen Zufluß erhielt unsere Bibliothek im Jahre 1896 durch die Einverleibung der von der Sencken- bergischen naturforschenden Gesellschaft mit Hilfe wohlwollender Gönner erworbeneu wertvollen Carl Vogt'schen Bibliothek. Unser Tauschgeschäft mit der Stadtbibliothek befindet sich zur Zeit in dem Stadium der Abschätzung des Wertes unserer ungefähr 150 Bände gegenüber dem Werte derjenigen Werke natur- wissenschaftlichen, resp. medizinischen Inhaltes, die die Stadtbibliothek in Tausch an uns abzugeben gedenkt und die unsere Bibliothekare als bei uns fehlend aus dem jenseitigen Bestände ausgesucht haben. Ohne Einwilligung unsei'er städtischen Behörden kann das ganze Tauschgeschäft natürlich nicht zu Stande kommen. Sicherlich kann diese Einwilligung aber überhaupt nur dann stattfinden, wenn die von der Stadt- bibliothek an uns abgelieferten Werke damit nicht ganz der Allgemeinbenutzung der hiesigen Bürgerschaft entzogen werden. Demgemäß hat die jetzt sogenannte Senckeubergische Bibliothek- kommission, nachdem sie bereits in ihrer Sitzung vom T.Dezember 1898 der bis dahin gültigen Bibliothekordnung vom 1. März 1897 die Worte „sowie andere Personen" eingefügt hatte, in ihrer letzten Sitzung vom 8. März 1899 beschlossen, der Stadt- bibliothek nach Abschluß unseres Tauschgeschäftes das Recht zu verleihen, gegen Bürgschein Bücher aus unserer Bibliothek zu entleihen, wogegen unserer Bibliothek das gleiche Recht der Stadtbibliothek gegenüber eingeräumt wird. Damit tritt unsere Bibliothek zugleich in die Reihe aller größereu Bibliotheken und Archive ein, die gegenseitig gegen Bürgschein Bücher leih- weise austauschen. Hoffentlich findet die unserseits gezeigte Liberalität das gleiche Entgegenkommen von der anderen Seite, — CXXXIV — so daß unser Tauschgeschäft zum bahligen Absclilnß kommt. Allzu engherzig denen die Benutzung unserer Bibliothek zu ver- schließen , die nach naturwissenschaftlicher Kenntnis verlangen, paßt nicht mehr zum Geiste unserer Zeit, die mit Recht nach all- seitiger Ausbreitung von Bildung strebt. Hier in Frankfuit ist das Senckenbergianum der Zentralpunkt für die Pflege aller Zweige der Naturwissenschaften. Ihm liegt daher auch die Pflicht ob, denen, die hier Bildung suchen, jede mögliche Er- leichterung zu gewähren, und dies umsomehr, als alle im Sencken- bergianum gemeinsam arbeitenden Vereine in ihrem ganzen Bestand auf das Wohlwollen unserer Bürgerschaft angewiesen sind. Verschließen wir ihnen daher auch nicht die wissen- schaftlichen Schätze unserer Bibliothek, soweit der Besitzstand dadurch in keinerlei Gefahr gesetzt wird! 0. Nekrolog. Elisabeth Schultz.*) Zu dem in den neunziger Jahren stark zusammenge- schmolzenen Häuflein derjenigen Frankfurter Persönlichkeiten, die kurz vor der Wende des Jahrhunderts noch mit klarem Geiste auf ihr künstlerisches oder litterarisches Wirken zur Zeit der alten freien Reichsstadt zurückzublicken vermochten, ge- hörte auch die am 26. September 1898 im 82. Lebensjahre dahier verstorbene Blumenmalerin Elisabeth Johanna Friede- ricke Schultz. Geboren am 12. Mai 1817 als Tochter des angesehenen und damals sehr vermögenden Weinhändlers Karl Heinrich Schultz und dessen Gattin Katharina Elisabeth, geb. Seh üb art umgaben sie beim Eintritt in die Welt die denkbar günstigsten Verhältnisse. Ungefähr die ersten acht Lebensjahre verflossen denn auch für Elisabeth unter glücklichen Umständen und ohne jegliche Trübung. Die Erinnerung an jene Zeit lebte unauslöschlich in ihrer Erinnerung fort und erfüllte selbst noch manche stille Stunde der Greisin mit heiteren Bildern. *) Der beigegebene Lichtdruck ist nach dem in meinem Besitze be- findlichen, 1880 von Marie Schultz dahier gemalten Ölbilde hergestellt. E. Mentzel. — CXXXY — Damals wohnte die Familie an der schönen Aussicht am Main. Wertvolle Gemälde, meistens von älteren Meistern, füllten mehrere große Räume des vornehmen Hauses. Der Vater Elisabeths, ein Mann von klassischer Bildung und warmer Begeisterung für die Kunst, legte sich diese Gallerie an, sobald er zu Vermögen gekommen war. Er entstammte einer hochangesehenen und bedeutenden Theologenfamilie in Speier, deren Mitglieder fast sämtlich künstlerische Neigungen besaßen. Ehe Karl Heinrich Schultz nach Frankfurt kam, hatte er bereits große Reisen gemacht und überall die Gelegenheit benutzt, durch den Besuch der Gemäldegallerien sein Kunst- verständnis zu läutern und zu vertiefen. Vom Vater also erbte Elisabeth Schultz die große Vorliebe und die Begabung für die Malerei, während von der Mutter das rege Naturgefülil und ein bedeutendes Sprachtalent auf sie überging. An die Mutter ver- mochte selbst die Greisin nicht ohne tiefe Bewegung zurück- zudenken. Stets war sie erfüllt von deren trefflichen Eigenschaften und geistiger Bedeutung, von der würdevollen Sicherheit, mit der die einst verwöhnte und gefeierte Tochter einer reichen Familie später den harten Wandel des Schicksals ertrug. Jedoch nicht allein Elisabeth und ihre älteren Schwestern Marie (geb. 1804) und Emilie (geb. 1805) hielten die Mutter für eine ungewöhn- liche Frau, Verwandte und Freunde teilten diese Ansicht und betrachteten es gleichfalls als ein schweres Geschick, daß die Geschwister die Mutter bereits in ihrem 48. Lebensjahre verloren. Schon sehr früh offenbarte sich Elisabeths Neigung für die Blumen. Wie sie oft erzählte, war sie kaum sechs Jahre alt, als sie bereits die Namen der meisten Feldblumen kannte, auf die Eigenart der verschiedenen Bäume genau achtete und nament- lich den mannigfaltigen Blattformen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Auch die Vogelstimmen lernte Elisabeth schon in der frühesten Kindheit unterscheiden. Worüber ihr die Mutter auf den oft sehr weiten Spaziergängen keine Auskunft geben konnte, das beantwortete deren ältere Freundin, Fräulein Am alle Mosche, Tochter des Frankfurter Pfarrers und Seniors Mosche. Diese war eine große Kennerin der Blumen, Vögel und Insekten und erzählte dem aufgeweckten Kinde auch oft von der be- — CXXXVI — rühmten Frankfurter Malerin und Naturforscherin Marie Sibjile Merian. Ebenso zeitig wie Elisabeths Natursinn traten deren große Anlagen zum Zeichnen hervor. Schon in der Katharinenschule bekundete sie nach den frühesten Versuchen auf der Tafel eine solche Geschicklichkeit im Zeichnen, daß die Lehrerin ihr erstes Heft als Musterbuch für die anderen Kinder behielt. Diese Anerkennung machte aber die Kleiue keineswegs stolz. Im Gegenteil, sie trennte sich nur unter „heimlichem Weh" von dem Hefte, dessen Blätter die Zeugen großer Freuden für sie gewesen waren. Auszeichnungen machten auf Elisabeth überhaupt keinen Eindruck, sie hätte „stets verschwinden mögen", wenn man sie lobte. Und diese Empfindungen haben in der gereiften Künstlerin keine Wandlung erfahren. Stets vermied sie jegliches Hervor- treten der eignen Persönlichkeit, zog sie sich bescheiden zurück, sobald sie merkte, daß ihr eine Anerkennung zugedacht war. Ihr höchster Lohn war und blieb zu allen Zeiten die Freude an der künstlerischen Arbeit selbst. Gerade diese von aller Eitelkeit freie, nicht nach Erfolgen trachtende Grundstimmung ihres Wesens ließ sie auch, kaum achtzehnjährig, einen Plan fassen, zu dessen Ausführung jahrelange Mühen, nie rastender Fleiß, Mut und Opferwilligkeit durchaus erforderlich waren. Sie beschloß nämlich, sämtliche in der Umgebung Frank- furts wildwachsenden Pflanzen, mit Ausnahme der Flechten und Pilze, zu malen. Gegen das Ende der zwanziger Jahre hin veränderte sich die Lage der Familie Schultz völlig infolge tiefeingreifender Verluste und ungünstiger Geschäftsaussichten. Elisabeth war noch nicht zwölf Jahre alt, als sie bereits klar erkannte, daß sie sich später den Weg mit eigner Kraft durchs Leben bahnen müsse. Während die älteren Schwestern Marie und Emilie, die beide eine vorzügliche Ausbildung genossen, Stellen als Erziehe- rinnen annahmen, besuchte Elisabeth von 1829 bis 1835 das ßerchtsche Institut, damals die erste Bildungsanstalt für junge Mädchen in Frankfurt. Hier blieb sie bis zum Frühling 1835, um sich darauf für etwa zwei Jahre in dem berühmten Institute der Madame Niederer in Genf hauptsächlich in der französischen Sprache auszubilden. — CXXXVII — Gleich nach der Konfirmation begann Elisabeth Schultz, kaum vierzehnjährig, neben eignen Studien die jüngsten Schüler- innen des Institutes Bercht zu unterrichten. Namentlich leitete sie den ersten Zeichenunterricht der Kleinen. Nach brieflichen Äußerungen der Mutter aus jener Zeit besaß sie hierfür, wie „überhaupt für alles, so schöne Anlagen", daß sie mit ihren Leistungen bald das Schulgeld berichtigen konnte. So lange Elisabeth im Berchtschen Institute weilte, zollten Lehrer und Lehrerinnen stets ihren reichen Gaben, sowie ihrem bescheidenen Verhalten volles Lob. Ja, im Jahre 1833 stand sogar nach Mitteilungen der Mutter an die Schwester Emilie im Zeugnis unter der Rubrik sittliches Betragen : „Allgemeine Liebe und Anerkennung." Einmal freilich, bald nach ihrem Eintritt ins Berchtsche Institut, schien der gute Glaube an Elisabeth ins Wanken zu geraten. Es war, als sie sich entschieden weigerte, noch länger die zu jener Zeit als Vorlagen benutzten stilisierten Blumen- bilder nachzuzeichnen. Schon früh an die genaue Betrachtung von Blättern und Blüten gewöhnt, stießen sie die gekünstelten Sträuße und Blumenkörbe ab, und sie verlangte entschieden nach der Natur zu zeichnen, obwohl sie in die dazu berechtigende Klasse noch nicht eingetreten war. Die zweite Zeichenlehrerin drohte höchst entrüstet mit strenger Strafe, allein das junge Mädchen ließ sich nicht irre machen. Jene eigentümliche Zähigkeit im Durchsetzen des einmal Vorgenommenen, welche die Begleiterin der späteren Künstlerin durchs ganze Leben blieb und sie, die sonst allzeit Gütige, Milde und Rücksichtsvolle sogar dann und wann einmal eigenwillig und starr erscheinen ließ, war also auch schon in der Jugend ein Charakterzug ihres Wesens. Auf die Fürsprache der Malerin und ersten Zeichenlehrerin des Berchtschen Institutes, Frau M, Rein heimer, setzte es Elisabeth Schultz aber durch, nicht nur Blumen, sondern alsbald auch Köpfe und Anderes nach der Natur zeichnen zu dürfen. Schnell machte sie ganz ungewöhnliche Fortschritte, sodaß man sie vor der Abreise in die Schweiz, wie sie bescheiden selbst meinte, „sowohl in ihren Anlagen als Leistungen bedeutend überschätzte". Je älter Elisabeth wurde, desto mehr fesselten sie die — CXXXVIII — Tiere, in erster Linie Pferde, Kühe und Schafe. Stundenlang konnte sie auf einem Plätzchen sitzen, um eine Herde zu be- obachten, oder den Bewegungen eines einzelnen Tieres zu folgen. Jedoch mit dieser großen Vorliebe paarte sich nicht die kühne, jegliches Hindernis besiegende, eiserne Entschlossenheit einer Rosa Bouheur. Elisabeth Schultz war viel zu weiblich ver- anlagt, um mutig und ohne Scheu all die Wege betreten zu können, die der Künstler einschlagen muß, falls er anders das Tierleben genau kennen lernen und getreu wiedergeben will. So kam ihre malerische Vorliebe für die Tiere gar nicht zu weiterer Entwicklung, während sich die Hinneigung zu den Blumen durch eifrig betriebene naturwissenschaftliche, haupt- sächlich botanische Studien und häufige Ausflüge mehr und mehr vertiefte. Obwohl Elisabeths eigentliche Aufgabe in der Schweiz das Erlernen der französischen Sprache war, so vernachlässigte sie doch keineswegs darüber ihre künstlerischen und naturwissen- schaftlichen Bestrebungen. Sie malte sehr fleißig und versuchte auf verschiedenen größeren und kleineren Ausflügen die Alpen- flora genau kennen zu lernen, für die sie ihr langes Leben hindurch das wärmste Interesse bewahrte. Nichts erfreute sie mehr, als wenn ihr Freunde von einer Schweizerreise eine Alpen- pflanze, und sei es auch nur das kleinste Moos gewiesen, mit- brachten. Der französischen Sprache vollkommen mächtig, kehrte Elisabeth im Herbste 1836 wieder nach Frankfurt zurück. Sie gab aufs neue Unterricht im Berchtschen Institute und ver- suchte noch etwas mit Privatstunden nebenher zu verdienen. Im Jahre 1837 starb der Vater, Karl Heinrich Schultz. Nach Verlust seines Vermögens und der gänzlich fehlgeschlagenen Hoffnung, seine Gallerie gut zu verkaufen, war er städtischer Beamter geworden, freilich mit ziemlich mäßigem Gehalte. Der Tod des in den letzten Lebensjahren schwer leidenden Vaters und andere schmerzliche Erlebnisse erschütterten tief die durch die innigste Liebe verbundenen Schwestern. Damals empfanden sie bitter ihre Abhängigkeit von Anderen, „überflel sie wahrhaft die Sehnsucht nach einem eignen Heim-*. Um so stärker wurde dies Verlangen, weil Elisabeth damals so leidend war, daß man für ihr Leben bangte. — CXXXIX -^ Bevor sich die Geschwister wieder trennten, faßten sie dann in einer schweren Stunde den Entschluß, ihre baldige Vereinigung selbst mit den geringsten Mitteln anzustreben. Allein fast noch drei Jahre vergingen, ehe sie nach erneuten Kämpfen, Bitternissen und Sorgen aller Art endlich 1843 ihr gemeinsames Heim in der Neuen Rothofstraße 15 aufrichten konnten. Inzwischen bildete sich Elisabeth noch weiter bei dem hochangesehenen Zeichenlehrer Hoff aus, der selbst in Italien studiert hatte. Dann wurde sie mehrere Jahre die Schülerin des Landschaftsmalers Theodor Hut, dessen Unterricht sie hauptsächlich im Ölmalen förderte. Da zu jener Zeit die meisten künstlerischen Lehranstalten, das Städelsche Kunstinstitut miteinbegriffen, den Frauen noch nicht erschlossen waren, hatte die Einzelne viel größere Schwierigkeiten bei ihrer Ausbildung zu überwinden, als heut- zutage. Grerne wäre Frl. Schultz zum Zweck des Studiums noch einmal nach auswärts gegangen, allein die Verhältnisse gaben dies nicht zu. Anfangs mehr in Öl malend, wandte sie sich bald ganz der Gouache-Malerei zu, weil diese ihr für die Wieder- gabe der weichen Blumenfarben am geeignetsten erschien. In der Gouache-Technik wurde ihr das eifrige, unermüdliche Streben zum besten Förderer. Ende der dreißiger Jahre gab Frau Reinheiraer ihre erste Stelle als Mal- und Zeichenlehi'erin am Berchtschen In- stitute auf, und Elisabeth Schultz übernahm dieselbe bis zur Auflösung dieser Lehranstalt in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. Im Laufe der Zeit wirkte sie dann noch in verschiedenen Instituten als Lehrerin, bis sie ihre Hauptthätigkeit auf Mal- kurse im eigenen Hause erstreckte. Während eines Zeitraums von etwa vierzig Jahren wurden diese Kurse von vielen Töchtern besserer Frankfurter Familien besucht. Elisabeth Schultz war bereits über die Siebzig hinaus, als sie sich endlich aus Gesundheitsrücksichten entschloß, allen Unterricht aufzugeben. Etwa siebenundsiebzig Jahre alt, malte sie die letzten Blumeubilder der so frühe begonnenen Frankfurter Flora. In dieser Sammlung hat sie, wie geplant, alle wild wachsenden Pflanzen der Heimat — nahezu 1300 an der Zahl — in Gouache- — CXL — färben und z. T. natürlicher Größe mit seltener Innigkeit und künstlerischer Treue dargestellt. Durch letztwillige Verfügung vermachte Elisabeth Schultz ihr Lebenswerk, woran sie nahezu sechzig Jahre gearbeitet, der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft mit der Bitte, es zuweilen durch Ausstellung dem hiesigen Publikum zugänglich zu machen. Beim Malen der Flora wurde Elisabeth Schultz von An- fang an eifrig durch hiesige Botaniker unterstützt, die ihr von ihren Exkursionen entweder Pflanzen mitbrachten oder sie auf deren Standort aufmerksam machten. In Gemeinschaft mit der Schwester Emilie durchwanderte sie die Umgebung Frankfurts bis weit in den Taunus hinein, um sich die meisten Pflanzen selbst zu suchen und deren Lebensbedingungen genau kennen zu lernen. Gar manches Blumenbild der Flora hat die Künst- lerin mehrmals gemalt. Sobald ein besseres Exemplar der Art gefunden wurde, beseitigte sie die früheren Darstellungen, um eine vollendetere Wiedergabe der betreffenden Pflanze au deren Stelle zu rücken. Besondere Schwierigkeiten bereiteten ihr das Auffinden einiger seltenen Orchideen. Die Schwester Emilie, gleichfalls eine tüchtige Botanikerin, begleitete sie immer wieder an die oft entlegensten Strecken und scheute keine Mühe, um ihr zur endlichen Entdeckung dieser und anderer Pflanzen zu verhelfen. Dankbar und meist in tiefer Rührung gedachte die Greisin oft des treuen Beistandes, den ihr die Schwester beim Schaffen der Flora geleistet. Gar manchmal äußerte sie: „Ohne Emilie, die keinen einsamen Weg, kein Waldesdickicht, keinen ent- legenen Grund fürchtete, sondern immer mutig mit mir aufs Ziel losging, wäre ich nie so weit gekommen." So waren für Elisabeth die Blumenbilder in späteren Jahren nicht nur Bestandteile ihres Werkes, sondern auch Zeugen ihrer liebsten Erinnerungen. So oft sie im Alter eine Ausfahrt unternahm, fielen ihr die einst meist in früher Morgen- stunde unternommenen Wanderungen wieder ein, verklärte sich das Gesicht der Greisin, sobald sie die Stätten glücklicher Funde nur von ferne sah oder durch sonst einen Anlaß in die alte Zeit zurückversetzt wurde. Das Verhältnis der drei Schwestern zu einander war das denkbar innigste. Jede von ihnen hatte ihre Aufgabe und — CXLI — steuerte zur Erhaltung des Hauswesens bei. Emilie stand einem Geschäfte vor, Marie, durch ein jahrelanges Augenleiden vom Ergreifen eines eignen Berufes abgehalten, versah den Haushalt^, der sich mit den Jahren durch angenommene Pensionäre be- deutend vergrößerte. Marie und Emilie, obwohl selbst vielseitig begabt, erkannten schon frühe das geistige Übergewicht und die künstlerische Veranlagung der jüngeren Schwester neidlos an und waren glücklich, wenn dies auch von anderer Seite geschah. Als die noch nicht ganz vollendete Flora vor etwa zwanzig Jahren zum erstenmale ausgestellt und allgemein anerkannt wurde, feierten Marie und Emilie Schultz wahre Triumphe. Die erste Ausstellung der Flora und die ungemein bei- fällige Aufnahme zweier Gemälde von Elisabeth Schultz „die geschmückte Garbe" und „die schwimmende Rose", welche letz- tere vervielfältigt wurde und in manchen Altfrankfurter Familien zu finden ist, bildeten den Höhepunkt in dem arbeitsreichen Leben des Schwesternkleeblattes. Bald darauf befiel Emilie ein schweres Leiden, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte. Sie starb und Marie folgte ihr 1892 im 88. Lebensjahre. Obwohl Elisabeth den Verlust der Schwestern nie über- wand und schwer an ihrer Einsamkeit trug, so gab sie ihrem Schmerze doch nicht nach, suchte sich vielmehr mit der ihr eignen Willensstärke durch geistige Zerstreuung über denselben zu er- heben. Sie las neuere litterarische und wissenschaftliche Werke, nahm „den einzigen Goethe" dann und wann einmal wieder vor und verfolgte mit jugendlichem Eifer wichtige botanische Publikationen und gärtnerische Erfolge der Neuzeit. Und wie in ihren besten Jahren, so suchte sie sich auch im hohen Alter über alle politischen Verhältnisse des In- und Auslandes genau zu unterrichten. Als gute Frankfurterin im Jahre 1866 durch den Wandel der Dinge tief bekümmert, söhnte sie sich seit der Gründung des Reiches doch allmählich mit den neuen Zuständen aus. Eine große Verehrung empfand sie für Kaiser Friedrich, der ihr in jeder Weise als das Ideal edelster Männlichkeit erschien. Bald nach dem Tode der Schwestern verlor Elisabeth Schultz auch verschiedene ihr nahestehende Altersgenossinnen. Nur einige Jugendfreunde, ein paar für sehr wertvoll gehaltene Bilder, die aus der Galerie des Vaters stammten, erinnerten noch an \ — CXLII — die alte Zeit. Verschiedentlich konnten die Schwestern diese Gemälde, darunter einen sogenannten Rubens, „Die heilige Familie mit dem Papagei", sehr gut verkaufen. Allein an immer wieder- kehrenden Zwischenfällen und an einer gewissen Hartnäckigkeit der Eigentümerinnen scheiterte stets die Abgabe der Bilder, die mit einem Schlage die Lage der Schwestern hätte bedeutend verbessern können, statt dessen aber diesen durch ihr Nichtzu- standekommen eine Reihe endloser Kämpfe, Sorgen und Opfer auferlegte. Vor einigen Jahren konnte Elisabeth Schultz noch den Rubens für 10000 Mark verkaufen, sie wollte aber nun den so lange gehüteten Schatz der geliebten Vaterstadt hinterlassen. Glück- licherweise ahnte sie bei dieser pietätvollen Handlung nicht, daß bewährte Kunstkenner dem Rubens und einer sogenannten Venus von Titian die Echtheit absprachen und sämtliche der Stadt vermachten Gemälde sehr gering bewerteten. Nach manchen schmerzlichen Erlebnissen während der letzten Lebensjahre fiel auf den achtzigsten Geburtstag der Künstlerin einmal wieder voller Sonnenschein. Von allen Seiten brachte man ihr die wärmsten Liebesbeweise und sinnigsten Huldigungen dar. Dazu kam eine Auszeichnung an die sie, die allzeit Be- scheidene, wohl niemals für sich gedacht hätte. Sie wurde zum außerordentlichen Ehrenmitgliede der Sencken- bergischen naturforschenden Gesellschaft ernannt, eine Ehre, die keine andere deutsche Frau mit ihr teilte. Als ein unverdientes Geschenk Gottes nahm sie diese Aus- zeichnung hin, im Stillen glücklich darüber, durch das Vermächt- nis ihres Lebenswerkes dafür danken zu können. Denn die Dankbarkeit gegen alles Gute, das ihr jemals erwiesen wurde, bildete einen der schönsten Züge ihres ganz auf das Ideale ge- richteten Wesens. Sie vergaß nie den geringsten Liebesbeweis, ebenso schwer vermochte sie es aber auch, unverdiente Krän- kungen zu verschmerzen. War ihr Glaube an Menschen einmal ernstlich erschüttert, so brachte sie es kaum fertig, äußerliche Beziehungen zu diesen zu unterhalten, innerlich kam sie ihnen nie mehr nahe. Desto fester hielt sie zu erprobten Freunden. Li dem Verhältnis zu solchen und zu Schülerinnen, die ihr ans Herz gewachsen waren, kamen die edelsten Seiten ihres AVesens zum Vorschein, bewährte sich ihre Treue wirklich bis über das — CXLIII — Grab hinaus. Da sich mit Elisabeths idealen Zügen auch prak- tisches Können und ein großer Scharfblick für Menschen und Dinge vereinten, machte sie stets einen in sich gefestigten Ein- druck, frei von jenen seltsamen Anhängseln, die so oft geistig und künstlerisch hochveranlagte Frauen einseitig und unharmo- nisch erscheinen lassen. Elisabeth Schultz hat manch schönes Stilleben geschaffen, allein nicht im komponierten Blumenbilde, sondern in der ge- treuen Wiedergabe der Pflanzen selbst offenbart sie ihre höchste Kunst. „Son genre est petit, mais eile est graude dans son genre" kann man auch von ihr sagen und Goethes Wort noch anfügen: „Das echte Talent kehrt in der Kunst stets wieder zur Natur zurück." E. Mentzel. Wissenschaftliche Abhandlungen. GeogTapliisclie Studien über das nordwestpfälzisclie Lautertlial. Ein Beitrag zur Heimatkunde der Pfalz. Von Dr. Franz Bayberger. 31 it 19 Textflgnren. Einleitung'. Thäler sind Furchen im Antlitz der Erde. Was die Ge- birge im positiven Sinne darstellen, sind sie in negativer Art. So scheinen beide äußerliche Beziehung zu haben, und doch ist ihre Entstehungsgeschichte eine grundverschiedene. Die Gebirge sind besonders das Produkt der aufbauenden, die Thäler größten- teils der zerstörenden Kräfte. Während die Gebirge Wasser und Völker scheiden, Klimate und Pflanzen trennen, sind die Thäler die Länder verknüpfenden Straßen. „Sie sind die normalen Wege der wandernden Mensch- heit; in einem von Urwald bedeckten, von Sümpfen durch- schnitteneu Lande bilden sie in sich, in ihren Ufern den sichersten Pfad." ') Die Frage nach der Entstehung der Thäler scheint daher würdig des tiefsten Interesses; denn Thalbilduugen, die breiten und tiefen Furchen an der Oberfläche der Erde, haben den Ent- wickelungsgang und die räumliche Ausbreitung der menschlichen Gesittung in so hohem Maße begünstigt, daß sie wohl dazu einladen können, den Naturkräften nachzuspüren, welchen wir die Schöpfung und Entstehung von Thälern verdanken. Eine ganz bescheidene Stelle unter den großen Thalungen der Erde nimmt nun unser Lauterthälchen ein ; aber wir werden bald hören, daß es seine eigenen Reize, seine eigenen Rätsel hat. ') Kirchhoff, Anleitung zur deutschen Landes- und Volkskimde: Will. Marshall, Tierverbreitang. S. 262. .^-'■ f 1 — 4 — Beschreibung. Der Ursprung der Lauter ist unscheinbar. Auf einem niederen Höhenzuge entquillt eine kräftige Ader reinsten, klaren Wassers, die bald Zuzug aus seitlichen Quellen zur raschen Bildung eines stattlichen Flüßchens erhält. Das überaus helle Wasser der Lauter ist keineswegs eine Eigenart derselben, sondern alle Flüßchen, die im ßuntsandstein entspringen, zeich- nen sich durch eine Reinheit aus, wie sie in andern Gesteius- gebieten nicht leicht sich wieder finden dürfte. Sie enthalten durchschnittlich nicht mehr als 0,036 — 0.04 Gramm feste Be- standteile in 1 Liter Wasser.^) Die unverhältnismäßig starke Lauterquelle ist wieder keine Erscheinung für sich, sondern sehr vielen Quellen des Bunt- sandsteingebietes eigen. Da die Zahl der Quellen im Buntsandstein meist verhältnis- mäßig gering ist, so müssen die einzelnen in ihrem Einzugs- gebiete um so stärker, die Quelle im gleichen Maße um so wasserreicher sein : ich erinnere hier beispielsweise an die wunderbare Quelle von Speierbrunn. Das verursacht besonders auch die große Porosität des Gesteins , durch welches das meteorologische Wasser rasch einsickert, so daß auch nach heftigen Regengüssen der Boden schon in kurzer Zeit wieder trocken ist. Infolge schwachen Gefälles zieht die Lauter langsam ihren Weg, und ein Blick in das helle Wasser läßt sofort erkennen, daß Geröllbildung vollkommen fehlt. Es ist zunächst Quellsand, der sich aufhäuft, und der rote Sandstein hat auch sonst nur in geringem Grade die Eigenschaft, Rollsteine zu bilden, er löst sich am liebsten in Sand auf. Dieses Sandmaterial entstammt den Ufern des Thaies und dem Bette der Lauter, die im roten, im Buntsandstein dahintiießt. Aber bald unterhalb der Quelle wird auf eine kurze Strecke die Lauter von einem Ufer begleitet, das stark mit Lehm und Löß besetzt ist, und von wo herab bei starken Gewittern, vom Blutacker und Rittersberg herunter, schlammige, gelbe Fluten treiben. Dann ist weiter abwärts das Ufer zu beiden Seiten wieder aus ßuntsandstein gebildet. Der vermag gegenüber den ') V. Gümbel. Geologie von Bayern. 2. Tl. S. 651. Einflüssen von Wind und Wetter wenig Widerstand zu leisten, er zerfällt, bröckelt ab, und es fehlen daher dem Thale bei Kaiserslautern die Steilufer, es hat schon längst den alternden Zug der Muldenform angenommen. Mit der plötzlichen Nordwestrichtung verengt sich aber das Thal, rechts und links steigen etwas höhere Ufer empor, und die oberhalb der Stadt so träge Lauter beginnt lebhafter zu fließen, das Gefälle fängt an, ein größeres zu werden. Die landschaftlich schönste Thalbilduug beginnt aber erst mit dem Eintritt der Lauter in das Rotliegende, besonders in das Karbon und den Melaphyr bei Wolf stein ; da steigen die Ufer mächtig empor und bedeutende Höhen, oft mit den schönsten Euinen gekrönt, schauen herab in das Thal. Die Breite des Thaies bei Kaiserslautern scheint zu dem schmalen Flüßchen, das es durchzieht, in keinem Verhältnis zu stehen; denn gegenüber den wenigen Metern Flußbreite dehnt sich eine Thalung aus, die von der Höhe über der Eisenbahn bei Kaiserslautern bis fast zur Höhe der Villa Ritter 2— 3 Kilo- meter hat. Aber auch diese Thalung erscheint noch unbedeutend gegenüber der gewaltigen Mulde, die einstens die ehedem viel größere Lauter mit ihren Seitenflüßchen in sich barg, einer Mulde, die vom Humberg hinüber weit nach dem Norden reichte, wo die höchsten Ufer heute nicht mehr erkennbar sind : einer Thalbreite, die das Auge auf der Höhe des Humberges zwischen Donnersberg und Hardt hindurch verfolgen kann, hinüber zum Tertiärbecken von Mainz, wo diese merkwürdige, geologische Thalung ausmündet. Inwieweit das Lauterthal Beziehungen dazu hat, soll später kurz erörtert werden ; das führt uns aber von selbst in die Geologie unseres Thaleinschnittes. Geologisches. Darüber nur wenige Bemerkungen. Unser Thalstück ober- und unterhalb Kaiserslautern liegt ausschließlicJi im Buntsaudstein. So nennt man eine Meeres- ablagerung der Trias, eine ziemlich mächtige Schichte roten — 6 — Sandsteins, der vorwiegend aus Qiiarzitsand^) besteht, häutig Einspreugungen gut gerollter Kiesel, Quarzite aufweist, die. je weiter man nach dem Süden zum Wasgau kommt, immer grijßer werden, ja sogar eine Mächtigkeit bis zu einem Meter erreichen. Die Dicke dieser häufig intensiv rot gefärbten Sandsteinschichte beträgt durchschnittlich an 400 m und wird in mehrere , (jft schwer zu unterscheidende Schichten gebracht, die sich durch einen großen Mangel an Leitfossilien auszeichnen. Das ist im großen und ganzen das Material, woraus die Hardt gebildet wurde. Die Hardt selbst in ilirer jetzigen Gestalt ist das Erzeug- nis großartiger Umgestaltungen, welche durch Zerspaltuugeu, Hebungen und Ausspülungen in unendlich laugen Zeiträumen aus einer früher tiefer liegenden, flachen und mildgeformten Hügelreihe ein hohes, tief durchfurchtes, wikl zerschnittenes Bergland schufen.^) Gegen Osten fällt sie bekanntermaßen sehr steil ab, und der Rand der Hardt gegen das rheinische Flachland erreicht eine mittlere Höhe von 140 m, jener gegen das westricher Hinter- land dagegen 240 m, so daß letzterer um 100 m hijher und die Grundfläche des Gebirges üstlich tiefer liegt. ^) Die Gebirgsplatte selbst verflacht sich gegen W und S\V, wie es auch dem geologischen Aufbau des Gebirges entspricht: denn die Höhen der Hardt neigen sich gegen die tiefer liegenden Muschelkalkberge der Bliesgegend und des Zweibrückener West- richs, welcher sich deshalb als ein eigenartiger, vom Haupt- hardtgebirge unterschiedener Abschnitt darstellt. Mit sehr ge- ringer Neigung nach SO und S legt sich vom Lauterthal ab bald unterhalb Kaiserslautern das Kotliegende an, dann folgen karbonische und plutonische Gesteine, so daß die gesamte Lauter mit ihren Nebeuflüßchen eine Reihe von Formationen durch- schneidet. Die Ablagerung des roten Sandsteines geschah ziemlich horizontal, wodurch weitverbreitete Hochflächen bedingt wurden, *) Der Bnntsaudstein besteht im großen Ganzen aus i31 "/o Quarz- körnchen von '/.-i nini Durchmesser, aus (5';2"/o kieselig-tlionig-fehlspatiger Feinerde und 2'/2 °/o feinstem Eisenthon. (v. Gümbel, 1. Tl., S. B40). '^) V. Gümbel, Bavaria S. 11. 3j V. Gümbel, Geologie von Bayern. 2 Tl. 8. SDC. 8!)7. — 7 — die fast 'überall horizontal zu verlaufeu scheinen, bei einem größeren Überblick aber deutlich als leise nach Westen ge- neigt sich zeigen. Dabei aber brechen die Tafeln mit Längs- verwerfungen treppenförmig voneinander ab. Und in der That, so viel auch das Gebirge durch Denudation bereits von seiner früheren Anlage verloren hat, wer aus den Thälern heraus auf die Höhen kommt und Umschau hält, erhält heute noch den Eindruck, daß alles einstens eine ziemlich gleichmäßige Ebene war, einen einheitlichen Block bildete, bis die Wasser angefangen haben, ihn zu zersägen, Thäler einzuschneiden und damit auch Höhen zu bilden ; denn vor allem ist es das Wasser, das in der Hardt durch Ausfurchung tiefer Thäler und Herausmodellieren der Höhen den Charakter eines Gebirges entwickelt hat. Nach Penck^) wird es nirgends deutlicher als da, wo die Schichten horizontal liegen, daß die Berge aus größereu Massen heraus- geschnitten sind. In diese Plattform, wie sie GümbeP) nennt, haben nun zahlreiche Flüsse, darunter auch unsere Lauter, ihr Bett ge- graben. Weiter abwärts passiert die Lauter das Rotliegende, kar- bonische und plutonische Schichten, die später noch erwähnt werden müssen. Entstellung aus Erosion. Die Entstehung der Thäler gehört zu den schwierigsten Problemen der Erdgeschichte. Wer die tiefen Furchen der Alpenthäler erblickt, giebt schwer der Vorstellung Raum, daß all die Schluchten und Rinnen, die weiten Thalungen und tiefen Einschnitte in die Felsen nahezu ausschließlich erosive, d. h. einschneidende Arbeit des Wassers sind. Früher nahm man an, daß mit dem sog. Emporheben der Gebirge, beim Falten und ') Penck, Etschthal, Alpenvereinszeitschrift. 1895, S. 1. 2) Auch Lepsius, „Oberrheinische Tiefebene", äußert sich ähnlich auf S. 14: ..DenVogesen schließt sich im Norden ohne scharfe Grenze, doch nach einer fast ebenso tiefen Senke wie drüben zwischen Schwarzwald und Odenwald, das Gebirge der Hardt an, welches im Ganzen den Plateaucharakter eines jeden ausgedehnterenSandsteingebirges trägt, ähnlich dem hinteren Odenwald oder dem Spessart." (Forschungen zur deutschen Landeskunde. 1. Bd. 2. Heft. Stuttgart 1885. Engelhorn). — 8 — Aufbrechen der einzelnen Schichten — Eisse, Schnitte, Klüfte entstanden sind, die nachträglich vom Wasser zu Thalungen ausgewaschen, ausgebildet wurden. Für manches Thal, nament- lich im Schweizer Jura, mag das Geltung haben; aber in den allermeisten Fällen ist die Geschichte der Gesteinsdislokatiouen nicht auch eine Geschichte des Thaies, und es war vor allem Kütimeyer, der in seiner epochemachenden Schrift „ÜberThal- und Seebildung" ^) der Wasserkraft den gebührenden Platz an- wies und in scharfsinniger Weise darlegte, daß der Hauplfaktor aller Thalbildung Wasser, und nur Wasser ist. Ohne des näheren darauf eingehen zu können, kehren wir zum Lauterthale zurück. Und da entsteht nun zunächst die Frage: haben wir ein echtes Auswaschungs-, also ein Erosiousthal vor uns , oder haben geologische Spalten und Klüfte irgend einen Anteil zur BilduDg unseres Thälchens genommen? Geologische Spalten. Wir sind zum Glück von den geologischen Spalten, die das Pfälzer Hardtgebirge durchsetzen, genau unterrichtet. Die Spalten selbst entstehen bei den Verschiebungen, Fal- tungen, Hebungen, die die Erdrinde ununterbrochen bis heute erfährt; durch Erkaltung derselben giebt es horizontale und vertikale Verschiebungen, und dabei entstehen sogenannte Risse und Klüfte.^) Die ursprüngliche, heute noch so deutlich wag- rechte Schichtung hat in unserer Hardt nur in gewissen Teilen des Gebirges, namentlich an den Rändern desselben, eine be- trächtliche Änderung erlitten, am großartigsten war dies am Ostrande der Fall, minder auffallend auch am Westrande gegen den vorliegenden Muschelkalk. ') 2. Auflage. 1874. Basel. Sclnveighauser. 2) „Häufig findet man. zumal beim Bergbau, wo man einzelnen Flützen nachgeht,*) daß die Continuität des Schichtenkomplexes, in welchem das Flötz lagert, durch einen Sprung (der Bergmann sagt auch Kluft oder Spalte) unterbrochen ist. Mit solchen Spalten oder Sprüngen, deren Einfallen mit dem Einfallen oder Verflachen der Schichten übereinstimmend sein kann oder nicht, ist gewöhnlich eine Xiveauverschiebung der getrennten Teile verbunden, die man in der Bergmannssprache eine Verwerfung nennt.'" *)Hann, Hochstetter und Pokorny, Allgemeine Erdkunde. Prag. 1881. S. 231. — 9 — Daß es dabei auch nicht an Verschiebungen im Innern des Gebietes fehlte, ist um so begreiflicher, da der rote Sandstein infolge seines geringen Thongehaltes mehr brüchig als plastisch nachgiebig sich zeigt, d. h. mehr zu Riß- und Kluft- als zur Faltenbildung Neigung hat. Solcher Risse führen nun v. Grümbel und Leppla in ihren ausgezeichneten und grundlegenden Arbeiten eine große Zahl auf, Sie haben im allgemeinen zwei Haupti-ichtungen , deren eine von Südwest nach Nordost sich erstreckt, und eine zweite, ungemein häufig vorkommende, die ungefälir senkrecht zur ersten gestellt, aber vielfach durch Biegungen und Wendungen von ihrem genau ostwestlichen Streichen abgelenkt ist. Es ist hier geboten, nur jener Schichtenstörungen zu ge- denken, die zum Lauterthale anscheinend in einem maßgebenden Verhältnis stehen, und es sind besonders zwei Sprünge zu er- wähnen, die nahe nebeneinander zwischen den Porphyrkuppen von Hermaunsberg und Königsberg verlaufen. Die eine Schichteustörung setzt an zwischen St. Julian, Eß- weiler und Erzenhausen und bewirkt am Ostrande des älteren Gebirgsrandes einen Schichtenvorschub gegen Osten von 3 km, während die östliche aus dem Glanthale unterhalb St. Julian über Oberweiler im Thal von Eßweiler vorbei nach Rothselberg streicht, wo sie sich mit einer vom Königsberge nach Eulenbiß zu Tage tretenden Verwerfung kreuzt und dann bei Hirschhorn sich zum Lauterthal wendet. Letztere setzt über den Kopf des Königsberges neben einer Parallele zwischen Rothselberg und Nerzweiler ins iVschbacher Thal weiter fort. Im Nordosten vom Königsberg begegnen wir einem Gewirre von bogenförmig um diesen Knoten- punkt gekrümmten und sich mit Radial spalten kreuzenden Auf- brüchen, unter denen als die bedeutendsten kurz folgende her- vorzuheben sind : Zwischen Schueckenhausen, Schallodenbach und Moorbach, zwischen Niederkirchen, dem Odenbach entlaug nach Reipolds- kirchen und Kroneuberg bis zum Glanthale unterhalb Lauter- ecken, zwischen Reipoldskirchen und Odenbach, zwischen Muß- bach, Roth und Odenbach, zwischen Gangloff und dem Galgenberg bei Odenbach. Diese Störungslinien kreuzen sich zum Teil mit den früher erwähnten streichenden Vei'werfungsspalten von Muß- — 10 — bacli uud Bisterschied; außerdem aber auch noch mit einer solclien, die von Tiefenhach über EiuöUen nach Berzweiler, und jener, welche von Reipoklskirchen über Dörrmoschel mit einer Abzweigung von hier nach Imsbach bis Imsweiler im Alsenz- thale streicht.