Wmm m Wmmm im /i ><^ M^ /YV d __J O BERICHT DER SENCKENBERGISCHEN NATUßFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN FRANKFÜRT AM MAIN 1906. Vom Juni 1905 bis Juni 1906. Die Direktion der Senckenbergischen Natupforschenden Gesellschaft beehrt sich hiermit, statutengemäß ihren Bericht über das verflossene Jahr zu überreichen. Frankfurt a. M., im Juni 1906. Die Direktion: Dr. phil. A. Jassoy, I. Direktor. Robert de Neufville, IL Direktor. W. Melber, I. Sekretär. Dr. med. 11. von Mettenheimer, II. Sekretär. I. Teil Geschäftliche Mitteilungen. Jahresfeier der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft am 27. Mai 1906. Im festlich geschmückten Vogelsaale begrüßt der derzeitige I. Direktor Dr. A. Jassoy die Erschienenen zur letzten Jahres- feier im alten Museum, aus dem die Gesellschaft trotz der Raumenge und mancher technischen Unvollkommenheiten der Hörsäle, Sammlungs- und Arbeitsräume begreiflicherweise nur schweren Herzens scheidet. Mag auch in einigen Jahren draußen an der Viktoria-Allee ein neues, reiches wissenschaftliches Leben erblühen, für die nächste Zeit ist aller Voraussicht nach zu er- warten, daß der so erfreulich gewachsene Besuch der Vorträge und Vorlesungen durch die große Entfernung des Neubaues vom Zentrum der Stadt etwas beeinträchtigt werde. Selbst wenn die Fertigstellung der neuen Saramlungsräume in den nächsten Monaten erfolgt, wird die Überführung aller Sammlungen in das neue Haus und ihre Neuaufstellung in diesem Sommer kaum zu bewerkstelligen sein, zumal auch die Auf- stellung der neuen Schauschränke in zwei Geschossen mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird. Immerhin hofft die Gesellschaft nach Überführung der Lehrsammlung die Vorlesungen der Dozenten vom Herbste ab im Neubau veranstalten und auch die Abhaltung der Wintervorträge daselbst ermöglichen zu können, zumal letzterer Absicht keine erheblichen Schwierig- keiten entgegenstehen. Der Vorsitzende schließt mit Worten des Dankes für die Beihilfe im abgelaufenen Berichtsjahre und be- sonders für die so reichlich dem Museum zugewiesenen Ge- schenke, unter denen sich ganz hervorragende auch von aus- — 6* — wärtigen Gönnern befinden, nnd berichtet, daß Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, die hohe Protektorin der Gesell- schaft, in einem vor wenigen Tagen aus Homburg v. d. H. an die Direktion gerichteten Schreiben mit Interesse von dieser wert- vollen Bereicherung der Sammlungen durch ausländische Freunde Kenntnis genommen hat. Hierauf hält Stabsarzt Dr. L. Drüner den Festvortrag über ,,r)ie Kiemenbögen der Wirbeltiere und ihre Abkömmlinge." Der stamm der Wirbeltiere, Chordon ier, ist ein durchaus einheitlicher. Die Verwandtschaft seiner Zweige findet in dem Nachweis der Chorda dorsal is unter dem Rückenmarke und der segraentalen Gliederung, Metamerie, ihren Ausdruck. Die Zusammengehörigkeit der einzelnen Zweige ist aber innerhalb dieses Stammes eine sehr verschiedene. Die Akranier und Cyclostomen sind unter einander und von allen übrigen Klassen der Wirbeltiere durch eine weite Kluft geschieden, die sich in den meisten Einzelheiten nicht überbrücken läßt. Ja unter den Cyclostomen allein, zwischen Fetromyson und Myxine sind die Unterschiede der Organi- sation so tiefgreifende, daß man ihren Verwandtschaftsgrad als einen entfeinteren einschätzen muß als den zwischen den äußersten Gliedern aller übrigen Chordaten, zwischen Haien und Säugetieren. Die enge Zusammengehörigkeit dieser letzteren hat zuerst Karl Gegenbaur in seinem fundamentalen Werke über das Kopfskelett der Selachier als Grundlage zur Beurteilung der Genese des Kopfskelettes der Wirbeltiere 1872 bewiesen. Der Vortragende beschränkt sich auf die Morphologie der Kiemenbögen des Wirbeltierstammes von den Selachiern bis zu den Säugetieren und führt den Vergleich an dem Bau des Skelettes, der Muskeln und Nerven bei den Haien, Schwanzlurchen und Säugetieren durch. Der Kiemendarm stellt einen trichter- förmigen Sack dar, dessen Sei ten wände von den Kiemenspalten durchbrochen werden. Zwischen je zwei Kiemenspalten liegt ein Kiemenbögen, eine Skelettspange mit den die Kiemen durch- blutenden Gefäßen, mit den Kiemenbögen, Muskeln und Nerven. — 7* — Von diesen Organen sind die Skeletteile und die eine morpho- logische Einheit bildenden Muskeln und Nerven für die ver- gleichende Morphologie die wichtigsten. Diese gehören dem ältesten Teile des Schädels, dem Paläokranium, an. Die se- kundär in den Bereich des Kiemenkorbes eingewanderte hypo- branchiale Muskulatur, aus der sich die Zuugenmuskulatur entwickelt, gehört dagegen dem nachträglich an das Gehirn angegliederten 12. Gehirnnerven, dem Hypoglossus, an, und muß hier außer Betracht bleiben. Bei den Selachiern ist die branchiomere Gliederung der Kiemenbögen, oder besser Schlundbögeu, eine gleichartige. Nur der erste Schlundbogen hebt sich durch seine Einrichtungen, den Kieferapparat, heraus. Die Muskeln, die das mächtige Palatoquadratum und den Unterkiefer bewegen, sind viel massigei" als bei den nachfolgenden Schlundbögen, namentlich als der Schläfenmuskel und der Unterkieferheber. Aber man erkennt auch hier noch die allgemeine Anordnung der übrigen wieder, bei denen der Kieraenbogenmuskel eine zusammenhängende Muskelbinde darstellt, die den Kiemenkorb vom Rücken zur Bauchseite umgibt. Auch die Nerven zeigen von Segment zu Segment die gleiche Gliederung in einen hinter der Kiemenspalte verlaufenden Hauptast und zwei Nebenäste, von denen der eine vor der Kiemenspalte an der Seitenwand, der andere an der oberen Wand des Schlundes sich verzweigt. Solcher Schlundbitgen finden wir hinter den ersten beiden, dem Kiefer- und dem Zungeubeinbogen, bei den meisten Haien noch 5, bei den tieferstehenden noch 6 oder 7. Wir haben also bei Heptanchufi 9 Schlundbögen, unter ihnen 7 Kiemenbögen im engeren Sinne. Bei den Urodelen treten mit dem Übergang vom Wasser- zum Landleben im Bau der Schluudbögen tiefgreifende Änder- ungen ein. Im Bereich des Kieferbogens gibt das Palato- quadratum seine Beweglichkeit auf. Nur der hintere Teil erhält sich als ein mit dem Schädel fest verbundenes Skelett- stück, das Quadratum. Von besonderer Bedeutung ist auch die Knochenbildung. Unterkiefer und Quadratum erhalten Knochenbelege und an den Gelenkenden stellt sich auch eine Verknöcherung des Knorpels selbst ein. Durch den Verlust der Beweglichkeit des Palatoquadratums wird der Schläfen- muskel ein Helfer für die Hebung des Unterkiefers beim Beißen. Die wesentlichen Veränderungen im Bereiche des Zungenbeinbogens bestehen in dem Schwunde der ersten Schlundspalte, des Spritzloches, und der Bildung einer die hinteren Kiemenspalten überdeckenden Hautfalte, des Kiemen- deckels. Dieser Kiemendeckel wird von den Muskeln des zweiten Schlundbogennerven, des Facialis, durchzogen und, indem er sich bis zum Schultergürtel ausdehnt und nach der Metamorphose hier festen Anhalt gewinnt, birgt er den Anfang zu Entwickelungsvorgängen der Facialismuskulatur, die im Säugetierstamm zu hoher Bedeutung gelangen. Schon bei den Urodelen zeigt sich eine große Verschiedenheit der Formen unter den oberflächlichen Facialismuskeln und ihre Neigung, sich vom Schultergürtel über die Haut der Unterkieferregion auszudehnen. Mit diesen umfangreichen neuen Anforderungen, die an die Facialismuskulatur mit dem Übergang zum Land- leben gestellt wurden, ist aber der zweite Schlundbogennerv gewissermaßen nicht allein fertig geworden ; der dritte Schlund- bogennerv, der Glossopharyngeus, mußte ihm durch Ausbildung einer starken Verbindung Hilfe leisten. Daraus sind die viel- fachen auch bei den Säugern bis hinauf zum Menschen vor- handenen engen Beziehungen zwischen diesen beiden Nerven herzuleiten. Unter dieser oberflächlichen in den Dienst der Haut tretenden Muskulatur finden wir bei den Urodelen die am Skelett ansetzenden Muskeln in der typischen Anordnung. Es ist ein Heber des Zungenbeinbogens, der hier bei den meisten Formen Ansatz am Unterkiefer gewinnt, und ein zwischen den beiden Hälften sich ventral ausspannender intermandibularer Muskel vorhanden. Und im wesentlichen die gleiche Anord- nung begegnet uns bei den folgenden Kiemenbögen, deren bei den Urodelen vier auf den Zungenbeinbogen folgen. Hinter dem vierten Kiemenbögen liegt ein kleines Kuorpelchen zu beiden Seiten des Kehlkopfeinganges, dessen Muskulatur im kleinen die Anordnung wiederholt, welche die Kiemenbögen zeigen, der Stellknorpel, das Arytänoid. Diesen Knorpel hat Gegenbaur daher von einem fünften Kiemenbögen abgeleitet. Nun findet man aber an der Muskulatur hinter dem vierten Kiemenbögen eine Anordnung, die im Verein mit dem Befund — 9* — einer fünften Kiemenspalte den Verlust wenigstens eines Kiemenbogens vor dem Kehlkopf schon bei den Urodelen an- nehmen läßt. Man muß also den primitiven Kehlkopfknorpel, das Arytänoid, von einem sechsten bezw. siebten Kiemenbogen- knorpel bei den Vorfahren der Urodelen ableiten und auf Grund dieser Tatsachen annehmen, daß die charakteristischen Umge- staltungen des Urodelenkörpers, die mit der Luftatmung zusammenhängen, bei selachierähnlichen Vorfahren mit sechs oder sieben Kiemenbögen hinter dem Zungenbeinbogen ein- gesetzt haben. Bei den Säugetieren ist die Anordnung der Muskulatur im Bereich des Kieferbogens auf den ersten Blick wieder zu erkennen. Schläfeumuskel, Heber des Unterkiefers und inter- mandibularer Muskel zeigen im wesentlichen die gleiche Anord- nung. Im Facialisgebiet ist die oberflächliche Hautmuskulatur zu riesiger Ausdehnung gelangt und hat die wichtigen Funk- tionen des Augenlidschlusses, der Bewegung der Lippen, der Ohren, der Kopf- und Halshaut übernommen. In der Tiefe finden wir aber am Zungenbeinbogen die ursprüngliche Anord- nung der Muskulatur noch erhalten wie bei den Urodelen, einen Heber des Zungenbeins, den hinteren Teil des zwei- bäuchigen Muskels, der mit einem Teil des intermandibularen Muskels durch eine Zwischensehne in Verbindung getreten ist, und den Stylohyoideus, den Abkömmling des Interhyoideus. Zwischen Zungenbein und Kieferbogen ist das Mittelohr zur Entwickelung gelangt, das zusammen mit der Bildung des sekundären Gaumens die Oberkieferregion umformt. Der nahe- liegende Vergleich des Mittelohres und äußeren Gehörganges mit dem Spritzloch der Selachier wird durch die Entwickelungs- geschichte der Säugetiere als unrichtig erwiesen. Die erste Schlundspalte vor und über der Chorda tympani, dem hinter der Kiemenspalte verlaufenden Hauptaste (Ramus postrematicus) des Facialis bildet sich vollständig zurück und hinter und unter der Chorda tympani bilden sich äußerer Gehörgang und Trommelfell unabhängig von der ersten Schlundspalte durch Erhebung von Hautfalten und Taschenbildungen von der Schlundwand aus. Daher kommt es, daß die Chorda tympani über dem Trommelfell an seinem oberen Rande durch das Mittelohr läuft. — 10* — Einem völlig anderen Entwickelungsmodus folgt das Trommelfell und Mittelolir der Anuren. Bei Frosch und Kröte ist die erste Schlundspalte als Ausgangspunkt der Mittelohr- und Trommelfell -Entwickelung zu erkennen und demgemäß entspricht die topographische Lage der Chorda tympani zum Mittelohr hier der zum Spritzloch bei den Selachiern. Auch das Skelettsystem nimmt durch die Ausbildung der Gehörknöchelchen an der Bildung des schalleitenden Apparates des Mittelohres teil. Die Streitfrage, ob das Gelenk zwischen Hammer und Ambos dem Kiefergelenk der Urodelen und Se- lachier entspricht, kann nur gestreift werden. Hinter dem Hyoidbogen ist nur noch ein Kiemenbogen bei dem entwickelten Säugetier als solcher ohne weiteres zu erkennen, das Hinter- zungenbeinhorn. Aber die vergleichende Entwickelungsgeschichte zeigt, daß der Schildknorpel aus dem 2. und 3. Kiemenbogen- knorpel verschmilzt, und es lassen sich Gründe dafür anführen, daß der 4. Kiemenbogen in dem Kehldeckel steckt. Damit ist der enge Anschluß an die Urodelen gewonnen, deren Anatomie und Entwickelungsgeschichte die Herkunft des Stellknorpels aus dem 6. oder 7. Kiemenbogen der haifischähnlichen Voi- fahren erkennen läßt. Die enge Zusammengehörigkeit der Selachier, Urodelen und Säugetiere kommt auf diesem Gebiete zu prägnantem Ausdrucke und vor allem die vergleichende Anatomie des peripheren Nervensystems erweist sich als sichei-er Leitfaden für die Auffindung der richtigen Homologien. Skelett und Gefäßs3'stem sind den entwickelungsgeschichtlichen und topographischen Befunden im Bereiche des Nervensystems unter- zuordnen. Der Vortrag wird durch eine große Anzahl Abbildungen und durch stereoskopische Photographien von anatomischen Präparaten erläutert, wozu die Firma Sc hlesicky -Stroh lein die nötigen Stereoskope gütigst zur Verfügung gestellt hat. Zum Schluß erstattet der II. Direktor Robert deNeuf- ville den Jahresbericht. „ H o-c h a n s e h n 1 i c li e V e r s a m m 1 u n g ! Die giößte Bereicherung und Vermehrung hat im ver- flossenen Jahre die mineralogische Abteilung erfahren. — 11* — Konnteu wir Ihnen im vorigen Jahre über die wertvolle Schenkung der Mineraliensammlung unseres verstorbenen Mitgliedes Dr. Ludwig Belli berichten, so sind heute in erster Linie zwei hochherzige Schenkungen von größeren Suiten zu erwähnen, der Sammlung von Gesteinen und Mineralien aus dem Taunus, Odenwald und Spessart des Frankfurter Mineralogen Franz Ritter und der Sammlung des Vulkanforschers Dr. Alphous St übel. Sodann hat in den letzten Tagen unser arbeitendes Mitglied Dr. Edmund Naumann seine von ihm selbst zu- sammengebrachte Sammlung von Erzstufen zur Begründung einer größeren Studiensammlung für Erzlagerstätten der Gesell- schaft in hochherziger Weise als Geschenk überwiesen. Franz Ritt er sehe Sammlung. Der wertvollen Bei- träge, die Ritter schon zu Lebzeiten für die Lokalsammlung des Senckenbergischen Museums geliefert hat, wird in seinem Nachrufe gedacht werden. Aber auch über das Gi'ab hinaus ist ihm die Gesellschaft zu ewigem Danke verpflichtet. Während seiner qualvollen Krankheit, von der ihn erst der Tod erlösen sollte, hat er seinem Bruder, Herrn Oberforstrat A. von Ritter, und dem Sektionär Prof. W. Seh auf seine Wünsche bezüglich seiner Sammlung mitgeteilt. Danach sollten seine Edelsteine, die er durch Tausch gegen Lokalsuiten von Eugen Tor now erhalten hatte, in der Familie seiner Angehörigen bleiben, die Steinbeile aus dem Taunus verkauft, käuflich erworbene Mineralien von D. Blatz in Heidelberg übernommen, alle weiteren aber von ihm selbst gesammelten mineralogischen und petrographischen Schätze der Senckenbergischen Gesell- schaft übermittelt werden. Die außerordentliche Reichhaltig- keit dieser Sammlungen zeugt von dem erstaunlichen Fleiß des Verschiedenen und von seiner Begeisterung für die Wissen- schaft. Die Gesteine des Taunus, Odenwalds und Spessarts sind zum großen Teil in mehrfachen Dubletten verschiedener Größe vertreten, alle in trefflichen Handstücken, wobei nur zu be- dauern ist, daß öfters die Fundortsangaben fehlen. Besonders wertvoll sind die Mineralien der Umgebung von Frankfurt, die nur von einem Manne mit der Zähigkeit, unverdrossenen Aus- dauer und dem hervorragenden Beobachtuugstalente Ritters in solcher Vollständigkeit zusammengebracht werden konnten. — 12* — Die Phosphate der Brauneisenerzlagerstätten und Quarzgänge, die Manganspäte von Oberneißen, die Nauroder Mineralien, die wohl ähnlich den von F. Zirkel untersuchten vom Finkenberg bei Bonn zum Teil nicht Einschlüsse, sondern magmatische „Ur- ausscheidungen" sind, die schönen Fluorite und Albite von Rup- pertshain mögen besonders hervorgehoben werden. Nächst dem Taunus ist der Spessart am vollständigsten vertreten, so daß Ritters Kollektion hinter der Aschaffenburger nicht erheblich zurückstehen wird. Auch aus dem Odenwald und der Ebene könnte eine Reihe bemerkenswerter Stufen aufgezählt werden. Da aber mit Hinsicht auf den in diesem Jahre zu bewerkstel- ligenden Umzug eine Ordnung und Aufstellung des Ritt er sehen Nachlasses noch nicht erfolgt ist, soll später genauer über Einzelheiten referiert werden. Außer den Mineralien und Gesteinen hat Oberforstrat A. von Ritter der Gesellschaft auch die Kristallmodelle seines Bruders, mehrere optische Präparate von Reuter & Steeg, ein Anlegegoniometer und einige Hämmer überwiesen, wofür wir ihm auch an dieser Stelle herzlichsten Dank entgegenbringen. Die Modelle aus Pappe siud z. T. nach Formen der Lokal- sammlung entworfen; sie sind geradezu Meisterstücke an Exakt- heit und künstlerischer Vollendung, die einer jeden Lehrsamni- lung zur Zierde gereichen würden. Alphons S tu bei -Sammlung. Am 16. Juni 1905 teilte Herr Emil Kühnscherf in Dresden der Gesellschaft mit, daß er und Dr. Theodor Wolf als langjährige Freunde des verstorbenen Vulkanologen Dr. Alphons St übel durch testa- mentarische Bestimmung beauftragt worden seien, den wissen- schaftlichen Nachlaß Stub eis zu ordnen und darüber weiteres zu verfügen, und daß er gesonnen sei, die von dem Verschie- denen hinterlassene Sammlung südamerikanischer Gesteine der Senckenbergischen Gesellschaft zu überweisen. Es braucht wohl kaum betont zu werden, daß die Gesellschaft über dieses großartige und unerwartete Anerbieten hocherfreut war; denn außer dem Grassi-Museum in Leipzig, das im Besitz der Stübelschen Hauptsammlung ist, hat wohl kein Institut, noch weniger ein Privatmann, eine Zusammenstellung von petro- graphischem Material aus dem südamerikanischen Vulkanzug auf- zuweisen, das an Vollständigkeit und Zuverlässigkeit auch nur — 13* — einigermaßen mit dieser herrlichen Kollektion zu vergleichen wäre, dem Ergebnis der vieljährigen, rastlosen Tätigkeit des hochgeschätzten Forschers, durch dessen geistvolle Hypothese das uralte Problem der Entstehung der Feuerberge in ein ganz neues Stadium getreten ist. Der größere Teil der Sammlung be- steht aus Handstücken der vulkanischen Gesteine (vorwiegend aus Andesiten, Daciten, Porphyriten) von Ecuador und Colombia, den Hauptgebieten der Studien Stub eis, wo er mit Reiß fast zehn Jahre unter überaus großen Schwierigkeiten verbrachte, aber auch Peru, Bolivia, Chile, Argentinien und Brasilien sind durch Eruptivtypen, zum Teil auch durch nichtvulkanisches Material aus dem Gebiet der Feuerberge vertreten. Jedes Stück ist genau etikettiert und trägt eine Nummer, die nach den gefl. Mitteilungen Dr. Th. Wolfs — dem die Gesellschaft für die mühsame Zusammenstellung der über 1200 Handstücke zäh- lenden Kollektion zu besonderem Danke verpflichtet ist — mit der des Originalstückes in dem Grassi-Museum übereinstimmt. Die Frankfurter Sammlung kann also nach den Etiketten genau nach der St Übel-Sammlung zu Leipzig und deren Katalogen geordnet und aufgestellt werden, in der Folge : Colombia, Ecua- dor, Peru, Bolivia, Chile, Argentinien, Brasilien. Weiter teilt Dr. Th. Wolf mit, daß ca. 200 Stück südamerikanische „Grün- steine" beigefügt sind, von denen S tu bei eine Typensammlung zusammenstellen wollte, die aber nicht zu stände kam. Dr. Th. Wolf ist der Ansicht, daß diese am besten wieder der allge- meinen Sammlung eingereiht werden, was an der Hand der Etiketten leicht ausgeführt werden kann. Diese große Schenkung gewinnt dadurch ganz besonders an Wert, daß der größere Teil ihres Materiales wissenschaftliche Spezialbearbeitung gefunden hat. Ihre Aufstellung kann erst im neuen Museumsgebäude erfolgen ; in den der mineralogischen Ab- teilung zugewiesenen Räumen des alten Museums würde der Platz nicht ausreichen. Außer den südamerikanischen Gesteinen ver- danken wir Frau Appellationsgerichtsassessor Kuhn und Frau Ge- heirarat Oberbürgermeister St übel, den Schwestern des Verstor- benen, noch die Überweisung folgender Werke Alphons St Übels: „Die Vulkanberge von Ecuador." Berlin 1897. „Das Wesen des Vulkanismus." Sonderabdruck aus obigem Werk. — 14* — „Ein Wort über den Sitz der vulkanischen Kräfte in der Gegenwart." Leipzig 1901. „Über die Verbreitung der hauptsächlichsteu Eruptions- zentren und der sie kennzeichnenden Vulkanberge in Südamerika." Aus Peterm. Geogr. Mitt. 1902, H. 1. „Über die genetische Verschiedenheit vulkanischer Berge." Leipzig 1902. „Martinique und St. Vincent." Sonderabdruck aus vorigem Werk. „Karte der Vulkanberge Antisana, Chacana, Sincholagua, Quilindaiia, Cotopoxi, Rumiüahui undPasochoa." Leipzig 1903. „Rückblick auf die Ausbruchsperiode des Mont Pele auf Martinique 1902 — 03 vom theoretischen Gesichtspunkte aus." Leipzig 1904. „Die Vulkanberge von Colombia." Ergänzt und heraus- gegeben von Th. Wolf. Dresden 1906. Dieses Werk, ein Seitenstück zu dem über Ecuador, unter- scheidet sich von diesem durch eine große Anzahl ausgezeich- neter, von der Künstlerhand Stub eis entworfener Bilder. Es ist ein Glück für die Wissenschaft, daß Stübels Colombia- Studien in Dr. Wolf, seinem Freund und Mitarbeiter, einen Herausgeber gefunden haben, der als hervorragender Forscher südamerikanischer Vulkane durch keinen Geeigneteren hätte ersetzt werden können. „Indianertypen aus Ecuador und Colombia." A. Stub el und W. Reiß. 1888. Lichtdruckbilder. Die Senckenbergische Gesellschaft spricht auch an dieser Stelle Herrn Emil Kühnscherf in Dresden, Frau Appellationsgerichtsassessor Kuhn und Frau Geheimrat Stü- bel, sowie Herrn Dr. Wolf tiefgefühlten Dank aus. Die E. Naumannsche Sammlung ist eine Fortsetzung der früher bereits von Dr. Edmund Naumann geschenkten Erzstufen aus Mexiko, die den größeren Grundstock einer Samm- lung von Erzlagerstätten gebildet haben. Der Umfang der jetzigen Schenkung, die Dr. Naumann selbst noch zu vervoll- kommnen beabsichtigt, ist derart, daß ein besonderer Raum im 11. Obergeschoß des neuen Museums für sie reserviert werden muß. Hier kann jetzt schon eine Ausstellung von durchaus — 15* — prachtvollen Stiifeu zur Entfaltung gebracht werden, die das Vorkommen der Erze auf ihren Lagerstätten, die Verbindung mit ihrem Nebengestein, ihre Entstehung u.s.w. veranschaulicht. Besonders hat Dr. Naumann Gewicht darauf gelegt, das Auf- treten der Erze in löslichen Gesteinen, in Kalken und Dolomiten, durch geeignete Stufen zu illustrieren. Eine derartige Zusammen- stellung des Materiales wird auf die Weiterausbildung dieses Wissenschaftzweiges von nachhaltiger Wirkung sein; sie wird auch den Fachleuten manche schwierige Frage erleichtern und weiteren Kreisen ein gutes Bild von der Natur der in der Erde ruhenden Mineralschätze geben können. Hoffentlich werden die großen Handels- und Industriefirmen, die dem Bergwesen nahe- stehen, sich an der Vervollkommnung dieses neuen Zweiges unserer Schausammlung beteiligen. Andere zahlreiche und wertvolle Geschenke, die uns wiederum von Freunden und Gönnern reichlich gespendet wurden, werden im Museumsbericht einzeln aufgeführt. Hier mag zunächst noch ein riesiges Schaustück für die palaeonto- logische Sammlung Erwähnung finden. Gerade zu Weihnachten erhielten wir die erfreuliche Mitteitung, daß auf Anregung mehrerer Gönner der Gesellschaft, besonders des Herrn Ph. Schiff in New-York, Herr Morris K. Jesup, der Präsident des Natur- historischen Museums in New-York, einen riesigen Dinosaurier {Diplodocus) von etwa 20 m Länge für den Licht hof des neuen Museums zu schenken beabsichtigte. Die Präparierung und Montierung dieses Originalstückes dürfte den Schenker ca. 6000 Dollars kosten. Herr Langelot h in New-York, ein geborener Frankfurter, hat für die Überführung dieses Riesentieres in seine Vaterstadt die sehr erheblichen Trans» portkosteu bereitwilligst übernommen. Zum Ankauf weiterer Schaustücke für den Lichthof spendete unser ewiges Mitglied Julius Wem her in London die Summe von M. 5000—, Dr. H. Merton, der den letzten Winter an der Zoo- logischen Station in Neapel gearbeitet hat, schenkte eine große Kollektion prachtvoll konservierter Coelenteraten, darunter ein großes Schaustück der Edelkoralle, die alle in der Schau- und Lehrsammlung Aufstellung fanden. — 16* — Für die Vermehrung der Vogelsammliing sorgte Ritterguts- besitzer Louis Witzel in Barca (Rumänien), ein geborener Frankfurter, durch eine umfangreiche, etwa hundert Bälge umfassende Sendung rumänischer Vögel, hauptsächlich aus den dortigen Sumpfniederungen, die sämtlich gut präpariert sind. Mit dieser „Probesendung" hat Herr Witzel gezeigt, wie reich die rumänische Vogelwelt ist und welche Schätze von dort noch zu erwarten sind. Ferner versprach Pfarrer Pf itzner in Sprottau (Schlesien), testamentarisch seine hervorragende Schmetterlingssammlung, die zurzeit etwa 4500 Spezies mit über 18000 Exemplaren umfaßt und auch eine Spezialsaramlung des Kreises Sprottau mit vielen Aberationen enthält, der Gesellschaft zu vermachen. Sie ersehen hieraus, welch wertvolle Schätze uns für die Vermehrung unserer Sammlungen im neuen Museum zur Ver- fügung gestellt werden. Wir betrachten diese gerade im ver- flossenen Jahre so reichlich gegebenen Spenden als einen Beweis für die Anerkennung der Tätigkeit aller unserer Sektionäre und Museumsbeamten. Ich gedenke nunmehr zunächst der schmerzlichen Verluste, die wir durch den Tod zahlreicher Mitglieder erlitten haben. Wir beklagen aufs tiefste den Heimgang unseres ar- beitenden Mitgliedes Franz Ritter, weiterhin den Tod unserer beitragenden Mitglieder Justizrat Dr. J. Binge, Benedikt M. Goldschmidt, Salomon B. Goldschmidt, Dr. med. J. Guttenplan, Dr.med.E.Kirberger, M.Ponfick, Geheimrat W. Schöller, K. Schaub, J. A. Weiller, sowie unseres ewigen Mitgliedes J. Lejeune. Aus der Reihe unserer korrespondierenden Mitglieder haben wir acht bedeutende Gelehrte verloren: HugoBoettger in Frankfurt a.M., Walther Flemming in Kiel, Joseph Probst in Biberach, Alexander von Both in Schwerin, ^Karl Brandenburg in Szegedin, August Heer wagen in Nürn- berg, Albert von Kolli ker in Würzburg, Karl von F ritsch in Halle und Franz Buchenau in Bremen. Franz Ritter') wurde am 1. Januar 1840 in dem eine >) Die Mitteilungen über die Jugendzeit des Verstorbenen sind seinem Bruder, Oberforstrat Albert von Ritter in Speyer zu verdanken. — 17* — Stimde vou Kaiserslautern eutferuteu Stiftswalder Forstliaiis als dritter Sohn des Revierförsters Wilhelm Ritter geboren. Dessen Vater war der im Jahre 1810 in München verstorbene Physikprofessor Joh. Wilhelm Ritter, von dem Goethe schreibt: „Gegen diesen Ritter sind wir übrigen nur Knappen." Die Mutter, eine feinsinnige Frau, geb. Marel aus Kaiserslautern, entstammte einer Hugenotteufamilie. Vom Elternhaus wanderte der Knabe täglich mit drei Brüdern nach Kaiserslautern, wo er nacheinander die Volks-, Latein- und Gewerbeschule besuchte. Nachdem er die mechanische Werk- stätte der letzteren verlassen hatte, ging er 1858 nach München, um sich der Bildhauerei zu widmen. Da er keine höhere Schule besucht hatte, öffneten sich ihm nicht die Pforten der Akademie und er arbeitete daher zwei Jahre lang im Atelier eines Bildhauers. Als die Fortsetzung seiner künstlerischen Studien durch die Erschöpfung der Mittel seiner Mutter ver- hindert wurde — der Vater war schon vor der Übersiedelung nach München gestorben — , sah er sich genötigt, auf Erwerb auszugehen. 1860 fand er in Frankfurt in einem Bildhauer- Atelier Beschäftigung, wurde aber durch das Kriegsjahr 1866 brotlos und deshalb gezwungen, in einer Tapetenfabrik durch Schnitzen von Holzmustern sein Dasein zu fristen. Diese Beschäftigung verleitete ihm allmählich seine Freude an der bildenden Kunst derart, daß er schließlich dazu kam, ihr ganz zu entsagen und sich auf den Rat eines Bekannten, der auf sein hochentwickeltes musikalisches Gehör aufmerksam gewor- den war, dem Beruf eines Klavierstimmers zu widmen. Durch die Geradheit und Schlichtheit seines Wesens wurde er eine willkommene Erscheinung in den Familien seines Kundenkreises, sein feines Ohr und die peinliche Gewissenhaftigkeit in der Aus- übung seines anstrengenden Berufes verschafften ihm auch bald Eingang bei unseren ersten Künstlern und zu Kunstinstituten; eine sorgenfreie Existenz war ihm. von nun an gesichert. Mit mineralogischen Studien hatte sich Ritter bis dahin nicht beschäftigt, aber seine auf der Gewerbeschule erlangte Fertigkeit im Projizieren stereometrischer Formen taten ihm später gute Dienste. Ende der 70 er Jahre kam ihm als Mit- glied des Taunusklubs der Gedanke, die wissenschaftliche Sektion dieses Vereins, der schon F. Scharf f eine kleine Sammlung über- — 18* — wiesen hatte, durch Zusammenstellung einer möglichst voll- ständigen Serie von Taunusmineralien zu fördern. Rasch erkennend, daß die Beschäftigung mit Mineralien ohne kristallo- graphische Grundlage zu nichts führt, machte er sich mit dem P'ormenreichtum der unorganischen Welt und den sie beherr- schenden Gesetzen vertraut. Bei seinem ausgeprägten Sinn für die Form, seiner mathematischen und technischen Vorbildung fiel es ihm leicht, bewundernswerte Kristallmodelle anzufertigen. Manche Förderung erfuhren seine mineralogischen Studien durch Friedrich Scharf f, Otto Volger und durch die Herren Sandberger, Nies, Streng, Petersen und Bucking. Durch unermüdlichen Sammeleifer hat er im Laufe weniger Jahre eine lückenlose Reihe der Tauuusmineralien, darunter auch viele früher unbekannte, zusammengebracht, worüber nähere Angaben in seiner Arbeit über „Neue Mineralfunde im Taunus" (Bericht der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 1883/84) zu finden sind. Diese Mitteilungen bieten eine treffliche Er- gänzung und Erweiterung der von Stifft, Sandberger, Koch, Schar ff und anderen gemachten Beobachtungen.^) Ritter war ein Sammler, der seinesgleichen sucht. Nie verließ ihn die Geduld, wenn er einem Mineral auf der Spur war; stundenlang hielt er im glühenden Sonnenbrand aus, mit wuchtigem Hammer die zähesten Felsblöcke bearbeitend; vor keinen Kosten scheute er zurück, wie er unter anderem eine für seine bescheidenen Verhältnisse sehr erhebliche Summe — leider vergeblich — geopfert hat, um die Betriebsfortsetzung der durch ihre Mineral- und Gesteinseinschlüsse so merkwürdigen Brüche in dem basaltähnlichen Nauroder Eruptivgestein zu ') Bis dahin waren aus dem Taunus etwa 47 Mineralien bekannt. Die durch F. Ritter neu entdeckten sind die folgenden, in der Eeihenfolge aufgezählt, wie er sie in obigem Vortrag beschreibt : Arsenkies, Eleonorit und Strengit, die durch N i e s 8 Jahre früher als neue Arten bekannt ge- worden waren, Picit, Kakoxen, Lepidokrokit, Manganspat, Orthoklas auf Albit (nach Sandberger), Rotkupfer, Covellin, ein Zinkoxydhydrat (nach Sandberger), Phillipsit, Aragonit, Sphaerosiderit, Wad, Bitterspat, Sillimanit, Chorophaeit Enstatit, Diallag, Labradorit, Hygrophilit, Titanit. Später kamen noch Kupferpecherz und Fahlerz hinzu, schließlich der Ehlit vom Frauenstein (vergl. Petersen, Jahresbericht des Physikalischen Vereins, Frankfurt 1896/97). Über die Nauroder Mineralien (^Sillimanit und die folgenden) vergl. F. Sandberger, Jahresbericht der K. K. Geol. Reichsanstalt. 1883. — 19* — veranlasseu. Schüler und andere junge Leute begleiteten ihn meist bei seinen Exkursionen und so mancher Mineralog von Fach verdankt seiner liebevollen und anregenden Unterweisung den Entschluß zu seinem späteren Beruf. „Denn wirkliche Liebe war es, nicht bloße Liebhaberei, die den Verstorbenen mit seinen Mineralien verband, und diese Liebe suchte er auch bei anderen zu wecken und zu fördern .... Uns, die uner- fahrenen Jungen aus Quarta und Tertia, nahm er mit hinaus in seine Reviere und lehrte uns Felsarten und Mineralien unserer heimatlichen Gebirge kennen und die ersten kunst- gerechten Handstücke schlagen. So wußten wir Bescheid im Taunus oder Odenwald, lange ehe wir draußen auf der Hoch- schule uns dem eigentlichen Studium zuwenden konnten. — Auf wieviele junge E'rankfurter mag Ritter im Laufe der Jahre seine Liebe zur Natur übertragen haben; mancher ist bei der Fahne geblieben, die übrigen werden die frohen Wan- derjahre draußen nicht vergessen. Wir alle aber werden unseres Franz Ritter stets in Dankbarkeit und Liebe gedenken." Das sind die treffenden Schlußworte eines schönen Nachrufes, den ein junger Fachmann, Herr Dr. H. Philipp, seinem ersten Lehrer widmet. Während sich Ritter anfangs nur mit Mineralien be- schäftigte, wandte er seit Beginn der 80 er Jahre seine Auf- merksamkeit auch den Gesteinen zu. Von seiner Tätigkeit in dieser Periode zeugt u. a. eine Serie von 75 großen, präch- tigen Handstücken von Taunusgesteinen, die er der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft, die ihm schon aus früheren Jahren eine große Anzahl guter Mineralienstufen verdankt, zum Geschenk gemacht hat. In seinem Vortrag „Zur Geognosie des Taunus" (Senckb. Ber. 1886/87) hat er über Beobachtungen aus der Zeit 1883—87 referiert, unter denen besonders der Nachweis der weiteren Ver- breitung der dunklen Ganggesteine im Taunus, die in mancher Hinsicht an Monchiquit erinnern, hervorgehoben werden soll. Auch hat unter seiner Leitung Prof. Milch das Material zu seiner schönen Untersuchung der Diabasschiefer des Taunus, soweit sie dem rechtsrheinischen Gebiet entstammen, zusammengestellt. Ohne je seinen geliebten Taunus ganz aus dem Auge zu verlieren, sammelte und studierte Ritter später mehr im — 20* - Spessart und Odenwald; seine Spessartgesteiue in unserem Museum reihen sich ebenbürtig au die Taunuskollektion an, und so manche Hochschule und so mancher Privatmann ver- danken ihm aus allen diesen Bergen treffliches Material. Den Gebirgsarten des Spessarts gilt ein in dem Senckenberg- Bericht 1895 erschienener Vortrag, der ein sprechendes Zeugnis davon ablegt, wie tief der Verstorbene in petrogenetische Probleme eingedrungen, und wie sehr er befähigt war, selbständige Urteile zu fällen.^) Davon zeugen auch unter anderem seine Mitteilungen in dem Verein für Naturwissenschaftliche Unterhaltung und in der Chemischen Gesellschaft, seine Demonstrationen bei der Führung von Exkursionen, die er namentlich in den letzten Jahren regelmäßig mit der Chemischen Gesellschaft unternahm, und sein Vortrag auf der Versammlung der Deutschen Geo- logischen Gesellschaft im Jahre 1900. Für die mineralogische Erforschung unserer Heimat hat sich Ritter unvergeßliche Verdienste erworben; aber auch die vorhistorische Zeit des Menschen hat ihn lebhaft interessiert, wie seine bewundernswerte Sammlung von 400 Steinbeilen aus dem Taunus beweist, deren dauernder Verbleib in den Mauern Frankfurts nunmehr endgültig gesichert ist, nachdem sie das hiesige Historische Museum erworben hat. (W. Seh au f.) Am 5. Juli 1905 starb Hugo Boettger. Er war ge- boren am 5. Mai 1851 in Frankfurt a. M. als Sohn unseres früheren Ehrenmitgliedes, des Dozenten am Physikalischen Verein, Prof. Dr. Rud. Chr. Boettger. Er machte den Krieg 1870/71 als Einjährig-Freiwilliger im 34. Füsilier-Regiment von Anfang bis zu Ende mit, nahm an den Kämpfen von Weißen- burg, vor Straßburg, an der Lisa ine und bei Beifort teil und wurde noch im Felde zum Leutnant befördert. Seit 1887 in seiner Vaterstadt als Kaufmann ansässig, gründete er 1890 den „Krieger- und Militärverein Frankfurt a. M.", dessen Vor- sitzender er bis zu seinem Tode blieb. Als kaufmännischer Leiter verschiedener industrieller Unternehmungen lebte er nach dem Kriege bis zum Jahre 1880 in Beuel bei Bonn, wo er ') Mehrere seiner Spessartfunde fanden eingehende Untersuchung durch H. Bucking und E. Philippi. — 21* — Gelegenheit hatte, als Direktor der dortigen „Rheinischen Schwefelsäurefabrik" die dem Unternehmen gehörigen berühmten Braunkohlengrubeu von Rott palaeontologisch auszubeuten. Wir verdanken seinen Bemühungen zahlreiche wertvolle Stücke und einige Unika, wie den prachtvollen Kiefer des kleinen Anthraco- theriums und den Abdruck des dortigen Ophisaurus. Am 4. August 1905 starb in Kiel der Geh. Medizinalrat W. F lemming, ordentlicher Professor der Anatomie an der Universität Kiel, dessen Name auf das Engste mit der Ausge- staltung der Zellenlehre verbunden ist. Flemming wurde am 21. April 1843 in Schwerin geboren, studierte in Göttingen, Tübingen, Rostock und Berlin, promovierte 1868, habilitierte sich als Privatdozent in Rostock, später in Prag, wo er 1873 zum ausserordentlichen Professor für Histologie und Ent- wickelungsgeschichte ernannt wurde. 1876 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor für Anatomie nach Kiel. Hier wirkte er bis 1902, wo er sich gezwungen sah, sein Lehramt und die Leitung des Kieler anatomischen Instituts krankheits- halber niederzulegen. Die grundlegenden Arbeiten Flemmings beziehen sich auf die feineren Vorgänge im Zellkerne, bei der Zell- und Kernteilung. Die eigenartigen Veränderungen, die der Kern während seiner Teilung durchmacht, behandeln zahl- reiche Arbeiten Flemmings. „Zellsubstanz, Kern und Kern- teilung" (1882), „Über Zellteilung", „Attraktionssphäre und Zentralkörper in Gewebezellen und Wanderzellen", „Über Teilung und Kernformen in Leukocyten" (1891) etc. sind einige der Arbeiten Flemmings, die erheblich dazu beigetragen haben, Licht in diese feineren Vorgänge der Entwickelungs- geschichte hineinzutragen. Das wichtigste Ergebnis seiner Zell- kernforschung hat Flemming in den Worten „omnis nucleus e nucleo" zusammengefaßt, um darzulegen, welche Bedeutung und Selbständigkeit dem Zellkerne zukommt. Von Arbeiten Flemmings, die andere Gebiete berühren, sind noch zu nennen „Untersuchungen über die Bindesubstanz der Mol- lusken", „Über die Entwickelungsgeschichte der Najaden" u. a. m. Unsere Gesellschaft ernannte ihn im Jahre 1885 zum korre- spondierenden Mitgliede und krönte seine Arbeit über „Zell- substanz, Kern und Kernteilung" mit dem Sömmerringpreis. — 22' — Am 9. März 1905 starb in Bibeiach a. E. Kämmerer Dr. Joseph Probst, der seit 1875 korrespondierendes Mit- glied war. Probst war am 23. Februar 1823 in Ehingen a. D. als Sohn des dortigen Bärenwirtes geboren und sollte nach der Tradition der Familie Priester werden. Seine Ausbildung er- hielt er auf dem Konvikt in Ehingen und Tübingen und nach Absolvierung der Universität kam er nach Biberach, 1846 als Pfarrverweser nach Scheramerberg, 1858 als Pfarrer in das benachbarte Mettenberg und 1868 nach Unterhessen- dorf, wo er volle 30 Jahre liindurch seines Amtes waltete, bis er sich im 75. Lebensjahre nach Biberach in den Ruhestand zurückzog. Schon auf dem Gymnasium zeigte er Neigung für natur- wissenschaftliche Dinge, namentlich für Geologie und Palaeonto- logie und diese Neigungen pflegte er hauptsächlich in der Umgebung von Biberach. Denn alle seine Arbeiten, die sich auf dem Gebiete der Geologie und Palaeontologie bewegen, beschränken sich auf den Boden, auf dem Probst lebte — Oberschwaben. Namentlich die Gegend zwischen Ulm und Ravensburg gab das Material zu seinen wissenschaftlichen Publikationen. Ihm gebührt das Verdienst, für die jetzt all- gemein anei-kannte Dreiteilung des oberschwäbischen Miocän den Grund gelegt zu haben, und die Ergebnisse dieser Studien wurden bald auch in den benachbarten Ländern berücksichtigt und gaben Anstoß zu eingehenderen Untersuchungen über das Miocängebiet zwischen Alpen und Jura in der Schweiz, Bayein und Österreich. Bahnbrechend waren aucli seine geologischen Arbeiten über die oberschwäbischen Gletscherformationen. Sein Hauptlebenswerk ist aber die palaeontologische Untersuchung der Fisch- und Cetaceenreste aus der Meeresmolasse von Baltringen und die Pflanzen von Heggbach. Jahrzehnte hin- durch hatte er die dortigen Sandsteinbrüche unter seine spezielle Protektion genommen, so daß alles dort gefundene in seine Hände gelangte. Die einzige Disziplin, die ihn über den engeren Kreis seines heimatlichen Bodens hinausführte, war die Geo- physik. Zahlreiche Studien hierüber sind ebenso wie die anderen wissenschaftlichen Publikationen von Probst meist in den Jahresheften des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg niedergelegt. - 23* — Am 5. Oktober 1905 starb nach längerer Krankheit zu Schwerin der Kgl. preußische Oberstleutnant a. D. Alexander von Both, ein tüchtiger Schmetterlingskenner und im vorigen Dezennium ein tätiges Mitglied der Senckenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft. Alexander Otto Karl Heinrich von Both vi^ar geboren am 14. Oktober 1843 zu Paderborn; er entstammte einem der adeligen Urgeschlechter Mecklenburgs. Sein Vater stand bei dem 6. Ulanenregiment in Paderborn (jetzt in Hanau) und starb 1855 in Posen als Adjutant beim Generalkommando des V. Armeekorps. Alexanders Mutter, geb. von Rappard, starb, als er noch nicht zwei Jahre alt war; Alexander wurde dann, elternlos, bei den mütterlichen Groß- eltern, Geh. Justizrat von Rappard, erzogen. Dort vollendete er auf dem Gymnasium seine Studien im Herbst 1860 und bezog die Universität Bonn, um Naturwissenschaft zu studieren. Da er keine Vorliebe für einen bestimmten Beruf fühlte und auch irgendwelche Leitung dazu fehlte, eine Universitätslaufbahn einzuschlagen, was das Richtigste für seine Begabung gewesen wäre, trat er in Wetzlar bei dem dortigen Schützen-, späteren 8. Jäger-Bataillon ein. Nach der Goethestadt Wetzlar zog es ihn, nach seinen eigenen Erzählungen, als Naturfreund wegen der schönen Umgebung der Stadt. Hier war er auch eifriger Jäger. 1870 machte er mit seinem Bataillon den Feld- zug in Frankreich mit und erwarb sich, schwer am Bein ver- wundet, das eiserne Kreuz II. Klasse. Nach Beendigung des Feldzuges kam von Both mit seinem Bataillon 1871 nach Zabern im Elsaß in Garnison. Hier in den schönen Vogesen- bergen erwachte so recht die Liebe für die Naturwissenschaften, besonders für die Schmetterlinge, und bald hatte er eine genaue Kenntnis der gesamten deutschen Fauna. Hier studierte er auch die so interessante parthenogenetische Fortpflanzung ver- schiedener Psyche-Arten. Im Jahre 1884 wurde er zum 81. Infanterie -Regiment nach Frankfurt am Main als Hauptmann, später Major und Bataillons -Kommandeur versetzt. In den Verein für natur- wissenschaftliche Unterhaltung wurde er am 18. Februar 1885 als Mitglied aufgenommen und hier lernte ich ihn auf vielen gemeinsamen Exkursionen hoch verehren und schätzen ; später entstand hieraus innige Freundschaft. — 24* — Im Jahre 1890 zum arbeitenden Mitglied der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft ernannt, libernahm er die seit dem Tode unseres gemeinsamen Freundes, Oberstleutnant Saalmüller (1880) von mir mitverwaltete Sektion der Schmetterlinge nun wieder selbständig. Hier hat er sich ein bleibendes Denkmal errichtet in der öffentlichen Aufstellung einer Lokalfauna der deutschen Schmetterlinge, die bis zum heutigen Tage fleißig von Anfängern benutzt wird und schon manchen Freund dieser Insektenordnung heran- gezogen hat. 1892 wurde von Both als Bezirkskommandeur und Oberst- leutnant nach Cassel versetzt. Bei seinem Wegzuge von Frankfurt wurde er von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft zum korrespondierenden Mitgliede ernannt. In Cassel wurde von Both 1892 Mitglied des Vereins für Naturkunde und war von 1897 — 99 dessen Direktor. Hier hielt er interessante Vorträge, 8. Oktober 1894 über die merk- würdige Lebensweise einiger Schmetterlinge, 11. Januar 1896 über die Schmetterlinge im Haushalte der Natur, 11. Oktober 1897 und 14. März 1898 über Diatomeen, mit denen er sich damals mikroskopisch eingehender beschäftigte. Schriftlich ver- öffentlicht hat von Both leider nichts, was sehr zu bedauern ist, denn bei seinem Wissen und seiner reichen Erfahrung hätte er sicher manches Fördernde für die Wissenschaft leisten können ; desto mehr hat er aber in engeren und weiteren Kreisen durch seine mündlichen Mitteilungen gewirkt. Alexander von Both war verheiratet mit Marie von Starck und hinterließ fünf Söhne, die alle tüchtige Männer, jeder in seinem Fache, geworden sind, dank der Fürsorge, mit der er selbst die Studien seiner Söhne, so lange sie im Elternhause waren, überwachte ; in allen Klassen der Schule waren sie immer die ersten. (L. v. Hey den.) Karl Brandenburg, Oberingenieur an der Königl. Ungar. Staatsbahn in Szegedin (Ungarn), dessen Stolz und höchster Titel nach seinem eigenen Geständnisse das „Korrespon- dierende Mitglied der Senckenbergisclien Naturforschenden Ge- sellschaft" war, hat unserem Museum mehr genützt als manche berühmte Universitätslehrer, die auch langjährige Mitglieder — 25* — unserer Gesellschaft gewesen sind. Ihm verdanken wir ein geradezu riesiges Rohmaterial aus der Tertiärformation der ver- schiedensten Versteiuerungs-Fundpunkte Ungarns und Kroatiens, das er auf Dienstreisen und außerdienstlich speziell „für uns" zusammengebracht hat. Mit welchem Feuereifer er an der palaeontologischen und geologischen Aufschließung seines Vater- landes arbeitete, aber mit welcher Mißgunst, ja mit welchem häßlichem Undank seine Tätigkeit selbst von Budapest aus be- urteilt wurde, weiß jeder, der mit ihm in Fühlung getreten ist. Noch als er die Krankheit bereits in sich fühlte, der er in seinem 58. Lebensjahre, am 21. Oktober 1905, plötzlich erlag, sann er über neue Sammelexkursionen in dem so fossilreichen Südwest- winkel seines geliebten Vaterlandes. Niemand vor ihm hat so emsig und so unverdrossen die phänomenalen Fossilschätze Ungarns gehoben wie er, niemand sie so freimütig und freigebig verteilt, wo er fühlte und sah, daß sie eine sachgemäße wissen- schaftliche Bearbeitung erführen. Zeugen dieser hervorragenden wissenschaftlichen Tätigkeit sind die zahlreichen Abhandlungen 0, Boettgers, F. Dreverraanns und F. Kin ke lins, die sich auf die verschiedensten fossilen Faunen und Floren be- ziehen, deren Schenkung unsere Gresellschaft und ihr Museum dem Eifer, dem Geschicke, der Ausdauer und der üneigen- nützigkeit dieses seltenen Mannes verdankt. Auch die auf seinen Streifzügen im Banat gesammelten Kriechtiere, Lurche und Käfer hat er uns wiederholt zum Geschenke gemacht. Am 24. Oktober 1905 starb in Nürnberg Dr. phil. August Heer wagen, Prof. am Realgymnasium im Alter von 56 Jahren. Sein Hauptstudium bezog sich auf Chemie und beschreibende Naturwissenschaften, welche Fächer er auch am Realgymnasium lehrte. Hervorragendes leistete der Verstorbene als Vorstand der Naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg, aus welchem Ehrenamt und welcher Tätigkeit auch seine Beziehungen zu unserer Gesellschaft herzuleiten sind, die ihn 1901 zum korre- spondierenden Mitgliede ernannte. Am 2. November 1905 starb in Würzburg der Geh. Medi- zinalrat Exzellenz Albert von Koelliker, früher ordentlicher Professor der Anatomie an der Universität Würzburg. Koelliker — 26* — hat an dem Aufbau der Lehren mitgearbeitet, die heute Allge- meingut der Anatomie, Physiologie und Pathologie geworden sind und die Grundpfeiler der heutigen biologischen Denkweise bilden. Albert von Koelliker wurde am 6. Juli 1817 in Zürich geboren, studierte in seiner Vaterstadt, dann in Bonn und Berlin, wo er Johannes Müller näher trat, dessen anatomische Anstalt damals die Heimstätte für die vergleichende Anatomie bildete. 1843 habilitierte sich Koelliker in Zürich als Privatdozent und zwei Jahre später wurde ihm bereits die außerordentliche Pro- fessur für vergleichende Anatomie und Physiologie an der Uni- versität Zürich übertragen. 1847 folgte er einem Rufe als ordentlicher Professor der Anatomie nach Würzburg. Hier wirkte er neben Virchow und hatte großen Anteil an den durchgreifenden Reformen des medizinischen Unterrichtes, die damals von Würz- burg ausgingen. Koelliker war einer der ersten, der den Studierenden planmäßigen Unterricht und praktische Übungen in der mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte erteilte. Bis 1866 lag der gesamte anatomisch-physiologische Unterricht in Würzburg in Koellikers Händen. Dann gab er die Physiologie ab und von 1898 an beschränkte er seine Lehr- tätigkeit auf die Entwickelungsgeschichte, um sich dann 1902 in den Ruhestand zurückzuziehen. Koellikers wissenschaftliche Arbeiten sind außerordentlich vielseitig. Obenan stehen seine Beiträge zur Zellenlehre, vor allem „Zur Kenntnis des Zellkernes". Dann kommen grund- legende Arbeiten über die Bildung der vSamenfäden, die Studien über das Verhalten der Ganglienzellen in den nervösen Zentral- orgauen, über den feineren Bau des Nervensystems etc. Auch zur Lehre von dem Aufbau des zentralen Nervensystems hat Koelliker wichtige Studien über den Faserverlauf beigesteuert. Außer Arbeiten über die Sinnesorgane sind vornehmlich noch die Forschungen über die Entwickelungsgeschichte zu erwähnen, die wohl den meisten Raum unter Koellikers Publikationen einnehmen, gerade die schwierigsten Probleme der ersten Ent- wickelung haben ihn am meisten beschäftigt. Abei* auch auf rein zoologischem Gebiete, sogar auf systematischem, hat Koel- liker hervorragendes geleistet: „Die Siphonophoren und Schwimm- polypen von Messina", „ Anatomisch-systematische Untersuchung«^! der Alcyonideu und Pennatuliden", „Morphologie und Kut- — 27* — wickelungsgeschichte des Pennatulidenstammes", „Über die Wirbel der Selachier" etc., Studien, die meist eine ganze Reihe von fortlaufenden Publikationen zeitigten. Zahlreiche dieser letzteren Arbeiten sind in den ersten Bänden unserer Abhand- lungen erschienen und diesen Arbeiten hat Koelliker seine Ernennung zum korrespondierenden Mitglied unserer Gesellschaft im Jahre 1853 zu verdanken. Bei der Fülle der Einzelarbeiteu verlor Koelliker jedoch niemals den Blick für das Große und Allgemeine. Das zeigen namentlich die Studien und Kritiken, in denen er sich mit den damals modernsten Streitfragen über Deszendenzlehre, Darwi- nismus, Vererbungslehre von Weißmann und Häckel, Ent- wickelungstheorien von His, Götte u. a. beschäftigte. Alle diese Studien zeugen ebenso von strenger Kritik wie von ein- dringlicher Sachkenntnis. Auf den anatomischen Unterricht übte Koelliker einen ganz besonderen Einfluß aus durch seine beiden in der ganzen Welt verbreiteten und in mehrfachen Auflagen erschienenen Lehrbücher „Handbuch der Gewebelehre des Menschen für Ärzte und Studierende" und „Lehrbuch der Ent- wickelungsgeschichte". Als Lehrer zeichnete er sich besonders durch einen vortrefflichen Vortrag im Hörsaal aus. Am 9. Januar 1906 verschied in Halle a. d. Saale der Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Karl Freiherr von Frit seh, Präsident der K. Leopold. - Carolin. - Akademie deutscher Natur- forscher im 68. Lebensjahre. Der Frühverwaiste verbrachte seine Schuljahre auf dem Gymnasium zu Weimar. Schon in einer der liöheren Klassen schloss er sich seinem gleichgesinnten und gleichgestimmten Mitschüler Karl von Seebach an, dem geistreichen und liebenswürdigen, leider so früh verstorbenen späteren Professor der Geologie in Göttingen, und die beiden jungen Leute fanden in dem Geh. Finanzrat Herbst einen Be- schützer und warmen Förderer ihrer geologischen Bestre- bungen. So konnte von Fritsch bereits im Jahre 1859, noch ehe er die Universität bezog, eine „Geognostische Skizze der Umgebung von Ilmenau" veröffentlichen. Nach Vollendung seiner Universitätsstudien in Göttingen 1860—62 machte er als junger Doktor seine erste Auslandsreise nach den Kanarischen Inseln und habilitierte sich dann als Privadozent für Geologie an der - 28* — Züricher Hochschule. Eifrig forschend und publizierend finden wir ihn dann auf einer Reise nach der Insel Santoriu, wo einei- der grossartigsten vulkanischen Ausbrüche stattgefunden hatte. Durch seine Schriften namentlich über Vulkanismus und Schichten- störungen wurde die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf den jungen Gelehrten gelenkt, so dass er 1867 auf den Dozenten- stuhl für Geologie der Seuckenbergischen Naturforschenden Ge- sellschaft berufen wurde. Hier beschäftigten ihn die Neuordnung der geologischen und palaeontologischen Sammlung des Museums, aber auch wissenschaftliche Vorträge und Exkursionen in die Umgebung. Seine „Geologische Beschreibung von Tenerife" wurde vollendet, seine „Geologische Karte des Gotthardgebietes" in Druck gegeben. 1872 trat er von hier aus mit seinem Freunde J. J. Rein eine Forschungsreise nach Marokko an, eine Reise, deren Resultat z. T. auch den Sammlungen unserer Ge- sellschaft zugute gekommen ist. Überall in unseren geologisch - palaeontologischen Sammlungen stossen wir auf die charakte- ristischen Schriftzüge von Fritschs; Sachkenntnis und Liebe zur Sache treten uns hier überall vor Augen. Man hat ihm verdacht , daß er die berühmte Mineraliensammlung des Frank- furter Silberarbeiters Fr. H e s s e n b e r g mit ihren wissen- schaftlich so kostbaren Kristallen und selbstgefertigten Mo- dellen damals nicht für uns erworben hat, sondern sie durch den preussischen Staat für Halle, wohin er selbst 1873 als Professor der Geologie berufen wurde, hat ankaufen lassen. Aber wer sich der ärmlichen pekuniären Verhältnisse der Ge- sellschaft in der damaligen Zeit erinnert, wird leicht einsehen, dass ein Ankauf für Frankfurt im Anfang der 70er Jahre eine bare Unmöglichkeit war. Es würde den uns zugewiesenen Raum übersteigen, wollten wir auch nur mit wenigen Worten der fruchtbaren Tätigkeit von Fritschs als Lehrer und als wissenschaftlicher Schriftsteller gedenken. Unausgesetzt tätig in den mannigfaltigsten Gebieten und Zeitaltern — geologisch und palaeontologisch — hat er der Wissenschaft in überaus dankenswerter Weise genützt und eifrige Schüler herangebildet. Namentlich dem, Studium der Steinkohle und des Rotliegenden und der Parallehsierung der sächsischen mit den rheinisch- westfälischen Schichten wandte er einen ei'heblichen Teil seiner Arbeitszeit zu. Den Zuwachs an Material, den er dem Halle- — 29* — scheu Museum zuführte, scliätztvou Fritsch selbst auf 3000 Gesteiusproben uud auf 13000 Versteiuerungen. Mit Karl von Fritsch ist ein Manu von großartiger Einfachheit und Be- scheidenheit und von seltener Herzensgüte und persönlicher Liebenswürdigkeit von uns geschieden. Von seinen Vorfahren mit reichen äußeren Mitteln ausgestattet — er war u. a. In- haber des Majorates Gr. -Goddula — hat er es verstanden, seinen Reichtum zum Besten der Wissenschaft und zum Wohle seiner Mitmenschen in hochherziger Weise zu verwenden. Wir, die wir z. T. seine Schüler sind, trauern um einen Freund, dessen allumfassende Nächstenliebe wahrhaft einzig war; wir blicken auf seine Schaffensfreudigkeit und anziehende Gestaltung bei Dar- bietung des Lehrstoffes mit inniger Dankbarkeit zurück und wir erinnern uns gern und mit Rührung des Mannes, dessen Un- ermüdlichkeit, selbst unter den größten körperlichen Schmerzen in seinen letzten Lebensjahren, für jeden ein leuchtendes Vor- bild war. (0. Boettger.) Am 23. April starb in Bremen Prof. Dr. Franz Buchen au. Er wurde am 12. Januar 1831 in Kassel geboren, studierte Naturwissenschaften für den Gymnasiallehrerberuf und fand in solchem zuerst Anstellung in seiner Vaterstadt. Mit 25 Jahren kam er als Hilfslehrer nach Bremen an die damals (1855) neu eröffnete Bürgerschule. Gleich von Anfang an wurde Buche nau in das Lehrerkollegium gewählt und im Jahre 1868 zum Vorsteher dieser Schule ernannt. Nach 35 jährigem, segens- reichem Wirken trat er im Jahre 1903 in den Ruhestand. Neben seinem Berufe hat sich Buche nau große Verdienste um das wissenschaftliche Leben Bremens durch seine Wirksam- keit im dortigen „Naturwissenschaftlichen Verein", dessen Mit- begründer, langjähriger Vorsitzender und eifriger Förderer er war, erworben. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, von denen ganz besonders hervorgehoben werden sollen „Die freie Hansestadt und ihr Gebiet", „Die Flora von Bremen und Oldenburg", „Flora der ostfriesischen Inseln", „Monographia Juncacearum", „Flora der nord westdeutschen Tiefebene" etc., sind weit ver- breitet. Unsere Gesellschaft ernannte Dr. F. B u c h e n a u schon im Jahre 1853 zum korrespondierenden Mitgliede. Wir werden den Dahingeschiedenen ein treues Gedenken bewahren. — 30* — Aus der Reihe der beitragenden Mitglieder sind ferner ausgeschieden durch Austritt: die Herren H. Roth, Stadtrat R. Seh rader, Dr. med. 0. Dornblüth, M. Abendroth, Dr. med. C. Frank, Dr. med. C. Grünwald, Saelz & Co., Frau A. Seeling und Fräulein D. Weinrich; durch Wegzug: die Herren W. Job, Regierungsrat P. Klotz, E. A. Fester und Prof. Dr. 0. Löwi. Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr ausgeschiedenen bei- tragenden Mitglieder beträgt also 24. Neu eingetreten sind dagegen 102 beitragende Mitglieder und zwar: Herr D. D. S. Charles Adams, „ Dr. jur. Arthur Adler, ,, August Albert, Frl. Emy Amschel, Herr Philipp Andreae, Herren Gebrüder Armbrüster, Herr Amtsgerichtsrat Dr. M. Auerbach, „ Max Bauer, „ Dr. med. Carl Beck, ,, Dr. med. F. Ph. Becker, „ Gustav Behringer, Frau Dr. Paula Be rend, Freiherr S. Moritz von Bethmann, Herr Albert Bing, „ Theodor Bittel-Bö hm, „ Joseph Brentano-Brentano, „ Geh. Kommerzienrat Hugo Buderus, „ Siegfried Budge, „ Justizrat Dr. Gustav Burgheim, ,, Ignaz Creizenach, ,, Theodor Curti, ,, Sanitätsrat Dr. Curt Daube, „ Emil Degener -Boning, ,, Heinrich Dietrich, ,, Albei't Eber Stadt, „ Otto Emmerich, „ Emil A. Fester, ,, Dr. phil. Carl Forst, — 31* — Herr Herbert Frohmauu, ,, stud. rer. iiat. H. Gertli, „ Dr. med. Emil GroßraauD, „ Dr. Ludwig Haas, „ Julius Hahu, „ Fritz Happel, ,, Georg Hartmanu-Beuder; „ Dr. pliil. Robert Hartmauu-Kenipf, „ Fritz Hauck, ,, Dr. phil. Julius Hausmann, „ Diiektor Rudolf Heer dt, ,, Heinrich Heil mann, ,, Alphouse J. Herz, „ Willy Hofer, „ Dipl. Ingenieur Richard Holey. „ Direktor Hans Illig, ,, Carl Kays er, „ Hugo Kessler, „ Gottfried Kinde rvatter, ,, Wilhelm Kirch, ,, Amtsgerichtsrat Walter Klein, „ Eugen Klirasch, „ Heinrich Königswerther, „ Oskar Könitzer, ,, August Kreuzberg, „ Ernst Lejeune, „ Justizrat Dr. Lindheim er, „ Heinrich Fr. Lust, ,, Alfred Mumm von Seh war zen stein, „ Fritz Mumm von Schwarzenstein, ,, Curt von Neufville, ,, Julius Obernzenner, ,, Richard Ochs, ,, Geh. Kommerzienrat Eduard Oehler, ,, Dr. jur. Joe Oppenheimer, ,, Rudy Passavant, ,, August Peipers, ,, Dr. med. Wilhelm Poufick, „ Dr. phil. Eduard Posen, — 32* — Hfir Wilhelm J. Proesler, „ Carl Ratazzi, „ Carl Regius, „ Georg Reichard d'Orville, Frail Barouiu von Reiuach, Herr Felix Reinert, „ Friedrich Rounefeldt, „ Christian Rose, „ Konsul Francis C. A. Sarg, „ Adam Scheib, „ Carl August Scherlenzky, „ Ludwig Schiff, „ Lehrer Peter Schmidt, „ Eugen Schmidt-Scharff , „ Max Schrey, „ Carl Fr. Schulz-Euler, ,, Heinrich Seitz, „ Direktor Julius Sommer, „ Adolf Stern, „ Eugen Stettheimer, ,, Consul Jean Strömsdörfer, ,, Albert UUmann. ,, Di. phil. Carl UUmann, „ Direktor Hans Weidmann, „ Lionel Weiller, „ Dr. phil. Otto Wertheimer, „ Adolf Wilhelmi, „ Dr. med. Carl Willemer, „ Dr. Richard Wirth, „ Baukdirektor Sigmund H. Wormser, ,, Hermann Wronker, ,, Julius Wurmbach, ,, Carl Ziegler. sämtlich in Frankfurt a. M. sowie Frau Baronin von Erlanger in Nieder-Ingelheim, Herr Regierungspräsident Dr. W. v o n Meiste r in Wies- baden. Die Zahl der beitragenden Mitglieder beträgt somit am heutigen Tage 825 gegen 747 bei der letzten Jahresfeier. — 33* — Zu arbeitenden Mitgliedern wurden ernannt: Leo Elliuger, Dr. Leopold Laquer, Prof. Di'. Max Neisser und A. H. Wendt. In die Reihe der ewigen Mitglieder wurden aufge- nommen : J. A. Weiller, Karl Scliaub, W. de Neufville, Arthur Sondheime r, Dr. med. E. Kirb erger, Geheimrat W. Schöller, Benedikt M. Goldschmidt, Kommerzienrat A. Wittekind. Die Zahl der ewigen Mitglieder beträgt sonach zur Zeit 118. Viele dieser ewigen Mitglieder sind bis zu ihrem Tode Jahre- und Jahrzehnte lang beitragende Mitglieder unserer Gesellschaft gewesen und zu ihrem bleibenden Gedächtnis haben die Hinterbliebenen in pietätvoller Gesinnung die Namen der Verstorbenen in die Reihe unserer ewigen Mitglieder eintragen lassen. In anderen Fällen sind die Frauen und Söhne verstorbener Mitglieder unserer Gesellschaft beigetreten. Erfreulicher Weise haben sich auch mehrere Frankfurter, die schon lange Jahre im Auslande leben, als ewige Mitglieder aufnehmen lassen. Es zeigt sich hierin deutlich die treue Anhänglichkeit und das warme Interesse an unserer Gesellschaft, der von ihrerGrün- dung im Jahre 1817 an zahlreiche Frankfurter Familien nunmehr durch mehrere Generationen als Mitglied angehören. Auch haben sich wiederum mehrere Mitglieder freiwillig bereit erklärt, ihren Jahresbeitrag um das mehrfache des ordentlichen Beitrages zu erhöhen, was wir dankbar und gerne erwähnen wollen. Zu korrespondierenden Mitgliedern wurden er- nannt : Polizeirat a. D. M. Kuschel in Guhrau (Schlesien), Pfarrer F. W. Kouow in Teschendorf bei Stargard, Geheimrat Prof. Dr. Ehlers in Göttingen, Louis Witzel in Barca (Rumänien), Präsident Morris K. Jesup in New-York. Die Zahl der korrespondierenden Mitglieder beläuft sich nunmehr auf 172. 3 — 34* - Aus der Direktion hatten Ende 1905 nach zweijähriger Amtsführung satzuugsgemäß auszuscheiden der IL Direktor Stabsarzt Prof. Dr. med. E. Marx und der 11. Sekretär Dr. med. 0. Sehn au dig el. An ihre Stelle traten für die Jahre 1906 und 1907 Robert de Neufville und Dr. med. H. von Metten heimer. Die diesjährige Generalversammlung fand am 21. Februar 1906 statt. Sie genehmigte entsprechend dem Antrag der Revisionskommission die Rechnungsablage für das Jahr 1905 und erteilte dem I. Kassierer Alhard Andreae-vou Gru- nelius Entlastung. Ferner genehmigte die Generalversammlung den Voranschlag für 1906, der in Einnahmen und Ausgaben mit M. 73 513,30 balanziert. Nach dem Dienstalter schieden aus der Revisionskommission Wilhelm Stock und Stadtrat Anton Meyer aus. An ihre Stelle wurden Etienne Roques-Mettenheimer und August Ladenburg ge- wählt. Vorsitzender der Revisionskommission für das Jahr 1906 ist Herr Charles A. Scharff. Im Wintersemester 1905/06 wurden 16 wissenschaftliche Sitzungen abgehalten. Die Sitzungen erfreuten sich einer sehr regen Teilnahme; sie waren wiederum mehrmals so stark besucht, daß der Raum nicht ausreichte. Es hielten Vorträge: 21. Oktober 1905: Prof. Dr. R. Burckhardt, Basel: „Hirn- bau und Stammesgeschichte der Wirbeltiere". 28. Oktober 1905: Prof. Dr. G. Treupel: „Ziele und Wege medizinischer Forschung". 4. November 1905: Regierungsrat Prof. Dr. F. Rörig, Berlin: „Die wirtschaftliche und ästhetische Be- deutung der heimischen Vögel". 11. November 1905: Dr. jur. et phil. Stephan Kekule von Stradonitz, Großlichterfelde: „Über berühmte Alchimisten". (Mit Lichtbildern.) 25. November 1905: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. W. Dönitz, Berlin: „Zecken als Krankheitsüberträger". 2. Dezember 19~05: Fischerei-Inspektor H. 0. Lübbert, Ham- burg: „Die Entwickelung der deutschen See- fischerei". (Mit Lichtbildern.) — 35* - 9. Dezember 1905 : Dr. E. T e i c h m a n ii : „Der m o d e r u e Vitalismus". 6. Januar 1906: Prof. Dr. H. Schenk, Darmstadt: „Über die Flora der Antarctis, im besonderen Ker- guelens". (Mit Lichtbildern.) 13, Januar 1906: Dr. C. H. Stratz, Haag: „Zur Abstammung des Menschen". 20. Januar 1906: Dr. F. Drevermanu: „Ent Wickelung und Lebensweise fossiler Cephalopoden". 3. Februar 1906: Prof. Dr. H. Dragendorff: „Prähisto- rische Handelswege". 10. Februar 1906: Dr. E. Naumann: „Die Entstehung der Erzlagerstätten". 24. Febr. 1906: Dr.F. Römer: „Die Schwämme der neuen Schausammlung". (Ausstellung.) 3. März 1906: Dr. E. Wolf: „Biologie der Crustaceen unseres Süßwassers". 10. März 1906: Dr. L. S. Schnitze, Jena: „Das Namalaud und seine Bewohner". (Mit Lichtbildern.) 17. März 1906: Hofrat Dr. B. Hagen: „Über die Tierwelt der Insel Banka". (Mit Lichtbildern.) Von unseren Publikationen sind im Berichtsjahre er- schienen : I. Abhandlungen: 1. Band 29, Heft 2 (Anfang), E. Stromer, Geographie und geologische Beobachtung im Uadi-Natrim und Färegh in Ägypten. Mit 1 Tafel und 1 Karte, E.Stromer, Fossile Wirbeltiere aus dem Uadi- Färegh und Uadi-Nätrun in Ägypten. Mit 1 Tafel und 3 Text- figuren. 2. Band 30, Heft 1 und 2, D. F. Heynemann, Die geo- graphische Verbreitung der Nacktschnecken. Eine zu- sammenfassende kritische Darstellung unserer Kenntnisse derselben zu Anfang des 20, Jahrhunderts, S. 1—422. Mit 2 Doppeltafeln und 9 Karten im Text. W. Bösenberg und Embr. Strand, Japanische Spin- nen. Mit 14 Tafeln. Hierin ist die schöne Spinnensammluug bearbeitet, die 3* - 36* — Gelieirarat Professor Dr. W. Dönitz in Berlin in den 80 er Jahren in Japan zusammengebracht hat. Da Dönitz Spinneu mit Vorliebe sammelte und auch den kleinsten Arten seine Aufmerksamkeit zuwandte, ist seine Sammlung ganz besondei's wertvoll, was schon daraus hervorgeht, dass bei weitem die grössere Hälfte davon neue Arten sind. Dönitz hat aber während seines Aufenthaltes in Japan nicht nur Spinnen ge- sammelt, sondern sie auch wirklich studiert, wich- tige biologische Beobachtungen darüber gemacht und die Arten z. T. beschrieben und in künstlerischer Vollendung abgebildet. Diese Beschi-eibung und die kolorierten Zeich- nungen sind deshalb von hohem wissenschaftlichem Wert, weil sie nach lebenden und frischen Exemplaren gemacht sind. Die systematische Bearbeitung der um- fangreichen Sammelausbeute und die Vergleichung mit den bereits bekannten Arten und der sehr zerstreuten Spezialliteratur übernahm der um die Araneologie so hoch verdiente Wilhelm Bö sen b erg. Nach seinem Tode hat Embrik Straudt die Arbeit vollendet und druck- fertig gemacht. Sie gibt eine schöne Übersicht über die Spinuenfauna Japans. IL Bericht für 1905, im Herbst vorigen Jahres veröifentlicht. Er enthält außer den geschäftlichen Mitteilungen und den Protokollen der wissenschaftliichen Sitzungen folgende Ar- beiten : 1. Die Ostrakoden des Mainzer Tertiärbeckens. Von E. Die- nen kl aus. (Mit Tafel I— IV.) 2. Beiträge zur Kenntnis der Hymenopteren-Fauna der wei- teren Umgegend von Frankfurt a. M., X. — XII. Teil. Von Prof. Dr. L. von Heyden, Kgl. Preuß. Major a. D. 3. Der Kaukasische Feuersalamander, Salamandra caucasia (Waga). Von Dr. A. Knoblauch. (Mit einer farbigen Tafel und 4 Textfiguren.) Auch die Vorlesungen der Dozenten erfreuten sich einer überaus regen Teilnahme; z. B. hatte Prof. Reichen bach 146 Hörer gegen 86 im Vorjahre. Im Winter 1905/06 wurden folgende Vorlesungen gehalten : — 37* - Prof, Dr. H. Reichenbach: „ Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere und des Menschen mit Berücksichtigung der Physiologie und der Entwickelungsgeschichte." Prof. Dr. W. Schauf : „Physikalische und geometrische Eigen- schaften der Kristalle." Prof. Dr. M. Möbius: (Im Auftrage des Dr. Senckenbergischen Medizinischen Instituts) „Spezielle Pflanzengeographie." Im Sommer 1906 lesen : Prof. Dr. H. Reichenbach: Fortsetzung der Wintervor- lesungen. Prof. Dr. W. Schauf: „Die wichtigeren Mineralien.'' Prof. Dr. M. Möbius: „Botanisch-mikroskopischer Übungskursus" (Botanisches Praktikum). Prof. Dr. M. Möbius: (Im Auftrage des Dr. Senckenbergischen Medizinischen Instituts) „Ausgewählte Pflanzenfamilien." Sehr lebhaft war auch der Besuch des Naturhistorischen Museums, besonders an Sonntageo. Sonderausstellungen im Vogelsaal wurden zweimal veranstaltet, im Sommer 1905 durch die Vorführung der reich- haltigen und wertvollen Mineraliensammlung des am 10. März 1904 verstorbenen Dr. L. Belli, im Frühjahr 1906 durch ab- wechselnde Ausstellung einzelner Insektenabteilungen. Eine besondere Anziehung und hervorragendes wissenschaftliches In- teresse bot die prachtvolle Hummelausstelluug, die der unermüdliche Sektionär Albrecht Weis in mühevoller Arbeit in den letzten vier Jahren zusammengebracht hat. Die meisten Arten dieser ausschließlich europäische Hummeln umfassenden Sammlung sind von Herrn Weis selbst in der Umgebung von Frankfurt, in Thüringen und im Alpengebiete gefangen worden. Jede Art ist nicht nur wie in den meisten Museen durch verschiedene Stücke sondern durch ganze Serien tadelloser Exemplare vertreten, was den wissenschaftlichen Wert der Sammlung wesentlich erhöht. Eine besondere Stiftung ist der Gesellschaft im vorigen Jahre dadurch zuteil geworden, daß die Herren Ingenieur A. Askenasy in Frankfurt a. M. und Rittergutsbesitzer J. Askenasy in Pansdorf bei Liegnitz zur Erinnerung an ihren verstorbenen Bruder, den unvergeßlichen Dr. Eugen Askenasy, Professor der Botanik an der Universität Heidelberg, — 38* — M. 10000. — als „A sk en a sy Stiftung: für Botanik'' über- wiesen haben. Aus den Zinsen der Stiftung sollen von Zeit zu Zeit Beiträge zu Studienreisen oder zu wissenschaftlichen Ar- beiten aus dem Gesamtgebiete der Botanik gewährt werden. In Schriftenaustausch gegen den „Berichf^ ist unsere Gesellschaft mit folgenden Vereinen und Instituten neu ein- getreten : Natural History Society of Northumberland, Durham and New-castle-upon Tyne. (Transactions".) Museum Kaukasikum in Tiflis („Comptes rendus".) Departement of the interior Bureau of Gouvernement Laboratories in Manilla („Bulletin".) Kg). Bayer. Biolog. Versuchsstation in München. („All- gemeine Fischerei-Zeitung".) Deutscher Fischerei -Verein in Berlin („Zeitschrift für Fischerei".) Reale Orto Botanico in Modena. (Nuova Notarisia".) Societe Royale botauique deBelgiquein Brüssel. („Bulletin".) Cincinnati Society of Natural History in Cincinnati-Ohio U. S. A. („Journal".) Portland Society of Natural History in Portland-Maine U. S. A. („Publications".) Societe Scientifique d'Arcachon (Station biolog.) in Arcachon- Gironde. („Travaux des Laboratoires".) PoUichia in Dürckheim-Rheinpfalz. („Mitteilungen".) University of New-Mexico Library in Albuquerque-New- Mexico. („Bulletin".) Gegen „Abhandlungen" und „Bericht": Deutscher Seefischerei- Verein in Hannover („Abhandlungen", „Mitteilungen", „Deutscher Seefischerei- Almanach".) Conseil international pour T Exploration de la Mer in Kopenhagen („Publications", „Rapports", „Bulletin"). Laboratoire Russe de Zoologie in Villefranche sur mer. („Wissenschaftliche Ergebnisse einer zoologischen Expedition nach dem Baical-See" und Material an konservierten Seetieren.) Indian Museum (Nat. Hist. Section) in Calcutta („Publi- cations"). — 39* — Am 9. Dezember 1095 war die feierliche Übergabe der lebensgroßen Büste des so früh und tragisch verstorbenen Carlo von Erlanger, die von den tiefgebeugten Eltern der Gesellschaft zum Geschenk gemacht wurde. Die schöne Büste aus edelstem griechischem Marmor, die der Künstlerhand Prof. Hausmanns entstammt, soll in dem neuen Museum in der Mitte der v. Erlanger sehen Sammlung würdige Auf- stellung finden. Die Anregung, welche die Gesellschaft den städtischen Behörden zum Naturdenkmalschutz unserer Heimat durch eine Bitte um Umzäunung der Distrikte 64, 65 und 66 (Hohebuchen) des Stadtwaldes gegeben hat, ist von Erfolg gekrönt worden. Der Magistrat hat beschlossen, die Gegend der Försterwiese und des Mörderbrunnens zum Schutz der Fauna und Flora einfriedigen zu lassen. Dagegen ist ein Antrag an die Gemeinde Schwanheim und an die Kgl. Forstaufsichtsbehörde, die ur- wüchsigen Distrikte des benachbarten Schwanheimer Waldes mit ihrer eigenartigen Vegetation und Fauna durch Einzäunung gegen unbeabsichtigte oder mutwillige Beschädigung zu schützen, leider abschlägig beschieden worden. Wir sind dem Magistrat der Stadt Frankfurt zu großem Danke verpflichtet, diesen be- rechtigten Bestrebungen, die unsere Gesellschaft unausgesetzt pflegen und fördern wird, so tatkräftige Hilfe verliehen zu haben ! Die Sektionäre waren um die Ordnung und wissenschaft- liche Vermehrung der Sammlungen in dankenswerter Weise bemüht. Auch unterhielten die einzelnen Herren einen regen Verkehr mit auswärtigen Museen und Gelehrten, von denen viele öfters unsere Sammlungen an Ort und Stelle zum Studium und zum Vergleich benutzten. Der Museurasbericht gibt in den einzelnen Abteilungen darüber nähere Auskunft. Auch der Neubau, besonders die dort aufgestellten Probeschränke, wurden von verschiedenen auswärtigen Gelehrten und Museumsdepu- tationen besichtigt. Die Tätigkeit der Museumsbeamten wurde im wesent- lichen durch die umfangreichen und mühevollen Arbeiten für die neue Schau Sammlung bedingt. Seit der Anstellung der Assistenten für Zoologie und Geologie konnte eine viel um- fassendere, systematische Durcharbeitung aller Abteilungen in — 40* — Angriff genommen werden. Eine ganz regelrechte Scheidung in Schausammlung, Lehrsammlung und Hauptsammlung soll überall durchgeführt werden. Es ist unbedingt notwendig, daß die für die Vorlesungen und Vorträge benutzten Präparate und Objekte nicht nur besonders aufgestellt, sondern auch in einem besonderen Sammlungsraum aufbewahrt sind. Dadurch wird eine viel bequemere Handhabung der Lehrsammlung er- möglicht und die Objekte der Schausammlung leiden nicht durch öfteres Hin- und Hertragen. In dem Saal für die Lehr- sammlung werden auch alle übrigen zum Unterricht dienenden Gegenstände, Modelle, Tafeln, Karten etc. vereinigt. Auch wird für die Lehrsammlung ein besonderes Journal mit ge- trennter Nummerierung und Etikettierung geführt. Für die grossen Kataloge der Hauptsammlung hat uns Herr Louis Zeiss i. Fa. Heinrich Zeiss, hier, eine Anzahl Zettelkasten mit der zugehörigen P^inrichtung und Katalog- zetteln, die extra nach unserem Wunsche und unseren Angaben angefertigt wurden, in freigiebigster Weise geschenkt. Die Konservatoren haben wiederum eine große Zahl Tiere und Tiergruppen meisterhaft montiert. Die größte Arbeit, die von ihnen in geschicktester und schnellster Weise vollendet wurde, war die Aufstellung und Ausstopfung von 3 Giraffen, zwei erwachsener Exemplare aus der v. Erlanger- und Schi Hing sehen Sammlung und eines kleinereu Tieres aus dem hiesigen Zoologischen Garten, das uns von Karl Ha gen beck in Hamburg und Joseph Menges in Limburg geschenkt wurde. Erfreulicher Weise hat unser Aufruf an die deutschen Jäger und Jagdfreunde auch wieder ein hübsches Material aus der heimischen Tierwelt eingebracht, der wir ja im neuen Museum einen hervorragenden Platz und eine besondere Pflege widmen wollen. Anderes wertvolles Material entstammt dem Zoologischen Garten, dessen liebenswürdiges Entgegen- kommen die Gesellschaft dankbar anerkennt. Die Verarbeitung des anatomischen Materials, das haupt- sächlich in den aus dem Zoologischen Garten gelieferten Tieren besteht, erledigte Frau S on d heim, wodurch die Sammlung an vergleichend -aiiatoraischen und entwickeluugsgeschichtlichen Präparaten wesentlich vermehrt wurde. Kustos Dr. F. Römer, dem die Leitung des Museums — 41* — untersteht, war durch die Vorarbeiten für die innere Einrich- tung des Neubaues selir in Anspruch genommen. Im Mai 1906 dieses Jalires besiclitigte Dr. F. Römer im Auftrage der Gte- sellscliaft verschiedene Museen Englands, zu welcher Reise Dr. E. Roediger die Anregung gegeben und die Führung übernommen hatte. Leider verließ uns am 1. Januar d. J. Frl. E. Schupp, die sich in ihrer zweijährigen Tätigkeit in unsere vielseitigen und verwickelten Bureaugeschäfte in geschicktester und schnellster Weise eingearbeitet hatte, um sich zu verheiraten. An ihre Stelle trat Frl. M. Pixis aus Würzburg. Der Fortschritt der inneren Einrichtung des Neubaues und die Inbetriebnahme der Heizung machten die Anstellung eines Heizers zum 1. Januar 1906 notwendig, der zugleich die Haus- meisterstelle versehen soll. Die Stelle wurde dera^ Maschinisten H. Steckenreuter, der schon seit Juli vorigen Jahres als Monteur bei der Anlage der Heizung beschäftigt und somit mit den Räumen des Museums hinreichend vertraut war, übertragen. Steckenreuter hat am 15. April die im Neubau gelegene Hausmeisterwohnung bezogen. Sie ersehen aus unserem Berichte, daß das verflossene Jahr reich an Arbeit und Mühe gewesen ist, daß es die Gesellschaft aber auch anderseits ein gutes Stück vorwärts gebracht hat. Die Anerkennung dafür zeigt sich nicht nur in der stetig wachsenden Mitgliederzahl, in dem lebhaften Besuch unserer Vorlesungen und wissenschaftlichen Sitzungen, in dem luteresse, das allen Neuanschaffungen und den Ausstellungen im Museum entgegen- gebracht wird, sie zeigt sich vornehmlich in der freudigen, selbstlosen Mitarbeit unserer Freunde und Gönner an der Vermehrung der Sammlungen, und im festen Vertrauen darauf, daß uns diese Anerkennung und das Interesse der ganzen Bürgerschaft Frankfurts auch in Zukunft erhalten bleibe, dürfen wir getrost an die schwierigen Aufgaben herantreten, die nunmehr der Umzug und die Aufstellung der Schausammlungen in unserem Neubau mit sich bringen werden. — 42* — Yerteilung der Ämter im Jahre 1906. Direktion. Dr. phil. A. .Tassoy, I. Direktor. \ A. Aiidreae-von (ilriiiielins, Kassier. R. de Neufville, II. Direktor. Generalkonsul Stadtrat A. voii \V. Mell>er, I. Sekretär. Metzler, Kassier. Dr. med. H. Y.Metteiilieimer, Il.Sekr. Dr. jur. F. IJerj?, Konsulent Revisions-Koiiimissioii. Ch. A. Scliarff, Vorsitzender. E. Roqiies-Metteulieiiuer. M. von Metzler. j R. Osterrieth. A. Ladenburg-. 1 Direktor \V. von der Velden. Abgeordneter für die Revision der vereinigten Bibliotheken. Dr. phil J. Guide. Abgeordn. für die Kommission der vereinigten Bibliotheken. Prof. Dr. H. Reichenbacli. Bücher-Kommission. Prof. Dr. F. Richters, Vorsitzender, j Prof. Dr. W. Schauf. Prof. Dr. M. Möbius. Dr. F. Römer. Prof. Dr. H. Reicheubacli. \ Redaktion der Abhandlungen. >V. Melber, Vorsitzender. Prof. Dr. 0. Boettger. Prof. Dr. L. von Heyden. Prof. Dr. M. Möbius. Prof. Dr. H. Reicheubacli. Dr. F. Römer. Redaktion des Berichts. Dr, med. A. Knoblauch, Vorsitzender. R. de Neufville. W. Melber. Bau-Kommission. Dr. med. A. Knoblauch, Vorsitzender. A, Andreae-von Grunelius. Prof. Dr. L. von Heyden, Dr. phil. A. Jassoy. Stabsarzt Prof. Dr. E. Marx. R. de Neufville. Prof. Dr. H. Reichenbach. Dr. med. E. Roediger. Dr. med. 0. Sclinaudigol. Dr. phil. F. Römer. Finanz-Kommission. Direktor H. Audreaje, Vorsitzender. Dr. med. A. Knoblauch. A. Andreae-von Cxrunelius. E. Ladenburi«'. 0. Höchberg:. R, de Neufville. Dr. phil. A. Jassoy. — 43" — Dozenten. ( Prof. Dr. H. Reiclieiibach. Zoologie 1 und Dr. F. Kömer. Botanik Prof. Dr. M. Möbins. Mineralogie Prof. Dr. W. Schauf. Geologie und Paläontologie Prof. Dr. F. Kiiikeliii. Bibliothekare. Prof. Dr. M. Möbius. Pli. Thorn. Museums-Kominission. Die Sektloujire und der II. Direktor. SektioMäre. Vergleichende Anatomie und Skelette .... Prof. Dr. H. Reiclieiibach. Säugetiere Prof. Dr. W. Kobelt. Vögel R. de Neufville. Reptilien und Batrachier Prof. Dr. 0. Boettger. Fische vacat. Arthropoden mit Ausschluß der Lepidopteren und Krustaceen I Prof. Dr. L. von Heyden, A. Weis, Dr. .1. («ulde und Dr. P. Sack. Lepidopteren vacat. Krustaceen Prof. Dr. F. Richters. Mollusken Prof. Dr. W. Kobelt. Wirbellose Tiere mit Ausschluß der Arthro- poden und Mollusken Prof. Dr. H. Reichenbach. ( Prof. Dr. M, Möbins und Botanik f „ .... \ M. Durer. Mineralogie Prof. Dr. W. Schauf. Geologie Prof. Dr. F. Kinkelin. , . ( Prof. Dr. 0. Boettffer und Paläontologie l r. t t^ n ir» i i» ^ \ Prof. Dr. F. Kinkeliu. Kustos. Dr. phil. F. Römer. Zoologischer Assistent. Geologisch-paläont. Assistent. Dr. phil. E. Wolf. Konservatoren. Ad O qq ^ a on sh 9 Ph ^^i.s ^ =S '^ fc< i;? •-■ 'Tj rrt I o .2 ;^ CO CO m rt ft .5 Iff a> •« 'S § O O o «5 S GO w Oh o C ^3 .2 }t' O •r-' > H rt Q Q Q ce a> to Q QC O .2 o CO "-; I o o o CO M -t^ Ö s to a <1> ti CO H a U rfl (U ^ M Ph aj t> 1 O 05 CD eo i-H O IM 1 1 CD CO '-' (M OS CO (M 1 § . (M o i^ »n o CD O CD 05 C^ CD GO lO CT5 CD T^J lO CD -* O O C^ 69* --»^ I> 1 lO (M CO CO CD 1 O O CO 00 O (M 1 1—1 CO CO 03 Ph as 1 CO O CO 1-1 CO 1 ' ' ' IT- CO CT. 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I. Sitzung vom 21. Oktober 1905. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende begrüßt die zahlreich erschienenen Mit- glieder zu Beginn des Wintersemesters und teilt mit , daß für dasselbe nahezu alle acht Tage wissenschaftliche Sitzungen in Aussicht genommen sind. Der vor kurzem erschienene, um- fangreiche Bericht für 1905, den die Bilder der im letzten Jahre verstorbenen arbeitenden Mitglieder zieren, liegt vor und gibt über die Tätigkeit der Gesellschaft Auskunft. Die Mit- gliederzahl ist auf 773 gestiegen trotz der vielen und schmerz- lichen Verluste, die die Gesellschaft gerade in letzter Zeit be- troffen haben. Die Konservatoren sind eben mit den riesigen v. Erlanger- schen Sammlungen beschäftigt, riesig auch in bezug auf die Größe der mitgebrachten Tiere. So mißt eine der Giraffen 4,50 Meter und konnte nur nach Durchschlagung der Decke des unzureichenden Arbeitsi'aums montiert werden. Der Museumsbau an der Viktoria- Allee hat rüstige Fortschritte gemacht und wird im nächsten Sommer beziehbar sein. Die Einrichtung desselben und der bevorstehende Umzug beschäftigt inzwischen alle Organe der Gesellschaft. Vor allem sind die plumpen, undichten Sammlungsschränke des alten Mu- seums allmählich durch freistehende, moderne Eisenschränke zu ersetzen. Der Durchschnittspreis eines solchen Schrankes beträgt nach Ausgang einer im Juni abgehaltenen Konkurrenz 1800 Mark und das ganze Museum würde demnach für etwa 300000 Mark Schränke benötigen, während noch nicht die Hälfte dieser Summe zur Verfügung steht. Auch die Schausammlung ist — 71* — zum großen Teil erst zusammenzubringen ; eine ansehnliche Zahl von Erklärungstafeln, ein leicht verständlicher Führer durch das neue Museum sind unerläßlich. Die Dauer des Umzuges wird auf V2 — ^U Jahr geschätzt. „Wir müssen unter solchen Umständen, fährt der Vorsitzende fort, immer wieder aufs neue auf Ihrer Aller freundliche Unterstützung und Mitarbeit zählen, die uns bis jetzt stets zuteil geworden ist. Auswärtigen, namentlich den in den Tropen lebenden Mitgliedern, liefern wir gern und kostenlos eine gedruckte Broschüre, worin eine kurzgefaßte Anleitung zum Sammeln und Verpacken zoologischer Objekte enthalten ist, desgleichen praktische Versandgläser; denn nur mit größter Sorgfalt gesammelte und verpackte, mit genauen Fundangaben versehene Tiere sind wissenschaftlich verwertbar. Solche auswärtigen Mitglieder die zu fremden Museen Be- ziehungen haben , bitten wir dringend , dort etwa vorhandene Dubletten für uns nutzbar zu machen oder uns gute Abgüsse der aufgestellten Fossilien, die oft Unica sind, für unsere paläonto- logische Abteilung zu besorgen. Hier könnten uns vor allem die vielen Frankfurter in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in Buenos Aires , sowie in London, Wien und Petersburg unschätzbare Dienste leisten und uns in unser schönes neues Museum einige große Schaustücke als Patengeschenk übermitteln. Unsere deutschen Jäger und Jagdfreunde lenken wir endlich wiederholt auf die heimische Tierwelt hin, der wir einen hervorragenden Platz im Museum widmen wollen. Der Bericht 1905 erwähnt auf Seite 161, was besonders gewünscht wird. Ich schließe in der festen Zuversicht, daß Sie Alle uns wie seither Ihre Unterstützung weiter gewähren, damit wir im Geiste unserer Stifter die Naturwissenschaften in Frankfurt pflegen und fördern können. Ist es doch gewiß keine zu kühne Prophezeiung, daß Fortschritte der naturwissenschaftlichen Er- kenntnis vor allen anderen dereinst unseres Dichters Ruf nach mehr Licht erfüllen und die Menschen auf eine höhere Kultur- stufe erheben werden." Hierauf beginnt Prof. Dr. R. Burckhardt aus Basel, von dem Vorsitzenden herzlich begrüßt, seinen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag über: ,, Hirnbau und Stammesgeschichte der Wirbeltiere." — 72* — Entsprechend der Umbildung, welche die Zoologie durch die Entwickelungslehre erfahren hat insbesondere durch ihren Zuwachs an paläontologischen Dokumenten, gestaltet sich auch das Verhältnis der Organsysteme innerhalb der Wirbeltiere zu deren Stammesgeschichte anders als früher. Verglich man früher vermeintlich typische Gehirne der fünf Wirbeltierklassen miteinander und orientierte man diese Vergleichung auf das Gehirn des Menschen und der Säugetiere überhaupt, so er- scheint heute ein anderes Verfahren angezeigt, nämlich daß wir innerhalb der stammesgeschichtlich verfolgbaren Reihen die Umbildung des Hirntypus studieren und als einen Wachstums- prozeß analog dem der individuellen Entwickelungsgeschichte begreifen lernen. Erst von da aus lassen sich die mehr isolieit stehenden Gehirnformen auch begreifen und läßt sich ein Ge- samtbild vom Typus und den Modifikationen des Wirbeltieihirns entwerfen. Zu diesem Studium eignen sich eigentlich nur zwei Zweige des Wirbeltierstammes, die Säuger und die Selachier; von allen anderen besitzen wir ja nur noch abgehackte und isolierte Endglieder in der Gegenwart. Außer dieser veränderten stammesgeschichtlichen Basis hat sich aber auch die Technik der Nervenforschung erheblich ver- ändert und damit ist unser Einblick in die Struktur des Nerven- systems ein völlig anderer geworden. Beide Fortschritte sind miteinander zu kombinieren, seltenere und phylogenetisch be- deutungsvollere Hii'nformen intensiver zu untersuchen, das Hirn im Zusammenhang mit seiner Umgebung in Angriff zu nehmen und die ganze Hirnforschung überhaupt von ihrer Orientierung auf den Menschen und die praktischen Interessen abzulösen. Der Vortragende hat, abgeselien davon, daß ihm Vertreter aller Typen des niederen Wirbeltiergehirns zu Gebote standen, besondere Aufmerksamkeit dem Selachierhirn geschenkt, das er an 55 Gattungen (gegen 28 vorher bekannten und meist ober- flächlich beschriebenen) zu untersuchen Gelegenheit gehabt hat. Das Problem, Hirnforschung und Entwickelungslehre zu ver- binden, zerlegt sich in folgende einzelne Aufgaben. Das Zentralnervensystem ist aufzufassen als ein ein- schichtig angBlegtes Epithelrohr; sodann sind die Ein- flüsse nachzuweisen, die diese Uranlage modifiziert und zur Entfaltung von Hirnsubstanz geführt haben. Sie sind — 73=»- — 1. Bedingiingeu der Massenmechanik des Nervenrohrs selbst, 2. Ausbildung von zentralen Organen, die teils motorische und sensible, teils psychische Zentren sein können, 8. Modifikationen, die auf die Umwandlung der Ursinnesorgane in die höheren Sinnesorgane zurückgehen, und direkte An- sprüche der Sinnesorgane selbst, 4. Massenkorre- 1 a t i 0 n zwischen den einzelnen Organen und der Gesamt- heit des Kopfes außerhalb des Gehirns und dem Gehirn selbst. Ein vergleichendes Studium der nervösen Gewebe zeigt uns, daß wohl die Ausbildung von Ganglienzellen das ursprüng- liche Epithelgewebe durch seine Massen (nicht durch seinen Dif- ferenzierungsgrad) modifiziert ; die Ganglienzellen bilden das pro- gressive Element, die Stützzellen das konservative, das sich unter dem Einfluß jener allraählig und nur zähe umwandelt. Daher ist die Stützsubstanz ein besserer Gradmesser für die Phylo- genie der nervösen Gewebe. Treten wir mit diesem Maßstab an das Hirn der Wirbeltiere, so erweist es sich in seinen pri- mitiven geweblichen Diflterenzierungsstufen als sehr konstant. Außerdem aber steht in durchgehender Übereinstimmung durch den Wirbeltierstamm das Verhalten gewisser Längsabschnitte (nicht jener künstlich unterschiedenen Hirubläschen) , der sog. Längszonen , von denen wir je eine dorsale und eine ventrale Medianzone und zu beiden Seiten , den Hörnern des Rücken- marks entsprechend, Paare von ventralen (motorischen) und dorsalen (sensiblen) Lateralzonen unterscheiden. Die Median- zoneu bleiben auf den niedersten Stufen der Gewebsentwicklung; die Lateralzonen dagegen differenzieren sich am stärksten, nicht ohne auch sekundär die Medianzonen auf eine hohe Stufe der Differenzierung mitzunehmen. Daher trifft der Medianschnitt des Gehirns die konservativsten Partien und verrät am aller- meisten Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Wirbel- tieren, auch über Formen hinaus, bei denen die Homologie der einzelnen Schädelteile sich nicht in gleichem Maße durchführen läßt, wie die der Hirnteile {Petromyson). Das Quantum von Modifikationen der ursprünglichen Be- schaffenheit des nervösen Gewebes, welches auf die eigentlich psjxhischen Zentren fällt, ist ein relativ geringes. Es werden nur Zustände von ohnedies hoher Differenzierung noch weiter gebildet. Diese Zustände sind aber prinzipiell schon erreicht, — 74* — wo bloß erst intraspinale und intracerebrale motorische und sensible Zentren zur Ausbildung gelangen, also schon bei den niedersten Formen des Rückenmarks. Ziehen wir alle hierauf zurückführbaren Modifikationen ab, so bleiben noch diejenigen übrig, die auf die funktionellen Ansprüche der Sinnesorgane zurückgehen. Um diese zu verstehen, nehmen wir eine Hypo- these zu Hilfe, die Piacodentheorie von Kupffers, welche von der Einheit des Sinnesorgansj^stems ausgeht. Nachdem schon Beard das Ohr für ein modifiziertes Hauptsinnesorgan erklärt hat, hat von Kupffer auch Nase und Auge als Umwandelungs- produkte von Ursinnesorganen zu erklären versucht. Auf dieser Grundlage wird die Acusticusfalte des verlängerten Markes ver- ständlich, erhält ferner die Augenblase in der Riechblase ein Analogon, das sich sogar auf die Gefäße erstreckt. (Näheres hierüber vergleiche man in : Die Einheit des Sinnesorgansystems, V. Zool.