^) Diese Mitteihmgen dürften genügen. Wir entnehmen daraus Folgendes: Fast niemals verlaufen die Störungsliuien im Lauterthale selbst ; häufig kreuzen sie sich und kreuzen das Thal, springen von einem ins andere, und die radial vom Königsberg auslaufenden Klüfte und Spalten sind gänzlich von irgend einem Einflüsse auf die Entstehung des Lauterthaies ausgeschlossen, da die Eichtungslinien beider so grundverschieden sind. Wer dann das Thal selbst aufmerksam durchwandert, dem wird es nicht entgehen, daß es gar nicht die Form einer Spalte hat, es verläuft in häufigen Windungen, ähnlich wie ein sich selbst überlassener Fluß auf einer Ebene in Krümmungen dahin- zieht. Schon dieses Merkmal deutet darauf hin, daß es im wesentlichen das Ergebnis der grabenden (erodierenden) Thätig- keit des fließenden Wassers ist. Würden wir auch für die meisten übrigen Thäler der Pfalz die Klüfte, Risse und Sprünge in Be- tracht ziehen, so bekämen wir das gleiche Resultat wie für unser Thal. Diese Verwerfungen sind überhaupt sehr selten klaffende Spalten, welche zur Thalbildung Veranlassung geben könnten; allerdings, wenn die Richtung einer Verwerfungsliuie auch zugleich die Gefällsrichtung des Wassers ist, dann ist es nicht ausgeschlossen, daß die ersten kleinenWasserrunsen den geo- logisch vorgezeichneten Weg gehen ; in diesem Sinne scheinen viele kleine Quellflüßchen der Hardt, auch einige Seitenflüßchen der Lauter, wirklich vorgezeichneten Rissen zu folgen, aber die Lauter selbst schneidet fast immer rechtwinkelig die Verwer- fungen und ist völlig unabhängig vom Verlauf derselben. Von welch ganz andern Faktoren der Lauf der Lauter abhängt, soll später noch dargethan werden. Aber es zwingt uns, nicht bloß die Lauter allein in dieser Beziehung ins Auge zu fassen, sondern auch noch durch die Hereinziehung einiger anderer Hardtflüßchen den Beweis zu erweitern, daß Spalten und Thalungen in der Hardt keine oder nur eine zufällige innere Beziehung haben . und ') V. G Um bei, Geologie von Bayern, 2. Tl. S. !»i)5. — 11 — daß die weitaus größte Zahl der Bäche und Flüsse unabhäugig ihre Wege geheu. Diese kurze Erörterung mag deshalb nötig sein, weil auffallenderweise die Anschauung einer verwandt- schaftlichen Verbindung von Spalte und Thal recht volkstüm- lich und verbreitet ist. Wer die klare Flußkarte, die Leppla in seinem Werke „Über den Bau der pfälzischen Nordvogesen" ^) geboten hat, betrachtet, dem muß es auffallen, daß die Quelle, das Flüßchen, das Thälchen oft parallel mit der Spalte läuft, also neben und niclit in ihr, daß häufig ein plötzliches Abschwenken zu kon- statieren ist, wenn das Gefälle den Lauf des Flusses verändern muß; und ferner, daß nur zu oft eine rechtwinkelige Kreuzung der Verwerfungslinie stattfindet. Gerade die stärksten Ver- werfungen, die dem Abbruch des Ostabfalls der Hardt folgen, werden von den Flüssen regelmäßig rechtwinkelig gekreuzt. Es ist besonders darauf hinzuweisen, daß sehr häufig nicht ein- mal das Quellgeäste sich um die Spalten zu kümmern scheint : eher könnte noch im Innern der Hardt, wie oben schon ange- deutet, eine solche Neigung zu verspüren sein, aber da, wo ein energisches Gefälle ist, folgen die Flüsse nur diesem, und sollten sie ursprünglich in Verwerfungslinien geflossen sein, so werden sie durch die Abdachung daraus hervorgelockt. Ganz besonders schön ist die Unabhängigkeit des Thaies von den Verwerfungen bei der Isenach zu sehen. Bald unter- halb Hartenburg betritt die Isenach ein an Verweisungen und Klüften reiches Gebiet, aber weder diese, noch irgend ein Neben- flüßchen zeigen auch nur die geringste Abhängigkeit davon. Ganz so ist es am Quellpunkte von Hochspeier ; zahlreiche Ver- werfungen sind auch hier ohne allen Einfluß auf die Richtung der Quelladern der Lauter. Ganz so auch beim Eisbach, Eck- bach etc. So ist es im Osten, so ist es im Westen, so ist es aber auch anderswo. Die Erfahrung nun, daß die Flußsysteme ihre eigenartigen Wege gehen, unbekümmert um geologische Spalten. Klüfte, Risse, macht man besonders in den Alpen. ..Die nachweisbaren Ver- werfungslinien haben sich selten zu Thäleiu ausgebildet, sondern die Thäler schneiden diese Spalten unbekümmert um ihre Ricli- Jahrbuch der Kgl. geulog. Landesanstalt und Bergakademie. 18!J2. - 12 — tiing. Die Thermalspalteu vou Pfäffers schneiden die Tamlna- schlucht qner. Die Scliwarzwaldtliäler am westlichen Abhang stehen oft senkrecht zu den Verwerfungen, und auf den nach- weisbaren Verwerfungsspalten der Vogesen giebt es keine Thäler.i) „Das Zusammentreffen von Thälern mit Verwerfungen (Bruchlinien) ist in den Alpen so selten, daß es nur als ein zufälliges bezeichnet w^erden kann." (Heim 316). Noch manches ließe sich, als nicht mit der Spaltentheorie im Einklänge stehend, anführen : nur Folgendes möchte, speziell für die Thalsysteme der Hardt, des näheren noch erörtert w^erden. Die Hardt war nämlich einstens ungleich höher als heute ; wie viel verloren ging, erhellt aus den Mitteilungen Gürabels,^) der da sagt: Es tauchen au nicht wenigen und sehr hoch ge- legenen Stellen Kuppen von Buntsandstein in meist völlig ge- trennten Schollen auf, welche als Überreste einer vordem über den Vogesenkamm weit ausgebreiteten Decke dieser Sandstein- bildung anzusehen sind. Nachträgliche Verschiebungen, Ab- spülungen und Auslauguugen haben sie in diese isolierte Stellung gebracht, wie z. B. am Hochfels (le Haut du Roc) 1016 ra, am Hohneck bei Türkheim 976 m, am Climont 974 m, am Ungers- berg 904 m u. s. w. Über dem Hardtgebirge waren selbst noch mächtige jurassische Schichten. Hierher gehört auch die Be- obachtung Stein mann, der in einer Mulde des Feldbergs im Schwarzwald Reste von Trias und Juragesteinen fand, und es ist aus diesen wenigen Mitteilungen gewiß der Schluß zu ziehen, daß viele hundert Meter einstens überlagernden Gesteins bereits abgetragen sind. Hon seil nimmt eine Schichtenmächtigkeit von 1500 m an, die schon verloren gegangen ist.^) Um diesen Betrag müssen die Thäler also höher gelegen haben. Wer aber kennt heute noch die Spalten, die auf da- maliger Oberfläche richtungsbestimmend auf den Lauf der Flüsse eingewirkt haben sollen ? Haben die durch Abrasieren der oben ') Hei in, Untersuchungen über ilcn Mechanismus der GebirgsbiUUing. S. 315. -) V. G ü m b e 1 , a. a. 0. 2. Tl S. 914. ^) Honseil, der Rheiiistrom und seine wichtigsten Nebenflüsse. Berlin 188!). — 13 - genannten beträchtlichen Schichte erst sehr spät zu Tage treten- den Verwerfungen gleichfalls schon richtuugsbestiramend auf die heutigen Thäler gewirkt? Haben die künftig erst zur Er- scheinung kommenden Spalten jetzt schon Einfluß auf den heutigen Lauf der Flüsse? Und Risse, vSpalten, Verwerfungen, Klüfte können sich infolge der stets vor sich gehenden Kontraktion der Erde all- zeit bilden, aber es wäre schwer vorstellbar, daß dadurch ein Fluß der Hardt aus einem tief eingefurchten Thale abgelenkt werden könnte. Beim Lauterthal ist besonders noch hervorzuheben, dass es quer zum Streichen des Rotliegenden und den mit ihm ver- knüpften eruptiven Lagern und Gängen gerichtet ist; es ist ein echtes Querthal. Auf einen Punkt möchte ich noch besonders hinweisen. Wer die Hydrographie des Hardtplateaus genauer ins Auge faßt, wird sehen, wie sehr die Laufrichtung der Flüsse von jeher eine sehr selbständige gewesen sein muß. Treifen sich zwei Flüsse, so schlagen sie in den meisten Fällen eine von beiden abweichende Richtung ein. Theoretisch genommen ist dies die Resultierende aus dem Parallelogramm der Stoßkräfte beider Komponenten.^) Ich erinnere hier an den Einfluß des Glan und der Alsenz in die Nahe, des Schwarzbaches in die Blies, des Speierbaches mit dem Hochspeierbach (hier mitten im Ge- birge!) an die Vereinigung der Queich mit dem Wellbach. Ganz besonders interessant scheint mir dieser Umstand bei der Wies- lauter zu sein. Sie nimmt unterhalb Dahn bald einen ganz südlichen Lauf an und scheint direkt auf eine Verwerfung los- zusteuern. Da, gerade am Eingang derselben, wendet sie sich plötzlich südöstlich, gedrängt und aus der Richtung geschlagen durch kleinere Nebenflüsse, die fast rechtwinkelig südwestlich- nordöstlich in sie einmünden. Die Beispiele ließen sich zahl- reich angeben. Wenn man so das freie Spiel der Wasser beobachtet , kann man den Spalten keinen entscheidenden, richtungsbestiramenden Einfluß mehr zuschreiben; decken sich wirklich einmal Flußlauf und Spalten oder Verwerfungen , so dürfte dann nur der Zufall mitwirken. Dieselbe Beobachtung ') Petermann's Mitteilungen 1896. S. 129. Bemerkungen über Veränderungen der Flußläufe, Stromstricli und Begleiterscheinungen. — 14 — ergiebt sich aus dem ganzen hydrographisclien Geäder. nämlich, daß man es den Flüssen und Bächen durch ihr gegenseitiges Verhalten heute noch deutlich anmei'kt, daß sie auf einem Plateau ihre erste und selbständige Entwicklung genommen haben. Die Anschauung, daß etwaige Spalten ohne Einfluß auf die Thäler sind, findet namentlich in neuester Zeit immer mehr Vertreter. Möge es gestattet sein, noch auf eine Studie von Dr. Kl. Futter er hinzuweisen,^) die einige höchst prägnante Sätze enthält. „Es soll angeführt werden, daß die Flüsse ausnahmslos den in der Kreidekette vorhandenen Querbrüchen und somit den tektonischen Linien nicht gefolgt sind. Es kann somit für diese Querthäler eine Entstehung auf Grund von oder im Zusammen- hang mit Querbrüchen nicht erwiesen werden."^) „Die Querthäler bezw. die Flüsse derselben durchbrechen die hohe Antiklinale des Kreidegebirges. Diese Durchbrüche sind nie durch tektonische Ursachen (Querbrüche) bedingt : im Gegenteil werden vorhandene Querbrüche von den Flußläufen vermieden."^) „Die überwiegende Mehrzahl der Längs thäler ist durch die Tektonik beeinflußt: während derselbe Faktor nur in sehr wenigen, fast als Ausnahmen zu bezeichnenden Fällen an der Bildung der Querthäler beteiligt ist.*)" Selbst in jenen Fällen, bei denen eine rückschreitende Erosion nicht angenommen werden kann, ist Futter er deshalb noch lange nicht geneigt, Spalten und Klüfte als vorbildend für die Querthäler zu bezeichnen, „daß die größere Wahrscheinlich- keit auf der Seite der Anschauung liegt, daß die schon vor- handenen Flüsse mit ihrer Erosion der Aufwidbung der Anti- klinalen das Gleichgewicht halten und somit die Durclibrüche erzeugen konnten-"^) ') Durchbruchsthiiler in ileii SiUalpen von Dr. Kl. Fu t ter er. Zeit- schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Bd. XXX. 1895. 2) S. 38. 3) A. a. 0. S. 56. *) S. ÜO. 5) A. a. 0. S. 75. Und dann heißt es wieder: „Die Querthäler stehen in voll- ständiger Unabhängigkeit von tektonischen Linien nnd vermeiden vorhandene Querbrüche." ^) Doch nun genug der Mitteilungen in dieser Richtung, und es ist Zeit zum Lauterthale zurückzukehren, von dem wir mit großer Sicherheit annehmen können, daß es kein tektonisches, kein Spalteuthal, sondern ganz und gar ein Erosionsthal ist und alle Merkmale eines solchen trägt. In erster Linie sind hier die Gerolle der Lauter zu nennen. AVenn man beispielsweise in alpinen Thälern die Flanken der Thäler, die Thalgehänge hinaufsteigt, so wird man allent- halben verschiedenes Flußgerölle gewahr, wobei das kristalli- nischen Ursprungs sich leicht von der Kalk- und Sandsteinschichte, worauf es oft massenhaft ruht, abhebt. Das Studium über das Lauterthal würde eine wesentliche Erleichterung erfahren, wenn die Quellen in verschiedenen geologischen Formationen, in Ur- gestein, Kalk- und weißen Sandsteinen etc. ihren Ursprung nehmen würden, oder, wenn das wenige GeröUe des Buntsand- steins deutlicher ausgesprochen wäre oder nicht so rapid dem Zahn der Zeit verfallen würde. So kommt es, daß Geröllschichten im Lauterthal selten und nur schwach zu sehen sind. Die Ge- rolle selbst sind wenig gerundet, klein und oft schwer von den Vervvitterungserscheinnngen der Gesteine zu unterscheiden. Li Begleitung von reichlich zerstreuten Quarzitgeröllen dokumen- tieren sie sich noch am besten als fluviatile Produkte. Es gelang mir nun auf dem Wege zur Erzhütten, hoch über der Dammmühle, also am linken Ufer der Lauter, echtes EoUgestein der Lauter, ja sogar am Fuße des Pfaffenberges einen ausge- zeichneten Rollstein aufzufinden. Geröllbänke sind namentlich auf den Höhen südlich des Bahnhofes, am meisten und zugleicli am höchsten gelegen auf den merkwürdigen Terrassen unter- halb des Hahnenbrunner Forsthauses. Rechts der Lauter, auf den Lößschichten des Rittersberges und Blutackers, findet sich kein Gerolle, doch auf den Terrassen unterhalb dieser Lehraablagerung kann man wieder verschiedenem 'j A. a. 0. S. 77. - 16 — G-eröUe begegnen. Die bedeutendste Ablagerung, die mir über- haupt im Lauterthale begegnete, ist die unweit Kaulbach am linken Ufer, Etwa 60 — 70 m über dem Thale findet sich eine förmliche Geröllhalde mit auffallend großem Korn und ver- schiedenem Gesteinsmaterial. Eine Verbindung der Gesteine unter sich, sei es durch Lehm oder Sand, oder gar eine Ver- festigung zu einer Art Nagelfluh ist dabei niemals zu konsta- tieren; die Gerolle liegen lose auf der Eelsschichte und sind wenig, oft nur kantengerundet. Dieser Zeugen der Entstehung und Entwicklung des Lauter- thals sind nicht besonders viele, und doch beweisen sie schon, daß das Niveau des Lauterspiegels einstens um 70 und mehr Meter höher gelegen haben muß als gegenwärtig, und daß die Lauter sich bis zur heutigen Sohle vertiefte, also erodierte. Aber wir haben klarere Beweise, die uns tiefere Blicke in die früheren Verhältnisse des Thaies gewähren, es sind die Terrassen. Terrassen sind seitlich angelehnte Thalstufen, leistenartige Vorsprüuge, die als eine mehr odei' weniger abgeschrägte Ebene sich darstellen, mit einer steilen Böschung, die dem B'lußlaufe zugewendet ist, und die, entsprechend dem Gestein, aus welchem die Thalstufen herausgeschnitten sind, bis zu 30" Neigung aufweisen kann. Das Wasser allein formt sie, indem es ursprünglich die Terrasse als Flußbett benutzt, dann plötzlich tiefer einschneidet, das alte Flußbett über sich läßt, beim Tiefereinsclmeiden den scharfen Rand der Terrassen, die Isohypsen, und die Böschung bildet, und durch diesen ganzen Prozeß das Thal vertieft. „Die Terrassen als Phasen in der Thalbildung beweisen, daß die Thal- bildung Erosionsgeschichte und nicht Hebungsgeschichte ist", „und eine Eigentümlichkeit der Terrassen besteht in ihrer gänzlichen Unabhängigkeit von der Gesteinsart der Schichten." ^) Aber gerade das letzte Moment bietet im Buntsandstein nicht geringe Schwierigkeiten dar, da dessen horizontale Lage- rung die Bildung von Bänken begünstigt, die, herausgearbeitet durch Verwitterung, dann an der Thalflanke den Terrassen ähn- lich sind, und wobei man vor einer Verwechslung mit denselben nicht immer geschützt ist. ') Heim, Mechanismus der Gebirgsbildung. 8.291.292. — 17 — Diese Bemerkung war ausdrücklich notwendig, um bei den folgenden Darstellungen von Terrassen darauf hinzuweisen, daß stets auf eine mögliche Verwechslung Rücksicht genommen ist; denn die echten Lauterthalterrassen korrespondieren unter sich das ganze Thal hinunter, gleichviel, ob sie im Buntsaudstein, im Rotliegenden oder im Karbon eingeschnitten sind. Geo- logische, lierausgewitterte Bänke verlaufen oft sehr kurz, während die echten Lauterthalterrassen sich kilometerlang dahinziehen. Besonders aber ist der Böschungswinkel der ausgewitterten Bänke, der viel steiler, oft ein senkrechter ist. ein anderer als jener der erodierten Thalstnfen, und wenn letztere auch noch Gerolle tragen, so ist der Nachweis der Entstehung aus Erosion wohl nicht mehr zweifelhaft. Für Bodmer sind die jetzigen Thalgehänge, Terrassen und Thaltiefen ausschließlich das Resultat der Erosion.^) Die Entstehungsgeschichte der Terrassen selbst knüpft sich an verschiedene geologische Vorgänge, die in ihrem Ein- fluß auf die Terrassenbildung nicht immer genügend aufgeklärt sind. Ob nun das Meei", die Grundbasis aller Erosion, zurück- weicht, ob das kontinentale Land steigt, ob lokale terrestrische Veränderungen, oder besondere geologische Prozesse einen Fluß zwingen, bald tiefer einzuschneiden, bald ein Thal aufzuschütten, kann hier nicht näher erörtert werden-. Zweifellos haben die Terrassen eine weithin sich geltend machende, allgemeine Ur- sache, da beispielsweise drei Terrassensysteme über ausgedehnte Landschaften an vielen Flüssen, besonders in Süddeutschland, nachgewiesen werden können. Je widerstandsfähiger der Fels, desto deutlicher sind die Terrassen ausgebildet erlialten : wo die Terrassen unklar sind, oder nicht stimmen, lassen sich meistens nachträglich Ver- witterung. Abrutschung, Schuttanhäufung etc. dafür verant- wortlich machen. Jede Terrasse bedeutet nun eine Phase der Thalbildung. \\'ürde nämlich eine stete, gleichartige Vertiefung des Thaies durch den Fluß stattfinden, so müßte eine gleichufrige, ruhig ') Alb. Bodmer, Terrassen und Thalstufen der Schweiz. Gäa 17. Bd. S. 413-419. 2 — 18 — abgeschrägte Thahvand herausgeschnitten werden : etwa in dieser Form : Fig. 1. 6 h a Fluß, h Isohj'pse, c Terrassenabhang. aber die stiifenartige, absatzweise Bildimg der Thalfurche er- fordert einen zeitweisen Stillstand und dann wieder eine Belebung der Flußerosion ; es ergiebt sich dann folgende allgemeine Form : Fie. 2. a Terrassenebene, b Isohypse, c Terrassenabhang oder -böschung: d Fluß. Die Terrassenfläche bezeichnet eine Periode, da die Ver- tiefung des Thaies aufgehört hatte, und der Terrassenabsturz, die B(3schung, eine Neubelebung der Thalbildung ; also haben wir auch im Lauterthal keine sich stets gleichbleibende Aus- furchung, sondern einen zeitweisen Stillstand und eine Wieder- belebung der Thalerosiou zu konstatieren. Was nun im Folgenden als Terrassen genannt wird, sind nach häufiger und jahrelanger Prüfung als echte Erosionsterrassen zu erkennen. Wir unterscheiden im Lauterthal zunächst zwei grund- verschiedene Terrassensysteme : einmal tiefliegende Thalterrassen und Hochterrassen. Erstere ziehen sich nahe dem heutigen Flußufer hin und haben anscheinend wenig Bedeutung fiir die Entstehungsgeschichte des Thaies. Eines ist aber auch hier — 19 — hervorzuheben: auch diese entbehren häufig der Geröllbildung; ja würde man das heutige, thätige Bett der Lauter bis gegen Kaulbach hinunter auch der genauesten Untersuchung auf Gerolle unterziehen, so wäre das Resultat dasselbe: die Lauter zeichnet sich heute und bei der letzten Bildung der niederen Terrassen innerhalb der Buntsandsteinformation durch den nahezu gänz- lichen Mangel an deutlichen Gerollen aus. Erst unterhalb des Rotliegenden, namentlich wenn der Fluß die Karbouformation durchbricht, beginnen die Rollsteine. Es ist daher durchaus statthaft, auch zur Zeit der Bildung der älteren Terrassen nur sporadisches Geröll vorauszusetzen. Hocliterrasseii links. In schöner Entwicklung heben nun die Hochterrassen über dem Terrain des Eisenwerkes bei Kaiserslautern an und ziehen sich in scharfen Konturen weit hinunter nach dem Westen. Ihre Bi'eite ist sehr bedeutend und reicht hinüber bis zum Humberg. Wenn man von der Barbarossastraße seitwärts und aufwärts den Weg zum Walde einschlägt, hat man zuerst einen ziemlich steilen xA.bhang zu passieren, das ist die schräge Ab- dachung der großen Terrasse; dann betritt man deren breite Ebene, das alte Bett der Lauter, das sich mehr als 1 Kilometer bis zum Humberg hinzieht. Das Hochufer bildet der nach dem Westen sich erstreckende Humberg, der ein wahrhaft imposantes linkes Ufer der Lauter darstellt , und dessen Fortsetzung weit über Landstuhl hinaus bis gegen Homburg reicht. Die Herausgestaltung dieses Rückens ist reine Wasserarbeit, und zwar eines Flusses, der eine streng w^estliche Richtung einstens verfolgte. Von Moorlautern aus, dem nördlichen Höhenpunkte der Landschaft, ist es ein überraschender Anblick, den scharf sich darstellenden Kamm mit der prallen Uferböschung zu ver- folgen, der in seiner ganzen Darstellung einen unwiderleglichen und entschiedenen Beweis dafür abgiebt: daß einstens die Lauter auf dieser Höhe eine direkt westliche Rich- tung gegen Landstuhl-Homburg, hinab ins Blies- thal nahm. Unterhalb finden wir die Ansätze einer zweiten Terrasse, die zu keiner besondern Ausbildung kam. Beide Terrassen wurden natürlich nachträglich durch von Süden her kommende /2* — 20 — kleinere Bäche zersclmitten und zerstückelt. Ein solch altes Thal, das einstens einem Wasserlaufe diente, ist der Einschnitt, den der Fahrweg zum Walde zwischen der Fabrik Gebr. Pfeiffer nnd dem Gasthanse Fabrikhof benützt, — ein zweites größeres ist der viel begangene Weg zum Bremerhof. und namentlich sei dieThalung genannt, die die Straße nach Trippstadt undHohen- ecken bildet ; sämtliche wurzeln in dem Winkel, den die Ebene der Hochterrasse zum Abhang des Humberges bildet. Letzteres — das Trockenthal nach Trippstadt — hat im Verein mit der Lauter die Thalrippe des Galgenberges herausgebildet, welcher ursprüng- lich einen Teil der Humbergterrasse gebildet haben muß (Huraberg- terrasse etwa 275 m, eigene Messung, Galgenberg 273 m nach Angabe der Karte „Ravenstein, Karte von Rheinhessen und der bayrischen Pfalz 1 : 170000") und in seiner Anlage, in seinen Isohypsen am Nordabhange auf eine Flußströmung deutet, die direkt nach dem Westen zog, oder auf eine Strömung hin- weist, die vorübergehend von Westen kam; seine spornartige Herausbildung verdankt er dem früheren Wasserlanfe, der von Trippstadt-Hohenecken kam und ihn aus der großen Terrasse herausschnitt. Dieser Thalsporn kam im toten Winkel der Strömung von Süden und von der Lauterquelle von Osten her zu liegen, daher er an der Mündungsstelle, da, wo beide Wasser sich trafen, sanft gegen Osten auskeilt, und nach Westen einen breiteren Rücken formt. Daß nur die Nordseite des Galgen- berges die scharfe Terrassierung zeigt und der Süden keine, darf nicht auffallen, da die Südseite durch Ackerkultur nivelliert ist nnd auch stärker deundiert wurde. Zeigte sich doch beim Grundausheben eines Fabrikgebäudes (v. Pf äff) sehr deutlich, daß die Zersetzung des Gesteins 1 m nnd mehr in die Tiefe geht. Abrutschungen infolgedessen stattfanden, die oft ganze Blöcke umhüllen. Vom Galgenberg an zieht sich eine schmale, niedrige Bodenschwelle gegen die Höhen des Blechhammer Wei- hers quer hin, die das Lauterthal von heute westlich gegen die Moorniederung von Landstuhl abschließt und wovon noch ausführlich die Rede sein wird. Großartig entwickelt sind dann wieder die hochgelegenen Terrassen am Hahuenbrunner Forsthause und an der Moorlauterer Ziegelhütte, wohl di Obern Lauterthaies. Ziegelhütte, wohl die schönsten und charakteristischen des ganzen — 21 — Dann bricht die Tei'rassenbildimg ziemlich ab, und erst, wenn die Lauter die Karbonformation durchschneidet, erscheinen sie in besonderer Ausbildung wieder. (Davon später). Terrassen rechts. Rechts können wir in dem Thalabschnitt oberhalb Kaisers- lautern eine so großartige Terrassierung nicht konstatieren. Das mauerartige Hochufer der linken Thalseite fehlt rechts voll- ständig, die frühere Terrassierung ist nur mehr in geringen Spuren unterhalb der Villa Ritter vorhanden: den letzten Rest des Hochufers bildet die Höhe von Rittersberg und besonders von Moorlautern. Erstere Höhe nimmt auffallenderweise gegen den Lauterdurchbruch, nach Westen an Erhebung zu, aber gegen Osten, gegen das Quellgebiet der Lauter an Erhebung ab. Der ganze Rittersberg, auch Rothenberg, wie er auf der (jleneralstabskarte heißt, beweist durch seine streng westliche Fortsetzung, die parallel dem großen Humberg verläuft und sich bis zum Bruch fortzieht, daß d i e L a u t e r innerhalb dieser beiden gewaltigen Uferrahmen einstens die Richtung nach dem Westen hatte. Von der hübscheu Baumanlage oberhalb des Elisenwerkes aus gesehen, ist dieser wichtige Umstand klar zu erkennen. Der markanteste Uferpunkt ist Moorlautern; dann scheint das ursprünglich sehr breite Thal eine Zwei- teilung erlitten zu haben und zwar so, daß das Thal des Esels- baches und unserer Lauter selbständig nach dem Westen zogen, der Eselsbach vielleicht durch das Thal des BlechhammerWeihers (Leppla vermutet hier den westlichen Weg der ganzen Lauter) und die jetzige Lauter über die Schwelle unterhalb des Loth- ringerhofes. Vergegenwärtigen wir uns die Höhe der ersten Terrasse links, so müßten wir das Pendant zu dieser linken Terrasse auf der Höhe der Villa Ritter suchen. Während die große linke Terrasse wieder einzeln abgestuft ist und auch in den kleineren Herausbildungen stets nach Westen weist, hat das rechte Hochufer nur einzelne Andeutungen von Isohj^psen, die sich nach dem Bruch, also nach dem Westen hinziehen. Diese unklare, undeutliche Terrassierung darf nicht auf- fallen, denn zwei Umstände wirkten zerstörend auf die Form der rechten Thalseite ein. einmal der Lehm und Löß des Ritters- — 22 — berges imd Blutackers, der die scharfen Räuder durch Abriuueu erlöschen machte, und dann die Kultur, die stets die südlichen Gehänge wählt, die steilen Böschungen und scharfen Ränder, als für den Ackerbau nicht zuträglich, vernichtet und die ganz besonders hier den trefflichen Ackerboden aufsuchte. Es ist dieselbe Erscheinung wie am südlichen Abhang des Galgenberges. Erst beim Durchbruch der Lauter, in der Gegend der Kamm- garnspinnerei, treten sehr deutliche Terrassenformen auf, deren Ebenen den prächtigen Villen als Bauplätze dienen. Allein auch hier ist das, was nachträglich durch Menschenhand umgeformt wurde, nicht immer leicht von der natürlichen Arbeit der Lauter zu unterscheiden. Aber der eine Beweis ist durch die Terras- sierung gerade des engen Durchbruchsthaies gegeben, daß man es hier mit einem ausschließlichen Erosionsthal zu thuu hat, und es muß namentlich betont werden, daß schon in der Zeit der ersten Thalbildung die Lauter eine starke Neigung, rechts- ufrig zu erodieren, bekundet. Steht man in entsprechender Entfernung dem ganzen Rücken des Rittersberges gegenüber, so ergiebt sich folgende Linie : Fig. H. Allmählicher Abfall zum Bruch. Ritterslierg. a Frühere Furche des Eselsbaches zum Lauterthal bei Kaiserslautern. Nicht unerwähnt soll sein, daß das Hagelgrundthälchen keine Terrassen hat, einen einheitlichen Einschnitt, gleich einem ~V", darstellt, und somit nicht die Geschichte der Lauterthal- terrassen und die ganze Entwicklung des Lauterthaies durch- lebt haben wird. Daß es viel jünger erscheint, ist bereits oben angedeutet, und es sind einige schwache Reste von Isohypsen und eine etwas breite 'I'lialung vorhanden, die die Richtung des Thälchens zu einer Mündung weit oberhalb Kaiserslautern zur Lauter herein anzeigt, welche Richtung genau die Fortsetzung zum Trockenthal des Kröhnerhofes trifft. Noch heute sieht man eine muldenartige Bihlung zwischen Hagelgrund und Lauterthal, und so erklärt sich ganz uiige- — 23 — zwungeu, daß der Rittersberg gegen Osten sich erniedrigt, statt gegen die Höhen der Hardt anzusteigen : es ist dies die Wirkung der Erosion des Eselsbaches im Hagelgrundthal. (Siehe Fig. 3 und Kartenskizze 1, S. 32). Wie die Wasser des Thaies vom Fröhnerhof versiegten, oder der Eselsbach rückwärts dem Nordost -Südwest verlaufenden Flüßchen in die Flanke fiel, gewann die rein westliche Richtung des kräftigeren Eselsbaches die Oberhand, schnürte das Thal- stück, das zur Lauter reichte, ab und bildete das heutige, so anmutige Hagelgrundthälchen heraus. Nach der Höhenlage der Kaiserstraße, die das alte Trockenthal zum Abstieg in das Thal des Eselsbaches benutzte und die ungefähr der Höhenlage der zweiten verkümmerten Terrassenbildung der Lauter entspricht, hat sich der Vorgang in der Epoche der zweiten Terrassen abgespielt. So wurde der Rittersberg erst später durch den Eselsbach, nachdem dieser die Richtung änderte, abgetrennt und heraus- gearbeitet. Rücksclireiteiide Erosion. Neuerdiugs, d. h. seit unbekannt lauger Zeit, wird auch der Rittersberg und zwar bezeichnenderweise von Südwesten herein zersägt. Gehen wir den auffällig gut terrassierten Burggraben, an der Gärtnerei Helfert vorbei, hinauf, so gelangen wir bald in das Sammelbecken der tiefschluchtigen Runse. Es gehört kein besonderer Blick dazu, um zu erkennen, daß sich die Randlinie des Sammelbeckens leise, aber merklich nach Osten verlegt, und in demselben Maße steigt aus der Tiefe der Bach, die Runse herauf, und verlängert sich stetig nach rück- wärts. Dann und wann geschah w^ohl auch eine kräftige Ver- tiefung, ein kräftigeres Rückwärtseinschueiden, denn ein Profil, das bei einer Abschürfung einmal klar gelegt wurde, ergab starkes, grobes mit Thon vermischtes Geröll, das massenhaft angehäuft ist. Dieser Prozeß, der sich gewissermaßen vor uusern Augen abspielt und vollzieht, fand deshalb eine nähere Darlegung, weil er nus später noch in größerem Maßstabe be- schäftigen wird, und ich werde nochmal darauf hinzuweisen haben. — 24: — Machen wir hier eine kleine Pause und sammeln die bis- herigen Resultate. Überall erkennen wir die großen Spuren der Wasserwirkung. Weniger die Gerüllbildung als vielmehr die Terrassierung be- weist den erosiven Ursprung des Thaies. Wir haben gesehen, dass geologische Brüche und Spalten ohne Einfluß auf die Rich- tung des Flusses blieben. Wir fanden ferner, daß die Lauter einstens viel höher floß als heute, und das darf uns nicht wun- dern, da diese Erscheinung bei sehr vielen Flüssen nachweisbar ist. Wir konstatierten ferner, daß die Thalung direkt nach dem Westen zeigt, das beweisen namentlich die deutlichen und klaren Terrassen des imposanten Humbergufers, und nicht minder zeigt das in deutlicher Weise die gesamte Anlage des Rittersberges, dessen letzte Ausläufer im Bruch untertauchen. Das war ein kräftiger Strom, der innerhalb dieser Höhen gegen das Moor von Landstuhl hinabzog. Auf einmal lenkt die Lauter ab und ({uert das Thal (Neumühle, Kaiser- und Dammmühle) und zwar, wie die noch nach dem Westen lenkende zweite Humbergterrasse beweist, ziemlich spät. Damit beginnen wir die Erörterung einer schwierigen Frage, Ableukuiii; «ler Lauter uacli Nordwesten. Erinnern wir uns zunächst daran, daß die weite, tiefe Thalung nach dem Bruch von Landstuhl nur durch eine unbedeutende Bodenschwelle außerhalb der Pariserstraße am Lothringerhof abgeschlossen wird. Warum verläßt die Lauter plötzlich diese Richtung und durchbricht den hohen Rücken, der einstens vom Rittersberg hinüber zu den Höhen des Blech- hammer Weihers, vom Plateau von IVIoorlauteru hinüber gegen Erzhütten und AViesenthalerhof führte? Die Sache wird um so verwickelter, da die Terrassen sehr hoch liegen und von so schöner Ausbildung .sind, daß daraus auf eine sehr energische Erosion der Lauter geschlossen werden muß. Namentlich sind die Terrassen des linken Ufeis von besonderer Ausprägung; rechts sind sie nicht so schön und erreichen bald ein Ende. Avährend die linke Terrassierung bis fast Erfenbacli und Siegelbach nach- gewiesen werden kann. — 25 — Sie sind für die Geschichte des Thaies und Flusses von solcher Wichtigkeit, daß sie noch besonders erwähnt werden müssen. Seit Jahren habe ich sie viel beobachtet, habe ihre Maße genommen und namentlich ihre Höhenlage festzusetzen versucht. Ich bediente mich dabei eines Taschenaneroids, das mir seit bald zwanzig Jahren eigen ist, in welch langer Zeit mir das Instru- ment Wohl bekannt wurde. Längere Zeit vor Aufnahme der Höhen gab ich es Herrn Reallehrer Till mann von Kaisers- lautern, der es in dankenswerter Weise einer beständigen Kon- trolle mit den präzisen Barometern der meteorologischen Station Kaiserslautern unterwarf, und zu dem Resultat kam, daß das Instrument „sehr zuverlässig sei". Die Messungen habe ich in der Weise vorgenommen, daß ich im Thale das Instrument einrichtete, die Meereshöhe der Thalsohle genau notierte und nun die Thalflanke hinanstieg. Sobald eine Terrasse erreicht wurde, verzeichnete ich die Diffe- renz und so bis zur obersten Terrasse. Der Retourweg gab dann die Kontrolle ab, und wenn das Aneroid genau wieder die Höhenlage des Ausgangspunktes im Thale ergab, so war das die Gewißheit, daß eine Veränderung des Luftdruckes in der sehr kurzen Zeit des Auf- und Abstieges nicht stattfand, und somit die gewonnene Zahl Vertrauen verdient. Da die Terrassen wiederholten Messungen unterworfen wurden, so glaube ich die gewonnenen Zahlen als sicher annehmen zu dürfen. — Die Breite der Terrassen wurde durch Abschreiten gewonnen, hat aber nicht entfernt die Bedeutung wie die Höhenlage. Die Höheuzahlen, die die Basis der Messungen waren, sind vielfach der Generalstabskarte entnommen, dann der Karte von Südwest-Deutschland im Maßstab von 1 : 250 000, der Karte von Raveustein und einer Reihe von wissenschaftlichen Werken, vom Werte waren mir namentlich die durch die Pfälzer Bahn festgesetzten Höhenbestimmuugen, und nicht bloß für das Thal der Lauter, sondern auch für eine große Zahl von Thälern der Hardt überhaupt. Nach diesen notwendigen Bemerkungen kehren wir zu den Terrassen selber zurück. Zunächst sei bemerkt, daß sie alle ursprünglich einheitliche, mauerartig sich hinziehende Terrassen waren, die aber oft durch — 26 - seitlich einmündende Runsen in mehrere Abteihingen zerschnitten wurden. Sind es nun wirklich Flußterrassen, und warum liegen sie so hoch? Zunächst sollen die Terrassen im Profil gegeben werden, wobei besonders auf die Thatsache aufmerksam gemacht werden soll, daß eine auffallende Übereinstimmung der einzelnen Höhen- unterschiede von 40 zu 40 m herrscht ; auch die Breite von 208 m wiederholt sich. Auf den Terrassen selbst liegt etwas Lehm und grobes, zerstreutes Gerolle, und ob man sie lauterabwärts, oder lauter- auf wärts betrachtet, stets repräsentieren sie sich als imponierende Erscheinung. Aber, wie schon oben erwähnt, besteht eine wissenschaft- liche Gefahr darin, daß sie etwa Deuudationsterrassen, also für unsere Frage wertlos seien ; denn dann wären sie kein Beweis, daß die Lauter jemals auf solcher Höhe geflossen ist. üas sporadisch darauf liegende GeröUe soll uns nicht genug wissen- schaftliche Grundlage sein, und es ist daher nötig, die besten Profile und ausgesprochenen Terrassieruugen des ganzen Lauter- thaies anzuführen. Zunächst die Terrassen zwischen Humberg und Moor- lautern-Lampertsmühle : Fig. 4. Terrassen des Lauterthales am Hahnenbrunner Forsthaus. W. ^Om 0. lOOmbreil 40m 0. u: Wm Fii>-. 5. Terrassen am Hahnenbrunner Forstliaus. — 27 — Fig. 6. Terrassen des Hahnenbrunner Forsthauses. W. 0. HöIiP desAnssichlsluniKfs von Moorlauloni WOm, S. Fig. 7. Terrassen bei Kaiserslautern. Humbergterrasse. iV. Kaiserslan fei-ii WeffiiachMoorlnulern 45in daun die sehr schüuen und ausg-eprägten Terrassen von Roßbach- Kaulbach Fig. 8. Fiif. 9. — 28 — Sollte auch hier noch der Verdacht der natürlichen Ab- plattung des Gesteins und der Herausraodellierung durch Denu- dation auftreten, so wähle ich nun als weitere Serie von Profilen eine gänzlich unverdächtige Gegend, jene von Wolfstein! Da hat die Lauter die schönsten Terrassen in sehr alte Nagelfluh, in ein Gestein eingesägt, das eine plattenförmige Verwitterung vollständig ausschließt. Fig. lü. Das Lauterthal bei Wolfstein, von der Straße nach Tiefenbach aufgenommen. IV. 0. AUeBiu-g JlOni WOrn J!^^^^^^^' __ ,, Jakobuliist / ::Z\ "* WoUsloin -^^"l Lautvr w^. Fig. 11. ^ Terrasse von Hochellen-Heinzenhausen. U'i>ff,Falirsirns»f, lOOniy^^^ ..grosse, f/inffe Terrasse ^011 Heinzprhaasen ililler/-- — Das untere Lauterthal hat überhaupt sehr viele auf das beste herausgeschnittene Terrassen, und man kann die Erosions- erfolge der Lauter leicht auf Schritt und Tritt verfolgen: be- sonders schön entwickelt sind sie bei Hochelleu, Heinzenhausen, bei Lauterecken, wo auch noch andere Zeichen von tiefster Wasserwirkung ringsum erkennbar sind, die uns später noch kurz beschäftigen werden. Welche Beobachtuugeu ergeben nun unsere Terrassen, wenn wir die Höhenlage vergleichen ? 