-Kongr. Berlin 1905). Ziehen wir auch die also ent- standenen Modifikationen der Hirnwand ab, so bleiben noch immerhin solche übrig, die von Zug- und Druckwirkungen der Nerven, Gefäße, der übrigen Kopforgane u. s. w. herrühren. Als Beispiel für letztere können die Augen gelten, deren Stellung die Hirnformen in manchen Fällen sichtlich beeinflußt. Endlich bleibt noch als eigentümliche Einrichtung des Gehirns die zirku- latorische Verwendung der Decke des III. bis IV. Ventrikels und der Trichtergegend übrig, deren Konstanz und augenfälliger Zu- sammenhang mit den Nerven eine uralte Einrichtung des Hirns verrät. Denken wir uns all diese modifizierenden Einflüsse weg, so gelangen wir zurück zum einfachen Epithelrohr, von dem aus auch im individuellen Leben das Hirn seine Entwickelung täg- lich nimmt. Das Zentralnervensystem wird uns auf diesem Wege verständlich als der transaktive Teil des gesamten Re- lationsapparates, in dem das Sinnesorgansystem den recipieren- den, das Muskelorgansystem den reagierenden Teil bildet. Zum Schlüsse ist auf die Bedeutung der Charaktere des Hirns zu verweisen mit bezug auf die zoologische Systematik. Während bei Säugern hierfür nur Furchen und Windungen von Groß- und Kleinhirn in Betracht kommen, ist es die gesamte Hirnform und namentlich, wie schon erwähnt, der Medianschnitt, der an der Basis des Wirbeltierstamnis erhöhte Bedeutung ge- winnt und mindestens gleichwertig wie das Skelettsystem für — 75* — die Beurteilung der systematischen Stellung verwendet werden kann. II. Sitzung vom 28. Oktober 1905. Vorsitzender: Dr. pliil. A. Jassoy. Prof. Dr. G. Treupel spricht über: „Ziele und Wege medizinischer Forschung." Die Ziele aller medizinischen Forschungen sind, Sitz und Ursachen der Krankheiten zu erkennen, den Krankheiten vor- zubeugen, sie zu heilen oder zu bessern und, wo beides nicht möglich ist, die Leiden der Kranken, so weit es in unserer Macht steht, zu mildern. Erst im Laufe des vergangenen Jahr- hunderts hat sich die Wissenschaft in Verfolgung dieses Zieles aus dem Mystizismus vergangener Zeiten und den Irrpfaden mittelalterlichen Geistes emporgerungen und den geraden Weg exakter Naturbeobachtung beschritten. Die Entdeckung der Zelle als Formelement des Pflanzen- und Tierkörpers, die Widerlegung der Lehre von der Urzeugung, die Einführung der Perkussion und Auskultation in die Dia- gnostik, die Fortschritte der pathologischen Anatomie, der Phy- siologie , die neu entstehende experimentelle Pathologie waren die ersten, grundlegenden Erfolge des neu aufblühenden medi- zinisch wissenschaftlichen Lebens. Mit der Entdeckung kleinster Lebewesen und ihrer oft ganz eigenartigen Übertragung in den menschlichen Körper (z. B. der Malariaparasiten durch bestimmte Moskitoarten) als Ursache der meisten akuten, fieberhaften Krankheiten, mit der Lehre von der Ausbildung hilfreicher Antikörper im Blute des von einer solchen Krankheit Befalleneu wurde die Diagnose (Vidalsche Blutreaktion zur Erkennung des Typhus), die The- rapie (Behringsche Diphtherieserumbehandlung) und die Pro- phylaxe (Schutzimpfung gegen Pocken, hygienische Maßnahmen gegen Cholera) der Infektionskrankheiten mächtig gefördert. Die epochemachenden Entdeckungen auf anderen natur- wissenschaftlichen Gebieten brachten der ärztlichen Diagnostik und Therapie ebenfalls großen Nutzen. Mit den Röntgenstrahlen, der Lichttherapie und den Wirkungen des Radiums wurde in kurzer Zeit viel wissenschaftlich und praktisch Wertvolles ge- — 76* - schaffen. Das gleiche dürfen wir von der noch im Ausbau be- griffenen Lehre von der Vererbung krankhafter Eigenschaften und der Disposition für die Krankheit erwarten. Zur Linderung der Leiden des Kranken hat vor allem auch die chemische Forschung in der Klarlegung des Zusammen- hangs zwischen chemischer Konstitution und physiologisclier Wirkung der Arzneistoft'e beigetragen, indem sie dem Arzte eine ganze Reihe von Mitteln zur Linderung der Schmerzen, zur Herbeiführung von Ruhe und Schlaf in die Hand gab, und indem sie mit der genaueren Kenntnis von den einzelnen Vor- gängen des menschlichen Stoffwechsels die Möglichkeit heil- bringender Erfolge durch eine bestimmte Diät begründete. Gerade von der Physik und Chemie dürfen wir für die nächste Zukunft noch viel für die Förderung der inneren Medizin erwarten. Bei allen diesen Fortschritten sind theoretisch-experimentelle Forschung und praktische Erfahrung am Krankenbett sich gegen- seitig unterstützend handinhand gegangen; nichts ist falscher als die Ansicht , daß ein experimenteller Forscher nicht auch ein guter Arzt sein könne. Das haben uns Männer gezeigt, die als Forscher und Ärzte gleich groß gewesen sind, wie Kußmaul und Nothnagel. 111. Sitzung vom 4. November 1905. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende teilt zu Beginn der Sitzung mit, daß die Aufforderung zum Heimatschutz bei den städtischen Behörden vollen Erfolg gehabt hat und nunmehr die Gegend der Förster- wiese und des Mörderbrunneus als Naturdenkmal geschützt werden soll. Ein gleicher Antrag in Schwanheira ist leider soeben abschlägig beschieden worden. Der Vorsitzende schließt mit dem Dank an den Magistrat und die Forstbehörde für deren tatkräftige Hilfe. Hierauf beginnt Regierungsrat Dr. Rörig vom Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin, der in weiteren Kreisen durch seine umfassenden Arbeiten über die Nahrung verschiedener heimatlicher Vögel und deren Nützlich- keit für die Landwirtschaft bekannt geworden ist, vom Vor- sitzenden herzlich willkommen geheißen, seinen Vortrag über: — 77* — „Die wirtschaftliche und ästhetische Bedeutung der heimischen Vögel." Der Vortragende gibt zunächst einen Überblick über die Vogelschutzbestrebungen des vergangenen Jahrhunderts, die den Beweis liefern, daß man schon seit langer Zeit den Wert der Vogel weit erkannt hat. Aber erst der neueren Zeit ist es vorbehalten geblieben, diejenigen Grundlagen zu schaffen, auf denen sich eine gerechte Würdigung der heimischen Vögel auf- bauen läßt; denn das Studium ihrer Lebensweise und vor allem ihrer Nahrung hat den Beweis geliefert, daß sie in der Tat imstande sind, bei genügender Anzahl von bestimmendem Einfluß auf die Erträge unserer Kulturpflanzen zu sein. Deshalb ist es vom rein praktischen Standpunkt aus nützlich, sich ihrer in höherem Maße anzunehmen, als es bisher der Fall war, und daß es auch möglich ist, zeigen die Versuche, welche in dankens- werter Weise zuerst der preußische Landwirtschaftsminister in großem Maßstabe in den fiskalischen Forsten vor einigen Jahren hat ausführen lassen. Während aber die praktischen Gesichtspunkte vorzugsweise den Forstmann, i^andwirt und Gärtner bei der Ausübung des Vogelschutzes leiten werden, hat die ganze Bevölkerung, und zwar nicht nur die des Landes, sondern auch der Städte, aus ästhetischen Rücksichten allen Grund, sich der heimischen Vögel anzunehmen, denn sie sind es vor allen Dingen, die durch ihre Beweglichkeit, ihre Geselligkeit, ihre Farbenpracht und ihren Gesang zur Belebung der Natur beitragen. Die Erholung, die der Städter draußen im Freien von anstrengender geistiger Arbeit sucht, findet er leichter und vollständiger in der belebten Natur als in aus- gestorbenen Feldern und totem Walde. Durch das Beobachten der Vögel in ihren Flugspielen, ihrem Leben und Treiben empfindet er einen hohen geistigen Genuß, über den die nüchterne Erwägung, ob es sich dabei um nützliche, gleich- gültige oder schädliche Arten handelt, völlig zurücktritt. Das ästhetische Moment tritt also dabei durchaus in den Vorder- grund, und dieses muß es auch sein, welches uns bei der Frage des Vogelschutzes zu allererst zu leiten hat. Aber noch ein anderer wichtiger Faktor spricht dafür, die Erziehung der Kinder. Durch kein anderes Mittel kann man so leicht auf das allzeit empfängliche Gemüt des Kindes einwirken, als da- -— 78* — durch, daß man frühzeitig iu ihm die Freude an den belebten Wesen und die Lust erweckt, dieses Leben auch zu erhalten. Derjenige, der in seiner Jugend Mitgefühl für die Tierwelt und Interesse an der uns umgebenden lebendigen Natur zu empfinden gelehrt wurde, wird als Erwachsener niemals einer Roheit dem Menschen gegenüber fähig sein. IV. Sitzung vom 11. November 1905. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Nach einer freundlichen Begrüßung durch den Vorsitzen- den berichtet Dr. jur. et phil. Stephan Kekule von Stradonitz aus Groß-Lichterfelde über: „Berühmte Alchimisten." Die Geschichte der Alchimie und der Alchimisten ist bisher in der Literatur wesentlich von Berufschemikern behandelt worden. Weltbekannt sind namentlich die umfangreichen Arbeiten von Kopp in Heidelberg. Demgegenüber sucht der Vortragende den Gegenstand von der kulturgeschichtlichen und der kunstgewerblichen Seite aus zu beleuchten. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, zergliedert Redner sein Thema in folgende Unterabschnitte. Er spricht zunächst über fürstliche Alchimisten, dann über gelehrte Alchimisten, dann über Alchimisten als Erfinder, endlich über alchimistische Schwind- ler und Abenteurer. Die Alchimie oder Goldmacherkunst ist eine der merk- würdigsten Erscheinungen der Menschheit. Man ist gar leicht geneigt, über die Alchimisten und ihr Treiben heutzutage den Stab zu brechen. Und doch scheint diese Verurteilung un- gerecht zu sein. Nicht um Wahn oder Schwindel hat es sich bei der Alchimie an sich gehandelt; mangelnde naturwissen- schaftliche Erkenntnis ist vielmehr ihre Grundlage. Man glaubte eben damals, daß es möglich sei, die edlen Metalle (Gold, Silber) künstlich herzustellen; daß es gelingen müßte, durch allerhand geschickte Manipulationen unedle Metalle in edle zu verwandeln. Dafür, daß es sich hierbei um eine unmögliche Umwandlung haüdein müsse, fehlte der damaligen Natur- erkennnis jede Vorstellung. Man stellte sich vor, es sei möglich, einen bestimmten - 79* — Körper herzustellen, welcher vor allem die Eigenschaft hätte, unedle Metalle in Gold zu verwandeln, das „große Geheimnis", das „große Magisterium", „Stein der Weisen" genannt, fast stets gedacht als ein rotes, sehr mühevoll herzustellendes Pulver. Sodann sollte es auch das „kleine Magisterium" geben, welches wenigstens die Überführung unedler Metalle in Silber ermöglichte. Neben der Kraft, Gold zu erzeugen, sollte dem Stein der Weisen noch die Kraft, alle Krankheiten zu heilen und das Leben zu verlängern, womöglich unsterblich zu machen, innewohnen. Unter den gekrönten Alchimisten ist Rudolf II. (1576 bis 1612) unzweifelhaft der merkwürdigste; er machte seine Residenz Prag zu einer Hochburg der Alchimisten, die aus allen Ländern Europas dorthin zusammenströmten und den kunstsinnigen, aber allmählich immer tiefer in die Netze von Schwindlern geratenden Kaiser ungeheure Summen kosteten. An erster Stelle unter den gelehrten Alchimisten ist zu nennen Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bom- bastus von Hohenheim, geboren im Jahre 1493 bei Einsiedeln in der Schweiz. Er soll bereits in seinem 28. Lebensjahre den Stein der Weisen gewonnen haben und hat sich dadurch ein bleibendes Verdienst um die Menschheit erworben, daß er wesentlich zur Entwicklung der Heilkunde beitrug und der Entdecker der Kohlensäure wurde. Wichtiger vielleicht noch als Paracelsus ist der Berliner Apothekerlehrling Böttger, geboren am 4. Februar 1682 zu Schleiz, der beinahe die Ursache eines Krieges zwischen Preußen und Sachsen geworden wäre und nachher das Porzellan erfand. Er ist der Begründer der weltberühmten Meißener Porzellan-Manufaktur. Ein weiterer hervorragender Alchimist war sodann Brand, ein Hamburger Kaufmann. Er suchte den Stein der Weisen im Menschen, und indem er diesen im Harn vermutete, fand er den Phosphor, dessen enorme Wichtigkeit sich schon aus der Tatsache ergibt, daß die von der deutschen Landwirtschaft für Phosphorverbindungen alljährlich aufgewendete Summe sich auf etwa 8Ü00O0UO Mark stellt. Eben dieselbe Erfindung machte auch der Alchimist Kunkel, geboren 1630 bei Rendsburg. Dieser ist bei seinen — 80* — auf der Pfaueuiusel bei Potsdam gemachten Experimenteu der Erfluder des weit berühmten goldlialtigeu Rubinglases ge- worden. Ein alchimistisches Produkt ist auch der im Jahre 1663 von Cassius in Leyden entdeckte Gold pur pur. Wenn mau Goldchlorid in Wasser löst und ebenso Zinnsesquichlorid und beide Lösungen auf einander einwirken läßt, so erhält man ein Präparat von schön roter bis dunkel- violetter Farbe, den Goldpurpur. In der allerneuesten Zeit ist es Zsigmondy ge- lungen, in dem bekannten Schott sehen glastechnischen Laboratorium zu Jena den Nachweis zu führen, daß mau Gold, fein verteilt, auch in reinem Wasser suspendieren kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Kunkelsche Rubiuglas seine schöne Farbe gleichfalls einer Suspendierung feiner Gold- teilchen verdankt. Kunkel starb als königlich schwedischer Bergrat, unter dem Namen Kunkel von Löwenstjern geadelt, im Jahre 1702 oder 1703. Von besonderem Interesse istnoch Leonhard Thurneyßer ^ der Leibai-zt des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Er schlug sein Laboratorium im heutigen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin auf und erwarb sich als Arzt, Buch- drucker, Wahrsager und Amulettfabrikant ein großes Vermögen, starb jedoch nach mehrfachen Irrfahrten im Jahre 1595 in Dürftigkeit. Wahrscheinlich ist Köln a. Rh. die Stätte seines Todes gewesen. Steht Thurneyßer im Gegensatz zu Kunkel schon auf der Grenze zwischen einem Gelehrten und einem Abenteurer, so ist der neapolitanische Bauernsohn Don Domenicus Caetano Conte de Ruggiero ausschließlich Abenteurer. Dieser kam im Jahre 1705 mit großem Gefolge nach Berlin. Hier hat er — einerlei, wie er es möglich machte — in Gegenwart des Königs, des Kronprinzen und zahlreicher hoher Würdenträger unedle Metalle in Gold verwandelt. Schließlich aber endete er am 23. August 1709 zu Küstrin am Galgen. Hier ist auch noch eines anderen Alchimisten des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg zu gedenken, nämlich des Alexander Blinck- ling aus Straßburg, der, im Jahre 1585 mit Vincenz Reuß nach dem ungarischen Bergstädtchen Schemnitz behufs Einkaufs seltener Mineralien gesandt, hier wegen Ermordung seines — 81* — Reisebegleiters Reuß am 7. März 1586 hingerichtet worden ist. Diesen eigenartigen Fall hat Eduard Richter, Direktor des archäologischen Museums zu Scheranitz, entdeckt und dem Vortragenden mitgeteilt. Unter die größten alchimistischen Schwindler zählen schließlich noch der Graf St. Germain, Cagliostro und Casanova, die in raffiniertester Ausnutzung der Leichtgläubigkeit und Vertrauensseligkeit ihrer Zeitgenossen und Zeitgenossinnen das Menschenmöglichste geleistet haben. Als letzte Repräsentanten der deutschen Alchimisten sind zu nennen der Schriftsteller Karl Arnold Kor tum (geboren 1745, gestorben 1824), der bekannte Verfasser der „Jobsiade", und die sogenannte „hermetische Gesellschaf t". Letztere trieb ihr Unwesen in dem „Kaiserlich privilegierten Reichs- anzeiger", und zwar bestand ihre Tätigkeit in einer anonym geführten Korrespondenz mit den heimlichen Anhängern der Alchimie, denen Kortum teils gute, teils schlechte Ratschläge gab, sie auf Deutsch ein wenig an der Nase herumführend. Wahrscheinlich ist Kortum innerhalb gewisser Grenzen ein ehrlicher Anhänger der Alchimie gewesen. Mit einem interessanten allgemeinen Rückblick und Aus- blick schließt Dr. Kekule von Stradonitz seinen hoch- interessanten Vortrag, dem zahlreiche Lichtbilder einen be- sonderen Reiz verleihen. Die Vorlagen zu diesen Licht- bildern hat der Vortragende, wie noch besonders hervorgehoben werden mag, eigens zu diesem Vortrage aus den verschiedensten Museen und Sammlungen, teilweise aus den entlegensten Winkeln, in langwährender Sammelarbeit zusammengebracht. Y. Sitzung vom 25. November 1905. Vorsitzender: Dr. med. A. Knoblauch. Der Vorsitzende macht auf die ausgestellte, hervorragend schöne Sammlung von Vogelbälgen aufmerksam, die Ritter- gutsbesitzer Louis Witze 1, ein geborener Frankfurter, der in Rumänien ansässig ist, auf seinen Jagdrevieren in dem Sumpf- gebiet der Donauniederungen erlegt, sorgfältig präpariert und dem Museum zum Geschenk gemacht hat. Ferner teilt er mit, daß Frau Baronin v. Rein ach in munifizentester Weise die paläontologische Sammlung dadurch bereichert hat, daß sie den - 82* — Ankauf einer wertvollen Suite seltener Fossilien aus den Dycker- hoffschen Steinbrüchen von Biebrich usw. ermöglichte. Als- dann spricht Geh. Mediziualrat Prof. Dr. W. Dönitz vom Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin über: „Zecken als Krankheitsüberträger," (Siehe Teil II, Seite 39.) VI. Sit/iuig vom 2. Dezember 1905. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Fischerei - Inspektor H. 0. Lubber t aus Hamburg spricht über: „Die Entwicklung der deutschen Seefischerei." Während in unserer Zeit auch im Binnenlande sich die Erkenntnis immer mehr befestigt, daß jede große Nation, die sich ihren Anteil am Welthandel sichern will, dazu einer großen Handelsflotte und deren Beschützerin, der Kriegsflotte, bedarf, sind die Ansichten über die Notwendigkeit des Besitzes einer bedeutenden Seefischerflotte für ein seemächtiges Volk selbst an der Küste noch wenig geklärt. Schon die Geschichte der seefahrenden Nationen aber sollte den Zweifler belehren; denn sie zeigt uns, daß bisher noch kein Volk zur See mächtig gewesen ist, ohne auch bedeutende Seefischerei betrieben zu haben. Wer nun die Geschichte der letzten tausend Jahre auf eine Beteiligung deutscher Fischer an den großen Seefischereien der Erde prüft, der wird wenig darüber berichtet finden ; Holländer, Engländer, Franzosen finden wir überall beteiligt, sei es an der großen „ Schonen "-fiscberei zu Beginn unseres Jahrtausends, sei es an dem Walfang bei Spitzbergen und Grönland um 1600 oder der Heringsflscherei in der Nordsee, der Kabliau- flscherei bei Island und den Neufundlandinseln. Einzig die Hansastädte sind es gewesen, die Jahrhunderte hindurch Deutschland mit Erfolg bei der Ausbeutung einzelner dieser großen Fischereien vertreten haben; Hamburg und Lübeck nahmen teil au der Heringsfischerei, die vom 11. Jahr- hundert beginnend 500 Jahre hindurch von verschiedenen Orten der an der Küste des Öresund gelegenen schwedischen — 83* — Provinz Schonen betrieben wurde und die eine der großartigsten Fischereien aller Zeiten gewesen sein muß. Es folgte die Beteiligung Hamburgs und Bremens an dem Walfang, der von 1600 ab in den Gewässern von Spitzbergen und Grönland namentlich von Engländern und Holländern betrieben wurde. Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts fuhr alljährlich eine Flotte von 60 bis 100 stattlichen Schiffen von der Elbe und der Weser auf den Walfang aus, reiche Beute heimbringend. Das achtzehnte Jahrhundert endlich bringt nur eine Be- teiligung Preußens an der Heringsfischerei in der Nordsee. Friedrich der Große war es, der im Jahre 1769 die erste deutsche Heringsfischerei-Gesellschaft in Emden gründen und ihr auch in der Folgezeit durch Ausrüstungs- und Faugprämien, durch Schutzzölle gegen die holländischen und schwedischen Heringe mächtigen Schutz angedeihen ließ. Die Gesellschaft entwickelte sich aufs beste, bis sie, ebenso wie eine etwa gleichzeitig mit Hilfe der dänischen Regierung in Altona ent- standene Heringsfischerei-Gesellschaft, durch die napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts gezwungen wurde, ihren Betrieb einzustellen. Inzwischen war, etwa um 1700, in Blankenese, einem am holsteinischen Eibufer unterhalb Hamburgs gelegenen Fischer- dorf, eine Seefischerei entstanden, die als der Anfang unseres jetzt so gut entwickelten Frischfischfanges in der Nordsee be- zeichnet werden muß. Die Blankeneser Fischer befischten schon vor 200 Jahren mit ihren „Ewern" die Nordsee von der Eibmündung bis zur holländischen Küste auf Seezungen und Schollen. Ihren Absatz fanden sie natürlich in erster Linie in Hamburg und Altona, sie suchten aber häufig mit ihren Fängen auch die holländischen Häfen auf. Die Fischerei fiorierte so gut, daß um 1790 dort etwa 150 seegehende Fischer- Ewer vorhanden gewesen sind, für damalige Zeiten eine ganz bedeutende Flotte. Auch diese Fischerei wurde durch die napoleonischen Kriege geschädigt. Die Blankeneser wandten sich daher in der Folge mehr der Frachtschiffahrt zu, ihre Fahrzeuge wurden zum großen Teil von den Bewohnern B'inkenwärders, einer zum Hamburgischen Staatsgebiet gehörenden, vor dem linken Eibufer eben unterhalb Hamburgs gelegenen Insel, erworben ; 6* — 84* — die Finkenwärder Seefischerei entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu großer Blüte und erreichte ihren Höhe- punkt im Jahre 1887 mit einer Flotte von 187 Seeflscher- fahrzeugen. Neben dem Zentrum des deutschen Frischfischhandels Hamburg-Altona hat sich in den sechziger und siebziger Jahren auch in Geestemünde ein bedeutender Fischhandel entwickelt, der seine Zufuhren durch die Helgoländer und Norderneyer Angelfischer und hauptsächlich durch einen Teil der Finken- wärder Hochseefischer erhielt. Alle bis dahin in der deutschen Seefischerei verwendeten Fangschiffe waren Segelfahrzeuge. Geestemünde ist dann im Jahre 1884 der Ausgangspunkt des ersten deutschen Fisch damp fers geworden. Der dortige Fischhändler Busse, ein tatkräftiger, weitausschauender Mann war es, der, trotzdem bis dahin in England mit einigen ähn- lichen Versuchen keine günstigen Erfahrungen gemacht waren, den Fischdampfer „Sagitta" erbauen ließ und mit ihm Versuche anstellte, die Dampfkraft auch der Seefischerei dienstbar zu machen. Das kühne Unternehmen brachte nach Überwindung der anfänglich bedeutenden Schwierigkeiten einen vollen Erfolg. Aber erst drei Jahre später, als Busse seinen zweiten Dampfer bauen ließ, fand sein Beispiel an der Weser und Elbe Nach- ahmung. Seit Anfang der 90er Jahre wird die deutsche Fisch- dampferflotte alljährlich vergrößert und zählte 1896 schon 90 Schiffe. Im Jahre 1906 wird die Zahl derselben 200 über- schreiten. Die Fänge dieser großen Flotte werden angebracht in Geestemünde, Hamburg, Altona und Nordenham. An den ersten drei Plätzen werden die Ankünfte sogleich öffentlich meistbietend versteigert. Geestemünde besitzt einen von der preußischen Regierung in den Jahren 1892 bis 1896 mit einem Kosten- aufwande von 8 Millionen Mark neuerbauten Fischereihafen mit mustergültigen Anlagen. In Nordenham, einem olden- burgischen Ort an der Weser, ist die deutsche Dampffischerei- Gesellschaft „Nordsee" ansässig, die mit 40 eigenen Dampfern die Fischerei in der Nordsee, den isländischen Gewässern, an der marokkanisöiien Küste und neuerdings auch im Weißen Meere betreibt. Sie verkauft einen großen Teil ihrer Pro- duktion durch ihre in etwa 20 inländischen Städten eingerichteten — 85* — Filialen direkt an die Konsumenten und hat sich um die Ver- breitung des Seefischkonsums im Binnenlande große Verdienste erworben. Durch die schnelle Ausbreitung der deutschen Fischdampfer- flotte hat die Segelfischerei, soweit sie den Frischflschfang be- treibt, in den letzten 15 Jahren eine nicht unerhebliche Einbuße erlitten. Die früher in Helgoland blühende Angelfischerei wird nicht mehr betrieben, während die Flotte der unterelbischen Segelfischer auf einen Bestand von 120 Finkenwärder und 20 Blankeneser Fahrzeugen zurückgegangen ist. Da die Segelfischer ihrer hervorragenden seemännischen Eigenschaften wegen besonders geschätzt werden, so ist es erfreulich, daß sich neben der Dampffischerei ein anderer Zweig der Segelfischerei, der Heringsfang mit Segelloggern, in den letzten Jahren günstig entwickelt hat. Hervorgegangen ist diese Fischerei aus einer im Jahre 1870 in Emden gegründeten Gesellschaft, die aber trotz vielfacher Unterstützungen durch die preußische Regierung in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens nicht prosperierte. Erst seitdem die Gesellschaft aus einem vom Reich zur Verfügung gestellten Fonds reich unterstützt wurde, hat sie die Kinderkrankheiten überwinden können und gibt jetzt seit Jahren glänzende Erfolge. Die Einrichtung des Reichsseefischereifonds erfolgte auf Veranlassung des um die Entwickelung der deutschen Seefischerei hochverdienten Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. Herwig, des Präsideuten des deutschen Seefischervereins in Hannover, welch letzteren er im Jahre 1885 gegründet hat und der nun die Stelle der in Deutschland fehlenden Reichsfischereibehörde vertritt. Nach den Erfolgen der alten Emdener Gesellschaft sind unter tätiger Mitwirkung des Präsidenten Herwig und reichlich unterstützt aus dem Reichsseefiscliereifonds, in Emden drei weitere Herings- seefischerei-Gesellschaften, ebenso welche in Lehr, Vegesack, Elsfleth, Brake, Geestemünde und Glückstadt entstanden, so- daß heute die deutsche Heringsfangflotte aus 190 Fahrzeugen besteht. Mit den Fortschritten, welche die Entwickelung unserer Seefischerei in den letzten 20 Jahren gemacht hat, kann man wohl zufrieden sein; ist es doch gelungen, Versäumnisse von Jahrhunderten nachzuholen und einen Grund zu legen, auf dem — 86* — weiter gebaut werden kann. Eine Weiterentwickelnng aber ist, abgesehen von den Vorteilen, die in der Versorgung größerer Teile unseres Vaterlandes mit einem gesunden und billigen Nahrungsmittel liegen, auch im Interesse unserer Wehrkraft zur See unbedingt erforderlich. Bilden doch die unserer Marine in der Seelischereibevölkerung zur Verfügung stehenden Mann- schaften ein Material, wie es besser keines gibt, das außerdem vor den auf der Handelsflotte fahrenden Kauffahrtei-Matrosen, die in allen Meeren verteilt sind, den Vorzug hat. daß es am Mobilmachuugstage erreichbar und disponibel ist. VII. Sitzung vom 9. Dezember 1905. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Vor Beginn des Vortrages findet in feierlicher Weise die Übergabe der von dem Bildhauer Professor Hausmann in Marmor ausgeführten Büste des am 4. September 1904 so tragisch ums Leben gekommenen Mitgliedes der Gesellschaft, Carlo V. Erlanger, statt. Der Vorsitzende dankt im Namen der Gesellschaft mit warmen Worten den tiefgebeugten Eltern wie dem genialen Künstler für das schöne, kostbare Geschenk mit dem Ver- sprechen, das Andenken des Verstorbenen in hohen Ehren zu halten, vor allem durch sorgfältige Hütung seiner der Gesell- schaft übergebenen wissenschaftlichen Hinterlassenschaft, die er in kühner und glücklicher Reise mitten durch das Aufstands- gebiet des Mullah zusammengebracht und so eine großartige und erfolgreiche Leistung in der Geschichte der Afrikaforschung vollbracht habe. Die wissenschaftlichen Resultate seiner For- schungsreise werden Carlo v. Erlang er ein Denkmal setzen, ebenso dauernd wie das schöne, heute übergebene Marmorbild, ein Denkmal, das dieser Tote wahrhaftig wohl verdient hat. Hierauf hält Dr. E. Teichmann einen Vortrag über: „den modernen Vitalismus", dessen Gedankengang etwa folgender ist: Vitalismus nennt man die Betrachtungsweise organi- schen Geschehens-, die zu dessen Erklärung ein besonderes vom Anorganischen unterschiedenes Prinzip, Lebenskraft genannt, verwendet. Diese Anschauung ist, solange es eine biologische — 87* — Wissenschaft gibt, immer vertreten gewesen. Sie hat, nachdem sie unter dem Einfluß der Darwinschen Tlieorie stark in den Hintergrund getreten war, neuerdings eine Auferstehung gefeiert. Unter den modernen Vitalisten nehmen Reinke, Driesch und Pauly besonders prononzierte Stellungen ein. Redner entwirft ein Bild der Anschauungen jedes dieser drei Forscher. Gemeinsam ist ihnen das Zurückgreifen auf psychische Faktoren, wie es für jeden Vitalismus charakteristisch ist. Am weitesten geht hierin Pauly, der Psychisches und Physisches geradezu gleichsetzt. Hier hat jede Kritik vitalistischer Anschauungen einzusetzen. Die moderne Psychologie zeigt, daß eine psycho- physische Wechselwirkung im Sinne des Vitalismus nicht an- nehmbar ist, weil sie mit den Grundgesetzen des Anorganischen, nämlich den Gesetzen von der Erhaltung der Energie und der Erhaltung der Materie, in Widerspruch geraten muß. Der Vitalismus kommt zu einer Behauptung psychophysischer Wechselwirkung auf Grund eines Begriffsvitalismus, in dem er Begriffe wie Leben, Zweckmäßigkeit, Mittel, Bedürfnis usw. hypostasiert und als wirklich existierend betrachtet. In diese Begriffe legt er dann das, was zur Erklärung steht, hinein. Damit ist aber die Wissenschaft zur Metaphysik geworden. Die vitalistische Hypothese erweist sich so als wissenschaftlich un- fruchtbar und muß deshalb zurückgewiesen werden. VIII. Sitzung Tom (>. Januar 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende heißt die zahlreich erschienenen Mitglieder im neuen Jahre willkommen und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sie das so stark gewachsene Interesse an der Gesellschaft auch weiterhin betätigen möchten. An Stelle des satzungsgemäß ausgeschiedenen II. Direktors Stabsarzt Prof. Dr. E. Marx ist Robert de Neufville ge- treten, an Stelle des II. Sekretärs Dr. med. 0. Sehn audi gel, dessen Amtszeit gleichfalls abgelaufen war, Dr. med. H. von Mettenheime r. Der Vorsitzende dankt den ausgeschiedenen Herren für ihi-e selbstlose Pflichterfüllung, die durch das Ge- deihen der Gesellschaft ihren schönsten Lohn finde, und fährt dann fort: — 88* — „Der Neubau ist soweit vorangeschritten, daß voraus- sichtlich die regelmäßigen Vorlesungen und Vorträge vom Herbst an im neuen Museum gehalten werden können. Der Umzug und die Neuaufstellung der Sammlungen wird allerdings längere Zeit in Anspruch nehmen , doch werden etwa im Sommer oder Herbst 1907 auch die Schausammlungen wenigstens teilweise dem Publikum zugänglich gemacht werden können. Aus Amerika erhielt die Gesellschaft für ihre neue Schau- sammlung ein großartiges Geschenk. Auf Veranlassung von Freunden der Gesellschaft, besonders des Herrn Schiff in New York hat Präsident J e s u p , der Vorsitzende des New Yorker „Museum of Natural-History", das ihm gehörige Skelett eines der riesigen, in Amerika gefundenen Dinosaurier als Ge- schenk angeboten. Es handelt sich hier wohlbemerkt nicht um einen Gipsabguß, wie ihn Carnegie nach London geschenkt hat, sondern um ein Original von etwa 12 engl. Faß Höhe und 60 engl. Fuß Länge. Wir werden, sobald die Verhandlungen zum vollen Abschluß gelangt sind, noch einmal über dieses Riesengeschenk zu berichten haben und dem Geber in New York unsern Dank sagen. Ich darf aber nicht schließen, ohne zu erwähnen, daß ein zweiter Deutsch- Amerikaner , Herr L an- gel oth, sich sofort bereit erklärt hat, die Kosten des Trans- portes des Riesentieres bis zu einem deutschen Hafen zu tragen, und daß unsere Gesellschaft Herrn Direktor El ling er von der Metallgesellschaft wärmsten Dank schuldet für seine erfolg- reichen Bemühungen in dieser Angelegenheit. Ohne seine Mit- wirkung wäre die Sache kaum so erfreulich für die Gesellschaft verlaufen. Ich hoffe, daß dieses Beispiel echt amerikanischer Freigebigkeit, das unser Museum nach Ansicht dortiger Fach- männer in den Besitz des „besten Vertreters der ausgestorbenen Dinosaurier setzt, der überhaupt in deutschen Museen sich be- findet", weitere segensreiche Folgen haben möge, nicht nur für die Beziehungen unserer wissenschaftlichen Institute zu einander, sondern auch für die beiden großen Kulturvölker selbst". Hierauf spricht Prof. Dr. H. Schenk aus Darmstadt: „Über die Flor^ der Autarktis, im besonderen Ker- guelens". Seit 1898 ist die Südpolarforschung in ein neues Stadium — 89* — getreten. Das reiche Material, welches die Südpolar-Expeditionen der verschiedenen Staaten und die deutsche Tiefsee-Expedition heimgebracht haben, gibt zahlreichen Forschern Gelegenheit zum Studium der Fauna und Flora der Südpolargebiete. Der Vortragende hat die Ausbeute der Valdivia-Expedition, welche zuerst der verstorbene Botaniker Schimper in Angriff ge- nommen, der schwedischen Südpolar-Expedition usw. bearbeitet und gibt nun in seinem Vortrage die hauptsächlichsten pflanzen- geographischen Ergebnisse wieder. Nach einigen einleitenden Bemerkungen über den Unter- schied zwischen den Gebieten der Arktis und Antarktis, welche an zwei großen instruktiven, in gleichem Maßstabe gezeichneten Karten erläutert werden, geht Vortragender auf die klimato- logischen Verhältnisse der antarktischen Inseln über. Ein kühler Sommer, verstärkt durch heftige Winde während des ganzen Jahres, ist der Vegetation dieser Inseln schädlich. Die Sommer- monate am Rande des arktischen Kontinents haben eine Durch- schnittstemperatur, die unter 0 Grad liegt. Sommerkühle mit viel Wind ist aber den Pflanzen viel unzuträglicher als ein strenger Winter. Besonders behandelt Vortragender die Flora des Inselarchipels Kerguelen, das ein ozeanisches, gemäßigtes Klima mit viel Feuchtigkeit hat. Nur 28 höhere Pflanzen sind dieser Insel eigentümlich, die in prachtvollen Lichtbildern, von Herrn F. Winter während der deutschen Tiefsee-Expedition aufgenommen, gezeigt werden. Die Charakterpflanzen sind die Azaena- und Azurella-Rasen, die in ausgezeichneter Weise durch ihre abgerundeten Formen an die Windverhältnisse an- gepaßt sind. Der Kerguelenkohl wird als Gemüse genossen. Von den 28 Gefäßpflanzen Kerguelens, das seit dem Be- ginn der Tertiärzeit eine isolierte Inselwelt gewesen ist, sind nur sechs Arten endemisch. Die übrigen 22 sind amerikanischen Ursprunges. Sie müssen durch die Westwinde von Südamerika herübergekommen sein und dafür spricht auch ihr Vorkommen auf Feuerland. Nur zwei Arten sind von Neu-Seeland ge- kommen. Die Verbreitung über weite Meeresstrecken erfolgt bei leichten Samenteilen direkt durch den Wind, bei anderen Pflanzen durch Vermittelung der Vögel, an deren Füßen oder Federn die mit Haftorganen ausgestatteten Samen hängen bleiben. Immerhin ist diese Übertragung auf weite Entfer- — 90* — nungen selten, denn die Flora Kerguelens ist arm. Die sechs endemischen Arten haben die nächsten Verwandten ebenfalls in der südamerikanischen Flora. Zur Tertiärzeit gab es auf Kerguelen auch Nadelhölzer. Während der Eiszeit wurden alle empfindlichen Pflanzen vernichtet und nur die wenigen wider- standsfähigen Pflanzen blieben übrig. Vortragender führt auch eine Reihe von Pflanzen in Lichtbildern vor und erläutert deren Formen, Wachstum usw. Schließlich behandelte er noch die Flora verschiedener anderer Inseln des subantarktischen Ge- bietes, Falklands-Inseln, Süd-Georgien, Feuerland usw. und des eigentlichen antarktischen Kontinentes südlich des 60. Breite- grades, dessen Pflanzenwelt infolge der noch ungünstigeren Temperaturverhältnisse äußerst gering ist. Unter den niederen Pflanzen sind eine Reihe neuer Arten vom Vortragenden ge- funden worden; andere Arten, namentlich Moose und Flechten, zeigen eigenartige Beziehungen zu den Moosen des Arktis. Der inhaltsreiche Vortrag wird durch eine Reihe pracht- voller Lichtbilder erläutert. IX. Sitzung vom 13. Januar 1906. Vorsitzender: Dr. phil, A. Jassoy, Der durch seine Arbeiten über Rassenmerkmale und Schönheit des menschlichen, besonders des weiblichen Körpers in weiten Kreisen bekannte holländische Arzt, Dr. C. H. Stratz- Haag, der früher in Frankfurt lebte, ehe er seine Weltreisen begann, spricht, vom Vorsitzenden begrüßt, über : „Die Abstammung des Menschen". Der Vortragende geht von der jetzt lebenden Generation aus und zeigt, daß deren Erzeuger (Eltern, Großeltern, Ur- großeltern u. s. f.) beim Rückverfolg über nur wenige Jahr- hunderte zu solch unmöglichen Mengen anschwellen, daß not- wendig alle heutigen Menschen sehr viele gemeinsame Ahnen haben müssen, deren mehr oder weniger deutlich erkennbar vererbte Eigenschaften zusammen den geraeinsamen Typus der Lebenden verursachen. Aber der Mensch hat noch viel ältere Ahnenmerkmale: Berücksichtigt man die rudimentären Organe, die Rück- bildungen und Rückschläge, betrachtet man die embryonale — gi-^ — Entwickelung der Individuen, die nach Hack el eine verkürzte Wiedergabe der Entwickelung der Art ist, und zieht man die ältesten Überreste des Menschen in Betracht, so kommt mau zu dem Schlüsse, daß der Mensch nach indifferentem Zahnbau, Bildung- der Hände, primärem Amnion und Haftstiel, Waffen- losigkeit usw. in seinem Körperbau einen besonders alten, den Amphibien nahestehenden Säugetiertyp darstellt. Die Entwickelung erfolgte bei ihm im Gegensatz zu den übrigen Säugetieren sehr einseitig durch die Gewöhnung an den aufrechten Gang, der die Vorderextremitäten frei und vielseitig verwendbar machte, sowie durch die riesige Hirn- und Schädelzunahme. Der übelflüssig gewordene Schwanz verschwand als Rudiment im Innern des Rumpfes, eine weitgehende Verlegung der inneren Organe, die Umbildung des Beckens und der hinteren Gliedmaßen folgte schrittweise der Gewöhnung an das Aufrechtgehen. Mit günstigeren Bedingungen für die Erhaltung trat eine Verminderung der Zahl gleichzeitig geborener Jungen und eine Rückbildung der anfangs zahlreichen Brüste auf zwei in der oberen Brustgegend ein. Für die frühe Entwickelung und das hohe Alter des Menschengeschlechtes spricht endlich der Fund menschlicher Kulturreste (Werkzeuge) in verhältnis- mäßig alten Schichten, anscheinend bis ins Tertiär zurück. Der lange Zeitraum vor dem Tertiär, der nötig war, um bei allen anderen Säugetieren körperliche Eigenschaften zu Schutz und Trutz auszubilden, wie die Hauer des Schweines, die Hufe der flüchtigen Pferde, die Klettergewandtheit und das raubtierartige Gebiß der Affen, hat bei den menschlichen Vor- fahren die Ausbildung des aufrechten Ganges und das An- wachsen der Großhirnrinde erzeugt. Die Urahnen des Menschen haben daher schon in sehr früher Zeit, vor den Affen, sich zu ausgesprochen menschenähnlichen Gestalten ausgebildet, zu einer glücklichen und eigenartigen Verbindung primitivster und hochausgebildeter Eigenschaften. Der Vortragende schließt, daß den Satz: „der Mensch ist älter als die Affen", auf ganz verschiedenen Wegen G e gen- bau r. Wieder sheim und Klaatsch aus vergleichend- anatomischen Untersuchungen, Hub recht, Siegen beck, von Henkelom, Peters und andere aus embryologischen — 92* — Entdeckungen gefolgert hätten, wodurch älteren, vergessenen Forschern wie Huxlej' und His zu neuen Ehren verholfen wurde. Den erweiterten Inhalt des Vortrages bringt eine im Verlage von Enke, Stuttgart, erschienene Broschüre des Vor- tragenden, von der er mehrere Exemplare der Gesellschaft als Geschenk überreicht. X. Sitzung vom 20. Januar 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jasso}'. Dr. F. Drevermann, Assistent für Geologie und Pa- läontologie am Museum, spricht über: „Entwickelung und Lebensweise fossiler Cephalopoden". Die Paläontologie oder die Wissenschaft von den aus- gestorbenen Lebewesen ist im wesentlichen auf das Studium der Hartteile angewiesen, wie Knochen und Schalen. Nur selten sind Reste weicher Organe erhalten; daß daher die Wissen- schaft sich im vorigen Jahrhundert darauf beschränkt hat, rein beschreibend das ungeheuere Material zu bewältigen, ist recht wohl verständlich. Erst seit einiger Zeit beginnt die Paläonto- logie, auch biologische Fragen zu erörtern; sie sucht aus dem das Fossil umgebenden Gestein, aus der Tiergesellschaft, in der es lebte, und nicht zuletzt aus der Betrachtung verwandter lebender Formen Schlüsse auf die Lebensweise ihrer Objekte zu ziehen. Die Cephalopoden oder Kopffüßler sind diejenige Tier- klasse, bei der dies schon mit einigem Erfolg geschehen ist. In der Jetztzeit ist die eine Gruppe, die Tetrabranchiaten oder Vierkiemer, nur durch den Nautilus vertreten, einen arm- seligen Rest einer überaus reichen, im Mittelalter der Erdge- schichte das Meer beherrschenden Gruppe. Die Ammoniten mit ihren zahlreichen Nebenformen, aber auch die echten Nau- tileen haben in den Erdschichten sehr zahlreiche Reste hinter- lassen. Überaus ' vielgestaltig war ihre Form; gerade, stab- förmige Schalen von oft gewaltiger Grüße, lose eingerollte Spi- ralen, dann enge Spiralgehäuse mit mannigfaltigster Gestalt — 93* — und Verzierung erfüllen in vielen Tausenden von Arten die Erdschichten. Zahlreiche ausgestellte, verschiedenartige Ge- häuse, sowie zwei instruktive Karten, auf die der Vortragende hinweist, geben in trefflicher Weise ein Bild von dem Reichtum der ausgestorbenen Cephalopoden ; es gab darunter wohl sicher ausgezeichnete Schwimmer, welche die offene See bewohnten und weltweite Verbreitung gewinnen konnten, neben trägen, am Boden kriechenden Tieren, die nur selten an die Meeres- oberfläche hinauf stiegen. Einzelne F'ormen mögen auch im Schlamm gelebt haben, in den sie sich einhüllten und aus dem nur Kopf und Arme beutesuchend herausragten. Die zweite Gruppe der Cephalopoden, die Dibranchiaten oder Zweikiemer, ist jetzt noch durch eine stattliche Anzahl von Gattungen und Arten vertreten: Tintenfische und unter diesen gewandte Schwimmer und träge Tiere, sowie die interessante kleine Spi- rula gehören hierher. In der Vorzeit war auch diese Gruppe viel reicher entwickelt; ganz besonders die Belemniten oder Donnerkeile kommen an manchen Orten in erstaunlicher Menge vor. Die Tiere, deren letzte Reste die Donnerkeile darstellen, sollen nach einigen Forschern im Boden festgesteckt haben, Redner hält dies für nicht wahrscheinlich, schon aus dem Grunde, weil eine so große Menge festsitzender, gefräßiger Tiere gar nicht die nötige Nahrung gefunden hätte. Der Vor- tragende gibt noch andere Gründe an und zieht aus allem den Schluß, daß die Dibranchiaten der Vorwelt zweifellos bewegungs- fähige Tiere waren, wenn auch keine so vorzüglichen Schwimmer wie die Sepien der heutigen Meere. Die Mannigfaltigkeit der Lebensweise ist auch in der Vor- zeit ein hervorstechender Charakterzug der Tierwelt, selbst nahe verwandter Formen, und ein tieferes Eindringen in die Kenntnisse der ausgestorbenen Tiere wird immer mehr lehren, daß wir nur schrittweise vorgehen dürfen, daß jedes Verall- gemeinern eines gewonnenen Resultates zu Fehlschlüssen führen muß. Zahlreiche , sehr schön präparierte und zweckent- sprechend aufgestellte Ammoniten , Schliffe durch solche usw. aus der Sammlung des Museums sind zur Erläuterung des interessanten Vortrages ausgestellt, der mit reichem Beifall be- lohnt wird. — 94* — XI. Sitzung vom 3. Februar 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende teilt zunächst mit, daß Frau von M u m m ein von ihrem verstorbenen Sohne vor wenigen Jahren in Ka- nada geschossenes Pärchen des gewaltigen Wapitihirsches zum Gesclienk gemacht hat, und begrüßt hierauf Prof. D ragen - dorff , den Direktor der in Frankfurt neu errichteten Abteilung des kaiserlichen archäologischen Institutes, das bisher nur in Rom und Athen eine Zentrale besaß. Die Gesellschaft freue sich, eine neue wissenschaftliche Pflegestätte hier begrüßen zu dürfen. Hierauf spricht Prof. Dr. H. Dragendorff über: „Prähistorische Haudelswege". Ausgehend davon, daß schon in paläolithischen Funden sich Spuren von Warenaustausch nachweisen lassen, z. B. Mittelmeer- muscheln in Höhlen Süddeutschlands, sucht der Redner den Wert der archäologischen Funde für die Feststellung solcher alter Handels- und Kulturbeziehungen klarzulegen und an einer Reihe von Beispielen, die namentlich dem mitteleuropäischen Forschungsgebiet entlehnt sind, Methode und Ergebnisse dieser Forschung zu erläutern. Es lassen sich hier aus den Monu- menten sichere Ergebnisse gewinnen, die weit vor aller schrift- lichen Überlieferung liegen. Und wenn uns aus späterer Zeit für die Verbindungen der klassischen Länder des Mittelmeer- gebietes mit dem Norden Europas vereinzelte Schriftstellernotizen zur Verfügung stehen , werden diese doch oft erst durch die sorgfältige Beobachtung der monumentalen Funde in klaren Zusammenhang gebracht und im einzelnen ergänzt. So läßt sich eine uralte Straße von der Balkanhalbinsel hinauf nach Ungarn und Siebenbürgen, weiter von der Donau zur Elbe und bis an die norddeutsche Küste nachweisen. Auf diesem Wege ist schon in frühesten vorgeschichtlichen Zeiten der Bernstein nach Griechenland gekommen. Noch greifbarer sind die Spuren, welche der Zinn handel hinterläßt. Hier geht der Weg von der südfranzösischen Küste, Rhone und Saöne aufwärts zur Seine, von deren Mündung man nach Britannien übersetzte. Die Straße spiegelt sich in den Funden deutlich wieder. Ja, die keltische Kultur der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends beruht zum guten Teil auf den Beziehungen, in die Gallien da- - 95* — mit zur Mittelmeerkultur, besonders der griechischen trat. Von dieser Hauptstraße zweigten Nebenstraßen ab ; solche lassen sich beispielsweise in die Schweiz hinein verfolgen, ferner von der oberen Mosel zur Nahe und an den Rhein, bezeichnet zum Teil sogar durch echte griechisch-italische Importstücke. Auch eine Verbindung dieses Verkehrsgebietes mit den Bernsteinge- staden Norddeutschlands läßt sich erweisen. Interessant ist die Stellung, welche die Alpenübergänge in dieser Frühzeit für den Verkehr einnahmen. Die Blinde zeigen deutlich, daß sie für den geregelten Verkehr eigentlich gar nicht in Betracht kommen, sondern daß man lieber den Umweg um die Alpen herum macht. Die Kultur der Schweiz und Süddeutschlauds beruht nicht auf Zufuhr von Süden her, sondern auf Einflüssen, die teils von Westen, teils von Osten her die Alpen umgehen. Auch für den Handelsverkehr von den römischen Provinzen aus ins freie Germanien hinein lassen sich die Funde verwenden. Wir können nicht nur die Tatsache derartigen Verkehrs und seine Zeitdauer an römischen Fundstücken erweisen, sondern an der Verteilung der Funde die Wege genauer feststellen und an der Vereinigung, in der die Fundstücke auftreten, die Aus- gangspunkte dieser Wege ermitteln. So läßt sich durch die immer feinere Beobachtung und sorgfältigere Bearbeitung der archäologischen Funde ein immer reicheres Material für die älteste Geschichte des Handels und damit zugleich der Kulturbeziehungen gewinnen und mehr und mehr lichtet sich das Dunkel, das über der sogenannten prä- historischen Zeit liegt. Aus Vorgeschichte wird Geschichte. XII. Sitzung vom 10. Februar 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Dr. E. Naumann von der Metallgesellschaft spricht über: „Die Entstehung der Erzlagerstätten". Redner geht aus von der menschlichen Anatomie und vergleicht die Schnitte, welche nach der Rüdingerschen Methode durch den gefrorenen Kadaver geführt werden, mit den Durch- schnitten in der Natur, wie sie z. B. an den Felswänden des Alpengebirges zu sehen sind. So wie die ersteren über den ver- — 96* — wickelten Bau des menschlichen Körpers belehren, liefern die letzteren reiche Belehrung über den Bau der Erdkruste. Die Parallele zwischen menschlicher und terrestrischer Anatomie führt zu den pathogenen Gesteinen und zu einer Reihe von Erzlagerstätten, welche als pathogene Bildungen zu be- trachten sind. Redner zeigt eine Reihe von ihm gesammelter Erzstufen aus dem nördlichen Afrika, die Umwandlungen von Dolomit und Kalk in Zinkkarbonat (Galmei) veranschaulichend. Der Vortragende behandelt dann eingehender die Erzgänge; er betont die Änderungen in Ausbildung und Adel mit der Tiefe. Als ein Beispiel, welches zu äußerster Vorsicht mahnt und die Notwendigkeit wissenschaftlicher Beurteilung der Lager- stätten in sehr drastischer Weise beleuchtet, ist Lake View in Australien anzusehen, eine Goldgrube, deren Gang, nachdem er in der Nähe der Oberfläche enorme Reichtümer geschüttet hatte, schon in geringer Tiefe verarmte und vertaubte. Die Erzgänge sind fast durchgehend durch heiße Wässer oder Dämpfe gebildet, welche aus der Tiefe emporstiegen. Von ganz hervorragender Bedeutung ist nun der Unterschied zwischen den gangförmigen Lagerstätten der jungen Kettengebirge und den Erzniederlagen der sogenannten erloschenen Gebirge (Nor- wegen, Kanada usw.). In letzteren finden wir die Wurzeln des großen Erzbaumes, den neuere Forschungen erkennen lassen. Ausscheidungen von Nickelmagnetkies, Titaneisenerze usw. aus Eruptivmagma. Auch die vielumstrittenen Kieslagerstätten, ferner die alten Blei-Silbererzgänge (Freiberg, Kongsberg usw.) und ganz besonders die hochinteressanten Broken Hill-Lager- stätten (Australien) sind als Bildungen der Tiefe, durch die Wirkungen der Erosion entblößt, anzusehen. Mit einem Hinweis auf die sedimentären Lagerstätten, welche durch die Vorgänge am Grunde des Schwarzen Meeres erläutert werden, und mit der Demonstration mikroskopischer Präparate aus verschiedenartigen Erzlagerstätten schließt der Vortrag. XIII. Sitzung vom 24. Februar 11)()(). Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Vor Eintritt in die Tagesordnung teilt der Vorsitzende mit: „Die Brüder des am 24. August 1903 verstorbenen Dr. — 97* — Eugen Askenasy, Professor der Botanik au der Universität Heidelberg, Herr Ingenieur A. Askenasy und Herr Ritter- gutsbesitzer J. Askenasy haben der Senckenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft 10000 M. als „Askenasy-Stiftung" für Botanik zur Erinneruug an den Verstorbenen überwiesen. Aus den Zinsen der Stiftung sollen von Zeit zu Zeit Beiträge zu Studienreisen oder zu wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Gesaratgebiete der Botanik gewährt werden." Hierauf hält Dr. F. Römer, Kustos des Senckenbergischen Museums, einen von dem zahlreich erschienenen Publikum mit lebhaftem Beifall aufgenommenen, interessanten Vortrag über: „Die Schwämme der neuen Schausammlung", der eine Erläuterung zu der umfangreichen Ausstellung der schönen Schwämme bildet. Die Schwämme sind lange Zeit zwischen den Zoologen und Botanikern hin und her gewandert, bis erst das Studium ihrer Anatomie und ihrer Entwicklungsgeschichte jeden Zweifel darüber beseitigte, daß sie echte Tiere sind. Infolge ihrer einfachen Organisation, ohne Sinnesorgane, ohne Ortsbewegung, stehen sie an der Basis der Gruppe der mehrzelligen Tiere, als niederste Gruppe der sog. „Ptlanzentiere". Dieser Name ist auf Grund ihrer äußeren Ähnlichkeit mit den Pflanzen (Form und Farbe) gewählt worden und soll nicht etwa be- sagen, daß man über die tierische Natur irgend eines Schwammes im Zweifel ist. Um den inneren Bau und die Lebensweise der Schwämme zu verstehen, darf man nicht die komplizierten Schwammstöcke studieren, sondern man muß von einem einzelnen Individuum, wie es etwa durch einen kleineu Kalkschwamra repräsentiert wird, ausgehen. Durch ungeschlechtliche Fortpflanzung auf dem Wege der Sprossung, Teilung und Verwachsung entstehen dann die verwickelten Schwammkolonien, au denen die Einzel- wesen (Schwammpersonen) nicht mehr festzustellen sind. Die wichtigste Organisation besteht in dem Skelett der Schwämme, das von besonderen Zellen im Innern ausgeschieden wird und aus Hornsubstanz, wie z. B. beim Badeschwamm, kohlensaurem Kalk oder Kieselsäure bestehen und zierliche Formen (Nadeln, Anker, Sterne, Kugeln) annehmen kann. — 98* — Die Kalkschwämme, in Größe und Farbe am un- scheinbarsten, haben den ursprünglichsten Typus des Einzel- wesens am meisten bewahrt. Die Nadeln , die als Ein-, Drei- und Alerstrahler entwickelt sein können, ragen über die Ober- fläche hervor und bilden im Umkreis der Ausströmungsöffnuug einen seidenglänzenden Kranz oder Kragen. Die Kalkschwämme kommen in den Meeren aller Zonen vor, meiden aber die salz- arme Ostsee und den felslosen Boden des tieferen Wassers. Die Kieselschwämme bilden die artenreichste Gruppe und werden bis zu 1 Meter groß. Ihre Skelettnadeln, die aus Kieselsäure bestehen, sind als Sechsstrahler , Vierstrahler oder Einstrahier entwickelt. Bei den Glasschwämmen können die feinen Nadeln zierliche, wie aus Glas gesponnene Gewebe bilden. Zwischen den Nadeln finden sich mannigfaltige Kiesel- gebilde wie Anker, Haken, Quirle, Spieße, Bäumchen; auch sind bei manchen Arten ganze Wurzelschöpfe aus vielen feinen Nadeln oder nur eine einzige starke Pfahlnadel entwickelt. Die Kieselschwämme kommen in allen Meeren vor; die Glas- schwämme bevorzugen die größeren Tiefen, bis über 5000 Meter. Eine Gruppe, die sogen. Süßwasserschwämme, lebt mit etwa 80 Arten im Süßwasser aller Weltteile. Die Glasschwämme gehörten noch vor 30 Jahren zu den größten Seltenheiten und Kostbarkeiten. Erst die Challenger- Expedition und die deutsche Tiefsee-Expedition brachten eine große Ausbeute an vielen neuen Arten und zierlichen Formen heim. In Japan, in der Sagamibucht, fand Professor Jjima einen Fundort mit geradezu herrlichen Exemplaren. Von dort hat unser Museum durch Dr. med. K. Ger lach, der lange Jahre in Hongkong lebte, eine hervorragende Kollektion der größten und prächtigsten Arten als Geschenk erhalten. Diese Zierstücke, die früher nicht zu bezahlen waren, bilden in ihrer sachgemäßen Aufstellung unter Glasglocken, auf entsprechender Unterlage, die hervorragendsten Objekte der Ausstellung. Das Skelett der H o r n s c h w ä m m e besteht aus einer hornähnlichen Masse, die in unregelmäßigen, dicht geflochtenen Fäden abgelagert wird. Die Fasern verwachsen untereinander wieder zu einem Gerüstwerk und dieses Horngerüst wird beim eigentlichen Badeschwamm zum Waschen benutzt. Die Schwämme werden mit Schleppnetzen, mit Haken oder von — 99* — Tauchern gelischt; die Weichteile werden durch Abwaschen entfernt, so dai5 nur das reine Horngerüst übrig bleibt. Die Preise der Badeschwämme richten sich nach der Feinheit der Hornfasern. Der Badeschwamm des Mittelmeeres mit seinen verschiedenen Varietäten ist besonders geschätzt. Die nörd- lichsten Fundpunkte sind die nördliche Adria und der Golf von Neapel; die hauptsächlichsten Fangplätze sind die dalmatische Küste, die griechischen Inseln, Kreta, die syrische Küste und die Küste von Nordafrika. Weniger wertvolles Material liefern die Antillen und die Bahamainseln. Eine hervorragende Kollektion der hauptsächlichsten im Handel vorkommenden Arten und Sorten des Badeschwammes hat das Museum in den letzten 3 bis 4 Jahren zusammengebracht. Zur Komplettierung dieser Gruppe hat auch das hiesige Schwanim- Importgeschäft von Julius Thomseu schöne Stücke geschenkt. Ferner hat der Inhaber dieser Firma C. Rom pel eine große griechische Amphora, die mit Badeschwämmen und vielen anderen Tierarten bewachsen ist, — ein geradezu erstklassiges Schaustück — zum Vortrag geliehen. Ein weiteres Pracht- stück war ein ringförmig gewachsener Badeschwamm von 4,50 Meter Umfang und 1,70 Meter Höhe. Wenn es gelingen sollte, diese Amphora dem hiesigen Museum zu erhalten, dann würde wohl kaum irgend ein Museum eine vollständigere und schönere Schaustellung von Badeschwämmen aufweisen können. Von einem Nutzen der Schwämme kann man, wenn man von den Hornschwämmen absieht, nicht sprechen, da sich wohl kaum irgend ein anderes Tier von Schwämmen nährt. Eben- sowenig verursachen die Schwämme irgend einen nennenswerten Schaden. Noch lange besichtigten die Mitglieder die ausgestellten Schwämme und äußerten ihren Beifall nicht nur zu den schön gewählten Schaustücken, sondern auch zu der Art der Auf- stellung, Etikettierung und Erklärung. XIV. Sitzung vom 3. März 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Dr. E. Wolf, Assistent für Zoologie am Museum, spricht über : ;,Biologie der K^rebse unseres Süßwassers". 7* — 100* — Aufbauend auf den Ergebnissen ihrer Vorgängerinnen, der Systematik und Anatomie, liat die Biologie in den letzten Jahr- zehnten bedeutende Erfolge zu verzeichnen gehabt. Begründung und Ausbau dieser Wissenschaft ist hauptsächlich ein Verdienst deutscher Forscher. Joh. Müller wies auf die Schätze des Meeres hin, die zoologische Station Neapel trägt voll und ganz deutsches Gepräge und ist noch heute das Vorbild aller ähn- lichen Gründungen. Aber auch in der Erforschung des Süß- wassers ist ein Deutscher mit der Gründung der biologischen Süß Wasserstation am großen Plöner See bahnbrechend vorge- gangen. Die Resultate dieser Forschungen zusammenzufassen, ist der Zweck des Vortrages. Einen Hauptbestandteil der Or- ganismen in unsern Gräben und Teichen, Sümpfen und Seen bilden unzweifelhaft die Krebstiere. Allerdings kommen hierbei die höheren Formen, wie der Flußkrebs, unsere Wasserasseln und Flohkrebse kaum in Betracht; denn sie werden sowohl an Arten als namentlich an Individuenzahl bei weitem von den niederen Krebsen übertroffen. An der Hand von zahlreichen Wandtafeln, konserviertem und lebendem Material, sow^e mikro- skopischen Präparaten werden die hierher gehörigen Formen eingehender betrachtet. An erster Stelle stehen die Phyllopoden (Blattfüßler), von welchen Äpus, Branchipus und verschiedene Wasserflöhe als Vertreter erwähnt werden. Nicht geringer ist die Bedeutung der Copepoden (Hüpferlinge), die durch die drei Gattungen der Centropagiden {Dkqjtomus), Cyclopiden {Cyclops) und Har- pacticiden {Canthocamptus) in unseren Gewässern vertreten sind. Die geringste Rolle spielen die Ostracoden (Muschelkrebse). Bei den meisten Formen der erwähnten Entomostraken ist ein sexueller Dimorphismus zur Ausbildung gekommen ; d. h. die c? unterscheiden sich nicht nur durch geringere Größe von den $, sondern auch ihre Antennen und verschiedene Fuß- paare sind namentlich für Kopulationszwecke umgestaltet worden. Ihre gemeinsame Larvenform ist der Nauplius. Bei den $ findet sich eine mehr oder weniger ausgedehnte Brutpflege, die über- haupt bei den Krebstieren eine große Rolle spielt. Die Körperbeschaffenheit hängt wesentlich von dem Auf- enthaltsorte ab, denn schon die Bewohner der Uferzone zeigen einen scharfen Gegensatz gegenüber den sich stets im freien — 101* ~ Wasser auf haltenden Formen, die in ihrer Gesamtheit das Plank- ton bilden. Namentlich die Beobachtung und Untersuchung des letzteren hat eine Reihe interessanter Fragen aufgeklärt. So konnte konstatiert werden, daß diese Tiere hauptsächlich in größeren Seen tägliche, vertikale Wanderungen unternehmen. Bei Tag halten sie sich in 30 und mehr Meter Tiefe auf, um bei Nacht an die Oberfläche zu steigen. Ein Hauptfaktor, der diese Wanderungen veranlaßt, ist die wechselnde Temperatur. Diese iibt aber auch einen Einfluß auf die Körperformen aus und wird so die Ursache des Saisondimorphismus. Solche Ge- staltsabänderungen sind in noch weit ausgedehnterem Maße von dem verschiedenen Salzgehalte abhängig. Durch allmähliche Verminderung desselben ist es sogar gelungen, früher für weit auseinanderstehende Arten gehaltene Formen vollständig ineinander überzuführen. Die Menge des Planktons ist in den verschiedenen Jahreszeiten eine überaus wechselnde und vollständig abhängig von der Fortpflanzungsweise der be- treffenden Organismen, aus welchen sich dasselbe zusammen- setzt. So ist es den Wasserflöhen ermöglicht, durch ungeschlecht- liche Fortpflanzung, die durch unbefruchtete, sich rasch ent- wickelnde Eier, sogenannte Subitaneier, zum Ausdruck kommt, in kürzester Zeit sich in ungemessenen Mengen lokal auszu- breiten. Das Interessanteste dabei ist, daß diese Eier, solange sie im Brutraume verweilen, von dem Muttertiere mit Nahrung versorgt werden, so daß es dem Embryo ermöglicht wird, die ersten Larvenstadien schon im Ei zu durchlaufen. Augestellte Versuche haben ergeben, daß sich ein erwachsenes Weibchen unseres gewöhnlichen Wasserflohs in einem Monat auf über 200000, in zwei Monaten aber auf über 1 Milliarde Individuen vermehren kann. Durch Nahrungsmangel, niedere Temperatur oder Austrocknen des Aufenthaltsortes würde aber trotzdem das ganze Geschlecht der Vernichtung anheimfallen, wenn es ihnen nicht durch Dauereier, die bedeutend mehr Nahrungs- dotter aufweisen und nahezu ausnahmslos befruchtet werden müssen, ermöglicht wäre, die Art zu erhalten und in diesem Zustande allen Unbilden der Witterung zu trotzen. Solche Dauereier können von den verschiedensten Arten ein-, zwei- oder mehrere Male im Laufe eines Jahres produziert werden — 102* — und man unterscheidet hiernach mono-, di- und polycj^clisch sich fortpflanzende Formen. Älmliche Verhältnisse treten uns bei den Copepoden ent- gegen. Auch sie vermögen Einfrieren, Austrocknen, Kälte und Hitze zu überstehen und zwar erzeugen die Centropagiden Dauereier, die Cyclopiden und Harpacticiden dagegen vermögen selbst in erwachsenem Zustande dadurch, daß sie sich mit einer Hülle umgeben, jahrelang in einem Ruhestadium zu verbringen, um bei Zutritt von Wasser sofort wieder aufzuleben. Die Eier bedürfen bei ihnen stets der Befruchtung. Da nun ein Gewässer sehr häufig nicht so viel Nährstoffe bietet, daß mehrere Arten nebeneinander leben können, so hat sich bei ihnen ein Nacheinander des Auftauchens und Ver- schwindens herausgebildet. Nur wenige Formen , die soge- nannten ausdauernden und perennierenden, sind Sommer wie Winter anzutreffen, andere dagegen tauchen erst im Herbst auf. vermehren sich während des Winters selbst unter einer starken Eisdecke, um beim Herannahen des Frühlings entweder Dauer- eier abzulegen oder sich in den Schlamm zur Sommerruhe zu- rückzuziehen. An ihre Stelle treten dann die Sommerformen, die sich während der heißesten Jahreszeit vermehren, um im Herbst dann wieder zu verschwinden. Ist so schon eine Reihe von Rätseln gelöst, so werden uns doch immer neue Fragen gestellt und es sollte nicht nur Sache der Gelehrten, sondern jedes Naturfreundes sein, hieran weiterzuarbeiten, um so mehr, als hier ein Gebiet vorliegt, wo jede w^eitere Aufklärung nicht nur der Wissenschaft zugute kommt, sondern zugleich auch eine Förderung eines praktischen Gebietes, der Fischzucht, darstellt. Reicher Beifall lohnt den sachkundigen Redner, der über eine Fülle von eigenem Beobachtungsraaterial durch seine jahre- langen systematischen Untersuchungen fast aller Gewässer Württembergs verfügt und recht eingehend zeigt, wie auch in der engeren Heimat wissenschaftlich gearbeitet werden kann. XV. Sitzung vom 10, März 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende begrüßt mit herzlichen Worten den Redner, — 103* — Dr. L. Schnitze, Jena, der vor überfüUtem Saale einen hoch- interessanten Vortrag hält über: „Das Naraaland und seine Bewohner". Der Vortragende, der drei Jahre in Afrika zum Zwecke zoologischer Studien weilte und sowohl Forschungen über die Tierwelt des Meeres als über die geographischen Verhältnisse der faßt unbekannten inneren Kalahariregion, östlich von Lelm- tutu angestellt hat, beschränkt sich in seinem Vortrage auf die westlichen Teile des von ihm bereisten Gebietes, speziell auf das Nanmlaud, das als der Schauplatz der Unruhen augen- blicklich das öffentliche Interesse auch weiterer Kreise in An- spruch nimmt. Er schildert das reiche Vogelleben an der Küste und geht dann weiter ins Innere durch den Wüstenstrich der Namib in die terrassenförmig aufsteigenden Plateaus des Namalandes über. Die Existenzbedingungen des Menschen und der Tierwelt daselbst werden am Leben der Eingeborenen er- läutert, in deren Gewohnheiten und (Charaktereigenschaften die Natur des Landes tiefe Spuren hinteilassen hat. Dabei wird darauf hingewiesen, daß nur eine genaue Würdigung aller dieser Verhältnisse uns ein wahres Bild der enormen Schwierig- keiten bietet, die unsere Truppe gerade im zweiten Teil des Feldzuges gegen die Aufständischen zu überwinden hatte und mit bewunderungswürdiger Energie überwunden hat. Im Zu- sammenhang damit ist die Schlußmahnung des Vortragenden gewiß beherzigenswert, eine genaue Kenntnis nicht nur der wirtschaftlichen Lebensbedingungen, sondern auch der Charakter- eigenschaften sowie der Rechtsvorstellnngen der Eingeborenen soweit als möglich zur Grundlage unserer Eingeborenenpolitik zu machen. Reicher Beifall lohnt den Redner für seinen sachkundigen, inhaltsreichen Vortrag und die blendende Sprechweise. Die Mitglieder danken ihm dadurch nicht nur für die Anerkennung der schweren Arbeit, die er unseren Kriegern gezollt hat, sondern sie beglückwünschen ihn damit auch zu den reichen Ergebnissen seiner Forschungsreise, die unter den schwierigsten Verhältnissen durchgeführt wurde. Durch das Entgegenkommen der Militärbehörden und das rege Interesse des Generals von Trotha für wissenschaftliche Untersuchungen war es — 104* — dem Vortragenden ermöglicht, als bewaffneter Naturforscher den operierenden Truppen sich anzuschließen, so daß das vorher gewonnene friedliche Bild des Landes und seiner Bewohner eine ebenso unerwartete als wertvolle Ergänzung von dieser neuen Seite erhielt. XVI. Sitzung vom 17. März 1906. Vorsitzender: Dr. phil. A. Jassoy. Der Vorsitzende dankt aus Anlaß des letzten Winter- vortrages in dem alten Hause den Mitgliedern für das rege Interesse, das sie den Samstagssitzungen der Gesellschaft ent- gegengebracht haben, und hofft zugleich, daß auch in dem bei der heutigen Stadtgröße noch etwas entfernt gelegenen, neuen Museum dieses Interesse nicht nachlassen möge. Er dankt ferner der Dr. Senckenbergischen Stiftung für die lange Zeit und in uneigennütziger Weise gewährte Gastfreundschaft in den Hörsälen des Bibliothekgebäudes. Schließlich begrüßt der Vorsitzende Hof rat Dr. B. Hagen, der einen Vortag über: „Die Insel Banka", erläutert durch zahlreiche, vorzüglich gelungene Lichtbilder, hält. Der Vortragende berichtet hierin über einen weiteren Teil seiner letzten Forschungsreise, als Fortsetzung der schon in der Anthropologischen und der Geographischen Gesellschaft gehaltenen Vorträge. Er beginnt mit einer Schilderung der geographischen Verhältnisse der Insel, ihrer Geschichte und ihrer Bewohner und geht dann auch auf die Tierwelt näher ein. Zur Erläuterung waren mehrere Kasten mit Schmetter- lingen von Banka und den größeren Sunda-Inseln, Sumatra, Borneo und Java, ausgestellt, an denen man sehen konnte, wie die Formen der einzelnen Inseln in der Zeichnung verschieden sind und bestimmte Lokalformen repräsentieren. Seine eigenen Sammlungen der Fauna von Banka kann der Vortragende leider noch nicht vorführen, da die Präpa- ration und Bestimmung der Tiere in München sich ver- zögert hat. 105=' Miiseumsbericlit. I. Z 0 0 1 0 g i 8 c Ii e Sammlung. 1. Die Säug'etiere. Die größte Arbeit, die im verflossenen Jahre für die Scliausamralung geleistet wurde, war die Aufstellung und Aus- stopfung von drei Giraffen, zwei erwachsene Exemplare aus der von Er lauger- und Sc hillings sehen Sammlung und ein jüngeres Tier aus dem Zoologischen Garten, das uns von Karl Hagenbeck in Stellingen bei Hamburg und Joseph Menges in Limburg zum Geschenk gemacht wurde. Von größeren Sachen wurden weiterhin fertig gestellt : verschiedene Affen, eine Löwin, ein Seelöwe, ein Baribal, zwei Rentiere, ein Warzenschwein, mehrere Beuteltiere und eine große Anzahl kleinerer Säugetiere, die wir aus dem Zoologischen Garten oder durch dessen gütige Vermittelung erhielten. Aus dem von Er lang er sehen Material wurden zwei Wasserböcke ausge- stopft. Ferner suchten wir durch Bestellungen und Ankäufe die immer noch vorhandenen, großen Lücken in manchen Säugetierordnungen auszufüllen und ältere Stücke durch neue zu ersetzen. Geschenke: Dr. F. Römer und Dr. F. S c h a u d i n n : Balaenoptera physaJus L., Finnwal, 1 Glas mit Mageninhalt, bestehend aus roten Decapoden (Garneelen), in Formol konser- viert, Trolfjord, Norwegen 1898. Fräulein K. Hartmann: Hapale penicillata E. Geoffr. % aus Brasilien. Obergärtner Günther: Dastjpus vülosiis Desm., Panzer. Karl Hopf, Niederhöchstadt a. Taunus: Schädel eines rassereinen Dobermann-Pinschers c?, 8 Monate alt; zwei afri- kanische Nackthunde c? und $ nebst einem Schädel. — 106* — F. W. Winter: Mi/oxus glis Schreb. mit Kadaver in Alkohol konserviert von Monte Maggiore in Istrieu aus 1200 m Höhe; Fledermauskot aus der Höhle St. Kanzian in Istrien. Ernst Orb, Westhof en: 2 Mus muscuUis L., weiße, wilde Hausmäuse. Frau Dr. M. Hoheneraser: Vesperugo jjipistrelhts Keys. et Blas. Direktor W. Drory: Piitorins erminea L. Louis W i t z el, Prundu (Rumänien) : 3 Spalax tt/phlns Pali. Neue Zoologische Gesellschaft: Mus ngrarius Pali. ; Cervus elaphus L. $, zwei Tage alt, H. Behr, Aken a. d. Elbe: Castor fiber L., Schädel von einem an der Elbe geschossenen Biber. Prof. Dr. F. B 1 o c h m a n n, Tübingen : Vesperugo pipistreUns Keys, et Blas., mehrere lebende Exemplare. Dr. A. Reichard: 2 Fiedermäuse aus Haiti n. Jamaika. Frau Emma von Mumm: Cervus canadensis L. c? und ^, prachtvolle Wapitihirsche, gestopft und fertig montiert. J. M enges, Limburg: Macropus eii genii Desm. Sparre Schneider, Tromsö: Arvicola gregaria (L.) . Kauf: Neue Zoologische Gesellschaft: Atelcs paniscus h.; Lemur nigrifons Vetiwev ^; Tragelaphus gratus Sei, juv, ; Macropus eruhescens Sei, c?; M. ocydromus Gould %\ M. agilis Gould $; M. äorsalis Gray $; M. hrachgiirns Q. et G,; Petrogale hrachyotis Gould $; Betiongia lesueuri Q. et G. c?; Onychogale imguifera Gould c?; Petaurus breviceps Waterh. c?; Felis leo L. ^; Canis lagopus L. c?; Ursus americanus Pali. ^\ Myrmecophaga jubata L. ; Otaria californiana Less, c? ; Capromys fournieri Desm.; Erethixon dorsahim L, $; Pteromys volucella Pali $; Lama huanachus Mol. $. F, Krüger, Kanea (Greta): Capra aegagrus Gm. var. cretensis Lorenz c?, Insel Greta. Durch Sparre Schneider, Tromsö: Rangifer tarandus L. c? und $ von Süd-Varanger; Gulo arctims Desm, c?, $ und juv. ; Evotomys rutilus Pali, Tausch: Zoologisches Museum in Neapel : Leyj^/.s europaeus Pali. ; Putorius piitorius 111. ; Myoxus spec, aus der Umgebung von Neapel gegen Schnecken von Prof. W. Kobelt. - 107* — Wissenschaftliche Benützung: Dr. L. Lorenz, Wien, studierte im Museum die Canidenarten. K. Brandt, Osterode a. H., entlieh einen Schädel vom Sclimalspießhirsch (bereits zurückgeliefert). Dr. M. Hilzheimer, Straßburg i. E., entlieh Schädel von Canis tripolitanus de Wiuton, C. anthus Rüppell, C. variega- ttis Rüpp., ferner 4 Schädel und 3 Bälge von anderen Caniden- arten zur Bearbeitung und studierte mehrfach im Museum die Canidenarten. Prof. P. Matschie, Berlin, entlieh den Schädel von CynocephaliLS hamadryas. Forstmeister Dr. A. Rörig entlieh Schädel von Cerviis capreolus L. (Bereits zurückgeliefert.) Zoologische Sammlung in München erhielt Calli- ihrix meIa7iochir Wied., von Freireiß 1822 in Brasilien gesammelt, zum Vergleich. Außerdem wurden von hiesigen Künstlern und Kunst- schülern des öfteren Tiere aus unserem Museum zu Vorlagen benützt. Die Lokalsammlung. Wie in früheren Jahren so wurde auch im verflossenen Jahre eifrig daran gearbeitet, die Tiere der Heimat durch neue, schöne Stücke in biologischer Gruppierung zur Darstellung zu bringen. Wenn wir auch wiederum zahlreiche Stücke von Jägern und Forslbehörden erhielten, so fehlt doch aus der einheimischen Fauna noch immer sehr vieles. Alle Tiere sind willkommen, selbst die gewöhnlichsten und häufigsten Arten wie Maulwurf, Eichhörnchen, Hamster, Marder, namentlich alle Feld- und Waldmäuse etc., da in der Hauptsammlung die meisten Arten nur durch alte und schlecht erhaltene Exemplare ver- treten sind. Auch bei der einheimischen Fauna ist es not- wendig, von jeder Art in der Hauptsammluug eine Reihe von Bälgen aus den verschiedenen Jahreszeiten und den verschie- denen Altersstufen auf Lager zu haben. Wir richten daher an unsere jagdausübenden Mitglieder und Freunde wiederum die ergebene Bitte, uns Material, das möglichst frisch und unverletzt in die Bearbeitung durch unsere — 108* — Präparatoren gelangen muß, zu überweisen. Zur Kenntnis diene, daß folgende Tiere ganz besonders erwünscht sind: 1. Im Sommerkleid: Edelhirsch, Cerviis elaplms L.; Männchen mit starkem Geweih und Weibchen ; Reh, Cervus capreolus L., Männchen mit starkem Geweih; Dachs, Meles taxns L., Junge; Eichhörnchen, Scinrus vulgaris L., mehrere Exemplare. Maulwurf, Talpa europaea L., mehrere Exemplare. 2. Im Winterkleid: Edelhirsch, Cervus elaplms L., Männchen mit starkem Geweih; Fuchs, Cariis vidpes L., altes Männchen ; Eichhörnchen, Sciurus vulgaris L, mehrere Exemplare; Maulwurf, Talpa europaea L., mehrere Exemplare. Ein hauptsächliches Desiderat unserer Lokalsammlung ist immer noch eine Geweihsammlung von einheimischen Hir- schen und Rehen. Wir bitten unsere Gönner, die uns in den letz- ten Jahren so manches wertvolle Stück aus ihrer Jagdausbeute überwiesen haben, diesen unseren Wunsch dauernd im Auge zu behalten und bei Gelegenheit daran zu denken, daß in unserem neuen Museum viel Platz vorhanden ist und daß solche Samm- lungen in unserem Museum für alle Zeiten gerettet und der wissenschaftlichen Benützung zugänglich sind. Bei der drohen- den Vernichtung, die unserer heimatlichen Tierwelt aus der immer größeren Ausdehnung der Städte und Industriebezirke erwächst, ist es dringend notwendig, den wissenschaftlichen Sammlungen einen größeren Bestand an solchen Tieren zu sichern. Auch den verschiedenen Farbenk leidern der deutschen Tierarten schenken wir eine ganz besondere Beachtung. Hellere und dunklere Farbenvarietäten, wie sie bei Hasen, Eichhörnchen etc. oft genug vorkommen, besonders aber ganz weiße Tiere, sogenannte Albinos, die ja gelegentlich bei jeder Tierart auf- treten, sind sehr willkommen. Geschenke: Freiherr von Muffling: Cervus capreolus L. juv. Seine Durchlaucht der Fürst zuLeiningen: Sus scrofa L, cT, Wildschwein mit Frischlingen. — 109* — H. Poppelbaum: Mcles taxus Schreb. <^ juv. Friedrich Sommerlad: Mustela foina Erxl. Juv. E. Müller-Kögler, Limburg: Mustela mar tes L $ juv. A. Lucas: Lejms cimiculus L. var. flava. V. Moessinger: Lepus cuniculns L. var. niger c?, aus der Gemeindejagd Messel bei Darmstadt. Förster L. Bud de, Scliwanheim: Lepus europaeus Pall., $ in gelber Färbung. (Auf Veranlassung von Prof. Kobelt geschossen.) Frau Kommerzienrat H. Kleyer: Meles taxus Schreb. $. Reg. -Bauführer The is: Catiis vtilpes L. c? und $. Conrad Binding: Putorius erminea L . c?. 2. Die Vögel. Die Vermehrung der Vogelsammlnng ist durch mehrere größere Zuwendungen der Herren Louis Witz el in Rumänien, R. de Neufville und Willy Seeger sehr reichlich gewesen. HerrWitzel, ein geborener Frankfurter, machte eine umfang- reiche, ca. 100 Bälge umfassende Sendung rumänischer Sumpf- vögel, die er selbst in den Sumpfniederungen seines Rittergutes erlegt und präpariert hat. Die Erhaltung und Bearbeitung der Bälge ist eine gute, so daß wir schöne Gruppen für die Schau- sammlung zusammenstellen können. Mit dieser „Probesendung" hat Herr Witze 1 gezeigt, wie reich die rumänische Vogel weit ist und welche Schätze von dort noch zu erwarten sind. Die Gesellschaft ernannte ihn in Anerkennung seiner Verdienste um die Vermehrung unserer Sammlung in ihrer Verwaltungssitzung vom 24. März 1906 zum korrespondierenden Mitgliede. Geschenke: Louis Witze 1, Prundu (Rumänien): Coracias garrula L. ; Falco lanarius L. ; Haliaetus albicilla (L.) ; Aquila clanga 'pomarina Brehm ; Nisaetiis pennatus (Gmel.) ; Columba palumbus L. ; Herodias alba (h.)\ Ardea purpurea \j.] A. cinerea L.; Ardeola ralloides (Scop.) ; Ngcticorax nycticorax (L.); Oiconia nigra L.; Flegadis falrinellus L. ; Otts tarda L. ; Qallinula chloropus L. ; Arenaria iuterpres L ; Haematopus ostri- legus L.; Glareola pratincola (L.); Oedicnemus oedicnenms (L.); Himantopus himantopus (L.); Tringa subarcuata Güldenst.; Philomachus pugtiax L. ; Limosa limosa (L.) ; Numenius arcuatus — no* — (L.); Aiiser miser (L.); Anas boschas (L.); A. strepcra L. ; A. crecca L.; A. qiierquedula L.; Daßla acuta (L ) ; Spatula ci/Jpeata (L.)\ FuUgula fuligula (L.); F.iiyroca Güldenst.; Pele- canus crispus L. ; Sterna hirundo L. ; Larus ridibundus L. ; Colymbus griseigena Bodd. Robert de Neufville: Enstephaniis fernaudensis King. on(jia officinalis L , kleine Stücke des sogen. Augenschwammes des Handels, gebleicht und ungebleicht, von Mandrucha und Candia ; Levante-Schwamm von Mandrucha, die feinste Qualität des Badeschwammes, die in den Handel kommt. Dr. H. Merton: 55 Arten Hydroiden, Acalephen, Siphono- phoren, Ctenophoren und Anthozoen, meist prachtvolle Stücke aus der Zoologischen Station Neapel für die Schau- und Lehr- sammlung, darunter ein hervorragendes Schaustück der Edel- koralle, Corallium rubrum L. mit ausgestreckten Polypen. Es — 135* — sind dies alles Arten, die uns aus der Neapeler Fauna noch fehlten. Dr. F. Römer und Dr. F. S c h a u d i n n : aus dem Material ihrer „Helgoland"-Expedition 1898: Cyanea capilJata 0. Fabr. aus dem Reliktensee Mogilnoje auf der Insel Kildin an der Murmanküste ; Cyanea capillata 0. Fabr. aus dem Virgohafen in N. Spitzbergen. Dr. L. L. Breitfuß, Katharinenhafen an der Murman- küste: Beroe cucumis 0. Fabr. aus dem nördlichen Eismeer. Tausch: Zoologische Station, Triest: Chriisaora hyoscella Seh., große Meduse für die Schausammlung. Zoologisches Museum, München: Hyalonemen und kleine Euplectellen in Alkohol gegen Reptilien. Zoologisches Institut in Graz: 77 Arten Spongien gegen diverse Schriften aus den Abhandlungen. Kauf: Zoologische Station, Neapel: Nausithoe punc- tata Kölliker; Sagartia dolirni Koch juv. für mikroskopische Prä- parate. Henry Suter, Auckland (Neu -Seeland): 10 determinierte Arten Poriferen und Anthozoen aus 9 verschiedenen Gattungen. A r c t i s c h e s Museum, Tromsö : Holopsamma argillaccum, Sandschwamm aus dem Tromsö-Sund aus 75 m Tiefe. Dr. F. Römer erhielt die Ctenophoren-Ausbeute der russischen Expedition für wissenschaftlich-praktische Unter- suchungen an der Murmanküste zur Bearbeitung. 13. Die Protozoen. Die Vermehrung der Protozoensammlung beschränkte sich auf die Anfertigung einiger mikroskopischer Präparate aus den einheimischen Süßwasser-Protozoen. Für die Schau- und Lehr- sammhmg wurden große Kolonien von Garchesimn polypmum L. an Schilfstengeln aus dem Gravenbruch konserviert und aufge- stellt. Die Protozoenfauna der Gewässer der nähern Umgebung wurde fortgesetzt einer eingehenden Beobachtung und systema- tischen Durcharbeitung unterzogen, worüber Frau M. Sondheim ein ausführliches Journal führt. Kauf: Zoologische Station in Neapel: Äulacantha scolymantha E. H. ; ThalasskoUa nucJeata Huxl. — 136* — Für die Sammlung der ausländischen Tiere, welche lebend in Frankfurt a. M. gefunden wurden, schenkte : Emil Rupp: Acriäium aegyptkiim L,, eine südeuropäische Heuschrecke aus der Markthalle. A. Blascheck & Co: Dennestes vulpinus F., einen Speck- käfer, der von Bombay mit Häuten eingeschleppt wurde. (Durch Tierhäutehandel über die ganze Erde verbreitet und bereits früher schon einmal in Frankfurt gefangen.) Farbstoffwerke C. Flesch: 12 junge Ratten nebst einem aus einer holländischen Zeitung gefertigten Nest. Nach Ansicht von Prof. Matsch ie in Berlin handelt es sich um Mus dccu- manus Pali. 14. Die vergleichend-anatomische Sammlung-, Die Verarbeitung des anatomischen Materiales, das haupt- sächlich aus den Tieren des Zoologischen Gartens bestand, die oben bei den Säugetieren und Vögeln bereits namentlich auf- geführt sind, erledigte wie in früheren Jahren Frau M. Sond- heim. Die Zahl der für die Schausammlung fertiggestellten Präparate beträgt 150. Von verschiedenen Tieren, die aus dem Zoologischen Garten geliefert wurden, sind die Skelette gemacht worden ; z.B. Ursiis americanus Pali., Erethizon dorsattim L. etc. Von allen Tieren wurden die Schädel präpariert. Für die Geweih Sammlung erwarben wir durch gütige Vermittelung von Sparre Schneider in Tromso von Ran- gifer tarandns L. drei schöne Geweihe von Süd-Varauger und zwei von Spitzbergen. Letzere sind sehr willkommen, da die Reutiere von Spitzbergen sich bekanntlich von den norwegischen und grönländischen unterscheiden und als besondere Form oder Varietät angesehen werden. Geschenke. Aus dem Nachlaß von Dr. J. Guttenplan: Vier menschliche Embryonen. Dr. F. Römer und Dr. F. Schaudinn: Eine große Kollektion Augen vom Eisbär, Rentier, Kolkraben, Adler und verschiedenen Möveuarten, konserviert mit Müllerscher Lösung: Ovarien von verschiedenen Mövenarten, konserviert mit Sublimat- Alkohol. Spitzbergen und Norwegen 1898. — 137* — F. W. Winter: Felis äomestica Briss. Zwei Embryonen mit Eihüllen und Placenten, in Formol konserviert. Prof. Dr. M. Flesch: Zwei menschliche Embryonen im Alter von 5—6 und 7 — 8 Monaten, in Formol konserviert. Carl Hopf, Niederhöchstadt: Schädel eines großen Schlächterhundes. Direktor W. Drory: Cerviis elaphus L. Embryo. Oberleutnant 0. Kauffmann, Marburg: Tiger-Embryo, in Alkohol konserviert, Reg.-Baumeister W. Theiß: Canis vulpes L. Sechs Em- bryonen, in Alkohol konserviert. Dr. med. A. Knoblauch: Mikroskopische Präparate von der Kühneschen Muskelspindel aus dem M. biceps brachii des Menschen. Ingenieur F. Kinkeliu, Dar-es-Salara : BuhaVis lichten- steinü Peters, Gehörn. Wissenschaftliche Benützung: Dr. E. Breslau, Straßburg, studierte das embryologische Material an Beuteltieren und erhielt davon einige Stücke zur Verarbeitung. Dr. Friedrich He id er ich, Göttingen, erhielt eine An- zahl kleiner und junger Säugetiere in Spiritus zu einer Arbeit über die Schultermuskulatur. Die Lehrsammhuig wurde nach Kräften vermehrt und für alle die Gruppen, welche für die Schausammluug hergerichtet wurden, aus den vorhandenen Beständen vervollständigt. Sie umfaßt jetzt: an Wirbeltieren 702 (496) Nummern, an wirbellosen Tieren 956 (506) Nummern. Wissenschaftliche Auskunft wurde 19mal erteilt, und zwar handelte es sich 6mal um Würmer, 6mal um Insekten, Imal um Tausendfüße, Imal um Mollusken, 2mal um Vögel, Imal um Säugetiere und 2mal um botanische Objekte. Dr. F. Römer besichtigte im Mai 1906 im Auftrage der Gesellschaft verschiedene Museen Englands, zu welcher Reise Dr. E. Roediger die Anregung gegeben und die Führung über- nommen hatte. Dr. F. Römer erstattete in der Verwaltungs- sitzung vom 26. Mai Bericht über diese Reise und gab eine Ausarbeitung darüber zu dem Protokoll der Sitzung. — 138* — Für das Atelier der Konservatoren wurden ver- schiedene Gestelle, die beim Modellieren und beim Ausstopfen notwendig sind, sowie ein geiäumiger Unterbau für den Schraub- stock von unserem Museumshandwerker augefertigt und eine größere Anzahl Instrumente augeschafft. Für die Handbibliothek des Museums wurden wie- derum verschiedene Lehr- und Handbücher, besonders neue Auf- lagen derselben, gekauft und die Sammlung der Arbeiten, die sich auf die deutsche Fauna beziehen, fortgesetzt. Als Ge- schenke erhielten wiv Bücher und kleine Schriften für die Handbibliothek von: Prof. Dr. L. von Heydeu, Separate seiner sämtlichen Arbeiten und ein vollständiges Exemplar der Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft Rand I— XIV; Dr. med. A. Knoblauch, Prof. Dr. F.Richters, Separate seiuer sämt- lichen Arbeiten; Dr. J. Guide, Dr. A. Rörig, G. Hartmann. A. Ob er wimmer, H. AVehnei', Dr. H. Poeverlein, Prof. C. B. Klunzinger, Stuttgart; C. Hopf, Niederhöchstadt; Regierungsrat Dr. F. Schaudinn, Hamburg; Prof. Dr. L. Graff. Graz; Prof. Dr. Bail, Danzig; Prof. Dr. W. Kobelt, Schwan- heim; Geheimrat Dr. A. von Kölliker, Würzburg; Dr. R. Scharff, Dublin; Geh. Rat Prof. Dr. Möbius, Berlin; Dr. E. Schütze, Stuttgart; Ingenieur Pfaffs Erben, Darmstadt; Nassauischer Verein für Naturkunde, Wiesbaden; Dr. A. Lang, Zürich; G. Barthmann, Wiesbaden; Dr. J. G. de Man, Jerseke. Im Tausch:Königl. Zoologisches Institut in Berlin; F. J. P. von Calk er, Groningen; Königl. Zoologisches Institut Breslau; Dr. A. E. Ortmann, Pittsburgh; Di-. Elof Jäderholm, Örebro. Für die Tafelsammlung fertigte Dr. E. Wolf eine Wandtafel über „Parasitische Protozoen und ihre Überträger", sowie mehrere Tafeln und biologische Tabellen über die Krusta- ceen des süßen Wassers. F.W. Winter schenkte eine Anzahl Hexactinellidentafeln und unterstützte Uns durch seinen gütigen Rat und Mitarbeit bei der Anfertigung von zwei großen Wandkarten der Nord- und Süd-Polarregion. — 139* — Für die Bildersammlung schenkte: F. W. Winter das Bild seines Vaters für das Sitzungs- zimmer, Prof. Dr. W. Kobelt, Schwanheim, sein Bild für das Sektionszimmer, Prof. Dr. K. Chun, Leipzig, Geh. Eat Prof. Dr. Bütschli, Heidelberg, Hofrat Prof. Dr. L. von Graff, Graz, Prof. Dr. F. Richters ihre Bilder für die Porträtsammlung, Stud. ehem. J. Renck, Offenbach, ein Aquarellbild von Franz Ritter. Im Museum arbeiteten während der akademischen Ferien im Frühjahr und im Herbst die Studenten der Naturwissenschaft : W. Alt, F. Haas, M. Plaut und K. Richters. II. Botanische Samniluiig. Von dem zweiten der unterzeichneten Sektionäre ist das Herbarium durchgesehen und durch Einreihung der neuen Ein- gänge vervollständigt worden. Mit der Aufnahme der Objekte der Schausammlung für den Katalog hat sich Herr Karl Koch wiederum in sehr dankenswerter Weise befaßt. Mehrere wissen- schaftliche Anfragen wurden durch den ersten der unterzeich- neten Sektionäre erledigt. Zur wissenschaftlichen Benutzung, resp. zur Revision wurde aus dem Herbarium die Gattung Mosa an Herrn Hasse in Herbeden a. d. Ruhr ausgeliehen. Geschenke: A, Askenasy: einige getrocknete Pflanzen aus Ceylon; ein Paket Vetiver- Wurzeln {Andropogon squarrosiis). Prof. Dr. 0. Boettger: Ast von Fagus silvatka mit knollenförmiger Anschwellung; dreiteiligeFvvicht won Juglans regia. Botanischer Garten: trockener Stamm von Äralia papyrifera; Stammpräparat von Aloe spicata. ¥. E. Clot ten: trockene Zweige vom Mokkakaffeebaum mit Blättern und Früchten, nebst einer Probe der Früchte in einer Flasche ; 2 Kapseln von Cetha pentamlra vom Bismarck- archipel. M. Dürer: Exemplare von Feziza mirantiaca, Lycoperdon constellatum , Folyporiis perennis, Phalhis impudicns, Phcdhis canimis. — 140* — Dr. W. Fig (lor, Wien: 2 Früchte von Parmentiera ceri- fera aus Buitenzorg. Flersheim-Hess : ein ca. 40m langes Rohr aus Borneo; 1 Stange Zuckerrohr mit Wurzel; 1 Stück Perlbambus aus Japan. Dr. K. Ger lach: Frucht von Loäokea Setjchellarnm und 2 andere Palmenfrüchte. H. Gombel: Gallen von Ändricus glohnli auf Eiche. E. Gramm: Poli/porus spec. B. Haldy, Gelnhausen: Früchte von Pirus salicifolia ; mehrere von ihm photographierte Vegetationsbilder aus der Gegend von Gelnhausen. Dr. A. Jassoy: Photographie einer großen Eiche aus dem Arnsberger Walde in Westfalen. G. Kathreiners Malzkaffee-Fabriken, München: 4 Gläser mit Präparaten der Fabrikation von Malzkaffee aus Gerste. L. Kauper: Stammstück von Phoenix farinifera aus dem Palmengarten. C. Koch: Eine Sammlung von Samen von Gräsern und Futterpflanzen in 78 Gläsern; je ein Paket Radix Vetiveriae, Sarsaparillae, Glycyrrhizae; Blatt von Agave americana und daraus gewonnene Fasern; 3 Blätter von Campliora spec, aus Pegli; Frucht von Citrus medica var. Pomum Adami. Prof. Dr. 0. Körner, Rostock: 8 Photographien von merk- würdigen Buchen bei Rostock. Ferd. Meyer: 2 Früchte von Opuntia Ficus indica. E. Merck, Darmstadt: 21 Gläser mit Droguen von Gerb- stoffpflanzen. Prof. Dr. M. Möbius: Mehrere Exemplare von Cytimis Hypo- cistis auf den Wurzeln von Cistus albidus ; einige Exemplare von Clathrus cancellatus, beide von der Insel Saint- Houore bei Cannes. Von den Kindern des f Ingenieurs E. Pf äff, Darmstadt: Ein Herbarium von 40 Faszikeln nebst dem dazu gehörigen Schrank. Prof. Dr. F. Richters: Stamm eines Baumfarn {DicJcsonia antardica?). Dr. E. Roediger: Ein Exemplar von Daedalea qucreina in Formol; Stammstücke von Fuchsia spec, und Arbutus spec, aus Dundrum bei Dublin. — 141* — Pi of. Dr. H. Schenck, Darmstadt: fipEnbiums gtj"djiEl;{ buri^ bie ^Eud^EubEugifdjB liafurforj'djEubE QBEfElIfdjaff in Frankfurt a. Bf). auf QBniub uou l?orfdjlägEn EiuEE brEiglitbrigEU Komniiffion, biE ULin bßr J^Eumaltung bßc (!3EfEUfd;aft Ei'iualjlt luii-b. ©olIpgEU bßu 31. BEjEmbEu 1904. (gBj.) J. Askenasy (0ß|O ^' Askcnasy IHiffBvgut ]Bansborf bßi Eißgiiif?. 