3[eeresliühe : Kaiserslautern 285 m Hahnenbrunn 225 m Kaulbach 200 m Roßbach 192 m Wolfstein 188 m Terrasseiiliöhe, also früheres Thalniveau ; Humbero-terrasse 40 m = 275 m HochteiTasse 80 m = 305 m 100 m = 300 m 100 m = 292 m 80 m — 2m m Difc^se Zahlen erscheinen sehr eigentümlich. — 29 - Die gegenwärtige Meereshöhe ergiebt ein normales, wenn auch starkes Gefälle von 235 m (Kaiserslauternj auf 188 m (Wolfstein) = 47 m : vergleichen wir aber die Humbergterrasse mit 275 m mit der von Wolfstein mit 266 m (früheres Thalniveau), so erhalten wir nur ein Gefälle von 9 m. Die Hochterrassen weisen größtenteils eine gleichmäßige Höhe auf, eine bemerkensw^erte Ausnahme macht nur die Hum- bergterrasse, die auffallend tief erscheint: dagegen ist die Hahnenbi'unnterrasse unverhältnismäßig hoch : noch höher liegen die weiteren zwei Terrassen. Doch sind das nur relative Zahlen, denn es ist durchaus nicht sicher, ob diese Terrassen im oberen Lauterthal als noch im Quellbereiche liegend, wirklich die höchsten Flutmarken darstellen, da sie im Gebiete des Buntsandsteins rascher Vernichtung ausgesetzt sind. Am meisten Vertrauen verdienen die Höhenmarken bei Wolfstein, da sind auch, wie schon bemerkt, die Formen der Terrassen am schönsten erhalten. Der Verlauf der Lauter und ihr Gefälle von Hahnenbrunn bis Wolfstein und weiter, mit den Höhen 305, 300, 292 und 266 m, macht den Eindruck eines ziemlich normalen Gefälles, während von der Humbergterrasse als Basis ausgegangen, das Gefälle für die starken Flutungen damaliger Zeit fast verschwindend ist und mit 9 m kaum ein Vertrauen verdient. Dies und die Diffe- renz von vielleicht 40 — 50 m zwischen der Humbergterrasse und jener von Hahnen brunn ist zu groß, als daß man nicht erkennen sollte, daß hier zwei Terrassensysteme bestehen. Die Humbergterrasse sondert sich durch ihr relativ tiefes Niveau von selbst von den Hochterrassen des Lauterthales ab und ge- hört also nicht bloß durch die nach Westen weisende Richtung, sondern auch durch ihre Meereshöhe einer andern Flußepoche, als die hochgelegenen Lauterterrassen, an. Innige Verwandtschaft und Zusammengehörigkeit zeigen aber die übrigen Terrassen, und daraus ist der für uns so wichtige Schluß zu ziehen, daßdieHahnenbrunnterrassen gleich den übrigen thalab wärtsliegenden einer ge- meinsamen Ursache, der Lauter, ihre Entstehung verdanken, denn niemals anders, als erodiert, können die Thalstufen von Kaulbach, Wolf stein, Hohenellen, Lauterecken gedeutet und erklärt werden, Wir haben also echte Erosionsterrassen vor uns. -; - BO — Allein hierfür treten auch noch andere Beobachtungen ein. Aus den Profilen ergiebt sich ferner, daß die Terrassen rechts keineswegs auch denen links entsprechen, sie haben ver- schiedene Niveaus, eine Erscheinung, die der Terrassenbilduug eigen zu sein pflegt, da ich sie vielfach auch anderwärts, namentlich in den Alpen, beobachten konnte. Daraus ergiebt sich ein fiir unser Thal sehr wichtiger Schluß, daß ein geo- logischer Schichtenhorizont, irgend eine harte Bank nicht Anlaß zu unsern Terrassen gegeben hat, denn die würde sich bei der horizontalen Lagerung des Gesteins auf gleicher Höhe an beiden Ufern des schmalen Flusses bemerklich machen. Nicht minder deutlich erkennt man an dem auch dem Thale eigenen Gefälle, daß sie mit der Thalbildung, also mit Erosion, innigen Zusammenhang haben und keine Verwitterungs- terrassen sind. Sie erzählen also, daß die Lauter einstens um ungefähr 60 — 70 und mehr Meter höher als heute und zwar in dieser Höhe bereits nach Nordwesten floß, trotzdem sie ein offenes Thor direkt nach dem Westen hatte, ja noch mehr: trotzdem im Bruch von Landstuhl ein bereits fertiges Becken vorhanden war, das die Lauter ganz und voll hätte aufnehmen können, zog sie es doch vor, ein altes, lang benutztes Thal zu verlassen, um nach Nordwesten durchzubrechen. Fig. 12. Schematischer Durchschnitt zwischen Humberg und Lampertsmühle. \ S.O. A.n. n 40 m hohe Humbergterrasse, h offenes Thor o^^^:HimH^'tiiufp'p Trockentbaler. die linken Nebenflüßchen erst entstehen konnten, erst Teri'aiu erhielten, als die Lauter rechts, nach Norden auswich. Wir dürfen ihnen deshalb eine allzu große Wirkung nicht zuschreiben, und sie mögen daher die Neigung der Lauter, nach Nordwesten durchzubrechen, wohl gefördert, aber nicht verursacht haben. Wäre anderseits das Lauterthal so tief eiugefurcht wie heute und nach Westen geschlossen gewesen, so könnte mau sich das Niveau der Lauter oder ein Anstauen des Wassers bis zur Hochterrasse von Hahnenbrunn wohl voi-stellen. und es hätte dann der Überfall, dei' Abfluß des angestauten Sees viel- leicht den Ausweg nach Nordwesten gefunden. Allein die Bahn — 33 — nach Westen war schon längst frei, und überdies mußten bei einer Seeanstauung- die Hahnenbruuner Terrassen Seeterrassen sein, was ihrer ganzen Form nach nicht möglich ist, insbesondere nicht durch ihre Längserstreckung, die fast bis zur Lamperts- mühle reicht; auch im Becken von Kaiserslautern fehlt jede Spur von Seeterrassen. Die Lauter, die den Humberg herausschnitt, liat auch den Weg nach dem Westen geebnet, und der jetzige kleine Rücken, der Hügel vom Lothringerhof gleich außerhalb Kaiserslautern, liegt viel zu tief, um ein Hemmnis abgegeben zu haben. Er hat sich überhaupt erst herausgebildet, als die gegenwärtige Lauter immer tiefer grub und Sedimente fortführte; also in dem Maße, als Glan und Lauter an der Vertiefung ihres Bettes arbeiten, wird diese Schwelle immer wasserscheideuder werden. Diese eigentümliche Thalerscheinung steht in ihrer Rätsel- haftigkeit nicht vereinzelt da, und es ist in vielen Thälern zu beobachten, daß die Wasser den ihnen von der Natur vorge- zeichneten Weg ; sogar die von ihnen früher selbst ausge- furchten Thalungen verlassen und, anscheinend gesetzwidrig, ganze Hügelreihen, ja Gebirge durchbrechen. Ich erinnere hier an ein naheliegendes Beispiel, an den Durchbruch der Nahe bei Bingen. Warum durchschneidet diese das harte Gestein des Rochusberges links und umfließt ihn nicht rechts, um in der bequemsten Weise in den Rhein münden zu können? Gar vieles wurde schon über dieses Thalrätsel geschrieben, aber es scheint, als wäre die rechte Erklärung noch nicht gefunden worden. Um weiter zu gehen: warum benützt der Regen nicht die breite Furche, die ihm seit der Kreidezeit bis Bodenwöhr und Schwandorf offen stand, und durchbricht lieber das harte Granitgestein über Roding ? ') Warum verläßt der Rhein die Burguuderpforte gegen die Rhone hinab, deren Seitenfluß er früher war, und windet sich durch das heutige Thal und durch- bricht noch dazu das hohe Schiefergebirge ? Warum durchbricht die Elbe in ganz merkwürdiger Weise das böhmische Mittel- gebirge, das sie so leicht nach allen Richtungen hätte umfließen können '? ') Vergl. F. B a j' berger, Geogr.-geolog. Studien aus dem Böhmerwald. Die Spuren alter Gletscher, die Seen und Thäler des Bühmerwaldes. Er- gänzungsheft No. 81 zu Petermann's geogr. Mitteilungen. S. 48. 49. 3 — 34 — Wir könnten diese Beispiele namentlicli durch die alpinen Tlialungeu noch bedeutend vermehren, es genügt aber für unseren Zweck, konstatiert zu haben, daß die Flüsse gar oft ihre eigen- artigen Wege gehen, die zu erklären durchaus nicht leicht ist, und die nach unserer Auffassung niemals zu generalisieren sind, sondern stets von Fall zu Fall behandelt werden müssen ; denn ganz zweifellos sind es bald geographische, bald geologische Ursachen, bald beide zugleich, die so auffallende Erscheinungen nach sich ziehen. Paralleltliäler der Lauter. Wir haben oben bereits erwähnt, daß die Lauter eine Eeihe von Süd nach Norden fließende Seitenbäche von links aufnahm, die sie notwendigerweise nach rechts drängten. Ein Blick auf die benachbarten Thäler der Nordwestpfalz läßt erkennen, daß auch andere Thäler die Neigung haben, nach Nordwesten und Norden ihre Richtung zu nehmen, so der Glan, der gleich der Lauter anfangs nach Westen fließt und dann, ganz ähnlich auch der Lauter, nach dem Norden zu die Höhen durchbricht, dann der Thalbach von Jettenbach, besonders der Odenbach und eine Anzahl kleinerer Flüßchen und Bäche. Sie alle bekunden doch übereinstimmend, daß eine Neigung der gesamten Landschaft, ein Abfall derselben nach Nordwest und Nord die Wasser veranlaßte, dahin abzurinnen.^) Wenn also heute die Lauter nach Nordwesten fließt, so liegt darin nichts Merkwürdiges und Interessantes; aber interessant ist, daß die Lauter einst einen westlichen Lauf genommen und im Verein mit dem Glan zur Blies abgeflossen ist.^) Wie schon kurz erwähnt, wiederholen sich am Glan ja ganz dieselben Verhältnisse ; auch dieser Fluß steigt herab zur Tiefe des Landstuhler Bruches, um in einem scharfen Bogen die bedeutenden Höhen des Potzberg, Eemigiusberg, Etscli- berg u. a. zu durchbrechen, also von einem Niveau aus von vielleicht 270 m, Höhen von 4 — 500 m zu durchschneiden. Ein merkwürdiger Bach mag vielleicht noch erwähnt werden, es ist der unscheinbare Reichenbach. Es gewährt einen eigenartigen *) Honseil a. a. 0. *) Leppla, Westpfälzische Mooruiederung. — 35 — Anblick, wenn man auf der Flaukeuliöhe des Potzberg steht und sieht, wie das ganz unbedeutende Wässerchen die mächtigen Höhen, die massigen Gesteine von Potzberg-Hartmannsberg durclibricht. Ja, das Flußsj'stem der gesamten Gegend kann geradezu rätselhaft genannt werden. Die Flüßchen nehmen ur- sprünglich vielfach die Richtung gegen den Bruch, ihrem natür- lichen Sammelbecken zu , steigen also von den dem Bruche nördlich vorgelagerten Höhen zur Niederung herab, wenden sich aber plötzlich im spitzen Winkel gegen die Höhen, um mit dem Glau vereint diese zu durchbrechen, oder, wie am Donners- berg zu beobachten ist, den Gebirgsstock zu umkreisen. Nicht leicht ist mir die Souveränität des Wassers über die Landschaft uachdrucksvoller vor Augen getreten, als in den kleinen Quell- bäclien rings um den Potzberg. Immer wieder gewann ich den Eindruck, als wenn die Landschaft stets höchst stabil gewesen wäre, während das ewig lebendige Wasser nach oft rätselhaften Gesetzen frei und unabhängig, den Höhen zum Trotze, seine eigenen Wege gegangen ist und der schönen Pfälzerlandschaft seine heutigen Gesichtszüge aufgeprägt hat. Diese Mitteilungen möchten genügen, darzuthun, daß unser Lauterthalproblem nicht allein steht, in weiter Ferne wie in nächster Nähe immer wiederkehrt, so daß hier allgemein geltende Gesetze wohl zu Grunde liegen müssen, und das veranlaßt und zwingt uns, mit den Theorien der Durchbruchsthäler etwas Fühlung zu nehmen. '» Durchbruclistheorieu. Die Borage nach der Entstehung der Querthäler ist gerade in den letzten Jahren durch eine Reihe von Gelehrten nach verschiedenen Richtungen ventiliert und studiert worden. Schon den älteren Erdkundigen schienen die rätselhaftesten aller Thal- bildungen diejenigen zu sein, welchen Flüsse angehören, die, auf niedrigem Niveau entspringend, hohe Gebirge durchsetzen. Ein solcher Fluß hätte, von seiner jetzigen Quelle ausgehend, niemals die Kammhöhe erreichen und von dort aus sein Thal in das Gebirge einschneiden können, da ja sein Ursprung tiefer als der Gebirgskamm gelegen ist. Man hielt daher die Durch- gangsthäler ziemlich allgemein für aufgerissene Spalten, welche von dem Flusse vorgefunden und benützt wurden. Der in den 3* — 36 -^ letzten zehn Jahren geführte Kampf gegen diese Theorie hat mit dem Verlassen derselben geendet. Eine vielfach besprochene nnd anerkannte Idee ist jene, daß Flüsse im Laufe ihrer Entwickelung Gebirgszüge, welche in langsamer Hebung begriffen sind, ([uer durchbrecheu. Das Einschneiden muß dann gleichen Schritt halten mit der Auf- richtung des Querzuges, sonst würde dieser den Fluß ablenken ; auf diese Art erklärt man sich eine große Zahl der gewaltigsten Durchbrüche, so z. B. den der Donau bis zum Schwarzen Meere, des Poprad, der Aluta, der großen Ströme des Hymalaja, Indus und Brahmaputra. Daß bei unserer Lauter Spaltenbildung niemals eine ein- flußreiche Wirkung, am wenigsten in der Durchbruchsgegend hatte, ist schon oben nachgewiesen worden. Übrigens wird sich weiter unten ergeben, daß unser Thal verhältuismäßig jung ist, und seit der diluvialen Epoche, der die Terrassen ganz zweifel- los angehören, eine Bewegung der Schichten nicht nachweisbar ist. Thatsächlich lassen die Terrassen in ihrem horizontalen Verlaufe Veränderungen, etwa Knickungen, Bieguugen, die auf eine Hebung oder Senkung, also auf eine Erdbewegung inner- halb unseres Gebietes schließen lassen würden , niemals und nirgends erkennen. Der Satz, daß die Flüsse älter als die Gebirge sind, ist für unsere Lauter nicht anwendbar; beweist doch das ganze Buntsandsteingebiet durch seine horizontale Schichtung, daß im ganzen Gebiet seit dem Abbruch der Triastafeln große Stabilität geherrscht hat. Es brauchte die Lauter also keineswegs sich in ein hebendes Gebirge einzusägen, und unsere hohen Terrassen dürfen sicher nicht als solche betrachtet werden, die ursprüng- lich im tiefen Thale gebildet wurden und dann hoch gehoben worden sind. Also auch die zweite Theorie kann für die Ablenkung und den Lauterdurchbruch keine Anwendung finden; ein etwa sich hebender Rücken hätte die Lauter zweifellos in die alte west- liche Bahn zum Bruch, der ja stets offen stand, gedrängt. In diluvialer Zeit fanden, besonders in Südbaj'ern, manche Flußveränderungen und Ablenkungen dadurch statt, daß der Fluß sein eigenes Bett mit starkem GeröUe aufschüttete und dann, aus seinen Ufern tretend, entweder ein ganz neues Bett — 37 — oft mitteu durch Felsen grul) oder sich in einen anderen Fluß ergoß. Von besonderem Interesse waren mir diese Verhältnisse bei den berühmten Donaudurchbrüchen bei Kehlheim-Weltenburg. Südlich der jurassischen Zone wälzte einstens der Strom seine Fluten dahin, und sein früheres Bett ist nunmehr ganz gefüllt mit mächtigen Schuttmassen: die Donau verließ es und durch- brach die Vorposten des Jura. Sehr merkwürdig ist auch das Verhalten des lun, der gleichfalls die harte Gneißzone des Neu- burgerwaldes von Schärding bis Passau durchschnitt und den rings ihn umgebenden Geröllmassen auswich.^) Niemals habe ich in der Hardt Ähnliches beobachten können, und bei unserer Lauter mit ihrem sporadischen, so seltenen Gerolle hat durch Schuttanhäufuugen. durch eine Thal- aufschüttung niemals eine Eichtungsänderung stattgefunden. Rückwärtseinschneideu. Wir können uns die merkwürdige Ablenkung der Lauter nur in anderer Weise erklären. Nicht ohne Absicht auf die nun nötige Beweisführung habe ich oben von dem Rückwärtseinschneiden des Burggrabens, des kleinen Thälchens an der Gärtnerei Helfert gesprochen, das sich jetzt vor unsern Augen vollzieht und wodurch ein Absplittern, ein Zerteilen des Blockes Rittersberg-Kaiserberg-Rotberg erzielt werden wird. Nun ist aber dieser Hügel niedrig und unbedeutend und kann niemals größere lokale Regenmengen anziehen, er produ- ziert keine selbständigen Quellen von Bedeutung, und die Wasser- kraft zum Einschneiden nach rückwärts wird nur durch den jährlichen, allgemeinen Regenfall erzielt. Ganz anders aber ist es dann, wenn ein höherer Gebirgsrücken zerschnitten werden soll; ein reichlicher Regenfall und ein entsprechendes Gefälle fördern das Rückwärtseinschneiden des Thaies ganz besonders. Dieser Vorgang ist nun nach Philipp son (Studien über Wasserscheiden) ungefähr folgender : „Eine trockene, steile Runse am Gehänge, deren Auswaschung während der Regengüsse ge- schieht, stellt sich als eines der ersten Stadien der Thalbildung dar; diese Runsen haben verschiedene Längen. Während sie ■'b ') Vergl. Bay berger. Der Inndurchbruch von Schärding bis Passau. y/'\^yj_>i^^ Programm. 188(). A^n^^^ '-'c^^ — 38 — alle den uächstliegenden Thalbodeu erreichen, haben sie eine verschiedene Ausdehnung nach rückwärts. Die längeren sind vorgeschrittene Entwickelungsformen. Einige erreichen den Kamm, wo sie eine Einsenkung desselben erzeugen: diese ist die erste Andeutung des Durchbrnchs. Eine ungezählte Wieder- holung wird in der Länge der geologischen Zeiten die Durch- bruchslücke stetig erweitern und mit einem Male den Durchbrucli des Flusses bewerkstelligen. Es tritt somit eine Knickung des Flusses ein, häufig sogar eine Schlingenbildung, welche beweist, daß die Flüsse gezw^ungen werden, durch das bereits vorhandene Gebirge sich nach der Abdachung zu richten." Das alte Gesetz tritt also vielleicht erst nach unendlich langer Zeit, aber doch endlich in Geltung: nämlich, daß nur die jeweilige Abdachung des Landes maßgebend ist für die Richtungsbestimmung des Flusses; wird nun ein Fluß längere Zeit von diesem Drange, ihr zu folgen, zurückgehalten, behält er längere Zeit eine Richtung bei, die nicht in der maßgebenden Abdachung des Landes liegt, so kommen anderweitige Kräfte zu Hilfe, die dieses Gesetz zur Geltung bringen nnd dem Flusse jene Richtung geben, die diese Neignug, diese Abdachung nach sich ziehen muß. Hier greifen rückschreitende Erosion, rückschreitende Bäche, die bereits der gesetzlichen Abdachnng folgen, ein. Da jede Erosion vom Meere aufwärts landeinwärts zum Gebirge stattfindet, so geschieht auch jede Thalerosion von unten nach oben, es gilt somit der unterste Teil als der älteste, jede Furche höher zum Gebirge hinauf ist die jüngste Erosionserscheinung. Die nach rückwärts sich verlängernden Thäler müssen sich dann zuletzt einmal, nach Maßgabe ihrer Richtung, treffen und schneiden. Sind nun die Gefällsverhältnisse verschieden, so wird ein Wasserlauf den andern ablenken. Wenn nun Futterer') die Anforderung stellt, es müsse der Nachweis geliefert werden, daß ein abgelenkter Fluß Ge- legenheit hatte, früher sein Wasser anderswohin zu ergießen, so liegt die Erfüllung in unserm Falb' klar vor Augen: die Lauter hatte zunächst Gelegenheit in das große Becken von Landstuhl zu münden und in weiterer Lanfrichtung stand ihr das große, breite Bliesthal zur ^'erfügung. ') A. a. (). 8. (i(i. — 39 — Die Abdachimg eines Landes mm ist bei der Ablenkung nicht der einzige Faktor, der richtungsbestimraend auf ein Thal wirkt, es treten oft ganz andere Faktoren ein, und wir werden beim Rückwärtseinschneiden der Lauter noch hören, daß ein mächtiger Impuls von weither den Prozess beeinflußte. Ein geologisches Ereignis hat mit einem Schlage die ganze Hydro- graphie der Hardt verändert. — Ein großes Thalsystem erscheint uns wie ein wohlgeordneter Staat, in dem ein einziger, mächtiger Willensfaktor den letzten Mann beeinflußt und leitet, und ein einziger, mächtiger Vorgang im Hauptthale erstreckt seinen Einfluß bis auf die letzte und kleinste Runse im Gebirge. Erst später werden wir diesen mächtigen Impuls, der so bedeutsam für das Lauterthal war, kennen lernen, er wird noch in großer Anschaulichkeit in die Erscheinung treten. Ähnliche Diirchbriiche. Verlassen wir den Weg der Theorie und greifen wir nicht allzu entfernt liegende Beispiele heraus, die uns das Einschneiden der Thäler nach rückwärts praktisch vor Augen führen sollen. So herrscht in der Gegend des Gotthardstockes ein heftiger Kampf der Quelläste der Ströme um Platz und Wasser. Die Grenzregion am Maloggiasattel im obersten Engadin ist ein viel umstrittenes Terrain. Die Maira hat dem Inn sein oberstes, altes Quellgebiet genommen und ihre Herrschaft auf mehrere Kilometer nach Osten verschoben.^) Ebenso erwähnt Rütimever, daß der Tessiu durch den Bach des Val Piora sich auf Kosten des Mittelrheins bereicherte.^) Der östliche Rhein durchschnitt von oben nach unten den Sattel zwischen Chur und Reichenau auf das jetzige Niveau, lenkte den Hinter- und Vorderrhein in den östlichen Rhein ab und legte dadurch das Kunkelsthal in Stagnation. Ein rechter Seitenbach des Hinterrheins, der Schyn, fiel dem Oberhalbsteiner- rhein in die Seite, so daß das Thalstück von Tiefenkasteu über die Lenzerhaide nach Chur als ein Torso eines Stammthales aus dem Flußlaufe herausgeschnitten wurde. Eine entsprechende linke Seitenschlucht des Hinterrheins, die Nolla, wird einst in ') Heim, Seen des Oberengadin, Jahrbuch des Schweizer Alpenklub XV. S. 429. ^) Rütimeyer, a. a. 0. S. 52. — 40 — ähnlicher "Weise den Safierrhein nach dem Hinterrhein ab- schneiden. Wie Davos nnd Oberengadin. so liat auch die Lenzeiiiaide kleine Seen als Reste des alten nun ungehindert lokal abge- dämmten Flußlaufes. Durch dieses gegenseitig sich rückwärts Durchschneiden ist die Anordnung der Thäler in Graubündten so verwickelt worden.^) Ähnlich soll einstens der Inn durch die rückwärts ein- schneidenden Flüsse Isar und Lech abgelenkt werden, wenn die Querthäler weit genug nach dem Süden vorgerückt sind. Höchst interessant ist das Ablenken der Salzach durch Wähn er ^) dargestellt, allerdings ganz anders motiviert. Das Verhalten der norddeutschen Ströme hat schon längst die Aufmerksamkeit der Geographen auf sich gezogen. So floß die Weichsel-Oder in der breiten Thaluug des Oder-Warthe- Havelbruches zur Elbe ab. Diese Thäler bildeten nach Berendt^) beim Rückzuge des Eises die großen Samraelrinnen, welche quer vor dem Eise entstanden und mit ihm sich successive nach Norden verlegten. Die südlichen Hauptströme benützten die toten Thäler der früher nordsüdlich ziehenden Schmelzwasser und lenkten damit in ihre heutigen Bahnen ein. Es ist nötig, noch kurz zwei Beispiele anzuführen. So war die Wutacli im südlichen Schwarzwald einst ein Nebenfluß der Donau. Durch Tieferlegung des Rheins zwischen Bingen und Bonn(!) wurde das untere Wutachthal so vertieft, daß es das obere Wutachthal, welches in die Donau mündete, in einem rechten Winkel anzapfte und ablenkte. Der alte Wutachlauf zur Donau läßt sich noch heute über eine flache Wasserscheide (Torfmoor) und durch das Thal der Aitrach ver- folgen, durch Schwarzwaldgeschiebe besonders gekennzeichnet. Der abgelenkte Teil hat seitdem eine bedeutende Austiefimg erfahren, so daß die Seen des obern Wutachthaies beträchtlich verkleinert worden siud.^) ') Heim, Mechanismus der Gebirgsbildung. S. 322. ^) Vorträge des Vereins zur Verbreitung- naturwissenschaftlicher Kennt- nisse in Wien. ^) Die l'rsaclien der (»berriächeiigcstaltiuig des norddeutschen Flach- landes V. F.Walmschaflfe. Stuttgart. Ilugelhorn. S. 124, *) Ausland. 1870. S. 439. 4(53. — 41 - In der Beilage zur Allgemeinen Zeitung No. 72, 1896 wird von einer bj^drographiscli - geologischen Merkwürdigkeit der Münchener Hochebene gesprochen. Die das Tegernseer- und Schlierseergebiet entwässernde Mangfall strömte noch lange nach der Eiszeit bei München vorüber und mündete zwischen Freising und Moosburg in die Isar. Gegenwärtig aber ist die Mangfall ein Zufluß des Inn, indem sie ihren ursprünglich nörd- lichen Lauf bei Grub mittelst einer scharfen Abbiegung plötz- lich nach Osten verändert und bei Rosenheim sich mit dem Inn vereinigt. Wie die Mangfall aus einem Seitenfluß der Isar zu einem solchen des Inn wurde, ist augenscheinlich verursacht durch eine vormals nächst Grub östlich von der Hochebene zu dem viel tiefer liegenden Rosenheimer Becken hinabführende Regen- schlucht.^) Diese schnitt sich allmählich in das lockere Kiesgerölle der Hochebene nach rückwärts ein, bis sie das Mangfallbett erreichte, dessen Gewässer natürlich in rasendem Sturze dem starken Gefälle des neu eröffneten ^Abflusses folgten. Dabei tieften sie das wilde Hölleuthal aus, in welchem sie noch jetzt mächtig arbeiten, indem sie von Osten her die alte Scheidewand der Mangfall angriffen. Es ist nun Zeit, wieder zum Lauterthale zurückzukehren. Wie wir oben eine Reihe Beispiele von nah und fern für nötig erachteten, die uns dargethan haben, daß Flüsse trotz bequemen Ausweges oft die höchsten Gebirgsrücken durch- querten, so mögen auch die letzten Beispiele uns beweisen, daß häufig sehr merkwürdige Ablenkungen, Abschnürungen stattfanden, die uns alle sagen, daß das Problem des Lauterthaies keines- wegs allein dasteht, nicht ein dunkler Punkt für sich ist. Am meisten Verwandtschaft zeigt unser Lauterthal mit der Ablenkung der Mangfall und Wutach; mit letzterer steht sie eigentlich in direkter Beziehung, da Lautei- und Wutach vom Rheine ab- hängig sind. Maßgebend ist die Lage, die Meereshöhe der Erosious- basis, zunächst für unsere Lauter war es ursprünglich ') Sie durchbricht quer mehrere Moränen des ehemaligen Inngletschers. Vergl. F. Bayberger: „Der Inngletscher von Kufstein bis Haag": Ergiinznngs- heft No. 70 zu Petermann's Mitteilungen. 1881. — 42 — der Bruch von Landstuhl. Der Bruch von Laudstuhl wird durch v. Gümbel und Leppla ausdrücklich als ein altes Thalstück erklärt, das seine Entstehung- der Arbeit durch Wasser verdankt. Lange vor diesen beiden Gelehrten äußert Walt her dieselbe Anschauung : „Ein Strom, viel bedeutender als die kleinen Wasser, die jetzt da fließen, scheint den Einschnitt, das große Thal von Land- stuhl gebildet zu haben." ^) Und S. 293 äußert er nochmals, daß das große Torfmoor ihm als der Rest ehemaliger Stromgänge erscheine. Ferner äußert sich v. Gümbel: „Der zur Quartärzeit durch Flutungen bewirkten Ausformuug der Oberfläche müssen wir auch jene auffallend breite, beckenförmige Vertiefung zu- schreiben, welche jetzt größtenteils von Torf ausgefüllt von Homburg bis gegen Kaiserslautern sich hinzieht und unter der Bezeichnung „Landstuhler Gebrüch" bekannt ist." 2) „Wir sehen aus der Darstellung der Oberflächengestaltung, daß die Moorniederuug im großen Ganzen die Form einer Thalung oder besser eines Flußbettes hat, welches aus einem oberen geneigten Teil und einem unteren annähernd horizontalen Teil besteht, auf der rechten Seite ein steiles, auf der linken ein ganz allmählich ansteigendes flaches Ufer. " ^) Lange vor dem Urteile dieser ersten Autoritäten auf diesem Gebiete haben schon die Franzosen Coquebert und Jacquot die Ansicht geäußert, daß ein beträchtlicher Fluß das Thal durchflössen habe; dieser Ansicht haben sich spätere Autoren wie Steininger, C. v. Oynhausen, v. Dechen und La Roche angeschlossen, obgleich dann und wann wieder die Meinung geäußert wird, daß auch geologische Vorgänge mit im Spiele gewesen wären. So lenkt Jacquot die Aufmerksamkeit auf die Parallelität zwischen der Längsrichtung der Moorniederung und der Axe der Aufrichtuug des Saarbeckens, resp. dem großen südlichen Hauptspruug hin, welcher bei St. lugbert und Bexbach das produktive Kohlengebirge vom Buntsandsteiu 'abschneidet.*) ') Walthcr, Topische Geographie von Bayern. München 1844. ") V. Gümbel. Geologie von Bayern. 2. Tl. 1059. äj Leppla, Westpfälzische Moorniederang und das Diluvium. München 1886. S. 182. *) Leppla, Moorniederung. S. 158. — 43 — L e p p 1 a aber bemerkt . daß zur Annahme einer solchen Störung in der Moorniederung- kein Anhalt vorhanden ist, wenn- gleich der eigenartige Zusammenhang mit dem geologisch ähnlich gegliederten Steilabfall von Forbach nicht geleugnet werden soll. Die geologische Einzelaufnahme hat nun die aus d e r S c h i 1 d e r u n g d e r 0 b e r fl ä c h e n g e s t a 1 1 u n g hervor- gegangene Vermutung, daß die ganze Bruchniede- run g e i n e a 1 1 e T h a 1 u n g s e i , b e s t ä t i g t. Der obere Teil der Senkung vom Bliesthal bis zur Linie Hütschenhausen-Hauptstuhl ist mit alten Ablagerungen von Sand und Gerollen bedeckt und demgemäß als das Bett eines alten Flusses anzusehen, der in der Richtung von SW nach NO die Bruchuiederung durchzog.^) Die Gerolle dieses Flusses stammen aus dem Eotliegenden und dem Kohlengebirge und nehmen von SW nach NO, also in der Flußrichtung, rasch an Zahl ab; dagegeunehmenBunt- sandsteingerölle zu.^) Das westliche Gerolle, wie es Leppla beschreibt, und wie ich selbst an der Siebenbauernmühle bei Miesau beobachten konnte, ist größtenteils Qnarz, nicht allzugroß, tritt aber sehr massig auf. Die Buutsandgerölle, die doch nur von Osten, von der Hardt kommen können, nehmen bald ihre Stelle ein, und das scheint uns zu beweisen, daß die Wasser von Westen und Osten gleichzeitig in dieses große Becken einflössen, etwa wie heute noch Blies und Glan. und einstens noch dazu die Lauter. Nachträglich änderten sich die Verhältnisse, eine neue Epoche bricht an, und Lauter und Glan werden nach Nordwesten, die Blies nach dem Süden abgelenkt. Hier haben wir Thalverhältnisse der interessantesten Art vor uns. Eine tiefe Thalung, eine Mulde, die umgeben ist von Höhen von 400 und 500 m, ist zweimal eine Wasserscheide : zwischen Lauter und Glan, zwischen Glan und Blies. Von Westen und Norden her wurde eine Drainage ausgeführt, die, wäre sie nicht von eben genannter Richtung erfolgt, nunmehr von Süden her geschehen müßte. Man beachte nur, wie dünn- wandig das fi'ühere, linke Hochufer der alten Lauter bereits geworden istl Wie tief greifen die Thalwiirzeln der Moosalb, ') Leppla, Moorniederung. S. 158. ■-) Leppla, a. a. 0. S. 160. •^ •'^?^ — 44 — des Arnbaches. des Wiesbaches bereits vor bis zur Uferhölie des Bruches! Kartenskizze 2. B p u oh KdisenUmtern — -SiisSZEr^, Ss^^""^ ,.1. *'•■ ,,,,.^ ,-^...,^, -'^ Steilrand des Bruches ^^J^n/tf^^^ v>J^ Steilrand des Bruches = linkes Hochufer der früher nach Westen ziehenden Lauter. Statt Wasser zu sammeln, werden aus dem tiefen Niveau von 240 — 250 m alle Wasser durch Kanäle, die in den Beckenrand einen Erosionsschnitt von 200 m machen mußten, abgeleitet. Es wiederholen sich also iu nächster Nähe der Lauter dieselben hydrographischen Rätsel. Von Thalspalten muß gänz- lich abgesehen werden, die Höhe der Wasserstauung giebt Leppla zu etwa 70 m an: aber nicht genug zum Überlaufen. Es bleibt also für den Durchbruch der Lauter und des Glan (denn sie sind beide innig verwandt) nichts übrig als eine retro- grade Bewegung, ein Einschneiden nach rückwärts. Aus West und Nordwest gegen das große Thal des Bruches vordiingende Flüsse und Thäler zapften das große Thal an und ab, und durch diesen Flauken- angriff wurde es bis heute vi» 11 ig außer Dienst ge- stellt. l^]in Thal, das einstens mächtige Wogen von West nach Ost, von Ost nach West durcliHuteten, ist nunmehr trocken, leer, — 45 — öde. Blies, Glan und Lauter haben es trocken gelegt und die ganze Hydrographie der nordwestlichen Pfalz verändert. Wenn mau zu einer Erosion von rückwärts herein förmlich gezwungen wird, so muß man unterhalb des Lauterthaldurch- bruches einen anderen Fluß voraussetzen, der die Lauter ab- lenkte. Das mag ein Flüßchen gewesen sein, wie etwa heute der Odenbach, und andere oben genannte. Verlängern wir deren Richtung nach aufwärts, so treffen mehrere rechtwinkelig gegen die alte Lauter, aber unser ablenkender Fluß scheint eben am kräftigsten gewesen und am nächsten gelegen zu sein. Es muß ein unteres Lauterthal schon auch deshalb ange- nommen werden, weil sich nicht denken läßt, daß zwischen Glan und Odenbach ein wasserleerer, d. h. tlußleerer Raum existiert hat Der freie Raum zwischen diesen zwingt zur An- nahme eines selbständigen Blußlaufes. Aber worin bestand die Kraft abzulenken? Ursache der rückwärts sehreitenden Erosion. Einzig im Gefälle. Wer seinen Spaziergang die Lauter thalauf- und thalab- wärts macht, wird beobachten, daß das Gefälle oberhalb der Stadt und bis zur Kammgarnspinnerei ein sehr mäßiges ist. Es sind noch unverkennbare Zeichen einstiger Versumpfung vor- handen, die nach meiner Beobachtung auf die örtliche Anlage der Stadt Kaiserslautern von großem Einflüsse geworden sind : — erst, wenn die Lauter in den Durchbruch eintritt, nimmt sie ein bewegteres Tempo an. Die Lauter hat oberhalb Kaisers- lautern etwa 240 m, der Bruch von Landstuhl 237 und 235 m, das Gefälle nach Westen war also ein sehr mäßiges. Wie ganz anders gegen das heutige Lauterthal hinab. Wir haben schon bei Katzweiler 230 m und in W^olfstein 181 m auf die fast gleiche Entfernung wie die 237 m im Bruch; das giebt bereits einen Gefällsvorsprung von über 50 m. Bei Homburg hatte die frühere Lauter eine Höhe von etwa 229 m, in der gleichen Entfernung bei Lauterecken eine Meereshühe von 160 m, also einen Gefällsvorsprung von 70 — 75 m. Dadurch hat die lebhafte Lauter nach Nord- westen die trägere Lauter, die nach West und Süd- west floß, abgelenkt. Die Lauter zog es vor, in einem — 46 - kürzeren aber rascheren Lauf durch die Nahe den Rhein zu erreiclieu, als iu einem weiten Umweg der Mosel tril)utär zu werden, bezw. zu bleiben. Der Prozeß muß sich etappenweise vollzogen haben, indem seitlich einmündende Flüßchen den Block, den die Lauter durch- schnitt, zuerst in einzelne Stücke auflösten. So giebt namentlich die Katzweiler Gegend viel Anlaß zum Nachdenken. Wir haben dort überall die Spuren großartiger Erosion, es ist ein weiter Thalkessel, der durch die Höhen von Weilerbach-Rodenbach seinen Abschluß nach Westen rindet, und der ganz den Eindruck eines alten Quellgebietes macht, von dem aus die Anzapfung des westlich gerichteten Lauterthaies und dessen letzte Phase der Ablenkung nach Nordwesten vor sich gegangen sein mag. Es ist dies Terrain ebenfalls so verwaschen, so erniedrigt, so abradiert, so erodiert wie das Quellgebiet der Lauter selber oberhalb Kaiserslautern. Durch das Hagelgrundthälchen wurde die letzte Arbeit des Rückwärtseinschneidens dadurch wesentlich erleichtert, daß der letzte Rücken zwischen Otterbach und Kaiserslautern in zwei Teile aufo-elöst wurde. ■ö' Erosion der unteren Lauter. Aber je mehr wir das Lauterthal hinunterwandern, desto mehr Rätsel zeigen sich uns. Man beachte nur die merkwürdige Erscheinung : Die untere Lauter, die anzunehmen wür eben ge- zwungen wurden, hat bei Otterbach etwa eine Meei-eshöhe von 220 m und wenige Kilometer unterhalb durchbricht bei Eulen- biß der Fluß schon Höhen von 453 m ; er durchbricht Königs- berg-Sterzberg, Potschberg-Hochberg. Je weiter das Thal gegen Nordwesten zieht, desto bedeutender werden die Ufer, desto tiefer wird das Thal. Der Königsberg erreicht 549 m, der Sell- berg 546 m, gegenüber haben wir 428 m, den Sterzeiberg mit 445 m, während die Thalsohle etwa 180 m beträgt. Der Ein- schnitt des Thaies oder die relativen Höhen sind dann mehr als 300 m. Wie ganz anders bei Otterbach oder Kaiserslautern, wo die relativen Höhen kaum 100 und 150 m betragen und nicht besonders von der Landschaft abstechen. Erst unterhalb ^^'olf- stein, da sich die Gründungen von Glan. Lauter, Odenbach und — 47 — andern nähern, tritt wieder eine allgemeine Vertief iing der Land- schaft ein, offenbar nur durch Erosion erniedrigt. Demnach ergiebt sich im Lauterthal ein dreifacher Land- schaftscharakter: der von Kaiserslautern, der von Wolfstein, der von Lauterecken. Die Mulde von Kaiserslautern deutet auf die Zeit hin, als die Erosionsbasis der Lauter noch im Bruch von Landstuhl war ; „denn das Profil eines Thaies ist wesentlich durch die relative Lage und Veränderlichkeit der Erosionsbasis bedingt." ^) Das tiefe Thal von Wolfstein hat bereits den Glan und die Nahe als Erosionsbasis: von Hause aus mußte also das Thal von Lauterecken denselben Charakter haben, da die gleiche geographische Voraussetzung, die gleiche Erosionsbasis nämlich, gegeben ist. Nachträglich fand aber eine Veränderung durch die oben genannten Mündungen statt , die die Landschaft nivellierte. Beim Thal von Wolfsteiu tritt auch noch ein geologisches Moment hinzu, und das ist das widerstandsfähige Gestein, das die Lauter durchschneidet, und das zu so beträchtlicher relativer Höhe emporragt. Damit kommen wir auf eine neue Erscheinung. Die obere Lauter, namentlich in ihrem früheren westlichen Laufe, floß nur im Buntsandstein und entführte davon mit den Hilfsquellen in unendlich langer Zeit Schichte für Schichte. Die Nahe mit ihren oberen Neben- und Zuflüssen erniedrigte das Rotliegende Schicht um Schicht. Zwischen beiden Formationen liegen widerstandsfähige Melaphyre und Porphyre, die heute förmlich aus der Landschaft herausgewachsen sind und zur stattlichen Höhe emporragen. Und gerade diese Höhen durchbricht die untere, nord- westliche Lauter. Diese Erscheinung steht aber keineswegs für sich allein da. Schon oben wurde erwähnt, daß der kleine Reichenbach die mächtigen Höhen des Potzberg durchsägte. Dasselbe ist der Fall beim Glan, und es geschieht, wie bei der Lauter, stets von sehr tiefer Basis aus. Natürlich wäre doch, daß die im- ponierenden Höhen ihre Quell wasser gegen den Bruch und die *) Küster, Die deutschen Buntsandsteingebiete. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, 1891. - 48 — Lauter senden, und Glau und Lauter eine andere Direktion anweisen würden. An benachbarten Thälern sehen wir, wie der Prozeß vor sich gegangen sein mag. Kartenskizze 3. Zunächst erwähne ich das Thal von Elzweiler. Schon stehen die Quellen zwischen Hartmauusberg und Iviefernkopf; sie fressen sich augenscheinlich immer tiefer zwischen beide hinein und werden sie noch auseinaudersägeu. Es ist das gut verständlich, wenn man beachtet, daß sie auf einer Höhe von 400 m ihre Wurzeln haben und nach ganz wenigen Kilometern Lauf im Glan eine Erosionsbasis von etwa 170 m erreicht haben. Weiter fortgeschritten ist bereits der Bach von Eßweiler- Jettenbach; schon sind die Höhen Sellberg-Kiefernkopf durch- brochen, der Potschberg isoliert, und schon reichen die Quellen zurück bis zum Spannagel- und Galgenberg bei Kollweiler, um bald, gleich dem Glan und der Lauter, durch ein stetes Rück- wärtserodieren den Bruch zu erreichen. — 49 — Ein bedeutendes Stück weiter ist bereits der Odeubach gekommen, der den Höhenrücken schon durchschnitten hat, und, wenn ein weiteres Ausgreifen nach Süden stattfindet, beim Bruch anlangen würde, wenn dessen östliche Ausdehnung so weit reichte. Ganz so muß der Prozeß bei der Lauter und beim Glan vor sich gegangen sein. Damit werden wir nocli mehr gezwungen, ein unteres, ein nordwestliches, selbständiges Lauterthal anzunehmen, das gleich den heutigen Parallelilüßchen nach rückwärts einschnitt und unsere Lauter ablenkte. Denn unsere ostwestliche Lauter ist nachweisbar noch in den Bruch geflossen, als sie die Humberg- Galgenbergterrasse herausbildete, also bei 275 m Meereshöhe. Bei so tiefem Niveau konnte sie niemals mehr Höhen von 5 — 600m durchrissen haben; diese Arbeit leistete eine nord- westliche Lauter durch rückschreitende Erosion. Aber dieselben, ja noch großartigere Erosionen vollbrachte unsere, die westliche Lauter anderswo. AblenkuDg: der früheren Quellen der Lauter. Sehen wir das Quellgebiet unserer Lauter genauer an, so drängt sich uns die überraschende Thatsache auf, daß die Quelle nicht auf der Höhe der Hardt, am Westabhange des Weinbiet, des Kalmit entspringt. Ja, wenn wir als interessant betonen müssen, daß die nordwestliche Lauter im Mittellaufe Höhen von 300 m bezwang, so tritt uns im Speierbach, der bei Hochspeier ^) entspringt, eine noch merkwürdigere Erscheinung zu Tage. Der Speierbach hat auf dem Passe Hochspeier eine Höhe von etwa 270 m und durchbricht gegen Osten den gewaltigsten Höhenzug der Hardt, mit 554 ra das Weinbiet, 683 m im Kalmit und 626 m im Hohen Loog. Also der kleine Bach brachte es fertig, auf eine kurze Strecke von nur 20 km Schranken von 350 — 400 m Höhe zu durchbrechen. Natürlich und gesetzlich wäre doch, daß die Lauter mit ihren Queilarmen bis zur höchsten Höhe des Wein- biet, Drachenfels, Stoppelkopf, Kalmit, Hohen Loog greift, ja vielleicht hinüberreicht bis zum Peterskopf bei Dürkheim. *) Wenn vom „Speierbach" die Rede ist, so ist immer der von Hoch- speier gemeint. Der Speierbach von Speierbrunn wird dann ausdrücklich hervorgehoben. 4 .^ 50 — Diese Erscheinung, die wir am Bache von Hochspeier. bezw. an den Lauter([uellen beobachten kijnnen, wiederholt sich selir häufig; es fehlt in der Hardt eine durchgreifende Wasser- scheide, die sich an die höclisten Höhen kni'ii)ft. Bei Gümbel, 2. Teil S. 899 lesen wir: „Wir vermissen im 1)uckligeu Lande der Pfalz einen wasserscheidenden Höhenzug. Fast alle größeren Gewässer brechen quer durch die bergige Landschaft hindurch und sammeln sich zum Abzug in der Nahe oder ihren Zuflüssen Glau, Lauter und Alsenz. Sehr bemerkenswert ist, daß die meisten dieser Gewässer ihren Quellpunkt auf der Greuzscheide gegen das Hardtgebirge haben und gleichsam von dem Fuß der Hardt ablaufen." Diese E^rscheinung ist eine nachträgliche, denn wir sind genötigt, die Quellen auf der Höhe anzunehmen, die wir stets am Ostrand, hart am Rheinthale, suchen müssen. Lepsius äußert sich,^) daß seit dem Bestehen der gegen- wärtigen Hardt ihre höchsten Höhen immer scharf am Rande der Rheinebene standen , und die großen Tafeln in sanfter Neigung nach Westen abfielen. Es ist deshalb höchst wahr- scheinlich, daß die Lauter einstens viel weiter im Osten ent- sprang und allmählich ihre Quellen nach Westen verdrängt wurden. ') Allerdings zunächst von den Vogesen, wenn er sagt : ,,Für die innere Struktur der Vogesen ist es von Bedeatung, daß die Wasserscheide auf der Burgundischen Pforte nicht am Südende des mittleren Hauptkammes der Vogesen, am Elsässer Belchen ansetzt, sondern von diesem Berge sich zu- nächst östlich zum Südende des östlichen Bergzuges, zum Bärenkoiif begiebt und erst von diesem Berge aus in die Senke herabsteigt. Auch hieran ist zu erkennen, daß der östliche Bergzug, der Ostrand der Vogesen. von vorn- herein die höchste Erhebung des Gebirges war. (Lepsius, Die oberrhein. Tiefebene und ihre liandgebirge. Stuttgart. Kngclhorn. ISSö). Allein wir dürfen getrost dasselbe von der Hanlt annehmen, von iler Gümbel S. 1047 die Meinung äußert: daß das Gebirge an der ßheinebene vordem ,, nahezu ganzrandig'" war. Zu derselben Anschauung gelangt amh Thürach, wenn er die Meinung äußert, ,,daß das Klingbachthal sehr jung sein müsse, und die Masse des Treutelsberges noch mit der des Hatzelsberges und Abtkopfes im westlichen Teil zusammenhing. Dann aber dürften sich in dieser Masse viel bedeutendere Höhen befunden haben, als jetzt vorhanden sind". 51 — Fig. 13. w: a a a Zurückweichen der Wasserscheide ; // gegenwärtige Wasserscheide zwischen Lauter und Speierbach : a* Hochspeier : c Neustadt, Fuß an der Hardt ; d Kaiserslautern, Diese merkwürdige Erscheinung- wiederholt sich übrigens, wie schon erwähnt, mehrmals. Sämtliche Quellgebiete der Hardt sind anscheinend ganz gesetzwidrig nach Westen verlegt, und die Hardt wird oft in scharfem Schnitte und in fast gerader Linie durchrissen, und zwar außer dem Speierbache auch von der Isenach, dem Speierbache, der von Speierbrunn kommt, vom Leinbach und anderen. Letzterer hat bei Waldleiningeu eine Meereshöhe von 280 m und bei der Mündung in den Speierbach die Höhen des Schloß- berg mit 418 m und des Eisenkeil mit 447 m durchbrochen. Die Wieslauter hat bei ihrem Ursprung 379 m und durch- zieht Höhen von 500 und mehr Meter. Dabei lenken auf- fallenderweise die Elüßchen häufig rechtwinkelig ab, ganz wie beim Glan und der Lauter, und besonders auffallend tritt dies bei der Wieslauter hervor, deren oberer Lauf fast rein von Nord nach Süd gewendet ist, dann aber plötzlich bei Weiler im scharfen Winkel umbiegt, um im rein westöstlichen Lauf den Rhein zu erreichen. Aus den oben angeführten Thatsachen dürfte genügend dargelegt sein, um zu erkennen, daß die Wasserscheide der Hardt verändert, von den Höhen zurückverlegt wurde auf bedeutend tiefere Niveaus gegen Westen. Wir müssen immer daran festhalten, daß, als die Hardt entstand, ihre HiUie wie auch heute noch, näher dem Rheinthale war, daß sie zweitens mit dem Freiwerden der Höhen von der Meeresbedeckung von den östlichen Höhen herab die Wasser- rinnen und Wasserrunsen dem von unten nach oben herauf nach oben einschneidenden Flusse zuschickte, so daß der werdende Fluß ganz gesetzmäßig seine Tributären von der Kammhöhe bis zum Fuß des Gebirges zugesandt erhielt. 4* 52 Das Zurück verlegen der Wasserscheide auf das Plateau von Alsenborn und auf Johanniskreuz muß deshalb als eine nachträgliche Erscheinung betrachtet werden, und heute stellt sich somit die Hydrographie der Hardt als eine anscheinend widersinnige dar. Da das Wasser niemals aufwärts läuft und am allerwenigsten aufwärts erodiert und furcht, so kann das Speierbachtlial mit seinen wunderschönen Terrassen niemals von Hochspeier aus gegen Neustadt ausgef nrcht worden sein ; es muß der umgekehrte Prozeß stattgefunden haben: demnach rückten die Thal er von Osten nach Westen vor, ver- anlaßt durch die von Ost nach West rückschreitende Wasserscheide, die wieder das Resultat der rück- wärts schreitenden Erosion ist. Kartenskizze 4. n: Rücksdmntfin de Erosion Rlieinthal ? S^ilrand iilsUuU OL'Oin 1 — 53 — Oben betonte ich, daß das kräftige Gefälle der Lauter nach Nordwesten die träge westliche Lauter ablenkte. Ich wiederhole die Zahlen : gegen Lauterecken fällt die Lauter bei 32 km Länge um 80 m, also 2V2 m auf den Kilometer; aber gegen Homburg beträgt bei etwa gleicher Entfernung das Gefälle der Lauter nur 15 m, also auf den Kilometer nicht ganz V2 m. Energi- scher in ihrem Gefälle sind die Rheinthalflüßchen der Hardt, die Speierbachquellen, die die Lauter zunächst nach Osten ablenkten. Nehmen wir die Quelle des Speierbaches bei etwa 300 m an (267—270 m hat der Bach bei Hochspeier), so erhalten wir bei dem Austritt in die Rheinebene bei Neustadt mit 122 m bereits ein Gefälle von 9 m auf den Kilometer. Der Leinbach entspringt bei etwa 350 m und mündet unter- halb Frankenstein mit vielleicht 225 m Meereshöhe, giebt ein Gefälle von über 12 m auf den Kilometer. Noch bedeutender ist das Gefälle der Speierbachquelle, die bei Johanniskreuz entspringt : von 472 m Ursprungshöhe sinkt sie bei ihrer Mündung unweit Frankenöd bereits auf 196 ra, macht 15 m auf den Kilometer. Daraus ergiebt sich mit großer Anschaulichkeit : 1. daß das Gefälle der Rheinflüßchen ein äußerst kräftiges, ein unverhältnismäßig großes ist; 2. daß ein bedeutend schwächeres Gefälle die Lauter gegen Lauterecken hat; und 3. daß ein fast verschwindendes Gefälle die einstige Lauter gegen Westen, gegen Landstuhl-Homburg hatte. Daher erklären sich die tiefschhichtigen, reizenden Thäler der Hardt, die zu den anmutigsten Wanderungen einladen. Hier mußten die Wasser vertikal arbeiten ; die Lauter dagegen hat gegen Westen, gegen den Bruch hin, infolge des geringen Ge- fälles, eine horizontale Ausweitung des Thaies verursacht, und darum die Hache Mulde von Kaiserslauteru. Die geographische Ausbildung und Ausformung des Lauter- thaies nach Lauterecken hält aber in seiner landschaftlichen Schönheit die Mitte zwischen den Flüßchen zum Rhein und dem alten Lauterthale nach dem Westen, ganz entsprechend dem Gefälle, das zwischen beiden steht. Wie innig hängt also landschaftlicher Charakter des Thaies und Gefälle des Flusses zusammen! — 54 — Aber noch eine weitere Folgerung läßt das verschiedene G-efälle zu. Zunächst tritt klar hervor , daß die Lauter eine Art Wanderung durchmachte, zuerst nach Westen, dann nach Nord- westen und künftig wird die Richtung nach Osten eingeschlagen werden; denn es ist nicht anzunehmen, daß die Erosion des Speierbaches schon heute beendet wäre. Beachten wir nur die drei Mündungsniveaus der Lauter gegen Homburg mit 220 m, gegen Lauterecken mit 155 m und gegen Neustadt mit 122 m. Das raschere, lebhaftere Gefälle nach dem Rheinthale wird die beiden andern so lange bekämpfen, bis ein gewisser Gleich- gewichtszustand hergestellt sein wird. Dabei muß die Hardt noch ganz durchcjuert werden, und Kaiserslautern wird dann an den Speierbach zu liegen kommen. Ob bis dorthin von der Stadt noch ein Stein auf dem andern sein wird? — Wie tief greifen bereits Queich und Wieslauter nach dem Westen vor! Da ist der Speierbach, bezw. die Lauter noch weit zurück. Aber sie ist lebhaft an ihrer Arbeit; sie hat bereits begonnen, den Bruch sich tributär zu machen : durcli den nach Westen geöffneten Blechharamer Weiher, der ganz widersinnig einen östlichen Abfluß zur Lauter hat. Ferner furcht sich gegenwärtig hinter dem Schlaclithaus von Kaiserslautern eine tiefe, schön terrassierte Thalsclilucht ein, die die Schwelle des Lothringerhofes durchsägt und zum Bruch hinunter greifen wird'. All das wird einstens das Gebiet des Speierbaches werden. Schon ist der kräftige Lauterarm. einstens die Haupt- quelle der Lauter, brach gelegt; er ist heute ein Trockenthal, das den prächtigen Weg nach Hochspeier in sich führt, und so wird der Prozeß fortdauern, bis die (Tefällsverhältuisse in den Gleichgewichtszustand kommen werden. Aber früher hatte der Speierbach einen noch viel kräf- tigeren Impuls. Die Gefällsverhältnisse werden viel drastischer, wenn ich erwähne, daß das heutige Rlieinthal einstens um nahezu 200 ra tiefer war als es gegenwärtig ist; denn so mächtig berechnet man die Schichte, die der Rhein mit seinem Schutte bereits aufgefüllt hat. Damals haben die Höhen von Neustadt nocli imposanter aus dem Rheintliale hervorgeragt, und die Wasser stürzten ungleich energischer und tiefer herab als heute. Der — 00 — steile Abfall uach Osten hat zweifellos tiefschluchtige Wildbäclie hervorgerufen, die durch ihre wildbach-ähnliche Erosionskraft immer tiefer gegen Westen vordringen und die Wasserscheide immer weiter nach dem Westen verlegen mußten. In dem Maße, als der Speierbach durch tiefe Schnitte, Schluchten, durch notwendig dadurch hervorgerufene Einstürze an der Wasserscheide zu Ungunsten der Lauter diese immer weiter nach Westen zurückdrängte, mußte sich auch die Wasser- kraft des Speierbaches verstärken, indem die Seitenbäche der Lauter vom Speierbach angezogen und demselben dienstbar wurden. Sohin hat die Lauter mit dem Verluste von Gefälle auch den Verlust von Wassermengen zu erleiden gehabt, und zwar muß der ganz beträchtlich gewesen sein ; denn nicht allein der Speierbach, auch die Isenach hat ganz im Sinne des Speier- baches den Durchbruch nach Osten bewerkstelligt und den westlichen Flüssen Gefälle und Wasser genommen. So erklärt sich nach unserer Auffassung auch die auffallende Erscheinung, daß so häufig Seitenbäche, oder Bäche überhaupt, die augen- scheinlich früher eine andere Richtung hatten, abgelenkt und einem andern Thale von oft ganz entgegengesetzter Richtung angehörig wurden. Wir haben in der Hardt und im Westricht solche Fälle schon kennen gelernt und auch darzuthun versucht, daß sie mit Spalten und Klüften nicht in Verbindung gebracht werden können. Viel natürlicher wird durch das Rückwärts- einschneiden energischer Flüsse die oft rechtwinkelige Ablenkung der Quellbäche von einem Quellsystem zum andern erklärt. Aus diesen Erörterungen ergiebt sich nun: 1. daß wir das frühere, das erste Quellgebiet der Lauter hoch auf der Hardt zu suchen haben; der einstige Umfang ist wohl schwer mehr nachzuweisen : 2. ergiebt sich des weiteren daraus, daß die Lauter einstens um 300 m höher, also bei 600 m entsprungen sein muß : 3. in Erwägung nun, daß die Hardt schon manches Hundert Meter durch Denudation und Erosion verloren hat, so muß der Quellpunkt der Lauter noch höher, vielleicht bei 1000 m Höhe angenommen werden, eine Zahl, die sicherlich eher zu gering, als zu hoch erscheinen dürfte, da doch HonselP) 1500 m ') A. a. 0. S. 79. — 56 — Schichtenraäcbtigkeit als für verloren gegangen annimmt. Um so viel war das ganze Gebiet höher, um so viel mußten alle Flüsse höher geflossen sein. Bleiben wir aber mit unserer Lauter bei den nachweisbaren 600— 1000 m Höhe, von der herab die Quellen stürzten, so können wir annehmen, daß sie damals wasserreicher und kräftiger war. und wir begreifen wohl das ausgewaschene Thal von Kaisers- lautern, wir verstehen vielleicht eher die pralle Wand des alten Humberg, und nur ganz vorsichtig möchte ich die B'rage stellen: können etwa die scharfen Räuder der Sickinger Höhen, darf etwa der Bruch selbst damit in Verl)indung ge- bracht werden? Wir haben nun versucht nachzuweisen, daß die Lauter- quelle einst auf der Höhe der Hardt zu suchen ist: aber wir müssen noch weiter gehen und darlegen, daß sie noch weiter östlich lag. in der Gegend, wo heute der Rhein fließt, denn das Rheinthal ist eine Senke, in die liiuein ein bedeutender Gebirgs- stock verschwand. Älteste Lauterquelle. Einstens waren Schwarzwald und Wasgau , Hardt und Odenwald ein einziges Gebirge. Von der Tertiärzeit an bildete sich das oberrheinische Gebirgssystem heraus: alles, was um die Urgebirge Wasgau und Schwarzwald sich anlehnte, brach in vielen Tafeln auseinander und sank mehr und mehr nieder: östlich in dem schwäbisch-fränkischen, westlich in dem loth- ringischen Senkuugsfelde, und mitten zwischen den stehenge- bliebenen Gebirgen tauchte ein mächtiger Gebiigsstock in die Tiefe. Wie das alles geschah, ist hier nicht der Platz des näheren zu verfolgen : aber wichtig und für unsere Thäler von Bedeutung ist, zu erfahren, daß das Niedersinken dieses Rückens zwischen Schwarzwald und Wasgau. zwischen Odenwald und Hardt nach Benecke in die tertiäre Zeit verlegt werden muß. Für die lange Dauer des Prozesses, der Entstehung des tiefen Rheinbeckens, spricht der Umstand, daß er sogar in die dilu- viale Zeit ^hineinreichte, ja aus den Erdbebenerscheinungen, die heute noch das Rhein thai so liäuflg heimsuchen, wollen die Ge- lehrten schließen, daß der Senkungsprozeß jetzt noch fort- dauert. Auf noch heute andauei'nde Senkungen deutet der Um- — a( — stand liin, daß der Boden des bereits verschütteten Rhein- thales schon unter dem Meeresspiegel liegt. ^) Wie hoch mag nun dieser verloren gegangene Gebirgs- rücken ehedem gewesen sein? Wichtig ist für uns zu wissen, daß die Triastafeln und der Jura einstens hoch das ganze Gebiet überlagerten : es möge hier erinnert sein, daß heute noch Reste und Fetzen der alten Buntsandsteinbedeckung auf den höchsten Höhen vom Wasgau und Schwarzwald zu finden sind: zu erwähnen ist, daß Lepsius in seiner Studie über die Oberrheinische Tiefebene und ihre Raudgebirge auf Seite 6 folgendes Diagramm einfügt, das (aus den Ergebnissen Elie de Beaumont entnommen) folgender- maßen sich darstellt: Fig. 14. "3^--- >/- J ^-—-"^ ' — ~~~~~— ^' ^=^-- -B^ WasgcLiL. Rhein.pbf.n4:. Schwarzwald. Demnach ist eine Erhöhung des einstens geschlossenen (Gebirges in der Gegend über der Rheinebene gedacht. Dieselbe Anschauung äußert auch Leppla: Bestand an Stelle der Rheinebene der mesozoische Sattel, so werden die fließenden Wasser ihren Weg nach dem Pariser Becken genommen haben. ^) ^) Penck, Geographische Gesellschaft in München. Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin. XI. 1884. ^) Über den Bau der pfälzischen Nordvogesen und des triadischen Westrichs. S. 8;-5. t'brigens scheinen über diesen wichtigen Punkt „eines Sattels an Stelle der Rheinebene' übereinstimmende Anschauungen unter den Gelehrten nicht zu herrschen: Lepsius äußere sich: „Die Erwägung, daß die Eandgebirge der Rheinebene durch langsames aber lange andauerndes Absinken der Trias - und .Juratafeln, sowie des Tertiärs entstanden sind, giebt uns auch die richtige Erklärung des eigentümlichen Verlaufes der Flüsse im Stromgebiet des Rheines : der Neckar, der Main, die Zorn, die Mosel, die Saar, die Nahe und der Rhein selbst konnten deswegen die Gebirge, durch welche ihr Unterlauf geht, durch- fließen und durchschneiden, weil ehemals die Landstrecken ihres oberen und mittleren Laufes in einem höheren Niveau als jetzt sich befanden. In der langen Zeit vom jüngsten Tertiär durch das Diluvium bis>n die jetzige I r>8 — Das orlaubt «Umi Srhlni^, di\\) imsore liautoninolhMi noch WiMttM' ini iV^ttMt .11 siu'luMi sind, dal.» sii> luu'h 1i(»1um' aniit'iiomnuMi \V(MthMi niiisson. als luMito noch iui'>iili('li ist , ilainit hade d'w l.auliM- molif N\"ass(M-. itu'lir (icfiillo, «laiuil uu>lir tM-otUcrciuU' \\ ii'kuui:' als luMUtv I Uil das alles daiUMto imiic laiii^w »iooloii'isclic /.(Mtopoolio luudni'i'li. iliMin erst in iUm' IiMtiarrn /oit boti'ann der l\inbnu"li dos KMuMiUliaK^s . mid (M'sI scililtMu lialxMi di(> nach dtMn I'avisor JM^'kon ahtlitMMMidon iMMvässci' die WmIusIo orlitten, dio obtMi boi dov l.auttM- anr.tNloutiM wurden. .la das l.anterilial schoini iViilior iMno noch andere lu'- sehiohlo jivhabt /n hab«'n. Zwisvhen der llavilt. dor Sickiniivr Ibdie hinüber bis /inn lH>nutM\sborsi" ist tnne uralte riiatun;:, die schon vor der KMiein- Vorsenknuii' bestand. ou\c Mulde, ilie nach Lt^pj^la in der K'ich- tuniT Saariiiuiind . Mittelbach, K^nttwiu. llerscIÜHM'g, 8ciio|>ii. Hoclisv^eier. Hoitliniishausen nordöstlich ii('L:tMi das K'heinthal hittans iniiiidtMc. 8io ist orograpliisch ^nt wahrnelnnbar. und jidoidi eiuii'auii's habe ich ilavon bei dem U'uiidblick von» Huiu- bt»rg' aus dieser N'ertiofnuii' gejivn Nordosten Krwahnuuii' üvthau. Pie Moosalb, der Scliwarz- und Krbach uiui ein Teil der oberen Hlies tolg'en dieser uralt (Mi Tlialuui:- Ob die Lauter auch einst daviMt beeintUitit war und ihren Laut" /.ur Moosalb richtete, um damit die Blies schon in einem ihrer oberen Seitenbäeho /u erreichen, ob sie einstens nordöstlich zum Mainzer Becken sich wandte, dürfte aus dem heutigen Land- schat'tsbild kaum mehr zu erörtern sein. Krwähnt sei nur. daß IVrusio Wivv ä;vs sttihvostliobo IKavtsohlauil oiu Kontinent, unf \volol\oiii Flüsse ihr Hott oingruben; wÄluvml dei^selbon /.oit stuiken die Sehicbiontufeln in iler l\hoini>lHnu>, sowie i» dem schwäbiseh-fninkisehen nnd in dem Unhringisehen SoukuusrsK^lde immer tiefer »b. so daß sie sieh nur in einem bedeutend tieferen Niveau im VerhJiltuis «u den wenijivr tief rtb^resunkenen oder stehen jre- bliebeuen Horsten ^johwariswald. Vogesen. Odenwald und Hardt befinden.* ^S, 58.• Pellok iiußeri sich in der Geographisehen Gesellsehaft lu Münehen (Bericht in Terhandluujrt^u der Gesellsehaft für Erdkunde in Berlin \I. 1884, S. -k^^: , Beide Oebirjre vi*«'h\varÄ\vald-Wasg^ui'> sind jung, naoh Besrinn der Tortisirsoit existierte« sie- Lkvuk Südwestdeutschland war ein ebenes Land. im Norden von Trias-, im Süden von Juraschiehten aulgebaut Pa begann sieh das Areal der heutigen Rheinebene in senken, und der Saum der NaoJibar- jrt^biete hob sieh.* — 59 — die Wasserscheide der Lauter unweit Dansenberg oder über Hohenecken herein zur breiten Au etwas höher ist als die Wasserscheide gegen Alsenborn-Hertlingshausen. und daß auch in letzterer Richtung eine allgemeine Emiediigung der Land- schaft gegenüber einem Höherwerden nach Süden eintritt. Die Wasserscheide, zwischen Alsenz und Lauter, wie sie sich heute darstellt, hat eine Meereshöhe von 286 m. Über die Wasserscheide zwischen Lauter. Eis und Pfrim. also zwischen der eben erwähnten großen Thalung und dem Lauterthal, stehen mir genaue Zahlen nicht zur Verfügung, aber nach der Höhen- schichtenkarte können vielleicht 320 — 340m angenommen werden. Die heutige Wasserscheide gegen Süden, zwischen Lauter- Moosalb-Blies, wurde in liebenswürdigerweise durch Herrn Real- lehrer Tillmann in Kaiserslautern festgestellt, der unterhalb Dansenberg frote Hohl, Weg zur Espensteigermühle) 308 m und gegen die Weiher von Hohenecken 300 m Seehöhe fand. Diese Bemerkungen mögen nur dazu dienen, zu erwähnen. daß unsere Lauter eine merkwürdige Entwickelungsgeschichte hinter sich hat. Sie hat zweifellos verschiedene Wandlungen durchmachen müssen, hatte verschiedene Größen^ hat mancherlei Einbuße erlitten und ist verschiedenen Richtungen gefolgt: sie war stets beeinflußt von geologischen Ereignissen, denn auch ihre letzte Geschichte hängt innig mit der Entstehung des Rheinthaies zusammen. Oben wurde durch Zahlen dargethan. welche Bedeutung für das Lauterthal das tief liegende Glan- und Nahethal gegen- über dem höher liegenden Bruch hatte: von welch größerer Bedeutung die Rheinthalverseukuug für die ganze Hydrogi-aphie wurde, zeigen die Gefällszahlen sehr deutlich. Der Speierbach hat vom Ursprung bis zu seinem Eintritt in das Rheinthal etwa ein Gefälle von 9*^,00 die Isenach etwa l^loo die Eis „ ö^/oo die Pfrimm „ 4,5",'oo*) die Alsenz „ 3 — ^"/oo-) ^) Diese vier bezw. sechs Zahlen wollen auf große Genauigkeit nicht Anspruch machen : aber für ihre annähernde Richtigkeit spricht ihre gesetz- mäßige Anpassung an die übrigen Gefällsverhältnisse. -) Honseil, a. a. 0. S. 80. - 60 — die Lauter von Kaiserslautern bis Lauterecken 2,57oo *) die Lauter von Kaiserslautern gegen Homburg nur 0,45°/oo ^) die Nahe bei Oberstein 3,3"/oo, bei Kirn 2,4°/oo ^) zwischen Mimster a. St. und Kreuznach noch l,43'^/oo von Kreuznach bis Gerolsheim und Bingen l,2°/oo der Glan von Bruchmiihl an 2,00^/00^) und l,20°/oo^) und noch weniger. Die Saar von Saargemünd bis Louisenthal 0,404o/oo, bis Merzig 0,318^/00*) die Mosel zwischen Trier und Cuns 0,330°/oo Cuns und Trarbach 0,344°/oo „ Trarbach und Cochem 0,358°/oo „ Cochem bis zur Mündung 0,358°/oo^) Durchschnittlich ist das Gefälle der Mosel 0,336°/oo.^) Diese Zahlen sprechen sehr laut: je näherdemRhein- thale, desto energischer das Gefälle, und sichtbar nimmt es nach dem Westen und in starken Diffe- renzen ab; damit ändert sich der Charakter des Thaies, ins- besondere die direkte Laufrichtung. Die unmittelbaren Rheinthal- flüßchen haben geraden Lauf: je mehr nach dem Westen, desto gewundener wird er mit dem abnehmenden Gefälle, um in der Mosel, als mit dem schwächsten Gefälle ausgestattet, jene be- rühmten Schlangenwiudungen zu bilden.^) Das durch die Rheinversenkung hervorgerufene, ener- gische Gefälle hat die Wasserscheide sämtlicher Hardtflüßchen bereits weit nach dem Westen verlegt: sie beginnt mit dem Erbenkopf bei Pirmasenz, zieht von da über den Kettlingerhof, Roggenfels bei Lemberg, Grafenstein bei Merzalben zur Franken- weide mit dem Eschkopf bei Johanneskreuz und zum Heiligen- berg bei Hochspeier, um von da an sehr rasch sich nach Alsen- born , zum Stumpfwald und nach Stauf einzusenken und bei Göllheim zu erlöschen.') ') Vgl. Anin. 1 pg. 5U. 2) Vgl. Anm. 2 pg. 59. 3) Hon seil, a. a. O. S. 8U. *) Hon seil, a. a. 0. S. 86. •■*) Honscl 1, a. a. 0. S. 85. ") Man sieht hier wieder sein- deutlicli, daß von irgend einem Einfluß etwaiger Spalten auf die Thalbildnng keine Rede sein kann. '') V. G um bei. Bavaria S. 18. — 61 — Knüpfen wir wieder an das Lauterthal an und erwähnen wir. (laß die Lauter durcli die Mosel einen 4— 5 fach längeren Weg hätte durchlaufen müssen, um den Rhein zu erreichen. Bei dem äußerst geringen Gefälle der Mosel ist es begreiflich, daß die Lauter es vorzog, auf kürzerem Wege und rascher die Erosionsbasis zu erreichen. Maßgebend war also die Rhein t haiversenk ung. Durch die Bildung des Rheinthaies erlitt die Lauter Einbuße a n T e r r a i n , a n G e f ä 1 1 e u n d W a s s e r - menge. Durcli das R h e i n t h a 1 w u r d e u die F 1 ü ß c h e n Speierbach und andere der Lauter abwendig ge- macht. Durch das Rheinthal wurde die Lauter aus ihrem Westlaufe zur Mosel abgelenkt, da die Höhe der Erosionsbasis von 100 m, die dasRheiuthalhat, die Erosionsbasis des Bruches mit 230 m siegreich bekämpfte. Durch das Rh ein thai wird die Lauter noch weitere Einbußen erleiden. Denn die Verschiedenheit der Höhenlage der Erosiousbasis wird diesen Kampf der Quellen und Flüßchen so lauge weiter- führen, bis Speierbach und Lauter gleiches Gefälle haben, wenn nicht bis dorthin irgend welche geologische Ereignisse der ge- samten Hydrographie der Hardt wieder andere Bahnen geben. Die große Abhängigkeit der Hydrographie der Hardt von dem Einbruch des Rheinthaies steht selbstverständlich nicht allein im ganzen oberrheinischen Gebirgssystem da, sondern auch im Wasgau und Schwarzwald und Odenwald müssen sich dieselben Verhältnisse geltend machen und manche Wendung eines Flusses, manche rechtwinkelige Abbiegung einer Quelle kann vielleicht nur von diesem Grundgedanken aus erklärt werden. Ich erinnere hier nur an den höchst merkwürdigen Durchbruch des Neckars, der bei Stuttgart bereits eine Meeres- höhe hat, daß es erstaunlich ist, daß er in seiner westlichen Ablenkung noch Höhen von 5 — 600 m durchschneidet, um mög- lichst rasch das Rheinthal zu erreichen. Eine ganze Reihe von Flüssen entspringen hinter dem Höhenzug und durchbrechen das Gebirge. Dabei treten fast immer die rechtwinkeligen Ab- lenkungen der Quellen ein; ganz so wie bei der Hardt. — 62 — Wie anschaulich sieht man da den Prozeß vor sich gehen ! So möchte auf drei Flüßchen südlich von Neustadt hingewiesen sein: den Kropsbach, den Triefenhach und Blättersbach. Mit energischem Gefälle kommen sie von den höchsten Höhen in fast geradlinigem Laufe herab in das Tiefland. In ihrem un- verkennbaren Streben immer tiefer gegen Westen ins Gebirge vorzudringen, werden sie einmal im vollkommen rechten Winkel auf einige Seitentlüßchen des Elmsteiner Speierbaches (wie Argenbach) und auf Seitenflüßchen der Queich stoßen. Hier wird sich noch vollziehen, was anderswo bereits vollendet ist. In diesem Sinne möge es uns noch gestattet sein, nur noch ein Flüßchen, die schon oben erwähnte Wutach, die so viele Erscheinungen mit unserem Lauterthale gemeinsam hat, etwas näher zu beleuchten. Kartenskizze 5. Wulach II (ill PH ^■Olljfi^. wi i^'f^OÜ - 1000 m 300 m Ablenkung der Wutach. Sie greift mit ihren Quellen bis zum Feldberg zurück und ninmit in ihrem ganzen Oberlaufe die Richtung zur Donau ein. Ein bedeutender Höhenrücken scheidet das Donauthal, das 800— 750 m Meereshöhe hat, vom Rheinthal, das nur etwas über 300 m hat. Diese bedeutende Differenz in der Erosionsbasis, 450—500 m, hat die südsüdwestliche Wutach rasch nach dem Norden ausgreifen lassen, die bedeutende Höhe wurde durch- — 63 — rissen, und die westöstliche Wutacli abgelenkt und aus der Donauquelle ein Nebenflüßclien des Rheines gemacht. Wer das Wutachthal durchwandert, besonders aber die wahrhaft reizenden Thäler der Alb und Schwarza, dem wird die tiefe Erosion dieser Flüßchen nicht entgehen. Das berühmte Albthal hat nach meinen Beobachtungen seine landschaftliche Schönheit nur der erosiven Kraft des Wassers, der tiefen Erosiousbasis des Rheines zu verdanken : da muß das obere Douauthal sehr zurückstehen. Auch hier drängt sich wieder auf, wie sehr Erosionsbasis, tiefer, gerader Schnitt des Thaies, dessen landschaftliche Schön- heit, innerlich verwandt sind. Ganz so wie bei den Thälern der Hardt; und das alles erinnert lebhaft an die Thalverhält- nisse der Lauter mit ihren vielen Ablenkungen. Was aber bei der Wutach wissenschaftlich als feststehende, erwiesene Thatsache gilt, darf wohl auch bei uns als wahrscheinlich angenommen werden. Allein wir sind mit unseren Mitteilungen über die Geschichte des Lauterthaies noch nicht zu Ende, denn wenn die ganze Thalbildung besonders an die Entstehung des Rheinthaies sich knüpft, und dieses aber in tertiärer und diluvialer Zeit enstanden ist, so muß die Geburtszeit der Hj-drographie der Hardt gleich- falls in diese Epochen verlegt werden. Das Diluvium aber war ganz besonders von Einfluß auf die Entwickelung unseres Thaies, und es ist nun Zeit, uns mit diesem Kapitel zu beschäftigen, und nun werden wir endlich auch eine Erklärung für unser oft und viel genanntes Thal- rätsel, die Hahnenbrunnterrassen, finden. Eiszeit und LauterthaL In welchem Verhältnis stand das Lauterthal und die Lauter zur Eiszeit? V. Gümbel und namentlich Leppla haben sich viel mit der Vergletscherung der Hardt beschäftigt und sind zu einem negativen Resultat gekommen. Leppla äußert sich folgender- maßen: „Die gesamten Diluvialablagerungen der Nordvogesen haben mit Moränen nichts zu tliun. Sie lassen sich alle unge- zwungen als Ablagerungen älterer und breiterer Wasserläufe auffassen, wie sie während der Vergletscherung der Hochgebirge — 64 — die mitteldeutschen Gebirgszüge durchschnittlich im Sinne der heutigen Wasserläufe durchzogen haben mögen. Damit soll die Möglichkeit nicht bestritten werden, daß es auch in unseren Mittelgebirgen örtlich zur Vergletscherung in der Diluvialzeit gekommen sein mag. Bis heute fehlt es jedoch in den pfälzischen Nordvogesen an irgend einer Beobachtung, welche imstande wäre, aus einer derartigen Möglichkeit auch nur eine Wahr- scheinlichkeit zu machen." ^) Ebenso äußert sich Gümbel S. 1048 seines oft zitierten Werkes: „W>nn wir auch im Pfälzergebiet keine Spuren jener großartigen Erscheinung kennen, welche während der Diluvial- zeit in anderen Gegenden, selbst in den benachbarten Vogesen, an der Umgestaltung der Erdoberfläche sich beteiligten, nämlich die direkten Wirkungen der Eiszeit , so scheint doch auch in der Pfalz durch die verschiedenen übereinaudergelagerten Schichten sich erkennen zu lassen, daß auch hier ein analoger Entwickeluugsgang in der gleichen Zeit sich vollzogen hat." Mehlis jedoch veröffentlichte wiederholt treif liehe Be- obachtungen über Glacialspuren der Hardt, so vom Peterskopf ^ ) und bei Neustadt; aber sie fanden zunächst wenig Anerkennung. Nun aber hat Th Urach in allerjüngster Zeit die Frage nach der Vergletscherung der Hardt wieder aufgegriffen und seine umfassenden Beobachtungen in einer längeren Arbeit ver- öffentlicht.^) Er beschreibt namentlich im Klingbach- und Speier- bachthal mehrere Block- und Schotterablageriingen, teils nahe an der heutigen Thalsohle, teils auf bedeutenden Höhen, die nicht anders als durch Gletschertransport erklärt werden können. Dies gilt namentlich von der höchst merkwürdigen Blockablage- ruug bei Landau. Im Innern des Gebirges sind entsprechende Bildungen nicht vorhanden , und wenn sie etwa vorhanden waren, so ist alles später wieder zerstört worden. Und damit ') Leppla: War das Hardtgehirge in der Diluvialzeit verglet.'^cherf;' iHubus. 189U. S. 97. 98. 99. 2) Ausland, 1884. ^) Über moränenartige Ablagerungen bei Klingenmünster. Mitteilungen der Großherz. Badischen Geologischen Landesanstalt. Herausgegeben im Auf- trage des Ministeriums des Innern, ;{. Bd. 2. Heft. Heidelberg. 18;)'). Winter. Dann : Bericht über die Excursion in der bayrischen Kheinpfalz (11. April 1892) von A mm on und Thürach. Mitteilungen der Großherz. Badischen Geologischen Landesanstalt. 3. Bd. Heidelberg 1894. — 65 — fehlen auch direkte i^uhaltspiinkte für die einstige Entwickelung und Ausdehnung von Gletschern im inneren Teile des Gebirges. Aus dem Umstände, daß Gletscher am östlichen Hardtgebirgs- rande, mit zum Teil nur 500 — 550 m hohen Bergen bis in die Rheinthalfläche, 150 — 200 m tief hinabreichten, ergiebt sich, daß die Schneegrenze während der Eiszeit nicht höher als bei 400 m gelegen haben kann, wahrscheinlich noch etwas tiefer. Stein- manu setzt sie für den Schwarzvvald sogar auf 300 ra herab. Bei dieser tiefen Lage der Schneegrenze in den mittelrheinischen Gebirgen müssen auch die inneren Teile des Hardtgebirges aus- gedehnte Schnee- und Eisdecken getragen haben, von denen zahlreiche kleine Gletscher in die größeren Thäler nieder- gingen. In dieser Richtung vermag ich im Lauterthale Beobach- tungen nicht mitzuteilen. In der gesamten Umgebung von Kaiserslautern bis Landstuhl oder Otterbach und weiter hinab in's Lauterthal ist mir nichts aufgefallen, was irgendwie eine glaciale Deutung zulassen würde. Anders möge es vielleicht in der Gegend von Wolfstein sein. Da stieß ich wiederholt auf Vorkommnisse, wobei ich mir sagen mußte, hier kann Wasser allein nicht alles bewirkt haben — Blöcke und Gerolle schienen mir oft wie durch Eis transportiert — , Beobachtungen, die sich mir aufdrängten, ehe mir die Ergebnisse der Untersuchungen Thürach's bekannt waren, und als ich noch ganz der Anschau- ung Leppla und v. Gümbel beipliichtete. Es ist eben bedauer- lich, daß die Gesteine so wenig geeignet sind, Schrammen und Ritzen anzunehmen oder zu behalten. Eine andere ähnliche Stelle sei erwähnt. Nach Th Urach läßt sich die dritte Eiszeit in der Hardt nicht mehr nachweisen. Vielleicht, äußert er sich S. 86, ist es möglich, daß sich an einzelnen günstigen Stellen noch Schneegehänge gebildet hatten, welche das Abrutschen der Felsblöcke erleichterten und die Ursache zur Bildung von Blockwällen wurden, welche jetzt vom Gehäuge durch unbedeutende Depressionen getrennt erscheinen. Das erinnert mich lebhaft an die Blockhalde im Hirschsprung- thale oberhalb des Aschbacherhofes, südlich von Kaiserslautern. Seit vieleu Jahren habe ich sie oft beobachtet, und von jeher erschien mir die Stelle glacialverdächtig ; ich kann und will nicht behaupten, daß hier Firn oder Gletscher im Spiel waren, — 66 — aber das glaube ich bestimmt anuehmen zu köuueu, daß weder durch Wasser uocli durcli Abrutschungen im Verwitterungslehm solches Aufeiuauderstülpeu von Blöcken, die 3—4 cbm halten, ermöglicht wurde. Th Urach setzt nun die Firnlinie auf 400 m Meereshöhe fest. Daraus ergiebt sich, daß die Quelle der Lauter mit 250 m gar nicht in den Bereich der Yergletscherung gehörte. Aber wenn auch nicht die Passionsgeschichte einer Eis- zeit über unser Lauterthal hinweggegangen zu .sein scheint, so hat sie doch in doppelter Hinsicht die Entwickeluug unseres Thaies beeinflußt. Während die Eiszeit wiederholt in's Land ging und eine große Zeitepoche dauerte, müssen statt der Gletscher- massen bedeutende Wasserfluten das Lauterthal herabgegangen sein und namentlich im Bruch von Landstulil sich gesammelt haben. Sicher ist, sagt Leppla in seiner „Moorniederung S. 116", daß in der zweiten Hälfte der Eiszeit ein Strom in der Breite von mehreren Kilometern aus dem Kohlengebirge in den Biintsandstein bei Welles weiler trat. Aus der Zeit stammen bedeutende Lehm- und Schotter- bildungen am Nordufer des unteren Teiles der Moorniederung, am Wachkopf und Pfaifenberg, bei Katzenbach, sowie im NW von Hütschenhausen. Der Strom, welcher zur Zeit der Lehmabsätze kein bedeutendes Gefälle gehabt haben möge, nahm von Hütschen- hausen an eine viel größere Breite an und dürfte von Landstuhl bis Schwanden gereicht haben. Inselartig hervorragend war nur die härtere Sandsteinzone des Leitersberges und Iloden- bacher Berges. Allerdings hatte die Flut schon in der Höhe von Miesau nach Norden über Elschbacherhof etwa nach Dietsch- weiler einen Abfluß, welcher dem Laufe des Glanes folgte. Die Hauptmasse der Wasser nahm indes den geraden Abfluß nach NON und zwar einerseits über Mackenbach -Weilerbach, ander- seits über Landstuhl. Einsiedel, Vogelweh zum Lauterthal. Für dieses, wie für das Thal des Glanes, haben die diluvialen Wasser im besonderen Maße erodierend gewirkt." Es scheint also, daß der Westricli, besonders das Gebiet der Moorniederung, mit Flutungen stark heimgesucht wurde; werden doch von Leppla sogar bei Trii)pstadt und Kirrweiler hoch über dem heutigen Niveau der Flüsse diluviale (-ieridl- uiid Lehmlager beschrieben. — 67 — Für unsere WassersclieideverhältDisse ergiebt sich aus der Vergletscberuiig der Hardt gieiclifalls noch ein wichtiger Ge- danke. Wenn das Lauterthal keinen Gletscher hatte, so kann der Ursprung der Lauter zur Eiszeit nicht mehr auf der Höhe der Hardt hei 600 m gewesen sein : sonst wäre der Gletscher dem Lauterthal entlang nach dein Westen gezogen. Im schroffen Gegensatz hierzu hätte dei- Speierbach, wenn er damals noch hoch am Ostabhange entsprungen wäre, kaum einen Gletscher entwickeln können, einmal wegen des Steilgefälles; und besonders deshalb nicht, weil das Einzugsgebiet eines zu einem, wenn auch noch so kleinem Gletscher notwendigen Firufeldes gefehlt hätte. Es müssen also schon zur Eiszeit ähnliche Quell- und Wasser- scheideverhältnisse bestanden haben wie heute ; mithin ist die Thalbildung der Hardt vor der Eiszeit schon im wesentlichen fertig gewesen, und es wird nur das tiefere Ausfurchen, das erfolgreiche Erodieren auch in die Breite, eine Hauptthätigkeit der diluvialen Wasser gewesen sein. Daß die Wasserscheide zwischen Lauter und Speierbach schon sehr früh am heutigen Punkte augelangt war, beweisen auch die trefflich ausgebildeten Terrassen, die das ganze Speier- bachthal bis Neustadt hinab zu sehen sind, 40 — 50 m hoch liegen, und darthun, daß schon lauge das östliche Thal nach dem Westen zurückgriff und das Thalverhältnis von heute bestand. Von hohem Interesse wäre es mir gewesen, Terrassen oder doch Spuren solcher zu entdecken, die von der Höhe der Hardt herab das frühere Lauterthal begleitet haben, also solche mit der Neigung nach Westen. Aber trotz aller Beobachtungen und aller Aufmerksamkeit in vielen Jahren konnte ich solche niemals entdecken. Sehr begreiflich ; waren wirklich welche da, so mußten sie bei solcher Gesteinsart seit der präglacialen Zeit längst erloschen sein. Der Gedanke der präglacialen Entstehung der Thäler deckt sich vollkommen mit den oben erwähnten Thatsachen, daß die Hj^drographie der Hardt gänzlich abhängig ist von der Ent- stehung des Rheinthaies in der tertiären Zeit; demnach müssen die Thäler in ihrer Hauptentwickelung in diese Zeit verlegt werden, doch dürften sie ihre letzte Ausgestaltung bis etwa zur heutigen Form in der Glacialzeit erhalten haben. — 68 — Diese Anschauung wird häufig auch von Gümbel betont und deckt sich vollkommen mit folgender Mitteilung Tii Urach: Mehlis fand nämlich bei Neustadt einen Block, der wegen seiner runden Aushöhlung für eine Gletschermühle erklärt wurde. T hü räch hält an dieser Deutung fest und erklärt den Block mit seinen ihn umgebenden weißen Sauden der älteren Eiszeit zugehörig. Nun lag aber der Block 10 — 15 m tiefer als die jetzige Thalsohle: somit wären die Thäler, bezw. wäre das Speierbachthal zu Beginn der diluvialen Epoche bereits tiefer als heute gewesen. Das verweist die Thäler also wieder auf einen Ursprung in viel früherer Zeit hin. Löß. Ein weiterer Umstand, der mit der Glacialzeit innige Be- ziehung hat, kann nicht unbesprochen bleiben. Ich meine den Löß auf dem Rittersberg -Rotenberg bei Kaiserslautern. Er gilt überall als interglacial und wird somit allgemein in die diluviale Zeit hinein verlegt. Er findet sich gewöhnlich am Rande der alten, ehemaligen Gletscher, ist aber auch im Rheinthale w^eit verbreitet. Auf dem Rittersberge ist nun diese thonreiche, gelbe Frucht- erde, die die einzige Ursache der guten Äcker zwischen Kaisers- lautern und dem Hagelgrundthälchen ist, mächtig entwickelt; auf dem Rücken selbst konnte ich einige Meter Schichtdurch- messer beobachten, während die Flanken des Berges dünner bedeckt sind: wahrscheinlich wuirde er da nachträglich abge- schwemmt und fortgeführt. Ich fand keine deutlich erkennbare Schichtung, fand nur in der unteren Lage die unter dem Namen Lößkindchen bekannten Kalkkonkretionen und nesterweise die Lößschnecken. Löß-ähnliche Gebilde kann man nach Leppla das ganze Lautertlial hinab beobachten; ebenso bei Enkenbach und Münchweiler, im oberen Hochspeierthal u. s. w. Diese Ab- lagerung, äußert sich Leppla,^) die man getrost mit dem Rhein- löß übereinstimmend betrachten darf, entstammt auch seinem Materiale nach ohne Zweifel aus dem Rheinthale. und da wir sonst westlich des Lauterthaies nirgends löß-ähnlichen Gebilden ') Mooniiedening. S. 1^3. — 69 — begegueu, so liegt die Anuahiue einer Verbindung unseres Ge- bietes durch einen Seitenarm der durcli das rheinische Schiefer- gebirge im Mainzer Becken gestauten alten Rheinströmung längs der Einsenkung Göllheim-Langmeil-Moorlautern nahe. Dieser hypothetische Seitenarm müßte alsdann weiter seinen Weg durch das Lauterthal nach dem Glan und der Nahe ge- nommen haben. In der That tragen alte Thalstuf eii der Lauter löß-ähnliche Absätze. Leppla vertritt also hier die Auschauung, daß der Löß fluviatilen Ursprungs ist; aber die Anhänger eines äolischen Ursprungs des Losses wissen eine große Zahl von Beweisen an- zuführen, daß der Löß aus der sich niedergeschlagenen Schlamm- trübe entstand, die, wenn sie trocken war, der Wind hoch an die Gehänge der Thäler hinaufwirbelte, oft so hoch, daß Wasser- ablagerungen an solchen Stellen gänzlich ausgeschlossen sind. Der bedeutendste Vertreter für den Transport dieser feinen Thonstäubchen durch den Wind ist bekanntlich Richthofeu, der die wahrhaft großartige Lößbildung in China als durch den Wind zusammengewellt betrachtet. Auch v. Gümbel bemerkt auf S. 909 seines oft citierten Werkes, Geologie von Bayern 2. Tl., „daß man in jüngster Zeit fast ganz allgemein dem Löß einen äolischen Ursprung zuweist und annimmt, derselbe sei durch heftige Windwehen aus den feinsten Teilchen der Moränen- schuttmassen als Staub aufgeblasen, oder aus einer steppenartig trockengelegten Landschaft aufgewirbelt, an geschützten Stellen wieder abgesetzt worden". Wie dem auch sei, hier ist nicht der Raum, das des weiteren zu erörtern; auffallend ist es immerhin, daß der Löß sich so gerne in die Thäler hineinschmiegt und damit sicher eine innere Beziehung zum Thale selbst kund giebt. Großartig ist er im Rheinthale entwickelt und bildet dort die Grundlage der so üppigen Vegetation und des Reichtums der Gegend. Dann sehen wir außer dem oben erwähnten im Lauterthal echten Löß voll Konchylien an der Einmündung des Liudenbergerthales in das des Speierbaches, mehrfach dann im Hochspeierthal, ferner im Isenach-, Leiuiuger- und Eisthal. V. Gümbel selbst scheint einem fluviatilen Herkommen das Wort zu sprechen, wenn er sich S. 1051 des weiteren äußert : „Man bemerkt bei den zahlreichen Aufschlüssen niemals eine •<■•»• ^ — 70 — andere als liorizuntale , schichtenmäßige Auordimug . nie jene bogenartig gekrümmte Streifung, wie sie bei ÜbergußbilduDgen durch Windwehen, z. B. bei Dünen durchweg herrscht. Dazu kommt, daß zuweilen auch selbst größere Gerolle schichtenmäßig im Löß eingebettet sind, und daß selbst in der Verteilung der eingeschlossenen Schneckenschalen eine horizontale Ausbreitung derselben auf gleicher ebener Lage sich beobachten läßt. Dies alles spricht für die Annahme, daß der Löß einen Absatz aus mächtigen Wasserfluten darstellt, welche mit der großartigen Schnee- und Gletscherschmelze der Alpen zur Glacialzeit im innigsten Zusammenhang stehen." Da der Löß als interglacial, oder doch im allgemeinen als glacial betrachtet wird, so beweist er uns in der Art seiner Lage, daß das Lauterthal während der Diluvialepoche seine gegenwärtige Ausgestaltung bereits besaß, ja sogar am Ritters- berg etwas tiefer war, denn der Löß hat um einige Meter den Rücken sogar erhöht. Damit erhalten wir einen neuen Beweis für die Zeitbestimmung der Hardtthäler, der damit vielleicht treffender und genauer als durch den oben erwähnten durch Mehlis entdeckten ausgehöhlten Block gegeben ist, da eine Senkung am Rande des Gebirges, eine Senkung des Rheinthaies, noch heute fortdauern soll, und der Block heute tiefer gefunden Avurde als er vielleicht ursprünglich lag. Ferner, sollte auf die Anschauung von Gümbel und Leppla Bezug genommen werden, daß der Löß aus Flutuugen entstand, erhalten wir mit dem früher erwähnten Höhen- lehm neuerdings eine Vorstelluug. welch große Wassermasseu zur diluvialen Zeit gegen das Lauterthal hereinbrachen. Ein Strom von Südwesten, dann ein Strom vom Mainzer Becken her, muß für das Lauterthal von einschneidender Bedeutung gewesen sein. Aber das ist keine überraschende Erscheinung für sich, denn wir finden unsere Beobachtungen und Erfahrungen im Einklang mit den auch anderwärts im Rheingebiet konstatierten Hochfluten. Rheinisclie Hocliflutinarken. Die vom Rheine zur diluvialen Zeit abgelagerten Sand- und Schotterterrassen linden wir jetzt zum Teil in bedeutenden — 71 — Hölieu über dem Flußbette, an zalilreiclieu Punkten bis zu 300 m, clurchschuittlich 150 — 190 m höher als jetzt. An der Mosel und Saar herrscheu dieselben Erscheinungen. Grebe ^) giebt „die höchste Diluvialterrasse auf der rechten Moselseite bei Mariahilf südlich von Trier auf 4 — 500 Fuß Höhe an; hier lagert gelblicher Sand mit Geschieben bis 2 m mächtig: bei Conz liegen sie 300 Fuß hoch". Auf den Hochflächen bei Münstermaifeld liegen sie 209 m über dem Rheinpegel bei Koblenz; es scheinen überhaupt die Erosionen der Mosel in diluvialer Zeit geradezu enorm gewesen zu sein, da die Breitenausdehuung bis zu 10 km angegeben wird. Ähnlich sind die Verhältnisse der Saar. Nach Grebe lassen sich zu beiden Seiten des Saarthaies alte Flußläufe erkennen. Die diluvialen Massen zwischen Beurig und Irisch-ßüst deuten darauf, daß der frühere Lauf der Saar sich von Beurig aus gegen Osten nach Irisch-Büst und von hier in einem großen Bogen nach Okfeu zog, und dann läßt das breite, ringförmige Thal auf der linken Saarseite, das sich von Okfeu über Ayll, Tobiashauseu, dann über Waweru nach Bibelhauseu ausdehnt, auf einen alten Flußlauf schließen, und der Ayllerberg. den der- selbe umgiebt, erscheint als Insel. — Ein anderes, großes, ring- förmiges Thal auf der rechten Saarseite verläuft von AViltingen über Oberammei, Crettach, Ober- und Niedermening nach Oonz und zwischen Wiltingen und Obermening sind viele Kiesablage- rungen vorhanden; sie zeigen, daß einst ein mächtiger Wasser- lauf durch dieses Thal gezogen ist. (S. 481). Als ich das Schlachtfeld von Spichern besuchte, war mir's beim ersten Anblick klar, daß die Anhöhe, um die so furchtbar gekämpft werden mußte, ein altes, linkes Saarufer ist. und daß der öde, freie Exerzierplatz, dessen Durchschreitung den Preußen so viele tapfere Leute kostete, nichts anders ist, als ein altes, breites Bett der Saar. Die Wirkungen von Hochfluten sind nicht minder im Thal der Nahe zu verfolgen. Auf dem Hassenkopfe und Rochusberge fand ich bei 171 m über dem Spiegel des gegenwärtigen Rheines diluviales Gerolle. Die ganze Gegend zeigt großartige Terrassen- ') Über das Oberrotliegende, die Trias, das Tertiär in der trierisclien Gegend. Jahrbach der Kgl. preuß. geolog. Landesanstalt u. Bergakademie zu Berlin 1881. 