3frankfuvf am Bl)ain. IL Teil Wissenschaftliche Mitteilungen. Die Medailleii-Sammluiig der Seiickenbergischeu Naturforsclienden Gesellschaft. II. Teil. Von D. F. Heynemann.*) Seit ihrer Gründung hat es die Senckenbergische Natur- forschende Gesellschaft als eine Ehrenpflicht empfunden, das Andenken an hochverdiente Männer und Frauen, die zu ihr in naher Beziehung gestanden haben, wachzuhalten und immer wieder aufs neue zu be- leben. Aus den ersten Jahren ihres Bestehens stammt das „Goldene Buch", in dem die Namen hochherziger Gönner verzeichnet sind, die der Gesellschaft zum Ankauf wertvoller Sammlungen oder zu anderweitiger Förderung ihrer Bestrebungen Geldgeschenke überwiesen haben. Zweimal im Jahre, bei der Generalversammlung und bei der Jahresfeier, wird dieses „Gol- dene Buch" öffentlich aufgelegt; es enthält die Namen zahlreicher Frankfurter Familien, die der Senckenbergischen Gesellschaft seit mehreren Generationen ununterbrochen als Mit- glied angehören. Dem gleichen pietätvollen Zweck dient die Einrichtung der „Ewigen Mitgliedschaft", die von unseren Vorfahren im Jahre 1827 getroffen worden ist. Die Namen sämtlicher ewiger Mitglieder — zurzeit 94 an der Zahl — *) Vorstehende Arbeit unseres verewigten Mitgliedes war von ihm bei seinem Tode hinterlassen als nahezu druckreifes Manuskript. Nach Einfügung einiger fehlenden Angaben gelangt sie unverändert zum Abdruck. Die Redaktionskommission. 1* - 4 — sind im Museumsgebäude auf Marmortafeln eingemeißelt uud im Mitgliederverzeichuis des alljährlich erscheinenden „Berichtes" au erster Stelle aufgeführt. Aber nicht nur die Namen verdienter Mitglieder und Gönner der Gesellschaft gilt es, in unserer schnellebigen und rasch vergessenden Zeit in dankbarer Gesinnung der Nachwelt zu überliefern. Von wesentlich höherem Werte für die lebende Generation sind bildliche Darstellungen, die uns die trauten Züge heimgegangener Freunde vor Augen führen und auch kommenden Geschlechtern wertvoller sein mögen wie die bloße Überlieferung der Namen. Darum hat die Gesellschaft von altersher von ihren verdienten Mitgliedern Bilder aller Art gesammelt, die teils in unserem Sitzungszimmer, teils in den Arbeitsräumen der einzelnen Sektionäre und Beamten auf- gehängt sind, und hat Büsten derselben — zum Teil in Marmor ausgeführt — im Vogelsaale und in den anderen Räumen des Museums aufgestellt. Seit alter Zeit befanden sich im Besitze der Gesellschaft auch einzelne Medaillen, zu Ehren von Personen geprägt, die zu ihr in näherer Beziehung gestanden haben. Am 10. Ok- tober 1896 wurde beschlossen, diese kleine Sammlung nach Möglichkeit zu vervollständigen, und im „Bericht" 1900 habe ich eine kurze Beschreibung unserer damals erst im Entstehen be- griffenen Medaillen Sammlung gegeben. Seit jener Zeit hat dieser Zweig unserer Sammlungen durch hochherzige Schenkungen und durch Ankauf zahlreicher Denkmünzen einen solchen Zu- wachs erhalten, daß er heute schon als nahezu vollständig be- zeichnet werden darf. Nur noch wenige Stücke fehlen uns; denn die Zahl unserer beitragenden, ewigen, korrespon- dierenden uud Ehren-Mitglieder, zu deren Andenken Medaillen geprägt worden sind, ist natürlich eine kleine. Diese schöne, in ihrer Art einzige Sammlung beabsichtigen wir durch eine zweckmäßige Aufstellung in unserem Neubau allen Be- suchern des Museums zugängig zu machen. Ihre Entstehung entspricht eigentlich einigermaßen dem uns von Rüppell über- kommenen Beispiele. Rüppell war auch auf dem Gebiete der Numismatik ein bedeutender Kenner und Sammler; vom Jüng- lingsalter an bis zum Abend seines Lebens brachte er reiche Sammlungen an Münzen und Medaillen, antiken und modernen, — 5 — auch Kimstgegenstäüden und Altertümern aller Art zusammen, die sämtlich in den Besitz der Stadtbibliothek übergingen. Bei Gelegenheit des Nachrufs (Bericht für 1885) schrieb Dr. Heinrich Schmidt: „Seit 1835 war er der Vorstand der städtischen Münzsammlung und hat ihr nach und nach gegen 10,000 ver- schiedene Münzen und Medaillen zugeeignet. Insbesondere be- strebte er sich, eine Reihenfolge der zum Andenken an Naturforscher und Ärzte angefertigten Numismatica zu- sammenzubringen u. s. w. u. s. w." Also Rüppells Sammeleifer und dem im Bericht 1900 beschriebenen glücklichen Zufall haben wir es zu verdanken, daß unsere eigene Sammlung ähnlicher Art zu Ehren unserer Mit- glieder einen so unerhofften Zuwachs nehmen konnte. Und mit der nachfolgenden Beschreibung des Zuwachses seit meiner ersten Veröffentlichung bezwecken wir zugleich, weitere Kreise wiederholt auf die numismatischen Bestre- bungen unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die meisten Medaillen, innerhalb der uns selbst gesteckten Grenzen, zu Ehren von K o r r e- spondierenden Mitgliedern geprägt worden sind — es sind die ersten Gelehrten aller Kulturstaaten der Erde ; von unseren übrigen Mitgliedern, deren Zahl sich seit Gründung unserer Ge- sellschaft auf mehrere Tausend belaufen mag, ist diese hohe Auszeichnung kaum mehr wie einem Dutzend zu teil geworden. Deshalb seien zunächst die Namen unserer Korrespondie- renden Mitglieder aufgeführt, die, soweit mir bekannt, in Frage kommen. Das Verzeichnis derselben möge es hochherzigen Gönnern unserer Gesellschaft erleichtern, zu entscheiden, ob etwa Medaillen in ihrem Besitze sind, durch deren Zuweisung unsere Sammlung der Vollständigkeit noch näher gebracht werden könnte! Ich führe die Namen unserer Korrespondierenden Mitglieder, die zum größeren Teil längst nicht mehr unter den Lebenden weilen, in der chronologischen Reihenfolge ihrer Ernennung auf, indem ich Titulaturen und die manchmal wechselnden Wohnorte weglasse. Vorgeschlagen und ernannt wurden: 1820 am 9. Februar : Leopold von Buch. „ „ 12. April und 14. Juni : Friedrich Tiedemann. „ . 10. Mai , 14. Juni: Friedrich Wühler. — 6 — 1820 1821 14. Juni „ 13. Juli : Joh. Wolfgang von Goethe. 13. Juli und 11. Oktober: Karl Ritter. 1822 1823 1825 1827 1828 1831 1832 1836 1837 1847 1849 1861 1873 1874 1875 1883 1887 1891 1892 20. Juni „ 11. Juli: 12. September : 10. Oktober: 7. Novbr. u. 12. Dezbr. 13. März : 10. April: 8. Mai : Job. Wilhelm von Wiebel. Mehemed Ali, Pascha von Ägypten (zum auswärtigen Ehrenmitglied). Karl Friedrich von Kielmej'er. Lorenz Oken. Kaspar Graf von Stern berg. Karl Friedrich Philipp von Martins. Johann Friedrich Blumenbach. Gustav von Paykull. Karl Peter Thunberg. Gerhard Vrolick. Franz Andreas Bonelli. Karl Gustav Carus. Kaspar Georg Karl Reinwardt. Justus Freiherr von Liebig. Georg Freiherr von Wedekind. Dominik Franz Arago. Alexander von Humboldt. Christian Heinrich Pfafi. Karl Ernst von Baer. Anders Adolf Retzius. Louis Jean Rudolphe Agassiz. Karl Ludwig von Littrow. Karl Adolph Agardh. Christian Gottfried Ehrenberg (bei der ersten Soemmerring- Preis -Verteilung) . Rudolf Virchow. Wilhelm Haidinger. Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (bei der 7. Söemmerring-Preis-Verteilung). 12. April und 26. April : Charles Robert Darwin. 6. Juni : Muzio Ritter von Tommasini. 2. Juli und 27. August: Alexander Fischer Ritter von Waldheim. 10. März: Robert Koch (bei der 3. Tiedeniann- Preis- Verteilung). 10. März: Paul Ehrlich (bei der 4. Tiedemann -Preis- Verteilung). 10. März: Emil Fischer (bei der 5. Tiedemann -Preis- Verteilung). 9. Mai: Thomas Henry Huxley. „ „ 9. Mai : Fridtjof Nansen. Von allen, mit einziger Ausnahme der auf Darwin und Fischer von Waldheim geprägten, besitzen wir jetzt Medaillen, es gibt aber auf Agardh, Blumenthal, Gioeni, Goethe, Haidinger, Hum- 23. Oktober : » n 11. Dezember : 8. Oktober: 6. Oktober; 14. Dezember: 22. August: 15. Oktober : 14. September: 20. Juni : 23. Januar : 17. Dezember : 7. April : 16. Oktbr. u. 23. Oktbr.: 24. Februar u. 12. März : 7. April : boldt, Liebig, Martins, Mehemed Ali, Oken, Sternberg, Thunberg und Virchow noch mehrere, die meistens in Rüppells Sammlung enthalten waren, jedoch wegen beschränkter Mittel nicht er- worben werden konnten. Beschreibung der seit 1900 erhaltenen Medaillen. Zwei Agardli-Medaillen. 1. Vorderseite. Kopf 1.*) Umschrift: „C. A. AGARDH BOT. PROF. LÜND. D. EPISC. CAROL ST." Unter dem Hals- abschnitt: N. 1785. OB. 1859. Auf dem Halsabschnitt: „L. A." Rückseite. Eine aus dem Meere auftauchende nackte, weibliche Figur mit Algen in den Händen. Umschrift: „MIRAS DISPONIT FUNDI SEGETES", und unterhalb der Meeres- wogen: „SOCIO ALGOLOGO CELEBERRIMO ' R. ACAD. SCIENT. SVEC. I MDCCCLXVI." 2. Vorderseite. Kopf r.*) Umschrift: „CARL ADOLF AGARDH VETENSKAPSMAN SKRIFTSTÄLLARE MED- BORGARE." Unter dem Halsabschnitt: LEA AHLBORN." Rückseite. In einem Eichenlaub- und Lorbeerkranz: „VID 1 HALFSEKELS | FESTEN ] D. 24. APRIL j 1878." Umschrift: SKÄNSKA BRANDFÖRSÄKRINGS INRÄTTNIN- GEN AT SIN UPPHOFSMANN". Beide Medaillen Bronze 1,31mm, 2,43 mm; angekauft. Karl Adolf Agardh, geb. 23. Januar 1785 zu Bastad in der schwedischen Landschaft Schonen, studierte in Luud, hielt seit 1807 daselbst Vorlesungen anfänglich über Mathematik, wandte sich aber später der Botanik zu und wurde 1812 Pro- fessor der Botanik in Lund. Als ausgezeichneter Algen- kenner hat er eine Reihe hervorragender Werke über das System dieser Kryptogamenklasse geschrieben. Ohne seine botanischen Studien aufzugeben, wurde er später Geistlicher, zunächst 1816 Pfarrer zu Lund, dann 1834 Bischof zu Karl- stadt, wo er am 28. Januar 1859 starb. Im Jahre 1836 wurde er gleichzeitig mit seinem Sohne Jakob Georg Agardh, ebenfalls einem hervorragenden Algenkenner, der von 1854 bis 1879 die *) 1. bedeutet von der linken, r. bedeutet von der rechten Seite. - 8 - Professur der Botanik zu Lund bekleidete, zum korrespondieren- den Mitgliede ernannt. Jakob Georg Agardh, geb. S.De- zember 1818, gest. 17. Januar 1901 zu Lund, beschrieb 1837 im 2. Bande unserer Abhandlungen (Museum Senckenbergianum) die Algen, die Rüppell 1827 auf seiner Forschungsreise nach dem Roten Meere gesammelt hatte (Bericht 1901, pag, 71). Karl Adolf Agardh war auch auf anderen Gebieten hervorragend; er gründete u. a. am 24. April 1828 die Feuer- versicherungsanstalt zu Schonen, bei deren fünfzigjährigem Jubiläum die Medaille Nr. 2 geprägt wurde. Medaille Nr. 1 wurde 1866 dem Andenken Agardhs gewidmet, 50 Jahre nach seinem Abgang als Universitätsprofessor und nach Antritt seines geistlichen Amtes. Frau Lea Ahlborn lebte in Stockholm in ihrer Eigen- schaft als Medailleurin und Stempelschneiderin der dortigen Münze. Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind nicht allein alle in Stockholm geprägten Münzen, sondern auch zahlreiche Medaillen auf berühmte Personen aus ihrer kunst- fertigen Hand hervorgegangen. Agassiz- Medaille. Vorderseite. Brustbild 1., Umschrift: „LI AGASSIZ — 1807—1872." Unter dem Brustabschnitt: „F. LANDRY, | NEU- CHATEL — SUISSE— " Rückseite. Im Lorbeerkranz : „ VIRO | INGENIO, LABORE, | SCIENTIA I PRAESTANTISSIMO." Bronze, 92 mm. Auktionspreis M. 33, der von Rüppell seinerzeit dafür ge- zahlte Preis war Frcs. 40. Rüppell s Urteil über diese Medaille*) lautet nicht sehr günstig. „Die nachzubeschreibende Bronzemedaille ist meines Erachtens die schwerste, teuerste und wegen verschiedener Irrungen keineswegs befriedigende Bronzemedaille, die zur Er- innerung an Schweizer Naturforscher geprägt wurde." In Fuß- noten rügt Rüppell alsdann die Schreibweise : „Neuchatel" statt *\ „Numismatische Zeitschrift" der Numismatischen Gesellschaft in Wien. 1876. p. 54 des Sonderabdrucks: „Beitrag zur Kenntnis u. s.w." — 9 — „Neufchatel", worin er irrt, und die Angabe „1872" als Sterbe- jahr statt „1873", wie es allerdings heißen mußte. Ludwig Johann Rodolf Agassiz, geb. 28. Mai 1807 zu Mottier, Kanton Freiburg, gest. 14. Dezember 1873 zu New-Cambridge bei Boston in Nordamerika, war korrespondie- rendes Mitglied seit 1832, ernannt zur Zeit als er in München an Stelle des verstorbenen Spix, des Reisebegleiters von Mar- tins (cf. diesen Bericht p. 23), die Fische für dessen Reisewerk bearbeitete. In unserem „Bericht" für 1873/74 ist Agassiz, dieser große Naturforscher, in seineu Beziehungen zu unserer Gesellschaft eingehender gewürdigt. Es ist nicht bekanut, wann und aus welchem Anlaß die Medaille entstanden ist; selbst über den Medailleur F. Landry kann ich heute keine biographische Notiz beibringen, wahr- scheinlich ist er ein Nachkomme der Landry, welche sich schon in früheren Jahrhunderten als Schweizer Künstler berühmt ge- macht haben. Arago-Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „FRANQOIS ARAGO". Unten: „A. Bovy". Rückseite. Im Lorbeerkranz: „A ARAGO | LES AUDITEURS | DE SON COURS j D'ASTRONOMIE | 1843". Bronze, 56 mm. Dominique Frangois Ar ago, einer der hervorragend- sten Physiker und Mathematiker seiner Zeit, war am 26. Februar 1786 in Estagel bei Perpignan geboren. Im Jahre 1805 als Sekretär des Bureau des longitudes zu Paris mit der Grad- messung auf der Insel Formentera beschäftigt, wurde er bei Beginn des spanischen Aufstandes verhaftet und auf der Zita- delle von Belver bei Palma gefangen gehalten. Auf der Flucht geriet er in die Hände der Barbaresken und erhielt erst 1809 seine Freiheit wieder. Bald nachher wurde Ar ago Professor an der polytechnischen Schule zu Paris und Mitglied der Aca- demic des sciences und veröffentlichte nun in einer Reihe von Jahren die Resultate seiner wertvollen Beobachtungen, die ihm Ehrungen von Seiten vieler gelehrten Gesellschaften eintrugen. Seit 1831 Mitglied der Deputiertenkammer, gehorte er zur Op- position und erwies sich als ausgezeichneter, von den Macht- — 10 — habern gefürchteter Redner. Die Februarrevolution von 1848 rief ihn als Mitglied in die provisorische Regierung, in welcher er das Ministerin! des Innern, kurz darauf auch das des Kriegs übernahm. Als die Regierung ihre Gewalt niederlegte, ernannte ihn die Versammlung zum Mitglied der Exekutivkommission, in welcher Stellung er seinen Mut während des Juniaufstandes von 1848 auf glänzende Weise bewährte. Nach dieser Katastrophe war Arago in der Nationalversammlung als Mitglied des Kriegs- komitees tätig. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 behielt er seine Stelle als Direktor der Sternwarte, die er seit 1830 bekleidete, weil ihm die Regierung den Amtseid erließ. Arago starb am 3. Oktober 1853 zu Paris; er war 1825 in Gemeinschaft mit einer Anzahl anderer französischen For- scher und mit Alexander von Humboldt, der um diese Zeit in Paris lebte, zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden. Antoine Bovy in Genf, dessen Name auf vielen Me- daillen seiner Zeit erscheint, gehörte zu den besten Stempel- schneidern seines Landes ; er fertigte u. a. außer der auf Seite 19 beschriebenen Humboldt- Medaille auch eine Medaille mit dem Porträt Goethes. Carl Ernst von Baer-Medaille. Vorderseite. Kopf 1., Umschrift: ORSUS AB OVO HO- MINEM HOMINI OSTENDIT." Unten: /IjKMacoB'L P." Rückseite. JN MEMORIAM DIET | QUO | ABHINC QUINQUAGINTA ANNOS | DIE XXIX MENSIS AUGUSTI A; MDCCCXIV I CAROLUS ERNESTUS A BAER | AB UNI- VERSITATE DORPATENSI | MEDICINAE DOCTOR | RE- NUNCIATUS EST" Bronze, 70 mm. Auktionspreis M. 23. Karl Ernst von Baer, geb. 17/29. Februar 1792 in Esthland, gest. 29. November 1876 in Dorpat. Über sein Leben und seine Bedeutung für die Naturwissenschaft s. ausführliche Nachricht „Bericht" 1876/77, p. 6. (Mitteilung von seinem Tode von Dr. Finger iim Jahresfeste 1877) und p. 47 u. ff. (Vortrag zu seinem Andenken von Professor Lucae in der wissenschaft- lichen Sitzung am 27. Januar 1877.) - 11 — Unsere Medaille ist geprägt, als K. E. von Baer am 29. August 1864 sein fünfzigjähriges Doktor Jubiläum feierte. Er promovierte in Dorpat: als er 1828 von uns zum korre- spondierenden Mitgliede ernannt wurde, war er Professor der Zootomie in Königsberg. 1829 folgte er einem Rufe nach St. Petersburg als Mitglied der Kaiserl. Akademie, kehrte aber schon 1830 nach Königsberg zurück, um 1834 einem abermaligen Rufe nach St. Petersburg zu folgen. Sein Jubiläum feierte er in St. Petersburg als Ehrenmitglied der Akademie. Auf Aufforderung eines Komitees in Dorpat zur Erstellung einer Baer-Statue ist eine Privatsammlung unter unseren Mitgliedern veranstaltet worden. T s c li u k m a s 0 w , der Verfertiger der Medaille, war ein Medailleur von Ruf in St. Petersburg. Jubiläumsmedaille der Batavischeu Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft. Vorderseite. In einem Kranze von Lotospflanzen mit Blüten und Früchten: „ SOCIETAS • | ART • SCIENT • BAT • | IN • MEMORIAM • j I • SAEC • FEL • | CLAUSI • | (Ornament). Um- schrift: „ + + + A. D. VIII. K. MAI. + + +, unten MDCCLXXVIII -MDCCCLXXVIII." Unter dem Kranz: „CH. WIENER. BRUXELLES." Rückseite. Eine Kokospalme in einer Berglandschaft. Am Stamm hängt ein Wappenschild mit einem — durch ein Kränz- chen gesteckten Schwert auf Purpur. Umschrift oben herum das nämliche Schwert am Anfang und Ende: „TEN NUTTE VAN 'T GEMEEN^ unten herum: „BATAVIA'S GENOOT- SCHAP.« Bronze, 60 mm. Diese Medaille, die uns von der Batav. Gesellschaft f ü r K u n s t u n d Wissenschaft im Jahre 1879 verehrt worden war, ist laut Protokoll vom 2. Mai 1879 durch die Vermittlung Rüppells der hiesigen Stadtbibliothek überwiesen und uns von derselben im vergangenen Jahre zurückgegeben worden. Der ausführende Künstler, Chr. Wiener in Brüssel, gehört zu der bekannten belgischen Medailleur-Familie der W i e n e r. — 12 - Blumeiibach-Medaille. Vorderseite. Brustbild 1., Umschrift: „I. FR. BLUMEN- BACH NATO GOTHAE D. 11. MAII 1752 DOCT. CREATO GOTTINGAE D. 19. SEPT. 1775 ®." Rückseite. Drei Schädel, unten : „G. LOGS DIR. H. GUBE FEC." Umschrift: „NATURAE INTERPRET! OSSA LOQUI JUBENTI PHYSIOSOPHILI GERMANICI D. 19 SEPT. 1825®" Bronze, 50 mm. Auktionspreis M, 3.50. Silber, 50 mm. Ankaufspreis M. 22. — . Johann Friedrich Blumenbach, geb. den 11. Mai 1752 in Gotha, gest. daselbst am 22. Januar 1840, wurde am 8. Mai 1822 zum korrespondierenden Mitgliede ernannt, zugleich mit Paykull und Thunberg in Upsala (siehe diesen „Bericht" p. 26 und p. 31), als er schon fast 50 Jahre als Professor der Medizin in Göttingen doziert hatte. Noch ein weiteres Dezennium hat er seine von Zuhörern aller Nationen besuchten Vorlesungen fortgesetzt, bis ihn 1835 sein hohes Alter zurlick- zutreten nötigte. Blumenbach erhob die Zoologie in Deutsch- land zuerst zu einer wissenschaftlichen Bedeutung, indem er sie noch vor Cuvier in unmittelbare Verbindung mit der ver- gleichenden Anatomie brachte und dadurch klare Anschauungen und feste Begriffe vom Wesen und von der Verwandtschaft der Tiere vermittelte. Die Medaille entstand bei Blumen- bachs fünfzigjährigem Doktoijubiläum 1825, und die drei Schädel auf der Rückseite nehmen bezug auf seine Schriften über die Arteinheit und die Abstammung des Menschengeschlechts, welches Studium wiederum dazu geführt hatte, daß er eine wahrhaft großartige Sammlung von Menschenschädeln anlegte. Die Medaille ist gefertigt in der Berliner Medaillen-Münze von G. Loos und die Stempel sind geschnitten von Heinrich Gube, geb. in Breslau; studierte in Wien, wurde 1829 zum Mitgliede der Kunstakademie in Berlin ernannt, kam 1830 nach Petersburg als erster Medaillist der Münze daselbst und starb auch dort 1848, nachdem er viele Medaillen auf fürstliche und gelehrte Personen geschaffen. Bonelli-Münze. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „FRANCVS ANDß — BONELLI", auf dem Halsabschnitt: „L. Galeazzi f." -- 13 — Rückseite. Im Lorbeerkranz : „ZOOPHYLACIVM | TAV- RINENSE I SVA AETATE j VIX INCHOATVM | MIKE AVXIT I DOCTISSIME DIGESSIT [ SCRIPTIS j ILL VSTRAVIT '' . Bronze, 44 mm. In unsern Sitzungsprotokollen fehlt eine Angabe, wann Francesco Andrae Bonelli zum korrespondierenden Mit- gliede ernannt worden ist, aber es wird am 12. Februar 1823 bekannt gemacht, daß er sich mit Brief im November 1822, für seine Aufnahme und Zusendung des Diploms bedankt habe. Die Ernennung geschah also vermutlich am 23. Oktober 1822 mit einer bemerklichen Anzahl anderer auswärtiger Gelehrter. Überdies befindet sich in der Bibliothek unseres Mitgliedes Prof. Dr. L. von Heyden, aus dem Besitz seines Vaters, mit dem Bonelli wohl auf entomologischem Gebiet in Verkehr gestanden hat, der sehr seltene Sonderabdruck des Nekrologs, verfaßt von Prof. J. Gene, und publiziert in Mem. Acad. Torino XXXVII ; und in diesem ist die Mitgliedschaft erwähnt „alia Societä dei Naturalisti de Francoforte sul Meno." Bonelli, geb. in Cuneo (Coni), Italien, 11. Nov. 1784, gest. 18. November 1830 in Turin, im Alter von 46 Jahren als Professore di Zoologia, Condirettore del Regio Museo di Storia Naturale, war als Entomolog, Ornitholog und Koncholog in weiten Kreisen rühmlichst bekannt. Nach genanntem Nekrolog gehörte Bonelli auch „AUa Societä Wetteraviana di Edinburgo" als Mitglied an. Darunter ist ohne Zweifel die W etter a uische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde in Hanau gemeint, der älteren Schwester der Senckenbergischen Gesellschaft, welche beide zu damaliger Zeit häufig gemeinsam korrespondierende Mitglieder ernannten. Der Medailleur Galeazzi lebte in den mittleren Jahren des vorigen Jahrhunderts gleichfalls in Turin. Leopold you Buch -Medaille. Vorderseite. Kopf von vorn, Umschrift in doppelter Reihe : ^LEOPOLD V. BUCH GEB 1774 GEST. 1853 | SEIN HERZ WAR SEINES GEISTES WÜRDIG." Unten: „E.WEBER F." - 14 - Rückseite. Unter Bäumen ein Steinblock, auf welcliem die Insclirift: „DEM | ANDENKEN | AN | LEOPOLD V BUCH | GEWEIHT ! NACH DEM BESCHLUSE I AM 20 SEPT 1856 I IN DER XXXII. VERSAM D. NATURE. U. AE. I WIEN I U MITW ZAHLR FREUNDE I D NATURW. IN DEUTSCHL BELG FRK. ENGL. ITAL" Bronze 50 mm. Auktionspreis M. 8. — . Leopold von Bucli, geb. 26. April 1774 auf Schloß Stolpe in der Ukermark, gest. 4. März 1853 in Berlin, zum kor- respondierenden Mitgliede ernannt in der Sitzung vom 9. Februar 1820 als „Kammerherr" Leopold von Buch, ist somit der Zeit nach das älteste auswärtige Mitglied, zu dessen Andenken eine Medaille geprägt worden ist. Wie aus dem obigen Texte ersichtlich, wurde sie hergestellt nach dem Beschlüsse der 32. Versammlung Deutscher Naturforscher und Arzte in Wien 1856 unter Mitwirkung von Verehrern in den mitteleuropäischen Ländern. Leopold von Buch studieite gleichzeitig mit Alex- ander von Humboldt auf der Bergakademie zu Freiberg, und die Früchte seiner späteren geognostischen Untersuchungen, die mehrfach in Gemeinschaft mit seinem Mitschüler ausgeführt wurden, in Norddeutschlaud , den Alpen, Italien, Frankreich, Skandinavien, England und auf den Kanarischen Inseln, sind in zahlreichen Werken niedergelegt. Carus-Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „CARL GUST. CARUS" und unten in der Mitte einer Raudverzierung : „GEB. D. 3. lAN. 1789". Unter dem Halsabschnitt;: „F. ULBRICHT F. 1847". Rückseite. Allegorische Gruppe einer Psyche und zweier durch ihre Embleme als Tag und Nacht erkennbare Knäbchen. Bronze, 46 mm. Karl Gustav Car us, geb. 3. Januar 1789 zu Leipzig, studierte daselbst seit 1804 anfangs Chemie, dann aber Ana- tomie und habilitierte sich 1811 als Privatdozeut, kam 1815 als Professor der Entbindungskunst nach Dresden, wo er am 28. (oder am 22. nach Rüppells Angabe [1. c. p. 48]) Juli 1869 starb. Bei Erstattung des Jahresberichtes für 1870/71 durch Dr. Heinr. Schmidt wurde das Ableben des „Hof rats C. G. Carus, in — 15 — weiten Kreisen bekannt durch seine Schriften auf dem Ge- biete der Naturwissenschaften, Philosophie und Ästhetik, seit 1822 unser korrespondierendes Mitglied", kurz gemeldet. K. G. Car US wurde 1862 von der Kaiserlichen Leopoldinisch- Karolinischen Akademie der Naturforscher zum Präsidenten er- wählt. Er war mit Goethe eng befreundet; auch als Künstler hat er in der Landschaftsmalerei Ausgezeichnetes geleistet. Der Anlaß zur Prägung der Medaille findet sich ohne Zweifel in seineu „Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten" (1865—66). Dieselben sind mir aber nicht ziigängig. Über den Schöpfer dieser vorzüglichen Medaille, den Me- dailleur F. Ulbricht, hoffe ich später einiges Nähere mitzu- teilen. Ehrenberg-Medaille. Vorderseite. Kopf r., unter dem Halsabschnitt: „E. WEI- GAND BERLIN \ Rückseite. „CHRISTIANO GODOFREDO | EHRENBERG MEDICINAE i PER L ANNOS DOCTORI NATURAE IN- VESTIGATORI 1 SAGACISSIMO 1 LATENTlüM INDAGATORI I ADMIRABILI 1'' unter einer Linie: „DIE V MENS. NOV. | MDCCCLXVIIP. Bronze, 62 mm. Auktionspreis M. 17.50. Bei Erstattung des Jahresberichtes 1877/78 meldete Dr. Petersen den Tod Ehrenbergs wie folgt: „Ein besonders schmerzlicher Verlust ist derjenige von Christian Gottfried Ehrenberg, der zum erstenmale am 7. April 1837 den unserem ausgezeichneten Physiologen Samuel Thomas von Soemmerriug zu bleibenden Ehren gestifteten, bei Männern deutscher Wissenschaft hoch- angesehenen Preis erhielt und von diesem Tage an auch der Gesellschaft angehörte. Ehrenberg ist der berühmte Be- gründer der mikroskopischen Untersuchungsmethode geworden u. s. w. Er wurde 1795 zu Delitzsch geboren und bezog 1815 die Universität Leipzig. Seine in Gesellschaft der namhaftesten Gelehrten ausgeführten Reisen nach Nubien, Abessiuien und Arabien, nach dem Ural und Altai lieferten reiche Sammlungen und Entdeckungen im Bereiche der Zoologie, Botanik und Geo- — 16 — logie. Er starb am 27. Juui 1876 zu Berlin, wo er auch lebte, als ihm der Soemmerring-Preis zuerkannt wurde." Was die Geschichte dieser Zuerkennung betrifft, so ist noch zu berichten, daß die dafür am 22. Oktober 1836 gewählte, aus den Mitgliedern von Hey den, Cretzschmar, Soem- merring, Rüppell und Neeff bestehende Kommission sich am Tage der Beratung, am 11. März 1837, nicht einigen konnte und die Beschlußfassung auf den 7. April 1837 verschoben wurde, an welchem Tage Ehrenberg mit dem Preise gekrönt wurde, wie von mir „Bericht 1897" „Zur Geschichte der von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft gestifteten Me- daillen" mitgeteilt worden ist. Rüppell berichtet über den Hergang (I. c. p. 50) ausführlicher, wie er am Tage der ersten Beratung sich der Wahl eines anderen Gelehrten aufs entschie- denste widersetzt habe und dann der Beschluß erst nach seiner Ansicht wie beschrieben erfolgte, obgleich er mit Ehren b erg vorher eiuen polemischen Streit gehabt habe. Wie aus dem Texte der Medaille hervorgeht und Rüp- pell (1. c.) mitteilt, ist sie auf Anregung zahlreicher Freunde und Verehrer auf gemeinschaftliche Kosten angefertigt und dem berühmten Gelehrten bei der Feier seines 50jährigen Doktor- jubiläums überreicht worden. Der Künstler, welcher die Medaille schuf, E. Weigand, ist 1837 in Berlin geboren, wo er auch seine Kunststudien machte. Nach einem längeren Aufenthalt in London, wo er bei dem berühmten Medailleur Wyon arbeitete, wurde er 1866 zweiter und 1887 erster Medailleur an der Münze in Berlin. Ehrlich-PIakette. Vorderseite. Brustbild r., unterhalb: „ZUM • 14 • M^ERZ • 1904 . DIE • SCHÜLER • u. . MITARBEITER • " Das Porträt liegt auf einer ovalen Platte, auf welcher l. : „ ■ PAUL • EHR- LICH" r.: „ ■ GEB • 14 • MÄRZ • 1854 • " Der freigebliebene Untergrund trägt ein stilisiertes Muster. Die Rückseite zeigt nur den Stempel des Künstlers: „J.KOWARZIK • FRANKFURT • | • " Bronze, 56:81 mm. Geschenk des Komitees. — 17 - Die Plakette entstand bei Gelegenheit der 50jährigen Geburtstagsfeier. Paul Ehrlich, geb. zu Strehlen in Schlesien am 14. März 1854, war nach absolvierten Studien in Breslau und Straßburg von 1878 bis 1885 als Assistent von Frerichs in Berlin tätig. 1889 Privatdozent, wurde er 1890 Assistent von Robert Koch an dem neu gegründeten Institut für Infektionskrankheiten. 1896 übernahm er die Leitung des Institutes für Serumforschung und Serumprüfiing in Steglitz bei Berlin und siedelte nach Ver- legung dieser Anstalt nach Frankfurt am Main 1899 hierher über. 1887 wurde Ehrlich unter die Zahl unserer korrespon- dierenden Mitglieder aufgenommen und mit seiner Übersiedelung trat er in die Reihe unserer arbeitenden Mitglieder über. Emil Fischer-Plakette. Vorderseite. Kopf r., darunter auf erhöhtem Rande: „EMIL FISCHER •" unter dem Halsabschnitt das Monogramm des Künst- lers AH (= Adolf Hildebrand). Rückseite. DEM | MEISTER \ ZVR FEIER SEINES DOCTOR I JVBIL.EVMS [ AM XIV JVLI. MD | CCCIC GEWID MET VON DEN | DANKBAREN \ SCHVELERN. Der Rand ist erhöht. Silber, 76,55 mm. Geschenk von Herrn Geh. Reg. -Rat Prof. A. Laubenheimer in Höchst a. M. Hermann Emil Fischer, geb. 9. Oktober 1852 zu Eus- kirchen, trat mit 17 Jahren in ein kaufmännisches Geschäft, wandte sich aber im Frühjahr 1871 dem Studium der Chemie zu und wurde Juli 1874 von der Straßburger Fakultät zum Dr. pliil. promoviert. Anfangs Unterrichtsassistent im Straß- burger Laboratorium, folgte er 1875 seinem Lehrer Bayer nach München, habilitierte sich daselbst 1878 als Privatdozeut und wurde 1879 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1882 folgte er einem Rufe nach Erlangen, 1885 nach Würzburg, 1892 nach Berlin. An dem ihm damals versprochenen, aber erst später errichteten, endlich 1900 feierlich eingerichteten, neuen Ersten Chemischen Institut liegt er seinen erfolgreichen Untersuchungen ob. Er ist vieler gelehrten Gesellschaften des _- 18 — In- und Auslandes Mitglied. (Aus D. F. Heynemann, Die Emil -Fischer -Plakette, in Frankfurter Münz-Zeitung, 1902, p. 219.) Wie 1901 bei der Preisverteilung der Akademie der Wissen- schaften zu Paris die Lavoisier-Medaille für Verdienste um die Chemie dem Berliner Professor Emil Fischer für seine Ar- beiten und besonders für seine Untersuchungen über die Syn- these der Zucker zuerkannt wurde, so ist er dafür bereits 1891 von unserer Gesellschaft am 10. März mit der Tiedemann- Medaille gekrönt worden. Unsere Plakette ist im August 1899 bei der Feier des 25jälirigen Doktorjubiläums von seinen Schülern und Freunden bei einem Bankett im Kaiserhof zu Berlin überreicht worden. Schöpfer derselben ist der rühmlichst bekannte Münchner Bild- hauer Adolf Hildebrand, und in meiner vorgenannten Ar- beit kann näheres über die Art der Herstellung nachgelesen werden. Kaiserin Friedrich-Medaille. Vorderseite. Brustbild l, Umschrift: „VICTORIA : — : Imp^-.Reg^" unten: „UHLMANN AD VIV. C.SCHULTZ FEC." Rückseite. Die Wappen von Deutschland und England unter der deutschen Kaiserkrone. Unten : „G. LOOS D. BERLIN." Silber, 56 mm. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Friedrich, Victoria, geb. Princess Royal von Großbritannien und Irland, Herzogin zu Sachsen, geb. 21. November 1840, hat vom 26. Ok- tober 1896 bis zu ihrem am 5. August 1901 erfolgten Tode der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft als beitragen- des Mitglied angehört und wiederholt (am 30. Mai 1897 und am 28. Mai 1899) unserer Jahresfeier beigewohnt. Die von Ihrer Majestät am 7. Dezember 1900 zur Bereiche- rung unserer Sammlung gesckenkte wertvolle Porträt-Medaille ist vom Medailleur Otto Schultz, früher bei G. Loos, jetzt seit 1889 Zweiter Medailleur der Königlichen Münze zu Berlin, verfertigt. Der Bildhauer W. Uhlmann, der das Modell zu dieser Medaille, sowie auch zu einer anderen mit dem Porträt der verewigten Kaiserin Friedrich schuf, ist seit 28. März 1899 auch nicht mehr unter den Lebenden. Beide Modelle be- — 19 — finden sich im Besitz Ihrer Königl. Hoheit der Frau Land- gräfin von Hessen. Gioeni- Medaille. Vorderseite. Kopf l, Umschrift: „JOSEPH JOENIUS CATINENSIS 1875," unter dem Halsabschnitt: „G. A. Cat." Rückseite. Im Lorbeerkranz unter einer auf einem griechi- schen S sitzenden Eule: „SODA LIT AS JOENIA | IN L12 SUI FESTO." Bronze, 35 mm. Als die Academia Gioenia di seien ze naturali, im Catania, mit welcher wir im Schriftenaustausch stehen, 1875 ihr fünfzigjähriges Jubiläum feierte, ist ihr ein Glückwunsch abgestattet worden. Im Februar 1877 sandte sie uns das zu dieser Feier hergestellte Gedenkblatt nebst der beschriebenen Medaille, welche ßüppell zur Weitergabe an die städtische Sammlung eingehändigt wurde. Im vorigen Jahre ist uns diese Medaille von der Stadtbibliothek wieder übergeben worden. G. A. Cat. (Catenacci) ist der italienische Medailleur, welcher noch eine andere Joenius-Medaille von 41 mm, mit der Ansicht des Vesuvs auf der Rückseite, zur Ehrung der Vulkan- forschung des Gefeierten, verfertigte, die wir nicht besitzen. Zwei Humboldt - Medaillen. I.Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „ALEXANDER — AB HUMBOLDT.^' Am Halsabschnitt: „BRANDT. F." Rückseite. Große allegorische Darstellung. Über einem Teile des Tierkreises vom Schützen bis zum Stier erscheint Phöbos im Viergespann; unterhalb vor einem Abschnitt der Weltkugel lagert ein Gott des Wassers und eine Göttin des Landes mit ihren Emblemen. Umschrift: „ILLVSTRANS TOTVM RADIIS SPLENDENTIBUS ORBEM" und unter dem Abschnitt: „BEROLINI , MDCCCXXVIII", auf der Leiste: „BRANDT F." Bronze, 63 mm. 2. Vorderseite. Kopf 1. , Umschrift in doppelter Zeile : „ALEXANDRE DE HUMBOLDT, NE A BERLIN LE 14^ SEPT? 1769 — TRENTE JOURS APRES NAPOLEON H^ 2* — 20 — MORT A BERLIN LE 6 MAI 1859. | SURNOMME — L'ARISTOTE MODERNE", unter dem Halsabsclmitt: „A.BOVY" Rückseite. In einem aus einer Schlange gebildeten Kreise: Eine zusammenfassende Geschichte seines Lebens und seiner Arbeiten, eingeteilt in fünf Perioden, 1790—1797, 1797-1804, 1805—1827, 1827-1845, 1845-1858 in 27 Zeilen, einschließlich der Angabe, daß Napoleon III. laut Dekret vom 10. Mai 1859 die Aufstellung der Statue Humboldts im Museum zu Versailles beschlossen habe. Umschrift: „DOYEN DES ASSOCIES DE L'INSTITUT DE FRANCE • LE PLUS GRAND SAVANT DU SIEGLE • CREATEUR DE LA PHYSIQUE GENERALE DU GLOBE", am Ende ein aufgeschlagenes Buch. Bronze, 75 mm. Erster Auktionspreis M. 20, Zweiter Auktionspreis M. 24. Friedrich Heinrich Alexander von Humboldt, geb. 14. September 1769 in Berlin, gest. 6. Mai 1859 daselbst, ist in der Sitzung vom 14. Dezember 1825 zum korrespondieren- den Mitgliede erwählt worden. Es darf unterbleiben, an dieser Stelle auf die Bedeutung Alexander von Humboldts näher einzugehen ; im „ Bericht " für 1900 p. 102 habe ich bereits erwähnt, in welcher Beziehung unser ehemaliges korrespondierendes Mitglied Justus von L i e b i g zu ihm gestanden hat ; hier mag daran erinnert werden, daß er u. a. auch mit unserem ehemaligen wirklichen und ar- beitenden Mitgliede, dem hervorragenden Gelehrten Hermann von Meyer, in lebhaftem Verkehre war. Hermann von Me 3' er unterstützte Humboldt — so ist in dem Nekrologe in unserm Berichte zu lesen — im September 1826 einen ganzen Tag lang während dessen Beobachtungen über die Inklination der Magnetnadel auf dem Gallusf elde ; gegenseitige längere Besuche erfolgten 1827 in Berlin, dann 1836 und wieder 1841 hier in Frankfurt, woraus sich ergibt, daß nähere freundschaftliche Bande den Forscher mit unserer Gesellschaft verknüpften. Der Verfertiger der ersten Medaille, Henri Frangoi^s Brandt, geb. 1789 in La Chaux-de-Fonds, gest. 1845 in Berlin als königl. Münz- und Hofmedailleur, war wohl der bedeutendste Künstler seines Faches der damaligen Zeit. Auch die weiter unten zu beschreibende V/iebel- Medaille gibt außer mehreren Goethe-Medaillen Zeugnis von seiner hohen Kunstfertigkeit. — 21 — Des Medailleurs der zweiten Medaille, A. BOVY, ist oben bei der Arago-Medaille gedacht. Kielmeyer - Medaille. Vorderseite. Brustbild ]., Umschrift: „CAROL. FRIED. KIELMEYER — NAT. BEBENHUSAE 22 OCT. 1765" unter dem Armabschnitt: „LOOS D. HELD F." Rückseite: In reichem Blatt- und Blumenkranz: „11 | FEBRUAR. 1793" Umschrift: „GERMANIAE PHYSICORUM PIETAS — M. SI:PTEMBER. 1884." Karl Friedrich Kielraeyer, Professor der „Hohen Karlsschule" in Stuttgart, wo u. a. Cuvier zu seinen dank- baren Schülern gehörte, hat als Begründer der vergleichend- anatomischen und physiologischen Richtung der Zoologie seinen Namen weithin berühmt gemacht. Von 1791 — 1796 verwaltete er den „regnum animale" benannten Teil des Naturalienkabinets, kam dann, erst als Professor der Chemie, dann der Botanik, der Pharmazie und der Materia medica nacli Tübingen und kehrte 1817, nachdem durch Königl. Verordnung eine „Direktion der wissenschaftlichen Sammlungen" eingesetzt war, als erster Direktor derselben unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsrat wieder nach Stuttgart zurück. Nicht lange nachher, am 10. Oktober 1821, ist Staatsrat von Kielmeyer zu unserm korrespondierenden Mitgliede er- wählt worden, und als 1822 König Wilhelm von Württemberg zur Erforschung des Landes einen „Verein für Vaterlandskunde" gründete, gehörte er gleich zu Anfang zu den ordentlichen Mit- gliedern, neben seinen Ämtern als Direktor der Bibliothek und Vorstand des Botanischen Gartens und der Pflanzensammlung. Er war geboren zu Bebenhausen am 22. Oktober 1765 und starb am 24. September 1844. Der Medailleur August Ludwig Held, geb. 1805, gest. 1839, also nur 34 Jahre alt, arbeitete in der Berliner Medaillen- Münze von G. Loos, wo C. Pfeuffer, der Verfertiger unserer Soemmerring-Preis-Medaille, sein Nachfolger wurde. Carl Ludwig von Littrow-Medaille. Vorderseite, Brustbild von vorn nach links, Umschrift: „CAROLO ■ DE • LITTROW ■ VIRO ■ HVMANITATE • IN- — 22 - GENIO ■ DOCTRINA • INSIGNI =*t" Auf dem Brustabsclinitt: „A. SCHARFF." Rückseite. Ein monumentales Gebäude, die Sternwarte von Wien, unterhalb: „ HARVM • AEDIVM • AVCTORI MDCCCLXXVIII." Bronze, 64 mm. Karl Ludwig von Litt row, geb. 18. Juli 1811 zu Kasan in Rußland, wohin sein Vater, Joseph Johann von Littrow, 1810 einem Ruf als Professor der Astronomie gefolgt war und wo derselbe die Sternwarte gegründet hatte, ist zugleich mit seinem Vater 1836, als beide der Sternwarte in Wien vor- standen, zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden. Der Vater war 1819 als Direktor an die Wiener Sternwarte gekommen, und der Sohn, seit 1831 sein Assistent, ist dann dem 1840 verstorbenen Vater im Jahre 1842 als Direktor nach- gefolgt. Wie der Vater, so machte sich auch der Sohn durch astronomische Beobachtungen in hohem Maße verdient, worüber näheres Dr. Petersen beim Jahresfeste 1878 mitgeteilt hat. Im nämlichen Jahre ihrer Ernennung zu unseren Mitgliedern ist der Vater in den österreichischen Adelsstand erhoben und zum Andenken an den 1877 am 16, November in Venedig ver- storbenen Sohn ist 1878 die beschriebene Medaille geprägt worden, deren Schöpfer, A. Scharf f in Wien, wir bereits als den be- rühmtesten deutschen Medailleur und als den Verfertiger unserer Goethe-Medaille und der Rüppell- Medaille von 1894 (Bericht 1900) kennen gelernt haben und der nun auch am 6. Juli 1903 durch seinen Tod für immer der Kunst verloren ist. Am 7. März 1879 wurde die Erwerbung der Medaille mittelst freiwilliger Beiträge beschlossen und dieselbe am 2. Mai durch die Vermittlung Rüppells der städtischen Sammlung einverleibt. Im vergangenen Jahre ist uns auch diese Medaille zurückgegeben worden. Martius- Medaille. Vorderseite. Kopf 1., Umschrift: „CAR. FR. PH. — MARTIVS.« Unter dem Halsabschnitt: „A. STANGER F." Rückseite: ,, VIRO | IN BOTANICA PRINCIPI | STVDIO FIDE CONSILIO SIBI PROBATISSIMO ACADEMIA R. — 23 — BOICA ! D. LVB. MERITO | TERTIO KALEND. APRIL. | MDCCCLXim-" Im Rand oben : „CANDIDE ET FORTITER.« Unten: „RERVM COGNOSCERE CAVSAS." Bronze, 48 mm. Auktionspreis M. 17. Karl Friedrich Philipp von Martins (1820 in den Adelsstand erhoben) war 17. April 1794 in Erlangen geboren, beteiligte sich nach Beendigung medizinischer Studien in seiner Vaterstadt an der auf Kosten der österreichischen und bayrischen Regierung veranstalteten Forschungsreise nach Brasilien (1817 bis 1820), deren Ergebnisse nach seiner Rückkehr in München namentlich zur Bearbeitung der wichtigsten Werke auf bota- nischem Gebiete führten, und sowohl die Ernennung zum Pro- fessor der Botanik (1826) als zum Direktor des botanischen Gartens (1832) zur Folge hatten. Nachdem Martins in seine Heimat zurückgekehrt war, ist er am 10. April 1822 zugleich mit Johann Baptist von Spix, mit dem er die brasilianische Reise gemacht hatte und nachher „Die Reise nach Brasilien" herausgab, zu unserem kor- respondierenden Mitgliede ernannt worden. Im Jahre 1864 trat er als Siebzigjähriger in den Ruhestand, was die Veranlassung zur Prägung der Medaille gab, und am 13. Dezember 1868 ist er in München gestorben. Der Bildhauer und Medailleur A. Stanger, ein Münchener und Schüler der Akademie daselbst, geb. 1836, studierte 1860 und 1861 in Paris, kam 1864 als königl. Müiizmedailleur nach Dresden, wo er auch die unserer Sammlung fehlende, 150 mm große Gußmedaille auf Liebig fertigte. Mehemed Ali-Metlaille. Vorderseite. Brustbild im Fes r., Umschrift: „MEHEMET ALI REGENERATEUR | DE L^EGYPTE." und arabische Schrift. Unter dem Brustabschnitt: „E. ROGAT 1840." Rückseite. Ein Schwert, auf welchem „NESIB 1839 1500" und arabische Schrift. Neben dem Schwert: „IL SAIT DEFEN- DRE AVEC NOBLESSE \ L'HONNEUR i DE SON PAYS." Auf der anderen Seite vier Zeilen arabische Schrift. Bronze, 51 mm. ~ 24 - Mehemed Ali war 1769 zu Kavala in Mazedonien ge- boren und starb am 2. August 1849. Die Aufschrift „Nesib 1839" auf dem auf der Rückseite der Medaille dargestellten Schwert bezieht sich auf die ruhmreiche Schlacht bei Nisibis am 24. Juni 1839, in welcher das türkische Laudheer von Mehemed Ali vollständig geschlagen wurde und die ganze türkische Flotte zu ihm überging. In der Sitzung vom 12. September 182 L wurden gleich- zeitig 17 korrespondierende und 8 auswärtige Ehrenmitglieder ernannt; unter letzteren stand in erster Reihe: „Se. Hoheit Mehemet Ali, Pascha von Egypten". Darauf wurde in der folgenden Sitzung, am 10. Oktober 1821, „ein von Herrn Pfarrer Kirchner gütigst abgefaßtes Schreiben an den Pascha von Egypten verlesen, welches das heute vorgewiesene eigens auf Pergament ausgefertigte Diplom desselben begleiten sollte, und die Direktion durch Stimmenmehrheit ermächtigt, falls sie es für zweckmäßig fände, dieses Schreiben abgehen zu lassen". Daß das Diplom wohl mit dem Schreiben abzusenden beschlossen wurde, geht aus dem Protokoll vom 12. Dezember 1821 hervor, nämlich „auf die Anzeige des Herrn Dr. Neuburg, daß der Schreiber Müller wegen nicht sogleich erfolgter Bezahlung seiner Forderung für das von ihm verfertigte Diplom des Pascha von Egypten, zwei sehr grobe Schreiben an die Direktion erlassen habe, wurde beschlossen, von diesem Müller nie mehr etwas für die Gesellschaft arbeiten zu lassen". Es steht zu vermuten, daß die Ernennung des Vizekönigs von Egypten, Mehemed Ali, auf Veranlassung Rüppells erfolgt ist. Die vorzüglichen Erzeugnisse des Pariser Künstlers Emile Rogat, Bildhauer und Medailleur, sind in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts öfters daselbst aus- gestellt gewesen. Mylius- Medaille von 1854. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „ENRICO - MYLIUS." Unten: „VITTORIO NESTI F." Rückseite. „SOLERTE PIO MUNIFICO ' PROFUSE SAPIENTEMENTE j LE ACQUISTATE RICHEZZE \ A PRO — 25 - DELLE SCIENZE DELLE ARTI \ E DEL COMMERCIO. | N. A. FRANCOF. S. M. NEL MDCCLXIX ] M. A. MILANO NEL MDCCCLIV." Bronze, 53 mm. Angekauft. Es ist dies die im „Bericht" 1900 p. 106 als uns noch fehlend erwähnte Mylius-Medaille, die auf den am 21. April 1854 erfolgten Tod unseres hochherzigen Gönners geprägt wor- den ist. Oken- Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift oben herum: „LAVREN- TIVS OKEN ORTENAVIENSLS", unten: „NAT. D. IL M. AUG. MDCCLXXIX" Unter dem Halsabschnitt: „LOOSD. KOENIGF." Rückseite. Allegorische Darstellung: Drei ägyptische Gott- heiten nebst vielen Attributen sitzen teils auf Thronen, teils auf einer Lotusblume (Nymphaea lotus) in einem Kahn mit zwei Ruderu. Umschrift oben: „ORDINES CORPORVM ORGANIS AEQVAVIT« und unten: „SCRVTATORES NATVRAE CON- SOCIAVIT" Bronze, 41 mm. Lorenz Oken, geb. 1. August 1779 zu Bohlsbach bei Offenburg in Baden, ist 1821 am 12. Dezember unter die kor- respondierenden Mitglieder aufgenommen worden, als er als Privatgelehrter und Herausgeber der „Isis" (seit 1817) in Jena lebte. Durch die Richtung seines Blattes scheint er politisch verdächtigt worden zu sein, so daß er 1819 seine Professur aufzugeben genötigt wurde, die ihn 1807 nach Jena gerufen hatte. Er las anfangs als außerordentlicher, seit 1812 als ordent- licher Professor mit großem Beifall über verschiedene Fächer, namentlich aber über Naturphilosophie, und lenkte durch die dabei entwickelten Anschauungen die Forschungen in die neuen vorteilhaften Bahnen. Als Privatdozent habilitierte er sich 1827 in München, wurde da 1828 ordentlicher Professor, folgte aber 1832 einem Rufe als Professor der Naturgeschichte an die eben gegründete Universität in Zürich, wo er am 11. August 1851 verstarb. Durch seine zahlreichen naturgeschichtlichen und naturphi- losophischen Werke hat er sich in den Kreisen der Fachgelehrten — 26 — ebenso allgemein bekannt gemacht, als auch dadurch, daß er durch seine „Isis" die Naturforscherversammlungen ins Leben rief, deren erste 1822 in Leipzig stattfand. In Okens ,,Isis" und in ,,Leonhards Jahrbüchern" er- schienen die ersten wissenschaftlichen Mitteilungen aus unserer Gesellschaft, bis am 9. Juli 1823 die Herausgabe eines eigenen Organes „Museum Senckenbergianum" beschlossen wurde. Der Verfertiger der Medaille, Ant. Fr. König, lebte als Kgl. sächsischer Hofmedailleur in Dresden. Paykull- Medaille. Vorderseite. Kopf 1., Umschrift oben herum: „GUST. A PAYKULL LB- MARESCH • AUL • ET EQ AUR • 0 DE ST • P-" Unten: „NAT- 1757 DEN- 1826" Auf dem Halsabschnitt: „M. F." Rückseite. Ein halb unter der Randumschrift verschwun- dener Bienenkorb, nach welchem eine Biene fliegt. Oben herum : „OPERIQUE FAVENS IN SPEMQUE LABORANS" Auf dem Ausschnitte unten: „SOCIO j ACAD. REG. SC. HOLM. | MDCCCXXIX." Bronze, 31 mm. Gustav von Paykull ist zugleich mit Ritter Thun- berg in Upsala als ,,Kgl. Schwedischer Kanzleirat" in Willoxäby bei Upsala am 8. Mai 1822 zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden. Er war ein hervorragender Entomologe und schrieb: „Fauna suecica: Insecta", Upsala 1798 — 1800, 3 Bde. Das Monogramm ,,M. F." bedeutet C. M. Frumerie, dessen weiter unten bei der Thunberg-Medaille Erwähnung ge- schieht. Pfaff-Medaille. Vordeiseite. Kopf 1., Umschrift: „® C. H. PFAFF DOCT. D. MEDICIN AM 5. OCTOB. 1793 ®" Unten herum: „ZUM 5.0CTOB.1843." Am Halsabschnitt: „LOOS D. ] H.LORENZ F." Rückseite. In seinem reich ausgestatteten Laboratorium sitzt ein in altdeutscher Tracht gekleideter Chemiker, der mit einem Buche auf seinem Schoß den Inhalt eines Fläschchens prüft, das er mit der lechten Hand emporhält. Über ihm sieht — 27 — man eine Hängelampe und die Inschrift: „LUMEN SPARGENDO CONSUMOR." Unter dieser Darstellung auf einem Bande ein Wappen, daneben „H. L." Auf dem äußeren Rand iu erhabener Schrift: „DANKBARE SCHUELER IHREM VEREHRTEN LEHRER * " Bronze, 48 mm. Auktionspreis M. 7.50. Christian Heinrich Pfaff, geb. 2. März 1772 zu Stuttgart, war ein ausgezeichneter Physiker und Chemiker, stu- dierte in Göttingen, wo er am 5. Oktober 1793 die Doktorwürde erlangte, reiste dann bis 1797, in welchem Jahre er als Pro- fessor der- Naturwissenschaften nach Kiel berufen wurde. Seine Schüler veranlaßten die Prägung der Medaille bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Doktorjubiläums am 5. Oktober 1843. Er verstarb in Kiel am 24. April 1852. Zum korre- spondierenden Mitgliede war er am 22. August 1827 ernannt worden. Das Monogramm „H. L." steht für Heinrich Lorenz, geb. 1810 in Berlin, gest. in Hamburg; er machte Studien in Wien, später in Italien, fand 1848 Anstellung in Altona, dann 1859 bis 1861 als Obermedailleur in St. Petersburg, und zog sich nachher nach Hamburg zurück. Reiiiwardt - Medaille. Vorderseite. Brustbild mit angeheftetem Orden 1., oben herum: „RESPONDENT VLTIMA PRIMIS". Unten herum: „ACT. LXXVIII.« Unter dem Armabschnitt: „V. D. K.« Rückseite. „Eine Rosette, ; C. G. C. REINWARDTIO | NATVRAE INVESTIGATORI j ET. INTERPRETI PER, L. ANNOS. PROFESSORI AMICI. ET. DISCIPVLI D. X. IVNII j MDCCCLI . Zwei zusammengebundene Palmzweige." Bronze, 52 mm. Rüppell, Beitrag I, p. 59, klagt, daß über Kaspar Georg Karl Reinwar dt in den ihm zugänglichen deutschen und französischen Hilfsbüchern nirgends eine biographische Notiz gefunden werde; beinahe iu keinem einzigen werde dieses aus- gezeichneten Gelehrten, der über 20 Jahre wissenschaftliche Reisen und Forschungen in Java gemacht, erwähnt. Noch jetzt sind die Nachrichten über ihn dürftig. Wir wissen aber — wie — 28 — auch Rüppell angibt — daß er am 3. Jimi 1773 in Lüttring- hausen in der Nähe von Lenuep geboren und am 6. März 1854 gestorben ist. Im Jahre 1811 wurde er Professor in Leiden, Holland; später machte er die erwähnten Forschungsreisen, wahrscheinlich von 1815 bis 1822, also, wenn dies richtig ist, nicht „über 20 Jahre", wurde 1823 am 8. Oktober zu unserem Mitgliede erwählt, und am 10. Juni 1851 feierte er sein fünfzig- jähriges Jubiläum, aus welchem Anlaß seine Freunde und Schüler die Medaille prägen ließen. Der Verfertiger der Medaille ist der oben von Rüppell erwähnte Stempelschneider des Utrechter Münzamtes^ van der Kellen, unter der Regierung des Königs Wilhelm I., dessen An- denken er durch Medaillen zu sichern besonders bemüht war. A. A. Retzius- Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „ A. A. RETZIUS PROF. ET INSP. R. INST. MED. CHIR. CAROL. HOLM." Unten: „N. 1796. 0. 1860." Auf dem Halsabschnitt: „L. A." Rückseite. Zwei Menschenschädel von abweichender Bil- dung nebst einem Bogen -Dickzirkel auf einem Tisch, von welchem die Decke zuiückgeschoben ist. Oben herum: „NEC SINIT ESSE MUTA". Unterhalb des Abschnittes: ,, SOCIO ANATOM, i ET ETHNOGR. CELEBERR. , R. ACAD. SCIENT. SVEC. i MDCCCLXVII.« Bronze, 31 mm. Der schwedische Professor der Anatomie und Physiologie, Leibarzt Anders Adolf Retzius, war am 3. Oktober 1796 in Lund geboren, studierte Medizin und ward 1823 Professor in Stockholm, wo er ein anatomisches Museum gründete. In der Sitzung vom 14. September 1831 wurden er und seine Brüder zu korrespondierenden Mitgliedern erwählt, und zwar infolge ihies Anerbietens, mit unserer Gesellschaft in Tausch- verbindung mit Skeletten zu treten. Er starb am 18. April 1860 in Stockholm, wo die Akademie der Wissenschaften 1867 sein Andenken durch Prägung der Medaille ehrte. Beschäftigte sich Retzius ursprünglich nur mit seinen Fachschriften, so wendete er sich später mehr der Ethnographie zu, wobei ihn seine Ein- teilung des Menschengeschlechts nach der Form des Schädels — 29 — in Dolichocephale und Brachicephale besonders berühmt ge- macht hat. Über die Verfertigerin der Medaille, „L. A." (Lea Ähl- boru), ist oben bei den Agardh-Medaillen einiges mitgeteilt. Ritler -Medaille. Vorderseite. Kopf r., am Halsabschuitt : „F. ABERLI F." Rückseite. „CAROLO RITTERO ; GEOGRAPHO NATO D. VII AUG. I A? MDCCLXXIX [ PIO GRATOQUE j ANIMO | D." Bronze, 43 mm. Angekauft. Karl Ritter, welcher 1798 im Hause des damaligen hiesigen Bankiers Bethmann-Hollweg als Hauslehrer an- gestellt war und in dieser Stellung Reisen ins Ausland aus- führte, hielt sich 1814 — 1819 zwecks Bibliotheksstudien in Göt- tingen auf und kam dann wiederum nach Frankfurt als Pro- fessor der Geschichte am Gymnasium. Doch blieb er nur kurze Zeit hier. Schon am 13. Juli 1820 wurde er als ,, Professor in Berlin" zum korrespondierenden Mitgliede voigeschlagen , am 11. Oktober 1820 ernannt, wofür er April 1822 unter Bei- fügung des ersten Teiles der zweiten Auflage seiner ,, Erdkunde", Berlin 1822, dankte. Er war am 7. August 1779 in Quedlinburg geboren, wo ihm, dem größten Geographen der Neuzeit, 1864 ein Denkmal gesetzt wurde, und starb am 28. September 1859 in Berlin. Gewiß war Ritter durch seineu mehrfachen Aufenthalt in un- serer Stadt iu den Gelehrteukreisen rühmlichst bekannt ge- worden, eins seiner Werke: ,, Europa, ein geographisch- histo- risch-statistisches Gemälde", erschien dahier 1804 — 1807, und sein drohender Verlust durch die Berufung nach Berlin führte zu der ehrenden Anerkennung als Mitglied unserer Gesellschaft. Mit Ritter, als dem Schöpfer der allgemeinen vergleichen- den Erdkunde, beginnt eine neue Epoche in der Geschichte der geographischen Wissenschaften, die erst durch ihn die Weihe einer strengereu, höheren Methode erhielten. Der Medailleur Friedrich Aberli war ein Schweizer, von dem die Ritter-Medaille als eine seiner besten Arbeiten erwähnt wird. — 30 — Rüppell- Medaille von 1894. (Nachtrag zu meiuer Beschreibung „Bericht" 1900 p. 109.) In der Mitgliederversammlung des Vereins für Geographie und Statistik vom 21. Oktober 1903 wurde eine Abänderung des Statuts der Eduard-Rüppell-Medaille dahin genehmigt, daß künftig alle zehn Jahre außer einer goldenen auch zwei silberne Medaillen an verdiente Forscher oder Reisende verliehen werden sollen (,, Frankfurter Zeitung" vom 22. Oktober Nr. 293. 3). Sonnemann - Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift: „LEOPOLD — SONNE- MANN". Am Halsabschnitt: „KOWARZIK". Rückseite. Eine weibliche Figur mit Strahlenkranz um das Haupt und mit mächtigen Flügeln kniet auf der Erdkugel, nörd- liche Hemisphäre, und läßt ihrer rechten Hand ein Blatt ent- fallen, über einer neben ihr sitzenden männlichen E^igur mit Blättern auf dem Knie und einem Stift in der rechten Hand. Rechts von dieser Figur: „TENE" links: „MENSURAM." Bronze, 50 mm. Geschenk unseres hochverdienten Mitgliedes (seit 1873). Caspar Graf Sternberg -Medaille. Vorderseite. Kopf r., oben herum: „CASPARVS COMES STERNBERG", unten herum: „NAT. PRAGAE VI JAN. MDCCLXI." Unter dem Halsabschnitt: „LOOS D. — KÖNIG F." Rückseite. In reichem Blumenkranz: ,,NATVRAE ET FLORAE VTRIVSQVE SCRVTATOR INDEFESSVS" Bronze, 41 mm. Caspar Maria Graf von Sternberg, geb. 6. Januar 1761 in Prag, ist am 13. März 1822, als in Brzezina bei Pilsen wohnend, zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden. Ich finde den Ort nicht auf der Landkarte, es gibt mehrere sehr ähnlich lautende Orte in Bölimen. Anfänglich für den geistlichen Stand bestimmt, widmete sich Graf Sternberg später dem Studium der Kunst und der Naturwissenschaften und wurde einer der tüchtigsten Naturforscher seiner Zeit, der sich beson- ders um die Botanik und Geognosie, namentlich der vorwelt- licheu Pflanzen, verdient gemacht hat. Seine Bibliothek und — 31 — SammluDg übergab er dem Böhmischen National -Museum in Prag, gegründet 1818, zu dessen Präsidenten er gewählt wor- den war. Als seinen Todestag gibt Rüppell (Beitrag I p. 45) den 20. Dezember 1838 an. In deutscheu biographischen Registern ist wenig über ihn zu finden, vielleicht ist über seinen Lebens- lauf näheres aus dem ,, Briefwechsel zwischen Goethe und Stern- berg" (Wien 1866, p. 58) zu ersehen (mir nicht zugäugig), den Rüppell 1. c. erwähnt. (Vergl. Palacky, ,, Leben des Grafen Kaspar Sternberg", Prag 1868.) Über den Medailleur König s. o. Oken-Medaille. ThuDberg- Medaille. Vorderseite. Kopf r., oben herum: „C. P. THUNBERG MED. ET BOT. PROF. UPS. R. 0. W. C." unten herum: „NAT. 1743 DENAT. 1828" Am Halsabschnitt: „M. F." Rückseite. Eine bekränzte vorwärts schreitende weibliche Figur in antikem Gewand, eine Blume in der rechten Hand. Oben herum: ,,SUIS LATE REGINA TRUMPHIS" und unter dem Abschnitt: „SOCIO SUO MERITISS. ] R. ACAD. SCIENT. I SVEC." Bronze, 31 mm. Karl Peter Ritter Thunberg, Professor der Botanik in Upsala, aufgenommen unter die korrespondierenden Mitglieder zugleich mit Blumenbach und Paykull (s. o.) am 8. Mai 1822, war am 11. November 1743 in Jönköping in Schweden geboren und ist am 28. August 1828 in Tunaberg bei Upsala gestorben. Unter der Leitung Liunes widmete er sich mit besonde- rem Glück dem Studium der Naturkunde, verweilte von 1772 bis 1 775 im Dienste der Holländisch-Ostiudischen Kompagnie in Südafrika und begleitete 1775 eine Gesandtschaft nach Batavia und Japan. Nach Rückkunft in seine Heimat 1778 schenkte er die mitgebrachten naturwissenschaftlichen Sammlungen der Uni- versität in Upsala, die ihn zum außerordentlichen Professor und 1784 nach dem Tode von Linnes Sohn zum ordentlichen Professor der Botanik ernannte. C. M. Frumerie, der schwedische Medailleur, arbeitete für den schwedischen Hof in Stockholm, besonders Medaillen — 32 — mit deu Porträten der köuiglichen Familie und beriihmter Per- sonen. Muzio Ritter von Tommasiui- Medaille. Vorderseite. Brustbild!., oben herum: „MUZIO CAV. DE TOMMASINP', unter dem Brustabschnitt : „C. RADNITZKP* Rückseite. „AL BENEMERITO , SUO PRESIDENTE , NEL DI 8 GIUGNO 1874 ; OTTANTESIMO ANNO DI SUA ETA I LA SOCIETA i AGRARIA \ TRIESTINA | D." Goldbronze^ 50 mm. Diese Medaille wurde unserer Gesellschaft am 3. Oktober 1874 von Muzio Ritter von Tommasini zum Geschenk ge- macht, und auf Rüppells Vorschlag ist beschlossen worden, dieselbe der Stadtbibliothek zu übergeben, von welcher wir sie im vergangenen Jahre zurückerhalten haben. Tommasini war Präsident der Agrarischen Gesellschaft in Triest, welche zur Feier seines 80. Geburtstages am 8. Juni 1874 die Medaille schlagen ließ. Aufgenommen wurde Tommasini am 6. Juni 1874, wie es im Protokoll heißt: gelegentlich dessen fünfzigjährigen Jubiläums ; welches Jubiläum er aber feierte, ist nicht bemerkt. Er war Botaniker, geb. 1794 und ist gestorben am 31. Dezember 1879. (Siehe Rüppell, Beitrag I, p. 18.) Karl Radnitzki d. J., Sohn des ebenfalls bekannten Künstlers, K. R. d. Ä,, war in Wien geboren und ist dort als Professor und Hofgraveur gestorben. Drei andere Virchow- Medaillen und eine Virchow- Plakette. 1. Vorderseite. Brustbild 1., Umschrift: „A RODOLFO VIRCHOW DI BERLINO." Unter dem Brustabschnitt: „PROF. G. DUPRE DIR. L. GORI INC" Rückseite. In einem Lorbeerkranz: „DALLA | PATRIA DI MORGAGNI 1 1 MEDICI ITALIANI Linie | MDCCCLXXIIL" Bronze, 47 mm. Auktionspreis M. 25. — . 2. Vorderseite. Brustbild r. , Umschrift: „RUDOLPH VIRCHOW, zur Seite: .ETAT: LXXX." Rückseite. Der Gefeierte in halber Figur von links, wie — 33 — er an einer Leiche nach abgenommener Hirnschale das Gehirn untersucht. Unten: „ •• MDCCCXXI — MCMII - " Bronze, 60 mm. Angekauft. 3. Vorderseite. Brustbild r., Umschrift: „RUDOLPH VIRCHOW ANATOM U. ANTHROPOLOG." Rückseite. Eine Keule, um welche sich eine Schlange windet, zwischen zwei Lorbeerzweigen. Oben herum : ,, • OMNIS • CELLULA • A ■ CELLULA •" Unten herum: „GEBOREN ZU SCHIVELBEIN 13. OKTOBER 1821 | GESTORBEN ZU BERLIN 5. SEPTEMBER 1902." Unter dem linken Lorbeer- zweig steht: ,, Lauer." Bronze, 50 ram. Angekauft. 4. Plakette. Vorderseite. Brustbild r., unterhalb: „•• Geh- Med • Rath • Professor •• | -Dh Rudolf Virchow •• " Rückseite. Eine Tafel mit: „Geb. j 13. Okt. 1821 | f 5. Sept. I 1902" liegt auf Eichen- und Lorbeerzweigen. Unter- halb der Tafel hält ein Ring ein flatterndes Band, oberhalb ein fünfspitziger Stern mit Strahlen. Bronze, 60:40 mm. Augekauft. Über die Bedeutung Virchows sind ausführliche Mit- teilungen gemacht worden vom zweiten Direktor, Dr. Roediger, am Jahresfest 1903, Bericht 1903, p. 10, auf welche wir ver- weisen. Der Medailleur der Medaille Nr. 1, Luigi Gori, ein Italiener, geb. in Florenz 1848, hat außer der Medaille auf Virchow auch eine Anzahl anderer auf italienische berühmte Persönlichkeiten ausgeführt. Auf der zweiten hat sich der Medailleur nicht genannt, obgleich sie zu den künstlerisch gelungensten hochzuschätzen ist, welche in neuerer Zeit geboten worden sind. Die dritte kommt aus der Prägeautstalt von L. Chr. Lauer in Nürnberg und die Plakette aus Stuttgart. Vrolik- Medaille. Vorderseite. Brustbild von vorn, in Amtstracht und mit dem Orden auf der Brust. Umschrift oben herum: „VITAM • IMPEND ERE • VERO " ; unten herum: „NATUS • LVGDVNI • 3 - 34 — BATAYORUM XXV ■ APRILIS • MDCCLXXV. " Unter dem Blustabschnitt: „SCHOUBERG F." Rückseite. In einem aus je einem Efeu- und Eichenzweig gebundenen Kranz: „GERARDO • VROLIK • , SVMMOS IN • MEDICINA • HONORES ADEPTO I DIE • X. DECEMBRIS MDCCXCVI 1 FILII ET GENERI | DIE X. DECEMBRIS MDCCCXLVI." Silber, 56^2 mm. Auktionspreis M. 32.—. Das Ableben des am 23. Oktober 1822 zum korrespon- dierenden Mitgliede ernannten Professors der Botanik und Ge- burtshilfe in Amsterdam, Gerhard Vrolik, ist im „Bericht" 1863/64 gemeldet mit den Worten : Professor Vrolik, ständiger Sekretär der königl. Akademie, besonders berühmt durch seine trefflichen Arbeiten und prachtvollen Kupferwerke aus dem Gebiete der vergleichenden und pathologischen Anatomie. Er starb am 10. November 1859, geboren war er in Leiden 1775, am 25. April. Die Medaille trägt den Datum des 10. Dezember 1846, seines fünfzigjährigen Jubiläums. Der Medailleur Schouberg, ein Holländer, lebte im Haag. Wedekind -Medaille. Vorderseite. Kopf 1., Umschrift: „DR. GEORGIVS L. B. DE WEDEKIND NAT. D. VIII JAN. MDCCLXI'-. Am Hals- abschnitt: „GOETZE F." Rückseite. Schlangenstab des Asklepios. Umschrift: „DE ARTE MEDICA PER L ANNOS OPTIME MERITO MEDICI DARMSTADIENSES *" In zweiter Reihe : „D. XIV JVN. — MDCCCXXX" Silber, 40 mm. Auktionspreis M. 14.50. Georg Christian Gottlieb Freiherr von Wede- kind, gest. am 28. Oktober 1839 als Großherzogl. Hessischer Geh. Rat und Leibarzt, war am 8. Januar 1761 in Göttingen geboren und ist 1825 am 6. Oktober anläßlich der Naturforscher- versammlung in Frankfurt (im September 1825) zum korrespon- dierenden Mitgliede ernannt worden mit anderen 17 Gelehrten, von welchen jedoch nur noch von Lieb ig später durch Me- daillen geehrt wurde. — 35 - Wedekind kam 1787 als Leibarzt des Kurfürsten und Professor der Medizin nach Mainz, trat 1793 als Hospitalarzt in französische Dienste, zuerst in Mainz, dann in Straßburg, 1797 nahm er seine Professur in Mainz wieder auf, und zwar 1805 an der neu errichteten Medizinalschule, und wurde 1808 zum Leibarzt des Großherzogs ernannt. Er publizierte wert- volle Arbeiten über Kriegskrankenpflege, Hospitalwesen und über Impfung. Zur Feier seines fünfzigjährigen Doktorjubiläums am 14. Juni 1830 wurde unsere Medaille geprägt. Der Medailleur Gottlieb Goetze lebte 1830 bis 1840 als mit ungewöhnlichem Talente ausgerüsteter königl. Münz- medailleur bis zu seiner Erblindung in Berlin. Wiebel- Medaille. Vorderseite. Kopf r., Umschrift oben herum : ,,J0. GVIL. DE WIEBEL. EQ. MED. MILIT. SVPREMVS PRAEFECTVS." Unten herum: „MEDICI CASTRENSES BORVSS. D." Am Halsabschnitt: „BRANDT F." Rückseite. Äskulap mit Schlangenstab schreibt in einen Denkmalstein, vor welchem ein preußischer Adler, an der Seite von Kriegstrophäen, die Namen.: „HOLZENDORF I SCHMUCKER ' THEDEN I GOERKE \ WIEBEL." Umschrift: „IN MEMORIAM SOLLEMN. X LVSTR. OFF. EXACT." und unter dem Abschnitt: „D. 1. OCT. MDCCCXXXIV." Bronze, 47 mm. Am 11. Juli 1821 ist „Ritter Dr. Joh. Wilh. Wiebel, kön. Preuß. General-Stabs- und Leib-Arzt in Berlin" zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden. Über den Verfertiger der Medaille, Brandt, gab ich einige Nachricht bei der Beschreibung der Humboldt-Medaille 1. Wöhler- Medaille. Vorderseite .Kopf 1., Umschrift : „IN • MEMORIAM • NATALI- CIORVM • OCTOGESIMORVM XXXI • J VLII • A MDCCCLXXX • FAVSTE • PERCTORVM ®". Unter dem Halsabschmtt: „OP. Ed. Lürssen 1880". Rückseite. In einem Eichen- und Lorbeerkranz, unter drei fünf spitzigen Sternen: „FRIDERICO • W DEHLER 1 NATURAE • 3* — 36 — INDAGATORI | SAGACISSIMO i| DISCIPVLI AMICI • COL- LEGAE • " Goldbronzeguß, 100 mm. Ankaufspreis M. 75. — . Friedrich Wo hl er, geb. 31. Juli 1800 in Eschersheim, gest. als Geheimer Obermedizinalrat, Professor in Göttiugen 23. September 1882. Sein Vater, Poststallmeister August Wohle r, Doktor der medizinischen Fakultät in Marburg, seit Dezember 1819 ordentliches wirkliches Mitglied unserer Gesellschaft, führte sei- nen Sohn, den später so berühmten Chemiker, schon 1820 in die Mitte unserer Gesellschaft. Der junge Stud. med. hielt am 10. Mai, von Marburg kommend, einen Vortrag über eine Serie von Pflanzenabdrücken aus Braunkohle und fossiles Holz, die er zum Geschenke machte, wurde darauf zum korrespondieren- den Mitgliede vorgeschlagen und am 14. Juni ernannt. Er wohnte 1821 (September und Oktober), von Marburg kommend, und 1822 (April), von Heidelberg kommend, 1822 (September und Oktober) mehreren Sitzungen bei; sprach am 23. Oktober 1822 über die Darstellung des blausauren Nickeloxyds unter Vor- legung von Proben des neuen Präparats; am 12. Januar 1825, nachdem er die Doktorwürde erlangt hatte, über die Wirkung des essigsauren Natrons auf den Harn. Am 13. April 1825 war er schon in Berlin ; ein Bericht über die mineralogischen Samm- lungen im Museum, verfaßt vor seiner Abreise, wird verlesen; im April 1826 ist er wieder hier und schenkt schwedische Mine- ralien von der Ausbeute seiner nordischen Reise. „Als treuer Sohn seiner Vaterstadt blieb er lange Jahrzehnte im engsten Verkehr mit unserer Gesellschaft" (Bericht 1882/83 p. 5). 1827 wurde er zum Professor der Gewerbeschule in Berlin ernannt; 1831 kam er an die Gewerbeschule in Kassel, und 1836 ging er an die Universität zu Göttiugen über, wo ihm 1880 zu seinem achtzigsten Geburtstage von seinen Schülern ein großes Porträt- relief in Marmor gewidmet wurde. Was von den freiwilligen Beiträgen überschoß, ist zur Herstellung der Medaille verwendet worden, die nun auch unsere Sammlung ziert. Von den Erben sind alle Medaillen, Diplome u. s. w. nebst dem Marmorrelief der Göttinger Universität überlassen worden, wo sie zu Wo hl er s Andenken in einem eigenen Räume auf- - 37 — bewahrt sind. (Mündliche Mitteilungen des Sohnes Herrn August Wo hl er dahier.) Der Bildhauer Eduard August Lürssen, der Ver- fertiger dieses ausgezeichneten Medaillons, war 1840 in Kiel geboren und starb am 18. Februar 1891 in Berlin, in beiden Städten Zeugen seiner hohen Kunst zurücklassend, in Kiel den Monumentalbrunuen für den Prinzen Heinrich, in Berlin an der Kaiser- Wilhelm-Brücke. Nach seinen Berliner Studienjahren in 1862 bis 1865 setzte er dieselben auf Reisen im Auslande fort und wurde nach Rückkunft erst als Dozent, dann als Professor der technischen Hochschule angestellt. Seine Werke der Plastik sind zahlreich. 39 Zecken als Krankheitsüberträger. Vortrag, gehalten am 25. November 1905 von Prof. W. Dönitz. Zum Gegenstande des heutigen Vortrages habe ich die Zecken gewählt, weil ich glaube, Sie dadurch mit einem ganz neuen Arbeitsfelde bekannt macheu zu können, auf welchem die Lehre von den Infektionskrankheiten schon reiche Frucht geerntet hat. Zugleich werden Sie sich überzeugen, daß es sich durchaus nicht immer um Bakterien handelt, wenn von ansteckenden Krankheiten die Rede ist. Es wird Ihnen ja schon bekannt sein, daß das Wechself ieber, jetzt gewöhnlich Malaria genannt, durch tierische Parasiten, die im Blute leben, erzeugt wird. Heute möchte ich Sie des Näheren mit einer ganzen Reihe anderer Krankheiten bekannt machen, welche auf die Anwesenheit ganz anders gearteter, tierischer Parasiten im Blute beruhen. Sie haben mit dem Wechselfieber gemein, daß die Ansteckung nicht direkt von einem Menschen oder Tier auf andere geschieht, sondern daß dazu ein Zwischenträger nötig ist. Wie beim Wechselfieber gewisse Arten von Mücken {Äno2)heles- Arten) diese Rolle übernehmen, so sind es bei den heute zu besprechenden Krankheiten die Zecken, Sie werden wohl alle die im mittleren und nördlichen Europa weitverbreitete Zecke Ixodes ricinus kennen, welche hauptsächlich am Rinde und dem großen Wilde gefunden wird, oft auch den Hund befällt, besonders den durch Wiese und Busch streifenden Jagdhund, und gar nicht selten sich sogar am Menschen festbeißt; doch werde ich kaum fehlgehen, wenn ich annehme, daß sehr wenige von Ihnen überhaupt schon andere Zecken gesehen haben, obgleich wir schon gegen 200 Arten kennen, die alle wissenschaftlich registriert und benannt sind. — 40 — Gegen 30 Arten sind allein anf dem Rinde gefunden worden, und der eine Zeckensammlung enthaltende Kasteo, den ich herumgebe, umfaßt über 20 Arten solcher Rinderzecken. Doch muß ich gleich bemerken, daß die einzelne Zeckenart nicht auf ein bestimmtes Wirbeltier angewiesen ist. Die Zecke braucht zum Leben Blut oder Lymphe, und dieses nimmt sie, wo sie es findet. Indessen werden doch gewisse Zeckenarten vorzugsweise auf bestimmten Wirbeltierarten gefunden, so z. B. Rhipkephalus sanguineus am Hunde, und es scheint, daß dieser Gefährte des Menschen die betreffende Zecke über aller Herren Länder ver- breitet hat. Eine andere Art, Boophüus annulatus, mit der wir uns noch eingehend zu beschäftigen haben, bevorzugt das Rind, doch wird sie auch an wildlebenden Wiederkäuern, wie Antilopen und Büffeln, gefunden, und kommt auch nicht selten bei Pferden vor. Das hängt mit der Lebensweise dieser Tiere zusammen. Manche Zecken gedeihen gut auf trocknem, andere auf feuchtem Boden ; daher kommen die ersteren mit diesen, die anderen mit jenen Wirbeltieren vorzugsweise in Berührung. Die Zecken hatten sich früher nur als Blutsauger lästig gemacht und schädlich erwiesen. Wenn Sie sich dieses Stück- chen Rinderhaut ansehen wollen, das aus Alexandrien stammt, so werden Sie erstaunt sein, wieviel Zecken darauf Platz ge- funden haben; und wenn Sie bedenken, daß jede weibliche Zecke sich bis zur Größe einer Bohne und darüber hinaus erst vollsaugt, ehe sie abfällt, so werden Sie ermessen können, wie viel Blut sie dem Tiere entziehen und wie schwer sie sein Wohlbefinden schädigen. Nun hat sich aber noch herausgestellt, daß diese selben Zecken auch Krankheiten der gefährlichsten Art über- tragen, und seitdem hat sich die Aufmerksamkeit auch diesen bisher so verachteten Tieren zugewendet. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, müssen wir uns mit dem Aussehen und der Lebensweise dieser Tiere etwas näher bekannt machen. Die Zecken gehören in die große Klasse der Glieder- tiere, der Arthropoden. Sie haben acht Beine wie die Spinnen und die Milben, als deren Verwandte sie anzu- sehen sind, da sie auch in ihrem inneren Bau mit ihnen über- einstimmen. Sie sind also keine Insekten, die bekanntlich — 41 — sechs Beine haben. Ihre Mundteile sind zum Saugen ein- gerichtet und bestehen aus vier langen, vorstreckbaren Stücken, die zusammen eine Röhre bilden, welche noch mit Haken zum Einbohren und Festhalten besetzt ist. Dieser Rüssel sitzt bei den meisten Arten am Vorderrande des Körpers; das sind die Ixodinen; bei einer kleinen Gruppe liegt der Rüssel auf der Unterseite des Körpers; das sind die Argasinen. Bei den Ixodinen lassen sich Männchen und Weib- chen leicht unterscheiden. Beim Männchen ist die ganze Rückenhaut in eine feste Platte verwandelt, die man das Rücken Schild nennt, während beim Weibchen nur der vordere Teil der Rückenhaut hart geworden ist. Die übrige Haut des Weibes ist in Falten gelegt, welche verstreichen, wenn das Tier sich vollsaugt. Ein eigentlicher Kopf, der sich von dem übrigen Körper abgrenzt, existiert nicht. Augen fehlen häufig; wenn sie vorhanden sind, sitzen sie meist am Rande des Rückenschildes, in der Nähe des vorderen Körperendes. Verfolgen wir nun kurz einmal den Lebensgang unseres Holzbockes, des Ixodes ricinus. Nachdem das reife Weibchen sich mit Blut oder Lymphe zur Genüge vollgesaugt hat, zieht es seinen Rüssel aus der Haut zurück, fällt vom Wirtstier ab und legt seine Eier in einem Versteck an der Erde oder in einer Mauerspalte oder der- gleichen ab. Aus den Eiern kommen bald sechs beinige Larven hervor, noch ganz unfertige, nicht einmal mit Atmungsöffnungen und Luftgängen (Tracheen) versehene, aber sehr lebhafte Ge- schöpfe, die sich schleunigst auf einen Grashalm oder sonst eine Pflanze begeben und an ihren äußersten Blättern oder Zweigspitzen in der Art festsetzen, daß sie die beiden hinteren Beinpaare zum Pesthalten benutzen, die Vorderbeine aber ver- langend ausstrecken, so daß sie sich sofort anklammern können, wenn auch nur ein Härchen eines vorüberlaufenden Tieres sie streift. Sie bohren sich dann in die Haut ein, um Blut oder Lymphe zu saugen, und fallen nach kurzer Zeit, etwa in acht Tagen, ab, um sich in einem Versteck zu häuten. Aus der Häutung geht eine acht beinige Nymphe hervor, die in ähnlicher Weise ein warmblütiges Wirbeltier ankriecht, wie es die Larve tat. Auch diese sättigt sich mit Blut oder Lymphe, fällt ab, und verwandelt sich durch die Häutung in ein reifes Männchen — 42 - oder Weibchen. Nach weiterer Blutaufuahme und Kopulation fällt das Weib ab und legt Eier, womit der Kreislauf des Lebens beendet ist. Die Zecken, welche Lj'mphe gesaugt haben, sind daran zu erkennen, daß sie weißlich aussehen, wie sich R. Koch durch Untersuchung ihres Darm- und Mageninhalts überzeugt hat. Von dieser bei Ixodes tatsächlich beobachteten Lebens- weise nahm man an, daß sie allen Zecken gemeinsam wäre, bis Curtice mit einer ganz neuen Beobachtung hervortrat. Der amerikanische Gelehrte hatte nämlich gefunden, daß eine Zecke, die er Boophüus bovis nannte, ihre ganze Lebenszeit von der Larve bis zum reifen Tier auf demselben Rinde zubringt, also nicht vor jeder Häutung abfällt; und bald zeigte sich, daß diese Beobachtung von weittragender wirtschaftlicher Be- deutung ist. Fast um dieselbe Zeit nämlich machten zwei andere amerikanische Forscher, Theobald Smith und Kilborue, die große Entdeckung, daß eine bis dahin völlig rätselhafte Krank- heit des Rindes durch einen tierischen Blutparasiten hervorgerufen wird, und daß gerade die genannte Zeckenart dabei die Ansteckung vermittelt. Die Geschichte dieser Entdeckung bietet so viel des Inter- essanten, daß ich mir nicht versagen kann, darauf einzugehen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts war bekannt, daß gesunde Rinder eine Krankheit aus dem Süden nach dem Nor- den der Vereinigten Staaten verschleppten. Das aus Süd- Carolina heraufgetriebene Schlachtvieh steckte alles andere Vieh an, mit dem es auf dem Transporte zusammenkam. Die erkrankten Tiere erlagen meist der Krankheit, und das verur- sachte den Besitzern ungeheuere Verluste, gegen die man sich nur dadurch schützen konnte, daß mau in Virginia und Nord-Carolina durch Gesetzesakte vom Jahre 1837 jede Einfuhr von Schlachtvieh aus Süd- Carolin a zwischen dem 1. April und 1. November verbot. Im Winter war der Durchzug nicht gefährlich befunden worden. Unabhängig davon machte man 1850 die Erfahrung, daß das Schlachtvieh aus Texas eine Krankheit nach Arkansas, Kansas und Missouri verschleppte, welcher 50— 90°/o der befallenen einheimischen Tiere erlagen. Auch hier wurde 1861 der Durchzug des Texasviehes gesetzlich beschränkt. Der Bürger- — 43 - krieg brachte die Angelegenheit iu Vergessenheit, abei* bald darauf, 1866 und 1867, mußte man wieder dieselben Erfahrungen machen. Dabei wurde es auch immer klarer, daß die Seuche sich in sich selbst begrenzte, indem im Norden einer bestimmten Grenze das befallene Vieh keine anderen Tiere mehr ansteckt. Und nun wurden Beobachtungen gemacht, von denen die eine immer auffälliger war als die andere. Mau fand, daß das Texasvieh nicht selber ansteckend wirkte, sondern der Boden, über den es getrieben war. Schon ein gewöhnlicher Bretterzaun vermochte das einheimische Vieh zu schützen. Das mußte jeden- falls ein sehr merkwürdiger Ansteckungsstoff sein, der sich durch einen Bretterzaun zurückhalten ließ und durch die Winterkälte zerstört wurde. Doch damit nicht genug. Wenn Texasvieh auf einer Weide gewesen war, so konnte einheimi- sches Vieh ungestraft 4 — 6 Wochen lang dieselbe Weide be- nutzen; kam es aber später darauf, so erkrankte es unfehlbar an dieser Krankheit, die mau sich jetzt gewöhnte, Texas- fieber zu nennen. Endlich gegen 1880 begann Salmon über diese Krank- heit zu experimentieren und fand, daß das Blut und die Milz der gesunden Texastiere den Ansteckungsstoff enthielt, und 1886 entdeckte Theobald Smith tatsächlich die Parasiten, die in den roten Blutkörperchen leben. Salmon zeigte, daß die Ausbreitung der Krankheit sich mit dem Gebiete deckte, auf welchem die vorher genannte Zecke, Boophüus bovis, vor- kommt, und Kil borne bewies 1889 durch Experimente direkt den Zusammenhang des Texasfiebers mit diesen Zecken, denn wenn er dem Texasvieh solche Zecken abnahm und in den Nordstaaten auf einer Weide ausstreute, so erkrankte hier das Vieh, das doch niemals mit Texasvieh in unmittelbare Berüh- rung gekommen war. Es war aber klar, daß nicht die abge- nommenen Zecken selber die gesunden Rinder ansteckten, weil ihnen ihre Lebensweise das verbietet. Sie gehen ja niemals auf ein zweites Rind. Sonach konnte nur ihre Nachkommen- schaft die Ansteckung vermitteln, und der krankmachende Keim, der Blutparasit, muß durch das Ei der Zecke hindurchgehen. Die Beweise hierfür brachte R. Koch in Afrika zum Ab- schluß, indem er nicht die Zecken ausstreute, sondern sie Eier ablegen ließ und diese Eier in eine Gegend mitnahm, wo das — 44 - sonst auch iu Afrika bekannte Texasfieber nicht vorkommt. Dort erkrankten die Kälber, denen die aus den Eiern hervor- gegangene Brut angesetzt wurde, in der erwarteten Weise an Texasfieber. Somit war also das Wesen und die Art der Verbreitung des Texasfiebers klar gelegt. Der Umstand, daß das Texas vieh Parasiten im Blute hat und trotzdem gesund erscheint, erklärt sich daraus, daß die Tiere als Kälber die Krankheit durch- gemacht und überstanden haben, denn die Kälber sind viel widerstandsfähiger gegen das Texasfieber als erwachsene Rinder. Die Tiere werden dadurch immun, und ihre Blutparasiten ver- mindern sich der Zahl nach sehr beträchtlich, ohne indessen ganz zu verschwinden. Da ereignete sich in Südafrika ein Vor- fall, der zur Entdeckung einer zweiten hierher gehörigen Krank- heit führte, bei welcher auch wieder Zecken die Vermittlerrolle übernehmen. Ein Transport von 1000 Stück Rindern, die von Australien kamen und zur Hebung der Viehzucht nach Rho- desia bestimmt waren, wurden in Beira gelandet und dort zunächst auf den Weiden untergebracht. Diese ganze große Herde ging an einer Krankheit ein, welche so viel Rätselhaftes bot, daß Rob. Koch veranlaßt wurde, nach Rhodesia zu gehen und die Sache zu untersuchen. Koch kam zu folgendem Ergebnis. Die Krankheit kommt in weiter Verbreitung längs der ostafrikanischen Küste vor, weshalb man sie zweckmäßig afrikanisches Küsten- fieber nennen kann. Sie wird durch einen Parasiten bedingt, welcher dem des Texasfiebers ähnlich ist, aber viel kleiner, und auch wie dieser in den roten Blutkörperchen schmarotzt. Auf die Unterschiede in den Krankheitserscheinungen hier näher einzugehen, dürfte zu weit führen; aber eins möchte ich doch hervorheben. Man kann das Texasfieber mit Sicherheit durch einige Kubikzentimeter Blut übertragen, die man einem gesunden Tiere einimpft. Das ist beim Küstenfieber unmöglich, auch wenn man das Blut literweise verwendet. Das ist sehr wichtig wegen des Experimentierens mit dieser Krankheit. Diese Experimente haben nicht nur die wissenschaftliche Erforschung der Krank- heit zum Zweck, sondern sie sollen uns auch Schutz- und Heil- mittel kennen lehren. Wenn man also ein solches Mittel ge- funden zu haben glaubt, so muß man es erst erproben; das — 45 — kann aber nur an krankem Vieh geschehen. Man muß deshalb immer krankes Vieh zur Hand haben, d. h. man muß die Krank- heit, um die es sich handelt, nach Belieben erzeugen können. Hier, in diesem Falle, versagte also die einfachste Art, die Übertragung von krankem Blut. Koch war also darauf an- gewiesen, die natürliche Infektion durch Zecken nachzuahmen. Somit galt es, zunächst erst diejenige Zeckeuart aufzufinden, welche die Übertragung des Küsteufiebers vermittelt. In Frage konnten nur einige wenige Arten kommen, welche über die ganze Küste verbreitet sind und scharenweise die Rinder be- fallen. Zunächst dachte R. Koch an die Texasfieberzecke, die auch in Afrika vorkommt, wenngleich sie dort unter einem anderen Namen geht. Es ist nämlich der afrikanische Boophilus australis nichts anderes als der amerikanische B. annulatus (= B. bovis), oder höchstens eine unbedeutende Varietät des- selben. Diese Art kommt aber in Rhodesia nicht vor, sondern dafür tritt Boophilus decoloratus ein, der sich indessen von der amerikanischen Art auch nur in Kleinigkeiten unterscheidet. {Boophilus annulatus hat auf der Unterseite seines Rüssels 8 Längs reihen Zähne, B. decoloratus deren nur 6; und die Analplatten des Männchens, kleine, neben dem After gelegene stark chitinisierte Stellen, sind bei B. decoloratus sehr viel spitzer als bei der anderen Art.) So experimentierte R. Koch also mit dieser Art, und es gelang ihm in fünf Versuchen die Über- tragung des Küstenfiebers mit der Nachkommenschaft dieser Zecke. Analoge Versuche hat Lo uns bury mit Rhipicephalus ap- pendiculatiis angestellt, einer Zeckenart, welche vor den Häu- tungen vom Rinde abfällt, also eine ganz andere Lebensweise führt. Die Versuche mit der aus Eiern gezogenen Nachkommen- schaft dieser Zecken gelangen nicht. Dagegen will Lounsbury das Küstenfieber erzeugt haben, wenn er die Larven oder Nymphen dieser Zeckenart von kranken Rindern entnahm und nach der Häutung gesunden Rindern ansetzte. Lounsbury zieht den Schluß, daß hier der Parasit des Küstenflebers nicht durch das Ei hindurch auf die Nachkommenschaft der Zecken übergeht, was im Widerspruch mit R. Kochs Versuchen steht und um so mehr mit Mißtrauen zu betrachten ist, als auch bei einer dritten hierher gehörigen Krankheit der Durchgang durch — 46 - das Ei festgestellt ist. Es handelt sich um eine Krankheit der Schafe, die von Motas in Rumänien näher untersucht wurde. Sie wird dort Carceag genannt. Den Z wischen wirt bildet Rhipicephalus bursa, eine südeuropäische Zeckenart, die alle ihre Häutungen am Erdboden durchmacht. Hier zeigte der klas- sische Eierversuch, daß der Parasit durch das Ei hindurchgeht, aber auf die Nachkommenschaft vererbt wird. Und weiter stellte sich heraus, daß die Nachkommenschaft im Larven- und im Nymphen Stadium noch unschädlich ist; erst im reifen Zu- stande erzeugen sie bei gesunden Schafen die Krankheit, deren Keim sie aus dem Ei mitgebracht haben. Hieraus konnte mit Wahrscheinlichkeit der Schluß gezogen werden, daß der Parasit im Körper der Zecken gewisse Um- wandlungen durchmacht, die ihn erst in einen Zustand ver- setzen, in welchem er die Ansteckung bewirken kann. Dieser Gedankengang ist uns vom Wechseliieber her schon geläufig, wo der Parasit im Körper der Mücken auch erst sehr wichtige Verwandlungen durchzumachen hat, bevor die Mücke gefähr- lich wird. Dasselbe wird auch beim gelben Fieber der Fall sein, obgleich wir bei dieser Krankheit den Erreger noch nicht ein- mal kennen. Wir wissen aber schon, daß die Mücke erst zwölf Tage, nachdem sie Blut an einem Gelbfieberkranken gesaugt hat, im Stande ist, die Krankheit durch ihren Stich zu verimpfen. Die Versuche, die Parasiten des Texasfiebers und des Küstenfiebers im Ei der Zecken aufzufinden, waren bisher gescheitert. Endlich aber ist dies R. Koch auf seiner letzten Afrikareise gelungen. Der Parasit des Texasfiebers, Firoplasma bigeminum be- nannt, hat im wesentlichen birnförmige Gestalt und liegt gewöhn- lich zu zweien in einem roten Blutkörperchen, weswegen man ihn gerade bigeminum getauft hat. Er enthält eine Kernmasse, welche man als Chromatin bezeichnet, weil sie nach einer gewissen Färbemethode ganz allein eine tiefrote Farbe annimmt, während alles andere sich blau färbt. Wenn man den Magen- inhalt reifer vollgesogener Zecken von texasfieberkranken Rin- dern untersucht, so findet man jene erwähnten Eutwickelungs- stadien, welche damit einsetzen, daß die Chromatiumasse sich teilt und daß der eine Teil davon an das eine Ende des Para- — 47 — siten rückt und dort im gefärbten Präparat als dunkle Spitze erscheint. Danach bilden sich unterhalb dieser Spitze lange strahlenförmige, starre Fortsätze aus, und es kommt vor, daß zwei solcher an Aktinophrys erinnernder Körper durch ihre Fortsätze miteinander verschmelzen. Es macht das den Eindruck einer Konjugation. Aus den strahlförmigen entstehen birn- förmige Körper, die aber drei- bis viermal so groß sind wie die ursprünglichen Parasiten. Diese Körper sind es nun, welche mau später an der Oberfläche der Eier, und dann auch in ihnen antrifft, und es scheint mit ihrem Auftreten auch eine Vermehrung der Parasiten einherzugehen. Ähnlich sind die Vorgänge bei der Entwickelung der von Koch entdeckten Parasiten des Küstenfiebers. Diese Entdeckungen stellen eine wesentliche Bereicherung unserer Wissenschaft dar, indem sie schon Tatsachen an die Stelle von Vermutungen setzen, die kaum noch geäußert wurden. Damit sind aber noch nicht alle Fragen erledigt, die sich an die Geschichte dieser Piroplasmosen, d. h. der durch Piro- plasmen erzeugten Krankheiten anknüpfen. R. Koch hat näm- lich die erwähnten Entwickelungsformen des Piroplasma bigemi- num nicht nur in jener Zecke, die Boophilus australis (mmulatus) genannt wird, gefunden, sondern auch in Rhipi'cepJmlus Evertsi und in Hycdomma aegypfkm). Es fragt sich nun, ob diese Zecken im gewöhnlichen Verlaufe der Dinge die Krankheit weitertragen oder nicht. Einige Zweifel werden dadurch angeregt, daß man noch niemals das erste Jugendstadium, die Larve von Hya- loinma, auf Rindern gefunden hat, ja, man kannte diese Larve bisher überhaupt nur daher, daß man sie aus Eiern zog. Wo sie im E'reien lebt, ist noch unbekannt; vielleicht lebt sie an Kaltblütern wie Schlau gen, Eidechsen oder Schildkröten. Daß diese Tiere viel von Zecken geplagt werden, ist bekannt. Die Frage also, ob dieselbe Piroplasmose durch verschiedene Arten von Zecken übertragen wird, ist noch nicht abgeschlossen. Hierdurch wird auch die Frage angeregt, welche Stellung wohl eine in Deutschland vorkommende, dem Texasfleber verwandte Krankheit einnimmt. Sie geht mit Parasiten einher, welche denen des echten Texasfiebers zum mindesten sehr ähn- lich sind, und auch die Krankheitserscheinungen stimmen im — 48 — wesentlichen überein. Aber den Zwischen wirt bildet eine ganz andere Zecke als in den Vereinigten Staaten; es ist unser gewöhnlicher Holzbock, Ixodes ricinus, der die strengsten Winter aushält, während in Amerika die Krankheit trotz jähr- lich wiederholter Einschleppung sich niemals außerhalb des Ge- bietes mit warmen Wintern eingebürgert hat, was so viel heißt, daß der amerikanische Texasfieberparasit nicht imstande ist, sich in anderen, nördlicheren Zecken weiter zu entwickeln. Es scheint demnach, daß es sich bei uns um einen anderen Parasiten und demgemäß auch um eine andere Krankheit handelt. So viel ist gewiß, daß es noch andere Piroplasmosen gibt, von denen wir nur noch sehr wenig wissen. So kommt beispielsweise im Kaukasus eine solche Krankheit vor, bei welcher der Parasit nicht birn- oder Stäbchen-, sondern kugelförmig ist; doch muß ich mir versagen, hier weiter darauf einzugehen. Wir haben noch zu besprechen, in welcher Weise man gegen diese Krankheiten vorgehen kann. Ein Heilmittel, wie etwa das Chinin beim Wechselfieber, gibt es nicht; man muß sich also wenigstens nach Schutzmaßregeln umsehen. Im Norden der Vereinigten Staaten schützt man sich sehr einfach dadurch, daß man dem mit Zecken behafteten Vieh nicht gestattet, die Boophil US-Grenze zu überschreiten, außer im Winter, wo es ungefährlich ist, wie wir schon gesehen haben. Dadurch ist aber die Einfuhr von Schlachtvieh keineswegs aufgehoben; man weiß sich zu helfen, indem man die Rinder durch ein Bad treibt, welches Arsenik, Petroleum, Tabakabkochuug oder andere zeckentötende Mittel enthält. Ob diese Flüssig- keiten auch in die tiefen Gehörgänge eindringen und die dort reichlich anzutreffenden Zecken töten, ist mir nicht bekannt; doch wird nicht berichtet, daß in dieser Beziehung die Bäder versagen. Es gibt aber einen anderen Nachteil, der diesem Verfahren anhaftet. Ich habe schon erwähnt, daß in den Südstaaten, die alle verseucht sind, die Kälber die Krankheit meist überstehen und immun werden und dann keine Krankheitserscheinungen mehr zeigen, also für gesund gelten. Diese Tiere beherbergen aber trotzdem noch Piroplasmen in ihrem Blute, meist allerdings in so geringer Menge, daß sie schwer durch die mikroskopische Untersuchung nachzuweisen sind. Wenn man aber einige Kubik- — 49 — Zentimeter Blut eines solchen Tieres einem gesunden Rinde ein- spritzt, so erkrankt dieses an Texasfieber, zum Beweise, daß im Blute noch Parasiten vorhanden waren. Bei diesen immunen Tieren kann mm die Krankheit von neuem aufflackern, wenn sie in irgendeiner Weise an ihrer Gesundheit geschädigt wer- den, sei es durch eine Krankheit oder durch solche Zecken- bäder; ja, es ist schon vorgekommen, daß ein immunes Tier sieben Jahre nach überstehen der Krankheit infolge eines solchen Bades an richtigem Texasfieber erkrankte und einging. Die Zeckenbäder sind also für die Rinder durchaus keine gleich- gültige Sache; da man aber nichts Besseres hat, so werden sie als notwendiges Übel hingenommen. Ja, in Südafrika macht man jetzt gerade den Versuch, durch methodische Anwendung der Bäder ganze Distrikte allmählich von Zecken zu befreien ; denn es handelt sich dort um Länder, in denen das Texasfleber heimisch ist, wo also Absperrungsmaßregeln keinen Sinn haben würden. Noch in anderer Weise kann man seine Herden schützen, nämlich durch künstliche Immunisierung der Kälber, die am besten während der kühlen Jahreszeit vorgenommen wird, wenn es im Lande eine solche gibt. Man kann dadurch denselben Zu- stand herbeiführen, der in den Viehzucht treibenden Südstaaten in Nordamerika besteht, allerdings auf die Gefahr hin, daß unter dem Einfluß anderer Schädlichkeiten das Texasfieber wieder aus- bricht. Nun haben wir uns noch mit der kleineu Gruppe von Zecken zu beschäftigen, die ich Ihnen schon als die Argasinen bezeichnet habe. Sie unterscheiden sich in Gestalt und Lebens- weise ganz auffallend von den bisher behandelten Ixodinen. Ihr Rüssel sitzt an der Unterseite des Körpers, und es fehlen ihnen die platten- oder schildförmigen Verdickungen der Chitin- haut in beiden Geschlechtern, so daß Männchen und Weibchen sich gleich stark durch reichliche Blutaufnahme ausdehnen können. Wir können das Geschlecht äußerlich nur an der Form des Porus genitalis unterscheiden ; die Untersuchung der inneren Organe gibt uns die Gewißheit. Niemals saugen sie sich längere Zeit an einem Wirtstiere fest, sondern befallen ihre Opfer nur Nachts, wie die Wanzen, und verstecken sich bei Tage. Trotz- dem den meisten Arten die Augen fehlen, sind sie sehr — 50 — lichtscheu, und es ist interessant zu sehen, nach einer münd- lichen Mitteilung von Prof. Bitter in Kairo, daß diese Tiere, wenn man sie in größerer Menge in ein weites Glasgefäß ge- setzt hat, sofort der Schattenseite zustreben; und wenn man diese dem Lichte zuwendet, kehren sie um und suchen wieder die dunklere Seite auf, wo sie sich haufenweise übereinander lagern. Dieses Spiel könnte man den ganzen Tag fortsetzen, aber die Tiere zeigen mehr Ausdauer als der Mensch. Auf welche AVeise die Lichtempfindung bei ihnen angeregt wird, ist uns gänzlich unbekannt, wie wir auch nicht wissen, wodurch sie ihre Opfer wittern. Ein Grübchen am Ende der Vorder- beine, das schon Haller bekannt war und das Ha 11 er sehe Grübchen genannt wird, scheint ein Sinnesorgan von unbekannter Bestimmung zu sein; vielleicht auch ein kegelförmiges Gebilde am Ende der Palpen. Beide Organe kommen bei allen Zecken vor. Als Blutsauger sind die Argasinen noch schädlicher als die I X 0 d i n e n ; denn während letztere nur wenige Wochen leben und sich nur dreimal in ihrem Leben mit Blut oder Lymphe voll- saugen, als Larven, als Nymphen und als reife Tiere, leben die Argasinen jahrelang und gehen immer wieder auf blutigen Raub aus. Dem entspricht es auch, daß die Weibchen ihre Eier schubweise ablegen, und daß sie sich viele Male häuten. Die Larven sind ganz unfertige Tiere ; eine Art verläßt die Eischale nicht, sondern verwandelt sich in dieser in die achtbeinige Nymphe. Diese merkwürdige Tatsache ist in England sowohl wie von R. Koch festgestellt worden. Die Krankeiten, welche diese Zecken übertragen, werden durch Spirillen erzeugt, die oft auch Spirochaeten genannt werden. Das sind korkzieherartig gewundene, sehr feine Fäd- chen, die im Blute leben, aber nicht in den Blutkörperchen, sondern in der Blutflüssigkeit. Diese Krankheitserreger wurden 1872 von Obermeyer in Berlin bei Rückfallfieberkranken entdeckt, die aus Rußland zugereist waren.