1882. — 72 — bildung, der ganze Rocliusberg ist terrassiert. Wer die dortige Gegend durchwandert, nanientlicli den Rheindnrclibrucli von Bingen bis Bonn sicli besieht, ist erstaunt über die großartige Terrassierung des Rheinthaies, ähnlich der des Nahe- und nicht minder auch des Alsenzthales. Erst nachdem ich wiederholt diese Gegenden besuchte, ist mir manches in unserem Lauter- thale klarer erschienen. Das eine drängt sich allerorten von selbst auf: die tiefste Wasserwirkung rings umher verspürt mau allenthalben. Nach alledem dürften sich die großen Erosionserscheinuugen im Lauter- und Glanthal, im Bruch und im Bliesthale wohl erklären. Das jetzige Moor von Landstulil scheint das Sammel- becken aller Wasser der Blies, des Glan, der Lauter und mög- licherweise jenes Stromes vom Mainzer Becken herein gewesen zu sein, den Leppla annimmt, um das Lößlager auf dem Enkeu- baclier Plateau zu erklären. Vom Bruch aus brachen die Wasser über Lampertsmühle in's Lauterthal herein, vom Bruch aus drängten die Wasser gegen das Lauterthal, das schon längst nach Nordwesten offen war, drängten durch die Thälchen von Siegelbach und Erfen- bach, wo man ebenso hoch wie am Rücken des Halmeubrunner Forsthauses die Reste und Spuren von Terrassen erblickt und in den Thalwegen Weiher, Sumpf und Moor. Damit dürften wir endlich des Rätsels Lösung bekommen. Wenn die Humbergterrasse mit ihrem westlichen Verlaufe nach dem Bruche noch eine Lauter mit 275 m Meereshöhe hatte, so kann diese Lauter die Hochterrassen von 320 ra nicht for- miert haben; das ist gewiß, sondern: diese Hochterrassen charakterisieren sich nun nach allen bisherigen Erwägungen als Hochflutmarken und zeigen wahr- scheinlich den höchsten Stand der Lauter zur dilu- vialen Zeit an. Daß diese bedeutende Flutung nicht wenig dazu beitrug, die Nordwestablenkung der Lauter zu vervollständigen, deren Thal zu erweitern und zu vertiefen, ist kaum abzuweisen. Nun können wir verstehen, warum trotz des offenen Thores nach dem Westen im Lauterthale so hoch gelegene Terrassen sich bilden konnten. Die Ablenkung der westlichen Lauter geschah, nachdem sie unter das Meeresniveau von 275 m sank. — 73 — Nun brach die diluviale Zeit au uud uiußte den Durclibrucli in der Hauptsache schon geschehen vorfinden ; denn das Wasser hat stets das Bestreben den Weg" des geringsten Hindernisses aufzusuchen. Statt den etwa noch vorhandenen breiten Eücken zu durchsägen, hätte es seinen Hauptausfluß aus dem Bruch durch den Glan nehmen müssen : aber die nordwestliche Ab- lenkung durch ein unteres Lauterthal war schon geschehen, die Bildung der Hochterrassen war dann das Werk bedeutender diluvialer Wassermassen — das Werk der diluvialen Lauter. Damit sind wnr zum Schlüsse unserer Erörterungen ge- kommen und es erübrigt uns noch, kurz unsere Resultate zu- sammenzufassen. Eingangs wurden Beobachtungen über das Lauterthal mit- geteilt uud aus den Gerollen, und besonders durch die Terrassen, der Beweis geliefert, daß das Lauterthal ein echtes Erosionsthal ist. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß die Lauter einstens in den Bruch mündete, aber durch ein mit stärkerem Gefälle aus- gestattetes Flüßcheu von Nordwesten herein an der Flanke angegriffen und abgelenkt wurde. So kam das Gesetz der allgemeinen Abdachung nach Nordwesten zum lange vorent- haltenen Rechte. Ferner haben wir versucht, uns klar zu legen, wie es möglich war, daß die untere Lauter bei tiefer Quellen- aulage (etwa Otterbach) die imponierenden Höhen von Wolf stein durchsägen konnte : wir haben gefunden, daß die Wasserscheiden steten Veränderungen, stetem Verdrängen von Osten nach Westen ausgesetzt waren, und heute noch ausgesetzt sind: zuerst im Gebiete des heutigen Rheintliales (im versunkenen Gebirgs- rücken), dann im Gebiet des Weinbiet und Kalmit, jetzt tief im Thale oberhalb Kaiserslautern — und zwar abgelenkt und verdrängt durch den kräftig erodierenden Speierbach. Wir fanden außerdem im Lauterthale auf uud ab allenthalben Spuren be- deutender Wasserfluten und können uns trotz des breiten Thores nach Westen die Hochflutmarke vom Hahnbrunner Forsthause durch einen Ausbruch derWasser vom Moor von Landstuhl wohl erklären. Die gefundene Hochflutmarke von 70 — 80 m stimmt mit der von Leppla an den Räudern des Landstuhler Bruches gefundenen Zahl gut überein. Die Lauter hat somit eine ziemlich merkwürdige Geschichte: das Thalstück bei Kaiserslautern ist wohl der älteste Theil des — 74 — ganzen Lauteitliales: ein Teil ging im IJheintliale verloren, ein Teil wurde abgelenkt, ein anderer hörte durch Trockenlegung des Bruches auf aktiv zu sein, und das jüngste Thalstück be- ginnt gleich unterhalb Kaiserslautern und reicht vielleicht bis Otterbach — es ist das Durchbruchsgebiet. Sollte die Lauter innerhalb der uralten geologischen Mulde durch die Moosalb zur Blies einst geflossen sein, vielleicht so- gar gedrängt durch die Flutungen, die den Löß brachten, so erreichte sie das Flußgebiet der Mosel viel früher, als zu jener Zeit, da sie durch den Bruch die Blies erreichte. Und nunmehr ist sie der Nahe tributär geworden, und maßgebend wird künftig der Speierbach sein. Man sieht (vorausgesetzt, daß ihr südlicher Lauf zur Alb augenonnnen werden darf), wie sie strahlenförmig einen Halbkreis beschrieb, und in ihrer langen Entwickelungsgeschichte sich von Süd uacli Südwest, West, Nordwest wandte, um aber künftig nach dem Osten abgelenkt zu werden. Die letzten Phasen wurden durch den Einbruch des Rhein- thales veranlaßt. Das llheinthal wird auch weiterhin das Schicksal des Lauterthaies bestimmen. 75 — Bau, Lebensweise und üntersclieidung der Schlangen. Vortrag, gehalten in fler wissenschaftlichen Sitzung am 26. November 1898. Von Professor Dr. 0. Boettger. (Mit 7 Textfiguren.) Verehrte Damen nnd Herren! Die äußere Traclit liat sich bei den Sehlangen in Fjirhiino- und Zeiclmung' weit mehr an die Umgebung-, in der sie leben, angepaßt, als bei vielen andern Tiergruppen. Die Schlangen der Wüste zeigen das fahle Gell) des Sandes, die des Wald- bodens das Braun des abgefallenen Laubes, die der Baumkronen und der Wiesen das Grün der Blätter und des Grases, die des Süßwassers das Grau des Schlammes, die Seeschlangen das Blau und Weißgell) der Wogen des tropischen Meeres. Aber die Färbungen mancher ScWangen spotten einer solchen einfachen Kegel. Lassen wir z. B.. wie wir es mehr- fach gethan haben, im mittleren Brasilien größere Auf Samm- lungen von Schlangen machen, so fällt uns auf. daß eine erheb- liche Anzahl von Stücken die Farben „Leuchtendes Korallenrot, hervorstechendes Milchweiß oder Schwefelgelb und tiefes, glän- zendes Schwarz" in eigentümlicher Anordnung zeigt, und daß die Muster, in denen diese Farben auftreten, sich auf drei Grundformen zurückführen lassen. Die erste Zeichnungs- form bieten uns rote Schlangen mit mehr oder weniger zahl- reichen schwarzen Vollringen, die vorii und hinten weiß oder gelb eingefaßt sind und in gleichweiten Abständen voneinander den Körper umziehen. Die zweite Zeichnungsform ist von der ersten nur da- durch verschieden, daß die schwarzen, hellgesäumten Ringe in — IP, — regelmäßigen Al)stän(len zu zwei uiul zwei, also paarig, stehen. Bei der d litten Zeiclinungsart bilden ebenfalls in gleichen Intervallen immer drei solche Eing-e in der Art eine Figur, daß die äußeren Ringe schmä- ler, der innere Li ing' aber brei- ter ist: man spricht dann von Triaden schwarzer Einge. T^ntersuchen wir nun diese ,,rot-weiß-schwarzen" Schlangen eingehender auf ihren Bau, so fällt uns auf, daß sie sich in Bezug auf die Körperform und die Hautberteckungen fast gar nicht, in Bezug auf das Gebiß und die Zahnl)ildung aber sehr wesentlich unterscheiden. Bekanntlich ist für die Gruppe der Schlangen außer dem Mangel der Gliedmaßen besonders charakteristisch die leichte V e r s c h i e b b a r k e i t der nur lose aneinander gehefteten Knochen des Schädels. So sind sowohl die mit Zähnen besetzten Ober- kiefer k n o c h e n, als auch die meist ebenfalls bezalmten Gaumen- und Flügell)eine weder unter sich, noch mit dem Schädel ver- wachsen und gestatten weitgreifende, seitliche Bewegungen. Ebenso sind die beiden, vorn in der Mitte voneinander getrennten, aber durch ein elastisches Band zusammengehaltenen T'^nter- kiefer in der Art durch das verschiebbare Quadratbein und dieses wieder durch das gleichfalls bewegliche S(j[uamosum am Schädel eingelenkt, daß sie beim Verschlingen einer Beute außerordentlich ausgiebige seitliche Bewegungen auszuführen imstande sind. Diese Beweglichkeit der Kopfknochen wird beim Schling- akte nocli unterstützt durch eine in der Längsrichtung gelegene Hautdu]»likatur in der Kinngegend, die sogen. Kinn fur die. die nur wenigen Schlangen fehlt. Die ganze Schädel- und Gebiß- — 77 — einrichtimg deutet also darauf hin. daß diese Tiere ihre Beute als ein Ganzes, unzerstückelt. mit Haut und Haaren versdilingen. Jetzt wird uns auch yerständHch, wieso es möghcli ist. daß die Schlang-en Beutetiere verschlucken können, die um das Doppelte und mehr l)reiter sind als ihr Kopf. Daß dabei Zähne zum Kauen überfHissio- sind, wird uns ebenso verständlich, wie der Umstand, daß die Zunge bei einer so geschmacklosen Nahrung, wie es der Pelz eines Säugetiers oder der Schuppenpanzer einer Eidechse ist, nicht mehr als Geschmacksorgan zu fungieren hat, sondern zum Tastorgan geworden ist. Auch dafür, daß beim Akte des Verschlingens eine regelmäßige Atnumg stattfinden kann, ist in der Wehe gesorgt, daß die ül)er der Zungenscheide gelegene Luftröhre vorn aus der Schnauze herausgestreckt werden kann. Tm übrigen sorgt eine außerordentlich kräftige Verdauung durch Al)scheidung von chemisch sehr wirksamen Drüsensekreten im Magen und in dem nur wenig gewundenen Darmkanal für die Auflösung und Assimilierung des als Nahrung aufgenommenen Beutetieres. Kommen wir nun wieder zu unseren rot- weiß-schwarzen Schlangen aus Brasilien zurück und untersuchen wir sie zuerst in Bezug auf die Form, die Stellung und die Zalil ihrer Ober- kieferzähne. Da sehen wir zu unserem Erstaunen, daß wir die Stücke in 9 verschiedene Gruppen auseinander lesen können, die alle einen voneinander merklich verschiedenen Zahnbau zeigen. 20 <^^^^^?^:?^;^^^^:;^:^:^'^ SimopUs rhmostoma Schlg. (Färbung nach Schema III). ^'^'^'^^'x^rr^^^^^^V '' Ilt/drops mariiusi Wgl. (I). 11 (^ -— ....^^ ^ \^ Atradiis latifroiis (yi\\v. (lo&evll). ^^^^^^^^ " \ „ elaps Gthr. (II). 10 11 + ! d Ilysia sci/tale L. (I). "^^crrmrc-^ ^ IJrotheca hicinda Herrn. (II). — 78 — 4 + 2 >^T 10 + 2 ( -^^"e^x^^ ^ 9 <^:^^^^^ Lystrophis semicindiis D. B. (II). Süd -Brasilien. Erythrolamprus aesculapii (L.) (I oder IIj. 10 + 2 (^^^^WTx^ 15 Oxijrhopiis trigeminus D. B. (IIIj. Elaps (Korallensclilaiig'e ) : und zwar E. surinamensis Cuv.. marcgravii Wied, splxi Wgl., frontalis I). B. nnd lemniscatns L. und nocli drei andre seltnere, die nach Schema III, und Elaps corallinus Wied und buckleyi Gthr., die nach Schema I gefärbt sind. In sonstigen Kennzeichen und namentlich in äußeren Merkmalen unterscheiden sich die genannten Schlangenformen nur wenig. Ich will hier nur drei solche Kennzeichen kurz er- wähnen. Was die Pupille {b) anlangt, so ist sie spaltförmig hei Oxyrhopus und manchen ^^^-«c^z^s-Arten, rund dagegen bei den übrigen genannten Gattungen, nämlich bei Simophis, Hydrops, Ilysia, Urot/ieca, Lystroplns, Erythrolamprus und Elaps. Ein Frenale [a] fehlt bei Hydrops., Atractiis, Ilysia und Elaps; vor- handen ist es bei Simophis, Uroiheca, Lystrophis, Oxyrhopus und Erythrolamprus. Endlich finden wir das Anale ungeteilt bei Atractus, Ilysia und Oxy- rhopus, geteilt bei Simopliis, Urotheca, Hydrops, Lystro- phis, Erythrola))iprus und Elaps. Unsere bisherigen Unter- suchinigcii haben uns gezeigt, daß wir durchgreifende Unterschiede nur am Scliäckd und zwai' vor allem in der Hezahnung (k's ()l)ei- und des Unterkiefers gefunden haben. Wir liaben aus der Masse dieser brasilianischen Schlangen ü (iattungen herauslesen können, die unbedingt liaiin- — 79 — los, 2 die verdächtig- oder bedingt giftig- sind, und nur eine, die in zahlreiclien Arten auftritt und nach dem ersten und dritten ol)eng'enannten Schema g-efärbt und g-ezeichnet ist. die (Tattung- Korallenschlange (Elaps). die absolut g'iftig ist. So auffällige Färbung-en, wie die hier genannten, sollen gesehen werden, sie sollen schon von weitem zeigen, daß das Tier, das sie trägt, ungenießbar, gefährlich, in unserem Falle giftig ist. Man nennt solche gTellen Farben Schreckfarben. Auch in Deutschland linden wir Tiere, die sich in ein solches Schutzgewand kleiden : ich erinnere in dieser Beziehung an den leuchtend orangegell) und schwarz gefärbten Landsalamander unseres Taunusgebirges und Odenwalds. Wir haben es hier mit einem der besten Beispiele der ICigenschaft zu thun. die man mit dem Namen „Mimicry" be- zeichnet hat. Bei wirklicher, echter Mimicry stimmen unge- schützte oder nicht hinreichend geschützte Tiere in Farbe, Zeichnung. Form, Haltung oder Bewegung mit solchen Tieren überein, die durch irgend eine Eigenschaft — in unserem Falle durch ihr Gift — vor ihren Feinden geschützt sind. Sie wohnen zugleich — und das ist ausdrücklich zu betonen — unter oder neben diesen sogen. „Modellen" oder haben doch wenigstens be- nachbarte Aufenthaltsorte. Wie ist nun diese Mimicry zu erklären? In unserm Beispiel am besten wohl durch die sogen, „natürliche Aus- lese", durch das Überleben des Passendsten, durch das Über- leben des am besten Angepaßten. Alles wechselt im Laufe der Zeit im Tierreiche, auch die Tracht und die Färbung. Schlangen, die durch die grade bei diesen Tieren so ausgeprägte Veränder- lichkeit in Farbe und Zeichnung gelegentlich einmal einer Gift- schlange, die die nämliche Gegend bewohnt, ähnlicher geworden sind als andre ihrer Art, werden deshalb leichter von ihren Feinden verschont als diese, und sie vererben bis zu einem ge- wissen Grade die von ihnen erworbenen Eigenschaften, während die weniger geschützten zu Grunde gehen und weniger oder keine Nachkommenschaft hinterlassen. Im Laufe der Jahr- liunderte und Jahrtausende verstärken sich durch die Ausmerzung der weniger geschützten und durch das Lebenbleiben der gift- schlangenähnlicheren Tiere diese Schutzeinrichtungen immer mehr und niehr, und durch die Vererbung werden sie immer stärker — 80 — gefestigt, so daß schließlich, wie in unserem Beispiel, acht nahezu gleich gefärbte und gezeichnete Tierarten entstehen, die sich — natürlich unbewußt — die giftige Korallenschlange zum Modell genommen haben. Mit „Nachahmung" dürfen wii" somit das \\'ort Mimicry, wie es oft geschieht, nicht übersetzen; als Mimicry ist vielmehr zu bezeichnen „eine Übereinstimmung zweier im System weit voneinander entfernter Tierarten in ge- wissen äußeren Eigenschaften, die entstanden ist durch natür- liche Auslese weniger gut geschützter Stücke im Laufe langer Zeiträume". Leider fehlt uns für diese Hypothese noch das beweisende Experiment, das aber nicht so schwierig anzustellen sein dürfte, namentlich in zoologischen Gärten schlangenreicher Tropen- gegenden. Unser Fall wäre z. B. für den neuen Garten von Parä in Brasilien ein recht passendes Versuchsobjekt. Man brauclite nur die verschiedenen einander ähnlich gefärl)ten Schlangenarten einmal einzeln, dann aber auch in bunter Mischung ihren Feinden aus der Vogelwelt vorzuwerfen und zu notieren, welche davon zuerst verzehrt, welche widerwillig oder nur bei Hunger genommen und welche ganz zurückgewiesen werden. Ein älmlicher Fall von Mimicry liegt bei gewissen Schlangen aus Mexiko vor. Auch hier sind es schwarz-weiß-rote oder schwarz-gelb-rote Arten der (xattungen Geophis, Trojjidodipsas, Coronella, Ur^otheca und Scolecophis^ die sich ebenfalls die auch in C'entralamerika verbreitete Gattung der Korallenschlangen (Elaps) zum Muster genommen haben. Etwas anders liegt der Fall bei einigen sehr bunten, ober- seits längsgestreiften, unterseits dunkel ciuergebänderten Schlangen im tropischen Indien. Hier sind es die Giftschlangen Doliophls (frülier Adeniophis), Calloplns und Hemibungarus, die von giftlosen iVrten der Gattungen Ccdamaria, Pohjodontophis und Ablabes, die jenen zur Nahrung dienen, kopiert werden. Hier nützt den giftlosen Arten nämlich ihre Tracht nicht gegen ihre Schlangenfeinde, wohl aber gegen ilire übrigen Feinde aus der ^r ., Vogel- oder Eidechsenwelt. (/> = Ectontervs'oid) ^^^ ^" ^^"^' namenthch von A. B. Meyer und Er. Haase angeführte l^eispiel von Mimicry zwisclien Callophü und Doliophis halte icli übrigens für »_ 81 -. gar keine Mimicry, da beide Arten ja giftig sind, wenn auch Doliophis in weit höherem Grade als Callophis. Während bei der letztgenannten G-attung die Giftdrüsen normal hinter und über dem Oberkiefer liegen, zeigt Doliophis so außerordentlich stark entwickelte Drüsen, daß diese beinahe das ganze erste Drittel des Rumpfes einnehmen und soweit nach liinten reichen, daß sogar die Lage des Herzens dadurch beeinflußt wiixl, das ein gutes Stück nach rückwärts verschoben erscheint. Weitere Fälle von Mimicry an Schlangen aus Indien lassen sich bei Hipisies hydrinus Cant, und bei Chersydrus yranidahis Schnd. beobachten, die beide in Flußmündungen und im brakischen Wasser der Küste, namentlich Hinterindiens, leben. Sie kopieren in Form und Färbung die giftigen Seeschlangengattungen Hy- drophis und Dlstira. Bei allen den genannten Arten treffen wir übereinstimmend gelbe Färbungen mit breiter blauschwarzer Ringelzeichnung und einen melir oder weniger ausgebildeten, von der Seite zusammengedrückten Ruderschwanz. Auch die Beschuppung des 15 « C^^^r^^rsT^T:^----^ ^, , Körpers und die ^ Chersydrus Beschilderung des Kopfes zeigt ^ + ^ ^ Hvr^^^^^^^^;z:7r^ Hi pistes ^^^^^ ^^^ ^^"^ e^^^" losen wie bei den giftigen ebenge- + ^0 *" (JtJ — ^^^^^rcr^ Hydrophls nannten Gattun- gen ähnlich, aber in der Bezahnung weichen sie ebenso stark voneinander ab wie die vorhin von uns geschilderten brasilianischen Arten. Noch ein Fall von Mimicry aus Afrika erheischt ein- gehendere Besprechung. Er betrifft den süd- und westafrika- nischen E i e r f r e s s e r (Dasypeltis) , der in der Form, der Färbung und Zeichnung, dem fehlenden Frenale, den hohen Kielschuppen namentlich an den Körperseiten in ganz auffallender Weise eine giftige Sandotter (Echis) oder eine Otter (Vipera) vortäuscht. Namentlich Echis carinata Schnd. erinnert sehr an diesen Eier- fresser. Seine Tracht nützt ihm sicher bei seinem ganz einzig dastehenden Nahrungserwerb. Während nämlich alle übrigen Schlangen sich von lebenden Tieren ernähren, die sie, wie wir bereits gehört haben, stets ganz verschlingen, lebt diese Art 6 a ^ H2 ™ vuii \'uoeleieni. Diese Xaliiuno' hat die Kiefev uiul die Ein- g'eweide des Eierfresseis in einer ;:aiiz merkwiirdijieii Weise iimoet'ormt. wie I^i'of. L. Katlia liner nach ]\rateiial aus unserm ]\rusenin iiacliweisen konnte. iSelion früher Dcm/peiiis EcMs war bekannt, (hil:', die vSchlano'e das Ei unver- letzt vei'scliling-t. es im Innern der Speiseröhre durch eigentüm- liclie. sclineidende Hervorraoungen der Halswirhelbasis zerdrückt und die Eischalen sodann wieder ausspuckt. Es zeigen sich nämlich im Innern der SpeiseriUire zwei (rruppen von unteren Wirbelfortsätzen oder Hypapophysen. die die Wandung des Rohres durchbrechen: eine vordere Reihe von schneidenden, in die Längs- richtung des Tieres gestellten Platten, die vom ersten bis zum 26. Halswirbel reichen und von denen namentlich die 22. bis 26. zum Zerschneiden der Eischale dienen, und konisclie oder zahnförmige. nacli vorn gerichtete Spitzen hinter jenen Platten, die auf der Unterseite des 27. bis 84. ^^'irl)els in die Speise- ri'yhre hineinragen und dazu dienen, den Eischalen den Dnrcli- tritt in rlen Magenmund zu verwehren. All diese Fortsätze Ije- stehen übrigens nach Kathariner"s Untersuchung aus Idoßem Knochengewebe und zeigen keinen Zahnschmelz, wie man wohl früher meinte, dürfen strenggenommen also auch niclit als „Wirbe] zä Im ('•■ bezeichnet werden. Hinter dem 84. Wirbel, grade in (k-r Herzgegend, verengert sich die Speiseridire auf nur 2 mm Weite, und dann folgt der etwa 2') cm lange. 1 cm weite, geräumige Magen. Nocli ist zu bemerken, (lal.l diese unteren Wirltelfortsätze die Sclileimhaut der Speisei'idire durch- dringen und in ihM'selben verscliiel)bar sind, eine reclit unge- wöhnliche Erscheinung, die vielleicht nur vergleichbai' ist mit den sogen, „freien l\ipi)enenden". die l)ei (h'in südeuropäischen und nordafrikanisclien Ri])penmolche. Muh/c iraUli Micinili.. ge- legentlich die Seitenhaut des Kiu'pers durchboliren. DaLi solche Stücke mit freien i>i]t])enspitzen. die die Haut durchbohren, in der Freiheit — wenn auch selten — vorkommen, ist eine sicher verbürgte 'i'hatsache, die vor einigen Jahren von Prof. Fr. Leydig eingehend besprochen und als i)athologische Erscheinung -~ 83 — gedeutet worden ist. Prof. Fraisse hat die Meinung- ausge- sprochen, daß in diesem Hervorstoßen der Rippen ein gewisser Schutz für den Molch liegt, indem sich die Rippenspitzen — wie bei den Stacheln des Sticlilings — recht wohl zur Ver- wundung eines angreifenden Feindes eignen und jedenfalls das Hinabschlingen als Beute erschweren, wonicht unmöglich machen. Es fragte sich deshalb, unter welchen Tieren wohl die Feinde dieser Molche zu suchen seien, und Fraisse vermutete, daß bei der großen Gefräßigkeit der Rippenmolche die größeren Exemplare einfach die kleineren verschlingen möcliten. wenn diesen nicht ein gewisser Schutz zukäme. Dr. von Bedriaga schließt sich dem ersten Teile dieser Erklärung an, glaubt aber nicht an den Schutz gegen ihresgleichen, da gewöhnlich nur die erwachsenen Molche freie Rippenenden zeigen, sondern vermutet vielmehr darin ein Abwehrmittel gegen die Ringelnatter und die Vipernatter, die notorischen Hauptfeinde dieser Molchart. Und ich möchte mich dieser Erklärung anschließen. Um wieder auf unsern Eierfresser zurückzukommen, so hat Prof. Kathariner weiter gezeigt, daß beim jungen Tiere die Zähne auf den Kiefern stärker, die AMrbelfortsätze in der Speiseröhre dagegen schwächer entwickelt sind, und daß auch die auffällige Verengerung zwischen Speiseröhre und Magen- eingang fehlt. Aus gewissen Anzeichen vermutet nun Katha- riner, daß sich der junge Eierfresser von Regenwürmern er- nährt, und daß die Eiernahrung erst eintreten kann, wenn sich die genannten anatomischen Einrichtungen mit dem Wachstum des Tieres ausgebildet haben. Diese Erklärung erscheint um so plausibler, da es leicht einzusehen ist, daß bei der geringen Schädelgröße und der schwächeren seitlichen Erweiterungsfähig- keit der Kieferknochen ein Verschlingen immerhin relativ großer Vogeleier seine Scliwierigkeiten für die kaum dem Ei entschlüpfte, junge Schlange haben dürfte. Neben dem afrikanischen Eierfresser existiert nur noch eine Schlangengattung, die sich ebenfalls von Vogeleiern ernährt. Es ist die Gattung Elachistodon aus Bengalen, die aber im System weit von ihr getrennt werden muß, da sie sich aus einem Schlangen- stamme mit hinteren Furclienzähnen entwickelt hat. Wir haben bis jetzt nur einzelne der vielseitigen Lebensäußerungen der Sclilangen kennen gelernt. Außer 6* — 84 solchen Gattiing'en. die den Boden hewolmen. und solclien. die im Siißwasser oder im Meere leben, giebt es audi zahlreiche Formen, die unterirdisch und solche, die kletternd auf Bäumen leben. Zu den unterirdiscli lebenden Sclilangen gehören nament- lich die Blindschlangen der Famihen Typlilopidae und Glau- coniidae. Sie zeichnen sich aus durch die solidere Verknöcherung' ihres Schädels, die Verkümmerung des Auges, die Verkürzung- und Stumpt'lieit des Schwanzes oder durch das Auftreten von Schwanzscheiben. Solche Einriclitungen am Scliwanze dienen diesen (Arabern unter den Schlangen als Rücklialt und als Stütze bei ihrer Minierarbeit. Bei vielen hiehergehCtrigen Schlangen zeigen sich aucli noch Reste des Beckengürtels.. So besitzt Glmiconia ein verkümmertes Becken, an dem Pubis. Ilium und Ischium und sogar noch ein rudimentärer Oberschenkel nachzu- weisen ist, während Tt/phlojjs von Beckenelementen nur ein scliwer liomologisierbares Knöchelclien aufzuweisen hat. Bei dieser G-e- legenlieit sei bemerkt, daß auch bei den Riesenschlangen, und zwar sowohl bei Boa wie bei Pi/ihon, Reste des Beckens und der Hinterghedmassen vorhanden sind, daß bei den Schlangen aber Andeutungen des Scliultergürtels und der Vordergliedmassen recht selten sind und sich nach A. Carlsson auf rudimentäre Schultermuskeln und Andeutungen von Armblutgefäßen be- schränken. Im Schädelbau ist TijjMops von Glaucoma leicht zu unter- scheiden. W'älirend Ti/phlops auf dem (juergestellten ()l)erkiefer kräftige Zähne trägt, die dem Unterkiefer fehk'n. treft'en wir bi'i G/ai(- conia das Um- gekehrte. I )!(' Famihe (k'r auf Ceylon und Südindien be- Typhlops Glaucoma sclnünkten Uropeltidcii iiiid die früher sogen. ("alamarii(h'n. eine dlruppe der großen Famihe der Colubrifk'u oder Nattern, haben /war — So- den wurmförmig-en Bau und die Reduktion des Auges, sowie die unterirdische Lebensweise mit den Blindschlangen gemein, erfreuen sich aber einer typischen colubriden Bezahnung, d. h. sie besitzen Zähne im Ober- und im Unterkiefer. In der Lebens- weise haben alle diese grabenden Arten viel Gemeinsames, sie stellen den Erdwürraern nach und erreichen nur geringe Größen. Viele von diesen im Verborgenen lebenden Schlangen werden zu den Raritäten gerechnet; mitunter kann man aber doch Massen von ihnen fangen, namentlich nacli tropisclien Regengüssen, wie der verstorbene Tli. Kolb gezeigt hat, dem unsere Sammlung melirere sehr schöne Arten von lTroi)eltiden aus den Gebirgen Südindiens verdankt. Von Baum seil langen will ich hier nennen neben zahl- reichen Vertretern der Riesenschlangen, die sich durch Greif- schwänze auszeichnen, die früher oft als Familie abgetrennten Dendropliiden mit zahlreichen, meist grün gefärbten Gattungen {Herpetodri/as, Dendrophis, Philothmniius, Leptophis^ Uromacer), die Dipsaden {Langaha mit ihrem eigentümhchen Nasenfortsatz, Stenopliis, Dipsadomorphus ^ Hmiantodes und Leptodira), die früheren Dryophiden (Ckri/sopelea und die meist grün gefärbten Arten von Dryophis und O.njheUs). die giftige, sich an Elaps anreihende, grün gefärbte Gattung Dendraspis aus dem tropischen Afrika, die insektenfressenden Amblycephaliden und die zu den giftigen Viperiden gehörigen, z. T. mit Greifschwanz versehenen, fast durchweg grünen Gattungen Atlieris und LacJiesis. Während der größte Teil dieser Baumschlangen auf Baum- eidechsen und V("»gel. einige auch auf Laubfritsche und kletternde Nagetiere Jagd machen, ist die Familie der Amblycephaliden, die in Indien und dem tropischen Amerika wohnt, darauf an- gewiesen, von den Zweigen der Bäume aus in der Dämmerung Nachtschmetterlinge im Fluge zu fangen. Die Fähigkeit, das Maul nach der Seite hin zu erweitern, ist gering: es fehlt ihnen die Kinnfurche. Eingehende Vergleichung der Schlangen gleicher Aufenthalts- orte zeigt, daß die Übereinstimmungen, die sie untereinander besitzen, zweifellos neuere Erwerbungen sind, so die Färbung und Zeichnung, der schlankere oder gedrungenere Körperbau, der Greifschwanz der Baumschlangen, der Ruderschwanz der Seeschlangen. Alles dies sind sicher nur jung erworbene An- — 86 — passimgen an das Baum- oder Wasserleben oder an das Leben unter der Erde, und diese Spezialisierungen gehen oft so weit, daß der ursprüngliche anatomische Bau der Tiere ganz verdeckt und verdunkelt werden kann. Die Schlangen sind ü])erliaupt aufzufassen als altertümliche, beinlose Eidechsen, die im Laufe der Zeit sehr viele Organe eingebüßt haben, die mit andern Worten durcli mannigfaltige, aber im allgemeinen konvergente Anpassung aus verschiedenen, ursprünglich sehr weit von- einander abweichenden Grundformen in der Jetztzeit einander äußerUch sehr älmhch geworden sind. So also sind in Form und Färbung einander überaus ähnliche Tiere entstanden, die doch in ilirer Ahnenreihe, d. h. in ilirem ursprünglichen Bau[)lan — je weiter wir zurückgehen — um so stärker voneinander verschieden waren. Daraus erklärt sicli auch die auffallende Tliatsaclie, daß eine Einteilung der Schlangen nach dem Gebisse, wie sie Dumeril und Bibron im ersten Drittel dieses Jahrhunderts aufstellten, ein halbes Jalirhundert lang durch andre weniger natürliclie Systeme verdrängt werden konnte, bis sie vor fünf Jahren, haupt- sächlich durch G. A. Bou lenger, wieder zu ihrem K echte gelangt ist. Als Ursprünglichstes dürfen wir wohl den Bau des Schädels, des Gebisses und der Wirbel betrachten. Danach richtet sich auch die jetzige Haupteinteilung der Famihen, in die wir die mehr als 1800 lebenden Schlangenarten einzuweisen haben. Für die neuere Systematik ist von Bedeutung geworden namenthch die Entdeckung eines wichtigen Merkmals an der Unterseite der Wirbel bei einer sehr großen Anzahl von Colu- briden. Die Hypapophysen zeigen sich nämhch oft längs der ganzen Wirl)elsäule deuthcli als schneidende Fortsätze — als ein durclilaufender Kamm — entwickelt. So liaben z. Ix die Colubriden der Insel Madagaskar olme Ausnahme diese Fortsätze, und auch unsre Bingelnatter zeigt sie. \^'äliren(l man früher nocli zahlreiche Schlangen Madagaskars zu den ameri- kanischen Gattungen Liophis, Heterodon und Dromicus stellte, und Wallace hauptsäclilicli auf diese auffallenden Überein- stimmungen der madagassischen Fauna mit Südamerika hin eine Landbrücke zwischen lieiden (lebieteii in früheren JMditciiiHk'n verlangte, ist jetzt die Ähnlichkeit (hr beiden Faunen in Bezug — 87 — auf Schlangen weit geringer und beschränkt sich auf die Gattungen Tz/pfdops, Cofallus, Boa und Folijodontophis. Der Form der Pupille mißt man dagegen bei den Schlangen jetzt niclit mehr den hohen \\''ert hei wie früher und wie man bei Fröschen und Eidechsen, namentlich Geckonen, zu tliun be- reclitigt ist, wo sie zum mindesten generisclie Bedeutung hat. Sclilangen mit Katzeni)upille z. B. brauchen nicht notwendig Nachttiere zu sein. So wissen wir von den indischen Lycodonten, die eine Spaltpupille besitzen, daß sie die Mäuse, von denen sie leben, in deren Gängen aufsuchen. Auch für unsre Kreuzotter ist dieser Nahrungserwerl) nicht ganz unwahrscheinlicli. Also weder die Form der Pupille, noch der Bau der bald glatten, bald gekielten Scliuppen läßt sich zu einer befriedigenden Einteilung verwenden. Ja, nicht einmal ist die Trennung der Schlangen in zwei große Abteilungen, in Giftschlangen und in giftlose Schlangen, zu rechtfertigen. Es giebt nämlich sowohl in der Bezahnung wie in der Giftführung alle denkl)aren Über- gänge. Wir kihmen in ^^'ahrheit vom soliden, kegelf(3rmigen Zahne der giftlosen Arten durch den leicht gefurchten und den tief rinnenförmig eingeschnittenen Zalin der verdächtigen x\rten jeden Übergang und eine ununterbrochene morphologische Reihe bis zu dem typischen hohlen Giftzahne der Ottern und Klapper- sclilangen nachweisen. Auch entwicklungsgeschiclitlich ist der Nachweis erlu'acht, daß der liohle Giftzahn aus dem Furchen- zalm hervorgegangen ist. I'nd was die Giftführung anlangt, so ist eine ebenso ununterbrochene Reihe zu bemerken, in der sowohl chemisch wie physiologisch zwischen giftiger und giftfreier Sekretion nirgends eine scharfe Grenze gezogen werden kann. Sehr interessant ist namentlich die jetzige Anordnung der C 0 1 u b r i (1 e n : I. Reihe. Mit soliden Zähnen: Agli/pha. 1. Acrochordinae. Süßwasserarten. 2. Coliihrinae. Boden-, Süßwasser- und Baumschlangen. H. Rhacliiodoni inae. Eierfresser. II. Reihe. Mit hinteren Furchenzähnen : Optsfhogh/pha. 4. Hon/alopsinae. Süßwasserarten. 5. Di pmdomorphi nae . Boden- und Haumschlangen. 6. Elachistodonlinae. Eierfresser. — 88 — III. Reihe. Mit Furchen- oder Hohlzähnen vorn: Proterogh/pha. 7. Hydrophiinae. Meeresbewohner. 8. Elapinae. Boden- und Baumschlangen. So stehen also jetzt giftige Arten neben harmlosen in einer Familie, und wir erstaunen niclit mehr, wenn wir hören, daß die neuere Schlangensystematik unbedenklich glattschuppige Arten des westlichen Afrika mit unsrer kielschuppigen Ringel- natter und ihren amerikanischen Verwandten in die nämliche Gattung Tropidonotiis stellt, daß die noch so häufig als Pelias berus von Vipera abgetrennte Kreuzotter sich in nichts Wesent- lichem von den übrigen Vipera-Ärten unterscheidet und daß die giftige Korallenschlange (Elaps) des tropischen und subtropischen Amerika neben der friedlichen Ringelnatter in ein und dieselbe Familie zu stehen kommt. Früher und auch oft heute noch hielt man die Giftwirkung der Schlangen für eine relativ neu erworbene Eigenschaft. Seit aber Prof. Fr. Kinkelin gezeigt hat, daß im Untermiocän der hiesigen Gegend echte Giftscldangen vorgekommen sind, die ihre nächsten Verwandten unter den Klapperschlangen im lieutigen Nordamerika liaben. kann man umgekehrt sogar die Ausbildung von Giftzähnen als ein altertümliches Merkmal bezeichnen. Es stimmt diese Auffassung gut mit einer aus der geographischen Verbreitung der lebenden Schlangen zu erschließenden Thatsache überein. Australien, das sehr reich an Schlangen ist, besitzt darunter volle V.s Giftschlangen gegen Vs giftlose Arten, unter denen namentlich viele Riesenschlangen sind. Da dieser Kontinent, wie wir wissen, überreich ist an altertümlichen Tierformen — an Kloakentieren, Beuteltieren, Kasuaren, Kiwis, dem Lurch- fisclie Ceratodus u. s. w. — , so ist auch die Existenz der Gift- nattern neben den erwähnten Riesenschlangen, deren Vorfahren (Cimoliophis) schon aus der Kreidezeit bekannt sind, mit melir Recht als ein altertümliclier Zug in der dortigen Tierwelt zu bezeichnen, und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, daß wir in der Folgezeit auch noch in den Kreideschichten Giftscldangen entdecken werden. 89 — Vorderindien. Eiue zoogeograpliische Studie. Vortrag gehalten in der wissenschaftlichen Sitzung am 21. Januar 1899 von Dr. W. Kobelt-Scliwanlieira. (Mit einer Karte), Wenige der größeren Aljteilung'en der trockenen Erdöl )er- tläche machen so den Eindruck der Selbständigkeit, des In-sicli- Abgeschlossenseins, wie die indisclie Halbinsel diesseits des Ganges. Ein beinahe regelmäßiges Dreieck fast ohne Gliederung, von dem selbständigen Ceylon abgesehen ohne alle Inseln, zwei Seiten vom Meere bespült, die dritte von dem mächtigsten Gebirgswall der Erde ohne Lücke von Meer zu Meer gebildet, die weite Fläche ohne jede Unterbrechung durch höhere Berg- ketten oder tiefe Thäler. so liegt es da. eine Welt für sich. eine Insel, trotz seines breiten Zusammenlianges mit dem Kon- tinent von Asien. Nur an zwei Stellen ist es überhaupt zu Lande zugänglich, im äußersten Nordosten, wo man auf be- schwerlichen Bergpfaden über den Arakan Yoma oder über die von den Engländern euphemistisch die Assam Hills genannten Berge in das ebene Assam gelangen kann, und im äußersten Nordwesten, wo die Suleiman-Kette und der Indusdurchbruch einige Pässe mit kaum minder beschwerlichem Zugang bieten. Und dieser Zugang wird durch die gedrosischen Wüsten auf der Westseite, die Wüste Tur auf der Ostseite nicht gerade bequemer gemacht und ist gegenwärtig für Tiere mit Ausnahme der dem Wüstenleben völlig angepaßten Formen überhaupt unpassierbar. Das legt den Gedanken nahe, daß über die ganze Fläche von Vorderindien hin die Fauna eine gleichmäßige sein müsse, — 90 — und in der That findet man in dfn meisten zoog'eographischen Werken, welche sich überhaupt soweit ins Detail einlassen, die ganze Halbinsel als eine Einheit beliandelt. Felilt ilir ja im Inneren jede natürliche Grenzlinie. Selbst der Wendekreis kann hier nicht als Scheide zwischen dem trn])isclien und dem sub- tropisclien Gebiet dienen, denn die mächtige Bergwand im Norden sperrt völlig die kalte Polarströmung ab und gestattet echten Tropenformen ein Vordringen bis zum 88 ''n. B. Aber trotzdem ist Indien nichts weniger als eine zoogeograpliische Einheit. Nicht einmal für die bewegliclien Vögel oder die Säugetiere läßt es sich als eine solche aufrechterhalten. Für die minder beweg- lichen Tierklassen aber und ganz besonders für die bodensteten Mollusken zerfällt die Halldnsel in mindestens vier gut geschiedene geogTai)hische Abteilungen . deren Abgrenzung gegeneinander eine sehr eigentümliche und interessante ist. Es ist freilich gerade keine leichte Aufgabe, sie festzustellen. \\'ohl kennen wir aus Vorderindien nach Blanford ül)er 17 ()()() Tierarten, von denen gegen lOOO auf die MoUusken entfallen, aber nur von äußerst wenigen der niederen Tiere kennen wir die Ver- breitung, von den meisten nur einen, im besten Fall einige Fund- orte, und unter den zahlreichen Arbeiten über die Landschnecken sind nur ganz wenige Lokalfaunen, die uns ein abgeschlossenes Bild für eine bestimmte Gegend geben. Selbst wo die möglichste Vollständigkeit angestrebt wird, wie in der vorzüglidien Hand- list iles Museums in Calcutta von dem leider zu früh verstorbenen G. Nevill, erfahren wir nui'. was in dem ^luseum liegt, ohne Gewähr dafür, daß überall gleichmäßig gesannuelt worden ist. Dazu kommt, (hiß um- ausnahmsweise für die Fundorte, auch wenn sie auf keiner gebräuchlidien Landkarte verzeiclmet sind, die genauere geographische Lage angegeben ist. und dal.i man manclimal nur durcli einen glückliclien Zufall Klarheit daiiiber erhält, oh ein Fun(h)rt dem Süden oder dem Noi'dosten an- gehört, von der englischen Sidireibweise und den mehrlacli vorkommenden Namen und den für dieselben (legenden an- gewendeten verscliiedenen ganz zn schweigi'ii. So ist das. was ich lliiien jetzt iilier die Verteilung (\vv Tiere in Indien zu sagen liaiie. in \ielfaclier liinsirlil nocli Stückwerk, aber ich liotTe trotzdem, dal.) es l'iir Sie nicht ganz oliiie Interesse sein wird. — 91 — Gestatten Sie mir zunäclist, Ihnen in großen Zügen die Gliederung Vorderindiens in physilvalisclier Hinsicht vorzuführen. SelbstverständUch beginnen wir mit dem Norden, mit der „Wohnung des Schnees" (oder der Kälte?), dem Himalaya. Wie eine Mauer erhebt er sich aus der Tiefebene des Gangesthaies zum ewigen Schnee, an seinem Abhang natürlich alle klimatischen Zonen zeigend, nur an zwtI Stellen unter- brochen, im Westen durch den Indus, im Osten durch den Brahmaputra. Beide fließen in tiefen, klammartigen Thälern, der Brahmaputra scheint sogar noch in einer mächtigen Kaskade in die Ebene herunterzustürzen: sie stellen die Verbindung mit der langen Einsenkung dar, welche die Himalayakette von dem Abhang des tibetanischen Hochplateaus, dem Karakorum, scheidet. Weniger vollständig ist der Durchbruch des Sutledj, welcher das Plateaugebiet von Hundes entwässert, aber er be- zeichnet allem Anschein nach eine wichtige Grenze: westlich sind die Gel)irge kahl und dürr, wie der Pendschab und die Gebirge von Afghanistan und Beludschistan, östlich erstrecken sich üppige Wälder ununterbrochen bis Hinterindien. Dem Ge- l)irgsfuß vorgelagert ist im Osten eine sumpfige Senke, der Terai, durch niedere Hügelketten von der breiten Ebene ge- schieden, in welcher der heilige Ganges jetzt zum Meere fließt. Diese Ebene geht westlich in die etwas höher liegenden Flächen über, welche von den Zuflüssen des Indus eingenommen werden, das Pendscliab : beide zusammen, der kultivierteste Teil Indiens, sind das Produkt der vom Gebirg herabkommenden Flüsse, die ihre Lage vielfach verändert haben und anscheinend frülier viel dicliter am Gebirge, ja vielleicht im Terai selbst dahin flössen. Indus und Ganges werden durch keine ausgesprochene Wasser- scheide getrennt und es ist nicht unmöglicli. daß die obersten Zuflüsse des Ganges in früheren Zeiten dem Indus zugeströmt sind. Südlich dieser lireiten Thalsenke erhebt sich ein wildes, zerrissenes, steil abfallendes Gebirge, das aber bei genauerer Betrachtung nur den zerfressenen Rand des ausgedehnten Hoch- plateaus darstellt, welches den größeren Teü der Halbinsel ein- nimmt, des Dekhan oder, wie der Name eigentlich lautet, des Dakshin, des Südens. Nur im Nordwesten ist ihm ein selbstän- diges Gebirge vorgelagert, das Arwali-Gebirge, eine uralte Bildung, zu der auch die Halbinsel Gud scher ate gehören — 92 — flürfte. zoogeograpliisch bedeutsam durch das Yorkommen des Löwen, vielleiclit auch in anderer Beziehung geogTapliisch selb- ständig, aber noch fast unerforscht. Den Nordrand des Plateaus bilden die Windhya-Berge, die noch völlig zu Deklian ge- hören, wenn auch die offizielle Grenze erst weiter südhcli im Nerbudda-Thal liegt ; sie ziehen ununterbrochen von dem inneren Ende des Meerbusens von Canibay zum (-Janges. immer dicliter an ilm herantretend, bis bei Alimednagarder lieiligeBergParasnath in den Strom selbst hinein abfällt. An den dichten Dschungeln und den schwer zugänglichen Schlucliten dieses Abhangs haben imm(>r die einstürmenden Eroberer ein unübersteigliches Hindernis gefunden und nicht ohne (^rund ist diese Schutzmauer Indiens an ihren beiden Enden durch Heiligtümer der nationalen Jain- 8ekte flankiert, im Osten durch den Parasnatli, im Westen durch den Abu oder Alibu. beide sich gegen 5000' und liölier aus der p]benc erhebend. In die Windhya-Berge ist (his Thal der Ner- l)udd;( eingefressen, das einzige größere Flußgebiet Indiens, das sich nach Westen (»ftnet. Südlicli davon erstreckt sich ein ein- förmiges Plateau aus vulkanischem 'l'rapp, langsam von Osten nacli Westen ansteigend, dann schroff und steil zum arabischen Meer abfallend. T'ngehindert wehen die Monsunwinde von Osten darüber hin, denn die sogenannten Ost-i^hats, der Abfall gegen den bengalisclien Meerbusen hin, sind weder lioch noch zusammenhängend genug, um ihnen ein Hindernis zu bieten : das Land ist darum relativ regenarm und periodischen Trockenzeiten ausgesetzt, die ja so liäufig schwere Hungersnot im Oefolge hal)en. Wenu aber ckM' Monsun wechselt und xou Südwesten zu wehen beginnt, trifft ei' dicht am Meere anf die gewaltige Mauer des westlichen Al)falls. die \A'est-(i lia t s. nnd schlägt an ihnen die mitgebracliten ^^'asserdämpfe in wolkenbrucliartigem Regen nieder. So bildet der Steilabfall (h's Deklian zum ara- bischen Meerbusen ein von Eeuclitigkeit triefendes, mit dichtem Urwald l)edecktes Oebiet, das sich bis nach Bombay herauf er- streckt und sich laink'in haarscharf gegen (bis trockene Plateau absetzt. In ihm haben die kümmerhclien Keste der Urbevölkerung Vorderindiens, die lialbliindnisierten ''l'anna. die Katkari. die Thakur und der dägerstamm (h'i' Varli. ihre letzte Znthicht gefnn(U^n. Erst weit im Sü(b'n verwischt sicli die scharfe (rrenze. In einer iireite von 32 km unterbricht das Palvhat- — 93 — Thal die Hochebene, schon in uralter Zeit eine vielbegangene Straße, welcher Kalikut seine Bedeutung als Handelsstadt ver- dankte, auch heute von der Eisenbahn durchzogen, welche Madras mit der Westküste verbindet. Es gestattet auch dem Südwest- monsun ungehinderten Zutritt zur Ostküste, so daß diese hier vor Dürre und Hungersnot geschützt und reichbewachsen ist. Die Wasserscheide erhebt sich nicht über 300 m, der Gedanke liegt also nahe, eine Meeresverbindung in alter Zeit anzunehmen und in ilir die Ursache zu suchen für die totale Verschieden- heit von Mittel- und Südindien. Aber die Sache liegt doch nicht so einfach. Allerdings gehört alles, was südlich der Senke liegt. zu Süd-Indien, so die Anamully-Berge. die bis 8000' auf- steigen, die Pulney-Berge und alle Bergketten von da süd- lich bis zum Kap Comorin. Aber auch die nördhch vom Thal zwischen ihm und dem oberen Kaweri liegenden Nilgiri- Berge und Waynadu lassen sich faunistisch von Süd-Indien nicht trennen, und ebensowenig die ganze südliche Hälfte der Ghats, mindestens l)is zur Breite des portugiesischen Goa hinauf. Die physikalische Beschaffenheit, die Feuchtigkeit und deren Folge, die dichte Bewaldung sind hier offenbar von größerer Bedeutung als die, überdies meines Wissens noch gar nicht sicher nach- gewiesene. Trennung durch einen schmalen Meeresarm. Das Innere von Süd-Indien ist allerdings noch wenig erforscht, ein fast unbewohntes Waldland, das die indische Regierung erst neuerdings in den Bereich der Forstkultur zu ziehen sucht. Nur die Umgebung einiger Gesundheitsstationen am Dodabetta und anderen hochgelegenen Punkten ist uns einigermaßen bekannt. An Süd-Indien schließt sich Ceylon, doch bewahrt es in sehr vielen Beziehungen seine Unabliängigkeit. Auch es zerfällt in eine trockene und eine feuchte Abteilung, die eine mit I^r- wald bedeckt, die andere steppenartig, und dieser Unterschied prägt sich so scharf in der Fauna aus. daß Blanford die beiden Hälften verschiedenen zoologischen Regionen zurechnet. — Noch haben wir einen Teil Indiens zu erwähnen, der sich deutlich gegen den Rest des Landes absetzt, auch gegen die breite nitrd- liche Flußebene, zu der er eigentlich gehört. Vom Rande des Arwali-Gebirges oder richtiger vom Tliale des Loni bis zum Indus und landein bis fast in die Nähe von Lahore erstreckt sich eine dürre Ebene, im Süden eine entsetzliche, völlig unbewohiit-e .& " .^ S\^ • t — 94 -- Wüste, nach Nordosten hin in die Steppen von Sindh und Eadscliputana übeifieheiid : sie ist die direkte Fortsetzung- der gedrosisch-persischen \\'üste. von der sie nur das Industhal sclieidet. soweit in ihm durch Bewässerung Kultur miiglich ist. Veränderungen im Stromlauf haben die vrUlige Yeriklung des verlassenen Gebietes zur Folge, \\'üste nimmt jetzt die Länder längs der Nara oder des Mihran-i-Sind ein, wo mächtige Königreiche lagen, als der Indus noch durch dieses Bett zum Kori strömte. Diese vier Teile Indiens liaben eine sehr verschiedene geoh)gische Gescliichte und sind selir verschiedenen Alters. Uralt sind die Gneismassen Süd-Indiens, und im Norden das Arwali- Gebirg-e. Audi das Plateau von Deklian. obwohl viel jünger, geh(»rt nocli zu den alten Teilen der Erdoberfläche. Meeresab- lagerungen finden sich nur an den lländern und nur in geringer Ausdehnung. Im Inneren haben wir von der mittleren Kolilen- periode bis zur Trias in ununterbrochener Entwicklung die pflanzenführenden Gondwana-Schichten auf uralter Grundlage ruhend, eine ausgesprochene Binnenbildung; die darübeiiiegende Trappdecke ist der Hauptmasse nach in der späteren Kreide- periode entstanden. Eine Faltung hat dieses Gebiet seit der ältesten Zeit nicht erlitten. Seine Bildung erinnert, abgeselien von der vulkanischen Decke, so auffallend an die des afrikanischen Sudan, daß die Geologen ziemlich ausnalimslos eine Zusammen- gehörigkeit annehmen, ein altes Plateauland, das sich am Süd- rand des gefalteten Gebirgslandes nicht mir von Afrika bis Dekhan, sondern audi noch darüber hinaus bis in den Gebirgs- bogen erstreckte, welcher den Himalaya mit den hinterincÜsdien Ketten verbindet. Die beiden großen Meerbusen ersclieinen als spätere Einbrüche in dieses ungeheure Plateau. Ihm gegenüber müssen wir das niU-dliclie Grenzgebii'ge als eine ganz junge, fast recente Bildung betrachten. Selbst junge Pliocänschichten sind noch mit erhoben und hnden sich auf dem Plateau von Hundes in einer MeereshiUie von 4000 — 46(K)in. Ja viele Zeichen deuten darauf liin. (hiß die Hebung noch nicht abgeschlossen ist: die neueste englisch-afghanisdie Grenzver- messung hat uns z. B. eine Erdbebens])alte kennen gelehrt, welche von dem Ausgang des großen Tunnels der Kabul-Bahn über 120 Miles weit in geraih'r K'ldituiig über (Jebirg und Tlial — 95 — liinläiit't 1111(1 noch in diesem Jalirzelint bei dem schweren Erd- Ijelien vom -H). J)ezemher 1892 eine beträchtliclie E]rweiterung- und Vertiefung erfahren hat. Am anderen Ende der Kette zählt Assam die Erdstöße in jedem Jahre nach Hunderten. Aber im ganzen ist die Hebung offenbar niclit i-uckweise in Katastroplien. sondern ganz langsam und alhuählich erfolgt, so daß die Pliocän- schichten von Hundes in ihrer horizontalen Lage nicht gestört wurden, und die Flüsse, weh-he sich nach Blanford schon im Eocän nachweisen lassen, Zeit behielten, ihre Betten entsprecliend zu vertiefen und als Gorges Hunderte und Tausende von Metern tief in das feste Gestein einzuschneiden. Sie fließen deshalb alle in f()rmlichen Klammen, auch die vom afglianischen Plateau herunterkommenden schwachen Bäche, welche im rechten ^^lnkel die Suleimankette zum Indus durclisclnieiden. Demnach würde also bis tief in die 'l'ertiärperiode die Xordgrenze Indiens der Einwanderung offen gelegen haben. Das widerspricht der scharfen Aligrenzung der indischen Landmolluskenfauna gegenüber der chinesischen und turkestanischen. aber der Widerspruch löst sich auf. wenn wir bedenken, daß wohl der Himalaya jung- ist. daß abei' nih-dlicli von ihm die nicht minder gewaltige Parallel- kette des Kun-lun. die Xordgrenze Tibets, zu den ältesten Teilen der ICrdrinde gehört und früher nud) ^iel mächtiger gewesen ist. denn dieses dem Himalaya kaum nachstehende Gebirge ist nur der schwache Ülierrest, die fast eingeebnete Basis eines unendlich höheren Geliirges der Urzeit, das zu allen Zeiten als Faunen- scheide gewirkt hat. t'brigens muß der Himalaya auch im Miocän schon eine ziemliche Höhe gehabt haben; die berühmten Siwalik- schichten an seinem Fuß, in denen uns die Vorfahren der heutigen Säugetierfauna aus der Miocänzeit aufbewahrt sind, bestehen aus Sauden und Konglomeraten terrestrischen Ursprungs, trotz ihrer Mächtigkeit von 10 20000'; sie reichen allerdings auch weit über das Ende (h^r ^liocänperiode hinaus und gehen untrennbar in die heutigen Alluvialbildungen über. Jedenfalls aber bildet der Himalaya mit den dahinterliegenden Bergmassen eine vöUig scharfe Grenze ; was ihn an organischen ^^>sen zu überschreiten scheint, sind entweder Relikten aus der Zeit vor der Hebung oder Eindringlinge von den lieiden Enden her. Wir hallen also drei geologisch erheblich verschiedene Haupt- teile Indiens : den Süden, die Mitte und das Gebirge im Norden. — 96 -^ Die beiden ersteren sind durch Schichten verbunden, welche zum geringeren Teile dem Jura, zum größeren der Kreide ange- hören: wir können also ihre Verschmelzung wohl an das Ende der Kreideyeriode setzen, während die Tiefebene zwischen den Windhyabergen und dem Himalaya sehr viel jünger, erst nach der Hebung des Gebirges entstanden ist und am oberen Ende der Bucht von Bengalen heute noch mit gi-oßer Geschwindigkeit in das Meer hinein wächst. Wie steht es nun mit dem Verhältnis Vorderindiens zu den beiden Nachbarländern, welche dem Dekhan, wie vorhin schon erwähnt, in ihrem geologischen Aufbau so völlig gleichen, mit dem Sudan und dem nordwestlichen Hinterindien? Die erstere Verbindung ist die wichtigere, denn sie berührt sich mit der Frage nach dem versunkenen Lemurien, die ja immer noch eine gewisse Rolle in der Erdgeschichte spielt. Die enge geologische Übereinstimmung Dekhans mit dem Sudan ist einer der schwer- wiegendsten Beweise für seine Existenz, aber man darf dabei nicht vergessen, daß diese Übereinstimnning nicht über die Jura- formation hinausreicht. also als Beweis für ein tertiäres Lemurien als Entwicklungsgebiet des Menschengeschlechtes nicht wohl ver- wendet werden kann. Daß bis zum Jura eine Landverbindung bestand, wird auch dadurch bewiesen, daß die Ammoniten der Juraschichten von Katscli an der Indusmündung total verschieden sind von denen Süd-Indiens, aber gut übereinstimmen mit den europäischen: sie sind also in einem Meere gebildet, das mit dem südindischen keinen Zusammenhang hatte. Nach Oldham würde dasselbe auch für die Kreideschichten des Nerbuddathales gelten, deren Fauna mit der europäischen verwandt, aber total verschieden wäre von der der Schichten bei Trichinopolis in Süd-Indien. Von der Kreideperiode ab aber fehlen uns alle Be- weise für den Zusammenhang, und für die lieutige Periode sind die Forscher über den Grad der Verwandtschaft der beider- seitigen Faunen sehr verschiedener Ansicht. Die Frage ist noch komplizierter geworden dadurcli. dal.i man die sogenannten in- dischen Züge der maskarenischen Fauna lierangezogen hat. ob- wolil diese auf eine viel weiter südlich gelegene Verbindung deuten würden. Blanford rechnet heute noch vom ornitho- logischen Standpunkte aus das mittelindische Plateau glatt zu der sudanesischen Provinz und dci' (icoloa'e Griscbadi setzt den - 97 — Einbruch des Verbindung-slandes gleichzeitig- mit der Hebung; des Himalaya. Hier kann die Vergieichung- der Landschnecken- faunen ein g'ewichtiges Wort mitsprechen. In der That haben wir in der Molluskenfauna von Dekhan einige Züge, die sich als afrikanische deuten lassen. So die zahlreichen kleinen Glessnla, die sich von den afrikanischen Achatiniden der Gat- tungen Pseiidoglessula und Homor'iis kaum generisch trennen lassen, und die auf den Nordwesten beschränkten Bfilmiinus der Untergattung Cerastus, welche fast in identischen Formen auch in Abessynien vertreten sind. Damit ist aber, abgesehen von weit verschleppten Tropenarten, auch die Verwandtschaft erschöpft. Die Deckelschneckengattungen Otopoma und Cyclot- opsis, von denen einzelne Vertreter bis Bombay reichen, gehören einem Verbreitungsgebiet an, dessen Zentrum in Süd-Arabien und an beiden Seiten der Straße von Bab el-Mandeb liegt. Im ül)rigen sind die Molluskenfaunen Indiens und Afrikas völlig verscliieden, und die Unterscliiede verschärfen sich, je weiter man nacli Süden geht. Ceylon und die Maskarenen haben nur ganz wenig ge- meinsame Züge. Das Vorkommen derselben Art von Mariaella auf Ceylon und den Seychellen beruht auf einer Verwechslung von Mähe (Seychellen) mit einem gleichnamigen, ebenfalls fran- zösischen Orte in Süd-Indien. Auch die Säugetierfauna ist total verschieden, so bald man den Nordwesten, der, wie icli Ihnen nachher zeigen werde, zum paläarktischen Gebiete gehört, von Indien abtrennt ; die Differenz ist um so auffallender, als ja die heutige tropisch-afrikanische Säugetierfauna gerade so gut aus der miocänen und pHocänen Fauna der Siwalikschichten entsprungen ist wie die indische. Nur eine Mausgattung, Leggada Gray oder Nannomys Peters, ist dem Sudan und Dekhan gemeinsam, ohne daß bis jetzt ihr Vorkommen im paläarktischen Gebiete nachgewiesen wäre. Schakal und Hyäne sind von Nordwesten her eingewandert, der Löwe war auch in alten Zeiten auf das Gebiet nördlich der Nerbudda und ist heute auf Gudscherate beschränkt. Sonst machen die paläarktischen Säugetiere an der Wüste Tur Halt und alle Beziehungen zu der sudanesischen Fauna verschwinden dort. Daß es noch in einer verhältnismäßig neuen Zeit anders gewesen, beweisen überraschende Funde in den Carnul Caves bei Madras. Hier am Südostrande des Plateaus von Dekhan — 98 — finden sich in Ahlag-erungen quaternären Alters, mit lebenden indischen Arten nicht nur, sondern auch mit Menschenresten und Artefakten zusammen, Beste des \\lldesels, der gefleckten Hyäne, eines riesigen Schuppentieres und eines echten Pavians. Aber aucli diese müssen eher als Relikten der Sivalikperiode, wie als Einwanderer aus dem Sudan angesehen werden, selbst das Schuppentier, dessen Reste wir ja neuerdings auch von Samos kennen gelernt haben. — Die langschwänzigen Affen deuten ebenfalls auf eine Verbindung, freilich schon in älterer Zeit. Die indischen Semnopithecus sind die nächsten Verwandten der afri- kanischen Colobiis, aber sie sind heute doch differenziert genug. um als verschiedene Gattungen gelten zu können. Auch die Rhinocerosarten gehören in Indien einem anderen Typus an, als in Afrika. Bekanntlich bietet auch die Fauna von Sokotra, das ja unbedingt ein Rest des versunkenen Lemurien sein müßte, keinerlei Bezielmngen zur indischen. Systematische Tiefen- lothungen aus dem arabischen Meerbusen, die uns ein Bild des Meeresgrundes geben könnten, existieren anscheinend noch nicht. Wohl aber sind solche neuerdings auf der anderen Seite vor- genommen worden, im Golf von Bengalen. Diese haben erwiesen, daß diese ganze Meeresfläche zum asiatischen Festlande ge- rechnet werden muß trotz der Meeresbedeckung. Erst bei 6° n. Br. stürzt der Boden von 2200 Faden plötzlich zur Durchschnitts- tiefe des indischen Ozeans ab, während er nach Norden erst rasch bis zu 1400 Faden und dann allmählich l)is zum seichten Wasser an der Gangesmündung ansteigt. Der Absturz tritt bis auf 40 Miles an Ceylon heran und von der 10° östlicli von Ceylon liegenden Carpenter Bank, die nur 1380 Faden tief ist, zieht eine Schwelle, neuerdings als Carpenter Ridge bezeichnet, bis zu 700 Faden ansteigend, gegen die Andamanen. Bis zu 1600 Faden läßt sich der Schlamm der beiden großen Flüsse nachweisen und Hunderte von Miles ziehen durch sie hindurch die Fortsetzungen der Flußbetten, untermeerische Rinnen, bis 200 Faden tief in die Schlammassen eingeschnitten. ein Beweis, daß nicht alle Thäler der Erosion ihre Existenz verdanken. Der bengalische Meerbusen erscheint also als eine sekundäre Bildung auf dem großen Festlandssockel von Asien, und man sollte a priori annehmen, daß sein Einfluß auf die — 99 — Verbreitung- der Tiere ein niclit allziigToßer sei. Aber trotz- dem ist die Trennung" der beiden indischen Halbinseln eine äußerst scharfe; Deklian sowie Süd-Indien haben mit der Halbinsel jen- seits des Ganges wenig gemein, und die Charaktertiere Hinter- indiens gehen nicht in die vorderindische Halbinsel hinein. Wohl- bemerkt, in die Halbinsel, über die Gangessenke hinüber. Denn hier tritt uns die ebenso merkwürdige wie interessante Thatsache entgegen, daß Vorderindien nördlich von der Ebene des heiligen Flusses, der Terai und der ganze A])hang des Himalaya bis hoch hinauf sich faunistisch wie floristisch scharf gegen die Länder südlich und östhch absetzt und einen aus- gesprochen hinterindischen (Jliarakter trägt. Das gilt nicht nur für Säugetiere und Vögel, sondern auch ganz entschieden für die Mollusken, die von denen des übrigen Indien total ver- schieden sind. So haben wir die merkwürdige Erscheinung, daß das auf der Karte eine geschlossene Einheit bildende Vorderindien zoo geographisch in vier ganz ver- schiedene Gebiete zerfällt, deren Grenzen weder ausschließlich durch die physikalischen Verhält- nisse noch ausschließlich durch die geologische Ent- wicklung-, sondern durch das Zusammenwirken beider bedingt werden. Gestatten Sie mir, Ihnen dieselben zum Schlüsse etwas genauer vorzuführen. Wir haben zunächst den Nordwesten. Wie derselbe den Steppencharakter Beludschistans trägt, ja auf eine große Strecke hin zur völligen Wüste wird, die an Unfruchtbarkeit der gedro- sischen nicht nachsteht und als deren direkte Fortsetzung an- gesehen werden muß, so ist auch die Fauna hier fast dieselbe, wie in Süd-Persien und Beludscliistan. Echte Gazellen, der Wild- esel und die kleinen Steppennager herrschen auch hier vor, in den waldigen Grenzgebieten lebt der Löwe, nicht der Tiger, Hyäne und Schakal sind hier zu Hause, haben sich aber freilich weit durch Indien verbreitet. Von den fünf Igelarten Indiens sind vier auf dieses Gebiet beschränkt. Die paläarktische Fauna hat sich aber von liier aus auch stromaufwärts in das obere Indusgebiet, nach Kaschmir und selbst nach Ladak verbreitet. Hier finden wir auch noch vorwiegend echt paläarktische Säuge- tiere: einen Hirsch der Elaplms-Gn\^\)e^ den isabellfarbigen 7* — 100 — Bären, der durch g-anz Zentralasien verbreitet ist, den Luchs, zahlreiche Arvicola und die palä arktischen Wildziegen and Wild- schafe. Auch die Molluskenfauna ist eine vorwiegend palä- arktische : unsere Limnäen. Patula, Vallonia herrschen in Kaschmir vor und ihretwegen ist früher der Himala3'a einfach zum palä- arktischen Gebiet gerechnet worden. Ebenso ist die Flora des Indusgebietes eine echt paläarktische. ^\'o wir aber die Grenze dieser Provinz gegen Deklian faunistisch zu ziehen haben, ist mir nach meinem heutigen Wissen noch nicht ganz klar. Gud- scherate, heute die letzte Zuflucht des indischen LiJwen, Catch, das ganze Gebiet des Loni, ja auch noch das Arwaligebirge und selbst die Umgebung von Bombay weisen noch eine ganze Menge Formen auf, welche der Fauna von Dekhan fremd sind, sowohl unter den Reptilien wie unter den Mollusken. Besonders auf- fallend ist die reiche Vertretung der i??(/mmMs-Untergattung Cerastus, die sonst nur von Abessynien und einigen Inseln des persischen Meerbusens bekannt ist und sich eng an südarabisch- sabäische Formen anschließt ; eine Art soll sogar mit Abessynien gemeinsam sein. Auch eine für Süd-Arabien charakteristische Deckelschneckengattung (Cyclotopsis) ist bis in diese Gebiete vorgedrungen. Leider haben wir für die hier in Frage kommen- den Gebiete keinerlei Lokalfaunen und über die Verbreitung der Wasserschnecken lassen sich genauere Angaben überhaupt nicht finden. Sind wir ja noch nicht einmal imstande, uns über das Verhältnis der Faunen von Indus und Ganges eine Ansicht zu bilden, und zwar nicht nur über die Molluskenfaunen, sondern auch über die Fische! So wissen wir auch nicht, wo wir am Südabhang des Himalaya die Grenze zwischen dem paläarktischen Gebiet und dem hinterindisch-malayischen zu ziehen haben, ob dieselbe der heutigen Wasserscheide entspricht oder ob die Djumna noch Spuren einer ehemaligen Zugehörigkeit zum Indus- system bewahrt hat. Weit von der Wasserscheide liegt die Grenze jedenfalls nicht. Simlah, die Sommerhauptstadt des indischen Kaiserreichs, liegt leider genau auf der Wasserscheide und wir k(3nnen nach dem vorliegenden Material nicht unter- scheiden, ob die Arten, welche wir von dort kennen, nur dem Gangesgebiet angehören oder ob sie auch weiter nach Westen übergreifen. Jedenfalls trägt die gri)ßere Anzahl ein hinter- indisches Gepräge und die kleinen Deckelschneckengattungen — 101 - Alycaeus und Biplommatina haben dort schon Vertreter. Weiter Östlich verschärft sich dieser Charakter sehr rasch; Darjiling, die Sommerfrische an der Grenze von Sikkim, auf der Scheide zwischen Ganges und Brahmaputragebiet, zeigt schon eine ganz ausgeprägt hinterindische Fauna; die Deckelsclmecken machen zwei Drittel der Gesamtheit aus und neben den kleinen Alycaeiis und Diplommatina treten riesige Cyclophorus auf und einige Gattungen, die für Hinterindien charakteristisch sind, wie Coptocheilus und Streptaulus. Wir wissen auch nicht, ob die Faunenscheide gerade nach dem Gebirgskamme hinauf verläuft oder ob sich in den höheren Bergiagen eine andere Fauna, die tibetanische, in einem schmalen Streifen der Schneegrenze entlang einschiebt. Natürlich konnte das nur für die Säugetiere und Vögel gelten, da Mollusken in diesen subalpinen Lagen kaum vorkommen. Die Bergantilopen (Budorcas, Nemorrhoedus, Hemitragus) sind allerdings nach Blan- ford zu der malayisch-hinterindischen Fauna zu rechnen. Es ist eine der allerinteressantesten und wichtigsten Thatsachen in der Verbreitung der Säugetiere, daß die indomalayische Fauna, die sich ohne wesentliche Unterbrechung von dem Südabhang des Himalaya bis zu den Sundainseln erstreckt, fast keine Be- ziehungen zu der fossilen Fauna der Sivalikschichten hat, daß also hier entweder eine Scheidung vom mittleren Miocän ab bestanden oder daß die Einwanderung einer ganzen Fauna vom Osten her stattgefunden hat nach dem Erlöschen der Sivalik- fauna. Eine Erklärung dafür zu geben sind wir heute noch außer stände. Niclit minder interessant ist, daß Arten der Himalayafauna oder doch ganz nahe Verwandte derselben niclit nur auf dem Hoc]ii)lateau von Sumatra leben, sondern daß solche neuerdings auf dem Kinabalu in Nord-Borneo gefunden worden sind. Hier scheint also die Verbreitung der Säugetiere aus einer viel älteren Zeit zu datieren, als die der Mollusken, während im paläarktischen Gebiete meinen Untersuchungen nach das Umgekehrte der Fall ist und die Säugetiere vor Hindernissen Halt machen, welche auf die Verbreitung der Mollusken keinerlei Einfluß haben. Die Molluskenfauna des Himalaya -Abhanges trägt zwar im allgemeinen ein hinterindisches Gepräge im Gegen- satz zu dem paläarktischen des Indusgebietes, aber sie setzt sich doch auch wieder recht scharf gegen das eigentliche Hinter- — 102 — Indien ab. Noch ist uns zwisclien Brahmaputra und Iravaddy eine bestimmte Grenzlinie nicht bekannt, aber wir können doch im allgemeinen sagen, daß die Faunen des unteren Brahma- putra und des oberen Iravaddy erheblich verschieden sind. Weiter südlich aber ist die Grenze scharf ausgeprägt ; die Sand- steinkette des Aracan Yoma, welche in 7000' Höhe und mit Gipfeln von 10000' das Gebiet der Küstenflüsse vom Iravaddi- thal trennt und im Cap Negrais scharf gegen die ihre direkte Fortsetzung bildenden Andamanen ausläuft, trennt auch die MoUuskenfaunen : weiter südlich in Tenasserim treten die echt malayischen Deckelschneckengattungen Raphauhis, Hyboci/siis und die Naninidengattung SopJiina, hinter der Bergkette im trock- neren Oberbirma Helices aus der Verwandtschaft der Eulota simüaris und Plectopylis in den Vordergrund, mehr an Südchina, als an die Sundainseln erinnernd. Doch ich darf auf diese Frage nicht weiter eingehen; es möge die Thatsache genügen, daß die Wasserscheide des Brahma- putra und der Küstenflüsse auch die Faunen trennt und die Möglichkeit giebt, Indien nach Nordosten liin abzugrenzen und daß die Engländer doch eine gewisse Berechtigung dafür haben, wenn sie Assam und einen Teil von Burma faunistisch von Hinterindien trennen. Denn bei aller Übereinstimmung mit dem westlichen und südhchen Hinterindien hat dieser Nordosten, die Subhimalaya-Provinz oder Assam, eigentümhche Züge genug, um für die Mollusken als ein selbständiges Entwicklungszentrum anerkannt zu werden. Betrachten wir nun zum Schlüsse noch das Gebiet südlich von der Senke der beiden großen Flüsse, Vorderindien im engeren Sinne, selbstverständhch mit Ausschließung der Flußebene selbst, die als relativ junges Alluvium keine Provinz für sich bilden kann und nur die Arten besitzt, die aus den anstoßenden älteren Gebieten eingewandert sind. Ich habe schon vorher darauf auf- merksam gemacht, daß dieses gewaltige Dreieck aus zwei Teilen besteht, welche sowohl im Alter als in der physikalischen Be- schaffenheit und ganz l)esonders in der Regenmenge, die ihnen zu teil wird, total verschieden sind. Daß diese Verschiedenheit auch einen großen Unterschied in der Fauna zum (-ief(dge hat, ist selbstverständlich, aber die ganze Differenz läßt sich dadurch doch nicht erklären. Süd-Indien schließt sich eng an die JJisel — 103 — Ceylon an und beide zusammen bilden bezüglich der Land- mollusken ein völlig selbständiges Entwicklungszentrum, das offenbar schon seit sehr alter Zeit außer Zusammenhang mit irgend einem anderen Lande geblieben ist. Die Hehcidengattungen Acaims und Gorilla, Beddomea bei den Bulimiden, CyatJiopoma^ Cataulus^ Aidopoma, Micraulax, Theobaidia, Leptopomoides und unter den Diplommatiniden Nieida, alle sehr selbständig ent- wickelt, sind ilim eigen, die weitverbreitete, sogar nach der neuen Welt vorgedrungene Gattung Cyclotus fehlt vollständig. Selbst unter den Wasserschnecken liaben wir die eigentümliche Gattung Paludomus hier wunderbar reich entwickelt, während nur wenige aberrante Formen auf Borneo und in Süd-Afrika auf Beziehungen in uralter Zeit zu deuten scheinen. Ja auch unter den größeren Säugetieren haben wir in Süd-Indien eine ganze Reihe eigentümlicher Arten; wir können sogar sagen, daß, sobald wir uns nicht auf die Gattungen beschränken, sondern auf die Arten eingehen, die Säugetierfauna Süd-Indiens genau so selbständig dasteht wie die MoUuskenfauna : mindestens 20 Arten sind auf den Süden Indiens beschränkt. Selbst die Schlangen haben eine eigene Familie üropeltidae, welche auf Süd-Indien und Ceylon beschränkt ist. Eine genauere Betrachtung zeigt uns allerdings klar, daß Ceylon sich von Süd-Indien schon sehr früli getrennt haben muß. Von den vorher genannten Schnecken- gattungen gellen viele gar nicht oder nur in einzelnen Arten nach Süd-Indien über, von den Säugetieren Vorderindiens fehlen gerade zwei der charakteristischen vollständig auf Ceylon, der Königstiger und der indische Wildstier, der Gaur. Sieben andere sind durch wohl verwandte, aber gut verscliiedene Formen re- präsentiert, unter ihnen vier Affen. Von den fünf Gattungen der üropeltidae herrschen üropeltis und Rhinophis in Ceylon, SiUbuia, Plecturus und Melanophidium in Süd-Indien. Es würde heute zu weit führen, wenn ich hier genauer auf diese Verhält- nisse eingelien wollte. Die Adamsbrücke, welche die Meeres- straße zwischen Festland und Insel für die Schiffahrt sperrt, ist kein stehengebliebener Eest alten Landzusammenhangs, sondern eine von Wind und Strömung zusammengeschwemmte Sandbank, das Produkt der wechselnden Monsune. Die Verbindung zwischen Süd-Indien und dem Abfall des Plateaus von Dekhan wird durch Kreideschichten bewirkt, — 104 — nirgends liegen Tertiärschichten darüber; es hat hier also eine Landverbindimg bestanden seit dem Beginn der Tertiärperiode und sie ist eine relativ bequeme, nicht durch unpassierbare Gebirge unterbrochen. Auch Dekhan hat, wie schon erwähnt, seine Trappdecke am Ende der Kreideperiode erhalten und sich seitdem in geologischer Hinsicht ungestörter Euhe erfreut. Um so mehr muß uns die scharfe Grenze auffallen, welche die Molluskenfauna des Plateaulandes von der Süd-Indiens scheidet. Die Grenzlinie beginnt ungefähr in dem portugiesischen Goa, zieht dann den Kamm der westlichen Ghats entlang bis zu den Nilgiris, wendet sich nördlich an diesen vorbei nach Osten zum unteren Kaweri und verläuft sich hier in der Küstenebene. Die äußersten Vorposten der südindischen Fauna haben sich der Ostküste entlang bis Yizagapatam vorgeschoben, im Westen bis Bombay, auf dem Plateau fehlen sie. Südlich von dieser Linie haben wir die typisch südindische Molluskenfauna mit den oben- genannten zahlreichen Deckelschneckengattungen, nin'dlich die mehr aus wenig charakteristischen Naniniden u. dgl. zusammen- gesetzte Fauna des Dekhan, die sich ohne sonderliche Unter- brechung bis zu den Windliyabergen im Norden erstreckt. Die Grenze läuft also überall erheblich nördlich der geologischen; sie bezeichnet gleichzeitig die Grenze zwischen dem üppigen Waldland und dem trockenen Plateau und hängt direkt ab von dem Einfluß des Südwestmonsuns, den ich früher geschildert. Hätte die Scheidelinie zwischen dem feuchten ^^'aldland und dem trockenen Dekhan jemals weiter nördlich gelegen, so würden wir Spuren davon in der Verbreitung der Deckelsclinecken tiiiden; sie würden sicli wenigstens hier und da in feuchteren ^^'ald- inseln erhalten haben. Aber davon ist bis jetzt nichts bekannt geworden. Hier haben wir also den direkten Beweis dafür, daß die Monsune seit dem Beginn der Tertiärepoclic in derselben Weise wehen, wie heute, daß also die Verteilung von Land und Wasser seit mindestens derselben Epoche dieselbe gewesen sein muß, und d aß somit e i nV e r b i n d u n g s 1 a n d z w i s c h e n Indien und den Maskarenen in der Tertia rperio de nicht melir bestanden haben kann. Ich denke, es ist das auch wieder einer der Fälle, in wrlclien die ^^'i(•1ltig•keit der Zoo- geograjdiie für die Erdgescliiclitc selbst dem jSichtfachmanne in der denkbar schärfsten Weise in die Augen s])ringt. Bei: d. Scnckcnb. natui-f. Ges. 1899. Zil.'iJ,': 105 - über Blntparasiteii und ilire Übertragung durch blutsaugende Insekten. Vortrag, gehalten beim Jaliresfeste der Senckenbergischen naturforsclienclen Gesellschaft am 28. Mai 1899 von Sanitätsrat Dr. A. Libbertz, (Mt Tafel I— VI.) Ew. Majestät! Hochgeehrte Versammlung! Fast