*) Man nimmt neuerdings merkwürdigerweise an, daß in *) Anmerkung. Neuerdings haben B o r e 1 sowie Z e 1 1 n o w Geissein an den Spirochaeten iler Hühnerspirillose und des afrikanischen ßückfallfiebers gefunden ; und da diese Organismen sich durch Querteilung vermehren, so ist damit erwiesen, daß sie in verwandschaftlicher Beziehung zu den Bak- terien stehen. — 51 — Europa das Rückfallfieber, die Febris recurrens, durch Wanzen übertragen werde, weil man die Spirillen in dem Mageninhalt dieser Tiere fand, wenn sie bei einem solchen Kranken Blut gesaugt hatten. Das beweist aber nichts weiter, als daß die Spirochaeten nicht sofort aus dem Blute verschwinden, wenn es in den Magen der Wanze gelaugt. Dagegen haben wir schon seit länger als hundert Jahren einen Anhaltspunkt dafür, daß hierbei Zecken im Spiele sind, und zwar Ai-gas persicus, die sogenannte persische Wanze. Von älteren Reisenden in Persien wird schon über dieses Tier geklagt und sogar be- richtet, daß sie nach seinem Stich in schweres Fieber verfallen, an dem viele sterben. Die Eingeborenen werden als immun geschildert. Der ganzen Beschreibung nach kann es sich kaum um etwas anderes handeln, als um das Rückfallfieber. Diese Krankheit war vor gar nicht langer Zeit in Deutschland, Frank- reich, England u. s. w. bekannt, ist aber dort verschwunden und hat sich auf die östlichen Mittelmeerländer zurückgezogen, in dem Maße, als eine in denselben Ländern vorkommende Zecke, Argas reflexus, dort verschwunden ist. Hier in der Gegend von Frankfurt kommt sie vereinzelt in Häusern, wo Tauben ge- halten werden, noch vor. Zu Anfang der sechziger Jahre ist sie von Herrn Senator von Heyden beobachtet und zu wissen- schaftlichen Untersuchungen gesammelt worden. Es war nämlich ein Taubenschlag in einem Hause beseitigt worden, und nun gingen die Argas, die sich vorher von Taubenblut genährt liatten, an die Dienstmägde, in deren Kammern gegen zwanzig Stück ge- funden wurden. Die Annahme, daß nicht eine Wanze, sondern ein Argas der Schuldige ist, wird dadurch gestützt, daß das Rückfallfieber in Zentralafrika durch eine verwandte Zecke, den Ornitho- dorus moubata, veranlaßt wird, wie Rob. Koch und Dutt on bezeugen. In Afrika hat die Krankheit schon viele Europäer ergriffen , und Dutton selber ist ihr zum Opfer gefallen. Die Europäer infizieren sich regelmäßig auf den Karawanenstraßen ; doch kann man sich leicht gegen Ansteckung schützen, wie Koch gezeigt hat. Die Zecke lebt nämlich nur in ganz trocke- nem Erdreich, das so fein wie Mehl ist ; feuchten Boden meidet sie. Wenn man also nicht in Eingeborenen-Hütten oder unter den festen Schutzdächern schläft, deren Boden niemals vom Regen 4+ — 52 — feucht wird, sondern entfernt davon sein Zelt aufschlägt, so wird man von den Ornithodorus nicht gestochen und entgeht der gefährlichen Krankheit. Auch bei dieser Zecke hat Koch gefunden, daß der Parasit durch die Eier hindurch auf die Nachkommen übei-geht. In einigen Gegenden wurden 5 — 15 "/o dieser Zecken, in anderen bis zu 50 "/o infiziert gefunden. Außer dem Menschen haben besonders Hühner und Gänse an Spirillosen zu leiden. Dagegen gibt es keinen anderen Schutz als Zerstörung der Brutstätten und unermüdliche Verfolgung der Zecken, durch öfteres Verbrennen der Streu in den Nistkästen und Ausräucherung der Ställe. Auch das Einstäuben der Hühner mit Insektenpulver ist anzuraten, wenn ein nachfolgendes Ab- suchen des Ungeziefers, besonders bei Nacht, vorgenommen wird. — 53 Beiträge zur Kenntnis derHymeiiopteren-Fainia der weiteren Umgegend von Frankfurt a. M. Von Prof. Dr. L. von Heyden, Königl. preuß. Major a. D. XIII. Teil. (Siehe Bericht 1905 p. 75—87.) Cynipidae verae. Ich gebe hier ein Verzeichnis der in meiner Sammlung befindlichen Cynipiden oder Gallwespen, soweit sie in Frank- furts weiterer Umgebung vorkommen. Die Wespen sowohl wie deren Gallen wurden von meinem Vater Dr. C, von Heyden gesammelt und von den namhaftesten Spezialisten revidiert und bestimmt: Geh. Medizinalrat Dr. H. Reinhard (f 10. Jan. 1901) in Dresden, Prof. Dr. Schenck (f 23. Februar 1878) in Weil- burg und Dr. Gustav May r in Wien. Schenck hat selbst die nassauischen Cynipiden und deren Gallen in den Jahrbiichern des Vereins für Naturkunde im Herzogtum Nassau XVII, XVIII und separat 1865 bearbeitet. Es sind darin eine ganze Anzahl Arten nach den Originalen behandelt, die wie alle meine Galleu jetzt Eigentum des Senckenbergischen Museums sind. Die Ar- beit von Mayr: „Die mitteleuropäischen Eichengallen in Wort und Bild" erschien 1870 und 1871 in den Jahresberichten der Wiener Kommunal-Oberrealschule in der Eossau und ist des- halb sehr selten im Buchhandel. Die damalige Ansicht über die Zusammengehörigkeit der Arten ist in den letzten Jahrzehnten überholt durch die epoche- machenden Arbeiten von Dr. Adler über den Generationswechsel bei den Gallwespen (Deutsch. Ent. Zeit. 1877 und Zeitsch. wis- senschaftl. Zoologie 1881). Er hat nachgewiesen, daß eine ganze - 54 - Anzahl, die früher für besondere Gattungen und Arten gehalten wurden, nur die geschlechtlichen Formen anderer, sich un- geschlechtlich (ohne Männchen) fortpflanzender Arten sind. Ich gebe hier eine Aufzählung der bis jetzt bekannt ge- wordenen, hierher gehörigen Arten unseres Gebietes nach der neuesten, umfassendsten Bearbeitung von Kiefer in „Species des Hymenopteres d'Europe et d'Algerie par Andre T. VII et VII ''^^ 1900 — 1904". Die mit j versehenen Formen sind bei uns noch nicht nachgewiesen, kommen aber wohl sicher vor. Die von mir auforeführteu 59 Arten reduzieren sich daher auf 51. Partheiiog-eiietisclieFortpflauzuns Greschlechtliche Fortpflanzung'. Andricus autumnalis Hart. April = Andricus ramuli L. Juli „ collaris Hart. April » curvator Hart. Juni „ globuli Hart. April ^- Tt inflator Hart. Juni „ solitarius Fonsc. Septbr. = t . xanthopsis Schlecht. Juni „ ostreus Giraud Oktbr. — t . furunculus Kiefer Mai (? = pallipes Schenck) , urnaeformis Fonscol. Novbr. = t . sufflator Mayr Juni „ radicis Hart. April = t „ trilineatus Hart. August „ fecundatrix Hart. Frübj. = t « pilosus Adler Juni Biorrhiza aptera F. Dezbr. = Biorrhiza terminalis Hart. Juli Trigonaspis renuni Hart. Dezbr. = Trigonaspis megaptera Panz. Mai Dryophanta divisa Hart. Novbr. = t Dryophanta verrucosa Schlecht. „ longiventris Hart. Dezbr. = t . similis Adler Mai Neuroterus fumipennis Hart .Mai = Neuroterus tricolor Hart. Juni „ laeviusculus Schk. März = n albipes Schenck Juni „ lenticularis Oliv. März = n baccarum L. Juni , numismatis Oliv. April = t . vesicatrix Schlecht. Juni A. Gallwespen an Eichen. I. Arten, die an Wurzeln leben, die stets von Erde bedeckt sind. Andricns Hartig. \. A. {Aphüothrix Giraud) radicis Hart. — Bingen Mitte April, Soden Mitte Juli je 1 Exemplar. % der Wespe gefangen. Ich besitze die kartoffelähnliche Galle nicht. Biorrhiza Westwood. 2. B. aptera L. — Es sind nur ungeflügelte % bekannt. Frank- furt öfter im Frühjahr, selbst schon in gelinden Win- tern auf dem Schnee. Die Galle, meist traubenförmig, an den Wurzelfasern alter Eichen. — 55 — II. Arten, deren Gallen an der Rinde sitzen. Andricus Hartig. 3. A. (Aphüothrix) corticis L. — Ich besitze die seltene Wespe nicht, wohl aber die Galle, die bei Mayr, tab. 1, flg. 3 abgebildet ist, nach wenigen miteinander verbundenen Exemplaren von Frkft. 4. A. {Aphilothrioc) rhhomae Hartig. — Ich besitze die Wespe nicht, wohl aber die Galle von Frkft. Sie sitzt in auf- gesprungenen Ritzen der Rinde an der Erde. 5. A. noduli Hartig. — Nur die Galle wurde von meinem Vater an einem Eichenzweige gefunden; sie ist klein und in der Rindenschicht verborgen. III. Arten, deren Gallen an der Knospe sitzen. a) an zwei- oder mehrjährigen Zweigen und Ästen oder am Stamm. Trig'Oiiaspis Hartig. 6. T. megaptera Panz. — Ende Mai die beiden Geschlechter der Wespe bei Soden gefangen. Die Galle ist korallen- rot, beerenartig, glatt, saftig und sitzt an jungen Aus- schlägen von Eichenstöcken. Auch in der Seulberger Mark im Taunus, sowie auf dem Johannisberg bei Nau- heim in der Wetterau von meinem Vater gefunden. Ich selbst fand sie Juni 1904 bei Falkenstein an Eicheu- stämmchen zwischen den Ritzen der Rinde an jungen Knospen. b) Gallen an jungen Trieben, aus Terminal- und Axillarknospen entwickelt. Cyuips Linne. 7. C. Kollari Hartig. — - Mein Vater fand die Gallen im April bei Frkft. in einem jungen Eichenbestande, aber alle waren, mit Ausnahme einer einzigen, schon durchlocht ; aus dieser schlüpfte die Wespe erst im August. Auch von Wetter han am Roten Graben an der Mainkur gefunden. Die Galle ist kirschengroß, kugelig, bräun- lich mit einem Durchmesser von 12—23 mm. 8. C. galeata Giraud. — Mein Vater fand 2 Gallen bei Frkft.; sie ist von Mayr genau beschrieben. Schenck erwähnt sie nicht aus dem Gebiet. Es ist mir fraglich geworden, ob diese sonst Österreich -ungarische Art wirklich von hier stammt. Die Galle ist von Mayr bestimmt, aber - 56 - ohne nähere Fimdangabe ; sie lebt an unserer Quercus peduneulata. Audricns Hartig. 9. A. {Aphilothrix) feciindatrix Hartig. — Mein Vater fand 2 Gal- len bei Frkft. Sie erreichen die G-rüße einer Kirsche oder Walnuß, sitzen zwischen den Blattachsen und ähneln einer Hopfeufrucht. Ich besitze die Wespe nicht. 10. A. {Aphilothrix) solitaria Fonscolombe iferruginea Hartig). — Einmal die Wespe $ bei Soden Mitte September an Eichen gefangen. Schenck fand die Galle bei Weilburg. 11. A. {Aphil.) (jlobidi Hartig. — Mein Vater fand eine Galle Ende September bei Königstein. Die Wespe besitze ich nicht. 12. A. {Aphil.) antum7mlis Hartig. — Frkft. einmal die Wespe im April gefangen, auf einer Knospe, in welche sie den Legestachel tief hineingebohrt hatte, auch einmal bei Nauheim. 13. A. {Aphil.) collaris Hartig. — Die Wespe zweimal bei Frkfrt. gefangen. Ich besitze die Galle nicht, die Schenck bei Weilburg fand. — Ferner fing mein Vater: 14. A. {Aphil.) bimaciäata Schenck. — Das einzige Original Mitte Mai bei Falken stein. Nach Kiefer = ? radicis Hartig. 15. A. {Aphil) nitida Schenck. — Das einzige Original schon Ende Februar bei Frkft. Die Gallen sind von beiden Arten nicht bekannt. Biorrhiza Westwood. 16. B. {Dryoteras Mayr) terminalis F. — Bei Frkft. häufig c? $ Mitte Juni aus den frischen, schnellwüchsigen Schwamm- gallen erzogen. Andricus Hartig. 17. A. inflator Hartig. — Mein Vater fand die Gallen Mitte April bei Bingen. 18. A. .migularis Mayr. — Ebenfalls einige Gallen bei Frkft. 19. A. {Spathef/a.^ter Hartig) nprilinus Giraud. — Frkft. Ende April 4 Wespen von Eichen geklopft. Auch die erbsen- große, blasige Galle fand er bei Frkft. — 57 — VI. Arten, die auf Eichenblättern Gallen erzeugen. Dryopliauta Giraud. 20. B. scutellaris Oliv, {folii Hartig). — Die Wespe bei Frkft. nur einmal gefangen, von Sclienck bei Weilburg häufig Anfang Herbst. Große saftige Kugelgalle auf der Unter- seite der Blätter. 21. D. longiventris Hartig. — Die Wespe fand mein Vater vier- mal bei Frkft. im Frühjahr und eine Galle, die erbsen- groß und rot mit kreisförmigen gelben Streifen ist. Sie sitzt auf der Unterseite der Blätter. 22. D. divisa Hartig. — Ebenso 3 Wespen und 1 Galle, die oben und unten niedergedrückt aber bräunlichgelb und an der Lichtseite rot, dabei mit dunkeln Wärzchen besetzt ist. 23. 7). agama Hartig. — Frkft. eine Wespe von meinem Vater gefunden. Trig:onaspis Hartig. 24. T. renuni Hartig. — Mein Vater fand 11 Exemplare der kleinen (5 — 7millm.) Galle bei Frkft. Sie ist niereuför- mig, grün, später meist lebhaft rot und sitzt in größerer Anzahl zusammengedrängt an der Blatt-Unterseite. Aiidricus Hartig. 25. A. urnaeformis Fonscolombe. — Mein Vater fand bei Frkft. einige Gallen. Sie sitzen in den zusammengerollten Blät- tern neben der Mitte der Rippe zusammen zu beiden Seiten und sind hirsengroß, faßförmig. Die Wespe ist noch nicht gezogen, aber Maj^r schnitt ein totes $ aus einer Galle. 26. A. curvator Hartig {axillaris Hartig, perfoliatns Schenck, Spathegaster dmiidiatus Schenck). — Frkft. häufig. An- fang Mai die Galle gefunden, aus der sich die Wespe Mitte des Monats entwickelte; Anfang Juli bei Cron- thal gefangen. A. perfoliatuts'&Q\\QXiQk Original Ende Juni auf Eichenbüschen bei Soden gefangen und A. dimidia- tiis Schenck Original Mitte Juni 2 Exempl. aus Gallen von Soden gezogen. 27. A. pallipes Schenck {Nenroterns). — Die Wespe von mei- nem Vater einmal bei Frkft. gefangen. Auch bei Weil- burg (Schenck). Die Galle ist nicht bekannt. - 58 - Neuroterus Hartig. 28. A^ mimismatt's Oliv. {Reaumuri Hartig). — Die linsenför- mige Galle häufig bei Frkft. auf der Unterseite des Eichenblattes, mit dem sie durch ein kurzes Stielchen zusammenhängt; sie ist oben convex. Ich besitze die Wespe nicht. 29. N. lenticnlaris Oliv. {MalpighU Hartig). — Die Galle ist der vorigen ähnlich, aber in der Mitte vertieft. Die Wespe häufig bei Frkft. Ende März und im April gefangen; auch im Wald bei Offenbach, Hanau (Heynemann). 30. N. laeviusciilus Schenck (pexizaeformis Schlechtendal). — Frkft. eine Original -Wespe, die später zugrunde ging. Mayr hat sie und die Galle noch gesehen und letztere, die noch vorhanden ist, tab. G fig. 65 abgebildet. 31. N. atte7iuatus Schenck. — Frkft. Mitte März aus diirrem Eichenlaub entwickelt. Es ist nur dieses eine Original der Wespe (keine Galle) bekannt. 32. A^. fumipemiis Hartig [varius Schenck). — Frkft. die Galle Mitte September gefunden. Die Wespe von varius Seh. ist von Schenck beschrieben, schon damals fehlte der Kopf; später zugrunde gegangen. 33. N. ostreus Giraud. — Sehr von Parasiten bewohnt, daher die Wespe sehr selten. Gallen fand mein Vater Milte September bei Frkft. 34. A^. {Spathegaster Hartig) baccarum L. {interruptor'R^iü^). — Die Wespe bei Fkft. einzeln, auch Mitte April bei Nau- heim gefangen. Die Galle Mitte Juni bei Bingen ge- funden ; sie ist erbsengroß und so mit dem Blatte ver- wachsen, daß sie von oben und unten sichtbar ist. 35. A^. tricolor Hartig. — Die Wespe einmal von meinem Vater bei Frkft. gefangen. Die Galle Mitte Juni bei Soden. 36. A^. alhipes Schenck. — Die Wespe viermal Mitte Mai bei Falkenstein von meinem Vater gefangen ; 3 Gallen von Frkft. Schenck fand sie sehr häufig bei Weilburg. V. Arten, die in den Staubbliitenkätzchen ~ Gallen erzeugen. Andricus Hartig. 37. A. ramuli L. — Die Galle bei Soden, Ende Juni entwickelt; — 59 — die c? erscheinen einige Tage früher wie die $, bei Frkft. schon Mitte Juni 3 Exerapl. entwickelt. 38. A. amenti Giraud. — Die Gallen Ende September bei Soden; sie sind klein, 2 mm. lang, unscheinbar, eiförmig. Die Wespe besitze ich nicht. 39. A. qiiadrilinecitus Hartig. — Bei Frkft. öfter die Wespen gefangen ; die Gallen bei Soden. — Diese und die fol- genden Arten sind sehr nahe miteinander verwandt und von Mayr tab. VlI fig. 84, 85 abgebildet. 40. A. laevigatus Schenck. — Zwei Originale der Wespe Ende Mai bei Frkft. und Ende Juni bei Soden von meinem Vater, auch einmal von Schenck bei Weilburg ge- fangen. Die Galle ist nicht bekannt. 41. A. riifiventris Schenck. — Auf der Schmitte bei Rodheim (Gießen) Ende Mai das einzige Original $ auf Eichen von meinem Vater gefangen; nicht Schmitten im süd- östlichen Taunus, wie Schenck angibt. 42. A. pednnculi Schenck (/kv/corms Schenck). — 1856 aus Ende Mai 1855 bei Frkft. gesammelten Gallen der männlichen Blütenkätzchen nur ein Exemplar entwickelt, alle übrigen Larven waren 1857 noch lebend. Später mehrfach ge- zogen Mitte und Ende Mai aus roten pfefferkorngroßen Gallen bei Soden und Königstein. Schenck bei Weil- burg. A. ßavicomis Schenck Original ist von Frkft. Die Artunterschiede, die Schenck angibt: 13 Fühler- glieder bei flavic. und 14 bei pedimc. beruhen nach Kiefer (p. 422) auf Irrtum. Kiefer hält beide für Varietät von occtdtus Tschek, die im Gebiet noch nicht nachgewiesen ist, sondern bis jetzt nur in Osterreich gefunden ist auf Qnercus pubescens, die bei uns nicht vorkommt. 43. A. glabriuscidus Schenck. — Vier Original-Gallen bei Frkft. von meinem Vater gefunden. Das Nähere siehe bei Mayr pag. 59, tab. VII. VI. Frucht-Gallen (an Eicheln). Cynips Linne. 44. C. calicis Burgsdorff. — Mein Vater fand bei Frkft. 3 Exem- - 60 - plare der Gallen, die zwischen dem Fruchtboden und dem Becher sitzen. Callirhytis Förster. 45. C. glandium Giraud. — Wie vorige Art, — Schenck er- wähnt überhaupt keine Fruchtgallen aus dem Gebiet; aber calicis ist bei Cassel, Gießen und Stuttgart nach- gewiesen, glandium aus Lothringen und Sachsen, wo sie V. Schlechtendal fand. B. Gallwespen an Rosen. Rhodites Hartig. 46. Eh. rosac F. — Frkft. Mitte Mai aus den bekannten Rosen- Bedeguar erzogen. Überall häufig. 47. Rh. eglmiteriae Hartig, — Aus Mitte Mai eingesammelten erbsengroßen Gallen auf den Blattrippen der Rosa canina von Königstein Anfang Oktober $ entwickelt, ebenso bei Rumpenheim ^ schon Ende September. 48. Rh. spinosissima Giraud, — Aus einer Mitte Mai eingesam- melten, durch ein Rosenblatt durchgewachsenen Galle von Rumpeuheim erzog mein Vater einen ) Dieses „weißes Gebirge" in Begleitung der Erzgänge ist der Gegen- stand lebhafter Untersachungen bis in die neueste Zeit geworden, die besonders Kayser, Koch, v. Groddeck und Holzapfel ausgeführt haben. — 78 — nach der jetzt gebräuchlichen Ausdrucksweise nur als „weißes Gebirge" zu bezeichnen sind, und weiße Schiefer, die der Berg- mann auch mit jenem Namen belegt. Der weiße Gebirgsgang, ein die begleitenden Schichten des Erzganges, sowie diesen stellenweise selbst durchsetzendes, gangförmig auftretendes, diabasartiges Eruptivgestein läuft auf Grube Holzappel nicht genau parallel dem Gange, sondern nähert sich ihm in flachem Streichen. Er ist auf Leopoldine Louise im Abstände von 30 m im Hangenden des Hauptganges aufgeschlossen. Diese Ent- fernung vermindert sich nach Osten zu auf eine Länge von 4 km bis auf 3 m. Ein Versuch , durch Aufschlußarbeiten im Kiesbachstollen den Schnittpunkt der beiden Gänge und so das gegenseitige Verhalten der beiden festzustellen , mißglückte, da der Hauptgang vor dem Schnittpunkte durch die östlich vom Kiesbachtale streichende Euppbachspalte abgeschnitten und die Verwerfung wegen zu großer Streckenlängen nicht aus- gerichtet wurde. Es ist jedoch mit Sicherheit anzunehmen, daß der weiße Gebirgsgang, der eine stetige Annäherung auf eine Länge von über 4 km gezeigt hat, diese fernerhin beibehält und den Erzgang ungefähr 400 m hinter der Verwerfung trifft. Ein den Hauptgang, sowie dieses hangende, weiße Gebirge durchsetzender, zweiter weißer Gebirgsgang ist nahe der Grenze der Grubenfelder Holzappel und Leopoldine Louise auf der 11. Tiefbausohle angefahren. Er streiclit in h. 5 und verschiebt den Hauptgang ins Liegende. Beim Durchsetzen des hangenden, weißen Gebirgsganges bietet er das Bild auf Tafel II b. Die beiden genannten, weißen Gebirgsgänge unterscheiden sich auch in ihrer Struktur. Der dem Hauptzug nahezu parallele Gang hat schiefriges, wenig kompaktes Gefüge und verwittert sehr schnell, hat gelblich graue Farbe und schließt öfters runde Mandeln von dunklerer Farbe ein. Dagegen ist der Gang, der als echter Quergang anzusprechen ist, massig, ohne jede Schichtung, aber mit geringen Anzeiciien zu bankiger Absonderung und läßt in seiner starkkih-nigen Struktur noch unzersetzte Teile seines Ursprungsgesteins, z. B. 2^3 mm gi'oße Augitkristalle, erkennen. Die Ausfüllung sieht grünlichgi-au aus und zeigt noch nicht so deutlich die Spuren der Veränderung wie der hangende Gang, führt nie Erze und wird auch nie von solchen begleitet. Aus dieser Beschaffenheit, sowie aus der dargestellten — 79 — Lage des Ganges zum ganzen Gangzuge ist zu schließen, daß der liegende Quergang jünger ist als der Hauptgang und der hangende, weiße Gebirgsgang. ^) Beide Varietäten des weißen Gebirges, der „Quergang" wie der „Gangbegleiter", finden sich in derselben Beschaffenheit auf Grube „Gute Hoffnung" bei Werlau. Der weiße Scliiefer, als 3. Abart des weißen Gebirges, erscheint in den oberen Sohlen der Gruben Holzappel , Weyer und Wellmich, Er ist ein zersetzer Tonschiefer und bildet eine vollständig parallele Lage zwischen den Begleitschichten. Während in seinem Hangenden sehr häufig eine Störung mit zerdrückten Schiefer- gesteinen lagert, vollzieht sich der Übergang in den liegenden, blauen Tonschiefer ganz allmählich, so daß man an seiner Natur und Entstehungsweise nicht zweifeln kann. Er steht zuweilen unmittelbar am Gange, wie dies an einem Aufschluß über Tage bei Schweighausen ^) zu erkennen ist, findet sich doch meistens viele Meter vom Gange entfernt, wie auf Wellmich und vor allem auf Holzappel, wo im Adelheidstollen neben fünf weißen Gebirgs- gängen und zwei Porphyroidzügen sechs weiße Schieferschichten angetroffen wurden, einige davon in einer Entfernung von über 200 m. Man macht ferner die Beobachtung, daß ihre Zer- setzung mit zunehmender Teufe verschwindet. Diese Schiefer, sowie teilweise die „Gangbegleiter" tragen den deutlichen Charakter der Sericitschiefer, den die Quergänge nicht im entferntesten aufweisen. Es kann nach alledem v. Groddecks ältere^) Ansicht, die er in seiner Arbeit: „Zur Kenntnis einiger Sericitgesteine , welche neben und in Erzlagerstätten auf- treten, 1883" ausgesprochen hat und nach der er das weiße Gebirge seiner Natur nach in metamorphosierte Diabase und ausgelaugte Tonschiefer trennt, hier als allein zutreffend be- zeichnet werden. ^) Der Quergang heißt liegender, weißer Gebirgsgang, weil er in der Grube Holzappel bisher nur im Liegenden des Hauptganges bekannt ge- worden ist. 2) s. Seite 91. ^) In einer späteren Studie über Tonschiefer, Gangtonschiefer und Sericitschiefer 1886 widerruft er diese Ansicht und erklärt die weißen Ge- birgsarten sämtlich als umgewandelte Tonschiefer. — 80 — Bauer hat seiner Abhandlung nach die drei Abarten des weißen Gebirges nicht erkannt; er unterscheidet nach dem Aussehen nur eine mehr dickmassige Varietät mit versteckter Schieferung und eine ausgezeichnet dünnschiefrige und nimmt an, daß das weiße Gebii^ge ein „durch Aufnahme von über- wiegend talkigen und chloritischen »Substanzen" verändertes, blaues Gebirge sei, weil er den Übergang aus dem blauen ins weiße Gebirge an manchen Schieferblättern hatte feststellen können. Abgesehen davon, daß in diesen Gesteinen keine Spur von Talk vorhanden ist, überträgt er unrichtiger Weise jene Annahme, die bei dem oben erwähnten, weißen Schiefer seine Berechtigung hat, auch auf das gangartige Vorkommen, weil er ein solches nicht anerkennt. Das weiße Gebirge im Sinne Bauers, also veränderte Schiefer, werden auf allen Gängen der östlichen Ganggruppe bei den gegenwärtigen Aufschlußarbeiten gefunden, die weißen Gebirgsgänge bishei- nur auf dem 4. bis 6. Zuge Wenkenbachs nördlich der Lahn. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden diese auch auf dem 3. und 7. Zuge, wenn hier wirksamer Grubenbau umgegangen wäre, nicht fehlen. Außer jenem Vorkommen ist aber im Rheinprotile und in den an- grenzenden Uferbergen das Vorhandensein von noch über 5U weißen Gebirgsgängen festgestellt, ^) die in verschiedenster Mächtigkeit von Caub bis Nieder-Kestert mit häufig nach- weisbaren Spuren von Erz auftreten. Es beweist dieses, daß das Vorkommen obiger Gänge nicht bloß an die bekannten Erzlagerstätten von Holzappel. Wellmich und Werlau gebunden ist, sondern daß sie über das ganze Gebiet der Ostgruppe und noch weiter nach Osten hinaus zerstreut sind und daß somit das Fellleu wie das Vorkommen des weißen Gebirges auf dem Bauerschen Gangzuge keinen Schluß auf die Zusammengehörigkeit seiner Erzgänge gestattet. Wenn man auf die Bauersche Beweisführung noch einmal kurz zurückblickt, so wird man erkennen, daß er sich nur auf Kriterien gestützt hat, die entweder allen Gängen der östlichen Gruppe eigentümlich sind oder die auf Grund der gegenwärtigen Aufschlüsse als unrichtig angenommen werden müssen. Sie bieten somit nirgends einen festen Anhalt zu einer Identifizierung. ') E. Holzapfel, das Rheintal von Bingerbrück bis Lahnstein. — 81 — Ließ schon das starke Abweichen von einer einheitlichen Streichlinie eine Verbindung zwischen dem Holzappeler und Wellmich-Werlauer Gange als sehr zweifelhaft erscheinen, so tritt nun noch ein Umstand hinzu, der einen solchen Zusammen- hang ausschließt und eine Widerlegung des bereits erwähnten Einwandes Wenkenbachs bildet, daß nämlich noch unbekannte Querverwerfungen eine Zusammengehörigkeit der Holzappeler und Werlauer Lagerstätte möglich machen. Verfolgt man den Werlauer Zug nach Norden über Well- mich bis Weyer, was bei den zerrissenen, sich hin und her- windenden Talgehängen des Wellmicher Baches und bei den zahlreichen Abbauversuchen keine großen Schwierigkeiten macht, so wird man, aus dem Wellmicher Tale auf die Höhe bei Weyer gelangt, das Ausgehende des Ganges über Tage in dem Quarzit- zuge erkennen, der nach der geologischen Spezialkarte durch den höchsten Punkt des „Waldes bei Weyer" hindurchzieht. Schürfschächte und -Stollen haben ergeben, daß man sich hier auf der nördlichen Fortsetzung des Werlauer Ganges befindet. Dieser Quarzitzug, mit einer Eichtung von h. 3 — 4, bildet nahezu ein 10 m breites Ausstreichen des Ganges . dessen 3 m breite Spalte hier mit mächtigen Quarzmassen als Gangart erfüllt ist und der nur Spuren von Erz in den obersten Teufen gezeigt hat. Bei Gemmerich verläuft der Gang dann unter einer Decke zertrümmerter und verwitterter unterdevonischer Massen, jedoch ist seine Richtung durch Rollstückchen und sanfte Erhebungen aus dem ebenen Gelände über Gemmerich hinaus bis in die Gegend von Ehr zu beobachten. Von diesem Punkte aus senkrecht zu diesem Gangstreichen trifft man, nord- westlich (siehe Karte 1) von Schweighausen, wie später (Seite 91) nachgewiesen wird, den Holzappeler Gangzug. Wollte man zwischen beiden Enden dieser Züge einen einstmaligen Zu- sammenhang annehmen, so müßte man eine querschlägige oder spießwinklige Verwerfung des Ganges ins Hangende um ca. 5 km projektieren. Eine so mächtige Störung von 5 km Ver- wurfslänge würde aber an der TagesoberÜäche durch den Austritt von Quellen und in dem weithin bemerkbaren, plötz- lichen Absetzen eines Schichtenstreichen zu erkennen sein. Ferner aber würden die Bauten der Blei- und Zinkerzgrube Friedrichssegen, die sich auf dem Emser Gangzuge (dem zweiten — 82 — Wenkenbachs) in der Verlängerung der gedachten Verwurfs- liuie befinden, diese gewaltige Schichten Verschiebung bloß gelegt haben. Wohl ergab die Begehung südwestlich von Schweig- hausen einen Verwurf des (Tanges ins Hangende, jedoch beträgt dieser nicht mehr als 150 m. Selbst die Annahme einer staffei- förmigen Störung ist ausgeschlossen, weil sonst hier ein Vor- treten des liegenden Gebirges in die Fortsetzung der Streich- linie hätte stattfinden müssen, was bei den gangbegleitenden Quarziten und hunsrückschieferähnlichen Gesteinen deutlich in Erscheinung getreten wäre. Somit schließen die beiden wichtigen Momente, nämlich das starke Abweichen des Bauerschen Zuges aus der wirklichen Streichlinie und das Fehlen der von Wenkenbach angenommenen, großen Querverwerfungen den Zusammenhang zwischen der Holz- appeler und Wellmich-Werlauer Lagerstätte vollständig aus. III. Die tatsächliche Fortsetzung des eigentlichen Holz- appeler Gangzuges. a. Gesichtspunkte, die bei einei- geologischen BegehungdesGanggebieteszwecksAufsuchungdes Ganges zu beobachten waren. Die Frage, wo der Holzappeier Gangzug seine südwestliche Fortsetzung findet, ließe sich zunächst kurz dahin beantworten : Ist eine solche überhaupt vorhanden, so liegt sie unmittelbar auf der verlängerten Streichlinie des Hauptganges der Holz- appeler Grube, und zwar aus folgenden Gründen : Es haben die Gruben, sowie die Versuchsbauten und Schürfarbeiten klar gelegt, daß der Erzgang die ganze Größe der Querverschiebungen des Gebirges, in dem er aufsetzt, nicht erleidet, wie z. B. bei Weinähr und Oberwies. Ferner ist im Ganggebiete das Durchsetzen von Dachschieferpartien in meh- reren Zügen von der Lahn bis zum Rhein und darüber hinaus ohne beträchtliche Verschiebung ihrer Streichlinie zu beobachten. Dies ist der Fall bei dem Dausenauer Schiefer, der im Rheintal bei Oberspay und Boppard austritt, und bei den in unmittelbarer Nähe des Holzappelor Gangzuges bei Weinähr erschürften Gesteinen, die sich über Oberwies, Dachsen- hausen bis Kloster Bornhof en a. Rh. erstrecken und jenseits — 83 — des Rheines nördlich von Ehr wieder angetroffen werden. Wenn also bei diesen Schieferschichten eine so große Längenausdehnnng ohne bedeutenden Verwurf möglich ist, um so eher muß man dieses Verhalten vom Gange annehmen, der von den Quer- verwerfungen nicht in gleichem Maße wie das Nebengestein beeinflußt wird. Man darf dabei erfahrungsgemäß voraussetzen, daß eine Erzspalte von 4 km streichender und 760 m bekannter, tonnlägiger Länge, wie jene des Hauptganges von Holzappel und Leopoldine Louise, sich nicht plötzlich völlig zerschlägt oder gänzlich auskeilt. Bauer und Wenkenbach sind ferner nur deswegen zu Fehlschlüssen gekommen, weil sie bei der Parallelisierung der (ränge nur die erschürften Erzvorkommen zum Anhalt genommen haben, nicht aber die Gangspalten, die nicht immer erzführend zu sein brauchten und deswegen nicht weiter bekannt geworden sind. Stellt man nun noch die Tatsache fest, daß alle Spalten') der (■)Stlichen Gruppe vom Mühl- bach und der Lahn bis kurz vor dem Rheine ein Zurück- treten der Erze und Vorherrschen gewaltiger Quarzmassen in ihrer Ausfüllung bemerken lassen, so muß man die M()gliclikeit als naheliegend betrachten, den Gang auf der unmittelbaren Fortsetzung des Holzappeier Zuges durch ein eingehendes Ab- suchen dei- Erdoberfläche des Ganggebietes festlegen zu können. Es wurde daher eine Begehung des Geländes vorgenommen, bei der noch folgende weitere Gesichtspunkte zu beobachten waren: Die Trümer im Hangenden und Liegenden des Haupt- ganges, einschießlich der des weißen Gebirges werden sich an der Tagesoberfläche wenig bemerkbar machen, weil sie, zu wenig mächtig, den Einwirkungen geringen Widerstand haben leisten können, die sowohl von außenher durch Wasser wie endogen durch gebirgsbildende Bewegungen der Lithosphäre erfolgt sind. Während das weiße Gebirge in der Grube Holz- appel in der Regel nur aufgesucht wird, um bei Lagerungs- störungen den richtigen Hinweis zur Wiederausrichtung des Hauptganges zu geben, wird es bei einer Begehung über Tage ') z. B. die der Grube Pauline bei Nassau, Bernshahn, Hohelay und Kux bei Weinähr, Wilhelm, Rauschenthal, Heinrich und Basseistein bei Geisig und Gute Hoffnung- und Zuversicht I und II bei Weyer. 6* — 84 — kaum zur Orientierung herangezogen werden können, da es selbst in den tiefen Tälern der Lahn nur selten aus den Ge- hängen heraustritt und auch dort meist nur durch Stollenbetrieb bekannt geworden ist. Dazu kommt, daß der weiße Gebirgs- gang nicht das Streichen des Hauptganges hat, sondern sich nach Südwesten allmählich von diesem entfernt. Weiterhin zeigen die bekannt gewordenen Vorkommen von weißen Gebirgs- gängen, über 50 an Zahl, daß ihr Auftreten stets lokaler Natur ist und daß man deswegen auch auf ein plötzliches Auskeilen des Holzappeier hangenden, weißen Gebirgsganges gefaßt sein muß, wie dies bereits bei dem liegenden, weißen Gebirge be- obachtet worden ist. Einen weit besseren Anhalt gewähren die 150 m im Liegenden aufsetzenden Weinährer Gänge, die mit fünf dicht aneinander liegenden Trümern sich auch in wenig koupiertem Gelände verhältnismäßig gut beobachten lassen. Sie bilden bei Störungen in der Streichrichtung und in mehr ebenem Terrain sehr häufig ein sicheres Hilfsmittel zum Erkennen der Lage des Holzappeier Ganges. Von diesem Holzappeier Zuge zeigt sich der Hauptgang in seinen durch den Grubenbau erschlossenen Teilen bei vor- herrschender Ausfüllung mit Gangart mächtiger als bei reicher Erzführung; beim Verengern und Erweitern des Spaltenraumes bleibt ferner ein ruhiger, gleichmäßiger Aufbau seiner Spalten- wände gewahrt. Nie ist der Zusammenhang auch nur auf kürzere Strecken unterbrochen, während die übrigen Trümer des Zuges, deren Stärke ohnehin wenig bedeutend ist, sich mehr oder weniger auskeilen und dann wieder aufsetzen. Es ist daher beim Aufsuchen des Ganges durch Begehung im großen und ganzen nur das Ausstreichen des Hauptganges ins Auge zu fassen. Das Ausgehende der durch Bleiglanz, Zinkblende, Kupfer- kies und Spateisenstein mit Quarz als Gangart angefüllten Holz- appeler Gangsi)alte zeigt sich dem Beobachter in einem mannig- faltig wechselnden Bilde. Ist der Gang ursprünglich bis zu Tage edel gewesen, so sind infolge Einsickerns von Tages- wässern in die Erdkruste, die Sauerstoff und Kohlensäure mit sich führten, aus den sulfidischen Erzen Sulfate entstanden, die durch Lösung oder mechanische Wirkung vom Wasser fort- — 85 — geführt wurden oder die, falls sie gegen die Atmosphärilien widerstandsfähig waren, zu höheren Oxyden umgewandelt wurden. So sind allmählich die Blei-, Zink- und Kupfererze aus dem Ausgehenden verschwunden und Rot- und Brauneisenerze als festes Skelett eines „Eisernen Hutes" zurückgeblieben, der in der Regel eine braunrote Färbung im Ausstreichen angenommen hat. Bei Gegenwart von wenig Quarz als Gangart sind die Überreste häufig durch Gebirgsdruck noch stark zusammen- gepreßt, so daß der Erzgang nach der Erdoberfläche zu eine geringere Mächtigkeit zu besitzen scheint als die ursprüngliche Spalte unterhalb der Zerstörungszone. Seine Rollstücke, deren Hauptbestandteil Quarz ist, haben, sobald sie früher stark von Erzen durchsetzt waren, nur noch geringe Größe, zeigen ganz charakteristische, poröse, zellige Struktur, braunrote bis schwärz- liche, milchweiße Farbe und lassen sich sofort als verwitterte Ausfüllung eines Erzganges und als Bestandteile des eisernen Hutes bestimmen. Hat dagegen im Ausgehenden des Erzganges die Gangart, also Quarz, vorgeherrscht, so ist der Aufbau des Ausstriches durch die Einflüsse der Atmosphärilien wenig geändert worden. Die Quarzmassen bilden ganze Blöcke, die sich bankig abgesondert und die auch einem seitlichen Gebirgs- druck von S.O. her einen so starken Widerstand geleistet haben, daß wenige Meter vom östlichen Stoße des Ganges sehr häufig mächtige Schieferpartien als Schollen aus der Ebene der Erdoberfläche herausgepreßt worden sind. Wenn ihr weniger zähes Nebengestein infolge seiner ver- hältnismäßigen Weichheit, Zerklüftung und Lagerung durch Erosion und Denudation weggewaschen worden ist, so daß die Quarzmassen herausgeschält worden sind, dann bilden sie im gebirgigem Gelände die höchsten Höhen als weithin sichtbare Klippen. Ist aber nach Beseitigung des Hangenden und Liegenden die Quarzwand auch zu Bruche gegangen, so haben sich ihre Trümmer weithin und so dicht verbreitet, daß man dadurch leicht zu der Annahme verleitet wird, als hätte man es mit einer überaus mächtigen, selbständigen Schicht zu tun, die dann auch stellenweise als Coblenzquarzit und somit als ein Formationsglied des ünterdevons angesprochen worden ist. So ist z. B. in nördlicher Verlängerung des Werlauer Ganges der im Walde von Weyer auftretende Quarz, der das Aus- -Be- gehende der Werlau-Wellmicher Lagerstätte bildet, auf der geologischen Spezialkarte des Blattes Dachsenhausen als Cüblenzquarzit angesehen. Ein ähnlicher Fall scheint auch bei dem Quarzitzuge durch den Oberhorst bei Schweighausen vor- zuliegen. Hier ist neben quarzitischem »Sandstein ein in 2 m Mächtigkeit zu Tage anstehender Quarzgang zu verfolgen, der durch den Oberhorst in der Richtung auf die Station Hinter- wald der neuen nassauischen Kleinbahn hindurchsetzt. Bei dem von Oberhorst sanft abfallenden Gelände sind seine Roll- stücke viele hundert Meter verstreut. Es ist noch eine letzte Art des frangaufbaues zu be- obachten, nämlich daß die Spalte nicht bis zur Erdoberfläche aufgerissen ist, sondern daß kleine Risse, die bis zu Tage reichen, apophysenartig erfüllt worden sind, so daß das Gang- system das Aussehen von nach der Teufe zu sich scharender Trümer erhalten hat. Die soeben dargestellten, äußeren Kennzeichen des Gang- ausstreichens bilden das Ergebnis einer Beobachtung des all- gemeinen Gangverhaltens der östlichen Ganggruppe zwischen Lahn und Rhein, stellten sich aber auch teilweise erst im Laufe der Begehung heraus. Sie dienten dem Verfasser neben den allgemeinen, für die Aufsuchung einer Gangspalte zu beachtenden Kennzeichen vornehmlich als Anhaltspunkte zur Festlegung des Gangzuges. b. Die Untersuch ungdesGanggebietesbiszum Rhein. Die Begehung, deren Ergebnisse auf Karte 1 und im weiteren Verfolg auf Karte 2 festgelegt worden sind, begann an der südwestlichen Markscheide des Grubenfeldes Leopoldine Louise, also unmittelbar im Anschluß an den durch Gruben- bauten bekannt gewordenen, eigentlichen Holzappeier Zug. Mit dem Verlassen dieses Feldes tritt der Gang, nachdem er durch eine Störung um 100 m ins Hangende verworfen ist, in ein Gebiet ein, das durch die Lahn und einige Nebeugewässer, den Gelbach und den Mühlbach, tief erodiert ist. Gerade an dieser Stelle fällt der ungefähre Verlauf des Gelbach- und des Lalinbettes nacheinander mit der Richtung des Ganges zu- sammen und zwar derart , daß beide Flüsse in dieser Streich- linie mehrere Windungen hin und zurück verfolgen, so daß in — 87 — diesen Schleifen und Biegungen der Gangzug mehrfach durch- schnitten wird und eine Reihe hoher, schöner Profile bietet, von denen Tafel I a ein solches aus dem Gelbachtale am besten darstellt. Aus einer nahezu 100 m hohen Gebirgswand treten fünf Gänge heraus, in denen sich unschwer die Trümer des Holzappeier Zuges und seines liegenden Begleiters, des Wein- ährer Gangzuges, erkennen lassen. In gleicher Größe und Deutlichkeit sind sie auch an den Gehängen des Lahntales bloßgelegt. Sie sind die Veranlassung, daß in dem an dieser Stelle bereits verengerten Flußbette die beiderseitigen Ufer- wände durch Vorspringen der Gangpartien noch weiter zu sammengerückt sind. Von der Talsohle aufwärts bis auf die Höhe der Uferberge sich hinziehend, bildet der Quarz als vor- herrschende Ausfüllungsmasse der Hauptspalte in dieser Gegend einen durch Abrasion freigelegten, weithin sichtbaren Gebirgsgrat des Berges. Beobachtet man von einer hiUier gelegenen Stelle, wie dem Goethepunkte bei Obernhof, dieses Verhalten des Ganges, so kann man an den zahlreichen, weißleuchtenden Klippen einen klaren Überblick über die Beschaffenheit des Ganggebietes und den Verlauf des sicli daraus hervorhebenden Ganges gewinnen. Tafel I b versuclit diese Fernsicht darzustellen. Im Vordergrunde heben sich über das Niveau des zerklüfteten, tälerreichen Gebirges kleinere Felspartien heraus, in denen der Gang zu Tage tritt und die sich in die Ferne hin fortsetzen. Man erkennt aber auch, daß mit der zunehmenden Entfernung sich der Charakter der Höhen ändert, daß er welliger, abgeflachter wird und daß das markante Ausstreichen des Quarzes gänzlich verschwindet. Diese Tatsache ist bereits im Mühlbachtale fest- zustellen. Der zwischen Lahn und Mühlbach anstehende Gebirgskeil und mit ihm der ihn durchsetzende Gang haben eine Bewegung und Veränderung ihres ursprünglichen Aufbaues noch nach dem Aufreißen und der Ausfüllung der Gangspalte erfahren, was aus dem Verwurf des Ganges im Mühlbachtale selbst und aus den Profilen an den Gehängen hervorgeht. Während noch auf der linken Lahnseite das regelmäßige Profil des Holzappeier und Weinährer Ganges ansteht und bis auf die Höhe hinaufreicht, verschwinden sie dort bald unter zwei durch eine tiefe Delle getrennte Erhebungen aus dem Gelände, werden nahe der Chaussee von Nassau nach Singhofen um - 88 — 10 — 15 ra ins Liegende verschoben') und treten auf dem rechts- seitigen Gehänge des Mülilbaclitales aus. Nach einem sich hier bietenden Profile ist der Holzappeier Gang etwa 3 ra unter Tage in die Horizontale abgelenkt und dann durch eine Ver- werfung abgerissen worden. Indessen zerschlägt sich der Weinährer in gefalteten und überkippten Gebirgspartien. Dieses Verhalten erklärt die plötzliche Änderung in der Er- scheinung des Ganges über Tage. Jedoch setzt sich jene nicht über die Störung im Mühlbachtale hinweg. Auf seinem linken Ufer findet man den Gang, nachdem er das Dreieck zwischen Lahn und Mühlbach verlassen hat, wieder in seiner ursprüng- lichen Streichungslinie mit demselben Charakter im Ausstreichen, wie es unweit der Markscheide von Leopoldine Louise vom Goethepunkt aus beobachtet worden war. Unmittelbar am steilen und dicht bewachsenen Gehänge des Heidenberges und daher nur im Bette des Baches oder auf der Höhe näherer Untersuchung zugänglich, zeigt sich der Hauptgang in einer IV2 m breiten Spalte mit dicken, bankigen Quarzblöcken ausgefüllt, während die früher zu Tage ragenden Teile abgebrochen und in mächtigen Stücken talabwärts gestürzt sind. 150 m westlich erscheinen auch die Weinährer Trümer wieder. Dagegen ist von dem weißen Gebirgsgange auf beiden Seiten des Tales trotz des durch Wegebauten in der Gegend des vermuteten Ausstreichens mehrfach angeschnittenen Gehänges nichts zu bemerken. Ob es sich hier bereits ausgekeilt hat oder infolge Verwitterung unter die Erdoberfläche zurückgetreten ist, sei dahingestellt. Jedenfalls aber ist der hangende, weiße Gebirgs- gang im Verlaufe der Begehung vom Mühlbachtale ab an Stellen nicht wieder aufgefunden worden, wo er bei etwaigem Vor- handensein der eingehenden Beobachtung nicht entgangen wäre. Der Gangzug, der im Grubenfelde Holzappel nach den Aufschlüssen seines Hangenden und Liegenden vollständig in ') Ob diese geringe Querstörung, wie sie sich in dieser Größe im Laufe der Begehung öfters wiederholt, durch Bankbildung oder Verwerfung verursacht ist, mu(.) dahingestellt werden, da die außerordentliche Gleich- mäßigkeit des Materials, aus dem die gangbegleitenden Schichten zusammen- gesetzt sind, ferner die zeitweilig hohe Laubdecke und der niedere Wald- bestand, eine Feststellung, ob eine Ausbiegung oder ein plötzliches Absetzen des Ganges vorhanden war, häutig nicht zulielöen. — 89 - den Unterkoblenzer Schichten stand, ist hier im Mühlbachtale aus diesen herausgetreten und befindet sich in einem Schichten- gebiete, das aus hellklingenden, dunkelblauen, leicht spaltbaren Schiefern zusammengesetzt ist, die man wegen des vollständigen Fehlens von Grauwackenbänkchen als Hunsrückschiefer an- sprechen muß und die noch 100 m im Hangenden des Ganges aufzufinden sind. Diese Schieferschichten hat der Gang in seiner Erstreckung von Holzappel zum Mühlbachtale durchsetzt. Es zeigt dieses Verhalten somit, daß der Gang ein zu dem Nebengestein spitz verlaufendes Streichen besitzt und ist ferner ein weiterer Beweis dafür, daß man nicht, wie früher an- genommen und in dem Grubengebäude von Holzappel nicht leicht festzustellen ist, einen Lagergang, sondern einen echten Gang vor sich hat. Die geologische Spezialkarte des Blattes Dachsenhausen zeigt an dieser Stelle des Mühlbachtales Unter- koblenz. Wenn man al)er bei dem hier herrschenden Mangel an Versteinerungen und der schwierigen Festlegung der Alters- stufe des im Material und tektonisch so gleichmäßig zusammen- gesetzten Gebirges die Grenze zwischen Hunsrückschiefer und Unterkoblenz in der Regel dahin legt, wo beim Übergang des einen Formationsgliedes in das andere die letzten Grauwacken- bänkchen verschwinden, so muß die Grenze hier ungefähr 250 m östlich ins Hangende verschoben und durch die Mitte des Heidenberges hindurchgehend gedacht werden, so daß der Gang am Heidenberge völlig in hunsrückschieferähnlichen Ge- steinen steht. Der bisher festgelegte Teil des Ganges trifft nacheinander die Fundpunkte der Felder ^) Weinähr, Hohelay, Kux, Gutenau, Davida,^) die auf Blei-, Kupfer-, Zinkerze verliehen sind und (leren als Funken im Quarz eingesprengtes Vorkommen erkennen läßt, daß der Erzgehalt zugunsten der Gangart bei Ausfüllung des Spaltenhohlraumes zurückgetreten ist. Der bergmännische Erfolg ist hier ein sehr geringer gewesen, so daß sich die Bauten meist nur auf Schürfstollen beschränkt haben. Immerhin ge- ') Mitte vorigen Jahrhunderts verliehen. 2) Der Schürfstollen in „Davida" fand laut Fundesbesichtigungs- protokoll und nach der geologischen Spezialkarte ein unbedeutendes Quertrum von h. 7.4. Das Haupttram ist nahe dem Fundpunkte über Tage als in h.4 streichend zu erkennen. — 90 — währen sie in Verbindung mit den hohen und ausgeprägten Tal- profilen die Sicherheit, daß man sich in obengenannten Gruben- feldern auf der Fortsetzung des Holzappeier Gangzuges befindet, um so mehr, als über Tage der Zusammenhang im Ausstreichen niemals verloren gegangen ist. Gleich an der Feldesgrenze von Leopoldine Louise hat zwar eine größere Querstörung der Schichten auch einen Verwurf des Ganges hervorgerufen, und man hatte, voreingenommen durch die Bauer-Wenkenbachsche Festlegung des Gangzuges über Wellmich und Werlau hinaus, bis in die neuere Zeit den verworfenen Teil bei Schloß Langenau an der Stelle gesucht (s. Karte 1), wo sich Unterkoblenz an den Hunsrückschiefersattel , ähnlich wie auf Grube Holzappel, anlehnt. Jedoch bestätigt die Erschließuug des Schichtenprofiles im Bernshahner Kopfe bei Weinähr durch Grubenarbeiten und das achtmalige Wiederfinden desselben an den Talgehängen der Lahn und ihrer Nebenbäche die eben erläuterte Fortsetzung des Zuges über den Grat des Holielay und durch die Gebirgs- partien des unteren Mühlbachtales. Diese Tatsache bildet ferner den unmittelbaren Beweis dafür, daß man diese Fort- setzung nach Bauer nicht in dem Vorkommen im Rauschen - bachtale südwestlich von Singhofen suchen kann. Vom Mühlbachtale weiter südwestlich streicht der Gang an der Erdoberfläche selbst wie durch Pingenzüge und Schürf- gräben bemerkbar, in einem nach N.O. geöffneten, sanften Bogen bis an das vor dem Dorfe Oberwies sich hinziehende Seitental des Mühlbaches und wird hier durch eine ziemlich bedeutende Schichtenstörung abgeschnitten, deren Verwurfslinie in h. 8.1. durch das Tal hindurchsetzt und mit der bei der geologischen Landesaufnahme') südwestlich von Sulzbach er- kannten Querstörung in Verbindung steht, die demgemäß bis über Oberwies hinaus zu verlängern wäre. Die scharf ausgeprägte, topographische Beschaffenheit des Ausstreichens hilft an dieser Stelle besonders zur Wiederauf- findung des verworfenen Gangteiles. Zwei in ziemlicher Nähe voneinander und ungefähr 100 m von der Verwerfung ent- springende Quellen fließen nicht in einem gemeinsamen Bette ab, sondern die eine gibt ihr Wasser nach dem Mühlbachtale, ^) Siehe Spezialkarte des lUattes Ems und Dachsenbausen. ~ 91 — die andere nach dem Lahntale hin. So hat jedes Gewässer für sich eine Erosion erzeugt, deren Verlauf in der Nähe der Mündung- mit der Verwurfsspalte zusammenfällt. Beide Ein- schnitte haben ein Streichen, aber entgegengesetzte Richtung und können als ein gemeinsames, großes Tal angesehen werden, das in der Nähe von Oberwies durch einen Quersattel getrennt ist, der von einem Seitengehänge zum anderen hinüber reicht und an dessen B(3schung auf jeder Seite der Austritt je einer der Quellen zu beobachten ist. Diese Talscheide, die ungefähr 150 m im Liegenden des Hauptganges aufgefunden ist, hat das allgemeine Schichtenstreichen und zeigt bei näherer Unter- suchung zwei 150 m auseinanderliegende und an der Ver- werfung endende (^uarzzüge, die zu Tage gehen. Daß diese beiden (länge erzführend sind, beweisen die beiden aus der Gangspalte austretenden, eben erwähnten Quellen, die als so- genannte Guhren, unmittelbar nach ihrem Austritte beginnend, über weite Strecken hin eine über 1 m tiefe Schicht von Eisen- rahm und anderen schlammigen Zersetzungsprodukten abgesetzt haben. Da ferner aus der Schichtenfolge des Nebengesteins hervorgeht, daß tatsächlich ein liegender Verwurf vorhanden ist, dessen Größe etwas mächtiger ist, als die Entfernung zwischen dem Holzappeier und dem neu aufgefundenen Gangzuge beträgt, und da weiterhin kein anderes Quarzvorkoramen süd- westlich der Verwerfung an den in Betracht kommenden Punkten festgestellt werden konnte, so ist ohne Zweifel jener das Tal durchsetzende Querrücken die Fortsetzung des Holzappeier Zuges. An jenen anschließend kann mau das Weiterstreichen des in h.4 bei Beobachtung aller sich bietenden Anzeichen und Hilfsmittel, wie Terrainverhältnissen, Wegeeinschnitten und Schürfi)unkten^) aus ältester und neuester Zeit bis nach dem Dorfe Schweighausen verfolgen, wo in dem gleichnamigen Tale hart an der südwestlichen Ecke des Dorfes abermals eine Störung des Ganges erkannt wurde. Hier verwerfen zwei räumlich wenig getrennte und spießwinkelig aufeinander zu- ^) Nordöstlich von Schweighausen tindet sich ein Pingenzug, der ans vier in h. 4 sich aneinanderreihenden Erdvertiefungen besteht, die von den Bewohnern der Umgegend als Überreste römischer Verteidigungswälle be- zeichnet wurden. Der Gang setzte durch diese hindurch; eine eingehende Prüfung bewies, daß man hier ältere Bergbauversuche vor sich hatte. — 92 - laufende Klüfte, deren Längenausdehnung verschieden ist, den Gang nacheinander um ca. 150 m ins Hangende. Der Verlauf der kleineren Störung ist nicht weiter verfolgt worden, dagegen ist die größere, zu jener südwestlich gelegen, mit der von der Lahn aus über ßecheln und dem Oberhorste in h.7 sich hin- ziehenden Störungslinie in Zusammenhang zu bringen. Es sei besonders hervorgehoben, daß der hier entstandene Verwurf nicht mehr als 150 m beträgt, ein Nachweis dafür, daß Wenkenbach eine Verbindung zwischen der Holzappeier und Werlauer Lagerstätte durch Annahme von hangenden Querverwerfungen nicht konstruieren konnte; denn es wird bei Betrachtung der Karte 1 sofort klar, daß eine Identität zwischen dem Gange bei Schweighausen und der nordöstlichen Fortsetzung des Werlauer Zuges zwischen Ehr und Marienfels nicht vor- handen sein kann; eine Verwerfung von 5 km hat ohne weiteres wenig Wahrscheinlichkeit für sich, und es ist eine so bedeutende Verwurfslänge bei den hier herrschenden Gebirgs- verhältnissen aus bereits früher dargelegten Gründen eine Un- möglichkeit. Daß mit der Annäherung an den Rhein die Ent- fernung zwischen dem Holzappeier und der Richtung des Werlauer Ganges immer größer wurde, ist bereits betont worden. Die Fortsetzung des Ganges von Schweighausen ab bis an den Rhein, seine Lage im allgemeinen Gebirgsaufbau ist wie bisher durch weitere, maßstäbliche Einzeichnung in die Karte 1 gekennzeichnet. Der Festlegung des Ganges boten sich gleich hinter der Oberhorster Verwerfung viele Schwierigkeiten, weil die Gerolle des Oberhorstes das ganze Ganggebiet bedeckten und weil ferner sich der Hauptgang zwischen dem Schweighausener und Dachsenhausener Tal auf kurze Strecken von der Tiefe aus nach der Tagesoberfläche zu zerschlägt. Bei der dichten Be- waldung und der hohen Laubdecke mußten einige Abraumarbeiten vorgenommen werden, deren Ergebnisse dann in Verbindung mit den stellenweise fest anstehend gefundenen Quarzmassen hinreichende Anzeichen dafür lieferten, daß der Zusammenhang hier nicht verloren gegangen war. Auch der Weinährer Gang ist nicht verschwunden, zeigt vielmehr im Ausstreichen eine bedeutendere Mächtigkeit, als der hangende Hauptgang und ist — 98 — mit dem bereits erwähnten Vorkommen identisch, das am Ober- horst und an der Station Hinterwald vorbeizieht und im Dachsen- hausener Tale im verliehenen Felde „Max" Blei- und Blende- erze mit sich führt. Eine Änderung in seiner Entfernung vom Holzappeier Zuge ist jetzt mehrfach festgestellt. Während sich in der Gegend des Dachsenhausener Tales eine Vermehrung seines Abstandes ergibt, findet sich unweit der beiden großen Lierscheider Verwerfungen am Rhein eine Annäherung, die im Rheintale selbst soweit zugenommen hat, daß hier von einem Zwischenmittel zwischen beiden Gängen nicht mehr die Rede sein kann. Es reihen sich ihre Trümer hier dicht aneinander und vereinigen sich zu einem gemeinsamen Ganggebiete, das über den Rhein hinweg in den Hunsrück bis in die Gegend von Ehr durchsetzt, um dann wieder in deutlich getrennte Mittel auseinanderzulaufen. Fünf nachweisbare, größere Störungen durchqueren das Ganggebiet zwischen Schweighausen und dem Rhein, von denen die beiden bedeutendsten in der Nähe des Rheiutales verlaufen und dieses von Dörscheid gegenüber Oberwesel weiter abwärts über Lierscheid bis nach Oberlahnstein begleiten. Die nördlich gelegene der beiden erzeugt am Hohewald den größten, über- haupt im Laufe der Begehung beobachteten Verwurf des Ganges um 350 m. An Erzen zeigten sich in diesem Gangabschnitte zwischen Schweighausen und dem Rheine kleine Einsprengungen von Bleiglanz in Rollstücken ; in der Gangspalte anstehende Blende, Kupferkies und Spateisenstein wurden am rechten Gehänge des Rheintales gefunden, an welchem der Gang bei Kloster Born- hofen austritt. Taf. II a zeigt in der Schichtenfolge des Unter- koblenz die Lage eines 1 m mächtigen Ganges, der von einer Reihe von liegenden Trümern begleitet ist, die als zum Wein- ährer Zuge gehörig angesehen werden können^). In den Uferbergen, auf deren Scheitel sich die Ruinen Sterenberg und Liebenstein erheben, sowie denen der Wihelms- ^) Das Gebiet des Ganges in der Nähe des Rheintales liegt in dem eingemuteten Felde Beul. Die Verleihung ist nicht auf die Erze des Haupt- ganges, sondern auf ein hangendes, besonders Kupferkies führendes Trum erfolgt. In einzelnen Trümern des Zuges wurden am Gehänge Spat- eisenstein und Zinkblende gefunden. - 94 — höhe, die einen ins Bornhof ener Seitental sich erstreckenden Gebirgszug bilden, sind acht verschiedene mächtige Gangtrümer gelagert, die, wie die Terrainverhältnisse auf Tafel II a ersichtlich machen, in drei hintereinander liegenden, hohen Profilen auf- geschlossen sind. Danach setzt sich der Holzappeier Gangzug zwischen beiden Burgen hindurch; unmittelbar auf seinem Aus- striche auf der Höhe des Bergrückens stehen einige Reste der Ruine Liebenstein. Große Gesteinsstücke des Ganges, welche am Abhänge oder auf der Höhe des Berges den Halt verloren haben und ins Rollen gekommen sind, lagern in dem engen und tiefen Tale des Bornhofener Baches und bilden Barrieren, über die das Wasser hinwegsetzt. Bei seinem Austritt in das Rheintal erkennt man am Gehänge im Mühlbachtale eine Störung des Ganges im Einfallen. Es scheint hier durch das Rheintal eine Bank durchschnitten zu sein, denn das Profil zeigt eine Flexur des Ganges. Ob diese zerrissen ist, wie es den Anschein hat, ist jedoch nicht deutlich zu beobachten, da eine dichte Masse zertrümmerter und verwitterter Schichten einen Teil des Ganges gerade an der Umbiegung bedeckt. Durch das Flußtal ist der Gang der Beobachtung auf eine Breite von 4 — 500 m entzogen. Es ist jedoch die Annahme berechtigt, daß hier der Zusammenhang nicht verloren gegangen ist, daß vielmehr der Gang unter dem Flußbette des Rheines hindurchsetzt, ähnlich wie es bereits bei den Gängen von Wellmich und Werlau durch Grubenbauten bekannt geworden ist. Denn wenn auch das hohe, steile und scharf ausgeprägte Profil des rechtsseitigen Gehänges auf der linken Seite nicht mehr angetroffen wird , vielmehr gegenüber von Bornhofen, nordöstlich von Salzig, sanft ansteigendes Wiesengelände und Weinbergsanlageu vorhanden sind, so kann man doch an allen Wegeeinschnitten und besonders an den wenigen Weinbergs- terrassen, die die Richtung des Ganges auf der linken Rliein- seite kreuzen, eine mit Quarz erfüllte Gangspalte und damit gleichzeitig feststellen, daß der Gangzug ohne eine merkliche Unterbrechung seiner Streichrichtung durch den Rhein grad- linig hindurchsetzt. Die Verschiedenheit im Aufhau der beiden Ufer ist bei der erheblichen Breite des Rheintales ohne weiteres verständlich. Ein bestimmteres Urteil, ob der Gang vielleicht — 95 — an einer Spalte im Rhein abgesunken oder durch eine solche seitwärts einige Meter verworfen ist, ließ sich bei der Gleich- mäßigkeit der gaugbegleitenden Schieferschichten und der Breite des Stromes nicht gewinnen. Der Gangzug tritt nordwestlich von Salzig, unmittelbar den Ruinen von Sternberg und Liebenstein gegenüber, mit einer 1,25 m mächtigen bankig abgesonderten Quarzschicht, in der Spuren von Bleiglanz gefunden wurden, über die Erdober- fläche hervor und ist im Hangenden und Liegenden von kleineren Quarztrümern begleitet. Durch Weinberge und Wiesen am Ufer hindurch ist er im Streichen von h. 4 über die Höhe des nach allen Seiten steil abfallenden Graßkopfes hinweg zu verfolgen. c. Die Fortsetzung dieser Untersuchungen im Hunsrück. Bei der weiteren Begehung des vom Gangzuge durcli- setzten Gebietes beeinflußte das Fehlen eines detailierten Karten- bildes, wie das des bisher benutzten Meßtischblattes (1 : 25000), die Genauigkeit der geologischen Aufnahme recht ungünstig. ') Da die Anwendung eines kleineren Maßstabes von 1 : 100000 nur die allgemeine, räumliche Verbreitung einer geologischen Formation, sowie die Grundzüge der Tektonik größerer Massen in übersichtlicher Weise darzustellen gestattet, nicht aber die getreue Wiedergabe der Lagerungsbeziehungen eines Ganges zu seinem Nebengestein, so mußte die graphische Darstellung des Gangzuges aus Mangel einer solchen Spezialkarte unter- bleiben und ein, wenn auch unvollkommener Ersatz für das Meßtischblatt, das als Unterlage für das bisher durchgeführte, geologische Kartenbild gedient hatte, in der allgemeinen Über- sichtskarte (Generalstabskarte 1: 100000, s. Karte 2) gesucht werden. Die weitere geologische Durchforschung des Gang- gebietes konnte sich daher nicht mehr mit den Einzelheiten in der Lage der Gänge zum Nebengestein, seinem plötzlichen Abweichen aus seiner Streichrichtung durch Verwurf oder andere Störungen und ähnlichen genaueren Feststellungen be- schäftigen, sondern mußte sich auf das Bestreben beschränken, ') Die Begehung fand im .Jahre 1903 statt. - 96 — den Zusamraenhaug und die Richtung des Gangzuges nicht zu verlieren und Einblick darüber zu gewinnen, ob und in welcher Weise die, wenn auch noch fragliche Fortsetzung des (langes sich an das seit Jahrhunderten bekannte Erzvorkommen an der oberen Mosel angliedert. Der Gebirgskomplex auf der linksrheinischen Seite, der im Streichen des Gangzuges gelagert ist und in dem sich die Fortsetzung der rechtsrheinischen Gangspalte aufbaut, be- schränkt sich auf das Dreieck im Hochplateau des nordöstlichen Hunsrücks, das im N.O. von der Rheinfurche, im N.W. von den Bergzügen des Soonwaldes, Idar- und Hochwaldes begrenzt wird. Der geologische Aufbau dieses Gebietes gleicht den in nordwestlicher Fortsetzung auf dem rechtsrheinischen Ufer an- stehenden Gebirgspartien, in denen die Holzappeier Gang- spalten aufsetzen, vollkommen. An seiner Zusammensetzung beteiligen sich in breiter Zone vorwiegend die unteren Coblenz- schichten, in die Quarzitzüge eingelagert sind und als deren ungefähre Grenze gegen die Hunsrückschiefer die Verbindungs- linie zwischen St. Goar und Bernkastei angenommen werden kann. Die hier anstehenden unteren Coblenzschichten sind, wie die der nördlichen Ausläufer des Taunus zwischen Lahn und Rhein, mit Hunsrückschiefer und ähnlichen Gesteinen durchsetzt, die gute Dachschieferlager in beträchtlicher Ausdehnung aufweisen und im Schichtenstreichen von WSW. nach ONO. gelagert sind. Auch hier im Hunsrück ist eine starke Faltung des Gebirges, ein Zusammenpressen und Überkippen von Sätteln und Mulden mit großer Regelmäßigkeit zu beobachten. Sämtliche Schichten streichen mit verschwindenden Ausnahmen in li.4, wie die zahl- reichen Aufschlüsse in den Quertälern erkennen lassen. In dem Grade der Neigung gegen den Horizont herrscht jedoch große Verschiedenheit. Mit der Entfernung vom Rhein landeinwärts in der Streichrichtung des Ganges wird die Lagerung kom- plizierter und weist in der Nähe der Mosel überaus intensive, tektonische Sti)rungen auf, z. B. in der Umgebung von Zell, wo überkippte Schichten mit SO. Einfallen mit überkippten, nach SW. einfallenden Schichten eine große Mulde bilden, und im Hirtzelbachtale mit seiner nach SO. erfolgten Überkippung und Aufsattlung der Schichten. Die Aufschlüsse der nach O. und NO. von Zell aus auf die Hochfläche führenden Wege — 97 — geben reichlich G^elegenheit, die intensiven Störungserscheinungen der südlichen Ecke des Ganggebietes wie Faltungen, Sättel, Mulden, Verschiebungen und andere Wirkungen der starken Pressung in dichter Aufeinanderfolge zu beobachten. Von jüngeren Ablagerungen auf den Devonschichten, welche die schon aus der Tertiärzeit herrührende Hochfläche des Hunsrücks aufbauen, kommen im Gauggebiete nur tertiäre und diluviale in Frage. Die tertiären Bildungen, die besonders zwischen dem Soonwald und der Mosel eine große Verbreitung zeigen, bestehen aus gelbem bis gelbweißem Sande, grauweißen Tonen und Quarzgeröllen , Sandsteinen und Konglomeraten. Auf der Hochfläche des Hunsrücks kommen ausgedehnte Lehm- decken vor, die aus Letten und grauen bis grauweißen Tonen bestehen und ein Verwitterungsprodukt von unteren Coblenz- schichten und Hunsrückschiefern sind. Man nimmt oft wahr, wie die Schiefer sich nach dem Plateau hin bräunen und gelb werden, wie sich die Struktur der Schiefer mehr und mehr verliert und das Gestein in Ton und Lehm übergeht. Diese ausgedehnten Vorkommen bedecken z. B. tertiäre Bildungen und werden dem ältesten Diluvium zugerechnet. Auf der plateauförmigen Höhe findet sich ferner dem diluvialen Sand und Lehm vulkanischer Sand beigemengt. Die Physiognomie des Ganges, die zwischen Lahn und Rhein immer deutlich hervorgetreten war, bietet im Hunsrück, soweit es von Tage aus festzustellen war, das gleiche Bild wie auf der rechten Seite des Rheines. Klippenartiges Hervorragen mächtiger Gangquarzmassen wechseln mit Aufschlüssen schwacher Quarztrümer und welligen, durch das Ausstreichen des Gang- zuges veranlaßten Konturen im Gelände stetig ab. Neue Er- scheinungen im Aufbau des Ganges wurden nicht beobachtet. Die Begehung des linksrheinischen Gebietes schloß sich an das nordöstlich von Salzig im Rheintale festgestellte Vor- kommen an. An den steilgelagerten, scharfgekämmten Berg- rücken der südlichen Fortsetzung des Bopparder Waldes konnte mit nicht allzugroßen Schwierigkeiten die Fortsetzung der Quarzspalten über den Abhang des Graßkopfes hinweg nördlich der Fleckertshöhe durch das Holzbachtal hindurch bis in das bei Ehr auf Kupfer verliehene Feld erkannt werden (Karte 2). Die bei Ehr im „Neuen Bachtale" in der Mitte vorigen Jahr- — 98 - hunderts erschürften und in h.4 anstehenden Erzgänge sind Teile des gesuchten Gangzuges. Um Ehr herum und in süd- westlicher Richtung fortschreitend geht das in der Nähe des Rheines noch stark gebirgige Terrain allmählich in ein hoch- gelegenes, sanftes Gebirgsland über, das jedoch in den Tal- einschnitten der zahlreichen, nach der Mosel abfließenden Gebirgsbäche meist einen bis zur Rauheit ausgeprägten Charakter annimmt. Die zahlreichen Wasserflüsse, die im Hochplateau ansetzen und anfangs parallel zum allgemeinen Schichten- streichen verlaufen, durchbrechen diesen bald quer zur Streich- richtung und nehmen einen ziemlich geraden Verlauf, als die Folge eines großen Gefälles und einer starken Vertikalerosion. Sie bieten an ihren Gehängen, die durchweg steil und reich an Klippen und Felsen sind, die besten Aufschlüsse zum klaren Erkennen der Gangfortsetzung, was auf dem Hochplateau durch die ausgedehnten Decken von Lehm und anderen Verwitterungs- produkten sehr erschwert wird. Auf dieser Hochebene ist das Ausstreichen eines stärkeren Quarzganges immer durch flach- wellige Rücken markiert ; dagegen bleibt der Austritt schwacher Trümer fast regelmäßig wirkungslos auf die Oberflächengestaltung. Daher geschah es in dem Gebiete zwischen Ehr und Corweiler mehrere Male, daß die Fortsetzung des Spaltensystems sich auf kurze Strecken unter den horizontalgelagerten Schotter- und Lehmdecken der Beobachtung entzog. Das Wiedererscheinen der Trümer genau im Streichen des Zuges ließ jedoch Zweifel an der Zusammengehörigkeit dieser Trümer mit jenem nicht aufkommen. Es gelang, den Verlauf des Gangzuges, der im Grubenfelde „Kronprinz" bei Ehr zuletzt festgestellt war, südlich von Halsenbach durch den Liesenfelder Bach hindurch über die Hochebene bei Liesenfeld zu verfolgen und seine genetische Zusammengehörigkeit mit dem Erzvorkommen in dem auf Blei, Kupfer, Silber und Zink verliehenen Felde „Petrus" bei Sevenich zu erkennen. Die Versuchsbauten, die hier in den fünfziger Jahren vorigen Jahrhunderts ausgeführt wurden, ergaben neben einer Reihe schwacher Trümer das Vorhandensein van zwei großen, in h.4 streichenden Quarz- gängen mit geringem*) Blei- und Kupfergehalte. *) Die bergmännische Ausbeute ist eine sehr geringe geblieben und der Grubenbetrieb sehr bald aufgegeben worden. - 99 — In südwestlicher Richtung streicht der Gang durch das Beybachtal und zwei seiner linksseitigen Nebentäler südlich von Heyweiler und Mannebach vorbei in das Grubenfeld „Friedrichsglück" bei Corweiler. Die in diesem Grubenfelde anstehenden zwei Gänge wurden als die nordöstlichen Ausläufer einer schon in früherer Zeit bekannt gewordenen Gruppe von Gängen betrachtet, die in einer Streichlinie liegen, das gleiche raineralogische und geologische Verhalten zeigen und unzweifel- haft einem gemeinsamen Gangzuge angehören. Die Gruppe schließt sich unmittelbar im Streichen an die aufgefundene Fortsetzung der rechtsrheinischen Lagerstätte an und zieht sich an den Ortschaften Mörz, Buch, Masterhausen, Reidenhausen, Blankenrath und Tellig vorbei bis in die Gegend südlich von Zell an der Mosel. Über die Beschaffenheit der Gangverhältnisse des Zuges zwischen Corweiler und Zell gibt folgende Zusammenstellung der erschürften Gänge, die mit den Grenzen der verliehenen Grubenfelder auf Karte 2 aufgetragen sind, näheren Aufschluß: Name Anzahl bedeu- tender Gänge Mäch- tig- keit m Mine- ra- lien SO. Ein- fallen Streichen Fund- punkt bei Zahl der be- fahr- baren Auf- schlüsse Friedrichsglück 2 1,10 Pb. Cu. kg.Zn. 40—50 h. 4 Corweiler 2 31örz .... 2 0,50 Pb.Zn. 40 h. 4 Mörz 4 Diana . . . 2 0,35 1.10 Pb. Cu. Ag.Zn. 40 h. 4 Buch 5 Apollo . . . Scheidenglück . 2 2 1,10 1,30 1,30 dt. Pb. Cu. Zn. 40 50 h. 3-4 h.4 Master- hausen do. 2 3 Gutglück . . 2 1,00 Pb.Ag. Cu.Zn. 60-70 h. 3—4 Reiden- hausen 2 Heinrichsfeld . 2 1 0,80 dt 60 h.4 Blanken- rath 9 Theodor . . . 2 0,40 dt 60 h. 4 Teilig 3 Zell .... 1 3 1,50 Ag. Cu. 60 h. 3—4 1/2 Zell 6 7* — 100 — Infolge dieser zahlreichen Grubenaufschlüsse, ferner einer großen Reihe von Schürfversuchen mittels Stollen und Pingen- zügen, sowie vor allem dank dem Umstände, daß das Hoch- plateau einen mehr gebirgigen Charakter annahm, konnte der Zusammenhang der einzelnen Gänge in dem Gebiete zwischen Corweiler und Zell mit Sicherheit verfolgt werden. Bemerkens- werte Querstörungen, die das Streichen des Ganges besonders beeinflußten, fanden sich im Deimbach-, Flaumbach- und Linnischbachtale. Die Begehung endete bei Zell an der Mosel. IV. Zusammenstellung der wichtigsten, durch die Begehung erzielten Ergebnisse. Die Untersuchung des Ganggebietes hat zu einer Eeihe bemerkenswerter Ergebnisse geführt, die im folgenden kurz zusammengefaßt werden sollen: 1. Die Ausführungen Bauers und Wenkenbachs, daß die südwestliche Fortsetzung des eigentlichen Holzappeier Zuges bei Wellmich, Werlau und Peterswalde zu suchen sei, müssen als unrichtig aufgegeben werden. Der Gangzug streicht vielmehr an den Ortschaften Oberwies, Schweig- hausen und Dachsenhausen vorbei bei Bornhofen durch das Rheintal und nimmt seinen weiteren Verlauf über Ehr, Liesenfeld, Sevenich in die Gegend von Corweiler, wo er sich an eine bis Zell erstreckende Gruppe von Gängen unmittelbar anschließt. Der Holzappel-Zeller Gangzug hat ein Generalstreichen von h, 4.2 und in seinem nordöstlichen, wie südwestlichen Teile ein Einfallen von 60*^, das sich nach der Mitte zu bis auf 40 '^ verflacht. Die Streichrichtung bildet eine gerade Linie, die sich erst kurz vor ihrem südwestlichen Ende sanft nach NO. wölbt. Sie ist im Rheintale von der StreichHnie des Wellmich- Werlauer Zuges 5 km, und bei Zell 18 km. von dieser entfernt. 2. Nach der bisherigen Annahme*) sollten die genannten Erzvorkommen bei Ehr, Liesenfeld und die übrigen zwischen Corweiler und Zell auftretenden Gänge in einer *) Beschreibung des Bergreviers Cobienz II, Seite 34. - 101 - Schichtenzone liegen, die von Castellaun über Sevenich auf die am Bopparder Hamm aufsetzenden Erzgänge zu- streicht und als deren Fortsetzung auf der rechten Rhein- seite die Gänge von Braubach und Ems betrachtet wurden. Diese Annahme muß bei dem dargestellten Verlauf des Holzappel-Zeller Gangzuges als unrichtig aufgegeben werden. 3. Das Rheinische Schiefergebirge wird im spitzen Winkel zum Streichen seiner Schichten und in nahezu gerader Linie von Holzappel a. d. Lahn bis Zell a. d. Mosel von einem 66 km langem Spaltennetz von 40 — 50 m Breite durch- brochen. In der Regel beobachtete man eine größere Spalte in Begleitung kleinerer Trümer. Für die Annahme, daß die Fortsetzung des eigentlichen Holzappeier Haupt- ganges mit dieser Hauptspalte in der ganzen Ausdehnung des Gangzuges identisch sein könnte, konnten jedoch sichere Beläge nicht erbracht werden. Die Hohlräume der Spalten sind mit Quarz und Erzen ausgefüllt. Die Zusammensetzung dieser Gangmasse wechselt in einer gewissen Gesetzmäßigkeit. Während man im nordöstlichen Teile des Gangsystems eine Anhäufung von Erzen — unter diesen besonders von Bleiglanz — sowie eine geringe Beteiligung von Quarzmassen feststellen kann, findet man mit dem Fortschreiten nach SW. ein Zurückgehen von Bleiglanz und Zinkblende und eine Zunahme von Kupfer- kies unter gleichzeitiger, starker Entwicklung von Quarz- massen, die stellenweise sämtliche Erze verdrängen. Mit der Annäherung an die Mosel überwiegt dann wieder der Gehalt an Zinkblende. 4. Es wurde die Beobachtung gemacht, daß ein großer Teil der Querstörungen des Gangspaltensystems mit den Neben- tälern der Lahn und der Mosel zusammenfällt, so im Lalmtale bei Obernhof, im Mühlbach- und Dachsenhäuser- tale, in einem Bache bei Schweighausen, ferner im Deimbach-, Flaumbach-, Linnischtale und anderen. Diese Gangstörungen bilden somit einen Beweis dafür, daß sämtliche Nebentäler der Lahn und, wie beobachtet werden konnte, ein großer Teil der Bachtäler im Hochplateau des Hunsrücks an den Stellen, wo sie vom Gange durch- setzt werden, deutliche Spaltentäler sind. Dagegen waren - 10^ - im Rheintal keine Anzeichen für Verwerfung des Gang- zuges vorhanden. Er ließ sich auf beiden Ufern ohne Verschiebung landeinwärts verfolgen. Dem Alter nach, sowie nach dem räumlichen Aufbau der Spalten sind zwei Arten von weißen Gebirgsgängen zu unter- scheiden. Die einen, die als „Gangbegleiter" nahezu parallel den Erzgängen verlaufen, vereinigen sich stellen- weise mit der Erzgangspalte, wie auf Grube „Gute Hoffnung bei Werlau". Auf Grube Holzappel nähert sich der hangende, weiße Gebirgsgang stetig dem Hauptgange, so daß auch hier mit Sicherheit ein Zusammenlaufen der Spalten angenommen werden kann. Die zweite Art der weißen Gebirgsgänge bilden die Quergänge, die den Erz- gang und auf Grube Holzappel auch den hangenden, weißen Gebirgsgang durchsetzen. Daß Gangbegleiter, Erzgänge und Quergänge ein verschiedenes Alter besitzen müssen, beweist die Struktur des Gangmittels und das erwähnte Profil aus der 11. Tiefbausohle der Grube Holz- appel (Tafel II b). Der Quergang hat als liegender, weißer Gebirgsgang den Hauptgang und den hangenden, weißen Gebirgsgang durchschnitten und den Zusammenhang in der Ausfüllungsmasse der Spalten zerrissen. Er liegt, nur durch einen schmalen Lettenbesteg getrennt, auf dem hangenden Saalband des hangenden, weißen Gebirges und hat diesen, wie das Profil zeigt, keilartig zusammen- gepreßt. Ein ähnliches Verhalten zeigt auch der Quer- gang auf Grube „Gute Hoffnung" bei Werlau, nur mit dem Unterschiede, daß das Durchsetzen eines Gang- begleiters bisher noch nicht aufgeschlossen worden ist. Bei Begehung des Geländes und der Untersuchung der Grubenbauten zwecks Festlegung der südwestlichen Fort- setzung des Holzappeier Gangzuges war schon in der Nähe des Mühlbachtales der hangende, weiße Gebirgsgang im Ganggebiete nicht mehr festgestellt worden : man darf vermuten, da er in der Grube Holzappel eine stetig zu- nehmende Entfernung vom Hauptgauge gezeigt hatte, daß er bereits aus dem Bereiche des Holzappeier Zuges nach 0. hin ausgetreten ist. Beobachtet man weiterhin, daß die bisher in der Nähe des Rheines bekannt ge- - 103 — wordenen, weißen Gebirgsgänge in einem zwischen Nieder- Kestert und Oberwesel nach NW. und SW. sich aus- dehnendem Gebiete liegen, so wird die Annahme einer weißen Gebirgsgangzone nicht unberechtigt sein, deren Generalstreichen durch eine Verbindungslinie zwischen Holzappel und Wellmich dargestellt wird. Das Spalten- system dieser Zone ist dann als ein von dem der öst- lichen Ganggruppe unabhängiges anzusehen. 6. Die bei der geologischen Landesaufnahme erkannten Störungslinien südwestlich von Sulzbach und am Oberhorste sind weiter nach Südwesten zu verlängern. Htrd.SfiwkfnhNalüri'.ties. /WW ft 7 ./ Siinkriih. Aittiiil' lii y /' Telle der Generalstabskarte No 504 5 Grundrissliche Darstellung des Holzappel-Zeller Gangzuges zwischen Rhein und Mosel Maß'itab 1 100000 Farben Erklärung- Grenzen der auf dem Holzappel Zeller Gangzuge verliehenen Grubenfelder Grenzen der auf dem Holzappel Werlauer Gangzuge (Bauers und Wenkenbachs) verliehenen Grubenfelder ^3 Holzappel Zeller Gangzug E! Bauers und Wenkenbachs Holzappeier Gangzug in seiner f^ortsetzune über Wellmich und Werlau />(7: iLSctukciih Xafur/.'dcs. IfXHi. 'l,ii:i Gangprofil aus dem Gelbachtale bei Weinähr. Lahntal Gangzug bei Schweighausen I Mühlbachtal \ Hoheley Bernshahner Kopf Gelbachtal Ausstreichen des Ganges, vom Goethepunkt aus gesehen. SnBgJqußli SHBgasiidsO lazaiaW i muiT asbnassiJ rnuiT asbnasnßH .iffßnfaW lad dlßtffoßdldO mob zub IftoiqsnßO IßJriDßdIaO n92Ußri§i9wri32 isd ausgnsO IßJnrfßJ IßJriDßdIriüM yalarfoH ; ; ^qo)J isnrißriamea notiQZQ-g auß JjTnuqarilaoO mov ^assnßO asb nsrioisitgawA Bri-.dSctich'iih Xiitin-r. dr.s. lf)0(i. Ihr.L Bct: d. Scnckenh Natiu-f. Oes. 1906. Tatl. Austritt des Gangzuges in das Rheintal. JO» ^ :^^m Streckenprofil in der 11. Tiefbausohle der Grube Holzappel anßsJqußH niaJznadaiJ §i9dn9i9J2 sriörfarnlariliW gnßgJqußH lana^orimoa .Ißtniöffyi 8ßb nl assus^nfiO asb iihisuA In'V.d.Scuckruh Xtifiu-f' (h\s. 1906. T(it:il. Streckenprofil in der 11. Tiefbausohle der Grube Holzappel — 105 — Über einige eigentümlicli gefärbte und gezeichnete, besonders melanisclie Grasl'rösche. Von Prof. Dr. C. B. Klunzinger in Stuttgart. (Mit drei Abbildungen in Farbendruck (Taf. III und Taf. lY, Fig. 1 und 2) und 16 Abbildungen im Text). Im Jahr 1903 veröffentlichte ich in den Jahresheften des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg S. 267 — 297 eine Abhandlung über „Melanismus bei Tieren im all- gemeinen und bei unseren einheimischen insbesondere". Die Veranlassung dazu gab der Fund eines Frosches bei Kloster- Reichenbach im Murgtal bei Freudenstadt, der ganz eigentümlich gezeichnet und gefärbt war, und den ich als besondere Varietät mit dem Namen reichenbachensis bezeichnete.^) Da auch noch gar manche andere Tierarten dieser Gegend eine auffallend dunkle oder schwarze Färbung zeigen, vor allem Arion eniyiricorum (fast stets tiefschwarz, selten dunkelbraun mit rötlich gestricheltem Seitenrand, nie rot), Limax cinereo-niger Wolf (= maxirmis L.), Helix {Arionta) arbustorum L. (Tier tiefschwarz. Schale ebenfalls dunkler als sonst), da ferner auch die Kreuzotter meistens als sogenannte tiefschwarze Vipera {Pelias) prester auftritt und, wie ich neuerdings zu sehen Gelegenheit hatte, die Forelle sehr oft im Forbach (Zufluß der Murg bei Freudenstadt) und in dessen 1) Am 20. Juli 1904 bemerkte ich einen ebenfalls auffallend schwarzen Frosch in Maloja im Engadin im Qestrüpp bei den ületschermühlen am Hügel beim Schloü Belvedere, er entkam mir aber. — 106 — Nebenbäcben, wie auch in den dortigen Fischteichen des Fisch- züchters Ferd. Graf in Christophstal dunkel, ja schwarz ist, wie auch der dort künstlich gezüchtete Bachsaibliiig, so verband ich diese Tatsachen zu der allgemeinen Erscheinung des Melanismus im dortigen Schwarzwald, wenn er sich auch nur auf gewisse Tiere erstreckt. Andere sind dort gewöhnlich gefärbt, z.B. Limax arborum erschien braun, fast fuchsrot, so daß ich diese Schnecke beim ersten Anblick für einen ausnahmsweise roten jungen Avion empiriconim hielt. Auch der Laubfrosch ist so schön grün als anderswo. Über die Ursachen dieses Melanismus habe ich mich in der obigen Arbeit 1903 eingehend verbreitet; neuerdings, nach meinen Beobachtungen bei meinem letzten Aufenthalt in jener Gegend, 7. — 23. August 1906, bin ich geneigt, dem dortigen moorigen, an Hum us säuren reichen und dadurch mehr oder weniger gefärbten, wenn auch scheinbar so klaren Wasser der Bäche und Quellen, das vielfach den Grund dunkel oder braun erscheinen läßt durch Niederschläge humussaurer Salze, ^) einen vorwiegenden Einfluß auf die dunkle Färbung jener Tiere zu- zuschreiben, sei es durch direkte Aufnahme und Verarbeitung, sei es indirekt durch Nachahmung des Untergrunds. Ähnlich mag es sich auch beim schwarzen Alpen salamander verhalten und anderen Tieren der Gebirge, die meist moorreich sind, sowie bei dem in meiner obigen Arbeit nicht erwähnten Auer- und Birkhahn, als mehr seßhaften Vögeln und bei Schmetterlingen aus man- chen Gegenden der Alpen, z. B. beim Albulapaß in Graubünden, wo melanische Formen äußerst häufig sind, wie ich in der Sammlung des Ingenieurs Roth in Cannstatt fand. Auch die Eichhörnchen bei Freudenstadt sind vorwiegend dunkel oder schwarz. Ley dig betont mehr den Einfluß der Feuchtigkeit überhaupt (siehe meine Arbeit 1903, S. 290). Mein besonderes Augenmerk richtete ich aber auf die F r ö s ch e. Zunächst suchte ich die oben erwähnte Abart, var. oder aberratio ^) reichenbachensis^ mit dem tiefschwarzen Rücken wieder zu er- -) Durch solche wird auch der für den Wald so schädliche, erst neuer- dings bei Aufnahme der geologischen Karte als in dieser Gegend außerordent- lich verbreitet sich erweisende sogenannte „Ort stein" verursacht. ^) Bei der Seltenheit des Vorkommens ist der Ausdruck „aberratio" vorzuziehen. — 107 — laugen; es gelang mir nicht. Doch ist einige Hoffnung dazu vorhanden, da mir der oben erwähnte Fischzüchter Graf in Christophstal versprach, im nächsten Frühjahr solche zu schicken, wenn in seinem Weiher die laichenden Frösche (Grasfrösche) sich sammeln ; diese werden vertilgt, da sie den Fischen schädlich sind, indem sie sich (die Männchen), wenn sie keine Weibchen finden, auf die Fische setzen und diese mit ihren Umarmungen erwürgen. Bald erhielt ich aber von Herrn Schullehrer L. Scheible in Friedrichstal bei Freudenstadt am Forbach, schon im Som- mer 1903, mehrere Sendungen von lebenden Grasfröschen, einige auch aus Schussenried in Oberschwaben vom dortigen großen Torfmoor, woher ich auch schon 1894 einige erhalten hatte, sowie aus Isny im Allgäu. Da auch die Frösche aus Friedrichstal zum Teil auffallende Zeichnung und Färbung zeigten, ließ ich einige derselben unter Beihilfe meines Kollegen V. Hacker an der Technischen Hochschule in Stuttgart durch die Malerin Marian H. Mühlberger nach lebenden Exemplaren in Wasserfarben malen (s. Taf. IV Fig. 1 und 2), die oben er- wähnte aberr. reichenhachensis aber (Taf. III) nach dem in For- malin seit 1902 konservierten Exemplar, doch unter Berück- sichtigung der noch am lebenden Tier gemachten Notizen. Bei meinem neulichen Aufenthalt in Freudenstadt erhielt ich bei einem abendlichen Gang am 10. August 1906 in der nächsten Umgebung von Friedrichstal durch die Findigkeit der dortigen Schuljugend beiderlei Geschlechts und unter der Führung ihres Lehrers Scheible noch weitere 7 — 8 Exemplare nebst einer Anzahl junger, aber verwandelter Tiere, so daß ich nun ein genügendes Vergleichungsmaterial hatte. Ich machte zunächst meine Notizen über die Färbung im Leben, über Größe und Ge- schlecht, setzte die Tiere dann in Formalin, wo sie sich aller- dings sehr veränderten, besonders ins Rote vom Braunen, und später in Weingeist. Von den bekannten fünf als „gute Arten" unterschiedenen deutschen Arten der Gattung Rana habe ich von a) der escu- /ewte-Gruppe oder den grünen Arten mit 1. R. esculenta L., 2. B,. ribibunda Pflüg. = fortis Boulanger zunächst noch keine in jener Gegend gefunden, b) Von der ifem^orana- Gruppe oder den braunen Arten haben sich alle dort gefundenen Exemp- — 108 — lare als R. temporaria L. i. e. S. =■ R. fusca Rösel = j)latyrhina Steenstr. = R. muta Laur. (Diirigen) oder Grasfrosch er- wiesen. Die vierte Art R. agilis Thorn. = gracilis Böttg. oder der Springfrosch ist in Württemberg noch nicht gefunden worden, wenn er auch sonst aus einigen Orten Süddeutschlands (Straßburg, Würzburg, Traunstein) angezeigt wurde. Die 5. Art : R. arvalis Nils. ■= oxyrhina Steenstr. oder der Moor- (oder Feld-) frosch käme für unsere Gegend besonders in Betracht, da er an Mooren seinen Lieblingsaufenthalt hat und, wenn auch in Ost- und Nord-Europa vorherrschend, doch auch vom Rhein, vom Elsaß und von der Nordschweiz gemeldet wird. Aber trotz eifrigen Nachforschens in unseren württembergischen Moorgegenden und Untersuchung der zahlreich in solchen ge- fundenen Exemplare hat sich noch keines als echter Moorfrosch mit seinen Hauptkennzeichen : schaufeiförmigem Mittelfußhöcker, kurzer spitzer Schnauze, dünner ^k Schwimmhaut, einfacher Daumenschwiele beim