gleichzeitig mit der Entdeckung des Tuberkelbacillus, durch welche Robert Koch der Lehre von den Krankheits- ursachen vüing neue Bahnen erschloß, gelang es Lav er an (1880) durch den Nachweis des Erregers der Malaria den Ursprung einer schweren Infektionskranklieit zu ergründen und durch diese außerordentlich wertvolle Ergänzung der von Koch gewonnenen Ergebnisse darzulegen, daß die Reihe der für den Menschen verhängnisvollen Kleinlebewesen mit den Bakterien sich nicht erschöpft, daß noch andere Mikroorganismen ein parasitisches Leben im tierischen Körper zu führen im stände sind. Der Wert dieser theoretisch-wissenschaftlichen Untersuchungen ist im Laufe der letzten Jahre durch intensiv praktische Gesichts- punkte erhöht worden. Die Ausdehnung der europäischen Staaten durch Kolonialbesitz hat auch das Gebiet der Tropenkrankheiten, insbesondere der Malaria, für unsere Kenntnis erheblich erweitert und damit die Frage ihrer Bekämpfung um so dringliclier gemacht. Speziell für uns Deutsche hat die Malaria dadurch, daß wir in — 106 — die Reihe der Kolonialmäclite eingetreten sind, eine aktuelle Be- deutung- gewonnen. Diesen Tliatsachen verdanken wir, daß Robert Koch auf Veranlassung der deutschen Reichsregierung sich dem Studium der Malaria zugewandt hat: mit welchem Erfolge, ist im vorigen Jahre bekannt geworden. Vor allem ist die Frage der Malariaübertragung ihrer Lösung um ein bedeuten- des Stück näher geführt und damit auch die Mciglichkeit einer wirksameren und umfassenderen Bekämpfung dieser Volksseuche begründet. Die Malaria ist über die ganze Erde verbreitet. Sie ver- schont nur das kalte Klima. Bei uns herrscht sie in sumpfigen Niederungen, besonders an den Küsten. Die einheimische Malaria zeigt ein ganz charakteristisches Verhalten. Sie verläuft stets in einzelnen, streng voneinander geschiedenen Anfällen. Ein solcher Anfall beginnt mit Frost, dann folgt Hitze und zuletzt Schweiß. Die einlieimische Malaria ist nicht unmittelbar lebens- gefährlich, aber je weiter nach dem Süden wir gehen, um so schwereren und hartnäckigeren Formen der Malaria begegnen wir, die nicht selten auch tödlich verlaufen. Besonders ist dies in den Mittelmeerländern der Fall, in Italien, wo namentlich die Campagna und Sizilien berüchtigt sind, dann in Griechenland, Algier u. s. w. Diese schwere Form der Malaria tritt aber nur während einer verhältnismäßig kurzen Zeit des Jahres auf, ge- wöhnlich, nur im Spätsommer und Herbst. Die Italiener haben sie darum das Astivo-autumnallieber genannt. Noch weiter nach Süden, in den Tropen, wird die Malaria immer intensiver; sie tritt viel häufiger auf und herrscht in ihren schweren, den sog. perniciösen Formen, fast das ganze Jahr hindurch. Die von dem französischen Arzt Laver an im Blut der Malariakranken gefundenen und als die Erreger der Malaria erkannten Parasiten wurden besonders von italienischen Forschern in ihrem Entwicklungsgange verfolgt. Sie fanden bei der Tertiana, das heißt also der einheimischen Form der Malaria, daß in einzelnen roten Blutkörperchen ein kleines Wesen — bisweilen sind es auch mehrere solcher Wesen in einem Blut- körperchen — auftritt, welclies sich durch lebhafte Bewegliclikeit als etwas Lebendes, als Parasit, zu erkennen giebt. Es erscheint in dem roten Blutköri)erchen unter der Gestalt eines Ringes, der an einer Stelle eine kleine Verdickung hat. Man hat das — 107 — Aussehen dieses Parasiten mit dem eines Siegelringes verglichen (Taf . I, Fig. 1 , 2, 3). Der Parasit wächst rasch heran ; in kurzer Zeit verliert er die Siegelringform, wird etwas kompakter und nimmt infolge seiner amöbenartigen Beweglichkeit recht unregel- mäßige Formen an. Dann stellt sich auch ein Gehalt an Pigment ein in Gestalt von feinen schwärzlichen Pünktchen. Der Parasit wächst immer weiter heran und erreicht schließlich fast die Größe eines roten Blutkörperchens (Taf. I, Fig. 4, 5, 6). Wenn er dieses Fntwicklungsstadium erreicht hat, geht mit ihm plötzlich eine wunderbare Veränderung vor, indem er folgende Gestalt annimmt. Das Pigment, welches bis dahin überall gleichmäßig durch die Masse des Parasiten verteilt war, ballt sich zusammen, bildet einen kleinen schwarzbraunen Klumpen, und um diesen herum gruppiert sich eine Anzahl von Kügelchen, gewöhnlich sind es 15 bis 20 (Taf. I, Fig. 7, 8, 9). Man hat diesen Vorgang irrigerweise als Sporulation bezeichnet. Die Kügelchen sind aber keine Sporen, sondern junge Parasiten, welche sich sehr bald wieder an Blutkörperchen anheften und denselben Entwicklungs- gang von neuem durchmachen. Die Blutparasiten der tropischen Malaria zeigen einige Unterschiede von denen des Ästivo-autumnalfiebers. Auch sie haben die Siegelringform, aber dieselbe ist von mehr wechselnder Größe. Im Beginn des Anfalls erscheinen kleine Einge, gegen sein Ende erreichen die Einge die mittlere Größe und in der Zeit zwischen den Anfällen stellen sich die größten Formen ein (Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 4). Aus dem Erscheinen dieser größten Einge läßt sich mit Sicherheit das nahe Bevorstehen eines neuen Anfalls vorhersagen. Jetzt ist es Zeit, Chinin zu gel)en. Der Parasit der tropischen Malaria trübt sich im Verlaufe seiner Entwicklung wie der Parasit der Tertiana durch Pigmentein- lagerung, wenn auch vielleicht nicht so deutlich wie dieser, auch hier kommt es darnach zum Zerfall in Kügelchen. zur Sporulation (Taf. II, Fig. 5). Die Unterscliiede sind also gering und er- schienen Koch nicht ausreichend, um eine Trennung zwischen beiden Parasiten zu rechtfertigen. Gelegentlich kommt noch eine andere eigentümliche Form des Parasiten vor, welche von ihrem Entdecker Laver an als hallnnondförmige Körper be- zeichnet wurden (Taf. II, Fig. 6). Sie wird meistens für eine Dauerform des Parasiten gehalten, welche gelegentlich wieder — 108 — eine neue Generation desselben und damit ein Recidiv der Malaria entstehen läßt. Nach Koch's Auffassung zeigen diese Gebilde an, daß der Organismus ein ungeeigneter Nährboden für den Malariaparasiten geworden, oder mit anderen Worten, daß er für einen mehr oder weniger langen Zeitraum immun geworden ist. Wie kommen nun die Parasiten in den Menschen hinein? Es giebt nur zwei Wege, auf welchen die Übertragung geschehen kann, durch Wasser und durch die Luft. Die Übertragung durch Wasser haben die italienischen Forscher versucht. Sie haben Wasser in Malariagegenden schöpfen und dann trinken lassen. Die das Wasser tranken, haben keine ^Ealaria bekommen. Auch waren niemals Eßwaren, Obst, Gemüse, die aus Malariagegenden stammten, Vermittler dieser Infektion. Geschieht die Über- tragung also durch die Luft? Die Malariaparasiten sind zarte und liinfällige Wesen, welclie dem parasitischen Leben im Blut innig angepaßt sind. Es ist unmöglich, daß sie in der Luft, also in ausgetrocknetem Zustande von einem Kranken auf einen anderen gesunden Menschen übergehen sollten. T'nd wie sollte der Parasit aus dem Blute des Kranken in die Luft gelangen? Wir müssen also nach einer anderen Erklärung suchen, welche es ermöglicht, daß das Blut in unverändertem Zustande und ohne daß die Parasiten dem Austrocknen ausgesetzt werden, in die Luft gelangen und von da wieder ins Blut überzugehen verm()gen. Da giebt es nur eins, was diesen Bedingungen ent- spricht, das sind die blutsaugenden Insekten, die Moskitos. — Es sprechen viele Thatsachen für diese sog. Moskitotheorie. Die Malaria infiziert fast nur während der Nachtzeit, das ist aber gerade die Zeit, wo die Moskitos fliegen. In manchen Gegenden beschränkt sich die Malariazeit auf bestimmte jMouate im Jahr: es sind dies immer die Monate, in denen die Moskitos auftreten. Wo die Moskitos fehlen, wurde noch niemals Malaria beobachtet. Aber was am meisten der Moskitotheorie zur Stütze dient, das ist die Analogie der Malaria mit gewissen anderen Krankheiten der Mensclien und der Tiere, die wir in letzter Zeit kennen gelernt liabon, und bei denen die Übertragung ganz unzweifel- haft (lurcli blutsaugendc Insekten stattfindet. Und zwar ge- schieht dies nicht in der Weise, daß das Insekt den Ansteckungs- stoff direkt \ Tafel III. Lichtdr. v. Kiilil & Co., Frankfurt a. M. Proteosoma. Bcr. d. Sc nek I' lib. Ges. iSgg. Tafel IV 3 E] h Liilitdr. V. Kiihl & Co., Frankfurt a. M. Proteosoma. Ber. d. Sincktiih. iiatnrf. Gcs. iSgg. Tafcl V Liolitdr. V. KiUil & Cn., Frankfurt a. U. Bcr. d. Sen ckrn b. natnrf: (ics. 1899. Tnf.Vl. not. Or. s # ^-^^ ^^^^ s i \ ^ ^> .- . "X '-' \ Trypanosoma und Pyrosoma bigeminum. — 119 — Wissciiscliaftliclie Sitziiiio* zur Feier von Goetlies 150. Geburtstao'e am Freitag, den 25. August 1899. 1. Seiickeiiberg und Goethe. Einleitende Worte des I. Direktors 'Dr. A. Knoblauch. Hocligeelirte Damen und Herren! Als der junge (4 o e t h e im Herbst ^) des Jalires 1 708 von der Universität Leipzig nach seiner Vaterstadt zurückkam, hatte J 0 li a n n Christian 8 e n c k e n h e r g die Anlagen und Bauten des medizinischen Instituts seiner fünf Jahre zuvor ^) errichteten Stiftung nahezu vollendet. ^) Schon war der Euf der jungen, wissenschaftlichen Scli()pfung des Frankfurter Arztes in weite Kreise gedrungen, iiiid hervorragende Gelehrte von auswärts kamen nach Frankfurt, um die in damaliger Zeit einzig dastehende Stiftung zu besuchen. Kein \\'under also, daß Senckenbergs Schöpfung auch des jungen Goethes lebhaftes Interesse wachrief, und dalii er seinen Aufenthalt in der Vaterstadt benützte, um sie kennen zu lernen. Am 22. Oktober 1768*) hat Goethe das medi- ') Goethes Werke (40b(lge. Ausgabe; Henipel) ,Aus meinem Leben", II. 8. Bnch. Bd. XXI, pg. 11.3. Goethe kam am 1. September 1768 in Frankfurt an. (Vergl. Bd. XXI, pg. 342, Anm. .308). '^) Stiftungsbrief vom 18. August 17ß8. ^) „Der Ausbau erfolgte während Goeth es Abwesenheit in Leipzig". Werke. Bd. XX. pg. 290, Anm. (i4. *) G. L. Kriegk „Die Brüder S en cken berg". Frankfurt a. M 1869, pg. 268. — 120 - zinische Institut (Anatomie, chemisches Laboratorium und botani- schen Garten) besucht; der alte Senckenberg selbst hat den Führer gemacht ; es ist das einzige ]\Ial ^) gewesen, daß er mit dem jungen Dichter in persönliche Beziehung getreten ist. Die Eindrücke aber, welche Goethe damals von Senckenberg^) und seiner Schöpfung gewonnen hat, sind mächtige und nachhaltige ge- blieben, und auch von der Ferne aus hat der Dichter mit leb- haftem Interesse die Entwicklung der Stiftungen Senckenbergs verfolgt. Fast fünfzig Jahre später, als Goethe im Sommer 1814 nach längerer Abwesenheit die Heimat wiederum betreten hatte, hat er in seiner Abhandlung „Kunstschätze am Rhein, Main und Neckar"^) den Stiftungen Senckenbergs seine Aufmerksamkeit eingehend gewidmet. Er rülmit die gedeih- liche Entwicklung des Hospitals, welchem inzwischen reiche Schenkungen aus der Frankfurter Bürgerschaft zugeflossen waren, und die hervorragende wissenschaftliche und praktische Bedeutung seiner Ärzte; aber er spricht sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß das rein wissenschaftlichen Zwecken dienende, dem Studium der Natur- und Heilkunde gewidmete medizinische Institut sich nicht zu der Blüte entfaltet hatte, wie sein Gründer es gewünscht und gehofft.*) Nach Goethes ') G. L. K r i e g k , a. a. 0. pg. 3. ^) Werke „Aus meinem Leben", I., 2. Buch. Bd. XX. pg. 72. l'ber die freundschaftlichen Beziehungen von Senckenbergs Vater, Dr. med. Johann Hart mann Senckenberg. zu Goethes väterlichem Großvater, Friedrich Georg Goethe, und von Senckenbergs älterem Bruder, dem Reichsfreiherrn Heinrich Christian v. Senckenberg, zu G o e t h e s Vater, Johann Kaspar Goethe, vergl. Bd. XX. pg. 28'J, Anm. M. Senckenberg selbst stand Goethes Großmutter väterlicherseits. Cornelia, geb. Walter, bis zu ihrem am 26. März 1754 erfolgten Tode als Arzt zur Seite (siehe ebenda, und Kriegk, a. a. 0. pg. 317: Zitat aus Sencken- bergs Tagebuch), mit Goethes Vater kam er nur selten und bloß zu- lällig in Berührung (Kriegk, a. a. 0. pg. 3); sein Verhältnis zur Familie Textor indessen war keineswegs ein freundschaftliches (siehe: Kriegk, a. a. 0. pg. 3). 3) Werke, Bd. XXVI. pg. 296—305. *) Dieser faktisch sehr richtigen Kritik Goethes, welche von der damaligen Administration der Stiftung als eine öffentliche Herausfordenmg betrachtet wurde, trat der Stiftsarzt Dr. Chr. Ernst Xecff mit einer ano- nymen Flugschrift „Das Sencken bergis che Stift", Frankfurt a. M.. 1817, — 121 — eigenen Worten war es „immer mehr in Staub und Verborgen- heit" ^) versunken: eine medizinische Schule, welche das Studium aufs neue beleben sollte, war unter dem Fürsten Primas ent- standen und vergangen:^) die Opfer der napoleonisclicn Kriege lasteten schwer auf Frankfurts Bürgerschaft und liinderten sie, wissenschaftliclie Bestrebungen materiell zu fia'dern. Kurzum das medizinische Institut war damals „so arm, daß es nicht das geringste Bedürfnis aus eigenen ^Mitteln bestreiten" konnte.^) Aber die Thatkraft der Administration des Instituts und der Stiftsärzte erlahmte darum nicht; wie uns Goethe berichtet, schickte ein (' r e t z s c h m a r *) sich an , die unbrauchbar ge- wordenen anatomischen Präparate Senckenbergs durch frische zu ersetzen, ein Neuburg^) und Buch^) ordneten aufs neue die Xaturaliensammlung, Neuburg') stellte die Schenkung der Dubletten seiner Konchylien und Vögel in Aussicht, ein Neeff ^) vervollständigte die Bepflanzung des botanischen Gartens und des Gewächshauses. Der opferwilligen und segensreichen Arbeit dieser Männer hat Goethe in seiner erwähnten Abhandlung^) ein unver- Wenner, IH S. 8° entgegen. In derselben wurde die betrübende Thatsache durchaus nicht verneint, wohl aber wurden die Gründe in kurzen Zügen historisch entwickelt, weshalb der Ausbau der Lieblingsschöpfung Sencken- bergs, des medizinischen Instituts, ins Stocken gerathen mußte. Siehe auch die Festrede des Phys. prim. Dr. Herrn. K loss in „Bericht über das einhunderrjährige Jubelfest der Dr. Senckenbergischen Stiftung", Frank- furt a. M. 18ß3, pg. 9. 1) Werke, Bd. XXVI. pg. 298. ^) „Am 9. November 1S12 fand die feierliche Eröffnung dieser Schule statt; allein das Bestehen derselben war jedoch nur von kurzer Dauer, indem sie schon zu Ende des Jahres 1818 mit dem Aufhören der Fürstlich-Prima- tischen Regierung ihre Endschaft erreicht hatte." Aus J. B. Schrotzen- berger .Notizen über die Dr. Senckenberg'sche Stiftung beider In- stitute etc." Frankfurt a. M. iSöfi. (Manuskript im Besitz der Stiftungs- Administration). Artikel: , Spezialschule, medizinisch-chirurgische." ') Werke, Bd. XXVI. pg. 298. *) ebenda, pg. 303. *) ebenda, pg. 298. *) ebenda, pg. 303. '; ebenda, pg. 299. 8) ebenda, pg. 299 und 303. 'j ebenda, pg. 298. 8, — 122 — gängliclies Denkmal gesetzt und an dieselbe neue Hoffnungen für das zukünftige Blühen der Naturwissenschaften in Frankfurt geknüpft. Seine Erwartung ist nicht getäuscht worden! Die nämlichen Männer, deren der für die Naturwissenschaften alle- zeit begeisterte Dichter so rühmend gedenkt, die Cretzschmar, Neuburg, Buch, Neeff u. a., sie sind die Gründer unserer naturforschenden Gesellschaft geworden, welche sich zu ehrendem Andenken an den unvergeßlichen Stifter des medi- zinischen Instituts die „SenckenbergiscKe" nennt. Die Gründung unserer Gesellschaft aber, welche nur kurze Zeit ^) nach der Veröffentlichung der erwähnten Schrift Goethes er- folgt ist, wurde zweifellos vorbereitet und beeinflußt durch die mahnenden Worte des gefeierten Landsmannes,^) welche bei Frankfurts Bürgerschaft die wohlverdiente Beherzigung gefunden haben. Denn als die Gründer unserer Gesellschaft, von den gleichen Gesinnungen wie Goethe beseelt, ihre Mitbürger zu einer den größeren Anforderungen der Zeit entsprechenden Wiedergeburt der naturwissenschaftlichen Stiftungen Sencken- bergs aufforderten, haben sie das Feld durch die mächtige Fürsprache des großen Dichters geebnet gefunden und sich, dank der hochherzigen Unterstützung durch Frankfurts Bürger- schaft, schneller als sie es selbst geglaubt haben mögen, am Ziele gesehen. Mit überraschender Klarheit hat Goethe vor Augen ge- sehen und ausgesprochen, nach welcher Eichtung und auf welchen Wegen sich Senckenb ergs naturwissenschaftliche Stiftung zu entwickeln haben werde, und mit größter Sorgfalt hat er die Ziele vorgezeichnet, deren Erstreben er als notwendig für ilire fernere, segensreiche Bethätigung erkannt liat.^) l^nd wenn auch heute diese Ziele noch immer nicht ganz erreicht sind, so ist es doch allezeit eine Ehrenpflicht der Gesellschaft gewesen, der Worte Goethes eingedenk geblieben zu sein! Darum feiern auch wir in diesen festlichen Tagen den großen Dichter in der Überzeugung, daß sein klares Urteil und die Macht seines g(»ttliclien Wortes die Gründung und die Ent- >) am 22. November 1817. ') Werke, Bd. XXVI. pg. :{()2. ^) ebenda, pg. 2!)9 ff. — 123 — Wicklung unserer Gesellschaft wesentlich heeinflußt hat. In diesem Gefühl der Dankbarkeit und in gerechter Würdigung der anatomischen Arbeiten Goethes hat die Verwaltung be- schlossen/) daß in einem Saale unseres geplanten M u s e u m s - N e u b a u e s G 0 e t h e s B ü s t e a u f g e s t e 1 1 1 w e r d e, und daß dieser Saal, welcher für die vergleichende Anatomie des Wirbeltierskeletts bestimmt sein soll, den unsterblichen Namen Goethes trage! \\'ir feiern heute den großen Dichter nicht unter dem sclimerzliclicn Eindruck der tiefen Trauer, unter welchem die Gesellschaft ihre erste Goethefeier ^) veranstaltet hat. Es ist am 6. Mai 1882 gewesen, wenige Wochen nach dem Tode Goethes. Wir feiern ihn heute freudigen Herzens, wie vor fünfzig Jahren, wo bei der Säkularfeier am 28. August 1849 an dem festlich geschmückten Goetliedenkmal unser erster Direktor Dr. Johann Michael Map pes die Festrede ge- halten hat,^) freudigen Herzens und in dem erhebenden Bewußt- sein, daß sein großer Geist in seinen Schöpfungen fortleben wird für ewige Zeiten! Wir aber, die wir berufen sind , das teure Vermächtnis unserer Vorgänger zu wahren, wir werden auch in Zukunft bestrebt sein, im Sinne Goethes die Naturwissenschaften in unserer Vaterstadt zu pflegen und zu fördern, eingedenk der Worte Fausts: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, „Erwirb es, um es zu besitzen!" ') Beschluß der Verwaltungs-Sitzung vom 19. August 1899. 2) J. M. Mappes „Festreden", Frankfurt a. M. 1842. pg. 148—147. „XI. Über Goethe als Naturforscher." ^) Didaskalia, 27. Jahrgang, No. 214 vom 7. September 1849: , Festrede zur Goethe-Säknlarfeier, gesprochen von Dr. Mappe s am 28. August 1849 mittags 12 Uhr vor dem Standbild Goethes. — 124 — 2. Goethe und die Biologie. Festvortrag von Prof. Dr. H. Reichenbach. „Freue dich, höchstes Geschöpf der Natur, du fühlest dich fähig, Ihr den höchsten Gedanken, zu dem sie schaffend sich auf- schwang, Nachzudenken. Hier stehe nun still und wende die Blicke Rückwärts, prüfe, vergleiche und nimm vom Munde der Muse, Daß du schauest, nicht schwärmst, die liebliche volle Gewißheit." Hoch an sehnlich 6 Fest Versammlung. Wenn die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft als die älteste aus dem Bürgertum hervorgegangene wissenschaft- liche Vereinigung unserer Vaterstadt ihrem größten Mitbürger zu Ehren in dieser Zeit der Goethefeste eine wissenschaftliche Sitzung einberufen hat. so war sie von der Überzeugung ge- tragen, daß Goethe zu den bedeutendsten Forschern und Denkern auf dem Gebiet der Naturwissenschaften gezählt werden muß, ja daß er mit seinen großartigen Naturanschauungen seiner Zeit weit vorausgeeilt war. Ganz besonders gilt dies für die Biologie, die Lehre vom Leben, und dies ist um so bemerkenswerter, als gerade die neuere Biologie durch ihre großen Errungenschaften eine Bedeutung erlangt hat wie nie zuvor, so daß nicht nur jeder Gebildete, sondern auch jedes i)liilosophische System mit ihr zu rechnen hat. ITnd wenn wir nun die Keime der wichtigsten biologischen Grundanschauungen auf den großen Dichter zurück- führen können, so müssen wir aufs neue die Eiesengröße dieses Geistes bewundern, der auf so vielen Gebieten ein Erzieher des Menschengeschlechtes geworden ist, und dem wir alle so viel verdanken, daß man den Wert eines Menschen aus seinem Ver- liältnis zu Goethe beurteilen kann. Um die Gr()ße seiner Leistungen richtig würdigen zu können, muß man den Stand der Bifdogie zu seiner Zeit ins Auge fassen : Die Wissenschaft vom Lebenden war nu^hr auf das Äußerliche gerichtet. Der große Linne hatte mit titanen- — 125 — liafter Arbeitskraft dio g-e\valtig"e Mencre der Tiere und Pflanzen in (lattnnjivn und Arten zerlegt, das Äußere besclirieben, die [^ntersclieidungsnu'iknuile bestiniuit und ein mehr oder weniger küiistlii'lies System der Naturwesen aufgestellt; die damalige Forschung' beschränkte sich darauf, seinen Wegen zu folgen: jedem Lebewesen wurden zwei lateinische oder griechische Be- zeichnungen mit den Initialen des Autors verliehen, die (hm Wißbegierigen eher al)zuschrecken geeignet waren: „Viele Namen h(»rest du an, und immer verdränget Mit barbarischem^lang einer den andern im Ohr." ((>. 14().)') Von allgemeinen, umfassenden Ideen, von einer Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang der NaturerscJieinungen war wenig zu bemerken. „In's Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist; Zu glücklich, wann sie noch die änß're Schale weist" hatte Haller gesungen und ihm folgte man. Natui'schwärmerei und Sammeleifer waren die treibenden Kräfte, und über eine rein äußerliche Beschreibung der Naturwesen kam man nicht hinaus. Eine Fntwickelung kannte man nicht. ,. Nulla est ei)i- genesis" lautete ja das Haller 'sehe Dogma. „Die starre Vorstellung, nichts kinine werden, als was schon sei, hatte sich aller Geister be- mächtigt" sagte Goethe.^) Nur in der menschlichen Anatomie war man in das Innere des Körpers im Interesse des Arztes vorgedrungen ; aber auch hier war alles liekannt und beschrieben, und man stand an einem Abschluß. Unsere Wissenschaft war auf einen toten Punkt gelangt. I. Da machte Goethe im Jahre 1784 in dem stillen anato- mischen Institut zu Jena, wo er unter Anleitung des bekannten Anatomen Loder eifrigen Studien oblag, seine erste bedeutungs- volle Entdeckung: er fand, daß auch der Mensch einen ') Die Zahlen bedeuten den Band und die Seitenzahl der II. Abteilung von Goethes Werken in der Weimarer Ausijabe : „Goethes Naturwissen- schaftliche Schriften". *) Campagne in Frankreich. — 126 — Zwischenkiefer hat, jenen Gesichtsknochen, in dem die vier oberen Schneidezähne sitzen. T)ie Frende über den Fund ist außerordentlicli: An Herder sclireibt er: „Ich muß dich auf das eiligste mit einem (i Kicke be- kannt maclien, das mir zugestoßen ist. Ich habe gefunden — weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht : das OS in term axillare am Menschen. Es soll dich auch reclit herzlich freuen, es ist wie der Schlußstein zum Menschen, fehlt nicht, ist auch da" ') und an Frau v. Stein: „Es ist mir ein köstliches Vergnügen geworden, ich habe eine anatomische Entdeckung gemacht, die wichtig und schön ist. Ich habe eine solche Freude, daß sich mir alle Eingeweide bewegen."^) Wie kommt Goethe zu dieser Freude? Die damalige Anatomie spracli dem Menschen den Zwischen- kiefer, der überhaupt nur in seltenen Fällen deuthch zu sehen ist, ab und es war dieser Mangel der einzige Unterschied zwischen dem Skelett des Menschen und dem der Affen und der übrigen Wirbeltiere. Nun war aber Goethe auf Grund sehr eingehender anatomischer Studien^) und durch eine seinem genialen Geist eigene vergleichende Betrachtungsweise^) zu der Anscliauung gelangt, daß der Bau des Wirbeltierskelettes von einem tieferliegenden Gesetz beherrscht sei, daß ilim eine architektonische Einheit zu Grunde liegen müsse: „Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern; Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz, Auf ein heiliges Rätsel." (6. 140.) ■) Aus Herders Nachlaß: Brief an Herder. I. 1806. p. 75. (W. A. IV. 6. 258.) ') Briefe an Frau v. Stein. W. A. IV. 6. p. 259. ^) Hat er doch sogar bereits 1781 Vorlesungen über plastische Anatomie den Schülern der Zeichenakadeniie zu Weimar gehalten und sorgfältige Zeichnungen zu diesem Zwecke angelegt. *) „Denn das bloße Anblicken einer Sache kann uns nicht fördern. Jedes Ansehen geht über in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen, und so kann man sagen, daß wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren." (1. p. XII. 1 — 1-27 — Kr war von der (lur('linnte." ^) „Nach ewigen, ehrnen Großen Gesetzen Miissen wir alle Unseres Daseins Kreise vollenden." („Das Göttliche.") Er suchte also, niiihevoll und andauernd, und als er das ver- mutete Skelettstück gefunden, da war es die Freude des denkenden Forschers über die ^Yahrheit des von ihm erkannten Gesetzes, der er in obigen Briefen Ausdruck ver- lieh. Heute. 100 Jahre nach diesem Fund, werden in der ver- gleichenden Anatomie auch noch ähnliche Entdeckungen gemacht. So sagte Gegenbaur die Existenz eines kleinen Handwurzel- knochens, des OS centrale beim Menschen voraus, und Kosen- berg^) fand diesen Knochen wirklich in der embryonalen Hand ; er verwächst später mit seinem Nachbar. Feiner organisierte Naturen freuen sich auch heute noch über solche Funde: aber während dies jetzt nur neue Beweise für die Richtigkeit unserer Theorien sind, war es bei Goethe die erste ausschlag- gebende Bestätigung für eine ganz neue Naturan- schauung. Heute liegen derlei Dinge am Wege, damals stand Goethe allein. Aber er erkannte die ganze Tragweite seiner Entdeckung: An Merck schreibt er: „Wie artig sich von diesem Knöchlein wird auf die übrige vergleichende Knochenlehre ausgehen lassen" ^) und an Knebel: „daß man nämlich den Unterschied des ]\renschen vom Tier in nichts einzelnem finden könne. — viehnehr ist der Mensch auf's Nächste mit den Tieren verwandt".*) ') Dichtung und Wahrheit IV. ») Morph. Jahrb. Bd. 1. 1876. ) Briefe an Merck. W. A. IV. (L 411. *) Briefe an Knebel 1784. W. A. IV. 6. 389. 3 — 128 — Zwei Jahre früher hatte er bereits gesung-en: „Edel sei der Menscli. Hilfreich und gut, Denn das allein Unterscheidet ihn Von allen Wesen, Die wir kennen." ') Man sieht, in der Entdeckung des Zwischenkiefers liegt der Keim der neueren vergleichenden Anatomie, der Morphologie, die von Goethe auch unter dieser Be- zeiclmung und mit einem bedeutsamen Begriffsinhalt später in die Wissenschaft eingeführt worden ist. Er erkannte zuerst die gleichwertigen Bildungen, die wir als Homologien, als ererbte Organe in der heutigen Biologie bezeichnen. Richard Owen, der große englische Anatom, sagt: „Durch seine Entdeckung des Zwischenkiefers hat Goethe für alle derartigen Untersuchungen, welche die durchgehende Einheit der Natur erweisen, die Führung genommen." '^) Hat dieser Fund nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit der Entwicklung der Pendel- und Fallgesetze durch Galilei, nach- dem er im Dom zu Pisa die Schwingungen der Lampen be- obachtet hatte? Von ihm sagt Goethe ja auch: „Er zeigte schon in früher Jugend, daß dem Genie ein Fall für tausend gelte, indem er sich aus schwingenden Kirchenlampen die Lehre des Pendels und des Falles der Körper entwickelte" „Alles kommt in der Wissen- schaft auf das an, was man ein Apercu nennt, auf ein Gewahrwerden dessen, was eigentlich den Er- scheinungen zu Grunde liegt." (3. 246.) Es blieb aber nicht bei dem Apercu : der Fund wird regel- recht und in echt wissenscliaftlichem Geiste ausgebeutet: eine Abhandlung wird verfaßt, die aber erst 1819 in den Morpho- logischen Heften^) und später 1830 in den Nova Acta Leo- p(ddina*) und zwar mit Tafeln geziert erschienen ist. Diese Ab- ') „Das Göttliche." *j Nach Lew es. Übers, v. Frese Bd. 11. p. 177. 3) ,Zur M(.rphoIogie". (1817-24.) *) Nova Acta LeopoUlina 1830. — 129 — handlung-'') ist ein Muster klarer, wissenschaftlicher Darstellung. Nach Aufstellun»' einer sor^fiilti^en Nomenklatur werden die Zwischenkiefer mehrerer Tiere (Ochs, Keli, Kamel, l^ferd u. a.) und des ^lenschen nach den Tafeln ovnau heschriehen; er bemerkt: y,Am meisten wünschte ich. dalj meine Leser (lelegen- heit haben möchten, die Schädel s('ll)st dabei zu Hand zu nehmen."' (S. ^)S.) Es wird in umsichti«ier Weise auf Amphibien, Vög'el, Fische und embryonale Verhältnisse Rücksicht genommen und überall nach der ijhj'sinlooischen Ursache der Verscliiedenheit in den Formen der Knochen geforscht. Dazwischen erscheinen groß- artige Ausblicke, die unserer heutigen Auffassung der lebenden Formen genau entsprechen: ,,Welch eine Kluft zwischen dem os intermaxillare der Schildkröte und des Elephanten! Und doch läßt sich eine Reihe Formen dazwischen stellen, die beide verbindet." (8. 102.) Dann folgt der Schluß vom Zwischenkiefer auf die Zähne: Dem Kamel werden zwei, dem \\'alroß vier obere Schneidezähne hypothetisch zugesprochen.^) Die pathologische Bildung der einfachen und doppelten Hasenscharte wird auf die anormalen Verhältnisse des os intermaxillare zurückgeführt und der chirur- gische Eingriff bei der Heilung dieses Fehlers durch die Erkenntnis seiner Ursache ins richtige Licht gestellt. Er fügt hinzu : „Die wahre Ansicht der Natur nützt jeder Praxis." (8.109.) Ferner wird der Irrtum, die Stoßzähne des Elephanten säßen im Zwischenkiefer, berichtigt: in der That schlägt sich dieser ein Stück weit um die Stoßzähne. „Allein die Natur, die ihre großen Maximen nicht fahren läßt, ließ hier eine dünne Lamelle, von der oberen Kinnlade ausgehend, die Wurzel des Zahnes umgeben." (8. 122.) ') , Versuch aus der vergleichenden Knochenlehre, daß der Zwischen- knochen der oberen Kinnlade dem Menschen mit den übrigen Tieren gemein sei." Jena 1784. (8. 90.) *) Das Walroß hat in Wahrheit 6 obere Schneidezähne im Milchgebiß, später keine mehr. 9 — 130 — Es war ilim aucli bekannt, „daß schon bei Aöen sich Fälle finden, wo die äußere Sntur des ossis interni axillaris kaum sicht])ar ist."^) Und mit welchem Eifer betrieb er die Sache weiter! Von allen Seiten ließ er sich Schädel zuschicken; auf einer Reise will er (in Braunschweig) „einem ungebornen Elephanten in das Maul sehen und mit Zimmermann ein wackres CTespräch führen". „Ich wollte, wir hätten den [Elephanten]-Fütus, den sie in Braun- schweig haben, in unserem Kabinette, er sollte in kurzer Zeit seziert, skelettiert und präpariert sein. Ich weiß nicht, wozu ein solches Monstrum in Spiiitus taugt, wenn man es nicht zergliedert und den inneren Bau erklärt."^) Und warum erfolgt die Veröffentlichung beinahe drei Jahr- zehnte später? Die Autoritäten seiner Zeit, denen er die Entdeckung mitteilte, erkannten sie nicht an. Das Dogma vom Unterschied zwischen Mensch und Affe lautete: Der Mensch hat keinen Zwischenkiefer. Der berühmte Camper schreibt vom os inter- maxillare: „Die nimmer by menschen gevonden wordt, zelfs niet by de negers " ^) und Blumenbach wird erst im Jahre 1825 überzeugt, als sein Kollege Langenbeck von einem scheußlichen Athleten aus dem Hessischen konsultiert wird wegen eines ganz tierisch prominierenden Zwischenkiefers, der ein Hindernis einer ihn sonst beglückenden Herzensangelegenheit war.^) Resigniert schreibt Goethe an Merck: „Einem Gelehrten von Profession traue ich zu, daß er seine fünf Sinne abläugnet. Es ist ihm selten um den lebendigen Begriff der Sache zu thun, sondern um das. was man davon gesagt hat. " ^) Er erkannte, wie er selbst sagt: „daß immerfort wiederholte Phrasen sich zuletzt zur Über- zeugung verknöchern und die Organe des Anschauens völlig verstumpfen." (8. 120.) ') Bi-Tefe an Merck pag. 245. (W. A. IV. (5. 412.) •'') ib. p. iSO. (W. A. IV. 6. 832.) ^) Natuurk. Verhandl. over den orang-utang. Amsterdam 1782. *) Naturw. Korresp. I. p. 51. 1825. ") Briefe an Merck p. 445. (W. A. IV. 7. 41.) — i:n — IT. Die zweite wiclitijic natinwissenschaftliche Tliat (roethes ist die Entdeckunj^^ des Gesetzes der Pflanzen- metamorpliose, wonach alle Anlian^soi-j^'ane des Stengels bei hülieren Pflanzen vom Blatt abzuleiten sind. Deckblätter, Kelcli- unil Plnnienblätter, Staubgefäße und Fruchtknoten sind modifi- zierte Laul>blätter. die ihre Funktion gewechselt haben. Während die Laultblätter im Dii-nst der Ernährung stehen, übernehmen die Blütenblätter die Funktion der geschlechtlichen Fortpflanzung und was damit zusammenliängt. So verschieden ihre Leistungen aucli sein mi)gen — ihre morphologische Bedeutung ist identisch. Auf diesem großartigen Entwurf der Metamorphose der Pflanzen hat. nach dem Urteil des berühmten Bo- tanikers Alexander Braun, die ganze moderne Botanik weitergebaut. Auch ül)er diesen Fund ist die Freude groß, gröfkr vielleicht als die über die gleichzeitige Vollendung von Egmont, Tasso und Tphigenie. Man lese hierüber nur seine „Italienische Reise". Von hohem Interesse ist, wie die Erkenntnis der Meta- morphose der Pflanzen mit der Entdeckung des menschlichen Zwischenkiefers zusammenhängt : Goethe hatte den streng gesetzmäßigen Aufl)au der Wirbel- tierskelette. ihren organischen Zusammenhang erkannt und durchdacht und mußte sich die Frage vorlegen, ob im Pflanzen- reicii nicht ähnliche (ncsetzmäßigkeit herrsche. Von diesem Gedanken beseelt, studierte er die Arbeiten Linnes,^) kam aber l)ahl in einen gewissen Gegensatz zu dessen Bestrebunaen : 'e* ') „Wenn nun ilie Bemühuni,'en. die große Menge der Pflanzen in ein System zu ordnen, nnr dann den höchsten Grad des Beifalls ver- dienen, wenn sie notwendig sind, die unveränderlichsten Teile von den mehr oder weniger zufälligen absondern und dadurch die nächste Ver- wandtschaft der verschiedenen Geschlechter immer mehr un) Brief an Knebel. 18. Aug. 1787. — 135 — dieser Theorie soll das wundersame, aus vielen verwickelt ge- stalteten Knoclienstiicken zusammengesetzte Gebäude des Schädels ein Stück modifizierte Wirbelsäule darstellen, in dem man die Grundbestandteile von seciis Wirbeln nachweisen kinine. In höchst geistvoller Weise kam Goethe zu dieser An- schauung': \\'er hat vor ihm in der formenreichen Insektenwelt etwas anderes g'esehen als eine ungeheure Zahl von Einzelwesen, die im ausgebildeten Zustand genau unterschieden, benannt und gesannnelt werden müssen, wie ja heute noch vielfach mit diesen Tieren. Briefmai'ken und Ansichtskarten geschieht? Freilich waren auch die inneren Teile durch Malpighi, Swammerdam. und Lyonet auf das genaueste zergliedert worden, aber an eine Erklärung, an einen Zusammenhang dachte man nicht. „Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraustreiben. Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt, leider! nur das geistige Band." (Faust. Schülerscene.) Goethe, in \'erfolg seiner l>ei den Pflanzen gewonnenen Anschauung von der Gleichwertigkeit der Blattorgane und durch seine sorgfältige Beobachtung der Tnsektenmetamorphose, er- kannte den Aufbau des Insekts aus gleichwertigen Ringen, die in der Raupe noch im wesentlichen gleich, im Schmetterling jedoch in bestimmter Weise und zwar je nach der Funktion modifiziert, die verschiedenen Leibesabschnitte des Tieres bilden. (8. 87.) Der Vergleich des Insektenkörpers mit der Wirbelsäule wird gezogen. Nun schreibt er: „so ist z. B. in die Augen fallend, daß sämtliche \Mrbel- knochen eines l'ieres einerlei Organe sind, und doch würde, wer den ersten Halsknochen mit einem Schwanzknochen unmittelbar vergliche, nicht eine Spur von Gestaltsähnlich- keit finden.-' (8.87.) Er erkannte also die Homologie der verschiedenen Wirbel. Nun lag vor der Halswirbelsäule, scheinbar unvermittelt, der mächtige Schädel. _l)ie drei hintersten [Schädel-] Wirbel erkannte ich bald, aber erst im .l;ilir 17U(>, als ich aus dem Sand des dünenhaften .ludciikirchhofs von Venedig einen zerschlagenen Schöpsenküpf aufhob, gewahrt" ich augenblicklich, daß die — 136 — Gesiclitsknoclien gleichfalls aus Wirbeln abzuleiten seien, indem ich den Übergang vom ersten Flügelbein zum Sieb- bein und den Muscheln ganz deutlich vor Augen sali, da hatt' ich denn das Ganze im Allgemeinsten beisammen." (11.62. Vergl. auch Br. an Herders Frau 4. Mai 1790.) Auch hier verstand er sofort die doppelte Bedeutung seiner neuen Anschauung: die Konsequenz des osteologischen Typus und die Identität aller noch so verschiedenen Einzelheiten im Aufbau. „Hier lagen die zwei Hauptpunkte, auf deren Einsicht und Anwendung bei Betrachtung organischer Naturen alles ankam." (8. 167.) „Hier geschehen die hfichsten Operationen des Geistes, an deren Übung und Steigerung wir gewiesen sind." (8. 168.) Es verlohnt sich nicht, auf die von Goethe aufgestellten sechs Schädelwirbel näher einzugehen : denn in der ursprüng- lichen Form ist seine Theorie nicht haltbar. Nach dem gegen- wärtigen Stand unserer Kenntnisse sind die meisten Knochen des Wirbeltierkopfes letzte Errungenschaften oder Neubildungen und haben, vielleicht mit Ausnahme des Hinterhauptsgebietes, niemals aus segmental angelegten Knorpelstücken, wie die wirk- lichen Wirbel, bestanden. Es ist vielmehr die Entwicklung von Sinnesorganen, Gehirn , Mund , Kiemenspalten als bestinnnend für die Kopfknochen anzusehen. Nun ist aber von allerhik-hstem Interesse, daß in frühen Embryonalstadien, und insbesondere bei niederen Wirl)eltieren. in der Kopf region das mittlere Keimblatt gerade so in Segmente oder Urwirbel (Somiten) zerfällt, wie im Hals. Eumpf und Schwanz. Wenn sich also audi die sechs Goetheschen Schädel- wirbel nicht halten lassen, so ist doch sein (Grundgedanke, näm- lich: der Aufbau des gesamten Wirbeltierleibes mit Ein- schluß des Kopfes aus gleichwertigen Abschnitten sicher erwiesen, mag nun die Zahl der Kopfsegmente von der heutigen Wissenschaft aucli verschieden angegeben werden.') Wenn man sel1)St zugiebt. daß bei der Aufstellung der \\'irbel- theorie des Schädels die dichterische Pliantasie eine Rolle mit- gespielt habe, so könnte man dem den Ausspruch A. Dolirns ') Wiedersheini. (iriiiidiiß der vergl. Anatomie 1898. p. (U. — 137 — entgegenlialten. daß „ohne Intuition und dichterisch-plastische Gestaltungskraft (in der Wissenschaft) scliwerlich große Fort- schritte gemacht werden kimnen"^) und Goetlie sagt selbst: „Hypothesen sind Gerüste, die man vor dem Ge- bäude aufführt, und die man abträgt, wenn das Gebäude fertig ist: sie sind dem Arbeiter unent- behrlich: nur muß er das Gerüste nicht für das Ge- bäude ansehen." (11.132.)^) IV. Die weitere Entwickelung von Goethes Naturanschauung hängt mit seinen drei Entdeckungen organisch zusammen, und in ilir linden wir wichtige Ergebnisse und Theorien der neueren Biologie entweder im Keim oder deutlich und klar ausgesprochen. Seine neu begründete Morphologie wendet er in dem heute noch höchst lesenswerten Aufsatz: „Versuch über die Gestalt der Tiere" (8.261) an und erkennt auch hier überall die Konstanz des Bauplans, Hand in Hand gehend mit der Veränderlichkeit der Teile: „In dieser bei genauer Betrachtung die gr()ßte Be- wunderung erregenden Veränderlichkeit der Teile ruht die ganze Gewalt der bildenden Natur" (8. 272.) und die Anfänge der vergleichenden Embryologie finden wir in dem Satz : „Am aufmerksamsten wird man hinfort auf die noch nicht verwachsenen, auf die Schädel noch junger und unreifer Tiere werden." (8.272.) Die Biologie hat erkannt, daß es schwierig, ja in vielen Fällen unmöglich ist, den Begriff eines Einzelwesens, eines ') A. Dohru. Über die Bedeutung der zoologischen Station in Neapel. Deutsche Eundschau Jan. 187(>. -) Unerijuicklich ist der bekannte Streit Okens um die Priorität der Wirbeltheorie des Seh<ädels. Um so erhebender ist aber das. was Goethe in der Abhandlunir , Meteore des litterarischen nininiels'' über derlei Streitig- keiten schreibt, und wo es u. a. heißt: ,Und doch ziehen manchmal gewisse Gesinnungen und Gedanken schon in der Luft umher, so daß mehrere sie erfassen können. — Gewisse Vorstellungen werden reif durch eine Zeitreihe. Auch in ver- schiedenen Gärten fallen Früchte zu gleicher Zeit vom Baume." (11.249.) — 138 — Individuums scliarf abzugrenzen, da Pflanzen und Tiere in Teile zerlegbar sind, denen wieder eine eigene Individualität zugesprochen werden muß. Man denke an Poljqien und Quallen, an Bandwürmer u. v. a. oder an den entwickelten Baum mit seinen Ästen und Zweigen, oder endlicli an den Aufl)au aller Lebewesen aus Zellen mit mehr oder weniger Individualität. Wir finden diese moderne Individualitätslehre auch bei Goethe an mehreren Stellen: „Jedes Lebendige ist kein Einzelnes, sondern eine Mehrheit: selbst insofern es uns als Individuum erscheint, bleibt es doch eine Versammlung von lebendigen selbständigen Teilen, die der Idee, der Anlage nach gleich sind, in der Erscheinung aber gleich oder ähnlich, ungleich oder unähnlich werden können." (6. 10.) oder : „Daß eine Pflanze, ja ein Baum, die uns doch als In- dividuum erscheinen, aus lauter Einzelheiten bestehen, die sich unter einander und dem Ganzen gleich und ähnlich sind, daran ist wohl kein Zweifel." (6. 11.) „Freuet euch des wahren Scheins Euch des ernsten Spieles: Kein Lebendiges ist ein Eins Immer ist's ein Vieles." (Ged. : Gott u. Welt. Epirrhema.) Das vierzig Jahre später von dem berühmten französischen Zoologen Milne-Edwards aufgestellte Prinzip der Vervoll- kommnung durch Arbeitsteilung spricht Goethe mehrfach klar und bündig aus: „Je unvollkommener das Geschöpf ist, desto mehr sind diese Teile einander gleich oder ähnlich, und desto mehr gleiclien sie dem Ganzen. Je voll- kommener das Gescliöpf wird, desto unähnliclier werden die Teile einander. — — — Die Subordi- nation der Teile deutet auf ein vollkomnieneres Geschöpf." (H. 10.) Ebenso sagt er hierüber im „Kiitwurf einer vergleichenden Anatomie" 17<)ü: — 139 — „So ein unvollkommenes und vergängliches Geschöpf ein Schmetterling- in seiner Art. vergliclien mit den Säugetieren, auch sein mag:, so zeigt er uns doch durch seine Yerwandlnng-, die er vor unsern Augen vornimmt, den Vorzug eines voll- kommeneren Tieres vor einem unvollkommeneren: die Ent- schiedenheit ist es seiner Teile, die Sicherheit, daß keiner für den andern gesetzt, nocli genommen werden kann, jeder vielmehr zu seiner Funktion bestimmt und bei derselben auf immer festgehalten bleibt/' (8. 8().) Nachdem Goethe einmal die Veränderlichkeit, die Varia- bilität homologer Teile erkannt hatte, mußte er nach der Ursache dieser Veränderungen fragen, und da wurde er zunächst der Entdecker des durch Darwin in die Wissenschaft ein- geführten Gesetzes derKorrelation der Teile, vonGeoffroy- St Hilaire schon früher „loi de balancement des organes", — von ihm selbst „Gesetz der Schadloshaltung" genannt. Wie tief seine Auffassung dieses Gesetzes war, geht aus den folgenden Stellen hervor: „denn bloß allein durch den Begriff, daß in einem organischen Körper alle Teile auf einen Teil hin- wirken und jeder auf alle wieder seinen Einfluß ausübe, können wir nach und nach die Lücken der Physiologie auszufüllen hoffen.-' (8.66.) „Ein Teil kann also nicht zunehmen, ohne daß der andere abnimmt, ein Teil nicht völlig zur Herrschaft ge- langen, ohne dal.'i der andere völlig aufgehoben wird." (7. 14.) „Die beweglichen Teile formen sich nach den Knochen, eigentlicher zu sagen, mit ihnen und treiben ihr Spiel nur insoweit es die festen vergönnen, "^i Poetisch drückt er seinen neuen Gedanken in dem Gedicht „Metamorphose der Tiere" aus: „Denn zwar drängt er sich vor zu diesen Gliedern, zu jenen, Stattet mächtig sie aus, jedoch schon darben dagegen Andere Glieder. — Siehst du also dem einen Geschöpf besonderen Vorzug Irgend gegönnt, so frage nur gleich, wo leidet es etwa ') Physiognomische Fragmente 177G. S. 138. 140 Mangel anderswo, und suche mit forschendem Geiste Finden wirst du sogleich zu aller Bildung den Sclilüssel. (8. 59.) Oder: „Wie alles sich zum Ganzen webt Eins in dem andern wirkt und lebt." (Faust.) Von der Veränderlichkeit der Organismen nach dem Gesetz der Korrelation bis zur Variation durch die Kräfte der Außenwelt, also bis zur Anpassung nach moderner Termino- logie, war der Weg nicht weit. Und in der That: Goethe hat diesen Weg eingeschlagen; sogar das \\'ort findet sich in einer Stelle: „Es läßt sich bei verschiedenen Samen bemerken, daß er Blätter zu seinen nächsten Hüllen umbilde, mehr oder weniger sich anpasse." (6.69.) Aber auch der Begriff der Vererbung und sogar das Prinzip der Auslese im Kampf ums Dasein, cUe Wirkung des Ge- brauchs und Nichtgebrauchs der Organe, sowie die Ver- änderlichkeit der Arten, mit einem Wort: beinahe sämt- liche Faktoren der die Biologie der Neuzeit beherrschenden Descendenztheorie lassen sich bei unbefangenem Studium seiner Werke nachweisen. Es ist hierüber viel von Fachgelehrten gestritten worden, aber der ganze Streit wird gegenstandslos, wenn man den in Goethes biologischen Werken eine große Rolle spielenden Begriff des Typus richtig auffalU. Dies in das richtige Licht gestellt zu haben ist das Verdienst Kalischers,^) dem wir hier folgen. Der Begriff' Typus kommt nämhch bei Goethe in zweierlei Bedeutung vor. An manchen Stellen und besonders im Anfang seiner morphologischen Studien versteht er unter Typus eine Abstraktion, eine Idee (vielleicht im Sinne Piatons), einen Begriff, ein Urbild. Später aber wandelt sich diese mehr intuitive Auffassung alhnählich in die konkrete Anschauung der Stammform um. Während der Typus, (has Urbild anfangs unveränderlich gedacht ist, wird bei der Weiter- entwickelung seiner Anschauungen der Typus (also die Stamm- •) Tn seiner trefflichen Schrift: ^Goethes Verhältnis zu den Natur- wissenschaften". Berlin, G. llenipcl 1S77. Audi in der Einleitung zu Bd. '.VA der Henipel'schen Ausgabe. — 141 — form) veränderlich, beweo:lich, umbildungsfähig. Dies läßt si(^li mit voller Sicliorlioit ans foljiondeii Strllen dartlinn : „Nun aber müssen wir — — — unsere Ansicliten zu verändern und mannigfaltige Rewegliclikeit lernen, damit wir den 'i\vpns in aller seiner Versatilität zu ver- folgen gewandt seien, und uns dieser Proteus nirgends hin entschlüpfe." {H. IS.) „\\'ir wiederholen — daß aus der Versatilität dieses Typus, in welchem die Natur, ohne jedoch aus dem Hauptcharakter der Teile herauszugehen, sich mit großer Freiheit bewegen kann, die vielen CTeschlechter und Arten der vollkommeneren Tiere, die wir kennen, durchgängig abzuleiten sind." (8.88.) „Zuerst wäre aber der Typus in der Rücksicht zu betrachten, wie die verschiedenen elementaren Naturkräfte auf ihn wirken, und wie er den all- gemeinen äußeren Gesetzen bis auf einen gewissen Grad sich gleichfalls fügen muß.-' (8. 19.) Wie klar und in welchem Umfang Goethe die Gesetze der Anpassung erkannte und oft in glänzender Weise anzuwenden wußte, das geht mit besonderer Deutlichkeit aus seiner Schrift über „Die Skelette der Nagetiere" hervor (8.24(5). Hier sagt er: „so erkenn ich. daß das Nagergeschlecht zwar generisch von innen determiniert und festgehalten sei,^) nach außen aber zügellos sich ergehend, durch Um- und Umgestaltung sich spezifizierend, auf das Vielfachste verändert werde." (8. 247.) „Die ganze Organisation ist Eindrücken aller Art ge- i)ftnet und zu einer nach allen Seiten liin richtungsfähigen Versatilität vorbereitet und geeignet." — (8.248.) ,.\\'ollen wir aber diese Gestaltsveränderungen gründlich beurteilen und ihren eigentlichen Anlaß zunächst erkennen, so gestehn wir den vier Elementen nach guter alter Weise den besonderen Einfluß zu. Suchen wir nun das Geschöpf in der Region des Wassers, so zeigt es sich schweinartig im Ufersumpf, als Biber sich an frischen ') Prinzip der Vererbung. — 142 — Gewässern anbauend; alsdann g-räbt sicli's in die Erde. — — (Telangt endlicli das Gescliüpf auf die Oberfläche, so ist es hupf- und sprungiustig, so daß sie aufgerichtet ilir Wesen treiben und sogar zweifüßig mit wunderbarer Sclmelle sicli hin und her bewegen — — bis sogar ein vogelartiger Sprung in einen scheinbaren Flug lil)ergeht." (8. 249.) Goethe bleibt aber nicht bei den elementaren Einflüssen stellen (8. 250.), er macht auch in ganz moderner ^^'eise auf die Einflüsse durch den lebhaften Nalirungstrieb, die vielfaclie Er- nährungsweise, die Greiforgane und Nagezälme u. a. eindring- lich aufmerksam, und nun bedenke man folgende wichtige Stelle: „Eine innere und ursprüngliche Gemeinschaft aller Organisation liegt zu Grunde; die Verschieden- heit der Gestalten dagegen entspringt aus den not- wendigen Bezieliungsverhältnissen zur Außenwelt, und man darf daher eine ursprüngliche gleichzeitige Verschiedenheit und eine unaufhaltsam fortschrei- tende Umbildung mit Eecht annehmen, um die ebenso konstanten als abweichenden Erscheinungen be- greifen zu können." (8.253.) Mit Recht urteilt hierüber der geistvolle und in vieler Be- ziehung dem Genius Goethes nahestehende Physiologe Joh. Müller: „Irre ich nicht, so liegt in dieser Andeutung die Ahndung eines fernen Ideals der Naturgeschichte. So siehst du den Wirbel auch zum Schädel sich ausl)ilden. das Blatt zum Blumenblatt werden, das Atemorgan als Lunge, als Kieme unter den mannigfachsten Formen einer nach außen oder nach innen sich im kleinsten Raum vermehrenden Fläclie das- selbe bleiben."^) Sehr schlagende Bemerkungen über Anpassung finden sicli in einer Anzalil kleinerer Aufsätze: so z. B. bilden sich die Extremitäten des Maulwurfs zur lockeren Erde, die der See- hunde zum Wasser, die der Fledermaus zur Luft um. (S. 215 ff. )'^) ') Joh. Müller. tn)er phantastische Gesichtserscheinungen lS2n. pag. 1Ü4. *) Vergl. ferner : „Fossiler Stier" (8. 2;5;3). „Die Faultiere \inil die Dick- häutigen" (8. 223) u. viele andere Stellen. - 143 - Das Gesetz über die A'ciiindeninpfen der Oi-fjane durcli (Tebraucli niid Xiclitjiebiaudi spriclit f-Joetlie zwar nicht förmlich aus, aber den ausfiihrliclien. panz modernen Erörternnocn Kin-tes in der Abliandhinj^': „Fossiler Stier'' stimmt er freudi»' y.u (S. 2r)()): und in dem bereits erwähnten (-iediclit heißt es: „Also bestinnnt die Gestalt die Lebensweise des Tieres, Und die ^^'eise zu leben sie wirkt nuf alle (gestalten Arrtcliti-' /uriick." (8.09.) Die konservativ wirkenden Vererbungserscheinungen sind aber auch ein wicliti«jer Faktor in Goethes Anschauungen über die lebende Natur: A\'enn er schi'oiVtt: „Die Metamorphose der PHanzen macht uns auf ein doppeltes Gesetz aufmerksam : 1) Auf das Gesetz der inneren Natur, wodurch die Pflanzen konstituiert werden. 2) Auf das Gesetz der äußeren Umstände, wodurch die Pflanzen modifiziert werden." (fi. 286.) so meint er doch mit dem ersten die Vererbuno- der Eigen- schaften, wenn auch nicht mit der Klarheit der Auffassung, wie die moderne Biologie. ]\ran muß sich eben unausgesetzt den damaligen Stand dieser Wissenschaft vor Augen halten, wenn man zu einer richtigen ^\'ertschätzung der Goetheschen biologischen Leistungen gelangen will. Zu ähnlichem Ergebnis führt sein Ausspruch : „Das Lebendige hat die Gabe sich nach den viel- fältigsten Bedingungen äußerer Einflüsse zu be(|uemen und doch eine gewisse errungene entschiedene Selbst- ständigkeit nicht aufzugeben." (11.106.) Am schönsten drückt er seine Meinung, wie immer, poetisch aus: So in dem bekannten, für Goethe so recht bezeichnen- den (-Jedicht: „Vom Vater hab ich die Statur Des Lebens ernstes Führen Von Mütterchen die Frohnatur I^nd Lust zu fabulieren. Urahnherr war der Schönsten hold Das spukt so hin und wieder: — 144 — Urahnfrau liebte Schmuck und Gold, Das zuckt wohl durch die Glieder. Sind nun die Elemente nicht Aus dem Komplex zu trennen, Was ist denn an dem ganzen Wicht Original zu nennen?" Und steckt nicht ein gut Teil D a r w i n i s m u s in seinem Spruch : „Man könnt' erzogene Kinder gebären, Wenn die Eltern erzogen wären". und ebenso in dem großartigen Ausspruch: „Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, Die Sonne stand zum Gruße der Planeten, Bist alsobald und fort und fort gediehen, Nach dem Gesetz, wonach du angetreten. So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen, So sagten schon Sibyllen, so Propheten; Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt Geprägte Form, die lebend sich entwickelt." (Urworte.) Gewöhnlicli wird das dritte Prinzip des Darwinismus: die Auslese im Kampf ums Dasein dem großen Engländer allein zugeschrieben; wir sind weit entfernt, seinen Ruhm schmälern und seine außerordentliclien Verdienste auch nur im geringsten herabsetzen zu wollen. Denn erst durch seine gewaltigen Arbeiten haben sich diese Wahrheiten zur (^eltung durchgerungen. Aber „Was eben wahr ist aller Orten „Das sag' ich mit ungescheuten Worten":') Die Keime zu Darwins Anschauungen sind ))ei Goethe zu finden : ^) „Die Natur füllt mit ihrer gränzenlosen Pro- duktivität alle Räume. Betrachten wir nur unsere 'j „Sprichwörtlich". '^) „Jedes klare Verdienst klärt ihn (Kepler) selbst auf; durch freie Beistimmung eilt er es sich zuzueignen. Wie gerne spricht er von Kopernikus! Wie Üeißig deutet er auf das einzig schone Apercu, was uns die Geschichte (der Wissenschaft) noch ganz allein erfreulich machen kann, daß die echten Menschen aller Zeiten einander voraus verkünden, aufeinander hinweisen, einander vorarbeiten. Wie umständlich und genau zeigt Kepler, daß Euklides kopernikisire." (3.249.) — 145 -- Erde: alles was wir l)(>s. unolücklicli nennen, kommt daher, daß sie nicht allem Entstehenden Kaum geben, nocli \veni}i-ei- ihm Danei' vei'lcilien kann.'' (11. lö)).) „Alles was entsteht, sucht sich Kaum nml will Dauer: deswegen verdräng't es ein anderes vom Platz und verkürzt seine Dauer." (11. !;")().) .. Lel)en ist die schönste Erfindung der Natur, und dcr'i'od ist ilir Kunstgriff, viel Leben zu haben." (11.7.) „Daß eine gewisse uns nicht offenbarte ^^'echselwirkung von Pflanze zu PHanze heilsam sowohl, als schädlich sein könne, ist scluui anerkannt. Wer weiß, ob nicht in kalten und warmen Häusern gewisse Pflanzen gerade deshalb nicht gedeihen, weil man ihnen feindselige Nachbarn gab: vielleicht bemächtigen sich die einen zu ihrem Nutzen der heilsamen atmosphärischen Elemente, deren Einfluß ihnen allein gegönnt war." (6. 203.) „Ganz in's Unendliche geht dies Geschäft der Natur," (nändich bei der Scheidung des Ganzen in Familien, Sippen, bis zur Individualität) „sie kann nicht ruhen noch be- harren, aber auch nicht alles, was sie hervorbrachte, bewahren und erhalten." (6. 185.) In richtiger Konsequenz mit dieser Erkenntnis erklärt (Toetlie denn auch die Zweckmäßigkeit in der Lebewelt: „Das Tier wird von Umständen zu Umständen gebildet, daher seine innere Vollkommenheit und seine Zweckmäßigkeit nach außen." (8. 18) und ferner: ..Eben dadurch erhält ein Tier seine Zweckmäßigkeit nach außen, weil es von außen so gut, als von innen ge- bildet worden; und was noch mehr, aber natürlich ist, weil das äußere P^lement die äußere Gestalt eher nach sich, als die innere umbilden kann. Wir können dies am besten bei den Robbenarten sehen, deren Äußeres soviel von der Fiscli- gestalt annimmt, wenn ihr Skelett uns noch das vollkommene vierfüßige Tier darstellt." (7. 222.) 10 — 146 — Nach ganz moderner Auffassung sagt er: „Man wird nicht behaupten, einem Stier seien die Homer gegeben, damit er stoße, sondern man wird untersuchen, wie er Hörner haben könne, um zu stoßen." (8. 17.) und ebenso treffend heißt es: „Der Fisch ist für das Wasser da, scheint mir viel weniger zu sagen als: der Fisch ist in dem Wasser und durch das Wasser da: denn dieses letzte drückt viel deut- licher aus. was in dem ersteren nur dunkel verborgen liegt, nämlicli die Existenz eines Geschöpfes, das wir Fisch nennen, sei nur unter der Bedingung eines Elementes, das wir Wasser nennen, möglich, nicht allein um darin zu sein, sondern auch um darin zu werden." (7. 221.) Wir haben also die drei Prinzipien des Darwinismus, die die moderne Anschauung vom genetischen Zusammenhang der Lebewelt wesentlich begründen, in Goethes Naturanschauung nachgewiesen, und daß er wirklich auch die große Idee der Descendenzlehre erfaßt hatte, ja daß sie seine ganze Welt- anschauung mit beherrschte, läßt sich nun auch darthun. So sagt er: „Dies also hätten wir gewonnen, ungescheut behaupten zu dürfen: daß alle vollkommeneren organischen Naturen, worunter wir Fische, Am- phibien, Vögel, Säugetiere und an der Spitze der letzten den Menschen sehen, alle nach einem Urbild geformt seien, das nur in seinen sehr beständigen Teilen mehr oder weniger hin und her weicht und sich noch täglich durch Fortpflanzung aus- und umbildet." (8.71.) Daß er ein Anhänger der Lehre von der Veränderlich- keit der Arten ^) war, „meme a l'extreme de cette doctrine", wie Geoff roy-St. Hilaire^) von ihm sagte, ja daß er an wirk- ') Verfasser ist jetzt durch das Studium der naturwissenschaftlichen Werke Goethes in ihrer Vollständigkeit zu dieser Überzeugung gelangt. Man verbessere also seine Äußerung im Jahresber. d. Senck. naturf. Gesellsch 1897 p. 104. *) Histoire naturelle II. p. 406. — 147 — liclie B hl ts verwandt sc liaft dachte, geeilt aus einer Stelle der Besprecliunji' des „Fossilen Stiers" hervor: „Auf allen Fall läßt sich der alte Stier als eine weit- verbreitete, untergegangene Stammrasse betrachten, wovon der gemeine und indische Stier als Abkömmlinge gelten dürfen." (8.284.) und ferner: „T^nauflitsbar schien mir die Aufgabe, Genera mit Sicherheit zu bezeichnen, ihnen die Spezies unterzuordnen." ((). 117.) und „Dagegen giebt es charakterlose Geschlechter, denen man vielleicht kaum Spezies zutrauen darf." (7. 9(i.)^) Die Stellung des Menschen in der Natur ergab sich seinem klaren Geist aus den einmal gefaßten Ideen mit derselben Notwendigkeit wie bei Darwin. Schrieb er doch schon im Jahre 1784 an Knebel: „Ich habe mich enthalten, das Resultat, worauf schon Herder in seinen Ideen deutet, schon jetzo merken zu lassen, dal:') man nämlich den llnterschied des Menschen vom Tier in nichts Einzelnem finden kinine. Vielmehr ist der Mensch auf's Nächste mit den Tieren verwandt." (W. A. IV. 6. 889.) Den aufrechten Stand des Menschen leitet er ab von der Tendenz der hinteren Extremitäten bei den Tieren, sich ül)er die vorderen zu erheben (8. 248). In der „Einleitung in die vergleichende Anatomie" heißt es (8.22): „Durch alle diese Betrachtungen steigen wir zuletzt zum Menschen herauf."^) V. Zu den schwierigsten Problemen der Biologie gehört die Erklärung der Instinkthandlungen, von denen Darwin sagt, daß deren Entwicklung dem Leser wahrscheinlich als eine Schwierigkeit erscheine, liinreichend groß, seine ganze Theorie ') Vergl. auch oben p. 133 das Citat aus 6. 120. ^j Man vergleiche auch oben die Citate p. 127. 10* — 148 - über den Haufen zu werfen.^) Aber auch auf diesem Gebiet hat Goethe die ersten Erklärungsversuche gemacht, die zu- gleich beredtes Zeugnis von seiner Fälligkeit ablegen, feine Beobachtungen an lebenden Tieren zu machen und zu verwerten. Den Trieb vieler Nagetiere, Lagerstätten und Wohn- ungen zu bauen, leitet er von dem nervösen Ernährungstrieb dieser Tiere ab: „Scharfes aber geringes Erfassen der Nahrung, eilige Sättigung, auch nachher wiederholtes Abraspeln der Gegen- stände, fortgesetztes, fast krankhaft leidenschaftliches, ab- sichtsloses, zerstörendes Knuspern, welches denn doch wieder in den Zweck, sich Lager und Wohnungen aufzubauen und einzurichten, unmittelbar eingreift und dadurch abermals be- währt: daß im organischen Leben selbst das Unnütze, ja das Schädliche selbst, in den notwendigen Kreis des Daseins aufgenommen, in's Ganze zu wirken und als wesentliches Bindemittel disparater Einzelheiten gefordert wird." (8. 247.) 2) Auf gleichem Weg sucht er die Entwicklung der Kunst- triebe verständlich zu machen, und er trifft mit modernen Be- strebungen, die Instinkte zu erklären, nahe zusammen, wenn er sagt: „Da jedoch die Thätigkeit der Organe auch ohne Be- dürfnis immer fortwährt, so müssen deshalb die Nagetiere, wenn sie gesättigt sind, zu zerstören anfangen, bis endlich diese Tendenz durch den Biber ein Analogon vernünftiger Architektonik hervorbringt." (7.204.) und ebenso geistreich wird die Entwicklung des Sammel- triebs bei den Nagetieren erörtert: Das fortgesetzte Nagen „bef()rdert ein überflüssiges An- eignen der Nahrung zu materieller Anfüllung des Magens und kann auch als fortgesetzte Übung, als unruhiger Be- schäftigungstrieb — — angesehen werden." „Nach Befriedigung des nächsten Bedürfnisses liaschen sie demnacli sehr lebhaft, aber sie möchten dennoch gern in sicherer Fülle wohnen, daher der Sammlertrieb und zunächst gar manche Handlung, die einer überlegten Kunstfertigkeit gar älinlich sehen möchte." (8. 251.) ') Darwin. Entst. d. Arten. 1872, p. 278. *) Skel. d. Nagetiere. — 149 — Goethes Naturanschauiing war so auf das Ganze gerichtet, so umfassend, daß ilini ancli das aus der Abstanimunpslelire fol- gende Postulat der ersten Entstehung des Lebens, der Urzeugung, nicht entgehen konnte. Er streift es in dem Satz: „In Gefolg dessen mußt ich denn aucli wieder liih-en, daß alles Lebendige aus dem Ei komme, worauf icli denn mit bitterm Scherz die alte F'rage hervorliob. olt denn die Henne oder das Ei zuerst gewesen." ^) T'nd nun lese man das gi-oßartige Fragment über den Granit: (1). 171), wo es u.a. heißt: „Auf einem hohen nackten Gipfel sitzend und eine weite Gegend überschauend, kann ich mir sagen : Hier ruhst du unmittelbar auf einem Grunde, der bis zu den tiefsten Orten der Erde hinreicht, keine neuere Schicht, keine aufgehäuften zusammengeschwemmten Trümmer haben sich zwischen dich und festen Boden der I^rwelt gelegt, du gehst nicht wie in jenen fruchtbaren, schönen Thälern über ein anhaltendes Grab, diese Gipfel haben nichts Lebendiges erzeugt und nichts Lebendiges verschlungen, sie sind vor allem Leben und über alles Leben — — — — Diese Klippe, sage ich zu mir selber, stand schroffer, zackiger, liöher in die Wolken, da dieser Gipfel noch als eine meerumtiossene Insel in den alten Wassern dastand ; — um sie sauste der Geist, der über den \\'ogen brütete, und in ihrem weiten Schöße die liölieren Berge aus den Trümmern des U^rgebirges und aus ihren 'i'rünnnern und den Resten der eigenen Bewohner die späteren und ferneren Berge sich bildeten. Schon fängt das Moos zuerst sich zu erzeugen an, schon bewegen sich seltener die schaligen Bewohner des Meeres, es senkt sich das W^asser, die höheren Berge werden grün, es fängt alles an, von Leben zu wimmeln — — " Die Auffassung der gesamten Lebewelt als eine große Einheit, die zugleich die I'nmiiglicJikeit einschließt, eine Grenze zwischen Tier- und Pflanzenreich aufzurichten, hat bei Goethe in der wichtigen Stelle Ausdruck gefunden: „Wenn man Pflanzen und Tiere in ihrem unvoll- kommensten Znstand betrachtet, so sind sie kaum ') Campagne in Frankreich. Hempelsche Ausg. Teil XXV p. 133. — 150 — zu unterscheiden. Ein Lebenspunkt, starr, beweglich oder halbbeweglich, ist das. was unserm Sinne kaum bemerkbar ist. Ob diese ersten Anfänge nach beiden Seiten determinabel, durch Licht zur Pflanze, durch Finsternis zum Tier liinüber zu führen sind, getrauen wir uns nicht zu entscheiden, ob es gleich hierüber an Bemerkungen und Analogie nicht fehlt. Soviel aber können wir sagen, daß die aus einer kaum zu sondernden Verwandtschaft als Pflanzen und Tiere nach und nach hervortretenden Geschöpfe, nach zwei entgegengesetzten Seiten sich vervoll- kommnen, so daß die Pflanze sich zuletzt im Baum dauernd und starr, das Tier im Menschen zur höchsten Beweglichkeit und Freiheit sich ver- herrlicht." (6.13.) Aber auch auf dem schwierigsten Gebiet der Biologie, nämlich auf dem Gebiet der Lehre von den Hirnfunktionen und ihrer psychischen Tragweite müssen wir Goethe als Bahnbrecher und Wegweiser bezeichnen ; freilich sind seine Ver- dienste in dieser Richtung bis auf den heutigen Tag meist verkannt. In seiner vielbekämpften Farbenlehre, deren rein physikalischer Teil allerdin gs als auf Irrtum beruhend 1 li ii- fällig ist, stellt er sich auf den heute noch von den meisten hervorragenden Naturforschern als riclitig anerkannten erkenntnis- theoretischen Standpunkt Kants und Schopenhauers.^) Demgemäß faßt Goethe die Farbe nicht als etwas auf. was außer uns so existiert, wie wir es wahrnehmen, sondern als Teil unseres Empfindungsvermögens, und die physi- kalischen Bedingungen, also nach moderner Anschauung z. B. die scliwingenden Aethermoleküle, sind nur der Anlaß zu unsern Farbenvorstellungen. Nach Stil lings Überzeugung entlialten Goethes phy- siologische Erörterungen geradezu die Grundlagen der modernsten Anschauungen, und seine bis jetzt noch so gut wie isoliert dastehende Farbenphysiologie wird für alle künftigen Versuche das erste Vorbild bleiben.-) ') Vergl. den ausgezeichneten Vortrag Stillings in „Straßburger Goethevorträge". 1899. 2) A. a. 0. p. 154. — 151 — Diiü wichtige f aibenpliy siolugisclic Gesetz des Anta- gonismus entdeckt zu haben, ist und bleibt ein unbe- streitbares Verdienst Goethes.') und Stilling meint, es sei bilhg und gereclit, es „das G oet besehe Farbengesetz" zu nennen. Und endlicli die später von Joli. ^[üller weiter ausge- bihlete. so auljerordentlicl» f(dgenreiche ,.Theorie von der spezi- fischen Energie der Sinnesnerven"', w^onach der Sehnerv nur Gesiclitsemptindungcn. der Hitrnerv nur Gehörsemptindungen u.s.w. vermitteln kann, finden wir auch schon bei Goethe:^) „Aus der Idee des Gegensatzes der Ersdieinung, aus der Kenntnis, die wir von den besonderen Bestimmungen derselben erlangt liaben. können wir schließen, daß die einzelnen Farbeneindrücke nicht verwechselt werden können, daß sie spezifisch wirken und entschieden spezifische Zustände in dem lebendigen Organ hervor- bringen müssen." ^) Helmlioltz erkennt diese Priorität Goethes auch an, indem er schreibt: „Das Verdienst, die Aufmerksamkeit der deutschen Naturforscher auf die Wichtigkeit dieser Kenntnis hingeleitet zu haben, gebührt Goethe in seiner Farbenlehre."*) Schließlich sei noch hinzugefügt, daß Goethe auch einer der ersten war. die die Erscheinung der Farbenblindheit beobachteten. (W. A. II. 1. 46.) Er beschreibt die Beobachtungen sehr genau, und von ihm rührt der viUlig zutreffende Ausspruch, daß dem Farbenblinden die Natur im Sommer so erscheinen müsse, wie dem Xormalsichtigen im Herbst.^) Ebenso gelang es (Toethe durch sein feinsinniges Beobachtungstalent zum ersten Mal festzustellen, (hil.'. bei krankhaften Zuständen der Netzhaut die Uauer der Nachbilder eine größere ist. (W. A. IL 1. 10.) ') Vergl. auch Schopenhauer: ,Über das Sehen und die Farben." Sämmtl. W. II. Auti. 1877. B.l. 1. '-) Frieilrich Vischer: „(j oethes letzter Hosenknopf ist tausend- fach gemünzt worden.^ '] Nach Stilling a. a. (). p. 159. *) Helmholtz: Physiol. ( )ptik, allerdings in einer klein gedruckten Bemerkung (II. Aufl. p. 24!)). Vergl. Goethe (11.259): ,Es ist viel mehr schon entdeckt als man glaubt." '") Stilling, a. a. 0. p. 163, und W. A. II. 1. W. — 152 — Yl. So sind wir also in der That zu der Überzeugung gelangt, daß Goethe auf fast allen Gebieten der Biologie bis zur phy- siologischen Psychologie in einer den damaligen Kenntnisstand weit überragenden und z. T. bis heute noch nicht überall richtig gewürdigten, erfolgreichen Weise thätig war : viele der wichtigsten Grundgesetze der modernen Lehre vom Leben sind von ilmi mit voller Deutlichkeit erkannt worden, während andere wenigstens im Keimen begriffen sich in seiner Gesamtanschauung der Natur nachweisen lassen. Diese außerordentliche Leistung erscheint um so bedeutender, je mehr man sich den Zustand der damaligen Biologie vor Augen führt und bedenkt, daß er, trotz seines ausgebreiteten Verkehrs mit Naturforschern, nur von einzelnen seiner Zeitgenossen verstanden wurde, so von Schiller, Herder, Humboldt^) u. a. Man hielt ihn eben nur für den großen Dichter, und dies noch nicht einmal überah und seiner ganzen Bedeutung entsprechend; man bedachte nicht, daß es ja auch einen Lionardo da Vinci und einen Michelangelo gegeben liat, die ebensowohl als Künstler wie als Gelehrte und Forscher mächtige Kulturfaktoren geworden sind. Zu den ersten, die Goethes naturwissenschaftliche Be- deutung erkannten, gehören die Franzosen: am 22. Fel)ruar I8o0 wurd e sein Name in der Sitzung d e r Akademie d e r W i s s e n- schaften zum ersten Mal als der eines großen Naturforschers genannt, zum Erstaunen der Mitglieder dieser gelehrten Körper- schaft. In dem Streit mit Cuvier nannte Geoffroy St. Hilaire den großen deutschen Dichter als seinen hervorragendsten Gewährsmann. Goethe drückt in einem Gespräch mit Eckermann (2. August 1880) seine Freude darüber aus: „Das Beste aber ist, daß die von Geoffroy in Frankreicli eingefülirte synthetische Behandlungsweise der Natur jetzt nicht mehr rückgängig zu machen ist. Die Angelegenheit ist durch die freien Diskussionen in der Akademie, und zwar in Gegenwart eines großen Publikums, jetzt öffentlich geworden, ') A. V. Humboldt in seiner EriiHuungsrede auf der Naturforscher- versanuiilung 1828: „Goetlic, den die srroßen Scliöiifniigon dichterischer Phantasie nicht abgehalten haben, den Forscherldick in alle Tiefen des Natur- lebens zu tauchen." Vergl. üoethe-Jahrbuch 18!)5, Bd. 1() pag. 52. — 153 — sie läßt sich nicht mehr an geheime Ausschüsse verweisen lind bei geschlossenen Thüren abtliun und unterdrücken. Ich habe inicli seit fünfzig Jahren in dieser großen Angelegenheit abgeniülit. — — — Jetzt ist nun auch Geoffroy St. Hilaire entschieden auf unserer Seite und mit ihm alle seine Schüler und Anhänger Frankreichs. Dieses Ereignis ist für mich von ganz unglaublichem Wert, und ich jubele mit Recht über den endlich erlebten allgemeinen Sieg einer Sache, der ich mein Leben gewidmet habe und die ganz vorzüglich auch die meinige ist." Man denke sich, die Franzosen oder die Engländer hätten einen solchen Mann wie Goethe hervorgebracht, wie anders würden sie seine ganze Bedeutung in das rechte Licht gestellt haben, und wie würde mit dem verfahren werden, der ihm nicht gerecht werden wollte ! Und wie ging es bei uns mit der Würdigung seiner natur- wissenschaftlichen Leistungen ? Unsere größten Forscher haben darüber schöne Reden gehalten, aber nur wenige, freilich gewichtige Männer, sind ihm gereclit geworden, wie Virchow,\) Haeckel,^) Cohn^) u. a. — während Dubois-Reymond*) ihm jede Bedeutung als Naturforscher abspricht und Helmhol tz°) ihn mehr als Künstler mit Vorahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen gelten lassen will. Dem ersteren brauchen wir heute nur zuzurufen: „Zwar euer Bart ist kraus, doch liel)t ihr nicht die Riegel." oder auch: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst!" ') Virchow. Goethe als Naturforscher. Berlin 1861. ■■'j Haeckel. Generelle Morphologie. Berlin 1S(J6. Natürliche Schöpfungsgeschichte. Aiithropogenie. Die Naturanschauung von Darwin, Goethe u. Lamurck. Jena 1882. ■'') Cohn. Goethe als Botaniker. Deutsche Itundschau 1881. (Auch in ,Die Pflanzet) *) Dubois-Reymond. „Goethe und kein Ende" in „Reden etc." 1886. *) Helmholtz. Goethes Vorahnungen u.s.w. Berlin 1892. — 154 — und Helmholtz ist im Irrtum, da wir wissen, daß Goethe mit andauerndem Fleiß, umsichtiger Beobachtung- und stetem Nachdenken seinen Problemen nachging bis an sein Lebensende.^) Ist es doch eine bemerkenswerte Schicksalsfügung, daß das letzte, was Goethe geschrieben (im März 1832), eine Erörterung über obenerwähnte Sitzung der französischen Akademie ist. Es wird da ganz am Schluß und gleichsam wie ein pro- phetisches Vermächtnis, die Hoffnung ausgesprochen. „daß die genetische Denkweise, deren sich der Deutsche nun einmal nicht entschlagen kann, mehr Kredit gewinne." (7. 214.) Nun, wir Deutschen haben dieser Hoffnung Ehre gemacht. Heute liegen die Verhältnisse wesentlich anders : Täuschen wir uns nicht, so ist die uns anhaftende Neigung, die Autorität zu überschätzen, im Abnehmen. Wir studieren die Werke des großen Goethe an der Quelle und verkünden freudig seine Thaten. Nach dieser Richtung haben neuerdings Männer wie Kalischer,^) Steiner^) und von Bardeleben*) glänzende Beispiele gegeben. Die Anerkennung der Verdienste Goethes um die Natur- wissenschaften ist aber nicht etwa nur eine einfache Sache der Gerechtigkeit, der vielleicht nur die Fachgelehrten zu genügen hätten, sondern sie ist eine unal)weisbare Forderung für jeden Gebildeten, ja für unser ganzes Volk. Denn ein tieferes Ver- ständnis seiner Werke ist nur möglich, wenn man ihn nicht nur als Dichter oder Künstler auffaßt, sondern wenn man alle Entfaltungen dieses Eiesengeistes zu verstehen sich bemüht : und gerade die Naturwissenschaften stehen in dieser Hin- sicht mit in erster Linie. Das einfach Wahre aller seiner Schöpfungen, das uns so tief ergreift, hängt psychologisch mit seinem Studium der Natur eng zusammen: „So viel Neues ich finde, und ich doch nichts Uner- wartetes; es paßt alles und schließt sich an, weil ich kein ') Vergl. p. 132 (6. 127). *) Kai is eher a. a. 0. ') Steiner. Goethes "Werke. Heraus^, v. J.Kürschner. Tl. 33. Üoethe-Jahrb. 18i>l. Bd. 12. p. lüü. *) V. Bar de leben. Goethe- Jahrb. 18i)2. Bd. 13. -Goethe als Anatom." Nord u. Süd 18i)5. — 155 — System habe und nichts will, als die Wahrheit um ihrer selbst willen." *) und an Knebel schreibt er (8. Dez. 1784): „Die Naturwissenschaft ist so menschlich, so wahr, daß icli jedem Gliuk wünsche, der sich ihr auch nur etwas erg^ebt — — sie ist so leicht wahr zu bcliaudeln, daß sie den Geschmack zum Unwahren überwinden kann; sie beweist und lelirt so bündip:. daß das Größte, das Ge- lu'imnisvollste, das Zauberhafteste so ordentlicli einfach, (»fteutlicli. unmagiscli zug^eht: sie muß doch endlich die armen unwissenden ]\rensclien von dem Durst nach dem Dunkeln, Außerordentlichen heilen. Ich l)itte tägiich meinen guten Genius, daß er auch mich von aller anderen Art von Bemerken und Lernen ablialte und mich immer auf dem ruhigen be- stimmten Wege leite, den uns der Naturforscher so natür- lich vorschreibt. " Je tiefer wir also in die den Menschen ja doch am stärksten l)e wegenden Probleme der \Mssenschaft vom Leben und in ihre Lösung-sversuche eingedrungen sind, und je mehr wir zu einem Verständnis der großartigen Naturanschauung Goethes gelangt sind, einen um so größeren Wert erlangen dadurch für uns auch seine dichterischen Schöpfungen : Dann erst begreifen wir, daß er empfangen „Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit." (Zueignung.) ') Br. an Frau v. Stein 2.325 u. W. A. IV. 7.229. 1 11 li a 1 1. Seite Jahresfeier der Senckenbergischen naturforschemlen Gesellschaft am 28. Mai 1899 : Jahresbericht, erstattet von Dr. med. Blumenthal III Verteilung der Ämter im Jahre 1899 XVI II Verzeichnis der Mitglieder: Stifter XX Ewige Mitglieder XXI Mitglieder des Jahres 1898 XXII Neue ^litglieder für das Jahr 1899 XXIX Äußerordentliche Ehrenmitglieder XXIX Korrespondierende Ehrenmitglieder XXIX Korrespondierende Mitglieder XXIX Rechte der Mitglieder XXXV Bibliothek-Ordnung XXXV Geschenke und Erwerbungen: Naturalien XXXVII Bücher und Schriften LIV Die vorhandenen Zeitschriften LXXVI Bilanz per 31. Dezember 1898 LXXXII Übersicht der Einnahmen und Ausgaben LXXXIII Sektionsberichte LXXXIV Protokollauszüge: XCV Prof. Dr. Reichen bach: Über lebende Ameisenkolonien in künstlichen Nestern XCV Hofrat Dr. Hagen: Meine Reisen in die Batakländer (Zentral-Sumatra) XOVI und C Prof. Dr. Mob ins: Die untere Grenze des Pflanzenreichs . CV Prof. Dr. Edinger: Der heutige Stand unseres Wissens von den Grundelementen des Nervensystems .... CVIII Prof. Dr. Andreae: Über Rekonstruktionen fossiler, sog. „vorweltlicher" Tiere (Darstellungen durch Lichtbilder) C'XII Dr. Greim: Die Gezeiten CXIV Erteilung des Tiedemann-Preises CXV Prof. Dr. Kinkelin: 1. Die Entwickelung der ältesten Krebse und 2. Die Lurchfische der Vorzeit CXVII 38isn Ami lex Pr(i'&a>k»lleBi *lcr Ter«-£]tmBg:ssitzmBgeB: Bläsaäeöi SichiJlU ^ Time EL j^ TT TT T ScsgBagfliuiifte StatficB fiber *fas iwiiMmiiyiTiiiirifiif LoatenkaL mD Bößias xoir TfcäiMfaminte 4a FSi&l Ym Dr. Fr&az BajBoer^cE. ((Kit IS» l^xSfigar . : Bool. TtdfatBg^wEME ami FmftBradheähBig (io- a«M&igaL V<ür:zä^. ('JBk 7 Tft-i _--"__ 75 2L Jaaaor lü^ T«n JM. W, K^heU-SAmaeksiak, i^lfit fiber Bhtftfarawirai muk Arsr F««ziinign$ Andb limangaric Ins^BHiL T«r- . r . 4aSla ham hikx&Sfstm sm m. Hau \m» mvL -....v--i,iax. _ -• .i- LilbfcertJL ({Xift Tafd I— Vl)). . . 106 WöTTB^ ' %i^ ^ssmm zar Föer vm 6<«««ke's Wi, GdwDts- "Ja^axem^Wmtie 4a LDncfctsts ^ €irt«Ae wb4 iüs: IBMsfpe, V&bvvraag wm Twti, Dr, B. « Bericht der Senckenbergischen naturforscli enden Gesellschaft in Frankfurt am Main. 1899. Mit sechs Tafelo, einer Karte und einem Porträt. Frankfurt a. M. Druck von Gebrüder Knauer. t.y MBL WHOI Library • Serials III 1 11 r nil Tiiii'i 5 WHSE 00